Das Ordnungsdenken im christlich-orthodoxen Raum: Nation, Religion und Politik im öffentlichen Diskurs der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Siebenbürgens in der Zwischenkriegszeit (1918¿1940) 9783631705766, 9783631880081, 9783631880098, 363170576X

Das Buch rekonstruiert die Konzeption der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens über die soziale Ordnung Rumäniens in der Zwis

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Title
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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
I.1. Vorbemerkungen
I.2. Methodologische und begriffliche Grundlagen
I.2.1. Warum die ROKS in der Zwischenkriegszeit? Begründung der institutionellen und temporalen Auswahl
I.2.2. Zielsetzung und Struktur der Argumentation
I.2.3. Forschungsstand
I.2.4. Die Grundbegriffe der Forschung
I.2.4.1. „Ordnung“ als Oberbegriff: Das Paradigma „das Ganze und seine Teile“
I.2.4.2. Der Begriff der Nation im Rahmen der Nationalismusforschung
I.2.4.2.1. Primordialismus: Die Nation als ontologische Gegebenheit
I.2.4.2.2. Modernismus: Die Nation als soziales Konstrukt
I.2.4.3. Die Beziehungen zwischen Religion/Kirche und Politik/Staat
I.2.4.4. Politische Theologie und die Themenkonstellation: „Das Vorpolitische – das Politische – die Politik“
I.2.5. Die Quellen: Die Presse und die Öffentlichkeit der Kirche
I.2.6. Die Kirchenelite, die Ordnung und die poietische Funktion des Diskurses
II. Der historische Kontext
II.1. Die ROKS und die Staatsmacht innerhalb des Habsburgerreiches
II.1.1. Die Abschaffung der orthodoxen Metropolie Siebenbürgens. Die Griechisch-Katholische (Unierte) Kirche und die Anfänge der rumänischen Nationalbewegung
II.1.2. Der „Moment aguna“ in der Geschichte Siebenbürgens
II.1.2.1. Die politische Tätigkeit agunas
II.1.2.2. Die kulturelle Tätigkeit und die Kirchenverwaltungsreform: Das Organische Statut
II.1.3. Die ROKS zwischen 1867 und 1918
II.2 Der kirchliche und politische Kontext zwischen 1918 und 1940
II.2.1. Die 1920er Jahre: Eine Epoche der kirchlichen und politischen Strukturreformen
II.2.1.1. Exkurs: Kirche und Staat in der modernen Geschichte Rumäniens
a) Das byzantinische Muster
b) Moderne Staatlichkeit und politische Kontrolle der Kirche
II.2.1.2. Die einheitliche Ordnung der Rumänisch-Orthodoxen Kirche und die Harmonisierung der regionalistischen Spannungen
II.2.1.3. Die Verfassung von 1923 .................................................................... 65
II.2.1.4. Das Konkordat mit dem Vatikan ......................................................... 66
II.2.1.5. Die Verstaatlichung der orthodoxen Konfessionsschulen .................. 67
II.2.2. Die Entwicklung des politischen Lebens in den 1930er Jahren ............. 67
III. Der Nationsdiskurs der ROKS zwischen Theologie der Nation und Teleologie der Geschichte
III.1. Rumänischer Traditionalismus und der Imperativ der Organizität
III.2. Orthodoxer Traditionalismus oder der Orthodoxismus als Kristallisation der Konstellation Nation-Religion-Politik
III.2.1. Nichifor Crainic
III.2.2. Nae Ionescu
III.2.3. Nicolae B lan – Dumitru St niloae – Nichifor Crainic und der Beitrag der ROKS zum Orthodoxismus
III.3. Nicolae B lan und die christlich-orthodoxe Rezeption des Herderianismus
III.4. Der Nationsdiskurs als Teil der christlichen Geschichtstheologie
III.5. Von Transzendenz zu Immanenz: Strukturelemente der rumänischen nationalen Identität
III.5.1. Selbstreferentielle Gestaltung der nationalen Identität
III.5.1.1. Die geschlossene ethnische Gemeinschaft
III.5.1.2. Die Sprache als existenzielles Phänomen
III.5.1.3. Die Nation-Konfession und „das Rumänische Gesetz“/ „das Gesetz der Vorfahren“
III.5.2. Die Gestaltung der nationalen Identität durch Abgrenzung
III.5.2.1. Gemeinschaft vs. Gesellschaft, Orient vs. Okzident und die soteriologische Funktion der Nation-Konfession
III.5.2.2. Nationale Identität aus der Perspektive der interkonfessionellen Kontroversen: „Katholizismus oder Nation?“
III.5.3. Die Wahrnehmung der Unierten Kirche durch die ROKS: Gestaltung der nationalen Identität durch Integrierung des „Anderen“
III.6. Zusammenfassung
IV. „Die Orthodoxen sind die Nation, die den rumänischen einheitlichen Nationalstaat bildet“. Kirche und Staat als komplementäre Äußerungsformen der Nation-Konfession
IV.1. „Der große Mose unserer Kirche“. Andrei aguna als idealtypische Verkörperung des Regionalismus der ROKS
IV.2. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Spannungsfeld zwischen agunianismus und Byzantinismus
IV.2.1. Die Ablehnung des agunianismus
IV.2.2. Verteidigung des agunianismus: Die entwicklungsfähige Kanonizität als Bereitschaft zur Rezeption des Zeitgeistes
IV.3. Die Notwendigkeit der Autonomie der Kirche
IV.4. Die Benennung der ROK in der Verfassung
IV.5. Die unmögliche Autonomie des Staates: Kirche und Staat im Spannungsfeld zwischen moralischer und legaler Ordnung
IV.6. Die Möglichkeiten der Kirche zur Bestimmung der sozialen Ordnung
IV.6.1. Das Liturgische
IV.6.2. Die Schule
IV.6.3. Kirche – Priester – Parteipolitik
IV.7. Zusammenfassung
V. Die ROKS und die radikale politische Wende in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre: Zwischen Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxem Staat
V.1. Grundzüge der Moderne aus der Perspektive der Beziehungen zwischen Kirche und Politik
V.2. Die wichtigsten rechtsextremen rumänischen Parteien: Zwischen Christentum, Nationalismus und Antisemitismus
V.2.1. Die Grundzüge des modernen europäischen Antisemitismus
V.2.2. Die Judenfrage im rumänischen Kontext
V.2.3. Die Nationalistische Demokratische Partei, die Liga der Nationalen Christlichen Verteidigung und die Nationale Christliche Partei
V.2.4. Die bedeutendste rumänische faschistische Bewegung: Die Legion Erzengel Michael/Eiserne Garde
V.3. Das Jahr 1936: Das Bewusstwerden einer notwendigen radikalen politischen Veränderung
V.4. Die ROKS und die sozial-politischen Veränderungen der Moderne
V.5. Die nationalistische Jugend als Vermittlerin einer Neuchristianisierung der rumänischen Gesellschaft
V.6. Die Bedeutung des Nationalismus
V.7. Die ROKS und der Antisemitismus
V.7.1. Die Haltung der ROKS gegenüber A.C. Cuzas Marcionismus
V.7.2. Exkurs: Die ROKS und die Religionsphilosophie Lucian Blagas
V.7.3. Das Alte Testament als Grundstruktur der christlichen Identität
V.7.4. Antisemitische Strategie: Die Dissoziation des jüdischen Volkes vom Alten Testament und von JHWH
V.7.5. Die jüdische Weltverschwörung als materialistischer Messianismus
V.7.6. Der theologische Antisemitismus als symbolische Ghettoisierung der Juden
V.7.7. Exkurs: Die Rolle des Metropoliten Nicolae B lan bei der Rettung von Juden vor dem Holocaust
V.8. Die Haltung zu Kommunismus und Nationalsozialismus
V.8.1. Der Kommunismus
V.8.2. Der Nationalsozialismus
V.9. Religiös-politisches Märtyrertum: Die Semantisierung des Todes der Legionsführer Ion I. Mo a und Vasile Marin
V.10. Die Errichtung des rumänisch-orthodoxen Staates zwischen 1938 und 1940
V.11. Zusammenfassung
VI. Schlussfolgerungen: Das Ordnungsdenken als politische Ethnotheologie
VII. Literaturverzeichnis
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Das Ordnungsdenken im christlich-orthodoxen Raum: Nation, Religion und Politik im öffentlichen Diskurs der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Siebenbürgens in der Zwischenkriegszeit (1918¿1940)
 9783631705766, 9783631880081, 9783631880098, 363170576X

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Das Ordnungsdenken im christlich-orthodoxen Raum

ERFURTER STUDIEN ZUR KULTURGESCHICHTE DES ORTHODOXEN CHRISTENTUMS Herausgegeben von Vasilios N. Makrides

BAND 20

Zu Qualitätssicherung und Peer Review der vorliegenden Publikation Die Qualität der in dieser Reihe erscheinenden Arbeiten wird vor der Publikation durch den Herausgeber der Reihe in Zusammenarbeit mit externen Gutachtern geprüft.

Note on the quality assurance and peer review of this publication Prior to publication, the quality of the works published in this series is reviewed by the editor in collaboration with external referees.

Marian P£tru

Das Ordnungsdenken im christlich-orthodoxen Raum Nation, Religion und Politik im öffentlichen Diskurs der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Siebenbürgens in der Zwischenkriegszeit (1918–1940)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: München, Univ., Diss., 2020

Umschlagabbildung: Mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek der orthodoxen Metropolie Siebenbürgens. Eine Seite aus der Zeitschrift Telegraful Român (Hauptquelle der Untersuchung). Abgebildet ist der orthodoxe Metropolit von Siebenbürgen Nicolae B£lan. Die Überschrift entspricht dem Titel einer Rede, die er im rumänischen Parlament 1923 gehalten hat. Deutsche Übersetzung: „Evangelium und Demokratie, Orthodoxie und Volk, Kirche und Staat“. Diese sechs Worte sind die zentralen Begriffe, die das Ordnungsdenken und die politische Theologie der siebenbürgischen Kirche strukturierten.

D 19 ISSN 1612-152X ISBN 978-3-631-70576-6 (Print) E-ISBN 978-3-631-88008-1 (E-PDF) E-ISBN 978-3-631-88009-8 (EPUB) DOI 10.3726/b19759 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Berlin 2022 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang – Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com

 

Meiner Familie

 

Vorwort Der vorliegende Band stellt eine überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im Sommersemester 2020 vom Institut für Orthodoxe Theologie der LudwigMaximilians-Universität München (LMU) angenommen wurde. Mehrere Personen und Institutionen haben mich im Laufe der Jahre unterstützt, dieses Projekt durchführen zu können. Anlässlich der Veröffentlichung dieses Bandes möchte ich ihnen herzlich danken. Zunächst danke ich den Mitgliedern des Instituts für Orthodoxe Theologie der LMU, insbesondere meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ioan-Vasile Leb, und dem zweiten Gutachter, Prof. Dr. Daniel Benga. Besonders möchte ich dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) Mainz für das angebotene Stipendium und die damit verbundenen idealen Arbeitsbedingungen danken. Ganz herzlichen Dank geht an PD Dr. Mihai-D. Grigore, meinen Mentor am IEG. Unsere Gespräche haben eine sehr wichtige Rolle in der Entfaltung meines Themas gespielt und zur Erhebung des wissenschaftlichen Niveaus der Dissertation als Ganzes beigetragen. Mihai-D. Grigore hat mit mir inhaltliche und methodische Aspekte besprochen, er hat sich der Reihe nach alle meine jeweils geschriebenen Kapitel angeschaut und sehr hilfreiche kritische Bemerkungen gemacht. Auch die Gespräche mit Prof. Dr. Hans-Christian Maner vom Historischen Seminar der Universität Mainz (Arbeitsbereich Osteuropäische Geschichte) haben mir geholfen, das rumänische politische Klima in der Zwischenkriegszeit sowie die Dynamik der Beziehungen zwischen Orthodoxen, Römisch-Katholischen und Griechisch-Katholischen Kirchen nach 1918 besser zu verstehen. Ihm gebührt ebenfalls herzlicher Dank. Das Schreiben dieser Dissertation wurde im Laufe der Jahre von einem ständigen und intensiven Dialog mit Prof. Dr. Dorin Oancea von der Orthodoxen Theologischen Fakultät der Universität Sibiu begleitet, ein Dialog, in dem wir u.a. die vielen Facetten der Beziehung zwischen Religion und Nationalismus thematisiert haben. Besonders nützlich für die Behandlung meines Forschungsthemas waren die Gespräche mit Prof. Oancea über die Gründe, warum viele Priester aus der Zwischenkriegszeit sich von den rechtsextremen politischen Bewegungen angezogen fühlten. Von derselben Fakultät möchte ich noch Prof. Dr. Paul Brusanowski für die vielen weiterbringenden Gespräche zur modernen Geschichte der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Siebenbürgens in Dankbarkeit erwähnen. Die Kontakte zu Forschenden meiner Generation spielten auch in der Verfassung der Dissertation eine wichtige Rolle. Zunächst danke ich Alin Vara, mit dem mich eine enge Freundschaft verbindet, die auf gemeinsamen Werten, Prinzipien und intellektuellen Interessen beruht. Ich möchte auch meinen Kollegen und Kolleginnen vom IEG Mainz – Adam Storring, Johannes Dafinger, Corinna Ehlers, Benjamin Pietrenka, Rozalia KosiĔska, Goda Volbikơ und Peter

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Vorwort

Tietze – für ihre anregenden Fragen und Kommentare zu verschiedenen Aspekten meines Forschungsthemas danken. Hochachtungsvoller Dank gebührt Em. Prof. Dr. Otto König von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz und Angelika Beer, die den Text grammatikalisch korrigierten. Frau Beer und Prof. Dr. König waren aktive Leser – sie gaben auch inhaltliche Hinweise, die für mich von großem Gewinn waren. Bei Herrn Prof. Dr. Otto König und seiner Frau Olga König möchte ich mich auch für ihre großzügige Spende bedanken, die die Veröffentlichung dieser Arbeit möglich macht. Besonders möchte ich mich bei Prof. Dr. Vasilios N. Makrides für die Übernahme der Arbeit in der Reihe Erfurter Studien zur Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums und für die Übernahme der restlichen Kosten ihrer Veröffentlichung ganz herzlich bedanken. In der Reihenfolge der Wichtigkeit derer, die die Realisierung dieses Projekts ermöglicht haben, nehmen meine Frau Alina und unsere beiden Kinder, Rare‫ ܈‬und Gabriel, den ersten Platz ein. Ohne ihr Verständnis für die langen Zeiträume, in denen ich im Leben unserer Familie nicht anwesend war, und ohne ihre liebevolle Unterstützung wäre das Erscheinen dieses Buches unmöglich gewesen. Meiner Frau, unseren Kindern und meinen Eltern, Maria und ‫܇‬tefan, ist dieses Werk gewidmet. Sibiu/Hermannstadt, im März 2022



Inhaltsverzeichnis I. Einführung ................................................................................................... 13 I.1. Vorbemerkungen......................................................................................... 13 I.2. Methodologische und begriffliche Grundlagen .......................................... 17 I.2.1. Warum die ROKS in der Zwischenkriegszeit? Begründung der institutionellen und temporalen Auswahl ......................................... 17 I.2.2. Zielsetzung und Struktur der Argumentation .......................................... 20 I.2.3. Forschungsstand ....................................................................................... 21 I.2.4. Die Grundbegriffe der Forschung ............................................................ 25 I.2.4.1. „Ordnung“ als Oberbegriff: Das Paradigma „das Ganze und seine Teile“ ................................................................. 25 I.2.4.2. Der Begriff der Nation im Rahmen der Nationalismusforschung ........ 28 I.2.4.2.1. Primordialismus: Die Nation als ontologische Gegebenheit ............. 28 I.2.4.2.2. Modernismus: Die Nation als soziales Konstrukt ............................. 29 I.2.4.3. Die Beziehungen zwischen Religion/Kirche und Politik/Staat ........................................................................................... 32 I.2.4.4. Politische Theologie und die Themenkonstellation: „Das Vorpolitische – das Politische – die Politik“ ............................... 38 I.2.5. Die Quellen: Die Presse und die Öffentlichkeit der Kirche .................... 40 I.2.6. Die Kirchenelite, die Ordnung und die poietische Funktion des Diskurses ............................................................................................ 42 II. Der historische Kontext ............................................................................. 49 II.1. Die ROKS und die Staatsmacht innerhalb des Habsburgerreiches ........... 49 II.1.1. Die Abschaffung der orthodoxen Metropolie Siebenbürgens. Die Griechisch-Katholische (Unierte) Kirche und die Anfänge der rumänischen Nationalbewegung ...................................................... 49 II.1.2. Der „Moment ‫܇‬aguna“ in der Geschichte Siebenbürgens ..................... 50 II.1.2.1. Die politische Tätigkeit ‫܇‬agunas ......................................................... 50 II.1.2.2. Die kulturelle Tätigkeit und die Kirchenverwaltungsreform: Das Organische Statut ......................................................................... 53 II.1.3. Die ROKS zwischen 1867 und 1918 ...................................................... 56 II.2 Der kirchliche und politische Kontext zwischen 1918 und 1940............... 58 II.2.1. Die 1920er Jahre: Eine Epoche der kirchlichen und politischen Strukturreformen .................................................................................... 58 II.2.1.1. Exkurs: Kirche und Staat in der modernen Geschichte Rumäniens ............................................................................................ 58 a) Das byzantinische Muster ............................................................................. 58 b) Moderne Staatlichkeit und politische Kontrolle der Kirche ......................... 60

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

II.2.1.2. Die einheitliche Ordnung der Rumänisch-Orthodoxen Kirche und die Harmonisierung der regionalistischen Spannungen............... 63 II.2.1.3. Die Verfassung von 1923 .................................................................... 65 II.2.1.4. Das Konkordat mit dem Vatikan ......................................................... 66 II.2.1.5. Die Verstaatlichung der orthodoxen Konfessionsschulen .................. 67 II.2.2. Die Entwicklung des politischen Lebens in den 1930er Jahren ............. 67 III. Der Nationsdiskurs der ROKS zwischen Theologie der Nation und Teleologie der Geschichte ................................................................ 73 III.1. Rumänischer Traditionalismus und der Imperativ der Organizität .......................................................................................... 74 III.2. Orthodoxer Traditionalismus oder der Orthodoxismus als Kristallisation der Konstellation Nation-Religion-Politik ....................... 76 III.2.1. Nichifor Crainic..................................................................................... 76 III.2.2. Nae Ionescu ........................................................................................... 83 III.2.3. Nicolae Bălan – Dumitru Stăniloae – Nichifor Crainic und der Beitrag der ROKS zum Orthodoxismus .................................. 88 III.3. Nicolae Bălan und die christlich-orthodoxe Rezeption des Herderianismus .................................................................................. 91 III.4. Der Nationsdiskurs als Teil der christlichen Geschichtstheologie .......... 98 III.5. Von Transzendenz zu Immanenz: Strukturelemente der rumänischen nationalen Identität ........................................................... 106 III.5.1. Selbstreferentielle Gestaltung der nationalen Identität ....................... 107 III.5.1.1. Die geschlossene ethnische Gemeinschaft ....................................... 107 III.5.1.2. Die Sprache als existenzielles Phänomen ........................................ 109 III.5.1.3. Die Nation-Konfession und „das Rumänische Gesetz“/ „das Gesetz der Vorfahren“ ............................................................. 112 III.5.2. Die Gestaltung der nationalen Identität durch Abgrenzung ............... 120 III.5.2.1. Gemeinschaft vs. Gesellschaft, Orient vs. Okzident und die soteriologische Funktion der Nation-Konfession ............................ 120 III.5.2.2. Nationale Identität aus der Perspektive der interkonfessionellen Kontroversen: „Katholizismus oder Nation?“ ................................. 127 III.5.3. Die Wahrnehmung der Unierten Kirche durch die ROKS: Gestaltung der nationalen Identität durch Integrierung des „Anderen“ ..................................................................................... 132 III.6. Zusammenfassung .................................................................................. 136 IV. „Die Orthodoxen sind die Nation, die den rumänischen einheitlichen Nationalstaat bildet“. Kirche und Staat als komplementäre Äußerungsformen der Nation-Konfession ............................................ 141 IV.1. „Der große Mose unserer Kirche“. Andrei ‫܇‬aguna als idealtypische Verkörperung des Regionalismus der ROKS ........................................ 141



Inhaltsverzeichnis

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IV.2. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Spannungsfeld zwischen ‫܇‬agunianismus und Byzantinismus ........................................ 153 IV.2.1. Die Ablehnung des ‫܇‬agunianismus .................................................... 154 IV.2.2. Verteidigung des ‫܇‬agunianismus: Die entwicklungsfähige Kanonizität als Bereitschaft zur Rezeption des Zeitgeistes ................ 159 IV.3. Die Notwendigkeit der Autonomie der Kirche ...................................... 165 IV.4. Die Benennung der ROK in der Verfassung ......................................... 171 IV.5. Die unmögliche Autonomie des Staates: Kirche und Staat im Spannungsfeld zwischen moralischer und legaler Ordnung .................. 175 IV.6. Die Möglichkeiten der Kirche zur Bestimmung der sozialen Ordnung .................................................................................................. 185 IV.6.1. Das Liturgische ................................................................................... 185 IV.6.2. Die Schule ........................................................................................... 186 IV.6.3. Kirche – Priester – Parteipolitik .......................................................... 190 IV.7. Zusammenfassung .................................................................................. 197 V. Die ROKS und die radikale politische Wende in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre: Zwischen Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxem Staat .......................................................... 199 V.1. Grundzüge der Moderne aus der Perspektive der Beziehungen zwischen Kirche und Politik ................................................................... 199 V.2. Die wichtigsten rechtsextremen rumänischen Parteien: Zwischen Christentum, Nationalismus und Antisemitismus................................... 202 V.2.1. Die Grundzüge des modernen europäischen Antisemitismus.............. 202 V.2.2. Die Judenfrage im rumänischen Kontext ............................................. 205 V.2.3. Die Nationalistische Demokratische Partei, die Liga der Nationalen Christlichen Verteidigung und die Nationale Christliche Partei ......... 206 V.2.4. Die bedeutendste rumänische faschistische Bewegung: Die Legion Erzengel Michael/Eiserne Garde ...................................... 210 V.3. Das Jahr 1936: Das Bewusstwerden einer notwendigen radikalen politischen Veränderung ......................................................... 213 V.4. Die ROKS und die sozial-politischen Veränderungen der Moderne ............................................................................................ 215 V.5. Die nationalistische Jugend als Vermittlerin einer Neuchristianisierung der rumänischen Gesellschaft ............................... 218 V.6. Die Bedeutung des Nationalismus .......................................................... 220 V.7. Die ROKS und der Antisemitismus ........................................................ 226 V.7.1. Die Haltung der ROKS gegenüber A.C. Cuzas Marcionismus ........... 226 V.7.2. Exkurs: Die ROKS und die Religionsphilosophie Lucian Blagas ....... 229 V.7.3. Das Alte Testament als Grundstruktur der christlichen Identität................................................................................................. 232

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

V.7.4. Antisemitische Strategie: Die Dissoziation des jüdischen Volkes vom Alten Testament und von JHWH ................................................. 235 V.7.5. Die jüdische Weltverschwörung als materialistischer Messianismus ........................................................................................ 239 V.7.6. Der theologische Antisemitismus als symbolische Ghettoisierung der Juden .............................................................................................. 242 V.7.7. Exkurs: Die Rolle des Metropoliten Nicolae Bălan bei der Rettung von Juden vor dem Holocaust ................................................ 244 V.8. Die Haltung zu Kommunismus und Nationalsozialismus ...................... 245 V.8.1. Der Kommunismus............................................................................... 245 V.8.2. Der Nationalsozialismus....................................................................... 252 V.9. Religiös-politisches Märtyrertum: Die Semantisierung des Todes der Legionsführer Ion I. Mo‫܊‬a und Vasile Marin .................................... 257 V.10. Die Errichtung des rumänisch-orthodoxen Staates zwischen 1938 und 1940 ....................................................................... 261 V.11. Zusammenfassung ................................................................................. 268 VI. Schlussfolgerungen: Das Ordnungsdenken als politische Ethnotheologie .................................................................. 271 VII. Literaturverzeichnis .............................................................................. 279



I. Einführung 

I.1. Vorbemerkungen Die vorliegende Arbeit ist eine Rekonstruktion des von der RumänischOrthodoxen Kirche Siebenbürgens (ROKS) von 1918 bis 1940 in der Öffentlichkeit bekanntgemachten Ordnungsdenkens. Die Untersuchung geht von der Grundvoraussetzung aus, dass die regional geprägte Einstellung der ROKS gegenüber der thematischen Konstellation Nation-Religion-Politik an sich einen konzeptuellen Verarbeitungsprozess der eigenen Zeitlichkeit im kulturellen, politischen und religiösen Kontext der Zwischenkriegszeit durchlaufen hat. Dadurch trug die ROKS zur Gestaltung der spezifischen Haltung der Rumänisch-Orthodoxen Kirche (ROK) bei, die sie gegenüber den sozialen und politischen Umwandlungen der Moderne eingenommen hat – in erster Linie gegenüber dem Nationalstaat, aber auch gegenüber dem Thema einer Trennung des religiösen vom politischen Bereich. Der öffentliche Diskurs der ROKS war somit eine situative Interpretationsform des Verhältnisses zwischen dem himmlischen Reich Gottes und dem irdischen des Kaisers – ein Problem, mit dem sich die christliche Kirche während ihrer ganzen Geschichte beständig auseinandersetzen musste. Die Analyse der Interaktionsweise einer nationalen Orthodoxen Kirche – und, im vorliegenden Fall, einer regionalen – mit dem politischen, religiösen und kulturellen Umfeld zu welchem sie gehört, ist bis jetzt die einzige Möglichkeit, die interpretativen Grundsätze ausfindig zu machen, welche die Orthodoxe Kirche1 verwendet, um ihre Haltung gegenüber dem Säkulum zu bestimmen. In diesem Fall ist es bezeichnend, dass, mit Ausnahme der Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche2 und neulich der Sozialenzyklika des Ökumenischen Patriarchats aus dem Jahre 2020 (For the Life of the World. Toward a Social Ethos of the Orthodox Church), keine andere Orthodoxe Kirche 

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In dieser Arbeit beziehen sich die Begriffe Orthodoxe Kirche, Orthodoxie oder Orthodoxes Christentum auf jene Kirchen, die die sieben Ökumenischen Konzilien zwischen 325 und 787 angenommen haben. Da sie die gleiche dogmatische Lehre bekennen und zur gleichen, d.h. der byzantinischen Ritusfamilie gehören, begreifen sich die orthodoxen Kirchen als eine einzige Kirche. Doch weil jede Orthodoxe Kirche byzantinischer Tradition eine von den anderen unterschiedliche historische Entwicklung durchgemacht hat, kann berechtigterweise auch von den Orthodoxen Kirchen im Plural gesprochen werden (vgl. Thomas Bremer et alii, Einleitung, in: Thomas Bremer et alii (Hg.), Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, IX–XII, hier X; siehe auch Christian Lange, Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der Orthodoxen Kirche im (ost-)römischen Reich, ebd., 1–14). Für die deutsche Ausgabe siehe Josef Thesing/Rudolf Uertz (Hg.), Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche. Deutsche Übersetzung mit Einführung und Kommentar, Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin, 2001.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

eine offizielle Stellungnahme gegenüber den Institutionen, Normen und Werten der modernen Gesellschaft hervorgebracht hat. Umso weniger kann von einer allgemein gültigen Doktrin die Rede sein, die die Grundsätze festlegt, nach denen das Orthodoxe Christentum in seiner Gesamtheit die eigene Haltung gegenüber der Welt gestaltet.3  Wenn man hinsichtlich der offiziellen Formulierungen und Annahmen seitens der Orthodoxen Kirche von keinem einheitlichen theologischen Diskurs sprechen kann, der „die Legitimität der Neuzeit“ (Hans Blumenberg) behandelt, so bot dennoch die Rezeption der Grundlagen der Sozialdoktrin im abendländischen Kulturbereich die Möglichkeit einer detaillierten Analyse der allgemeinen dogmatischen und historischen Grundlagen, die das Ethos der Interaktion des Orthodoxen Christentums mit dem modernen Zeitgeist kennzeichnet.4



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Die Aufteilung der Orthodoxie in selbständige Nationalkirchen ist offenkundig eine der Ursachen, die zum Fehlen einer solchen einheitlichen Lehre führt, wobei das Scheitern des Panorthodoxen Konzils von 2016 auf Kreta, alle Vertreter der Orthodoxen Kirchen zu vereinen, bezeichnend für die Unfähigkeit der Orthodoxie ist, für sich selbst eine gemeinsame Haltung zu artikulieren und einheitlich zu agieren. Was die Vorbereitung des Konzils betrifft und die damit verbundenen Schwierigkeiten siehe Viorel Ioni‫܊‬ă, Der Weg zur Einberufung der (Panorthodoxen) Heiligen und Großen Synode der Orthodoxen Kirche, und Anastasios Kallis, Die orthodoxe Kirche im Spannungsfeld ihres Heiligen und Großen Konzils, in: Orthodoxes Forum. Zeitschrift des Instituts für Orthodoxe Theologie der Universität München, 31/2017, 15–28 bzw. 103–118. Siehe z.B. Rudolf Uertz, Einführung in die politische Theorie des Russisch-Orthodoxen Christentums, und Konstantin Kostjuk, Die Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche: Schritt zur Zivilgesellschaft oder Manifest des Orthodoxen Konservatismus?, in: Thesing/Uertz (Hg.), Die Grundlagen, 134–173 bzw. 174–196; Rudolf Uertz/Lars Peter Schmidt (Hg.), Beginn einer neuen Ära? Die Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche vom August 2000 im interkulturellen Dialog, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. – Außenstelle Moskau, 2004; Pro Oriente (Hg.), Die Sozialkonzeption der Russischen Orthodoxen Kirche. Ein Dokument der Sozialen Verantwortung, Wien, 2003; Vasilios N. Makrides, Die politische Aufgabe der Kirche: Bemerkungen anhand der Sozialkonzeption der Russischen Orthodoxen Kirche, in: Irene Dingel/Christiane Tietz (Hg.), Die politische Aufgabe von Religion. Perspektiven der drei monotheistischen Religionen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2011, 219–243; ders., Die soziale Verantwortung in der Sicht der Orthodoxen Kirche, in: Anton Rauscher et alii (Hg.), Handbuch der Katholischen Soziallehre, Duncker & Humblot, Berlin, 2008, 249–254; Jennifer Wasmuth, Sozialethik in der Russisch-Orthodoxen Kirche der Gegenwart. „Die Grundlagen der Sozialkonzeption“ in kritischer Betrachtung, in: Evangelische Theologie 64/2004, 37–51; Konstantin Kostjuk, Der Begriff des Politischen in der Russisch-Orthodoxen Tradition. Zum Verhältnis von Kirche, Staat und Gesellschaft in Russland, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2005, 344– 360.

Einführung

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Eines der Elemente, welches die Orthodoxen Kirchen von den abendländischen christlichen Kirchen5 unterscheidet, ist die Tatsache, dass ihre Einstellung zur Gegenwart durch einen Rückgriff auf die Tradition vermittelt wird, d.h. auf eine Vergangenheit, die als die Bewahrerin ihrer authentischen dogmatischen und institutionellen Erfahrung betrachtet wird. Anders gesagt, das gegenwärtige konzeptuelle Universum wird in Abhängigkeit von der kirchlichen Tradition ausgelegt und nicht umgekehrt.6 Dieser Bewährungs- und Bestätigungsgrundsatz der sozialen, politischen und axiologischen Erscheinungen wird durch ein prägnantes eschatologisches Bewusstsein ergänzt. Hinsichtlich der Wertordnung führt dieses Bewusstsein zu einer Unterordnung der geschichtlichen Gegenwart und der sozialen Wirklichkeit gegenüber der Bedeutung des zukünftigen Lebens.7 Bei der Zusammenführung dieser beiden Dimensionen, um ihr Wahrnehmungsorgan für die Realität zu erstellen, begannen die Orthodoxen Kirchen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den sozialen Wandlungen, die der Modernität eigen sind, zu zeigen. Im Allgemeinen positionierten sie sich in einer defensiven Stellung gegenüber dem Neuen, das jedes historische Zeitalter mit sich brachte.8  Die Feststellung von H.G. Gadamer, wonach „all unser geschichtliches Verstehen durch ein wirkungsgeschichtliches Bewusstsein bestimmt ist“,9 ist nicht nur für das Verstehen der interpretativen Erfahrung der Individuen gültig, sondern auch für das der Institutionen. Und zwar in dem Sinne, dass die Vergangenheit nicht eine „vergangene“ und nicht mehr zugängliche Wirklichkeit ist, sondern dass die individuelle, kollektive oder institutionelle Erinnerung an



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Für eine Analyse der Ursachen, die zu der unterschiedlichen Einstellung des abendländischen und des Orthodoxen Christentums gegenüber den konkreten sozial-politischen Fragen führten, siehe z.B. Vasilios N. Makrides, Östliches Orthodoxes Christentum und Säkularität. Ein Vergleich mit dem lateinischen Christentum, in: Transit. Europäische Revue, 47/2015, 59–75; ders., Political Theology in Orthodox Christian Contexts: Specificities and Particularities in Comparison with Western Latin Christianity, in: Kristina Stoeckl/Ingeborg Gabriel/Aristotle Papanikolaou (Hg.), Political Theologies in Orthodox Christianity. Common Challenges – Divergent Positions, Bloomsbury T&T Clark, London, 2017, 25–54. Vgl. Uertz, Einführung, 138. Vgl. Vasilios N. Makrides, Why does the Orthodox Church Lack Systematic Social Teaching?, in: Skepsis. A Journal for Philosophy and Interdisciplinary Research (AthensOlympia), 23/2013, 291–292. Siehe dazu Pantelis Kalaitzidis, Ist das Orthodoxe Christentum vor der Moderne stehengeblieben? Die Notwendigkeit einer neuen Inkarnation des Wortes und das eschatologische Verständnis von Tradition und der Beziehung Kirche-Welt, in: Florian Uhl et alii (Hg.), Die Tradition einer Zukunft. Perspektiven der Religionsphilosophie, Parerga, Berlin, 2011, 141–176. Hans-Georg Gadamer, Hermeneutik II: Wahrheit und Methode, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1993, 142.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

diese Vergangenheit auf direkte Weise die Interpretation der Gegenwart beeinflusst.10 In diesem Sinne ist die Zeitlichkeit jeglicher Kirche der orthodoxen Tradition in einer bestimmten Epoche von der konstanten Anpassung an eine historische Authentizität in Form der Kirchentradition im Horizont der eschatologischen Erwartung bestimmt.11 Diese Methodologie der doppelten Ausrichtung, die die Orthodoxie benutzt, um ihre Existenz in der Gegenwart zu gestalten – zu einer idealisierten Vergangenheit und zu einer trans-historischen Zukunft hin –, ist die direkte Folge des Selbstverständnisses der christlichen Kirche in ihrer Gesamtheit als Institution mit einheitlicher Existenz, jedoch auf zwei ontologischen Ebenen angeordnet, einer immanenten und einer transzendenten. Sie bringt so in all ihren praktischen und diskursiven Haltungen das Bewusstsein zum Ausdruck, dass obwohl sie sich „in der Welt“ befindet, sie trotzdem nicht „aus der Welt“ ist (vgl. Johannes 17, 16 und 18, 36). Die historische Authentizität, welche die Grundsätze der Haltung der Orthodoxie gegenüber der Gegenwart liefert, enthält nicht nur eine kulturelle Dimension (d.h. dogmatisch-geistige Tradition), sondern auch eine praktische und bezieht sich auf die konkreten Beziehungen zwischen Kirche, Staat und Gesellschaft entlang ihrer Geschichte. Demzufolge war die Art und Weise, wie die Orthodoxen Kirchen in Ost- und Südosteuropa ihre Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft im 20. Jahrhundert aufgebaut haben, von der Beziehung der Kirche zur politischen Macht im Byzantinischen Reich zwischen 325 und 1453 (der sogenannten byzantinischen Symphonie) und dem Verhältnis dieser Kirchen zu den im Laufe das 19. Jahrhunderts entstehenden modernen Nationen und Nationalstaaten geprägt. Diese Erfahrung führte zur Bildung eines ethnischpolitisch-religiösen Verhaltensmusters, das jede Orthodoxe Kirche ihrem eigenen nationalen Kontext anpasste. Innerhalb der modernen Nationalstaaten sahen sich die Orthodoxen Kirchen mit dem Problem ihrer Einstellung zu der konfessionellen und ethnischen Alterität und mit dem Problem der theologischen Rechtfertigung der eigenen Beziehung zur Nation konfrontiert, wobei weder die Bibel noch die patristische Tradition eine klare Argumentationsgrundlage boten, die eine Verbundenheit der Kirche zu einer bestimmten ethnischen Realität rechtfertigen würde.12 In diesem Fall griff der theologische Diskurs zu einer antinomischen Herangehensweise an 

10 Vgl. ebd., 142–143. 11 Die Definition, welche Sergij Bulgakov der Kirchentradition als „lebendige Kraft [...], als Selbstbewusstsein des einen Organismus (d.h. der Kirche), in das sein ganzes früheres Leben einbezogen ist“ gibt, steht in Einklang mit dem exegetischen Grundsatz von Gadamer. Sie unterstreicht, dass die Wahrnehmung und Interpretation der Gegenwart von der Tradition vermittelt wird (Sergij Bulgakov, Die Orthodoxie. Die Lehre der Orthodoxen Kirche, Paulinus, Trier, 1996, 50). 12 Vgl. Mihail Neam‫܊‬u, Revisiting Orthodoxy and Nationalism, in: Pro Ecclesia, 2/2006, 155– 156.



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die Beziehung zwischen Einheit der ökumenischen Orthodoxie und der Vielheit der nationalen Orthodoxien: Einerseits wird der Wert der ethnisch-kulturellen Unterschiede anerkannt und andererseits wird betont, dass die Orthodoxie durch ihren eschatologischen Charakter die lokalen Besonderheiten durch ihre einschließende Perspektive, welche die gesamte Menschheit umfasst, überschreitet.13 Die beiden Elemente des Begriffs der „nationalen Kirche“ schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sie ergänzen sich. Während das nationale Element den Unterschied pflegt, betont die Orthodoxie die gemeinsamen geistlichen Elemente, durch die eine bestimmte Nation mit den anderen orthodoxen Nationen zu einer einheitlichen kirchlichen Gemeinschaft verbunden ist.14 Ab dem 19. Jahrhundert sicherten sich die Orthodoxen Kirchen die Nähe zu den neuen Nationalstaaten Südosteuropas, indem sich die Orthodoxie mit der Nation in Form von Nationalkirchen identifizierte, was aus ihrer Sicht bedeutete, dass die Kirche implizit eine Kernstruktur des Nationalstaates ist.15 Nationalstaaten und Nationalkirchen wurden als zwei sich ergänzende Wirklichkeiten wahrgenommen. Jede verfolgte die Gestaltung der Nation, indem sie in nationalistischer Weise das Überleben des Musters der byzantinischen Symphonie sichern.

I.2. Methodologische und begriffliche Grundlagen I.2.1. Warum die ROKS in der Zwischenkriegszeit? Begründung der institutionellen und temporalen Auswahl 

Die Auswahl des Sonderfalls der ROKS16 und der Zeitspanne zwischen den beiden Weltkriegen rechtfertigt sich durch das Spezifikum Siebenbürgens 

13 Ebd., 158. 14 Vgl. Damaskinos Papandreou, Die Einheit der Kirchen und die Vielheit der Nationen, in: Karl Christian Felmy et alii (Hg.), Kirchen im Kontext unterschiedlicher Kulturen. Auf dem Weg ins dritte Jahrtausend, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1991, 421–422. 15 Vgl. Vasilios N. Makrides, Why are Orthodox Churches Particularly Prone to Nationalization and even to Nationalism?, in: St Vladimir’s Theological Quarterly, 54/2013, 325– 352, hier 331–332; siehe auch Hans-Christian Maner, Zwischen Staat und Nation. Die orthodoxen Kirchen in Südosteuropa im 20. Jahrhundert, in: Jahrbücher für Geschichte und Kultur Südosteuropas, 3/2001, 27–62. 16 Wie gezeigt werden wird, war die Rumänisch-Orthodoxe Kirche Siebenbürgens in der Zwischenkriegszeit als Metropolie organisiert und trug den Namen „Die Metropolie von Siebenbürgen, Banat, Cri‫܈‬ana und Maramure‫( “܈‬rumänisch: „Mitropolia Ardealului, Banatului, Cri‫܈‬anei ‫܈‬i Maramure‫܈‬ului“). Die Bezeichnung „Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche Siebenbürgens“ (ROKS), die diese Arbeit verwendet wird, wurde in der Zwischenkrigszeit von Theologen (siehe z.B. ‫܇‬tefan Mete‫܈‬, Viaаa Bisericii Ortodoxe Române din Transilvania în cei din urmă douăzeci de ani (1919–1939), in: ***Omagiu Înalt Prea Sfin‫܊‬iei Sale Dr. Nicolae Bălan mitropolitul Ardealului la douăzeci de ani de

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

gegenüber den anderen Regionen, aus denen im Jahr 1918 Großrumänien entstanden ist.17 Das Spezifische an Siebenbürgen bestand nicht nur darin, dass es die größte Region war, die nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Königreich Rumänien18 vereint wurde, sondern vorrangig darin, dass es in Siebenbürgen die stärkste Nationalbewegung gab, die für die politischen Rechte der Rumänen und – zu Zeiten des österreichisch-ungarischen Dualismus (1867–1918) – gegen die Magyarisierung durch die Regierung in Budapest kämpfte.19 Die rumänische Nationalbewegung entstand innerhalb der Griechisch-Katholischen Kirche (Unierten Kirche) Anfang des 18. Jahrhunderts und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von dem orthodoxen Metropoliten Andrei ‫܇‬aguna (1808–1873) weitergeführt, um ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von weltlichen Intellektuellen mit kontinuierlichem Beitrag beider rumänischen Kirchen, bis 1918 fortgesetzt zu werden. Da im Habsburgischen Reich die Rumänen20 politisch nicht anerkannt waren und mit einer konstanten Entnationalisierungspolitik konfrontiert wurden, bot die Orthodoxe Kirche Siebenbürgens einen institutionellen Rahmen für die Bewahrung der ethnischen, kulturellen und religiösen Identität 

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arhipăstorire, Tiparul Tipografiei Arhidiecezane, Sibiu, 1940, 543–566) und wird auch heute von Fachleuten (siehe z.B. Valeria Soro‫܈‬tineanu, Orthodox Priests on the Necessity of Building a Political Culture in Interwar Transylvania, in: Sorin Radu/Oliver Jens Schmitt (Hg.), Politics and Peasants in Interwar Romania. Perceptions, Mentalities, Propaganda, Cambridge Scholars Publishing, Newcastle upon Tyne, 2017, 251–269) verwendet. Weitere Begriffe wie „Die Orthodoxe Metropolie Siebenbürgens“ oder „Die siebenbürgische Kirche“ beziehen sich in der vorliegenden Untersuchung auch auf die ROKS. (Das Zeichen *** weist darauf hin, dass der Artikel oder Band ohne Angabe des Namens des Autors oder des Herausgebers veröffentlicht wurde.) In diesem Unterkapitel beschränke ich mich auf eine Allgemeindarstellung der Eigenheiten der siebenbürgischen Geschichte und der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens aus Sicht der Beziehungen zwischen Nation-Religion-Politik, wobei dieses Spezifikum im nächsten Kapitel eingehend behandelt wird. In dieser Arbeit bezieht sich die rumänische territorial-politische Bezeichnung „Rumänische Länder/Rumänische Fürstentümer“ (rumänisch: „‫܉‬ările Române/Principatele Române“) auf die Landesteile Moldau und Walachei (rumänisch: Moldova und ‫܉‬ara Românească) vor 1859. In diesem Jahr vereinten sich beide Fürstentümer zu einer politischen Einheit unter Fürst Alexandru Ioan Cuza (reg. 1859–1866) und erhielten den Namen „Vereinigte Rumänische Fürstentümer“ (rumänisch: Principatele Unite Române). Nach Erlangen der Selbständigkeit gegenüber dem Osmanischen Reich 1878 wurden die Vereinigten Rumänischen Fürstentümer zum Königreich. Prinz Carol I. (reg. 1866–1914) wurde im Jahre 1881 König von Rumänien. Die Bezeichnung „Altreich“ (rumänisch: Vechiul Regat), die in der Zwischenkriegszeit verwendet wurde, bezieht sich auf das Rumänische Königreich bis 1918. Der Begriff „Großrumänien“ bezeichnet das Königreich Rumänien in der Zeitspanne zwischen 1918 und 1940. Vgl. Irina Livezeanu, Cultural Politics in Greater Romania. Regionalism, Nation Building & Ethnic Struggle, 1918–1930, Cornell University Press, Ithaca/London, 1995, 129. Grammatisch maskuline Sustantive, die Menschengruppen bezeichnen, sind überall in dieser Arbeit inklusiv zu verstehen.

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ihrer Gläubigen. Als Folge dieser engen Bindung identifizierte sich die orthodoxe Konfession mit der Nation, wobei die Orthodoxe Kirche Siebenbürgens dabei dem Entwicklungsmuster der Orthodoxen Kirche in den rumänischen Fürstentümern und im Allgemeinen denen in Südosteuropa während der Moderne folgte. Ein Unterschied zwischen Siebenbürgen und den anderen rumänischen Provinzen (Altreich, Bessarabien und Buchenland, rumänisch: Bucovina) hinsichtlich der Beziehung der Orthodoxen Konfession zu der rumänischen Nation lag im Vorhandensein der Griechisch-Katholischen Kirche, zu welcher sich die Hälfte der Siebenbürger Rumänen bekannte. Diese Tatsache hat dem Nationsdiskurs der ROKS einen stark polemischen, anti-griechisch-katholischen und implizit auch anti-katholischen Charakter verliehen. Die polemische Komponente interkonfessioneller Natur beeinflusste zutiefst den Nationsbegriff der ROKS, indem diese eine Theologie der Nation unter direktem Einfluss der dogmatischen Polemik mit der Römisch-Katholischen und Griechisch-Katholischen Kirche entwickelte. Der Hauptunterschied zwischen der ROKS und der des Altreiches besteht jedoch in der Art, wie die beiden Kirchen organisiert waren und in der Art ihres Verhältnisses zum Staat bis 1918. Die Kirchenverfassung (Das Organische Statut) des Metropoliten Andrei ‫܇‬aguna aus dem Jahre 1868 gewährleistete die Autonomie der Kirche gegenüber dem österreichisch-ungarischen Staat sowie eine demokratische Gestaltung der eigenen Tätigkeiten. Sie sah ebenfalls eine Beteiligung der Laien an der Führung der Kirche durch die gemischten Synoden vor, welche zu einem Drittel aus Vertretern der Geistlichkeit und zu zwei Dritteln aus Vertretern der Gläubigen, die durch direkte Wahl bestimmt wurden, bestanden. Dagegen war die Orthodoxe Kirche im Altreich zu dem Zeitpunkt 1918 eine staatliche Institution mit einem internen Aufbau, in welchem die gläubigen Laien nicht vertreten waren und die Idee, Kirchenangelegenheiten demokratisch zu leiten, war praktisch unvorstellbar. Die Konfrontierung des religiös-politischen Musters des Altreiches mit dem der ROKS – insbesondere im Kontext von Annahme der Verfassung von 1923 und des Gesetzes zur Organisation der ROK von 1925 – drängte die siebenbürgische Kirche dazu, ihr eigenes Konzept vom Staat und dessen Beziehung zur Kirche, über die politischen und religiösen Grundlagen der sozialen Ordnung, über die Beziehung zwischen Theologie und Politik usw. festzulegen und, als Grundlage all dieser theoretischen Elemente, die eigene Vorstellung über die Essenz der Nation und deren Beziehung zur Orthodoxie zu bestimmen. Neben dem konstanten Festhalten an den Begriffen der orthodoxen dogmatischen Tradition, hatte die Stellungnahme der ROKS zu dem neuen religiösen und politischen Kontext Großrumäniens selbstverständlich im Hintergrund ein prägnantes Regionalbewusstsein, in dem sich alle oben angeführten Eigenheiten konzentrierten. Diese Tatsache erlaubt die Art und Weise hervorzuheben, wie die Doktrinelemente der universellen Orthodoxen Kirche von der

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

ROKS durch den Bezug auf einen historischen Regionalethos benutzt wurden, sodass sie die Frage nach der Beziehung zwischen Nation, Religion und Politik im Rahmen des rumänischen Nationalstaates nach 1918 beantwortet. I.2.2. Zielsetzung und Struktur der Argumentation  Die schematische Darstellung dessen, was aus der Perspektive der Themenkonstellation Nation-Religion-Politik für die ROKS spezifisch ist, gestattet die systematische Formulierung der Ziele, die diese Arbeit verfolgt. Um es kurz zu formulieren, besteht das Hauptziel der vorliegenden Studie darin, die Frage nach den Grundzügen der Auffassung der ROKS zur sozialen Ordnung zu beantworten. Die Antwort auf diese Frage hängt von der vorausgehenden Klärung anderer Fragen ab. Eine dieser Fragen bezieht sich auf das Verständnis der Nation und der nationalen Identität durch die ROKS und zugleich auf die Rolle, die die Begriffe der dogmatischen Tradition in diesem Verständnis spielen. Damit eng verbunden soll auch untersucht werden, wie die ROKS die römisch-katholische Position zu den Nationen und Nationalstaaten bewertet. Letztendlich geht es in diesem Fall um einen theologischen Nationalismus, der die Frage zu beantworten versucht, ob die griechisch-katholischen Rumänen zur rumänischen Nation gehören oder nicht, da sie konfessionell zum Katholizismus und nicht zur Orthodoxie gehören. Wenn die ROKS den Anspruch erhebt, im 19. Jahrhundert ihren Gläubigen durch ihre demokratische Kirchenverfassung eine quasi-politische Organisierungsweise gegeben zu haben, wie sieht sich die siebenbürgische Kirche selbst im Kontext eines rumänischen Nationalstaates? In welcher Beziehung müsste also der Staat zur Nation und zur Orthodoxen Kirche stehen, selbstverständlich aber auch zu der ethnisch-konfessionellen Vielheit Rumäniens? Wenn sich die Kirche selbst mit der Nation identifiziert, muss gefragt werden, ob das auch eine Identifizierung der Kirche mit dem Nationalstaat voraussetzt. Eine weitere Frage beschäftigt sich mit der Einstellung der ROKS gegenüber den nationalistischen und faschistischen Parteien Rumäniens, die nach 1918 entstanden sind, z.B. gegenüber dem von diesen Parteien betriebenen rassischen und theologischen Antisemitismus, oder zu dem autoritären Regime, welches König Carol II. (reg. 1930–1940) 1938 durchsetzte. Damit eng verbunden ist die Frage nach dem Grundsatz, nach dem die ROKS den Nationalsozialismus und Kommunismus bewertet. Und letztendlich: Was waren die spezifischen Charakteristika der von der ROKS entwickelten politischen Theologie? Ausgehend von ihrer Stellung zum säkularen Staat und den oben erwähnten modernen politischen Strömungen soll gefragt werden, wie die allgemeine Haltung der ROKS zur Modernität definiert werden könnte, wenn man in Betracht zieht, dass ein wesentliches Merkmal dieser die Trennung von



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Religion/Kirche und Politik/Staat ist. Um auf diese Fragen zu antworten, ist diese Studie wie folgt aufgebaut: Das zweite Kapitel wird den allgemeinen historischen Kontext vorstellen, auf den sich der öffentliche Diskurs der ROKS bezieht. Die Auswahl der vorgestellten Ereignisse wird abhängig von ihrer Relevanz für das untersuchte Thema erfolgen. Das dritte Kapitel wird sich darauf konzentrieren, wie die ROKS die Herkunft, das Wesen und die historische Funktion der Nation versteht. Im vierten Kapitel wird bewiesen, dass der Nationsbegriff der Zentralgrundsatz ist, nach dem die ROKS die Beziehung der ROK zum Nationalstaat und des Weiteren die Beziehung zwischen der moralischen Ordnung der Kirche und der legalen Ordnung des Staates im Entstehungsprozess der sozialen Ordnung theoretisierte. Die Stellung der ROKS gegenüber dem Nationalismus, dem Antisemitismus und dem Faschismus der verschiedenen politischen Parteien, wie auch die Haltung zu dem autoritären Regime von König Carol II. fußen ebenfalls auf ihrem Begriff von Nation. In diesem Kontext jedoch wird die Nationvorstellung aus einem theoretischen Diskurs in einen praktisch ausgerichteten verwandelt, welcher, so wie wir im fünften Kapitel zeigen werden, zur Beförderung eines ethnischen, also exklusivistischen Nationalismus und Antisemitismus, so wie zur Unterstützung der antidemokratischen Entwicklung des politischen Lebens im Rumänien der 1930er Jahre führte. Jedes Kapitel enthält ein einführendes Unterkapitel, in dem der spezifische Kontext der vorgetragenen Thematik vorgestellt wird, und eine Zusammenfassung. Auswertende Schlussfolgerungen werden die Knotenpunkte der Argumentation wiederaufnehmen und das Spezifikum des Ordnungsdenkens der ROKS aus der Perspektive einer politischen Theologie heraus systematisieren, in der der Nationsbegriff die zentrale Rolle einnimmt. I.2.3. Forschungsstand  Von den bisherigen Forschungen, die sich dem Verhältnis von Nation, Religion und Politik im Rumänien der Zwischenkriegszeit widmeten, nähert sich der Idee der Rekonstruktion des Ordnungsdenkens der ROKS am meisten das Standardwerk von Hans-Christian Maner, das die Positionen der Orthodoxen, Römisch-Katholischen und Griechisch-Katholischen Kirche zur politischen Dynamik Rumäniens zwischen 1918 und 194021 zum Gegenstand hat. Besonders 

21 Hans-Christian Maner, Multikonfessionalität und neue Staatlichkeit. Orthodoxe, griechisch-katholische und römisch-katholische Kirche in Siebenbürgen und Altrumänien zwischen den Weltkriegen (1918–1940), Franz Steiner, Stuttgart, 2007; ders., Kirchen in Rumänien: Faktoren demokratischer Stabilität in der Zwischenkriegszeit? Zum Verhältnis

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wichtig ist das Unterkapitel „Die Orthodoxe Kirche und der Staat. Grundlegende konzeptionelle Überlegungen“,22 in dem die Haltung der ROK gegenüber dem Staat und die des Staates der ROK gegenüber während der Moderne systematisiert ist. Obwohl Maner die Tatsache richtig erfasst, dass „die Kirche unter dem Gesichtspunkt ihres Verhältnisses zum Staat auch ihre eigentliche zentrale, geistlichtranszendentale Aufgabe stellt“,23 behandelt er jedoch die theologische Perspektive der ROK zu Politik oder Nation nicht im Detail. Wie schon betont, stellt diese theologische Perspektive die Grundvoraussetzung für die Haltung der ROKS gegenüber dem rumänischen Nationalstaat und den politischen Kräften und Ideologien der Zwischenkriegszeit dar. Maners Arbeit bleibt im Wesentlichen die eines Historikers, der sich in erster Linie auf die Dynamik der Ereignisse konzentriert, während die vorliegende Arbeit sich in erster Linie mit den Ideen befasst, die vom Diskurs der ROKS zur Interpretation der Faktizität entwickelt worden sind. Für die vorliegende Forschung ist das geschichtliche Ereignis an sich nicht wichtig, es ist nur von Bedeutung wegen seiner auslösenden Funktion für den die Beziehungen zwischen Nation, Religion und Politik interpretierenden Diskurs. 

von orthodoxer, römisch-katholischer und griechisch-katholischer Kirche, in: ders./Martin Schulze Wessel (Hg.), Religion im Nationalstaat zwischen den Weltkriegen 1918–1939. Polen – Tschechoslowakei – Ungarn – Rumänien, Franz Steiner, Stuttgart, 2002, 103–120; ders., Zwischen Staat und Kirche: Die Rolle der Geistlichkeit im Parlament Großrumäniens, in: Krista Zach/Cornelius R. Zach (Hg.), Modernisierung auf Raten in Rumänien, IKGS, München, 2004, 193–211; ders., Aspects of Modernisation and the Orthodox Church in Romania, in: Bogdan Murgescu (Hg.), Romania and Europe. Modernisation as Temptation, Modernisation as Threat, Allfa, Bucureúti, 2000, 74–83. Siehe auch Mirel Bănică, Biserica Ortodoxă Română, Stat Юi Societate în anii Ҳ30, Polirom, Ia‫܈‬i, 2007; George Enache, Biserică, Societate, Naаiune, Stat în România interbelică. Biserica Ortodoxă Română Юi „ispita totalitară“ de dreapta, in: Revista Teologică 2/2012, 276–300. Für die Analyse des Verhältnisses zwischen der Orthodoxen Kirche, Staat und den anderen Konfessionen im Kommunismus und Postkommunismus siehe Olivier Gillet, Religion et nationalisme: L’idéologie de l’Eglise orthodoxe roumaine sous le régime communiste, Editions de l'Université de Bruxelles, Bruxelles, 1997; Lucian Leu‫܈‬tean, Orthodoxy and the Cold War. Religion and Political Power in Romania, 1947–1965, Palgrave Macmillan, New York, 2009; George Enache, Ortodoxie Юi putere politică în România contemporană, Editura Nemira, Bucure‫܈‬ti, 2005; Iuliana Conovici, Ortodoxia în România postcomunistă. Reconstrucаia unei identităаi publice, 2 volume, Eikon, Bucure‫܈‬ti, 2009; Alina Pătru, Religion in Rumänien heute, in: Basilius J. Groen/Saskia Löser (Hg.), Der Balkan. Religion, Gesellschaft und Kultur, Tyrolia, Innsbruck, 2011, 57–75; Lavinia Stan/Lucian Turcescu, Religion and Politics in Post-Communist Romania, Oxford University Press, New York, 2007; Cristian Romocea, Church and State. Religious Nationalism and State Identification in Post-Communist Romania, Continuum, London, 2011. 22 Maner, Multikonfessionalität, 59–68. 23 Ebd., 60.



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Die vorliegende Forschung unterscheidet sich auch durch die von ihr benutzten Quellen. Die oben erwähnte Arbeit Maners übergeht eine Reihe von Zeitschriften der ROKS: Vor allem die offiziellen Zeitschriften des Episkopates Klausenburg/Cluj (RenaЮterea), Karansebesch/Caransebe‫( ܈‬Foaia Diecezană), Großwardein/Oradea (Legea Românească), dann die Zeitschrift Viaаa Ilustrată sowie Analele Asociaаie „Andrei Эaguna“ a clerului Mitropoliei Ortodoxe Române din Ardeal, Bănat, CriЮana Юi MaramurăЮ. Obwohl dem Telegraful Român, als offizieller Zeitschrift der Orthodoxen Metropolie Siebenbürgens auch die Aufgabe zukam, die repräsentativen Beiträge der untergeordneten Bistümer und der anderen kirchlichen Zeitschriften zu sammeln, ist z.B. eine Reihe der wesentlichen Beiträge zum Thema des theologischen Nationalismus nicht in der offiziellen Zeitung der Metropolie aus Hermannstadt/Sibiu erfasst.  Dieselbe Nichtberücksichtigung einiger das Verständnis des Nationalismus erhellender Quellen sowie das Fehlen der Fragestellung nach jener Theologie der sozialen und politischen Ordnung kennzeichnet auch die Arbeit von Nicolai Staab über die Beziehung zwischen nationaler Identität, Orthodoxie und ihrer Ansicht über das Abendland im kulturellen Diskurs im Rumänien der Zwischenkriegszeit.24  Eine andere Kategorie von Forschungen, die mit dem Ziel dieser Arbeit verwandt sind, sind diejenigen, die sich mit dem Werk von Dumitru Stăniloae beschäftigen. Die Beiträge von Stăniloae in den Zeitschriften der Metropolie Siebenbürgens und der Zeitschrift Gândirea in Bucure‫܈‬ti stellen die inhaltsreichsten theoretischen Beiträge der ROK der Zwischenkriegszeit über die Beziehungen zwischen Nation, Orthodoxie, Interkonfessionalismus und Politik 

24 Nicolai Staab, Rumänische Kultur, Orthodoxie und der Westen. Der Diskurs um die nationale Identität in Rumänien aus der Zwischenkriegszeit, Peter Lang, Frankfurt am Main, 2011. Für das Verhältnis zwischen Orthodoxie und Nationalismus im intellektuellen Diskurs der Zwischenkriegszeit, siehe unter anderen Roland Clark, Nationalism and Orthodoxy: Nichifor Crainic and the Political Culture of the Extreme Right in 1930s Romania, in: Nationalities Papers, 40, 1/2012, 107–126; ders., Orthodoxy and NationBuilding: Nichifor Crainic and Religious Nationalism in 1920s Romania, in: Nationalities Papers, 40, 4/2012, 525–543; Keith Hitchins, Gândirea – Nationalism in a spiritual Guise, in: Kenneth Jowitt (Hg.), Social Change in Romania, 1860–1940: A Debate on Development in a European Nation, Institute of International Studies, University of California, Berkeley, 1978, 140–173; ders., Orthodoxism: Polemics over Ethnicity and Religion in interwar Romania und Katherine Verdery, National Ideology and national Character in interwar Romania, in: Ivo Banac/Katherine Verdery (Hg.), National Character and National Ideology in Interwar Eastern Europe, Yale Center For International and Area Studies, New Haven, 1995, 103–134 bzw.135–156; Ionu‫ ܊‬Florin Biliu‫܊‬ă, Secular versus Religious Nationalism in the 19th and 20th Century Romania. Stirring the Debate about the Essence of Romanian Nationalism, in: New Europe College Yearbook 2010– 2011, 21–51; Răzvan Codrescu (Hg.), „Fiecare în rândul cetei sale“. Pentru o teologie a neamului, Cristiana, Bucure‫܈‬ti, 2003.

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dar. Neben den Arbeiten, die Stăniloaes Nationsbegriff auslegen25 – aber nicht die Beziehung zwischen der Idee von Nation und der sozialen und politischen Ordnung behandeln –, liegt dem Thema dieser Studie die Arbeit von Costion Nicolescu über das politische Denken von Stăniloae26 am Nächsten. Die Arbeit von Nicolescu beschränkt sich jedoch darauf, ausführliche Zitate aus den Beiträgen vorzustellen, die Stăniloae zwischen 1930 und 1945 veröffentlicht hat, zu denen noch kurze Kommentare und Angaben kommen, die für das Verständnis des historischen Kontextes notwendig sind, in dem sie verfasst wurden, was letztendlich diese Arbeit zu einer mehr deskriptiven als analytischen macht. Zweitens, aus strenger Sicht der vorliegenden Untersuchung ist diese Herangehensweise nur bruchstückhaft, da sie nur auf eine einzige Stimme aus dem gesamten Diskurs der ROKS eingeht, ohne diese in den Gesamtdiskurs der Institution, zu der sie gehört, zu integrieren. Jürgen Henkels Arbeit über das Leben und die Theologie Stăniloaes befasst sich systematisch mit seiner Vorstellung von der Nation, jedoch nur auf der Grundlage des Bandes Ortodoxie Юi Românism von 1939.27 In diesem Band veröffentlichte Stăniloae 15 ausgewählte Artikel zum Thema christlicher Nationalismus, welche in den 1930er Jahren in der Zeitung Telegraful Român und in der Zeitschrift Gândirea erstveröffentlicht worden sind. Es genügt zu erwähnen, dass Stăniloae in den 1930ern allein im Telegraful Român 

25 Siehe z.B. Constantin Schifirne‫܊‬, Concepаia antropologică creЮtin-ortodoxă a lui Dumitru Stăniloae despre naаiune, in: ders., Geneza modernă a ideii na‫܊‬ionale. Psihologie etnică ‫܈‬i identitate românească, Albatros, Bucure‫܈‬ti, 2001, 483–510; Ilie Moldovan, Actualitatea gândirii părintelui D. Stăniloae cu privire la etnic si etnicitate, in: ***Persoană ‫܈‬i comuniune. Prinos de cinstire Părintelui Profesor Academician Dumitru Stăniloae la împlinirea vârstei de 90 de ani, Editura ‫܈‬i Tiparul Arhiepiscopiei Ortodoxe Sibiu, Sibiu, 1993, 120–130; Roland Clark, Nationalism, Ethnotheology, and Mysticism in Interwar Romania, in: The Carl Beck Papers in Russian & East European Studies, 2002/2009, 1– 47; ders., Nationalist and Trinitarian Vision of the Church in the Theology of Dumitru Stăniloae, in: Studii Teologice, 2/2013, 207–226; Lucian Turcescu, Dumitru Stăniloae (1903–1993), in: John Witte Jr./Frank S. Alexander (Hg.), The Teaching of Modern Orthodox Theology on Law, Politics, and Human Nature, Columbia University Press, New York, 2007, 295–322; Michael Weber, Der geistig-geistliche Mensch im Konzept der Gnade bei Dumitru Stăniloae. Eine theologische Untersuchung unter der Berücksichtigung des soziokulturellen Hintergrundes, LIT, Berlin, 2012, 93–117; Mihail Neam‫܊‬u, Between Gospel and Nation: Dumitru Stăniloae’s Ethno-Theology, in: ARCHÆVS, X/2006, 7–44; Ciprian Iulian Toroczkai, Ortodoxie Юi Românism. O viziune teologică (I), in: Telegraful Român 15–16/2018, 5; ders., Ortodoxie Юi Românism. O viziune teologică (II), in: Telegraful Român 17/2018, 5. 26 Costion Nicolescu, Teologul în cetate. Părintele Stăniloae úi aria politicului, Christiana, Bucureúti, 2003. Siehe ebenfalls Lucian Grozea, CreЮtinism Юi ideaаie politică în publicistica lui Dumitru Stăniloae (Telegraful Român 1940–1941), in: Saeculum 1/2016, 297–315. 27 Siehe Dumitru Stăniloae, Ortodoxie Юi românism, Editura Arhidiecezană, Sibiu, 1939. Vgl. Jürgen Henkel, Dumitru Stăniloae. Leben – Werk – Theologie, Herder, Freiburg, 2017, 390–417.



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rund 300 Artikel publizierte, um deutlich zu machen, wie oberflächlich eine Ausarbeitung der Vorstellung von der Nation bei Stăniloae ist, wenn sie nur dieses Werk von 1939 in Betracht zieht. I.2.4. Die Grundbegriffe der Forschung I.2.4.1. „Ordnung“ als Oberbegriff: Das Paradigma „das Ganze und seine Teile³ Jenseits der semantischen Schwankungen, die der Übergang von einem Referenzsystem zu einem anderen mit sich bringt, von einem historischen und kulturellen Kontext zu einem anderen,28 gibt es ein rekurrentes Element, auf welches sich alle Typen von Ordnung stützen, und zwar die Beziehung. Als Ordnung wird ein Gefüge von Elementen bezeichnet, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen und einen größeren Bereich strukturieren.29

Da es sich um einen „Relationsbegriff“30 handelt, setzt die Ordnung zwei Ausrichtungen der Beziehung voraus: Einerseits die zwischen den Teilen und dem Ganzen, andererseits die Beziehung untereinander, zwischen den Teilen. Wenn diese doppelte Ausrichtung der Beziehung „eindeutig definiert“ sein soll, so bedeutet dies, dass die Ordnung noch ein Attribut hat, und zwar das der Rationalität in dem Sinne, dass die Beziehung zwischen unterschiedlichen Elementen eine Reihe von rationalen Gesetzen voraussetzt, die die Ordnung eines Systems bestimmen.31 Diese Gesetze existieren entweder durch sich selbst und der menschliche Beobachter beschränkt sich darauf sie zu entdecken – wie z.B. die Gesetze der Physik – oder sie sind von dem Beobachter geschaffen, um die

28 Für eine Analyse der Geschichte großer Zivilisationen der Menschheit aus der Perspektive ihrer Konzepte zur Erzeugung der sozialen und politischen Ordnung, siehe Eric Voegelin, Ordnung und Geschichte (10 Bände), Wilhelm Fink, München, 2001–2005. Siehe ebenfalls H. Meinhardt/W. Hübner/U. Dierse, Ordnung, in: Joachim Ritter/Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 6, Schwabe & CO. AG, Basel/Stuttgart, 1984, 1249–1303. 29 Regine Kather, Ordnung (Philosophisch), in: Hans Dieter Betz et alii (Hg.), Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Band 6, Mohr Siebeck, Tübingen, 2003, 632–633, hier 632. Siehe auch Lodi Nauta, Ordnung, in: Hans Jörg Sandkühler (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Band 2, Felix Meiner, Hamburg, 2010, 1885–1889, hier 1885. 30 Henning Ottmann, Ordnung, in: Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, herausgegeben von der Görres-Gesellschaft, Herder, Freiburg, 1988, 189–192, hier 189. 31 Vgl. Meinhardt/Hübner/Dierse, Ordnung, 1289.

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Elemente im Rahmen eines kohärenten Gesamten in eine gewisse Beziehung zueinander zu stellen.32  Welches ist jedoch im Fall dieser Studie der strukturierte und geordnete größere Bereich der Beziehung zwischen Nation, Religion und Politik? Nation, Religion und Politik haben – jenseits der vorhandenen spezifischen Unterschiede – die verbindende Idee einer menschlichen Gemeinschaft und somit der Gesellschaft und ihrer Ordnung, hier verstanden als Beziehung zwischen Individuen, Menschengruppen und Institutionen, aufgrund eines Sets von allgemein angenommenen Normen und Regeln.33 In diesem Sinne wird, so wie im Weiteren gezeigt werden wird, die Nation als eine „gedachte Ordnung“34 einer bestimmten menschlichen Gemeinschaft verstanden, die Politik – in ihrer klassischaristotelischen Auffassung – als Kunst das gemeinsame Leben der Menschen aufgrund von gerechten Normen35 und Religion, als: Ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige, d.h. abgesonderte und verbotene Dinge, Überzeugungen und Praktiken beziehen, die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft, die man Kirche nennt, alle vereinen, die ihr angehören.36

Die Beziehung zwischen Nation, Politik und Religion hat als Ergebnis die Strukturierung der Gesellschaft als Ganzes. Die Individuen werden in diesem Fall von einer Identität ausgezeichnet, welche beim Zusammentreffen aller drei Ebenen entsteht: Sie nehmen sich selbst gleichzeitig als Mitglieder einer Nation wie auch einer Gesellschaft (verstanden als eine vom Staat gestalteten politischen Gemeinschaft) und auch einer Religion, bzw. Konfession zugehörend wahr. Die Existenz jeder ethnisch-nationalen oder konfessionellen Gruppe ist von solchen Werten, Normen und solchen Formen der sozialen Interaktion gekennzeichnet, die nur ihnen zu eigen sind und nicht der gesamten Gesellschaft. „Das Ganze“ bezieht sich somit nicht auf die ethnisch-nationale, religiöse oder konfessionelle Ordnung, da es keine ethnisch, religiös oder konfessionell einheitlich-homogene Gesellschaften gibt. Es gibt aber mehrere Religionen, Konfessionen und ethnischnationale Gruppen innerhalb derselben Gesellschaft, welche von derselben 

32 Vgl. Ottmann, Ordnung, 189. Vgl. auch Nauta, Ordnung, 1885–1886 und Meinhardt/Hübner/Dierse, Ordnung, 1253. 33 Vgl. Heinz Abels, Soziale Ordnung oder: Wie ist Gesellschaft möglich?, in: ders., Einführung in die Soziologie. Band 1: Der Blick auf die Gesellschaft, Springer VS, Wiesbaden, 2018, 59–118. 34 Mario Rainer Lepsius, Nation und Nationalismus in Deutschland, in: Heinrich A. Winkler (Hg.), Nationalismus in der Welt von heute, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1982, 12–27, hier 13. 35 Vgl. Aristoteles, Politik (I, 1–3), in: Aristoteles. Ausgewählt und vorgestellt von Annemarie Piper, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1997, 165–169. 36 Emile Durkheim, Die elementaren Formen des religiösen Lebens, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1994, 75.



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politisch-staatlichen Entität organisiert ist. Die politische Handlung des Staates umfasst die gesamte Gesellschaft mit allen ethnisch-nationalen und religiöskonfessionellen Gruppen, weshalb die soziale und politische Ordnung untereinander austauschbare Realitäten und einsetzbare Begriffe sind. Die soziale Ordnung wird konstant von den Individuen und Menschengruppen durch einen Interpretationsprozess erschaffen, einen Prozess also, der die Wirklichkeitselemente mit einem bestimmten Sinn bzw. einer bestimmten Semantik versieht. Laut Niklas Luhmann ist der Sinn, das „Universalmedium aller psychischen und sozialen, aller bewusst und kommunikativ operierenden Systeme“, der konstant die „Autopoiesis dieser Systeme“37 und des sozialen Systems als Gesamtheit durch die Kommunikation generiert. Luhmann versteht mit Kommunikation nicht nur die nach gewissen sprachlichen Regeln strukturierten Diskurse, sondern auch „ein jeweils historisch-konkret ablaufendes, also kontextabhängiges Geschehen“,38 durch welches das System implizit etwas über die Weise mitteilt, in welcher es im Kontakt mit den anderen Teilsystemen der Gesellschaft kommt. Aus dieser Perspektive wird das Sozialsystem: rekonstruiert durch eine weitere Unterscheidung von Teilsystem und Umwelt. Vom Teilsystem aus gesehen, ist der Rest des umfassenden Systems jetzt Umwelt. Das Gesamtsystem erscheint für das Teilsystem dann als Einheit der Differenz von Teilsystem und Teilsystemumwelt.39

Was den konkreten Fall der ROKS in der Zwischenkriegszeit betrifft, ist die soziale Ordnung von der Beziehung zwischen der orthodoxen Gemeinschaft als einheitliches Teilsystem und seiner Umwelt bestimmt. In diesem Fall besteht Umwelt aus der nationalen Gemeinschaft, dem politischen Bereich und der konfessionellen und religiösen Alterität, die die anderen Zentralsysteme bildeten. Obwohl sie vorwiegend den Begriff Nation verwendet und implizit auch das der Ordnung der Nation, durch den Sinn den sie der Beziehung zwischen der rumänischen Nation und den anderen ethnischen, konfessionellen und religiösen Gruppen zuschreibt, meint die ROKS implizit die Ordnung der gesamten Gesellschaft, an deren Neudefinition und Wandlung sie durch all ihre Handlungen teilnimmt. Wenn die Ordnung eine Bewertung der Beziehungen zwischen verschiedenen Wirklichkeiten benötigt, so bedeutet es, dass dies auch einer Hierarchisierung bedarf. Genauer gesagt, dies bedarf einer hierarchischen Strukturierung der Teile eines Ganzen und selbstverständlich auch bestimmter Kriterien zu deren axiologischen Unterscheidung.40 Die so gebildete Ordnung der 

37 Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Erster Teilband, Kapitel 1–3, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1998, 51. 38 Ebd., 70. 39 Ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, Zweiter Teilband, Kapitel 4–5, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1998, 597. 40 Vgl. ebd., 919–931.

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Gesellschaft setzt ein hierarchisches Verhältnis seiner Untersysteme voraus, welches die ROKS ausgehend von ihrer Vorstellung über das Verhältnis zwischen Orthodoxie und der rumänischen Nation aufbaut.  I.2.4.2. Der Begriff der Nation im Rahmen der Nationalismusforschung Im intellektuellen Diskurs des 20. Jahrhunderts haben sich zwei Hauptrichtungen für das Verständnis von Nation herausgebildet: Die primordiale und die modernistische (instrumentalistische oder konstruktivistische).41 Der Begriff Nationalismus hat selbst eine Vielzahl von Bedeutungen, die Anthony D. Smith auf vier reduzierte:  The whole process of growth of nations and national states; sentiments of attachment to and pride in the nation; an ideology and language (discourse) extolling the nation; a movement with national aspirations and goals.42 

Diese vier Bedeutungen sind offenkundig komplementär. Die Unterscheidung erfolgt nur durch die Betonung des einen oder anderen Elements, welches die Besonderheit markiert (Nationalstaat, Nationalgefühl, ideologischer Diskurs, Nationalbewegung). Der Nationalismus als Bildungsprozess des nationalen Staates setzt eine nationale Bewegung voraus, deren Mitglieder ihr Handeln mit einem nationalen Gefühl und einer nationalen Ideologie begründen. Diese Ideologie ist ihrerseits die konzeptuelle Form der nationalen Gefühle und Bestrebungen. I.2.4.2.1. Primordialismus: Die Nation als ontologische Gegebenheit In der Interpretation von Clifford Geertz ist eine Nation eine menschliche Gemeinschaft „based on primordial attachments“, die aus der sozialen Realität hervorgehen, wie z.B. die Zugehörigkeit durch Geburt zu einem bestimmten religiösen oder sprachlichen Raum oder die Einhaltung bestimmter sozialer Gepflogenheiten usw. Die Bindungen, die auf einer Blut-, Brauchtums- oder Sprachgemeinschaft beruhen, haben in der Interpretation von Geertz „an ineffable, and at times overpowering, coerciveness in and of themselves“. Die 

41 Siehe Anthony D. Smith, Nationalism and Modernism. A critical Survey of Recent Theories of Nations and Nationalism, Routledge, London/New York, 1998, 25–142; ders., The Cultural Foundations of Nations. Hierarchy, Covenant, and Republic, Blackwell, Oxford, 2008, 1–11. 42 Vgl. ders., Myths and Memories of the Nation, Oxford University Press, New York, 1999, 101.



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Intensität dieser „primordial bonds“ ist unterschiedlich, abhängig von der historischen Zeit, in der eine bestimmte Menschengemeinschaft existiert und von dem Personentyp, der diese Gemeinschaft bildet. Aber for virtually every person, in every society, at almost all times, some attachments seem to flow more from a sense of natural – some would say spiritual – affinity than from social interaction.43

Laut dieser Interpretation the primordial community [...] shows a tendency to dominate the individuals […]. The membership of a particular individual in a particular community is exclusive, one can be member of only one primordial community: race, caste, religious or ethnic group.44

Aus dieser Perspektive bleibt eine Nation für die Gesamtzeit ihres Bestehens eine in sich geschlossene Realität, die sich selbst generiert, ohne in ihren ontologischen Daten von einem externen Faktor verändert zu werden.

I.2.4.2.2. Modernismus: Nation als soziales Konstrukt Diesen Typ des Rassendeterminismus postulierend ist es kein Wunder, dass sich das primordiale Paradigma in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg keines Erfolges erfreute. Die heutigen Debatten über den Nationalismus werden von dem Paradigma des Modernismus45 beherrscht, worin der Charakter des freien Vernunftprojektes betont wird und das als Grundlage für die Bildung der Nation verwendet wird. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterstrich Max Weber den künstlichen Charakter des „ethnischen Gemeinschaftsglaubens“, der aus seiner Sicht „der Umdeutung von rationalen Vergesellschaftungen in persönliche Gemeinschaftsbeziehungen“46 entspricht. Beginnend mit den 1980er Jahren, wurde diese Idee der bewussten Neudeutung der nationalen Gemeinschaft in konstruktivistischer Konzeption von Autoren wie Benedict Anderson, Ernest Gellner und Eric J. Hobsbawm systematisiert. Für Anderson ist eine Nation „eine vorgestellte politische Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän“. Die Nation ist „vorgestellt“,



43 Clifford Geertz, The Interpretation of Cultures. Selected Essays, Basic Books, New York, 1973, 259–260. 44 Viera Baþová, The Construction of National Identity – On Primordialism and Instrumentalism, in: Human Affairs, 1/1998, 29–43, hier 32–33. 45 Vgl. Anthony D. Smith, Ethno-Symbolism and Nationalism. A Cultural Approach, Routledge, London/New York, 2009, 4–6. 46 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Mohr Siebeck, Tübingen, 2009, 45.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens weil die Mitglieder selbst der kleinsten Nation die meisten anderen niemals kennen, ihnen begegnen oder auch nur von ihnen hören werden, aber im Kopf eines jeden die Vorstellung ihrer Gemeinschaft existiert.47

Dieser Definition zufolge besitzt jede Gemeinschaft eine ontologische Dimension (es geht um die Tatsache, dass die betreffenden Menschen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit leben). Damit verbunden ist die Dimension des Imaginären, die sich in dem Nationsdiskurs zum Ausdruck bringt. Da die Interaktion und Vereinigung der Mitglieder einer Menschengruppe nicht direkt erfolgen kann, geschieht diese durch ihren Bezug zu einem gemeinsamen Grundsatz, der dem einzelnen Individuum den Übergang vom Partikulären zum Generellen ermöglicht, von der eigenen Person zur „Person“ der Gruppe, der er angehört. Die Beziehungen zwischen Individuen werden nicht direkt hergestellt, sondern durch die Idee der nationalen Gemeinschaft. Zwei der wichtigsten Attribute von Nation, nämlich die Tatsache, dass diese „begrenzt“ und „souverän“48 ist, führen automatisch dazu, dass jede Nation ein Bewusstsein der nationalen Identität und gleichzeitig eines der Alterität besitzt. Somit ist eine Nation ein Konstrukt an der Überschneidung von zwei Identitätsdimensionen: Einer Identität, die geschaffen ist durch den Bezug zu sich selbst, zu den gemeinsamen Elementen, auf denen die Kohäsion einer menschlichen Gruppe beruht und einer, die sich durch den Bezug zu dem/den Anderen konstituiert, d.h. zu den Elementen, die die Menschengruppen voneinander unterscheiden. Für Gellner bildet eine Gruppe von Menschen eine Nation nur dann, wenn sie einerseits „dieselbe Kultur teilen“ und andererseits, wenn die Mitglieder dieser Gruppe „einander als Angehörige derselben Nation anerkennen“. Die Schlussfolgerung von Gellner lautet: „Der Mensch macht die Nation; Nationen sind die Artefakte menschlicher Überzeugungen, Loyalitäten und Solidaritätsbeziehungen“.49 Im Rahmen dieses Geburtsprozesses einer Nation weisen Gellner und Anderson den Intellektuellen eine wesentliche Bedeutung zu. Die Intellektuellen sind es, die die Interaktion des traditionellen Umfeldes (mit seiner spezifischen Sprache und Kultur) und dem modern-industriellen Umfeld verwendeten, um eine nationalistische Bewegung in Gang zu setzen, die durch Bildung und Schaffung einer Hochkultur zur Festigung der gesellschaftlichen Solidarität führte. Der nächste Schritt dieser nationalistischen Bewegung bewirkte einen Übergang vom Kulturellen zum Politischen, von der Hochkultur einer Gruppe zur Notwendigkeit eines Staates, der diese Kulturgemeinde beherbergen soll.50 In diesem Sinne ist 

47 Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Kampus, Frankfurt am Main/New York, 1988, 15. 48 Ebd., 16. 49 Ernest Gellner, Nationalismus und Moderne, Rotbuch, Berlin, 1991, 16. 50 Vgl. ebd., 96.



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Nationalismus „vor allem ein politisches Prinzip, das besagt, politische und nationale Einheiten sollten deckungsgleich sein“.51 Hobsbawm stimmt den Grundideen von Gellner zu – Nationalismus als politischer Grundsatz, Nation als kontingentes Produkt der geschichtlichen Entwicklung52 – er relativiert jedoch die Idee der Nation als eines Konstruktes in eine einzige Richtung, von oben nach unten verstanden, von der intellektuellen Elite zu den Menschenmassen. Für Hobsbawm sind die Nationen „Doppelphänomene, im Wesentlichen zwar von oben konstruiert, doch nicht richtig zu verstehen, wenn sie nicht auch von unten analysiert werden“.53 Eine Menschengruppe ist nicht bloß das passive Objekt, dem eine intellektuelle Elite das Bild der eigenen Identität und nationalen Solidarität liefert. Sie ist aber auch ein aktiver Faktor, der zur Erschaffung dieses Bildes beiträgt, das keinesfalls vom „Hintergrund der Annahmen, Hoffnungen, Bedürfnissen, Sehnsüchten und Interessen der kleinen Leute“54 getrennt werden kann. Das, was die zentrale Komponente des modernistischen Paradigmas bildet, wird von Hobsbawm als „das Element [...] des social engineering“55 bezeichnet, also als Tendenz, einer nationalen Gemeinschaft sich eine bestimmte Struktur und Funktionsweise zu verleihen. Mario Rainer Lepsius bringt diese Idee zum Ausdruck, wenn er unterstreicht, dass Nation eine gedachte Ordnung ist, d.h. „eine kulturell definierte Vorstellung, die eine Kollektivität von Menschen als eine Einheit bestimmt“.56 Die Nation ist letztendlich eine diskursive Realität, welche sich in kontinuierlicher Entstehung befindet. Jede Generation bringt ihren eigenen semantischen Beitrag zu ihrer Definition ein, abhängig vom historischen Kontext, in dem dieser interpretative Prozess stattfindet. Diese Tatsache gilt für jeden Versuch, die Nation und die nationale Identität zu definieren, denn die Nation und die Versuche, ihre Identität zu definieren „[are] fundamentally ways of perceiving, interpreting, and representing the social world. They are not things in the world, but perspectives on the world“.57 Jeglicher Diskurs über Nation ist somit Teil des Prozesses von „Arbeit am Mythos“ als konstante Interpretationsform einer von einer Generation zur anderen überlieferten Meistererzählung.58 Die vorliegende Arbeit wird mit zwei unterschiedlichen Termini arbeiten, um sich auf den Diskurs über Nation zu beziehen, den die ROKS undifferenziert 

51 Ebd., 8. 52 Vgl. Eric J. Hobsbawm, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Campus, Frankfurt am Main/New York, 2004, 20. 53 Ebd., 21. 54 Ebd., 21–22. 55 Ebd., 21. 56 Lepsius, Nation und Nationalismus, 13. 57 Rogers Brubaker, Ethnicity without Groups, Harvard University Press, Cambridge, MA, 2004, 17. 58 Vgl. Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2006, 23f.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

als Nationalismus bezeichnet: Für den theoretischen Diskurs (theologisch, philosophisch) über Nation wird der Begriff Nationsdiskurs (Kapitel 3) verwendet und dort, wo die praktische, politische Ausrichtung in der Absicht, die soziale Ordnung zu verändern, hervorgehoben wird das Phänomen mit dem Wort Nationalismus benannt (Kapitel 4, insbesondere jedoch Kapitel 5).

I.2.4.3. Die Beziehungen zwischen Religion/Kirche und Politik/Staat Nach jüngeren Metaerzählungen über die Beziehungen zwischen Religion und Politik in der Geschichte Europas ist der moderne Staat das Ergebnis eines Säkularisierungsprozesses, der um das 16. Jahrhundert59 begann und sich als eine stetige „Ablösung der politischen Ordnung als solcher, von ihrer geistlichreligiösen Bestimmung und Durchformung“60 fortsetzte. Im Unterschied zum byzantinischen Christentum, in dem die Beziehung zwischen religiöser und politischer Ordnung von einem „politischen Monismus“ gekennzeichnet wurde und in dem sich die beiden Ordnungstypen „sinfonisch“ in der Person des Kaisers und implizit in der Ordnung des Kaiserreiches trafen, kennzeichnete sich das abendländische Christentum durch einen „politischen Dualismus“, in dem Kirche und Staat die ganze Zeit miteinander rangen, um sich gegenseitig zu unterwerfen.61 Die Beziehung zwischen den beiden Institutionen entwickelte sich von einem politischen Dualismus aus zur Trennung der Kirche vom Staat, so wie dieses in den modernen liberalen Demokratien vorgesehen ist.62 Doch dies führte nicht zu einer vollständigen Trennung des religiösen vom politischen Bereich, sondern nur zu einer Umwandlung der Art der Beziehung der beiden zueinander. Der moderne Staat ist eine Institution, in deren theoretischen Selbstrechtfertigung 

59 Vgl. Charles Taylor, A Secular Age, The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge, MA/London, 2007, 25. 60 Ernst Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit. Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1976, 42–64, hier 42–43; vgl. Taylor, A Secular Age, 2. Für eine historische Skizze des Verhältnisses zwischen Christentum und Politik, siehe Hans Maier, Wechselwirkungen von Kirche und Politik in der Geschichte des Christentums, in: Dingel/Tietz (Hg.), Die politische Aufgabe, 413–425. 61 Vgl. Mihai-D. Grigore, Der Mensch zwischen Gott und Staat. Überlegungen zu politischen Formen im Christentum, in: Studii Teologice, 1/2010, 105–175, hier 163. 62 Für eine ausführliche Analyse des Verhältnisses Kirche/Staat, Kirche/Gesellschaft und Staat/Gesellschaft im politischen Rahmen der modernen liberalen Demokratie, siehe Ernst Wolfgang Böckenförde, Staat – Gesellschaft – Kirche, Herder, Freiburg, 1982. Für eine sozial-anthropologische Perspektive des Verhältnisses zwischen Politik und Religion, siehe Harald Wydra, Politics and the Sacred, Cambridge University Press, Cambridge, 2015.



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Konzepte gefunden werden können, die „einen krypto-theologischen Gehalt“63 als Reminiszenz des gemeinsamen theologisch-politischen Imaginären enthalten, das er mit der Kirche in der Vormoderne teilte. Diese Art des genealogischen Verstehens der Beziehung zwischen Religion und Politik ist mit dem Namen von Carl Schmitt und dem von ihm in die intellektuellen Debatten des 20. Jahrhunderts eingeführten Begriffs der politischen Theologie verbunden. Dieses Konzept erhielt seine primäre Struktur in dem Werk Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität von 1922 und wurde von Autoren wie Erik Peterson64 oder Ernst Kantorowicz65 neu bewertet, wobei diese drei Autoren zur normativen Referenz für das aktuelle Verständnis des Konzeptes der politischen Theologie wurden.66 Im Mittelpunkt der politischen Theologie von Schmitt steht die folgende Idee: „Alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre sind säkularisierte theologische Begriffe“.67 Laut dieser Interpretation ist das Konzept der Souveränität, auf dem der moderne Staat beruht, eine säkularisierte Form des Konzeptes der göttlichen Souveränität. Dabei stehen die Ausnahmen von den Gesetzen, die ein legales System voraussetzt, in Korrespondenz zu den Wundern Gottes, mit denen Gott in der Geschichte wirkt und die ebenso Ausnahmen von jenen Gesetzen darstellen, die die Existenz der Welt regieren.68 Durch sein Konzept reiht sich Schmitt in die Geschichte der christlichen Tradition ein, in der die politische Theologie als eine politische Theorie, politische Doktrin oder politische Positionsbestimmung, für die nach dem Selbstverständnis des politischen Theologen die göttliche Offenbarung die höchste Autorität und letzte Grundlage ist,69 verfasst wurde. 

63 Henning Ottmann, Geschichte des Politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert: Der Totalitarismus und seine Überwindung, Band 4/1, J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar, 2010, 231. 64 Erik Peterson, Der Monotheismus als politisches Problem. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Theologie im Imperium Romanum, Hegner, Leipzig, 1935. 65 Ernst Kantorowicz, The King’s Two Bodies: A Study in Medieval Political Theology, Princeton University Press, Princeton, 1957. 66 Vgl. Michael Jon Kessler (Hg.), Political Theology for a plural Age, Oxford University Press, Oxford, 2013, 14. Für eine Vergleichsanalyse des Konzeptes der politischen Theologie bei Schmitt, Peterson und Kantorowicz, siehe György Geréby, Carl Schmitt and Erik Peterson on the Problem of Political Theology: A Footnote to Kantorowicz, in: Aziz Al-Azmeh/János M. Bak (Hg.), Monotheistic Kingship. The Medieval Variants, Central European University Press, Budapest, 2004, 31–61. 67 Carl Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, Duncker & Humblot, Berlin, 2004, 43. 68 Vgl. ebd. 69 Heinrich Meier, Was ist Politische Theologie? Einführende Bemerkungen zu einem umstrittenen Begriff, in: Jan Assmann, Politische Theologie zwischen Ägypten und Israel, Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München, 1992, 7–22, hier 17. Für eine detaillierte Analyse der schmittschen politischen Theologie, siehe Heinrich Meier, Die Lehre Carl

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Es muss vermerkt werden, dass das von Schmitt vorgeschlagene Paradigma der politische Theologe nicht von einer theoretischen Neugierde getrieben wird, sondern sein Unterfangen setzt auch eine „politische Positionsbestimmung“ voraus. Die politische Theologie bedeutet also nicht nur ein theologisches Verständnis der politischen Ordnung, sondern auch ihre Umwandlung dadurch, dass der theologisch-politische Diskurs eine rationale Grundlegung politischer Ordnung verwirft, nur eine theologische Grundlegung gelten lässt und eine bestimmte politische Form durch Berufung auf solche Grundlegung legitimiert.70

In diesem Sinne ist die politische Theologie ein Gesellschaftsprojekt, das als Alternative zu dem des Staates agiert. Genauer gesagt, übt Schmitt an dieser Stelle eine Kritik am modernen Staat und an der liberalen Demokratie.71 Wie Jan Assmann unterstrichen hat, steht hinter der Idee vom theologischen Ursprung der prägnantesten Konzepte der Staatslehre das Postulat, dass ursprünglich die geistliche und politische Welt, das Heil und die Herrschaft, die Religion und die Politik eine Einheit bildeten und die moderne Trennung von Kirche und Staat illegitim sei.72 Jenseits dieses Anti-Aufklärungs-Affektes bleibt Schmitts Auffassung aus methodologischer Sicht gültig, da sie zur Identifizierung der Hauptfrage jeglichen Typs von politischer Theologie führt, und zwar der Frage, in Kants Terminologie, nach „Bedingungen der Möglichkeit“73 der Beziehung zwischen Religion und Politik. Für Schmitt beruht somit die Möglichkeit der Wiederherstellung der Einheit von Religion und Politik in der Moderne auf der engen Beziehung zwischen den beiden in der Vormoderne. Bei der Annahme des modernen laizistischen Paradigmas durch die christlichen Kirchen und zugleich bei ihrer theologisch-politischen Haltung geht es um (theologischen) Status, Legitimation und Aufgaben der politischen Ordnung und das Verhältnis von kirchlicher und politischer Gewalt bzw. kirchlicher und politischer Instanzen.74 

70 71 72 73 74



Schmitts. Vier Kapitel zur Unterscheidung Politischer Theologie und Politischer Philosophie, J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar, 2009. Assmann, Politische Theologie, 27. Siehe dazu John P. McCormick, Carl Schmitt’s Critique of Liberalism. Against Politics as Technology, Cambridge University Press, Cambridge, 1997. Vgl. Jan Assmann, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2002, 24. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Erster Teil, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1981, 129. Ernst Wolfgang Böckenförde, Politische Theorie und Politische Theologie, in: Jacob Taubes (Hg.), Religionstheorie und Politische Theologie, Band 1: Der Fürst dieser Welt. Carl Schmitt und die Folgen, Wilhelm Fink, München, 1983, 16–25, hier 19. Böckenförde

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Die Tatsache, dass in einer nach den Grundsätzen des demokratischen Liberalismus geordneten Gesellschaft Kirche und Staat voneinander getrennt sind, bedeutet nicht, dass der Staat alleine für die soziale Ordnung verantwortlich ist, sondern bloß, dass er diese Verantwortung explizit ausübt, während die Kirche durch ihre Arbeit implizit zu deren Erschaffung und Beibehaltung beiträgt. Die Grundlage dieser Differenzierung stellt die Natur der christlichen Offenbarung selbst dar, die keine politische Theorie ist, sondern eine Soteriologie mit universeller Adressierbarkeit.75 Demzufolge agiert die Kirche implizit in der Politik durch die Verkündung dieser Heilsbotschaft, welche sich „allen Menschen, auch den Mächtigen in Staat und Gesellschaft“76 zuwendet. Wenn man von einem politischen Handlungsmittel der Kirche spricht, dann sind es jene christlichen Bürger, die „ihrerseits im Geist des Evangeliums seine Impulse und Prinzipien [...] in konkrete Zielsetzungen und konkretes Handeln umsetzen“.77 In diesem Fall charakterisiert sich die politische Existenz eines Christen durch die Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Rolle als Bürger sowie den praktischen Konsequenzen, die daraus hervorgehen, und der des Christen. Diese Notwendigkeit ist eine Folge der Tatsache, dass beide Institutionen, denen ein Christ gleichzeitig zugehörig ist, durch Normen und Werte gekennzeichnet sind, die sich in vielen Punkten unterscheiden können. Neben diesem Typ von politischer Handlung, die auf einer persönlichen Entscheidung des Gläubigen und der indirekten politischen Handlung der Kirche beruht, agiert die Kirche als Institution in direkter Beziehung mit dem Staat, und zwar durch ihre prophetische Funktion, d.h. durch permanente Betonung der Notwendigkeit einer Übereinstimmung zwischen politischer Handlung und den moralischen Grundsätzen der göttlichen Offenbarung. Diese Haltung ist ebenfalls durch die doppelte, religiöse und politische Identität des Gläubigen gerechtfertigt, wobei in diesem Sinne die Kirche sich gegenüber ihren Gläubigen, die gleichzeitig auch Betroffener der politischen Handlung des Staates sind, verantwortlich 

nennt diesen Typ von politischer Theologie „institutionelle politische Theologie“. Neben dieser Bedeutung finden sich noch zwei andere in der erwähnten Studie: eine rechtliche politische Theologie, welche „den Vorgang der Übertragung theologischer Begriffe auf den staatlich-juristischen Bereich“ im Sinne der Schmittschen Theorie bezeichnet, und „eine (ethisch motivierte) appellative politische Theologie“, welche für die politische Theologie von J.B. Metz oder der Theologie der Befreiung oder Theologie der Revolution charakteristisch ist, die in Lateinamerika in den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgetreten ist (ebd., 19, 21). Für eine aktuelle Vorstellung verschiedener Verstehensweisen des Konzeptes der politischen Theologie, siehe Craig Hovey/Elizabeth Phillips (Hg.), The Cambridge Companion to Christian Political Theology, Cambridge University Press, New York, 2015. 75 Vgl. Ernst Wolfgang Böckenförde, Kirchlicher Auftrag und politische Entscheidung, Rombach, Freiburg, 1973, 214. 76 Ebd., 25. 77 Ebd., 215.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

fühlt. Die Kirche beurteilt also den Staat kritisch anhand ihrer eigenen Werte, jedoch ist dieses Hüter- und Wächteramt als solches keine Usurpation. Aber es besteht nur insoweit, als es Ausfluss des Verkündigungsauftrages der Kirche ist und sich in dessen Rahmen hält. [...] Das bedeutet, dass es sich nur auf den Bereich der negativen Ausgrenzungen (...es ist Dir nicht erlaubt) erstrecken kann. Es ist dort gerufen, wo es sich um die Missachtung dessen handelt, was als Gesetz Gottes, als unverlierbare Berufung des Menschen in der Offenbarung unmittelbar ausgesagt und enthalten ist.78

Diese „institutionelle politische Theologie“ oder – folgen wir der Argumentation Ernst Wolfgang Böckenfördes – genauer gesprochen, eine Theologie der Politik, oder noch genauer, eine theologische Kritik der Politik, ist nicht konfessionell bedingt. Sie geht von der Idee der Kirche als göttlich-menschlicher und implizit sozialer Institution aus, ebenso wie aus den Voraussetzungen, die daraus für ihre Existenz in der Welt hervorgehen. Obwohl Böckenfördes Argumentation den konkreten Fall der Katholischen Kirche, der er angehörte, betrifft, sind seine Ausführungen über den impliziten Charakter des politischen Handelns der Kirche und ihrer prophetischen Funktion von transkonfessioneller Gültigkeit. Das Zentralelement des modernen orthodoxen theologisch-politischen Diskurses besteht in der eschatologischen Relativierung der Politik. Die eschatologische Haltung setzt die Übernahme einer Dialektik zwischen Gegenwart und Zukunft voraus. Diese Dialektik gewährleistet der Kirche die Beibehaltung einer Distanz gegenüber den Strukturen dieser Welt und schützt sie davor, sich mit der Welt oder der Geschichte zu identifizieren.79 Das Gleichgewicht, welches das konstante Pendeln „vom Eschatologismus zum Historismus“ voraussetzt, beruht auf der positiven Funktion, die der Apostel Paulus dem Staat verliehen hat, nämlich „auf den historischen Wegen des Reiches Gottes“ („Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott“, Römer 13, 1).80 Die Beziehung zwischen Kirche und Staat – unabhängig von dessen ideologischer Ausrichtung – ist nicht dogmatisch, sondern situativ bestimmt, und zwar als Teil des Anpassungsprozesses der Kirche an die verschiedenen historischen und politischen Kontexte. Diese stetige Anpassungsnotwendigkeit ist die Ursache für das Fehlen einer systematischen orthodoxen Lehre über die Beziehung zwischen Kirche und Staat.81 Die Klärung der Frage einer Kompatibilität zwischen dem Reich Gottes und dem des Kaisers erfolgt abhängig vom politischen Spezifikum der jeweiligen 

78 Ebd., 216. 79 Vgl. Pantelis Kalaitzidis, Orthodoxy and Political Theology, WCC Publications, Geneva, 2012, 86; siehe auch Nikolai Berdjajew, Das Reich des Geistes und das Reich des Caesar, Holle, Darmstadt, 1952, 89. 80 Bulgakov, Die Orthodoxie, 237. 81 Vgl. ebd., 238–241.



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Epoche, das die Kirche ad hoc aufgrund der eigenen Tradition auslegt. Die dogmatische Ungebundenheit der Kirche gegenüber irgendeiner Form der politischen Ordnung bietet jedem Christen die freie Wahl für eine oder andere politische Ideologie oder Institution; diese Wahl ist „Sache ihres politischen Gewisses und ihres Verstandes“.82 Die Vorgabe einer normativen politischen Stellung seitens der Kirche würde letztendlich eine Einschränkung ihrer Anpassungsmöglichkeiten an die Gegebenheiten des aktuellen Säkulums bedeuten. Was die liberale Demokratie betrifft, befindet sich der Schwerpunkt, den diese auf den Wert der Person und der Gemeinschaft legt, in Einklang mit der Bedeutung der eucharistischen Gemeinschaft, welche die Kirche bildet. Zwischen den beiden Gemeinschaftstypen besteht eine Kausalbeziehung, wie sie Aristotle Papanikolaou beschreibt: As Christians progress to realize the divine in their lives, then the inevitable result would be a liberal democratic form of political community. Otherwise put, the church is meant to perfect the political community and not to abolish it, which means that the political community exist in an analogical relationship to the church, not one of diametrical opposition.83

Das Ziel der liberalen Gesellschaft ist das Gemeinwohl, also eine immanente Realität, während das Gemeinwohl der christlichen Gemeinde ein eschatologisches Gut ist. Von diesem Blickpunkt aus ist die kirchliche Gemeinschaft dazu bestimmt, eine moralische und geistige Besserung der politischen Gemeinschaft zu bewirken. Jedoch „this common good, for Christians, cannot be identified with the eschatological good of divine-human communion“.84 Durch den geistigen Fortschritt, den die Kirche dem Menschen vermittelt, wird dieser zum Wandlungsfaktor der politischen Ordnung. Aus dieser Perspektive ist die moderne Trennung des Staates von der Kirche nicht maßgebend für die Fähigkeit der Kirche, die menschliche Person qualitativ zu verwandeln und somit implizit die Gesellschaft und den Staat. Mit den Worten Bulgakov gesagt: Das Ideal der christlichen Verwandlung der Staatlichkeit durch die Kirchlichkeit bleibt in seiner ganzen Kraft und ohne jede Einschränkung auch in der Epoche der Trennung der Kirche vom Staat, der zum „Rechtsstaat“ geworden ist, bestehen, da diese Trennung nur äußerlich bleibt, nicht aber innerlich. Die Wege des Einflusses der Kirche ändern sich dabei, er kommt nicht von außen, von oben, sondern von innen, von unten, aus dem Volk und durch das Volk.85



82 Ebd., 244. 83 Aristotle Papanikolaou, The Mystical as Political: Democracy and Non-Radical Orthodoxy, University of Notre Dame Press, Notre Dame/Indiana, 2012, 80. 84 Ebd., 157. 85 Bulgakov, Die Orthodoxie, 245. Über die Beziehung zwischen Orthodoxie und den Werten des Staates und der liberalen Gesellschaft, siehe Vasilios N. Makrides, Sind politische

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Somit hat die Kirche eine implizite politische Dimension, die unabhängig von den äußeren politischen Bedingungen aktiv wird. Diese äußeren Bedingungen bestimmen jedoch die Form, in welcher die „Politik“ der Kirche sich in der Gesellschaft aktualisiert: In einem totalitären Staat z.B., in dem die Kirche nur geduldet ist, ist die implizite Dimension des politischen Einflusses der Kirche vorrangig. In einem demokratisch-liberalen Staat hingegen agiert die Kirche sowohl implizit als auch explizit, d.h. durch ihr prophetisches Handeln in Verbindung mit dem Staat oder sogar aktiv durch Zusammenarbeit mit diesem, auf das Ziel hin, die verschiedenen sozialen Probleme zu lösen.86

I.2.4.4. Politische Theologie und die Themenkonstellation: „Das Vorpolitische – das Politische – die Politik“ Die Aktivierung der impliziten und expliziten politischen Handlung der Kirche setzt die Annahme der Trennung des religiösen vom politischen Bereich voraus. Das bedeutet einerseits, dass die Kirche überhaupt kein Recht und kein Mittel hat, um den Staat zu einer bestimmten politischen Handlung innerhalb der Gesellschaft zu zwingen und andererseits, dass ihr Einfluss auf die soziale Ordnung sich im Wesentlichen auf den Bereich des Vorpolitischen erstreckt und nicht direkt auf den des Politischen. Laut Jean-Pierre Wils bezieht sich das Vorpolitische auf jenen Bereich, der sich „an der Schwelle zur Konstitution des Politischen befindet: Die sozialen Beziehungen, die moralischen Überzeugungen, die Konflikte und die Assoziationen zivilgesellschaftlicher Natur“.87 Die Charakteristik eines jeden Bereiches, der das Vorpolitische strukturiert, sei es Religion, Moral oder Kultur, besteht darin, dass „sie nicht durch eine bestimmte politische Option festgelegt ist“.88 Die politische Neutralität der verschiedenen vorpolitischen Sphären der Gesellschaft bedeutet jedoch nicht, dass diese die Institutionen, Verfahren und Praktiken des Staates, also die politische Sphäre, nicht beeinflussen.89 Im Gegenteil, jeder moderne demokratische Rechtsstaat baut seine 

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Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Orthodoxen Kirchen absolut notwendig?, in: Religion – Staat – Gesellschaft. Zeitschrift für Glaubensformen und Weltanschauungen, LIT, Münster, 13, 1/2012, 53–79. Siehe z.B. das Protokoll für Zusammenarbeit im Bereich sozialer Inklusion von 2007 zwischen dem Rumänischen Orthodoxen Patriarchat und der Regierung Rumäniens (http://patriarhia.ro/protocol-de-cooperare-in-domeniul-incluziunii-sociale-intre-guvernul -romaniei-si-patriarhia-romana-5363.html). Jean-Pierre Wils, Das Vorpolitische, das Politische und die Politik. Eine Anfrage, in: Michael Kühnlein (Hg.), Das Politische und das Vorpolitische. Über die Wertgrundlagen der Demokratie, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2014, 71–88, hier 74. Walter Lesch, Kultur – Moral – Religion: Drei Sphären des Vorpolitischen?, in: Kühnlein (Hg.), Das Politische, 89–102, hier 101. Vgl. Wils, Das Vorpolitische, 73–74.

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Existenz auf soziale Bindungskräfte, welche von religiösen, weltanschaulichen und ethischen Traditionen seiner Bürger generiert werden.90 Es versteht sich von selbst, dass im Rahmen einer modernen liberalen Gesellschaft keine Religion den Anspruch erheben kann, den politischen Raum zu dominieren. Die Religionen können jedoch eine Förderer-Rolle des demokratischen Klimas in der Gesellschaft übernehmen. Sie können die staatsbürgerliche Verantwortung durch das Veranstalten von Debatten und durch das Formulieren von Argumenten im Geiste der eigenen theologischen Tradition fördern und zugleich den Konsens mit den anderen Weltanschauungen suchen.91 In Anbetracht der pluralen Strukturierung der modernen Gesellschaften sollte das, was Religion und andere Sphären des Vorpolitischen an normativer Orientierung für die politische Ordnung anzubieten haben, Gegenstand von Diskussionen und Überlegungen in der Öffentlichkeit sein.92 Der Übergang des Vorpolitischen in die Politik setzt somit Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen sozialen Akteuren voraus, was die Sphäre des Politischen bildet. Das Politische kann „als ein öffentlicher Erscheinungsraum“ verstanden werden, der die Interaktion zwischen Menschen und verschiedenen Assoziationsformen ermöglicht.93 Im Vergleich zum praktisch-institutionellen Gebiet der Politik, bezeichnet demnach das Politische „einen Ort der permanenten Ideologieproduktion, die einen Einfluss auf die politischen Optionen auszuüben versucht“.94 Das Politische umfasst somit die gesamte Öffentlichkeit, verstanden als „soziales Reflexionsmedium“.95 Das bedeutet, dass die Konkurrenz zwischen den verschiedenen sozialen Akteuren um die öffentliche Durchsetzung ihrer eigenen Weltanschauung das Ziel hat, die politische Handlung des Staates zu bestimmen und somit den normativen Prozess der Generierung der sozialen Ordnung.



90 Vgl. Böckenförde, Die Entstehung, 57–61; siehe auch Jürgen Habermas, Vorpolitische Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates?, in: ders., Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2005, 106–118. 91 Vgl. Lesch, Kultur – Moral – Religion, 101. 92 Vgl. Thomas Rentsch, Die Unverzichtbarkeit des Vorpolitischen – systematische Thesen, in: Kühnlein (Hg.), Das Politische, 37–50, hier 48. 93 Vgl. Thomas Bedorf, Das Politische und die Politik. Konturen einer Differenz, in: Thomas Bedorf/Kurt Röttgers (Hg.), Das Politische und die Politik, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2010, 13–37, hier 18. Für eine Begriffsgeschichte des Politischen, siehe Ulrich Meier et alii (Hg.), Semantiken des Politischen. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Wallstein, Göttingen, 2012. 94 Lesch, Kultur – Moral – Religion, 90. 95 Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1996, 187.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

I.2.5. Die Quellen: Die Presse und die Öffentlichkeit der Kirche Da die vorliegende Arbeit die Rekonstruktion des situativen und nicht des normativen Ordnungsdenkens der ROKS verfolgen wird, werden die in Betracht gezogenen Quellen diejenigen sein, die den Interaktionsprozess der betreffenden Kirche mit den politischen, religiösen und kulturellen Bereichen Rumäniens der Zwischenkriegszeit aufzeichnen. Im Unterschied zu den theologischen Abhandlungen, die eine beschränkte Verbreitung im Kreis der Fachleute haben, ist die Presse „der Ort“, an dem die Kirche mit der ganzen Gesellschaft in den Dialog tritt. Die Kirche rezipiert so aktuelle Ereignisse und übermittelt gleichzeitig ihre eigene Meinung über sie an die Öffentlichkeit. Zwecks der Rekonstruktion des Ordnungsdenkens der ROKS werde ich erstens die offizielle Zeitung der Rumänisch-Orthodoxen Metropolie in Siebenbürgen und die Zeitungen der Suffraganbistümer heranziehen.96 Die zweite Kategorie von Quellen sind weitere Zeitungen und Zeitschriften, die von Priestern und Theologieprofessoren mit dem Segen eines Bischofs der ROKS veröffentlicht wurden.97 Das Auswahlkriterium für diese Zeitungen und Zeitschriften ist das hohe Niveau der theoretischen Beiträge zum Diskurs der ROKS. Dieser öffentliche Diskurs wurde von der Kirche als eine Verlängerung ihres Lehramtes in der Öffentlichkeit betrachtet. In diesem Sinn wurde in der zweiten Nummer der offiziellen Zeitung des Bistums von Großwardein/Oradea betont, welches Ziel sich eine kirchliche Zeitung in der rumänischen Gesellschaft setzen sollte. In dem Kontext, in dem man die Stimme der Kirche in der Öffentlichkeit immer weniger höre, 

96 Telegraful Român – Ziarul oficial al Mitropoliei Ardealului [Der Rumänische Telegraf – Die offizielle Zeitung der Rumänisch-Orthodoxen Metropolie in Siebenbürgen], Sibiu, 1918–1940; Legea Românească – Ziarul oficial al Episcopiei Oradei [Das Rumänische Gesetz – Die offizielle Zeitung des Bistums Oradea], Oradea, 1921–1940; Biserica úi ùcoala – Ziarul oficial al Episcopiei Aradului [Die Kirche und die Schule – Die offizielle Zeitung des Bistums Arad], Arad, 1918–1940; Renaúterea – Ziarul oficial al Episcopiei Vadului, Feleacului, Geoagiului ‫܈‬i Clujului [Die Wiedergeburt – Die offizielle Zeitung des Bistums Vad, Feleac, Geoagiu und Cluj], Cluj-Napoca, 1923–1940; Foaia Diecezană – Ziarul oficial al Episcopiei Caransebeúului [Das Diözesanblatt – Die offizielle Zeitung des Bistums Caransebeú], Caransebeú, 1918–1940. 97 Revista Teologică. Organ pentru útiinĠa úi viaĠa bisericească [Die theologische Zeitschrift. Organ für das kirchliche Leben und Wissenschaft], Sibiu, 1921–1940; ViaĠa Ilustrată [Das illustrierte Leben], Sibiu 1934–1936, Cluj-Napoca 1936–1940; Analele Asociaаiei „Andrei Эaguna“ a clerului Mitropoliei Ortodoxe Române din Ardeal, Bănat, CriЮana Юi MaramurăЮ. 1919–1938. Für eine Geschichte der Kirchenpresse in Siebenbürgen, siehe Mihaela Bedecean, Presa úi Bisericile Româneúti din Transilvania (1865–1873), Presa Universitară Clujeană, Cluj-Napoca, 2010; Ioan-Vasile Leb, Presa Bisericească Transilvăneană, in: ContribuĠii Transilvănene la Teologia Ortodoxă, Tiparul Tipografiei Eparhiale, Sibiu, 1988, 318–332; Ioan Lupaú, ContribuĠiuni la istoria ziaristicei româneúti ardelene, Editura „AsociaĠiunii“, Sibiu, 1926.



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muss die Kirche für sich selbst, mittels der Presse, eine neue Waffe für die Leute von draußen gewinnen. Neben den Predigten von den Kanzeln soll die Kirche auch Weisungen für die Gesamtheit des sozialen Lebens geben. [...] In der Fluktuation des sozialen Lebens hat die Kirche, der ewige Hüter der menschlichen Seele, den Auftrag, über die Erscheinungen in der Gesellschaft zu wachen.98

Indem sie die Presse als öffentliches Kommunikationsmittel benutzt, sichert sich die Kirche, ebenso wie die anderen sozialen Akteure, ihre Beteiligung an der Öffentlichkeit, wobei den Massenmedien die Funktion zukommt „sie (die Öffentlichkeit) in der Form von Realitätskonstruktionen zu repräsentieren“.99 Durch die Presse vertritt die Kirche denjenigen Teil der Öffentlichkeit, der Überlegungen zur Gesellschaft macht und diese konstant aufgrund des dogmatischen und geistig-christlichen Ethos gestaltet. Jenseits dieses gemeinsamen Raumes jedoch, in welchem sie mit den anderen Teilsystemen der Gesellschaft konkurriert, um die eigene Weltanschauung durchzusetzen, verfügt die Kirche über ihre eigene Öffentlichkeit. Für Erik Peterson besteht die Öffentlichkeit der Kirche in der Erfahrung der Anwesenheit Gottes innerhalb der Liturgie, im Bekennen des Glaubens in der Welt und vor den Anführern dieser Welt und in der Agape der Kirche, welche sich in seinem sozialen Werk zeigt. Diese Öffentlichkeit nimmt die Form der Ekklesia als quasi politische Realität an – d.h. als „irdische Volksversammlung der himmlischen Stadt“ – und artikuliert sich in den kirchlichen Dogmen und den daraus abgeleiteten Lehren.100 Kurz gesagt, in Liturgie und im theologischen Diskurs, die im Wesentlichen die dogmatische und konzeptuelle Kodifizierung der lebendigen Erfahrung der christlichen Kommunion mit Gott in der Kirche sind, wird die gesamte Welt fortwährend neu erbaut, indem diese mit einer theologischen Semantik ausgestattet wird. Das Konzept der ROKS über die soziale Funktion der Presse besagt, dass die Kirche mit denselben Kommunikationsmitteln, die die anderen sozialen Akteure benutzen, in der Öffentlichkeit präsent sein soll.101 Die Presse ist demnach ein Mittel zur Verlängerung der Predigt in der Öffentlichkeit, ein Mittel, um 

98 ***Presa Юi Biserica, in: Legea Românească, 2/9 ianuarie 1921, 2. 99 Luhmann, Die Realität, 188. 100 Vgl. Roger Mielke, Eschatologische Öffentlichkeit. Öffentlichkeit der Kirche und Politische Theologie im Werk von Erik Peterson, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2012, 20, 193, 218. Eine Analyse des Konzeptes der Öffentlichkeit der Kirche bei Erik Peterson bringt auch Christian Stoll in Die Öffentlichkeit der Christus-Krise. Erik Petersons eschatologischer Kirchenbegriff im Kontext der Moderne, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2017, 249–344; siehe auch Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, Ernst Klett, Stuttgart, 1973, 31–45. 101 Siehe z.B. D.S.[Dumitru Stăniloae], Pentru un cotidian creЮtin, in: Telegraful Român, 5/31 ianuarie 1937, 1; Cruciferus, Presa Юi religiozitatea, in: Foaia Diecezană, 5/8 februarie 1920, 1–2; ***Gazeta noastră, in: Rena‫܈‬terea, 1/1 septembrie 1923, 1; Grigore Cristescu,

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ein Kontinuum zwischen dem Liturgischen und dem Sozialen zu gewährleisten und somit eine implizite politische Handlung der Kirche. Es ist keinesfalls eine Verneinung der Wirksamkeit der Kommunikation der Kirche „von den Kanzeln“,102 sondern eine Verbesserung der Interaktion zwischen Kirche und ihrer Umwelt mit dem Ziel, die soziale Ordnung in ihrer Gesamtheit zu beeinflussen. I.2.6. Die Kirchenelite, die Ordnung und die poietische Funktion des Diskurses Aus Sicht ihrer Einwirkung auf die soziale Realität wird die Presse der ROKS als das wirksamste Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung angesehen. Die öffentliche Meinung konkretisiert sich ihrerseits in Strukturen der Mentalität und des Verhaltens, welche die Gesellschaft aufgrund den von der Presse vermittelten Werten modelliert.103 Die Öffnung der ROKS mittels der Presse gegenüber der Öffentlichkeit hat zwei komplementäre Wirkungen: Sie legt durch den öffentlichen Diskurs die eigene Haltung gegenüber den anderen sozialen Akteuren, wie dem Staat, den verschiedenen ideologischen und politischen Strömungen der Epoche und anderen religiösen Institutionen und ethnischen Gruppen fest und baut zugleich seine eigene öffentliche Identität im Rahmen dieses Prozesses der sozialen Interaktion auf. Wie Michel Foucault gezeigt hat, sind die Diskurse keine sprachlichen Erscheinungen, die von den beschriebenen Objekten getrennt sind, sondern sie stellen „Praktiken [...], die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“104 dar. Aus dieser Sicht, kann man von keiner objektiven Realität oder objektiven Kenntnis der Realität sprechen, sondern nur von subjektiver Wahrnehmung des Individuums, abhängig von der Bedeutung, mit der diese Realität durch die Gesellschaft ausgestattet wurde und wird.105 Es gibt keinen solchen direkten Kontakt mit der Realität, sondern nur einen durch die schon vorhandenen Bedeutungen vermittelten, der zugleich die Weise bestimmt, wie diese verstanden wird. „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über 

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Mântuitorul ca ziarist sau misunea presei creЮtine, in: Revista Teologică, 7/iulie 1925, 195–199; Nicolae Colan, Predoslovie, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 1/martie 1934, 1–2. ***Presa Юi Biserica, 2. Vgl. ***Opinia Publică, in: Legea Românească, 51/31 decembrie 1922, 1–2. Der Autor dieses Beitrages benutzt, um die Funktion der Öffentlichkeit zu definieren und erklären (vor allem in der Beziehung zwischen individueller Moral und dem von der Öffentlichkeit ausgeübten Druck, um ein bestimmtes Verhalten oder Werte durchzusetzen oder zu bewahren), die Arbeit von Ferdinand Tönnies Kritik der öffentlichen Meinung, Verlag von Julius Springer, Berlin, 1922 (siehe, vor allem, 236–239). Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1981, 74. Vgl. Philipp Sarasin, Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2003, 36.

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die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“.106 Das bedeutet, dass die von den Massenmedien konstruierte und gelieferte Realität „die Realität der Beobachtung zweiter Ordnung“107 ist. Wie schon angegeben, konstituiert und verwandelt sich die soziale Ordnung durch den Sinn, dem die Funktion zukommt, Personen und Sozialsysteme zusammenzuhalten und die Dynamik und Koordination der Bestandteile der sozialen Ordnung zu gewährleisten.108 Wenn der Sinn das Universalmedium der gesamten Realität ist, dann kann man von der Sprache als allgemeinem Medium sprechen, in dem dieses Universalmedium in Form eines Textes archiviert werden kann. Der Text wird also zum Übertragungsmittel der Semantik in der Öffentlichkeit und hat die Funktion, verschiedene Typen der Semantik zu übermitteln.109 Der Text bzw. der geschriebene Diskurs ist einer der „Räume“, in dem – durch Rezeption und Weitergabe der Semantik – der Generierungsprozess der sozialen Ordnung stattfindet. Die Zuweisung einer bestimmten Bedeutung bzw. eines bestimmten Moralund Wahrheitswertes an eine bestimmte Realität ist von Epoche zu Epoche unterschiedlich und von dem Kontext, in dem der Diskurs stattfindet, von der Instanz, welche ihn festlegt und von den benutzten Verbreitungsmitteln abhängig.110 Foucault unterscheidet vier „Existenzbedingungen“ im Sinne von „Formationsregeln“111 des Diskurses, die dessen Einheit und Kohärenz gewährleisten. Für diese Studie sind es zwei Formationsregeln, die eine besondere methodologische Relevanz haben, und zwar der institutionelle und soziale Kontext, in dem der Diskurs geführt wird,112 sowie der Produzent des Diskurses. Das bedeutet, wer den sozialen Status und das Recht hat, sich als Subjekt des 

106 Luhmann, Die Realität, 9. 107 Ebd., 153–154. 108 Vgl. ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Band 2, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2009, 281–282. 109 Vgl. Ernst Müller/Falko Schmieder, Begriffsgeschichte und historische Semantik. Ein kritisches Kompendium, Suhrkamp, Berlin, 2016, 13; Marcus Emmerich/Ulrike Hormel, Heterogenität – Diversity – Intersektionalität. Zur Logik sozialer Unterscheidungen in pädagogischen Semantiken der Differenz, Springer, Wiesbaden, 2013, 101. Jenseits der innewohnenden unterschiedlichen Perspektiven bezüglich der Weise, in der soziale Realität produziert wird, können die soziale Semantik von Luhmann und die Diskursanalyse von Foucault als zwei komplementäre methodologische Instrumente benutzt werden. In vorliegendem Fall ist es die Kirchenpresse, welche die Semantiken im gegebenen Kontext archiviert, sie bewahrt und in Form des geschriebenen Diskurses weitergibt. In dem Maße, in dem der Gegenstand der Forschung der Sinn oder Semantik ist, sind die Grenzen zwischen den verschiedenen Methodologien, welche sich mit denen befassen, extrem flüssig (vgl. Müller/Schmieder, Begriffsgeschichte, 17). 110 Vgl. Kenneth J. Gergen, Konstruierte Wirklichkeiten. Eine Hinführung zum sozialen Konstruktionismus, W. Kohlhammer, Stuttgart, 2002, 84–87. 111 Foucault, Archäologie, 58. 112 Vgl. ebd., 61–74.

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Diskurses zu statuieren und enthält die Frage, in welcher Beziehung er zu den Realitäten steht, die Gegenstand seines Diskurses sind.113 Zwischen dem Produzenten des Diskurses und dem Kontext, in welchem dieser erzeugt wird, gibt es eine Beziehung der gegenseitigen Kausalität: Der institutionelle und soziale Kontext bestimmt die Erzeugung eines bestimmten Typs von Diskurs, der seinerseits zu einer „diskursiven Produktion von Wirklichkeit“114 führt, und zwar durch den Sinn, mit dem er die Teile des Kontextes und die Beziehungen zwischen diesen ausstattet. Der Diskurs hat somit eine poietische Funktion, weil er die Realität erschafft, auf welche er sich bezieht. Weil der institutionelle Kontext in einem gesonderten Kapitel behandelt wird, beschränke ich mich hier auf die Erklärung der Eigenschaften des Diskursproduzenten. Die Ausdrücke wie „der (öffentliche) Diskurs der ROKS“, „die Auffassung der ROKS“ u.ä. beziehen sich auf die Meinungen der Intellektuellen der Kirche, die durch die kirchliche Presse vermittelt wurden. Nach der berühmten Formel Karl Mannheims besteht die Aufgabe jedes Intellektuellen darin, „der Gesellschaft eine Deutung der Welt zu besorgen“.115 Ein zentrales Element, aufgrund dessen eine Person als Intellektueller definiert werden kann, ist ihr Zugang zu den Informationsmitteln, mit deren Hilfe sie der Öffentlichkeit ihre Weltanschauung übermitteln kann. Der Intellektuelle ist somit ein „Protagonist der Öffentlichkeit“,116 dessen Status von Stefan Collini anhand von vier Indikatoren definiert wurde: The attainment of a level of achievement in an activity which is esteemed for the noninstrumental, creative, analytical, or scholarly capacities it involves; The availability of media or channels of expression which reach publics other than that at which the initial ‚qualifying’ activity itself is aimed; The expression of views, themes, or topics which successfully articulate or engage with some of the general concerns of those publics; The establishment of a reputation for being likely to have important and interesting things of this type to say and for having the willingness and capacities to say them effectively through the appropriate media.117

Die von Collini aufgeführten Indikatoren wie „reputation“ oder „a level of achievement“ weisen darauf hin, dass der Begriff des Intellektuellen, den der Elite voraussetzt. Der Begriff Elite bezieht sich auf eine soziale Gruppe, die in Bezug auf Ausbildung, Fähigkeiten, Einfluss in der Gesellschaft usw. anderen sozialen



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Vgl. ebd., 75–82. Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse, Campus, Frankfurt am Main, 2008, 21. Karl Mannheim, Ideologie und Utopie, G. Schulte-Bulmke, Frankfurt am Main, 1952, 11. Andreas Franzmann, Der Intellektuelle als Protagonist der Öffentlichkeit. Krise und Räsonnement in der Affäre Dreyfus, Humanities Online, Frankfurt am Main, 2004. 117 Stefan Collini, Absent Minds. Intellectuals in Britain, Oxford University Press, Oxford, 2006, 52.



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Gruppen überlegen ist.118 Collinis Definition legt die Kriterien fest, nach denen eine Person sich gegenüber dem Rest der Gesellschaft individualisiert und Mitglied der intellektuellen Elite wird. Daher setzt sich „der öffentliche Diskurs der ROKS“ aus den Meinungen der Mitglieder der siebenbürgischen Kirche zusammen, die aufgrund des höheren intellektuellen Niveaus, des Zugangs zu den Medien und der Fähigkeit, für die Öffentlichkeit bedeutende Ideen zu artikulieren, die intellektuelle Elite dieser Kirche bilden. So wird weiterhin der Begriff Kirchenelite für die Bezeichnung der Diskursproduzenten verwendet werden. Da das von der ROKS durch ihre Eliten ausgesandte Weltbild eine Verlängerung des kirchlichen Lehramtes ist, bedeutet es, dass die Verantwortung für den öffentlichen Diskurs, genau wie auch die für die Ausübung der lehrenden Funktion „von den Kanzeln“,119 dem Bischof zufällt.120 Inhaltlich ist der Diskurs durch das „hierarchische Prinzip“ charakterisiert, das heißt, dass die Bischöfe diejenigen sind, die den allgemeinen Rahmen der kirchlichen Haltung gegenüber der Öffentlichkeit bestimmen.121 Die Einheitlichkeit des Diskurses ist durch diesen hierarchischen Grundsatz gegeben, den der Metropolit Andrei ‫܇‬aguna bei der Gründung der bedeutendsten Zeitung der orthodoxen Kirche in Siebenbürgen, Telegraful Român, im Jahre 1853 statuierte. In dem Vertrag mit dem ersten Redakteur der Zeitung wurde festgelegt, dass dieser den Inhalt jeder Ausgabe vor ihrem Erscheinen dem Hierarchen „zum Einsehen und Genehmigen vorlegen muss […] wobei es sich von selbst versteht, sollte zufällig, wenn eine Ausgabe nicht meine Zusage bekommen würde, diese nicht veröffentlicht wird“.122 Diese Verantwortung der kirchlichen hierarchischen Autorität gegenüber den Kirchenzeitungen wurde zu einer Konstante der Beziehung zwischen der kirchlichen Institution und der Öffentlichkeit. Die Bischöfe selbst wurden als 

118 Vgl. Barbara Wasner, Eliten in Europa. Einführung in Theorien, Konzepte und Befunde, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2006, 16–18. 119 ***Presa Юi Biserica, 2. 120 Was die Regelung der hierarchischen Übermittlung der christlichen Botschaft in der Kirche betrifft, siehe z.B. §85 des Organischen Statuts der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Ungarns und Siebenbürgens (1868) wo festgelegt wird, dass der Bischof „im Sinne der kanonischen Satzungen unaufgehalten verpflichtet ist, mittelbar (d.h. durch die Prister, m.A, M.P.) und unmittelbar für die Religiosität und Aufklärung [...] des Volkes zu wirken“ (Paul Brusanowski, Rumänisch-Orthodoxe Kirchenordnungen (1786–2008). Siebenbürgen – Bukowina –Rumänien, Böhlau, Wien, 2011, 61–63). 121 Vgl. Dumitru Abrudan, Părintele prof. dr. Dumitru Stăniloae, redactor al „Telegrafului Român“(1 ianuarie 1934–13 mai 1945). Un patronaj spiritual de excepаie, in: ***Persoană ‫܈‬i comuniune, 68–73, hier 68. Das Ausüben dieser Verantwortung des Bischofs gegenüber der von ihm geleiteten Institution verbreiteten Botschaft, ist implizit eine Form der Kontrolle, Auswahl, Verwaltung und Kanalisierung der Diskurse, welche für die modernen Gesellschaften und deren repräsentative Institutionen spezifisch ist (zu diesem Kontrollprozess des Diskurses siehe Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2012, 10–11). 122 Apud Ioan Lupaú, ContribuĠiuni, 80.

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„geistliche Direktoren“ der Zeitungen angesehen. Die kirchlichen Zeitungen agierten in der Öffentlichkeit mit einer „offiziellen Weihe seitens der Kirche“, indem diese die Aufgabe der „Erleuchtung (der Gläubigen) im Namen der kirchlichen Autorität“123 hatten. Bemerkenswert ist in diesem Sinne, dass nach der Ordination eines neuen Bischofs oder Metropoliten die offizielle Zeitung des Bistums oder der Metropolie einen Programm-Artikel veröffentlichte, der die Redaktionspolitik bekannt gab. Manchmal fasste der neue Bischof selbst die neue Orientierung der Zeitung in Worte. In dem Artikel Ce voim, welcher in Telegraful Român vom 15. Juli 1920, zwei Wochen nach der Investitur von Nicolae Bălan (1882–1955) in das Amt des Metropoliten Siebenbürgens (1920–1955), erschienen ist, definierte sich die Zeitung als „politisch selbständig“, indem als ihr Ziel angegeben wurde, „durch die Förderung einer ehrlichen Demokratie, des Nationalismus und der Moralität die Kirche zu festigen und durch die Kirche den Thron und dieses vereignite Land“.124 Seinerseits veröffentlichte der neue Bischof von Oradea, Nicolae Popoviciu (1903–1960, Bischof 1936–1950) am 1. Januar 1937 in der Zeitung Legea Românească den Artikel Cuvânt către cetitori, worin er betonte, dass die Zeitung „ausschließlich das Evangelium Christi und das Evangelium des Volkes verbreiten wird“, sodass „der Volksseele reiche Ernte gedeihen möge, sowohl für das Reich Gottes als auch für das des Kaisers“.125 Es sollte betont werden, dass die Meinungen, die durch die kirchliche Presse in die Öffentlichkeit geraten, nicht die offizielle, normative Haltung der ROKS vertreten. Die offizielle Stellung der ROKS wurde auf den nationalen Kirchenkongressen zum Ausdruck gebracht. Die in der Presse geäußerten Meinungen stammen zwar aus dem Inneren der Kirche, von Priestern, Theologielehrern, Laien oder Bischöfen, stellten jedoch nicht die offizielle, institutionelle Meinung der siebenbürgischen Kirche dar. Das Wesentliche liegt aber in diesem Fall darin, dass die Empfänger des öffentlichen Diskurses der ROKS, die Gläubigen, diesen technischen Unterschied zwischen dem Offiziellen und dem Öffentlichen nicht machen. Für sie ist die Botschaft, die von der Presse der ROKS gesendet wird, die Botschaft der Kirche. Die Gläubigen formen ihre Haltung gegenüber der Nation, der Politik, den anderen Konfessionen usw. danach und tragen so durch ihre Haltung zur Transformation der sozialen Ordnung bei. Gleiches gilt sowohl für die Haltung verschiedener sozialer Akteure gegenüber dem öffentlichen Diskurs der ROKS als auch für die Haltung der ROKS gegenüber deren öffentlichem Diskurs. Auf der Ebene der sozialen Wahrnehmung und Interaktion ist der öffentliche Diskurs identisch mit dem offiziellen Diskurs. 

123 ***Revistele eparhiale Юi rostul lor, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 5/31 ianuarie 1937, 41. 124 ***Ce voim, in: Telegraful Român, 33/15 iulie 1920, 1. 125 Nicolae Popoviciu, Cuvânt către cetitori, in: Legea Românească, 1/1 ianuarie 1937, 1; siehe auch Bischof Grigorie Com‫܈‬a von Arad, Preoаimea Юi presa bisericească, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 32/9 august 1925, 1–2.



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Wie bereits gezeigt wurde, waren jedoch die Bischöfe diejenigen, die die allgemeinen Rahmenbedingungen des öffentlichen Diskurses der Kirche umrissen haben. Die Person, die die Haltung der ROKS nach 1918 entscheidend beeinflusste, war Nicolae Bălan. In seiner Einführungsrede als Metropolit Siebenbürgens am 17. Juni 1920 unterstrich er, dass sich seine pastorale Tätigkeit auf die kulturelle Dimension des Kirchenlebens konzentrieren werde, damit diese „den Anforderungen der Zeit angemessen sei, ein Hebel für den Fortschritt unseres Volkes“.126 Der Metropolit Nicolae Bălan erfüllte sein kulturellpastorales Vorhaben, indem er eine kulturelle Elite bildete, deren Vertreter – Dumitru Stăniloae, Liviu Stan, Nicolae Colan, Grigorie T. Marcu, Teodor Bodogae, Nicolae Popoviciu, Nicolae Terchilă, Nicolae Neaga u.a. – innerhalb der ROKS als Ergebnis der kulturell-pastoralen Arbeit des Metropoliten Bălan angesehen wurden.127 Die Mitglieder dieser intellektuellen Elite bildeten „die Schule des Metropoliten Bălan“,128 was bedeutet, dass ihr Diskurs auch die Funktion hatte, die Vorstellungen des siebenbürgischen Metropoliten in der Öffentlichkeit zu vermitteln.129



126 Siehe die Ansprache von Nicolae Bălan anlässlich seiner Amtseinführung als Metropolit der ROKS in: Telegraful Român, 33/1 iulie 1920, 1. 127 Vgl. Petru Deheleanu, Pleiada Sibiului, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 39/27 septembrie 1936, 1– 2. 128 Nicolae Popoviciu, Эcoala Mitropolitului Nicoale Bălan, in: ***Omagiu Înalt Prea Sfin‫܊‬iei Sale Dr. Nicolae Bălan, 178–181. 129 Siehe Enache, Biserică, societate, naаiune, 291; siehe auch Abrudan, Părintele, 72.



II. Der historische Kontext II.1. Die ROKS und die Staatsmacht innerhalb des Habsburgerreiches II.1.1. Die Abschaffung der orthodoxen Metropolie Siebenbürgens. Die Griechisch-Katholische (Unierte) Kirche und die Anfänge der rumänischen Nationalbewegung Der Gründungsmoment der modernen Geschichte Siebenbürgens stellte die Eingliederung dieser Region in das Habsburgerreich Ende des 17. Jahrhunderts dar. Am 9. Mai 1688 erklärte der Siebenbürgische Landtag seine Unabhängigkeit von der osmanischen Obrigkeit und übergab die Oberherrschaft über das Land an Kaiser Leopold I. (reg. 1658–1705).130 Die ethnische Gruppe der Rumänen blieb weiterhin außerhalb des politischen Lebens und die orthodoxe Konfession, zu der die Siebenbürger Rumänen gehörten, befand sich in einer sehr unsicheren juristischen Lage zwischen Toleranz und Intoleranz.131 Indem der Wiener Hof auf die schwierige politisch-konfessionelle Lage der Rumänen setzte, gelang es ihm am 7. Oktober 1698 den orthodoxen Metropoliten Athanasie Anghel zu überzeugen, die Union eines Großteils der orthodoxen Rumänen mit der Kirche von Rom zu akzeptieren. Der Unionsprozess wurde offiziell am 19. März 1701 abgeschlossen, als der Kaiser ein Diplom ausstellte, das der Unierten (GriechischKatholischen) Kirche und deren Klerus alle Rechte und Immunitäten der Katholischen Kirche zuerkannte.132 Die Auswirkungen der Union waren vornehmlich kultureller Natur, die unierten Rumänen konnten an den großen europäischen Universitäten (vor allem in Wien und Rom) studieren und eine kulturelle Elite133 bildeten. Diese forderte 

130 Vgl. Ernst Wagner, Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Ein Überblick, Edition Wort und Welt Verlag, München, 2009, 59; siehe auch Robert A. Kann, Geschichte des Habsburgerreiches 1526–1918, Hermann Böhlaus Nachf., Wien, 1982, 76–81. 131 Vgl. Ludwig Binder, Grundlagen und Formen der Toleranz in Siebenbürgen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, Böhlau, Köln/Wien, 1976, 116. 132 Siehe Ernst Christoph Suttner, Quellen zur Geschichte der Kirchenunionen des 16. bis 18. Jahrhunderts, Institut für Ökumenische Studien der Universität Freiburg (Schweiz), Freiburg, 2010, 230–233; siehe auch Keith Hitchins, The Social-Political Promises Linked to Possible Achievement of the Union, in: Johann Marte et alii (Hg.), Die Union der Rumänen Siebenbürgens mit der Kirche von Rom, Band 1: Von den Anfängen bis 1701, Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 2010, 140–151, hier 148. 133 Vgl. Laura Stanciu, Die erste Generation der Blasendorfer Theologen und Aktiven Personen der Siebenbürgischen Schule vor 1761, in: Johann Marte et alii (Hg.), Die Union der Rumänen Siebenbürgens mit der Kirche von Rom, Band 2: Von 1701 bis 1761, Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 2015, 273–319; siehe auch Keith Hitchins, An East European Elite in the Eighteenth Century: The Romanian Uniate Hierarchy, in: Frederic Cople Jaher

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sehr bald vom Habsburgerreich und der Katholischen Kirche auch die sozialen und politischen Rechte, die im Rahmen der Unionsverhandlungen versprochen worden waren.134 Wesentlich in diesem Fall war die Tätigkeit des Bischofs Inochentie Micu-Klein (1729–1751),135 der sich in seinen häufigen Bittschriften im Namen der gesamten rumänischen Nation Siebenbürgens an die religiösen und politischen Machtträger des Reiches richtete. Das nationale Plädoyer des Bischofs Micu-Klein legte die Grundlagen für den kulturell-politischen Diskurs der sogenannten Siebenbürgische Schule (Эcoala Ardeleană). Die Forderungen dieser nationalen Emanzipationsbewegung stützten sich auf eine weitgreifende historische Untersuchung zu den römischen Wurzeln des rumänischen Volkes und dessen ununterbrochener Kontinuität in Siebenbürgen sowie dem romanischen Charakter der rumänischen Sprache.136 Die intellektuelle Elite der Siebenbürgischen Schule überreichte im Jahr 1792 Kaiser Leopold II. (reg. 1790–1792) das zentrale politische Dokument der rumänischen Nationalbewegung aus dem 18. Jahrhundert – den Supplex Libellus Valachorum Transsilvaniae. Darin forderte sie die Verleihung aller zivilen Rechte an die Rumänen („walachische Nation“).137 Der Supplex war ein Synthesewerk der Nationalbewegung des 18. Jahrhunderts und lieferte gleichzeitig den konzeptuellen und argumentativen Rahmen für die Begründung des politischen Programms der rumänischen Intellektuellen bis zur Vereinigung Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien im Jahr 1918.

II.1.2. Der „Moment ‫܇‬aguna“ in der Geschichte Siebenbürgens II.1.2.1. Die politische Tätigkeit Эagunas Für den Wiener Hof war die Auflösung der orthodoxen Metropolie durch die Gründung der Unierten Kirche gleichbedeutend mit dem Verschwinden der 

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(Hg.), The Rich, the Well-Born and the Powerful. Elites and Upper Classes in History, Urbana/Chicago, 1973, 139–153. Für die Anfänge der politischen Emanzipationsbewegung der siebenbürgischen Rumänen, siehe David Prodan, Supplex Libellus Valachorum. Aus der Geschichte der rumänischen Nationsbildung 1700–1848, Böhlau, Köln/Wien, 1982, und Mathias Bernath, Habsburg und die Anfänge der rumänischen Nationsbildung, Brill, Leiden, 1972. Für das Leben und die politische Tätigkeit des Inochentie Micu-Klein, siehe D. Prodan, Supplex Libellus Valachorum, 135–196; siehe ebenfalls Maria Some‫܈‬an, Începuturile Bisericii Române Unite cu Roma, All, Bucure‫܈‬ti, 1999, 60–78. Vgl. Laura Stanciu, Iluminism Central European. Эcoala Ardeleană, Mega, Cluj-Napoca, 2010, 16–18; siehe auch Pompiliu Teodor, Interferenаe Iluministe Europene, Editura Dacia, Cluj-Napoca, 1984. Der lateinische und deutsche Text des Supplex Libellus Valachorum, in: D. Prodan, Supplex Libellus Valachorum, 477–491, hier 489.

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Orthodoxie aus Siebenbürgen, doch die orthodoxe Kirche setzte ihre Tätigkeit im ländlichen Bereich auch in Abwesenheit einer hierarchischen Spitze fort.138 Erst ab 1784 wurde den nicht unierten Rumänen die kanonische Eingliederung in die serbische orthodoxe Metropolie von Karlowitz erlaubt.139 Diese Änderung der Lage der orthodoxen Rumänen erfolgte infolge des Toleranzediktes von Kaiser Josef II. (reg. 1765–1790) vom Oktober-November 1781.140 Die für die orthodoxen Rumänen wichtigste Auswirkung des Toleranzediktes war das Recht auf einen mit Vollmacht ausgestatteten Bischof mit Sitz in Siebenbürgen und die staatliche Finanzierung einiger orthodoxen Schulen sowie die Organisierung von Lehrveranstaltungen für rumänische Priester und Lehrer.141 Zwischen 1783 und 1796 wurde die Orthodoxe Kirche Siebenbürgens von zwei serbischen Bischöfen (Gideon Nikitici und Gerasim Adamovici) geleitet. Erst 1810 wurde ein Rumäne, Vasile Moga,142 zum Bischof ernannt. Im Jahre 1848 wurde Andrei ‫܇‬aguna143 das Bischofsamt anvertraut. Die kirchliche „Karriere“ ‫܇‬agunas war einerseits von seiner Tätigkeit zur Stärkung der von ihm geleiteten Institution und der kulturellen Entwicklung der orthodoxen Rumänen andererseits von der Förderung der politischen Autonomie der gesamten rumänischen Nation Siebenbürgens geprägt.144 Die gesamte Tätigkeit ‫܇‬agunas beruhte auf einer ekklesiologischen Konzeption, der zufolge die Kirche durch ihren Ursprung und ihre Mission die politische Sphäre transzendiert, 

138 Vgl. Keith Hitchins, The Romanians 1774–1866, Oxford University Press, New York, 1996, 202. 139 Vgl. Drago Njegovan/Miodrag Milin, Mitropolia de Karlowitz Юi relaаiile sârbo-române din cuprinsul Monarhiei Habsbugice, in: ***Analele Banatului. Arheologie – Istorie, Mega, Cluj-Napoca, 2015, 419 – 427, hier 425. 140 Für eine allgemeine Darstellung der josephinischen Reformen, siehe Pieter M. Judson, Habsburg. Geschichte eines Imperiums 1740–1918, C.H. Beck, München, 2017, 91–100, und Helmut Reinalter (Hg.), Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus, Böhlau, Wien, 2008. 141 Vgl. Paul Brusanowski, Situaаia juridică Юi dotaаia Bisericii Ortodoxe din Ardeal între 1761–1810. Fondul Sidoxial. Asemănări Юi deosebiri faаă de celelalte confesiuni din Monarhia Habsburgică, in: Revista Teologică 1/2007, 123–163, hier 143; siehe auch Angelika Schaser, Josephinische Reformen und sozialer Wandel in Siebenbürgen. Die Bedeutung des Konzivilitätsreskriptes für Hermannstadt, Franz Steiner, Stuttgart, 1989. 142 Vgl. Bogdan Ivanov, Geschichte der Orthodoxen Kirche in Siebenbürgen, in: Dieter Brandes et alii (Hg.), Kurze Geschichte der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Siebenbürgen, Presa Universitară Clujeană/Cluj-Napoca, Evangelische Verlagsanstalt/Leipzig, 2010, 23–59, hier 53. 143 Zu einer kurzen Biographie ‫܇‬agunas, siehe Paul Brusanowski, Über das Leben des Metropoliten Andrei Freiherr von Эaguna anlässlich seiner Heiligsprechung in der Rumänisch-Orthodoxen Kirche, in: Ostkirchliche Studien, 60/2011, 235–254. 144 Vgl. Keith Hitchins, Orthodoxy and Nationality. Andreiu Эaguna and the Rumanians of Transylvania, 1846–1873, Harvard University Press, Cambridge, MA/London, 1977, 173.

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gleichzeitig aber für die moralische und materielle Ordnung der Welt verantwortlich ist.145 Im Mai 1848 organisierte ‫܇‬aguna zusammen mit Simion Bărnu‫܊‬iu (1808– 1864) und George Bari‫܊‬iu (1812–1893) eine Nationalversammlung in Blaj, wo die rumänischen Revolutionäre die politischen Hauptforderungen der rumänischen Nation aus Siebenbürgen an die Habsburgermonarchie richteten. Am 17. Mai gründeten die rumänischen Revolutionäre ein ständiges Komitee mit 25 Mitgliedern unter der Leitung ‫܇‬agunas, das als politische Vertretung der Rumänen gegenüber den politischen Einrichtungen der Habsburgermonarchie fungierte.146 Am 27. September 1848 erließ der Landtag in Budapest infolge der Interventionen dieser vom orthodoxen Bischof geleitete Delegation ein Dokument, das die rumänische Nation, die Autonomie der Orthodoxen und GriechischKatholischen Kirche sowie das Rumänische als Verwaltungssprache in den Dörfern, in den Kirchen und an den Elementar- und Sekundärschulen anerkannte.147 Im Frühjahr 1849 wurde die ungarische Revolution von den kaiserlichen Truppen besiegt und die Auflösung der Budapester Regierung verhinderte die Einführung der Beschlüsse des Landtages vom September 1848 und leitete eine Zeit des Neuabsolutismus in der kaiserlichen Politik ein.148 1863 erhielt ‫܇‬aguna von Kaiser Franz Joseph (reg. 1848–1916) das Recht, einen Landtag in Sibiu zu berufen, bei dem zum ersten Mal in der Geschichte Siebenbürgens die Rumänen die Mehrheit stellten. Die Beschlüsse des Landtags – Anerkennung der Gleichheit zwischen der rumänischen Nation mit der Orthodoxen Konfession und den anderen Nationen und Konfessionen und die Einführung des Ungarischen, Deutschen und Rumänischen als Verwaltungssprachen in den öffentlichen Einrichtungen –149 wurden jedoch nicht umgesetzt: Unter dem Druck der Konflikte zwischen dem Wiener Hof und den Minderheiten des Reiches sowie des

145 Vgl. Hans-Christian Maner, Die „rumänische Nation“ in den Konzeptionen griechischkatholischer und orthodoxer Geistlicher und Intellektueller Siebenbürgens im 18. und 19. Jahrhundert, in: Martin Schulze Wessel (Hg.), Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa, Franz Steiner, Stuttgart, 2006, 75–88, hier 81. 146 Vgl. Hitchins, Orthodoxy and Nationality, 51. 147 Vgl. ebd., 62–63. 148 Zur politischen und verwaltungsrechtlichen Lage Siebenbürgens zur Zeit des Neuabsolutismus, siehe Zsolt K. Lengyel, Siebenbürgen im Neuabsolutismus 1849–1860. Betrachtungen zu den staatsorganisatorischen Prinzipien, in: Zsolt K. Lengyel/Ulrich A. Wien (Hg.), Siebenbürgen in der Habsburgermonarchie. Vom Leopoldinum bis zum Ausgleich, Böhlau, Köln/Weimar/Wien, 1999, 87–118. 149 Vgl. Rolf Kutschera, Landtag und Gubernium in Siebenbürgen. 1688–1869, Böhlau, Köln/Wien, 1985, 122–125.

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Widerstands von Seiten der Ungarn, gab der Kaiser die neue Richtung auf, die er der Minderheitenpolitik seines Reiches verleihen wollte.150 Demzufolge wurde der Siebenbürgische Landtag von Hermannstadt im September 1865 durch ein kaiserliches Dekret aufgelöst und alle seine Beschlüsse für nichtig erklärt. Am 19. November 1865 wurde ein neuer Landtag in Cluj einberufen, bei dem die Vertreter der ungarischen Nation in der Mehrheit waren. Der Siebenbürgische Landtag vom 19. November 1865 rief die Einheit Siebenbürgens mit Ungarn aus und der Beschluss wurde am 25. Dezember von Kaiser Franz Joseph bestätigt.151 Am 21. Dezember 1867 erkannte Kaiser Franz Joseph die ungarische Verfassung an und die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wurde proklamiert; damit war der österreich-ungarische Ausgleich offiziell.152 Infolge des Ausgleichs verlor Siebenbürgen seinen Status als eigenständiges politisches Gebilde und die Hoffnung der Rumänen auf nationale Autonomie innerhalb des Kaiserreiches wurde utopisch.153 II.1.2.2. Die kulturelle Tätigkeit und die Kirchenverwaltungsreform: Das Organische Statut ‫܇‬aguna betrachtete Kirche und Schule als wichtigste Mittel zur Erhaltung und Förderung der kollektiven Identität der orthodoxen Rumänen im multiethnischen und multikonfessionellen Raum Siebenbürgens. Um das sehr schwache Bildungsniveau der Rumänen zu verbessern – 1869 ging nur ein Drittel der rumänischen Kinder regelmäßig zur Schule154 – errichtete ‫܇‬aguna ein Netzwerk von konfessionellen, von der Kirche finanzierten und dem Staat gegenüber autonomen Schulen. Bei seinem Tod 1873 unterhielt die Metropolie Siebenbürgens 800 fast vollkommen autonome, vom Gemeindepfarrer geleitete Grundschulen.155

150 Vgl. Alina Teslaru-Born, Ideen und Projekte zur Föderalisierung des Habsburgischen Reiches mit besonderer Berücksichtigung Siebenbürgens 1848–1918 (Dissertation), Frankfurt am Main, 2005, 283. 151 Vgl. Teodor V. Păcă‫܊‬ian, Cartea de Aur sau Luptele Politice-Naаionale ale Românilor de sub Coroana Ungară, Volumul III, Sibiu, 1903, 761–775. 152 Vgl. Judson, Habsburg, 335. 153 Vgl. Keith Hitchins, Rumania 1866–1947, Oxford University Press, New York, 1994, 203. 154 Vgl. Joachim von Puttkamer, Schulalltag und nationale Integration in Ungarn. Slowaken, Rumänen und Siebenbürger Sachsen in der Auseinandersetzung mit der ungarischen Staatsidee 1867–1914, R. Oldenbourg, München, 2003, 153. 155 Zu einer detaillierten Darstellung des von ‫܇‬aguna gegründeten konfessionellen Schulsystems, siehe Paul Brusanowski, Învăаământul confesional ortodox român din Transilvania între 1848–1918 (2 Volume), Presa Universitară Clujeană, Cluj-Napoca, 2010.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Auf dem Gebiet des Kirchenlebens bestand die Hauptleistung ‫܇‬agunas in der Wiedereinrichtung der Orthodoxen Metropolie, die durch die Union mit Rom aufgelöst worden war. Die Abspaltung der ROKS von der serbischen Kirche wurde zwischen dem 11. und 15. September 1864 von der serbischen Bischofssynode beschlossen und die Einrichtung der rumänischen Metropolitanprovinz fand durch ein handschriftliches kaiserliches Schreiben am Weihnachtsabend des Jahres 1864 statt, als auch die Ernennung ‫܇‬agunas zum Metropoliten beschlossen wurde.156 Bei der Diözesansynode von 1864 schlug ‫܇‬aguna ein Kirchenverfassungsprojekt vor, aus dem später das Organische Statut hervorgehen sollte. Das Organische Statut wurde 1868 vom nationalen Kirchenkongress der Orthodoxen Metropolie angenommen und vom Kaiser verabschiedet.157 Die Kirchenverfassung ‫܇‬agunas158 stützte sich auf drei Grundprinzipien: Die Kirchenautonomie, die Synodalität und die Differenzierung zwischen den kirchlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Durch das Statut erfreute sich die ROKS der Autonomie nicht nur den anderen Kirchen innerhalb der ökumenischen Orthodoxie, sondern auch dem österreich-ungarischen Staat gegenüber, einer Autonomie, die unter den christlichen Kirchen des Reiches einzigartig war (die kaiserlichen Autoritäten waren zum Beispiel nicht berechtigt, die Beschlüsse der Legislativkörperschaften der Kirche zu bestätigen wie im Falle der Protestantischen Kirchen). Die Autonomie bezog sich auch auf die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Körperschaften der Kirche – die Parochien, die Protopresbyterate, die Klöster und die Eparchien – die das Recht hatten, ihre kirchlichen, schulischen und finanziellen Angelegenheiten unabhängig zu verwalten und zu regeln. Das Synodalitätsprinzip war auf der Trennung von legislativer und exekutiver Macht auf allen Organisationsebenen der Kirche gegründet: Auf der Ebene der Pfarrsynode, die aus allen männlichen Gläubigen der Pfarrei bestand und die das Recht hatte, den Priester zu wählen. Ferner auf der Ebene der 

156 Vgl. Paul Brusanowski, Über die Änderungen der Bistumsgrenzen der rumänisch-orthodoxen Metropolitanprovinzen Siebenbürgens und des Banats (16.–21.Jh.), in: Ostkirchliche Studien, 61/2012, 210–244, hier 218; siehe auch ders. Die hierarchische Trennung der rumänischen orthodoxen Gläubigen des Banats von der serbischen orthodoxen Kirche (1864–1918), in: Internationale Kirchliche Zeitschrift 102/2012, 203–225; Johann Schneider, Der Hermannstädter Metropolit Andrei von Эaguna. Reform und Erneuerung der orthodoxen Kirche in Siebenbürgen und Ungarn nach 1848, Böhlau, Köln, 2005, 116–126. 157 Vgl. ders., Reforma constituаională din Biserica Ortodoxă a Transilvaniei între 1850– 1925, Presa Universitară Clujeană, Cluj-Napoca, 2007, 117–132. 158 Die Darstellung der Prinzipien des Organischen Statuts in diesem Beitrag wurde auf den von Paul Brusanowski in: Rumänisch-Orthodoxe Kirchenordnungen veröffentlichten Text der Kirchenverfassung ‫܇‬agunas (40–97) zurückgegriffen, und auf ders., The Principles of the Organic Statute of the Romanian Orthodox Church of Hungary and Transylvania (1868–1925), in: Ostkirchliche Studien, 60/2011, 110–138, vor allem 112–120.



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Protopresbyteral-Synode, die zu einem Drittel aus Klerikern und zu zwei Dritteln aus Laien gebildet war und deren Hauptaufgabe darin bestand, drei Kandidaten vorzuschlagen, von denen das Konsistorium den Protopresbyter zu wählen hatte, und schließlich auf der Ebene der Eparchial-Synode. Diese Synode war ein richtiges kirchliches Parlament, dessen Funktion darin bestand, das Laientum und die Kleriker der Eparchie zu vertreten. Es bestand aus 60 Abgeordneten (40 Laien und 20 Kleriker), die für drei Jahre von allen Mitgliedern der Gemeindesynoden gewählt wurden. Die Hauptaufgaben dieser Synode waren folgende: Die Bewahrung der kirchlichen Autonomie, die Wahl der Hierarchen und der Mitglieder des Eparchial-Konsistoriums, die Verabschiedung der kirchlichen Regelungen, das Entscheidungsrecht über die Kirchenfinanzen, die Entwicklung des konfessionellen Schulsystems, die Überprüfung der Tätigkeiten der Exekutive sowie die Besprechung und Abstimmung über das Jahresbudget der Kirche. Ein zentrales Element des Synodalprinzips war die Art der Repräsentativität: Die Gläubigen wählten die Pfarrer und Mitglieder der Exekutive auf Gemeindeebene und indirekt die Mitglieder der legislativen Körperschaften auf den höheren Ebenen. Die Synodalität setzte auch eine klare Präzisierung der Stellung des Hierarchen voraus: Er war der Vorsitzende der exekutiven und legislativen Körperschaften, hatte aber nur eine Ehrenstellung inne und kein Vetorecht gegen die Beschlüsse der Körperschaften. Der dritte Grundsatz der Kirchenverfassung ‫܇‬agunas bezog sich auf die Trennung zwischen den kanonischen und kirchlichen Angelegenheiten und den schulischen und wirtschaftlichen. Erstere gehörten zur Verantwortung der exekutiven, ausschließlich aus Priestern bestehenden Körperschaften, die Letzteren verantworteten die exekutiven Körperschaften, in denen das Laientum zwei Drittel der Wahlberechtigten ausmachte. Repräsentant der Metropolie war der nationale Kirchenkongress, der aus 93 Mitgliedern bestand: Drei Bischöfe und 90 weitere Mitglieder, und zwar 30 aus jeder Eparchie, zu einem Drittel Kleriker und zu zwei Dritteln Laien. Die exekutiven Körperschaften waren die Ausschüsse (auf der Ebene der Pfarreien und der Protopresbyterate), die Konsistorien der Diözesen und die obere exekutive Körperschaft, die vom metropolitanischen Konsistorium vertreten wurde. Das weitgreifende institutionelle Konstrukt ‫܇‬agunas sollte seine Bedeutung während der Dopplemonarchie (1867–1918) unter Beweis stellen, als die Regierung in Budapest eine intensive Magyarisierungskampagne in Siebenbürgen durchführte.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

II.1.3. Die ROKS zwischen 1867 und 1918 Die Grundprinzipien der ethnischen Politik der Budapester Regierung nach dem Ausgleich waren im Nationalitätengesetz festgehalten, das im Dezember 1868 verabschiedet worden ist. Das Gesetz erkannte nur eine einzige politische Nation an, nämlich die ungarische, und ordnete die ungarische Sprache als Staatssprache an. Die Verwendung der Muttersprache war in der Lokalverwaltung, in den Konfessionsschulen und der Kirche erlaubt und den Nationen wurden einige Kollektivrechte gewährt (das Recht auf die Gründung von Vereinen zur Pflege der Kultur und Sprache u.ä.). Die Bestimmungen zugunsten der Nationalitäten wurden durch die Gesetze von 1875, die die Magyarisierung der anderen ethnischen Gruppen in Siebenbürgen vorsahen, aufgehoben.159 In diesem Sinne verabschiedete das ungarische Parlament 1879 ein Gesetz, das die ungarische Sprache als verpflichtendes Fach in den Lehrplänen der rumänischen orthodoxen und unierten Schulen einführte. Die Gesetzgebung von 1893 und 1899 sah eine verstärkte Kontrolle der Priester und Lehrer vor, die von der Regierung als wichtigste Widerstandsfaktoren gegen die Entnationalisierung betrachtet wurden.160 Der Höhepunkt der Magyarisierungspolitik durch das Schulsystem wurde 1907 erreicht, als das Kultus- und Bildungsministerium unter der Leitung von Albert Apponyi (Minister in den Jahren 1906–1910 und 1917–1918) zwei Gesetze zur Auflösung der rumänischen, serbischen und slowakischen Konfessionsschulen verabschiedete und deren Ersetzung durch staatliche Schulen mit ungarischer Unterrichtssprache vorsah.161 Die Schulpolitik der Budapester Regierung führte allein in Siebenbürgen zur Auflösung von über 300 orthodoxen Konfessionsschulen und 140 griechisch-katholischen Schulen.162 Infolge dieser Entnationalisierungsaktion wurde in der Zeit zwischen ‫܇‬agunas Tod (1873) und der Vereinigung Siebenbürgens mit dem rumänischen Königreich am 1. Dezember 1918 die Bewahrung der eigenen Autonomie und jener der Konfessionsschulen zur Hauptaufgabe der ROKS, die dadurch den Rumänen die Möglichkeit zur Bewahrung der ethnischen und kulturellen Identität zu bieten trachtete. Der Erste Weltkrieg spielte eine entscheidende Rolle für das Schicksal Siebenbürgens. Nach dem Beschluss des Landesrates von Chi‫܈‬inău vom 27. März 

159 Vgl. Dan Berindei (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VII/I: Constituirea României Moderne (1821–1878), Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 2003, 748–751. 160 Vgl. Hitchins, Rumania 1866–1947, 207; Macarie Drăgoi, Orthodox and Greek Catholics in Transylvania (1867–1916). Convergences and Divergences, St Vladimir’s Seminary Press, New York, 2015, vor allem das Unterkapitel The Romanian Church and the Existence of Ecclesiastical Schools, 51–118. 161 Vgl. Mircea Păcurariu, The Policy of the Hungarian State concerning the Rumanian Church in Transylvania under the Dual Monarchy 1867–1918, IBMBOR, Bucure‫܈‬ti, 1986, 162; siehe auch Brusanowski, Învăаământul confesional ortodox, Volumul I, 354–392. 162 Vgl. Gheorghe Platon (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VII/II: De la Independenаă la Marea Unire (1878–1918), Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 2003, 304.



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1918, die Vereinigung Bessarabiens mit Rumänien zu verkünden und nachdem der Generalkongress der Bukowina der Vereinigung der Bukowina mit Rumänien am 28. November 1918163 zugestimmt hatte, war Siebenbürgen die letzte der angrenzenden Provinzen, die noch keine Entscheidung in Bezug auf ihr Verhältnis zum Königreich Rumänien getroffen hatte. Am 29. Oktober 1918 gründeten die Rumänische Nationalpartei und die Sozialdemokratische Partei den Rumänischen Nationalrat als politische Vertretung der Rumänen in Siebenbürgen und Ungarn.164 Am 1. Dezember 1918 berief der Rat eine große Nationalversammlung in Alba Iulia ein, wo die rumänischen Abgeordneten aus Siebenbürgen, dem Banat und Ungarn die „Einheit der Rumänen und der von ihnen bewohnten Territorien mit Rumänien“165 beschlossen. Eine Delegation des Rates, zu der der orthodoxe Bischof von Caransebe‫܈‬ Miron Cristea, der griechisch-katholische Bischof Iuliu Hosu sowie Alexandru Vaida-Voevod, Vasile Goldi‫ ܈‬und Caius Brediceanu gehörten, überreichte König Ferdinand (1865–1927, König ab 1914) am 14. Dezember 1918 das Dokument der Vereinigung mit Rumänien.166 Durch die Friedensverträge von Paris 1919– 1920167 erkannten die Großmächte die neue Territorialstruktur des rumänischen Staates an,168 die in dieser Form bis 1940 erhalten bleiben sollte.



163 Vgl. Katja Lasch, Die Entstehung Großrumäniens. Parallelen und Unterschiede des Anschlusses Siebenbürgens und Bessarabiens an Rumänien 1918, in: Zeitschrift für siebenbürgische Landeskunde, 27/2004, 177–188. 164 Vgl. ***Istoria României. Transilvania, Volumul II, Editura „George Bari‫܊‬iu“, ClujNapoca, 1997, 633. 165 Vgl. Rezoluаia privind unirea Transilvaniei cu România, adoptată de Marea Adunare Naаională de la Alba Iulia (1 decembrie 1918), in: Ioan Scurtu (Hg.), Istoria României între 1918–1944. Culegere de documente, Editura Didactică ‫܈‬i Pedagogică, Bucure‫܈‬ti 1982, 25. 166 Vgl. Ion Rusu Abrudeanu, IPS Sa Patriarhul României Dr. Miron Cristea. Înalt regent. Omul Юi faptele, „Cartea Românească“, Bucure‫܈‬ti, 1929, 280. 167 Vgl. Scurtu (Hg.), Istoria României între 1918–1944, 31–37. 168 In nur vier Jahren erlebte Rumänien eine radikale demographische und territoriale Veränderung. 1915 hatte das rumänische Königreich eine Oberfläche von 295.049 Quadratkilometern und eine Bevölkerung von 14,7 Millionen Menschen (siehe Ioan Scurtu (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VIII: România Întregită, Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 2003, 31). Die erste Volkszählung in der Zwischenkriegszeit, deren Ergebnisse 1933 veröffentlicht wurden, zeigte nun das vollständige Bild eines Staates mit einer in Europa einzigartigen ethno-konfessionellen Identität. In Großrumänien lebten über 20 ethnische Gruppen, denen etwa 13 Konfessionen und andere religiöse Organisationen entsprachen (vgl. Recensământul general al populaаiei din 29 septemvrie 1930, publicat de Dr. Sabin Manuilă, Volumul II: Neam, Limbă Maternă, Religie, Monitorul Oficial, Bucure‫܈‬ti, 1938, XXIV).

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

II.2. Der kirchliche und politische Kontext zwischen 1918 und 1940 II.2.1. Die 1920er Jahre: Eine Epoche der kirchlichen und politischen Strukturreformen Im Rahmen des Integrationsprozesses der neuen Provinzen in den rumänischen Staat nach 1918169 hatte sich die ROKS mit einer Beziehungspraxis zwischen Staat und Kirche auseinanderzusetzen, die das Königreich Rumänien charakterisierte, aber die ihrer eigenen Traditionen fremd war. Die Spannungen zwischen den beiden Auffassungen zeigten sich vornehmlich in den 1920er Jahren, als eine neue Verfassung (1923), ein Statut zur einheitlichen Ordnung der RumänischOrthodoxen Kirche (1925) und ein allgemeines Kultusgesetz (1928) verabschiedet wurden.

II.2.1.1 Exkurs: Kirche und Staat in der modernen Geschichte Rumäniens a) Das byzantinische Muster Die Beziehung zwischen Kirche und Staat im Byzantinischen Reich erhielt seine normative Formulierung durch das Corpus Iuris Civilis des Kaisers Justinian (527–565) und insbesondere durch Novella 6 von 535. Darin wurden Priestertum und Kaisertum als die größten Geschenke bezeichnet, die Gott den Menschen gab. Während die Aufgabe des Priestertums darin bestehe, Gott zu dienen, sei es die Aufgabe des Kaisertums, die menschlichen Angelegenheiten zu leiten, wobei beide Funktionen göttlichen Ursprungs seien und das gleiche Ziel haben, nämlich das menschliche Dasein zu ordnen. Wenn nämlich das eine (sc. das Priestertum) in jeder Hinsicht untadelig dasteht und teilhat an dem Freimut (ʌĮȡȡȘıȓĮ) gegen Gott und das andere (sc. das Kaisertum) das ihm überantwortete Gemeinwesen in rechter und gehöriger Weise mit allem Nötigen versieht, dann wird eine so recht schöne Harmonie (ıȣȝijȦȞȓĮ) walten, welche dem Menschengeschlecht all das zukommen läßt, was zu seinem Nutzen dient [...].170 

169 Zu einer detaillierten Analyse des Integrationsprozesses Siebenbürgens in Großrumäniens, siehe Florian Kührer-Wielach, Siebenbürgen ohne Siebenbürger? Zentralstaatliche Integration und politischer Regionalismus nach dem Ersten Weltkrieg, De Gruyter/Oldenbourg, München, 2014. 170 Justinian, Novella VI, Vorwort, in: Adolf Martin Ritter, „Kirche und Staat“ im Denken des frühen Christentums. Texte und Kommentare zum Thema Religion und Politik in der Antike, Peter Lang, Bern, 2005, 246–249, hier 247, 249. Eine eingehende Studie des Codex Justinianus und insbesondere der Absätze, die der Kirche gewidmet waren, bringt Hartmut Leppin in: Justinian: Das christliche Experiment, Klett-Cotta, Stuttgart, 2011, 92–126.



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Im Byzantinischen Reich wurde niemals von der Kirche akzeptiert, dass ein Kaiser das Recht hat, auch Priester zu sein: Diejenigen Kaiser, die es wagten, Anspruch auf das priesterliche Amt zu erheben, wurden von der Kirche automatisch zu Ketzern erklärt.171 Das Projekt der byzantinischen Zivilisation, d.h. die Erschaffung einer universellen christlichen Gesellschaft, die politisch vom Kaiser verwaltet und geistlich von der Kirche betreut werden sollte,172 blieb jedoch nur ein religiös-politischer Idealtyp. In der Praxis wurde die „byzantinische Symphonie“ einerseits durch eine beständige Tendenz des Staates charakterisiert, die Kirche für politische Zwecke zu instrumentalisieren, andererseits aber auch durch deren Widerstand. Kirche und Staat waren „Erscheinungsweisen ein und derselben Christenheit, Erscheinungsweisen, die nicht ohne einander denkbar sind“.173 Die Beziehung, in der die zwei Institutionen zueinander standen, war weniger von Gesetzen als vielmehr von religiös-politischen Kontexten und von kirchlichen und politischen Persönlichkeiten bestimmt.174 Die Spannungen zwischen Kaiser und verschiedenen Kirchenvertretern, führten niemals zu Staatskrisen, sondern sie blieben stets Privatangelegenheiten, die fast immer vom Kaiser zu seinen Gunsten gelöst wurden; aufgrund seiner Autorität konnte ein Kaiser die Ernennung oder Entfernung eines Patriarchen bestimmen, während es einem Patriarchen niemals gelungen ist, einen Kaiser zu stürzen.175 Neben der Disjunktion zwischen Normativität und Praxis, welche die Geschichte der byzantinischen Symphonie kennzeichnete, stand als ein anderes spezifisches Element dieses religiös-politischen Musters die zentrale Bedeutung des Kaisers für die politische Ordnung. Verwaltungsmäßig waren die Institutionen von Kirche und Staat getrennt, die Kirche aber war praktisch dem Staat untergeordnet. Es gab zwar zwei Rechtsordnungen, aber nur eine Gewalt, die Staatsgewalt, verkörpert durch den Kaiser.176



171 Vgl. Gilbert Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium, Cambridge University Press, Cambridge, 2003, 293. 172 Vgl. John Meyendorff, Byzantine Theology. Historical Trends and Doctrinal Themes, Fordham University Press, New York, 1979, 213; siehe auch Steven Runciman, The Byzantine Theocracy, Cambridge University Press, Cambridge, 1979 und Hans-Georg Beck, Das byzantinische Jahrtausend, C.H. Beck, München, 1994. 173 Hans-Georg Beck, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich, C.H. Beck, München, 1977, 36. 174 Vgl. ebd. 175 Vgl. Peter Schreiner, Byzanz 565–1453, Oldenbourg, München, 2011, 88. 176 Franz Tinnefeld, Kirche und Staat im byzantinischen Reich, in: Ostkirchliche Studien 54/2005, 56–78, hier 76.

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b) Moderne Staatlichkeit und politische Kontrolle der Kirche Anders als die ROKS, die sich in einem den westlichen Einflüssen gegenüber offenem Kulturraum entwickelt hatte, befanden sich die Rumänischen Länder und die ROK während des ganzen Mittelalters unter dem kulturellen Einfluss des byzantinischen Reiches. Zwischen der Eroberung des Byzantinischen Reiches durch die Osmanen 1453 und dem Beginn des 19. Jahrhunderts überlebten die kulturellen, kirchlichen und politischen Einrichtungen des Reiches im orthodoxen Raum des Balkans; dieses „Byzanz nach Byzanz“ war in seiner authentischsten Form in der Moldau und in der Walachei vertreten.177 Die Übernahme des byzantinischen religiös-politischen Imaginären durch die Rumänischen Länder konkretisierte sich unter anderem durch die Auffassung von der Autorität des Herrschers von Gottesgnaden; die politische Macht erhielt dadurch einen sakralen Charakter, der Herrscher bestätigte auch die Wahl der Bischöfe und Metropoliten. Nicht selten kam es vor, dass die Kirche mit der politischen Macht in Konflikt geriet, wenn sie ihre moralische und symbolische Überlegenheit dem Staat gegenüber, mit dem sie sich die Macht über das Volk teilte, durchzusetzen versuchte.178 In der modernen Epoche folgte den politischen Strukturwandlungen jedesmal eine Neuordnung der Kirche. 1859 konnten sich Moldau und Walachei zu einem autonomen Fürstentum unter osmanischer Obrigkeit und mit Alexandru Ioan Cuza (reg. 1859–1866) an der Spitze vereinen.179 Cuzas Politik war stark vom französischen Vorbild geprägt. Das am 16. Dezember 1864 promulgierte Zivilgesetz war zum Beispiel zum Großteil eine Adaptation des Napoleonischen Code Civil von 1804.180 Im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Vereinheitlichung der Vereinigten Rumänischen Fürstentümer wurde am 3. Dezember 1864 eine zentrale synodale Autorität gegründet, die sowohl die Metropolie der Moldau, als auch jene der Walachei umfasste.181 Ab dem Jahr 1865 führte der Metropolit von Bucure‫܈‬ti auch den Titel eines Primas von Rumänien und, obgleich die ROK offiziell dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel 

177 Vgl. Nicolae Iorga, Byzantium after Byzantium, The Center for Romanian Studies, Oxford, 2000, vor allem die Kapitel: The Byzantine imperial Idea through the Romanian Princes (129–154), und The End of Byzantium (231–234). 178 Vgl. Andrei Pippidi, Tradiаia politică bizantină în аările române în secolele XVI–XVIII, EARSR, Bucure‫܈‬ti, 1983, 34–47, 100–108, 115–122; siehe auch Valentin Al. Georgescu, Bizanаul Юi instituаiile româneЮti până la mijlocul secolului al XVIII-lea, EARSRS, Bucure‫܈‬ti, 1980, 72–76. 179 Vgl. Dan Berindei (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VII/I, 477–485. 180 Vgl. ebd., 529. 181 Vgl. Theodor Damian, The Autocephaly of the Romanian Orthodox Church: 125 Years since its Acknowledgement, in: Religion in Eastern Europe, 31, 3/2011, 36–40, hier 37–38; siehe auch Mircea Păcurariu, Câteva considerări cu privire la proclamarea autocefaliei Юi înfiinаarea patriarhiei Bisericii Ortodoxe Române, in: Mitropolia Banatului, 10–12/1975, 502–527, hier 504.



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untergeordnet war, erfreute sie sich de facto einer recht weitreichenden Autonomie.182 Im gleichen Jahr wurde das Gesetz zur Bischofsernennung verabschiedet, das die Ernennung der Bischöfe durch den Herrscher vorsah, jedoch nicht deren Wahl, wie es in der kanonischen Praxis des Orthodoxen Christentums eigentlich festgelegt war.183 Wenn die ROKS durch das Organische Statut ihre Autonomie dem Staat gegenüber erlangen konnte, so verlief in den Vereinigten Rumänischen Fürstentümern zur gleichen Zeit ein umgekehrter Prozess: Die Kirche ordnete sich mehr und mehr dem Staat unter. Nach der Abdankung des Fürsten Cuza am 10./11. Februar 1866 brachte der Vertreter der rumänischen Regierung, Ioan C. Brătianu, Karl von Hohenzollern auf den Thron der Vereinigten Rumänischen Fürstentümer (reg. 1866– 1914). Karl I. regierte aufgrund einer am 1. Juli 1866184 verabschiedeten Verfassung, die mit sukzessiven Veränderungen bis 1938 gültig blieb.185 Die erste moderne Verfassung des rumänischen Staates legte die „Orthodoxe Religion des Ostens [als] die herrschende Religion des Rumänischen Staates“ fest und besagte, dass die „Rumänisch-Orthodoxe Kirche […] von jeder fremden Obrigkeit unabhängig ist und bleibt, indem sie hinsichtlich der Dogmen ihre Einheit mit der ökumenischen Kirche des Orients bewahrt“.186 In der Verfassung wurde faktisch die Autokephalie (d.h. die Unabhängigkeit) der ROK gegenüber dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel verankert. Diese Tendenz zur offiziellen Erlangung der Autokephalie konkretisierte sich nachdem der rumänische Staat nach dem Balkankrieg von 1877 bis 1888 seine Unabhängigkeit dem Osmanischen Reich gegenüber erlangt hatte und die Vereinigten Rumänischen Fürstentümer 1881 ein Königreich geworden waren.187 Am 9. März 1882 schlug das rumänische Parlament die Erhebung der ROK zum Rang eines Patriarchats vor, das sie den anderen Patriarchaten des östlichen



182 Vgl. Ernst Christoph Suttner, 50 Jahre rumänisches Patriarchat. Seine Geschichte und die Entwicklung seines Kirchenrechts, in: ders., Beiträge zur Kirchengeschichte der Rumänen, Herold, Wien/München, 1978, 11–40, hier 11. 183 Vgl. Paul Brusanowski, Stat Юi Biserică în Vechea Românie între 1821–1925, Presa Universitară Clujeană, Cluj-Napoca, 2010, 72. 184 Vgl. Edda Binder-Iijima, Die Institutionalisierung der rumänischen Monarchie unter Carol I. 1866–1881, R. Oldenbourg, München, 2003, 50–57, 63–79. Für die Anfänge des rumänischen Konstitutionalismus, siehe Petra Lindenbauer, Die Entstehung des rumänischen konstitutionellen Diskurses im 19. Jahrhundert (Habilitationsschrift), Wien, 2010. 185 Vgl. Eleodor Foc‫܈‬eneanu, Istoria constituаională a României 1859–1991, Humanitas, Bucure‫܈‬ti, 1992, 26–71. 186 ***Die Verfassung des Fürstentums Rumänien vom 1. Juli 1866, in: Dieter Gosewinkel/Johannes Masing (Hg.), Die Verfassungen in Europa 1789–1949, C.H. Beck, München, 2006, 1715–1734, hier 1718. 187 Vgl. Edda Binder-Iijima, Die Institutionalisierung, 577–587.

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Christentums gleichgestellt hätte.188 Infolge der Interventionen, sowohl vonseiten der Orthodoxen Kirche, als auch vonseiten des Staates, erkannte der Ökumenische Patriarch Joachim IV. (1882–1886) am 25. April 1885 die Autokephalie der ROK an.189 Das Interesse des Staates an der Autokephalie der ROK wurde offensichtlich vom Wunsch bestimmt, sie zu kontrollieren, denn diese Kontrolle war einfacher zu realisieren, wenn die Kirche von jeder Autorität außerhalb des Landes getrennt war. In den Jahren bis zur Vereinigung von 1918 setzte der rumänische Staat seine Bestrebungen fort, sich die Kirche unterzuordnen. Mit Ausnahme der streng religiösen und kanonischen Angelegenheiten, musste jeder Beschluss der Synode der ROK vom Staat bestätigt werden, einschließlich der Wahl eines neuen Bischofs. Mehr noch, die Klerusgesetze von 1893 und 1906 verliehen dem Kultusministerium das Inspektionsrecht über die Aktivitäten der Geistlichen.190 Diese Einmischung des Staates bis in die streng religiösspirituellen Bereiche zeigt, dass die Orthodoxe Kirche für den Staat nichts anderes als eine von vielen ihm untergeordneten Einrichtungen war und der Priester lediglich ein Beamter wie jeder andere auch in seinem administrativen Apparat. Die Loslösung der Rumänischen Länder vom Orient und die Einsetzung des Anpassungsprozesses an die modernen Ideen und Institutionen des Westens zu Beginn des 19. Jahrhunderts191 bedeutete jedoch nicht die Aufhebung des byzantinischen religiös-politischen Musters. Der Staat konnte sich den Kontrollverlust über eine Institution mit einem so großen sozialen Einfluss wie die ROK nicht leisten. Doch diese Art von Beziehung zwischen der ROK und dem rumänischen Staat war im Grunde für beide Einrichtungen gleichermaßen von Vorteil. Der Staat sah in der ROK ein wesentliches Element zur Stärkung der nationalen Identität und Kohäsion und für die Politiker war die Kontrolle über die Priester eine Möglichkeit, sich die Unterstützung der Gläubigen zu sichern.192 Auf 

188 Vgl. Lucian N. Leu‫܈‬tean, The Romanian Orthodox Church, in: ders. (Hg.), Orthodox Christianity and Nationalism in Nineteenth-Century Southeastern Europe, Fordham University Press, New York, 2014, 101–163, hier 126. 189 Vgl. Mihail Săsăujan, The Diplomatic Negotiations Carried Out by the Romanian Government with the Ecumenical Patriarchate of Constantinopole for the Recognition of the Autocephaly of the Romanian Orthodox Church (1885), in: Ostkirchliche Studien, 61/2012, 245–263, hier 259. 190 Vgl. Alan Scarfe, The Romanian Orthodox Church, in: Pedro Ramet (Hg.), Eastern Christianity and Politics in the Twentieth Century, Duke University Press, Durham/London, 1988, 208–231, hier 211; Ernst Christoph Suttner, 50 Jahre rumänisches Patriarchat, 12. 191 Zu diesem Wendepunkt, dem Beginn der modernen rumänischen Geschichte siehe Neagu Djuvara, Les pays roumains entre Orient et Occident. Les Principautés danubiennes dans la première moitié du XIX siècle, Publications orientalistes de France, Paris, 1989. 192 Vgl. Lucian N. Leu‫܈‬tean, The Political Control of Orthodoxy in the Construction of the Romanian State, 1859–1918, in: European History Quarterly, 37/2007, 61–80, hier 80;



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der anderen Seite nutzte die Kirche diese Situation aus, um ihren Anspruch auf die Gleichsetzung von Orthodoxie und rumänischer Nation geltend zu machen. In diesem Sinne behauptete die ROK, dass sie die nationale Identität in der vormodernen Epoche, im Kontext der osmanischen Herrschaft über die Rumänischen Länder bewahrte.193 Obwohl die ROKS und die ROK im rumänischen Königreich hinsichtlich ihrer Ordnung und der Beziehung zum Staat verschiedene Auffassungen vertraten, wurden sie durch das Bewusstsein geeint, dass sie im Laufe der Geschichte die nationale Identität der Rumänen bewahrt haben.

II.2.1.2. Die einheitliche Ordnung der Rumänisch-Orthodoxen Kirche und die Harmonisierung der regionalistischen Spannungen Im März 1919 fand der erste Kongress des Andrei Эaguna Vereins des Klerus der rumänischen orthodoxen Metropolie aus Transilvanien, dem Banat, der CriЮana und der MaramureЮ in Sibiu statt. Die ROKS bekundete ihre Absicht, die auf dem Organischen Statut fußende Ordnung zu bewahren. Gleichzeitig sprach sie auch den Wunsch aus, dass die Kirchenverfassung ‫܇‬agunas als Grundlage der einheitlichen Ordnung der Orthodoxen Kirche in Großrumänien angenommen werden möge.194 Im Dezember 1919 wurde die außerordentliche Synode der ROK in Bucure‫܈‬ti einberufen, an der auch die Kirchenführer aus den neuen Territorien teilnahmen. Am 31. Dezember 1919 wählte das große Wahlkollegium den Bischof von Caransebe‫܈‬, Miron Cristea, zum Metropoliten-Primas, der am 1. Januar 1920 eingesetzt wurde.195 Über diese Schritte zur Einheit der Orthodoxen Kirche im neuen Staat hinaus erwies sich der verwaltungsrechtliche Prozess als bedeutend schwieriger wegen der unterschiedlichen Kirchenordnungen in den Provinzen, aus denen nach 1918 Großrumänien gebildet worden war. In den 

siehe auch George Enache, Amestecul puterii politice în algerea ierarhilor Bisericii Ortodoxe Române, in: Arhivele Totalitarismului, 1–2/2004, 7–33. 193 Vgl. Lucian N. Leu‫܈‬tean, The Political Control, 61. Zur Darstellung der Beziehung zwischen der Orthodoxen Kirche in den Rumänischen Ländern und dem Osmanischen Reich, siehe Paul Brusanowski, Die rumänischen Donaufürstentümer als autonome christliche Staatsgebilde innerhalb der osmanischen Welt, in: Ostkirchliche Studien, 65/2016, 119–145. 194 Vgl. Analele asociaаiei „Andreiu Эaguna“ a clerului Mitropoliei Ortodoxe Române din Ardeal, Bănat, CriЮana Юi MaramurăЮ. I. Actele primului Congres al Preoаimii din Mitropolia românilor ortodocЮi din Ardeal, Bănat, CriЮana Юi MaramurăЮ, аinut în Sibiiu, în zilele de 6/19–8/21 martie 1919, publicate de Biroul Asociaаiei Clerului, Tiparul Tipografiei Carpa‫܊‬ii, Sibiiu, 1919. 195 Vgl. Paul Brusanowski, Autonomia Юi constituаionalismul în dezbaterile privind unificarea Bisericii Ortodoxe Române (1919–1925), Presa Universitară Clujeană, Cluj-Napoca, 2007, 98–99.

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folgenden sechs Jahren wurden verschiedene Kompromisslösungen vorgeschlagen. Am 6. Mai 1925 verabschiedete die Regierung schließlich das Gesetz zur Organisation der Rumänisch-Orthodoxen Kirche. Am 4. Februar desselben Jahres beschloss die Heilige Synode die Erhebung der ROK zum Rang eines Patriarchats und am 1. November wurde der Primas-Metropolit Miron Cristea von König Ferdinand zum ersten Patriarchen der Rumänisch-Orthodoxen Kirche ernannt.196 Das Gesetz zur Organisation der Rumänisch-Orthodoxen Kirche schien dem gesetzlichen Rahmen des Organischen Statuts zu entsprechen, doch eine Reihe wesentlicher Grundsätze der Kirchenverfassung ‫܇‬agunas wurden abgeändert.197 Die Autonomie der Kirche im Verhältnis zum Staat wurde dadurch untergraben, dass das Parlament über das neue Statut abgestimmt hatte, während das Organische Statut vom nationalen Kirchenkongress beschlossen und nur formal vom Staat sanktioniert worden war. Das Verfassungsprinzip hatte ebenfalls zu leiden: Die Gemeindeversammlung verlor das Recht, den Gemeindepfarrer zu wählen. Die legislativen und exekutiven Körperschaften der Kirche, und zwar die Versammlungen und Konsistorien, verloren das Recht, unwiderrufliche Beschlüsse zu verabschieden. Nunmehr konnten die Bischöfe diese Beschlüsse in Frage stellen.198 Die Übertragung des Organischen Statuts von der regionalen auf die nationale Ebene erfolgte durch dessen erhebliche Veränderung unter dem Einfluss des byzantinischen religiös-politischen Musters, indem die Autonomie der Kirche dem Staat gegenüber geschwächt und die Macht der Bischöfe gestärkt wurde.

196 Vgl. Lucian N. Leu‫܈‬tean, „For the Glory of Romanians“. Orthodoxy and Nationalism in Greater Romania 1918–1945, in: Nationalities Papers, 35, 4/2007, 717–742, hier 724. Für die Texte des Gesetzes und des Ordnungsstatuts der Rumänisch-Orthodoxen Kirche, siehe Brusanowski, Rumänisch-Orthodoxe Kirchenordnungen, 318–375. Infolge des Vereinheitlichungsprozesses der Kirchenordnung hatte die Rumänisch-Orthodoxe Kirche den Rang eines Patriarchats mit folgender verwaltungsrechtlich-kanonischer Struktur: die Metropolie der Ungro-Walachei mit den folgenden Bistümern: Erzbistum von Bucure‫܈‬ti, Bistum von Râmnic-Noul Severin, Bistum von Buzău, Bistum vom Arge‫܈‬, Bistum von Constan‫܊‬a. Die Metropolie von Moldau und Suceava mit den Bistümern: Erzbistum von Ia‫܈‬i, Bistum von Roman, Bistum von Hu‫܈‬i, Bistum von Dunărea de Jos; die Metropolie von Siebenbürgen, Banat, Cri‫܈‬ana und Maramure‫ ܈‬mit den Bistümern Erzbistum von Alba Iulia und Sibiu, Bistum von Arad, Ienopole und Hălmagiu, Bistum von Caransebe‫܈‬, Bistum von Oradea, Bistum von Vad, Feleac und Cluj; die Metropolie von Bukowina mit den Bistümern: Erzbistum von Cernău‫܊‬i, Bistum von Hotin; die Metropolie von Bessarabien mit den Bistümern: Erzbistum von Chi‫܈‬inău und dem Bistum von Cetatea Alba-Ismail (siehe Brusanowski, Rumänisch-Orthodoxe Kirchenordnungen, 318–320). 197 Vgl. Brusanowski, Autonomia Юi constituаionalismul, 387. 198 Vgl. ebd., 387–389.

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II.2.1.3. Die Verfassung von 1923 Der kirchliche Vereinheitlichungsprozess in den 1920er Jahren verlief zeitgleich mit dem Erarbeitungsprozess einer neuen Verfassung. Am 29. März 1923 konnte die von dem liberalen Politiker Ion I.C. Brătianu geleitete Regierung die Verabschiedung einer Verfassung durchsetzen, die die meisten Grundsätze der Verfassung von 1866 wiederaufnahm.199 Artikel 33 der neuen Verfassung legte fest: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, das sie nur durch Vertretung ausüben kann“. Die Trennung der legislativen, exekutiven und richterlichen Gewalt war ebenfalls vorgesehen (Art. 33–41). Der König ernannte die Minister und unterschrieb bzw. bestätigte die Gesetze (Art. 88). „Die vereinigten Minister bilden den Ministerrat, dem mit dem Titel des Präsidenten des Ministerrats jener Minister vorsitzt, der vom König mit der Regierungsbildung beauftragt worden war“ (Art. 93). Die Orthodoxe und die Griechisch-Katholische Kirche wurden „rumänische Kirchen“ genannt. Die orthodoxe Kirche war die „beherrschende Kirche im rumänischen Staate“, die Griechisch-Katholische hatte „den Vorrang gegenüber den übrigen Kultusgemeinschaften“ (Art. 22). Die Verfassung sah vor, dass die Metropoliten, die Bischöfe der orthodoxen und der Griechisch-Katholischen Kirche, die Leiter der vom Staat anerkannten Glaubensgemeinschaften und der Vertreter der Muslime in Rumänien von Rechts wegen Mitglieder des Senats waren (Art. 72).200 Die christlichen Konfessionen wurden im Senat und in der Abgeordnetenkammer nicht nur von der Spitze der Hierarchie, sondern auch von einer beeindruckenden Anzahl von Priestern vertreten. In den sieben Legislaturperioden zwischen 1922 und 1937 stellten die Priester 2,7 Prozent aller Mitglieder der Abgeordnetenkammer und 22,6 Prozent der Senatoren dar; damit waren sie die am besten vertretene Berufsgruppe nach den Juristen.201 Die Priester unter den Abgeordneten und Senatoren waren Einflussfaktoren in den Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen und dem Staat. Die Personalisierung der Beziehung zwischen den beiden Einrichtungen hob praktisch die Grenze zwischen kirchlicher und staatlicher Ebene auf.202 Die Verfassung sah auch vor, dass die Beziehung zwischen dem rumänischen Staat und den von ihm anerkannten Glaubensgemeinschaften von einem Gesetz festgelegt werden sollte, dessen Verabschiedung für das Jahr 1928 vorgesehen war. 

199 Vgl. Hans-Christian Maner, Parlamentarismus in Rumänien (1930–1940). Demokratie im autoritären Umfeld, R. Oldenbourg, München, 1997, 44–49. 200 ***Die Verfassung des Königreiches Rumänien vom 29. März 1923, in: Gosewinkel/ Masing (Hg.), Die Verfassungen, 1735–1754. 201 Vgl. Hans-Christian Maner, Confesiunile în viaаa parlamentară din România interbelică, in: Anuarul Institutului de Istorie „A.D. Xenopol“, XXXVI/1999, 113–124, hier 114. 202 Vgl. ebd, 115.

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II.2.1.4. Das Konkordat mit dem Vatikan 1921 knüpfte der rumänische Staat diplomatische Beziehungen zum Vatikan und begann die Verhandlungen zur Schließung eines Konkordats mit dem Heiligen Stuhl. Das Konkordat wurde am 10. Mai 1927 unterzeichnet und blieb bis zur Verabschiedung des allgemeinen Kultusgesetzes 1928 geheim. Das Parlament ratifizierte es schließlich am 20. Mai 1929.203 Durch das Konkordat erhielten die Römisch-Katholische und die Griechisch-Katholische Kirche das Recht, direkte Verbindungen zum Vatikan zu unterhalten. Die Bischöfe wurden vom Papst ernannt und waren als rumänische Staatsbürger verpflichtet, dem König, der Verfassung und den Landesgesetzen loyal zu sein. Die Bischöfe ernannten die Priester und diese wurden vom Kultusministerium bezahlt. Keine Diözese hatte Jurisdiktionsrechte außerhalb des Landes und keine Diözese aus dem Ausland konnte ihre Jurisdiktion auf eine Region in Rumänien ausdehnen.204 Sowohl vor als auch nach der Unterzeichnung des Konkordats reagierte die ROK vehement gegen einen solchen Vertrag zwischen Rumänien und dem Heiligen Stuhl. Vor allem die ROKS stellte sich dagegen, weil ihre Sicht auf die Beziehung zwischen dem rumänischen Staat und dem Vatikan von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Katholizismus in Siebenbürgen geprägt war. Das Konkordat war für die ROKS ein „trojanisches Pferd“, das die Einmischung einer politischen und religiösen Macht in die inneren Angelegenheiten Rumäniens ermöglichen würde.205 Die Katholische Kirche wurde als Instrument zur Zerstörung der religiösen Einheit des rumänischen Volkes gesehen,206 wie sie es auch schon vorher gewesen war, nämlich durch die Gründung der Griechisch-Katholischen Kirche.207 Durch das Konkordat hätte ein katholischer Staat innerhalb des rumänischen Staates, den die ROKS als seinem Wesen nach orthodox betrachtete, errichtet werden sollen.208 

203 Vgl. John Pollard, The Papacy in the Age of Totalitarianism, 1914–1958, Oxford University Press, Oxford, 2014, 229. 204 Vgl. Mózes Nóda, The Historical, Political and Ecclesiastical Background of the 1927 Concordat between the Vatican and Romania, in: Journal for the Study of Religions and Ideologies, 27/2010, 281–301, hier 292–294. 205 Nicolae Colan, Concordatul cu Vaticanul, in: Revista Teologică, 5/mai 1924, 134. 206 Vgl. ***Reînceperea tratativelor pentru concordat, in: Legea Românească, 6/15 martie 1925, 5; Ion Mateiu, Valoarea concordatului cu Vaticanul, in: Telegraful Român, 68/5 octombrie 1929, 1–2. 207 Vorbirea pr. Эtefan MeteЮ, ca raportor în chestiunea concordatului, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“ a clerului Mitropoliei Ortodoxe Române din Ardeal, Bănat, Cri‫܈‬ana ‫܈‬i Maramură‫܈‬. Congresul al cincilea, misionar, al Asocia‫܊‬iei Clerului „Andrei ‫܇‬aguna“ ‫܊‬inut în Oradea Mare în zilele de 13 ‫܈‬i 14 noiembrie 1924, publicate de Biroul Asocia‫܊‬iei Clerului, Tiparul Tipografiei „Dacia Traiană“, Sibiu, 1925, 60. 208 Vgl. ***Concordatul, in: Legea Românească, 11/23 martie 1924, 1; Un Protopop, Concordatul cu Roma Юi o datorie de îndeplinit, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 5/31 februarie 1922, 1; Ion



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II.2.1.5. Die Verstaatlichung der orthodoxen Konfessionsschulen Ein anderes großes Problem, mit dem sich die ROKS in den 1920er Jahren auseinandersetzte, war die Schulpolitik des rumänischen Staates und vornehmlich die von der Nationalliberalen Partei (Partidul Naаional Liberal) durch die Bildungsgesetze von 1924, 1925 und 1928 betriebene Politik. Die Gesetze zur öffentlichen Schulbildung zielten auf die Errichtung eines einheitlichen, gleichgestellten und zentralisierten Bildungssystems. Der Verstaatlichungsprozess der Konfessionsschulen in Siebenbürgen hatte schon 1919 eingesetzt und verfolgte ausschließlich die Eingliederung der orthodoxen Schulen in das Staatssystem, während die Schulen der GriechischKatholischen Kirche und der anderen Konfessionen nicht davon betroffen waren.209 Jedes Mal, wenn ein neues Bildungsgesetz verabschiedet wurde, verwies die ROKS auf das Problem der Konfessionsschulen, doch der Verstaatlichungsprozess wurde fortgesetzt.210 Aus Sicht der liberalen Politiker hatten die orthodoxen Konfessionsschulen ihre Mission bis 1918 erfüllt und sollten nun dem Staat untergeordnet werden, der transregionale Lösungen für die Probleme des Landes bieten sollte.211 Angesichts dieser Reformen ist es kein Wunder, dass einige Vertreter der ROKS nostalgisch auf die Zeit vor 1918 zurückblickten. Sie verglichen die Politik des rumänischen Nationalstaates mit jener des Habsburgerreiches und stellten fest, dass jenes ihnen ihr Rechte verliehen hatte, die ihnen die Machthaber in Bucure‫܈‬ti, die ja ebenfalls rumänisch-orthodox waren, verweigerten. II.2.2. Die Entwicklung des politischen Lebens in den 1930er Jahren Ende 1925 setzte sich das rumänische Königshaus mit seiner bis dahin schlimmsten Krise auseinander. Am 12. Dezember 1925 verzichtete Prinz Carol (1893–1953), Sohn des Königs Ferdinand, auf die Rolle, die ihm als Kronprinzen zukam und beschloss, sich im Ausland niederzulassen. Am 3. Januar 1926 ernannte König Ferdinand die Mitglieder der Regentschaft, die im Namen des Prinzen Mihai (1921–2017), Carols Sohn, herrschen sollte. Am 4. Januar wurde das Statut des Königshauses geändert und festgelegt, dass ein Verzicht auf das Erbe den Verlust der Mitgliedschaft im Königshaus nach sich ziehen würde.212 

209 210 211 212

Mateiu, Valoarea concordatului cu Vaticanul II, in: Telegraful Român, 70/12 octombrie 1929, 1. Vgl. Brusanowski, Învăаământul confesional ortodox, Volumul II, 233. Vgl. ebd., 237. Vgl. Livezeanu, Cultural Politics, 44–48. Vgl. Ioan Scurtu, Criza dinastică din România, Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 1996, 37–60.

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Die wirtschaftliche Krise Ende der 1920er Jahre führte zu einer rapiden Verschlechterung des Lebensstandards der Bevölkerung und zu sozialen Spannungen. Die meisten führenden Politiker hielten unter diesen Umständen eine Rückkehr des Prinzen Carol für eine mögliche Lösung der Krise, die das Land durchmachte.213 Am 8. Juni 1930 erklärte das Parlament die Gesetze vom 4. Januar 1926 für nichtig und Carol wurde wieder zum Thronfolger, unter dem Namen Carol II. (reg. 1930–1940).214 In der Zeitspanne zwischen 1930 und 1933 lösten sechs Regierungen einander ab, obwohl die von der Verfassung vorgesehene Regierungszeit vier Jahre betrug. Diese politische Instabilität wurde hauptsächlich durch den Kampf unter den politischen Parteien mit König Carol II. verursacht, der immer offener seine Absicht bekundete, aktiv in die Politik einzugreifen und seine von der Verfassung vorgesehenen Rechte zu überschreiten.215 Ab 1930 konnte keine Regierung autonome politische Entscheidungen treffen und musste die persönlichen Wünsche des Königs berücksichtigen.216 Am 3. Januar 1934 ernannte der König Gheorghe Tătărăscu zum Ministerpräsidenten.217 Das Jahr 1934 war der Beginn der einerseits immer stärker sich zeigenden autoritären Neigungen des Königs Carol II. und andererseits des Aufkommens der rechtsextremen politischen Kräfte als Massenbewegungen. Carol II. verfolgte zum einen die Unterordnung der liberalen Regierung und zum anderen die Stärkung der antidemokratischen politischen Kräfte, die einen autoritären Regierungsstil befürworteten. 1934 erlaubte die Regierung dem faschistischen Führer Corneliu Zelea Codreanu (1899–1938) und der Legion Erzengel Michael (Legiunea Arhanghelul Mihail) die Rückkehr ins politische Leben – ein Jahr nachdem diese Bewegung als illegal erklärt worden war, um sie daran zu hindern, an den Wahlen teilzunehmen – durch die Gründung der Partei Alles für das Land (Totul pentru Яară).218 Die anderen rechtsextremen 

213 Vgl. Ioan Scurtu/Gheorghe Buzatu, Istoria Românilor în secolul XX, Paideia, Bucure‫܈‬ti, 1999, 209–210. 214 Vgl. Scurtu (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VIII, 283; siehe auch Hans-Christian Maner, Die Rückkehr Carols aus dem Exil. Macht- und Herrschaftspolitik in Rumänien gegen Ende der 20er Jahre, in: Südost-Forschungen 56/1997, 341–372. 215 Vgl. Maner, Parlamentarismus, 75–91. 216 Vgl. Armin Heinen, Die Legion „Erzengel Michael“ in Rumänien. Soziale Bewegung und politische Organisation. Ein Beitrag zum Problem des internationalen Faschismus, R. Oldenbourg, München, 1986, 164; siehe auch Hans-Christian Maner, Voraussetzungen der autoritären Monarchie in Rumänien, in: Erwin Oberländer (Hg.), Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919–1944, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2001, 431– 469. 217 Vgl. Ioan Scurtu, Contribuаii privind viaаa politică din România, Editura ‫܇‬tiin‫܊‬ifică ‫܈‬i Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 1988, 376. 218 Vgl. Stephen Fischer-Gala‫܊‬i, România în secolul al XX-lea, Editura Institutul European, Ia‫܈‬i 1998, 71; Scurtu, Contribuаii, 397.



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Gruppierungen, die Liga der Christlich-Nationalen Verteidigung (Liga Apărării Naаional CreЮtine) von Alexandru Constantin Cuza (1857–1947) und die Nationale Agrarpartei (Partidul Naаional Agrar) von Octavian Goga (1881–1938) bildeten 1935 mit Unterstützung des Königs Carol II. die Christlich-Nationale Partei (Partidul Naаional-CreЮtin).219 Die Wahlen von 1937 erwiesen sich als entscheidend für das Schicksal des demokratischen Systems Rumäniens in der Zwischenkriegszeit. Die Ergebnisse waren ein Schock für alle politischen Akteure und boten gleichzeitig ein deutliches Bild der politischen Entwicklungen des Landes ab 1918. Die Nationalliberale Partei erhielt 35,92 Prozent der Stimmen, die Nationale Bauernpartei (Partidul Naаional Яărănesc) 20,40 Prozent und die rechtsextreme Partei Alles für das Land (Totul pentru Яară) wurde mit 15,58 Prozent zur drittstärksten Partei im Parlament. Die andere rechtsextreme Partei, die Christlich-Nationale Partei (Partidul Naаional CreЮtin), erhielt 9,15 Prozent der Stimmen.220 In dieser Situation beauftrage König Carol II. Octavian Goga mit der Regierungsbildung.221 Die Goga-Regierung (29. Dezember 1937–10. Februar 1938) zeichnete sich durch harte antisemitische Maßnahmen aus: Jüdische Journalisten verloren ihr Arbeitsrecht und die von der Regierung als von Juden geleitet betrachteten Zeitungsredaktionen wurden geschlossen. Die Juden wurden aus dem Staatsdienst entlassen. Die härteste antisemitische Maßnahme bestand jedoch in dem am 22. Januar 1938 verabschiedeten Gesetz zur Aufhebung der Staatsbürgerschaft, die den Juden nach dem Ersten Weltkrieg verliehen worden war; 225.222 Juden verloren ihre rumänische Staatsbürgerschaft.222 Die Tendenz der Goga-Regierung Rumänien an Deutschland und Italien zu binden sowie die von Frankreich und Großbritannien ausgesprochenen scharfen Kritiken an den antisemitischen Beschlüssen der Regierung, bewegten den König dazu, das Kabinett Goga zu entlassen und den Patriarchen Miron Cristea mit der Bildung einer neuen Regierung zu beauftragen (11. Februar 1938–6. März 1939).223 Die Verfassung von 1923 wurde aufgehoben und durch eine antidemokratische Verfassung ersetzt, die die Parteien auflöste, die Machttrennung aufhob und die gesamte Macht in die Hände des Königs konzentrierte.224 Außer der Fortführung der Staatsbürgerschaftsrevision sah das politische Programm des 

219 Vgl. Heinen, Die Legion, 262; siehe auch Maner, Parlamentarismus, 206–209, 223–227. 220 Vgl. Mircea Mu‫܈‬at/Ion Ardeleanu, România după marea unire, Volumul II, Partea II, noiembrie 1933–septembrie 1940, Editura ‫܇‬tiin‫܊‬ifică ‫܈‬i Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 1988, 735–736. 221 Vgl. Maner, Parlamentarismus, 248. 222 Elie Wiesel (Präs.), Tuvia Friling/Radu Ioanid/Mihail E. Ionescu (Hg.), International Commission on the Holocaust in Romania. Final Report, Polirom, Ia‫܈‬i, 2004, 40–41. 223 Scurtu (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VIII, 380; Hitchins, Rumania 1866–1947, 421– 424. 224 Vgl. Lucian Boia, Romania, Borderland of Europe, Reaktion Books Ltd, London, 2006, 104.

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Patriarchen und zugleich Ministerpräsidenten Miron Cristea die Deportierung der „fremden Elemente“ vor, die sich vor Kurzem im Lande niedergelassen hatten.225 Im März 1938 verabschiedete die Synode der ROK einen Beschluss zum Verbot der Konversion jüdischer Staatsbürger zur Orthodoxie.226 Nach dem Tod Miron Cristeas im März 1939 und der Wahl Nicodim Munteanus als Patriarch der ROK (1939–1948) im Juni desselben Jahres wurde der von Kirche und Politik geförderte Antisemitismus etwas abgemildert.227 Carol II. versuchte, alle Parteien unter seiner Führung im Rahmen einer einzigen Partei zu vereinen – Die Front der Nationalen Wiedergeburt (Frontul RenaЮterii Naаionale) – die im Dezember 1938 gegründet wurde. Im Juni 1940 verwandelte sich die Front in die Partei der Nation (Partidul Naаiunii), die sich selbst als einzige und totalitäre Partei sah, nach dem Vorbild der totalitären Parteien in Deutschland und Italien.228 Diese immer rapidere Verschlechterung des demokratischen Systems in Rumänien zwischen 1938 und 1940 hatte zwei Hauptursachen. Die erste bestand in den inneren politischen Konflikten, die eine Regierungsinstabilität wie jene zwischen 1930 und 1933 generiert hatten. Die zweite Hauptursache war die internationale politische Entwicklung Ende der 1930er Jahre. Im März 1938 fand der Anschluss Österreichs an Deutschland statt. Durch das Münchener Abkommen vom 29. bis 30. September 1938 beschlossen die europäischen Großmächte die Annektierung des Sudetenlandes durch Deutschland zu akzeptieren, um auf diese Weise den revisionistischen Tendenzen Hitlers entgegenzuwirken.229 Nach Kriegsausbruch im September 1939 und der Besetzung Frankreichs im Juni 1940 sah sich Rumänien zwischen den Interessen Deutschlands und jenen der Sowjetunion gefangen. Einige Tage nach der Kapitulation Frankreichs annektierte die Sowjetunion Bessarabien und die Nordbukowina.230 Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bedeutete auch das Ende Rumäniens, so wie es aus den Friedensverhandlungen von 1919 bis 1920 hervorgegangen war. Rumänien verlor Bessarabien und die Nordbukowina und wurde von Deutschland und Italien durch das Wiener Diktat am 30. August 1940 gezwungen, den Norden Siebenbürgens an Ungarn zu übergeben.231 Angesichts dieses Desasters verzichtete Carol II. am 6. September 1940 zugunsten seines Sohns Mihai auf den Thron.232 Die der Zwischenkriegszeit spezifische Territorialstruktur sollte teilweise erst nach dem 

225 Ion Popa, The Romanian Orthodox Church and the Holocaust, Indiana University Press, Bloomington, Indiana, 2017, 31. 226 Vgl. ebd., 31–32. 227 Vgl. ebd., 34–35. 228 Vgl. Maner, Parlamentarismus, 490–502. 229 Vgl. Scurtu (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VIII, 508. 230 Vgl. Boia, Romania, 100. 231 Vgl. Dennis Deletant, Hitler’s Forgotten Ally. Ion Antonescu and his Regime, Romania 1940–44, Palgrave Macmillan, New York, 2006, 23–24. 232 Vgl. ebd., 50, 53.



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Zweiten Weltkrieg wiederhergestellt werden, als der rumänische Staat den Norden Siebenbürgens zurückerlangte. Bessarabien und die Nordbukowina blieben auch nach 1945 Teil der Sowjetunion.





III. Der Nationsdiskurs der ROKS zwischen Theologie der Nation und Teleologie der Geschichte Der Nationsdiskurs der ROKS war eine Ausdrucksform der von der rumänischen Gesellschaft nach 1918 erlebten kollektiven Identitätskrise. Die Frage nach der nationalen Identität und nach der Gestaltungsweise der Gesellschaft und des Staates ist jedoch nicht an die Zwischenkriegszeit gebunden. Vielmehr macht sie sich in der rumänischen Geschichte zyklisch bemerkbar und ihre Ursprünge lassen sich bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen.233 Die Auseinandersetzung damit spaltete die rumänische Öffentlichkeit der Zwischenkriegszeit in „Traditionalisten“, für die eine authentische Entwicklung der rumänischen Gesellschaft nur aufgrund der nationalen, vornehmlich von der Traditionswelt des rumänischen Dorfes und dessen orthodoxen Glaubens generierten Werten möglich war, und in „Europäisten“/„Westler“, die davon ausgingen, dass die Zukunft des Landes nur in der Fortsetzung des von der 1848er Revolutionsgeneration eingeleiteten Annäherungsprozesses an die Werte der westlichen Zivillisation gekoppelt sein kann.234 Die Debatte überschritt jedoch 

233 Siehe Zigu Ornea, Tradiаionalism Юi modernitate în deceniul al treilea, Eminescu, Bucure‫܈‬ti, 1980, 304. 234 Vgl. Hitchins, Gândirea, 141–142; für eine detaillierte Darstellung der beiden Strömungen, siehe ders., Rumania 1866–1947, 292–334; siehe ebenfalls Zigu Ornea, Anii treizeci. Extrema dreaptă românească, Cartea Românească, Bucure‫܈‬ti, 2015, 75–227. Der bedeutendste Vertreter der Europänisten in der Zwischenkriegszeit war der Historiker und Literaturkritiker Eugen Lovinescu (1881–1943), der dem Entstehungsprozess der „rumänischen modernen Zivilisation“ und implizit auch der Analyse der Wesenselemente der rumänischen Nationsidentität ein umfangreiches Werk widmete. Laut Lovinescu wird die Identität des rumänischen Volkes durch eine „romanische Mentalität“ und nicht durch eine bestimmte Rasse charakterisiert, da es „keine reinen, sondern nur historische Rassen gebe, die eher Ausdruck einer gemeinsamen Identität als des reinen Blutes seien“. Gehört das rumänische Volk durch seine romanische Mentalität de jure zur westlichen Zivilisation, so habe sich diese Zugehörigkeit de facto nicht konkretisiert, und zwar wegen der vornehmlich von der Orthodoxie erzeugten „moralischen Atmosphäre des östlichen Lebens“. Die Orthodoxie sei „eine obskurantistische, in Formalismus und Ritualismus versteinerte Religion“ – in der Lovinescu das „Gärungselement der Orientalisierung“ sieht und die, wegen ihrer engen Verbindungen zur slawischen Welt, nicht fähig gewesen sei, eine nationale Kultur zu schaffen, die die romanische Mentalität des rumänischen Volkes ausdrücken könne (Eugen Lovinescu, Istoria civilizaаiei române moderne, Editura ‫܇‬tiin‫܊‬ifică, Bucure‫܈‬ti, 1972, 67–68). Lovinescu sieht den Ursprung der Modernisierung der rumänischen Gesellschaft in der Übernahme des aus der Französischen Revolution hervorgegangenen Gedankenguts, das zur Entstehung des rumänischen Liberalismus Anfang des 19. Jahrhunderts geführt habe (96). Die bedeutendste Lektion dieses zivilisatorischen Transferprozesses bestehe darin, dass „die Gesellschaften sich nicht nur durch Kontinuität entwickeln […]; die juristische Realität ist nicht immer Ausdruck der sozialen Realität“. Mit anderen Worten, die eine Gesellschaft strukturierenden Gesetze und Einrichtungen müssen nicht

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den theoretischen Rahmen und gestaltete sich zu einer Suche nach praktischen Lösungen für den Aufbau des neuen Staates.235 Ein wesentliches Element der Kontroverse war die Bewertung der Rolle, die die Orthodoxie in diesem Staatsbildungsprojekt spielen sollte.

III.1. Rumänischer Traditionalismus und der Imperativ der Organizität Der Ursprung der traditionalistischen Strömung liegt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er ist eng an den Kulturverein Junimea gebunden, der 1864 in Ia‫܈‬i von einer Gruppe junger Intellektuellen wie Titu Maiorescu, Iacob Negruzzi, Petre P. Carp, Theodor Rosetti, Vasile Pogor usw., ins Leben gerufen worden war.236 Die Mitglieder der Junimea wurden durch ein gemeinsames kulturelles Muster miteinander verbunden, das den theoretischen Rahmen der Bewegung grundlegend prägt: Alle hatten in Deutschland oder Österreich in den 1850er und 1860er Jahren studiert und waren von der Ideologie der Restauration beeinflusst, 

zwingend von der betreffenden Gesellschaft generiert werden, denn „die juristischen Realitäten werden ihrerseits soziale Realitäten generieren“ (138). Lovinescus Analyse geht von einem allgemeingültigen Muster aus, welches den Synchronisierungsprozess der kleinen Kulturen mit den fortgeschrittenen Zivilisationen determiniert: die kleinen Kulturen übernehmen Werte und Einrichtungen der schon gefestigten Zivilisationen und passen sie an ihr ethnisches Spezifikum an, sodass sie schließlich ihren ursprünglichen Gehalt verlieren und mit dem spezifischen Inhalt eines jeden Volkes aufgefüllt werden (416, 426). Der hermetisch abgeschlossenen dörflichen Welt stellt Lovinescu die kosmopolitische Welt der Großstadt gegenüber, dem vom rumänischen Bauern vertretenen Menschentypus den Bürger der modernen Stadt. Das Bürgertum als soziale Klasse und der Liberalismus waren für Lovinescu die Instrumente, die den Synchronisierungsprozess der kleinen Kulturen mit den fortgeschrittenen Zivilisationen ermöglichen. Das Bürgertum sei das zivilisatorische Übetragungsmedium von oben nach unten: sowohl von den fortgeschrittenen Zivilisationen zu den weniger entwickelten als auch innerhalb einer Gesellschaft, von den oberen Klassen zu den niederen Schichten (409–410). Für eine detaillierte Analyse von Lovinescus Theorien, siehe Eugen Simion, E. Lovinescu. Scepticul mântuit, 2 Volume, Editura Univers Enciclopedic, Bucure‫܈‬ti, 2016. 235 Vgl. Victor Neumann, Ideologie Юi fantasmagorie. Perspective comparative asupra istoriei gândirii politice în Europa Est-Centrală, Polirom, Ia‫܈‬i, 2001, 103. 236 Für die Geschichte der Junimea, siehe Zigu Ornea, Junimea Юi Junimismul, Eminescu, Bucure‫܈‬ti, 1975, 15–64. Für eine Darstellung der ästhetischen und politischen Auffassungen der Junimea, siehe Ioan Stanomir, Junimea Юi pasiunea moderaаiei, Humanitas, Bucure‫܈‬ti, 2013. Siehe ebenfalls die Darstellung der Erscheinung und der Entwicklung des Traditionalismus bei Klaus Heitmann, Aspekte des Traditionalismus im rumänischen Denken des 20. Jahrhunderts, in: Reinhard Lauer (Hg.), Erinnerungskultur im Südosteuropa, De Gruyter, Göttingen, 2011, 343–356.



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die als Reaktion auf die von der Französischen Revolution geförderten Philosophie entstanden war.237 Ausgehend von den „Prinzipien des organischen Historismus“ der Geschichtsphilosophie der deutschen Romantik gelangten die Mitglieder der Junimea zur Schlussfolgerung, dass alle kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Probleme Rumäniens aus der Unvereinbarkeit zwischen der Form der aus dem Westen importierten Einrichtungen, Normen u.s.w., und dem Entwicklungsstadium und dem Kulturspezifikum der rumänischen Gesellschaft entsprängen.238 1868 lieferte Maiorescu (1840–1917) durch die Theorie der „Formen ohne Inhalt“ eine radikale Kritik dieser nicht authentischen kulturellen und zivilisatorischen Übertragung. Maiorescu richtete sich gegen die kulturelle und revolutionäre Elite von 1848, die seiner Meinung nach lediglich oberflächlich die Zivilisation der westlichen Länder assimiliert hätte – „sie haben nur die Oberflächenformen der Zivilisation gesehen“ – ohne die „tieferen historischen Fundamente zu kennen, die notwendigerweise jene Formen hervorgerufen haben und ohne die jene überhaupt nicht hätten existieren können“.239 Die mimetische Übertragung der Formen westlicher Zivilisation auf die rumänische Gesellschaft habe zum Erscheinen von Einrichtungen geführt, die der Entwicklungsstufe der rumänischen Gesellschaft in keiner Weise entsprechen würden: Kulturzeitschriften, für die es keine ausreichend gebildete Leserschaft gebe, ein Nationaltheater für eine rumänische Dramaturgie, die kein einziges nennenswertes Drama geschaffen habe usw.240 Angesichts dieser Lage erachtete Maiorescu das Aufschieben des kulturellen und institutionellen Transfers als notwendig, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in dem das rumänische Volk eine Kultur zu erschaffen fähig sein werde, die sein nationales Spezifikum auf authentische Art und Weise ausdrücken könne, denn ohne Kultur kann ein Volk leben, wenn es die Hoffnung hat, dass im natürlichen Augenblicke seiner Entwicklung auch diese wohltuende Form des menschlichen Lebens wird erscheinen könne; doch mit einer falschen Kultur kann ein Volk nicht leben [...].241

Laut dieser Theorie liegt die Gefahr im Erscheinen einer gewissen Schizophrenie zwischen Kultur als symbolischer Dimension des Ethos eines Volkes und dem Volk selbst, das sich in der künstlich, durch die Übernahme von äußeren Zivilisationsformen erzeugten Kultur nicht wiedererkenne. 

237 Vgl. Ornea, Junimea, 125. 238 Vgl. ebd., 123. 239 Titu Maiorescu, În contra direcаiei de azi în cultura română, in: ders., Critice, Minerva, Bucure‫܈‬ti, 1989, 122–130, hier 124. 240 Vgl. ebd., 127. 241 Ebd., 130.

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III.2. Orthodoxer Traditionalismus oder der Orthodoxismus als Kristallisation der Konstellation Nation-Religion-Politik Was nun die Entwicklung der traditionalistischen Richtung und deren Form während der Zwischenkriegszeit betrifft, so hatte schon Maiorescu in seinen letzten Lebensjahren begonnen, in der Religion die einzige Überlebensmöglichkeit der europäischen Zivilisation zu sehen. In einem Gespräch von 1913 mit dem römisch-katholischen Bischof Raymund Netzhammer meinte Maiorescu: „Es müsse bald eine religiöse Bewegung durch die Welt gehen, sonst verderbe alle Zivilisation und andere Völker würden kommen, welche [an Gott] glauben!“242 In diesem Sinne sah der Traditionalismus der Zwischenkriegszeit, und vor allem dessen bedeutendste Vertreter – Nichifor Crainic (1889–1972) und Nae Ionescu (1890–1940) –, die Religion, in der Form der orthodoxen Konfession, als das zentrale Element der rumänischen ethnischen Identität, das dessen Existenz bewahrt. Aufgrund der konzeptuellen Komplexität des orthodoxen Traditionalismus der Zwischenkriegszeit einerseits und der des Themas der vorliegenden Arbeit andererseits konzentriert sich die Arbeit im Folgenden auf die Herausstellung der Art und Weise, in der der Nationsdiskurs sich von der rein theoretischen Argumentation zur praxisorientierten, d.h., politischen entwickelt. III.2.1. Nichifor Crainic Nichifor Crainic stellte seine Ideen zur Nation und dem Nationsspezifikum vornehmlich in der Zeitschrift Gândirea vor, dem bedeutendsten Sprachrohr des Traditionalismus der Zwischenkriegszeit.243 1923 veröffentlichte er darin den Beitrag Iisus în аara mea, der, zusammen mit Sensul tradiаiei von 1929, als künstlerisches Manifest der gesamten traditionalistischen Strömung gilt. Für Crainic ist die rumänische Volkskultur das Ergebnis eines Zusammentreffens der universellen Botschaft des Christentums mit der rumänischen Seele spezifischen Sensibilität. Die Weihnachtslieder zum Beispiel würden „einen Christus preisen, der zu diesem Volk gehört“ und eine solche Verinnerlichung des Evangeliums ausdrücken, dass „die Geschichte Jesu, des Kindes, zu einem aus der Kraft rumänischen Bodens erwachsenden Mythos werden lässt“. Das Opfer Christi würde in der Volkskunst so dargestellt, dass sie die Merkmale des rumänischorthodoxen Menschentypus unterstreiche, eines heiteren und sanften Wesens, das 

242 Raymund Netzhammer, Bischof in Rumänien. Im Spannungsfeld zwischen Staat und Vatikan, Band I, Südostdeutsches Kulturwerk, München, 1995, 445. 243 Siehe Dumitru Micu, Gândirea Юi gândirismul, Minerva, Bucure‫܈‬ti, 1975; siehe auch ders., Gândirea in: Eugen Simion (Hg.), Dic‫܊‬ionarul general al literaturii române, E/K, Editura Univers Enciclopedic, Bucure‫܈‬ti, 2005, 276–282.



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„sich nicht auf Schmerz und Blut auf dem Golgatha festlegt“.244 Ganz anders sei die katholische Kunst gestaltet, die das Martyrium Christi akzentuiere, was zu einer anderen Rezeption der christlichen Botschaft und implizit zu einer anderen Art der Sensibilisierung führe.245 Die Übertragung des Diskurses von der nationalen auf die konfessionelle und interkonfessionelle Ebene zielt auf die Untermauerung der Auffassung einer zwischen „der Volksseele“ und der Orthodoxie angesiedelten Identität was wiederum bedeute, dass der Widerstand des rumänischen Volkes gegen die Katholizisierungsversuche der Vergangenheit eher auf diese Charakteristik seiner nationalen Identität als auf die Orthodoxe Kirche als Institution gegründet war.246 Crainic sieth somit zwei Ebenen des rumänischen Christentums: Einerseits das volkstümliche, in den Tiefen des Volkslebens assimilierte, und andererseits das institutionelle, von der Kirche als Überbau praktizierte und ritualisierte Christentum. Die Kirche sei unfähig, „eine Verbindung zwischen Christus und dem Volk zu finden“, sie biete lediglich „eine Karikatur der wahren Religion“.247 Für Crainic wirkt die Menschwerdung Christi auf die Existenz des gesamten Universums, folglich auch auf die Nationsexistenz; deswegen stellt Crainic ins Zentrum seiner Bemühungen, die rumänische nationale Identität zu definieren, das Ereignis der Menschwerdung und die je eigene Art und Weise, in der jede ethnische Gemeinschaft sie in ihrer Existenz rezipiert.248 Crainic behauptet, die Orthodoxe Kirche sei unfähig, das Volkschristentum zu rezipieren, weil sie selbst unter dem Einfluss der Europäisierungspolitik der Generation von 1848 zu einer äußerlichen Form geworden sei, die mit dem autochthonen Gehalt nicht mehr übereinstimme. Die Kirche sei „von einer Erschafferin spiritueller Werte zu einer Kreatur der Politik“ geworden und im Grunde lediglich eine Einrichtung, die, wie alle modernen Einrichtungen, nur die äußerlichen Probleme der Volksexistenz im Blick und keinen Zugang zum spirituellen Wesen des Volkes habe.249 Dieser Diskurs einer Theologie der Volksexistenz und Volkskultur ist im Wesentlichen eine Kritik der von der Orthodoxen Kirche in der Neuzeit erlebten „historischen Pseudomorphosen“250 und weist auf die zentrale These des orthodoxen Traditionalismus hin, die besagt, dass Nation und Konfession zwei sich gegenseitig voraussetzende Wirklichkeiten seien. 

244 245 246 247 248

Nichifor Crainic, Iisus în аara mea, in: Gândirea, 11–12/1923, 117. Vgl. ebd. Vgl. ders., Spiritualitate Юi românism, in: Gândirea, 8/1936, 383. Ders., Iisus în, 119. Siehe Christine Hall, Pancosmic Church – Specific românesc. Ecclesiological Themes in Nichifor Crainic’s Writings between 1922 and 1944, Uppsala Universitet, 2008, 128. 249 Vgl. Nichifor Crainic, Politică Юi Ortodoxie, in: Gândirea, 5/1923, 80–82; ders., Persifal, in: Gândirea, 8–9–10/1924, 183. 250 In der Analyse der Rumänisch-Orthodoxen Kirche und der rumänischen Gesellschaft in ihrem Ganzen in der Moderne greift Crainic auf die Geschichtsphilosophie Oswald Speng-

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In der Kontroverse mit den Vertretern des Europäismus behauptet Crainic, dass der Traditionalismus nicht den Gegenpol zur modernen Zivilisation an sich darstelle, sondern einen Gegenpol zu dem diese Zivilisation charakterisierenden Materialismus: „Der Traditionalismus ist die Technik des Seelenlebens eines Volkes. Die Zivilisation ist die Technik des materiellen Lebens der Menschheit“.251 Diese Dichotomie von „spirituell-materiell“ wird von jener zwischen Volk (d.h. Konservierung einer partikulären Identität) und Menschheit (allgemeine, das Partikuläre annullierende Identität) ergänzt: Die Technik des Seelenlebens bildet die Kultur eines Volkes – ist die Art zu sein, zu denken und zu fühlen, zu sprechen und zu beten, zu hoffen und selbst zu sterben. Sie ist eine in Jahrhunderten und Jahrtausenden herausgebildete, durch alle Erschütterungen der Geschichte gegangene Kristallisation, die von der innerlichen Fatalität des Bluts und des Glaubens, der Rasse und der Religion so und nicht anders bestimmt worden ist.252

Wichtig für Crainics Gesamtsicht ist diese Definition des Volkes als Rasse und Religion und der Kultur als Offenbarung der Gesamtexistenz eines Volkes, die sich von diesem kulturellen Selbstausdruck aufgrund einer historischen Fatalität entwickelt. Determinismus und Organizismus, die dem deutschen Nationalismus des 18. und 19. Jahrhunderts253 spezifisch gewesen waren, kommen in dieser Definition der Nationalkultur sehr deutlich zur Geltung. Der rumänische Traditionalismus der Zwischenkriegszeit war vornehmlich von der Auffassung Johann Gottfried Herders (1744–1803) geprägt, der das Volk als Subjekt der Weiterführung des Urgeistes einer ethnischen Gemeinschaft und die Sprache, bzw. die Kultur als bewahrende und weitergebende Instanz für das spirituelle Urethos des Volkes betrachtet.254 In diesem Sinne definiert Crainic den Traditionalismus als 

251 252 253 254



lers zurück. Der deutsche Denker definiert als historische Pseudomorphosen jene Situationen, in denen „eine fremde Kultur so mächtig über dem Lande liegt, dass eine junge, die hier zu Hause ist, nicht zu Atem kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen, sondern nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt. Alles, was aus der Tiefe eines frühen Seelentums emporsteigt, wird in die Hohlformen des fremden Lebens ergossen; junge Gefühle erstarren in ältlichen Werken und statt des Sichaufreckens in eigener Gestaltungskraft wächst nur der Haß gegen die ferne Gewalt zur Riesengröße“ (Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, Zweiter Band, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2003, 784). Nichifor Crainic, A doua neatârnare, in: Gândirea, 1/1926, 1. Ebd. Für eine Darstellung des Spezifikums des deutschen Nationalismus, siehe Hans-Ulrich Wehler, Nationalismus. Geschichte – Formen – Folgen, C.H. Beck, München, 2001, 62– 89. Zu Herders Einfluss auf die traditionalistische Strömung der Zwischenkriegszeit siehe Victor Neumann, Neam, popor sau naаiune? Despre identităаile politice europene, Rao,

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„eine Disziplin der spirituellen Kontinuität“, die dem sich zu einer eigenen spirituellen Identität hin entwickelnden Volk die Übereinstimmung mit seinen Urcharakteristika sichere.255 Um diese Uridentität zu schützen, schlägt Crainic eine Methodologie des Zusammentreffens zwischen den autochthonen und den westlichen Werten vor, die ein Echo von Maiorescus Konservatismus ist. Die unabdingbare Voraussetzung des Kulturimportes ist die Existenz einer Nation mit einer so gut definierten Identität, dass sie die äußeren Einflüsse übernehmen könne und gleichzeitig fähig sei, eine „autochthone Werte erschaffende Kultur“ zu generieren. In diesem Sinne könne sich eine authentisch rumänische Kultur nur dann entwickeln, wenn sie von den „geo-anthropologischen“ Daten ausgehe, die die rumänische Identität charakterisieren, d.h. von der historischen Existenz im östlichen Raum und im christlichen Glauben orthodoxer Prägung.256 Roland Clarck unterstreicht, dass Crainic die Wesensgleichheit zwischen rumänischer Kultur und Orthodoxie besagt.257 Also all das, was allgemein die konkrete Existenz des Volkes – auch dessen politische Ordnung – darstellt, zwingend eine Äußerungsform der Orthodoxie sein muss. Radu Preda bemerkt hierzu, dass das Problem der orthodoxen Kultur und des von Crainic vorgeschlagenen traditionalistischen Projekts in der Akzentverschiebung von der „Vertiefung des durch Jesus Christus geoffenbarten Glaubensmysteriums“ auf das „Verständnis der geheimnisvollen Tiefen des Volkes“ bestehe. Diese Überschätzung des Volkes zu Lasten der Botschaft des Evangeliums führe zur Isolierung der rumänischen Kultur und der rumänischen Orthodoxie im Kontext des ökumenischen Christentums, zu dem sie eigentlich gehören.258 Um die enge Beziehung zwischen Konfession und Ethnie im Rahmen der nationalen Identitätsdebatte zu begründen, greift Crainic auf das christologische Konzept der Theandria zurück (von den griechischen Begriffen șİȩȢ–Gott und ܻȞȒȡ/ܿȞįȡĮȢ–Mann) – das er vom Heiligen Dionysius Areopagita (um 500) übernimmt – und erkennt darin die Einheit der menschlichen Natur (und durch sie des gesamten Kosmos) mit der göttlichen Natur in der Person des fleischgewordenen Gottessohnes.259 So wie die göttlich-menschliche Person Christi zwei Naturen in Gemeinschaft hat, so gibt es auch in der nationalen rumänischen „Persönlichkeit“ zwei ineinander verwobene Wirklichkeiten: „Orthodoxie und Rumänität gehören in einer theandrischen Fusion zusammen und sind in der Geschichte 

255 256 257 258 259

Bucure‫܈‬ti, 2015, 167–170; und ders., Obsesia inteligenаiei române în perioada interbelică: specificitatea etno-naаională, in: ders., Ideologie ‫܈‬i fantasmagorie, 103–120. Crainic, A doua, 3. Ders., Sensul tradiаiei, in: Gândirea, 1–2/1929, 2–3. Vgl. Clarck, Orthodoxy and Nation-Building, 526. Vgl. Radu Preda, Actualitatea Юi limitele unui ideal. O lectură a crainicismului, in: Răzvan Codrescu (Hg.), „Fiecare în rândul cetei sale“. Pentru o teologie a neamului, Christiana, Bucure‫܈‬ti, 2003, 211–234, hier 223. Vgl. Nichifor Crainic, Modelul teandric, in: Gândirea, 1/1940, 2.

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unseres Volkes als solche enthalten“.260 Crainic schlägt im Wesentlichen eine Christologie der Nation vor, was implizit zu einer ebenfalls christologischen Sicht auf die gesamte nationale Geschichte führt. Das Christologische, also die Einheit zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, wird somit zum Wesensmerkmal jeder menschlichen Handlung, einschließlich der sozialen und politischen: So wie die christliche Sicht auf die Welt totalitär ist in dem Sinne, dass alles, was ist, in Jesus Christus existiert und die idealen Wurzeln aller Dinge zum göttlichen Logos zusammenlaufen […], so umfasst das theandrische Heilsprinzip den ganzen Menschen mit seinen Gedanken und seinem Handeln. In dem einsamen Wesen oder in der Gemeinschaft befindet sich der christliche Glaube nicht in einem speziell dafür vorgesehenen Ort; er ist kein „privates Geschäft“, wie die säkulare Auffassung das behauptet […]. Christus ist Einer im Alles und Alles ist Eins in Christus. Somit gibt es nicht eine Glaubenswahrheit und eine Wahrheit der Wissenschaft; es gibt nicht das Gute der christlichen Moral und das Gute der philosophischen Ethik; es gibt nicht das Schöne der Kirche und das Schöne der Kunst. Es gibt eine einzige Wahrheit, die die Gestalt des Guten in der Praxis der Liebe und die Gestalt des Schönen in den Werken der Kunst annimmt.261

In dem Versuch, die gesamte Wirklichkeit theologisch zu erklären, wird Crainic nicht nur von Dionysius Areopagita und von der griechischen Patristik allgemein beeinflusst, sondern auch von der Slawophilen262 und vor allem von der Religionsphilosophie Wladimir Solowieffs (1853–1900), den Crainic als den bedeutendsten Denker der Orthodoxie im letzten Jahrtausend betrachtet.263 Crainic leitet die Folgen des theandrischen Prinzips für alle Sphären der menschlichen Tätigkeit aufgrund der von Solowieff in den Zwölf Vorlesungen über das Gottmenschentum formulierten Geschichtsphilosophie ab. Für den russischen Philosophen führt die Tatsache, dass die Kirche das Reich Gottes auf Erden ist, ganz automatisch zur 

260 Ders., Spiritualitate, 383. 261 Ders., Modelul teandric, 3. 262 Der Slawophilismus war eine im 19. Jahrhundert in Russland erschienene Kulturrichtung, die davon ausging, dass alle Werte und Einrichtungen, aufgrund derer Russland sich zu entwickeln hatte, in der Geschichte des russischen Volkes gesucht und keinesfalls aus dem Westen übernommen werden sollten. Die dieser Strömung nahestehenden Intellektuellen (Alexei S. Chomjakow, Konstantin und Iwan Aksakow, Iwan und Pjotr V. Kirejewski, usw.) sahen im Westen eine moralisch verfallene Gesellschaft und erklärten als bedeutendste Ursache dieser Situation den Katholizismus und den Protestantismus, die unfähig gewesen seien, eine wahrhaft christliche Gesellschaft zu erschaffen. Anders als die westliche Gesellschaft bilde das russische Volk – d.h. die dörfliche Welt – durch den gemeinsamen Glauben und die Kirche eine christliche Gemeinschaft, die, sobald sie erstarkt sei, seine Mission der Wiederbelebung der westlichen Gesellschaft aufnehmen könne. Siehe http://www.britannica.com/topic/Slavophile; siehe auch Susanna Rabow-Edling, Slavophile Thought and the Politics of Cultural Nationalism, State University of New York Press, Albany, 2006. 263 Siehe Crainic, Politică, 81.



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Verwandlung der Politik in ein Instrument zur Realisierung der dem Christentum spezifischen Ziele. Wenn aus christlicher Perspektive das Leben innerhalb der Geschichte lediglich ein Mittel zur Erlangung des ewigen Lebens darstelle, so müssen alle Interessen und alle Angelegenheiten dieses Lebens zur Erreichung dieses Ziels zusammenwirken.264 Das Christentum sei nicht nur ein Teil der historischen Wirklichkeit, sondern im Gegenteil: Die gesamte Geschichte und das ganze Universum müssen durch die Kirche zu einer göttlich-menschlichen Wirklichkeit werden, „ein Menschgott […] kollektiv und universell“.265 Crainics Nationsdiskurs hat auch eine antisemitische Komponente. Crainic stellt sich gegen die Versuche des Nationalsozialismus, das Christentum, wegen seiner jüdischen Wurzeln, durch eine neuheidnische Religion zu ersetzen, welche die Einzigartigkeit der deutschen Rasse widerspiegeln sollte.266 In diesem Argumentationszusammenhang fördert Crainic selbst einen theologisch begründeten Antisemitismus. Seiner Argumentation zufolge habe die menschliche Natur Christi „sich von der Fatalität der Rasse, in die er hineingeboren worden sei, abgetrennt“, da Christus sündenfrei gewesen sei. Christus sei der „absolute Urmensch“, und deswegen sei er nirgendwo in der christlichen Tradition als „Semit“ oder „Jude“ benannt worden.267 Daher sei das Christentum auch keine semitische Religion. Wenn es ein Produkt der semitischen Rasse gewesen wäre, hätte das jüdische Volk das Christentum akzeptiert. Im Gegenteil, die Juden lehnten Christus ab und töteten ihn, was den Tod des Mosaismus und seine Ersetzung durch den Talmudismus als die neue Religion des jüdischen Volkes bedeutete.268 Für Cranic bestehe das Wesen des Talmudismus im Hass der Juden auf Christus.269 Auf dem Hintergrund des politischen Lebens Ende der 1930er Jahre und Anfang der 1940er Jahre kann eine Veränderung von Crainics Auffassung270 beobachtet werden in dem Sinne, dass sowohl sein Traditionalismus als auch sein Antisemitismus nicht im Bereich der religiös-nationalistischen und kulturtheologischen Spekulationen verbleiben, sondern durch Begriffe wie „Ethnokratie“ (von ‫ݏ‬șȞȠȢ–Volk und țȡȐIJȠȢ–Macht, also Macht des Volkes) in Grundsätze zum politischen Handeln umgewandelt werden. Die Orthodoxie wird durch ihre Übertragung aus der Religionssphäre in jene des Kulturdiskurses zu einem „Macht-Symbol der ethnischen Identität“ und somit, durch ihre Vereinnahmung 

264 Vgl. Wladimir Solowieff, Zwölf Vorlesungen über das Gottmenschentum, Der Kommende Tag A. G., Stuttgart, 1921, 20. 265 Ebd., 229. 266 Vgl. Nichifor Crainic, Rasă Юi religiune, in: Gândirea, 2/1935, 58–59. 267 Ebd., 65. Crainics Argumentation stützt sich im Wesentlichen auf die Denaturierung der Identität des „Jesus der Geschichte“ zugunsten „des Christus des Glaubens“. Zu einer Untersuchung dieser Dichotomie, siehe David Friedrich Strauß, Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte, Hartmut Spenner, Kamen, 2000 (erste Auflage 1865). 268 Vgl. ebd. 269 Vgl. ebd. 270 Siehe hierzu Clarck, Nationalism and Orthodoxy, 107–126.

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durch den politischen Diskurs zu einem Instrument der „staatlichen Gestaltung und Verwaltung“.271 Crainics Ethnokratie gründet auf der Wesensgleichheit zwischen Rasse und Staat, wobei der Staat die Rasse politisch vertritt und ihr das Besitzrecht über das Land sichere.272 Alle anderen ethnischen Gemeinschaften werden folgerichtig an den Rand des Staates gedrängt, „solange sie sich nicht vorbehaltlos dem Wesen unseresVolkes anschließen“.273 Die Beziehung zwischen Rasse, Religion und Staat wird von Crainic in der Studie Programul statului etnocratic von 1938 dargestellt. Da Rumänien ein „ethnischer Staat der Rumänen“ sein müsse, meint Crainic, dass die anderen Volksgemeinschaften, vornehmlich die Juden, eine „ständige Gefahr“ für den Staat darstellen würden und folgerichtig in dem politischen und wirtschaftlichen Leben des ethnokratischen Staates proportional zur Anzahl ihrer Mitglieder aktiv sein sollten.274 Der von Crainic vorgestellte Staatstypus setzt eine Elite voraus, die als solche ausschließlich eine ethnische sein solle. Angesichts der unzerstörbaren Beziehung zwischen Ethnie und Religion müsse eine solche Elite notwendigerweise orthodox sein.275 Der Staat übernehme die Weltanschauung der Kirche und die orthodoxen moralischen Regeln werden damit ganz automatisch zu Staatsgesetzen: Die Staatsmoral lasse sich in der Form „Das Gesetz Christi ist das Gesetz des Staates“ zusammenfassen und alle mit diesem Axiom unvereinbaren demokratischen Gesetze werden aufgehoben.276 An der Spitze des ethnokratischen Staates stehe der König als „dynamischer Faktor des gesamten rumänischen Werkes“.277 Diese Auffassung der hierarchischen Struktur des ethnokratischen Staates gestaltet sich als Reflexion, auf der politischen Ebene, des in der Theologie des Dionysius Areopagita der gesamten schöpferischen Ordnung zugrunde liegenden hierarchischen Prinzips.278 Die Bevorzugung des Konzepts „ethnokratisch“ statt „national“ offenbart den dem „Anderen“ zugedachte Platz in dem von Crainic geplanten Staat: Wenn die moderne Nation als ein juristischer und politischer Organismus definiert wird, der Alterität assimilieren kann, so wird die Ethnie – in ihrer ethnischen, 

271 Mona Mamulea, Dialectica închiderii Юi deschiderii în cultura română modernă, Editura Academiei Române, Bucure‫܈‬ti, 2007, 240. 272 Vgl. Nichifor Crainic, Copilărie Юi sfinаenie, in: Gândirea, 1/1938, 167. 273 Ebd., 169. 274 Vgl. Nichifor Crainic, Programul statului etnocratic, in: ders., Ortodoxie ‫܈‬i entocra‫܊‬ie, Albatros, Bucure‫܈‬ti 1997, 239–271, hier 245–250. 275 Vgl. Dan Dungaciu, Elita interbelică. Sociologia românească în context european, Mica Valahie, Bucure‫܈‬ti, 2000, 310. 276 Vgl. Crainic, Programul, 251–253, 270. 277 Ebd., 271. 278 Zu einer Darstellung des Ordnungsdenkens des Heiligen Dionysius, siehe Wiebke-Marie Stock, Theurgisches Denken. Zur „Kirchlichen Hierarchie“ des Dionysius Areopagita, De Gruyter, Berlin, 2008.



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kulturellen, religiösen und historischen Definition – zusammen mit ihrer staatlichen Ausdrucksform zu einer hermetischen, exklusivistischen Realität.279 Der ethnokratische Staat ist letztendlich eine politische, totalitäre Utopie, eine jener antidemokratischen politischen Konstrukte, von denen die europäische Geschichte in der Zwischenkriegszeit geprägt gewesen ist. III.2.2. Nae Ionescu Ein Wesensmerkmal des Traditionalismus von Crainic und Ionescu besteht in der Kritik der Diskontinuität zwischen volkstümlichem Christentum – institutionellem Christentum – und Nationalkultur. Für Ionescu ist die Religion des rumänischen Bauern eher eine Weltanschauung, eine Kosmologie „in der, die Elemente des streng orthodoxen Dogmas in konkreten Wirklichkeiten objektiviert werden“. Das Christentum sei ein fester Bestandteil des Nationalwesens, kann jedoch der Nation nicht gleichzeitig „einen Lebensentwurf und eine Disziplin“ verleihen, weil die „Lebensauffassung nicht formuliert wurde und somit nicht zu einer Quelle von Kulturwerten wurde und die Disziplin sich nicht in einem hierarchischen Apparat, der sie durchzusetzen vermag, äußert“.280 Die institutionelle Kirche ist, wie auch für Crainic, eine Form, die in keiner Weise das spirituelle Wesen des Volkes ganzheitlich ausdrücken kann. Das Verhältnis zwischen Nation, Orthodoxie und Staat ist das Objekt einer überaus strengen Taxonomie, in der die Orthodoxie als dem rumänischen Volk wesensgleich betrachtet wird. Die Kirche sollte jedoch nicht danach streben, sich mit dem Nationalstaat zu identifizieren, denn dieser sei als Produkt der Moderne mit der Kirche unvereinbar.281 Aus dieser Wesensgleichheit zwischen Orthodoxie und Volk entspringen die Hauptideen des Diskurses von Nae Ionescu, der durch die Dialektik Rumäne – guter Rumäne zusammengefasst werden kann. Die staatliche Zugehörigkeit sei mit der Nationalzugehörigkeit nicht identisch. Der Staat sei keine organische Entwicklung der Nation, sondern, in Ionescus Auffassung, eine der Nation gegenüber äußere Wirklichkeit. Ein „guter Rumäne“ bedeute somit, „ein guter Staatsbürger des rumänischen Staates“ zu sein, und dafür müsse man nicht „zwingend ein Rumäne sein“.282 Das Adjektiv „gut“ markiert den Unterschied zwischen den beiden Zugehörigkeitstypen: Zur Nation 279 Vgl. Mamulea, Dialectica închiderii, 242; siehe auch Viorel Marineasa, Tradiаie supralicitată, modernitate diortosită. Publicistica lui Nichifor Crainic Юi a lui Nae Ionescu la o nouă citire, Editura Universită‫܊‬ii de Vest, Timi‫܈‬oara, 2004, 155–185; siehe auch Neumann, Obsesia inteligenаiei române, 103–120. 280 Nae Ionescu, Roza vânturilor, 1926–1933, colec‫܊‬ie îngrijită de Mircea Eliade, Editura Cultura Na‫܊‬ională, Bucure‫܈‬ti, 1937, 35–36. 281 Vgl. ebd., 53–54. 282 Ebd., 195–196.

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als ethnische Gemeinschaft und zum Staat als politischer Zusammenschluss von Bürgern. Das theologische Imaginäre wird auch von Ionescu zwecks der „Sakralisierung der Identität“283 der rumänischen Nation und der Beziehung zwischen Individuum und Nation genutzt. Für Ionescu bedeutet, Rumäne sein, sich in einem Zugehörigkeits- und zugleich Partizipationsverhältnis zu einer kollektiven Wirklichkeit zu befinden, zur Nation, die dich als Individuum transzendiert, und die den Sinn der eigenen Existenz als Rumäne darstellt.284

Die Nation ist demnach transzendent und zugleich immanent, das Individuum existiert nicht durch sich selbst, sondern nur in dem Maße, in dem es an der Existenz der Nation teilhat. Das Verhältnis der Gläubigen zu Gott wird von Ionescu auf das Verhältnis des Individuums zur Nation übertragen, die dadurch zu einem säkularen Gott wird. Die Nation wird in diesem Diskurs als mystischer Organismus begriffen und zum Kultobjekt eines religiös verstandenen Nationalismus. Diese Art von „säkularer Religion“ stellte ein gemeinsames Element des europäischen Diskurses der Zwischenkriegszeit dar.285 Die nationale Gemeinschaft sei „ihrer Natur gemäß eine spirituelle Einheit und ihrer organischen Struktur gemäß eine Gemeinschaft der Liebe“.286 Die spirituelle Einheit und die Liebesgemeinschaft sind Attribute der kirchlichen Gemeinschaft, die in Ionescus Diskurs auf die nationale Gemeinschaft übertragen werden. Diese wird damit zu einer wahren religiösen, der kirchlichen, in der paulinischen Theologie als Leib Christi (Kolosser 1, 18 und 24) beschriebenen, überaus ähnlichen Gemeinschaft. Die nationale und die kirchliche Gemeinschaft seien so eng miteinander verknüpft, sodass jede von ihnen in der anderen konkret anwesend sei und sie sich gegenseitig stärken: Die Haltung eines Volkes Gott gegenüber, die Art und Weise, in welcher es nicht nur seine Beziehung zu Gott, sondern Gott selbst erlebt, sind Teil der intimen Struktur einer Nation.287



283 Hans Mol, Identity and the Sacred: A Sketch for a New Social-Scientific Theory of Religion, The Free Press, New York, 1977, 1. 284 Ionescu, Roza vânturilor, 199–200. 285 Für eine Untersuchung des Vergöttlichungsprozesses der Nation im Nationalsozialismus zum Beispiel, siehe das klassische Werk von Eric Voegelin, Die politischen Religionen, Wilhelm Fink, München, 2007 (erste Ausgabe 1938) und ebenfalls Claus-Ekkehard Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus. Die religiöse Dimension der NSIdeologie in den Schriften von Dietrich Eckart, Joseph Goebbels, Alfred Rosenberg und Adolf Hitler, Wilhelm Fink, München, 2002. 286 Ionescu, Roza vânturilor, 200. 287 Ebd.



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Infolge der historischen Entwicklung der beiden Wirklichkeiten enthalte die Nation in sich die Konfession, sodass „Rumäne zu sein, nicht »guter Rumäne«, sondern nur einfach Rumäne, orthodox zu sein bedeutet“.288 Ionescus Formel, die das Wesen des orthodoxen Traditionalismus der Zwischenkriegszeit enthält, lautet: „Wir sind, als solche orthodox, weil wir Rumänen sind und wir sind Rumänen, weil wir orthodox sind“.289 Diese Wesensgleichheit zwischen Ethnie und Konfession stellt eine Neuigkeit in der Geschichte der rumänischen Kultur dar, einer Kultur, in der die Rolle der Orthodoxie in der Herausbildung der rumänischen Spiritualität allgemein akzeptiert worden ist, ohne dass sie zu einem dominierenden Element der Ethnizität geworden wäre.290 Die Wesensgleichheit zwischen Nation und Orthodoxie spielt auch in Ionescus Auffassung über die Funktion der Politik eine zentrale Rolle. Die Zwischenkriegszeit ist für ihn eine Zeit der akuten spirituellen und existentiellen Sehnsucht, die nur von der Kirche befriedigt werden könne, sodass die Kirche der Politik gegenüber eine Vorrangstellung einnimmt: Denn die moderne Staatsgestaltung hat sich als untauglich erwiesen; und die Menschheit kämpft für ein neues spirituelles Gleichgewicht. Bei uns und anderswo können die großen Wahrheiten der Kirche dieses neue Gleichgewicht wieder herstellen. Alle Zeichen weisen darauf hin, dass die Menschen sie brauchen und fordern.291

Ionescu postuliert die Notwendigkeit eines auf die traditionellen spirituellen Werte der rumänischen Orthodoxie gegründeten Staates, dessen Politik mit dem Spezifikum der rumänischen Gesellschaft übereinstimmt. Die Kirche wird dazu aufgefordert, sich aus dem Zustand einer „Kreatur der Politik“, wie Crainic sie sah, zu befreien und eine neue, das Ethos der orthodoxen Spiritualität widerspiegelnden politischen Ordnung zu gründen. Vom Primat der Spiritualität über die Politik ausgehend wird auch die Einheit von 1918 interpretiert. Die Einheit aller Rumänen in einem Nationalstaat wird in erster Linie als kollektive spirituelle Erfahrung gesehen und erst danach als politischer Akt. Der rumänische Staat ist für Ionescu nur ein Werkzeug der Nation, deren Seele in der Geschichte permanent nach der Einheit der spirituellen Gemeinschaft der rumänischen Rasse gestrebt habe292 In diesem Sinne war die Politik lediglich ein Begleitphänomen des historischen Werdens, welches von der Tendenz der Nation, ihre Einheit zu erreichen, geprägt war. 

288 289 290 291 292

Ebd., 201. Ebd., 205. Vgl. Ornea, Tradiаionalism Юi modernitate, 423. Ionescu, Roza vânturilor, 7. Siehe Nae Ionescu. Între ziaristică Юi filosofie. Texte publicate în ziarul Cuvântul (15 august 1926–26 martie 1938), Timpul, Ia‫܈‬i, 1996, 257.

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In diesem Interpretationsrahmen bestehe die Rolle der Politik in der Zwischenkriegszeit darin, eine Kontinuität des Vollendungsprozesses der spirituellen Kraft einer Nation zu gewährleisten.293 In einem Beitrag aus dem Jahr 1938 behauptete Ionescu, dass die ideologische Grundschicht des rumänischen Staates von „dem ethnizistischen Nationalismus“ gebildet sein sollte, der dazu berufen sei, den Liberalismus und die entsprechenden dazugehörenden Begriffe wie „Rationalismus, Idealismus, Demokratie oder Protestantismus“ zu ersetzen. Gemeinsam ist allen diesen aufgezählten Begriffen die Idee der individuellen Autonomie, die Ionescu im Namen einer abstrakten nationalen Kollektivität ablehnt: Die organische Mentalität hat die Oberhand gewonnen und die juristische Mentalität entfernt, sodass der Liberalismus einem kollektiven Verständnis des Lebens weichen musste und das Individuum selbst von der Nation ersetzt wurde.294

Diese Problematik der Beziehung zwischen Individuum und Nation wird von Ionescu nicht nur in seiner Publizistik, sondern auch in den Vorlesungen an der Universität analysiert, vor allem in seiner 1939 gehaltenen Vorlesung zur „Logik der Kollektiven“, wo das logisch-philosophische Fundament seiner Auffassung zu Individuum und Gemeinschaft zum Ausdruck kommt. Im Rahmen der Gemeinschaft, so Ionescu, „gibt es bestimmte Wege, die der Gemeinschaft, nicht uns, zugutekommen“, sodass die Geschichte das Ergebnis von Kollektiven, nicht individuellen Handlungen sei: „Die Handlung des Individuums ist für die Geschichte nicht relevant. Sie geschieht durch das Individuum, doch über es hinweg“. Innerhalb der Gemeinschaft solle die Ordnung ihrer Elemente der „jener Gemeinschaft notwendigen Funktionen“295 entsprechen. Mit anderen Worten, zwischen der individuellen und der kollektiven, implizit auch der staatlichen Handlung müsse ein Kontinuum bestehen. Schon in der Zwischenkriegszeit wurde diese Art nationalistischer Strömung als Orthodoxismus bezeichnet. 1929 benutzte Mihai Ralea den Begriff „traditionalistischer Orthodoxismus“ und setzte ihn dem „progressistischen Europäismus“ gegenüber, jener westlich geprägten Denkrichtung, der er selbst angehörte.296 In seinem dem Verhältnis zwischen Nation und Religion im Identitätsdiskurs des dem zwischenkriegszeitlichen Rumänien gewidmeten Bandes betont Nicolai Staab, dass es sich



293 Vgl. ebd., 258. 294 Ebd., 293. 295 Note de la cursul de Logica colectivelor аinut de Nae Ionescu în anul 1938, in: Nae Ionescu, Tratat de metafizică, curs inedit, stenografiat ‫܈‬i transcris de Dumitru Neac‫܈‬u, Roza Vânturilor, Bucure‫܈‬ti, 1999, 257–267. 296 Vgl. Mihai Ralea, Fenomenul românesc, Albatros, Bucure‫܈‬ti, 1997, 150.



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beim Orthodoxismus um eine christlich-orthodoxe Geistesströmung handelt, die sich nicht nur mit im strengen Sinne theologischen Fragen beschäftigt, sondern auch in politische und andere säkulare Bereiche vordringt, wobei sie eine strikte Einteilung der Welt in religiöse und säkulare Bereiche ablehnt.297

Das totale Christentum setzt einen Sakralisationsprozess der Nation voraus, im Sinne „einer Übertragung von Funktionen und Ausdrucksformen von der Religion auf die Nation, in deren Ergebnissen eine Strukturanalogie zwischen der modernen Nation und Religion entsteht“.298 Mit anderen Worten, die Nation wird im Rahmen des Orthodoxismus als eine Ausdrucksform des spirituellen Ethos der Orthodoxie betrachtet, und zwar durch Vermittlung der rumänischen ethnischen Gemeinschaft. Die Wesensgleichheit zwischen Ethnie und orthodoxer Konfession hat direkte Konsequenzen für die von dem Orthodoxismus vorgesehene soziale Ordnung in dem Sinne, dass die Nation, die Konfession und die Politik eine Einheit – in der Form einer, ihre eigene politische Ordnung schaffende NationKonfession – bilden müssen. Der Begriff der Nation-Konfession sollte nicht mit dem von Emanuel Turczynski verwendeten Begriff der Konfessions-Nationalität verwechselt werden. Wie bereits hingewiesen wurde und wie die nachfolgende Analyse im Detail zeigen wird, bezeichnet der Begriff der Nation-Konfession die Wesensgleichheit zwischen Ethnie und orthodoxer Konfession. In Turczynskis Fall beschreibt der Begriff der Konfessions-Nationalität eine Etappe bei der Etablierung der nationalen Identität der Rumänen, Serben und Ruthenen innerhalb des Habsburgerreiches. Wenn diese Völker bis um 1800 durch die Orthodoxie im Vergleich zu den anderen sozialen Gruppen innerhalb des Reiches individualisierten, begannen sie von diesem Moment an, sich auch durch ihre nationale Zugehörigkeit immer mehr zu individualisieren: „Für alle drei ethnischen Gruppen gilt [...], dass der allgemeine Werdegang zur Nationalität über eine Zwischenstufe führte, die als Konfessions-Nationalität [...] bezeichnet werden kann [...]“.299 

297 Staab, Rumänische Kultur, Orthodoxie, 23; siehe auch Hitchins, Orthodoxism: Polemics, 135–180; ders., East or West? Orthodoxism and Nationalism in Romania in 20th Century, in: Ilina Gregory/Angelika Schaser (Hg.), Rumänien im Umbruch. Chancen und Probleme der europäischen Integration, Dieter Winkler, Bochum, 1993, 89–100; Maner, Multikonfessionalität, 136–156. 298 Martin Schulze Wessel, Die Nationalisierung der Religion und die Sakralisierung der Nation im östlichen Europa, in: ders. (Hg.), Nationalisierung der Religion, 7–14, hier 7; siehe auch Hartmut Lehmann, Die Säkularisierung der Religion und die Sakralisierung der Nation im 20. Jahrhundert: Varianten einer komplementären Relation, in: Maner/Wessel (Hg.), Religion im Nationalstaat, 13–27, hier 23. Siehe auch Martin Schulze Wessel, Religion – Gesellschaft – Nation. Anmerkungen zu Arbeitsfeldern und Perspektiven moderner Religionsgeschichte Osteuropas, in: Nordost-Archiv 7/1998, 353–364. 299 Emanuel Turczynski, Konfession und Nation. Zur Frühgeschichte der serbischen und rumänischen Nationsbildung, Pädagogischer Verlag Schwann, Düsseldorf, 1976, 188.

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Der Unterschied zwischen den beiden Begriffen könnte wie folgt zusammengefasst werden: Der Bindestrich innerhalb des Begriffs der Nation-Konfession bezeichnet die Wesensgleichheit zwischen der ethnischen und konfessionellen Gemeinschaft, während der Bindestrich im Fall des Begriffs der KonfessionsNationalität den Übergang von dem konfessionellen zum ethnischen Zusammengehörigkeitsgefühl. III.2.3. Nicolae Bălan – Dumitru Stăniloae – Nichifor Crainic und der Beitrag der ROKS zum Orthodoxismus Ab Ende des 19. Jahrhunderts und bis in die Zwischenkriegszeit hinein machte sich in der rumänischen Kultur eine stetige Annäherung der traditionalistischen Intellektuellen an die ROK bemerkbar. Ziel dieser Annäherung war die Herausbildung einer einheitlichen Theorie der Nation.300 Der konzeptuelle Rahmen dieses „Treffens“ war eben der ethnische Nationalismus, der im Denken J.G. Herders seinen Ursprung hat. In diesem Sinne waren die Ideen, dass „Rasse und Religion die Urkomponenten des rumänischen Wesens“301 darstellen würden, die Wesensgleichheit von Orthodoxie und Nation und, damit einhergehend, der Ausschluss von der nationalen Zugehörigkeit aller ethnisch-konfessionellen Gruppen, die diese Kriterien nicht erfüllen, gemeinsame Elemente in den Schriften Nicolae Bălans, Nichifor Crainics und Nae Ionescus. Die Übereinstimmung zwischen der Auffassung der Kirchenelite und dem Orthodoxismus der traditionalistischen Intellektuellen der Zwischenkriegszeit konkretisierte sich in der engen Beziehung zwischen Dumitru Stăniloae (1903–1993), Nicolae Bălan und Nichifor Crainic. Diese Persönlichkeitskonstellation spielte eine entscheidende Rolle nicht nur in der Herausbildung eines ethnotheologischen Diskurses in der Zwischenkriegszeit, sondern auch in der gesamten Entwicklung der rumänisch-orthodoxen Theologie des 20. Jahrhunderts. Die intellektuelle Entwicklung Stăniloaes – eines der bedeutendsten orthodoxen Theologen des vergangenen Jahrhunderts – ist in entscheidendem Maße einerseits von seinem Verhältnis zum Metropoliten Bălan302 und andererseits von 

300 Vgl. Umut Korkut, Nationalism versus Internationalism: The Role of Political and Cultural Elites in Interwar and Communist Romania, in: Nationalities Papers, 34/2006, 131–155, hier 139; siehe auch Hans-Christian Maner, Rumänische intellektuelle Laien und die Orthodoxe Kirche in der Zwischenkriegszeit: Politische und religiöse Facetten einer Außensicht, in: Zeitschrift für Balkanologie, 56/2020, 40–50; Constantin Mihai, Biserica Юi elitele intelectuale interbelice, Institutul European, Ia‫܈‬i, 2014. 301 Nicolae Bălan, Ortodoxia în mijlocul frământărilor de azi, Sibiu 1933, 14. 302 Siehe die von Stăniloae selbst dargelegte Einschätzung des vom Metropoliten Bălan auf ihn ausgeübten Einflusses in Iubiаii mei fraаi sibieni, in: ***Persoană ‫܈‬i comuniune, 635– 639.



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der Beziehung zu Nichifor Crainic geprägt worden. Crainics Einfluss ist nicht nur in Stăniloaes ethnotheologischer Stilistik und argumentativer Struktur offensichtlich, sondern auch in den theologischen Ansätzen, die den gesamten intellektuellen Werdegang Stăniloaes begleiten und die an sich eine Fortsetzung des von Crainic in der Zwischenkriegszeit angestoßenen theologischen Programms darstellen.303 Die beiden intellektuellen Hauptanliegen Stăniloaes in den 1930er Jahren – der Beitrag zum Orthodoxismus und zur dogmatischen und historischen Theologie – werden in Arbeiten zur Situation des Katholizismus nach dem Ersten Weltkrieg304 und zur mystischen byzantinischen Theologie des 14. Jahrhunderts – dem Hesychasmus des Gregor Palamas (1296–1359) –305 konkretisiert sowie in einer Synthese auf dem Gebiet der dogmatischen Theologie, die auf die personalistische Philosophie Martin Bubers und den Existentialismus der 1920er und 1930er Jahre (vor allem der von Heidegger und Jaspers) zurückgreift, um in einer modernen konzeptuellen Sprache das theologische Spezifikum der Orthodoxie zu artikulieren.306 Stăniloaes Beiträge zum Orthodoxismus sowie die akademischen theologischen Werke sind keinesfalls zwei parallele Diskurse.307 Auf dem Hintergrund des Nationsdiskurses und des Nationalismus von Stăniloae steht eine argumentative und konzeptuelle Struktur, die seine konkreten Interessen als Dogmatiker und Historiker widerspiegeln. In der von der Zeitschrift Gândirea Nichifor Crainic im April 1940 gewidmeten Festschrift, beschreibt der Metropolit Bălan Crainic als herausragende Gestalt der rumänischen Kultur, die die Grundsätze der rumänischen traditionellen Identität – Rasse und Orthodoxie – in Übereinstimmung mit dem Zeitgeist formuliert habe. Wie ein wahrer rumänischer Prophet habe Crainic dem Volk den politischen und spirituellen Weg seiner Entwicklung vorgezeigt.308 

303 Zu einer Untersuchung der intellektuellen Beziehung zwischen Crainic und Stăniloae, siehe Weber, Der geistig-geistliche Mensch, 118–120; siehe auch Florin Du‫܊‬u, Mistica ortodoxă Юi Schimbarea la Faаă a teologiei româneЮti: Nichifor Crainic, Arsenie Boca, Dumitru Stăniloae, Editura Floarea Albă de Col‫܊‬, Bucure‫܈‬ti, 2014; zur Art und Weise, in der Stăniloae selbst die Bedeutung Crainics für die Geschichte der rumänischen Theologie einschätzt, siehe Dumitru Stăniloae, Opera teologică a lui Nichifor Crainic, in: Gândirea, 4/1940, 264–276. 304 Dumitru Stăniloae, Catolicismul după război, Editura Arhidiecezană, Sibiu, 1933. 305 Ders., Viaаa Юi învăаătura Sfântului Grigorie Palama, cu trei tratate traduse, (Seria Teologică, 10), Editura Arhidiecezană Sibiu, 1938. 306 Ders., Iisus Hristos sau Restaurarea omului, (Seria Teologică, 24), Editura Arhidiecezană, Sibiu, 1942. 307 Zu einer Darstellung des Denkweges von Stăniloae, siehe Ioan Ică jr., De ce „persoană Юi comuniune“? - Cuvânt prevenitor la un Festschrift întârziat, in: ***Persoană ‫܈‬i comuniune, XXIII – XXXI; siehe auch Henkel, Dumitru Stăniloae. Leben; Lucian Turcescu (Hg.), Dumitru Stăniloae: Tradition and Modernity in Theology, The Center for Romanian Studies, Ia‫܈‬i, 2002. 308 Vgl. Nicolae, Mitropolitul Ardealului, Nichifor Crainic Юi timpul nostru, in: Gândirea, 4/1940, 195–196.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Crainic seinerseits sieht in Bălan eine Personifizierung ‫܇‬agunas309 und „den höchsten militanten Geist der zeitgenössischen Orthodoxie“.310 Aus der von Bălan vertretenen Auffassung über die Nation leitet Crainic die Grundsätze der politischen Vision des siebenbürgischen Metropoliten ab, die er in Übereinstimmung mit seiner eigenen Theorie zum ethnokratischen Staat formuliert: Die Orthodoxie umfasst die Nation als natürliche Einheit nicht um sie aufzulösen, sondern um sie zu verklären und akzeptiert mit ihr gemeinsam auch deren natürliche Ausdrucksformen: Kultur und Staat als Instrumente der spirituellen Vervollkommnung […]. Wenn der Staat Ausdruck des Rumänismus ist, so muss zwischen dem einen und dem anderen ein von der geschichtlichen Tradition und dem Bewusstsein des kommenden Schicksals bestimmtes Verhältnis bestehen. Diese Idee gehört zu den eindringlichsten Auseinandersetzungen mit der Religionspolitik des Metropoliten Nicolae. Er ist der einzige hochrangige Kleriker, der eine solche Politik im Namen der gesamten Kirche aufgestellt hat.311

Diese Einschätzung der Auffassung Bălans über das Verhältnis zwischen Nation, Orthodoxie und Politik bildet schon eine synthetische Definition des Orthodoxismus der Zwischenkriegszeit. Crainics Absicht besteht eben in der Hervorhebung der Übereinstimmung zwischen seiner und der vom siebenbürgischen Metropoliten vertretenen Vision. Crainics Ideen wurden in der Presse der ROKS312 aufgenommen und intensiv besprochen. Der Nationsdiskurs und der Nationalismus der siebenbürgischen Kirche sind aber mit dem von Crainic geförderten kulturellen und politischen Programm in den Beiträgen Stăniloaes von 1935 bis 1940 in der Zeitschrift Gândirea in Bucure‫܈‬ti zusammenkommen. Stăniloae war einer der prominentesten Vertreter der von dieser Zeitschrift geförderten Kulturströmung.313 Durch Stăniloaes Beiträge in Gândirea entwickelte sich der Nationsdiskurs und der Nationalismus der ROKS demnach von einem regional rezipierten zu einem auf nationaler Ebene relevanten Diskurs. Dieser Übergang ist an sich schon ein Teil des Integrationsprozesses – in diesem Fall des kultur-kirchlichen – Siebenbürgens in Großrumänien. 

309 Vgl. Nichifor Crainic, Mitropolitul Nicolae, glasul ortodoxiei noastre, in: ***Omagiu Înalt Prea Sfin‫܊‬iei Sale Dr. Nicolae Bălan, 272–280, hier 273. 310 Ebd., 276. 311 Ebd., 275. 312 Siehe zum Beispiel V. Iancu, Tradiаionalismul Юi Ortodoxia, in: Telegraful Român, 71,72,73,76/1928; Dumitru Stăniloae, Un atlet al naаionalismului creЮtin, in: Telegraful Român, 14/1 aprilie 1934, 1; ders., Nichifor Crainic, in: Telegraful Român, 25/20 iunie 1937, 1–2; ders., Ortodoxie Юi etnocraаie, in: Telegraful Român, 24/12 iunie 1938, 1; ders., Nostalgia paradisului, in: Telegraful Român, 13/24 martie 1940, 1; Nichifor Crainic, Confesionalismul, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 9/1 martie 1925, 6; ders., Ortodoxism Юi masonerie, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 10/8 martie 1931, 4–6 usw. 313 Vgl. Hitchins, Gândirea, 148; ders., Mit Юi realitate în istoriografia românească, Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 1997, 271.



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III.3. Nicolae Bălan und die christlich-orthodoxe Rezeption des Herderianismus Im ersten Jahrzehnt nach der Einheit konzentrierte sich der Diskurs der ROKS hauptsächlich auf die unterschiedlichen politischen und kirchlichen Themen, die den Festigungsprozess des neuen Staates untermauern. Die Haltung der siebenbürgischen Kirche diesen Problemen gegenüber, versteht sich vor dem Hintergrund der Nationsidee und der speziellen Beziehung zwischen Nation und Orthodoxie. Doch der Diskurs wurde nur selten von einer systematischen Analyse des Nationsbegriffs begleitet. Im Kontext der Strukturreformen in den 1920er Jahren beschränkte sich der Diskurs der ROKS darauf, die Tatsache zu unterstreichen, dass in der Geschichte „die rumänische Nationalität nur durch Orthodoxie bewahrt werden konnte“314 oder dass „die Orthodoxie das Fundament des rumänischen Volkes ist“315 und andere Formulierungen, die ein organisches Verhältnis zwischen dem rumänischen Volk und der orthodoxen Konfession betonten. Eine systematische Theoretisierung des Nationsbegriffs erscheint in dem Diskurs der ROKS nur nach 1930, als die bedeutendsten Vertreter der „Schule des Metropoliten Bălan“ ihre öffentliche Tätigkeit begannen. Sie übernahmen die Nationsidee des siebenbürgischen Metropoliten wie einen „Kardinalpunkt für die Orientierung in der Frage des Nationalismus“.316 Angesichts des zentralen Charakters des hierarchischen Prinzips in der Herausbildung des Nationsdiskurses und des Nationalismus der ROKS, erweist sich eine kurze Darstellung der Art und Weise, in der Bălan Ursprung, Wesen und Ziel der Nation versteht, für notwendig. Beim ersten Treffen des Andrei Эaguna Vereins des Klerus der rumänischen orthodoxen Metropolie aus Transilvanien, dem Banat, der CriЮana und der MaramureЮ317 im März 1919 legte Bălan – damals Professor am Orthodoxen Theologischen Institut in Sibiu – seine Auffassung über die Nation in einem Diskurs dar. Ich halte ihn in diesem Kontext für besonders bedeutend und werde ihn demnach in extenso zitieren und kommentieren: Die Menschheit besteht aus ethnischen Individualitäten, deren Unterschiedlichkeit durch ihren Ursprung, ihre körperliche und seelische Struktur, ihre Sprache und Bräuche, durch ihre historische Entwicklung, durch ihre Kultur und ihr Selbstbewusstsein 

314 Sofron Vlad, Biserica ortodoxă ca păstrătoare a naаionalităаii române, in: Revista Teologică, 8–10/august–octombrie 1923, 285. 315 Constantin Rudneanu, Ortodoxia ne-a păstrat fiinаa neamului, in: Foaia Diecezană, 18/29 aprilie 1928, 4. 316 D. S. [Dumitru Stăniloae], Biserica Юi naаionalismul, in: Telegraful Român, 28/5 iulie 1936, 2. 317 Zur Geschichte dieses Vereins, siehe Paul Brusanowski, Asociaаia Andrei Эaguna a clerului Mitropoliei Ortodoxe din Transilvania în perioada interbelică în contextul politicobisericesc, in: Review of Ecumenical Studies, 4/2012, 223–273.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens und durch die Mission, die jedem von ihnen in die Arena der Geschichte mitgegeben wird, bestimmt wird. Hier finden wir eine wunderbare Vielfältigkeit und einen wundervollen Reichtum an menschlichen Lebensformen und aus der Geschichte wissen wir, dass ein Volk die Schatztruhe der menschlichen Kultur aus seinem Überfluss nur dann bereichern kann, wenn es sich selbst treu bleibt, wenn es seiner wahren Natur gemäß lebt und sich entwickelt. Im nationalen Faktor befinden sich das individuelle und das allgemein menschliche Element in einer schöpferischen Synthese […]. Jene haben Unrecht, die behaupten, wir würden uns durch die stetigen kulturellen Fortschritte einem Internationalismus nähern, in dem die charakteristischen Merkmale der Völker verschwunden sein werden und die Menschheit in eine in nationaler Hinsicht amorphe Masse verwandelt sein wird. Ein biologisches Gesetz zeigt uns, dass je mehr die Arten in der Natur ihre charakteristischen Merkmale entwickeln, desto mehr diese sich in ihrem Inneren festlegen und zu einer deutlicheren Unterscheidung untereinander gelangen. Die Erfahrung lehrt uns, dass dieses Gesetz auch auf das Leben der Völker zutrifft. Wann waren Völker wie Franzosen, Engländer und Deutsche unterschiedlicher in ihrer Lebensstruktur als sie es heute, auf dem Höhepunkt ihrer Kultur, sind? Ja, Kultur und Zivilisation eröffnen neue Wege von Volk zu Volk, finden hohe gemeinsame Ideale, die sie einander näherbringen. Doch sie löschen die charakteristischen Unterschiede, welche das nationale Wesen der Völker bilden, nicht aus. Die Menschheit besteht aus genau so vielen Völkern; die menschliche Kultur existiert nur in der Form unterschiedlicher nationaler Kulturen. Die Nationalität wird also bis in alle Ewigkeit eine entscheidende Lebenskraft in der Weltgeschichte bleiben, denn diese ist eine Geschichte der Völker dieser Welt. Der Nationalismus ist ein hoher ethischer Grundsatz, der das Individuum aus der engen Sphäre des Egoismus herausreißt und ihn dazu bringt, sich mit den Zielen seines Volkes zu identifizieren; er ist eine Quelle zur Stärkung des individuellen Lebens, das damit zu einem harmonischen sozialen Leben führt; er ist eine leitende Macht in der Arbeit, der Selbstaufopferung und der Selbstverneinung. Als nationaler Wille der Gemeinschaft artikuliert er sich in der Herausbildung der Nationalstaaten, der natürlichsten Staatsform […]. Der nationale Faktor – im Christentum durch den Heiligen Geist bestätigt, der wie in Gestalt von Feuerzungen auf die Apostel herabgekommen ist und zu jedem Volk in dessen Sprache sprechen konnte – wird, so er mit der Religion zusammen gebracht wird, von dieser eine Vertiefung und ein glänzendes Licht erhalten. In dieser Hinsicht erscheinen uns die Nationen als genauso viele in der geschaffenen Welt verwirklichte Gedanken Gottes. Deswegen ist die Nation nicht das Produkt des blinden Zufalls, nicht etwas, das heute lebt und morgen wie ein Schatten verschwunden sein wird, sondern eine Wirklichkeit in den ewigen Plänen der göttlichen Vernunft, in den Plänen der Vorsehung, welche die Geschicke der Völker leitet. Deswegen müssen wir uns von dem höheren Bewusstsein durchdringen lassen, dass wir, die rumänische Nation, eine Mission im Plan der göttlichen Vorsehung zu erfüllen haben, gemeinsam mit den anderen Nationen, die – einige mehr, andere weniger – diesen Garten Gottes zieren.318



318 Nicolae Bălan, Atitudinea preoаimei faаă de viaаa politică, in: Analele asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 1919, 128–129.



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Aus der Perspektive der von der Nationalismusforschung vorgeschlagenen Typologien gehört die Auffassung Bălans als typische Form des ethnischen Nationalismus zum primordialistischen Paradigma. Für die Vertreter des ethnischen Nationalismus, so Anthony D. Smith, basiert die Nation auf „ties of ethnic descent traceable through the generations to one or more common ancestors“, auf eine Kultur „in terms of language, customs, religion and the arts“, eine gemeinsame Geschichte und eine „interpretation of the history of the nation and its place in the world“.319 Wie aus dem oben zitierten Fragment ersichtlich wird, liegen der Identität jeder Nation und den Unterschieden zwischen den einzelnen Nationen die gemeinsame Rasse, Kultur und Geschichte einer Menschengruppe zugrunde. Aus der Perspektive der Ideengeschichte ist die Vision Bălans zum Großteil eine Variante des Nationalismus und der Geschichtsphilosophie von J.G. Herder. Victor Neumann zeigt, dass vor allem J.G. Herders Schrift Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit eine starke Wirkung auf den Nationalismus in Zentral-, Ost- und Südosteuropa hatte. In Siebenbürgen sind J.G. Herders Ideen von den rumänischen Revolutionären von 1848, in erster Linie von Gheorghe Bari‫܊‬iu und Simion Bărnu‫܊‬iu, rezipiert worden.320 Laut Neumann wurde J.G. Herders Vorstellung vom Nationalismus zu einem allgemeinen Kulturgut und die Vertreter dieser Gedanken waren sich ihres Ursprungs oft gar nicht mehr bewusst,321 so Bălan, der, obwohl er J.G. Herder nicht erwähnt, einige zentrale Gedanken des deutschen Romantikers übernimmt. Das wird offensichtlich bei einer parallelen Lektüre des oben zitierten Fragments und eines zentralen Fragments aus Ideen zur Philosophie der Menschheit: Die Natur erzieht Familien; der natürlichste Staat ist also auch ein Volk, mit einem Nationalcharakter […], denn ein Volk ist sowohl eine Pflanze der Natur, nur jenes mit mehreren Zweigen, als auch eine Familie. Nichts scheint also dem Zweck der Regierungen so offenbar zu widersprechen wie die unnatürliche Vergrößerung der Staaten, die wilde Vermischung der Menschengattungen und Nationen unter einem Zepter. Der Menschenzepter ist viel zu schwach und klein, daß so widersinnige Teile in ihn eingeimpft werden könnten; zusammengeleimt werden sie also in eine brechliche Maschine, die man Staatsmaschine nennet, ohne inneres Leben und Sympathie der Teile gegeneinander. Reiche dieser Art, die dem besten Monarchen den 

319 Smith, The Cultural Foundations, 17. 320 Vgl. Victor Neumann, Conceptually Mystified: East-Central Europe Torn between Ethnicism and Recognition of Multiple Identities, Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 2004, 106. Zur Darstellung des Nationalismus bei Bărnu‫܊‬iu, siehe Balázs Trencsény/Michael Kopeþek (Hg.), Discourses of Collective Identity in Central and Southeast Europe (1775–1945). Texts and Commentaries, Volume II: National Romanticism. The Formation of National Movements, Central European University Press, Budapest/New York, 2007, 160–167. Zu einer allgemeinen Darstellung des kulturellen Profils der Revolutionäre von 1848 in Siebenbürgen, siehe George Em. Marica et alii (Hg.), Ideologia generaаiei române de la 1848 din Transilvania, Editura Politică, Bucure‫܈‬ti, 1968, vor allem 10–49. 321 Vgl. Neumann, Conceptually Mystified, 106.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens Namen Vater des Vaterlandes so schwer machen, erscheinen in der Geschichte wie jene Symbole der Monarchien im Traumbilde der Propheten, wo sich das Löwenhaupt mit dem Drachenschweif und der Adlersflügel mit dem Bärenfuß zu einem unpatriotischen Staatsgebilde vereinigt. Wie trojanische Rosse rücken solche Maschinen zusammen, sich einander die Unsterblichkeit verbürgend, da doch ohne Nationalcharakter kein Leben in ihnen ist und für die Zusammengezwungenen nur noch der Fluch des Schicksals sie zur Unsterblichkeit verdammen könnte; denn eben die Staatskunst, die sie hervorbrachte, ist auch die, die mit Völkern und Menschen als mit leblosen Körpern spielet. Aber die Geschichte zeigt genugsam, dass diese Werkzeuge des menschlichen Stolzes von Ton sind und wie aller Ton auf der Erde zerbrechen oder zerfließen.322

In beiden Texten spielt der Vergleich des Volkes oder der Nation mit einem biologischen Organismus, der sich aufgrund eines inneren, sich mit unerbittlicher Macht durchsetzenden Gesetzes entwickelt, eine zentrale Rolle. J.G. Herders Wunsch war das Entstehen eines deutschen ethno-nationalen Staates und damit einhergehend das Entstehen eines pluri-nationalen Europas, in dem jede Nation ihre eigene Identität aufgrund ihrer Sprache, Traditionen und gemeinsamen Wurzeln pflegen kann.323 J.G. Herders Nationalismus gründet auf der zentralen Idee, dass ein Volk nicht „eine soziale Gruppe inner- oder unterhalb der Nation, sondern die Nation selbst“324 vertritt. Die Vertreter dieses Verständnisses von Nation als ethnisch homogener Wirklichkeit hatten große Schwierigkeiten beim Festlegen eines Platzes für die ethnischen, linguistischen und religiösen Minderheiten innerhalb der Nationalstaaten nach dem Ersten Weltkrieg. 325 Das Hauptproblem des ethnischen Nationalismus besteht eben in dieser seiner Unfähigkeit, die eigenen Implikationen für jeden sozialen und politischen Kontext, mit der er in Berührung kommt, kritisch zu hinterfragen.326 Bălans Appell an den Pfingstmoment und die Betonung der Beziehung zwischen der Kirchengründung und der Vielfalt der Nationen, stellt den zentralen 

322 Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Band I, Berlin/Weimar, 1965, 368–369; siehe auch Johann Gottlieb Fichte, Reden an die deutsche Nation, in: ders., Werke. Auswahl in sechs Bänden, herausgegeben und eingeleitet von Fritz Medicus, fünfter Band, Verlag von Felix Meiner in Leipzig, 1908, 365–610, hier 492–493. 323 Vgl. Neumann, Conceptually Mystified, 104. 324 Reinhart Koselleck et alii, Volk, Nation, Nationalismus, Masse, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Klett-Cotta, Stuttgart, 1992, Band 7, 141–431, hier 316. 325 Vgl. John Carter Wood, „Blessed is the Nation“? Christianity and National Identity in Twentieth-Century Europe, in: ders. (Hg.), Christianity and National Identity in TwentiethCentury Europe: Conflict, Community, and Social Order, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2016, 11–31, hier 16. 326 Vgl. Victor Neumann, Essays on Romanian Intellectual History, Editura Universită‫܊‬ii de Vest, Timi‫܈‬oara 2008, 52–53; siehe ders., Neam, popor sau naаiune?, 152–166.



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Punkt einer ethnotheologischen Geschichtsdeutung dar,327 die, wie im Folgenden gezeigt werden soll, einen Mittelpunkt des späteren Diskurses der ROKS bildet. Um diese Geschichtsdeutung zu bekräftigen, bezieht sich Bălan auf eine zentrale Theorie der christlichen Kosmologie, und zwar auf die Behauptung, alle Elemente der Schöpfung, folglich auch die Nationen, würden „in der geschaffenen Welt verwirklichte Gedanken Gottes“ darstellen. Die Nationen und dadurch der gesamte historische Prozess können sich nur in Übereinstimmung mit dieser transzendenten Matrix entwickeln. Deswegen lehnt Bălan die Idee ab, die Welt werde zu einer nationalen Homogenität durch einen kulturellen Austausch zwischen den Nationen gelangen, denn die kulturellen Interferenzen „löschen die charakteristischen Unterschiede, die das nationale Wesen der Völker ausmachten, nicht aus“. Der Ursprung der nationalen Individualität liegt daher nicht in den Prozessen der geschichtlichen Kontingenz, sondern im ewigen Plan Gottes. Diese Ethnotheologie der Nation sagt etwas über die geschichtliche Rolle der Kirche im Verhältnis zur Nation aus. Wenn die Nationen von Gott gegebene Wirklichkeiten sind, dann befindet sich die Kirche als göttlich-menschliche Institution, durch die der Wille Gottes in der Geschichte realisiert wird, am Kreuzpunkt zweier Ordnungstypen: Der immanenten, geschichtlichen und der transzendenten, göttlichen. Ihre Tätigkeit gewährleistet implizit die Übertragung dieser transzendenten Ordnung auf die Geschichtsebene. Ausgehend von diesem Verständnis von Geschichte als Realisierungsraum eines göttlichen Plans, folgt, dass die von der Kirche vorgeschlagene Auffassung über die Nation einen Beitrag zum Realisierungsprozess der „Gedanken Gottes“ in der Geschichte darstellt. Dieses Verständnis von Geschichte und damit implizit der Funktion der Kirche innerhalb der Geschichte führt automatisch zu einer Berechtigung der Kirche, über das Verhältnis von Politik und Religion im Entwicklungsprozess der Welt zu urteilen. Jede Nation entwickelt sich gemäß einem unerbittlichen metaphysischen Gesetz zu einer in Übereinstimmung mit der ihr eigenen Natur stehenden Identität – oder, um Bălan zu zitieren, „nach ihrer eigenen Natur“ – was gleichzeitig einen Prozess der identitären Abgrenzung von den anderen Nationen nach sich ziehen wird. Das Verhältnis des Individuums zur nationalen Gemeinschaft wird von Bălan im Sinne einer Praxiologie der nationalen Zugehörigkeit beurteilt: Das Individuum muss das Gesetz der Nationsentwicklung verstehen und in Übereinstimmung damit handeln, um den eigenen Willen und die persönliche Handlung immer mehr mit dem Willen und den Zielen der Nation in Einklang zu bringen. Das Verhältnis zwischen Individuum und Nation hat eine quasireligiöse Natur und ist auf einem moralischen Kodex gegründet, dessen Einhaltung zur Ver

327 Der Begriff Ethnotheologie – im Sinne einer theologischen Begründung des Ursprungs, des Wesens und der historischen Funktion der Nation – wird unter anderen von Roland Clark (Nationalism, Ethnotheology) und Mihail Neam‫܊‬u (Between Gospel and Nation) verwendet.

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stärkung der Gemeinschaft zwischen Individuum und Nation, zwischen der individuellen und der kollektiven Existenz, führt. Die authentische Objektivierung des kollektiven Willens wird, nach Auffassung Bălans, durch die Erschaffung sowohl einer Nationalkultur als auch eines Nationalstaates als letzte Phase in der Entwicklung eines Volkes realisiert. Aus dieser Perspektive fordert Bălan eine Form des geschichtlichen Determinismus und gleichzeitig ein „Ende der Geschichte“, weil der Differenzierungsprozess der Nationen und deren Gestaltung in Nationalstaaten keine höhere Ebene mehr hat, zu der er streben kann. Der zentral- und osteuropäische Nationalismus zeichnete sich nicht nur durch die Wesensgleichheit zwischen ethnischer Gemeinschaft und Nation aus. Eine andere seiner Partikularitäten bestand in der Hervorhebung der Kultur und implizit der Religion in der Gestaltung der nationalen Gemeinschaft.328 Das wiederum führt zu einem zusätzlichen Identifikationstypus, und zwar zwischen Religion bzw. Konfession, und Nation. Um den Gedanken der historischen und organischen, die Entwicklung der Nation regierenden Notwendigkeit sowie die Gestaltung der eigenen Identität durch Abgrenzung von anderen nationalen Gemeinschaften zu unterstreichen, führt Bălan die theologische Komponente des göttlichen Plans ein. Bălans Auffassung kristallisiert sich demnach an dem Überschneidungspunkt zweier Kulturparadigmen: Jenem dem Herderianismus und jenem das kulturelle Spezifikum der Orthodoxie widerspiegelnde. Schon in einem Artikel von 1907, in dem er sich den Meinungen Octavian Gogas (1881–1938) zur Rolle der Orthodoxen Kirche in der siebenbürgischen Gesellschaft329 kritisch entgegenstellt, stützte Bălan die zentrale Idee des orthodoxen Nationsdiskurses auf die Wesensgleichheit zwischen Nation und Konfession: Ich kann für den Glauben und die Kirche unserer Vorfahren keinen schöneren Ruhm als diese vollkommene Wesensgleichheit zwischen dem rumänischen Charakter und dem christlichen Gesetz sehen […]. Nur in diesem Gesetz können wir als jene leben, die wir auch sind. Ich wage also zu behaupten, dass jener von uns, der kein guter Christ ist, auch kein guter und ganzer Rumäne sein kann, da ihm jene auserwählte Seite der rumänischen Seele fehlt, welche die Grundlage unserer Existenz und unserer Nationalkultur bildet.330



328 Vgl. Hans Kohn, Die Idee des Nationalismus. Ursprung und Geschichte bis zur Französischen Revolution, S. Fischer, Frankfurt am Main, 1962, 311. 329 Zu einer detaillierten Darstellung der Kontroverse zwischen Bălan und Goga, siehe Andreea Dăncilă, Elita culturală laică Юi cea bisericească într-o dezbatere privind profilul preotului transilvănean de la începutul secolului XX, in: Revista Teologică, 2/2013, 160– 174. 330 Nicolae Bălan, Probleme actuale pentru cultura preoаimii noastre, in: Revista Teologică, 3/martie 1907, 112–113.



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Die Wesensgleichheit zwischen Nation und Religion, d.h. Orthodoxie, führte unausweichlich zum Problem der Haltung der Kirchenelite zur ethno-konfessionellen Alterität Siebenbürgens, und zwar in erster Linie zu den griechischkatholischen Rumänen. Diese konfessionelle Dualität innerhalb des rumänischen Volkes ist als „Versuch, das rumänische Volk zu entzweien“331gesehen worden. Im öffentlichen Diskurs der ROKS unterstrich man folgerichtig die Notwendigkeit der Wiederherstellung der religiösen Einheit der siebenbürgischen Rumänen als obligatorische Bedingung der Zugehörigkeit der griechisch-katholischen Rumänen zur Nation. Bezeichnend ist in diesem Sinne das von Bălan bei seiner Inthronisierung als Metropolit Siebenbürgens vorgestellte pastorale Programm, das die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Volkseinheit durch die Wiederherstellung seiner konfessionellen Einheit hervorhebt: Der Feind hat uns entzweit, um unseren Widerstand zu schwächen. Doch wenn die Herde nicht vollständig ist, so ist das nicht unsere Schuld […]. Die Mutterarme, stets voller Wärme, sind auch heute für alle ihre entfremdeten Söhne geöffnet, wir beten zu Gott […], Er möge uns wieder eins werden lassen im Haus unserer Seele, in der heiligen Kirche unserer Eltern […]. Wir hegen den heißen Wunsch, durch unsere Kirche […] eine innige Verbindung zu all jenen im ganzen Land, mit denen wir eines Blutes und eines Glaubens sind […] zu stärken. Wir werden die orthodoxe Kirche des rumänischen Volkes errichten, eine starke, unbeugsame Kirche mit göttlicher Mission als Beschützerin der Seele dieses Volkes [...].332

Die konfessionelle Spaltung der rumänischen Gemeinschaft in Siebenbürgen in orthodoxe und griechisch-katholische ist für Bălan das Ergebnis historischer Determinationen und spiegelt nicht den göttlichen Plan wider; folglich habe die ROKS eine „göttliche Mission“, nämlich die konfessionelle und implizit ethnische Einheit der Siebenbürger Rumänen wiederherzustellen. Durch diesen Gedanken der göttlichen Mission, deren Ausführung in der Geschichte Aufgabe der ROKS wäre, formuliert Bălan in einem institutionellen Programm, das 1919 erst als direkte Folge seiner ethnotheologischen Auffassung der Geschichte begriffen werden kann.



331 Siehe Dumitru Stăniloae, Uniatismul din Transilvania, încercare de dezbinare a poporului român, EIBMBOR, Bucure‫܈‬ti, 1973. 332 ***Cuvântarea Înaltpreasfinаiei Sale Mitropolitului Nicolae, Rostită cu ocazia hirotonirii întru arhiereu Юi instalării în scaunul de Arhiepiscop Юi Mitropolit, la praznicul Rusaliilor, în biserica catedrală din Sibiu, in: Telegraful Român, 55/16 decembrie 1920, 2.

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III.4. Der Nationsdiskurs als Teil der christlichen Geschichtstheologie Das Muster des Nationsdiskurses der ROKS bildet demnach die Untersuchung des Ursprungs, des Wesens und des Zieles der Nation im breiteren Rahmen der christlichen Kosmologie und Geschichtstheologie. Das Spezifikum der christlichen Geschichtsdeutung besteht darin, dass der gesamte Geschichtsverlauf nicht als zyklischer Prozess, wie bei den antiken Völkern, sondern als linearer gesehen wird, in dem Sinne, dass er teleologisch und zielstrebig verstanden wird.333 Der Sinn der Geschichte besteht in der zweiten Offenbarung Jesu, im Jüngsten Gericht, im Heil der Welt und somit in der vollkommenen Aktualisierung der durch die Menschwerdung Jesu, den Tod und die Auferstehung des Gottessohnes begonnenen Gottesherrschaft.334 Die Geschichte wird somit zum zeitlichen Raum, in dem sich die Beziehung zwischen Gott und Mensch gestaltet und wo der ewige Plan Gottes Wirklichkeit wird. Die Dynamik der Geschichte und des Kosmos zielt auf ihre Vervollkommnung in der eschatologischen Zukunft.335 Aus der Perspektive dieser eschatologischen Orientierung ist die Weltordnung, wie sie Gregor von Nyssa (335–394) nennt, eine „Heilsordnung“,336 mit anderen Worten, eine Ordnung, die dem göttlichen, zeitlich sich als Heilsgeschichte entwickelnden Heilsplan entspricht. Wenn dieses kosmische Ganze einen metaphysischen Ursprung und eine metaphysische Orientierung hat, so bedeutet das, dass die Beziehungen zwischen seinen Teilen nach einer Theo-logie im Sinne einer logischen Ordnung geordnet sind, die sich durch den Bezug auf Gott als integrierende Wirklichkeit begründet. Gott umfasst in sich selbst die gesamte Wirklichkeit der Welt und ist somit in jedem ihrer Elemente anwesend, ohne sich jedoch mit der Welt in pantheistischem Sinne zu identifizieren. Innerhalb des Nationsdiskurses ist dieses Muster der Geschichts- und Weltdeutung vor allem von Dumitru Stăniloae und dessen Kollegen vom Orthodoxen Theologischen Institut in Sibiu, Nicolae Colan, genutzt worden. Für Stăniloae sind



333 Siehe Rudolf Bultmann, Das Verständnis der Geschichte im Griechentum und im Christentum, in: Leonhard Reinisch (Hg.), Der Sinn der Geschichte. Sieben Essays von Golo Mann, Karl Löwith, Rudolf Bultmann, Theodor Litt, Arnold J. Toynbee, Karl R. Popper, Hans Urs von Balthasar, C.H. Beck, München, 1961, 50–65, hier 58–60; siehe auch Jean Daniélou, Vom Geheimnis der Geschichte, Schwabenverlag, Stuttgart, 1955, 14–15. 334 Vgl. ebd. 335 Vgl. Daniélou, Vom Geheimnis, 9. 336 Gregor von Nyssa, Abhandlung über die Ausstattung des Menschen (De opficio hominis), Ausgewählte Schriften des heiligen Gregorius, Bischofs von Nyssa. Übersetzt von Dr. Heinrich Hand (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 24), Kempten, 1874, 284.



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alle Dinge (der Welt) von Gott ewig gedacht, die Ideen der Dinge der Welt bilden das Material des Seinsdenkens Gottes und sind von Seinem Wesen untrennbar.337

Die Idee der Präexistenz der in der göttlichen Vernunft erschaffenen Welt – die auch in der oben erwähnten Argumentation Nicolae Bălans anzutreffen ist – stellt ein Echo des Platonismus und des Stoizismus und deren wesentlichen Einflusses auf die christliche Kosmologie und Metaphysik dar. Im Dialog Timaios beschreibt Platon eine dichotomische Welt, die aus einer Ideen- und einer physischen Welt besteht. Der Demiurg habe die physische Welt nach dem Vorbild der Ideenwelt geschaffen, zwischen den beiden Realitätsebenen gebe es einen radikalen ontologischen Unterschied: Lediglich die Ideenwelt existiere wirklich (gehört also zur Kategorie des Seienden), während die physische Welt nur eine Erscheinung der ersteren sei (und somit zur Kategorie des Gewordenen gehört).338 Stăniloae betont die ontologische Beziehung zwischen Gott und den Ideen aufgrund derer die Welt erschaffen worden ist, um diese dichotomische Perspektive auf die Welt zu widerlegen. Die Betonung der Idee einer ontologischen Beziehung zwischen den Gedanken bzw. Ideen Gottes und der erschaffenen Welt bedeutet aber nicht, dass zwischen dem Wesen Gottes und der Welt ein Kontinuum besteht, so wie Sergij Bulgakovs (1871–1944) Kosmologie, die Stăniloae im oben zitierten Aufsatz rezipiert, suggeriert. Die christliche Kosmologie behauptet einerseits den deutlichen ontologischen Unterschied zwischen Gott und der Welt, doch andererseits auch die Existenz einer antinomischen Beziehung zwischen den beiden Wirklichkeiten: Gott wird gleichzeitig sowohl als transzendent, als auch als in der Welt immanent betrachtet.339 Die Hervorhebung des Gleichgewichts zwischen göttlicher Immanenz und Transzendenz in der christlichen Theologie ist das Ergebnis der kritischen Rezeption der platonischen Dichotomie und des stoischen Pantheismus durch die Kirchenväter.340 

337 Dumitru Stăniloae, Scurtă interpretare teologică a naаiunii, in: Telegraful Român, 15/8 aprilie 1934, 2; siehe auch Grigore Com‫܈‬a, Problema naаională, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 17/22 aprilie 1934, 3. 338 Siehe Timaios, in: Erich Loewenthal (Hg.), Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden, Band 3, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2004, 91–191. Zu einer kurzen Darstellung der Theorie der Ideenwelt, siehe F.E. Peters, Greek Philosophical Terms: A Historical Lexicon, New York University Press, New York, 1967, 109–110. 339 Diese sich auf die Transzendenz beziehende Auffassung und die gleichzeitige Immanenz Gottes im Verhältnis zur Welt wird Panentheismus genannt. Zu einer detaillierten Darstellung, siehe Benedikt Paul Göcke, Panentheismus als Leitkategorie theologischen Denkens? Eine religionsphilosophische Bestandsaufnahme, in: Theologie und Philosophie, 90/2015, 38–59. 340 Zum Prozess der interpretatio christiana der antiken Kultur siehe Carl Andresen, Theologie und Kirche im Horizont der Antike. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte der Alten Kirche, De Gruyter, Berlin, 2009. Zur Beziehung zwischen philosophischer Kosmologie

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In der stoischen Auffassung wird die rationale Ordnung der Welt durch den Logos als schöpferische und ordnende Kraft gesichert. Der Logos ist dann in diesem Fall göttlicher Natur und befindet sich gleichzeitig im Inneren der physischen Welt. Aufgrund der jüdischen Tradition lehnte Philon von Alexandria (ca. 20/10 v. Ch.– ca. 40/50 n. Ch.) den Gedanken eines göttlichen Ursprungs des immanenten Logos ab und verlieh ihm hingegen die Bedeutung eines Instruments, mit dem Gott in die Schöpfung eingreift. Diese Unterscheidung war wesentlich für die von den Kirchenvätern entwickelte Kosmologie. Die patristische Kosmologie sah im Logos den Sohn Gottes, durch den Gott die Welt erschaffen hat und mit ihr in Beziehung bleibt, ohne jedoch mit ihr eins zu sein.341 Im Rahmen der interpretatio christiana in der antiken Kultur übernahm Justinus der Märtyrer und Philosoph (100–165) aus dem Stoizismus den Begriff des logos spermatikos als schöpferisches Prinzip – in der Formulierung des christlichen Theologen „in Keimen ausgestreuten Logos“ – und identifizierte ihn mit dem „gesamten Logos, d.i. Christus“.342 Der christliche Theologe schlägt somit das Bild einer rational geordneten Welt vor, deren Einheit und gleichzeitige Vielfalt vom schöpferischen Logos Gottes getragen wird. Durch Athanasius den Großen (295–373) erhielt diese Theorie der Beziehung zwischen der rationalen Ordnung der Welt und dem göttlichen Logos eine systematische Ausformung: Die gesamte Schöpfung bilde „eine Welt und Weltordnung in harmonischer Schönheit“.343 Der heilige Logos des Vaters lässt sich auf alles nieder und entfaltet überall seine Kräfte, erleuchtet alles Sichtbare und Unsichtbare, bringt alles mit sich in Verbindung und schließt es zusammen, lässt nichts außerhalb seines Machtbereiches liegen, sondern gibt allem und durch alles dem Einzelnen für sich wie dem großen Ganzen Leben und Fortbestand.344



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und patristischer Kosmologie im Zustand des in statu nascendi, siehe vor allem den Beitrag: Justin und der mittlere Platonismus, 1–36. Vgl. F. E. Peters, Greek Philosophical Terms, 110–112; siehe auch Jaroslav Pelikan, The Christian Tradition. A History of the Development of Doctrine. Vol. 1. The Emergence of Catholic Tradition (100–600), The University of Chicago Press, Chicago, 1971, 27–40; ders. Jesus through the Centuries. His Place in the History of Culture, Yale University Press, New Haven/London, 1999, das Kapitel: The Cosmic Christ, 57–70. Justin der Märtyrer, Zweite Apologie, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, Band 1. Aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt von Dr. Gerhard Rauschen (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 12), München, 1913, 148. Athanasius, Gegen die Heiden (Contra Gentes), Ausgewählte Schriften Band 2. Aus dem Griechischen übersetzt von Anton Stegmann und Hans Mertel. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 31), München, 1917, 594. Ebd., 593. Zur christlichen Kosmologie und Anthropologie aus der Perspektive der Theorie des Logos und der Rationalität der Welt, siehe im gleichen Band die Abhandlung Über die Menschwerdung des Logos und dessen leibliche Erscheinung unter uns, 602f.

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Aus dieser Perspektive besteht zwischen der göttlichen Ideenwelt – d.h. der göttlichen Gedanken gemäß der von Bălan und Stăniloae genutzten Terminologie – und der Ordnung der erschaffenen Welt ein enges Zusammenwirken. Die göttliche Welt sei „keine statische Gestalt, sondern ein Zusammenspiel dynamischer Kräfte“, die „von den metaphysischen Grenzen der Dinge“ her wirken, um die Entwicklung der erschaffenen Welt zu einer immer größeren Übereinstimmung mit dem göttlichen Vorbild, nach dem sie geschaffen wurde, zu fördern.345 Die Entwicklungsrichtung der Welt ist daher von dieser Wesensgleichheit zwischen dem göttlichen Vorbild und der endgültigen, eschatologischen Form bestimmt, die die Welt erreichen soll. Die Welt müsse demnach durch ihre Entwicklung in der Geschichte zu dem werden, was sie in der Transzendenz schon sei: Die eigentliche Schöpfung bestand nicht in dem Erscheinen der Welt in ihrer vollkommen entwickelten Form, mit all ihren Arten und all ihre Vielfalt. Gott hat lediglich die Samen der Dinge erschaffen, doch diese Samen enthalten potentiell all deren spätere Formen. Diese Entwicklung geschieht durch ein Zusammenwirken Gottes mit der Welt. Was von Anfang an in Gott entdeckt und entwickelt ist, zeigt sich in der Welt allmählich, im Laufe der Zeit. Die Entwicklung der Welt ist eine zeitliche Entdeckung der Formen, die ewig existieren.346

Die Geschichte ist somit die zeitliche Verlängerung des ursprünglichen kosmogonischen Aktes und in ihr findet der Übergang der Welt von Potential zur Wirklichkeit in der Form einer creatio continua347 statt. In diesem teleologischen Schema der Geschichtsdeutung wird der Begriff der Nation einerseits durch den Rückgriff auf die oben skizzierte Kosmologie eingeführt, andererseits durch den Bezug zur biblischen Erzählung der Menschenschöpfung und implizit der existentiellen Bedingungen vor der Ursünde. Die Beziehung des Nationsbegriffs zur Anthropologie hat eine besondere Bedeutung, denn dadurch verfolgt Stăniloae die Untermauerung der Behauptung, dass die Nation keinesfalls ein Resultat der historischen Kontingenz sei, sondern eine ontologische Gegebenheit der menschlichen Natur. Gemäß dieser Deutung charakterisiere das Nationale die menschliche Kondition schon seit der Erschaffung der ersten Menschen, denn nicht einmal Adam war a-national; er sprach eine Sprache, hatte eine gewisse Mentalität, eine bestimmte psychische und körperliche Verfassung. Ein national



345 Vgl. Stăniloae, Scurtă interpretare, 2. 346 Ebd. 347 Zu einer Darstellung des Begriffs creatio continua, siehe Jerry D. Korsmeyer, God-Creature-Revelation. A Neoclassical Framework for Fundamental Theology, University Press of America, New York, 1995, 108–114.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens ungefärbter, reiner Mensch, ein Mensch ohne nationale Determination, ist eine Abstraktion.348

Zwischen dem Nationalen und dem Menschlichen bestehe eine ontologische Beziehung, die jeden Antagonismus ausschließt: „Ganz im Gegenteil, je mehr man seine menschlichen Regungen vertieft, desto tiefer versinkt man in den Mittelpunkt seiner nationalen Qualität. Die Tiefe der Menschheit liegt in den Tiefen des nationalen Charakters“.349 Diese ontologische Deutung des Nationalen lässt keinen Unterschied zwischen dem Attribut (nationale Identität) und der Essenz (menschliches Wesen) zu: Das Attribut des Wesens ist mit dem Wesen selbst identisch. Auffallend an dieser Deutung der Nation ist die Abwesenheit eines konkreten biblischen oder patristischen Bezugs, auf dem diese Idee des ursprünglichen, d.h. ontologischen Charakters der nationalen Identität des ersten Menschen fußen könnte. Stăniloae übersieht nicht nur diesen Mangel an biblischer und patristischer Untermauerung, sondern auch die Konsequenzen einer solchen Deutung der Menschenschöpfung. In diesem Sinne, wenn der Urmensch nach dem Bild Gottes erschaffen worden ist (1. Mose 1, 27), könnte man annehmen, dass Gott selbst eine gewisse Nationalität zugesprochen werden könnte – ein Gedanke, der übrigens in der Geschichte der christlichen Theologie schon diskutiert worden ist.350 Diese Interpretation der christlichen Anthropologie ist eine Folge von Stăniloaes Polemik gegen den katholischen Nationalismus Wilhelm Moocks. In seinem Beitrag „Christentum und Nation“ behauptet Moock, die – noch unerfüllte – Mission des Christentums sei „die Menschheit aus dem wilden Zustand der natürlichen Nationalität in den edlen Zustand eines von Gott erschaffenen Volkes“ zu bringen. Eine authentische Entwicklung des Christentums hätte „in den Jahrhunderten eine neue Nation mit neuem Blut gestalten“ sollen, und diese Verwandlung der Menschheit wäre das Ergebnis der Einwirkungen von Geist und Seele auf das Biologische. Moock behauptet, unter dem Einfluss derselben Ideen würden die biologischen Unterschiede zwischen den Nationen verschwinden und somit würde eine einzige, in diesem Falle christliche Nation, entstehen.351 Stăniloae antwortet auf diese spirituell-biologische Sichtweise, indem er den göttlichen Ursprung des Nationalen unterstreicht und, im Prozess der Herausbildung der nationalen Gemeinschaft, das historische Element dem transzendenten unterordnet: 

348 Stăniloae, Scurtă interpretare, 2. 349 Ders., Ortodoxie Юi naаiune, in: Gândirea, 2/1935, 78. 350 Siehe zum Beispiel Liah Greenfeld, Nationalism: Five Roads to Modernity, Harvard University Press, Cambridge, MA, 1992, 60. 351 Apud Dumitru Stăniloae, CreЮtinism Юi naаiune. Raportul lor în catolicism, in: Telegraful Român, 16/15 aprilie 1934, 1.



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Die Hypostase eines jeden Menschen stammt von Gott, kommt jedoch durch das Medium einer in den irdischen Eltern akkumulierten Vergangenheit zustande, und dieser Weg ist integraler Bestandteil seiner Gestaltung nach seinem Bild im Himmel. [...] Deswegen ist die nationale Qualität des menschlichen Ich nicht zufällig, oberflächlich, a posteriori, sondern Teil seines Schicksals und in den bestimmenden Elementen seines ewigen Bildes enthalten.352

Die Vergangenheit einer nationalen Gemeinschaft wird somit in jeder in die Gemeinschaft hineingeborene Person kondensiert, sodass jedes neue Individuum sich in eine gegenwärtige, jetzige, und doch gleichsam ursprüngliche Gemeinschaft integriert. Stăniloae differenziert in der Personenidentität zwei Ebenen: Eine äußerlich-kontingente (infolge der historischen Entwicklung sich konstituierende) und eine innerlich-metaphysische (das Ich göttlichen Ursprungs). Davon ausgehend ist die duale Struktur der individuellen Existenz auch im Falle der Nationen gültig, die ebenfalls ihre „in Gott ewig existierende Bilder“353 haben. Die geschichtliche Existenz jeder menschlichen Person wird von der Begegnung zwischen der Vergangenheit ihrer nationalen Gemeinschaft, so wie sie in ihren Eltern abgelagert ist und ihr von ihnen durch die Geburt weitergegeben wird, und ihrer Erschaffung von Gott nach seinem in der Ewigkeit existierenden Bilde bestimmt. Durch die Geburt eines jeden neuen Mitglieds der nationalen Gemeinschaft findet eine Aktualisierung des ursprünglichen Schöpfungsaktes Adams und gleichzeitig der Transfer des Nationalen aus der Transzendenz in die Immanenz durch die Verkörperung des transzendenten Bildes in Form der nationalen Gemeinschaft statt. Die Identität einer Nation gehört somit, in platonischer Auffassung, zur Ebene des Seienden. Ihr geschichtliches Werden wird von Gott geleitet, um sie zur Übereinstimmung mit dem „Bild“, das sie schon in der ewigen Transzendenz besitzt, zu bringen. Dieser Argumentation gemäß kann die Vielfalt der Nationen nicht annulliert werden, weil sie nicht das Ergebnis eines historischen Prozesses ist, sondern entspricht einer vorherbestimmten göttlichen Ordnung, die der Mensch nicht verändern kann. Als letztes Argument gegen eine mögliche, vom Christentum erzeugte Uniformität der Nationen erwähnen sowohl Stăniloae als auch Colan die Idee, dass die Nation das Offenbarungsmedium Gottes in der Geschichte sei. Die Vielfalt der Nationen sei gottgegeben und durch jede einzelne von ihnen wolle Gott eine Nuance Seiner ewigen Existenz entdecken lassen, sodass der Versuch, die Pluralität der Nationen zu reduzieren, der Verhinderung der göttlichen Präsenz in der Geschichte gleichkäme.354 Für Colan



352 Stăniloae, Ortodoxie Юi naаiune, 77–78; ders., CreЮtinism Юi naаiune, 2. 353 Ders., Scurtă interpretare, 2. 354 Vgl. ebd., 3.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens haben die Unterschiede zwischen den Nationalcharakteren der Völker die Rolle, in der Fürsorge und der unergründliche Weisheit der Vorsehung aus unterschiedlichen Perspektiven das Leben der Evangelien ans Licht zu ziehen.355

Diese Deutung der Begegnung der universellen Botschaft des Christentums mit dem nationalen Spezifikum einer partikulären menschlichen Gemeinschaft nimmt die Argumentationslogik der Kulturtheologie von Crainic wieder auf. In diesem Sinne sind alle Aspekte der Existenz einer nationalen Gemeinschaft nichts anderes als Formen der revelatio continua Gottes. Indem Gott sich durch die originelle Existenzart jeder christlichen Nation offenbare, tue Gott nichts anderes, als die gesamte Geschichtsdynamik zu ihrem Ziel hinzuführen.356 Die der christlichen Geschichtsdeutung spezifische Teleologie wird innerhalb des Diskurses der ROKS mit der Nationsidee assoziiert, in dem Sinne, dass die gezielte Geschichtsdynamik von Gott durch Vermittlung der Nationen aufgeprägt wird. Menschen und Nationen werden im Rahmen der creatio continua der Welt durch ihre Verwandlung und Orientierung hin zur Übereinstimmung mit dem ewigen Plan Gottes zu Mitschöpfern. Die gesamte Kultur- und Zivilisationsgeschichte der Menschheit ist in diesem Fall eine progressive Sedimentierung des Interagierens zwischen Gott und Mensch und die Nationen werden zum Objektivierungsmedium dieser Erfahrung: Die Beziehung mit der ewigen Ordnung besteht in der Entzifferung ihrer Anforderungen – das ist Erkenntnis – und darin, diesen Anforderungen durch soziale, moralische, politische, künstlerische u.ä. Leistungen zu entsprechen. Durch diese Beziehung wird ständig etwas von der ewigen Ordnung in die menschliche Person und in die Ordnung der erschaffenen Welt eingeführt, durch Vermittlung dieses Instruments, dieses Kanals, welcher von der menschlichen Person dargestellt wird. Und weil es keine menschliche Person oder Gruppe von verwandten menschlichen Personen gibt – das Volk – durch welche sie in diese Ordnung mit der unendlichen Vielfalt ihrer Aspekte eingeführt werden kann, gibt es die Menge an persönlichen und ethnischen Individualitäten, sodass jede von ihnen in sich selbst, je nach Struktur und eigenen Möglichkeiten, in gewisser Weise diese Ordnung beinhalten kann, in Übereinstimmung mit einer der zahllosen Möglichkeiten und Aspekten, die sie enthält.357

Wenn die „ewige Ordnung“ sich in die „Ordnung der erschaffenen Welt“ durch Vermittlung der Nationen integriert und wenn diese „die Ziele der Menschengeschichte realisieren sollen“, so bedeutet dies, dass die Geschichte ausschließlich als Geschichte der Nationen existiert. In diesem Sinne wird die Geschichte zu einer Form der göttlichen Offenbarung, d.h. sie ist nicht nur ein zeitlicher Rahmen, in dem Gott sich offenbart, sondern die gesamte Geschichte, mit allen 

355 N. [Nicolae Colan], Ortodoxie Юi românism, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 2/aprilie 1934, 4. 356 Vgl. ebd., 3. 357 Dumitru Stăniloae, Ortodoxia, modul spiritualităаii româneЮti, in: Gândirea, 6/1940, 419– 420.



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sie zusammensetzenden (nationalen) Ereignissen ist eigentlich ein Prozess der göttlichen Offenbarung. Diese Ethnotheologie der Geschichte nähert sich der Idee der Offenbarung als Geschichte, so wie sie in der protestantischen Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt worden ist.358 Diese Auffassung hat wahrscheinlich Stăniloae und Colan in ihren Gedanken über die Nation als Medium der Offenbarung Gottes in der Geschichte und als Geschichte beeinflusst. Nach Wolfhart Pannenberg behauptet die Bibel keine direkte Selbstoffenbarung Gottes, sondern nur eine indirekte göttliche Offenbarung durch Gottes Geschichtstaten. Im Alten Testament offenbarte sich JHWH durch die Geschichte des jüdischen Volkes in erster Linie als Gott einer bestimmten nationalen Gemeinschaft, um im Neuen Testament als Gott Israels durch Jesu zu einem Gott der gesamten Menschheit zu werden.359 Dank dieser Anwesenheit Gottes in der Geschichte könne behauptet werden, dass Gott selbst eine Geschichte hat. Pannenberg geht so weit zu suggerieren, dass Gott, aus Perspektive der eschatologischen Einheit der gesamten Existenz mit Ihm, die Geschichte selbst ist: Zwar ist nicht etwa der ganze Verlauf der Geschichte, sondern ihr Ende als Offenbarung Gottes mit seinem Wesen eins, aber insofern das Ende als Vollendung der Geschichte deren Verlauf voraussetzt, gehört sie, die von ihrem Ende her ihre Einheit empfängt, wesentlich zur Gottesoffenbarung hinzu. Das Wesen Gottes, obwohl von Ewigkeit zu Ewigkeit dasselbe, hat in der Zeit eine Geschichte.360

Aus der Perspektive des ethnotheologischen Verständnisses der Geschichte wird durch den historischen Prozess nicht Gott in seinem Wesen entdeckt, sondern die „ewige Ordnung“, die durch die Nationen in der immanenten Ordnung verkörpert wird. Alle von Stăniloae aufgezählten Aspekte der Ordnung – sozialer, moralischer, politischer und künstlerischer Natur – werden der Nation untergeordnet, oder, genauer gesagt, sind in der Nation eingeschlossen, und zwar als Ausdrucksformen ihres Spezifikums. Ausgehend vom Begriff des Mediums Sinn in Niklas Luhmanns Systemtheorie kann im Falle dieser Deutung der Nation, von einem die gesamte Realität umfassenden Medium Nation gesprochen werden. Von der Semantisierungsart von Nation hängen auch die Charakteristika der sozialen, von der Kirche infolge 

358 Zu einer Darstellung dieser Interpretationsrichtung speziell in der protestantischen Theologie und generell in der deutschen Kultur, siehe Wolfhart Pannenberg, Einführung, in: ders. (Hg.), Offenbarung als Geschichte, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1982, 7– 20. 359 Vgl. Wolfhart Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, in: ders. (Hg.), Offenbarung, 91, 103. 360 Ebd., 97. Stăniloae schlägt eine ähnliche Sicht auf die Geschichte als Verbreitungsmedium der Offenbarung in seinem Band Iisus Hristos sau Restaurarea omului vor (siehe, vor allem, 31–44), wo er die Theologie von Gogarten, Bruner und Barth zur Beziehung zwischen Gott, Mensch und Geschichte rezipiert.

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der „Entzifferung der Ansprüche“ der ewigen Ordnung vorgeschlagenen Ordnung ab. Hier wird die Rolle der Kirche als Agentin der sozialen Ordnung, die im folgenden Kapitel analysiert werden soll, ersichtlich. Vorerst soll die Tatsache betont werden, dass die Kirche implizit die Vermittlerinnenrolle zwischen transzendenter, idealer und immanenter, realer Ordnung übernimmt. Das setzt aus ihrer Perspektive automatisch den Vorrang der religiösen Prinzipien vor den politischen in der sozialen Ordnung voraus.

III.5. Von Transzendenz zu Immanenz: Strukturelemente der rumänischen nationalen Identität Das Nationale, so wie aus obiger Analyse ersichtlich wird, ist eine metaphysische Gegebenheit, die weder verändert noch annulliert werden kann. Doch welches sind die wesenskonstitutiven Elemente des Nationalen im Falle der rumänischen Nation? Genauer gesagt, wenn aus dieser theologischen Perspektive das Wesen einer jeden Nation der in der Geschichte verkörperte Gedanke Gottes selbst ist, welches sind dann die Elemente, die das immanente Wesen der rumänischen Nation bilden? In erster Linie muss hervorgehoben werden, dass die Gestaltung eines jeden Identitätstypus von der „Wahrnehmung der eigenen Individualität und der Fremdartigkeit gegenüber Anderen“361 ausgeht, was im Falle der kollektiven Identität automatisch zu einer Grenzziehung zwischen dem Innenraum einer Gemeinschaft und der Welt jenseits dieser Grenze führt.362 Dieser Abgrenzungsprozess setzt voraus, dass die Alterität von jeder menschlichen Gruppe vor allem durch die fundamentalen Kategorien der Inklusion und Exklusion wahrgenommen wird.363 Das setzt eine Festlegung der Kriterien voraus, nach denen ein Individuum oder eine menschliche Gruppe zu der betreffenden Gemeinschaft gehören kann oder nicht. Als Variante des kollektiven Identitätskonstruktes konzentriert sich der Prozess der Nationsbildung seinerseits auf die Hervorhebung jener Merkmale, die eine Nation von einer anderen unterscheiden. Das stellt gleichzeitig eine Stärkung 

361 Michael Metzeltin/Thomas Wallmann, Wege zur Europäischen Identität. Individuelle, nationalstaatliche und supranationale Identitätskonstrukte, Frank & Timme GmbH Verlag für wissenschaftliche Literatur, Berlin, 2010, 41. 362 Siehe Bernhard Giesen, Codes kollektiver Identität, in: Werner Gephart/Hans Waldenfels (Hg.), Religion und Identität im Horizont des Pluralismus, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1999, 13–43, hier 13; siehe auch Georg Elwert, Nationalismus und Ethnizität. Über die Bildung von Wir-Gruppen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41/1989, 440–464. 363 Vgl. Inga Beinke, Identität – Konstruktion und soziale Tatsachen, in: Ost-West. Europäische Perspektiven, 9, 2/2008, 83–92, hier 84.



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des Bewusstseins der eigenen Einzigartigkeit dar.364 Die Merkmale der nationalen Identität erscheinen somit am Kreuzungspunkt zweier Diskurstypen: Des Selbstreferentiellen – also das, was die betreffende Gemeinschaft über sich selbst sagt – und des Dialektischen, der sich auf die Abgrenzung von Anderen stützt und dessen Funktion darin besteht, den ersten Typus der Identitätsbildung zu ergänzen und zu bestätigen. III.5.1. Selbstreferentielle Gestaltung der nationalen Identität III.5.1.1. Die geschlossene ethnische Gemeinschaft Für Stăniloae wird die ontologische Struktur der rumänischen Nation in erster Linie von einem „gewissen gemeinsamen Blut“, „einer solidarisch gelebten Vergangenheit [...] mit all ihren Erinnerungen und Spuren“ und, selbstverständlich, dem „geographischen Ort“ als Existenzrahmen bestimmt.365 Zu bemerken ist, dass der Nationsdiskurs Stăniloaes sich um den Gedanken der „Gemeinsamkeit“ dreht (gemeinsames Blut, Kontinuität des Zusammenlebens im selben Raum, gemeinsame Vergangenheit), was die Nation zu einer in sich geschlossenen Realität, zu einer in Bezug zu anderen Individuen und menschlichen Gruppen, die diese Charakteristiken nicht aufweisen, exklusivistischen Gemeinschaft macht. Wenn er die Idee des „gemeinsamen Blutes“ hervorhebt, bezieht sich Stăniloae implizit auch auf die romanischen Ursprünge des rumänischen Volkes und auf dessen sprachliche Verwandtschaft mit den romanischen Völkern Europas. Das „im Blut, in der Sprache und im Charakter“ vorhandene romanische Element wird von Stăniloae eher als eine Bedrohung der rumänischen „ethnischen Originalität“ denn als Potenzierungsform dieser betrachtet. Diese Originalität könnte verloren gehen, wenn aufgrund des gemeinsamen romanischen Ursprungs der Aufnahmeprozess der „Wörter und Lebensformen“ von den romanischen Völkern Europas weitergehen sollte.366 Der rumänische Theologe beklagt die Tatsache, dass mit Beginn des 19. Jahrhunderts die Rumänen zu einem „von Imitationen lebenden“ Volk reduziert worden seien.367 Er sieht in der Orthodoxie die einzige Möglichkeit, diesen Prozess aufzuhalten und ebenso in ihr den einzigen Faktor, der die ethnische und kulturelle Originalität des rumänischen 

364 Vgl. Philip W. Barker, Religious Nationalism in Modern Europe. If God be for us, Routledge, London/New York, 2009, 30. 365 Dumitru Stăniloae, Între românism Юi catolicism, in: Telegraful Român, 86/29 noiembrie 1930, 2. 366 Vgl. ders., Ortodoxie Юi latinitate, in: Gândirea, 4/1939, 198. 367 Vgl. ebd.

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Volkes konservieren und gleichzeitig stimulieren könnte.368 Der polemische Ton dieser Evaluierung richtet sich offensichtlich gegen die Europänisten und zielt vor allem auf den massiven Einfluss Frankreichs in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Modernisierung der rumänischen Gesellschaft ab. Die Europäisten der Zwischenkriegszeit waren die Fortführer der Generation von Intellektuellen und Revolutionären von 1848, die in der Übernahme der Werte und Einrichtungen der französischen Zivilisation (vornehmlich, aber nicht nur) die einzige authentische Form der Modernisierung der rumänischen Gesellschaft sahen. Ion C. Brătianu und Constantin A. Rosetti schreiben am 26. Juni 1848 an Edgar Quinet: „Jeder Rumäne hat zwei Vaterländer: Zunächst der Boden, auf dem er geboren ist, dann Frankreich […]. Erinnere Frankreich daran, dass wir seine Söhne sind […]“.369 Das Hauptargument der Generation von 1848 für die Ausrichtung Rumäniens an der französischen Zivilisation bestand eben im gemeinsamen romanischen Hintergrund der beiden Völker. Selbstverständlich war die von Brătianu und Rosetti erwähnte doppelte rumänisch-französische Identität nicht eine Tatsache, sondern ein Desiderat. Ihre Erwähnung drückt doch sehr eindringlich das kulturelle und politische Programm ihrer Generation aus, und zwar die Gestaltung einer rumänischen Gesellschaft nach dem Vorbild der westlichen im Allgemeinen und der französischen im Besonderen. Indem er das Problem des Verhältnisses zwischen der rumänischen Kultur und der westlichen Zivilisation direkt aufgreift, stellt Stăniloae gerade die Möglichkeit des von Lovinescu theoretisierten Synchronisierungsprozesses in Frage. Diese Polemik wurde von der in der Zwischenkriegszeit oftmals öffentlich ausgesprochenen Idee angestoßen, dass die Übernahme des Katholizismus automatisch zu einer Beschleunigung des Synchronisierungsprozesses Rumäniens mit der westlichen christlichen Zivilisation führen würde. Das Aufgeben der Orthodoxie und das Übertreten zum Katholizismus würden keinesfalls zu einer verstärkten Annäherung des rumänischen Volkes zu den westlichen katholischen Völkern führen: Diese „haben sich kulturell synchronisch entwickelt“ und waren demzufolge stets auf einer ähnlichen kulturellen Ebene, was die Verminderung der unter ihnen bestehenden kulturellen und zivilisationsbestimmten Unterschiede in der Neuzeit erleichtert habe.370 In diesem Sinne stelle der Katholizismus in seiner Gesamtheit einen kulturellen Vorrat dar, in dem jedes Volk seinen „aus seinem eigenen Wesen erwachsenen“ Beitrag geleistet habe. Deswegen würde die Übernahme des Katholizismus durch den orthodoxen Rumänen gleichermaßen die Übernahme der Kultur eines der romanischen Völker voraussetzen,371 zum Beispiel des französischen. Der Hauptgedanke der Synchronisierungstheorie von Lovinescu – die fremde Form würde irgendwann einen 

368 369 370 371



Vgl. ebd. Ion C. Brătianu, Acte Юi cuvântări, Volumul I/Partea I, Bucure‫܈‬ti, 1938, 2. Vgl. Stăniloae, Ortodoxie Юi latinitate, 198. Vgl. ebd.

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autochthonen originellen Inhalt generieren – könne im Falle der Beziehung des rumänischen Volkes zu einem Volk, dessen Zivilisationsgrad höher sei, nicht angewandt werden, denn bis wir die letzten Neuigkeiten assimiliert haben, produziert es schon andere. Und wo wäre das eigene seelische Element, mit dem wir die Kultur eines romanischen Volkes vermischen würden, um eine spezifische Synthese hervorzubringen, wenn wir uns von jeder uns eigenen spirituellen Tradition loslösen würden? Ein Kulturleben, das wir absolut neu beginnen würden, ohne Fundamente in der Vergangenheit, ist unmöglich […]. Kann man die Vergangenheit eines anderen vollständig übernehmen, kann man sie mit jener kulturschaffenden Verklärung lieben, mit der man die eigene Vergangenheit liebt? Kann eine Kultur, die aus fremden Wurzeln gewachsen ist, im Geiste des Volkes, das sie übernommen hat, Früchte bringen? Selbst wenn sie, absurderweise, Frucht bringen würde, so wären diese Früchte beinahe die gleichen wie jene, die weiter im Geiste jenes Volkes, von dem sie übernommen worden sind, reifen. Weil eine übernommene Kultur, so sie sich ausschließlich in der Seele des Übernehmers durchsetzt, diesen nach dem Antlitz der Seele formt, welche jene Kultur erschaffen hat.372

In dieser Argumentation wird der Gedanke der organischen Verbindung, die zwischen dem Spezifikum eines Volkes und seiner Kultur bestehen sollte, deutlich. Stăniloae greift auf Maiorescus Theorie der Formen ohne Inhalt zurück, um Lovinescus Idee der Zivilisationssynchronisierung zu bekämpfen. Wegen des radikalen Unterschieds zwischen dem autochthonen kulturellen Inhalt und der eingeführten Zivilisationsform wird letztere nur sich selbst und ihren ursprünglichen kulturellen Inhalt wiederholen. Die Synchronisierung wird damit zu einer Unmöglichkeit, denn jedes Volk ist im Wesentlichen eine menschliche Gemeinschaft, die sich autopoietisch in der Geschichte perpetuiert, ohne von einem äußeren Faktor in seinen ontologischen Eigenheiten verändert zu werden. Obgleich alle die nationale Identität bestimmenden Elemente wesentlich seien, in dem Sinne, dass der Verlust des einen zur radikalen Veränderung der betreffenden Gemeinschaft führen würde,373 beleuchtet der öffentliche Diskurs der ROKS vornehmlich die Rolle der Sprache und der Orthodoxie in der Gestaltung und im Ausdruck der nationalen Identität.

III.5.1.2. Die Sprache als existenzielles Phänomen Eine Untersuchung der Sprache und der Konfession als definitorische Merkmale der nationalen Identität bietet in erster Linie Stăniloae, und zwar als Reaktion auf die Polemik zwischen Nae Ionescu und Iosif Frollo über die Beziehung zwischen Nation und Konfession, bzw. der Rolle der Konfession bei der Bestimmung der 

372 Ebd., 199. 373 Vgl. Stăniloae, Între românism, 2.

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wesentlichen Merkmale der rumänischen Nation.374 Stăniloae übernimmt die von Frollo vorgeschlagene scholastische Argumentationsweise (Unterscheidung zwischen Wesen, d.h. Nation und Akzidenz, d.h. Religion), doch anders als Frollo ordnet er in der Hierarchie der Bestimmungselemente der Identität eines Volkes Sprache und Existenzraum der Religion unter. Um den Unterschied zwischen wesentlichen und akzidentiellen Elementen des Ethnischen zu betonen, schlägt Stăniloae als methodologischen Grundsatz eine kontrafaktische Analyse der Geschichte des rumänischen Volkes vor. Wie würde es dem rumänischen Volk ergehen, wenn es seinen Existenzraum und die Sprache änderte, würde sich dadurch seine Identität in diesem Prozess verändern oder nicht? Stăniloaes Antwort ist negativ. Das Wesen des Ethnischen, betont er, bestehe in einer „gewissen spirituellen Struktur, die in gewissem Maße von Sprache und Lebensraum bedingt und von der Sprache teilweise ausgedrückt wird“.375 In diesem Fall sei die Sprache ein wesentliches Element in der „Seele eines Volkes“,376 und zwar nicht wegen ihrer Rolle als Kommunikations- und Sozialisierungsinstrument, sondern weil sie zum Teil Ausdruck einer einheitlichen Seele und eines ihrer Merkmale und auch einer der Faktoren ist, der, gemeinsam mit anderen, auf die individuelle Seele einwirkt und sie der kollektiven Volksseele assimiliert.377

Durch die Sprache wird somit die mögliche Spannung zwischen Teil und Ganzem aufgehoben, bzw. zwischen Individuum und nationaler Gemeinschaft. Die Ausdrucksmöglichkeit der Volksseele ist die Sprache – sowohl im Sinne eines zwischenmenschlichen Dialogs als auch eines der ethnischen Gemeinschaft spezifischen literarischen Diskurses. Die Perspektive, aus der das Verhältnis zwischen Sprache und Volksseele betrachtet wird, ist das Ergebnis der Rezeption einiger Grundideen des deutschen Nationalismus des 19. Jahrhunderts. In diesem Sinne stellen Begriffe wie „ethnische Persönlichkeit“,378 „nationales Ich“379 oder „ethnischer Charakter“,380 im Diskurs der ROKS semantische Varianten des von J.G. Herder eingeführten Begriffs „Nationalcharakter“381 dar. Durch diesen Begriff wollte der deutsche Romantiker das Spezifikum eines jeden Volkes definieren, so wie es sich durch die Jahrhunderte hindurch entwickelt und 

374 375 376 377 378 379 380 381



Siehe Ionescu, Roza vânturilor, 194–214. Stăniloae, Între românism, 2. Ebd. Ebd.; siehe Grigore Popa, Stilul românesc, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 8–9/august–septembrie 1936, 2. Stăniloae, Între românism, 3. Ders., CreЮtinism Юi naаiune, 2. N. [Nicolae Colan], Ortodoxie, 4. Herder, Ideen zur Philosophie, 368.

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durch seine Kultur, Bräuche und vor allem seine Sprache ausgedrückt hatte.382 Anfang des 19. Jahrhunderts sah Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) seinerseits in der Sprache ein Instrument der Untersuchung „bis in die geheimste Tiefe“ des individuellen Wesens, und, im Falle der Nation als kollektive Individualität, des eigenen ethnischen Wesens.383 Die Sprache sei somit das Ausdrucksmittel der Merkmale eines sogenannten „Urvolkes“.384 Aus der Perspektive Stăniloaes wird ein Volk von der Sprache in erster Linie nicht dadurch definiert, dass sie ein gemeinsames Kommunikationsinstrument unter seinen Mitgliedern sei, sondern durch ihre Fähigkeit, jedes Mitglied der nationalen Gemeinschaft in Kontakt mit dem spirituellen Wesen des Volkes zu bringen.385 In diesem Sinne könne „ein Fremder, der der rumänischen Sprache mächtig ist, sich nicht rumänisch ausdrücken, weil er sich noch keine rumänische Seele geschaffen hat“.386 Diese Auffassung über die Sprache wird sowohl von J.G. Herder als auch vom Existentialismus der Zwischenkriegszeit beeinflusst, vor allem von Martin Heidegger. Offensichtlich wird dieser Einfluss in der Betonung der Beziehung zwischen konkretem Kontext, in dem eine Sprache geboren wird und ihrer Fähigkeit, die Art und Weise auszudrücken, in der der Mensch sich selbst als Teil dieses Kontextes begreift. Für Heidegger sind die beiden fundamentalen Existenzialien, die das Wesen des In-der-Welt-seins bilden, Befindlichkeit und Verstehen. Das Verständnis und die Deutung dieser existentiellen Situation führen gleichzeitig zur Bildung der Rede, deren Rolle darin besteht, „die befindliche Verständlichkeit des In-der-Welt-seins“ des Menschen auszudrücken. Die Sprache als „Hinausgesprochenheit der Rede“ ist damit die letzte Ausdrucksebene der Erfahrung des In-der-Welt-seins des Menschen.387 Im Nationsdiskurs kommt der Sprache eine doppelte Funktion zu. Einerseits eine instrumentelle, andererseits eine existentielle, je nach Verwendung: Nur innerhalb des Volkes, das sie hervorgebracht hat, kann die Sprache als existentielles Phänomen agieren, welches dem Individuum den Zugang zum Wesen des Volkes, zu dem es gehört, sichern kann. Wenn sie von Individuen benutzt wird, die in anderen ethnischen Kontexten geboren und gebildet worden sind, ist die Sprache ein einfaches äußeres Kommunikationsmittel.



382 383 384 385 386

Vgl. ebd., 353. Siehe Fichte, Reden, 436f. Ebd., 470. Vgl. Stăniloae, Între românism, 2. Ebd.; siehe auch Sextil Pu‫܈‬cariu, Rostul bisericii noastre, in: Legea Românească, 9/1 mai 1935, 71. 387 Vgl. Martin Heidegger, Sein und Zeit, Max Niemeyer, Tübingen, 1967, 160–161.

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III.5.1.3. Die Nation-Konfession und „das Rumänische Gesetz“/„das Gesetz der Vorfahren“ Für Stăniloae ist die Orthodoxie das Element, auf das sich die Einheit und die Identität der Nation gründe. Deren Funktion bestehe in der moralischen und ontologischen Entwicklung der nationalen Merkmale und Neigungen.388 Die Orthodoxie bestimmt den autopoietischen Generierungsprozess der nationalen Gemeinschaft in der Geschichte und die Sprache spielt die Rolle eines Offenbarungsmittels dieser Gemeinschaft. Wenn, wie oben gezeigt, die Interaktion zwischen der Botschaft des Evangeliums und einem bestimmten Volk zur Herausbildung eines ethno-konfessionellen Mittels der kontinuierlichen Offenbarung Gottes in der Geschichte führt, so findet im Falle des rumänischen Volkes dieser Offenbarungsprozess durch Vermittlung der Nation-Konfession statt. Die Beziehung zwischen Orthodoxie und Volk sei so eng, dass deren Abwesenheit aus der „Architektur der rumänischen Seele“ dem Volk eine andere spirituelle Orientierung aufgeprägt hätte und „wir wären nicht mehr, wie wir sind, was bedeutet, dass wir nicht mehr das wären, was wir sind“.389 Der Übergang vom „wie“ (d.h. der phänomenologischen Dimension des Nationalen) zum „was“ (d.h. der ontologischen Dimension des Nationalen) drückt den Hauptgedanken der kollektiven Mentalität der orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen aus, und zwar dass das Christentum zum Volkswesen gehört. Es war ihm Leitgedanke in allen Lebensformen, und deswegen ist unser Christentum das rumänische Gesetz (legea românească).390

Das Spezifikum dieser identitären Formel besteht in der Identifizierung des Ethnischen mit dem Konfessionellen, sodass Rumäne sein und orthodox sein zu synonymen Wirklichkeiten werden.391 Dadurch wird das „rumänische Gesetz“ zum zentralen Konzept, um das sich die des Orthodoxismus spezifischen Semantiken drehen. Die Synonymie zwischen National und Konfessionell deutet im Wesentlichen darauf hin, dass die nationale Gemeinschaft von der Glaubensgemeinschaft innerhalb der Kirche generiert wird; im Falle der Rumänen schafft das 

388 Vgl. Diorates [Dumitru Stăniloae], Catolicism ori naаionalism, in: Telegraful Român, 26– 27/2 aprilie 1932, 2; siehe auch ders., Românism Юi ortodoxie, in: Gândirea, 8/1936, 403; ders., Naаionalismul sub aspect moral, in: Telegraful Român, 49/5 decembrie 1937, 2. 389 Stăniloae, Între românism, 2.; siehe N. [Nicolae Colan], Ortodoxia Юi renaЮterea naаională, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 3/martie 1939, 3; Traian Mosic, Ortodoxia noastră, in: Telegraful Român, 10/1 martie 1936, 2. 390 Isidor Todoran, CreЮtinism Юi naаiune, in: Legea Românească, 2/15 ianuarie 1937, 21. 391 Vgl. Grigore Com‫܈‬a, Ortodoxia Юi românismul în trecutul nostru, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 17/23 aprilie 1933, 2; siehe auch ***Ce este legea românească, in: Legea Românească, 1/13 ianuarie 1924, 2.



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Religiöse das Nationale und, wie in den folgenden Kapiteln detailliert herauszustellen sein wird, das Politische mit all seinen Objektivierungsformen. Neben dem Begriff des rumänischen Gesetzes benutzen die Siebenbürger Rumänen auch den Begriff Gesetz der Vorfahren/der Urahnen (legea strămoЮească), um ihre konfessionelle Identität zu konzeptualisieren. Innerhalb der ROKS wurde der Begriff Gesetz mit jener Bedeutung verwendet, die er in dem im orthodoxen Raum im 17. Jahrhundert erschienenen Glaubensbekenntnis erhalten hatte: Das Bekenntnis des Metropoliten von Kiew, Petro Mohyla (1642) und des Patriarchen Dositheos von Jerusalem (1672).392 Der Begriff Gesetz bezeichnet die göttliche Offenbarung aus der Heiligen Schrift, die von den Kirchenvätern im Rahmen der sieben ökumenischen Synoden interpretiert worden ist.393 Das Gesetz bezeichnet in diesem Kontext sowohl den Glaubensinhalt, als auch dessen obligatorischen Charakter, und die Anbindung an die Vorfahren weist auf das Alter und die Kontinuität des Christentums im rumänischen Volk hin.394 Durch den Bezug auf die Vorfahren wird auch implizit der universelle Charakter des Gesetzes betont, in dem Sinne, dass dieses die synchronische und diachronische Gemeinschaft der Gläubigen sichert.395 Die Idee des Gesetzes der Vorfahren ist von den orthodoxen, mit Rom unierten Rumänen vor allem im Kontext der Verhandlungen, die zur Entstehung der Griechisch-Katholischen Kirche geführt haben, betont worden. Für sie bezeichnete der Begriff Gesetz der Vorfahren in erster Linie eine Sammlung von kultischen Normen (die Einhaltung der liturgischen Feiertage, das Fasten, den Kalender und den Wahlmodus des Bischofs), die sie zu bewahren beabsichtigt.396 Ausgehend von dieser Betonung der rituellen Aspekte der konfessionellen Identität behauptet Daniel Barbu, das Gesetz der Vorfahren, d.h. die Orthodoxie, sei für die Rumänen lediglich eine Ansammlung von weitergeführten Verhaltensregeln gewesen, durch die sie sich ihre Individualität unter den anderen Völkern bewahren konnten. Die Orthodoxie hätte für sie im Grunde keine dogmatische oder kanonische Bedeutung, sie wäre für die Rumänen „eine politische, nicht eine religiöse Gemeinschaft“.397 Das sei auch daraus ersichtlich, dass für die Rumänen das orthodoxe Christentum keinen „Glauben (was eine persönliche Treue voraussetzen würde), sondern ein Gesetz (was die Unterwerfung im öffentlichen Raum voraussetzt)“ darstelle. Der Begriff Gesetz wäre in der kollektiven 

392 Vgl. Dorin Oancea, Das einzige Gesetz – Quelle einer doppelten konfessionellen Identität?, in: Annales Universitatis Apulensis, Series Historica, 2/2002, 111–125, hier 113. 393 Vgl. ebd., 116. 394 Vgl. ebd. 395 Vgl. ebd., 125. 396 Siehe Ernst Christoph Suttner, „Legea strămoЮească“. Glaubensordnung und Garantie des sozialen Zusammenhalts, in: Ostkirchliche Studien, 1/2007, 138–154, hier 142–143. 397 Daniel Barbu, Bizanа contra Bizanа. Explorări în cultura politică românească, Nemira, Bucure‫܈‬ti, 2001, 97.

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Mentalität der orthodoxen Rumänen an die von den römischen Kaisern verabschiedeten Gesetze gebunden (lex) und nicht an die Verehrung der Gottheit (religio) oder den Glauben an diese (fides).398 Mit anderen Worten war das Gesetz der Vorfahren nur ein rituelles Prozedere, welches die soziale Differenzierung der ethno-konfessionellen rumänischen Gruppe und deren Identität unter den anderen ethno-konfessionellen Gruppen gewährleisten sollte, und war vollkommen bar eines dogmatischen spirituellen, dem orthodoxen Christentum spezifischen Inhalts. Die Betonung der kultischen Dimension in der Definition der konfessionellen Identität der rumänischen orthodoxen Gemeinschaft stellt aber nicht eine Vernachlässigung des dogmatischen und spirituellen, dem orthodoxen Christentum spezifischen Ethos dar. Der Mangel eines dogmatischen Bewusstseins der Gläubigen bedeutet keinesfalls, dass deren christliche Existenz sich ausschließlich auf eine Sammlung von rituellen Praktiken beschränkte. Diese Auffassung könnte der Wahrheit entsprechen, wenn zwischen der dogmatischen und der kultischen Dimension der Kirche kein Berührungspunkt bestehen würde. Von dieser Voraussetzung geht Barbu aus, wenn er den Begriff des Gesetzes der Vorfahren untersucht. Indem er ihn aufgrund der Dichotomie zwischen Dogma und Kultus bzw. zwischen Glaubensgemeinschaft und politischer Gemeinschaft begreift, reduziert Barbu das orthodoxe Christentum der Rumänen auf eine Reihe säkularisierter öffentlicher Gesten und Haltungen. Diese Deutung vernachlässigt vollständig das Spezifikum des orthodoxen Christentums, in dem zwischen Kultus – in all seinen Formen – und Dogma eine ontologische Verbindung besteht: Die dogmatische Lehre der orthodoxen Kirche enthält die konzeptuelle Kodifizierung der Erfahrung einer Begegnung von Mensch und Gott innerhalb des göttlichen Kultus, welcher seinerseits nichts anderes als die Ausdrucksform des dogmatischen und spirituellen Ethos in sichtbarer Form der rituellen Ereignisse ist.399 Für die siebenbürgischen orthodoxen Rumänen, so Dorin Oancea, war die Bewahrung des unveränderten Kultus auch nach der Einheit mit der Katholischen Kirche eine Bewahrungs- und gleichzeitig eine liturgische Bestätigungsform der dogmatischen Tradition der christlichen Kirche byzantinischer Tradition. Denn in der heiligen Liturgie stießen und stoßen die Gläubigen auf eine Fülle der Wahrheit und auf die Möglichkeit, sie sogleich zu erfahren, und das befriedigte und befriedigt vollkommen ihre geistigen Bedürfnisse. Solange auf diese liturgische Fülle nicht verzichtet wird, scheint alles unverändert zu bleiben, das Gesetz bleibt dasselbe. Für die Orthodoxen bildet eben diese unveränderte Bewahrung des liturgisch-doktrinären 

398 Vgl. ebd. 399 Zu einer detaillierten Darstellung des dem Orthodoxen Christentum eigenen Spezifikums aus der Perspektive der Beziehung zwischen Dogma, Spiritualität und Kultus, siehe Metropolitan Hilarion Alfeyev, Orthodox Christianity, Volume II: Doctrine and Teaching of the Orthodox Church, St Vladimir’s Seminary Press, New York, 2012.



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Gesetzes, so wie es in den Ökumenischen Synoden definiert worden ist und seinen Ausdruck im Kultus erfahren hat, die Hauptkomponente ihrer Identität, auf die unter keinen Umständen verzichtet werden kann.400

Oanceas Interpretation des Begriffs Gesetz der Vorfahren ist keinesfalls ein Spezifikum des jüngsten theologischen Diskurses. Im Rahmen einer 1923 im rumänischen Senat stattgefundenen Polemik zwischen Nicolae Bălan und dem griechisch-katholischen Bischof Ioan Suciu (1907–1953) legte der orthodoxe Metropolit fest, was genau die orthodoxen Rumänen, die die Union mit der Katholischen Kirche vollzogen hatten, meinten, wenn sie vom Gesetz der Vorfahren sprachen. Bischof Suciu behauptet, dass die Bedingungen der orthodoxen Rumänen für die Union mit der Katholischen Kirche – „das Gesetz bleibt bestehen“ – ein Beweis dafür sei, dass das Gesetz der Vorfahren sich in ihrer Sicht ausschließlich auf die „äußere Zeremonie“ beschränke. Bălan unterstreicht aber, dass die orthodoxen Rumänen durch das Gesetz nicht nur den Ritus als Äußerlichkeit verstehen, sondern die Gesamtheit religiöser und moralischer Inspiration, die das Leben unseres gesamten Volkes durch die Jahrhunderte hindurch geprägt hat.401

Bălans Antwort ist Ausdruck eines holistischen, d.h. dogmatischen, kultischen und moralischen Verständnisses dieses Syntagmas. Gleichzeitig muss betont werden, dass zu Beginn des Kristallisationsprozesses der konfessionellen Identität der Griechisch-Katholischen Kirche der Begriff Gesetz der Vorfahren von beiden rumänischen Kirchen gleichermaßen benutzt worden ist.402 Die orthodoxen Gläubigen – die nicht-unierten – begannen jedoch im Laufe der Zeit den Begriff Gesetz der Vorfahren zu benutzen, um ihren dem östlichen byzantinischen Christentum typischen Glauben und ihr Christsein von jenem der mit der Katholischen Kirche unierten Rumänen abzugrenzen.403 Der Begriff Gesetz der 

400 Dorin Oancea, „Das Gesetz der Vorfahren“ im historischen siebenbürgischen Kontext, in: Annales Universitatis Apulensis, Series Historica, 2/2005, 21–26, hier 24. 401 Nicolae Bălan, Evanghelia Юi democraаia, ortodoxia Юi neamul, biserica Юi statul. Vorbire rostită cu ocazia discu‫܊‬iilor generale asupra Constitu‫܊‬iei, în ‫܈‬edin‫܊‬a de la 12 martie 1923 a Senatului român, in Telegraful Român, 25–27/5 aprilie 1923, 5. 402 Vgl. Oancea, Das einzige Gesetz, 112; siehe auch Hans-Christian Maner, Zwischen katholischer Kirche und dem „Gesetz der Urahnen“. Die unierte Kirche Siebenbürgens von der Union bis zum 19. Jahrhundert, in: Mihai-D. Grigore/Florian Kührer-Wielach (Hg.), Orthodoxa Confessio? Konfessionsbildung, Konfessionalisierung und ihre Folgen in der östlichen Christenheit Europas, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2018, 293–304. 403 Vgl. Suttner, „Legea StrămoЮească“, 151; siehe auch Daniel Dumitran, Formen der Identitätsbestimmung in Siebenbürgen im 18. Jahrhundert. Das Beispiel der Nicht-Unierten Rumänen und ders., Formen der Identitätsdefinition im Siebenbürgen des 18. Jhs. Einführung in die Kritik des Geschichtsbildes der nicht-unierten Rumänen, in: Marte et alii (Hg.), Die Union der Rumänen Siebenbürgens mit der Kirche von Rom, Band 2, 699–737 bzw. 739–838.

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Vorfahren erfüllte somit eine Abgrenzungsfunktion durch die soziale Differenzierung der Siebenbürger Rumänen, um dann nach 1700 ein Instrument der konfessionellen Differenzierung zu werden. Wahr ist, dass im politischen, interethnischen und interkonfessionellen Kontext Siebenbürgens in der Neuzeit die Orthodoxie in ihrer holistischen, nicht nur rituellen Bedeutung für die Rumänen zu deren Zusammenschluss zu einer deutlich artikulierten sozialen und politischen Gruppe beigetragen hatte. Diese politische Funktionalität der Beziehung zwischen Nation und Konfession war keinesfalls ein Spezifikum der ROKS, sondern ein für die Nationen innerhalb der Vielvölkerreiche in Mittel- und Osteuropa typisches Merkmal. Innerhalb dieser Reiche griffen die Völker angesichts eines fehlenden Staates als Ausdruck ihrer politischen Individualität, auf die Konfession als Legitimierungsquelle der eigenen öffentlichen Identität zurück.404 Kurz nach der Integrierung Siebenbürgens in das rumänische Königreich interpretierte der Bischof von Oradea, Roman Ciorogariu (1852–1936, Bischof 1920–1936), den Kristallisations- und Konservierungsprozess der Identität der orthodoxen Rumänen im ehemaligen Habsburgerreich aus einer konfessionellnationalen Perspektive: [Trotz der] Abwesenheit der Menschenrechte hat das rumänische Volk das Bewusstsein seines ethnischen Selbst (eu etnic) bewahrt und dieses an Christus gebunden. Aus dieser seelischen Verbindung ist das rumänische Gesetz entsprungen, welches bedeutet, gleichzeitig Rumäne und Christ zu sein.405

Der Schwerpunkt dieser Definition des rumänischen Spezifikums ist die Unterscheidung zwischen den „Menschenrechten“, d.h. politischen Rechte, und „Christus“, d.h. der Orthodoxen Kirche. Der Bischof von Oradea behauptet im Wesentlichen, dass Rumäne sein nicht das Ergebnis eines politischen, immanenten, sondern eines theologischen, genauer gesagt eines ethnotheologischen Prozesses sei. Mit anderen Worten, da ihnen das Recht auf Zusammenschluss in eine politische Gemeinschaft aufgrund der vom Reich erhaltenen Rechte abgesprochen wurde, kristallisieren die Rumänen eine eigene politische Identitätsform heraus, aufgrund der ethno-konfessionellen Identität. Spezifisch an der zwischenkriegszeitlichen Interpretation des Begriffs rumänisches Gesetz/Gesetz der Vorfahren ist die Anpassung des Verständnisses der nationalen Identität an das Spezifikum des modernen europäischen Nationalismus. Darin ersetzte die Idee der Nation als das die Gruppenkohäsion stiftendes Prinzip allmählich die christliche Lehre und Praxis, die in der Vormoderne die 

404 Vgl. Wessel, Die Nationalisierung der Religion, 12; zum Fall Siebenbürgens, siehe Sorin Mitu, Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen. Eine Entstehungsgeschichte, Böhlau, Köln, 2003, 287–314; siehe auch Maner, Die „rumänische Nation“, in: Wessel (Hg.), Nationalisierung der Religion, 75–88. 405 Roman Ciorogariu, Legea Românească, in: Legea Românească, 1/noiembrie 1921, 1.



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sozialen Beziehungen gestalten und die Einzigartigkeit der unterschiedlichen menschlichen Gemeinschaften sichern.406 Doch das religiöse christlich-jüdische Imaginäre blieb in säkularisierter Form sowohl im westlichen, als auch im südosteuropäischen Nationalismus bestehen.407 Die nationalistischen Intellektuellen gestalteten eine typologische Beziehung zwischen der Geschichte des jüdischen Volkes und der Geschichte der unterschiedlichen europäischen Völker. Innerhalb der christlichen Theologie konzentriert sich die typologische Deutung auf die Herausstellung der symbolischen Verbindungen zwischen Ereignissen, Personen und Einrichtungen des Alten Testaments und des Neuen Testaments,408 wobei das erstere das letztere vorausdeutet: Die Stiftshütte (2. Mose 25) ist eine Vorausdeutung der Kirche, die eherne Schlange, die Mose in der Wüste anfertigt, um das jüdische Volk zu retten (4. Mose 21) gilt als Vorausdeutung auf die Kreuzigung Jesu Christi usw.409 Der europäische Nationalismus übernahm aus der Geschichte des Alten Testaments vor allem die zentrale Idee der Auserwählung Abrams zum Vater Seines Volkes: Und der Herr sprach zu Abram: Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden (1. Mose 12, 1–3).

Der typologische Interpretationsansatz im Nationalismus eines jeden Volkes geht in gewissem Maße immer davon aus, dass das betreffende Volk ein „auserwähltes“ sei; jedes Volk begreife sich selbst in Bezug zu einem gewissen Territorium, zu einem „Heiligen Land“ als „providentielle Heimstätte“, und seine geschichtliche Entwicklung stehe unter dem Zeichen einer Form von Messianismus „im Sinne einer historischen Mission, die durch eine säkularisierte Prädestinationslehre verbürgt wurde“.410 Diese typologische Interpretation hat sowohl eine implizite, als auch eine explizite Dimension. Die implizite Dimension besteht in der Herausstellung der Tatsache, dass die Erwählung Abrams die Geburtsstunde des jüdischen Volkes und gleichzeitig die Herausbildung seiner besonderen Beziehung zu Gott darstellt,



406 Vgl. Kohn, Die Idee des Nationalismus, 21. 407 Siehe hierfür Panteleimon Kalaitzidis, Holy Lands and Sacred Nations, in: Concilium, 1/2015, 115–123. 408 Vgl. Jean Daniélou, Qu’est ce que la typologie?, in: Paul Auvray et alii (Hg.), L’Ancien Testament et les Chrétiens, Editions du Cerf, Paris, 1951, 199–205, hier 199. 409 Für ein Beispiel klassischer typologischer christlicher Deutung des Alten Testaments siehe Gregory of Nyssa, The Life of Moses, Harper, San Francisco, 2006. 410 Wehler, Nationalismus, 27–28.

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folglich eine ausschließlich an ein bestimmtes Volk gebundene Religion.411 Die Geburt des jüdischen Volkes stimmt mit der Geburt seiner Religion überein. Der Nationsdiskurs der ROKS in der Zwischenkriegszeit unterstrich die Einzigartigkeit des rumänischen Volkes unter den christlichen Völkern in dem Sinne, dass die Orthodoxie den Status eines Urphänomens für das rumänische Volk besitze: Die Rumänen hätten in ihrer Geschichte keine „vorchristliche Phase“ gehabt, die Eroberung Dakiens durch das Römische Reich im Jahre 106 n.Chr. und der Beginn der Ethnogenese fallen folglich mit der Christianisierung zusammen.412 In diesem Sinne bestehe die rumänische Nation in der Identifikation des „Ethnischen romanischen Ursprungs“ der Vorfahren mit der „Orthodoxie“.413 Wie auch Nicolae Colan zeigt, sei die Geschichte der Orthodoxen Kirche mit der Geschichte des rumänischen Volkes identisch, die Kirche sei jener Ort, in dem Gott mit dem rumänischen Volk in Dialog trete und ihm das Heil zukommen lasse. Das im selben Glauben als spirituelle Gemeinschaft vereinte Volk trete vor Gott durch Vermittlung der Kirche: Und weil an dieser spirituellen Gemeinschaft alle Vorfahren teilhaben, alle Urahnen, die uns vorausgegangen sind und am selben Altar gebetet haben, an dem auch wir, die heutige Generation, in Andacht beten, darum hat die Kirche, welche diese spirituelle Gemeinschaft vermittelt, das Recht, sich „Kirche der Vorfahren“ zu nennen, und alle ihre Spiritualität, die Seele und das Leben unseres vergangenen und gegenwärtigen Volkes kann zu Recht „Gesetz der Vorfahren“ genannt werden.414

Aus der Perspektive dieser Ekklesiologie der Nation kann behauptet werden, dass der Begriff Gesetz auf die paradigmatische Beziehung zwischen Volksgemeinschaft und Religion hinweist, die vom Bund/Gesetz zwischen dem jüdischen Volk und Gott repräsentiert wird. Grigorie Com‫܈‬a führt die typologische Interpretation von der impliziten zur expliziten Ebene und unterstreicht dabei, dass, genau wie im Falle des jüdischen Volkes, die Beziehung des rumänischen Volkes zu Gott an sich schon einen Nationsbildungsprozess darstelle: Wie die Stämme der Juden sich in jedem Jahr im Jerusalemer Tempel versammelten, um zu Gott zu beten, auf die gleiche Art und zum gleichen Gott, so hatte diese einheitliche Form des Betens auch einen nationalen Zweck, nämlich dass alle Juden an den gleichen Ort kommen und sich durch das gemeinsame Gebet als einander liebende Brüder begreifen sollten, dazu verpflichtet, einander zu helfen. Wenn bei den 

411 Zu einer Interpretation der Erwählung Abrams als Geburtsstunde eines Volkes und seiner Religion, siehe Friedrich G. Friedmann, Heimkehr ins Exil. Jüdische Existenz in der Begegnung mit dem Christentum, C.H. Beck, München, 2001, 202–203. 412 Vgl. Gheorghe Ciuhandu, Ortodoxia românească, in: Revista Teologică, 7–8/iulie–august 1935, 289; siehe auch Com‫܈‬a, Ortodoxia Юi românismul, 2; Stăniloae, Românism, 407; V. Iancu, Tradiаionalismul Юi ortodoxia, in: Telegraful Român, 72/10 octombrie 1928, 2; A. G. Mihailoviciu, Ortodoxia naаională, in: Foaia Diecezană, 18/1 mai 1938, 2. 413 Pu‫܈‬cariu, Rostul bisericii noastre, 71. 414 N. [Nicolae Colan], Ortodoxie, 5.



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Juden die Einheit des Kultus die nationale Einheit gewährleistete, so konnte auch die Orthodoxe Kirche die Gefühle der Einheit, Liebe und Brüderlichkeit nicht weniger fördern.415

Die Kirche ermöglicht dem Individuum den Kontakt sowohl zu Gott als auch zur Nation. Dadurch verleihe sie „der Liebe für Volk und Vaterland einen Pietätscharakter“,416 was wiederum der Beziehung zwischen Individuum und Nation einen mystischen Charakter überträgt. Dadurch findet ein Transfer der Heiligkeit als wesentliches Attribut der Kirche auf die nationale Gemeinschaft statt. Dieser Prozess war ein spezifisches Element des modernen Nationalismus, der konstant eine Tendenz der Sakralisierung der Nation aufweist.417 Das Verhältnis des Individuums zur Nation kann nur durch Vermittlung der Kirche hergestellt werden, sodass die Zugehörigkeit zur Orthodoxen Kirche eine sine qua non Bedingung sowohl für das Heil als auch für die Nationalzugehörigkeit darstellt. Die Konstruktion einer typologischen Beziehung zwischen dem rumänischen und dem jüdischen Volk hat auch die Funktion, auf dem Hintergrund der Interpretationsweise durch die christliche Theologie der Entwicklung des jüdischen Volkes nach der Erscheinung des Messias Jesus und der Gründung der Kirche eine Warnung zu übermitteln. In diesem Sinne wurde die Ablehnung Jesu durch das jüdische Volk oftmals als Verlust des Rechts des jüdischen Volkes interpretiert, sich als auserwähltes Volk Gottes zu begreifen. Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer im Jahre 70 n.Chr. sowie die Zerstreuung der Juden in die Diaspora nach dem ersten Jüdischen Krieg (66–73) wurden zugleich als Argumente zugunsten dieser Interpretation angeführt.418 Indem er sich diese Argumentationslinie aneignet, sieht Stăniloae in der Ablehnung des von den Propheten des Alten Testaments angekündigten Messias Jesus durch das jüdische Volk eine Verstoßung des eigenen Gottes und der eigenen Religion, was auch zur „nationalen Degeneration“ Israels als göttliche Strafe geführt habe. Aus der Analogie mit dem jüdischen Volk resultiert, dass auch das rumänische Volk ebenfalls „seinen Rumänismus verlieren könnte“, wenn es die Orthodoxie aufgeben würde.419 Die Einheit zwischen Nation und Konfession ist daher die notwendige Bedingung für die Bewahrung der Existenz des rumänischen Volkes 

415 416 417 418

Com‫܈‬a, Ortodoxia Юi românismul, 2. I. Tudoran, CreЮtinism Юi naаiune, in: Legea Românească, 2/15 ianuarie 1937, 22. Vgl. Lehmann, Die Säkularisierung der Religion, 24. Siehe Origenes, Acht Bücher gegen Celsus. Aus dem Griechischen übersetzt von Paul Koetschau (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 52 und 53), München, 1926, II. Teil, 78; IV. Teil, 22. Zur Analyse des Ansatzes von Origenes, der im Grunde die Auffassung der Kirche zum Judaismus in den ersten drei Jahrhunderten synthetisiert, siehe die Studie von Marco Rizzi, Some Refections on Origen, Celsus and their Views on the Jews, in: Pierluigi Lanfranchi/Joseph Verheyden (Hg.), Jews and Christians in Antiquity. A Regional Perspective, Peeters, Leuven, 2018, 37–59. 419 Vgl. Dumitru Stăniloae, IarăЮi românism Юi ortodoxie, in: Gândirea, 5/1937, 247.

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und der Erfüllung seiner göttlichen Mission. Diese könne laut Stăniloae nur durch die Orthodoxie erreicht werden, als rumänische Art der Gemeinschaft mit der transzendenten spirituellen Ordnung […] Eine eigene Art und Weise, mit den ewigen Werten zu kommunizieren und sie in die Ordnung des irdischen Lebens einzugliedern, eine Art, die dem rumänischen Geist eine gewisse Struktur verliehen hat, von der es sich nicht lösen kann, ohne seine Existenz zu gefährden.420

Das rumänische Volk hat demnach eine messianische Berufung, es wird als kollektiver Christus betrachtet, der in sich die erschaffene Welt und Gott vereint und durch den Gott sich in der Geschichte offenbart. Um die Notwendigkeit der Bewahrung der rumänischen Nation als Nation-Konfession zu begründen, vereint der Nationsdiskurs die kosmologische Vorstellung – die Ordnung der Welt in den präexistenten Gedanken Gottes – mit der christologischen, die auf der inkarnatorischen Beziehung zwischen transzendenter und immanenter Ordnung fußt. III.5.2. Die Gestaltung der nationalen Identität durch Abgrenzung III.5.2.1. Gemeinschaft vs. Gesellschaft, Orient vs. Okzident und die soteriologische Funktion der Nation-Konfession Das authentischste Ergebnis dieses Ordnungstransfers von Transzendenz zur Immanenz auf der Geschichtsebene sei der „Rumänismus, d.h. die Tradition des rumänischen Dorfes“.421 Der Rumänismus bezieht sich in diesem Fall sowohl auf die ontologische Dimension der nationalen Identität – einer menschlichen Gemeinschaft mit einer bestimmten Sprache und einem bestimmten Glauben – als auch auf seine phänomenologische, aus der Summe der materiellen und symbolischen Formen der Manifestierung dieser Gemeinschaft gebildeten Dimension. Die Identifikation des Dorfes mit dem Äußerungsmedium der nationalen Identität erklärt sich in erster Linie durch die demographische Situation der Siebenbürger Rumänen: Aus einer 1910 in Siebenbürgen durchgeführten Volkszählung erwies sich, dass die Rumänen 60 Prozent der Dorfbevölkerung und lediglich 18 Prozent der Stadtbevölkerung, während die Ungarn, Deutschen und Juden zusammen etwa 82 Prozent der Stadtbevölkerung ausmachten.422 In diesem 

420 Ders., Ortodoxia, modul spiritualităаii, 420; siehe auch Sextil Pu‫܈‬cariu, Modesta Юi trainica operă istorică a ortodoxiei româneЮti, in: Legea Românească, 12/15 iunie 1933, 3. 421 Ebd. 422 Vgl. Irina Livezeanu, Nationalist Ideology and the Circulation of Elites in Greater Romania, in: Wolfgang Höpken/Holm Sundhaussen (Hg.), Eliten in Südosteuropa. Rolle, Kontinuitäten, Brüche in Geschichte und Gegenwart, Südosteuropa-Gesellschaft, München, 1998, 215–227, hier 220.



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Kontext scheint es nachvollziehbar, dass die Rumänen die Stadt als ein ihnen fremdes Universum und als Bedrohung ihres in der dörflichen Welt angesiedelten Existenzraumes betrachteten. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, vornehmlich nach 1918, setzte eine durch die massive Landflucht der Rumänen bedingte Veränderung der ethnischen Struktur der siebenbürgischen Städte ein; gleichzeitig fand eine systematische Migration der Ungarn nach Ungarn statt.423 Dieser Prozess führte dazu, dass 1930 der rumänische Anteil der siebenbürgischen Stadtbevölkerung auf 34 Prozent stieg und sich somit im Vergleich zu 1910 beinahe verdoppelte.424 Diese demographische Veränderung wird im Nationsdiskurs der ROKS in dem Versuch reflektiert, eine Harmonisierung des rumänischen ländlichen Ethos mit dem städtischen zu ermöglichen. Für die Kirchenelite wird das wesentliche Merkmal des Dorfes von einem lebendigen Glauben gebildet, der Kultur, Werte und soziale Ordnung in ein einheitliches Ganzes zusammenfasst.425 Der Glaube präge somit der Gemeinschaft einen „ethnischen Rhythmus“ der Entwicklung auf, der sie vor Anarchie schütze.426 Im Gegensatz dazu wird die Stadt als artifizielle Welt wahrgenommen, die ihre Religion und Kultur verloren habe427 und die durch ihren Kosmopolitismus die traditionellen Werte des rumänischen Dorfes korrumpiere.428 Die Ordnung des Dorfes hat also einen transzendenten Ursprung und erwächst auf natürliche Weise aus der Orthodoxie des Volkes, während die Ordnung der Stadt das Resultat der autonomen Aktion einer säkularisierten menschlichen Gemeinschaft darstellt. Angesichts der wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Welten sei eine Anpassung des rumänischen Bauerns an das Stadtleben unmöglich, mehr noch, katastrophal für die Existenz der Nation.429 Anderseits jedoch, wenn die Tatsachen aus einer realistischen und praktischen Perspektive betrachtet werden, wird die Interferenz zwischen Dorf und Stadt unvermeidlich und das wiederum fordere einen „starken Filter für den Einfluss der Stadt auf unsere Dorfbewohner“ damit das […] „was nicht mit dem Landleben zusammen passt, innerhalb der Stadtmauern bleibt“.430 Mehr noch, das Dorf solle in dieser Beziehung kein passives Element bleiben, sondern das ihm spezifische „Gemeinschaftsgefühl“ 

423 Vgl. Per Ronnås, Urbanisation in Romania. A Geography of Social and Economical Change since Independence, The Economical Research Institute, Stockholm School of Economics, Stockholm, 1984, 185. 424 Vgl. Livezeanu, Cultural Politics, 10. 425 Vgl. N. [Nicolae Colan], Ortodoxie, 5. 426 Vgl. Stăniloae, Românism, 403. 427 Vgl. ‫܇‬tefan Cioroianu, A murit credinаa?, in: Telegraful Român, 16/2 martie 1923, 1. 428 Vgl. Grigorie T. Marcu, Din păcatele satelor noastre: pacostea straielor nemаeЮti, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 8–9/august–septembrie 1937, 3. 429 Vgl. ‫܇‬tefan Cioroianu, Un război cumplit, in: Foaia Diecezană, 28/14 iulie 1935, 1. 430 Ders., A trecut vremea bătrână, in: Foaia Diecezană, 16/17 aprilie 1932, 4.

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auf die Städte ausdehnen, um diese in mit der rumänischen Wesensart kompatible Lebensräume zu verwandeln.431 Die Welt spaltet sich also im Wesentlichen in eine ländliche und städtische Lebensordnung. Diese Sichtweise fußt auf der von Ferdinand Tönnies (1855– 1936) Ende des 19. Jahrhunderts formulierten Dialektik zwischen „Gemeinschaft und Gesellschaft“,432 die vornehmlich durch Constantin Rădulescu Motru (1868– 1957),433 einem der einflussreichsten Schüler Maiorescus, zu einem zentralen Element des konzeptuellen Apparats des zwischenkriegszeitlichen Traditionalismus gemacht worden ist. Für den deutschen Soziologen stellt die Gemeinschaft „das dauernde und echte Zusammenleben […], einen lebendigen Organismus“ dar, während die Gesellschaft „nur ein vorübergehendes und scheinbares Zusammenleben […], ein mechanisches Aggregat und Artefakt“ sei.434 Durch die Geburt gerate der Mensch in eine Sprach-, Glaubens- und Sittengemeinschaft, die seine Persönlichkeit strukturiere und damit eine den in anderen Gemeinschaften geborenen Individuen gegenüber geschlossene Realität darstelle. Die Gesellschaft als artifiziell konstruierte Realität werde folgerichtig von dem Menschen der Gemeinschaft als etwas seiner authentischen Existenz gegenüber Fremdes wahrgenommen.435 Die Rumänisierung des städtischen Bereichs setzt die Auflösung der Dialektik „Gemeinschaft und Gesellschaft“ durch eine Synthese zwischen traditionellem/dörflichem und modernem/städtischem Universum voraus, wobei das Letztere sich unter dem Einfluss des Ersteren verändern lassen sollte. Die Verwandlungsfähigkeit der Stadt durch das Dorf gründe auf die Eigenschaft der Orthodoxie, „sich dem Zeitgeist und den Veränderungen nicht zu beugen und trotzdem immer aktuell zu bleiben“.436 Die beiden Merkmale entsprechen seiner göttlichen/transhistorischen – menschlichen/historischen Struktur, die sie dazu befähigen, eine Harmonisierung zwischen der transzendenten, unveränderlichen göttlichen Ordnung und der immanenten, sich kontinuierlich verändernden, herzustellen. 

431 Vgl. L. Bologa, Cucerirea oraЮelor, in: Via‫܊‬a Ilustrată 1–2/ianuarie–februarie 1939, 21, 22. 432 Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlung des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen, Fues’s Verlag, Leipzig, 1887. 433 Siehe Constantin Rădulescu Motru, Cultura Română Юi Politicianismul, Librăria Socec & Co., Bucure‫܈‬ti, 1904. 434 Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, 5. 435 Vgl. ebd., 3–4. 436 Vorbirea Î.P.S.D. Mitropolit Nicolae rostită în Юedinаa a IV-a a Congresului, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“ a clerului Mitropoliei Ortodoxe Române din Ardeal, Bănat, Cri‫܈‬ana ‫܈‬i Maramură‫܈‬. Actele congresului al patrălea, misionar, al Asocia‫܊‬iei Clerului „Andrei ‫܇‬aguna“ ‫܊‬inut în Arad în zilele de 10/25–11/24 octombrie 1923, Tiparul Tipografiei Arhidiecezane, Sibiiu, 1924, 89.



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Wenn zur Betonung der Merkmale des dem Rumänen spezifischen Existenzraumes die Dialektik Dorf vs. Stadt herangezogen wird, so definiert der Nationsdiskurs das Spezifikum des rumänischen Menschentypus, indem er ihn dem katholischen oder protestantischen und jenem der anderen europäischen orthodox geprägten Völker entgegensetzt. Anderseits greift der Diskurs auf eine phänomenologische Analyse des Rumänismus zurück, die in jeder Verhaltensstruktur des rumänischen Bauerns eine Äußerungsform des spirituellen orthodoxen Ethos zu erkennen beansprucht. Diese Analyse des nationalen Spezifikums geht von der Voraussetzung aus, dass das gesamte ethnische Wesen des rumänischen Volkes den Charakteristiken der Orthodoxie gemäß entwickelt ist, und der Orthodoxismus wird vollständig in dem Fühlen und dem Denken des rumänischen Bauerns assimiliert [...]. Orthodoxie und Tradition sind für die Rumänen identische Begriffe.437

Dieser ethno-konfessionellen Vorstellung nach erscheint der Rumäne in erster Linie als ein Mensch des Gleichgewichts zwischen Extremen:438 Anders als der egoistische und einsame Sachse sei der Rumäne ein geselliger Individualist,439 er „schätzt die Gesellschaft für das, was sie seiner Persönlichkeit bringt“ und verliere seine Individualität innerhalb der Gemeinschaft nicht.440 Sein Temperament werde weder von einem übertriebenen Sentimentalismus, wie bei den Mittelmeervölkern oder beim russischen Volk, noch ausschließlich vom Rationalismus wie bei den Deutschen bestimmt.441 Was nun die Letzteren betrifft, obwohl individualistisch in religiösen und persönlichen Dingen, so würden sie, sobald sie sich zum Wohle der Gemeinschaft organisieren, ins andere Extrem übergehen und ihre persönlichen Unterschiede bis zur Entpersonalisierung einebnen.442 Wenn der Lebensmodus eines jeden Volkes die „Transfigurierung seines Blutes im Lichte der Spiritualität“443 darstellt, so bedeutet das, dass diese beiden extremen Haltungen Äußerungsformen des Katholizismus und Protestantismus darstellten; diese zeigten ihr spirituelles Spezifikum in der Tendenz zu Individualismus (Protestantismus) und Uniformismus (Katholizismus) auf.444 Der den protestantischen Menschentypus charak

437 V. Iancu, Tradiаionalismul Юi ortodoxia, in: Telegraful Român, 76/20 octombrie 1928, 1. 438 Vgl. Dumitru Stăniloae, O аărănime nouă, in: Telegraful Român, 15–17/18 februarie 1933, 1. 439 Vgl. ders., Românism, 405. 440 Ebd., 406. 441 Vgl. ebd., 408. 442 Vgl. ebd., 406. 443 Popa, Stilul românesc, 2. 444 Vgl. Stăniloae, Românism, 405; siehe auch Nicolae Cornean, Ortodoxia creЮtină, in: Foaia Diecezană, 33/13 august 1933, 5–6.

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terisierende Individualismus sei das Resultat der Reaktion auf die Uniformisierungsbestrebungen der Katholischen Kirche, die einen Gegensatz zwischen Person und Gemeinschaft postuliere. Dieser Ansatz sei sowohl in der theologischen Tradition als auch in der Verwaltungsordnung des Katholizismus anzutreffen.445 Im Gegensatz zu dieser Spannung, die das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft im Katholizismus und Protestantismus charakterisiere, werde die Existenz des orthodoxen Rumänen in personalistischer Weise begriffen. In der rumänischen Orthodoxie wird die Gemeinschaft nicht im Gegensatz zur Person betrachtet, sondern als ein der Person zuträgliches Medium [...]. Sie ist keine uniformierende, mechanisierende Macht, die alle auf die gleiche Funktion reduziert, sondern ein Leib mit verschiedenen Gliedern und Funktionen nach dem von Heiligen Apostel Paulus vorgeschlagenen Bild [...]. Der Rumäne versteht die Gesellschaft nach dem Bild der Kirche.446

Die Idee einer Ähnlichkeit der rumänischen Gesellschaft zur kirchlichen Gemeinschaft weist darauf hin, dass Stăniloae sich nicht auf die Gesellschaft als Ganzes bezieht, sondern nur auf den von der Nation-Konfession vertretenen Teil. Sowohl in der Kirche als auch innerhalb der Nation existiert der Mensch als Person, nur wenn er in Gemeinschaft mit den anderen steht, was zur Herausbildung einer Gemeinschaft führt, die die Einzigartigkeit und Freiheit eines jeden Menschen keinesfalls aufhebt, sondern im Gegenteil, sie noch mehr stärkt. Diese personalistisch–ekklesiologische Sicht der nationalen Gemeinschaft hat ihren Ursprung in der Philosophie Martin Bubers, so wie sie im Band Ich und Du von 1923 formuliert wurde. Im Mittelpunkt des gesamten theologischen Ansatzes Stăniloaes,447 und nicht nur in dem seines Nationsdiskurses, steht der Unterschied zwischen den Beziehungstypen Ich-Du und Ich-Es, den Buber vorschlägt, um das Verhalten einer jeden Person zu den Anderen und zur Welt im Allgemeinen zu beschreiben. Wenn das Individuum sich zur Welt und zur menschlichen Alterität wie zu Medien der Gemeinschaft mit Gott verhält, dann bildet sich eine Ich-Du- Beziehung. Das Wesen dieser Beziehung besteht in der Gegenseitigkeit.448 Wenn hingegen Welt und Menschen als Objekte und Mittel zur Erreichung egoistischer Zwecke begriffen werden, bildet sich eine Ich-EsBeziehung, die nicht auf Gegenseitigkeit, sondern auf dem Besitz und der Ausnutzung des Anderen gegründet ist. 

445 Vgl. ebd. 446 Ebd., 406. 447 Zu einer Untersuchung der Beziehung zwischen Bubers und Stăniloaes Personalismus, siehe Marian Pătru, Mutuality – Presence – Personal Revelation through the Word. Father Dumitru Stăniloae and Martin Buber’s Relational Onthology, in: Review of Ecumenical Studies, 5/2013, 320–338. 448 Vgl. Martin Buber, Ich und Du, in: ders., Das dialogische Prinzip, Lambert Schneider, Heidelberg, 1979, 7–136, hier 12, 103.



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Im ersten Beziehungstypus konstituiert sich das Ich selbst als Person im Rahmen der Beziehung mit dem Anderen, der seinerseits als Person wahrgenommen wird, während in dem zweiten Beziehungstypus das Ich zu einem passiven Objekt in einer ausschließlich auf ihre Materialität und Nutzbarkeit reduzierten Welt wird.449 In diesem Fall wird das Ich nicht zu einer Person, sondern zu einem Individuum. In dieser Perspektive stellt die Nation-Konfession für Stăniloae ein Medium der Ich-Du-Beziehungen dar, während der Katholizismus und der Protestantismus Charakteristika der Ich-Es-Beziehung, einer vollkommen entpersonalisierten Welt, aufweisen würden. Diese Dichotomie zwischen rumänischer Orthodoxie und Katholizismus bzw. Protestantismus, gilt in diesem Deutungsmuster für die Einschätzung der gesamten westlichen Zivilisation. Für Stăniloae streben Rationalismus und Utopismus als westliche, von Ideologien wie dem Marxismus übernommene Denkrichtungen danach, die orthodoxe Welt durch das Versprechen eines irdischen Paradieses zu korrumpieren und somit die Grenzen zwischen Immanenz und Transzendenz aufzuheben.450 Eine utopistische Ideologie wie der Marxismus könne jedoch vom rumänischen Volk nicht übernommen werden, denn der Rumäne werde durch „einen rechten Sinn für das Reale“ charakterisiert, der ihm ein Gleichgewicht zwischen Glaube und Vernunft ermögliche, zwischen dem mystischen und dem wissenschaftlichen Bezug zur Welt.451 Dieses Gleichgewicht beruhe auf der ontologischen Struktur des rumänischen Volkes als Synthese zwischen Orient und Okzident, in der die Orthodoxie den mystischen und die Romanität den rationalen Pol darstellten.452 Dieser Status eines Synthesevolkes wird als Zeichen einer einzigartigen kulturellen und zivilisatorischen Berufung wahrgenommen. Das rumänische Volk sei dazu berufen, die Kultur eines originellen Klassizismus zu errichten […]. Doch damit diese Berufung verwirklicht werden kann, dürfen wir uns nicht dazu zwingen, unsere an die Orthodoxie gebundene Originalität aufzugeben und importierten Idealen nachzujagen.453

Die Absicht des Diskurses geht über die Grenzen einer einfachen, die Bedeutung der Orthodoxie in der Existenz des rumänischen Volkes polemisch begründenden Kulturtheorie hinaus. Stăniloae projiziert auf die rumänische Orthodoxie das Bild der Retterin des Westens vor den von Technik und Materialismus der modernen Zivilisation dargestellten Gefahren. 

449 Vgl. ebd., 65. 450 Vgl. Stăniloae, Românism, 407. 451 Vgl. ebd., 407–408; ders., Aristocraаie sufletească, in: Telegraful Român, 85–86/28 noiembrie 1931, 1; Traian Baciu, Ortodoxismul în esenаa lui, in: Legea Românească, 6/15 martie 1929, 3–5. 452 Vgl. Stăniloae, Ortodoxie Юi latinitate, 200. 453 Ders., Românism, 409.

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Um diese Dichotomie zwischen westlicher und östlicher Welt herzustellen und um damit die messianische Funktion der Nation-Konfession zu begründen, greift Stăniloae auf Nikolai Berdjajews Ideen zur Technik zurück, die ihrerseits ein Echo auf die von Spengler formulierte Kritik der westlichen Zivilisation darstellen.454 Berdjajew sieht den Ursprung der Technik in der von der Renaissance erzeugten Säkularisierung des Naturkonzeptes. Von dem Moment an sei die Natur nicht mehr als von mystischen Kräften durchdrungen betrachtet worden, wie dies das Urchristentum tat, sondern ausschließlich in ihrer materiellen Dimension.455 Stăniloae identifiziert diesen Säkularisierungsprozess als direkte Konsequenz der Gnadentheologie, die innerhalb der Katholischen Kirche ab dem 12. Jahrhundert aufgekommen sei. Diese Theologie besagt, „dass die menschliche Natur auch in der christlichen Welt so bleibt, wie sie ist, und in ihrem Innersten nicht von den göttlichen Kräften durchdrungen wird“.456 Die moderne Technik sei nichts anderes als „die auf die Maschine übertragenen Kräfte der Natur“, und der „unmenschliche Terror, den die Maschine heutzutage vielerorts auf den Menschen ausübt“ – Stăniloae verfasst den Text 1940 und hat dabei vornehmlich die in den Dienst des Krieges gestellte Technik im Blick – sei die Konsequenz des Bezugs zur Welt als entsakralisierter Wirklichkeit.457 Die orthodoxe Theologie hingegen betrachte die Auferstehung Jesu durch ihren soteriologischen Ansatz als ein Ereignis, das eine „ontologische Veränderung des Universums“ impliziere, deren Wirkung sich nicht nur auf die Person Jesu Christi beschränke.458 Die Auferstehung mache die materielle Welt einerseits zu einem Medium, durch das sich die Heiligkeit Gottes offenbare, andererseits zu einem Mittel, eine Beziehung zu Gott herzustellen. Aufgrund dieser Naturtheologie hätte die orthodoxe Welt moderne Technik produzieren können, doch hätte diese Technik nicht die unmenschliche Anwendung gefunden, die sie im Westen erfahren hat, sondern sie wäre im Dienste des Geistes [...] und innerhalb der menschlichen Beziehungen im sozialen Leben angewandt worden sein [...]. Da nun die moderne Technik existiert und der Funktion unterliegt, welche ihr der Westen zugedacht hat, ist die Mission der orthodoxen Völker und vornehmlich unseres so humanen Volkes, das an sie gebundene Böse zu korrigieren und auf diese Weise die Menschheit von 

454 Zu Berdjajews Rezeption von Spenglers Philosophie, siehe Zaur Gasimov, Bolshevik postcolonialism, Eurasian perspective and entangled intellectuals. Russian Debates on Spengler in the interwar period, in: Zaur Gasimov/Carl Antonius Lemke Duque (Hg.), Oswald Spengler als europäisches Phänomen. Der Transfer der Kultur- und Geschichtsmorphologie im Europa der Zwischenkriegszeit 1919–1939, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2013, 67–82. 455 Vgl. Stăniloae, Ortodoxia, modul spiritualităаii, 424. 456 Ebd. 457 Vgl. ebd.; siehe auch Constantin Rudneanu, Două concepаii de viaаă: Răsăritul Юi Apusul, in: Foaia Diecezană, 32/8 august 1937, 1. 458 Vgl. Stăniloae, Românism, 405.



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einer als sicher geltenden Katastrophe zu retten [...]. Doch dieses kann unser Volk nur erreichen, wenn es in sich selbst den Geist der Orthodoxie stärkt, in dem [...] die rettenden und erneuernden Kräfte der gesamten westlichen Welt, die sich auf den Abgrund zu bewegt, gespeichert sind. Unser Ideal als Volk kann es nicht sein, rasch und gänzlich wie die westlichen Völker zu werden, die an den Rand ihrer moralischen Kräfte gelangt sind, und die in die Irre geführt wurden und sich auf dem Weg einer falschen seelischen Entwicklung befinden, sondern unsere originellen Kräfte auf den gesunden und natürlichen Weg der Orthodoxie unserer Seele zu leiten, damit wir irgendwann, nicht zu spät, einen wichtigen Beitrag zur seelischen Wiederherstellung der Menschheit leisten und dadurch deren Zukunft sichern können.459

Die rumänische Orthodoxie ist somit nicht nur die Beschützerin des rumänischen Volkes vor dem moralischen und ethnischen Verfall der westlichen Zivilisation, sondern verantwortlich auch für deren Rettung aus der Krise, die sie gerade durchmacht. Die Einzigartigkeit, die sich die rumänische Orthodoxie als einziges authentisches Christentum und dadurch als Vermittlerin der Verwirklichung der transzendenten Ordnung in der Geschichte anmaßt, wird gleichzeitig als universelle soteriologische Berufung begriffen.

III.5.2.2. Nationale Identität aus der Perspektive der interkonfessionellen Kontroversen: „Katholizismus oder Nation?“ Die Kritik der ROKS an die katholische Perspektive auf die Nation stellt ein partikuläres Element in einer langen Tradition der Kontroversen zwischen westlichem und östlichem Christentum dar.460 Diese Kontroversen haben zur Kristallisierung eines „antirömischen Affekts“461 einerseits und eines „antibyzantinischen Affekts“462 andererseits geführt, durch die sich die beiden Welten 

459 Ders., Ortodoxia, modul spiritualităаii, 424–425. Zur Darstellung des „Westens“ im Imaginären des Orthodoxen Christentums, siehe Vasilios N. Makrides/Dirk Uffelmann, Studying Eastern Orthodox Anti-Westernism: The Need for a Comparative Research Agenda, in: Jonathan Sutton/Wil van den Bercken (Hg.), Orthodox Christianity and Contemporary Europe, Peeters, Leuven/Paris/Dudley/MA, 2003, 87–120; siehe auch Vasilios N. Makrides, „The Barbarian West“: A Form of Orthodox Christian Anti-Western Critique, in: Andrii Krawchuk/Thomas Bremer (Hg.), Eastern Orthodox Encounters of Identity and Otherness. Values, Self-Reflection, Dialogue, Palgrave Macmillan, New York, 2014, 141–158. 460 Zu einer Darstellung des Beginns der Kontroverse zwischen östlichem und westlichem Christentum, siehe Peter Brown, Eastern and Western Christendom in Late Antiquity: A Parting of the Ways, in: Derek Baker (Hg.), The Orthodox Churches and the West, Blackwell, Oxford, 1976, 1–24. 461 Siehe Hans Urs von Balthasar, Der antirömische Affekt. Wie läßt sich das Papsttum in der Gesamtkirche integrieren, Johannes, Trier, 1989, 1. 462 Siehe Dimitrios Kisoudis, Politische Theologie in der Griechisch-Orthodoxen Kirche, Diagonal, Marburg, 2007, 9.

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gegenseitig rezipiert haben. Der Nationsdiskurs der ROKS wurde jedoch vor allem durch das Konkordat von 1927 zwischen dem rumänischen Staat und dem Vatikan bestimmt. Wie schon gezeigt wurde, besteht eine der radikalsten und häufigsten Kritiken an dem Konkordat darin, dass es praktisch einen katholischen Staat innerhalb des rumänischen Staats ermögliche und dessen Einheit also von innen heraus untergrabe. Das zentrale Thema der antikatholischen Polemik war folgerichtig die Einheit, genauer gesagt die nationale Einheit als Grundlage der staatlichen Einheit Rumäniens. Der Diskurs der ROKS operiert mit einer deutlichen Unterscheidung zwischen Katholizismus – d.h. westliches Christentum bis zum großen Schisma von 1054 – und Papismus (papism) als Abweichung des Katholizismus von den Grundsätzen des Urchristentums und Verwandlung in ein religiös-politisches Machtsystem mit universellem Anspruch.463 In der Herausbildung des kritischen Diskurses der ROKS spielte die direkte und die durch Vermittlung der religiösen Politik des Habsburgerreiches erworbene Erfahrung der orthodoxen Rumänen mit der Katholischen Kirche eine wesentliche Rolle.464 Im Gegensatz zur Orthodoxie, die als einziges konfessionelles Medium zur Verwirklichung der transzendenten göttlichen Ordnung auf Geschichtsebene betrachtet wird, erscheint der Katholizismus als Behinderungsmittel dieses Interagierens zwischen Gott und Welt: Die katholische Auffassung bewahrt auf ganzer Linie eine Dualität der Ebenen: Das reale, konkrete Leben in seiner ursprünglichen Säkularität und darüber eine Art künstlich errichtete Decke, welche die göttlichen Kräfte empfängt, für sich behält und sie jenen, die unten sind, lediglich zeigt. Es gibt keine intime Eingliederung der ewigen Ordnung in das irdische Leben der Menschheit. Diese Eingliederung stellt […] die wesentliche Bedingung der Heiligung der Menschheit und ihrer Erhöhung dar.465

Was nun das Problem des Verhältnisses zur Nation betrifft, so sei diese Dualität zwischen Natürlichem und Übernatürlichem in der Unfähigkeit des Katholizismus ersichtlich, „die ewige Vielfalt der Völker“ zu erkennen und in seiner Tendenz, eine Vereinheitlichung der Individualitäten durch eine die Vielfalt verneinende Einheit.466 Der Ursprung dieser Dichotomie zwischen Natürlichem und Übernatürlichem liege, so Stăniloae, in der scholastischen Gnadentheologie, die das Natürliche und das Übernatürliche streng in zwei monadische Wirklichkeiten trennte. Aus dieser Perspektive sei für den Katholizismus „die Nation natürlich, 

463 Vgl. N. [Nicolae Colan], Biserica Юi naаiunea, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 1/martie 1934, 3; Gh. Ciuhandu, Papism Юi ortodoxism în Ardeal sau Porfira Юi cununa de spini, in: Telegraful Român, 34/4 mai 1923, 1. 464 Vgl. Jürgen Henkel, Einführung in Geschichte und kirchliches Leben der Rumänischen Orthodoxen Kirche, LIT, Berlin, 2007, 47–48. 465 Stăniloae, Ortodoxia, modul spiritualităаii, 424. 466 Vgl. ders., Românism, 424.



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das Christentum ist übernatürlich, folglich auch übernational“.467 Das Nationskonzept der Katholischen Kirche wird von Stăniloae aus der katholischen Interpretationsart des biblischen Berichts der Menschenschöpfung abgeleitet. Gemäß der katholischen Anthropologie „besteht der Urmensch aus zwei Sektionen: Der Natur und dem donum superadditum, oder dem supernaturam“,468 was bedeute, dass das „spirituelle Leben übernatürlich ist und nicht mit der Natur ein ontologisches Ganzes bildet“.469 Die orthodoxe Theologie greife auf andere Kategorien zurück, um die Beziehung zwischen Gott und Menschen zu beschreiben: Sie spreche nicht von der Dichotomie natürlich-übernatürlich, sondern von der intimen Gemeinschaft und der Durchdringung der beiden Dimensionen in der menschlichen Existenz.470 In diesem Sinne sei der Mensch „seiner Natur nach ein theandrisches Wesen“, in dem das Menschliche in eine Gemeinschaft mit dem Göttlichen tritt und eine einheitliche Existenz bildet.471 Die Fähigkeit sich mit Gott in einer Gemeinschaft zu befinden, sei aus orthodoxer Perspektive eine onthologische, ursprüngliche Struktur der menschlichen Natur.472 In der Beziehung zwischen Gott und Mensch löst sich die nationale Eigenheit, die nichts anderes ist als die allgemeine Form der Seele, nicht in der Gnade auf, sondern die Gnade lässt sich in die Form der nationalen Seele eingießen und sublimiert dadurch diese Eigenheit der Seele.473

Das bedeutet, dass das spirituelle Leben und implizit, die Orthodoxie und die Nation sich gegenseitig durchdringen und potenzieren. Der Unterschied zwischen Orthodoxie und Katholizismus hinsichtlich der Beziehung zwischen Mensch und Gott besteht somit in der Art, in der der Gnadenbegriff definiert und implizit das spirituelle Leben der menschlichen Person konzipiert wird. Stăniloae greift in seiner Kontroverse mit der modernen katholischen Theologie auf die gleichen Begriffe (z.B. Theandrie) und die gleiche Argumentationsweise zurück, wie Gregor Palamas gegen Barlaam von Kalabrien (1290–1348) in der Hesychasmus-Kontroverse aus dem 14. Jahrhundert.474 In dieser theologischen Kontroverse ging es um die Beziehung zwischen dem transzendenten Wesen Gottes und den göttlichen unerschaffenen Energien (Gnade), durch die Gott in Beziehung zum Menschen tritt und ihn erlöst. Ein 

467 468 469 470 471 472 473 474

Ders., Ortodoxie Юi naаiune, 78. Ebd., 79. Ebd., 81. Vgl. ebd., 80. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd., 82. Zu einer Darstellung der Hesychastischen Kontroverse, siehe John Meyendorff, A Study of Gregory Palamas, St Vladimir’s Seminary Press, New York, 2010.

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wesentliches Element, das die Theologie byzantinischer Tradition von der katholischen und protestantischen unterscheidet, besteht in der Auffassung vom Heil des Menschen als Vergöttlichung (șȑȦıȚȢ); der Mensch wird durch Einwirkung der Gnade zu dem, was Gott seiner Natur nach ist, jedoch, ohne dass der ontologische Unterschied zwischen Mensch und Gott aufgehoben wäre.475 In der von Barlaam zum Verständnis der mystischen Erfahrung herangezogenen aristotelisch-scholastischen Logik eröffnet der Anspruch der hesychastischen Mönche, im Gebet das unerschaffene Licht Gottes zu sehen, zwei Möglichkeiten: Entweder sei es das Licht der natürlichen Erkenntnis der Gelehrten – was die Möglichkeit einer mystischen Einheit mit Gott ausschließen würde – oder das Licht sei Gott selbst, was unmöglich sei, denn Gottes Wesen könne nicht gesehen werden.476 Sytematische Studien zur mystischen Theologie des Gregor Palamas setzen im Orthodoxen Christentum erst zu Beginn des 20. Jahrhundert ein, indem Stăniloae einer der Pioniere dieser Wiederentdeckung des byzantinischen Hesychasmus war.477 Die Auseinandersetzung mit der Lehre des Palamas beeinflusst in hohem Maße Stăniloaes Nationsdiskurs, vornehmlich durch die Gnadentheologie, d.h. durch die Theologie der mystischen Einheit des Menschen mit Gott. Diese gilt als Voraussetzung für den Nachweis, dass das Nationale nicht lediglich eine einfache natürliche Qualität wie im Katholizismus, sondern eine Qualität des spirituellen Lebens, folglich der Kirche, darstellt. Mit anderen Worten, so wie das Menschliche sich durch die Gnade vergöttlichen kann, so kann das Nationale innerhalb der Kirche sich christianisieren und ein nationales Christentum bilden. Somit kann von der Existenz eines hesychastischen Nationsdiskurses gesprochen werden, den Stăniloae der katholischen Sicht auf die Nation gegenüberstellt. Der Nationsdiskurs Stăniloaes fußt also auf der hesychastischen Theologie: Seine Definition der Gnade – „Handlung Gottes, nicht losgelöst von Seinem Wesen, daraus entspringend“478 – ist eine beinahe wörtliche Übernahme der Definition des Palamas, für den die Gnade „nicht die Natur Gottes, jedoch auch 

475 Siehe Christopher Veniamin, The Orthodox Understanding of Salvation. „Theosis“ in Scripture and Tradition, Mount Thabor Publishing, Dalton, 2013, vor allem 60–68 und 166–188. 476 Vgl. Stăniloae, Viaаa, 53–54. 477 Schon 1929 veröffentlichte der rumänische Theologe in Sibiu eine Studie zur Lichttheologie des Palamas (siehe Dumitru Stăniloae, Calea spre lumina dumnezeiască la Sfântul Grigorie Palama, in: Anuarul Academiei Teologice Andreiene, 6/1929–1930, 55–57); 1933 übersetzt er zwei Traktate des byzantinischen Theologen ins Rumänische (Două tratate ale Sf. Grigorie Palama (Triada 1 Юi 2) in: Anuarul Academiei Teologice Andreiene, 9/1932–1933, 5–10, die erste Übersetzung in eine moderne Sprache aus dem Werk des byzantinischen Theologen. Diese Bemühungen gipfeln schließlich in die schon erwähnte Monographie, die Stăniloaie 1938 dem Leben und der Theologie des Palamas widmet. 478 Stăniloae, Ortodoxie Юi naаiune, 82.



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nichts Zeitliches, sondern etwas von der Natur Gottes Untrennbares“479 ist. Die Gnade werde so eng an die menschliche Natur gebunden, dass das spirituelle Leben zum Menschen selbst480 und nicht zum Übernatürlichen gehöre, wie in der katholischen Theologie. In diesem Sinne, wenn das Nationale „die allgemeine Form der Seele“ ist, so folgt daraus, dass das Intervall des seelischen Lebens, das von Mensch zu Mensch und von Volk zu Volk verschieden und von der gleichen göttlichen Gnade und der gleichen christlichen Lehre geformt und gegossen ist, christlich wird.481

Im Katholizismus jedoch werde die Gnade als erschaffene Wirklichkeit und als zwingende Kraft begriffen, die von Außen auf das menschliche Wesen einwirke, um die formelle Vollendung von Befehlen zu realisieren, was eine ontologische Wandlung des sündigen Menschen unter dem Einfluss der göttlichen Gnade ausschließe.482 Im Rahmen des Katholizismus bleibt das Christentum stets als etwas ontologisch nicht in die Natur Eindringendes und von der Natur nicht Aufgenommenes. Es bleiben zwei voneinander abgetrennte Ebenen: Eine veränderliche, zu den Individuen und Nationen in deren potentiell sündigen Zustand gehörende, und eine einheitliche, übernatürliche, die über allen schwebt. In diesem Fall ist es eine Blasphemie von einer Nationalisierung des Christentums zu sprechen.483

Diese Dekonstruktion des katholischen Diskurses zur Gnade hat eine präzise Absicht, und zwar zielt sie auf die Festlegung der Beziehung der rumänischen Katholiken zur rumänischen Nation. Für Stăniloae verhindert die Katholische Kirche die Realisierung des nationalen Christentums nicht nur im Falle der katholischen, sondern auch im Falle der orthodoxen Völker, mit denen es in Kontakt tritt. Die religiöse Mission des Katholizismus bestehe „in der Unterdrückung des Nationalen zum Zweck der Realisierung des Universellen“.484 Das wiederum bedeutet, dass die Existenz einer Katholischen Kirche in Rumänien an sich schon eine Gefahr für die Existenz der rumänischen Nation und implizit des rumänischen Nationalstaates bedeutet. Nicht nur das Konkordat, sondern jede Aktion der Katholischen Kirche in der rumänischen Gesellschaft wird als konkrete Äußerungsform des antinationalen Geistes gesehen, der in den Augen der Kirchenelite spezifisch für den Katholizismus ist.



479 480 481 482 483 484

Apud Stăniloae, Viaаa, 55. Vgl. ders., Ortodoxie Юi naаiune, 82. Ebd., 84. Vgl. ebd. Ebd. Ders., Catolicism, 2.

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III.5.3. Die Wahrnehmung der Unierten Kirche durch die ROKS: Gestaltung der nationalen Identität durch Integrierung des „Anderen“ Wenn sie sich auf das Verhältnis des Katholizismus zur Nation bezieht, kritisiert die Kirchenelite implizit auch die Griechisch-Katholische Kirche, in der sie „den Expansionsmarsch des Katholizismus zur Vereinnahmung der orthodoxen Völker“485 sieht. Folgerichtig sei die Griechisch-Katholische Kirche in Rumänien durch die konfessionelle Alterität, die sie darstellt, ein stetiges Hindernis auf dem Weg zur Wiederherstellung der Einheit des rumänischen Volkes.486 Obwohl die Rolle der Griechisch-Katholischen Kirche in der Emanzipationsbewegung der Siebenbürger Rumänen anerkannt wird, wird der Einfluss der Unierten Kirche wegen der konfessionellen Spaltung als katastrophal für das rumänische Volk eingeschätzt.487 Der allgemeine Rahmen, in dem die ROKS ihr eigenes Bild über die Griechisch-Katholische Kirche durchzusetzen versuchte, wurde von den nach 1918 in der rumänischen Öffentlichkeit geführten Diskussionen zur Vereinigung der beiden rumänischen Kirchen in eine einzige Nationalkirche gebildet, sodass die politische Einheit ein Äquivalent auch in der konfessionellen Einheit haben kann.488 Das Grundprinzip, auf dem die Evaluation der Griechisch-Katholischen Kirche fußt, ist das Prinzip der Nation-Konfession: So wie die Orthodoxie zur Gestaltung eines rumänischen Volkes mit einer deutlich von jener der anderen Völker abgegrenzten Identität geführt hat, so kann im Falle der griechischkatholischen Rumänen die Konfession deren Wandlung in eine von der rumänisch-orthodoxen unterschiedlichen Nation bewirken. Von dieser Gefahr ausgehend, konstruiert der Diskurs ein Bild der Unierten Kirche, in dem die Alterität eine ganz andere Funktion hat als ihr allgemein im Rahmen der individuellen oder kollektiven Identitätsgestaltung zukommt. Das Spezifikum besteht hier in der Tatsache, dass die Griechisch-Katholische Kirche auf zwei deutlich unterschiedlichen Ebenen angeordnet ist: Auf der Ebene der institutionellen und kanonischen Struktur einerseits – zu der sich die ROKS als zum „Anderen“ positioniert – und auf der Ebene der Glaubensgemeinschaft andererseits – zu der die ROKS sich als zum „Selben“ verhält. Obwohl in bestimmten Fällen das „nationale unierte Spezifikum“ als von der Hierarchie der Unierten Kirche verschuldete „spirituelle Abtrünnigkeit“ von 

485 486 487 488



***Semănătorii de vrajbă, in: Telegraful Român, 44–45/23 octombrie1934, 2. Vgl. ***Un cuget Юi o simаire, in: Telegraful Român, 6/26 ianuarie 1923,1. Vgl. Onisifor Ghibu, Unirea religioasă, in: Legea Românească, 30/6 august 1923, 3. Vgl. Index, Propaganda catolică, in: Legea Românească, 27/16 iulie 1922, 1–2; Ion Crăciun, Reunirea bisericilor române, in: Telegraful Român, 4/25 ianuarie 1921, 1–2; Marin ‫܇‬tefănescu, CreЮtinism Юi patriotism. Cu prilejul semicentenarului morаii lui Эaguna, in: Revista Teologică, 6–7/iunie–iulie 1923, 201–202.

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der Orthodoxie und somit als „nationale Spaltung“489 betrachtet wird, sieht die ROKS in dieser Spaltung in erster Linie eine Gefahr für die Zukunft und nicht eine gegenwärtige Tatsache: Vollkommen gleichgültig den schwerwiegenden Konsequenzen gegenüber, die nicht versäumen werden aufzutreten, hat die unierte Hierarchie einen immer stärkeren Unterschied zwischen dem unierten Volk und der großen Mehrheit unseres Volkes zu schaffen gesucht […]. Die religiösen Unterschiede, die tiefgehenden Unterscheidungen spiritueller Natur sind, zerstören die nationale Einheit […]. Die geistigen Unterschiede […] zeigen allmählich und in gewissem Maße ihre Folgen auch für die Physiologie. Und selbst wenn lediglich geistige Unterschiede zurückbleiben würden, wären sie ausreichend um die Mitglieder des Volkes dazu zu bringen, sich nicht mehr als einheitliches Volk zu fühlen, sich bewusst zu werden, dass sie ein anderes, besonderes Volk darstellen.490

Es wurde schon die Anwesenheit zweier Ebenen der individuellen und nationalen Identität, und zwar die einer äußeren, kontingenten, und die einer inneren, metaphysischen hervorgehoben. Eines der Instrumente des Nationsdiskurses zur Definition des Spezifikums der Griechisch-Katholischen Kirche ist diese Unterscheidung zwischen zufälliger, in bestimmten historischen Kontexten angenommener Identität (die Union der orthodoxen Rumänen mit Rom auf verwaltungstechnischer, kanonischer und hierarchischer Ebene) einerseits und wesentlicher (ethnischer und implizit orthodoxer) Identität andererseits, die weiterhin unverändert hinter Ersterer bestehe.491 Wie schon betont wurde, fußt das Argument der Kirchenelite für die Wiederherstellung der konfessionellen Einheit des Volkes auf der ontologischen Beziehung zwischen Orthodoxie und Nation, die sie in diesem Falle jedoch nicht nur als identitäre Selbstbegründungsform, sondern auch als Evaluationsprinzip des Spezifikums der Griechisch-Katholischen Kirche benutzt. Aus dieser Perspektive gesehen, geschah die Union der Rumänen mit Rom nicht aufgrund langwieriger religiöser Erwägungen, welche die Seelen der neuen Konvertiten verwandelt und sie von den Seelen jener unterschieden hätten, die weiterhin beim alten Gesetz blieben. Die Union war eine verwaltungsmäßige Maßnahme und Formel […] sie hat die Volksseele überhaupt nicht berührt und auch nicht die seelische Einheit der niedrigen Volksschichten gebrochen.492



489 ***Specificul românesc unit? O schismă naаională înainte de toate, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 29–30/18 iulie 1937, 248. 490 ***Semănătorii de vrajbă, 2. 491 Vgl. Vlad, Biserica ortodoxă, 285; siehe auch N. [Nicolae Colan], Ortodoxie, 8. 492 Ghibu, Unirea religioasă, 3; ***În interesul adevărului, in: Telegraful Român, 66/2 septembrie 1921, 1.

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Oder: Das ganze Volk – sei es orthodox oder uniert – hat einen einzigen Glauben und gemeinsame religiöse Bräuche und Sitten. Ein Volk: Ungeteilt und ungetrennt; ein Gesetz: Unvermischt und unverändert. Die unierten Kleriker und Intellektuellen von heute haben einen anderen Glauben angenommen.493

Hinter der Beschreibung der Einheit des rumänischen Volkes und seines „Gesetzes“ steht die antinomische, dem christologischen Dogma spezifische Logik. Im obigen Zitat werden die Termini der dogmatischen Definition des Konzils von Chalcedon (451) wörtlich aufgenommen: Die göttliche und die menschliche Natur sind „unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt“ vereint in der Person Jesu Christi.494 Der in der Argumentation zur Existenz eines Gleichgewichts zwischen der Einheit der Person Christi und der Dualität ihrer sie bildenden Naturen verwendete terminus tehnicus ist perihoresis (gr. ʌİȡȚȤȫȡȘıȚȢ), d.h. die gegenseitige Durchdringung. Dieses Konzept ist im Rahmen der triadologischen Kontroversen des 4. Jahrhunderts vielfach angewandt worden, um die Durchdringung von Vater, Sohn und Heiligem Geist und deren Verhältnis zur Einheit Gottes zu erklären und in den christologischen Debatten nach dem Konzil von Chalcedon von Theologen wie Maximus der Bekenner (580–662) oder Johannes von Damaskus (676–749) angeführt worden.495 Die zentralen Begriffe der Christologie und Triadologie, genauer gesagt, deren antinomische Logik, werden von der Kirchenelite übernommen, um einen kohärenten Nationsdiskurs zu konstruieren, selbst wenn der theologische Ursprung der Argumentation nicht explizit festgelegt wird, wie im obigen Zitat. Ein anderes zentrales Element der von der ROKS in ihrem Verhältnis zur Griechisch-Katholischen Kirche angeführten dogmatischen Lehre gehört zur Ekklesiologie. Es bezieht sich auf die komplementären Bedeutungen der Kirche als Glaubensgemeinschaft und als institutionelle Struktur. In diesem Sinne gibt es keine Komplementarität zwischen der Gemeinschaft der griechisch-katholischen Gläubigen und der dazugehörenden kirchlichen Institution, sondern eher einen tiefen Bruch, in dem eigentlich der Hauptgrund für eine Rückkehr der unierten Rumänen zur Orthodoxen Kirche besteht. Mit anderen Worten, die religiöse und nationale Einheit des rumänischen Volkes fußt auf einer ursprünglichen ethnokonfessionellen Einheit und die Griechisch-Katholische Kirche ist in diesem Falle lediglich eine institutionelle Suprastruktur, die die wahre konfessionelle Identität des Volkes keinesfalls reflektiert. 

493 Index, Propaganda catolică, 1; D. Stăniloae, Pentru pacea confesională, in: Telegraful Român, 33–34/29 aprilie 1931, 2. 494 Vgl. Josef Wohlmuth (Hg.), Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Band 1, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1998, 86. 495 Vgl. Verna Harrison, Perichoresis in the Greek Fathers, in: St Vladimir’s Theological Quarterly, 35/1991, 53–65.



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Für Onisifor Ghibu habe diese Identität der Griechisch-Katholischen Kirche kein Äquivalent unter den anderen ethnisch-konfessionellen Gruppen in Rumänien. Im Gegensatz zur ethnischen Gruppe der Ungarn oder der Deutschen zum Beispiel, die ebenfalls keine konfessionelle Einheit aufweisen, habe der konfessionelle Unterschied unter den Rumänen eine originelle Note. Wie Ghibu betont, seien die konfessionellen Unterschiede zwischen den anderen ethnischen Gruppen in Rumänien (die Ungarn sind katholisch, evangelisch, reformiert oder Unitarier, die Sachsen evangelisch oder katholisch) so groß hinsichtlich der Doktrin, des Ritus und des religiösen Lebens, dass sie sehr wenige gemeinsame Elemente aufweisen würden. Die vier Jahrhunderte, in denen diese Unterschiede sich herauskristallisiert hätten, ließen eine eventuelle konfessionelle Wiedervereinigung zu einer „psychologischen Unmöglichkeit“ werden.496 Die ethnische Identität konnte sich also unter dem Einfluss der konfessionellen Partikularitäten differenzieren, was bei den unierten Rumänen nicht der Fall war; trotz ihrer formellen Eingliederung in eine andere Kirche seien sie weiterhin orthodox geblieben.497 Aus diesem Grund sieht die ROK sich nicht in einer Konkurrenzbeziehung zur Griechisch-Katholischen Kirche bezüglich des Status einer Nationalkirche, denn beide fußen auf der gleichen ethnisch-konfessionellen Ureinheit, die das Wesen des rumänischen Volkes charakterisiere: Wir streiten der Unierten Kirche ihren nationalen Charakter nicht ab, denn dieses ist das Erbe, das sie von der Orthodoxie übernommen hat und nicht hat verlieren können, ohne sich selbst zu verlieren. Sie hat die in der Orthodoxie realisierte Synthese zwischen dem genuinen Christentum und der rumänischen Nationalität geerbt.498

De facto ist die Griechisch-Katholische Kirche Orthodox, de jure ist sie Katholisch. Da sie als eine Form des Katholizismus wahrgenommen wird, befindet sich die Unierte Kirche ebenfalls im Dilemma „Katholizismus oder Nation“, das sie lösen muss, um sich selbst auf eine eindeutige Identität festzulegen: Denn während sie immer katholischer werden will, behauptet sie, national zu sein. Es ist jedoch unmöglich, beides zugleich zu sein, denn man muss etwas von dem einen opfern, um das andere sein zu können. Je katholischer man sein will, desto weniger kann man seinem Volk loyal sein und umgekehrt.499

Für Colan hat die Griechisch-Katholische Kirche ein Identitätsproblem nicht nur aus der Perspektive des Verhältnisses zwischen Gläubigen, Institution und nationaler Gemeinschaft, sondern auch aus der Perspektive der Grundprinzipien, aufgrund derer der Katholizismus selbst sich zum griechischen Katholizismus 

496 497 498 499

Vgl. Ghibu, Unirea religioasă, 1. Vgl. ebd. N. [Nicolae Colan], Ortodoxie, 6. Stăniloae, Catolicism, 2.

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verhält. Ausgehend von der von Papst Pius IX. am 8. Dezember 1864 veröffentlichten Enzyklika Quanta cura und dem berühmten Syllabus, durch die der Katholizismus seine Position zu den sogenannten Irrtümern der Moderne (Rationalismus, Kommunismus, Liberalismus usw.) definiert,500 behauptet Nicolae Colan, dass die Griechisch-Katholische Kirche eine gespaltene, auf das Verhältnis des Katholizismus zur Idee einer Nationalkirche fußende Identität habe.501 Aus dieser Perspektive werde die Unierte Kirche „zusammen mit ihrem aus der Orthodoxie übernommenen Erbe“ innerhalb des Katholizismus lediglich toleriert; der Katholizismus, obwohl er die Idee einer Nationalkirche ablehnte, könne nicht die Tatsache ändern, dass das rumänische Volk und die Orthodoxie miteinander verbundene ontologische Realitäten seien. Folglich kann man, will man ein guter Rumäne sein und bleiben, nicht römisch-katholisch werden. Will man es werden, weil man den Katholizismus als „genuines Christentum“ betrachtet, dann muss man ihn voll und ganz übernehmen, doch in einem solchen Falle muss man auf die Reinheit der rumänischen Substanz im eigenen Wesen verzichten […]. Doch die Situation einer wegen ihres nationalen Charakters tolerierten Kirche, wobei dieselbe Griechisch-Katholische Kirche in einem Gegensatz zur RömischKatholischen steht, ist peinlich. Aus ihr kann es nur einen einzigen Ausweg geben: Die Heimkehr.502

Der Diskurs schwankt bezüglich der Wahrnehmung der konfessionellen Identität und implizit der nationalen Identität der griechisch-katholischen Rumänen häufig zwischen der Akzeptanz und der Ablehnung der Idee, dass diese wesentlich orthodox, folglich Rumänen sind. Beide Haltungen verfolgen jedoch das gleiche Ziel: Die Wiederherstellung der konfessionellen Einheit, entweder weil die Unterschiede eigentlich inexistent oder nur verwaltungsgebunden und nicht spiritueller Natur sind, oder weil, da es diese Unterschiede doch gibt, diese eliminiert werden müssen, um die Umwandlung der konfessionellen Unterscheidung in eine ethnische zu unterbinden.

III.6. Zusammenfassung Der Nationsdiskurs der ROKS stellt eine theologisierte Form der Auffassung über die Nation als ethnisch-kulturelle Gemeinschaft dar, so wie sie von J.G. Herder und J.G. Fichte formuliert wurde. In der Zwischenkriegszeit verbreiteten sowohl



500 Siehe Owen Chadwick, A History of the Popes 1830–1914, Oxford University Press, New York, 2002, 176–179. 501 Vgl. N. [Nicolae Colan], Ortodoxie, 6. 502 Ebd., 8.



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der Nationsdiskurs der ROKS als auch jener der bedeutendsten traditionalistischen Intellektuellen die Idee der ethnisch definierten Nation und der Identifizierung dieser Nation mit der orthodoxen Gemeinschaft. Im Prozess der Konstruktion dieser Vorstellung von der Nation verwendete die Kirchenelite den begrifflichen Apparat der byzantinischen Theologie: Genauer gesagt, wurde die interne Logik dieser Konzepte vom Gebiet der Theologie auf jenes des Nationsdiskurses übertragen. Die Kirchenelite nahm die rumänische, ethnisch definierte Nation als ein heiliges Volk wahr und schuf zwischen diesem und dem jüdischen Volk eine typologische Beziehung: So wie das Entstehen des jüdischen Volkes mit dem Beginn seiner Beziehung zu Gott, also mit der Konstituierung seiner eigenen Religion, zusammenfällt, so fällt der rumänische Ethnogeneseprozess mit der Christianisierung zusammen. Zwischen Religion und ethnischer Gemeinschaft bestehe folglich eine ontologische Beziehung und die nationale Existenz hänge von der Bewahrung ihrer Religion ab. Das Ethnische und das Religiöse seien die beiden ontologischen Strukturen der Existenz der rumänischen Nation, die Beziehung zwischen ihnen bildet das Gesetz selbst, welches die nationale Gemeinschaft am Leben erhält und regelt. Dieses rumänische Gesetz/Gesetz der Vorfahren aufzugeben würde die unweigerliche Auflösung der nationalen Gemeinschaft nach sich ziehen. Zweck dieser ethnisch-theologischen Interpretation der Geschichte und der typologischen Beziehung zwischen dem rumänischen und dem jüdischen Volk ist zu beweisen, dass die rumänische Nation nicht das Resultat der historischen Kontingenz, sondern des direkten Eingriffs Gottes in die Geschichte ist und, dass sie also ihre ethnische und religiös-konfessionelle Reinheit bewahren müsse, um dem göttlichen Plan entsprechen zu können. Sowohl die ethnische Homogenität, als auch die Organisation der Nationen in unabhängige Nationalstaaten seien von Gott erwünscht, die Geschichte entwickelt sich auf dieses Ziel hin. Die Theologisierung des Nationsdiskurses impliziert auch die Theoretisierung der Nation aus der Perspektive der dogmatischen Unterschiede zwischen Orthodoxer Kirche und Römisch-Katholischer Kirche, bzw. Unierter Kirche. Die Kirchenelite interpretierte die katholische Ablehnung des in Nationalkirchen organisierten Christentums durch den Bezug auf die scholastische Theologie des Verhältnisses zwischen Gnade und Natur. Dieser Ansatz geht davon aus, dass zwischen göttlicher Gnade und menschlicher Natur keine Durchdringung stattfindet, sondern dass die Gnade eine dem Menschen äußerliche Realität bleibe, die ihn mechanisch zur Befolgung der göttlichen Gebote zwinge. Deswegen durchdringe die Katholische Kirche das Wesen der Völker nicht, die zu ihr gehören, und bleibe eine universalistische institutionelle Suprastruktur, die lediglich homogenisierend wirke und kein Interesse für die ethnische Partikularität eines jeden Volkes zeigt. Als Variante des Katholizismus habe die Griechisch-Katholische Kirche die gleiche Funktion. Für die ROKS besteht die Griechisch-Katholische Kirche aus der institutionellen, zum Katholizismus gehörenden Dimension und

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

aus der von der Union mit Rom überhaupt nicht betroffenen Gemeinschaft der orthodox gebliebenen Gläubigen. Die ROKS fordert demnach die griechisch-katholischen Gläubigen auf, in die ROK zurückzukehren. Hierzu führt sie zwei unterschiedliche Argumente an, die jedoch gleichermaßen auf die Notwendigkeit der Wiederherstellung der nationalen Einheit durch die Wiederherstellung der konfessionellen Einheit zielen. Einerseits betont die Kirchenelite, dass die unierten Rumänen eigentlich orthodox seien und ihr religiöses Leben parallel zur katholischen institutionellen Suprastruktur, zu der sie offiziell gehören, stattfinde. In diesem Fall fußt das Argument auf der katholischen Theologie und Praxis spezifischen Idee einer Beziehung zwischen Natur und Gnade, bzw. zwischen der Kirche und Nation. Anderseits sieht sie einen schwerwiegenden Grund für die Rückkehr zur Orthodoxie in der Gefahr, dass unter dem Einfluss der Katholischen Kirche die unierten Rumänen sich allmählich zu einem von den orthodoxen Rumänen verschiedenen Volk entwickeln könnten. Wie auch bei den orthodoxen Rumänen kann die ethnische von der konfessionellen Partikularität erzeugt werden. In diesem Fall wird das Argument der Kulturphilosophie Lovinescus angeführt, nach der die fremde institutionelle Form schließlich einen dem Medium, das sie übernommen hat, spezifischen Inhalt erzeugen wird. Die Nation ist für die ROKS eine ethnische, ontologisch in sich geschlossene Gemeinschaft, und die anderen wesensbestimmenden Elemente, seien es nun Konfession oder Sprache, werden als Faktoren begriffen, die zum exklusivistischen Charakter der ethnisch definierten Nation beitragen. Zu bemerken ist in diesem Fall, dass die im Nationsdiskurs eingesetzten Begriffe zur Bezeichnung der Gemeinschaft der Rumänen – Nation, Volk oder Stamm – sich undifferenziert auf die ethnisch definierten beziehen. Der Begriff der nationalen Einheit im Diskurs der ROKS bezieht sich auf die ethnische und, selbstverständlich, konfessionelle Homogenität des rumänischen Volkes. Dass die Nationen ethnisch homogene Realitäten sind und bleiben müssen, wird theologisch und metaphysisch durch die Deutung ihres Entstehungsprozesses aus kosmologischer Perspektive und der christlichen Geschichtsdeutung begründet. Dieser Deutung gemäß ist jede in der Immanenz existierende Wirklichkeit von Gott aufgrund einer Idee bzw. eines schon ewig in Gott existierenden Gedankens geschaffen worden. Die Ordnung der immanenten Welt wird somit zur Materialisierung der göttlichen Ordnung. Zwischen den beiden besteht eine dynamische Beziehung, innerhalb derer die erschaffene Welt sich in der Geschichte und die Geschichte sich in ihrem Ganzen zu einer immer stärkeren Übereinstimmung mit dem transzendenten Vorbild, nach dem sie erschaffen wurde, entwickeln. Dieser historische Prozess wird von Gott durch Vermittlung der Nationen geleitet, die als Medien der göttlichen Offenbarung in der Geschichte fungieren. Genauer gesagt, zeigt sich die Verinnerlichung der Botschaft der Evangelien durch die unterschiedlichen nationalen Gruppen auf der Geschichtsebene in einer



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Vielfalt von Spiritualitätsformen, Kulturen, sozialer Ordnungen usw. Die authentischste Form der göttlichen Offenbarung und Aktion Gottes in der Geschichte wird von der Nation-Konfession dargestellt. Diese wird zu einem kollektiven Christus, durch den die göttliche transzendente Ordnung sich in der Geschichte verkörpert. Die Ordnungsform der Nation-Konfession entspricht demnach am besten der Ordnung, die Gott der geschichtlichen Existenz der Völker aufprägen wolle.





IV. „Die Orthodoxen sind die Nation, die den rumänischen einheitlichen Nationalstaat bildet“.503 Kirche und Staat als komplementäre Äußerungsformen der Nation-Konfession 

Die Auffassung der ROKS über die Beziehung zwischen dem rumänischen Staat und der Orthodoxen Kirche kann als direkte Folge der Idee von der Nation als Konfession gesehen werden und gründete auf der Logik der nationalen Einheit als ethnischer und konfessioneller Homogenität. Es geht hier um die Einheit von Kirche und Staat in einem religiös-politischen Gebilde, das für die Generierung und Einhaltung der sozialen Ordnung verantwortlich ist. Den Höhepunkt des nationalen Strebens nach Einheit stellt die Einheit der ROK mit dem rumänischen Staat in einem einzigen ethno-konfessionellen und politischen Gebilde dar. Die Beziehungen zwischen dem rumänischen Nationalstaat und der ROK und ganz allgemein zwischen letzterer und der Sphäre des Politischen mussten dem Begriff der Nation-Konfession entsprechen. Das wiederum bedeutete, dass die von den Beziehungen zwischen Religion und Politik geschaffene soziale Ordnung notwendigerweise ein getreuer Ausdruck der inneren Ordnung der Nation-Konfession sein musste.

IV.1. „Der große Mose unserer Kirche“.504 Andrei ‫܇‬aguna als idealtypische Verkörperung des Regionalismus der ROKS Der Entstehungsprozess Großrumäniens am Ende des Ersten Weltkriegs steht beispielhaft für das Paradigma „das Ganze und seine Teile“: Siebenbürgen, Bessarabien und die Bukowina beschließen die Vereinigung mit dem Königreich Rumänien in ein territorial-politisches Ganzes, in das jeder Teil seine eigene Vision über die Ordnung des Ganzen einbringt. In diesem Sinne wird die Auffassung über die soziale Ordnung von der Dialektik zwischen dem eigenen Regionalismus und dem Zentralismus des Altreiches geprägt. Die ROKS versucht nun dem kirchlich-politischen Machtzentrum in Bucure‫܈‬ti ihre eigene regionale Vision aufzudrängen.



503 Index, Catolicizarea României IV, in: Legea Românească, 16/15 august 1932, 3; siehe auch E., ConЮtiinаa naаională, in: Legea Românească, 22/15 noiembrie 1932, 1; Iuliu Moldovan, Naаionalismul creЮtin în purificarea conЮtiinаelor, in: Telegraful Român, 85/13 noiembrie 1925, 2. 504 ***Program de lucru I, in: Telegraful Român, 56/19 iunie 1919, 1.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Der Regionalismus ist eine „regionale (d.h. raumbezogene), kollektive und partikulare Identität“,505 für den die territoriale Komponente lediglich das konkreteste und offensichtlichste seiner konstitutiven Elemente darstellt. Wesentlich für dieses „Wir-Gefühl“ ist der Kulturraum, der eine gemeinsame Geschichte, gemeinsame Institutionen sowie gewisse ethnische und religiöskonfessionelle Bedingungen voraussetzt.506 Der Regionalismus äußert sich somit in der Öffentlichkeit als Ideologie oder Programm zur Umsetzung dieser Elemente auf Diskursebene und verleiht ihnen gleichzeitig die Bedeutung wesentlicher identitätsbildender Strukturen in einer bestimmten geographischen Region.507 Im Falle der ROKS handelte es sich um einen aus mehreren Elementen gebildeten Regionalismus – Kirchenverwaltung, Konfession, ethnischer Gruppe usw. –, die immer schon eng miteinander verbunden waren; deren Interaktion führte zur Individualisierung eines partikulären Segments aus dem multiethnischen, multikonfessionellen und politischen Raum Siebenbürgens. Aus der Perspektive Sebastian Stancas war der Regionalismus oder Ardelenismus (ardelenism) „mit der Kirche eins, mit ihr vollkommen verschmolzen“, sodass der Kampf um die Bewahrung der nationalen Identität innerhalb der Kirche stattfand.508 Der den orthodoxen siebenbürgischen Rumänen spezifische Regionalismus wurde durch die ROKS institutionalisiert und durch ihre intellektuelle Elite in der Öffentlichkeit Großrumäniens artikuliert. Trotz der historischen, konfessionellen und kulturellen Partikularität Siebenbürgens, die er rezipierte und verarbeitete, hatte der Nationsdiskurs der ROKS einen integrativen Charakter. D.h., dass er zwar das ethnisch-konfessionelle Selbstbewusstsein eines Teils der Rumänen ausdrückte, die rumänische Nation aber trotzdem als einzige Nation sah, ganz gleich, ob ihre Mitglieder im Altreich, in Bessarabien oder der Bukowina lebten. Die jahrhundertelange 

505 Richard Piper, Regionalbewußtsein als regionale, kollektive Identität. Zum Naturalismusproblem in der sozialgeographischen Regionalbewußtseinsfoschung, in: Wilfried Belschner et alii (Hg.), Wem gehört die Heimat? Beiträge der politischen Psychologie zu einem umstrittenen Phänomen, Springer Fachmedien, Wiesbaden, 1995, 129–138, hier 129. 506 Vgl. Heinz Fassmann, Regionalismus, Föderalismus, Supranationalismus. Begriffe und Konzepte, in: Forum Politische Bildung (Hg.), Regionalismus, Föderalismus, Supranationalismus, Studien-Verlag, Innsbruck/Wien, 2001, 5–10, hier 8; siehe auch Harald Heppner, Regionalismus und Zentralismus in der südosteuropäischen Geschichte, in: HeinzDietrich Löwe et alii (Hg.), Minderheiten, Regionalbewußtsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa, Böhlau, Köln, 2000, 1–19. 507 Vgl. Philipp Ther, Sprachliche, kulturelle und ethnische „Zwischenräume“ als Zugang zu einer transnationalen Geschichte Europas, in: Philipp Ther/Holm Sundhaussen (Hg.), Regionale Bewegungen und Regionalismen in europäischen Zwischenräumen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Herder-Institut, Marburg, 2003, IX–XXIX, hier XV. 508 Vgl. Sebastian Stanca, Ardeleni Юi Regăаeni, in: Telegraful Român, 48/17 noiembrie 1935, 3.



Kirche und Staat als Äußerungsformen der Nation-Konfession

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territorial-politische Zersplitterung der Rumänen habe keine Auswirkung auf deren nationale Identität gehabt, weil die Einheit vor allem durch die Orthodoxie, aber auch durch die Sprache und das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer einzigen ethnischen Gemeinschaft gesichert wurde.509 Selbst wenn einige Behauptungen als Ausdruck eines Überlegenheitsgefühls der Siebenbürger Rumänen in Bezug zu jenen aus dem Königreich Rumänien gedeutet werden könnten, so zielten sie keinesfalls auf die Aufstellung einer von den Regionen ausgehenden Wertehierarchie der Nation. Deren exakte Bedeutung wurde vielmehr von dem Argumentationskontext bestimmt, in dem sie auftraten. Ein deutliches Beispiel in diesem Sinne ist Miron Cristeas Behauptung aus dem Jahr 1919, als er noch Bischof von Caransebe‫ ܈‬war. Cristea sagte damals, dass die Orthodoxie im Falle der Siebenbürger Rumänen das ethnische Zugehörigkeitsgefühl gestärkt habe und gleichzeitig als Schutzfaktor gegen die von dem Habsburgerreich betriebene Entnationalisierungspolitik gewirkt habe,510 sodass die rumänische Kirche und deren Klerus sehr viel mehr zur Rettung des Volkes beigetragen haben; die Volksführer können also dem Mutterland unsere Millionen Rumänen mit einer reineren und rumänischeren Seele als irgendwo sonst zuführen.511

In dieser Einschätzung der Rolle der Orthodoxen Kirche innerhalb der rumänischen Nation spiegelte sich die Überzeugung, dass eine authentische rumänische Nation sich nur auf eine Kirche verlassen kann, die genauso wie sie, die ROKS, organisiert ist. Dieser Überlegenheitsanspruch hatte somit eine von dem Wunsch der ROKS, ihre Organisationsform aufgrund der Kirchenverfassung ‫܇‬agunas beizubehalten, bestimmte Funktion: Er stellt das Hauptargument dar, mit dem die ROKS versuchte, das Organische Statut als Grundlage zur Organisierung der gesamten Orthodoxen Kirche in Großrumänien durchzusetzen. Überlegen waren nicht Nation und Orthodoxie an sich, sondern die Art und Weise, in der sie aufgrund des Organischen Statuts innerhalb der Ordnung der siebenbürgischen Kirche vereint worden waren. Dieser Gedanke wurde durch den von Cristea aufgestellten expliziten Bezug zu Kirche und Klerus unterstrichen, d.h. zur engen Beziehung zwischen Gläubigen und Hierarchie in der Ordnung und Leitung der Kirche, so wie sie im Organischen Statut vorgesehen war. Das Gleiche gilt für den Nationsdiskurs der ROKS in der Zwischenkriegszeit, dessen Leitlinien von Nicolae Bălan beim ersten Treffen des Andrei Эaguna Vereins von 1919 festgelegt worden sind. Bei jenem Treffen wurden ebenfalls die Grundlagen des Argumentationsdiskurses für die Beibehaltung der Prinzipien des Organischen Statuts als Grundlage der einheitlichen Organisierung der ROK und deren Beziehung zum Staat formuliert. Der Kongress forderte eine 

509 Vgl. Index, Catolicizarea României I, in: Legea Românească, 13/1 iulie 1932, 3. 510 Vgl. ***Cuvântarea P.S. Dr. Miron Cristea, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 54. 511 Ebd., 55.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens historische Untersuchung der Beziehungen der Orthodoxen Kirche zu den orthodoxen Nationalstaaten seit der Epoche des orthodoxen absolutistischen byzantinischen Monarchismus; daraufhin sollen jene Beziehungen zwischen Staat und Kirche festgelegt werden, die mit der heutigen Epoche konstitutioneller Monarchien und allgemeiner und partikulärer Freiheiten kompatibel sind und die, die Handlungsfreiheit der Kirche [...] aufgrund ihres göttlichen Zieles vollauf befriedigen sollen.512

Der Imperativ des Konstitutionalismus und des Liberalismus – d.h. der Gewährleistung öffentlicher, persönlicher bzw. kollektiver und individueller Freiheiten – als Grundstein für die Regelung der Beziehung zwischen Kirche und Staat, die der Kirche einen ihrer Identität als göttlich-menschlicher Institution entsprechenden Handlungsraum sichern sollte – anders ausgedrückt, das Prinzip der kirchlichen Autonomie –, und der Imperativ der notwendigen Anpassung an den Zeitgeist bezogen sich implizit auf ‫܇‬aguna und auf die von ihm in der ROKS durchgesetzte Verwaltungsreform. Das Prinzip der Anpassung der Kirche an den Zeitgeist war bestimmend für ‫܇‬agunas Handlungsweise als Metropolit der orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen, das er übrigens bei seiner Weihe als Bischof in der Karlowitzer Kathedrale im April 1848 deutlich machte: Es wird von mir verlangt, dass, unter meiner Führung, die Wiederbelebung unserer siebenbürgischen Diözese erreicht werde und dass diese Wiederbelebung dem Wohle der Kirche, dem Heil des Volkes und dem Zeitgeist entspreche.513

Als Zeitgeist bezeichnete ‫܇‬aguna offensichtlich die europäische Revolution und das Prinzip der nationalen Selbstbestimmung, die die Kernidee ihres politischen Programms darstellte. Der Diskurs der ROKS unterstreicht den Gedanken, dass die gesamte politische Aktivität und die auf nationale und demokratische Grundlagen aufgebaute Kirchenordnung als dem Staat gegenüberstehende autonome Institution eine Antwort auf das neue ideologische Paradigma Europas gewesen sei.514 ‫܇‬aguna sei ein „Visionär“ gewesen, der die weltgeschichtliche Entwicklung hin zu einer in Nationalstaaten organisierten Welt vorausgesehen habe und die orthodoxen Rumänen aus Siebenbürgen durch seine Kirchenverfassung darauf vorbereitete.515 ‫܇‬agunas Tätigkeit wird aus der Perspektive der teleologischen Entwicklung der Geschichte zu einer Welt der unabhängigen Nationalstaaten heraus interpretiert. Im siebenbürgischen Bischof treffen sich somit die Entwicklungslinien der großen Weltgeschichte und der rumänischen Geschichte. 

512 ***Propunerile Эedinаei a doua, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 12. 513 Zitiert nach Nicolae Popea, Archiepiscopul Юi metropolitul Andreiu baron de Эaguna, Sibiiu, 1879, 37–38. 514 Vgl. ***Unificarea Bisericii, in: Telegraful Român, 40/26 aprilie 1919, 1. 515 Vgl. Roman Ciorogariu, Cum văd eu chipul lui Эaguna, in: Legea Românească, 26/8 iulie 1923, 1.



Kirche und Staat als Äußerungsformen der Nation-Konfession

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Im Rahmen der Debatten Anfang der 1920er Jahre zum Thema der einheitlichen Ordnung der ROK wurden Tätigkeit und Persönlichkeit des Metropoliten ‫܇‬aguna von der ROKS als Symbol ihres Regionalismus und ihres Kampfes gegen den „hierarchischen Autokratismus“516 der Kirche aus dem Königreich Rumänien eingesetzt. ‫܇‬aguna wurde von der ROKS als idealtypische Verkörperung ihrer regionalen Identität dargestellt, wobei in erster Linie die Rolle des Organischen Statuts in der Stärkung der nationalen Einheit durch die Kirche unterstrichen wurde. Der Begriffsrahmen, in dem das Problem der einheitlichen Ordnung der ROK und deren Beziehung zum Staat nach 1918 analysiert wurde, entstand aus der Antithese zwischen „‫܇‬agunianismus“ und dem, was abwertend als „Byzantinismus“ der Orthodoxen Kirche des Königreiches Rumänien bezeichnet wurde. Der öffentliche Diskurs der ROKS betrachtete ‫܇‬aguna als Synthese der rumänischen Nation insofern, als sich das kollektive Charakteristikum der Nation in individueller Ausprägung in der Persönlichkeit des siebenbürgischen Metropoliten konzentrierte. Wenn hinsichtlich des rumänischen Gesetzes bzw. des Gesetzes der Vorfahren die Analogie zwischen dem Volk Israel und den orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen die Beziehung zwischen Nation und Konfession unterstrichen werden sollte, so sollte durch eine typologische Beziehung zwischen Personen und Ereignissen des Alten Testaments und der Person und Tätigkeit des Metropoliten ‫܇‬aguna die politische Dimension der Nation-Konfession in den Vordergrund gerückt werden. Innerhalb der Geschichte der christlichen Theologie nahm die typologische Interpretation des Exodus einen besonderen Platz ein. Das Leben Moses wurde zuallererst als Interpretationsmuster zur Erklärung der Phänomenologie des christlichen mystischen Erlebens angewandt. Der exegetische Diskurs der christlichen Theologen zur Person Moses wurde im Begegnungspunkt zwischen der Theologie des Neuen Testaments und dem Werk des Philon von Alexandria artikuliert. Für Philon war der Auszug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten und dessen Wanderung in das Land Kanaan eine Allegorie für die Abkehr der Seele von der materiellen Welt und deren Hinwendung zur spirituellen Welt. Die Wüstenwanderung wird in diesem Sinne zu einem Symbol des seelischen Kampfes gegen die Versuchungen und die Begegnung Moses mit Gott auf dem Berge Sinai (2. Mose 24) zur Metapher der Unfähigkeit menschlicher Vernunft, Gott in seinem Wesen zu kennen.517 Vor allem haben die alexandrinischen Theologen Clemens (150–215) und Origenes (184–253) die Philonsche Interpretation wahrgenommen. Doch das klassische Werk der patristischen 

516 Gheorghe Ciuhandu, Amintiri de acum douăzeci de ani despre alegerea de Mitropolit, in: ***Omagiu Înalt Prea Sfin‫܊‬iei Sale Dr. Nicolae Bălan, 23–27, hier 24. 517 Vgl. Jean Daniélou, From Shadows to Reality. Studies in the Biblical Typology of the Fathers, Burns & Oates, London, 1960, 202–216.

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Theologie, die diese Interpretationsrichtung synthetisiert, ist die schon erwähnte Schrift Gregor von Nyssas über das Leben Moses. Wie schon für Philon ist auch für den christlichen Theologen das Leben Moses eine Metapher für die spirituelle Vervollkommnung. Der brennende, jedoch nicht verbrennende Dornbusch (2. Mose 23), stellte eine Allegorie des Paradoxes göttlicher Menschwerdung aus der Jungfrau Maria dar; der Fels, in den Mose schlägt, um Wasser daraus quellen zu lassen, gilt als Allegorie Christi, aus dem das neue Leben entspringt; das Gebet Moses mit erhobenen Händen (2. Mose 17) ist eine Allegorie für das Kreuz usw.518 Das Neue an der christlichen Exegese liegt in der Person Jesu Christi, in der das Alte Testament zur Erfüllung gelangt: Jesus ist der neue Adam, der wahre Noah, der zweite Mose, der in seinem Leib einen neuen Bund zwischen Menschheit und Gott schließt.519 Aus christlicher Perspektive ist der Exodus jedoch nicht nur eine Metapher des individuellen Lebens der Gläubigen in ihrer Entwicklung zur unio mystica mit Gott, sondern auch ein Symbol der gesamten Heilsgeschichte. Die Geschichte der Welt ist die Wüste, die der Mensch bis zur Einheit der gesamten Existenz mit Gott im „neuen Himmel und in der neuen Erde“ am Ende aller Geschichte durchwandern muss. Michael Walzer stellt das Aufgreifen des Exodusthemas, d.h. der Befreiung aus der Sklaverei und der Wanderung in das gelobte Land, in den Kontext der zentralen Ereignisse der politischen Geschichte des Volkes Israel und des christlichen Abendlandes. In der Geschichte des Volkes Israel spielte das Thema Exodus von der Revolte der Makkabäer bis zur zionistischen Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts eine zentrale politische Rolle. Im abendländischen christlichen Raum wurde das Thema von der Katholischen Kirche zur Rechtfertigung der Kreuzzüge, im Weiteren zu Beginn der Reformation, von den Anführern der deutschen Bauernaufstände und von Jean Calvin (1509–1564) zur Untermauerung seiner politischen Thesen benutzt. Innerhalb des englischen Puritanismus um das Jahr 1640 und danach im amerikanischen Freiheitskrieg sowie bei den ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten war der Exodus stets ein Symbol der Befreiung von verschiedenen Formen der Unterdrückung.520 Der Exodus wurde somit „part of the cultural consciousness of the west, so that the range of political events […] have been located and understood within the narrative that it provides“.521 Obwohl Mose eine zentrale Rolle in dieser Geschichte spiele, sei eigentlich das Volk Israel die wichtigste Figur des Narrativs. Die Bedeutung Moses sei auch nicht eine persönliche, sondern eine politische – als Anführer des jüdischen Volkes oder als Vermittler zwischen dem Volk und Gott –, sodass auch



518 519 520 521



Vgl. ebd., 224–226. Vgl. ders., Qu’est-ce que la typologie?, 200–202. Vgl. Michael Walzer, Exodus and Revolution, Basic Books, New York, 1985, 4–6. Ebd., 7.

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die Geschichte des Exodus wesentlich eine politische Geschichte sei.522 Walzer meint, dass since the late medieval or the early modern times, there has existed in the West a characteristic way of thinking about political change, a pattern that we commonly impose upon the events, a story that we repeat to one another. The story has roughly this form: Oppression, liberation, social contract, political struggle, new society (danger of restoration).523

Die Kirchenelite übernahm die typologische Interpretationsmethode der Patristik zum Exodus und wendete sie in der eigenen Geschichte an. In ihrem Diskurs erschienen praktisch alle Ebenen der Typologisierung – Ereignisse, Institutionen, Personen – und alle Etappen des Narrativs des biblischen Exodus – „oppression, liberation, social contract, political struggle, new society (danger of restoration)“. Die orthodoxen Rumänen, die „unter Finsternis und Sklaverei litten wie das Volk Israel“, wurden aus der politischen und kirchlichen Sklaverei vom Metropoliten Andrei ‫܇‬aguna befreit, der wie ein „Mose unseres Volkes und unserer Kirche [erschienen ist]“ und uns mit der Feuersäule des orthodoxen Glaubens „ins gelobte Land führt“.524 Das Zusammenführen von religiöser und politischer Dimension in ‫܇‬agunas Tätigkeit macht aus dem Metropoliten eine theokratische Figur. Der Diskurs vermittelt auch, dass die orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen, genau wie das jüdische Volk, in ihrer gesamten Geschichte ein theokratisches Volk waren. Der Begriff Theokratie wurde von Philon von Alexandria als verfassungsrechtlicher Begriff verwendet, um die jüdische politeia als Gottesherrschaft zu definieren.525 Laut Philon kann die religiös-politische Verfassung Moses auf die Formel „ein Gott, ein Volk, ein Tempel“ reduziert werden, in dem Sinne, dass die Priester Tempel und jüdisches Volk anführen so wie Gott die Welt anführt.526 

522 Vgl. ebd., 12. 523 Ebd., 22. Für eine Analyse des politischen Musters, das Walzer in dem Buch Exodus identifiziert, siehe Otto Kallscheuer, Exodus ohne Revolution? Michael Walzers politische Lektüre der hebräischen Bibel und Michael Haus, No Freedom without Exodus – No Exodus without Spirituality? Reflections on Michael Walzer’s Politics of Exodus, in: Michael Kühnlein (Hg.), Exodus, Exilpolitik und Revolution. Zur Politischen Theologie Michael Walzers, Mohr Siebeck, Tübingen, 2017, 27–50 bzw. 305–327. Eine ähnliche Analyse der politischen Bedeutung des Themas Exodus bietet auch Jan Assmann in Exodus. Die Revolution der Alten Welt, C.H. Beck, München, 2015. 524 ***Marele Mitropolit Andrei Baron de Эaguna, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala 26/8 Juli 1923; George Proca, Mitropolitul Andrei, in: Telegraful Român, 51–53/12 iulie 1923, 2. 525 Vgl. Hubert Cancik, Theokratie und Priesterherrschaft. Die mosaische Verfassung bei Flavius Josephus, c. Apionem 2, 157–158, in: Jacob Taubes (Hg.), Religionstheorie und Politische Theologie, Band 3: Theokratie, Wilhelm Fink/Ferdinand Schöningh, München/ Paderborn/Wien/Zürich, 1987, 65–77, hier 65. 526 Vgl. ebd.

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Im theokratischen Imaginären der orthodoxen Rumänen Siebenbürgens ist ‫܇‬aguna der bedeutendste Vertreter ihrer Geschichte, deren Besonderheit darin besteht, dass die Bischöfe sowohl zwischen Volk und Gott vermitteln als auch die „Orthodoxie und Nationalität“ der Gläubigen bewahrten.527 Die Bewahrung des rumänischen Gesetzes als ethno-konfessionelle Identität war Aufgabe der Kirche, die den Identifizierungsprozess zwischen Nation und Konfession vorantrieb. Das wiederum bedeutete implizit, dass durch die Kirche Gott selbst zum Garanten der Existenz des rumänischen Volkes gemacht wurde, genau wie für die Existenz des jüdischen Volkes. Wie schon gezeigt, war die typologische Identifizierung der orthodoxen Rumänen Siebenbürgens mit dem jüdischen Volk ein Indiz des Sakralisierungsprozesses der nationalen Gemeinschaft, was demzufolge deren Geschichte nach alttestamentlichem Vorbild zu einer heiligen werden ließ. So wie es eine Theologie der Geschichte des Volkes Israel und eine Theologie der Weltgeschichte gibt, so wird die Geschichte der orthodoxen Rumänen aus Siebenbürgen zum Objekt einer Geschichtstheologie. ‫܇‬agunas Erscheinen in der Geschichte der ROKS war eines jener Ereignisse in der Geschichte unseres Volkes, die nur durch die Akzeptierung eines höheren Pragmatismus zu erklären ist, im Sinne des Eingreifens übernatürlicher Faktoren in die Führung der Volksschicksale.528

Das Eingreifen Gottes in einem Krisenmoment, in dem die Existenz der Kirche selbst sich in Gefahr befände, wäre an sich ein Zeichen der göttlichen Vorsehung,529 eine Zäsur in der Geschichte der orthodoxen Rumänen, die dadurch eine radikal andere, von der bisherigen Entwicklung abweichende Richtung erführe.530 An sich bezog sich die Identifizierung göttlichen Eingreifens in einem tiefen Krisenmoment und die radikale Umkehr der geschichtlichen Entwicklung einer gesamten ethno-konfessionellen Gemeinschaft hintergründig auf die zentralen Ereignisse des Exodus: Gottes Eingriff zu dem Zeitpunkt, als das Volk Israel in Gefahr war ausgerottet zu werden und die radikalen Veränderungen der Lebensbedingungen des Volkes durch den Auszug aus Ägypten unter der Führung Moses. ‫܇‬agunas Persönlichkeit wurde durch „eine Propheten- und Schöpferseele, die mit auserlesenen Eigenschaften ausgestattet ist, um das Schicksal seines



527 528 529 530



Vgl. Ion Goron, Andrei Эaguna, in: Rena‫܈‬terea, 49/7 noiembrie 1930, 1. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. L, Aducându-ne aminte de mai marii noЮtrii..., in: Legea Românească, 22/15 noiembrie 1927, 1; N. Colan, Un dătător de legi Юi datini, in: Telegraful Român, 51–53/12 iulie 1923, 2.

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Volkes zu leiten“531 charakterisiert. Das inhärente Verhältnis zwischen Prophetismus als Modalität des göttlichen Eingreifens in die menschliche Geschichte und Politik gelten als Charakteristika der alttestamentlichen Geschichte und wurden zu zentralen Elementen der typologischen Identifizierung der orthodoxen Rumänen aus Siebenbürgen mit dem jüdischen Volk. Diese Parallele wurde auf institutioneller Ebene in der Beziehung Zion bzw. Jerusalemer Tempel und Kirche konkretisiert. Durch die strukturelle Reform der Orthodoxen Kirche in Siebenbürgen habe ‫܇‬aguna „den religiösen und nationalen Kult restauriert“532 und somit haben wir unser eigenes Zion geschaffen, wie einst der große König und Prophet David; in unsere Burg [...] haben wir, wie einst der Prophet David, den Gesetzesschrein mit allem, was uns heilig ist, gebracht und dort haben wir uns verteidigt.533

Im obigen Zitat wird Zion zu einem Symbol des Verhältnisses zwischen dem Religiösen und dem Ethnischen und, durch den Bezug auf den König David, dem Politischen. Der Diskurs selektierte aus der Fülle von Ereignissen, Personen und Institutionen die Elemente von besonders prägnanter ethnotheologisch-politischer Bedeutung. ‫܇‬aguna wäre der neue Mose oder der neue David – Prophet und politischer Führer in Einem –, der aus der Orthodoxen Kirche „eine unbesiegte Festung des Volkes“534 machte, wobei der Begriff Festung die politische, religiöse und ethnische Semantik in sich vereinte. Der Bezug auf das Gesetz Moses – in der typologischen Logik war es das Organische Statut – wies auf ‫܇‬aguna als theologisch-politisches Symbol hin. Er wurde gleichsam zu einem „Esra und Nehemia der Rumänen“,535 der, den beiden biblischen Gestalten gleich, die das jüdische Volk nach der babylonischen Sklaverei politisch und religiös um den Tempel und die heiligen Schriften organisierten, den orthodoxen Rumänen aus Siebenbürgen zu einer politischen Ordnung und einem nationalen Bewusstsein, deren Zentrum die Kirche war, verhalf. Die Hauptintention dieser typologischen „Lesart“ der Geschichte der siebenbürgischen orthodoxen Rumänen lag in der Tatsache, dass die Kirche, bzw. das Religiöse die Grundlage der politischen Ordnung der Nation legen würden. Als das Volk Israel, nachdem es sich aus der ägyptischen Sklaverei befreit hatte, sich auf den Weg ins Heilige Land der alten göttlichen Verheißungen machte und dabei war, das „Gesetz“ zu empfangen, sprach Gott zu dem Propheten Mose über das Volk Israel: „Ihr aber sollt mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören“ (2. Mose 19, 6). Ein ganzes Volk also war von Gott, auf der Schwelle seiner



531 532 533 534 535

L, Aducându-ne aminte, 1. Ciorogariu, Cum văd eu, 1. ***Unificarea Bisericii, in: Telegraful Român, 40/26 aprilie 1919, 1. Colan, Un dătător, 2. Ciorogariu, Cum văd eu, 1.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens politischen Staatswerdung, zur Heiligkeit aufgerufen. Der Eckstein in dem Fundament des israelitischen politischen Staates sollte demnach die das ganze Volk heiligende Religion werden.536

Der implizite Rückgriff auf die biblische Theokratie zielt auf die Hervorhebung des hierarchischen Verhältnisses zwischen dem religiösen und dem politischen Faktor, wo das Religiöse die Bedingung für das Politische darstellt. Durch das Organische Statut machte ‫܇‬aguna die ROKS zum Agenten einer durch seinen Ursprung von jener des Habsburgerreiches unterschiedlichen politischen Ordnung. Durch die von ihm aufgestellte Verfassung wurde die Kirche zu einer kleinen demokratischen Republik – wenn Sie so wollen: Zu einem kleinen Idealreich, wie es Plato erträumt hatte, innerhalb der großen Habsburgermonarchie, die lediglich konstitutionell schien.537

Ob es nun um die Übereinstimmung von Religion und Politik innerhalb der den orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen eigenen Theokratie oder um die Dichotomie zwischen der konstitutionellen Ordnung der orthodoxen Rumänen durch Kirche und der des Habsburgerreiches geht, das lediglich konstitutionell zu sein vorgab, zielt der Diskurs der ROKS stets auf die Hierarchisierung jener Faktoren, die die soziale Ordnung generieren. Dem Reichsabsolutismus setzte, so Ion Goron, das Organische Statut Demokratie und Konstitutionalismus entgegen, denn ‫܇‬aguna erkannte, dass nur eine autonom organisierte Kirche der Nation eine politische Ordnung verleihen konnte, die ihr das Überleben zu sichern fähig war.538 Die Kirchenverfassung ‫܇‬agunas enthielt die Grundsätze einer authentischen sozialen Ordnung nicht nur in Bezug zu jener des Habsburgerreiches, sondern auch zur rumänischen Verfassung von 1866. Im Rahmen eines Vergleichs zwischen der Kirchenverfassung ‫܇‬agunas und der politischen Verfassung wurde das Kriterium offensichtlich, durch das die Politik der Religion untergeordnet wurde, nämlich die Übereinstimmung zwischen den durch die Verfassung vorgeschlagenen politischen Grundsätzen und dem Spezifikum der Nation-Konfession: Während die politische Verfassung Rumäniens von 1866 von 2 Personen (C.A. Rosetti und Eugen Carada) innerhalb von 24 Stunden ausgearbeitet worden ist, indem sie die belgische Verfassung übersetzten und demnach dem rumänischen Volke ein ihr fremdes Kleid überstülpten, das weder mit dessen Traditionen, noch mit dessen seelischer Struktur übereinstimmte, wusste ‫܇‬aguna unsere gesamte kirchliche Entwicklung jahrzehntelang gründlich zu studieren, aus deren Werk das in der lokalen Tradition lebensfähige Element zu entnehmen und zu verwerten und auf der soliden 

536 Gheorghe Ciuhandu, Discurs rostit la deschiderea Congresului al V-lea misionar al Asociaаiei Clerului „Andrei Эaguna“, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele congresului al cincilea, 22. 537 Ciorogariu, Cum văd eu, 1. 538 Vgl. Goron, Andrei Эaguna, 2.



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Grundlage eben dieser Tradition seine gesamte nationale Kirchenverfassung aufzubauen, durch welche sich in kurzer Zeit ein Volk geknechteter Höriger in eine sich ihrer Rechte und Pflichten innerhalb nicht nur ihrer Kirchenordnung, sondern auch innerhalb der staatlichen Ordnung bewusste Nation verwandelte.539

Diese Einschätzung der Verfassung von 1866 ist Teil der allgemeinen Kritik der Traditionalisten gegen den Verwestlichungsprozess der rumänischen Gesellschaft. Im Falle des öffentlichen Diskurses der ROKS gründet diese Einschätzung auf einem Regionalbewusstsein, das die beiden parallel verlaufenden Konstituierungsprozesse der Rumänen – den kirchlichen und den weltlichen – in eine moderne politische Gemeinschaft hervorhebt. Die Verfassung von 1866 ist in dieser Hinsicht das Symbol des Synchronisierungsprozesses mit der westeuropäischen Zivilisation. Dieser Prozess nimmt aber keine Rücksicht auf die organische Entwicklung der rumänischen Nation und deren Identitätsmerkmale. Anders als die politischen Eliten, die einem nationalen Charakter eine westliche politische Form aufstülpten, ohne dass zwischen diesen eine reale Übereinstimmung bestanden hätte, gab ‫܇‬aguna den orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen, durch die Kirchenverfassung eine authentische politische Ordnung, die vollkommen mit dem Spezifikum der Nation-Konfession übereinstimmte. ‫܇‬aguna wurde deswegen als der bedeutendste Gesetzgeber der gesamten Geschichte der Rumänen,540 nicht nur jener aus Siebenbürgen, sondern der Rumänen allgemein, betrachtet. Es gab demnach zwei Arten von sozialer Ordnung: Eine künstliche, vom Staat generierte, und eine andere, organische, deren Ursprung in der Kirche liegt. Diese organische Beziehung zwischen Nation und der Kirchenverfassung ‫܇‬agunas war das Unterordnungskriterium der säkularen politischen Ordnung unter die religiöse Ordnung: Unsere nationale Geschichte kennt kein geschriebenes Gesetz, das jemals so tief in das Volksbewusstsein dringen konnte wie es die Grundsätze des „Organischen Statuts“ getan haben. Das zeigt den großen Reformator, der auf alten und soliden Grundlagen eine vollkommen moderne Verfassung errichten konnte, an deren Ausarbeitung unter seiner Leitung Klerus und Volk als aktive Elemente mitgewirkt haben, nicht wie bewusstseinslose Werkzeuge, die jederzeit bereit sind, alles anzunehmen, was ihnen von oben herab aufgedrängt wird.541

Dass der Charakter eines „geschriebenen Gesetzes“ der Kirchenverfassung ‫܇‬agunas hervorgehoben wird, weist auf den Gedanken eines „ungeschriebenen Gesetzes“ im Zentrum des „Volksbewusstseins“, nämlich des rumänischen Gesetzes als Ausdruck des Selbstbewusstseins der Nation-Konfession. Lupa‫܈‬ 

539 Ioan Lupa‫܈‬, Mitropolitul Эaguna ca restaurator Юi legislator al Bisericii ortodoxe Române, in: Revista Teologică, 6–7/iunie–iulie 1923, 190. 540 Vgl. ebd., 189. 541 Ebd., 190.

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behauptete im Wesentlichen, dass der Akzeptierungsgrad des Organischen Statuts unter den orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen hauptsächlich der Tatsache zu verdanken war, dass dieses Gesetz eine Erweiterung und Kodifizierung des ungeschriebenen (rumänischen) Gesetzes darstellte. Zweitens war der Erfolg der organisatorischen Reform ‫܇‬agunas der Synthese zwischen der kanonischen Tradition der christlichen Kirche – die „alten und soliden Grundlagen“ – und den modernen demokratischen und liberalen Grundsätzen zu verdanken, die das Individuum aus einem Objekt der Politik in ein politisch aktives Subjekt verwandelten. Ob es sich nun um die typologische Untersuchung der Geschichte der orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen und jener ‫܇‬agunas als deren Hauptvertreter handelte, oder um die Hervorhebung der Überlegenheit des Organischen Statuts über die politische Verfassung des Königreiches Rumänien, die gesamte Argumentation war um den Einheitsbegriff zentriert. Eine der wesentlichen Bedeutungen dieses Begriffs im Diskurs der ROKS war jene der Nation-Konfession als einheitliches Gebilde – so, wie es im vorhergehenden Kapitel erläutert worden ist. Im Imaginären der ROKS wurde ‫܇‬aguna zu einem Symbol dieser ethnischkonfesionellen Einheit: Stellt sich da nicht die Frage, ob wir uns nicht aus dem Leben eines ‫܇‬aguna eben die Lehre der engen Beziehung zwischen Christentum und Rumänismus zum Vorbild nehmen sollten? Wenn wir Dinge aus der Vergangenheit untersuchen, sollten wir vornehmlich dieses darin suchen. Wir sollten aus der vergangenen Tat deren ewige Bedeutung entnehmen, um uns in der Zukunft davon leiten zu lassen. Die ewige Bedeutung des Wesens eines ‫܇‬aguna ist die Verschmelzung in ein und derselben Seele dieser beiden wesentlichen Ideen der rumänischen Seele: Christentum und Rumänismus.542

Wie schon erwähnt, begründete der öffentliche Diskurs der ROKS die Auffassung von Nation-Konfession durch die typologische Bezugnahme auf die alttestamentliche Geschichte des jüdischen Volkes, die eine paradigmatische Situation für ein Volk lieferte, das seine Identität auf ethnisch-religiösen Grundlagen baut. Der Rückgriff auf Mose, auf König David, auf Esra und Nehemia, auf an diese Gestalten gebundene historische Ereignisse (der Auszug aus Ägypten ins Gelobte Land, die Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft usw.) und auf für das jüdische Volk stark symbolisch aufgeladenen Elemente (z.B. Berg Zion und Tempel) erlaubte die Einführung auch des politischen Elements in die ethnischkonfessionelle identitäre Formel der orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen. Wie im Falle des jüdischen Volkes wurde das politische Element dem religiösen untergeordnet, eben weil die ROKS durch ihre Verfassung dem Volk eine einheitliche politische Ordnung bieten konnte, die, anders als die des Staates, authentischer Ausdruck seiner Identität sein konnte. Die von der Kirche durch das 

542 ‫܇‬tefănescu, CreЮtinism Юi patriotism, 201.



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Organische Statut generierte politische Ordnung stellte eine Objektivierung des Spezifikums der Nation-Konfession dar. Mit anderen Worten, was der Diskurs mitteilen wollte, war, dass eine politische Ordnung der Nation nicht anders als auf religiösen Grundlagen errichtet werden konnte. Das Religiöse galt als eine Vorbedingung des Nationalen und dadurch des Politischen, und ‫܇‬aguna war die idealtypische Verkörperung dieser Einheit zwischen Religion, Nation und Politik. Die von der Person und der organisatorischen Tätigkeit des siebenbürgischen Metropoliten symbolisierte Einheit bestand aus mehreren Ebenen, auf denen die Harmonisierung unterschiedlicher Elemente stattfand: Erstens gab es die Einheit von Nation und Konfession in der Person ‫܇‬agunas, dann die Einheit von Laien und Klerus in der Kirchenordnung und, durch diese integrative Auffassung über die Kirche, schließlich die Einheit der Nation und ihrer politischen Ordnung. Die Bedeutung zweier anderer Dimensionen von Einheit überschritt die Grenzen der Region: Die gesamte kirchliche, kulturelle und politische Tätigkeit ‫܇‬agunas ließ ihn zu der „vollkommenen Verkörperung der rumänischen nationalen Einheitsidee werden“.543 Er wurde auch als Synthese zwischen „östlicher theologischer Kultur“ und „abendländischer humanistischer Kultur“544 betrachtet. Das gesamte, von ‫܇‬aguna durch das Organische Statut geschaffene kirchliche, nationale und politische Werk – d.h. der ‫܇‬agunianismus – stellte für die ROKS einen semantischen, ethnisch-theologischen Rahmen dar, aus dessen Innerem heraus sie den Diskurs über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat bzw. Religion und Politik konstruierte.

IV.2. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Spannungsfeld zwischen ‫܇‬agunianismus und Byzantinismus Der Wunsch der ROKS, den ‫܇‬agunianismus als Grundlage für die einheitliche orthodoxe Kirchenordnung in Großrumänien und gleichzeitig für deren Verwandlung in ein normatives Kriterium zur Regelung der Beziehung zwischen Kirche und Staat zu benutzen, stieß jedoch nicht nur auf den Widerstand der Orthodoxen Kirche aus dem Königreich Rumänien, sondern auch auf den Widerstand einiger der eigenen Mitglieder. Diese nutzten die Debatten zur einheitlichen Ordnung der ROK, um Kritik gegen das Organische Statut und die Angemessenheit der Beibehaltung des Statuts im neuen kirchlichen und politischen Kontext nach 1918 zu äußern. 

543 Ioan Lupa‫܈‬, Mitropolitul Andreiu Эaguna ca pregătitor al unităаii naаionale, in: Legea Românească, 26/8 iulie 1923, 2; Ciorogariu, Cum văd eu, 1. 544 L., Aducându-ne aminte, 1.

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IV.2.1. Die Ablehnung des ‫܇‬agunianismus Die wichtigste, innerhalb der ROKS geäußerte Kritik kam von ‫܇‬tefan Mete‫ ܈‬beim ersten Kongress des Andrei Эaguna Vereins von 1919. Die Grundidee seiner Argumentation war der radikale Unterschied zwischen dem Wesen und dem Zweck von Kirche und Staat. Sie zielte auf die Missbilligung des negativen Einflusses des Laientums, d.h. des Staates und der Politik allgemein, auf die Kirche. Da die Kirchenordnung auf den Kanons fußte, die auf normativer Ebene ihr göttliches Wesen widerspiegelten, waren die Ziele und die Mittel, die sie zur Erreichung ihrer Mission gebraucht, so Mete‫܈‬, jenen des Staates überlegen.545 Wenn der Staat idealerweise „stets der Kirche zu Hilfe eilen muss, jedoch nicht so, wie er es will, sondern wie die Kirche als göttliche Einrichtung es fordert“, so zeigte sich in der Realität, dass der Staat die Kirche meist nur gegen die Einmischung in deren innere Angelegenheiten unterstützte; das führte dazu, dass die Kirche „von der Macht des Staates beherrscht und von jenem stets beeinflusst worden war“. Die Unterordnung der Kirche unter den Staat hinderte diese daran, „ein reines religiöses Leben in ihren Gläubigen zu erzeugen und zu unterhalten“ und versetzte sie demzufolge „aus ihrem natürlichen religiösen Bereich in einen fremden, politischen“.546 Für Mete‫ ܈‬wirkte die Politik wie ein Mittel der Entfremdung der Kirche von ihrer eigentlichen Funktion. Das Problem der Gültigkeit von ‫܇‬agunas Kirchenverfassung für die einheitliche Ordnung der ROK wurde von Mete‫ ܈‬durch die Wiederbesinnung auf die „alte geschichtliche Tradition“ des Orthodoxen Christentums, die von der ROKS „in ihrer Gier nach Modernisierung“ aufgegeben worden wäre, diskutiert. Im Versuch einer kulturellen und institutionellen Synchronisation mit den Völkern Westeuropas würden einige Kircheneinrichtungen aufgegeben, andere nach dem Muster der westlichen verändert und die ROKS würde wesentlich dem gleichen Modernisierungs- und Demokratisierungsprozess wie die säkularen Einrichtungen unterworfen.547 Verantwortlich für diese Denaturierung des institutionellen und spirituellen Ethos der Kirche sei die Ideologie der Französischen Revolution gewesen, die Anfang des 19. Jahrhunderts in der siebenbürgischen Gesellschaft durch das ungarische Bildungssystem verbreitet worden wäre. Innerhalb dieses kulturellen, „dem Zeitgeist verpflichteten“ Milieus habe sich die Elite der Siebenbürger Rumänen nach 1848 entwickelt. Obgleich göttlichen Ursprungs, könnte selbst die Kirche sich nicht dem „liberal-reformerischen Zeitgeist“, der alle Sphären des öffentlichen Lebens in Siebenbürgen verwandelt hatte, entziehen.548 Mete‫ ܈‬verfolgt im Wesentlichen die These, dass die Einflüsse 

545 Vgl. ‫܇‬tefan Mete‫܈‬, Raport despre împreunarea bisericilor ortodoxe române din regatul român, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 90. 546 Ebd. 547 Vgl. ebd. 548 Vgl. ebd., 91.



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der laizistischen Ideologie der Französischen Revolution und der liberale Geist der Protestantischen Kirchen ‫܇‬aguna dazu bewegt hätten, das Laientum in die Führung der ROKS einzubinden, was faktisch zu einem Bruch mit der kanonischen Praxis des Orthodoxen Christentums geführt habe: Durch das Organische Statut hat unsere Kirche eine derart liberale, protestantische, dem Geiste der Orthodoxen Kirche völlig fremde Ordnung erfahren, dass die Synode der Eparchie, wie auch der nationale Kirchenkongress, in dem an Mitgliedern ein Drittel Priester und zwei Drittel Laien sind, zu einer Art Parlament geworden sind. Dieses kümmert sich um alle nationalen Belange: Um Kirche, Schule, Kultur und andere […]. Die alten und guten Bräuche verschwinden immer mehr aus unserer Kirche, deren Führung fast völlig laizisiert wurde. Hässliche Laster, Streit, Intrigen, Cliquen und Parteieninteressen entstehen allerorts und führen zur Verminderung des Glaubens, des Prestiges der Kirche und zur Zerstörung des moralischen Charakters, was zweifellos ein großes Übel für die öffentliche Moral unseres Volkes ist.549

Die beiden zentralen von Mete‫ ܈‬vorgebrachten Kritikpunkte – Laizisierung der Kirchenführung und protestantischer Einfluss – waren eine Konstante in den durch das Organische Statut schon seit seiner Einführung 1868 ausgelösten Kontroversen. ‫܇‬agunas Kirchenverfassung wurde sowohl von Theologen der ROKS kritisiert,550 die sich hauptsächlich auf die Laizisierung der Kirchenleitung konzentrierten, als auch von den protestantischen Theologen aus Siebenbürgen, die zu beweisen versuchten, dass das Organische Statut kein originelles Werk ‫܇‬agunas war, sondern lediglich eine Übernahme der Grundsätze der evangelischen Kirchenverfassung Siebenbürgens Mitte des 19. Jahrhunderts. In einer 1956 veröffentlichten Studie – „Das Luthertum als Auslösungskern der volkskirchlichen Entwicklung und deren geschichtliche Auswirkung in Südosteuropa“ – behauptete Friedrich Müller (1884–1969, von 1945 bis 1969 Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Siebenbürgen), dass ‫܇‬aguna in der Erarbeitung des Organischen Statuts das Beispiel der sächsischen Verfassung von 1861 übernommen habe. Müller wies auf die ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen ‫܇‬aguna und dem Juristen Jakob Rannicher (1823–1875)551 hin, einem der Erschaffer der evangelischen Kirchenverfassung Siebenbürgens, vor allem in der Konzeption der Harmonisierung von staatlichen und kirchlichen Gesetzgebungen.552 Jüngere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass zwischen der Verfassung der Evangelischen Kirche A.B. in Siebenbürgen von 1861 und dem Organischen Statut wesentliche Unterschiede bestehen, die die These von einem protestantischen Charakter der Verwaltungsreform ‫܇‬agunas in Frage stellen. Anders als 

549 550 551 552

Ebd., 92–93. Siege dazu Brusanowski, Reforma constituаională, 35–38. Vgl. ebd., 41–42. Vgl. Loránd Mádly, Problema organizării Bisericii Evanghelice C.A. din Transilvania Юi chestiunea „Constituаiei BisericeЮti“ pentru evanghelicii saЮi în perioada neoabsolutistă, in: Anuarul Institutului de Istorie „G. Bari‫܊‬iu“ din Cluj-Napoca, 1/2008, 45–59, hier 57.

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das Organische Statut sieht die evangelische Kirchenverfassung eine Parität zwischen Laien und Kleriker vor. Das konstitutionelle Prinzip der Machttrennung existierte in der evangelischen Verfassung nicht, die Wahl der kirchlichen Leitungsorgane erfolgte indirekt, die Gläubigen konnten lediglich die Gemeindevertreter wählen. Die evangelische Kirchenverfassung sah keine klare Trennung zwischen sakralen und verwaltungstechnischen Aspekten vor, die im Organischen Statut eine zentrale Stellung einnahm.553 Was die Einbindung der Laien in die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten betrifft, so entsprang diese Idee dem ekklesiologischen Konzept ‫܇‬agunas. Für ihn war die Kirche ein lebender, aus persönlichen (Gläubige, Priester, Bischöfe, Metropolit) sowie aus sozialen Organen (Gemeinde, Dekanat, Episkopat, Metropolie) gebildeter Organismus. Damit dieser Organismus bestehen konnte, mussten alle Organe harmonisch miteinander kooperieren und Zweck des Organischen Statuts war eben die Organisierung dieser Zusammenarbeit zum Wohle des gesamten Organismus.554 Ausgehend vom Gedanken eines organischen Charakters des ‫܇‬agunianismus, wies der siebenbürgisch-sächsische Theologe Johann Schneider darauf hin, dass das Prinzip der Einbindung von Laien in die kirchliche Verwaltung eher in der katholischen und orthodoxen Theologie des 19. Jahrhunderts gesucht werden sollte. Es äußere sich vor allem in der Art und Weise, in der die Vertreter der beiden Kirchen einerseits den Begriff der Kirche als Leib Christi aus der paulinischen Theologie (1. Korinther 12, 12–27) und andererseits jenen des organischen Charakters aus der deutschen Philosophie des Idealismus aufgegriffen hätten, um die Kirchenordnungen aufzubauen.555 ‫܇‬aguna nahm in seinem kanonischen Werk die Argumentation von Johann Baptist Hirscher (1788–1865) auf, die sich gegen den Absolutismus innerhalb der Katholischen Kirche richtete. Er übernahm gleichermaßen die von Hirscher verwendeten biblischen Grundlagen, um die Notwendigkeit der Bischofswahlen innerhalb der Synoden (Apostelgeschichte 1, 15–26; 11 und 22) aufzuzeigen. Sowohl Hirscher, als auch ‫܇‬aguna stützen ihre Ekklesiologie auf die biblische Idee der Kirche als lebenden Organismus.556 Anderseits war ‫܇‬agunas Auffassung von der Ekklesiologie des russischen Theologen Alexei S. Chomjakow (1804–1860) beeinflusst, die mit großem Interesse von den orthodoxen Intellektuellen aus dem Habsburgerreich rezipiert worden war.557 Wie Schneider herausstellt, war es für die Rumänische und die Serbische Orthodoxe Kirche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr 

553 Vgl. Brusanowski, Reforma Constituаională, 55. Auch Schneider, Der Hermannstädter Metropolit, 196–199. 554 Vgl. Andreiu ‫܇‬aguna, Compendiu de dreptul canonic al sântei sobornicesci Юi apostolesci biserici, edi‫܊‬ia a II-a, Editura ‫܈‬i tipariul tipografiei archidiecesane, Sibiiu, 1885, 86-271. 555 Vgl. Schneider, Der Hermannstädter Metropolit, 180. 556 Vgl. ebd. 557 Vgl. ebd., 185.



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wichtig, wie die russischen Theologe die kirchenslawische Übersetzung des Adjektivs katholiki aus dem Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel durch sobornaja interpretierte. Durch den Rückgriff auf diesen Begriff lehnt Chomjakow die Trennung zwischen lehrender Kirche (Klerus) und belehrter Kirche (Laien) ab. Die Laien spielten eine zentrale Rolle in der Rezeption der dogmatischen Beschlüsse der Synoden, und die Kirche wurde als eine einheitliche, aus Bischöfen, Priestern und Volk gebildete Gemeinschaft definiert.558 Die systematischste Argumentation zugunsten des Rechtes der Laien, an der Kirchenleitung mitzuwirken, kam jedoch in der Zwischenkriegszeit vom Professor für Kanonisches Recht Liviu Stan vom Orthodoxen Theologischen Institut in Sibiu. In seinem Werk Mirenii în biserică. Studiu canonic-istoric559 von 1939 bot Stan eine historische, dogmatische und kanonische Analyse der wichtigsten Elemente des ‫܇‬agunianismus, und beweist auf diese Weise, dass die Kirchenverfassung des siebenbürgischen Metropoliten in vollkommener Übereinstimmung zur kanonischen Lehre und Praxis der Urkirche steht. Die Laien haben aufgrund der vom Bischof erteilten Erlaubnis schon seit Beginn der Kirche eine bedeutende missionarische Rolle gespielt: Sie waren Prediger, Katecheten oder Apologeten des christlichen Glaubens.560 Stan zeigt aufgrund einer eingehenden historischen Untersuchung, dass schon seit den Synoden der vorkonstantinischen Ära die Praxis einer „gemischten Synodalität“ bestanden habe.561 In der Geschichte der ROKS ist im 16. und 17. Jahrhundert, als die Orthodoxie in Siebenbürgen intensiver Calvinisierungs- und Katholizisierungskampagnen ausgesetzt war, die Existenz von gemischten Synoden aufgezeichnet, an denen auch Laien beteiligt waren, die somit zur Leitungsgewalt der Kirche beitrugen.562 Die Laien haben nicht nur mit dem Klerus zusammen in den Synoden über das Schicksal verschiedener Lokalkirchen mitbestimmt, sie waren auch in der Geschichte der christlichen Kirche – sowohl im Osten als auch im Westen – ein bedeutender Faktor in der Bischofswahl,563 und deswegen, behauptet Stan, sei es nicht zulässig, dass diese oftmals vergessene Praxis als „protestantische Neuerung“ oder als „protestantisierend“ dargestellt werde.564 Obgleich der organische Charakter der Kirche und, damit zusammenhängend, die aktive Einbindung all ihrer Mitglieder in die Leitungsgewalt und 558 Vgl. ebd., 185–186. 559 Siehe Liviu Stan, Mirenii în biserică. Studiu canonic-istoric, Editura Arhidiecezană, Sibiu, 1939. Zur deutschen Übersetzung, siehe: Liviu Stan, Die Laien in der Kirche. Eine historisch-kirchenrechtliche Studie zur Beteiligung der Laien an der Ausübung der Kirchengewalt, Ergon, Würzburg, 2011. 560 Vgl. Stan, Die Laien in der Kirche, 97–130. 561 Vgl. ebd., 134–138. 562 Vgl. ebd., 174–187. 563 Vgl. ebd., 235–506. 564 Vgl. ebd., 236.

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Kirchenordnung auf biblischen, kanonischen und historischen Grundlagen fußt, kann der Einfluss des modernen, von der Ideologie der Französischen Revolution verbreiteten Gedankenguts nicht vollends außer Acht gelassen werden – vor allem nicht die Idee der demokratischen Wahlen, ein zentraler Grundsatz des ‫܇‬agunianismus. Dieses Gedankengut war im politischen und kirchlichen Kontext um die Mitte des 19. Jahrhunderts höchstens ein Impuls für die ROKS, zu einer ihrer Geschichte überhaupt nicht fremden demokratischen Praxis zurückzukehren. Mete‫ ܈‬erkennt, dass die Einbindung der Laien in die Leitungsgewalt der Kirche eine bedeutende Rolle in der Stärkung der rumänischen Einheit innerhalb des multiethnischen und multikonfessionellen Habsburgerreiches gespielt hat, grenzt jedoch die Bedeutung des Laientums auf jenen spezifischen historischen Kontext ein.565 Die Ausbreitung des ‫܇‬agunianismus auf die gesamte Orthodoxe Kirche in Großrumänien würde jedoch eine Reihe von Problemen, mit denen die ROKS sich zur Zeit ihrer Organisierung aufgrund des Organischen Statuts auseinandersetzen musste – Verschlechterung der Volksmoral oder Beeinflussung der Kirche durch die Politik –, auf nationale Ebene übertragen.566 Durch die Laien – die von ihren eigenen Interessen und politischen Präferenzen beeinflusst werden – würde das Organische Statut paradoxerweise nichts Weiteres tun als die Praxis der Einmischung der Politik in die inneren Angelegenheiten der Kirche, so wie sie im Königreich Rumänien gängig war, zu bestätigen.567 Um die Kirche vor dem Einfluss des „Politikertums“ zu beschützen, – d.h. vor den unmoralischen Parteiinteressen568 – schlägt Mete‫ ܈‬den Verzicht auf das Organische Statut vor und die Rückkehr zur „alten kanonischen Ordnung, welche der Kirche Freiheit und Wohl innerhalb des Staates gewährleistet“. Die Orthodoxe Kirche habe, laut Mete‫܈‬, den Status einer autonomen Kirche im rumänischen Staat erhalten und wäre ausschließlich von der bischöflichen Synode mit Vollmacht geleitet worden, wobei die Synode ihrerseits nur von den Hierarchen gewählt worden wäre. Verwaltungsmässige- und jurisdiktionelle Probleme sowie schulische und kulturelle Belange, in deren Lösung bis dahin den Laien eine bedeutende Rolle zugekommen war, würden in der Zukunft nur noch von einem aus Führern des Klerus gebildeten Kirchenrat erledigt und dessen Beschlüsse von der Bischofssynode bestätigt werden. Jede Eparchie würde vom Kirchenkonsistorium

565 566 567 568

Vgl. Mete‫܈‬, Raport despre împreunarea, 93. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 95. Siehe z.B. Index, Politicianismul Юi preoаimea, in: Legea Românească, 13/1 iulie 1926, 3– 4.; ***Perspective sociale în lumina Evangheliei, in: Telegraful Român, 18/9 martie 1923, 2; zu einer Analyse des Politikertums als Degenerierungsform der rumänischen Politik in der modernen Zeit, siehe das klassische Werk von Motru, Cultura Română.

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geleitet werden, an dessen Spitze der jeweilige Hierarch stünde.569 Die Hauptaufgabe des Staates in dieser neuen institutionellen Ordnung sei auf die Sicherung eines Budgets zur Finanzierung der materiellen Belange der Kirche beschränkt.570 Das Projekt von Mete‫ ܈‬schlägt im Grunde die Auswahl der wesentlichen Elemente der beiden Kirchenordnungsmodelle – dem ‫܇‬agunianismus und dem byzantinischen – und deren Vereinigung in eine einheitliche Ordnung vor: Die Orthodoxe Kirche in Großrumänien wäre, wie jene aus dem Königreich Rumänien, komplett klerikalisiert worden, hätte sich jedoch, wie jene in Siebenbürgen, die Autonomie dem Staat gegenüber bewahrt. Angesichts der Vielfalt an kirchlich-regionalen und politisch-zentralistischen Interessen, die das Statut der ROK miteinander vereinbaren musste, war dieses Projekt ein idealistisches Konstrukt ohne wirkliche Chancen auf Konkretisierung. Und das vor allem, weil sowohl die Autonomie dem Staat gegenüber als auch der radikale Klerikalismus eine deutliche Abgrenzung der Kirche als in sich geschlossene Realität von der von Staat und Laientum vertretenen Außenwelt anvisiert. Mete‫ ܈‬schlägt eigentlich eine Autonomisierung der Kirche sowohl dem Staat gegenüber als auch – durch die Entfernung des Laientums aus der Leitungsgewalt der Kirche – der Gesellschaft gegenüber vor. Staat und Gesellschaft werden beide als Produkte der Moderne und gleichzeitig als Mittel zur Verbreitung der Moderne betrachtet und das einzige Orientierungsprinzip in der inneren Ordnung der Kirche war für Mete‫܈‬ die vormoderne „alte kanonische Ordnung“, die ausschließlich klerikale Leitung der Kirche wie in Byzanz. IV.2.2. Verteidigung des ‫܇‬agunianismus: Die entwicklungsfähige Kanonizität als Bereitschaft zur Rezeption des Zeitgeistes Die Verteidiger des ‫܇‬agunianismus haben die Kirchenverfassung der ROKS nicht idealisiert und die von ihr verursachten konkreten Probleme auf der Ebene der religiösen Praxis sehr wohl erkannt. Jedoch haben sie darin kein Argument gegen die normativen Grundsätze des Organischen Statuts gesehen. Aus dieser Perspektive wurde nicht das Laientum an sich als Problem angesehen, sondern vielmehr die Tatsache, dass es seine Mission, durch die Erfüllung seiner im Organischen Statut vorgesehenen Aufgaben zur „Steigerung der Lebenskraft der Kirche und dadurch der Widerstandskraft des Volkes“ in einer Zeit, in der die Existenz des Volkes in Gefahr war, nicht wahrgenommen hatte.571

569 Vgl. Mete‫܈‬, Raport despre împreunarea, 95. 570 Vgl. ebd., 96. 571 Gheorghe Com‫܈‬a, Unificarea organizaаiei noastre bisericeЮti, in: Telegraful Român, 93/25 septembrie 1919, 2.

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Das von Mete‫ ܈‬vorgebrachte Hauptargument gegen das Organische Statut war, wie schon erwähnt, dass es nicht die kanonische Ordnung der Urkirche widerspiegelte. Der ‫܇‬agunianismus wäre somit nichts anderes als das Resultat einer modernen Pseudomorphose der authentischen Urkanonizität der Kirche. Um den Gedanken der kanonischen Diskontinuität des ‫܇‬agunianismus zu widerlegen, argumentiert Nicolae Bălan, dass die kanonische Ordnung der Urkirche in der Geschichte durch eben ihre Fähigkeit überlebt habe, sich den unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten anzupassen, ohne die unveränderlichen Grundsätze, auf die sie sich stütze, aufzugeben: Das Organische Statut ist nicht anachronistisch, und jene, die das Gegenteil behaupten, konnten nicht ein einziges seriöses Argument für ihre Anschuldigung vorbringen. Das Fundament unserer Kirche sind die Ordnungsprinzipien der wahren Kirche Christi, doch sie passen sich den geschichtlichen Gegebenheiten an und diese unvermeidbare und notwendige Anpassung enthält nichts, was gegen die Kanons verstoßen könnte. Die Kirche ist kein versteinerter Organismus, sondern, wie der Apostel Paulus es gesagt hat, ein lebender Organismus. Sie befindet sich unter dem Einfluss der unterschiedlichen Situationen und Lebensumständen der Zeit, deswegen erscheint sie in der Geschichte in vielfältigen Ausprägungen. Die Kirche hatte in ihrer Anfangszeit zwischen den Grenzen Palästinas ein bestimmtes Gesicht, und ein anderes, als sie in die Kultursphäre der griechisch-römischen Welt eintrat, wieder ein anderes im Mittelalter. Trotzdem ist sie immer die gleiche geblieben, ihren Grundsätzen und ihrem Wesen treu, nicht dem Zeitgeist nachgebend, sondern ihn in sich aufnehmend wie das Meer die Gewässer der in sie mündenden Ströme aufnimmt. Die Kanons sind auf der Grundlage einiger weitgreifender Ordnungsprinzipien formuliert und unsere Kirche passt perfekt in diese Prinzipien hinein.572

Das Problem der Kanonizität oder Nichtkanonizität des Organischen Statuts sollte, so Bălan, nicht als doktrinäres Problem angesprochen werden – das die Konservierung des dogmatischen Fundus der Kirche als wesentlich betrachtet –, sondern als praktisches Problem. Das Evaluationsprinzip des ‫܇‬agunianismus sollte der „kirchliche und religiös-moralische Nutzen“ sein, den sie für die Ermutigung der Gläubigen habe, zur Stärkung der Kirche in den unterschiedlichen Kontexten, in denen diese existiert.573 Aus dieser Perspektive seien die Kirchenkanons lediglich „Mittel zur Errichtung des Reiches Gottes auf Erden“, sodass deren Anpassung an verschiedene historische Kontexte zu jenem Prozess gehöre, der der Kirche zur Erreichung

572 ***Procesele verbale ale primului congres al preoаimei din Mitropolia Ortodoxă Română din Ardeal, Bănat, CriЮana Юi MaramureЮ, ‫܇‬edin‫܊‬a a III-a, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 16. Nicolae Popovici, Reflexiuni asupra organizaаiei Bisericii Ortodoxe Române, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 13/28 martie 1926, 5. 573 Vgl. Gheorghe Ciuhandu, Câteva cuvinte la reorganizarea unitară a Bisericii Ortodoxe Române II, in: Telegraful Român, 18/15 aprilie 1920, 2.

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dieses Zwecks behilflich sei.574 Das Gleichgewicht zwischen der Anpassungsfähigkeit an die sozialen Veränderungen und der Bewahrung des ursprünglichen kanonischen Fundus stütze sich einerseits auf ‫܇‬agunas Konservativismus – durch den er die Verbindung zur Urkirchenordnung, in der die „Tendenzen zur Isolierung des Klerus vom Volk oder des hierarchischen Absolutismus“ noch nicht so stark „wie in späterer Zeit waren“, herstellte – und andererseits auf seinem Progressismus, der sich in darin äußerte, dass er das Wesen seiner Zeit und die zukünftige Entwicklungsrichtung der Gesellschaft und der christlichen Kirche zu ergründen sich bemühte, sehr wohl verstehend, dass die Zukunft dieser Kirche nur durch das lebendige und stetige Interesse, das sie in den Seelen aller Gläubigen zu erwecken vermag, gesichert werden kann.575

Sowohl der dem Organischen Statut positiv gegenüberstehende Diskurs, als auch jener, der es negativ bewertet, werden durch den Verweis auf eine Ursprungs-, somit authentische Situation legitimiert. Während die Gegner des ‫܇‬agunianismus sich auf die Situation der Kirche im byzantinischen Reich beziehen – und hieraus lediglich auf das Prinzip der ausschließlich vom Klerus geleiteten Kirche, wie es Mete‫ ܈‬tut –, verweisen dessen Befürworter auf die Lage der Kirche vor der Konstantinischen Wende. Durch „spätere Zeiten“ wird offensichtlich auf die byzantinische Epoche mit ihren intensiv absolutistischen Tendenzen in der Kirche verwiesen, wo die christliche Hierarchie im Grunde den den Machtstrukturen des Byzantinischen Reiches typischen politischen Absolutismus übernahm.576 Gheorghe Ciuhandu, der sich der starken Tradition der Unterordnung der Kirche unter den Staat im Königreich Rumänien bewußt ist, erkennt, dass die demokratische Ordnung der ROKS durch einen Prozess der Anpassung an den neuen Kontext zu gehen habe und dass diese „teilweise der Einheit der Kirche und des rumänischen Volkes zuliebe“ geopfert werden müsse.577 Ciuhandus 

574 Vgl. ebd.; siehe auch ***Vorbirea Prea Sfinаiei Sale arhiepiscopul Юi mitropolitul Nicolae rostită la Юedinаa Senatului din 24 Martie a.c. cu ocazia dezbaterii legii privitoare la unificarea organizaаiunii bisericeЮti, in: Telegraful Român, 25–26/4 aprilie 1925, 1. 575 Ioana Lupa‫܈‬, Procesele verbale ale primului congres. ‫܇‬edin‫܊‬a a II-a, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 14. Gheorghe Ciuhandu, Câteva cuvinte la reorganizarea unitară a Bisericii Ortodoxe Române I, in: Telegraful Român, 16/1 aprilie 1920, 2. 576 Zu einer Untersuchung des Übergangsprozesses von der „demokratischen“ Ordnung der Urkirchen der ersten drei Jahrhunderte zu einer absolutistischen, auf den Bischof, der immer mehr auch eine politische Funktion im Reich zu übernehmen begann, konzentrierten Ordnung, siehe Hans-Georg Beck, Vom Umgang mit Ketzern. Der Glaube der kleinen Leute und die Macht der Theologen, C.H. Beck, München, 1993, vor allem das Kapitel: Die politische Rolle der Hierarchie, 18–24. 577 Vgl. Gheorghe Ciuhandu, Împreunarea bisericilor ortodoxe de pe teritoriul României mari într-o singură biserică ortodoxă-română Юi raportul acestei biserici faаă de stat, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 83.

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Argument für die Vereinigung aller regionalen Orthodoxen Kirchen in eine einzige Rumänisch-Orthodoxe Kirche stützt sich auf den 34. Apostolischen Kanon, wo das Syntagma „die Bischöfe eines jeden Volkes“ im Sinne der Notwendigkeit der kirchlichen Einheit als Antwort auf die national-politische Einheit interpretiert wird.578 Ciuhandu fordert, dass die anderen regionalen Orthodoxen Kirchen in erster Linie die Einbindung des Laientums in die Kirchenleitung nach den Vorgaben des Organischen Statuts akzeptieren sollten. Das würde die Kirche in Übereinstimmung mit „der Idee des Demokratismus, die heute über dem autoritären Prinzip steht“ bringen und auf diese Weise ‫܇‬agunas Öffnung den ideologischen und politischen Richtungen des 19. Jahrhunderts gegenüber nachahmen.579 Eine Öffnung zum Laientum hin würde eine Aufteilung der innerkirchlichen Aufgaben und deren Übertragung auch auf die Gläubigen bedeuten, was zu deren Annäherung an die Kirche führen und „der religiösen Gleichgültigkeit, die sich immer mehr in die Seelen einnistet, vorbeugen würde“.580 Im Unterschied zur radikalen Klerikalisierung und der monadischen Verschlossenheit der Kirche der Gesellschaft gegenüber, so wie sie von Mete‫ ܈‬gefordert worden ist, heben die Vertreter des ‫܇‬agunianismus hervor, dass die Laien den Transfer der moralischen Ordnung der Kirche auf die gesamte Gesellschaft sichern würden.581 Der ‫܇‬agunianismus spielt gleichzeitig eine moralisch-religiöse und national-politische Rolle und ist das Mittel der Kirche, die Gesellschaft immer weiter zu christianisieren. Die Befürworter des Organischen Statuts schlugen ihrerseits ein einheitliches Ordnungsmodell für die gesamte Rumänisch-Orthodoxe Kirche und für deren Beziehung zum Staat vor. Das Modell stellt eine Synthese zwischen dem ‫܇‬agunianismus und dem Modell der konkreten Erfahrung der Beziehung zwischen Kirche und Staat im Königreich Rumänien dar. Das methodologische Prinzip zur Realisierung dieser Synthese hat zwei Dimensionen: Die ROKS bestätigt die Gültigkeit des allgemeinen, von der Ordnung der Orthodoxen Kirche im Königreich Rumänien gebotenen Rahmen und relativiert ihn zugleich durch den ‫܇‬agunianismus. Dieser Relativierungsprozess zielt auf die Gründung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat auf einem religiös-politischen Fundus, der mit der Auffassung der ROKS von der Nation-Konfession übereinstimmt. Im Sinne dieses methodologischen Ansatzes zur Differenzierung und möglichen Kompatbilität zwischen den beiden religiös-politischen Vorbildern unterstreicht Ciuhandu, dass im Königreich Rumänien die Orthodoxe Kirche



578 579 580 581



Vgl. ebd., 82. Vgl. ebd., 85. Ebd. Vgl. ebd.; siehe auch Lucian Borcia, Tendinаe primejdioase, in: Telegraful Român, 2/9 ianuarie 1920, 1.

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eine öffentliche Einrichtung und gleichzeitig eine staatliche Kirche [sei]. Das bedeutet, dass der Staat noch einen rumänischen orthodoxen Charakter hat. Das war so, das ist so und vor allem wird das auch in Zukunft so bleiben [...]. In der Vergangenheit haben die Rumänisch-Orthodoxe Kirche und der orthodoxe rumänische Staat eine wunderbare zivilisatorische Mission erfüllt und zwar nicht nur für die universelle Orthodoxie. Die Griechen, die Araber, die Georgier haben sich des Schutzes und der kulturell-moralischen und sogar materiellen Hilfe der rumänischen und orthodoxen Fürstentümer erfreut. Diese Tradition darf nicht erlöschen; ganz im Gegenteil, sie ist dazu vorherbestimmt, auch in Zukunft zu blühen und wird in noch höherem Maße unseren nationalen und politischen Ruf als Zivilisationsträger in den Orient tragen und das Prestige der Rumänisch-Orthodoxen Kirche erhöhen. Das vereinte Rumänien darf diese zweifache Mission nicht vergessen, von der sie – sollte es sie erfüllen – bedingungslos und in allen Hinsichten profitieren wird.582

Die Tatsache, dass der Staat auch in Zukunft einen „rumänischen orthodoxen Charakter“ haben sollte, ist somit eine historische Notwendigkeit, die der Vorstellung des rumänischen Gesetzes als Nation-Konfession entspringt; die politische Formel ist in diesem Falle jene eines national-orthodoxen Staats, durch den die Kirche die zivilisatorische Mission der rumänischen Nation wieder beleben kann. Wenn er davon spricht, dass die mittelalterlichen Rumänischen Länder zusammen mit der Orthodoxen Kirche verschiedene christliche Völker aus dem Orient unterstützt haben, denkt Ciuhandu vor allem an das, was die Rumänischen Länder im Dienste des Überlebens des Orthodoxen Christentums innerhalb des Osmanischen Reiches, vornehmlich nach der Eroberung Konstantinopels, geleistet haben. Dieser panorthodoxe Einfluss der Rumänischen Länder ist tatsächlich erwiesen – zum Beispiel waren im Mittelalter die Rumänen von allen orthodoxen Völkern Südosteuropas die wichtigsten Unterstützer der Klöster auf dem Berg Athos.583 Die ersten kirchlichen Bücher in arabischer Sprache wurden in der Walachei von der fürstlichen Druckerei im Kloster Snagov von Antim Ivireanu gedruckt, dem späteren Metropoliten der Walachei (1708–1716), im Auftrag des Fürsten Constantin Brâncoveanu (1688–1714). Außer diesen Büchern erhielt Athanasius Dabbas (1686–1694, 1720–1724 Metropolit von Antiochien) 1705 vom rumänischen Fürsten eine Druckerei, die er in der bischöflichen Residenz von Aleppo584 aufstellte. Es war die erste Druckerei für arabische Schrift und Sprache im Osmanischen Reich.585 

582 Ciuhandu, Împreunarea bisericilor ortodoxe, 86. 583 Vgl. Nicolae Iorga, Voievozi Юi boieri români ctitori la Athos, und Teodor Bodogae, Situaаia daniilor în bani făcute de voievozii români la Athos, in: Ignatie Monahul/ Gheorghe Vasilescu (Hg.), Românii ‫܈‬i muntele Athos. Culegere de studii ‫܈‬i articole, Paralela 45, Pite‫܈‬ti, 2002, 215–236 bzw. 252–255. 584 Vgl. Ioana Feodorov, Romanians and Near Eastern Arabs. Connections through Christian Orthodoxy, in: Revue AIESEE, Bucharest, 2014, 40–48, hier 46–47. 585 Vgl. Ira M. Lapidus, A History of Islamic Societies, Cambridge University Press, New York, 2014, 355.

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Ciuhandu meint, dass die Autonomie der Urkirche dem Staat gegenüber in der „byzantinischen Ära des absolutistischen Reiches“586 aufgehoben worden wäre und dass das harmonische Zusammenwirken von Kirche und Staat, auf das die zivilisatorische Tätigkeit der Rumänischen Länder im Mittelalter gegründet gewesen wäre, mit Beginn der modernen Staatsbildung Mitte des 19. Jahrhunderts denaturiert worden wäre.587 Im Wesentlichen suggeriert Ciuhandu, dass es ein rumänisches, auf Zusammenarbeit gegründetes Modell der Beziehung zwischen Kirche und Staat gebe und dass dieses Modell einen gewissen Autonomiegrad der Kirche seinem weltlichen Partner gegenüber voraussetzt. Er behauptet, dass zwischen ‫܇‬agunianismus und der religiös-politischen Erfahrung des rumänischen Mittelalters eine gewisse Kompatibilität bestehe, während das von dem modernen rumänischen Staat seit Alexandru Ioan Cuza übernommene Modell eine Rückkehr zum byzantinischen Paradigma bedeute, zu dem der Laizismus der Französischen Revolution hinzugekommen wäre: Seitdem, jedoch, war die ehemalige Harmonie immer wieder wegen der nach westlichem, aus Paris übernommenem interkonfessionellem Muster gestalteten Politik unserer Kirche gegenüber gestört. Seitdem beginnt die Kirche alle Erschütterungen der täglichen Politik mitzuverspüren. Das charakterisiert die Politik des Königreiches der Kirche gegenüber, die es in seine Dienste stellen will.588

Durch Interkonfessionalisierung des Staates versteht Ciuhandu eigentlich die Gefahr der vom Staat eingenommenen konfessionellen Neutralität, was folgerichtig dem Staat einen säkularen, folglich unorthodoxen Charakter verleihen würde. Das „aus Paris“ übernommene interkonfessionelle Muster bezieht sich eben auf die von der Französischen Revolution geförderten Idee eines säkularen Staates, der allen christlichen Kirchen gegenüber dieselbe Haltung einnimmt. Ciuhandu betont, dass der moderne rumänische Staat die Idee des Laizismus nicht übernommen habe, um sich von der Kirche zu trennen und sie in die Unabhängigkeit zu entlassen, sondern um sie in seine Dienste zu stellen und gleichzeitig allen kirchlichen Einfluss auf die Staatspolitik zu unterbinden. Eine mögliche Konkretisierung dieser Tendenz zur Entkonfessionalisierung des Staates durch die Verfassung Großrumäniens von 1923 würde die Unterbrechung einer historischen Entwicklung bedeuten, die zur Entstehung sowohl des rumänischen Volkes als auch des rumänischen Staates geführt habe589 und würde die Kirche dazu verpflichten, durch implizite politische Handlungen eine gewisse offene Widerstandshaltung dem Staat gegenüber einzunehmen:



586 587 588 589



Ciuhandu, Împreunarea bisericilor ortodoxe, 88. Vgl. ebd., 87. Ebd. Vgl. ebd., 88.

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Wir stellen die Hypothese der Interkonfessionalisierung zur Diskussion, nicht weil wir Angst davor hätten, sondern weil im Falle des Eintretens dieser unguten Möglichkeit, die Kirche rechtzeitig alle Konsequenzen ziehen sollte, bis hin zum Martyrium. Sollte die Gefahr der Interkonfessionalisierung des Staates Wirklichkeit werden, so ist die Kirche sich selbst gegenüber und mehr noch Christus gegenüber verpflichtet, rechtzeitig die nötigen Vorbereitungen zu treffen, und zwar nicht um einen Krieg gegen den Staat zu führen, sondern um ihre Gläubigen, die die öffentliche Meinung prägen, über den Zweck der Kirche innerhalb der Welt und des Staates sowie über die natürlichen Beziehungen und die gegenseitigen Interessen von Kirche und Staat aufzuklären.590

Die Beziehung zwischen Staat und Kirche konstituiert sich auf der symbolischen Ebene der öffentlichen Meinung, bevor sie auf institutioneller Ebene durch politisch-religiöse Entscheidungen konkretisiert wird. Wie schon angedeutet, ist die soziale Ordnung ein Produkt der Semantik, d.h. eine Form der Interpretation der Beziehung zwischen Kirche und Staat. Diese Semantik soll die ROKS den Gläubigen mitteilen, die sowohl Mitglieder der Kirche als auch Staatsbürger sind. Die Entscheidungen, die die christlichen Staatsbürger aufgrund dieser doppelten öffentlichen, von einer religiös-politischen Semantik geprägten und von der Kirche weitergegebenen Identität treffen, bestimmen letztendlich das Wesen der Beziehung zwischen den beiden Institutionen. Doch die Bedingung der Möglichkeit dieser impliziten politischen Handlung der ROK liegt in der Anwendung der Prinzipien des ‫܇‬agunianismus, d.h. durch die Sicherung einer festen Bindung zwischen Klerus und Volk und gleichzeitig durch die Bewahrung der Kirchenautonomie dem Staat gegenüber. Durch die vom ‫܇‬agunianismus dem Laientum zugeschriebene Rolle bleibt die Kirche ein nationaler und die Nation ein religiöser Organismus. Diese Synonymie ist die Voraussetzung der Gestaltung der Kirche zu einem impliziten politischen Faktor. Der Gläubige wird durch den ‫܇‬agunianismus zu einem religiös-politischen Subjekt und kann somit die Politik religiös beeinflussen.

IV.3. Die Notwendigkeit der Autonomie der Kirche Wenn er einerseits von dem byzantinischen Muster, andererseits von dem französischen Laizismus spricht, verweist Ciuhandu auf den Gedanken, dass die Unterordnung der Orthodoxen Kirche unter den modernen rumänischen Staat ein hybrides, religiös-politisches Modell darstellt, das durch die Unterwerfung der Kirche einem säkularen Staat gegenüber charakterisiert wird. Wenn er behauptet, der rumänische Staat des Königreiches Rumänien sei und müsse orthodox bleiben, so meint Ciuhandu, dass zwischen den beiden Einrichtungen eine enge, von der Geschichte gefestigte Beziehung bestehe. Gleichzeitig kritisiert er jedoch die 

590 Ebd., 89.

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Natur dieser durch die Bildung des rumänischen Nationalstaates gestalteten Beziehung. Der neuartige Beziehungstypus zwischen Staat und Kirche befinde sich in Übereinstimmung weder mit der religiös-politischen mittelalterlichen Tradition der Rumänischen Länder, noch mit dem politischen Spezifikum der Moderne. Die Existenz eines Staates, der seine Kirche unterwirft, sei unangemessen in der Epoche der modernen Freiheiten und in monarchischen Staaten, in denen die ehemals absolutistische Macht des Souveräns konstitutionell geworden ist. Dieses damals und heute demütigende Verhältnis zwischen Staat und Kirche muss revidiert und radikal geändert werden, denn es ist eine Verneinung der Freiheitsidee selbst und gleichzeitig ein Anachronismus, wenn die Sphäre der Freiheiten aller Individuen und Gemeinschaften innerhalb des Staates erweitert wird und nur die Kirche in eine demütigende Abhängigkeit von der Staatspolitik und den Schwankungen der militanten Politik gezwängt wird.591

Die Regelung der Beziehung zwischen Kirche und Staat aufgrund des vom Organischen Statut festgelegten Autonomieprinzips würde demnach, so Ciuhandu, einen Modernisierungsimpuls vonseiten der Kirche für den rumänischen Staat bedeuten. Der ontologische Unterschied zwischen Kirche und Staat, der, anders als im Falle der Kirche, „kein Ewigkeitsversprechen enthält“, führe dazu, dass das Organische Statut zu einer Notwendigkeit vor allem für den Staat wird.592 Die Existenz des Staates hänge davon ab, ob er sich „den Eckstein, der Christus ist“, zum Grundstein legen wolle, indem er der Kirche jene Autonomie gewähre, die sie brauche, um im Dienste der Nation tätig sein zu können.593 Der Nationalstaat kann somit nur dann bestehen, wenn die Kirche frei ist, entsprechend ihrer eigenen Natur und ihren eigenen Mitteln im Rahmen der Nation tätig zu sein. Um die Notwendigkeit der kirchlichen Autonomie deutlich zu machen, bezieht sich Ciuhandu auf den Kontext, in dem die christliche Kirche von Jesus Christus gegründet worden ist. Dadurch wird die Situation der Urkirche zu einem Vorbild für die Ordnung einer jedwelcher nachfolgenden Kirche. Als Christus die Kirche gründete nahm er keine Rücksicht auf irgendeine Gesetzgebung oder Zustimmung der weltlichen Instanzen. Im Gegenteil, er unterschied zwischen Seinem „Reich“ und „dieser Welt“ und gründete Seine Kirche sogar gegen den Willen der Staatsmacht.594

Die berechtigte Forderung der Kirche nach Autonomie stützt sich auch auf die Tatsache, dass die beiden Institutionen unterschiedliche ontologische Strukturen aufweisen. Beide seien Werkzeuge, durch die sich die göttliche Sorge um die Welt 

591 592 593 594



Ebd., 88. Vgl. ebd., 89. Vgl. ebd. Ebd., 88.

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äußere, sodass Kirche und Staat nur in einer Zusammenarbeitsbeziehung zueinander stehen können.595 Anders gesagt, sind Kirche und Staat für Ciuhandu aus ontologischer Sicht und aus Sicht ihres Ursprungs voneinander getrennt und unabhängig, doch einheitlich aus der Perspektive ihrer Funktionalität im Rahmen der Heilsgeschichte. Wenn innerhalb des Habsburgerreiches Autonomie im Grunde die Trennung von Kirche und Staat bedeutete und gleichzeitig ein Verteidigungsmittel der orthodoxen Rumänen gegen die feindliche staatliche Politik darstellte, welche Bedeutung hat dann aus der Perspektive der ROKS die Autonomie der ROK im Kontext ihrer Existenz in einem rumänischen Nationalstaat? Die Antwort auf diese Frage hängt eng mit der Idee der Kanonizität zusammen. Wie schon erwähnt, bedeutet Kanonizität für die ROKS die vollkommene Übereinstimmung zwischen den der Kirchenordnung zugrunde liegenden Gesetzen und ihrem Wesen als Einrichtung göttlichen Ursprungs. Die Bewahrung der Kanonizität bedeutet somit die Gewährleistung der Rolle der Kirche als Vermittlerin der transzendenten göttlichen Ordnung in die Geschichte, d.h. der Errichtung des Reiches Gottes auf Erden. Wesentlich für die Ausübung dieser Funktion ist die Autonomie dem Staat und anderen Einflüssen gegenüber. Ciuhandu geht in diesem Fall von der Existenz zweier Dimensionen der kirchlichen Autonomie aus: Einer internen, die auf dem Prinzip gegründet ist, dass die Kirche nicht von dieser Welt sei (Johannes 17), und das wiederum bedeutet, dass die Kirche sich durch eigene Gesetze vor jedwelchem Faktor, der das „Leben des kirchlichen Organismus“ beeinflussen könnte, schützen muss, und einer externen, die von dem Prinzip ausgeht, dass in der Kirche und durch die Kirche dem Cäsaren nur das seine gegeben werden und der Kirche das ihre bewahrt werden soll (Matthäus 22, 21).596 Aus der Perspektive ihrer Mission in der Gesellschaft habe die Kirche nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung, ihre Autonomie zu bewahren, denn nur so könne sie tätig sein, damit „das Reich Gottes in die Seelen der Gläubigen dringen und darin blühen und in das öffentliche Leben sich ergießen kann“.597 Die Autonomie der Kirche ist ein aus dem ontologischen Unterschied zwischen den beiden Institutionen sich ergebendes Recht. Die Freiheit der Kirche im Verhältnis zum Staat ist eine unabdingbare Bedingung zur Erfüllung ihrer Rolle als soziale Ordnung generierende Instanz. Sollte der Staat die Kirche unterordnen, würde sie unfähig sein, ihren „ihrem Wesen inhärenten Zwecke zu



595 Vgl. ebd. 596 Vgl. Ciuhandu, Câteva cuvinte la, I, 1–2; siehe auch Bisericanul, Autonomie Юi autocefalie bisericească, in: Revista Teologică, 1–3/ianuarie–martie 1921, 39. 597 Ciuhandu, Câteva cuvinte la, II, 1.

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erfüllen“.598 Das bedeutet wiederum, dass die Kirche eine dem Staat ähnliche Funktionalität annehmen könnte und, aus ihrem Inneren heraus, zur Erzeugung einer rein säkularen Ordnung ohne Bezug zur transzendenten Ordnung des Reiches Gottes beitragen könnte. Kurz gesagt, die Unterordnung der Kirche unter den Staat hebt die soziale Ordnung stiftende Rolle der Kirche durch den schrittweisen Transfer der transzendenten Ordnung in das Leben der Nation auf. Trotzdem bedeute die geforderte Autonomie keinesfalls eine totale Trennung von Kirche und Staat oder die Existenz eines Antagonismus zwischen den beiden. Im Gegenteil: Die kirchliche Autonomie setze eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat voraus, die in gegenseitigem Vertrauen und Unterstützung ihre Missionen und Tätigkeiten zum Wohle der Staatsbürger untereinander aufteilen würden.599 Die Autonomie würde der Kirche die notwendige Unabhängigkeit sichern, damit sie ihre spezifische „Mission“ in der Welt erfüllen kann; anderseits würde sie einen legalen Rahmen erzeugen, in dem die Beziehung zwischen Kirche und Staat sich entfalten könnte und so „den Konflikten, die durch die Trennung der Kompetenzbereiche entstehen könnten, vorgebeugt“600 würde. Die Autonomie zielt somit nicht auf eine radikale Trennung der beiden Einrichtungen ab, was aufgrund ihrer festen Verbindung zueinander unmöglich wäre, denn beide sind nationale Einrichtungen, die aus den Tiefen der rumänischen Seele und für die Erfüllung deren historischer Mission in dem Land unserer Vorfahren [entsprungen sind].601

Die Vereinbarkeit zwischen der ordnungsgenerierenden Tätigkeit der Kirche und der des Staates entsteht aus der Tatsache, dass sie eine Einheit bilden und eine äußere, institutionelle Erscheinungsform derselben Nation-Konfession darstellen. „Ein jeder Staat wird gebildet und erhalten von einem Volke, er ist die äußere Form der Kultur und Energie seiner Söhne“. So wie die „rumänische Seele“ nicht gespalten werden könne, so könne auch nicht eine Trennung zwischen „ihren Ausdrucksformen, dem Staat und der Kirche“ vorgenommen werden.602 Das Argument für die Existenz einer harmonischen Beziehung zwischen Kirche und Staat ist also die Idee der Nation-Konfession als Ausdruck des rumänischen Gesetzes. Wenn sowohl Kirche als auch Staat Ausdrucksformen derselben Nation-Konfession sind, so bedeute dies, dass der Staat nichts dagegen einzuwenden haben sollte, dass die Kirche 

598 Nicolae Bălan, Procesele verbale ale primului congres, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 17–18; Pompei Moru‫܈‬ca, Organizarea Bisericii Ortodoxe Române, in: Revista Teologică, 11/noiembrie 1923, 332. 599 Vgl. Moru‫܈‬ca, Organizarea Bisericii, 333. 600 Ciuhandu, Câteva cuvinte la, II, 1. 601 Ebd. 602 Vgl. Un preot, În apărare, in: Telegraful Român, 87/3 decembrie 1930, 1.



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die Oberhoheit über alle staatlichen Einrichtungen haben sollte, denen sie den Charakter des Orthodoxen Christentums aufzuprägen und den Geist desselben einzuhauchen bedacht sein soll, denen sie die zukünftige Entwicklungsrichtung des staatlichen und sozialen Lebens vorgeben soll.603

Demgemäß ist die mehrheitlich aus orthodoxen Rumänen bestehende Gesellschaft der Punkt, in dem die kirchliche mit der staatlichen Tätigkeit zusammentrifft, wobei die staatliche Tätigkeit lediglich eine durch politische Mittel erreichte Ergänzung der kirchlichen Tätigkeit darstellt. Die Nation-Konfession ist Empfängerin der staatlichen Handlungen, somit muss die staatliche Politik mit den ethischen Prinzipien der Orthodoxie übereinstimmen. Zweck des Organischen Statuts – und dadurch auch der Tätigkeit der gesamten Orthodoxen Kirche Rumäniens – sei die Einrichtung einer „moralischen Gesellschaft aufgrund des Gesetzes der Vorfahren, innerhalb derer der Rumäne mit seinem Gott vereint wird“.604 Die kirchliche Autonomie erscheint als institutionelle Form der Freiheit der Nation-Konfession und implizit als Mittel zur Beeinflussung des Staates durch die Kirche. Die Autonomie ist somit die wesentliche Voraussetzung der theologisch-politischen Handlungen der Kirche. Was den Staat betrifft, so muss die Ordnung, die er der Gesellschaft auferlegt, ihren Ursprung in der Ordnung haben, die die rumänische Orthodoxie schon der NationKonfession aufgeprägt hat: Unsere Orthodoxie ist mit unserer Vergangenheit verflochten und bildet den Grundstein der Existenz und der Einheit des rumänischen Volkes und dessen freier und unabhängiger Lebensordnung in seinem Nationalstaat.605

Wenn die Unterordnung der Kirche unter den Staat die Generierung einer sozialen Ordnung göttlichen Ursprungs durch die Kirche aufheben würde, so würde im Gegenteil die Unterordnung des Staates unter die Kirche – nicht institutionell, sondern indem seine Mitglieder den „Geist“ der Orthodoxie annehmen – die Übermittlung der transzendenten göttlichen Ordnung in die Geschichte durch die Nation-Konfession möglich machen. Diese Übermittlung geschieht in mehreren zusammenhängenden Etappen: Aus der Transzendenz heraus wird diese Ordnung in der Kirche, implizit in der Nation und dadurch im Staat verkörpert. Ausgehend von dieser gemeinsamen, von der Nation-Konfession dargestellten Grundlage bilden Kirche und Staat eine Einheit, selbstverständlich nicht auf institutioneller Ebene, sondern in ihrer gemeinsamen, nationsordnenden Tätigkeit.



603 Moru‫܈‬ca, Organizarea Bisericii, 333. 604 Preotul bătrân [Roman Ciorogariu], Glasul inimii, in: Legea Românească, 6/15 martie 1932, 1. 605 ***Patriarhia românească, in: Telegraful Român, 82–83/6 noiembrie 1925, 1.

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Vasile Gan zeigt, dass, anders als im österreichisch-ungarischen Staat, der die Verbindung zwischen Kirche und Staat aufzulösen bestrebt war, der rumänische Staat der Kirche die Möglichkeit bieten sollte, ihre moralische Ordnung innerhalb der Nation durchzusetzen, denn nur die Religiosität würde „zum wahren Patriotismus führen“.606 Der Rückgriff auf die Beziehung zwischen Staat, rumänischer Nation und Orthodoxer Kirche im Habsburgerreich erlaubt der ROKS die Herausstellung der zyklischen Beziehung, die zwischen Nation, Kirche und Staat in Großrumänien bestehen sollte. Diese Beziehung würde zwischen der religiösen Tätigkeit der Kirche und dem politischen Handeln des Staates ein Kontinuum ermöglichen: Die Kirche würde die Nation bewahren und sie gemäß ihren göttlichen Grundsätzen ordnen. Das wiederum bedeutet, dass die vom Staat der Nation auferlegte politische Ordnung, mit der von der Kirche generierten moralischen Ordnung übereinstimmen muss. Wenn behauptet wird, dass „unsere Kirche heute eins ist mit dem rumänischen Staat“,607 geht es um diese intime Beziehung zwischen den beiden Ordnungstypen, nicht um eine formelle institutionelle Einheit. Für die ROKS gibt es also zwei Arten von Politik: Eine der Kirche und eine des Staates. Beide richten sich an dieselbe nationale Gemeinschaft. Die von der Kirche generierte moralische Ordnung transzendenten Ursprungs könne nicht von der rationalen staatlichen Ordnung ersetzt werden.608 Die Funktion der Kirche sei eine andere als jene des Staates, nämlich die Erschaffung einer sozialen Existenz, die als Ganzes nach der Einheit mit Gott streben solle.609 Die Überlegenheit der Kirche über den Staat besteht also in ihrer Fähigkeit, einerseits den Endzweck des individuellen menschlichen Lebens mit jenem der kollektiven Existenz harmonisch zu verbinden, andererseits die immanente mit der transzendenten Existenz zu vereinen. Die Kirche umfasse alle Dimensionen der menschlichen Existenz, während der Staat diesbezüglich lediglich begrenzt zuständig sein könne. Anders als im Falle des Staates und implizit der politischen Theorie und Praxis erstreckt die christliche Doktrin ihre Äste in zwei Richtungen: Gegen den Himmel, das ewige Leben, und gegen die Erde, wo sie die Hindernisse, die dem Menschen auf seinem Weg zum Himmel begegnen, zu beseitigen versucht. Die beiden Lebensideale, das individuelle und das soziale, dürfen nicht voneinander getrennt verfolgt werden, sondern nur zusammen.610 

606 Vgl. Vasile Gan, Condiаii de propăЮire în noul stat, in: Telegraful Român, 22/8 martie 1919, 1. 607 Vgl. ***Gazeta noastră, in: Rena‫܈‬terea, 1/1 septembrie 1923, 1. 608 Vgl. Sebastian Stanca, Preotul, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andreiu ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 43. 609 Vgl. ebd., 48. 610 ***Înfrăаirea popoarelor prin biserică, in: Legea Românească, 28/22 iulie 1923, 1.



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Aus dieser Perspektive gesehen beruht der Unterschied zwischen Kirche und Staat somit auf dem fundamentalen Unterschied zwischen zwei anthropologischen Auffassungen: Die Kirche stützt ihre Tätigkeit auf einen theo-anthropologischen Holismus, während der Staat sich auf Individuum und Gesellschaft durch eine immanentistische Anthropologie bezieht, die die metaphysische Dimension der menschlichen Existenz ausschließt. Durch die Bestätigung des dem Christentum spezifischen theo-anthropologischen Holismus einerseits und des anthropologischen Partikularismus des Staates andererseits, sieht die Kirchenelite in der Tätigkeit des Staates lediglich eine der Kirche untergeordnete Komponente innerhalb der Nation-Konfession.

IV.4. Die Benennung der ROK in der Verfassung In den Debatten zur Verfassungsverabschiedung von 1923 war der Diskurs der ROKS ganz besonders auf die Festlegung des Begriffs bedacht, durch den die Beziehung zwischen ROK und rumänischem Staat beschrieben werden sollte. Eine adäquate Formulierung hatte auf konzeptueller Ebene einerseits die statistische Tatsache festzuhalten, dass die große Mehrheit der Staatsbürger orthodoxe Christen war, andererseits auch die enge Beziehung zwischen Orthodoxer Kirche und den mittelalterlichen Rumänischen Ländern zu beinhalten. Die Benennung der ROK in der Verfassung bekundete nicht nur eine symbolische Absicht, sondern auch eine praktisch ausgerichtete. Sie sollte die Forderungen der ROK legitimieren, der Staat möge ihr bestimmte Rechte gewährleisten oder eine bestimmte Haltung der konfessionellen und religiösen Pluralität Großrumäniens gegenüber einzunehmen. Eine der während der Debatten zur Verfassungsverabschiedung diskutierte Formulierung legte fest, dass der Rumänisch-Orthodoxen Kirche eine „Vorrangsstellung im Staat“ zukommen sollte, was aus der Perspektive der ROKS eine zu neutrale Formulierung war, die keineswegs juristisch bindend den Charakter des Staates und die Natur seiner Beziehung zur ROK festlegte.611 Die ROKS zog die Formulierung „dominante“ Kirche vor, die die Verfassung von 1866 der Orthodoxen Kirche in Rumänien zugestanden hatte. Das bedeutete nicht, dass die Orthodoxe Kirche über die anderen Konfessionen zu herrschen beabsichtigte, sondern dass „das rumänische Königreich ein orthodoxer Staat“ war, was wiederum der Tatsache Rechnung getragen hätte, dass im Mittelalter die rumänische Staatlichkeit einen orthodoxen Charakter gehabt hatte.612 Die Erarbeitung einer Verfassung, die der ethno-konfessionellen und politischen Situation Großrumäniens zu entsprechen hatte, sollte demnach nicht die westlichen Verfassungen 

611 Vgl. ***Raportul dintre biserică Юi stat. Regimul cultelor în proiectul de Constituаie, in: Telegraful Român, 13/23 februarie 1923, 1. 612 Vgl. ebd.; siehe auch Bălan, Evanghelia Юi democraаia, 6.

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zum Vorbild haben, sondern Ausdruck der kulturellen und religiös-politischen Tradition des rumänischen Volkes sein und den Staat „in Bezug zu seiner bisherigen Entwicklung stellen“.613 Es gibt somit eine Evolution der Formen politischer Ordnung in der rumänischen Nation, innerhalb derer die Orthodoxie das grundlegende Element darstellt. Die Kirche sei, nach Nicolae Bălan, das Bindungselement zwischen Volk und Staat.614 In diesem Sinne kann der Staat nur existieren, wenn er sich als institutionelle Verlängerung der Nation-Konfession durch die Kirche versteht. Aus dieser Perspektive werde die Einheit des Staates von der Tatsache bestimmt, dass alle Personen, die uns regieren, selbst in demselben religiösen Glauben und in derselben Liebe für die Kirche leben. Auf diese Weise wird eine gesunde und starke seelische Gemeinschaft der orthodoxen Christen von dem bescheidensten bis hinauf zum wichtigsten Vertreter der Autorität gegründet.615

Der Staat muss somit orthodox sein, weil seine Einheit auf die von der Kirche der Nation verliehene Einheit gegründet ist. Anders gesagt erweckte die Kirche in den Rumänen – gleichgültig zu welcher Region oder politischen Ordnung sie in der Geschichte gehörten – das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer einzigen Glaubensgemeinschaft.616 Aus diesem Grund legte die Verfassung von 1866 fest, dass die Nachkommen des rumänischen regierenden Königshauses orthodox getauft sein müssten, um auf diese Weise „in die Glaubenseinheit des Volkes eingeführt zu werden“ und damit die Beziehung zwischen Konfession, Nation und dem König Rumäniens bewahrt wird.617 In einer Rede im rumänischen Senat begründete der Metropolit Bălan 1928 rückblickend die Bestrebungen der ROKS, den Status der ROK als dominante Kirche in der Verfassung von 1923 zu verankern. Er bezog sich auf die von der ROKS ausgeübte politisch-missionarische Tätigkeit zum Zwecke der Erschaffung eines Loyalitätsgefühls der siebenbürgischen orthodoxen Rumänen zum neuen Staat, zu dem sie seit 1918 gehörten: Wir wollten von dem Feuer des Glaubens die Wärme einer quasi religiösen Liebe auch an unseren Staat weitergeben und durch diese enge Beziehung zwischen Kirche und Staat wollten wir unser Volk dazu bringen, den Gedanken eines rumänischen Staates mit der ihm von seinem religiösen Glauben verliehenen Tiefe zu umarmen. 

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Vgl. ebd. Vgl. Bălan, Evanghelia Юi democraаia, 7. ***Raportul dintre biserică Юi stat, 1. Siehe Preotul. S, Biserica ortodoxă trebuie să fie dominantă în statul român, in: Foaia Diecezană, 10/18 martie 1923, 1; siehe auch ***Vorbirea P.S. Episcop Roman Ciorogariu, аinută la 15 Martie în Senat, in: Legea Românească, 16/6 mai 1923, 1. 617 Vgl. ***Raportul dintre biserică Юi stat, 1.



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Folglich hat eine Auffassung vom ethischen Charakter des Staates uns dazu gedient, die Formel einer dominanten Kirche zu empfehlen.618

Damit die ROKS diese wesentliche Funktion der Umwandlung des religiösen Gefühls in ein politisches wahrnehmen kann, dürfe der Staat keinesfalls säkular werden, sondern müsse, im Gegenteil, konfessionell orthodox sein, denn wenn die Staatsbürger sehen, dass sich der Staat mit ihrem Glauben identifiziert und ihn schützt, dann werden sie selbst einen um so stärkeren Grund haben, sich an ihren Nationalstaat zu binden.619

Infolge dieser Beziehung zwischen Kirche, Nation und Staat werde das Verhältnis zwischen den beiden Institutionen am besten wie folgt festgelegt: „Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche ist die Nationalkirche des Staates“.620 Die anschließenden Gesetze würden die praktischen Folgen dieser Formulierung, nämlich die Krönung des Königs, die Taufe und Trauung der königlichen Prinzen und Prinzessinnen in der Orthodoxen Konfession, die religiösen Zeremonien anläßlich der großen nationalen und politischen Feiertage, das Recht auf materielle staatliche Hilfe proportional zum Anteil der orthodoxen Bevölkerung festlegen.621 Ion Mateiu weist darauf hin, dass die Auffassung des rumänischen Staates über die Orthodoxe Kirche in seiner gesamten historischen Entwicklung „auf die Notwendigkeit der Einheit der beiden nationalen Einrichtungen“ gegründet wäre. Die religiös-politische Haltung des Staates sei nicht „zu einem bestimmten Zeitpunkt aus gewissen philosophischen Theorien“ entstanden, sondern wäre vielmehr der direkte Ausdruck des „Überlebens- und Entwicklungsinstinktes des rumänischen Volkes“.622 Die politische Ordnung der Nation sei somit nicht das Resultat eines rationalen, dem Volk von außen auferlegten Projekts, sondern einer Entwicklung „unseres Staatslebens“ innerhalb der Ordnung der Kirche, die um einige Jahrhunderte älter sei als die ersten Formen politischer Ordnung.623 Durch den Bezug auf die „philosophischen Theorien“ meint Mateiu offensichtlich einerseits den Unterschied zwischen Offenbarung/Theologie und Vernunft/Philosophie, andererseits die politischen säkularen Modelle Westeuropas. Als staatsschaffende Einrichtung, wird die Kirche mit dem Staat verschmelzen und in allen Situationen eine vollkommene Einheit im [...] Handeln zeigen, die dazu 

618 ***Cuvântarea I.P.S. Sale Mitropolitului nostru Nicolae în Юedinаa Senatului din 27 martie 1928, in: Telegraful Român, 27/25 martie 1928, 8. 619 Ebd. 620 Nicolae Colan, Biserica ortodoxă în noua constituаie, in: Revista Teologică, 2/februarie 1923, 35. 621 Vgl. Preotul S, Biserica ortodoxă trebuie, 2; siehe Moru‫܈‬ca, Organizarea Bisericii, 331. 622 Vgl. Ion Mateiu, Statul Юi biserica ortodoxă, in: Telegraful Român, 62–63/5 septembrie 1931, 1. 623 Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens bestimmt ist, die beiden Institutionen im Leben der Nation unauflöslich miteinander zu verbinden.624

Als sie die ROK als „dominante Kirche des rumänischen Staates bezeichnete“, hätte die Verfassung von 1866 lediglich eine geschichtliche Realität in der Gesetzgebung offiziell anerkannt.625 Mateiu identifiziert den Ursprung dieses religiöspolitischen Gebildes in der „kaiserlichen byzantinischen Auffassung, die die politische Einheit des Staates durch die Verteidigung der Einheit des orthodoxen Glaubens seiner Untertanen sicherte. Die Übertragung dieses Musters auf die Rumänischen Länder im Mittelalter führte zur Herausbildung von viel authentischeren Formen der Einheit zwischen Kirche und Staat als in Byzanz.626 Im Unterschied zur ethnischen Diversität des Reiches wären in den Rumänischen Ländern „sowohl der Staat als auch die Kirche Kreationen und Lebensformen derselben nationalen Seele“, was sie zu „untrennbaren politischen Realitäten“627 machte. Für Mateiu war Artikel 22 der Verfassung, der einerseits die Orthodoxe Kirche als „dominante Kirche im rumänischen Staat“ (nicht des rumänischen Staates, wie es die ROKS gefordert hatte) und andererseits die Griechisch-Katholische Kirche zusammen mit der Orthodoxen als „rumänische Kirche“ bestätigte, eine Verneinung des orthodoxen Charakters des rumänischen Staates und des Charakters der ROK als Staatskirche.628 Diese Nennung der beiden rumänischen Kirchen führe nicht nur zu einem Prestigeverlust für die ROK, sondern mache auch die religiöse Einheit des Volkes durch eine Rückkehr der griechisch-katholischen Rumänen zur Orthodoxie unmöglich.629 Im Wesentlichen bestätigte der Staat offiziell durch die Anerkennung des nationalen Charakters der Griechisch-Katholischen Kirche, dass aus seiner Perspektive der Rumänismus nicht zwingend mit der Orthodoxie identisch zu sein hatte. Das im vorangehenden Kapitel vorgestellte Argument der ROKS, nämlich dass die griechisch-katholischen Rumänen trotz der Einheit mit der Katholischen Kirche orthodox geblieben seien, wurde zum großen Teil von dieser Bezeichnung der Unierten Kirche als rumänische Kirche bestimmt.630 Dieses Argument soll die 

624 Ebd.; siehe auch Emilian Stoica, Statul român în biserica neamului, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“ a Clerului Mitropoliei Ortodoxe Române din Ardeal, Bănat, Cri‫܈‬ana ‫܈‬i Maramură‫܈‬. Actele congresului al X-lea, cu caracter cultural, al Asocia‫܊‬iei Clerului „Andrei ‫܇‬aguna“ ‫܊‬inut în Bra‫܈‬ov în zilele de 11 ‫܈‬i 12 noiembrie 1930, Tiparul Tipografiei Diecezane, Arad, 1931, 56. 625 Vgl. Mateiu, Statul Юi biserica ortodoxă, 1. 626 Vgl. ebd. 627 Ebd. 628 Vgl. ebd., 2. 629 Vgl. ebd. 630 Vgl. N. [Nicolae Colan], Ortodoxie, 6.



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Tatsache bestätigen, dass eine einzige Nation-Konfession – von der ROK institutionell authentisch und von der Griechisch-Katholischen Kirche nicht authentisch ausgedrückt – die Einheit des rumänischen Nationalstaates sichert.

IV.5. Die unmögliche Autonomie des Staates: Kirche und Staat im Spannungsfeld zwischen moralischer und legaler Ordnung Wenn Staat und Orthodoxe Kirche untrennbare Realitäten innerhalb der NationKonfession sind, so bedeutet das, dass die konkrete, vom Staat generierte soziale Ordnung und, als ihre normative Voraussetzung, die legale Ordnung eng an die von der Kirche geschaffene moralische Ordnung gebunden sein müssen. Die Argumentation der Kirchenelite zur Beziehung zwischen der transzendenten, von der Kirche durch die Nation-Konfession in die Geschichte übertragene und der immanenten, staatlichen Ordnung, führt zu einer orthodoxen Auffassung über das Wesen und die Funktionalität der Gesetze und gleichzeitig über die hierarchische Beziehung zwischen Kirche/Religion und Staat/Politik. Die Erklärung dieser hierarchischen Beziehungen spielt eine wesentliche Rolle in der Festlegung des Generierungs- und Förderungsprozesses der sozialen Ordnung. In diesem Sinne liefert der Diskurs der ROKS eine detaillierte theologische Analyse des Ursprungs und des Wesens der legalen Ordnung. Das Recht wird definiert als „eine Disziplin, die die sozialen Verhältnisse unter den Individuen regelt. Diese Regelung erfolgt aufgrund präziser, in Gesetzesbüchern verankerter Normen“.631 Wie auch Stăniloae zeigt, ist das Recht wesentlich für die Generierung und Bewahrung der politischen Ordnung zuständig, wobei in diesem Fall die Politik die praktische Konkretisierung der normativen rechtlichen Grundsätze auf sozialer Ebene darstelle. Gesetz bzw. Recht und Politik seien folgerichtig untereinander austauschbare Begriffe. Stăniloae analysiert demnach das Problem der sozialen Ordnung durch die methodologische Integrierung des Staatsbegriffs in den weitergefächerten Gesetzesbegriff. Das Gesetz werde demnach zu einem „Mittel gegen die Unordnung und deren Verbreitung“.632 Sein unmittelbarer Zweck sei nicht die Schaffung individueller Moral, sondern die „Sicherung der sozialen Ordnung“.633 Die Gesellschaft sei jedoch kein kollektives passives Subjekt, dem das Gesetz von außen den normativen Rahmen auferlegt, sondern sie beeinflusse ihrerseits den Prozess der Gesetzgebung durch die wirtschaftlichen Interessen oder durch die Einwirkung der unterschiedlichen Ideologien auf diesen Prozess. 

631 Ilie N. Lungulescu, Concepаia creЮtină a dreptului, in: Revista Teologică, 1–2/ianuarie– februarie 1935, 25. 632 Vgl. Dumitru Stăniloae, Cele două împărăаii, in: Gândirea, 1/ianuarie 1937, 26. 633 Vgl. ebd., 27.

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Wesentlich für diesen sozial-rechtlichen Prozess, der neue Regeln zum Funktionieren der Beziehungen unter den Mitgliedern der Gesellschaft aufstelle, sei die Tatsache, dass er die Umsetzung von Gerechtigkeit im Blick haben müsse.634 Andernfalls stehe „die rechtliche Konstruktion auf schwachen Füßen“ und das Recht, bzw. der Staat verliere seine Autorität, was letztendlich zum Verlust der sozialen Harmonie führen werde.635 Die zentrale Frage in Bezug auf diesen Prozess der Generierung von sozialer Ordnung sei die nach dem Ursprung der Gerechtigkeitsidee. Denn diese allein könne dem Rechtssystem eine solide Grundlage und einen stabilen Referenzrahmen verleihen.636 Ilie N. Lungulescu identifiziert zwei mögliche Antworten auf diese Frage. Er zeigt, dass aus Sicht des rechtlichen Realismus die Gerechtigkeitsidee ausschließlich ein Produkt der „konkreten sozialen Realitäten“ sei. Sie gehöre zu einer materialistischen Weltanschauung, in deren Mittelpunkt sich „der rigorose und unerbittliche Determinismus der seelenlosen Natur“ befinde. Der rechtliche Rationalismus stelle im Gegenteil „eine spiritualistische Auffassung der Existenz“ dar, von der ausgehend die Gerechtigkeitsidee ein Produkt der menschlichen Vernunft und des menschlichen Willens sei.637 Der Begriff der Gerechtigkeit aus dem Rechtswesen und jener des Guten aus der Moral könne folgerichtig nicht aus der reinen Interaktion der Faktoren außerhalb der menschlichen Person generiert werden, denn die Gerechtigkeitsidee beinhaltet auch Finalität, Freiheit und den imperativen Charakter menschlicher Handlungen, eine wunderbare Dreifaltigkeit, die ihren Platz nur in uns, nicht außerhalb unserer Person, im Geist, nicht in der Materie hat. Sie existiert in dem menschlichen Bewusstsein, das den moralischen Wert unseres Verhaltens kennt und nicht in der Erfahrung, die lediglich utilitaristisch feststellt, wie es heute ist und wie morgen die Phänomene der Natur ablaufen werden. Tatsächlich setzt jede Rechtsnorm eine zielstrebige Auffassung metaphysischer Natur voraus, die die Grenzen der tastbaren Realität überschreitet, weil die rechtlichen Grundsätze, wenn sie den Menschen auferlegt werden, stets das allgemeine Wohl oder das allgemeine Glück anstreben.638

Die Begriffe der Finalität, der Freiheit und des moralischen Imperativs, die das Recht/die Gerechtigkeitsidee definieren sowie die Polarität zwischen der moralischen und der utilitaristischen Einschätzung der menschlichen Handlungen durch das Bewusstsein haben ihren Ursprung in der Moralphilosophie Immanuel Kants,639 mit dessen Werk Lungulescu sich in der Zwischenkriegszeit intensiv 

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Vgl. Lungulescu, Concepаia creЮtină, 26. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 28. Ebd., 28–29. Siehe hierzu vor allem Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1981, besonders 81–102.

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auseinandergesetzt hat.640 Für Lungulescu beinhaltet der Rechtsbegriff auch die Freiheit, denn das Recht sei ohne Zwang nicht möglich. Sodass im Mittelpunkt des Rechtsbegriffs die gegenseitige Interdependenzbeziehung zwischen Freiheit und Zwang stehe, was zur Folge habe, dass die freie Ausübung der physischen und moralischen Attribute einer Person die Verpflichtung der anderen voraussetze, diese Handlungsfreiheit zu respektieren und umgekehrt.641 Lungulescu definiert folgerichtig das Recht als „bewusste Determination“ oder „freiwillige Verpflichtung“ und sieht dessen Ursprung im Geiste des Menschen, der sich frei entscheide, sich dem vom Staat generierten Gesetz unterzuordnen.642 Wenn das Gesetz einen der menschlichen Person ausschließlich extrinsischen Ursprung hätte und sich vollkommen unabhängig zu dessen inhärenter moralischer Ordnung verhalten würde, so würde das Gesetz in einem Teufelskreis gefangen bleiben, den es durch sich selbst allein nicht aufbrechen könnte: Obwohl das Gesetz zum Zweck der Bekämpfung des Bösen geschaffen sei, trage es paradoxerweise zur Vermehrung des Bösen bei, denn es überlässt es nicht dem Menschen, das Gute zu tun oder das Böse zu unterlassen. Die Freiheit ist nicht die ultimative Instanz, von der das Tun des Guten oder das Unterlassen des Bösen abhängt. Diese Missachtung der menschlichen Freiheit erweckt im Menschen die Reaktion einer verletzten Würde und den Hass gegen das Gesetz und die Ordnung, der es dient. Das Gesetz an sich ist nicht böse. Doch was nicht böse ist, kann Ursache zur Vermehrung des Bösen werden.643

Das Recht bzw. Gesetz trägt zur Vermehrung des Bösen nur dann bei, wenn kein Zusammenhang zwischen dem der menschlichen Person inhärenten moralischen Gesetz und dem vom Staat von Außen auferlegten positiven Gesetz besteht. Folglich ist der Zusammenhang zwischen Moral und Gesetz die Bedingung für die Freiheit des Individuums als bewusste Unterwerfung unter ein Gesetz und dadurch für die Existenz des Rechts als ordnendes Instrument der sozialen Verhältnisse. Der Widerspruch zwischen persönlicher Moral und Gesetz, dem sich jedes Mitglied der Gesellschaft unterzuordnen habe, determiniert, laut Stăniloae, den 

640 Siehe zum Beispiel Ilie N. Lungulescu, Immanuel Kant, in: Revista Teologică, 6–7/iunie– iulie 1924, 169–175; ders., Drept Юi dreptate, Funda‫܊‬ia pentru Literatură ‫܈‬i Artă „Regele Carol II“, Bucure‫܈‬ti, 1938. 641 Vgl. Lungulescu, Concepаia creЮtină, 29. 642 Vgl. ebd. Für diese paradoxe Definition des Rechts greift Lungulescu auf die Auffassung Hegels über die gegenseitige Bedingung von Freiheit und Notwendigkeit zurück: „Eine Freiheit, die keine Notwendigkeit in sich hätte, und eine bloße Notwendigkeit ohne Freiheit, dies sind abstrakte und somit unwahre Bestimmungen. Die Freiheit ist wesentlich konkret, auf ewige Weise in sich bestimmt und somit zugleich notwendig“ (G.W.F. Hegel, Sämtliche Werke, hg. von H. Glockner, Band 8: System der Philosophie, Teil I: Die Logik, Frommann-Holzboog, Stuttgart, 1955, 110). 643 Stăniloae, Cele două împărăаii, 27.

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Prozess der Generierung des Bösen. Mehr noch, die Spannung zwischen Gesetz und Moral existiere lediglich für unmoralische Menschen, denn zwischen der moralischen Ordnung, nach der sich die Guten richten, und der vom Gesetz geforderten sozialen Ordnung bestehe eine absolute Übereinstimmung. Das Gesetz, zeigt Stăniloae, existiere nicht für die Guten, „die für die Ordnung und nach dem Gesetz handeln, ohne zu erfahren, dass das Gesetz es von ihnen fordert“, sondern nur für jene, deren persönliche Moral gegen die legale soziale Ordnung verstoße. Im Falle der moralisch Guten bestehe, vollkommen frei, „eine absolute Übereinstimmung zwischen deren Denken und Handeln und der Ordnung“, sodass das Gesetz „subjektiv oder aktuell“ nicht mehr als vermittelnde Instanz zwischen ihnen und der sozialen Ordnung bestehe.644 Folglich stehen die Guten nicht mehr unter dem Gesetz, nicht weil dieses objektiv abgeschafft worden ist, sondern weil es in eine autonome Norm umgewandelt wurde, die das Subjekt freiwillig sich selbst vorgibt, die ihm also nicht von außen auferlegt wird.645

Die Aufhebung der Notwendigkeit des Gesetzes durch die perfekte Übereinstimmung von Moral und Recht finde, so Stăniloae, nur auf individueller Ebene statt und ziele demnach nicht auf die Aufhebung von Staat und Politik.646 Nur wenn „das Reich Christi sich gänzlich und universell durchgesetzt hätte, hätten sich die Reiche der Gesetze selbst aufgehoben“.647 Da jedoch die christliche moralische Ordnung nicht von allen Menschen akzeptiert werde und die Vervollkommnung, die sie dem Menschen bringe, im Rahmen der geschichtlichen Existenz des Menschen nicht vollständig sei, werde die absolute Aufhebung von Staat und Politik nur am Ende der Zeiten stattfinden können.648 Unter den Bedingungen der historischen Existenz sei der Staat ein göttliches Werkzeug, das handelt, damit das Böse nicht über die menschliche Existenz herrschen könne.649 Das wiederum bedeutet, dass der Staat als der Kirche komplementäres soteriologisches Mittel handelt. Der Mensch – Staatsbürger und Kirchenmitglied zugleich – brauche sowohl das „Reich der Gnade“, das das Böse in ihm durch die Liebe ins Gute verwandelt, als auch das „Reich des Gesetzes“, dessen Aufgabe es sei, das Individuum daran zu hindern, die soziale Ordnung auf ihrem Weg zur eschatologischen Vervollkommnung zu zerstören.650 Im Prozess der Gesetzgebung muss der Staat sich folglich die Erschaffung einer äußeren sozialen Ordnung vornehmen, die in einer immer stärkeren Übereinstimmung mit dem religiös-moralischen Ideal des Individuums steht und dadurch einen der 

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Ebd. Ebd. Vgl. ebd. 30. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Ion Goron, Statul, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 1–2/ianuarie–februarie 1939, 4. Vgl. Stăniloae, Cele două împărăаii, 30.

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Kirche komplementären soteriologischen Rahmen bildet. Durch den Prozess der Gesetzgebung, so Lungulescu, entnimmt [der Staat] aus dem ethischen Ideal der Gesellschaft alles, was zu einem bestimmten Zeitpunkt Rechtsnorm werden kann, d.h. eine Norm, die mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen die sozialen Beziehungen der Menschen ordnet und auf diese Weise das absolute moralische Ideal in das juristische Relativum des Gesetzes verwandelt.651

Aufgrund dieser kausalen Beziehung zwischen sozialer Moral und legaler Ordnung müsse in einer christlichen Gesellschaft das vom Staat verabschiedete Gesetz der normative Ausdruck der biblischen Gerechtigkeitsidee sein. Diese wiederum sei ein zentrales Element der göttlichen moralischen Ordnung.652 In diesem Sinne definiert Orest Bucevschi die moralische Ordnung als heiliger Wille Gottes, der sich in dem natürlichen Gesetz und in den positiven göttlichen Gesetzen äußert, die der offenbarten Religion zur Verkündung und Bewahrung anvertraut werden.653

Weil es nur „eine überlegene moralische, der menschlichen Natur inhärente Ordnung“ gebe, sei der Staat verpflichtet, sich in der Gesetzgebung darauf zu stützen, andernfalls habe seine Macht keine Legitimität und die von ihm verabschiedeten Gesetze enthielten keine moralische Verpflichtung.654 Sowohl die moralische als auch die legale Ordnung verfolgen den gleichen Zweck des Heils aller Menschen und deswegen müsse das Recht „der treue Schüler der Moral“ bleiben.655 Der Staat spielt somit eine positive Rolle in der göttlichen Ordnung der Welt, insofern er seiner Berufung folgt, jene Autorität darzustellen, die die Grundsätze der moralischen Ordnung des menschlichen Bewusstseins in Gesetze zur Ordnung der Gesellschaft verwandelt. Wenn er jedoch ein „autonomer Wächter eines ungerechten Gesetzes“ wird – und auf diese Weise das Kontinuum, das zwischen Moral/Recht und Gesetz/sozialer Ordnung bestehen muss, verneint – dann trage er zur Vermehrung des Bösen in der Welt bei.656 Aus der Perspektive Bucevschis sind der Staat und seine Politik legitim, wenn sie nicht autonom in Beziehung zu den „Wahrheiten der Religion“ handeln.657 Das moralische Kriterium zur Evaluation des Staates werde also nicht der Grad der Strenge sein, mit dem der Staat der Gesellschaft das 

651 652 653 654 655 656 657

Lungulescu, Concepаia creЮtină, 160. Vgl. ebd., 162. Orest Bucevschi, Biserica Юi politica, in: Rena‫܈‬terea, 28–29/10 iulie 1932, 2. Vgl. ebd., 1. Vgl. Lungulescu, Concepаia creЮtină, 166. Vgl. Stăniloae, Cele două împărăаii, 29. Vgl. Bucevschi, Biserica Юi politica, 1.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Gesetz auferlege, sondern die Frage, ob die Handlungen des Staates der „gerechten Ordnung Gottes“ dienen oder nicht.658 Dank ihres Ursprungs und ihres transzendenten Zwecks nimmt sich die Kirche das Recht, Vermittlerin zwischen dem göttlichen, in der moralischen Ordnung objektiv realisierten Willen und dem staatlichen Willen, der in den Gesetzen der gesellschaftlichen Ordnung objektiv realisiert ist, zu sein. Die Ausübung dieser Vermittlerinnenrolle besteht im Wesentlichen in einem Evaluationsprozess der Übereinstimmung zwischen den beiden Ordnungstypen und gleichzeitig in der Annahme einer kritischen Haltung den nicht konformen Handlungen des Staates gegenüber. Bucevschi weist darauf hin, dass die Kirche dazu berufen sei, „die Anforderungen der moralischen Ordnung“, und zwar die von Gott durch die Erschaffung der Individuen, sozialen Klassen, Völker verliehenen Rechte zu verkünden und gleichzeitig vom Staat zu fordern, die Gesetze dieser göttlichen moralischen Ordnung zu achten.659 Zwischen Kirche und Staat gebe es eine Form gegenseitiger Konditionierung, die den beiden Einrichtungen die Übereinstimmung mit deren spezifischer Mission sichere: Laut Bucevschi, könne die Politik auf ihrem Gebiet nur dann effizient sein, wenn sie die der Religion spezifische moralischen Ordnung achtet. Die Religion ihrerseits könne ihre spezifische Aufgabe jedoch nicht erfüllen, ohne von der Politik die Achtung der Normen dieser Ordnung zu fordern. Das bedeute keinesfalls eine „Einmischung in die Politik“ vonseiten der Religion, sondern es gehe um „ihre imperative Verpflichtung, die moralische Ordnung der Welt zu bewahren“.660 Eine an der Politik des Staates uninteressierte Kirche würde demnach ihre prophetische Mission verraten, die sie in der Ausübung eines ständigen moralisch-politischen Prophetismus eigentlich konkretisieren sollte. Wenn der Staat seine Politik nach der göttlichen moralischen Ordnung ausrichte, dann werde er, aus Sicht der Kirche, zu einem Mittel, mit dem Gott das Böse in der Welt bekämpft. Die Kirche ihrerseits werde akzeptieren, dass die Strenge des Staates eine direkte Folge ihrer Unfähigkeit sei, das moralische Niveau ihrer Gläubigen dahingehend zu erhöhen.661 Der Staat existiert und handelt als Staat – d.h. als Inhaber des „Monopols legitimer physischer Gewaltsamkeit“ innerhalb eines gewissen Territoriums, nach der bekannten Definition Max Webers662 – nur weil es der Kirche nicht gelingt, die Individuen moralisch so zu erziehen, sodass die strafende Intervention des Staates zur Bewahrung der sozialen Ordnung unnötig wird. Aus dieser Perspektive stellt die Kirche die negative Bedingung der Möglichkeit des Staates dar: Je weniger effizient die Kirche 

658 659 660 661 662



Vgl. Stăniloae, Cele două împărăаii, 29. Vgl. Bucevschi, Biserica Юi politica, 2. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 31. Max Weber, Politik als Beruf, Duncker & Humblot, München/Leipzig, 1919, 4.

Kirche und Staat als Äußerungsformen der Nation-Konfession

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ist, desto mehr braucht es die politische Autorität, um die soziale Ordnung zu schaffen und zu wahren. Das legitime Recht des Staates, die Übertretung der legalen Ordnung der Gesellschaft zu bestrafen, habe seinen Ursprung in der göttlichen Gerechtigkeit, die die Übertretung der moralischen Ordnung durch die Sünde mit dem Tod bestrafte (Römer 6, 23).663 In dieser Hinsicht ist die Existenz des Staates eine direkte Konsequenz des Sündenfalls.664 Aufgrund dieser Auffassung über die Beziehung zwischen den beiden Reichen, zwischen Gesetz und Gnade, Zwang und Liebe, werden Staat und Kirche zu institutionellen Verkörperungen zweier göttlicher Attribute. Durch sie greift Gott in die Geschichte ein. Wenn sie aus dem Inneren der menschlichen Person durch Liebe handelt, ist die Kirche ein Werkzeug Gottes, der Liebe ist (1. Johannes 4, 16), und wenn er auf den Menschen von außen einwirkt, ist der Staat ein Werkzeug Gottes, der Recht und die Gerechtigkeit selbst ist (5. Mose 32, 4). Ion Goron geht von der Behauptung des Apostels Paulus („es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt“, Römer 13, 1) aus und zeigt, dass die unterschiedlichen politischen Machtformen, seien sie nun positiv oder negativ, Mittel seien, durch die Gott straft oder belohnt, dass sich, mit anderen Worten, in ihnen das Urteil Gottes zeige: Eine staatliche Gewalt ist fast immer der getreue Ausdruck der moralischen Lage einer Nation. Eine gute Gewalt kann nur aus einer moralisch guten Nation entspringen. Die schlechte Gewalt ist ein deutliches Zeichen moralischer Korruption; sie ist eine Warnung Gottes, durch die er zu moralischer Besinnung mahnt. Der schlechten Gewalt dürfen wir lediglich den rechten Glauben und die gute Tat entgegensetzen.665

Wenn die Kirche zu einem bestimmten Zeitpunkt meine, dass ein Widerstand gegen den Staat nötig sein sollte, weil dieser eine soziale Ordnung durchsetze, die nicht der moralischen christlichen Ordnung entspreche, dann müsse sie ihren eigenen Handlungsauftrag konsequent verfolgen, nämlich durch die innere Verwandlung der menschlichen Person und der Gesellschaft durch Gnade und Liebe.666 Der ontologische Unterschied zwischen Staat und Kirche muss sich in 

663 Vgl. Goron, Statul, 4. 664 Im westlichen mittelalterlichen Denken wurde die Notwendigkeit der Herrschaft durch den Bezug zum Sündenfall und dem Bösen, das damit in die Welt gekommen sei, begründet; aus dieser Perspektive existierten die politischen Autoritäten, um das Böse zu bestrafen und das Gute zu schützen, um die soziale Ordnung zu bewahren. Zu dieser theologischpolitischen Argumentation siehe Bernhard Töpfer, Urzustand und Sündenfall in der mittelalterlichen Gesellschafts- und Staatstheorie, Anton Hiersemann, Stuttgart, 1990, und Wolfgang Stürner, Peccatum et Potestas. Der Sündenfall und die Entstehung der herrscherlichen Gewalt im mittelalterlichen Staatsdenken, J. Thorbecke, Sigmaringen, 1987. 665 Goron, Statul, 5. 666 Vgl. Stăniloae, Cele două împărăаii, 32, 33.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

dem unterschiedlichen Ansatz bezüglich der sozialen Ordnung zeigen. Die Voraussetzung dafür sei, so Stăniloae, dass die Kirche den Staat zum Zweck der Errichtung einer christlichen Gesellschaft nicht unterwerfen dürfe. Die Kirche könne sich diese Überlegenheit nur mit „den Mitteln des Staates“ erhalten, und das sei eine Verneinung ihres ureigenen Wesens und ihrer Tätigkeit in der Welt. Die Kirche sei berechtigt, vom Staat nur das [zu fordern], was aus seinem wirklichen Wesen entspringt: 1. Gerecht zu sein und 2. sich bewusst zu sein, dass er im Dienste Gottes, nicht seiner selbst ist, ansonsten nur Staat zu sein, das heißt, stark sein, Gesetz und Ordnung bewahrend. In dieser Hinsicht kritisiert ihn die Kirche nicht, sondern gibt ihm ihren ganzen Segen. Zwischen Kirche und Staat, zwischen dem Reich des Gesetzes und jenem der Gnade ist eine enge Zusammenarbeit erwünscht, wobei jede der beiden Einrichtungen die Mission des anderen achtet; doch keine der beiden mischt sich in das Gebiet des anderen ein, um seine Stelle einzunehmen.667

Dem Staat sei es nicht gestattet, eine Autonomie Gott gegenüber zu fordern, denn das Reich Gottes – „das in den Seelen der Menschen real existiert als leitende Normen und Tugenden“ – werde in der Welt nur errichtet, wenn die staatlichen Einrichtungen „vom christlichen Geist durchdrungen sind“, ohne den der Staat seine Mission der Ordnung der Gesellschaft nicht erfüllen könne.668 Das Reich Gottes, oder die transzendente göttliche Ordnung, erscheint also in der Welt durch die Nation, d.h., durch Vermittlung der Kirche und des Nationalstaates, der nichts anderes sei als die hierarchische Organisierung der Nation. Seine Bestimmung ist es, die Bemühungen der Nation zu harmonisieren, zu organisieren und sie auf ihre natürlichen Zwecke hin auszurichten. Diese hierarchische Ordnung bringt Licht anstelle von Chaos, Ordnung anstelle von Anarchie, Gerechtigkeit anstelle von Willkür [...]. Mit einem Wort: Er ist die Stütze, die dem moralischen Menschen gegeben ist, um leichter auf dem Wege des Guten voranschreiten zu können.669

Die komplementäre Beziehung zwischen der soteriologischen Handlung der Kirche und jener des Staates setzt eine hierarchische Beziehung zwischen Kirche und Staat innerhalb der Nation voraus. Wenn der Staat der Nation eine Ordnung auferlegt, d.h. eine Hierarchie der unterschiedlichen Ebenen, dann muss diese Ordnung, wie schon erwähnt, auf der kausalen Beziehung zwischen moralischer Ordnung der Kirche und legaler Ordnung des Staates fußen. In diesem Sinne ist der natürliche Zweck der Nation nicht nur ein immanent-politischer, sondern sie hat offensichtlich auch eine transzendente Finalität, die die Nation in der und durch die Kirche erreichen muss. Um es der Nation möglich zu machen, ihren 

667 Ebd., 33. 668 Vgl. Goron, Statul, 5. 669 Ebd.



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Zweck zu erfüllen, hat der Staat die Unterordnung der Politik unter die Religion im Prozess der Generierung von sozialer Ordnung durch Gesetze zu akzeptieren. Die Auffassung von der authentischen Beziehung zwischen Orthodoxer Kirche und rumänischem Staat enthält im Wesentlichen zwei zentrale Ideen, um die sich die gesamte Argumentation dreht: Einerseits die explizite Bejahung der Notwendigkeit der kirchlichen Autonomie, und andererseits das implizite Argument der unmöglichen Autonomie des Staates der Kirche gegenüber. Diese ergibt sich aus der Unmöglichkeit der Politik, die Nation-Konfession auf anderen Grundlagen zu gestalten als jene der moralischen Ordnung, auf die sie schon von der Kirche in ihrer vorstaatlichen Existenzphase organisiert worden ist. Die Fähigkeit der Kirche, auf die innere Ordnung der menschlichen Person einzuwirken, führe dazu, dass ihre Handlung nicht von der Tätigkeit des Staates ersetzt werden könne, denn die Kirche ist eine natürliche, von Gott an die Menschen übergebene Einrichtung. Jeder Versuch, sich von der Kirche zu trennen, endet unglücklich. Deswegen erkennen wir, die Priester – die wir uns nicht auf die Natur der Menschen, sondern nur auf die natürliche, von Gott erschaffene Ordnung verlassen –, wie sehr heute zahlreiche Menschen an der Theorie festhalten, dass der Staat nichts mit der Kirche zu tun habe. Doch glauben wir, dass die Natur der Dinge dahin führen wird, dass der Staat in die Arme der heiligen Kirche zurückkehren wird.670

Wenn er den Gegensatz zwischen dem Misstrauen in die „menschliche Natur“ und dem Vertrauen in die „natürliche, von Gott erschaffene Ordnung“ unterstreicht, weist ‫܇‬tefan Cioroianu auf die modernen philosophischen Theorien über das Wesen des Staates und der Beziehung zwischen Religion und Politik hin. Diese Theorien wurden in dieser Form ab dem 16. und 17. Jahrhundert im westeuropäischen Kulturraum artikuliert. Vor allem das Werk Leviathan von Thomas Hobbes (1588–1679) war wesentlich für den Paradigmenwechsel in der modernen politischen Theorie gewesen. Dabei wurde der Schwerpunkt von der Theologie auf die Anthropologie, von der mittelalterlichen Begründung der politischen Ordnung durch den Bezug auf Gott auf die Errichtung einer politischen, auf das Verständnis der menschlichen Natur und ihrer Instinkte und Notwendigkeiten gegründeten Ordnung verlegt.671 Seiner Natur nach strebe der Mensch auf egoistische Weise nach dem, was ihm gut tut – zum Beispiel, nach der Schaffung sicherer Existenzbedingungen, die ihm Schutz vor den Gefahren der Natur und der Gewalttätigkeit anderer Menschen bieten sollen. Diese Tendenz könne in einen Kampf aller gegen alle degenerieren. Die Menschen delegieren deswegen ihr Selbstbestimmungs- und Selbstverteidigungsrecht an den Staat, der somit dafür 

670 ‫܇‬tefan Cioroianu, Statul Юi grija sufletelor, in: Telegraful Român, 86/14 decembrie 1926, 1. 671 Vgl. Mark Lilla, The Stillborn God. Religion, Politics and the Modern West, Vintage Books, New York, 2007, 73–91.

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verantwortlich sei, aufgrund der von ihm verabschiedeten Gesetze die Rechte aller Bürger, die seine Autorität anerkennen, und die Rechte der friedlichen Gesellschaft zu schützen.672 Die Ablehnung dieser anthropologischen Auffassung vom Ursprung der sozialen Ordnung ist im Wesentlichen eine Stellungnahme gegen die Autonomisierung des Menschen Gott gegenüber und dadurch auch des Staates (als weltliches Werkzeug zur Ordnung der Gesellschaft) gegen die Ordnung, die Gott in der Welt durch die Kirche verwirklichen will. Die Hervorhebung des Begriffs der „natürlichen göttlichen Ordnung“ weist auf den Determinismus des Übertragungsprozesses der göttlichen Ordnung durch die Kirche auf die rumänische Gesellschaft und dadurch auf den Staat hin. „Natürlich“ bedeutet in diesem Fall die Bewahrung der kausalen Beziehung zwischen den beiden Ordnungstypen und deren Konkretisierung in der ordnungsstiftenden Handlung des Staates. Innerhalb dieses ordnungsgenerierenden Prozesses haben Kirche und Staat unterschiedliche und gleichzeitig komplementäre Kompetenzbereiche: Die Mission, auf die moralische Regenerierung der Bürger hinzuarbeiten ist eine wesentliche Verpflichtung der Kirche; zu den Kompetenzen des Staates gehört es, über die öffentliche Ordnung [...] zu wachen und sie zu kontrollieren.673

Während die Kirche die menschliche Natur aus ihrem Inneren heraus ontologisch verwandelt, beschränkt sich der Zugang des Staates lediglich auf deren Erscheinungsformen. Er kann nur die phänomenologische Ebene der menschlichen Person und der nationalen Gemeinschaft kontrollieren und ordnen. Aus dieser Perspektive sollte eine authentische Staatspolitik durch die Gesetze die Erscheinungsformen eines schon aus seinem Inneren von der Kirche als Nation-Konfession geordneten kollektiven Wesens offiziell kodifizieren. Die ontologisch ausgerichtete Handlung der Kirche macht somit die Trennung von Kirche und Staat zu einer Unmöglichkeit und setzt sogar, als onto-logische Konsequenz, den Gedanken der Unterwerfung des Staates unter die Kirche durch. Betont werden muss wiederum, dass es hier nicht um eine institutionelle Unterwerfung im Sinne eines klerikalen Systems geht, das die ROKS als Spezifikum der politischen Tendenzen des mittelalterlichen Papismus ablehnte und das der Beziehung zwischen Kirche und Staat innerhalb des Orthodoxen Christentums völlig fremd sei.674 Es geht vielmehr um eine politische, mit der moralischen Ordnung der Kirche übereinstimmende Praxis, die der Staat anzunehmen habe. 

672 Vgl. Thomas Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2011, 119f. und 162f. 673 Ioan Evu‫܊‬ian, Regenerarea morală Юi ordinea publică, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 31/13 august 1922, 2; siehe auch Isaia Suru, Necesitatea relaаiunilor dintre Biserică Юi Stat, in: Foaia Diecezană, 7/16 februarie 1930, 2. 674 Siehe zum Beispiel Bălan, Atitudinea preoаimei faаă de viaаa politică, 125–126; ders., Evanghelia Юi democraаia, 3; Colan, Biserica ortodoxă în noua constituаie, 35.



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Diese Theorie zur Beziehung zwischen der moralischen und der legalen Ordnung fußt auf einer theologisch-politischen Anthropologie, die den Menschen sowohl aus der Perspektive seiner Beziehung zu Gott als auch im Verhältnis zur Gesellschaft und dem Staat betrachtet. In dieser holistischen anthropologischen Auffassung existiert der Mensch am Kreuzungspunkt zweier Ordnungstypen mit manchmal unterschiedlichen Prinzipien, die er miteinander in Einklang bringen muss. Die Kirche handelt aus dem Inneren der Person her und versucht, die göttliche moralische Ordnung zu veräußerlichen, sodass diese die gesamte Gesellschaft umfassen kann, während der Staat von Außen her handelt, um das Individuum und die Gesellschaft zur Verinnerlichung der von ihm generierten legalen Ordnung zu bewegen. Aus der Perspektive der ROKS kommt dem Nationalstaat die Aufgabe zu, die Spannung zwischen den beiden Ordnungstypen zu lösen, und zwar durch die freiwillige Unterwerfung seiner Gesetze und implizit seiner dadurch generierten sozialen Ordnung unter der moralischen Ordnung der Nation-Konfession.

IV.6. Die Möglichkeiten der Kirche zur Bestimmung der sozialen Ordnung IV.6.1. Das Liturgische Wenn die Staatspolitik auf der moralischen Ordnung der Kirche gegründet sein soll, also letztendlich auf die göttliche Offenbarung, dann muss folgerichtig der legislative Prozess zu einer theologisch-politischen Aktion werden, die die moralische Ordnung der Kirche in eine soziale Ordnung umgestaltet. In diesem Fall bestimmt die Kirche indirekt die soziale Ordnung durch den Versuch, den Staat zu überzeugen, ein Kontinuum zwischen der moralischen Ordnung und dem positiven Gesetz zu schaffen. Er erfüllt somit seine komplementäre soteriologische Mission, die ihm von Gott in der weltlichen Ordnung und der Heilsgeschichte verliehen worden ist. Das wichtigste Instrument der Kirche zur Bestimmung der sozialen Ordnung ist jedoch ihr liturgisches Handeln. Die nationale Gemeinschaft identifiziert sich mit der konfessionellen. Dadurch wird jede Handlung der Kirche, die mit ihrem Wesen und ihrer Mission in der Welt übereinstimmt, ein moralisches Ethos generieren. Dieses Ethos gestaltet kontinuierlich die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft sowie die Praxis unterschiedlicher sozialer Einrichtungen. In diesem Sinne bestehe die Mission der Kirche, nach Ilarion V. Felea, in der Umwandlung der Gesellschaft in das Reich Gottes auf Erden durch

186

Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens den Erguss der Theokratie aus der Seele heraus in das soziale Leben. Das geschieht durch das Leben im Sinne des Evangeliums Christi, durch dessen Realisierung in unseren täglichen Gedanken, Worten und Taten.675

Im Mittelpunkt dieses Prozesses der Veräußerlichung des Reiches Gottes steht das Liturgische in seinem Verhältnis zur Gesellschaft. Nicolae Terchilă sieht im orthodoxen Kultus das Mittel selbst zur Übertragung der „übernatürlichen Welt“ in die Existenz des Gläubigen.676 Um das von Christus begonnene Werk weiterzuführen und zu vollenden – d.h. die „Errichtung einer neuen Gesellschaft der Harmonie, des Friedens und des guten Willens“ – müsse sich die Kirche in erster Linie ihres göttlichen Kultus, „in dem sich der gesamte Inhalt der Religion zeigt“, der liturgischen Hymnen und allgemein der religiösen Feste, die die Solidarität unter den Mitgliedern der Gemeinschaft stärken, bedienen.677 Durch die Betonung der Beziehung zwischen transzendenter und immanenter Ordnung oder der Verbindung zwischen Dogma, Ritus und Gesellschaft trägt Terchilă implizit zur Betonung der holistischen Dimension des Begriffs des rumänischen Gesetzes bei. Er beweist, dass der Ritus weit davon entfernt sei, einfach nur Ritualismus ohne spirituellen oder dogmatischen Inhalt zu sein. Er stelle vielmehr ein Instrument zur Erschaffung einer neuen sozialen Ordnung auf christlich-orthodoxen Grundlagen dar. Nach Traian Baciu sei die Einrichtung einer solchen sozialen Ordnung die Vorbedingung des Heils, das nicht nur eine individuelle, sondern auch eine kollektive Dimension habe; die beiden hängen voneinander ab, sodass die Kirche verpflichtet sei, die Gesellschaft in ein der spirituellen Entwicklung des Menschen günstiges Umfeld umzugestalten.678 Diese Verpflichtung teilt sie, wie schon erwähnt, mit dem Staat, und das wiederum betont die Komplementarität, die es zwischen den beiden Einrichtungen gibt. Die ROKS betrachtet die Schule und politische Parteien als zwei weitere wichtige Instrumente zur Beeinflussung der Gesellschaft und dadurch auch der ordnenden Tätigkeit des Staates. IV.6.2. Die Schule Das Thema der Konfessionsschulen und der Anwesenheit des orthodoxen Religionsunterrichts im staatlichen Schulsystem ist für die ROKS ein wesentliches Element der Beziehung zwischen der moralischen Ordnung der Kirche und der legalen Ordnung des Staates. Die Argumente hierzu konzentrieren sich einerseits auf die Betonung des Unterschiedes zwischen den beiden von Kirche und Staat 

675 Ilarion V. Felea, Împărăаia lui Dumnezeu, in: Revista Teologică, 3/martie 1931, 76. 676 Vgl. Nicolae Terchilă, Rolul social al cultului ortodox, in: Telegraful Român, 5/15 ianuarie 1930, 1. 677 Vgl. ebd. 2. 678 Vgl. Traian Baciu, CreЮtinismul social, in: Legea Românească, 13/1 iulie 1930, 1.



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geförderten Erziehungstypen, andererseits auf die Betonung der notwendigen Errichtung einer hierarchischen Beziehung zwischen den moralischen und nationalen Werten der Kirche und jenen, die der Staat durch das Bildungssystem an die Gesellschaft weitergibt. In der Handhabung der beiden Erziehungsparadigmen greift der Diskurs auf eine kategoriale, von der christlichen Theologie erstellten Unterscheidung zwischen Vernunft und Gefühl zurück. Diese Unterscheidung gestaltet sich in diesem Kontext als Gegensatz zwischen der Kirche spezifischen „Herzenskultur“ und der dem Staat spezifischen „Vernunftkultur“; gleichzeitig wird dabei die Überlegenheit der ersteren betont.679 Im Konflikt zwischen den beiden Weltanschauungen nehme sich die Kirche – „aufgrund ihrer göttlichen Vollkommenheit“ – das Recht und die Verpflichtung, sich auf alle Aspekte des privaten und öffentlichen Lebens der Individuen kritisch zu beziehen, auch auf die Werte, die ihnen in der Schule vermittelt werden.680 Aus der Perspektive dieser kontinuierlichen Bestrebung, das totale Christentum durchzusetzen, sieht die ROKS in der Verstaatlichung seiner Konfessionsschulen den Wunsch des Staates, sich die „Mittel zur Verwertung der nationalen Kräfte“ anzueignen und die religiös-politische Handlungsfähigkeit der Kirche einzuschränken.681 Die Haltung des Staates den Konfessionsschulen gegenüber ist für die ROKS nicht nur ein verwaltungstechnisches Problem, sondern in erster Linie eine theologisch-politische Angelegenheit und stellt die Haltung eines Staates in Frage, der sich als ausschließliche ordnende Instanz durchzusetzen versucht. Die ROKS betrachtet im Wesentlichen die Sache der Konfessionsschulen aus der Perspektive der Möglichkeit der Kirche, die staatliche Politik durch ihre zukünftigen, im Geiste der orthodoxen Lehre gebildeten Eliten zu beeinflussen. Die in den staatlichen Schulen ausgebildeten Personen, so Iuliu Moldovan, werden eine Stellung im „Organismus des öffentlichen Lebens“ einnehmen, von wo aus sie die Werte – un-christliche oder manchmal auch gegen-christliche – verbreiten werden.682 Die Schule hat somit in erster Linie eine politische Funktion, denn ihr Zweck sei es, „gute Staatsbürger zu formen“, gut im Sinne der privaten und öffentliche Moral.683 Die Kirche trägt durch ihre holistische Tätigkeit zu diesem Prozess bei, indem sie durch ihre moralische Ordnung gleichzeitig „gute Bürger des Himmels und des Staates“ und religiöse Politiker formt.684 Weil 

679 Vgl. ***Эcoala Юi religia, in: Telegraful Român, 66/19 septembrie 1928, 1. 680 Vgl. ebd. 681 Vgl. ebd.; siehe auch Trandafir Scorobe‫܊‬iu, Problema propagandei religioase, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 112. 682 Vgl. Iuliu Moldovan, Dreptate cerem, in: Telegraful Român, 26/28 martie 1928, 1. 683 Vgl. Nicolae Bălan, Idealul Юcoalei, in: Revista Teologică, 12/decembrie 1932, 421; siehe auch V. Gan, Să întărim morala publică, in: Telegraful Român, 65/10 iulie 1919, 1. 684 Vgl. Bucevschi, Biserica Юi politica, 2.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

die von der Schule geförderten moralischen Grundsätze auf direkte Weise die politische Handlung der Staatsbürger und, durch die Politiker, das Funktionieren des Staates und den Strukturierungsprozess der sozialen Ordnung bedingen, sollte der Staat jene Einrichtungen die das Werk der moralischen Erneuerung fördern und im Lehrprogramm sollten den jeweiligen Fächern die gebührende Bedeutung verliehen werden, sofern sie zur Charaktergestaltung beitragen; denn auf die Charaktere stützen sich letztendlich die staatliche und die äußere Ordnung. Eine äußere Ordnung muss ein Spiegel der inneren seelischen Ordnung sein.685

Aus der Perspektive der Kontinuität, die zwischen der inneren moralischen Ordnung der Individuen und der äußeren, legalen Ordnung der Gesellschaft bestehen muss, hat die Kirche also eine Oberhoheit über den Staat, denn nur sie allein habe Zugang zur menschlichen Seele.686 Das wiederum bedeutet, dass die vom Staat der Gesellschaft auferlegte Ordnung auf keiner soliden Grundlagen steht, wenn die innere Ordnung und die Werte fehlen, die von der Kirche an die Staatsbürger weitergegeben werden: Sehr unterschiedliche politische Errungenschaften können gemacht werden; all diese können vorübergehend sein, wenn die große Masse des Volkes nicht so geformt ist, dass sie durch ihre Seele die Dauerhaftigkeit dieser Errungenschaften sichert […] Und was das niedere Volk betrifft, so ist ihm die Kirche auch heute am nächsten, sie ist jene Autorität, die am tiefsten in dessen Seele eindringt. Die Kirche hält auch heute noch in ihren Händen das wunderbare Heilmittel, mit dem sie auf wunderbare Weise das Wesen des Volkes beeinflussen kann.687

Die Schule wird somit zu einem wesentlichen Werkzeug, das der Gesellschaft die Verinnerlichung der vom Staat nur äußerlich durchgesetzten Ordnung vermittelt. Die Erziehung der jungen Generationen, als sich in ihren Handlungen nach den orthodoxen moralischen Grundsätzen richtende Bürger, ist ein wesentliches Element in der Erreichung der Übereinstimmung zwischen der moralischen und der politischen Ordnung der Gesellschaft. Innerhalb des Übereinstimmungsprozesses dieser beiden Ordnungstypen hat die Kirche eine Oberhoheit über den Staat, auch weil ihr Zweck ein transzendenter, auf das Heil der Gläubigen ausgerichteter sei, während der Staat seinen Bürgern lediglich die Perspektive einer rein immanenten Existenz biete: Der Staat […] ist nicht das letzte Ideal in dieser Welt. Wie nahe wir dem Staat auch sein mögen, und wir sind bereit, uns selbst für ihn hinzugeben, ist er trotz allem nur 

685 Sofron Vlad, Câteva consideraаiuni în legătură cu noua reformă Юcolară, in: Rena‫܈‬terea, 13/1 aprilie 1934, 3. 686 Vgl. Cioroianu, Statul Юi grija, 1. 687 Augustin Vancea, Procesul de culturalizare prin Biserică, in: Legea Românească, 5/1 martie 1928, 1.



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ein Werkzeug im Dienste der Seele. Machen wir aus dem Staat keinen Fetisch. Das Ideal des Christentums läßt das himmlische Licht auch auf den Staat scheinen und nur als guter Christ ist man seinem Staate von Nutzen. Wenn auch die Sache der Schule auf diese Weise angegangen wird, so wird es auch dem Staate dienlich sein.688

Es gibt demnach einen zyklischen Charakter der religiös-politischen Tätigkeit der Kirche: Diese ist verantwortlich für das Heil der Gläubigen, was wiederum deren Erziehung im Geiste der orthodoxen Werte bedeutet und zu einer sozialen Ordnung führen wird, die ein geeignetes Umfeld für die Ausübung sowohl deren bürgerlichen Verantwortungen als auch der Verpflichtungen, die aus ihrer Zugehörigkeit zur Kirche entstehen, bildet. Im Leben eines jeden Gläubigen, und dadurch auch der nationalen Gemeinschaft als Ganzes, findet die Umwandlung der religiös-moralischen Tätigkeit der Kirche in politische Handlung statt. Die Verstaatlichung der Konfessionsschulen bedeutete für die ROKS die Trennung von Kirche und Nation zum Zwecke der Einrichtung des Staates als einzige ordnende Instanz. Der Staat handle in diesem Fall als ob er die Existenz der Nation ohne Hilfe der Kirche sichern könnte.689 Aus dieser Perspektive sei der rumänische Staat jedoch weit davon entfernt, mit rein immanent-rationalen Mitteln ein Pflichtbewusstsein der Rumänen dem Nationalstaat gegenüber zu schaffen.690 Die von der Kirche durch ihre Schulen propagierte moralische Ordnung bildet die Grundlage der öffentlichen Moral, die der Staat von seinen Bürgern fordert und die dessen Einheit und Funktionalität gewährleistet: Die kompakte Masse des rumänischen Volkes hat durchaus gesunde Auffassungen von dem moralischen Pflichtbewusstsein als Staatsbürger, und das nur weil es im Umfeld der von seiner Kirche propagierten christlichen Werte aufgewachsen ist.691

Der Erfolg der von der ROKS vermittelten religiösen Erziehung zum Zusammenschluss der rumänischen Gemeinschaft Siebenbürgens zu einem kompakten Volk hat Bischof von Oradea Roman Ciorogariu dazu bewogen, eine Ausrichtung des gesamten Schulsystems Großrumäniens nach den orthodoxen Konfessionsschulen vorzuschlagen. Das Gesetz, aufgrund dessen das neue einheitliche Schulsystem aufgebaut werden sollte, müsste „eine Entwicklung im Leben unseres Volkes“ sein und nicht die Kopie von Vorbildern und Ideologien, „die dem Wesen des rumänischen Staates und der rumänischen Seele fremd sind“.692 Die Errichtung eines staatlichen Schulsystems und die Verstaatlichung der Schulen 

688 Bălan, Idealul Юcoalei, 421; siehe auch D. Antal, Biserica, Factor social ignorat de stat, in: Rena‫܈‬terea, 20/13 mai 1928, 1. 689 Vgl. ***Эcoala Юi religia, in: Telegraful Român, 66/19 septembrie 1928, 1. 690 Vgl. ebd. 691 Ebd.; siehe auch Iosif Trifa, O cetate pe care n-o predăm: Эcoala confesională, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 32/22 august 1920, 1. 692 ***Discursul PSS Ep. Roman în Юedinаa Senatului din 10 iunie, in: Legea Românească, 25/1 iulie 1924, 1.

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der ROKS wurden von Ciorogariu als offensichtliche Zeichen einer vom französischen Laizismus inspirierten und vom modernen rumänischen Staat übernommenen Politik gesehen. Im Geiste von Maiorescus Theorie der Formen ohne Inhalt kritisiert der siebenbürgische Bischof die Übernahme von fremden Gesetzen, die, weil nicht an „das Wesen und den Zustand dieses Landes angepasst“, letztendlich eine Realität erschaffen würden, die „eine Karikatur“693 des ursprünglichen Vorbildes darstelle: Unser Volk hat in der Kirche gelebt, die Kirche war seine Kultureinrichtung, in der Kirche hat das rumänische Volk seine Denkmäler. Wenn es darum geht, eine neue Schule zu errichten, so können wir sie nur auf der Grundlage der Kirche errichten.694

Die staatliche Schule musste sich in jenen Prozess eingliedern, durch den die Nation-Konfession ihre eigene Kultur erschuf; diese Argumentation zielte offensichtlich darauf ab, die Überlegenheit der Orthodoxen Kirche über dem Nationalstaat hervorzuheben. Für Ciorogariu liegt der Zweck der Schule, auch der Minderheitenschulen, in der „Verbreitung der rumänischen Kultur“, sodass wir dadurch zur erwünschten seelischen Einheit unter all jenen gelangen, die heute in dem Ganzen vereint sind, das aus den vier Teilen Rumäniens gebildet ist.695

Aus der Perspektive Ciorogarius musste also jede politische Tätigkeit des Staates, implizit die Erschaffung eines Schulsystems, eine Antwort auf die grundlegende Tendenz der rumänischen Nation zur Einheit sein. IV.6.3. Kirche – Priester – Parteipolitik Obwohl die Heilige Synode der ROK den Priestern schon 1928 eine aktive Teilnahme an den politischen Aktivitäten der Parteien untersagte und der rumänische Staat im Strafgesetzbuch vom 1. Januar 1937 das Verbot politischer Propaganda durch Priester festlegte, wirkten die orthodoxen Priester in der Zwischenkriegszeit konstant in der Politik mit,696 was zu intensiven öffentlichen Debatten zu diesem Thema führte. Im Dilemma der Mitwirkung oder Nichtmitwirkung der Priester im politischen Leben konzentrierte sich der Diskurs der ROKS auf zwei mögliche Lösungen, die, jenseits aller Argumente, den gemeinsamen Hintergrund einer notwendigen Stärkung der Nation-Konfession aufwiesen. Eine erste Lösung lehnte kategorisch die Mitwirkung der Priester in politischen Parteien ab. Die Vertreter 

693 694 695 696



Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. Maner, Aspects of Modernisation, 80–83.

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dieser Lösung empfahlen eine auf die moralisch-nationale Erziehung der Gläubigen – Politiker und Wähler gleichermaßen – ausgerichtete Tätigkeit als für die Mission der Kirche geeignete politische Mitwirkung. Diese Variante wurde vor allem von Gheorghe Maior vertreten und stützt sich auf eine Definition der Politik, die ausschließlich die zwischenmenschlichen Beziehungen sowie jene zwischen Individuum und sozialer Gruppe in Betracht zieht, ohne die Politik institutionell an politischen Parteien oder dem Staat festzumachen. Für Maior ist die Politik die gemeinsame Tätigkeit aller Bürger zu ihrem gemeinsamen Wohl. Sie ist folglich weder das Monopol noch das Privileg einer bestimmten menschlichen Kategorie. Da ihr Zweck also in dem gemeinsamen Wohl besteht, schließt sie die Ausführung des niedrigen Willens der einen oder anderen Person aus, genau wie sie davon ausgeht, dass jeder Mitarbeiter im politischen Leben zuallererst an seine Pflichten und Verantwortungen dem Gemeinwohl gegenüber und erst danach an seine Rechte zu denken hat.697

Von dieser Definition der Politik ausgehend und aufgrund der konkreten politischen Situation Rumäniens in der Zwischenkriegszeit, die diesem Idealbild ganz deutlich widersprach, behauptete Maior, dass die politische Rolle der Priester weit davon entfernt sei, nach 1918 zu einem Ende gekommen zu sein. Im Gegenteil, eben weil sie „ein sozialer und kultureller Faktor […] geblieben sind, sind sie auch ein politischer Faktor“, denn „die Gesellschaft und die Politik können niemals getrennt werden“.698 Die erzieherische Tätigkeit der Kirche im Sinne der Durchsetzung der moralischen Ordnung in der Gesellschaft sei an sich eine politische Tätigkeit und entspräche den Hauptforderungen der Gesellschaft an die Kirche, und zwar der Erfüllung eines Ideals: Die Verbindung, die Kommunikation mit der Ewigkeit. Gebt dem gesamten Leben den lebendigen Christus und ihr rettet und regeneriert alles.699

Maiors Argumentation geht in Richtung einer notwendigen Einrichtung eines totalen Christentums, das alle Sphären des persönlichen und öffentlichen Lebens umfasst und implizit das Problem der Beziehung zwischen Priestern und Politik löst. Wie schon gezeigt, betrachtete die ROKS die Politik nicht als der Religion gegenüber autonom. Gemäß obiger Definition ist sie vielmehr von den durch die Kirche bestimmten sozialen Beziehungen abhängig, denn diese Beziehungen 

697 Gheorghe Maior, Atitudinea preoаimii în vieaаa politică, in: Analele Asocia‫܊‬ie „Andrei ‫܇‬aguna“ a clerului Mitropoliei Ortodoxe Române din Ardeal, Bănat, Cri‫܈‬ana ‫܈‬i Maramurăs. Actele congresului al doilea, biblic, al Asocia‫܊‬iei Clerului „Andrei ‫܇‬aguna“ ‫܊‬inut în Sibiiu, în zilel de 31 martie/13 aprilie–1/14 aprilie 1921 publicate de Biroul Asocia‫܊‬iei Clerului, Tiparul Tipografiei Arhidiecezane, Sibiu, 1922, 79. 698 Vgl. ebd. 699 Ebd.

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„retteten“ praktisch die Politik von einer Degenerierung in eine von individuellen oder Gruppenegoismen bedingten Praxis. In diesem Sinne zeigt Maior, dass die politische Tätigkeit der Priester im Wesentlichen in der Regenerierung des öffentlichen Lebens bestehe, die nur durch die „Vervollkommnung des zur Zusammenarbeit fähigen Individuums“ erreicht werden könne, was wiederum zur „universellen sozialen Harmonie – dem Reich Gottes“ führe.700 Maior schlägt also den Priestern vor, sich keiner politischen Gruppierung anzuschließen oder bzw. sie es schon getan haben, sich daraus zurückzuziehen, wenn sie tatsächlich unabhängig von jeder Partei oder öffentlichen Einrichtung bleiben.701 Hingegen sollten sie sich auf die „Bildung von Charakteren“ beschränken, die „mit anderen und für andere zu arbeiten fähig seien“, um „das von Christus vorgelebte Ideal zu erreichen“.702 Folglich liegt der Zweck der politischen Tätigkeit der Priester in der Bildung einer christusförmigen Gesellschaft. Das bedeutet wiederum, dass, in Anbetracht der Idee einer Nation-Konfession, die Gesellschaft mit der Nation, der die Kirche ihre Eigenschaften als sozialer Leib Christi verleiht, identisch ist, wie im vorherigen Kapitel gezeigt wurde. Ein zentrales Element des Arguments gegen die Mitwirkung der Kirche durch die Priester im politischen Leben war die Verwendung des christologischen und soteriologischen Konzeptes. Sebastian Stanca betrachtet die heilbringende Tätigkeit Christi durch die Kirche aus der Perspektive der Materie-GeistDichotomie. Die heilbringende Tätigkeit Christi verfolge „die Verbrüderung aller Menschen und die Befreiung des Individuums und der Gesellschaft aus der Sklaverei der Materie“, was von den Christen eine asketische Haltung dem materiellen Leben gegenüber und die Ablösung „von den weltlichen Sorgen“ fordere.703 Indem er die asketische Dimension des Christentums betont, fordert Stanca die totale Abkoppelung der Priester und der Kirche von jeder politischen Tätigkeit und behauptet, Religion und Politik seien von ihrem Wesen her unvereinbar: Die Politik verfolgt nicht das Ideal Christi und verwendet folgerichtig nicht die moralischen Mittel der Religion. Die Politik materialisiert alles in ihrem Umfeld, ihr Zweck ist das individuelle oder kollektive Interesse des Individuums, einer sozialen Klasse, einer Nation, einer Partei oder des Staates.704

Der fundamentale Unterschied zwischen Religion und Politik besteht also nicht nur in den angewandten Mitteln, sondern darin, dass die Religion universell und



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Vgl. ebd. Vgl. ebd., 84. Ebd., 82. Vgl. Sebastian Stanca, Preoаimea Юi politica I, in: Rena‫܈‬terea, 46/14 noiembrie 1926, 3. Ebd., 4.

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ewig sei, während die Politik als zeitliche Entität vielfachen kontextuellen Veränderungen unterworfen sei.705 Das wiederum bedeutet, dass die Kirche universell tätig sein muss, wenn sie in der Politik mitwirken will, d.h. sie müsse jenseits der von der Politik erzeugten ideologischen oder institutionellen Spaltungen agieren. Diese integrative Handlung der Kirche bedeutet, so Stanca, die Durchsetzung und Bewahrung der göttlichen moralischen Ordnung in der Geschichte durch die Verstärkung „der moralischen Werte des Volkes, unabhängig von der Parteipolitik“. Wenn es eine politische Aufgabe der Kirche gebe, so sei sie auf die Förderung der „sozialen Verbrüderung“ und der „nationalen Solidarität“ beschränkt, was im Grunde die Umorientierung von Individuum und Gesellschaft hin auf „den Weg des Evangeliums Christi“ bedeute.706 Die Mitwirkung der Priester im politischen Leben der Parteien würde dazu führen, dass die Kirche ihre Gläubigen nicht wie eine einheitliche Gemeinschaft betrachtete; sie würde sich nach den politischen Präferenzen ihrer Mitglieder richten, die nicht zwingend mit den Präferenzen des Priesters übereinstimmen.707 Dadurch würde der Priester und mit ihm die Kirche zu einem Faktor der Spaltung, nicht der Stärkung der Einheit innerhalb der Nation.708 Die politische Mitwirkung der Priester zersetze die nationale Einheit und sei innerhalb des rumänischen Nationalstaates auch nicht mehr notwendig: Im neuen politischen Kontext nach 1918 sei der Priester nicht mehr verpflichtet, „die nationale Erziehung des Volkes außerhalb der Kirche zu sichern“, denn hierzu gebe es staatliche Einrichtungen, die diese Aufgabe übernommen haben. Der Priester sei somit von dieser Verantwortung befreit worden und seine eventuelle Mitgliedschaft in einer politischen Partei durch nichts mehr zu begründen.709 Stanca zeigt, dass die Einheit aller Rumänen in einem Nationalstaat eine radikale Veränderung im religiöspolitischen Leben der Nation bewirkt habe, in dem Sinne, dass die Differenzierung zwischen dem politischen und dem religiösen Problem plötzlich und früher als erwartet erfolgte. Der Nationalstaat hat alle national-politischen Belange für sich vereinnahmt und im Aufgabenbereich der Kirche blieben nunmehr nur die religiösen und spirituellen Aspekte.710

Diese Art zu argumentieren war offensichtlich ein Echo des byzantinischen religiös-politischen Musters, auf das sich die Befürworter der Beschränkung der 

705 Vgl. ebd. 706 Vgl. ebd., 5; siehe auch ***Colaborarea Bisericii, in: Telegraful Român, 18/12 martie 1924, 1. 707 Vgl. ***Atitudinea politică a preoаimii, in: Telegraful Român, 85/9 decembrie 1921, 1. 708 Vgl. ebd.; siehe auch Sebastian Stanca, Preoаimea Юi politica II, in: Rena‫܈‬terea, 47/21 noiembrie 1926, 3. 709 Vgl. Nicolae Cri‫܈‬mariu, Politicianismul preoаimei, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 51/17 decembrie 1933, 1–2. 710 Stanca, Preoаimea Юi politica I, 5.

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Kirche auf ihre Aufgabe als moralische Erzieherin der Bürger, ohne politisch mitzuwirken, bezogen. Stanca zeigt, dass ein konstitutioneller Staat, wie der rumänische, die Existenz eines Mehrparteiensystems und implizit das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Interessen und politischer Ideologien bedeute. Das Beispiel der orthodoxen Priester und vornehmlich ‫܇‬agunas, die eine intensive politische Tätigkeit im Dienste des rumänischen Volkes ausgeführt haben, ohne Mitglieder einer politischen Partei gewesen zu sein, beweise, so Stanca, dass der Priester seiner Gemeinschaft auch politisch dienen konnte ohne Mitglied einer politischen Organisation zu werden.711 Als Bürger sei der Priester berechtigt, politische Meinungen zu äußern und sogar Mitglied einer Partei zu werden, wenn er sie den Interessen des Landes als dienlich betrachtet, aber aus der Perspektive seiner spirituellen Mission, „die in jeder Lebenssituation vorrangig“ ist, sei „es dem Priester nicht erlaubt, aktive Parteipolitik zu betreiben“.712 Die Rolle des Priesters ist jener des Bürgers und Parteimitglieds vorrangig; diese Hierarchisierung im Rahmen der individuellen Tätigkeit des Priesters spiegelte also die Überlegenheit der Religion über die Politik und der Kirche über den Staat wider. Trandafir Scorobe‫܊‬iu weist darauf hin, dass eine Stellungnahme des Priesters in gewissen politischen Angelegenheiten schon eine Form impliziter Sympathiebekundung für den einen oder anderen Politiker oder für bestimmte politische Ideologien darstelle.713 Er sieht deswegen die Verantwortung des Priesters ebenfalls in jener Sphäre der moralischen Erziehung, die die Entscheidungen des Politikers beeinflussten. Ein freier Staat, meint Scorobe‫܊‬iu, brauche, um zu existieren, „eine Atmosphäre edlen Patriotismus, Gerechtigkeit und guten Willens“ sowie die Umwandlung dieser Werte in Gesetze und politische Institutionen. Die Rolle des Priesters bestehe in diesem Fall in der Förderung des Patriotismus, der Gerechtigkeit und des guten Willens unter seinen Gläubigen; denn erst die Erfüllung dieser moralisch-patriotischen Aufgabe sei die Voraussetzung für jenen Prozess, der diese Werte in Gesetze und dadurch in den praktischen Bereich der politischen Einrichtungen übertrage.714 Der Priester sei nicht dazu berufen, für den politischen Erfolg einer Partei militant zu wirken, sondern den Gläubigen, d.h. den Wählern, die notwendigen moralischen Kriterien zur Evaluierung der Politik zu bieten.715 Jede Tätigkeit des Priesters, einschließlich der politischen, solle die Stärkung der Einheit der Nation verfolgen, deswegen solle er



711 Vgl. ders., Preoаimea Юi politica II, in: Rena‫܈‬terea, 47/21 noiembrie 1926, 3. 712 Vgl. ebd. 713 Vgl. Trandafir Scorobe‫܊‬iu, Problema propagandei religioase, in: Analele Asocia‫܊‬iei „Andrei ‫܇‬aguna“. Actele primului congres, 111. 714 Vgl. ebd. 715 Vgl. ebd.



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als Erzieher der Massen das Volk auch politisch erziehen, jedoch nicht im Sinne einer Parteipolitik, sondern in Hinsicht auf eine patriotische Nationalpolitik, die für alle die gleiche sein muss.716

Wie schon erwähnt, unterscheidet Stanca deutlich zwischen der Mitgliedschaft in einer politischen Partei – erlaubt im Falle eines Priesters – und dessen Tätigkeit als Propagandist der betreffenden Partei, was seiner spirituellen Mission als Inhaber einer sakralen Funktion zuwiderliefe. Stanca bietet also folgerichtig eine Reihe von Prinzipien, aufgrund derer die Priester die Spannung zwischen der Tendenz, in der Parteipolitik aktiv mitzuwirken und der ausschließlich im Bereich des Moral-Religiösen angesiedelten Tätigkeit überwinden konnten. In diesem Sinne betont er, dass die Politik, anders als die Kirche, die Gesellschaft spalte und ausschließlich materielle Zwecke verfolge, zu deren Erreichung sie sogar die Kirche zu instrumentalisieren versuche. Aus der Perspektive der sozialen Wahrnehmung erschien der Priester als „mit göttlichen Attributen ausgestattete Persönlichkeit, den Politikern überlegen und also verschieden“, er sei unvereinbar mit den politischen Kämpfen, in denen der Mangel an Moral vorherrsche.717 Der Priester könne jedoch Parteimitglied sein, doch könne er von dieser Eigenschaft keinen Gebrauch in den politischen Auseinandersetzungen und im Namen der Gläubigen seiner Gemeinde machen.718 Es wäre ein großer Fehler, würde sich der Priester zu einem Wahlkampfagenten für eine bestimmte politische Partei instrumentalisieren lassen, wenn er somit also seine moralische, universelle und inklusive Mission der politischen, partikulären und exklusiven unterordnen würde.719 Die gesamte Tätigkeit des Priesters trage zur Konstituierung der Kirche als Vermittlerin der göttlichen moralischen Ordnung in der Geschichte und der Errichtung des Reiches Gottes auf Erden bei. Durch sein persönliches Beispiel würde der Priester den Menschen in Kontakt mit der übernatürlichen Welt bringen, um auf diese Weise in dessen Leben etwas von der Ordnung, der Harmonie und Spiritualität jener Welt und in seine Seele jenen Trost zu übertragen, den diese beständig sucht.720

Das Argument der Mitwirkung der Priester in der Parteipolitik fußt auf der Voraussetzung, dass der Staat seine Rolle als Mitarbeiter der Kirche innerhalb der Heilsordnung nur dann spielen könne, wenn er die Gesellschaft aufgrund der auf die göttliche moralische Ordnung gegründeten Gesetze gestalten konnte. Das sei möglich, wenn die gesamte religiöse Gemeinschaft – sowohl die Priester als auch die Gläubigen – in der Politik als Gläubige mitwirkten, wenn sie also ihre 

716 717 718 719 720

Stanca, Preoаimea Юi politica II, 4. Vgl. ders., Preoаimea Юi politica III, in: Rena‫܈‬terea, 48/28 noiembrie 1926, 3. Vgl. ebd., 5. Vgl. ebd. Ebd.

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politischen, die soziale Ordnung erzeugenden Entscheidungen auf die christliche Moral stützten. Ausgehend von der gegenseitigen Bedingung zwischen der Tätigkeit der Kirche und jener des Staates, betonte Bucevschi, dass die politische Tätigkeit – selbstverständlich in des Wortes edler Bedeutung – auch die Erfüllung einer Aufgabe als guter Christ bedeutet. Wenn die Politik sich dem Altar nähert, dann haben die Kirche und ihre Diener nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich auch der Politik zuzuwenden, um ihr die vom Gottessohn verkündeten Lehren aufzuprägen.721

Das Desinteresse der Kirche, beziehungsweise der Gläubigen für die Politik erzeuge ihrerseits moralisch-religiöse Gleichgültigkeit, denn der Staat könnte eine unchristliche Weltanschauung übernehmen und, davon ausgehend, eine der Kirche entgegengesetzte soziale Moral erzeugen.722 Die Mitwirkung der Priester in der Politik wurde auch durch die Tatsache begründet, dass die Kirche sich konstant der Tendenz entgegensetzen müsse, politisch instrumentalisiert zu werden. Nicolae Colan spricht von dem impliziten Heil der Politik durch die heilsbringende Einwirkung Gottes in der Welt. Der Zweck des Menschen, sagt er, sei es, „ein Bürger des Gottesreiches“ zu werden. Die Kirche sei dazu berufen, ihm den Weg zu weisen. Aus diesem Grund müsse die Kirche Interesse für die weltlichen Lebensbedingungen ihrer Gläubigen, folglich auch für die Politik, zeigen.723 Die Beziehung zur Politik sei für die Kirche eine Nachahmung der soteriologischen Beziehung Gottes zur Welt: Die Kirche muss, durch eine direkte Handlung, ihren heiligenden Einfluss zeigen, indem sie in alle Lebensbereiche hinabsteigt, einschließlich des politischen. Die Heilsgeschichte der Menschheit bietet uns das glänzendste Beispiel in diesem Sinne: Gott ist in die Welt gekommen, um den Menschen zu zeigen, wie sie in den Himmel kommen können. Wenn sie in den Tumult der Welt hinabsteigt, so tut es die Kirche nicht, um ihre Ideale zu politisieren, sondern um die Ideale der Politik und die Mittel zur Erreichung dieser Ideale zu heiligen.724

Als Vertreter der Kirche in der Gesellschaft sei der Priester sogar dazu verpflichtet, im politischen Leben mitzuwirken und gegebenenfalls jene Parteien öffentlich zu unterstützen, deren Interessen mit den Interessen der Kirche übereinstimmen.725 Das Argument für die aktive Mitwirkung der Priester im Parteienleben stützt sich, genau wie das oben angeführte Gegenargument, sowohl auf das christologische Konzept als auch auf die Evaluierung der Veränderungen im 

721 722 723 724 725



Bucevschi, Biserica Юi politica, 3. Vgl. ebd. Vgl. Nicolae Colan, Biserica Юi politica, in: Telegraful Român, 24/30 aprilie 1926, 1. Ebd. Vgl. ebd.; siehe auch Un mirean, Preoаimea în politică, in: Telegraful Român, 37–38/14 mai 1926, 1.

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politischen Kontext nach 1918. Nicolae Bălan spricht von der notwendigen christlichen Umgestaltung der Politik, die jedoch nicht nur durch eine Verstärkung der Moral der Gläubigen, sondern auch durch die Anwesenheit der Priester in den Leitungsgremien des Staates erreicht werden sollte: Wir wünschen uns, sie [die Priester] in der Führung des Landes und in der Mitte des Volkes als unparteiische Menschen zu sehen, die sich über Klassen- und Parteienkämpfe erhoben haben, sodass die Kirche durch ihre versöhnende Wirkung die widersprüchlichen Interessen der politischen Gesellschaft in ein Reich der Harmonie vereinen kann. Um auf diesem moralischen Sockel stehen zu können, muss der Priester als Leiter des Volkes im politischen Leben seine Freiheit und Unabhängigkeit bewahren. Er muss für alle da sein.726

Die Argumentation richtet sich nicht so sehr an die Priester, die in der Politik mitwirken wollen, sondern eher an die Gläubigen, die dadurch implizit aufgefordert werden, diese Kriterien zu übernehmen und anzuwenden, wenn sie die Tätigkeit des Priesters innerhalb der Gemeinschaft einschätzen. Das Dilemma der Mitwirkung oder Nichtmitwirkung der Priester in der Parteienpolitik kann folgendermaßen formuliert werden: Führen ein religiöspolitischer Diskurs und eine religiös-politische Praxis nicht automatisch zur Verschärfung der in der Nation existierenden latenten, aus der Zugehörigkeit der Gläubigen zu unterschiedlichen Parteien und Ideologien entspringenden Spannungen und dadurch zu einer Schwächung der Einheit der Nation-Konfession? Die positive Antwort stützt sich auf eine realistische Sichtweise und schlägt dem Priester vor, eine ausschließlich moralisch-erzieherische, also vorpolitische Haltung einzunehmen. Die negative Antwort geht von einem idealisierten Bild des Priesters aus, der als Mitglied einer Partei eine politische Haltung einnehmen könne, die sich an die gesamte politische Sphäre und die ganze Nation richten und dadurch zur Stärkung ihrer Einheit beitragen würde.

IV.7. Zusammenfassung Die ROK und der rumänische Staat waren für die Kirchenelite zwei institutionelle Ausdrucksformen derselben Nation-Konfession. Das bedeutete, dass deren Tendenz nach Einheit in einem einheitlichen religiös-politischen Handeln der Kirche und des Staates objektiviert werden sollte. Die Einheit war in diesem Fall keine äußerliche, institutionelle, sondern eine innere, moralische, und setzte die Existenz einer kausalen Beziehung zwischen der göttlichen moralischen Ordnung der Nation-Konfession und der legalen Ordnung, durch die der Staat die soziale 

726 Bălan, Atitudinea preoаimei faаă de viaаa politică, 131; siehe auch Trandafir Scorobe‫܊‬iu, Problema propagandei religioase, ebd., 110.

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Ordnung erschafft und erhält, voraus. Indem er ein Kontinuum zwischen den beiden Ordnungstypen schafft, handelt der Staat in Übereinstimmung mit der Stellung, die ihm von Gott in der Weltordnung und in der Heilsgeschichte zugesprochen worden ist. In diesem Sinne ist der Staat ein soteriologisch komplementärer, der Kirche jedoch untergeordneter Faktor und seine Rolle besteht in der legalen Kodifizierung der moralischen Ordnung, die schon von der Kirche an die Nation-Konfession weitergegeben wurde. In der Auffassung der ROKS muss die Kirche dem Staat gegenüber autonom sein, um ihre Aufgabe erfüllen zu können, während der Staat, um die Nation ihrer ethnisch-konfessionellen Identität entsprechend ordnen zu können, seine politische Tätigkeit der moralischen Ordnung der Kirche unterzuordnen hat. Zum Allgemeinwohl der Nation ist demnach jede Autonomie des Politischen dem Religiösen gegenüber ausgeschlossen. Indem sie betont, dass die Übertragung der moralischen Ordnung Gottes auf die soziale Ordnung nur durch eine autonome Kirche, in der das Laientum an der Leitungsgewalt teilnimmt, zeigte die ROKS, dass sich ihrer Sicht nach die Gesellschaft mit der Nation-Konfession und dem Staat identifiziert. Das Laientum, in seiner doppelten Eigenschaft als Kirchenmitglied und Staatsbürger, wird zu einem religiös-politischen Subjekt, das die moralische Ordnung der Kirche auf die Gesellschaft und von dieser auf den Staat überträgt. Damit trägt es zur Stärkung des orthodoxen Charakters des Staates bei. Die Wesensgleichheit zwischen der Nation-Konfession, der Gesellschaft und dem Staat ergibt sich auch aus der Tatsache, dass durch die politische Entscheidung des Staates die soziale Ordnung eine legale Kodifizierung der moralischen Ordnung der Nation-Konfession sein sollte. Es muss betont werden, dass diese Art von Argumentation die Funktion hat, einen religiös-politischen Idealtyp zu konstruieren, und dass sie auf keinen Fall das konkrete Funktionieren des rumänischen Staates widerspiegelt. Deshalb vermittelt der theologisch-politische Diskurs implizit eine Unzufriedenheit der ROKS mit dem Staat und eine Kritik daran. Wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, erkannte die Kirchenelite in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre die Zeichen der Konkretisierung dieses religiös-politischen Idealtyps, den sie bis dahin auf theoretischer Ebene aufgebaut hatte.





V. Die ROKS und die radikale politische Wende in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre: Zwischen Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxem Staat 

V.1. Grundzüge der Moderne aus der Perspektive der Beziehungen zwischen Kirche und Politik Die Ablehnung der Autonomie der Staatspolitik gegenüber dem religiösen Faktor bzw. der Kirche ist ein zentraler Indikator der Stellungnahme der ROKS zum politischen Paradigma der Moderne. Die Bezüge zum Mittelalter, wo die kaiserliche Macht göttlichen Ursprungs war, oder die Zurückweisung der Vorstellung, dass die soziale Ordnung nicht auf der Theologie, sondern auf der Anthropologie fußte, stellen Strukturierungselemente der antimodernen Orientierung der ROKS dar, d.h. ihrer Haltung gegen das zentrale Postulat der politischen Moderne, und zwar jenes des säkularen Charakters des Staates. Wie bereits aufgezeigt wurde, war der moderne Staat das Resultat des Trennungsprozesses der religiösen Ordnung von der politischen. Die Säkularisierung der politischen Ordnung ist Teil des Phänomens sozialer Differenzierung, durch das die Religion sich ab dem 16. Jahrhundert aus einem sozialen, alle anderen und vornehmlich das politische legitimierende System in eines der Systeme innerhalb der Gesellschaft verwandelt hatte.727 Die soziale Differenzierung bestimmte somit eine radikale Veränderung der die vormodernen Gesellschaften charakterisierende Hierarchie. Die Agenten dieser sozialen Veränderungen waren Denker wie Baruch Spinoza (1632–1677), John Locke (1632–1704), David Hume (1711–1776), Thomas Hobbes (1588–1679) und René Descartes (1596–1650), die die Vernunft als Deutungsprinzip und Grundsatz der sozialen Ordnung anstelle der Religion setzten.728 Dieser intellektuellen Tradition gemäß sollten die Evaluations- und Ordnungsprinzipien der individuellen und sozialen Handlungen nicht mehr in der Bibel, sondern in der menschlichen Natur selbst gesucht werden, nicht im theologischen Diskurs, sondern in der Naturphilosophie. Diese Perspektivenwende brachte einen kritischen Ansatz in der Lektüre der



727 Vgl. Niklas Luhmann, Funktion der Religion, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1982, 255– 271. 728 Vgl. Jonathan I. Israel, Enlightenment Contested. Philosophy, Modernity, and the Emancipation of Man 1670–1752, Oxford University Press, New York, 2006, vor allem Kapitel 2: Philosophy and the Making of Modernity, 43–60; Stephen Gaukroger, The Emergence of Scientific Culture. Science and the Shaping of Modernity 1210–1685, Oxford University Press, Oxford, 2006, 471–505.

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Bibeltexte729 und eine antiklerikale, vor allem antikatholische Haltung mit sich, die sich mit außergewöhnlicher Brutalität während der Französischen Revolution (1789) manifestierte. Der Antiklerikalismus blieb auch im 19. Jahrhundert eine dem westlichen Liberalismus und Nationalismus spezifische Komponente.730 Durch Vermittlung der Ideen der Französischen Revolution, vor allem durch Vermittlung der politischen Philosophie Jean-Jacques Rousseaus (1712– 1778), prägte diese Weltanschauung endgültig die politische Entwicklung Europas.731 Im Konstituierungsprozess der Nationalstaaten im 19. und 20. Jahrhundert spielte das Rousseau’sche Prinzip des „Gemeinwillens“ der Bürger eine zentrale Rolle. Dieser Grundsatz wurde in den der sozialen Ordnung zugrunde liegenden Gesetzen objektiviert. Die staatliche Autorität geht vom Gesetz, d.h. vom Volk aus, nicht von Gott oder dem Monarchen. Das von Charles Montesquieu (1689– 1755)732 ausgearbeitete Prinzip der Gewaltentrennung in Legislative, Exekutive und Judikative sowie der Grundsatz der Teilnahme eines jeden Bürgers an der Führung der Republik durch seine frei gewählten Vertreter stellten zentrale Elemente der politischen Philosophie dar, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa Fuß fassten.733 In den letzten fünf Jahrhunderten der westlichen Zivilisationsgeschichte wurde der Privatisierungsprozess der Religion im Verhältnis zur politischen Ordnung von der Distanzierung der Individuen vom Glauben an Gott begleitet. Der Staat trennte sich im Wesentlichen von der Kirche, das Individuum erlangte seine Autonomie Gott gegenüber. Charles Taylor bemerkt, dass es um das Jahr 1500 für einen Europäer praktisch unvorstellbar war, nicht an Gott zu glauben und sein Leben nicht um diesen Glauben herum zu organisieren, während sich für einen Europäer zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Situation vollkommen konträr darstellt.734 Aus dem vorhergehenden Kapitel wurde ersichtlich, dass die Kirchenelite das Problem des Einflusses der Moderne auf die rumänische Gesellschaft sehr direkt angeht: Sowohl die Verteidiger als auch die Gegner des ‫܇‬agunianismus greifen in ihrer Argumentation auf die voranschreitende Verschlechterung der öffentlichen Moral und auf die Abnahme des kirchlichen Einflusses auf die Gesellschaft zurück, alles offensichtliche Zeichen des Säkularisierungsprozesses Rumäniens. Der orthodoxe Charakter des Staates dürfe keinesfalls unter dem Einfluss der „aus Paris“ eingeführten Ideen, d.h. unter dem Einfluss des von der 

729 Vgl. Jonathan I. Israel, Radical Enlightenment. Philosophy and the Making of Modernity 1650–1750, Oxford University Press, New York, 2001, 197–241. 730 Vgl. Owen Chadwick, The Secularization of the European Mind in the Nineteenth Century, Cambridge University Press, Cambridge, 2000, 107–139. 731 Vgl. Israel, Radical Enlightenment, 714–720. 732 Vgl. Montesquieu, The Spirit of the Laws, Hafner Publishing Company, New York, 1949. 733 Vgl. Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Reclam, Ditzingen, 1986, 16–62; vgl. Israel, Radical Enlightenment, 714–720. 734 Vgl. Taylor, A Secular Age, 25.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 201 Französischen Revolution geförderten Säkularismus, aufgegeben werden. Anderseits führten die Theologisierung des Nationsdiskurses und die Betonung des ethnischen und konfessionellen Charakters der Nation automatisch zu einer Unmöglichkeit der Autonomie des rumänischen Nationalstaates gegenüber der ROK und somit der Staatspolitik gegenüber der moralischen Ordnung der NationKonfession. Was nun die Demokratie als modernes politisches Paradigma der Strukturierung des rumänischen Staates angeht, so ist die Behauptung des Metropoliten Nicolae Bălan anlässlich der Parlamentsdebatten zur Verfassung von 1923 an sich schon paradigmatisch. Bălans Perspektive geht von dem Wesen der Demokratie als Ausdruck der Moralphilosophie Immanuel Kants und nicht einer politischen Ideologie aus: Wenn ich von der Demokratie spreche […] denke ich keinesfalls an so etwas wie an das Programm einer politischen Partei, sondern unter Demokratie verstehe ich etwas viel Breiteres; ich verstehe darunter eine ganze Lebensanschauung, die dem Menschen das Recht gibt, als Zweck an sich betrachtet zu werden, nicht nur als Mittel, als Werkzeug unter anderen Werkzeugen im Mechanismus des natürlichen Lebens.735

Zwischen der „Demokratie als ethisches Prinzip“ und dem christlichen Personalismus, der „die Idee der Persönlichkeit, den moralischen Wert und die Würde des Menschen“ in den Mittelpunkt stellt, findet Bălan eine große Ähnlichkeit. Die Demokratie biete demnach die geeigneten Voraussetzungen zur spirituellen Entwicklung von Christen in ihrer Beziehung zu Gott.736 Aus politischer Perspektive solle das demokratische Prinzip die Teilnahme aller Bürger an der Führung des Staates und gleichzeitig eine gerechte Verteilung der materiellen und spirituellen Güter in der Gesellschaft sichern.737 Der allgemeine Rahmen von Immanuel Kants Moralphilosophie ist nicht der einzige innerhalb dessen Bălan die Demokratie versteht, sondern nur ein Teil einer breiteren Weltanschauung. In diesem Sinne meint er, dass „wir, die Vertreter der Kirche, das demokratische Prinzip als nationales Prinzip verstehen“.738 Um die Bedeutung des „nationales Prinzips“ zu erklären, wiederholt Bălan die Theorie über den Ursprung und die historische Funktion der Nationen, die er schon beim ersten Kongress des Andrei Эaguna Vereins von 1919 dargestellt hatte. Obgleich er eine Idee der Aufklärung einsetzt, um die Demokratie zu definieren, ist für Bălan das Volk (griechisch įોȝȠȢ) als Inhaber der staatlichen 

735 Bălan, Evanghelia Юi democraаia, 3; vgl. Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik, 61: „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ 736 Vgl. Bălan, Evanghelia Юi democraаia, 4. 737 Vgl. ebd. 738 Ebd.

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Macht die ethnisch definierte Nation, so wie sie vom nationalistischen Diskurs J.G. Herders geprägt worden ist. In diesem Sinne ist die Demokratie eher eine Ethno-Demokratie und der Staat ist ein ethnokratischer Staat im Sinne Crainics und keinesfalls die moderne, dem Gesellschaftsvertrag entsprungene Demokratie Rousseau’scher Prägung. Die Förderung eines Nationalstaates, d.h. eines ethnisch rumänischen und orthodoxen Staates, der die Übertragung der moralischen Ordnung der NationKonfession auf die soziale Ordnung durch die Staatsgesetze sichern sollte, funktionierten als Kriterien, nach denen die Kirchenelite die politischen Programme der unterschiedlichen Parteien im Rumänien der Zwischenkriegszeit unterstützte oder ablehnte. In diesem Sinne ist die Förderung einer bestimmten politischen Partei, die in demokratischer Logik die Staatsmacht durch freie Wahlen gewinnen will,739 ein deutlicher Hinweis darauf, welchen Staatstypus und welche soziale Ordnung die Kirchenelite anstrebte.

V.2. Die wichtigsten rechtsextremen rumänischen Parteien: Zwischen Christentum, Nationalismus und Antisemitismus V.2.1. Die Grundzüge des modernen europäischen Antisemitismus Das Aufkommen der nationalistischen Parteien in Rumänien Anfang des 20. Jahrhunderts war eng mit der Entwicklung des modernen Antisemitismus verbunden, der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte. Zu diesem Zeitpunkt verbreitete sich in der rumänischen Gesellschaft eine antisemitische Stimmung, die von den kulturellen und politischen Eliten kontinuierlich gefördert worden ist. In den europäischen Ländern wurde der Prozess der Staatsbildung von der Konstituierung einer starken antisemitischen Strömung begleitet. Die Juden wurden in diesem Kontext der Identitätsfindung der Nationen und Nationalstaaten als absolute ethnische und religiöse Alterität wahrgenommen.740 Der moderne Antisemitismus kann als „eine Reaktion [...] auf die Gewährung staatsbürgerlicher Gleichberechtigung an die Juden“ begriffen werden; sein Spezifikum bestand in der politischen Organisierung der Feindseligkeiten gegen die Juden und der Umwandlung dieser Feindseligkeiten in eine das Denken der bürgerlichen Gesellschaft prägende

739 Vgl. Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze (Hg.), Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe, Band 2, C.H. Beck, München, 2005, 656f. 740 Zu einer Analyse des spezifischen Falles der Beziehung zwischen Antisemitismus und der Konstituierung des deutschen modernen Nationalstaates, siehe Peter Alter et alii (Hg.), Die Konstruktion der Nation gegen die Juden, Wilhelm Fink, München, 1999, vor allem George L. Mosse, Die Juden im Zeitalter des modernen Nationalismus, 15–25.

Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 203 Kraft.741 Angesichts des europäischen religiösen und kulturellen Kontextes fußte der moderne Antisemitismus auf dem von der christlichen Tradition überlieferten Antijudaismus/theologischen Antisemitismus. Wie schon gezeigt worden ist, behauptet die zentrale These des christlichen theologischen Antisemitismus, dass durch die Kreuzigung Jesu, des Messias, die Juden nicht mehr das auserwählte Volk Gottes seien. Aus der Perspektive der christlichen Theologie waren ihre Zerstreuung in die Diaspora unter die Heiden sowie die von ihnen in ihrer Geschichte erlittenen Verfolgungen die Strafe für die Ermordung Jesu. Der Gottesmordvorwurf oder Christusmordvorwurf befindet sich demnach im Zentrum des christlich-theologischen Antisemitismus.742 Ein zentrales Merkmal des antisemitischen Denkens und der antisemitischen Praxis in der Moderne bestand in der Ergänzung dieses religiös motivierten Antisemitismus mit den im 19. Jahrhundert entwickelten rassischen Theorien. In seiner Schrift Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen (1853) behauptete Joseph Arthur de Gobineau (1816–1882), dass die weiße Rasse den anderen überlegen sei, weil sie ihre rassische Reinheit bewahrt habe und er weist auf die Gefahr einer Vermischung mit den unterlegenen Rassen hin. Innerhalb der weißen Rasse seien wiederum die Arier absolut überlegen.743 Diese rassistische Auffassung wurde von Houston Stewart Chamberlain (1855–1927) in dem Band Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts (1899) aufgegriffen, um die Minderwertigkeit der sogenannten semitischen Rasse der Juden im Vergleich zu jener der Arier zu demonstrieren. Für Chamberlain ist die wahre überlegene Rasse die germanische, deren bedeutendster Vertreter das Deutschtum sei; die Juden wurden als permanente Bedrohung der rassischen Reinheit der Deutschen betrachtet. Doch nicht nur das Deutschtum sei durch die

741 Vgl. Friedrich Battenberg, Das europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas, Teilband II: Von 1650 bis 1945, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1990, 175. 742 Für eine synthetische Darstellung des christlich-theologischen Antisemitismus/ Antijudaismus, siehe David Patterson, Anti-Semitism and its Metaphysical Origins, Cambridge University Press, New York, 2015, 55–79 und Rainer Kampling, Antijudaismus, in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, De Gruyter, Berlin 2010, 10–13; zum Begriff des Gottesmordes innerhalb des christlich-theologischen Antisemitismus siehe Matthias Blum, Gottesmord, in: Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Band 3, 113– 114 und Frederick B. Davis, The Jew and Deicide. The Origin of an Archetype, University Press of America, Lanham, 2003. 743 Vgl. Felix Wiedemann, The Aryans: Ideology and Historiographical Narrative Types in the Nineteenth and Early Twentieth Centuries, in: Helen Roche/Kyriakos Demetriou (Hg.), Brill’s Companion to the Classics, Fascist Italy and Nazi Germany, Brill, Leiden/Boston, 2018, 31–59, hier 42; siehe auch Battenberg, Das europäische Zeitalter, 190.

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Juden bedroht, sondern alle europäischen Nationen, für die die Juden ein fremdes, durch einen radikal verschiedenen Geist charakterisiertes Volk darstelle.744 Der Rassenantisemitismus „erklärte die Geschichte der Juden und die ihnen zugeschriebenen charakterlichen Eigenschaften aus ihrer Rasse heraus und legte den Juden damit ein spezifisches, rassisch bedingtes Verhalten zugrunde“.745 Angesichts dieses biologischen Determinismus wurde jede Form religiöser Konversion oder sozialer Assimilation der Juden als unmöglich angesehen.746 Neben dem theologischen und rassistischen Antisemitismus hat die Antisemitismusforschung auch andere Formen des Antisemitismus identifiziert, die sich in der europäischen Geschichte manifestiert haben. Ich werde im Folgenden diejenigen darstellen, die für die vorliegende Arbeit relevant sind. Der soziale und wirtschaftliche Antisemitismus war durch den sozialen Status der Juden motiviert, insbesondere durch die Tatsache, dass einige von ihnen Kaufleute waren. Die soziale Wahrnehmung war, dass sie sowohl den Handel als auch den Finanzbereich dominierten. Der politische Antisemitismus behauptete in enger Beziehung zum vorigen, dass die Juden einen großen Einfluss auf Gesellschaft und Politik haben würden. Sie würden ihren Einfluss auch nutzen, um das Land, in dem sie leben und die ganze Welt zu beherrschen. Der Parlamentarismus, der Liberalismus, die Republik und der Sozialismus seien von den Juden geschaffen worden und würden dazu verwendet, die Welt politisch zu dominieren.747 Die Wahrnehmung der Juden als kollektivem Feind der europäischen Nationen wurde massiv auch von einem Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen anonymen Text mit dem Titel Die Protokolle der Weisen von Zion gefördert. Darin wurde eine angebliche Verschwörung der Eliten des Weltjudentums dargestellt, die die wirtschaftliche, politische und religiöse Unterwerfung der Welt und, damit einhergehend, die Zerstörung des Christentums verfolgen würden.748 Die Protokolle systematisierten die zentralen Thesen des Antisemitismus des 19. Jahrhunderts und wurden zu einer der grundlegenden Schriften des Nationalismus und Faschismus im Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.



744 Vgl. Battenberg, Das europäische Zeitalter, 190–191; Wolfgang Benz, Was ist Antisemitismus?, C.H. Beck, München, 2005, 100–102. 745 Gregor Hufenreuter, Rassenantisemitismus, in: Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Band 3, 272–273, hier 273. 746 Vgl. ebd. 747 Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Antisemitismus in der deutschen Geschichte, Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Berlin, 2002, 11–12. 748 Zur Dekonstruktion der Fälschungen, auf denen dieses antisemitische Pamphlet fußt, der Zweck, für den es produziert wurde, und seinem Wirken auf Weltebene, siehe Wolfgang Benz, Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Legende von der jüdischen Weltverschwörung, C.H. Beck, München, 2011.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 205 V.2.2. Die Judenfrage im rumänischen Kontext Die Dimensionen des Antisemitismus in der modernen rumänischen Gesellschaft zeigten sich darin, dass Rumänien einer der letzten europäischen Staaten war, der den Juden zivile Rechte verlieh.749 Rumänien versuchte mit allen Mitteln, den Naturalisierungsprozess der Juden zu verzögern und zu erschweren. Zu bemerken ist, dass bis etwa 1850 die Rumänischen Länder von der jüdischen Gemeinschaft als eher gastfreundlich betrachtet worden sind.750 Doch die Emigration einer großen Anzahl von Juden aus Galizien und Russland ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte die Haltung der rumänischen Bevölkerung und der politischen Faktoren und führte zur Herausbildung der Judenfrage im rumänischen Kontext. Die Verfassung von 1866 goss die Haltung des rumänischen Staates der Judenfrage gegenüber in eine offizielle Form und legte im Artikel 7 fest, dass nur Christen rumänische Staatsbürger sein können. Die Abänderung dieses Artikels wurde infolge des von den Großmächten ausgeübten Druckes vorgenommen. Die von den Großmächten gestellte Bedingung für die Anerkennung der rumänischen Unabhängigkeit beim Berliner Kongress (Juni bis Juli 1878) bestand in der Verleihung der Staatsbürgerschaft und der gleichen Rechte an die jüdische Bevölkerung der Rumänischen Vereinigten Fürstentümer. Am 13. Oktober 1879 wurde Artikel 7 revidiert und festgelegt, dass alle Ausländer, gleich welcher Religion, rumänische Staatsbürger werden können.751 Doch um die Staatsbürgerschaft zu erlangen, mussten die Juden einen Antrag stellen, danach zehn Jahre im Lande leben und ihre Loyalität dem rumänischen Staat gegenüber beweisen; erst danach entschied das Parlament, ob der Antrag bewilligt wird oder nicht.752 Die Einführung des individuellen Prozedere zur Naturalisierung der Juden – nicht des kollektiven, wie die Großmächte gefordert hatten – beweist, dass der rumänische Staat sich de facto weiterhin der Veränderung des juristischen Status der Juden widersetzte. Das wird auch an der Tatsache ersichtlich, dass zwischen 1878 und 1900 nur etwa 1000 Juden rumänische Staatsbürger

749 Vgl. Victor Neumann, Istoria evreilor din România. Studii documentare Юi teoretice, Amacord, Timi‫܈‬oara, 1996, 171. Vgl. Martyn Lyons, Post-Revolutionary Europe, 1815– 1856, Palgrave Macmillan, New York, 2006, das Kapitel 9: The Jews: The Dilemmas of Emancipation, 142–160; Pierre Birnbaum/Ira Katznelson, Paths of Emancipation. Jews, State, and Citizenship, Princeton University Press, Princeton/New Jersey, 1995. 750 Vgl. Moses Gaster, Memorii, Corespondenаă, Hasefer, Bucure‫܈‬ti, 1998, 45. 751 Zur detaillierten Darstellung der Verhandlungen zwischen den rumänischen Autoritäten und den Großmächten zur Judenfrage, siehe William O. Oldson, A Providential AntiSemitism. Nationalism and Polity in Nineteenth-Century Romania, American Philosophical Society, Philadelphia, 1991, 47–97. 752 Vgl. Ion Mamina, Monarhia constituаională în România: Enciclopedie politică, Editura Enciclopedică, Bucure‫܈‬ti, 2000, 28.

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wurden.753 Nach dem Ersten Weltkrieg forderten die Großmächte als Bedingung für die Friedensverhandlungen mit Rumänien die Unterzeichnung einer Sondervereinbarung zur Gewährleistung der Rechte aller nationalen Minderheiten. Unter anderem sollte der rumänische Staat dazu verpflichtet sein, allen Bewohnern des Landes, ganz gleich welcher ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, die Staatsbürgerschaft zu verleihen.754 Durch das Gesetzesdekret von 1919 und dann durch die Verfassung von 1923 wurden die Juden schließlich als rumänische Staatsbürger anerkannt.755 V.2.3. Die Nationalistische Demokratische Partei, die Liga der Nationalen Christlichen Verteidigung und die Nationale Christliche Partei Auf diesem politischen und sozialen Hintergrund begann die politische Organisierung des rumänischen Nationalismus und Antisemitismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Anfänge dieses Phänomens sowie dessen spätere Entwicklung zum Faschismus waren nicht zufällig eng an die Moldau gebunden: Ende des 19. Jahrhunderts stellten die Juden in Ia‫܈‬i, der Hauptstadt der Moldau, über 50 Prozent der Bevölkerung756 und hatten praktisch die wirtschaftliche Kontrolle über die



753 Vgl. Carol Iancu, Miturile fondatoare ale antisemitismului. Din antichitate până în zilele noastre, Hasefer, Bucure‫܈‬ti, 2005, 119. Angesichts der offiziellen, vom rumänischen Staat praktizierten Diskriminierung der Juden und des Widerstands der politischen Behörden gegen den von den Großmächten ausgeübten Druck zugunsten der Naturalisierung der jüdischen Bevölkerung, zeigt Carol Iancu, dass der Antisemitismus in Rumänien ab 1866 eine wesentliche Komponente der offiziellen Politik des rumänischen Staates gewesen ist, eine wahre staatliche Institution (Carol Iancu, Evreii din România (1866–1919). De la excludere la emancipare, Hasefer, Bucure‫܈‬ti, 2009, 21). Zu einer Darstellung des Antisemitismus in den rumänischen Kulturkreisen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, siehe Andrei Oi‫܈‬teanu, Inventing the Jew. Antisemitic Stereotypes in Romanian and other Central-East European Cultures, University of Nebraska Press, Lincoln/London, 2009, und Răzvan Pârâianu, Culturalist Nationalism and Anti-Semitism in Fin-de-Siècle Romania, in: Marius Turda/Paul J. Weindling (Hg.), Blood and Homeland. Eugenics and Racial Nationalism in Central and Southeast Europe 1900–1940, CEU Press, Budapest, 2007, 353–373. 754 Vgl. Ioan Scurtu/Liviu Boar (Hg.), Minorităаile naаionale din România 1918–1925. Documente, Bucure‫܈‬ti, 1995, 167–173. 755 Vgl. Carol Iancu, Evreii în România Interbelică (1919–1940), in: Anca Filipovici/Attila Gidó (Hg.), Trecutul prezent. Evreii din România: istorie, memorie, reprezentare. Institutul pentru Studierea Problemelor Minorită‫܊‬ilor Na‫܊‬ionale, Cluj-Napoca, 2018, 51–70, hier 52– 53; ders., Miturile fondatoare, 121. 756 Vgl. Leonida Colescu, Analiza rezultatelor recensământului general al populaĠiei României de la 1899, Institutul Central de Statistică, Bucureúti, 1944, 85.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 207 Stadt.757 Das wurde von der rumänischen Bevölkerung mit wachsender Feindseligkeit beobachtet. Der wirtschaftliche Faktor bildete ein wesentliches Element in der Entwicklung des Antisemitismus innerhalb der rumänischen Gesellschaft. Die Konkurrenz zwischen dem sich eben herausbildenden rumänischen Bürgertum und der hauptsächlich von Juden dominierten Mittelklasse war in diesem Fall von wesentlicher Bedeutung.758 1910 gründeten Alexandru C. Cuza (1857–1947) – Professor für politische Ökonomie an der Universität Ia‫܈‬i und der Historiker Nicolae Iorga (1871–1940), ebenfalls gebürtiger Moldauer, die Nationalistische Demokratische Partei (Partidul Naаionalist Democrat).759 Das politische Programm dieser Partei fußte auf der nationalistischen Weltsicht Iorgas und Cuzas, für die die Nation eine organische, ethnisch homogene Realität darstellte, die ihre kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Interessen durch die Herausbildung einer rein rumänischen Mittelklasse schützen musste – unter Ausschluss von Fremden, d.h. der Juden, denn Juden und Fremde waren im nationalistischen Diskurs der Zeit Synonyme – und durch die Entwicklung einer rein rumänischen, von allen fremden Einflüssen befreiten Kultur.760 Trotz der gemeinsamen nationalistischen Grundsätze erschienen schon 1915 Divergenzen zwischen Iorga und A.C. Cuza, die 1920 zur endgültigen Trennung der beiden führten. Insbesondere die Xenophobie und der radikale Antisemitismus A.C. Cuzas bewegten Iorga dazu, die politischen Bindungen zu seinem ehemaligen Mitstreiter abzubrechen, da dieser sich weigerte, den neuen Status der Minderheiten nach dem Ersten Weltkrieg anzuerkennen.761 Die politische Karriere von A.C. Cuza war eng an das universitäre Milieu gebunden, durch das er seine politischen und antisemitischen Ideen in die ganze Gesellschaft verbreitete.762 1922 gründete eine Gruppe von Studierenden an der 

757 Vgl. Gaster, Memorii, 158. 758 Vgl. ‫܇‬tefan Zeletin, Burghezia Română. Originea Юi rolul ei istoric, Humanitas, Bucure‫܈‬ti, 2006, 79–80; 96–154; 261–289. 759 Vgl. Scurtu (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VIII, 225; siehe auch Horia Bozdoghină, Nicolae Iorga Юi Partidul Nationalist Democrat în viaаa politică a României, Editura Universită‫܊‬ii „Lucian Blaga“ din Sibiu, 2007, 87–88. 760 Siehe Nicolae Iorgas Artikel unter dem Titel Ce este naаionalismul, in: Neamul Românesc, 61, 62, 63/23, 25, 28 Mai 1908 und Alexandru C. Cuza, Naаionalitatea în artă. Principii, fapte, concluzii, Minerva. Institut de arte plastice ‫܈‬i editură, Bucure‫܈‬ti, 1905. 761 Vgl. Horia Bozdoghină, Antisemitismul lui A.C. Cuza în politica românească, Institutul „Elie Wiesel“/Curtea Veche, Bucure‫܈‬ti, 2012, 70–71. 762 Zur Rolle der Universität als Generierungs- und Vermittlungsmillieu nationalistischer und antisemitischer Ideen für die rumänische Gesellschaft der Zwischenkriegszeit, siehe die Studie von Lucian Nastasă in: ders. (Hg.), Antisemitismul universitar în România (1919– 1939). Mărturii documentare, Editura Institutului pentru Studierea Problemelor Minorită‫܊‬ilor Na‫܊‬ionale, Cluj-Napoca, 2011, 13–98; siehe auch Roland Clark, Holy Legionary Youth. Fascist Activism in Interwar Romania, Cornell University Press, Ithaca/New York, 2015.

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Universität Ia‫܈‬i unter Führung von Corneliu Zelea Codreanu den Verein Christlicher Studenten; er nahm sich vor, die Anzahl der zum Studium zugelassenen jüdischen Studenten zu begrenzen. Codreanu überzeugte A.C. Cuza, eine Partei zu gründen, die den Einfluss des Antisemitismus und Nationalismus in der rumänischen Öffentlichkeit stärken soll.763 Am 4. März 1923 gründete A.C Cuza die Liga der Christlich-Nationalen Verteidigung (Liga Apărării Naаional-CreЮtine, LANC), zu deren Mitglieder Studierende und Lehrkräfte der Universitäten in Bucure‫܈‬ti, Ia‫܈‬i, Cluj und Cernău‫܊‬i zählten.764 Das Programm der LANC sah die Bewahrung der konstitutionellen Monarchie als Staatsform sowie die Unterbindung der Dezentralisierungsbestrebungen vor. Eine Lösung der sogenannten „Judenfrage“ sah es in der Entziehung der Staatsbürgerschaft der Juden, deren Entfernung aus den öffentlichen Ämtern, der Vertreibung der nach 1914 ins Land gekommenen Juden und der Einführung eines Numerus Clausus in allen wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen. Es wurde auch die Durchsetzung einer öffentlichen Moral christlichen Charakters und die Akzeptanz lediglich christlicher ausländischer Investoren in das wirtschaftliche Leben Rumäniens vorgesehen.765 Die Doktrin der LANC wurde in der Zwischenkriegszeit als Cuzismus bezeichnet und dieser Begriff galt in allen sozialen Schichten – vom akademischen Milieu bis in den ländlichen Raum – als Synonym für Antisemitismus und Nationalismus.766 Die Betonung des christlichen Nationalismus richte sich, so Cuza, gegen die Fremden, die nicht assimiliert werden könnten, vornehmlich gegen die Juden.767 Im Wesentlichen verfolgte der Cuzismus als nationalistischchristliche Doktrin die radikale Lösung der Judenfrage durch die vollständige und rasche Eliminierung der Juden aus der Gesellschaft Rumäniens.768 Dabei griff Cuza einerseits auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle, andererseits aber auch auf pseudowissenschaftliche Argumente zurück, um eine angebliche Minderwertigkeit und Degenerierung der sogenannten „jüdischen Rasse“ zu begründen. Diese Degenerierung und Minderwertigkeit der semitischen Rasse gegenüber der arischen sei, so Cuza, eine Folge des „Verlustes ihrer ursprünglichen Eigenschaften“ aufgrund der Vermischung mit anderen Rassen. Diese Charakteristik 

763 Vgl. Heinen, Die Legion, 121; siehe auch Hitchins, Rumania 1866–1947, 439. 764 Vgl. ***Actul de constituire a Ligii Apărării Naаional CreЮtine (LANC), in: Ioan Scurtu et alii (Hg.), Totalitarismul de dreapta în România. Origini, manifestări, evolu‫܊‬ie 1919–1927, Institutul Na‫܊‬ional pentru Studiul Totalitarismului, Bucure‫܈‬ti, 1996, 311–312. 765 Vgl. ***Programul „Ligei Apărărei Naаionale CreЮtine“, in: Alexandru C. Cuza, Călăuza bunilor români, Tipografia na‫܊‬ională S.A., Cluj-Napoca, 1925, 15–27. 766 Vgl. Bozdoghină, Antisemitismul lui A.C. Cuza, 12. 767 Vgl. Alexandru C. Cuza, Doctrina Naаionalist-CreЮtină. Introducere. Cuzismul. Definiаii, teze, antiteze, Tipografia cooperativei „Trecerea Mun‫܊‬ilor Carpa‫܊‬i“, Ia‫܈‬i, 1928. 768 Vgl. Leon Volovici, Nationalist Ideology and Antisemitism. The Case of Romanian Intellectuals in the 1930s, Pergamon Press, Oxford, 1991, 26–27.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 209 würde die Juden zu einer Gefahr für die ethnische Reinheit des rumänischen Volkes werden lassen.769 Zur Begründung seines Antisemitismus griff Cuza auch auf theologische Argumente zurück, indem er sich für eine Entkanonisierung des Alten Testaments einsetzte. Dieser Versuch, das Alte Testament aus der Bibel zu entfernen, imitierte Jahrhunderte später einen ähnlichen Versuch Marcions von Sinope (85–160). Dessen biblischer Kanon schloss alle Bücher des Alten Testaments aus, von denen er behauptete, sie seien nicht vom gleichen Gott inspiriert worden wie die Bücher des Neuen Testaments. Marcion postulierte somit die Existenz zweier Götter: Eines transzendenten, auf den das Neue Testament zurückgehe, und eines minderwertigen, der die materielle Welt schuf und auf den die religiösen Schriften der Juden zurückzuführen seien. Außer der Entfernung des gesamten Alten Testaments aus dem biblischen Kanon wollte Marcion auch die Bücher des Neuen Testaments von jeglichem jüdischen Bezug reinigen. Marcion versuchte dieses Konzept auch in der römischen Kirche durchzusetzen, wurde jedoch im Jahr 144 exkommuniziert.770 Laut A.C. Cuza wurde der ersten Teil der Bibel „vom Teufel inspiriert“ und sei Ausdruck der Mentalität der jüdischen Rasse und deren Wunsch, die Welt zu beherrschen.771 Folgerichtig forderte A. C. Cuza die Wiederherstellung der christlichen theologischen Reinheit durch den Ausschluss aller darin enthaltenen Bezüge zur jüdischen Religion.772 Cuza übernahm außerdem von Houston St. Chamberlain die Theorie, dass Jesus Christus nicht Jude, sondern Arier gewesen wäre.773 Im Wesentlichen fußte die nationalistisch-christliche Doktrin A.C. Cuzas auf den Gedanken der Reinheit: Der rassischen Reinheit, die durch Ausschließung der Juden aus dem Körper der Nation erreicht werden soll, und der religiösen Reinheit, die eine Entjudung des Christentums voraussetzt, sodass es einer rassisch homogenen christlichen Nation entspricht. 

769 Vgl. Bozdoghină, Antisemitismul lui A.C. Cuza, 14–15. 770 Siehe hierzu Adolf von Harnack, Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott. Eine Monographie zur Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche, J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig, 1924. Adolf von Hamack plädiert selbst für den Ausschluss des Alten Testaments aus dem biblischen Kanon; diese Auffassung ist einer bestimmten Richtung des Kulturprotestantismus in der zweiten Hälfte des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts spezifisch (siehe dazu die Einführung Wolfram Kinzigs in: ders., Harnack, Marcion und das Judentum. Nebst einer kommentierten Edition des Briefwechsels Adolf von Harnacks mit Houston Stewart Chamberlain, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig, 2004, 15–206). 771 Vgl. Alexandru C. Cuza, Eroarea teologiei Юi adevărul bisericii, Tipografia cooperativei „Trecerea Mun‫܊‬ilor Carpa‫܊‬i“, Ia‫܈‬i, 1928, 14f. 772 Vgl. ders., Învăаătura lui Iisus, Iudaismul Юi teologia creЮtină, Ia‫܈‬i, 1925, 12f. 773 Vgl. ders., Naаionalitatea în artă. Principii, fapte, concluzii. Introducere la doctrina naаional-creЮtină. Edi‫܊‬ia a treia adăugită, „Cartea Românească“, Bucure‫܈‬ti, 1927, 224f.

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1935 kam es zur Fusion zwischen der LANC und der Nationalen Agrarpartei (Partidul Naаional Agrar) von Octavian Goga. Die neue Partei wurde National-Christliche Partei (Partidul Naаional-CreЮtin, PNC) genannt und setzte sich für ein autoritäres politisches System ein, mit einer größeren Machtkonzentration in den Händen des Monarchen, für die Einführung des Numerus Clausus in allen Bereichen und für die Einschränkung der den Juden nach 1918 verliehenen Rechte.774 All diese politischen Bestrebungen wurden durch die „nationale Idee und die christliche Lehre“ begründet. Der Rassenantisemitismus steht im Zentrum der Ideologie der PNC: Das Parteistatut legte fest, dass weder Juden – selbst christlich getaufte – noch Rumänen, die mit Juden Geschäftsbeziehungen unterhalten, Parteimitglieder sein können.775 Ein wesentliches, an die neue Partei gebundenes Element, war das kirchliche Umfeld, in der sie offiziell gegründet wurde, nämlich die metropolitanische Kathedrale in Ia‫܈‬i. Die Gründungsmitglieder legten hier den Eid ab, die Ziele der Partei zu erfüllen und das Land in „ein Rumänien der Rumänen“ zu verwandeln.776 Die ROKS reagierte enthusiastisch auf die Bildung der PNC, in deren Programm sie die Absicht erkannte, die staatliche und soziale Ordnung auf die christliche spirituelle Ordnung und auf die Nationsidee zu gründen,777 was ihrer eigenen Ordnungsvorstellung entsprach. In diesem Sinne begrüßen die Kommentare der Kirchenelite vornehmlich die Absicht A.C. Cuzas und Octavian Gogas, „das Primat des christlichen Geistes im Staatsleben“ durchzusetzen, was der Kirche erlaube, ihre „schöpferische und reinigende Mission“ innerhalb der rumänischen Nation zu erfüllen.778 V.2.4. Die bedeutendste rumänische faschistische Bewegung: Die Legion Erzengel Michael/Eiserne Garde Die von der Ideologie der LANC und der Art ihres Handelns ausgelösten Differenzen zwischen Codreanu und A.C. Cuza (Codreanu setzt sich für eine quasi militärische Struktur der LANC und für Gewalt als Mittel der politischen Aktion ein)779 bewegten Codreanu dazu, seine Popularität und seinen Einfluss auf 

774 Vgl. Hitchins, Rumania 1866–1947, 403–404. 775 Vgl. ***Statutul Partidului Naаional CreЮtin, in: Ioan Scurtu (Hg.), Idelogie ‫܈‬i Forma‫܊‬iuni de dreapta în România, Volumul IV: 7 iunie 1934–30 martie 1938, Institutul Na‫܊‬ional pentru Studiul Totalitarismului, Bucure‫܈‬ti, 2003, 115. 776 Vgl. ebd. 777 Siehe z.B. ***Înfrăаire de partide, in: Telegraful Român, 31/21 iulie 1935, 2. 778 Vgl. ***La noi, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 8–9/august–septembrie 1935, 29; vgl. ***MiЮcarea naаional-creЮtină Юi tinerimea, in: Telegraful Român, 35/18 august 1935, 1. 779 Vgl. Oliver Jens Schmitt, Căpitan Codreanu. Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers, Paul Zsolnay, Wien, 2016, 99–100; Heinen, Die Legion, 128.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 211 die Studierenden in Rumänien einzusetzen, um eine eigene politische Organisation zu bilden. Am 24. Juni 1927 gründete er die Legion Erzengel Michael,780 deren nationalistische Ideologie den allgemeinen Linien des Antisemitismus der LANC folgte und deren Praxis durch die Einführung des politischen Mordes in das öffentliche Leben des Rumäniens der Zwischenkriegszeit charakterisiert wurde. 1933 ermordeten die Legionäre den Ministerpräsidenten Ion G. Duca, 1939 den Innenminister Armand Călinescu und 1940 den Historiker und ehemaligen Ministerpräsidenten Nicolae Iorga und den Generalsekretär der Nationalen Bauernpartei (Partidul Naаional Яărănesc) Virgil Madgearu. Die Legion nahm an den Wahlen als Partei Totul pentru Яară (Alles für das Land) – 1933 und 1937 – bzw. Eiserne Garde (Garda de Fier) 1930 teil. Meistens wird die Legion als Eiserne Garde in der Fachliteratur zum Faschismus in Europa bezeichnet.781 Der Rassenantisemitismus war ein zentrales Element der Ideologie der Eisernen Garde. Codreaunu gründete seine antisemitische Vision auf die von Ion I. Mo‫܊‬a 1923 ins Rumänische übersetzten Protokolle der Weisen von Zion.782 Aus Codreanus Perspektive bildeten die Juden eine Gemeinschaft, deren Identität von der Blutsvewandtschaft zwischen deren Mitgliedern und der Religion des Talmud gegeben wird. Absicht der Juden sei es, einen jüdischen Staat auf rumänischem Territorium zu gründen. Um den rumänischen Staat und die rumänische Nation zu schwächen, verbreiten die Juden atheistisches Gedankengut zu dem Zweck, die spirituelle Verbindung zwischen Gott und dem rumänischen Volk zu zerstören.783 1937 behauptete Codreanu, dass die gesamte politische Tätigkeit der Eisernen Garde auf die Lösung des jüdischen Problems ziele und sah darin die „historische Mission“ seiner Generation.784 Die Ideologie der Eisernen Garde war nicht nur antisemitisch, sondern in gleichem Maße auch antikommunistisch geprägt und kombinierte die beiden Dimensionen in der Form einer „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörungstheorie“.785 Der wesentliche Unterschied zwischen Faschismus und Kommunismus, zwischen Rechts und Links, bestehe aus der Sicht der Legion in der Haltung gegenüber dem jüdischen Einfluss: Der Faschismus verfolge die Eliminierung dieses Einflusses, während der Kommunismus als Verbreitungsmedium 

780 Vgl. Clark, Holy Legionary Youth, 64–68; Schmitt, Căpitan Codreanu, 102. 781 Vgl. Schmitt, Căpitan Codreanu, 114. 782 Siehe Protocoalele Înаelepаilor Sionului, traducere de Ion I. Mo‫܊‬a, introducere de Roger Lambelin, Tiparul ‫܈‬i Editura Libertatea, Oră‫܈‬tie, 1923. 783 Vgl. Corneliu Z. Codreanu, For My Legionaries: The Iron Guard, Libertatea, Madrid, 1976, 106. 784 Vgl. ders., Circulări úi Manifeste, ColecĠia Omul Nou, Madrid, 1951, 199. 785 Constantin Iordachi, Faschismus, Charisma und Politik: Die Legion „Erzengel Michael“ in Zwischenkriegsrumänien 1927–1941, in: Armin Heinen/Oliver Jens Schmitt (Hg.), Inszenierte Gegenmacht von rechts. Die „Legion Erzengel Michael“ in Rumänien 1918– 1938, R. Oldenbourg, München, 2013, 20–68, hier 21.

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agiere.786 In der Ideologie der Legion hatte die antikommunistische, nationalistische und christliche Rhetorik direkt oder indirekt auch eine antisemitische Funktion. Das religiöse Element war sehr präsent in der Ideologie und der Praxis der Eisernen Garde und zeigte sich in Form eines Kults für die Märtyrer der Legion und der Nation als sakrale Realität.787 Dabei wurden zentrale Elemente des dem Orthodoxen Christentum spezifischen Imaginären verwendet.788 Wie alle faschistischen Bewegungen richtete sich die Eiserne Garde an den Glauben und nicht an die Vernunft, und betonte die mystische Dimension der Existenz.789 Anders als der Nationalsozialismus, der teilweise von einem heidnischen, vorchristlichen germanischen Mystizismus geprägt war, gründete sich die Eiserne Garde auf die christliche orthodoxe Mystik und gehörte damit zu den wenigen europäischen politischen Bewegungen mit religiöser Struktur.790 Eines der zentralen Elemente der politischen Religion der Eisernen Garde war der aus der Anthropologie und Soteriologie des Apostels Paulus (siehe Kolosser 3, 9–10) übernommene „neue Mensch in Christus“, ein religiöses Ideal, das durch die nationalistisch-christliche Tätigkeit der Legion erreicht werden könne.791 Ion I. Mo‫܊‬a, einer der Gründer der Legion, behauptete: „Wir machen keine Politik und haben nicht einen einzigen Tag unseres Lebens Politik gemacht [...]. Wir haben eine Religion, wir folgen unserem Glauben“.792 Die Aufhebung der Unterscheidung zwischen der religiösen und der politischen Tätigkeit wurde auch von Mircea Eliade als definitorisches Merkmal der Theorie und Praxis der Legion angegeben. Für ihn sei die Legion „keine politische Bewegung. Sie ist eine christliche Revolution“, deren oberstes Ziel das „Heil des Volkes“ darstelle.793 Die Kohäsion innerhalb der Bewegung wurde einerseits von dieser nationalistischen Soteriologie, andererseits von der charismatischen Person Codreanus gewährleistet, der als Gottgesandter zum Heil des rumänischen Volkes imaginiert 

786 Vgl. Traian Brăileanu, Dictatură úi libertate, in: Buna Vestire, 100/27 iunie 1937, 1. 787 Vgl. Iordachi, Faschismus, Charisma, 21, 25. 788 Vgl. Paul A. Shapiro, Faith, Murder, Resurrection. The Iron Guard and the Romanian Orthodox Church, in: Kevin P. Spicer, C.S.C (Hg.), Antisemitism, Christian Ambivalence, and the Holocaust, Indiana University Press, Bloomington/Indianapolis, 2007, 136–170, hier 143–146. 789 Vgl. Radu Ioanid, The Sacralised Politics of the Romanian Iron Guard, in: Totalitarian Movements and Political Religions, 5/2004, 419–453, hier 435. 790 Vgl. ebd. 791 Vgl. Rebecca Haynes, Die Ritualisierung des „Neuen Menschen“ – zwischen Orthodoxie und Alltagskultur, in: Heinen/Schmitt (Hg.), Inszenierte Gegenmacht, 89–112. 792 Ioan I. Mo‫܊‬a, La Icoană, in: Ioan Scurtu (Hg.), Ideologie úi formaĠiuni de dreapta în România: 1927–1931, Volumul 2, Institutul NaĠional pentru Studiul Totalitarismului, Bucureúti, 2000, 53–54. 793 Mircea Eliade, De ce cred în biruinаa MiЮcării Legionare, in: Buna Vestire, 244/17 decembrie 1937, 1–2, hier 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 213 worden ist.794 Dieser Gedanke des Volksheils durch politische Tätigkeit war das zentrale Element des eindeutig faschistischen Charakters der Eisernen Garde; Roger Griffin definiert den Faschismus als „a palingenetic form of populist ultranationalism“.795 Durch den Kult des charismatischen Führers und der Märtyrer der Legion, durch die Betonung von Zeremonien und Symbolen, dem Kult der Nation, dem Primat der Gewalt sowie der Beseitigung der politischen Gegner war die Legion eine Variante der faschistischen politischen Religion.796 Im Wesentlichen besagte die politische Religion der Legion, dass die Wiedergeburt der rumänischen Nation durch Vermittlung von Codreanu und der Legion erfolge. Sowohl Codreanu als auch die Legion waren mit jenen Funktionen ausgestattet, die im christlichen soteriologischen Szenario Christus und die kirchliche Gemeinschaft inne hatten.

V.3. Das Jahr 1936: Das Bewusstwerden einer notwendigen radikalen politischen Veränderung Abgesehen von einigen einzelnen kritischen Stellungnahmen – zum Beispiel zu den politischen Morden797 – verurteilte die ROKS nie die politische Instrumentalisierung des religiösen Imaginären des Orthodoxen Christentums durch die Eiserne Garde. Im Gegenteil, sie trug zur öffentlichen Legitimierung des Charakters einer politischen Religion der Eisernen Garde bei. Die Art und Weise, in der die von Corneliu Zelea Codreanu 1936 in Sibiu veröffentlichte Schrift Pentru Legionari von Telegraful Român rezipiert wurde, ist in diesem Sinne bezeichnend. Der anonyme Autor des Artikels O carte rară sieht in der Veröffentlichung des zentralen Textes der legionären Ideologie die Zeichen einer epochalen Wende: Zum ersten Mal gründet ein Politiker seine ganze Weltsicht und seine politische Handlung, und das so konsequent wie möglich, auf den religiösen Glauben. Nicht auf einen vagen, sektiererischen religiösen Glauben, sondern auf unsere reiche und mystische Orthodoxie, mit Erzengeln und Ikonen, mit Klöstern, Fasten und Gebeten. 

794 Vgl. Iordachi, Faschismus, Charisma, 43; siehe auch Stephen Fischer-Galati, Codreanu, Romanian National Traditions and Charisma, in: Totalitarian Movements and Political Religions, 7/2006, 245–250. 795 Roger Griffin, The Nature of Fascism, Routledge, London, 1993, 26. 796 Zu einer detaillierten Analyse der Elemente aufgrund derer der Faschismus als politische Religion eingestuft wird, siehe Emilio Gentile, Fascism as Political Religion, in: Journal of Contemporary History, 25/1990, 229–251. 797 Siehe z.B. Preotul Bătrân [Roman Ciorogariu], Asasinatul de la Sinaia, in: Legea Românească, 2/15 ianuarie 1934, 1–2; ***Armand Călinescu. Primul ministru al аării, in: Telegraful Român, 39/24 septembrie 1939, 1; C., La moartea lui Armand Călinescu, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 40/1 octombrie 1939, 1–2.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens Dieses Buch enthält eine so authentische und ganzheitlich orthodoxe Weisheit, besser gesagt, eine orthodoxe Intuition und Atmosphäre, ein orthodoxes Leben – keine theologische Reflexion – wie sie beinahe überhaupt nicht in unserer Theologie der letzten hundert Jahre angetroffen worden ist. Der Reichtum an Symbolen, an Figuren, die transzendente Welt der Orthodoxie [...], wird mit großer Macht aus dem kalten und gleichgültigen Formalismus, in dem sie eine von abstrakten und rational begründeten Ideen versklavte Mentalität verlassen hatte – eine Mentalität wie die unsere, die in den letzten hundert Jahren vom Westen verführt worden ist.798

Die auf dem Orthodoxen Christentum gegründete Politik wird als Mittel zur Wiederbelebung der rumänischen Orthodoxie betrachtet und gleichzeitig als Ablehnung der als rationalist angesehenen westlichen Weltsicht. Weit davon entfernt, die Benutzung der Orthodoxie zu politischen Zwecken abzulehnen, sieht der oben zitierte Autor in der politischen Religion der legionären Bewegung die Wiederkehr einer authentischen, vormodernen Orthodoxie. Die enthusiastische Reaktion auf die christliche Politik der Legion und die implizite Ablehnung der Trennung von Religion und Politik sind Teil des breiteren Reaktionsrahmens der Kirchenelite auf die Bildung eines starken nationalistischen Pols in der Politik in Rumänien durch die Gründung der PNC 1935. Dass beide extremistischen Bewegungen dem Verhältnis zwischen Orthodoxie, Nation und Politik in ihren Ideologien eine zentrale Bedeutung zumessen, wird von der ROKS als Zeichen eines Bruchs betrachtet mit der politischen Moderne und als Versprechen, eine christliche politische Ordnung wiederherzustellen. In diesem Kontext verschiebt sich im Diskurs der ROKS über die Beziehung zwischen Kirche und Staat der Schwerpunkt von der Theorie auf die Praxis. Der Ton wird prophetisch und ultimativ und drängt zur konkreten Handlung. Im Artikel Spre statul român creЮtin warnt Stăniloae: Wir befinden uns an einem Scheideweg. Unser gesellschaftliches und politisches Leben ist dergestalt, dass es uns geradezu verpflichtet, den bislang zurückgelegten Weg als verfehlt zu betrachten und zu verstehen, dass es ein nationales Unglück wäre, ihn weiterzugehen.799

Die politischen Krisen Großrumäniens seien, so Stăniloae, von der Trennung des religiösen Glaubens und der Politik verursacht. Die streng rationalistischen, wirtschaftlichen und politischen Programme könnten die Menschen nicht überzeugen, für das Gemeinwohl der Nation zu handeln.800 Einige europäische Staaten hätten, so Stăniloae, ihre Existenz auf einen religiösen Glauben gegründet – er bezieht sich hier, wie im Weiteren gezeigt wird, vor allem auf das national-

798 ***O carte rară, in: Telegraful Român, 47/15 noiembrie 1936, 2. 799 Dumitru Stăniloae, Spre statul român creЮtin, in: Telegraful Român, 18/26 aprilie 1936, 1. 800 Vgl. ebd.

Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 215 sozialistische Deutschland – und das sei ein Beweis dafür, dass die These der Trennung von Religion und Politik falsch und verfehlt war.801 Folgerichtig muss sich an der Spitze des rumänischen Staates der Beistand Jesu bemerkbar machen. Dieses Ideal muss alle unsere Bestrebungen, der Priester, mobilisieren […]. Unsere Kirchenleitung sollte den Priestern ein unmittelbares Ziel festlegen: Die Verchristlichung der Politik, des Staates.802

Obwohl er nicht angibt, wie diese Verchristlichung des Staates und der Politik auszusehen hätte, suggeriert Stăniloae, dass die Jugend – und darunter versteht er offensichtlich die christliche nationalistische, in der Legion und der PNC gruppierte Jugend – das Mittel darstelle, wodurch diese Neusakralisierung der Politik erfolgen könnte: „Vor allem die Jugend, beinahe die ganze Jugend, zeigt sich bereit, mit der nicht so alten Tradition einer horizontlosen Politik zu brechen“.803 Dadurch, dass die Jugend eine der „authentischsten Orthodoxie spezifische mystische Religiosität praktiziert“ und damit „den christlichen Geist in das Staatsleben einführt“, würden die Rumänen in Zukunft nicht nur die Retter der eigenen Nation, sondern auch die Retter der westlichen Nationen sein.804 Für Stăniloae stellt die Jugend somit die Hauptakteurin der Revolution gegen die politische Moderne und vor allem gegen die Trennung von Kirche und Staat dar. Deswegen fordert er die Förderung deren politischen Ziele durch die ROK.

V.4. Die ROKS und die sozial-politischen Veränderungen der Moderne Der Diskurs der ROKS über den Zeitgeist fußte auf der Dialektik von Vergangenheit und Gegenwart, von der Authentizität des moralischen und spirituellen Ethos der vormodernen Gesellschaft und dessen Verfall in der Gegenwart. Der christliche Glaube habe durch die Kultur, so Ion Crăciun, die Homogenität des Staates gewährleistet, deswegen seien alle Mitglieder des Nationalstaates dazu verpflichtet, sich der Lehre der Kirche zu beugen und sie durch ihre Taten innerhalb der Nation zu demonstrieren.805 Gegenwärtig zeige sich jedoch immer deutlicher die Gleichgültigkeit der Mitglieder der Nation und der Elite der Kirche gegenüber.806 Das könne eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Individuen und sozialen Klassen nach sich ziehen, denn die Schwächung des

801 802 803 804 805 806

Vgl. ebd. Ebd. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Ion Crăciun, Biserica neamului nostru, in: Telegraful Român, 8/7 februarie 1922, 1. Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Glaubens bedeute in diesem Fall die Schwächung des Fundaments des Nationalstaates selbst.807 Vor allem die Nachkriegsgenerationen seien von einer „Lustbesessenheit“ und von einem absoluten Individualismus geprägt.808 Der Ursprung der individuellen, familiären und sozialen Moral der Moderne liege in den Werken rationalistischer Philosophen wie Baruch Spinoza, J.G. Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1832).809 Indem sie die Vernunft als einzige Quelle menschlicher Erkenntnis betonten, würde sie durch den Pantheismus die Existenz eines persönlichen und transzendenten Gottes leugnen und gleichzeitig auch die absolute Autorität der göttlichen Befehle; implizit würde dadurch die Autorität der Kirche im Bereich der individuellen und öffentlichen Moral geschwächt.810 Die rationalistische Perspektive ginge oft Hand in Hand mit der materialistischen, die die Grundlagen der christlichen Lehre durch die Leugnung Gottes und der unsterblichen menschlichen Seele, des Lebens im Jenseits, des Paradieses und der Hölle, die alle nur als irrationale menschliche Projektionen dargestellt wurden, untergrüben.811 Die Moderne tendiere also dazu, eine Weltanschauung zu schaffen, die aus rationalistischer und materialistischer Perspektive die christliche moralische Ordnung nachzuahmen bestrebt sei: Damit diese Lehren leichter Wurzeln fassen, wollen sie die Moral von der Religion trennen, indem sie behaupten, dass zwischen Religion und Moral keine Verbindung bestehe. Der Mensch finde in sich selbst – ohne Hilfe der Religion – in seinem Gewissen, die Lehren, die ihm als Normen und Leitlinien in den Handlungen seines moralischen Lebens dienen.812

Die vormoderne christliche Ordnung unterscheide sich von der modernen dadurch, dass sie in der Religion die Grundlage aller anderen menschlichen Tätigkeiten sah; das bedeute, dass die Lösung aller Probleme von der Art und Weise abhinge, in der die Beziehung des Menschen zu Gott definiert würde.813 Die Macht im Staat hätte ihren Ursprung ebenfalls in Gott und die politische Ordnung würde als Ausdruck des göttlichen Willens gesehen. Das setzte voraus, dass alle konstitutiven Elemente des Staates und der öffentlichen Ordnung ihre Macht und Autorität von Gott erhielten.814 Die „Partisanen der modernen Welt“ streben jedoch danach, religionsfreie Staaten zu erschaffen und eine soziale Ordnung 

807 Vgl. ebd. 808 Vgl. N. Grosu, Morala generaаiei noastre, in: Telegraful Român, 25–26/26 martie 1932, 1–2. 809 Vgl. X, Morala veacului nostru, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 27/16 iulie 1922, 2. 810 Vgl. ebd. 811 Vgl. ebd. 812 Ebd., 3; siehe auch Ion Pa‫܈‬ca, Morala independentă, in: Rena‫܈‬terea, 45/7 noiembrie 1926, 1–3. 813 Vgl. ***Lumea modernă Юi biserica I, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 48/9 decembrie 1923, 2. 814 Vgl. ***Lumea modernă Юi biserica II, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 49/16 decembrie 1923, 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 217 durchzusetzen, in der die Beziehungen zwischen den Individuen ohne den Rückgriff auf Gott geregelt seien.815 Weil das Ziel der Kirche darin liege, das Reich Gottes auf Erden zu erschaffen, müsse sie mit allen Kräften gegen dieses gefährliche System kämpfen, das nur unter der Maske des Progressismus, der Freiheit und der Völkerrechte erscheint; unter diesen Masken verbergen sich die Mittel, mit deren Hilfe dem christlichen Volk die Segnungen der Religion geraubt werden. Obgleich dieses System in unserem Land nicht existiert, ist es nicht ausgeschlossen, dass es einmal auch zu uns gelangt. Denn was einige modernen Staat nennen, ist nichts anderes als dieses System, das der Kirche so gefährlich ist [...]. Gegen ein solches System muss die Kirche kämpfen.816

Die Kirche und der moderne Staat werden somit als unvereinbare Realitäten gesehen und stehen miteinander in einer Beziehung, die im Wesentlichen die institutionalisierte Variante der Beziehung zwischen Glaube und Ratio, zwischen der theologischen und der philosophischen Weltanschauung darstellt. ‫܇‬tefan Cioroianu weist darauf hin, dass der Rationalismus nicht nur die Säkularisierung des Staates und der sozialen Ordnung, sondern auch einen wissenschaftlichen Bezug zur Welt durch Technik erzeugt habe; die Technik sei zu einem wahren Idol des modernen Menschen geworden.817 Wie oben gezeigt wurde, sah die ROKS das Einwirken des Staates auf das Individuum durch Schule, Gesetz usw. als zur äußeren Existenz des Menschen gehörend; diesen Ansatz vertritt sie auch hinsichtlich der Auswirkungen von Wissenschaft und Technik. In diesem Sinne wird die Überlegenheit der Kirche betont – d.h. des göttlichen Wirkens auf die menschliche Seele, auf sein Inneres – gegenüber den rationalen, äußeren Mitteln des Staates und ganz allgemein der Technik und der rein menschlichen Einrichtungen: „Der moderne wissenschaftliche Fortschritt ist ein äußerer Fortschritt und trägt überhaupt nicht zur moralischen Verbesserung des Menschen bei“.818 Zwischen wissenschaftlicher und materieller Entwicklung des modernen Menschen und seiner spirituellen Entwicklung bestehe ein umgekehrt proportionales Verhältnis: Während die Wissenschaft unglaubliche Fortschritte in der Technik, der Mobilität, der Intensität gemacht hat, sodass der Mensch heute Luft, Wasser und Erde, Wüste und Weite mit einer Geschwindigkeit und einer Klugheit durchschweift, die unseren Vorfahren unbekannt waren, wird die Kirche mehr und mehr verlassen; der Mensch verlässt sich zu sehr auf seine eigenen Kräfte und beginnt immer mehr, die Verbindung zur Transzendenz, zur Ewigkeit, zu Gott zu verlieren.819



815 816 817 818 819

Vgl. ebd. ***Lumea modernă Юi biserica III, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 2/20 ianuarie 1924, 7. Vgl. ‫܇‬tefan Cioroianu, Cetăаile moderne, in: Telegraful Român, 56/9 august 1924, 1. Ilie Hociotă, Spiritul vremii, in: Foaia Diecezană, 43/24 octombrie 1931, 1–2. Petru Toma, Între progres Юi regres, in: Foaia Diecezană, 39/24 septembrie 1933, 5.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Paradoxerweise degeneriere der Wunsch des Menschen, die Natur durch Wissenschaft und Technik zu unterwerfen, in seine eigene Unterordnung den eigenen Erfindungen gegenüber, sodass seine sklavische Abhängigkeit von der Materie noch drückender und seine religiöse Gleichgültigkeit noch stärker geworden seien.820 Eine der Hauptursachen der verstärkten religiösen Gleichgültigkeit, so Petre Toma, bestehe im mangelnden Handeln der politischen Verantwortlichen und der Intellektuellen, die nichts tun, um die atheistischen und rationalistischen philosophischen Denkrichtungen zu bekämpfen, die die Auflösung der spirituellen Einheit der Nation und des rumänischen Staates verfolgen.821 Angesichts dieser Zeitdiagnose ist es nicht zu verwunderlich, dass die ROKS im christlichen Nationalismus die ideale Lösung für die Krise des Landes sah: Junge Nationalisten konnten die alte Politikerklasse ablösen und gleichzeitig die Orthodoxie zur Grundlage der Nationalpolitik machen. Sie konnten außerdem, da ein Großteil von ihnen Studierende oder junge Intellektuelle waren, eine neue intellektuelle Elite bilden, die die moderne rationalistische und atheistische Denkweise aus der Perspektive der orthodoxen Doktrin bekämpfte.

V.5. Die nationalistische Jugend als Vermittlerin einer Neuchristianisierung der rumänischen Gesellschaft Was nun die Ansichten zur Jugend betrifft, so pendelt der Diskurs der ROKS zwischen der Behauptung – ohne explizite politische Nebenbedeutung – der Notwendigkeit einer Neuchristianisierung der Jugend822 als wesentliche Mission sowohl der Kirche als auch des Staates823 und den expliziten Bezügen zur Bewegung der nationalistischen Jugend, d.h. zur LANC/PNC bzw. zur Eisernen Garde. Obwohl nicht immer als solche benannt, können diese politischen nationalistischen Bewegungen mit Leichtigkeit hinter allgemeinen Begriffen wie „Jugend“, „Studenten“, „neue Generation“ usw. identifiziert werden. In diesem Sinne erklärt Dumitru Belu, dass die jungen Leute, die für die Schaffung Großrumäniens gekämpft hätten, mit äußeren Feinden konfrontiert gewesen seien, während die Nachkriegsgeneration „gegen die gebliebenen oder einge-



820 Vgl. A.U. Doloveanu, Psihologia vremii, in: Foaia Diecezană, 35/28 august 1932, 4. 821 Vgl. Petru Toma, Criză materială sau spirituală, in: Foaia Diecezană, 42/15 octombrie 1933, 5. 822 Vgl. Ilarion V. Felea, ReîncreЮtinarea studenаimii, in: Telegraful Român, 81/8 noiembrie 1930, 1; C. Zoican, Să renaЮtem tineretul, in: Telegraful Român, 49/1 iulie 1931, 1–2; TS [Dumitru Stăniloae], IarăЮi problema tineretului – Idealul lor –, in: Telegraful Român, 5/27 ianuarie 1934, 5. 823 Vgl. Nicolae Colan, Tineretul, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 3/mai 1934, 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 219 schleusten Fremden im Organismus des Volkes, die dessen Lebenskraft unterhöhlen“, kämpfen müssten.824 Um die fremdenfeindliche, eigentlich antisemitische Orientierung der nationalistischen Jugend zu begründen und zu erklären, wendet Belu das Konzept der kulturellen Pseudomorphose Spenglers auf die Situation des rumänischen Volkes an und spricht von einer „ethnischen Pseudomorphose“ durch die er einen Prozess der Einschleusung fremder ethnischer Elemente in den Organismus unseres Volkes [sieht]. Und so wie der Prozess der kulturellen Pseudomorphose die seelische Entwicklung eines Volkes gefährden kann, so kann auch der Prozess der ethnischen Pseudomorphose für dessen Fortbestehen gefährlich werden. Bei uns kann man von einem sehr starken Prozess der ethnischen Pseudomorphose sprechen. Die Entfernung dieser Gefahrenquelle für das Vaterland ist eines der Hauptziele der jetzigen Bewegung unserer Jugend.825

Ein anderer wesentlicher Unterschied zwischen der nationalistischen Jugend der Vorkriegszeit und jener der Nachkriegszeit bestehe darin, dass die nationalistische Jugend der Nachkriegszeit nicht nur ein nationales Ideal, sondern auch ein religiöses habe; das bedeute, dass die nationalistische Bewegung im Grunde die Wiedereingliederung der rumänischen Spiritualität in die christliche Tradition verfolge, aus der sie von den Revolutionären von 1848 herausgerissen worden sei sowie die Neuchristianisierung des rumänischen Nationalismus.826 Diese Einschätzung der Rolle der nationalistischen Jugend ist praktisch identisch mit jener der Eisernen Garde in dem anonym publizierten Artikel über die Schrift Pentru Legionari von Corneliu Zelea Codreanu; es ist also offensichtlich, dass Belu sich auf diese politische Bewegung im oben zitierten Artikel bezieht. Stăniloae behauptet, dass die christliche nationalistische Jugend wie ein missionarischer Faktor im akademischen Bereich wirke und damit eine Aktion übernehme, für deren Einleitung und Koordinierung eigentlich die Kirche als Missionarin der jungen Generation zuständig sein sollte.827 Die Einbindung der Kirche in die Missionierung des akademischen Bereichs sei erforderlich, denn die Nachkriegsgenerationen seien zwar christlich, doch sei das eher eine indirekte Wirkung des „ganzheitlichen Nationalismus“, in dem Kirche und christliche Tradition eine zentrale Rolle spielen. Doch das Orthodoxe Christentum werde nicht für sich selbst zu einem Wert, sondern lediglich als eines der traditionellen Elemente, denen sich die nationalistische Jugend der Nachkriegszeit verbunden fühlt.828 

824 825 826 827

Vgl. Dumitru I. Belu, MiЮcarea tineretului, in: Legea Românească, 7/1 aprilie 1937, 66. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Dumitru Stăniloae, O altă chemare!, in: Telegraful Român, 80–81/15 decembrie 1932, 2. 828 Vgl. ebd.

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Die geistigen Führer der Studentenschaften, Stăniloae nennt in erster Linie A. C. Cuza und Nichifor Crainic, tragen mit ihren nationalistischen Doktrinen zur Neuchristianisierung der Jugend bei, und zwar indem sie die Rolle der Orthodoxen Kirche im Leben des rumänischen Volkes betonen; doch die Kirche selbst müsse ihre Verantwortung für die geistige Orientierung der jungen Generationen übernehmen.829 Die aktive Missionierung der akademischen Jugend durch die Kirche stelle gleichzeitig eine Möglichkeit dar, deren Nationalismus zu fördern: Die orthodoxe Ethik verstärke die Ethik der nationalistischen Jugend, eine Ethik, die auf den Nächsten, das Volk und die Opferbereitschaft für das Volk fokussiert sei.830 Stăniloaes Begeisterung für diese nationalistische Ethik zeigt, dass sie für ihn vollkommen kompatibel mit der ethischen und nationalistischen Auffassung der Orthodoxen Kirche ist. Folglich darf es nicht überraschen, dass die ROKS den christlichen Nationalismus der Zwischenkriegszeit förderte, in dem sie offensichtlich eine Hilfe im Kampf gegen Säkularismus und moralischen Verfall der rumänischen Gesellschaft sah. Die Komplementarität zwischen der moralischen Missionierung durch die Kirche und die vom christlichen Nationalismus geförderten Moral geht in erster Linie darauf zurück, dass die beiden Ethiktypen auf das orthodoxe religiöse Imaginäre gegründet waren. Diese Affinität zeigt sich auch in dem von der ROKS geförderten Nationalismus, der jenem der rechtsextremen Parteien überaus ähnlich war.

V.6. Die Bedeutung des Nationalismus Der Nationsdiskurs der 1930er Jahre und vornehmlich der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts wurde in den öffentlichen Auftritten der ROKS immer mehr vom nationalistischen Diskurs begleitet. Diese Veränderung war offensichtlich eine Reaktion auf die Verstärkung des nationalistischen Pols auf der politischen Bühne Rumäniens. Wie schon aufgezeigt worden ist, bezog sich der Nationsdiskurs auf die von der Griechisch-Katholischen Kirche verkörperten konfessionellen Alterität durch die Logik eines Entweder (Katholizismus) – Oder (Nation) und argumentierte mit den dogmatischen Unterschieden zwischen Orthodoxie und Katholizismus. Neben dieser dogmatischen Perspektive beinhaltete die Theologisierung des Nationsdiskurses auch eine moralische Perspektive im Sinne der Festlegung der Grundsätze, nach denen das praktische Interagieren mit der ethnischkonfessionellen und ethno-religiösen Alterität organisiert werden soll. 

829 Vgl. ebd. 830 Vgl. ders., „Morala eroică“, in: Telegraful Român, 41–42/20 mai 1933, 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 221 Die zentrale Frage in diesem Fall bezieht sich auf die Kompatibilität zwischen biblischer Moral und der von der ROKS aus ihrem eigenen Nationsdiskurs entnommenen Moral. Das Erscheinen dieser Art von Fragestellung zeigt die Absicht der ROKS, den Übergang vom Nationsdiskurs zum Nationalismus zu vollziehen, von der Theorie zur sozialen und politischen Praxis. In diesem Sinne definiert Stăniloae den Nationalismus als Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, das jedes Mitglied praktisch durch die Liebe und den Dienst an dieser Gruppe zeigt.831 Der Nationalismus ist nicht nur ein Raster, durch den die Welt betrachtet und interpretiert wird, er ist gleichzeitig auch konkrete Tätigkeit im Namen der Nation. Um das Wesen des Nationalismus zu erklären, greift Stăniloae auf den Begriff des „Willens zum Leben“ Arthur Schopenhauers (1788– 1860) zurück. Durch diesen Begriff versteht der deutsche Philosoph einen „universellen Lebensdrang“ durch den „alles [...] treibt zum Dasein, wo möglich zum organischen, d.i. zum Leben“, sodass „der Wille zum Leben“ hinsichtlich der menschlichen Existenz den „Grundton ihres Wesens, die einzige unwandelbare und unbedingte Eigenschaft“832 darstellt. In der Auffassung von Stăniloae könne diese Eigenschaft als biologischer Instinkt begriffen werden, der alle Lebensformen des menschlichen Wesens bestimmt. Aus dieser Perspektive wird der Nationalismus definiert als „Wille zum Leben und Aktivierung dieses Willens [...], Ergreifung der Maßnahmen zum Leben“.833 Genauer gesagt, ist der Nationalismus dein Wille zum Leben nicht nur als farbloses, aller durch Geburt und Erziehung erworbenen Attribute baren Individuums, sondern so wie du bist; und da du fühlst, dass du, so wie du bist, nicht leben kannst, ohne dich an die Gruppe zu halten, zu der du gehörst, kämpfst du, indem du für dich kämpfst, für die Existenz der gesamten Gruppe.834

In diesem Sinne ist eine individuelle Handlung moralisch gut, wenn sie zum Bestehen der Nation als einziges authentisches Medium der individuellen und kollektiven Existenz beiträgt. Deswegen kämpft jedes Individuum für die Bewahrung der nationalen Gemeinschaft, denn nur innerhalb dieser Gemeinschaft kann das Individuum auf authentische Weise seine rumänische Identität bewahren. Wenn für Schopenhauer der Wille zum Leben die Ausdrucksform eines metaphysischen, unpersönlichen Willens darstellt, der unaufhaltsam tätig ist, um die Gestalt aller die Welt zusammensetzenden Wirklichkeiten anzunehmen,835 so 

831 Vgl. ders., Naаionalismul sub aspect moral I, in: Telegraful Român, 47/21 noiembrie 1937, 1. 832 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Band 2, Philipp Reclam Jun., Stuttgart, 1987, 459. 833 Stăniloae, Naаionalismul sub aspect I, 2. 834 Ebd., 1. 835 Vgl. Schopenhauer, Die Welt als Wille, 416–428.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

hat für Stăniloae der Instinkt oder der Wille zum Leben als Person und als nationale Gemeinschaft seinen Ursprung in Gott, was die egoistische Behauptung einer Nation zu Lasten einer anderen ausschließe. Der Nationalismus als Wille zum Leben einer menschlichen Gemeinschaft erhält den Wert eines altruistischen, moralischen Aktes [...]. In Wirklichkeit bedeutet die Bejahung des Lebens des eigenen Volkes nicht eo ipso das Negieren anderer Völker, nicht einmal das Desinteresse für deren Schicksal. Das menschliche Leben ist in ineinander enthaltenen Zyklen enthalten, vom kleinsten, dem individuellen, bis zum weitesten, der die gesamte Menschheit umfasst [...]. Keiner dieser Kreise kann einen Menschen ausschließlich vereinnahmen. Das wäre in der Tat sündig und unnatürlich. Man kann, mit aller Liebe zum eigenen Volk, das Glück und die freie Entfaltung der anderen Völker sich wünschen, man kann ihnen sogar von dem geben, was man zu viel hat, denn indem man die Spiritualität aller anderen bejaht, bejaht man alle Gestalten der Größe und Weisheit Gottes [...].836

Die Förderung der nationalen Vielfalt wird hier als ein moralischer Akt verstanden, denn er stellt, wie schon gezeigt, eine Offenbarungsform Gottes in der Geschichte dar; der Mensch und die nationalen Gemeinschaften tragen durch ihre Haltung den anderen Nationen gegenüber zur Entfaltung oder Unterbrechung dieses Offenbarungsprozesses bei. Das Kriterium der individuellen und kollektiven Moral repräsentiert demnach nicht nur das Wort der Bibel, so wie es von der Kirche verkündet wird, sondern auch die Annahme oder Ablehnung des kirchlichen Nationsbegriffs. Der kirchliche Nationalismus werde implizit zu einem Heilmittel, selbst wenn nicht er uns eigentlich zum Heil führt, sondern der Glaube, der christliche Geist, den wir ihm zuführen. Der Nationalismus an sich führt weder zum Heil noch zur Verdammnis, je nachdem inwiefern er von dem christlichen Glauben beherrscht wird oder eben nicht.837

Ausgehend von dem oben zitierten Artikel Naаionalismul sub aspect moral kommt Jürgen Henkel zu dem Schluss, dass Stăniloae den Nationalismus nicht „abgrenzend oder ausgrenzend“ begründet und versteht.838 Meiner Meinung nach muss diese Einschätzung nuanciert werden, nämlich aus der Perspektive des gesamten Korpus von Artikeln, die Stăniloae in den 1930er Jahren geschrieben hat. Die Einschätzung Henkels resultiert daraus, dass seine Analyse nur auf Stăniloaes Sammelband Orthodoxie Юi Românism (1939) beruht. Dieses Buch umfasst nur 15 Artikel von den rund 300, die Stăniloae in den 1930er Jahren schrieb. Wie bereits gezeigt wurde, bedeutet die rumänische Nation für Stăniloae in erster Linie das „gemeinsame Blut“, die gemeinsame Orthodoxie und die gemeinsame 

836 Stăniloae, Naаionalismul sub aspect I, 2. 837 Ders., Naаionalismul sub aspect moral II, in: Telegraful Român, 49/5 decembrie 1937, 2. 838 Vgl. Henkel, Dumitru Stăniloae. Leben, 413.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 223 Sprache, sodass sein Nationalismus eine Variante des für J.G. Herder und J.G. Fichte spezifischen Ethnonationalismus ist. Ein Nationalismus, der auf einer solchen Sicht von Nation beruht, enthält eine ausgrenzende Tendenz gegenüber den anderen ethnischen und religiösen Gruppen. Diese Tendenz wird offensichtlich, wenn der rumänische Theologe auf konkrete historische Ereignisse reagiert. Suggestiv in diesem Sinne ist Stăniloaes Reaktion auf die Möglichkeit der Einrichtung einer katholisch-theologischen Fakultät in Bucure‫܈‬ti. Eine Universität, behauptet er, muss auf der hohen Ebene der Lebensanschauung die Nation selbst ausdrücken. Womit kann jetzt eine katholische Fakultät zu dieser Mission beitragen, wenn ihre Bestimmung darin liegt, unser ethnisches Wesen zu verändern, unsere hohen Geschicke von dem ihnen vorgegebenen Weg abtrünnig werden zu lassen?839

Indem er die Rolle der Universität in der Förderung der Nation betont, wiederholt Stăniloae, genau wie im Falle der theoretischen Untermauerung der Beziehung zwischen Sprache und Nation, ein Denkmuster, dessen Ursprung im deutschen Nationalismus zu finden ist. In Reden an die deutsche Nation schlägt J.G. Fichte eine neue Erziehungsform dar, die nicht nur die oberen Gesellschaftsschichten, sondern das gesamte Volk umfassen sollte, einen kulturellen Prozess, der eine Erweckung und kontinuierliche Stärkung des nationalen Zugehörigkeitsgefühls der Deutschen zum Ziel habe: „Wir wollen durch die neue Erziehung die Deutschen zu einer Gesamtheit bilden, die in allen ihren einzelnen Gliedern getrieben und belebt sei durch dieselbe Eine Angelegenheit“.840 Obwohl er andeutet, dass das nationale Zugehörigkeitsgefühl ein Konstrukt ist, denkt J.G. Fichte nicht an eine vetraglich-juristisch definierte Nation, die in sich unterschiedliche ethnische Gruppen vereinen könnte, sondern an eine Nation, deren Identität von den rassischen und kulturellen Charakteristiken des deutschen „Urvolkes“ 

839 Ders., Facultate de teologie catolică la BucureЮti?, in: Telegraful Român, 31–32/16 aprilie 1932, 1. Ein weiteres Beispiel in diesem Sinne ist der von Stăniloae unterzeichnete Artikel im Telegraful Român vom 24. August 1941 unter dem Titel Spaаiul vital Юi spiritul românesc (Lebensraum und rumänischer Geist). In diesem Artikel, veröffentlicht zwei Monate nach dem Eintritt Rumäniens in den Zweiten Weltkrieg als Bündnispartner Deutschlands, greift Stăniloae auf eine zentrale Idee des Nationalsozialismus zurück, um praktisch zur ethnischen Säuberung aufzurufen. Er schreibt: „Wenn wir als Volk leben wollen, wenn wir in der Zukunft immer größeren sozialen Schwierigkeiten ausweichen wollen, muss der Staat daran denken, dem Volk die Expansionsmöglichkeiten zu schaffen. Doch vor jeder Expansion nach draußen müssen wir die Minderheiten dislozieren, die innerhalb der heutigen Grenzen leben. Wegen der spirituellen und politischen Festungen, mit denen sich diese Bevölkerungen umgeschnallt haben, kann dies nicht ohne eine aufgeklärte und energische Staatspolitik geschaffen werden. Zweitens müssen wir den ganzen rumänischen Boden zurückgewinnen, der uns geraubt wurde. Danach müssen wir weiter denken“ (Spaаiul vital Юi spiritul românesc, in: Telegraful Român, 35/24 august 1941, 1). 840 Fichte, Reden, 387.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

gegeben sei, die unverändert durch die Geschichte weiter gebildet worden seien.841 Die Kultur gehört demnach zu einem zirkulären Prozess der Stärkung der nationalen Identität: Das Spezifikum eines Volkes lagert sich in der Kultur ab und die Kultur wirkt ihrerseits, durch die öffentliche Erziehung, als Mittel zur Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls der Individuen zur betreffenden Nation. Stăniloaes Reaktion gegen eine katholisch-theologische Fakultät geht eben von der Nation als „religiös-gewachsener Volksgemeinschaft“ aus, die sich in ihrer Existenz nach den orthodoxen Werten zu richten habe,842 und, was sehr wichtig für die praktischen Konsequenzen der Idee der Nation-Konfession ist, sich an den rumänischen Staat richtet. Die Voraussetzung dieses Anrufes an den Staat besteht in der Auffassung, dass, sollten Nation und Konfession miteinander identisch sein, so muss ein Nationalstaat in erster Linie den Interessen der Nation-Konfession entgegenkommen. Da er im Wesentlichen ein metaphysischer Impuls ist, so Stăniloae, gehöre der Nationalismus ideologisch nicht zu der politischen Rechten und auch nicht zur politischen Linken, denn beide politischen Richtungen zielen auf die Verwirklichung eines rein immanenten Ideals, das die transzendente Berufung der menschlichen Existenz leugnet. Stăniloae zeigt, dass zwischen extremer Demokratie und Kommunismus eine große Ähnlichkeit hinsichtlich der Lebensanschauung besteht. [...] Es stimmt, dass die Demokratie eine so weit wie möglich ungeminderte individuelle Freiheit wertschätzt und der Kommunismus nicht, doch ist das nur ein technischer Unterschied, ein Mittel, durch das diese beiden das gleiche Postulat zu erfüllen trachten, nämlich das gleiche Ideal einer wirtschaftlichen Wohlhabenheit.843

Für Stăniloae vereinte das Christentum in seiner Weltsicht die zentralen Grundsätze der Linken und der Rechten, doch es verleihe ihnen einen anderen Wert und organisiere sie in einer hierarchischen sowie kausalen Beziehung, die vollkommen anders sei als jene der Demokratie und des Kommunismus. Um das tun zu können, stelle das Christentum eine Anthropologie in den Mittelpunkt, die den Menschen als ein zur Transzendenz hin orientiertes Wesen betrachtet. Deswegen müsse jede menschliche Tätigkeit dieser grundsätzlichen Orientierung entsprechen.844 Dieser Auffassung gemäß, so Stăniloae, ist das Christentum keinesfalls der Materialität der Welt gegenüber gleichgültig, sondern verleihe ihr nur die



841 Vgl. ebd., 470f. 842 Vgl. Weber, Der geistig-geistliche Mensch, 100. 843 Dumitru Stăniloae, Naаionalismul în cadrul spiritualităаii creЮtine, in: Telegraful Român, 36/30 august 1936, 1. 844 Vgl. ebd.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 225 Rolle einer einfachen Vermittlerin in der Erreichung der geistigen Vervollkommnung und sieht darin keinesfalls einen Zweck an sich wie der Kommunismus oder die Demokratie: Die menschlichen Wesen sind nicht nur mechanische Teile im materiellen Universum. Die Erhaltung des Körpers, und zwar durch eine kontinuierliche Gemeinschaft mit der Natur, ist nur ein Mittel für den menschlichen Geist, aktiv zu sein, um höhere Ideale zu erreichen, sich so weit wie möglich zu bemühen, sich selbst zu übertreffen und sich zur Welt der moralischen und geistigen Werte zu erheben.845

Folgerichtig wird die Entwicklung der nationalistischen Bewegungen in ganz Europa nach dem Ersten Weltkrieg als politische Organisierungsform „des Glaubens an das spirituelle Schicksal des Volkes“ interpretiert und dadurch als Reaktion auf die materialistische Sicht des Kommunismus.846 Anders als der Nationalismus des 19. Jahrhunderts, der „nichts geistiges hatte“ und die nationale Alterität ausschließlich linguistisch und geographisch begreift, gründe sich der Nationalismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die „Überzeugung, dass das Schicksal des Volkes irgendwie religiös“ sei. Diese Auffassung knüpft wieder eine Verbindung zur mittelalterlichen Weltanschauung, der gemäß „die Kaiser sich von Gottes Gnaden begriffen, dazu berufen, Ihm von ihrer Stellung aus zu dienen“.847 Nach Stăniloae übernimmt der Nationalismus des 20. Jahrhunderts aus dem mittelalterlichen politischen Imaginären den sakralen Charakter der politischen Autorität, durch die Gott in die Welt hineinwirkt. Für ihn besteht der wesentliche Unterschied darin, dass im Nationalismus seiner Zeit die Autorität nicht mehr individueller Natur ist; sondern es geht um eine kollektive Autorität der als sakralisierte Wirklichkeit verstandenen Nation. Der Nationalismus wird nicht nur durch die Sakralisierung der nationalen Gemeinschaft und implizit der von dieser generierten politischen Praxis, sondern auch durch „die wissenschaftlich untermauerte Überzeugung“ charakterisiert, dass jedes Volk sein Spezifikum habe und durch den Glauben, dass jedes Volk eine von Gott gegebene geistige Mission in der Geschichte habe, die es erfüllen müsse: Der heutige Nationalismus spricht von Gott als Schöpfer des Volkes, zu dem er gehört, und als Hilfe in der Entwicklung der Spiritualität, die ihm verliehen worden ist. Der heutige Nationalismus weiss, dass das Volk Gott dient, wenn es durch harte Arbeit seine Eigenschaften entfaltet. Die Kirche kann sich nur freuen an dieser Wiedergeburt des Geistes und der spirituellen Ideale in der Politik, und die Priesterschaft ist dazu berufen, der christlichen nationalistischen Bewegung mit all ihren



845 Ebd. 846 Vgl. ebd. 847 Ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens Kräften behilflich zu sein, indem sie die materialistischen, atheistischen und internationalistischen Ideen der Linken bekämpft.848

Dieser Artikel Stăniloaes systematisiert den Diskurs der ROKS über die Nation als gottgegebener Wirklichkeit, deren Funktion darin besteht, die göttliche transzendente Ordnung auf die Geschichtsebene zu übertragen. Doch anders als in Colans und Bălans Schriften, die diese Ethnotheologie der Geschichte darstellen, vollzieht dieser Artikel einen expliziten Schritt von der Theorie zur Praxis, vom Nationsdiskurs zum Nationalismus. Der Übergang von der Theorie zur Praxis geschieht durch den Appell an die mittelalterliche Auffassung über Politik und politische Autorität als sakrale Wirklichkeiten einerseits und an die angeblich wissenschaftlichen Theorien über die Unterschiede zwischen Nationen andererseits. Zu bemerken ist auch der Aufruf an die orthodoxe Priesterschaft, die „christliche nationalistische Bewegung“ durch die Bekämpfung des vom Kommunismus geförderten Atheismus und Internationalismus, also nicht durch das Mitwirken in nationalistischen Parteien, sondern durch die pastorale, religiösnationalistische Tätigkeit, zu unterstützen. Mit anderen Worten, das Ziel der Kirche besteht darin, das Volk in der Verwirklichung seiner spirituellen Mission durch die Tätigkeit in der pastoral-nationalistischen Sphäre des Vorpolitischen zu unterstützen und dadurch die konkrete Tätigkeit der nationalistischen Parteien zu fördern.

V.7. Die ROKS und der Antisemitismus V.7.1. Die Haltung der ROKS gegenüber A.C. Cuzas Marcionismus Die Haltung der ROKS A.C. Cuza gegenüber wird einerseits durch eine bedingungslose Übernahme seines Nationalismus – in der Presse der ROKS gibt es keine einzige kritische Position zu den ideologischen Voraussetzungen des Cuzismus und implizit zu dessen angeblich wissenschaftlichem Rassismus – und andererseits durch eine kategorische Ablehnung der Idee einer Entkanonisierung des Alten Testaments charakterisiert. Was nun die Haltung der Kirchenelite zur Persönlichkeit und zu den Ideen A.C. Cuzas betrifft, so sind die Meinungen des Bischofs Roman Ciorogariu und des Metropoliten Nicolae Bălan, die die öffentliche Aktivität des rumänischen Politikers unterstützen, besonders wichtig. Im September 1925 nahm Bischof Roman Ciorogariu an der Zeremonie in Ia‫܈‬i teil, bei der LANC mit zwei nationalistischen und antisemitischen politischen Formationen fusionierte. In einem Artikel in Legea Românească beschrieb Ciorogariu, wie die Studierenden beim Empfang der Gäste Cuzas Bücher und Broschüren unter die Anwesenden verteilten, darunter auch die Schriften Învăаătura lui 

848 Ebd.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 227 Iisus und Iudaismul Юi teologia creЮtină,849 in denen Cuza seine Auffassung zur Beziehung zwischen Judentum, bzw. Alten Testament und Christentum dargelegt. Dass es diese Bücher gibt und dass sie verbreitet werden, betrachtet Ciorogariu als „ein Zeichen der jüdischen Gefahr“.850 Diese Präzisierung beweist, dass er den antisemitischen Inhalt dieser Schriften sehr wohl kannte. Nach dem knappen Verweis auf A.C. Cuzas Werke, stellt der Bischof die Atmosphäre in Ia‫܈‬i in apokalyptischen Farben dar und spricht in diesem Zusammenhang von einem wahren Kampfgebiet zwischen Christentum und Judentum, zwischen dem rumänischen und dem jüdischen Volk. Die jüdischen Läden, schreibt Ciorogariu, „infizieren die Luft rund um [...] die großartigen orthodoxen Kirchen“ und die „jüdische Plage [...] mit dem Blutegelhandel“, den die Juden praktizieren, sei wie ein Kellerloch, welches nimmersatt das Geld der rumänischen Mehrheit verschlingt. Etwas weiter kann man den Geruch eines für unsere Augen unüblichen jüdischen Ghettos spüren. Die Anzahl der Juden übersteigt 50 Prozent der Stadtbevölkerung [...]. Ich höre, dass in einigen Teilen der jüdische Schmarotzer vom Körper der Menschen dieses rumänische Kleid abnagen und es durch schwarze Lumpen aus dem jüdischen Handel ersetzen.851

Ciorogariu sieht die Juden als Zerstörer der Nation, der Mentalität und der traditionellen Existenz – all das wird durch die Bewahrung der Trachten symbolisiert – und des christlichen Glaubens, dessen Symbole, die Kirchen, vom Merkantilismus des jüdischen Wirtschaftslebens erstickt werden. Somit wird ein Konflikt zwischen dem wirtschaftlichen Materialismus der Juden und der spirituell orientierten Existenz der Rumänen angedeutet. Für den orthodoxen Bischof ist die Wiederherstellung des rumänischen Charakters der Stadt Ia‫܈‬i und der Moldau durch A.C. Cuza nicht eine antisemitische Aktion, sondern ein Beweis des „Rumänismus“, im Sinne einer Aktivität zum Zwecke der Erweckung des nationalen Bewusstseins.852 Der Antisemitismus wird somit, sowohl für Ciorogariu als auch für A.C. Cuza zu einer Ausdrucksform des christlichen Nationalismus. Frappierend ist, dass Ciorogariu in seiner Position als Bischof und Hauptverantwortlicher für die Verteidigung und Verbreitung der authentischen christlichen Lehre sich nicht dafür verantwortlich fühlt, die Ansichten Cuzas über die Beziehung zwischen Judentum und Christentum kritisch zu hinterfragen. Diese Haltung teilt er mit den anderen Hierarchen der ROKS. Eine Ausnahme bildet lediglich der Diskurs des Metropoliten Bălan im Saal des Rumänischen Athenäums im April 1937, zur 80. Geburtstagsfeier A.C. Cuzas. Bălan stellt Cuza wie 

849 Vgl. „Unchia‫܈‬ul“ [Roman Ciorogariu], Impresii de la IaЮi, in: Legea Românească, 21– 22/1–15 noiembrie 1925, 1 850 Ebd. 851 Ebd. 852 Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

einen Propheten vor, der das nationale Bewusstsein des rumänischen Volkes erweckt habe, das jetzt die von dem rumänischen Politiker geförderten Grundsätze des „heilenden Nationalismus“ verfolge.853 Dieser Diskurs des Metropoliten zeigt überaus deutlich das vornehmliche Kriterium, nach dem die politische Aktivität Cuzas bewertet wird, und zwar die Rolle, die dieser dem christlichen Glauben in der zukünftigen Ordnung des rumänischen Staates zukommen lässt: Nur der in allen Bereichen ewige Werte schöpfende Nationalismus kann uns helfen, unseren Staat dergestalt zu ordnen, dass er zu einem Instrument herausragender Bedeutung für die Behauptung, die Stärkung und den Ruhm des Volkes wird.854

Genauer gesagt, ist Cuzas Nationalismus für Bălan eine Doktrin, die die Genialität des Visionärs unter Beweis stellt, auch durch die Stellung, die sie dem christlichen Glauben zukommen lässt – hinsichtlich des Alten Testaments werden wir zu einer Übereinstimmung gelangen – jenem wahrhaft heilsbringenden Glauben ohne den keine menschliche Bemühung von Dauer und Wirkung sein kann.855

Die Formulierung „werden wir zu einer Übereinstimmung gelangen“ kann dahingehend interpretiert werden, dass die Kirche beabsichtigt, ihre theologische Autorität einzusetzen, um A.C. Cuzas Ideen zur Stellung des Alten Testaments innerhalb des Christentums zu korrigieren. Das scheint jedoch eine Sache der Zukunft zu sein. Bălan hütet sich, eine eindeutige Position zur theologischen Auffassung des rumänischen Politikers zu ergreifen. Weit davon entfernt, seine theologische Position zu kritisieren, wird A.C. Cuza im Diskurs der ROKS als „Patriarch des rumänischen Nationalismus“ und als einer „der loyalsten Soldaten Christi“856 dargestellt. Cuza werde nicht nur von der höher gestellten Hierarchie gefeiert, sondern von der gesamten orthodoxen Priesterschaft, denn, so Iuliu Go‫܈‬eru, er erfülle eine Vorbildfunktion für den Dienst am christlichen Glauben und am nationalen Ideal, der auch der Schwerpunkt der priesterlichen Tätigkeit sei.857 Im Wesentlichen gehören für Go‫܈‬eru die pastorale Tätigkeit der Kirche und die national-politische Aktivität A.C. Cuzas zusammen, weil sie von derselben Voraussetzung ausgingen und dasselbe Ziel verfolgten. Die Erklärung für die mangelnde kritische Reaktion der Kirchenelite auf die theologischen Ideen A.C. Cuzas liegt an der Art und Weise, wie er die Beziehung zwischen Orthodoxie, Nation und Staat begriff. Für die Kirchenelite 

853 Vgl. ***Sărbătorirea domnului profesor A.C. Cuza, in: Telegraful Român, 16/18 aprilie 1937, 1. 854 Ebd. 855 Ebd. 856 Iuliu Go‫܈‬eru, A.C. Cuza ostaЮ al lui Hristos, in: Rena‫܈‬terea, 15/11 aprilie 1937, 1. 857 Vgl. ebd., 2.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 229 stellte A.C. Cuza das Versprechen der Verwirklichung eines orthodoxen Nationalstaates dar, der durch seine Entscheidungen ein Kontinuum zwischen der Ordnung der Nation-Konfession und der sozialen Ordnung schafft. Die Bekämpfung seiner Auffassung zur Stellung des Alten Testaments ist sekundär, primär ist die Förderung seiner nationalistischen Politik, die den rumänischen Staat im Sinne der Vision der ROKS verändern kann. Für die Kirchenelite rangiert die Erreichung eines politischen Ziels durch eine Partei auf der Prioritätenskala höher als die Verteidigung der christlichen Lehre. Nicht Dogma und kirchliche Moral sind die Kriterien zur Einschätzung der politischen Phänomene, sondern die Kompatibilität zwischen deren Ideologie und der Auffassung der ROKS über Nation, Religion/Konfession und Politik/Staat. V.7.2. Exkurs: Die ROKS und die Religionsphilosophie Lucian Blagas Das politische und nationalistische Kalkül hinter der sehr toleranten Haltung der Kirchenelite zu A.C. Cuzas theologischer Auffassung wird aus der sehr unterschiedlichen Stellungnahme der orthodoxen Theologen zur Religionsphilosophie Lucian Blagas (1895–1961) ersichtlich. Blaga gehörte zu den bedeutendsten Vertretern des Orthodoxismus der Zwischenkriegszeit, doch seine Auffassung zur Beziehung zwischen Orthodoxie und rumänischem Volk unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von jener Crainics, Ionescus oder Stăniloaes. Blaga betonte die Grundlage des vorchristlichen, heidnischen Glaubens, der die religiöse und ethnische Existenz des rumänischen Volkes ganz wesentlich geprägt habe, während die byzantinische Orthodoxie nur eine dieser rumänischen Uridentität künstlich auferlegten Masken sei.858 1940 veröffentlichte Blaga das Werk Diferenаialele divine859 und 1942 Religie Юi spirit,860 wo er die metaphysischen und kosmologischen Thesen seines philosophischen Systems darlegte. Blagas Kosmologie ist auf eine vehemente Reaktion bei den orthodoxen Theologen gestoßen, vor allem den siebenbürgischen.861 Diese fühlten sich gewissermaßen vom rumänischen Philosophen verraten: Blaga war gebürtiger Siebenbürger, Sohn eines orthodoxen Priesters und sie 

858 Vgl. Hitchins, Gândirea, 161–166. 859 Lucian Blaga, Diferenаialele divine, Funda‫܊‬ia pentru Literatură ‫܈‬i Artă „Regele Carol II“, Bucure‫܈‬ti, 1940. 860 Ders., Religie Юi Spirit, Editura „Dacia Traiană“ S.A., Sibiu, 1942. 861 Siehe zum Beispiel Nicolae Terchilă, Filosofia religiei la domnul Lucian Blaga, in: Telegraful Român, 14/5 aprilie 1942, 3–5; Petru Rezu‫܈‬, Religie Юi Spirit, in: Foaia Diecezană, 23/7 iunie 1942, 1–2, und 24/14 iunie 1942, 1–2; Grigorie T. Marcu, O carte care nu trebuia scrisă: „Religie Юi Spirit“ de Dl. Lucian Blaga, in: Revista Teologică, 5– 6/mai–iunie 1942, 296–298; ders., Mythos. De la epistolele Pastorale Юi până la dl. Lucian Blaga, Tipografia Arhidiecezană, Sibiu, 1942.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

erwarteten von ihm ein philosophisches System, das zur Erklärung der christlichen Weltanschauung und keinesfalls zu deren Leugnung beitragen sollte.862 Die radikalste theologische Kritik an Blagas System stammte von Dumitru Stăniloae. Der Theologe richtet sich vor allem gegen die wesentlichen Begriffe der Blaga’schen Philosophie wie der „Große Anonyme“ (Gott) und „transzendente Zensur“. Unter dem Großen Anonymen versteht Blaga ein unpersönliches Urwesen, das die gesamte Existenz durch einen einzigen Reproduktionsakt seines eigenen Wesens erschaffen habe.863 Der Große Anonyme besitze eine unendliche Reproduktionskraft, doch er schränke sich selbst in diesem Prozess ein, um nicht mehrere Wesen zu erschaffen, die sich irgendwann individualisieren und ihre Unabhängigkeit vom Urwesen suchen könnten.864 Stăniloae sieht in dieser Auffassung ein emanationistisches kosmologisches Muster, in dem paradoxerweise die Welt nicht das Ergebnis eines göttlichen Schöpfungsaktes, sondern das Resultat der egoistischen Einschränkung der Schöpfungskraft Gottes darstelle.865 Stăniloae betont, dass diese Auffassung in absolutem Gegensatz zur christlichen Theologie stehe, der zufolge die Welt die Schöpfung eines persönlichen Gottes sei, der die Welt durch Seinen Willen und Seine Liebe für die Welt und die Menschen ins Leben rufe. Folglich habe die göttliche Schöpfung eine positive und keine negative oder einschränkende Funktion.866 In Religie Юi Spirit nahm Blaga die gnoseologische Theorie aus seiner Schrift Cenzura Transcendentă (1934) wieder auf, der gemäß der Große Anonyme sich selbst und seine ihm eigenen Mysterien vor dem Wissensdurst der Menschen schütze. Diese Zensur nennt Blaga „transzendent“, weil deren Ursprung jenseits des Raum-ZeitHorizonts liege.867 Die Existenzmysterien dürfen nur dem Großen Anonymen bekannt sein. Wenn auch der Mensch zu deren positiven Erkenntnis gelangen würde, sei das durch die Weltschöpfung selbst hergestellte „existentielle Gleichgewicht“ zwischen dem erkennenden Subjekt und der erkannten Wirklichkeit selbst in Gefahr.868 Folgerichtig lässt in Blagas Sicht diese transzendente Zensur jede Form der Selbstoffenbarung Gottes unmöglich werden. Weil die göttliche Offenbarung unmöglich sei, sei das Christentum nichts anderes als eine der zahlreichen, vom menschlichen Geist hervorgebrachten Religionen und Kulturformen.869 In Blagas 

862 Siehe Dumitru Stăniloae, Cosmologia domnului Lucian Blaga III, in: Telegraful Român, 23/2 iunie 1940, 2. 863 Vgl. Blaga, Diferenаialele divine, 30. 864 Vgl. ebd., 31. 865 Vgl. Dumitru Stăniloae, Cosmologia domnului Lucian Blaga I, in: Telegraful Român, 21/19 mai 1940, 1. 866 Vgl. ders., Cosmologia domnului Lucian Blaga II, in: Telegraful Român, 22/26 mai 1940, 1; ders., Cosmologia domnului Lucian Blaga III, 12. 867 Lucian Blaga, Cenzura Transcendentă, Humanitas, Bucure‫܈‬ti, 2003, 28. 868 Vgl. ebd., 31–33. 869 Vgl. ders., Religie Юi Spirit, 174–193.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 231 Auffassung sind Christentum und Orthodoxie ein historisches Phänomen mit ausschließlich immanentem Ursprung. Um diese Idee zu bekämpfen, bezog sich Stăniloae auf die Universalität des religiösen Glaubens, der die Existenz einer Beziehung des Menschen zu einem transzendenten Gott beweisen würde. Obwohl die vom Menschen erlangte Erkenntnis über Gott im Rahmen dieser Beziehung begrenzt ist, so sei sie nichtsdestotrotz real.870 Durch die Kritik an Blagas Argumentation verfolgt Stăniloae nicht nur einen rein theologisch-apologetischen Zweck (den Beweis des Offenbarungscharakters des christlichen Glaubens und der Möglichkeit einer Vereinigung des Menschen mit Gott als Mittel zur Heilserlangung), sondern auch die Förderung der Idee einer Nation-Konfession als dem rumänischen Volk spezifische Identitätsform. Diese zweite Absicht wird von Stăniloae zu Beginn seiner polemischen, von der Veröffentlichung des Werks Religie Юi Spirit generierten Artikelserie im Telegraful Român angekündigt. Der Theologe zitiert Blagas Reaktion auf die Kritik aus dem theologischen Umfeld, die ihm vorwirft, seine Philosophie sei, weil antiorthodox, implizit auch antirumänisch. Blaga unterscheidet deutlich zwischen der griechischen und byzantinischen Urorthodoxie und der rumänischen Spiritualität, die älter und umfassender als dieses religiöse System sei. Seiner Meinung nach würde die Identifizierung der „Orthodoxie mit dem Rumänischen, obwohl eigentlich die Orthodoxie nur Teil dieses Rumänischen ist“,871 zu Verwirrung führen. Blagas System leugnet die zentrale These des Nationsdiskurses der ROKS, und zwar, dass die Orthodoxie identisch mit dem Wesen des rumänischen Volkes sei. Mit anderen Worten, wenn Gott sich nicht offenbart, dann kann die Nation nicht ein Mittel der göttlichen Offenbarung in der Geschichte sein, so wie es die von Stăniloae, Colan und Bălan vertretene Ethnotheologie der Geschichte behauptet. Wenn die Religion keinen transzendenten Ursprung hat, sondern lediglich ein Produkt des menschlichen Geistes ist, dann kann sie nicht mehr zur Sakralisierung der Nation führen, d.h. zur Konstituierung einer ethnischen rumänischen Gemeinschaft wie die Nation-Konfession. Der Unterschied zwischen der Haltung der Kirchenelite hinsichtlich der Theorien von A.C. Cuza zum Verhältnis zwischen dem Judentum bzw. dem Alten Testaments und dem Christentum und Blagas Philosophie ist frappierend, umso mehr als Blagas gnoseologische und metaphysische Theorien außerordentlich abstrakt sind und somit eine sehr geringe Wirkung auf die große Maße der Gläubigen ausüben können. Während diese philosophischen Spekulationen lediglich 

870 Vgl. Dumitru Stăniloae, Poziаia domnului Lucian Blaga faаă de creЮtinism Юi Ortodoxie VII, in: Telegraful Român, 29/19 iulie 1942, 1. 871 Apud Dumitru Stăniloae Poziаia domnului Lucian Blaga faаă de creЮtinism Юi Ortodoxie I, in: Telegraful Român, 22/31 mai 1942, 2. Stăniloae veröffentlichte eine leicht abgeänderte Form dieser Reihe von polemischen Artikeln in einem Band gleichen Titels Poziаia domnului Lucian Blaga faаă de creЮtinism Юi Ortodoxie, Editura Arhidiecezană, Sibiu, 1942.

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die intellektuellen Eliten erreichten, wurden die Theorien von A.C. Cuza viel schneller und effizienter durch Broschüren verbreitet. Mit ihrem leichter verständlichen Inhalt hatten A.C. Cuzas Schriften einen viel stärkeren Einfluss auf den Glauben und die religiöse Praxis der Gläubigen als die abstrakten Theorien Blagas. Doch, während Blaga für die Kirchenelite im Grunde genommen politisch nichts bedeutete, wurde Cuza sehr wohl als potentieller Schöpfer eines rumänischorthodoxen Staates wahrgenommen. V.7.3. Das Alte Testament als Grundstruktur der christlichen Identität Obgleich die Kirchenelite A.C. Cuzas theologische Thesen nicht öffentlich verwirft, so betont sie doch unmissverständlich die Bedeutung des Alten Testaments für das Christentum und die Unmöglichkeit, die christliche Lehre lediglich durch das Neue Testament zu verstehen.872 Wie im Weiteren aufzeigt wird, ist diese Debatte zur Beziehung zwischen dem Alten Testament und der Kirche eigentlich eine Erscheinungsform der zentralen Frage des europäischen Nationalismus und Antisemitismus, und zwar jener zur Beziehung und der Kompatibilität zwischen den Juden und den christlichen Völkern Europas. Der Metropolit Bălan formulierte seine Meinung zu diesem Problem in einer privaten Diskussion vom 23. November 1941 mit dem Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Wilhem Staedel (1890–1971, Bischof 1941– 1944). Während des Gesprächs in der evangelischen Bischofsresidenz von Sibiu behauptete Bischof Staedel, dass die Unterrichtung des Alten Testaments in den Schulen der Sachsengemeinschaft aus Siebenbürgen auf einen immer stärkeren Widerstand stoße, vor allem bei den jungen Pfarrern und Religionslehrern, die es ablehnen würden, über den ersten Teil der Bibel zu den Menschen zu sprechen. Staedel selbst meinte, das Alte Testament sei lediglich ein Begleiter gewesen, um die Menschheit zum Neuen Testament zu führen und habe nach der Menschwerdung Christi überhaupt keinen Wert mehr für die Christen. Bălan lehnte diese Theorie ab und wies darauf hin, dass ohne das Alte Testament die christliche Kirche keine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Welt finden könne und auch die Beziehung zwischen dem Sündenfall der ersten Menschen und der Menschwerdung Christi zum Heil der Menschheit nicht verständlich wäre.873 Der 

872 Für einen Überblick über die Debatten im rumänischen Kulturraum in der Zwischenkriegszeit über den Wert des Alten Testaments für die Theologie und Praxis der Kirche, siehe Constantin Oancea, „Jüdisches Buch“ oder Schrift der Kirche? Das Ringen um das Alte Testament im Rumänien der Zwischenkriegszeit, in: Zeitschrift für Balkanologie, 56/2020, 51–68. 873 Vgl. O întâlnire între I.P.S Sa Arhiepiscopul Юi Mitropolitul nostru Dr. Nicolae Bălan Юi Episcopul saЮilor Dr. Wilh. Staedel (Archiv der Metropolitanbibliothek, Fundus Bălan, Dokument 927).



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 233 Diskurs der ROKS zur Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament gehörte in diese vom Metropoliten Bălan ausgedrückte Sichtweise und betonte die enge Verbindung zwischen der alttestamentlichen Offenbarung und dem Christentum. Gleichzeitig wurde eine besondere Aufmerksamkeit auf die Beziehung zwischen Altem Testament und jüdischem Volk und dessen Status nach der Menschwerdung Christi und der Gründung der Kirche gelenkt. Liviu G. Munteanu weist darauf hin, dass die feindliche Haltung dem Alten Testament gegenüber das Ergebnis der liberalen modernen Mentalität sei, deren Ausdrucksform im theologischen Raum eine systematische Aktion der Untergrabung aller Quellen des Christentums sei.874 Der Angriff des Nationalsozialismus auf das Alte Testament sei nur der Beginn eines Prozesses, der auch das Neue Testament nicht verschonen wird. Munteanu führt als Beispiel den Fall des Professors Dr. Alois Hudal an, der in seinem Werk Die Grundlagen des Nationalsozialismus875 zu beweisen versucht, dass der Gott des Alten Testaments nicht mit dem Gott des Neuen Testaments identisch sei; in beiden Teilen der Bibel ginge es nicht um den gleichen Gott und das Christentum stelle nicht die Religion des deutschen Volkes dar, denn dieses könne nicht die moralischen Auffassungen des jüdischen Volkes übernehmen.876 Wenn in den vergangenen Jahrhunderten die Anfechtung der Bedeutung des Alten Testaments für die christliche Kirche spezifisch für das westliche Christentum gewesen sei, so stieg in den letzten Jahren, so Munteanu, auch in der ROK die Anzahl jener Gläubigen, die dem Alten Testament keinerlei religiöse Bedeutung mehr beimessen. Sie reduzieren den ersten Teil der Bibel auf ein einfaches, vom alten Judentum erstelltes historisch-legislatives Werk und fordern folgerichtig dessen Entfernung aus der Kirche.877 Die mangelnde Reaktion der Kirchenvertreter und deren zweideutige Haltung zu diesen gefährlichen Tendenzen sind für Munteanu ein Indikator der Dimension dieses Phänomens der Ablehnung des Alten Testaments innerhalb der ROK: In den Schriften, bei öffentlichen Tagungen wird das Thema mit einem erstaunlichen Reichtum an Argumenten behandelt. Überraschend ist, dass man selbst in einigen klerikalen Kreisen den Eindruck hat, dass da ein gewisser Zweifel [...] dem Alten Testament gegenüber bestehe. Zumindest die Stimmen gegen diese unselige Strömung sind sehr schwach.878



874 Vgl. Liviu G. Munteanu, Vechiul Testament Юi creЮtinismul I, in: Rena‫܈‬terea, 13/28 martie 1937, 2. 875 Siehe Alois Hudal, Die Grundlagen des Nationalsozialismus. Eine ideengeschichtliche Untersuchung, Johannes Günther, Leipzig/Wien, 1937. 876 Vgl. Munteanu, Vechiul Testament, 2. 877 Vgl. ebd. 878 Ebd., 2–3.

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Im obigen Zitat wird eine Komplizenschaft zwischen den Bestreitern der Bedeutung des Alten Testaments und den von diesen beeinflussten klerikalen Kreisen angedeutet. Munteanu will darauf hinweisen, dass dieses Gedankengut in intellektuellen Kreisen propagiert werde – in diesem Fall ist offensichtlich von A.C. Cuza und anderen von diesen Theorien angezogenen Nationalisten die Rede – von wo aus sie sich auch in das klerikale Umfeld verbreiten würden, ohne jedoch von diesem ausdrücklich zurückgewiesen zu werden. Munteanu sieht zwei Quellen für diese Haltung dem Alten Testament gegenüber: Den Liberalismus westlichen Ursprungs, der alle Sphären des spirituellen und religiösen Lebens des rumänischen Volkes beeinflusst, und den „Rassenkampf“ als Modalität der Behauptung der „nationalen Würde“ gegen das „eindringende Judentum“.879 Da das Alte Testament als Produkt des jüdischen Volkes gesehen wird, schließen die Vertreter des europäischen Nationalismus, so Munteanu, den heiligen Text in den Rassenkampf mit ein und übertragen ihre Verachtung den Juden gegenüber auch auf den Text. Das erkläre auch den unter den rumänischen Nationalisten populären Gedanken, das Alte Testament müsse aus dem Christentum eliminiert werden.880 Munteanu betont, dass schon im 2. Jahrhundert die christliche Kirche Marcion für seinen Versuch, eine Antithese zwischen Alten und Neuen Testament aufzustellen, als Häretiker verdammte 881 und weist damit auf die Haltung hin, die die ROK den Verfechtern des modernen Marcionismus gegenüber einnehmen sollte. Zu bemerken ist, dass in den Ausgaben der Zeitung RenaЮterea, in denen die Tendenz des protestantischen theologischen Liberalismus, das Alte Testament aus dem biblischen Kanon zu entfernen,882 abgelehnt wird, auch A. C. Cuza für seinen christlichen Nationalismus gelobt und geehrt wird.883 Dies kann als Bestätigung der Dissoziation gedeutet werden, mit der die ROKS in der Wahrnehmung der Person und der öffentlichen Aktivität von A.C. Cuza operierte: Es gehe um eine Dissoziation zwischen dem Nationalismus des rumänischen Politikers, den sie offen unterstützte, und seiner Theorie über das Alte Testament, die sie nicht unterstützte, aber die sie nur indirekt ablehnte, d.h. indem sie die Konzeption des theologischen Liberalismus ablehnte, die ihm als Quelle diente.



879 880 881 882

Vgl. ebd., 2. Vgl. ebd., 3. Vgl. Munteanu, Vechiul Testament, 3. Vgl. ders., Vechiul Testament Юi creЮtinismul II, in: Rena‫܈‬terea, 14/4 aprilie 1937, 2–3; ders., Vechiul Testament Юi creЮtinismul III, in: Rena‫܈‬terea, 15/11 aprilie 1937, 2–3. 883 Vgl. Go‫܈‬eru, A.C. Cuza ostaЮ, 1–2.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 235 V.7.4. Antisemitische Strategie: Die Dissoziation des jüdischen Volkes vom Alten Testament und von JHWH Obwohl er den Antagonismus zwischen den beiden Bibelteilen nicht fördert, weist der Diskurs der ROKS andere Dissoziationstypen und Antagonismen auf, die ebenfalls die Funktion der Legitimierung des Antisemitismus erfüllen. Nicolae Neaga, ab 1936 Professor für Alttestamentliche Studien am Orthodoxen Theologischen Institut in Sibiu, betonte, dass in der Zeit, in der die Juden das auserwählte Volk waren, sie sich Gott eigentlich nicht gefügt und auf kollektiver existentieller Ebene die Botschaft der Offenbarung nicht übernommen hätten; das habe dazu geführt, dass das Alte Testament selbst eine Fülle antisemitischer Behauptungen enthalte.884 Der Antisemitismus wäre eine Konstante in der Geschichte des jüdischen Volkes und Gott selbst würde zum „Erbfeind“ der Juden, weil diese die göttlichen Gebote missachtet hätten.885 Gottes Kritik an den Juden würde durch die Propheten vermittelt und von Neaga als eine Form des Antisemitismus und als Zeichen einer radikalen Dichotomie zwischen der objektivierten göttlichen Offenbarung in der Religion des Alten Testaments und dem jüdischen Volk interpretiert. Die Beziehung des auserwählten Volkes zum heiligen Text würde sich ausschließlich auf das technische Faktum beschränken, dass „die Juden Papier und Tinte“ für dessen Niederschrift bereitgestellt hätten.886 Als Begründung dieser Idee eines nichtjüdischen Ethos (im religiösen Sinne) des jüdischen Volkes wird der im Neuen Testament und in der Theologie der Kirchenväter vorhandene Antisemitismus angeführt. Der biblische und patristische Antisemitismus würde die gläubigen Christen daran hindern, die göttlichen und unveränderlichen Gesetze des Alten Testaments und den Körper eines sterblichen Volkes, das sehr unvollkommen in der Welt auftritt [miteinander zu verwechseln].887

Wenn also das jüdische Volk und das Alte Testament nicht ein organisches Ganzes bilden, dann haben die modernen Antisemiten nach Neaga kein Recht, die Grundsätze des wirtschaftlichen und politischen Antisemitismus auf den religiösen Bereich zu übertragen888 und die Entfernung des ersten Teils des biblischen 

884 Vgl. Nicolae Neaga, Antisemitism Юi Vechiul Testament, in: Revista Teologică, 4/aprilie 1937, 146. Zu einer detaillierten Beschreibung des angeblichen Antisemitismus im Alten Testament, siehe Neagas Ausführungen in dem Band „N-am venit să stric legea“. Consideraаii generale privitoare la însemnătatea Vechiului Testament, Tiparul Tipografiei Arhidiecezane, Sibiu, 1940, besonders 16–18. 885 Vgl. ders., Antisemitism biblic, in: Anuarul Academiei Teologice „Andreiane“ din Sibiu/1935–1936, 40–44, hier 40. 886 Vgl. ders., „N-am venit să stric legea“, 29. 887 Ders., Antisemitism Юi Vechiul Testament, 146. 888 Vgl. ebd., 145. 888 Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Kanons aus der Kirche zu fordern. Ein Beispiel der richtigen Handhabung dieses Problems sei Jesus Christus selbst, der, obwohl „der größte Antisemit“, doch den Wert des Alten Testaments nicht geleugnet habe.889 Neagas Argumentation zur Beziehung zwischen Altem Testament und jüdischem Volk sowie Crainics Argumentation zum nichtsemitischen Charakter Jesu Christi und folglich des Christentums gründen auf der gemeinsamen Idee der Universalität. Für Crainic ist, wie oben gezeigt, Christus der „Menschensohn“, also der universelle Mensch, der nicht durch die Merkmale der semitischen Rasse charakterisiert wird. Neaga sieht in der Religion des Alten Testaments eine universelle Religion, die auf keinen Fall an das Wesen des jüdischen Volkes gebunden sei. Dieses Volk sei nur der am wenigsten würdige Vormund der göttlichen Offenbarung gewesen.890 Aus dieser Perspektive hätten weder das Christentum noch die Religion des Alten Testaments etwas mit dem jüdischen Volk zu tun. In der gleichen Logik der Dissoziation bemüht sich Neaga um die Argumentation der These, dass Israel das Volk Gottes nur deswegen gewesen sei, damit Gott „eine neue religiöse Gesellschaft schafft: Das Christentum“. Ist diese Mission erfüllt worden, habe „Israel aufhört, als auserwähltes Volk zu existieren“.891 Diese Eigenschaft wird nun auf die Christen übertragen: In Offenbarung 20, 6 und in 1. Petrus 2, 9 sind die Christen „das auserwählte Geschlecht“ – „das heilige Volk“. Die Benennungen stammen aus dem Exodus und, indem sie diese anwenden, wollen die Apostel betonen, dass alle Privilegien des biblischen Volkes auf die Christen übertragen worden sind. Das Christentum sieht sich selbst nicht als neue Religion. Und noch weniger als Reform des Judentums, sondern als Verwirklichung jener Elemente die, durch die Prophezeiung, in der Religion des Alten Testaments virtuell enthalten waren. Dass die christliche Kirche im Alten Testament den ersten Teil ihrer heiligen Schrift sieht, begründet diese These. Wenn das Christentum sehr rasch in Konflikt mit dem Judaismus gelangt, so geht der Bruch nicht von den Christen aus. Die Juden sind diejenigen, die bestritten und abgelehnt haben.892

Diese Interpretation der Beziehung zwischen Judaismus und Christentum war schon seit ihren Anfängen ein Muster der christlichen theologischen Tradition. Zum Zweck der Konstruktion einer von der jüdischen streng getrennten christlichen Identität haben die Kirchenväter das Alte Testament allgemein als Vorbereitung zur Herausbildung des eigentlichen Gottesvolkes, d.h. des christlichen Volkes, interpretiert. Die Ablehnung Jesu durch die große Mehrheit des jüdischen Volkes war für die christlichen Autoren der Augenblick, in dem die 

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Vgl. ebd., 146. Vgl. ders., „N-am venit să stric legea“, 35. Ders., Mai există popor ales?, in: Reviata Teologică, 3/martie 1931, 81–82. Ders., Antisemitism biblic, 43.

Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 237 Kirche das Neue Israel wurde und das Alte Israel seine Eigenschaft als auserwähltes Volk verlor.893 Neagas Auffassung gliedert sich also in die interpretative Strömung der Substitutionstheologie der christlichen Tradition ein, die im Laufe der Geschichte den theologischen Antisemitismus legitimiert hat. In dem im Januar 1935 in Breslau – in jener sozialen und politischen Atmosphäre, die Ende des Jahres zur Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze führen sollte894 – verfassten Artikel Cuvinte despre Israel stellt Grigorie T. Marcu, zukünftiger Professor für Neutestamentliche Studien an der gleichen theologischen Einrichtung wo auch Nicolae Neaga tätig war, die Frage ob die antijüdische rassische Gewalt in Deutschland moralisch und christlich gerechtfertigt sei. Wie voraussehbar, beantwortet er diese Frage positiv895 und untermauert sie durch das 11. Kapitel des Briefes des Apostels Paulus an die Römer. Marcu schneidet biblische Texte aus ihrem Kontext und dem allgemeinen Kontext der Theologie des Apostels Paulus heraus und stellt ein Puzzle zusammen, um seine antisemitischen Vorurteile zu rechtfertigen: Israel sei stolz und fürchte sich nicht vor Gott (Römer 11, 20); durch Israels Fall erlangen die heidnischen Völker ihr Heil, damit Israel ihnen nacheifern solle (11, 11); sie widersetzen sich dem Evangelium und somit Gott (11, 28), doch wenn sie nicht im Unglauben verharren, wird Gott sie wieder zu sich rufen (11, 23). Eine einfache Lektüre des gesamten Textes des 11. Kapitels wirft ein ganz anderes Licht auf das, was der Jude Paulus über sein Volk dachte. Der ganze 28. Vers sagt Folgendes: „Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte, um der Väter willen“. Die Ablehnung des Evangeliums durch die Juden bedeutet also nicht, dass diese nicht mehr das auserwählte Volk Gottes sind, denn sie bleiben in Beziehung zu Gott aufgrund des Bundes zwischen ihren Vätern und Gott, folglich durch das Alte Testament. Marcu klammert also absichtlich den zweiten Teil des Verses 28 aus, der sein gesamtes argumentatives Konstrukt zunichtemachen würde. Mehr noch, er lässt auch eine ganze Reihe von wesentlichen Versen aus, in denen der Apostel 

893 Zu einer detaillierten Beschreibung der Interpretation durch die christlichen Autoren der Beziehung zwischen dem Alten Testament und der Verkündigung Jesu Christi in den ersten Jahrhunderten der Geschichte des Christentums sowie implizit des Status eines auserwählten Volkes Israels, siehe Hubert Frankemölle, Frühjudentum und Urchristentum. Vorgeschichte – Verlauf – Auswirkungen (4. Jahrhundert v.Chr bis 4. Jahrhundert n. Chr.), W. Kohlhammer, Stuttgart, 2006, 330–424; Jacob Thiessen, Gott hat Israel nicht verstoßen. Biblisch-exegetische und theologische Perspektiven in der Verhältnisbestimmung von Israel, Judentum und Gemeinde Jesu, Peter Lang, Frankfurt am Main, 2010, 17– 30. 894 Zur Analyse der Nürnberger Rassengesetze und zur Darstellung der rassischen Gesetzgebung in Deutschland bis 1935, siehe Cornelia Essner, Die „Nürnberger Gesetze“ oder die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2002. 895 Vgl. Grigorie T. Marcu, Cuvinte despre Israel, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 2/februarie 1935, 9.

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Paulus genau das behauptet, was der rumänische Exeget zu leugnen sich bemüht. Schon in den ersten beiden Versen des 11. Kapitels löst Paulus das Problem ganz deutlich: „So frage ich nun: Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne! Denn auch ich bin ein Israelit, vom Geschlecht Abrahams, aus dem Stamm Benjamin. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erwählt hat“. Wenn er den Ausdruck „sein Volk“ verwendet, denkt Paulus an den identischen Ausdruck aus dem Sinaibund; er sieht sowohl das jüdische Volk als ethnische Wirklichkeit als auch den Bund zwischen ihm und Gott, oder genauer, die besondere Beziehung zwischen den beiden Partnern des Bundes, zwischen JHWH als Gott Israels und Israel als Volk JHWHs.896 In diesem Sinne, obwohl viele Juden sündig geworden seien, habe Gott einige von ihnen durch seine Gnade und nicht wegen ihrer Taten auserwählt, sodass sie weiterhin Sein Volk bleiben (3–6). Schließlich wird ganz Israel von Gott erlöst werden: Ich will euch nicht verhalten, liebe Brüder, dieses Geheimnis (auf das ihr nicht stolz seid): Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren, so lange, bis die Fülle der Heiden eingegangen sei und also das ganze Israel selig werde, wie geschrieben steht: „Es wird kommen aus Zion, der da erlöse und abwende das gottlose Wesen von Jakob. Und dies ist mein Testament mit ihnen, wenn ich ihre Sünden werde wegnehmen“. Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Wahl sind sie Geliebte um der Väter willen. Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (25–29).

Die wesentlichen Behauptungen aus den Versen 28–29 über die ununterbrochene Gültigkeit des Sinaibundes und folglich über das Erwähltsein Israels als ewiges Gottesvolk werden von Marcu ebenfalls absichtlich nicht in Betracht gezogen, weil sie sein Bild Israels widerlegen. Beim Apostel Paulus stützt sich die Überzeugung, dass ganz Israel erlöst wird, eben auf die eindeutige Akzeptierung der unauflöslichen Kontinuität des Sinaibundes und auf das daraus abgeleitete Versprechen, dass das gesamte jüdische Volk in der eschatologischen Zukunft wiederhergestellt werden wird (3. Mose 26 und 5. Mose 30).897 Dieses soteriologische Muster ist auch im Christentum beibehalten worden, wo die Erlösung sich ebenfalls auf die ununterbrochene Gültigkeit eines Bundes zwischen Mensch und Gott stützt, und zwar auf das neue, durch das Opfer Christi auf Golgotha vollbrachte Opfer (siehe Hebräer 7).



896 Vgl. Benjamin Lange, Gott bleibt Israel treu. Die Bundesbeziehung Gottes zu Israel im Sinaibund als Argumentationsgrundlage in Römer 9–11, Peter Lang, Frankfurt am Main, 2017, 249, 252; siehe auch Thiessen, Gott hat Israel nicht verstoßen, 109–138. 897 Vgl. Lange, Gott bleibt Israel treu, 283, 288–301; siehe auch Mark Reasoner, The Salvation of Israel in Romans 9–11, in: Gary A. Anderson/Joel S. Kaminsky (Hg.), The Call of Abraham. Essays on the Election of Israel. In Honor of John D. Levenson, University of Notre Dame Press, Notre Dame/Indiana, 2013, 256–279.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 239 In Marcus Interpretation ist die einzige spezifische Kontinuität des Volkes Israel jene der individuellen und kollektiven Handlung der Juden, die in der Vergangenheit zu deren Verstoßung durch Gott geführt habe und die auch die gegenwärtige rassistische, gegen sie gerichtete Gewalt begründe. Das Volk Israel, so Marcu, hat seine „ursprüngliche Sturheit“ für seinen „atavistischen und gefährlichen Exklusivismus“ nicht aufgegeben, der Verachtung aller anderen Völker bedeute und den Hass der Anderen auf die Juden heraufbeschwöre. Dieses Volk würde weiterhin Christus verstoßen, sei „ein Feind der Evangelien und befinde sich in einem jahrtausendealten Konflikt mit deren Postulat“.898 Obwohl die christliche Moral Gewalt ablehne und zur Liebe für den Feind aufrufe, bedeutet das in Marcus Auffassung nicht, dass die Christen passiv auf die Offensive „Israels, des Volkes ohne Land, ohne Christus und vor allem ohne korrekte moralische Imperative anderen Völkern gegenüber“ warten sollten. Der Krieg gegen Israel sei ein „Glaubenskrieg“ gegen die Tendenz der Juden, das nichtjüdische Element in der Welt zu beherrschen: Der Krieg gegen das Israel unserer Tage ist ein gerechter Krieg, ein Kreuzzug. Deutschland hat dieses Geschwür herausoperiert – christlich […] [es] hat den Unerwünschten ritterlich geholfen, ihre Sachen schneller zu packen.899

Wie schon angeführt, wird die Zerstreuung des Volkes Israel in der ganzen Welt von der christlichen Theologie als göttliche Strafe interpretiert, weil Israel Jesus als Messias abgelehnt hat. Marcu suggeriert im Grunde, dass die antisemitischen Aktionen in Deutschland, die auf die Ausweisung der Juden zielten, moralisch gerechtfertigt seien, denn sie würden diese göttliche Strafe konkretisieren. V.7.5. Die jüdische Weltverschwörung als materialistischer Messianismus Eines der Grundelemente des in der Presse der ROKS gepflegten Antisemitismus ist die Behauptung der Verschwörung der Juden gegen die christlichen Nationen und deren Begründung durch die Protokolle der Weisen von Zion. Was alle Juden charakterisiere, so Iuliu Moldovan, sei die mangelnde Loyalität für ein bestimmtes Vaterland und die Feindseligkeit gegenüber dem Christentum; Ziel der Juden sei die Realisierung eines universellen Judentums. Auf lokaler, rumänischer Ebene sei die Absicht der Juden, einen „Überstaat“ innerhalb des rumänischen Staates zu errichten, glücklicherweise auf die Reaktion des christlichen Nationalismus und der Landesregierungen gestoßen, die schon immer mit der „politisch-sozialen Haltung der rumänischen Juden“ gehadert hätten. Doch schließlich hätten die 

898 Vgl. Marcu, Cuvinte despre Israel, 10. 899 Ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Großmächte, infolge eben dieser vermeintlichen Verschwörung des Weltjudentums, den rumänischen Staat gezwungen, allen Juden in Rumänien die rumänische Staatsbürgerschaft zu verleihen.900 Hinter dem Wunsch der Juden nach einer politischen und wirtschaftlichen Weltherrschaft würden sich die Lehren des Talmud verbergen, gemäß derer das jüdische Volk von Gott dazu ausersehen sei, die Welt zu beherrschen.901 Um dieses Ziel zu erreichen, hätten die Juden eine Weltregierung (Kahal genannt) und die Freimaurerei gegründet, die für die Erlangung der Weltwirtschaftsmacht, für die Ausmerzung des Christentums und für die Änderung der gegenwärtigen politischen Ordnung kämpfe.902 Moldovan sieht die Auswirkungen einer jüdischen Weltverschwörung in allen Krisen, mit denen sich das Christentum in seiner Geschichte auseinandergesetzt hat, von den ersten Häresien über die Französische Revolution von 1789 bis zur Russischen, auf der „Ideologie des Juden Karl Marx“ gegründeten Revolution.903 Die antichristliche Dimension der bolschewistischen Revolution in Russland sei der deutliche Beweis, dass sie Teil des jüdischen Plans zur Zerstörung des Christentums ist.904 Angesichts dieser Sichtweise auf die Absichten der Juden ist der Antisemitismus für Moldovan lediglich eine Reaktion aus dem Überlebenstrieb heraus. Wir verteidigen uns durch legale Mittel, die der christlichen Lehre entsprechen. Nicht mit roher Gewalt, sondern mit der Waffe der Kultur, durch ehrliche Arbeit und nationale Solidarität kann gegen Aktionen der Gegner gekämpft werden. [...] Die antisemitische Reaktion oder der antisemitische Kampf zielt auf die Herstellung der Wahrheit anstelle der Lüge [...], auf die Ersetzung des falschen und verlogenen Internationalismus mit dem Konzept eines durch die christliche Ideologie gereinigten Nationalstaates, der die intellektuelle Elite, die Politiker und Kirchenmänner zusammenbringt, um die beiden Einrichtungen auf die sich die Zukunft des rumänischen Volkes gründet, Staat und Kirche, zu verteidigen.905

Arbeit (d.h. die Wirtschaft), Kultur und Christentum sind die drei Waffen im Kampf gegen den jüdischen Einfluss in der rumänischen Gesellschaft, was Molodvans Antisemitismus einen wirtschaftlichen/sozialen und religiösen/theologischen Charakter verleiht. Moldovan erkennt in den Juden ein intelligentes Volk und fordert sie auf, ihre wirtschaftlichen und kulturellen Bemühungen in den Dienst des Staates zu stellen und den „exklusivistischen Egoismus“, der ihre 

900 Vgl. Iuliu Moldovan, În apărarea creЮtinismului I, in: Telegraful Român, 44/8 iunie 1926, 1. 901 Vgl. Constantin Rudneanu, Talmudul duЮmanul CreЮtinismului, in: Foaia Diecezană, 11/14 martie 1937, 1. 902 Vgl. Moldovan, În apărarea creЮtinismului I, 2. 903 Vgl. ders., În apărarea creЮtinismului II, in: Telegraful Român, 45/11 iunie 1926, 1. 904 Vgl. ders., În apărarea creЮtinismului III, in: Telegraful Român, 46/15 iunie 1926, 1. 905 Ders., În apărarea creЮtinismului IV, in: Telegraful Român, 48–49/25 iunie 1926, 3.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 241 Gruppenidentität charakterisiere sowie die Ideologie des Internationalismus aufzugeben.906 Im Wesentlichen zielt dieser Antisemitismus, wie Moldovan auch explizit anführt, auf die Bewahrung der rumänischen Nation und verfolgt anderseits das Ziel, die Juden zu überzeugen, sich immer mehr in die rumänische Gesellschaft zu integrieren. Da als wirtschaftliches Problem verstanden, wird das jüdische Problem gleichzeitig als politisches wahrgenommen, weil die Juden durch die Besetzung von Schlüsselpositionen in der Wirtschaft, „die Rumänen zu Knechten“ gemacht und ihnen die Autorität innerhalb des eigenen Staates entwendet hätten.907 Durch die Demokratie, die Fremden und Rumänen gleiches Wahlrecht sichere, würden die Juden schon die Staatspolitik bestimmen. Um diesen Prozess der jüdischen Herrschaft aufzuhalten, müsse aus dem demokratischen politischen Prozess all das entfernt werden, was die Souveränität des rumänischen Volkes im Staat bedrohe und eine „Technik der Wahl der Staatsführung“ einführen, die diesem Zwecke diene.908 Die Ablehnung Christi durch die Juden sei eine Folge der Art und Weise, in der die Juden die messianischen Erwartungen des Judentums interpretierten und durch ihre Existenz erfüllt hätten.909 Anstatt ein geistiges Gottesreich auf Erden zu errichten, hätten die Juden von Christus, dem Messias erwartet, sie von der römischen Herrschaft zu befreien und als auserwähltem Volk Gottes die Herrschaft über die Welt zugesprochen zu bekommen, in der sie das „legitime und exklusive Erbe“ sehen, das ihnen von JHWH versprochen worden sei.910 Indem sie sich selbst weiterhin als auserwähltes Gottesvolk betrachten, trennen sich die Juden von den Christen und leben unter diesen wie Fremde, doch anderseits nutzen sie eine materialistische Deutung der messianischen Erwartung, um die Welt zu beherrschen: Ihr Messias, der sich immer noch verspätet, wird nicht mehr von oben her kommen, denn sie bereiten seinen Weg hier auf Erden vor. Ihnen gehören alle Güter der Erde, denn sie haben die Unsterblichkeit ihrer Seele erkauft und das andere Leben haben sie uns, den christlichen „Träumern“, überlassen.911

Der wesentliche Unterschied zwischen Christen und Juden besteht somit darin, dass Erstere die Errichtung des geistigen Reiches Gottes auf Erden erwarten, 

906 Vgl. ebd. 907 Vgl. ***Problema evreiască în аara noastră, in: Telegraful Român, 35/29 august 1937, 1; siehe auch Dinu Pajură, Strigătul neamului. A ajuns cuаitul la os, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 8– 9/august–septembrie 1937, 1–2. 908 Vgl. ***Problema evreiască în, 1; siehe auch ***Paza bună înconjură primejdia, in: Legea Românească, 43/5 noiembrie 1922, 1–2. 909 Vgl. ***CreЮtinism Юi Iudaism, in: Foaia Diecezană, 51/22 decembrie 1935, 7. 910 Vgl. ebd. 911 Andrei Magier, Antisemitism?, in: Legea Românească, 48/10 decembrie 1922, 1.

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während Letztere durch eigene Kräfte eine materielle Herrschaft über die ganze Welt errichten wollen. Diese Tendenz der Juden zu Materialität habe zur Entwicklung der Wirtschaft und der Technik geführt, was eine radikale Veränderung der Lebensbedingungen der Christen in der Moderne bewirkt habe: Die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen sei gleichzeitig zur Schwächung des Glaubens und der Grundlage des Seelenlebens der christlichen Völker gefahren.912 Die Fokussierung der unheilvollen, gegen Europa gerichteten Tätigkeit der Juden wird als Indikator eines angeblichen Konflikts zwischen der europäischen und der jüdischen Zivilisation interpretiert, wobei Letztere die Ausmerzung des Christentums und dadurch die Zerstörung der Zivilisationsgrundlage Europas verfolge.913 Aus der lokal-nationalen Perspektive bestehe die Lösung des jüdischen Problems in Rumänien laut Magier nicht in der erzwungenen Konversion der Juden, sondern in der Identifizierung eines friedlichen, auf christliche Grundlagen gestellten modus vivendi: Unser Ziel bezüglich der Juden kann nur jenes vom Erlöser aufgezeigte sein: Der Friede. Vielleicht wollen jene, die Ihn einstmals gekreuzigt haben, sein Antlitz aus unseren Herzen auslöschen und Seinen Namen, den wir mit Ehrfurcht aussprechen, vergiften. Deswegen müssen wir wach bleiben. Müssen die dunklen Taten aufdecken, denn Christus dürfen wir nicht ein zweites Mal der Kreuzigung überlassen.914

Mit anderen Worten, eine feindliche, unchristliche Haltung gegenüber den Juden wäre im Grunde eine Form des Verrats an Christus und die Wiederholung der ähnlich feindlichen Haltung der Juden. V.7.6. Der theologische Antisemitismus als symbolische Ghettoisierung der Juden Es ist ersichtlich, dass der Antisemitismus, den die Kirchenelite auf die Gesellschaft überträgt, ein theologischer, wirtschaftlicher, sozialer, politischer, jedoch kein rassistischer ist. Mit anderen Worten: die feindselige Haltung gegenüber den Juden entspringt der antijüdischen Tradition des Christentums sowie der wirtschaftlichen und sozialen Konkurrenz mit den Juden, aber nicht den Rassentheorien des 19. Jahrhunderts. Das Fehlen dieser rassischen Dimension ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Antisemitismus in der Presse der ROKS und dem der Legion Erzengel Michael, der LANC bzw. der PNC. 

912 Vgl. ebd. 913 Vgl. ***CreЮtinism Юi Iudaism, 8. 914 Magier, Antisemitism?, 2.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 243 Der theologische Antisemitismus, so wie er vornehmlich von Neaga und Marcu vertreten wird, muss als zentrales Element des Nationalismus der ROKS betrachtet werden. Sein Ziel ist die symbolische Ghettoisierung der jüdischen Gemeinschaft, indem deren Anspruch, Teil der rumänischen Gesellschaft und des rumänischen Staates zu sein, für nichtig erklärt wird. Für die Kirchenelite ist es selbstverständlich, dass die Juden zu einer ganz anderen Ethnie als die Rumänen gehören. Doch auch in religiöser Hinsicht könne es keine Kompatibilität zwischen dem Orthodoxen Christentum der Rumänen und der Religion der Juden geben, also auch kein gemeinsames Element, auf dem eine gemeinsame Existenz aufgebaut werden könnte, weil das Alte Testament, das als gemeinsames Element in dieser Beziehung gelten könnte, in Wirklichkeit nicht den Juden gehöre, die es niemals auf existentieller Ebene angenommen hätten. Aus dieser Perspektive sei das Alte Testament lediglich der Offenbarungsrahmen gewesen zur Vermittlung des virtuellen Wesens des Christentums, das schließlich durch die Menschwerdung des Gottessohnes aktualisiert worden ist (siehe Galater 4). Diese symbolische Ghettoisierung wird im öffentlichen Diskurs der ROKS von der Idee einer konkreten Trennung der jüdischen von der rumänischen Gemeinschaft begleitet. Im Leitartikel vom 16. Januar 1938 in Telegraful Român wird betont, dass der Erfolg der nationalistischen und antisemitischen Parteien bei den Wahlen im Dezember 1937 ein Zeichen dafür sei, dass die rumänische Gesellschaft eine Lösung der sogenannten Judenfrage fordere. Die Lösung dieses Problems sei politisch und setze die Schaffung eines Staates voraus, in dem alle nichtassimilierten Juden aus Europa leben sollten.915 Die Tatsache, dass der Leitartikel nicht alle Juden, sondern nur die nichtassimilierten berücksichtigt, zeigt, dass der Autor dieses Textes keineswegs rassisch an das sogenannte „jüdische Problem“ herangeht. Dieser Text bedient sich jedoch einer gewalttätigen Sprache. Alle europäischen Länder sollten dem Einfluss jüdischer Organisationen standhalten und eine gemeinsame Vereinbarung beschließen, mit dem Ziel, „die Atmosphäre von einer Mikrobe zu reinigen, die eine ständige Störung zwischen den Völkern aufrechterhält“.916 Darüber hinaus solle ein Weg gefunden werden, einen jüdischen Staat aufzubauen: Es wäre sogar im Interesse des jüdischen Volkes, gezwungen zu werden, einen eigenen Staat zu gründen und dessen Boden zu bearbeiten, um somit ehrlich gegenüber den anderen Nationen zu leben, statt sich nur als Kaufleute, die das Geld ansammeln, in diese Nationen zu infiltrieren, um mit diesem Geld das ganze Leben und die ganze Arbeit dieser Nationen beherrschen zu wollen. Wäre die Judenheit gezwungen, sich zu versammeln und ihre Söhne in alle produktiven Funktionen zu repatriieren, wäre sie gezwungen, ehrlich und nicht als schlauer und betrügerischer Parasit anderer Nationen zu leben, dann könnten die Juden die gegenwärtigen Laster 

915 Vgl. ***Necesitatea soluаionării problemei evreeЮti, in: Telegraful Român, 3/16 ianuarie 1938, 1. 916 Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens loswerden und die Tugend der Arbeit, der Ehrlichkeit und der offenen Handlung erwerben. Dann könnten sie sich sogar christianisieren, da sie nicht länger an der religiösen Unterscheidung als dem einzigen Element festhalten müssen, das sie vor der Assimilation mit den Völkern schützt, unter denen sie gegenwärtig leben; es gäbe dann andere Elemente, die sie als eigenständiges Volk erscheinen lassen.917

Die Argumente für den Ausschluss der Juden aus der europäischen Gesellschaft sind wirtschaftlicher oder soziokultureller Natur (z.B. wegen des Scheiterns der Assimilation) und die Tatsache, dass sie indirekt eingeladen werden, ihre Religion aufzugeben und das Christentum zu akzeptieren, ist ein zentrales Element des traditionellen theologischen Antisemitismus der Kirche. Weder Religion noch Rasse sind für den Autor dieses Textes wesentliche Elemente der jüdischen Identität/Alterität. Für ihn stellt aber das soziale Handeln der nichtassimilierten Juden ein Problem dar. V.7.7. Exkurs: Die Rolle des Metropoliten Nicolae Bălan bei der Rettung von Juden vor dem Holocaust Fakt ist, dass der theologische, wirtschaftliche, soziale und politische Antisemitismus durch die Zeitungen der orthodoxen Metropolie von Siebenbürgen in die Öffentlichkeit getragen wurde. Es darf aber nicht die wichtige Rolle verschwiegen werden, die der Metropolit Bălan bei der Rettung von Juden aus Südsiebenbürgen vor der Deportation in die Konzentrationslager des nationalsozialistischen Deutschlands während des Zweiten Weltkriegs spielte. Alexandru ‫܇‬afran (1910– 2006), Oberrabiner von Rumänien zwischen 1940 und 1947, berichtet, wie es ihm gelungen ist, Bălan 1942 zu überzeugen, auf Marschall Ion Antonescu einzuwirken, um die Deportation der Juden zu stoppen. Obwohl er Bălan als „berüchtigten Antisemiten“ ansah, wandte sich ‫܇‬afran an den orthodoxen Metropoliten, dem es wiederum gelingt, von Marschall Ion Antonescu die Nicht-Auslieferung der Juden aus Südsiebenbürgen zu erhalten. Infolge der Intervention Bălans wurden zehntausende Juden vor dem Tod bewahrt.918 Am 30. Oktober 1943 schickten der frühere Präsident der zionistischen Organisationen in Siebenbürgen und im Banat, Carol Reiter, und der frühere Präsident der Union der jüdischen Gemeinden in Siebenbürgen und im Banat, Alexandru Nobel, einen Brief an Nicolae Bălan. Sie fordern die Metropoliten auf, alles zu tun, um 70.000 vom rumänischen Staat nach Transnistrien deportierte Juden zu retten.919 Dieser Brief und diese Bitte sind offensichtlich die Folge von Bălans Vorgehen im Jahr 1942 und zeigen, dass der Metropolit von Siebenbürgen 

917 Ebd. 918 Vgl. Carol Iancu, Alexandru Эafran. O viaаă de luptă, o rază de lumină, Hasefer, Bucure‫܈‬ti, 2008, 161. 919 Vgl. ***Archiv der Metropolitanbibliothek, Fundus Bălan, Dokument 1800.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 245 von den Führern der jüdischen Organisationen in Rumänien als fähig und bereit angesehen wurde, für die Rettung der Juden einzutreten. Wenn ‫܇‬afran den Metropoliten Bălan 1942 als „berüchtigter Antisemiten“ betrachtete, führte das konkrete Vorgehen des siebenbürgischen Metropoliten zu einer Änderung seiner Wahrnehmung durch die Führer der jüdischen Organisationen in Rumänien: In einem Brief vom 27. September 1944 an Nicolae Bălan dankte Josef Grünberg, der Präsident des Zweigs Sibiu der zionistischen Organisation Siebenbürgens, dem orthodoxen Metropoliten für die Rettung der Juden aus Siebenbürgen und bezeichnet ihn als „heldenhaften Kämpfer und Retter aus unserem Elend und vor unserer Zerstörung“.920

V.8. Die Haltung zu Kommunismus und Nationalsozialismus V.8.1. Der Kommunismus Einer der bedeutendsten Gegner der Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts war der internationale Sozialismus, der eine Solidarität der Arbeiterklasse jenseits der Grenzen der Nationalstaaten förderte.921 Wenn Anfang des 19. Jahrhunderts verschiedene Vertreter des Sozialismus Möglichkeiten der Integrierung von Religion in das Umstrukturierungsprojekt der Gesellschaft suchten, stellte die Philosophie von Karl Marx (1818–1883) einen radikalen Bruch mit der Tradition des europäischen Sozialismus dar.922 Bei Marx sind Materialismus und Atheismus zentrale Axiome der gesellschaftlichen Umstrukturierung, denn in seiner Auffassung entfremde die Religion das Individuum von seiner wahren Natur und verhindere dessen Integration in die soziale Wirklichkeit, indem sie die Illusion einer transzendenten spirituellen Welt aufrecht erhalte.923 Da die gesamte Struktur, aufgrund derer die Gesellschaft funktioniere, ausschließlich das Ergebnis der Interaktion zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Individuen und Gruppen darstelle, würden alle Probleme des Individuums von der Art und Weise generiert, in der die Gesellschaft organisiert ist.924 Um diese Probleme zu lösen, betont Marx, müsse das Individuum hic et nunc handeln und keinesfalls auf die von der Religion versprochene transzendente Gerechtigkeit warten. Die gesellschaftlichen Missstände müssten in dieser Welt durch die Revolte der Arbeiterklasse gegen die Herrschaftsklasse (das heißt gegen das Bürgertum) gelöst werden, nicht in einer illusorischen 

920 921 922 923 924

***Archiv der Metropolitanbibliothek, Fundus Bălan, Dokument 1801. Vgl. Chadwick, The Secularization, 128–129. Vgl. ebd., 53. Vgl. ebd., 66. Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Zukunft durch göttliches Einwirken.925 Die Religion sei folglich das „Opium des Volkes“, welches durch das Versprechen der transzendenten Gerechtigkeit wie eine Droge zur Verhinderung der Revolte des Proletariats gegen das Bürgertum und dadurch der Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft wirke.926 Für Marx ist die Religionskritik intrinsisch an die Staatskritik gebunden, weil der Staat eine Instanz zur Konservierung der Klassengesellschaft sei.927 Im politischen Leben des Königreichs Rumänien vor 1918 war der Sozialismus durch die Demokratische Sozialistische Partei vertreten, die sich 1919 zu Sozialistische Partei (Partidul Socialist, PS) umbenannte. In den anderen rumänischen Provinzen gab es die Sozialdemokratische Partei (Partidul Social Democrat) aus Siebenbürgen und dem Banat, die Sozial-demokratische Partei (Partidul Social Democrat) aus der Bukowina sowie verschiedene sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Organisationen in Bessarabien.928 Sie bildeten die Föderation der Sozialistischen Parteien Rumäniens (Federaаia Partidelor Socialiste din România), die im Mai 1927 zur Rumänischen Sozial-Demokratischen Partei (Partidul Social Democrat Român, PSDR) wurde. Das politische Programm der Partei war auf die Ideen Constantin Dobrogeanu Ghereas (1855–1920) gegründet und nahm sich die Emanzipation der Arbeiterklasse sowie die Umgestaltung der Wirtschaft und des rumänischen Staates auf den Grundlagen der sozialistischen Ideologie vor.929 1921 entstand die Rumänische Kommunistische Partei (Partidul Comunist Român, PCR) aus der PS, was zu einem Bruch innerhalb der sozialistischen Bewegung fuhr. Der Hauptkonflikt zwischen den moderaten Sozialisten (PSDR) und den radikalen Marxisten, d.h. der Kommunistischen Partei, entstand aus dem Anspruch Moskaus heraus, die internen Beschlüsse der PSDR zu diktieren, einem Anspruch, der von den moderaten Sozialisten entschieden zurückgewiesen wurde. 1924 wurde die PCR vom rumänischen Staat verboten, weil sie die Ansprüche der Sowjetunion auf Bessarabien unterstützte.930 1933, während sie im Untergrund agierte, bestand die PCR aus 440 Ungarn, 375 Rumänen, 300 Juden, 140 Bulgaren, 100 Russen, 70 Moldaviern, 70 Ukrainern und 170 anderen Volks-

925 Vgl. ebd., 65; siehe auch Klaus von Beyme, Sozialismus. Theorien des Sozialismus, Anarchismus und Kommunismus im Zeitalter der Ideologien 1789–1945, Springer, Wiesbaden, 2013, 172–173. 926 Vgl. A.M. McKinnon, Reading „Opium of the People“: Expression, Protest and the Dialectics of Religion, in Critical Sociology, 31/2005, 15–38; vgl. auch Chadwick, The Secularization, 65. 927 Vgl. Chadwick, The Secularization, 55. 928 Vgl. Scurtu (Hg.), Istoria Românilor, Volumul VIII, 234. 929 Vgl. Vladimir Tismăneanu, Stalinism pentru eternitate. O istorie politică a comunismului românesc, Polirom, Ia‫܈‬i, 2005, 62–63, 79. 930 Vgl. ebd., 65–79.

Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 247 zugehörigen.931 Die relativ große Anzahl von Juden in der PCR wurde von den nationalistischen Bewegungen intensiv als Argument zur Begründung ihres Antisemitismus herangezogen. Die Haltung der Kirchenelite dem Kommunismus gegenüber wurde in einem nicht unerheblichen Maße von den Christenverfolgungen in der Sowjetunion bestimmt. Für Constantin Zoican ziele die Verfolgung der Orthodoxen Kirche in der Sowjetunion auf die Entfernung Jesu Christi aus dem Bewusstsein der Massen zum Zweck der Durchsetzung der „Psychose des materialistischen Glücks“ als Instrument der Gestaltung einer neuen sozialen Ordnung.932 Da er im Wesentlichen eine Reaktion auf die konservativen politischen und sozialen Strukturen darstelle, verfolge der Kommunismus die Kirche, in der er ein ideologisches Instrument des Bürgertums zur Sicherung seiner Herrschaft über die anderen sozialen Klassen sieht.933 Aus der Perspektive des Kommunismus müssen nicht nur die christliche Kirche und die Religion allgemein, sondern auch der Nationalstaat zerschlagen werden, um das Aufkommen eines internationalen Proletariats als Mittel zur Umgestaltung der Weltordnung zu ermöglichen.934 Doch das Projekt des russischen Kommunismus sei nur scheinbar ein politisches, eigentlich finde in der Sowjetunion die Konfrontation zwischen Christentum und Judentum statt, und diese Konfrontation wird als Folge der Weltverschwörung des internationalen Judentums gegen die christlichen Völker dargestellt. In diesem Sinne betont der öffentliche Diskurs der ROKS immer wieder die jüdische Herkunft von Karl Marx935 und die Art und Weise, wie dessen Weltanschauung durch diesen ethnischen und religiösen Hintergrund beeinflusst worden sei. Obwohl Atheist und Materialist, so Aurel Radu, bewahre Marx in seinem Unterbewusstsein die jüdische messianische Idee, die er auf das Proletariat übertrage, das somit in den Status eines „die Menschheit befreienden und heilsbringenden Messias“ erhoben werde.936 Dadurch wird der Kommunismus in den breiteren Rahmen des Antisemitismus gestellt. Die Anwesenheit von Juden unter den Führern der bolschewistischen Revolution von 1917 in Russland wird von A.U. Doloveanu durch den Rückgriff auf die jüdische Religion erklärt: Diese sei

931 Vgl. Dennis Deletant, Romania under Communist Rule, Civic Academy Foundation, Bucharest, 1998, 17. 932 Vgl. Constantin Zoican, Urmările..., in: Telegraful Român, 26/2 aprilie 1930, 1. 933 Vgl. Coriolan Bărbat, Religia, biserica Юi marxismul, in: Telegraful Român, 87/12 decembrie 1928, 1. 934 Vgl. Zoican, Urmările..., 1. 935 Siehe z.B. ***În faаa ofensivei comuniste, in: Telegraful Român, 35/23 august 1936, 1; X, Suferinаele clerului ortodox în Rusia, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 28/23 iulie 1923, 4–5; A.U. Doloveanu, Substratul ideologiei bolЮevice, in: Foaia Diecezană, 19/21 mai 1930, 3; Aurel Radu, Aspectul religios al comunismului rus, in: Revista Teologică, 1–2/ianuarie–februarie 1935, 47. 936 Vgl. Radu, Aspectul religios, 47; siehe auch Zoican, Urmările..., 1.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

im Wesentlichen eine Religion des Irdischen, der Materie, was auch das Interesse der Juden an dem vom Kommunismus geförderten Materialismus erkläre.937 Weil der Kommunismus ein Produkt der jüdischen Rasse sei, so Stăniloae, und auch eine von deren Aktionsformen in der Welt, dürfe er nicht durch ideologische Argumente bekämpft werden, sondern durch antirassische Aktionen. In diesem Sinne weist der Theologe darauf hin, dass der Kommunismus in Rumänien zu einem „Instrument der Ausbeutung durch die Fremden“ geworden sei; das würde auch erklären, dass er „eben von einigen unerwünschten, vor Kurzem zu Staatsbürgern unseres Landes gewordenen Personen so fanatisch gefördert werde“.938 Im Geiste der nationalistischen Sprache der Zeit bezieht sich der Begriff „Fremde“ ganz deutlich auf die Juden. Dieser Bezug wird explizit, wenn Stăniloae den Vorschlag unterbreitet, der Staat solle „alle Individuen, die zu einer bestimmten Rasse gehören, nach Palästina ausweisen“ und sogar betont, dass „die Kirche dazu rät und den Segen dazu gibt“.939 Die Tatsache, dass Stăniloae den Begriff „Rasse“ verwendet, sollte nicht zu Fehlschlüssen führen. Für den rumänischen Theologen ist dieser Begriff nichts anderes als ein Synonym für Nation, Volk, ethnische Gruppe usw. Dies zeigt sich in erster Linie darin, dass dieser Begriff nicht verwendet wird, um die Rassen in obere und untere, reine und entartete usw. zu teilen, wie dies die Rassisten in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts taten, sondern bloß, um die jüdische Gemeinschaft begrifflich zu fassen. Kurz gesagt, Stăniloae hat eine feindliche Haltung gegenüber den Juden, nicht weil sie einer bestimmten Rasse/ethnischen Gruppe angehören, sondern aufgrund ihres sozialen Handelns, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass er in ihnen ein Mittel zur Verbreitung des Kommunismus in Rumänien sah. Diese Rhetorik Stăniloaes gegen den Fremden/den Juden und die Behauptung, die ROK würde eine eventuelle Entjudungsaktion des Staates unterstützen, sind das direkte Echo der Ideen aus dem Pastoralbrief des Episkopats aus Siebenbürgen gegen den Kommunismus (Pastorala episcopatului din Ardeal împotriva comunismului), einem offiziellen Dokument der ROKS vom 22. September 1936. In diesem Pastoralbrief betonen die orthodoxen Bischöfe Siebenbürgens, dass der multiethnische Charakter der kommunistischen Bewegung Rumäniens ein Zeichen für ihren antinationalen Charakter sei. Der Kommunismus wird somit in ein dualistisches nationalistisches Schema gestellt: Rumänisch-fremd, orthodox-nichtorthodox bzw. christliches Russland versus antichristlicher Kommunismus. Ziel des Kommunismus sei es, die Zivilisation der Länder zu zerstören, in denen er an die Macht kommt, was ihm einen zutiefst anarchischen Charakter verleihe. Ideologie und politische Aktion des Kommunismus gründeten in der 

937 Vgl. Doloveanu, Substratul ideologiei bolЮevice, 3. 938 Dumitru Stăniloae, Biserica împotriva comunismului, in: Telegraful Român, 42/11 octombrie 1936, 1. 939 Ebd.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 249 animalischen Seite des Menschen und dessen Leidenschaften; darin liege der radikale Unterschied zum Christentum. Im Grunde seines Wesens verspreche der Kommunismus den Himmel auf Erden durch die Gestaltung einer klassenlosen Gesellschaft, was eine gewaltsame Umwandlung der bestehenden staatlichen Ordnung voraussetze.940 Die menschliche Person werde auf den Körper und dessen materielle Bedürfnisse reduziert, während die Seele und das Leben nach dem Tod für den Kommunismus lediglich illusionär seien. Innerhalb dieses Mechanismus einer sozialen Gleichschaltung verschwinde die Individualität der menschlichen Person in der formlosen Masse einer undifferenzierten Gesellschaft.941 Die ROKS weist darauf hin, dass die Abschaffung der sozialen Ungerechtigkeiten nicht gewaltsam durchgesetzt werden kann, wie das der Kommunismus tue, sondern nur durch die Übertragung der Lehre Jesu über Liebe und Gerechtigkeit in das eigentliche Leben der Menschen.942 Die zentrale Botschaft der ROKS wird somit zu einer pastoralen, die besagt, dass die effizienteste Methode zur Bekämpfung des Kommunismus in der Stärkung des christlichen und nationalen Charakters des rumänischen Staates und implizit der Gesellschaft bestehe. Für Stăniloae ist die bolschewistische Revolution in Russland eine direkte Folge der Französischen Revolution und dadurch des Utopismus der Renaissance, die eine ausschließlich auf rationalistischer Grundlage errichtete Gesellschaft im Auge gehabt habe. Der Kommunismus sei, so Stăniloae, auf einem falschen anthropologischen Ansatz gegründet: Er versuche, die negativen Erscheinungsformen der menschlichen Freiheit, die in der Entstehung einer ungerechten sozialen Ordnung konkretisieren, durch deren vollständige Leugnung zu korrigieren.943 Wenn das Christentum der individuellen Freiheit gewisse Schranken setze, so tue es das, um dem Menschen die Perspektive der Transzendenz und des Heils als Belohnung für diese Einschränkung der Freiheit zu eröffnen; auf diese Weise trage das Christentum implizit zur Bewahrung der sozialen Ordnung bei.944 Der Beitrag des Christentums zu diesem Ordnungsprozess der Gesellschaft bestehe darin, dass die Bürger durch die Perspektive auf das Himmelreich die vom Staat ergriffenen Maßnahmen zur Bewahrung der sozialen Ordnung nicht mehr als willkürlich und tyrannisch wahrnehmen würden.945 Das Christentum verleiht daher den staatlichen Maßnahmen eine transzendente Orientierung und der Staat ist, wie schon im vorhergehenden Kapitel 

940 Vgl. ***Pastorala episcopatului din Ardeal împotriva comunismului, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 42/18 octombrie 1936, 2. 941 Vgl. ebd., 3. 942 Vgl. ebd., 4. 943 Vgl. Dumitru Stăniloae, Libertate Юi păcat, in: Telegraful Român, 44/25 octombrie 1936, 1. 944 Vgl. ebd. 945 Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

gezeigt, ein der Kirchenmission komplementäres soteriologisches Instrument. Dieses Zusammenspiel und die gegenseitige Bedingung zwischen politischer Staatsordnung und Himmelreich sei, so Stăniloae, ein Fatalismus der menschlichen Geschichte nach der Menschwerdung des Gottessohnes, denn der Staat könne durch das Versprechen eines immanenten Guts keine dauerhafte Ordnung mehr bewahren.946 Der Kommunismus ist folglich wesentlich ein Anarchiefaktor, indem er nach der Destrukturierung der Weltordnung durch Aufhebung der anthropologischen, sozialen und politischen Wirkungen der Menschwerdung Christi trachte. Der vom Kommunismus und vor allem von der bolschewistischen Revolution geförderte radikale Anarchismus lasse die Errichtung einer sozialen Ordnung zu einer Unmöglichkeit werden, denn, so Nicolae Terchilă, um zu existieren, muss jede neue Ordnung sich auf der alten gründen und um erhalten werden zu können, müsse sie sich auf eine Autorität stützen.947 Die Autorität setze ihrerseits die Existenz einer Hierarchie voraus und beide werden vom Kommunismus geleugnet, eben weil er die aus der Französischen Revolution übernommene Gleichheitsidee zu deren extremen Konsequenzen führe.948 Die Ideologie der Französischen Revolution behaupte, so Stăniloae, dass die Menschen von Natur aus gleich seien, doch diese ontologische Gleichheit werde durch die soziale Ordnung geleugnet. Folglich müsse diese umstrukturiert werden, um die angebliche natürliche Gleichheit der Menschen widerzuspiegeln.949 Anders als der Kommunismus erkenne das Orthodoxe Christentum die den Individuen inhärenten Unterschiede an und behaupte, dass die authentische soziale Hierarchie auf diesem anthropologischen Ansatz gegründet sein müsse.950 Eine solche Hierarchie der sozialen Ordnung solle nicht nur die Herrschaft einer Gesellschaftsklasse über den Anderen, sondern auch eine für alle vorteilhafte soziale Ordnung sichern.951 Aus der Perspektive der orthodoxen Theologie müsse die soziale Hierarchie ein getreuer Spiegel der „ontologischen Hierarchie“ sein und gleichzeitig die individuelle Opferbereitschaft für das Wohl der Gemeinschaft fördern.952 Bei Stăniloae weist die Idee einer ontologischen Hierarchie auf eine familienspezifische Hierarchie hin, in der der Vater das Haupt darstellt. Diese Familienordnung sei ihrerseits die Widerspiegelung der innerhalb der Heiligen Dreieinigkeit herrschenden Ordnung: Die orthodoxe Triadologie behaupte, dass, 

946 Vgl. ebd. 947 Vgl. Nicolae Terchilă, În аara lui „Antichrist“, in: Telegraful Român, 62/3 septembrie 1930, 2. 948 Vgl. Dumitru Stăniloae, Necesitatea ierarhiei în viaаa socială, in: Telegraful Român, 39/20 septembrie 1936, 1. 949 Vgl. ebd. 950 Vgl. ebd.; siehe auch ***BolЮevism, in: Legea Românească, 36/16 septembrie 1923, 1. 951 Vgl. ebd. 952 Vgl. ebd.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 251 obwohl die drei Personen der Dreieinigkeit ontologisch untereinander gleich sind, die Person des Vaters die Existenzquelle sowohl des Sohnes als auch des Heiligen Geistes darstelle.953 Die Förderung des Klassenkampfes, d.h. des Hasses und der Rache zwischen Proletariat und Bürgertum stelle, so Constantin Zoican, den Mechanismus dar, durch den der Kommunismus soziale Anarchie schaffe. Sowohl die „Autokratie der herrschenden Klasse“ als auch der „messianische Mythos des Proletariats“ stehen auf einer materialistischen Weltanschauung, die zur Beherrschung der irdischen Güter und zur Leugnung der geistigen Werte aufrufe.954 Im Wesentlichen werde die soziale Anarchie von der ausschließlichen Förderung des Ideals eines „wirtschaftlichen Menschen“ und des immanenten Paradieses generiert, einem Ideal, das den Beitrag des Christentums zur sozialen Ordnung ausschließe.955 In diesem Sinne weist Zoican darauf hin, dass das Bürgertum ein Produkt des atheistischen Kapitalismus darstelle und die Kommunisten ihrerseits das Proletariat in geistiger Hinsicht, nämlich durch die Leugnung der Kultur, der geistigen Schöpfungen, der Freiheit sowie des Christentums, entwurzelt hätten.956 Aus dieser Perspektive könne die Errichtung des sozialen Friedens anstelle des Klassenkampfes und folglich der Ordnung anstelle der Anarchie nur durch eine „christliche Wiedergeburt“ realisiert werden; diese Wiedergeburt solle dem Menschen helfen, seine „Berufung zur Ewigkeit“ zu erfüllen und dadurch die immanenten Grenzen des Wirtschaftlichen und der Materialistischen zu überwinden.957 Weil er Nation und Nationalstaat leugnet, sowie wegen des Materialismus und des Klassenkampfes als Mittel zur Neugestaltung der Gesellschaft, wegen der Anarchie, die er erzeugt, der Verleugnung des Autoritätsprinzips im Namen eines radikalen Egalitarismus, wegen seiner angeblichen jüdischen Wurzeln und der Instrumentalisierung durch das internationale Judentum, wurde der Kommunismus von der ROKS entschieden abgelehnt und als Gefahr für die rumänische Nation dargestellt. Die Inkompatibilität zwischen Christentum und Nationalismus einerseits und Kommunismus andererseits ist absolut.



953 Vgl. ebd. Was die klassische Erklärung der Monarchie des Vaters betrifft und der Art, wie diese die Existenz eines einzigen Gottes, trotz der drei göttlichen Personen, begründet, siehe Gregor von Nazianz, Oratio XX, und Oratio XXXI, in Vladimir Lossky, The Mystical Theology of the Eastern Church, St Vladimir’s Seminary Press, New York, 1976, vor allem 59. 954 Vgl. Constantin Zoican, Lupta de clasă Юi aprecierea creЮtină, in: Telegraful Român, 34/16 august 1936, 1. 955 Vgl. ebd. 956 Vgl. ebd. 957 Vgl. ebd.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

V.8.2. Der Nationalsozialismus Anders als der Kommunismus gründete der Nationalsozialismus seine Ideologie und politische Praxis auf der Idee der Nation als rassischer Gemeinschaft. Dieses ideologische Merkmal führte dazu, dass die faschistischen Bewegungen und das nationalistische Umfeld in Rumänien dem Nazismus mit Sympathie begegneten. Die Ursprünge der nationalsozialistischen Ideologie liegen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, als das rassische Denken und der Antisemitismus einen großen Einfluss auf die europäischen Intellektuellen ausübten. Die von Charles Darwin (1809–1882) in seinem Werk Über die Entstehung der Arten (1859) dargelegte Theorie zur natürlichen Auslese ist von Denkern wie Herbert Spencer (1820–1903) zur Erklärung der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft aufgenommen worden; das führte zu einem Sozialdarwinismus, der besagte, dass der Überlebenskampf eine Tatsache der menschlichen Existenz darstelle und dass nur die stärksten Individuen überleben, während die schwächeren verschwinden.958 Antisemitismus, Rassismus und Sozialdarwinismus charakterisierten das nationalistische Umfeld im Deutschland der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts959 und wurden von Adolf Hitler (1889–1945) in Mein Kampf (1926) systematisiert. Hitler stellte die überlegene arische/germanische Rasse der minderwertigen jüdischen gegenüber und dieser rassische Antagonismus wurde zur Grundlage seiner gesamten Weltanschauung. Der rassische, von Hitler geförderte Darwinismus besagte, dass die germanische Rasse im Kampf gegen die jüdische siegen und die jüdische Rasse aus dem deutschen Volkskörper entfernen werde.960 Mehr noch, um seine rassischen Fähigkeiten zu entwickeln, müsse Deutschland Lebensraum in Osteuropa erringen.961 Im Marxismus sah Hitler das Instrument der Juden zur Weltherrschaft. Aus dieser Perspektive sah Hitler in seinem Antisemitismus einen Beitrag zu Gottes Werk der Bewahrung der Welt vor den destruktiven Handlungen der Juden.962 Am 30. Januar 1933 wurde Hitler als Vorsitzender der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) zum Reichskanzler ernannt und seine Weltanschauung wurde zu jener Staatspolitik, die im September 1939 zum Überfall auf



958 Vgl. Lisa Pine, Hitler’s National Community. Society and Culture in Nazi Germany, Bloomsbury Publishing, London, 2017, 16. 959 Siehe dazu Gangolf Hübinger, Der deutsche Antisemitismus im frühen 20. Jahrhundert, in: Ulrich A. Wien (Hg.), Judentum und Antisemitismus in Europa, Mohr Siebeck, Tübingen, 2017, 223–246. 960 Vgl. Eric Voegelin, Hitler und die Deutschen, Wilhelm Fink, München, 2009, 144f. 961 Zu einer Analyse des Begriffs des Lebensraums und dessen praktischen Implikationen für die deutsche Politik während des Dritten Reiches, siehe Birgit Kletzin, Europa aus Rasse und Raum. Die nationalsozialistische Idee der Neuen Ordnung, LIT, Münster, 2002. 962 Vgl. Wiedemann, The Aryans: Ideology, 44.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 253 Polen, 1941 zum Einmarsch in die Sowjetunion und zur Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs führte.963 Die Ideologie und politische Praxis des Nationalsozialismus wurden nicht nur durch Rassismus und Antisemitismus charakterisiert, sondern auch durch die Einführung der Diktatur. Am 1. Dezember 1933 wurde „Das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat“ erlassen, welches die NSDAP als „Trägerin des deutschen Staatsgedankens und mit dem Staat unlöslich verbunden“964 etablierte. Die absolute Einrichtung der nationalsozialistischen Diktatur fand am 1. August 1934 statt, als die Reichsregierung „Das Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches“ verabschiedete, das die Funktion des Reichspräsidenten mit jener des Reichskanzlers vereinte. Dieses Gesetz übertrug alle Befugnisse des Reichspräsidenten auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler965 und setzte dadurch offiziell das „Führerprinzip“ ein – Hitler hatte das Recht, in jedem Bereich der deutschen Gesellschaft und des deutschen Staates zu entscheiden.966 Wie schon gesagt worden ist, wurde der Antisemitismus des deutschen Staates von Grigorie T. Marcu in der Presse der ROKS positiv rezipiert und sogar mit biblischen Argumenten begründet. Die politische Situation Deutschlands war für die Kirchenelite nur in dem Maße wichtig, in dem sie als Beispiel für eine mögliche ähnliche Aktion in Rumänien dienen konnte. Wie auch hinsichtlich des Kommunismus, bestand das Kriterium zur Bewertung der Ideologie und der politischen Praxis des Nationalsozialismus in dessen Bezug zu Vorstellung von Nation, Nationalstaat und Christentum. In diesem Sinne wurde die Auflösung der Zentrumspartei, der Vertreterin der katholischen Interessen in Deutschland, im Juli 1933 von Stăniloae als eine gegen den spezifisch katholischen Internationalismus gerichtete Aktion wahrgenommen und begrüßt.967 Wenn das Verbot der Zentrumspartei dem fremden Einfluss auf die Innenpolitik des deutschen Staates entgegenzuwirken trachte,968 so benutze derselbe Staat, so Stăniloae, die Evangelische Kirche, um seine nationalistische und autoritäre Politik durchzusetzen, und



963 Siehe dazu Saul Friedländer, Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden 1939–1945, C.H. Beck, München, 2006. 964 Siehe den Gesetzestext in: Diemut Majer/Margarete Hunziker (Hg.), Verfassungsstrukturen, Freiheits- und Gleichheitsrechte in Europa seit 1789. Eine Sammlung ausgewählter Verfassungstexte, Universitätsverlag Karlsruhe, Karlsruhe, 2009, 344. 965 Vgl. ebd., 345. 966 Wolfgang Benz, Geschichte des Dritten Reiches, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 2008, 57. 967 Vgl. Dumitru Stăniloae, Desfiinаarea centrului catolic, in: Telegraful Român, 59/12 august 1933, 1; siehe auch ders., O miЮcare actuală din sânul catolicismului german, in: Telegraful Român, 65/23 septembrie 1933, 1–2. 968 Vgl. ebd., 1.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

zwar durch die Einheit der Protestantischen Kirche in Deutschland unter einem „Reichsbischof“.969 Stăniloae meint, dass die Einführung dieser Position einen Fehler Martin Luthers zu reparieren versuche, der in der Ordnung der Evangelischen Kirche das „Prinzip der Autorität“ vernachlässigt habe. Durch die neue Ordnung der Evangelischen Kirche, die die Staatsordnung widerspiegle, werde das Individuum immer mehr in die kirchliche Totalität assimiliert, und der Bischof übernehme die Rolle des „Führers“.970 Für Stăniloae finden demnach im politischen und kirchlichen Leben Deutschlands zwei eng miteinander verknüpfte Prozesse statt. Der eine besteht in der Ausmerzung des katholischen Einflusses auf die deutsche Nation und den deutschen Nationalstaat; der zweite besteht in der Erhöhung jener christlichen Konfession durch den Staat, die aus dem deutschen Volk heraus entstanden ist (das Luthertum), zur Reichskonfession. Aus der Perspektive Stăniloaes bestehe das Hauptproblem der neuen Funktion eines Reichsbischofs in deren rein administrativen Charakter, da sie nicht das Ergebnis einer Ordination sei. Die Autorität des Bischofs komme nicht von Gott durch Vermittlung eines Sakraments, sondern ausschließlich vom Staat durch einen politischen Akt.971 Die Lösung dieses Problems liege in der Wiedereinführung des Ordinationssakraments in der Evangelischen Kirche. Schließlich wird nichts anderes gefordert als die Übertragung der Auffassung von dem göttlichen Ursprung der Autorität in die konkrete Institution des Ordinationssakraments, so wie dieser Ursprung von der Mentalität, die in Deutschland herrscht, begriffen wird.972

Für Stăniloae ist daher die Beziehung zwischen deutschem Staat und Evangelischer Kirche derart eng, dass die Politik ihre Eigenschaften und Funktionalität auf die Religion übertragen könne. Die Konstituierung einer einheitlichen religiös-politischen Autorität im deutschen Staat ziele auf den Erhalt der organischen Einheit der Nation. In diesem Sinne weist Stăniloae darauf hin, dass das „autoritäre Dogma“ des Nationalsozialismus keinen anderen Zweck verfolge als die Ablehnung des Individualismus und Egoismus, die nach der Auflösung der deutschen nationalen Einheit trachten würden. In dieser Logik habe das Individuum keinen Wert an sich, sondern nur als Teil einer nationalen Gemeinschaft.973 

969 Vgl. ebd. Durch die Kirchenverfassung vom 11. Juli 1933 wird der Reichsbischof zur zentralen Instanz der gesamten Evangelischen Kirche in Deutschland. Siehe dazu Heinz Brunotte, Bekenntnis und Kirchenverfassung, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1977, 103f. 970 Vgl. Dumitru Stăniloae, Protestantismul la o mare răspântie, in: Telegraful Român, 64/16 septembrie 1933, 1. 971 Vgl. ebd. 972 Ebd. 973 Vgl. ebd.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 255 Diese Darstellung der nationalsozialistischen Ideologie ist keinesfalls eine neutrale, einfache Bestandsaufnahme einer tatsächlich existierenden Situation; vielmehr ist offensichtlich, dass die Gültigkeit ihrer Grundsätze akzeptiert wird. Diese Idee der Unterordnung des Individuums unter eine Gemeinschaft wird, nicht ohne Beifälligkeitsbekundungen, auch von Dumitru Călugăr als Wesen des deutschen Nationalsozialismus gesehen: Der Zentralpunkt der hitleristischen Revolution liegt in den Worten ihres unumstrittenen Führers: Du bist ein Nichts. Dein Volk ist alles... Denn im Grunde genommen herrscht in Deutschland das Soziale vor, die Kollektivität, die Gemeinschaft [...]. Alle Bemühungen des Individuums müssen ausschließlich zur Erhebung der Kollektivität auf eine höhere Ebene zielen, auf die Wiederherstellung der nationalen deutschen Solidarität, auf den Ruhm von Volk und Vaterland.974

Die Beachtung, die Stăniloae und Călugăr dem politischen Leben in Deutschland entgegenbringen und vor allem die positive Einschätzung der nationalsozialistischen Auffassung von Individuum und Nation sind selbstverständlich auf die Ähnlichkeiten zurückzuführen, die die beiden Autoren zwischen dieser Ideologie und der Auffassung der ROKS und des Orthodoxismus allgemein über die Nation gesehen haben. Die von Hitler durchgesetzte Diktatur und die Untergrabung des Parlamentarismus durch die Auflösung der politischen Parteien werden von diesen als positive Aktionen betrachtet, denn sie führten zu einer Stärkung der Einheit des deutschen Staates und Volkes. Stăniloae empfiehlt der Lutherischen Kirche, sich von der Idee des göttlichen Ursprungs der Autorität des deutschen Staates inspirieren zu lassen; dadurch beleuchtet er den religionspolitischen Charakter des Nationalsozialismus. Die Sakralisierung der Politik und des Führers als Wesen des deutschen Volkes, die öffentlichen Veranstaltungen, die Symbole, die nationalsozialistische Ideologie („das autoritäre Dogma“) und der nationalsozialistische Ethikkodex sind wesentliche, aus dem religiösen Imaginären und der religiösen Praxis übernommene Elemente, die auf die politische Ebene übertragen worden sind.975 Die Ähnlichkeiten zwischen der christlichen Religion und dem Nationalsozialismus als politische Religion beschränken sich jedoch auf diese gemeinsamen Elemente, im Wesentlichen besteht zwischen den beiden Religionsformen ein totaler Antagonismus. Der Nationalsozialismus sei, so Liviu Stan, ein Produkt der Idee des „absoluten Deutschtums“. Er fördere zwar den Glauben an Gott, aber 

974 Dumitru Călugăr, Ideea socială Юi tineretul din Germania, in: Telegraful Român, 1/2 ianuarie 1938, 1. 975 Zu einer detaillierten Analyse des Nationalsozialismus als politische Religion, siehe Voegelin, Die politischen Religionen; Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus; Stefan Heep, Hitler – das „Heilige in Erscheinung“? Die religiöse Dimension des Nationalsozialismus neu beurteilt, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft, 26/2018, 323–378.

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ohne wirklich eine der christlichen Konfessionen anzunehmen. Die Neutralität des Nationalsozialismus in Bezug auf die konfessionellen Partikularitäten wird von Stan als Beweis der Gleichgültigkeit des politischen Regimes in Deutschland den christlichen Dogmen gegenüber interpretiert, ja sogar als deren totale Ablehnung.976 Obwohl der Glaube an Gott behauptet wird, sei dieser Gott, an den die „deutschen Neuheiden“ glauben, so Stan, nicht der christliche Gott, denn der Nationalsozialismus behauptet, dass der christliche Gott nicht zur Seele der nordischen Rasse passe. Das einzig Sichere, das über den Gott der nationalsozialistischen Ideologie gesagt werden könne, sei, dass er das deutsche Volk erschaffen habe.977 Charakter und Lebensweise der nordischen Rasse seien, so Stan, absolut inkompatibel mit der christlichen Religion: Diese Rasse leugne die Dogmen, wünsche keine Sakramente, sondern Handlung, brauche keine Kirche, denn sie glaube, mit Gott direkt und ohne institutionelle Vermittlung in Kontakt treten zu können.978 Der Nationalsozialismus gründet sich somit auf eine Sakralisierung sowohl der Politik als auch der Rasse, und gleichzeitig auf der Ablehnung des Beitrags des Christentums zu diesem Konstituierungsprozess der politischen Religion des Germanentums. Die Ähnlichkeiten zwischen der Auffassung der Kirchenelite und des Orthodoxismus zur Sakralisierung der nationalen Gemeinschaft und implizit der Politik als ideologische und praktische Ausdrucksformen dieser Gemeinschaft und der religiös-politischen Weltanschauung des Nationalsozialismus sind offensichtlich. Der Grund, weshalb Stan die politische Religion des Nationalsozialismus ablehnt, besteht in der ablehnenden Haltung des Nationalsozialismus dem Christentum gegenüber und in dessen Tendenz, die Stelle der christlichen Religion zu übernehmen. Wenn Stăniloae 1933 den religionspolitischen Charakter des Nationalsozialismus richtig erahnt, so stellt Stan 1937 das Versagen dieses religiös-politischen Konstruktes fest und sieht in der Betonung des heidnischen Germanentums zulasten des Christentums den Grund für dieses Versagen. Wenn das Christentum eine zentrale Rolle innerhalb des Nationalsozialismus gespielt hätte, wäre die Haltung Stans sicherlich eine ganz andere gewesen. Dies zeigt sich in der Art und Weise, wie die Kirchenelite die Eiserne Garde wahrnahm. Als faschistische Bewegung hatte die Eiserne Garde eine ähnliche religiös-politische Struktur wie der Nationalsozialismus, doch sie stützte sich auf das dogmatische, kultische und symbolische Imaginäre des Christentums in dessen rumänischorthodoxer Variante. Vor allem ein zentrales Ereignis in der Geschichte der Eisernen Garde, das weiter unten analysiert wird, beleuchtet die Auffassung der Kirchenelite zur politischen Religion dieser faschistischen Bewegung. 

976 Vgl. Liviu Stan, Neopăgânismul german, in: Revista Teologică, 11/ noiembrie 1937, 431. 977 Vgl. ebd. 978 Vgl. ebd.



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V.9. Religiös-politisches Märtyrertum: Die Semantisierung des Todes der Legionsführer Ion I. Mo‫܊‬a und Vasile Marin Nicht nur die Verfolgung der Russisch-Orthodoxen Kirche durch den bolschewistischen Staat ist von der Kirchenelite aufmerksam verfolgt worden, sondern auch der Spanische Bürgerkrieg (1936–1939) zwischen den Nationalisten unter General Francisco Franco und den Republikanern.979 Die Ereignisse in Spanien wurden ebenfalls als eine Episode der kommunistischen Aggression gegen Nationalismus und christliche Kirche wahrgenommen, im Wesentlichen als ein apokalyptischer Krieg zwischen Gott und Satan um die geistige Herrschaft über die Welt.980 Diese Sichtweise stützte sich auf die Tatsache, dass die republikanischen Truppen – die in ihren Reihen Anarchisten, Sozialisten, Kommunisten und antiklerikale Liberale vereinten – außerordentlich gewaltsam gegen die Katholische Kirche vorgingen, tausende Priester ermorderten und zahlreiche Kirchen zerstörten.981 Diese religiöse Komponente des Spanischen Bürgerkriegs führte zur Entscheidung einer Gruppe von Legionsmitgliedern (unter ihnen auch der orthodoxe Priester Ion Dumitrescu-Bor‫܈‬a) Anfang Dezember 1936 Francos Armee beizutreten. Im Januar 1937 wurden Ion I. Mo‫܊‬a und Vasile Marin, zwei der prominentesten Gestalten der Eisernen Garde, in den Kämpfen in der Umgebung von Madrid getötet. Die Leichen der beiden Legionäre wurden nach Rumänien überführt und in allen wichtigen Orten entlang des Weges in Rumänien wurden Gottesdienste abgehalten, manchmal sogar von orthodoxen Bischöfen. Die Route der Zugfahrt sollte die Einheit aller rumänischen Provinzen symbolisieren: Cernău‫܊‬i (in der Bukowina), dann in der Moldau, anschließend wurden die Karpaten nach Siebenbürgen überquert, danach ging es nach Süden durch die Oltenia und das Altreich nach Bucure‫܈‬ti.982 Die Beerdigungszeremonie in der Hauptstadt fand am 13. Februar 1937 statt und beeindruckte die Öffentlichkeit durch ihre schiere 

979 Zu einer Geschichte der Ursachen, des Verlaufs und der internationalen Bedeutung des Spanischen Bürgerkriegs, siehe Julián Casanova, The Spanish Republic and the Civil War, Cambridge University Press, Cambridge, 2010. 980 Vgl. Francisco Veiga, Istoria Gărzii de Fier 1919–1941. Mistica Ultranaаionalismului, Humanitas, Bucure‫܈‬ti, 1993, 226–230; Mihai Stelian Rusu, The Sacralisation of Martyric Death in Romanian Legionary Movement: Self-sacrificial Patriotism, Vicarious Atonement, and Thanatic Nationalism, in: Politics, Religion & Ideology, 17/2016, 249–273, hier 266. 981 Vgl. Casanova, The Spanish Republic, 195–196; siehe auch Hilari Raguer, Gunpowder and Incense. The Catholic Church and the Spanish Civil War, Routledge, London, 2007, besonders 126–158. 982 Vgl. Valentin Săndulescu, Sacralised Politics in Action: The February 1937 Burial of the Romanian Legionary Leaders Ion Moаa and Vasile Marin, in: Totalitarian Movements and Political Religions, 8/2007, 259–269, hier 263.

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Größe. Der Trauerzug durch Bucure‫܈‬ti war vier Kilometer lang, und 400 orthodoxe Priester nahmen daran teil. Die massive Präsenz der orthodoxen Priester war ein Zeichen der Sympathie, derer sich die Eiserne Garde unter den orthodoxen Priestern erfreute: Von den 10.000 Priestern, die die ROK 1937 zählte, waren rund 2.000 Mitglieder der Eisernen Garde.983 Eine wesentliche Tatsache darf jedoch nicht übersehen werden, und zwar, dass die Mehrheit der orthodoxen Priester der Legion feindlich gegenüberstand, wie Corneliu Zelea Codreanu selbst feststellen musste.984 Die gesamte Zeremonie wurde von den Führern der Eisernen Garde als Inszenierung der eigenen Ideologie gestaltet und die Sakralisierung der Politik spielte, wie in allen faschistischen Bewegungen in Europa, die zentrale Rolle.985 Die Begräbniszeremonie wurde vom Metropoliten Nicolae Bălan geleitet, den eine besondere Beziehung an die Familie Mo‫܊‬a band – der Erzpriester Ion, Vater des in Spanien gefallenen Legionärs, war einer seiner engsten Mitarbeiter. Neben Bălan nahmen noch zwei weitere Bischöfe an der Beisetzung teil. Die Teilnahme der Priester, des Metropoliten Bălan und der zwei anderen orthodoxen Bischöfe an der Beerdigung der beiden Legionäre wurde von der rumänischen Öffentlichkeit harsch kritisiert. Infolge dieser Kritik und auf Geheiß des Innenministeriums verabschiedete die Heilige Synode der ROK am 8. März 1937 ein Dokument zur Begründung der Teilnahme von orthodoxen Priestern und Bischöfen an der Beerdigungsfeier. Das Hauptargument der ROK stützte sich auf die Betonung des Unterschieds zwischen Politik als Technik zur Organisierung des Staates, in welchem Fall die Kirche kein Recht habe, für die eine oder andere politische Partei zu intervenieren, und der Politik als Vermittlungsinstrument einer Weltanschauung in der Gesellschaft.986 Zur ersteren der beiden Bedeutungen entschied die Synode der ROK, dass es den Priestern untersagt sei, Gottesdienste zur Segnung der Parteiinsignien abzuhalten; verboten wurde ihnen auch, politische Eide abzulegen und an politischen Aktionen teilzunehmen, die der christlichen Lehre zuwiderliefen sowie die Anwendung der Predigt als Instrument zur Verbreitung von politischen Ideologien. Das Communiqué der ROK legte fest, dass jene, die den obigen Entscheidungen zuwiderhandeln, disziplinären Straf

983 Vgl. Veiga, Istoria Gărzii de Fier, 231; Săndulescu, Sacralised Politics, 266. 984 Vgl. Paul Brusanowski, Der rumänisch-orthodoxe Klerus vor der Herausforderung durch den Antisemitismus und die legionäre Bewegung (Legion Erzengel Michael), in: Zugänge. Jahrbuch des Evangelischen Freundeskreises Siebenbürgen e.V. 41/2013, 30–56, hier 43. 985 Siehe zum Beispiel Emilio Gentile/Robert Mallett, The Sacralisation of Politics: Definitions, Interpretations and Reflections on the Question of Secular Religion and Totalitarianism, in: Totalitarian Movements and Political Religions, 1/2000, 18–55; Ioanid, The Sacralised Politics; Săndulescu, Sacralised Politics; Rusu, The Sacralisation; Gentile, Fascism. 986 Vgl. ***Nihil sine Deo – Comunicatul Sfântului Sinod, in: Telegraful Român, 11/14 martie 1937, 1; siehe auch ***Biserica Юi politica, in: Telegraful Român, 8/21 februarie 1937, 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 259 maßnahmen unterworfen sein sollen, bis hin zur Abberufung aus dem Klerikerstand.987 Die Kirche solle der politischen Praxis gegenüber neutral bleiben, doch wenn eine politische Bewegung eine der christlichen Lehre entgegengesetzte Ideologie propagiert – und hier ist vor allem der Kommunismus gemeint – solle die Kirche berechtigt sein, ihre eigene Doktrin zu verteidigen. In diesem Fall macht sich die Kirche nicht mehr schuldig, Politik zu treiben, sondern jene Organisation, die unter einer politischen Maske mehr als nur Politik betreibt, nämlich eine dem Christentum zuwiderlaufende Auffassung verbreitet.988

Diese Unterscheidung zwischen der politischen Technik und der politischen Ideologie ist offensichtlich artifiziell. Und das aus dem einfachen Grund, dass zwischen Taten und Werten keine klare Trennlinie existieren kann: Die Organisierungstechnik der Gesellschaft und des Staates vermittelt eine bestimmte Semantik, die die Werte hinter dieser Organisierungstätigkeit offenlegt und gleichzeitig schafft die politische Aktion ihrerseits Werte tragende Haltungen. Eine wertfreie politische Technik ist somit eine Abstraktion, genauso wie eine Trennung von Ideologie und politischer Praxis ebenfalls nur ein intellektuelles Konstrukt bleibt. Die ROKS erkannte, wenn auch nur indirekt, dass die Art und Weise, in der die Orthodoxe Kirche an der Beerdigung von Mo‫܊‬a und Marin teilnahm, den allgemeinen Rahmen eines einfachen Beerdigungsritus überschritten habe und mit einer politischen Bedeutung aufgeladen habe. In diesem Sinne musste die Kirche das heroische Opfer derjenigen glorifizieren, die im Kampf gegen den erklärten Feind Christi gefallen sind, ganz gleich zu welcher politischen Gruppierung sie gehören mögen. Nur eine falschliegende Mentalität kann behaupten, dass die Kirche Politik betreibt, wenn sie sich gegen ihren Todfeind richtet und mit ihren Gebeten jenen beisteht, die im Kampf gegen diesen Feind gefallen sind.989

Indem er den Gedanken betont, dass durch die Aktion von Mo‫܊‬a und Marin die Kirche „sich gegen ihren Todfeind richtet“, sagt der unbekannte Autor dieser Zeilen im Grunde, dass die beiden Legionäre im Namen der Kirche handelten. Ihre wesentlich politische Aktion, wenn auch von ihnen selbst religiös interpretiert, wurde von der ROKS als rein religiöse Aktion wahrgenommen. Der öffentliche Diskurs der Legion erhob Mo‫܊‬a und Marin zu Heiligen und Märtyrern des Volkes, die durch ihren Tod eine christliche, zu einer Wiedergeburt



987 Vgl. ***Sfântul Sinod Юi participarea preoаilor în viaаa politică, in: Telegraful Român, 11/14 martie 1937, 2. 988 ***Biserica Юi politica, 1. 989 Ebd.; siehe auch G. Stănescu, Doi martiri, in: Rena‫܈‬terea, 4/24 ianuarie 1937, 2; Iona N. Malo‫܈‬, Gânduri la moartea lui Ionel Moаa Юi Vasile Marin, in: Rena‫܈‬terea, 5/31 ianuarie 1937, 2; D.E. Nicoară, Jertfa pentru Hristos, in: Via‫܊‬a Ilustrată, 2/februarie 1937, 12.

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des rumänischen Volkes aufrufende Revolution ins Leben gerufen hätten.990 Wenn er die Bedeutung des Todes der beiden Legionäre interpretiert, griff der öffentliche Diskurs der ROKS auf die gleiche Sprache und die gleichen Begriffe zurück, ohne eine typologische Unterscheidung zwischen dem christlichen Märtyrertum der ersten Jahrhunderte des Christentums und jenem der Legion zu formulieren. Im Gottesdienst vor den Särgen von Mo‫܊‬a und Marin im Bahnhof von Cluj behauptete Bischof Nicolae Colan (1893–1967, Bischof von Cluj 1936– 1957), dass die beiden ihre Lieben zu Hause zurückgelassen, ihr Kreuz auf sich genommen haben und in den Kampf für die Verteidigung Christi aufgebrochen sind. Sie haben sich mit einer Heiterkeit geopfert, die nur die verehrten Heiligen der ersten christlichen Jahrhunderte aufgebracht haben.991

In seinem bei der Beerdigung der beiden Legionäre gesprochenem Gebet beschrieb der Metropolit Bălan den Tod der beiden als eine Weiterführung des Märtyrertums der ersten Christen und des Opfers des rumänischen Volkes für die nationale Freiheit.992 Der Tod der beiden vereint also die national-politische und christliche Dimension des Märtyrertums und wird von Bălan als solche angenommen. Für Bălan sind Mo‫܊‬a und Marin von Gott nach Spanien gesandt worden, um für das Kreuz zu kämpfen und um durch ihr Opfer die gesamte Nation zur Erfüllung ihres Schicksals zu führen.993 Diese nationale Apotheose werde sich durch die Jugend verwirklichen, und Gott wird angefleht, auf diese Jugend „den Opfergeist“ Mo‫܊‬as und Marins auszuschütten.994 Die Erfüllung des Schicksals hat eine soteriologische und gleichzeitig eine eschatologische Bedeutung, denn das Opfer der beiden Legionäre sei die Grundlage, auf der „ein neues Land und ein



990 Siehe Ioanid, The Sacralised Politics, 438–439; Rusu, The Sacralisation, 267–271; siehe auch Ion Dumitrescu-Bor‫܈‬a, Cea mai mare jertfă legionară. Moаa Юi Marin, Editura „Totul pentru ‫܊‬ară“, Sibiu, 1937. Durch seine Position als Priester der ROK und als Mitglied der Legion und Zeuge der letzten Lebenstage Mo‫܊‬as und Marins, die er in seiner Schrift beschreibt, leistet Ion Dumitrescu-Bor‫܈‬a einen wesentlichen Beitrag zur Legitimierung des Märtyrerbildes der beiden und zur Konstruierung eines zentralen Mythos der Legion. 991 ***Osemintele eroilor Ionel Moаa Юi Vasile Marin la Cluj, in: Rena‫܈‬terea, 7/14 februarie 1937, 1. 992 Vgl. ***Rugăciune – rostită de I.P.S. Sa Mitropolitul Nicolae al Ardealului, în biserica Sf. Ilie Gorgani din Capitală, în ziua de sâmbătă 13 Februarie 1937, la înmormântarea în BucureЮtii Noi a eroilor Ioan I. Moаa Юi Vasile Marin –, in: Telegraful Român, 8/21 februarie 1937, 1. 993 Vgl. ebd. 994 Vgl. ebd.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 261 neuer Rumäne“995 entstehen sollen sowie der Beginn einer neuen Ära in der rumänischen Geschichte.996 Mo‫܊‬a und Marin seien „Märtyrer der Kirche“997 und „Erschaffer von Geschichte, von christlicher und nationaler Mystik“.998 Durch die Betonung des Gedankens der Wiedergeburt und Erneuerung des rumänischen Volkes durch das Opfer der beiden Legionäre steht der Diskurs der ROKS in einer perfekten Übereinstimmung mit der palingenetischen Ideologie des legionären Faschismus. Frappierend ist, dass der Tod von Mo‫܊‬a und Marin ohne jegliches Bewusstsein der Alterität des dogmatischen und moralisch-praktischen orthodoxen Ethos in Bezug zur Ideologie und Praxis der Legion interpretiert wird. Der Diskurs der ROKS sieht in den beiden Legionären Aktionsmittel der NationKonfession in der Welt. Von außen betrachtet und nach ihren praktischen Konsequenzen beurteilt, ist die Teilnahme der beiden Legionäre am Spanischen Bürgerkrieg offensichtlich ein politischer Akt gewesen; doch aus der Perspektive der Legion und der ROKS heraus betrachtet, hat sie einen religiösen Charakter. Die politische Handlung von Mo‫܊‬a und Marin wird im Wesentlichen als Folge einer religiösen Handlung und Intention beurteilt, indem diese Beziehung zwischen Religion und Politik sich vollständig mit der theologisch-politischen Vorstellung der ROKS deckt. Kurz gesagt, die Kirchenelite identifiziert in der Handlung der beiden Legionäre ein konkretes Beispiel der eigenen Auffassung über die kausale Beziehung zwischen der moralischen Ordnung der Nation-Konfession und der politischen Ordnung.

V.10. Die Errichtung des rumänisch-orthodoxen Staates zwischen 1938 und 1940 Die Ernennung der PNC-Regierung unter der Führung von Octavian Goga durch König Carol II. am 29. Dezember 1937 war für die Kirchenelite ein Zeichen, dass ihre Erwartungen bezüglich eines orthodoxen Staates Realität werden können. Der Diskurs der ROKS in den Jahren1938 bis 1940 fasste praktisch alle Thesen zur Beziehung zwischen Nation-Religion/Konfession-Politik zusammen, die sie nach 1918 öffentlich gemacht hatte.



995 A.D., Sânge... Юi lacrimi româneЮti, in: Legea Românească, 3/1 februarie 1937, 31. 996 Vgl. DS [Dumitru Stăniloae], Martiri pentru Hristos, in: Telegraful Român, 4/24 ianuarie 1937, 2. 997 Ebd. 998 ‫܇‬tefan Lucaciu, Tâlcul jertfei lui Ionel Moаa Юi Vasile Marin, in: Biserica ‫܈‬i ‫܇‬coala, 10/7 martie 1937, 84.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens

Für die Kirchenelite leite die Goga-Regierung „eine neue Ära der historischen Reparationen in allen Bereichen“999 ein. Indem sie das Regierungsprogramm auf das Verhältnis zwischen Christus, Volk und König gründet, knüpfte die Goga-Regierung an die Volksgeschichte vor dem 19. Jahrhundert an, als sich die rumänische Politik auf das christliche und nationale Prinzip stützte.1000 Die von den rumänischen Kultureliten im 19. Jahrhundert aus dem Westen importierte politische Moderne habe die „organische Entwicklung des Volkes“ unterbrochen und zum Aufkommen einer gewissen Gleichgültigkeit und sogar einer feindlichen Haltung gegen „unseren christlichen und rumänischen Autochthonismus“1001 geführt. Im Wesentlichen sei die neue, von der Goga-Regierung eingesetzte politische Ordnung ein Mittel zur Durchsetzung der christlichen Lehre „in einer Welt des moralischen Ungleichgewichts, die von Unglauben und Pessimismus verwüstet worden ist“.1002 Die politische Aktion wird somit zu einem Instrument, mit dem die christliche moralische Ordnung eingeführt ist; der den modernen Gesellschaften spezifischen Säkularisierung wird von der Goga-Regierung durch die Einrichtung des vormodernen religiös-politischen Paradigmas im Kontext des modernen Nationalismus entgegengesteuert. Die Orthodoxe Kirche, so Liviu G. Munteanu, müsse diese neue Orientierung der rumänischen Politik fördern, denn dadurch könne sie ihre eigenen Ziele verfolgen, und zwar die Errichtung einer moralischen öffentlichen Ordnung, die auf gegenseitige Achtung, auf die totale Unterordnung unter die Staatsgesetze, auf Gerechtigkeit, freiwillige Zusammenarbeit für alles Edle und auf die Anerkennung der Wertehierarchie innerhalb der Gesellschaft gegründet sei.1003 Die Bedingung für die Errichtung dieser sozialen Ordnung sei die Wiederherstellung der „Ordnung der religiösen Überzeugungen“ der Gesellschaftsmitglieder und in diesem Prozess spiele die ROK eine zentrale Rolle.1004 Der christliche, von der Goga-Regierung geförderte Nationalismus habe zwei komplementäre Auswirkungen: Zum einen biete er der Orthodoxie einen breiten Aktionsraum im Prozess der „nationalen Restauration des Staates“, zum anderen verleihe er der rumänischen Nation, durch die antisemitischen Maßnahmen eine nicht in Frage zu stellende Leitungsposition im Land.1005 Die antisemitischen Maßnahmen der Goga-Regierung wurden wie jene des nationalsozialistischen Deutschlands interpretiert. In diesem Kontext synthetisiert Dimitrie Bodea die zentralen antisemitischen Ideen aus dem bisherigen Diskurs 

999 ***Guvernul Octavian Goga, in: Rena‫܈‬terea, 2/9 ianuarie 1938, 1. 1000 Vgl. R., Orientarea noului guvern, in: Legea Românească, 3/1 februarie 1938, 1. 1001 Vgl. ebd. 1002 Liviu G. Munteanu, CreЮtinismul ca temelie a vieаii sociale, in: Rena‫܈‬terea, 4/23 ianuarie 1938, 2. 1003 Vgl. ebd. 1004 Vgl. ebd. 1005 Vgl. ***Guvernul Octavian Goga, 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 263 der ROKS. Weil sie den Gottessohn ermordet haben, seien die Juden von Gott gestraft worden und müssten die seelische Misere, die Verachtung der anderen Völker erleiden und in einer ewigen Unsicherheit ohne einen eigenen Staat leben. Wegen ihres Materialismus, Egoismus und Hochmuts wären sie für das Wort Jesu Christi nicht empfänglich: Es passte ihrer Verdorbenheit nicht, einen jeden Menschen zu lieben, den anderen zu vergeben, zu helfen und die Fremden zu lieben. Nichts von dieser Lehre, die der Sohn Gottes uns gegeben hat, gefiel ihnen, denn sie richtete sich gegen ihren Egoismus und Materialismus. Sie lehnten sich also gegen den Erlöser auf, der sie auf den Weg der Wahrheit führen wollte. Sie töteten ihn und sprachen dadurch selbst ihr Urteil: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder (Matthäus 27, 25).1006

Weil sie den Gottessohn getötet haben, müssen die Juden wie Kain leiden und sie werden ihre Ruhe nicht finden, denn „das blutbesudelte Gewissen quält sie immer wieder“. Die Juden setzen die Tötung Christi fort, indem sie die Christen durch Kommunismus und Freimaurerei weiterhin verfolgen.1007 Es sei also kein Wunder, dass die „ersten Entgiftungsmaßnahmen des öffentlichen Lebens“1008 von der Goga-Regierung gegen die Juden gerichtet seien, doch, so Grigorie T. Marcu, diese sollten mit anderen, gegen Sekten gerichtete fortgesetzt werden, denn die Sekten würden „die Zerstörung unserer Volkssolidarität verfolgen“.1009 Marcu schlägt folgerichtig vor, dass alle Beschlüsse des rumänischen Staates zur Regelung des Sektenwesens in Rumänien aufgehoben werden sollten, damit die sektiererische Propaganda gestoppt werden könne.1010 Die konfessionelle und religiöse Alterität in Rumänien ist also der erste betroffene Bereich, wenn die soziale Ordnung auf den christlichen Nationalismus oder genauer gesagt auf die moralische Ordnung der Nation-Konfession gegründet wird. Mit der Ernennung des Patriarchen Miron Cristea zum Ministerpräsidenten am 11. Februar 1938 und der Errichtung des autoritären Regimes König Carol II. begann die Kirchenelite immer deutlicher und enthusiastischer die Errichtung des orthodoxen Staates hochzupreisen. Herausgestellt wird wieder, dass die neue politische Ordnung die Wiederherstellung der Verbindung zur religiös-politischen, vormodernen Tradition des rumänischen Volkes verfolge. In diesem Sinne beabsichtige König Carol II. durch die Ernennung des Patriarchen der ROK zum Ministerpräsidenten, „den gesunden Weg unserer wojwodalen Tradition“ gehen zu wollen, auf dem die Kirchenführer den Herrschern zur Seite standen und sie in 

1006 Dimitrie Bodea, Soarta poporului iudeu în lumina Sfintei Scripturi, in: Legea Românească, 4/15 februarie 1938, 27. 1007 Vgl. ebd. 1008 Grigorie T. Marcu, Naаionalismul creЮtin la cârma statului român, in: Revista Teologică, 2/februarie 1938, 71. 1009 Vgl. ebd., 73. 1010 Vgl. ebd.

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politischen Krisenmomenten berieten.1011 Indem er die religiöse Autorität mit der politischen vereinte, wollte König Carol II. zeigen, dass alle Reformen, die er zum Zwecke der Gesundung des Gemeinlebens einleiten will, den tiefen Bestrebungen der rumänischen Seele nur dann entsprechen können, wenn sie im Geiste der Gerechtigkeit, der Ordnung und der christlichen Weisheit konzipiert und in die Wirklichkeit umgesetzt werden.1012

Der oben zitierte Autor sieht also in den politischen Aktionen Carols II. die Errichtung einer Beziehung zwischen der moralischen Ordnung der orthodoxen Konfession und der Gesellschaft. Die vom Patriarchen Miron Cristea geleitete Regierung ist somit die institutionelle Konkretisierung der unmöglichen Autonomie der Politik der Religion gegenüber. Deutlich wird das aus den Regierungsbeschlüssen, wie die Verpflichtung der Mitarbeiter im Staatsdienst zur heiligen Kommunion und die Einführung der obligatorischen Kirchenehe. Diese Maßnahmen wurden als eine normale Konsequenz der Tatsache interpretiert, dass das rumänische Volk ein christliches sei, welches schon immer die Trennung von Kirche und Staat abgelehnt habe.1013 Die neue Verfassung tut also nichts anderes, als den legalen Rahmen für die liturgischsakramentale Errichtung des rumänisch-orthodoxen Staates zu schaffen: Die Beichte und die Heilige Kommunion sind Sakramente, die durch den Erlöser selbst heiliggesprochen wurden, und sie dienen dazu, uns dem Typus des vollkommenen Christen und Bürgers näher zu bringen […]. Der Staat, der sich selbst als christlich anerkennt, ist demnach im Recht, wenn er seinerseits die Staatsdiener an diese überaus wichtige bürgerliche Pflicht erinnert.1014

Dieser Prozess der Staatsbildung wird von der auf allen Staatsebenen wirksamen Logik der Einheit oder der Vereinheitlichung bestimmt: Vom Ministerpräsidenten, der in seiner Tätigkeit die religiöse Autorität mit der politischen vereint bis zur Ebene der einfachen Bürger, deren soziale Rolle eine Funktion und gleichzeitig eine direkte Auswirkung ihrer Rolle als praktizierende Christen darstellt. Um die Rolle des Staatsbürgers mit jener des Christen zu vereinen und um sie innerhalb der Gesellschaft und des Staates funktional zu erhalten, ist sowohl die sakramentale Aktion der Kirche als auch die Aktion der Schule notwendig. Die Schule sollte der Gesellschaft eine auf die christlichen Werte zentrierte Weltanschauung schaffen und der Staat sollte folgerichtig die Differenzen zwischen den von den weltlichen Fächern und vom Religionsbuch vermittelten Auffassungen entfernen, und zwar durch 

1011 1012 1013 1014



Vgl. R., Noua constituаie sub bolta bisericii, in: Legea Românească, 5/1 martie 1938, 1. Ebd. Vgl. ***Cuminecarea slujitorilor de stat, in: Rena‫܈‬terea, 16/17 aprilie 1938, 1. Ebd.

Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 265 die Harmonisierung der Lehrfächer innerhalb einer einheitlichen Konzeption, im Rahmen der christlichen Weltanschauung. Wir wissen, dass im Bildungsministerium eine Vielzahl von Kommissionen mit der Überprüfung der Lehrbücher beauftragt sind. Unter diesen befindet sich auch eine Kommission, die die Religionsbücher zu überprüfen hat. Wünschenswert wäre, dass die Mitglieder dieser Kommissionen nicht mehr getrennt arbeiten, sondern gemeinsam. Und erst nachdem sie zu einer Übereinstimmung hinsichtlich einiger Grundsätze für eine gesunde Lebensauffassung gelangt sind, sollten sie auch den Lehrbuchautoren vorstellen und darauf hinweisen, dass, sollten diese Grundsätze nicht beachtet werden, die betreffenden Lehrbücher vom Minister abgelehnt werden.1015

Angesichts der Erwartung an den Staat, die totale Vereinheitlichung der rumänischen Nation zu verwirklichen, ist es nicht verwunderlich, dass die Kirchenelite in der Auflösung der politischen Parteien und der Bildung der Front der Nationalen Wiedergeburt (Frontul RenaЮterii Naаionale), „der die gesamte Nation umfassen soll“, eine im Prozess der Errichtung des rumänisch-orthodoxen Staates notwendige Etappe sah. Es scheint in diesem Kontext natürlich, dass die Orthodoxe Kirche, die sich „so organisch mit dem Nationalstaat deckt“ eine überlegene Rolle im Prozess dieser Umwandlung der politischen Ordnung spielen soll.1016 Aus der Perspektive der ROKS sei die parlamentarische Demokratie nicht fähig, eine einheitliche Auffassung über die staatliche Ordnung zu schaffen, denn alle politischen Parteien werden nur von den eigenen Ideologien und den eigenen Interessen getrieben.1017 Doch durch die Front der Nationalen Wiedergeburt, und später durch die Nationspartei (Partidul Naаiunii), werde der rumänische Staat letztendlich unter der Autorität des Königs vereinheitlicht.1018 In dieser neuen politischen Ordnung, in der die Kirchenelite offensichtlich die alte und authentische vormoderne Ordnung erkennt, erlebt die Funktion der Kirche eine radikale Veränderung: Wenn bislang die Tätigkeit der Nationalkirche sich eher auf die Individualisierung und Verinnerlichung der Wahrheiten, deren Bewahrerin sie war, konzentrierte, so muss sie sich ab nun vornehmlich der Organisierung ihrer Tätigkeit im Sinne der Sozialisierung der christlichen Wahrheiten zuwenden. Sie wird das neue, schöpferische Leben in allen Bereichen gemeinschaftlicher Tätigkeit einleiten, fördern und leiten müssen.1019

Der Übergang von der Individualisierung und Verinnerlichung göttlicher Wahrheiten zu ihrer Sozialisierung bedeutet im Wesentlichen die Erweiterung der 

1015 R., Manualele de religie Юi celelalte manuale, in: Legea Românească, 14/15 iulie 1938, 126. 1016 Vgl. ***Unitatea morală a naаiunii, in: Rena‫܈‬terea, 4/22 ianuarie 1939,1. 1017 Vgl. ***Parlamentul renaЮterii naаionale, in: Rena‫܈‬terea, 24/11 iulie 1939, 1; ***Partidul Naаiunii, in: Legea Românească, 13/1 iulie 1940, 192. 1018 Vgl. ebd. 1019 ***Zid în jurul bisericii, in: Legea Românească, 9/1 mai 1939, 117.

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kirchlichen Tätigkeit vom pastoralen und religiösen Bereich des Vorpolitischen zum Bereich des Politischen. Die Kirche muss also den Staat und die gesamte Gesellschaft einbeziehen und den Prozess der Schaffung der sozialen Ordnung koordinieren. Gleichzeitig wird betont, dass die Autonomie des Einzelnen in Bezug auf die Ziele der Gemeinschaft, zu der er gehört, aufgehoben wird. „Der Beginn einer neuen Ära“ für Rumänien werde, so Stăniloae, durch den Übergang von einer auf Individualismus, Liberalismus, Rationalismus und Demokratie gegründeten zu einer „national-solidarischen“, nicht auf die „trennende Vernunft“, sondern auf den vereinenden „religiösen Glauben“ fundierten Ordnung charakterisiert.1020 Die neue, von der Front der Nationalen Wiedergeburt eingesetzte politische Ordnung ist somit eine Etappe im Prozess der Wiedererlangung des rumänischen vormodernen religiös-politischen Ethos, der vom Liberalismus und Individualismus der Französischen Revolution denaturiert worden sei. Dumitru I. Belu weist darauf hin, dass, obgleich der „atheistische Liberalismus“ und der „hedonistische Individualismus“ keine Verbindung zum rumänischen Volk gehabt haben, die Auswirkungen dieser Ideologien auf die geistige Entwicklung des Volkes überaus tiefreichend gewesen seien. Das geschah im Kontext „einer überhasteten Europäisierung“, einem Prozess in dem die rumänische Gesellschaft gezwungen war, sich zu verändern, um sich an die aus dem Westen übernommenen Gesetze und Einrichtungen anzupassen, die „nicht auf der Natur unserer rumänischen Wirklichkeiten errichtet waren“.1021 Das Zusammentreffen zwischen der westlichen Zivilisationsform und dem autochthonen rumänischen Wesen habe alle gesellschaftlichen Schichten negativ beeinflusst, sodass oben und unten der Mangel an Interesse und Respekt für die traditionellen Werte immer offensichtlicher und besorgniserregender wurde; das Spezifikum unseres bäuerlichen Lebens beginnt zu schwinden; die Interessen der kollektiven Gemeinschaft wurden immer mehr den individuellen Interessen geopfert; unser öffentliches Leben erkannte die Unfehlbarkeit eines für alle verpflichtenden moralischen Gesetzes nicht mehr an.1022

Liberalismus und Individualismus als gesellschaftsordnende Grundsätze seien ein Spezifikum des 19. Jahrhunderts gewesen; jetzt seien diese Paradigmen durch die Umorientierung des Individuums von sich selbst auf den Dienst an Gott und der Gemeinschaft obsolet geworden.1023 Die Benennung der Front der Nationalen 

1020 Vgl. Dumitru Stăniloae, Principii de renaЮtere naаională, in: Telegraful Român, 3/15 ianuarie 1939, 1. 1021 Vgl. Dumitru I. Belu, Spre depăЮirea individualismului, in: Legea Românească, 12/15 iunie 1939, 157. 1022 Ebd., 158. 1023 Vgl. Stăniloae, Principii de renaЮtere, 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 267 Wiedergeburt, so Stăniloae, sei Ausdruck einer neuen auf Solidarität und Religion gegründeten Mentalität, denn in der Front verfolgt der Mensch nicht mehr die eigenen Interessen, sondern lebt ausschließlich für den gemeinschaftlichen Sieg, und die Wiedergeburt setzt den Glauben in ein Mysterium voraus: In Reserven von verborgener Kraft, die, ungesehen und erstarrt, nur durch den Glauben freigesetzt werden können.1024

Die Entfernung aller politischen Spannungen aus der rumänischen Gesellschaft durch die Auflösung der Parteien und der Errichtung der Front der Nationalen Wiedergeburt zum Zwecke der Verfolgung „eines einheitlichen, wesentlichen Ideals des Volkswohles“ wäre unmöglich, wenn die Vernunft „oberste Instanz [geblieben wäre] und an ihre Stelle nicht Liebe und Glaube, ausschließlich religiöse Kräfte getreten wären“.1025 Das personalistische christliche Ethos habe in diesem Kontext die Funktion, die Umwandlung der neuen politischen Ordnung in einen „absolutistischen Kollektivismus“ zu verhindern, und zwar durch ein Gleichgewicht zwischen den Interessen und Rechten des Individuums und jenen der nationalen Gemeinschaft.1026 Wenn das Christentum, so Belu, die Liebe zu den Mitmenschen postuliert, so will es damit keinesfalls die Verpflichtungen der eigenen Person gegenüber aufheben, sondern lediglich aufzeigen, dass die Verpflichtungen, die wir uns gegenüber haben, organisch an die Verpflichtungen unserem Nächsten und Gott gegenüber gebunden sind. Die christliche Moral sehe folglich die Verpflichtungen der Person sich selbst und Gott gegenüber aus der Perspektive der Folgen für die ganze Gesellschaft.1027 Im Wesentlichen ist das Orthodoxe Christentum sowohl für Stăniloae als auch für Belu durch seine Natur und Funktionalität selbst ein sozialer und politischer Faktor. Die moralische Ordnung, die es innerhalb der nationalen Gemeinschaft schafft, hat ihren Ursprung in der Ordnung selbst, die das Verhältnis der göttlichen Personen innerhalb der Dreifaltigkeit charakterisiert. In diesem Sinne, so Stăniloae, könne eine gerechte und natürliche Ordnung der Gesellschaft nur dann existieren, wenn sie auf das Solidaritätsmodell unter den göttlichen Personen gegründet sei.1028 Folglich ist die soziale Ordnung das Ergebnis einer spirituellen Erfahrung, einer persönlichen Beziehung des Menschen zu Gott. Diese Beziehung stellt somit das Mittel dar, durch welches die göttliche Ordnung in die Geschichte übertragen wird, um die individuelle und kollektive Existenz der Menschen zu verwandeln. Aus der Perspektive der Ordnung der nationalen Gemeinschaft bedeutet es, dass 

1024 1025 1026 1027 1028

Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Belu, Spre depăЮirea individualismului, 159. Vgl. ebd., 159–160. Vgl. Dumitru Stăniloae, Sfânta Treime Юi viaаa socială I, in: Telegraful Român, 8/18 februarie 1940, 2.

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Das Ordnungsdenken in der Orthodoxen Kirche Siebenbürgens das kontinuierliche Ideal des Volkes sein spirituelles Wachsen ist [...] durch eine Art Beziehung mit der Ordnung der ewigen Werte, die von seiner ethnischen Individualität, seinem Rumänismus bestimmt wird; durch eine rumänische Gemeinschaft mit Gott.1029

Die Beziehung des rumänischen Volkes zu Gott habe selbstverständlich ihren Platz in der Kirche, und das wiederum bedeute, dass diese kontinuierlich auf die Verklärung der sozialen und staatlichen Ordnung hinarbeite.1030 Die religiöse Erfahrung ist also ein Mittel zur Verwandlung der sozialen Beziehungen und der politischen Praxis. Diese Idee ist an sich schon eine implizite Bestätigung der Auffassung der ROKS über die kausale Beziehung zwischen der religiösmoralischen Ordnung der Nation-Konfession und der vom Nationalstaat generierten Ordnung.

V.11. Zusammenfassung In der Zeit zwischen 1936 und 1940 nahm der Diskurs der ROKS eine mehr und mehr praxisorientierte Gestalt an, d.h. er begrenzte sich nicht mehr nur auf die Aufstellung einiger Thesen theoretischen Charakters über Nation, Religion/Kirche, Politik/Staat, sondern bot praktische Lösungen zur Organisierung der Beziehung zwischen diesen Faktoren. Diese Akzentverschiebung stellte eine Antwort auf die allmähliche Stärkung der politischen extremen Rechten dar (Legion Erzengel Michael, LANC, bzw. PNC), die eine auf christlichen Nationalismus und aggressiven Antisemitismus konzentrierte Rhetorik verwandte. Die Kirchenelite unterstützte diese politischen Kräfte, in denen sie ein Mittel zur Organisierung des rumänischen Staates zu einem christlichen, d.h. orthodoxen sah, in dem die Trennung zwischen Religion/Kirche und Politik/Staat nicht mehr besteht, so wie die siebenbürgische Kirche schon Anfang der 1920er Jahre das gefordert hatte. Im Wesentlichen sah die ROKS in der extremen Rechten ihren Partner in einer Revolution gegen die Moderne. Diese Revolution postulierte die Rückkehr zum religiös-politischen vormodernen Modell, in dem die religiöse und die politische Ordnung eine Einheit bildeten. Die Kirchenelite äußerte keinerlei Kritik an dem vom rumänischen Faschismus geförderten Antisemitismus, mehr noch ihre Haltung den Juden gegenüber war sehr ähnlich jenem der faschistischen Bewegungen. Ein wesentlicher Unterschied bestand darin, dass der Diskurs der ROKS keinen Rassenantisemitismus förderte, sondern nur den theologischen, wirtschaftlichen und politischen. Ein anderer wichtiger Unterschied ist die Auffassung über das Alte Testament: Die Entfernung des Alten Testaments aus der Bibel wurde von der Kirchenelite 

1029 Ders., Idealul naаional permanent, in: Telegraful Român, 5/28 ianuarie 1940, 1. 1030 Vgl. ders., Ortodoxia Юi viaаa socială, in: Telegraful Român, 10/3 martie 1940, 1.



Rechtsextremismus, Autoritarismus und rumänisch-orthodoxer Staat 269 kategorisch abgelehnt. Das Argument Neagas und Marcus z.B. ist ebenfalls antisemitischer Natur und leugnet jede Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und dem Alten Testament: Die Juden hätten die göttliche Offenbarung auf existentieller Ebene niemals angenommen, sondern waren nur das Mittel, durch das Gott die Botschaft über das Kommen des Messias und der Errichtung der Kirche als Sein neues auserwähltes Volk vermittelt habe. Die Juden hätten niemals die göttlichen Gebote ausgeführt und deswegen würde das Alte Testament selbst die Beweise der von Gott gesandten Strafen enthalten, somit die Beweise des Antisemitismus Gottes selbst. Die Juden sind, neben den griechisch-katholischen Rumänen, die bedeutendste Alterität, der die Kirchenelite eine Identität konstruierte, mit der sie dann auf Diskursebene arbeitete. Die Unterschiede zwischen der Haltung der ROKS gegenüber den beiden Gemeinschaften bestehen darin, dass der identitätsstiftende Prozess auf die Herausstellung der Zugehörigkeit der unierten Rumänen zur rumänischen Nation zielt (abgesehen von der kirchlichen Einrichtung dargestellten Suprastruktur), während im Falle der Juden die Betonung des radikalen und unüberwindlichen Unterschieds zwischen Juden und Nation-Konfession verfolgt wird. Mit anderen Worten, die Juden haben mit den Rumänen nichts gemeinsam, weder auf ethnischer, noch auf religiöser Ebene, denn das Alte Testament kann nicht als Verbindungselement zwischen der religiösen Identität der Rumänen und jener der Juden fungieren. Vor allem der theologisch fundierte Antisemitismus der Kirchenelite hat im Wesentlichen die symbolische Ghettoisierung der jüdischen Gemeinschaft zum Ziel, um sie, ebenfalls symbolisch, aus rumänischen Gesellschaft auszugrenzen. Der Diskurs der ROKS schlug die Idee der Gründung eines jüdischen Staates vor, in dem alle nichtassimilierten Juden aus der rumänischen und der europäischen Gesellschaft leben sollten. Die Entwicklung des politischen Lebens in Rumänien zwischen 1938 und 1940 wurde von der ROKS als Prozess der Errichtung eines rumänisch-orthodoxen Staates interpretiert. Die von Octavian Goga und Miron Cristea geleiteten Regierungen, die Einrichtung der Front der Nationalen Wiedergeburt und die Nationspartei hatten eine politische Rhetorik gemeinsam, wonach die neue soziale Ordnung auf die christliche moralische Ordnung gegründet sein wird. Das berechtigte die Kirchenelite sich als Zeugin einer Restaurierung der vormodernen religiös-politischen Ordnung zu betrachten. In diesem Kontext wiederholte die Kirchenelite alle theologisch-politischen, nationalistischen und antisemitischen Themen, die sie bis 1938 vertreten hatte. Diesmal jedoch konstruierte der Diskurs nicht mehr ein ideales Bild der sozialen Ordnung, die der Staat durchzusetzen hat, wie das bis 1938 der Fall war, sondern die Kirchenelite behauptet enthusiastisch, dass die neue politische Ordnung die getreue Konkretisierung ihres seit 1918 artikulierten Ordnungsdenkens darstelle.





VI. Schlussfolgerungen: Das Ordnungsdenken als politische Ethnotheologie Carl Schmitts politische Theologie erweist sich als geeignetes methodologisches Instrument zur Systematisierung der Art und Weise, in der die ROKS die soziale Ordnung in der Zwischenkriegszeit auf diskursiver Ebene darstellte. Ausgehend von Schmitts Ansatz betont Jan Assmann, dass eine Theologie politisch ist, wenn sie einerseits „ihre Begriffe von Gottes Wesen und Willen in Form politischer Ordnung durchsetzen will“ und, wenn sie andererseits „zwischen Freund und Feind unterscheidet und diese Unterscheidung ins Zentrum ihrer Selbstdefinition stellt“.1031 Assmann stellt den Differenzierungsprozess zwischen Freund und Feind in den Mittelpunkt der politischen Theologie und knüpft dadurch an Schmitts Auffassung über das Politische an. Wie schon gezeigt wurde, stellt das Politische einen „Raum“ der Kommunikation und Kooperation zwischen den diversen sozialen Akteuren dar. Infolge dieser Kooperation findet eine Strukturierung des Politischen „als Ort der permanenten Ideologieproduktion, die einen Einfluss auf die politischen Optionen auszuüben versucht“1032 statt. Diese politischen Optionen beziehen sich letztendlich auf das Funktionieren des Staates und implizit auf die Art und Weise, in der dieser die Gesellschaft zu ordnen versucht. Spezifisch an Schmitts Konzept des Politischen ist die Einführung eines expliziten, die Staatspolitik bestimmenden Kriteriums. Für den deutschen Juristen muss „das Politische [...] in eigenen letzten Unterscheidungen liegen, auf die alles im spezifischen Sinne politische Handeln zurückgeführt werden kann“.1033 Jedes Sachgebiet menschlichen Denkens und Handelns, so Schmitt, definiert sein Wesen in Abhängigkeit von den „letzten Unterscheidungen“, die es einsetzt: Im Falle des Moralischen, zum Beispiel, geht es um die Unterscheidung von Gut und Böse; im Falle des Ästhetischen von Schön und Hässlich, usw.1034 Was das Politische betrifft, ist die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen [...], die Unterscheidung von Freund und Feind.1035 Aus der theologisch-politischen Perspektive betrachtet muss der Staat somit die soziale Ordnung durch politische, auf zwei komplementäre Prozesse sich gründende Entscheidungen schaffen und bewahren. Erstens findet eine Identifizierung des Feindes statt, der existentiell als ein „Anderer und Fremder“ wahrgenommen wird.1036 Zweitens setzt die Wahrnehmung des Feindes eine 

1031 Vgl. Assmann, Herrschaft und Heil, 75. 1032 Vgl. Lesch, Kultur – Moral – Religion, 90. 1033 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, Duncker & Humblot, München/Leipzig, 1932, 13. 1034 Vgl. ebd., 13–14. 1035 Ebd., 14. 1036 Vgl. ebd.

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Konstruktion von dessen Identität voraus, die der staatseigenen Identität und dem sozialen Ordnungstypus, den der Staat zu errichten verfolgt, entspricht. Der Diskurs der ROKS enthält eine implizite Auffassung über das Politische, die sie dem Staat kontinuierlich als normatives Kriterium für dessen politische Aktionen vorhält. Diese Auffassung könnte so zusammengefasst werden: Das Politische liegt in der Unterscheidung zwischen orthodoxen Rumänen und nichtorthodoxen Nicht-Rumänen. Für die ROKS sollte das Wesen des Politischen (d.h. die ethno-konfessionelle Unterscheidung) von ihrer eigenen Interpretation des Ursprungs, des Wesens und der historischen Funktion der Nationen allgemein und der rumänischen im Besonderen bestimmt werden. In diesem Fall greift der Nationsdiskurs auf die zentralen Konzepte der christlichen Theologie zurück (auf die Lehre von Gott, Welt, Mensch, Christus, Kirche usw.), die von der Kirchenelite in einer ethnotheologischen Auffassung über die Geschichte zusammengefasst werden. Diese Interpretation besagt, dass der Ursprung der Nationen nicht ausschließlich immanent sei, sondern dass diese „in der geschaffenen Welt verwirklichte Gedanken Gottes“1037 darstellen, wie es Nicoale Bălan ausdrückt. Bălan greift in diesem Fall auf die von der patristischen Theologie aus der griechischen Philosophie übernommenen Theorie der Ideenwelt zurück. Diese besagt, dass die materielle Welt nach dem Vorbild der in Gott seit jeher existierenden Ideenwelt geschaffen wurde. Auf diese Kosmologie ist auch die Auffassung über den Sinn der Geschichte gegründet, der in einer immer stärkeren Angleichung der Weltordnung an die transzendente Ordnung, nach deren Vorbild sie erschaffen wurde, besteht. Eine jede Nation erschafft ihre eigene Identität innerhalb ihrer besonderen Beziehung zu Gott und das wiederum bedeutet, dass die Individualität jeder Nation nicht durch die Verschmelzung in eine national amorphe Masse aufgehoben werden kann. Die Verwendung der patristischen Auffassung über die Ideenwelt durch Bălan und Stăniloae zur Erklärung des Ursprungs, des Wesens und der Funktion der Nationen ist ein sehr origineller intellektueller Ansatz. Im Unterschied zu Bălan und den anderen siebenbürgischen Theologen, die die Nation anhand von rein patristischen Konzepten definieren, verwendet Stăniloae auch die Theologie des Gregor Palamas, um einen Diskurs über die Nation zu artikulieren. Palamas Theologie, die Stăniloae wiederentdeckte und dem modernen Publikum vorstellte, ermöglichte es Stăniloae, das Verhältnis zwischen Nation und Kirche auf sehr innovative Weise zu thematisieren, nämlich durch Bezugnahme auf die innere Beziehung zwischen Natur und Gnade. Laut der ROKS besteht die Identität jeder Nation und jedes Individuums aus zwei Ebenen: Einer äußerlich-kontingenten, die sich in der historischen Entwicklung der betreffenden menschlichen Gemeinschaft herausgebildet hat, und 

1037 Bălan, Atitudinea preoаimei faаă de viaаa politică, 129.



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einer innerlich-metaphysischen, d.h. dem göttlichen Gedanken. Die kontingente Identität der rumänischen Nation besteht aus der ethnischen Gemeinschaft, der orthodoxen Konfession und der rumänischen Sprache und Kultur. Der Grundstein der nationalen Identität ist jedoch die Konfession. Diese gehört zum rumänischen Volk so wie die menschliche Natur in der Person Jesu Christi mit der göttlichen Natur vereint ist, und zwar „unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt“. Indem die Kirchenelite zur Erklärung der rumänischen nationalen Identität die vier christologischen Begriffe der dogmatischen Definition des Konzils von Chalcedon anwendet, beweist sie, dass sie die Rumänen als christusförmiges Volk, als sakralisierte ethno-konfessionelle Realität betrachtet; diese Realität ist im vorliegenden Beitrag als Nation-Konfession bezeichnet worden. Die rumänische Nation kann somit nur in Christus/in der Kirche existieren, und die sozialen Beziehungen innerhalb der Nation werden wesentlich von der dem orthodoxen kirchlichen Ethos spezifischen, interpersonalen Gemeinschaft bestimmt. Diese Partikularität der rumänischen nationalen Identität ist vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Geburtsstunde des rumänischen Volkes mit dessen Christianisierung zusammenfiel. In ihrer Geschichte waren sich die orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen ständig dieser ontologischen und christusförmigen Beziehung zwischen rumänischem Volk und Orthodoxer Kirche bewusst und dieses Bewusstsein hat auch ihr Verhältnis zum Staat und zur Politik maßgeblich geprägt. Das Bewusstsein dieser ontologischen Beziehung ist von der ROKS auf Diskursebene durch den Begriff des „Gesetzes der Vorfahren“ kodifiziert worden, das somit als normatives Kriterium das Verhältnis der orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen zum Staat und zur Politik bestimmt hat. Die ontologische Beziehung zwischen dem Christentum und der rumänischen Nation ist, so die Kirchenelite, einzigartig. Anders als andere christliche Völker, hatte das rumänische Volk niemals eine vorchristliche Existenz. Das erlaubt der ROKS eine Ähnlichkeit zwischen dem rumänischen und dem jüdischen Volk anzudeuten, dessen Geburt ebenfalls mit dem Beginn seiner Beziehung (religio) zu Gott zusammenfiel. Je intensiver die Beziehung zu Gott ist, desto stärker wird die nationale Identität des Volkes – genau wie im Falle der Juden. Die ROKS greift jedoch nicht nur auf das jüdisch-christliche theologische Imaginäre, sondern auch auf den nationalistischen Ansatz J.G. Herders und J.G. Fichtes zurück. J.G. Herder behauptet, die Nation sei eine ethno-kulturelle Wirklichkeit, die sich politisch bis zu ihrer Organisierung in einen unabhängigen Nationalstaat entwickeln müsse. Auf diese Weise wird auch die Vereinigung Siebenbürgens, Bessarabiens und der Bukowina mit dem rumänischen Königreich 1918 theologisch und teleologisch interpretiert: Wie die Nation-Konfession, war auch der rumänische Nationalstaat eine von Gott gewollte Realität. Das konzeptuelle Muster des Nationsdiskurses wird von der Zusammenbringung der Kosmologie und der christlichen Theologie allgemein mit der ethno-kulturellen

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Auffassung des Herderianismus bestimmt. Die Auffassung der ROKS vom Wesen und der Funktion des Staates ist eine direkte Folge dieses theologisierten Herderianismus. Der Diskurs der ROKS betont kontinuierlich, dass die rumänische Staatlichkeit ein junges historisches Phänomen darstelle, dessen Ursprung im Mittelalter liege, während die Orthodoxie ein Urphänomen in der Existenz der rumänischen Nation darstelle. Die Kirche hat somit die ontologischen Daten der Nation bestimmt, während der Staat ein sekundäres, lediglich für die äußere Ordnung der Nation zuständige Phänomen darstellt. Staat und Kirche sind somit zwei Formen institutionalisierten Ausdrucks derselben Nation-Konfession; doch die Kirche situiert sich dank ihres göttlichen Ursprungs und der ontologischen Beziehung zur Nation über den Staat. Die Überlegenheit der ethno-konfessionellen Ordnung über die politische Ordnung stützt sich darauf, dass die Nation-Konfession, so Stăniloae, in Kontakt „mit der ewigen Ordnung“ Gottes steht. „Durch diese Beziehung wird ständig etwas von der ewigen Ordnung in die menschliche Person und in die Ordnung der erschaffenen Welt eingeführt“. Das Ergebnis dieses inkarnatorischen Prozesses sollte in den „soziale(n), moralische(n), politische(n), künstlerische(n) u.ä. Leistungen“ der rumänischen Nation konkretisiert werden.1038 Aus dieser Perspektive kann ein Staat, der die Nation-Konfession politisch ordnet, dieser Ordnung transzendenten Ursprungs und implizit der rumänischen Orthodoxie gegenüber nicht autonom sein. Kurz gesagt, für die Kirchenelite soll die Staatspolitik die legale Kodifizierung der moralischen Ordnung der Nation-Konfession verfolgen, die ihrerseits das Ergebnis des von der Kirche realisierten Transfers der göttlichen Ordnung in das Leben der Nation darstellt. Der Staat soll aus Sicht der Kirchenelite diese Verwandlung der moralischen Ordnung der Nation-Konfession in die soziale Ordnung aufgrund der ethnokonfessionellen Unterscheidung realisieren. Das Ziel der ROKS ist die totale Umwandlung des rumänischen Staates in einen orthodoxen Staat. Das bedeutet, dass für die Kirchenelite der rumänische Nationalstaat der ROK untergeordnet zu sein hat. Doch diese Unterordnung findet nicht auf äußerer institutioneller Ebene statt, sondern ist innerlich-persönlicher Natur; sie wird durch Vermittlung der orthodoxen Gläubigen realisiert, die gleichzeitig Kirchenmitglieder und Staatsbürger sind. In diesem Sinne ist eine authentische soziale Ordnung das Ergebnis der Entscheidungen, die von den Politikern und den Staatsdienern getroffen werden und deren normatives Kriterium die ethno-konfessionelle Unterscheidung ist. In diesem Sinne stellt die Kirchenverfassung des Metropoliten ‫܇‬aguna das ideale Mittel zur Errichtung eines orthodoxen Staates dar. Das Organische Statut sichert die kirchliche Autonomie dem Staat gegenüber und erlaubt dem Laientum, an der Leitung und der Organisierung der kirchlichen Belange aktiv teilzunehmen. 

1038 Vgl. Stăniloae, Ortodoxia, modul spiritualităаii, 419–420.



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Durch diese Wertung der Rolle des Laientums im Kirchenleben wird die Existenz der Kirche als göttlich-menschlicher Organismus sichergestellt, der die gesamte Nation und also den Staat mit einbezieht. Kirche und Staat werden somit in der Person und der politischen Tätigkeit der christlichen Bürger vereint. Das Laientum erfüllt die Funktion eines kollektiven religiös-politischen Subjekts: Durch seine Vermittlung verbreiten sich die moralischen Werte der Kirche in alle Kreise der Gesellschaft und des Staates. Diese kirchliche Funktion des Laientums ist ein zentrales Element des Vorpolitischen, in dem, so Jean-Pierre Wils, moralische Überzeugungen sowie Loyalität zu gewissen Werten und soziale Beziehungen aufgebaut werden.1039 Diese bestimmen ihrerseits die Natur des Politischen, d.h. die letzte Unterscheidung, auf die sich die politischen Entscheidungen des Staates stützen. Die Auffassung der ROKS über ihre konfessionellen Schulen und das rumänische Bildungssystem allgemein sowie über die politische Aktivität der Priester wird von ihrer Verantwortung für die Umstrukturierung des Vorpolitischen bestimmt: Die Konfessionsschulen schaffen christliche Bürger, die, als Staatsverwalter, die christlichen Werte in die politische Praxis umsetzen. Die ROKS ist jedoch weit davon entfernt, eine politisch neutrale Position einzunehmen und durch ihre Haltung überschreitet sie die Sphäre des Vorpolitischen. Die Stärkung des nationalistisch-christlichen Pols durch die Entstehung der Christlich-Nationalistischen Partei (1935) und die Verwandlung der Legion Erzengel Michael in eine politische Massenbewegung (die in den Parlamentswahlen von 1937 den dritten Platz belegt) bestimmten eine radikale Änderung des öffentlichen Diskurses der ROKS. Die Haltung der Kirchenelite zur Ideologie der Legion enthält keinerlei Kritik an der ideologischen Instrumentalisierung des orthodoxen religiösen Imaginären (etwa im Kult der Märtyrer der Legion, im Gedanken der Wiedergeburt/Auferstehung der Nation durch die Politik usw.). Die Interpretationsweise der Ideologie der Legion in der Presse der ROKS beweist, dass für die Kirchenelite die Legion ein legitimes religiöses und politisches Phänomen innerhalb der Nation-Konfession, eine authentische Erscheinungsform der rumänischen Orthodoxie darstellt. Durch die Sakralisierung der nationalen Gemeinschaft und ihrer politischen Praxis – beide Themen wurden sowohl von den faschistischen Bewegungen Rumäniens als auch vom Diskurs der ROKS in der Zwischenkriegszeit aufgegriffen – befürwortet die Kirchenelite einen radikalen Bruch mit der rumänischen politischen Vergangenheit und die Rückkehr zu einer vormodernen religiöspolitischen Situation, in der die politische Ordnung auf der religiösen gegründet war. Durch ihre Befürwortung des rumänischen Faschismus setzt sich die ROKS im Grunde für die Aufhebung der Trennung zwischen Religion/Kirche – Politik/ 

1039 Vgl. Wils, Das Vorpolitische, 74.

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Staat und implizit für eine Untermauerung der Politik durch die ethno-konfessionelle Unterscheidung ein. Die Kirchenelite konzentriert sich auf zwei ethno-konfessionelle/religiöse Gemeinschaften, die sie aus der Perspektive der ethno-konfessionellen Unterscheidung anspricht: Die unierten Rumänen und die Juden. Der antisemitische Diskurs der ROKS ist durch die theologische Untermauerung und das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Profil jenem der rumänischen faschistischen Bewegungen sehr ähnlich. Die wichtigste Unterscheidung zwischen den beiden antisemitischen Diskursvarianten besteht darin, dass jene der ROKS die rassischen Ideologien nicht verwendet und die Bedeutung des Alten Testaments für die Kirche nicht in Frage stellt. Der Diskurs der ROKS greift hingegen auf eine Unterscheidung zwischen jüdischem Volk und Altem Testament zurück. Die Juden hätten das Wort Gottes niemals befolgt und auch nie die göttliche Offenbarung auf existentieller Ebene angenommen. Aus der Perspektive der vom Diskurs aufgestellten ethno-konfessionellen Unterscheidung ist die Inkompatibilität radikal: In ethnischer Hinsicht ist der Unterschied zwischen den beiden menschlichen Gemeinschaften total, und religiös gesehen gibt es zwischen Rumänen und Juden ebenfalls keine Gemeinsamkeiten, denn nur die Christen befolgen die alttestamentliche Offenbarung. Die Geschichte des jüdischen Volkes wird von der ständigen Revolte gegen Gott charakterisiert, welcher Israel bestraft hat, in der Diaspora zu leben und dem Hass und den Verfolgungen durch die anderen Völker ausgesetzt zu sein. Zwischen orthodoxen Rumänen und Juden gibt es somit nichts Gemeinsames, um das Zusammenleben der beiden ethno-religiösen Gruppen innerhalb eines einzigen sozialen und politischen Rahmens begründen zu können. Im Wesentlichen geht der antisemitische Diskurs der ROKS in Richtung einer symbolischen Ghettoisierung der jüdischen Gemeinschaft. Die Kirchenelite erschafft auch für die griechisch-katholische Gemeinschaft eine Identität, jedoch nur um die Kompatibilität zwischen dieser und der Gemeinschaft der orthodoxen Rumänen zu betonen. Sie greift auf die Dissoziation zwischen Gläubigen und institutioneller Struktur der Unierten Kirche zurück: Die kirchliche Hierarchie hat sich mit der Katholischen Kirche vereint, während das Volk weiterhin orthodox geblieben ist. Die Orthodoxie ist so fest an das rumänische Volk gebunden, dass ein administrativer Akt, wie die Vereinigung mit der Katholischen Kirche, diese Tatsache nicht hat ändern können. Auf institutioneller Ebene ist die Unierte Kirche katholisch, auf der Ebene der konfessionellen Identität der Gläubigen und auf existentieller Ebene ist sie jedoch orthodox. Folglich fordert die ROKS von den unierten Rumänen, die institutionelle katholische Suprastruktur aufzugeben und in die orthodoxe kirchliche Gemeinschaft zurückzukehren.



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Angesichts der ethno-konfessionellen Unterscheidung kann behauptet werden, dass die ROKS sich die rumänische soziale Realität in Form zweier konzentrischer Kreise vorstellt: Der innere Kreis enthält die Nation-Konfession und den rumänisch-orthodoxen Staat. Im äußeren Kreis befinden sich die anderen ethno-konfessionellen und ethno-religiösen Gruppen, die mehr oder minder dem rumänischen ethnischen und politischen Kreis nahestehen. Die größte Übereinstimmung weist die Gemeinschaft der griechisch-katholischen Rumänen auf, doch deren Zugang zur vollen Teilhabe an der Nation-Konfession wird von deren institutionellen Ordnung verhindert. Es gibt somit eine zentrale, von dieser Wesensidentität zwischen Nation, rumänischer Orthodoxie und Staat bestimmte, und eine sich außerhalb befindende, aus der ethnischen, konfessionellen oder religiösen Alterität bestehende Gesellschaft. Der rumänische Staat muss die Beziehungen zwischen den Akteuren der beiden sozialen Kreise regeln, indem er als normatives Kriterium seiner Politik die ethno-konfessionelle Unterscheidung einsetzt, auf die die Kirchenelite selbst zurückgreift. Der Staat muss demnach die Einheit zwischen sich selbst, der ROK und der rumänischen Nation bewahren und den Unterschied zwischen den beiden die rumänische Gesellschaft bildenden Kreisen vertiefen. Angesichts dieser Darstellung der Beziehung zwischen den sozialen Akteuren ist es selbstverständlich, dass die ROKS das vom rumänischen Staat mit dem Vatikan unterzeichnete Konkordat aufs Schärfste verdammt. In dem Konkordat sieht sie ein Mittel zur Bildung eines katholischen Staates innerhalb des orthodoxen rumänischen Staates. Die Ablehnung des Konkordats durch die ROKS wird theologisch untermauert: Die siebenbürgischen Theologen behaupten, die katholische Anthropologie und Soteriologie würden die ontologische Verwandlung des Menschen durch die göttliche Gnade leugnen. Folglich würde zwischen einer nationalen Gemeinschaft und deren Kirche keine Durchdringungsbeziehung bestehen und der Katholizismus wäre somit lediglich eine übernationale und dem nationalen Christentum feindlich gegenüberstehende Struktur. Das Konkordat und jede Aktivität der Römisch-Katholischen und der Unierten Kirche werden als Versuche, die Beziehung zwischen Staat, ROK und rumänischer Nation zu schwächen, interpretiert. Die Haltung der Nation gegenüber ist für die Kirchenelite ein Evaluierungskriterium der konfessionellen und politischen Vielfalt. Sowohl der Katholizismus, als auch der Kommunismus werden von der ROKS aufgrund ihres internationalistischen, über- und antinationalen Charakters kritisiert. Gleichzeitig wird der deutsche Nationalsozialismus, dessen Ideologie die Bedeutung der nationalen Gemeinschaft betont, mit Sympathie betrachtet. Da die Einheit zwischen Staat, ROK und Nation nur durch eine politische, auf die ethno-konfessionelle Unterscheidung gegründete Aktion bewahrt werden kann, ist es kein Wunder, dass die ROKS die von Octavian Goga geleitete Regierung der PNC sowie die Miron Cristea-Regierung und die antidemokratische

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Politik König Carol II. (die Aufhebung der demokratischen Verfassung, die Auflösung der politischen Parteien, die Bildung einer einzigen Partei usw.) mit Enthusiasmus begrüßt. Im Wesentlichen werden die politischen Ereignisse zwischen 1938 und 1940 von der Kirchenelite als Etappen im Errichtungsprozess eines rumänisch-orthodoxen Staates interpretiert. Durch ihre antisemitische Politik versprechen sich Goga und Cristea die Stärkung der Einheit zwischen Staat, ROK und rumänischer Nation. Die Einführung der obligatorischen Kommunion für die Staatsbeamten und der verpflichtenden Kirchenehe müssen als Maßnahmen zur Stärkung des orthodoxen Charakters des rumänischen Staates und gleichzeitig als Betonung der Unterscheidung zwischen den Akteuren der beiden Kreise der rumänischen Gesellschaft verstanden werden. Die Herausbildung der von König Carol II. geleiteten totalitären Parteien – der Front der Nationalen Wiedergeburt und der Nationspartei – wird von der ROKS als Rückkehr zur rumänischen politischen Tradition des Mittelalters betrachtet, wo die politische und die religiöse Autorität eine religiös-politische Einheit innerhalb der öffentlichen Ordnung des rumänischen Volkes bildeten. Das Axiom der politischen Ethnotheologie, auf die sich das Ordnungsdenken der ROKS stützt, lautet: Die vom Staat geschaffene und bewahrte soziale Ordnung muss eine legale Kodifizierung der moralischen und religiösen Ordnung der Nation-Konfession darstellen. Der Staat muss durch seine politischen Entscheidungen ein Kontinuum zwischen den beiden Ordnungstypen schaffen, und das wiederum bedeutet, dass die authentische soziale Ordnung durch die Unterordnung des Politischen unter das Religiöse geschaffen und bewahrt werden soll; diese beiden Dimensionen der sozialen Existenz bilden ein einziges ordnendes Prinzip. Die Bedingung der Möglichkeit der Beziehung zwischen dem Religiösen und dem Politischen und der hierarchischen Ordnung dieser beiden Bereiche wird von der Nation gebildet, deren Ursprung im Transzendenten liegt und die mit der rumänischen Orthodoxie eine ontologische Einheit bildet. Aus der Perspektive dieser politischen Theologie ist die soziale Ordnung letztendlich das Ergebnis des politischen Eingriffs Gottes selbst durch Vermittlung der Nation-Konfession, d.h. durch Vermittlung der Rumänisch-Orthodoxen Kirche und des rumänischen Nationalstaates, und zwar in dieser hierarchischen Ordnung.



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Erfurter Studien zur Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums Herausgegeben von / Edited by Vasilios N. Makrides

Band

1

Vasilios N. Makrides (Hrsg.): Religion, Staat und Konfliktkonstellationen im orthodoxen Ostund Südosteuropa. Vergleichende Perspektiven. 2005.

Band

2

Klaus Buchenau: Kämpfende Kirchen. Jugoslawiens religiöse Hypothek. 2006.

Band

3

Angelos Giannakopoulos: Tradition und Moderne in Griechenland. Konfliktfelder in Religion, Politik und Kultur. 2007.

Band

4

Kristina Stoeckl: Community after Totalitarianism. The Russian Orthodox Intellectual Tradition and the Philosophical Discourse of Political Modernity. 2008.

Band

5

Nicolai Staab: Rumänische Kultur, Orthodoxie und der Westen. Der Diskurs um die nationale Identität in Rumänien aus der Zwischenkriegszeit. 2011.

Band

6

Sebastian Rimestad: The Challenges of Modernity to the Orthodox Church in Estonia and Latvia (1917–1940). 2012.

Band

7

Łukasz Fajfer: Modernisierung im orthodox-christlichen Kontext. Der Heilige Berg Athos und die Herausforderungen der Modernisierungsprozesse seit 1988. 2013.

Band

8

Alexander Agadjanian: Turns of Faith, Search for Meaning. Orthodox Christianity and PostSoviet Experience. 2014.

Band

9

Thomas Heinzel: Weiße Bruderschaft und Delphische Idee. Esoterische Religiosität in Bulgarien und Griechenland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 2014.

Band 10

Mihai-D. Grigore: Neagoe Basarab – Princeps Christianus. Christianitas-Semantik im Vergleich mit Erasmus, Luther und Machiavelli (1513–1523). 2015.

Band 11

Vasilios N. Makrides / Jennifer Wasmuth / Stefan Kube (Hrsg.): Christentum und Menschenrechte in Europa. Perspektiven und Debatten in Ost und West. 2016.

Band 12

Alena Alshanskaya: Der Europa-Diskurs der Russischen Orthodoxen Kirche (1996–2011). 2016.

Band 13

Stamatios Gerogiorgakis: Futura contingentia, necessitas per accidens und Prädestination in Byzanz und in der Scholastik. 2017.

Band 14

Alexander Ponomariov: The Visible Religion. The Russian Orthodox Church and her Relations with State and Society in Post-Soviet Canon Law (1992–2015). 2017.

Band 15

Isabella Schwaderer: Platonisches Erbe, Byzanz, Orthodoxie und die Modernisierung Griechenlands. Schwerpunkte des kulturphilosophischen Werkes von Stelios Ramfos. 2018

Band 16

Georgios E. Trantas: Being and Belonging. A Comparative Examination of the Greek and Cypriot Orthodox Churches’ Attitudes to ‘Europeanisation’ in Early 21st Century. 2018.

Band 17

Julia Anna Lis: Antiwestliche Diskurse in der serbischen und griechischen Orthodoxie. Zur Konstruktion des „Westens“ bei Nikolaj Velimirovi©, Justin Popovi©, Christos Yannaras und John S. Romanides. 2019.

Band 18

Sebastian Rimestad / Vasilios N. Makrides (eds): Coping with Change. Orthodox Christian Dynamics between Tradition, Innovation, and Realpolitik. 2020.

Band 19

Vasilios N. Makrides / Sebastian Rimestad (eds): The Pan-Orthodox Council of 2016 – A New Era for the Orthodox Church? Interdisciplinary Perspectives. 2021.

Band 20

Marian P£tru: Das Ordnungsdenken im christlich-orthodoxen Raum. Nation, Religion und Politik im öffentlichen Diskurs der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Siebenbürgens in der Zwischenkriegszeit (1918–1940). 2022.

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