Das Jahr 1865 und das Problem von Bismarcks deutscher Politik [Reprint 2019 ed.] 9783486764802, 9783486764796

De Gruyter Book Archive (1933-1945) This title from the De Gruyter Book Archive has been digitized in order to make it

186 31 5MB

German Pages 92 [100] Year 1933

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
INHALT
VORBEMERKUNG
DAS JAHR 1865 UND DAS PROBLEM VON BISMARCKS DEUTSCHER POLITIK
VERLOCKUNG DURCH DIE EUROPÄISCHE SITUATION
DIE POLITISCHE BEDEUTUNG DES GASTEINER VERTRAGS
ANLAGEN
Recommend Papers

Das Jahr 1865 und das Problem von Bismarcks deutscher Politik [Reprint 2019 ed.]
 9783486764802, 9783486764796

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

DAS JAHR 1865 UND DAS PROBLEM VON BISMARCKS DEUTSCHER POLITIK VON

RUDOLF STADELMANN

MÜNCHEN UND BERLIN 1933 V E R L A G VON R. OLDENBOURG

B E I H E F T 39 D E R H I S T O R I S C H E N

ZEITSCHRIFT

A l l e R e c h t e , e i n s c h l i e ß l i c h des Ü b e r s e t z u n g s r e c h t e s , v o r b e h a l t e n D R U C K VON R.OLDENBOURG, MÜNCHEN UND BERLIN

DEN FREIBURGER FREUNDEN IN DANKBARER VERBUNDENHEIT

1*

INHALT.

Vorbemerkung Das Jahr 1865 und das Problem von Bismarcks deutscher Politik Fragen Verlockung durch die europäische Situation

VT 1 6

Der doppelte Kurs

18

Die politische Bedeutung des Gasteiner Vertrags

43

Abwägung der Motive

54

Vom Wesen der Bismarckschen Politik Anlagen Nr. 1 — 9

71 79

VORBEMERKUNG. Die vorliegende Abhandlung, deren Ergebnisse in gedrängter Form auf dem Göttinger Historikertag 1932 vorgetragen worden sind, wurde bereits im Herbst letzten Jahres abgeschlossen und seitdem nur durch einige Nachweise aus Wiener Material ergänzt. Das großenteils ungedruckte Quellenmaterial entstammt den Archiven von Berlin, Wien, München, Stuttgart, Karlsruhe und Weimar, deren Verwaltungen und Beamten ich für ihr großes Entgegenkommen sehr verpflichtet bin. Es bedeuten P. A. = Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin; G. St. A. = Preußisches Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem; H. A. = Brandenburgisch-Preußisches Hausarchiv Berlin-Charlottenburg; H. W. = Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien; B. G. St. = Bayerisches Geheimes Staatsarchiv München; W. St. A. = Württembergisches Staatsarchiv Stuttgart; G. L. A. = Generallandesarchiv Karlsruhe; Th. St. A. = Thüringisches Staatsarchiv Weimar. Der größte Teil der von mir im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts benutzten und darum mit P. A. gekennzeichneten Akten sind inzwischen in das Geheime Staatsarchiv nach Dahlem überführt worden. Der Freiburger Wissenschaftlichen Gesellschaft darf ich auch an dieser Stelle für die gewährten Reisebeihilfen meinen aufrichtigen Dank sagen. Freiburg i. Br., 15. Juni 1933.

R. St.

DAS JAHR 1865 UND DAS PROBLEM VON BISMARCKS DEUTSCHER POLITIK.

FRAGEN. Die wissenschaftliche Erörterung über die Grundlinien und die Motive von Bismarcks deutscher Politik vor dem Krieg von 1866 ist unlängst wieder in Gang gebracht worden durch einen feinsinnig überschauenden Aufsatz von Erich Mareks1), der die Andeutungen fortspinnt, in welchen Friedrich Thimme die Ergebnisse des von ihm und Werner Frauendienst veröffentlichten Quellenmaterials zur Geschichte Bismarcks zusammengefaßt hat.2) Ubereinstimmend kommen beide Interpreten zu der Überzeugung, daß der eigentliche Prüfstein für die Zielsetzung wie für die Methoden der Bismarckschen Politik im Jahr 1865 zu suchen sei, dem Jahr zwischen den deutschen Kriegen, das Bismarck noch in der Freiheit der Wahl zeigt und dann im Teilungsvertrag von Gastein jene merkwürdige Zwischenlösung bringt, die das hegemoniale noch einmal zugunsten des dualistischen Systems zurücktreten läßt. Wenn ich Thimme und Mareks recht verstehe, scheint es, als würde die Wissenschaft die Bahnen von Friedjung und Brandenburg wieder verlassen, als fange sie an, bedenklich zu werden gegen die „realpolitische" Auffassung von dem einlinig kriegerischen Kurs der Bismarckschen Staatskunst, die mit allen Künsten des Versteckspielens, Pausierens, Hinhaltens, Drängens auf das von Anfang an festgehaltene Ziel der waffenmäßigen Auseinandersetzung mit dem österreichischen Rivalen hingearbeitet habe. Die Forschung kehrt, mit Vorbehalt freilich, zurück zu der These Heinrich von Sybels, daß Bismarck bis ins Frühjahr 1866 ehrlich versucht habe, mit dem den Mittelstaaten entfremdeten Habsburg sich zu versöhnen und zu einer schiedlichen Teilung der Machtsphären, zu einem dauernden Zusammenwirken zu gelangen. 1) Erich Mareks, Zwei Studien an neuen Bismarck-Quellen. H. Z. 144, S. 472ff. 2) Bismarck, Gesammelte Werke (Friedrichsruher Ausgabe), Bd. I V und V [im Folgenden zitiert G W und Bandzahl].



2



Dazu ist freilich von vornherein zu sagen: auch wenn diese vertrauensvollere Deutung des Bismarckschen Handelns sich bestätigen sollte, würde ein solches Ergebnis keinesfalls die Rückkehr zu Sybel in sich schließen; denn die These des ersten Geschichtschreibers der Reichsgründung war belastet von einer Überbetonung der Kriegsschuldfrage. Sybel suchte, aus dem Geist einer überempfindlichen Zeit heraus, Bismarck reinzuwaschen von dem Makel des Bruderkriegs, indem er darstellte, wie der große Meister zwar die Wahrscheinlichkeit eines Krieges vorausgeahnt habe, aber stets bestrebt gewesen sei, wenn möglich ohne Blutvergießen ein erträgliches Verhältnis herzustellen. Bismarck ist gleichsam der Erzieher, der durch die Böswilligkeit des unfolgsamen Kindes genötigt wird, schweren Herzens zu den schärfsten Züchtigungsmaßnahmen zu greifen. Wenn die Frage heute wieder aufgerollt wird, ob sich in Bismarcks Handeln zwischen dem Dänischen und dem Böhmischen Feldzug systematische Kriegsvorbereitung oder ehrlicher Verständigungswille spiegle, so braucht auch nicht der leiseste Versuch einer moralischen Ehrenrettung die Diskussion zu beschatten. Nicht wer das Blutvergießen verschuldet hat, sondern ob und seit wann Bismarck den Krieg offen und ausschließend als politisches Mittel gewollt hat und aus welchen Beweggründen er dann die gefährliche, ihm doch scheinbar erwünschte Zuspitzung der Dinge im Sommer 1865 umgebogen hat in eine Übereinkunft, die zu allgemeiner Überraschung den Streit über die Rechte in Schleswig-Holstein vertragsmäßig schlichtet, welche Ziele und Projekte hinter dieser seltsamen Konvention stehen, die dem Offensivpolitiker die Waffen aus der Hand schlug, indem sie ihn der vornehmsten causa belli beraubte und den Zusammenprall in den Elbherzogtümern fürs nächste unmöglich machte: das ist unser Problem. Aus der ersten Frage ergibt sich aber gleich eine zweite. Sollte es sich bestätigen, daß Bismarck den Gegner von Olmütz und Frankfurt mit diplomatischen Mitteln schlagen wollte statt mit Kanonen, daß die Februarbedingungen, die Gasteiner Konvention, das Manteuffelsche Verwaltungssystem und die Gablenzsche Vermittlungsaktion, diese Kette von Anknüpfungsversuchen nicht bloß erdacht waren, um Italien bündnisreif, Napoleon bescheiden, die Mittelstaaten an Österreich irre zu machen, daß sie nicht bloß Winkelzüge darstellten, um den eigenen König und die öffentliche Meinung über die frevelhafte Nacktheit der preußischen Kriegspolitik hinwegzutäuschen, dann muß man fragen, was trieb Bismarck zu dieser Selbstüberwindung? War es opportunistische Rücksicht auf eine Ungunst des Augenblicks oder darf



3



der Ausgleichspolitik ein grundsätzlicher Gedanke unterlegt werden? Die Vermutung drängt sich auf, daß Bismarck, ehe er unwiderruflich den Weg der Revolution beschritt — und das tat er durch die Parole einer mit G e w a l t durchgeführten kleindeutschen Bundesreform — alles daransetzte, um mit den erhaltenden Mächten der Zeit einig zu bleiben. Österreich war trotz des Experiments der Februarverfassung noch immer der Hort des monarchischen Legitimismus und wurde es durch den Sturz des Ministeriums Schmerling im Sommer 65 neu. Im Bunde mit Preußen konnte sich das Kaiserreich vielleicht der liberalen Springflut und des Anpralls der unruhig gewordenen Nationalitäten erwehren. Der Ausgang des Ringens in Österreich konnte entscheidend werden für den Sieg oder die Niederhaltung der Kammern in den deutschen Mittelstaaten. Und dies beides war wieder von weittragenden Folgen für das Schicksal der Zarenherrschaft in Polen und Rußland und den Ausgang des Verfassungskonfliktes in Preußen. Der Zusammenbruch der habsburgischen Monarchie, mit dem ein Angreifer wie Bismarck immerhin rechnen mußte, konnte die europäischen Throne in den Abgrund reißen. Hat sich Bismarck diese Mögüchkeiten vorgestellt, hat er Österreich die Hand geboten aus innerpolitischen Rücksichten, aus gewissen überstaatlichen Prinzipien heraus, dem konservativen Zusammenhalt und dem gemeinsamen Kampf gegen die Revolution zuliebe ? Der einzige Politiker, der im Jahre 1865 Bismarck tiefer in die Karten sehen konnte, der österreichische Unterhändler Graf Blome, hat es behauptet. In einem rückschauenden Bericht an den vorgesetzten Minister über seine Gasteiner Mission sucht er die Vorurteile der österreichischen Politik zu zerstreuen. „Ich constatire, meiner innigsten Überzeugung entsprechend, daß Herr von Bismarck durchaus nicht jener grundsätzliche Gegner Österreichs ist, für welchen man-ihn vielfach hält. Allerdings hat er die Depesche vom 24. Jänner geschrieben, in welcher von Verlegung des Schwerpunktes der österreichischen Monarchie nach Pesth-Ofen die Rede ist. Allein Herr von Bismarck . . . gehörte seiner Zeit zu den Wenigen, welche im Gegensatz zur Radowitz' sehen Richtung den Tag von Olmütz guthießen und öffentlich vertraten. Die Wahrheit ist, daß Herr von Bismarck sich ausschließlich durch Gründe der inneren Politik bestimmen läßt." 3 ) Weniger überspitzt, aber mit 3) Bericht Blomes an Mensdorff vom 14. August 1865, Nr. 2. H. W. Die ziemlich konfuse Fortsetzung vermag allerdings die Zusammenhänge zwischen preußischer Innenpolitik und auswärtigem Kurs nur sehr unvollkommen darzustellen und entgleist zu den völlig verständnislosen Sätzen: „Herr von Bismarck ist kein Staatsmann, er ist ein Parteimann. Kann er



4



vollem Bewußtsein von der Tragweite einer solchen Behauptung hat auch die Wissenschaft diese Erklärung herangezogen. Wenn es möglich zu machen war, so argumentiert Friedrich Thimme, mußte ein Bismarck und ein preußischer Konfliktsminister die konservative Allianz der Erschütterung des Monarchismus, dem Dolchstoß im Ältestenrat der europäischen Dynastien, vorziehen. Hat Bismarck von solchen Überlegungen sein Handeln bestimmen lassen ? War seine Politik vor 1866 ein Ausfluß seiner gesckichtsphilosophischen Anschauung von dem welthistorischen Ringen zwischen Autorität und Barrikade, in dem die Fronten quer durch alle Staaten und Verhältnisse hindurchlaufen ? Dahinter steht aber noch ein weiteres, drittes Problem. Wie verträgt sich überhaupt ein auch nur in Betracht gezogener Konservativismus als Richtschnur des politischen Handelns mit den Aufgaben einer Lösung der deutschen Frage ? Sobald wir die Politik des dualistischen Ausgleichs ernst nehmen, kommt auch das ganze Bild in Verwirrung, das wir uns herkömmlich von dem deutschen Staatsmann Bismarck machen. Dann entfällt ja die zielbewußte, von Beginn der politischen Wirksamkeit an festgehaltene einheitliche Linie, die in wohlüberlegten Stufen vom Gegner des Unionsplans über den preußischen Heeresreformer und den Zertrümmerer des Frankfurter Fürstentages heraufführt zum schleswig-holsteinischen Annexionisten und kleindeutschen Bundesführer.4) Wenn in Bismarck während jener Jahre der Vorbereitung gleichzeitig weittragende Erwägungen über einen HohenzollernHabsburgischen Vergleich Raum haben, was war dann eigentlich seine Konzeption einer Neuordnung Deutschlands ? Wo und wann beginnt die nationale Politik des Reichsgründers und welche Leitbilder einer deutschen Zukunftverfassung bestimmen sie ? die Demokratie in Preußen nach seiner Manier bewältigen, ohne sich in Deutschland auszubreiten, so denkt er nicht an Machterweiterung. Gebraucht er letztere, um sein System im Innern zu stützen, so wird er sie rücksichtslos anstreben." Im übrigen sieht der österreichische Diplomat Bismarck im Licht der Gedankenwelt Edwin v. Manteuffels, den er für seinen stärksten Fürsprecher im Hoflager von Gastein hält. Dessen Idee, die Relikte der Napoleonischen Zeit — also z. B. die Souveränität der Mittelstaaten — mit Österreich gemeinsam zu unterdrücken „als Vorspiel des großen Entscheidungskampfes, der einmal gegen das bonapartistische Frankreich zu kämpfen ist", unterstellt er auch Bismarcks Politik. 4) Es ist ein Kennzeichen dieser Auffassung, daß die schließliche Beschränkung auf Norddeutschland in der Hauptsache der Mißgunst Napoleons zugeschrieben, sie jedenfalls nicht in Bismarcks Zielstrebigkeit aufgenommen wird. Vgl. noch jüngst Gustav Roloff, Bismarcks Friedensschlüsse mit den Süddeutschen, H. Z. 146 , S. 16.



5



Das sind die Fragen, die wir unter Heranziehung des Aktenmaterials von Berlin, Wien, München, Stuttgart, Karlsruhe und Weimar zu beantworten suchen. Aus einer Untersuchung der Geschehnisse und Beweggründe, die zum Abschluß der Gasteiner Konvention geführt haben, sollen Erkenntnisse über die Planmäßigkeit der Bismarckschen Politik und ihre kriegerischen, konservativen und nationalen Züge gewonnen werden. Dabei werden auch Einzelheiten des geschichtlichen Verlaufs wie die Rolle des Königs, der Einfluß der Militärkamarilla, der Anteil Bismarcks am Zustandekommen der Vertragsparagraphen, die Haltung der österreichischen Staatsmänner, die Bedeutung Napoleons und die Frage der militärischen Bereitschaft Preußens eine neue Beleuchtung erfahren.

VERLOCKUNG DURCH DIE EUROPÄISCHE SITUATION. Die weltpolitische Lage von 1865 war vielleicht die günstigste Voraussetzung, die Bismarck je für eine große Unternehmung gegönnt gewesen ist, und die Aussicht auf das, was das Jahr vermutlich an außerdeutschen* Ereignissen und Konflikten bringen würde, mußte für einen Staatsmann mit umfassendem Blick beinahe eine Verlockung zu seinem besonderen geschichtlichen Schlage sein. J a , alles sprach dafür diesen Schlag bald zu tun, denn eine Verzögerung konnte die Situation nur verschlechtem. Die Zeit arbeitete nicht für Bismarck, sondern gegen ihn. Preußen war für einen Augenblick frei von jenem verhängnisvollen konzentrischen Druck, der sonst auf dem Kemland Europas zu liegen pflegt. Die Energien der Großmächte, soweit nicht Schwierigkeiten im Innern sie aufsogen, wurden abgelenkt auf vier oder fünf kritische Punkte an der Peripherie: auf den Alabamakonflikt, das mexikanische Abenteuer, die römische Frage, die Donaukonferenzen und den Streit um das belgische Erbe. An allen diesen Punkten, an denen sich merkwürdigerweise in der ersten Hälfte des Jahres 65 gleichzeitig gewisse dramatische Hochspannungen erzeugten, konnten verheerende Brände über Nacht sich entfachen. So ist es begreiflich, daß die Wachsamkeit der Kabinette den deutschen Angelegenheiten gegenüber etwas nachließ. Am meisten war das in England der Fall. Das Foreign Office hatte andere Sorgen als die Bereinigung des Gegensatzes zwischen Österreich und Preußen. In dem von jeher verwickelten Spannungsverhältnis zu den Vereinigten Staaten trat gegen Ende des amerikanischen Bürgerkrieges eine neue Verschärfung ein. Es handelte sich dabei nicht nur um die Anerkennung der Südstaaten als kriegführender Macht und nicht nur um die Neutralitätsverletzung durch die von englischen Häfen ausgelaufenen Kaperschiffe. Für England ging es um die drohende industrielle Konkurrenz des ehemaligen Koloniallandes, um die Zukunft Kanadas und vielleicht um die Behauptung Irlands. Wenigstens

deutet Graf Bernstorff die starke Erregung der öffentlichen Meinung in London so: man sieht nicht nur Britisch-Nordamerika durch den Imperialismus der Monroe-Doktrin bedroht, sondern fängt an zu fürchten, daß die Millionen ausgewanderter Iren sich unter dem Sternenbanner im Kampfe gegen England die Freiheit ihres alten Heimatlandes erkämpfen könnten. Das alles ist Grund genug, daß die Times im März 1865 ganz offen den Präventivkrieg gegen die Yankees empfiehlt und Palmerston davon spricht, daß England am Vorabend eines möglichen Bruches mit Washington stehe.6) Nur vor diesem Hintergrund versteht man die Haltung des britischen Staatssekretärs, der dem preußischen Gesandten mehrmals ganz unverhohlen erklärt, daß er „nur geringes Interesse" an den deutschen Angelegenheiten nehme und es ihm „gleichgültig" sei, ob aus den Elbherzogtümern ein souveräner deutscher Bundesstaat gebildet oder sie völlig in Preußen eingegliedert werden.6) Diese Teilnahmlosigkeit Englands an der deutschen und der schleswig-holsteinischen Frage war der größte Gewinn gegenüber dem Vorjahr, den Bismarck als Aktivposten für 1865 buchen konnte und mit dem er, so würde man denken, wuchern mußte, so lange noch Zeit war. Denn je länger Preußen die Entscheidung hinausschob, desto eher war zu erwarten, daß England wieder die Hände frei bekommen und sich in die deutschen Dinge wieder stärker einmischen würde.7) Eine ähnliche, vielversprechende Teilnahmlosigkeit an den mitteleuropäischen Fragen wird nun für das Jahr 1865 auch aus Paris gemeldet. Weder die Ausschaltung des Deutschen Bundes aus der Angelegenheit der befreiten Herzogtümer noch die preußischen Februarbedingungen noch der innere Systemwechsel in Österreich kann den französischen Kaiser und seine Minister aus 5) Immediatbericht Bernstorffs 1. März, Bernstorff an Bismarck 9. März 65 P. A. 6) Berichte und Telegramme der preußischen Gesandtschaft in London an Bismarck vom 8. Juli, 25. Juli und 10. August 65 P. A. Noch im Oktober 1864 hat Bismarck von der,,fortdauernden Gereiztheit der englischen Staatsmänner gegen uns" zu sprechen Anlaß gehabt. (GW IV, 569). 7) Mitte Mai kann man einigermaßen übersehen, daß der englischamerikanische Konflikt doch nur auf Geldentschädigungen hinauslaufen wird (Gerolt an Bismarck 16. Mai 65 P.A.) und am 4. Juli macht Lord Rüssel im Oberhaus Mitteilung von der erfolgten Entspannung. Aber es gab immer noch britische Diplomaten — Lord Cowley in Paris gehört dazu: Goltz an Bismarck 16. Juni 65 P. A. — die an einen Anschlag auf Kanada nach wie vor glaubten (er konnte ja unabhängig von der Alabamafrage verübt werden), und die Flottenbegegnung mit dem französischen Geschwader am 15. August zeugt auch nicht von einer unbedingten Friedenssicherheit der Admiralität.



8



ihrer Apathie reißen. Sie haben nur Auge und Ohr für den Ausgang der mexikanischen Expedition, der für die Sicherheit des kaiserlichen Thrones in Frankreich so entscheidend werden kann.8) Auch hier ist es im Grunde der amerikanische Sezessionskrieg, der Deutschland von der argwöhnischen Aufmerksamkeit seines Nachbarn einen Atemzug lang befreit. Die Niederlage der südstaatlichen Pflanzer stellte den Bestand des mexikanischen Reiches in Frage9), denn das Ende der Kämpfe machte ein Heer von Freiwilligenformationen der Unionsregierung verfügbar. In Paris ging die blaße Furcht um, diese erhitzten Republikaner möchten sich für den Präsidenten Juarez erklären und die Regierung der Vereinigten Staaten könnte die Stimmung der Massen benützen, um getreu der Monroelehre die Gründung eines ausländischen Kaisertums auf amerikanischem Boden mit Waffengewalt zu verhindern. Die Gefahr für Mexiko wuchs, als nach dem Attentat auf Lincoln vom 14. April 1865 es ganz ungewiß erschien, ob sein Nachfolger Johnson willens und imstande sei, eine unpopuläre Politik der Mäßigung durchzuführen.10) Die amerikanische Rüstungsindustrie schürte gewaltig und drängte zu einem Krieg gegen Mexiko-Frankreich, um auf einem neuen Schlachtfeld das Kriegsmaterial los zu werden, das ihr bei dem unerwartet raschen Friedensschluß mit den Sklavenstaaten liegen geblieben war. 11 ) Das französische Prestige würde es unmöglich machen, das junge Kaiserreich gegen diesen Angriff im Stich zu lassen, auch wenn nicht unmittelbare französische Interessen an den mexikanischèn Bergwerken mit im Spiel wären. Es mußte eine Zeitlang nicht bloß für die Beteiligten, sondern auch für Bismarck so aussehen, als treibe das Siegergefühl die amerikanische Union zu einem Zweifrontenkrieg gegen Kanada und Mexiko, als dränge die Konsequenz der Monroedoktrin zu einem großen Krieg um den ameri8) „On ne se préoccupe ici que fort peu des affaires politiques et je dirais volontiers qu'on ne se préoccuperait de rien si les affaires du Mexique et depuis quelque temps celles de l'Espagne n' étaient de nature à remuer un peu l'apathie générale qui semble s'être emparée de l'Empereur et de ses ministres." Metternich an Mensdorff 5. Juli 65 H. W. 9) „Napier [britischer Botschafter in Berlin] sieht sehr schwarz; er glaubt, daß der Kaiserstaat Mexiko sich nur hätte halten können, wenn der Süden gesiegt hätte und beide cause commune gegen den Norden gemacht hätten. Jetzt halte er die kaiserliche Existenz für sehr gefährdet. Was Frankreich tun wird, ist noch ganz unsicher ; seine Ehre verlangt die Unterstützung des Kaiserstaats, die Unpopularität der Frage in Frankreich verlangt das Gegentheil." Wilhelm I. an Augusta 25. Mai 65 H. A. 10) Goltz an Bismarck 2. Mai 65 P. A. 11) Balan an Bismarck 9. Juni 65 G. St. A.



9



kanischen Kontinent, den Frankreich und England im Bunde gegen die Vereinigten Staaten zu führen hätten. Es war nicht ohne Bedeutung, wenn noch am 15. August 1865 vor Cherbourg eine feierliche Begegnung der englischen und französischen Flotte inszeniert wurde. 12 ) Der Auftritt erinnert an Bilder aus dem Krimkrieg. Und in der Tat hätte ein englisch-französisches Zusammengehen gegen Nordamerika eine gewisse Ähnlichkeit mit der Konstellation des Krimkrieges gehabt. Bekanntlich hat aber Bismarck die Situation Preußens im Krimkrieg als eine besonders günstige beurteilt. Mußte nicht das drohend heraufziehende transatlantische Gewitter als ein Ansporn wirken, währenddessen in Mitteleuropa sich eine Beute zu sichern, ähnlich wie das Bismarck 1854 empfohlen hatte ? Man konnte freilich auch eine ganz andere Rechnung aufstellen über den Ausgang der mexikanischen Affaire und ihre Rückwirkung auf die heimische Geschichte. Napoleon konnte versucht sein, sich in Europa einen Vorwand zu schaffen, um ohne Aufsehen und mit Ehren sich von dem ohnehin verlorenen mexikanischen Spiel zu lösen.13) Würde er sich als Vorwand den Zwist zwischen den beiden deutschen Großmächten und einen Gewaltstreich am Rhein aussuchen ? Von dieser Gefahr ist in dem Schriftwechsel der preußischen Diplomaten wenig die Rede. Vielmehr sprechen sie mehr oder minder offen davon, daß „bei dem nahe erwarteten Ableben des Königs Leopold alle Augen in Frankreich auf Belgien gerichtet sind". 14 ) Der Gesundheitszustand des belgischen Königs erregt in der ganzen politischen Welt ein lebhaftes Interesse, und auch Bismarck läßt sich einige Wochen lang täglich durch Telegramme und Privatbriefe von dem preußischen Gesandten in Brüssel über das Befinden des hohen Herrn unterrichten. Sein Hingang wäre ein „europäischer Verlust", sagt mit 12) E s ist auch bezeichnend, daß die Kaiserin Eugénie durchaus überzeugt sein will, daß es zwischen Washington und England doch noch zu einem Konflikt kommen werde (Goltz an Bismarck 16. Mai 65 P. A.). Um dieselbe Zeit erwartet der preußische Gesandte in Washington noch ernstlich Verwicklungen mit Mexiko (Gerolt an Bismarck 16. Mai 65 P. A.). Erst im Juni ist man sich ziemlich einig darüber, daß die Union aus Geldmangel und wegen innerer Schwierigkeiten, die sich aus dem Kriegsdienst der Farbigen ergaben, nicht mehr werde eingreifen können (Gerolt an Bismarck 5. Juni, Goltz an Bismarck 10. Juni 65 P. A.). 13) So sieht von der Goltz die Sachlage an in einem Bericht vom 16. Juni 65 P. A. Ähnlich Bernardi: Aus dem Leben Theodor v. Bernhardis VI, 208. 14) Gerolt an Bismarck 5. Juni 65 P. A .

— 10 — einem besonderen Akzent auch König Wilhelm.15) War die Zeit, in der Frankreich die Aussicht auf diesen hoffnungsvollen Tod vor Augen hatte, nicht ebenfalls ein günstiger Moment, um vielleicht eine französische Neutralität ohne deutsche Kompensationen zu erhalten, auch bei einem größeren Machtzuwachs Preußens? König Leopold ist erst am 10. Dezember des Jahres gestorben. Mußte Bismarck nicht zugreifen, solange die unbefriedigte öffentliche Meinung der Pariser von einer schönen Erwartung zehren konnte? Auch und gerade wenn er an die Realisierbarkeit der französischen Annexionsgelüste nie geglaubt hat und noch weniger die Hand dazu herleihen wollte, Belgiens Neutralität zu verletzen. Daß in gewissem Sinne bei Frankreich der Schlüssel zur Lösung der deutschen Frage lag, hing freilich weniger mit den französischen Kompensationsforderungen zusammen als mit der Tatsache, daß Italien in seiner Politik weitgehend abhängig war von dem Wink Louis Napoleons. Diese Abhängigkeit entsprang der doppelten Rolle des Kaisers als Beschützer des italienischen Nationalstaats und als Mittler in der römischen Frage. Nun hat sich das Jahr 1865 auch in diesem vielleicht heikelsten Punkt des diplomatischen Spiels unverhofft günstig angelassen. Als im April die Sitzungsperiode des Turiner Parlaments damit zu Ende ging, daß die Regierung ihre antiklerikalen Gesetze zurückzog und der sehr katholische Unterhändler Vegezzi im Auftrag Viktor Emanuels an den Vatikan reiste, da war es offenkundig, daß sich Papst und König gemeinsam von der französischen Vormundschaft befreien wollten, indem sie zu einer Versöhnung des jungen Staats mit der Kirche zu gelangen suchten.16) Schon sah man im Gebiet des Patrimonium Petri die Jesuiten ihre Grundstücke verkaufen und Juden als Käufer auftreten: ein Beweis, daß man bereits mit dem Übergang von kirchlicher in weltliche Hand rechnete.17) Diese Welle der national-italienischen Begeisterung — man träumte 15) Wilhelm I. an Augusta 8. Mai 65 H. A. 16) Von der Unterredung zwischen Pius I X . und Vegezzi weiß der preußische Gesandte das Papstwort zu berichten: „Nous avons fait la même faute — Vous et moi. Nous avons appelé tous les deux les Français. Ohimè! Povera Italia!" Arnim an Bismarck 17. Mai 65 P . A . Ähnlich Usedoms Immediatberichte vom 2. und 16. Mai 65 G. St. A. — Daß die Anregung für die Aussöhnung nicht, wie man munkelte und wie Drouyn de L'huys offenbar nicht ungern glauben machen wollte, von dem französischen Gesandten am Vatikan ausgegangen, sondern ein spontaner nationalitalienischer Akt war, kann Arnim beweisen (Arnim an Bismarck 17. Juli 65 P. A.). 17) Immediatbericht Usedoms 14. Juli 65 G. St. A.



11



schon von einem Kaiser der Italiener und Römer, der sich vom Heiligen Vater krönen und Rom als Ehrenhauptstadt von ihm anweisen lassen werde — trug eine Zeit lang auch das zage Ministerium La Marmora. Im Schwung dieser Bewegung hätte sich keine Regierung einem Kriegsbündnis zur Eroberung Venetiens entziehen können. Auch für die Stärkung der neugegründeten Monarchie (an der Preußen so viel gelegen sein mußte), vor allem für die endgültige Durchsetzung des piemontesischen Königtums in Unteritalien, für die innere Sammlung der Kräfte Italiens haben die Verhandlungen Vegezzis mit dem Römischen Stuhl die günstigsten Auspizien dargeboten. Von Österreich war eine Störung dieser ganz in Bismarcks Interesse gelegenen Entwicklung der römischen Frage nicht zu erwarten, weil es Angst vor Verwicklungen mit Napoleon hatte, und Pius IX. hatte in seiner scharfsinnigen Klugheit auch bereits auf den österreichischen Schutz verzichtet, weil er die Schwäche der deutschen Position Habsburgs erkannte und wußte: la question Romaine est ä Kiel.18) Die dritte katholische Macht, Spanien, warf sich gerade damals für den Sieg des italienischen Nationalstaates in die Waagschale, indem das neue Ministerium O'Donnell von der Königin die Anerkennung des konstitutionellen Italien erzwang. Die katholische Einheitsfront war gesprengt, Italien begann freier zu atmen und zu neuer Selbständigkeit zu erwachen. Auch an diesem Punkt der europäischen Lage sind freilich nicht alle Früchte gereift, die man erwarten konnte: die Mission Vegezzi verlief schließlich ergebnislos. Aber das für unseren Zusammenhang Wichtige bleibt die Feststellung, daß auch in der italienischen Ecke zwischen April und Juni 1865 die Wetterlage für einen Krieg Preußens mit Österreich dauernd günstiger wurde. Am schwersten war vielleicht die voraussichtliche Haltung Rußlands abzuschätzen. Die Zukunft der Elbherzogtümer war für die übrigen Großmächte eine Angelegenheit des Prestiges oder der Liebhaberei für politische Prinzipien, im höchsten Fall ein Gewichtstein an der Waage des europäischen Gleichgewichts. Allein für Rußland konnte sie eine Frage der politischen Existenz werden, weil ein neuer preußischer Kriegshafen und eine Kanalverbindung Kiels mit dem Ozean die russische Ostseeherrschaft so einengen konnte, daß die inneren Schwierigkeiten in Finnland und den baltischen Provinzen bedrohlich wurden.19) Aber Bismarck 18) Arnim an Bismarck 9. März, 1. Juli, 13. Juli 65 P . A . 19) Ganz allgemein erwartet man den Ausbruch separatistischer A g i tation im Baltikum, sobald „die Verhältnisse" solche Strömungen praktisch begünstigen sollten ( R e d e m an Bismarck 1. Februar 65 P . A.). Beiheft d. H. Z. 29.

2



12



scheint vor einem Einschreiten des Petersburger Kabinetts gegen engere oder weitere Annexionspläne Preußens keine Sorge gehabt zu haben, sei es daß er sich auf die verwandtschaftlichen Bande verließ beziehungsweise auf den „religiösen Kult" 2 0 ), den man in Rußland mit der Idee der gemeinsamen monarchischen Interessen trieb, sei es daß er Gortschakows Ziele dahin durchschaute, daß der russische Vicekanzler seinem Lieblingsgedanken einer russischfranzösisch-preußischen Allianz oder gar einer gemeinsamen Front der vier Kontinentalmächte gegen England 2 1 ) am nächsten kam durch Begünstigung der Konstellation des Wiener Friedens und einer aktiven preußischen Politik. Daß Bismarck Rußland ignorierte, weil er die verfügbaren Kräfte des Zarenreiches gering geschätzt hätte in dieser Zeit, ist nicht bezeugt. Zwar war das Ergebnis der inneren Anleihe vom Winter 1864 katastrophal.22) Aber die sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten, die dem Staat Alexanders II. aus der Bauernbefreiung erwuchsen, fingen doch gerade erst an spürbar zu werden, und über die russische Heeresreform gingen auch durchaus lobende, ja bewundernde Zeugnisse ein. 23 ) Dem Vorurteil, daß die Schlagfertigkeit des Zarenreichs durch die Adelsfronde und die Auflehnung der Intelligenz gelähmt sei, ist Bismarck nicht erlegen, weil er von dieser innerrussischen Revolutionsgefahr nicht allzuviel hielt.24) Aber vielleicht leitete ihn in seinem ganzen Verhältnis zu Rußland die einfache Weisheit, die er seinem Petersburger Aufenthalt verdankte, daß in der russischen Politik ein großes Stück hausbackener Harmlosigkeit und Plumpheit stecke, zu der man Vertrauen haben konnte. 25 ) 20) Das ist ein Ausdruck, den Gortschakow selbst in einem Brief an Edwin von Manteuffel vom 22./io. Juli 65 gebraucht: ,,. . .les intérêts monarchiques auxquels, comme vous, je consacre un culte religieux." G. St. A. 21) Vgl. Bismarck an Schleinitz 14. Juli und 15. Oktober 60 G W III, 85 und 1 3 1 . 22) Von den 1 1 5 Millionen Rubel, die mit Mühe gezeichnet wurden, waren sehr namhafte Summen fingierte Subskriptionen der Staatsbank! (Redern an Bismarck 3. Januar 65 P. A.) 23) Prinz August von Württemberg an Edwin von Manteuffel 15. Juli 65 G. St. A. 24) Zu den Ausführungen Rederns in seinem Bericht vom 3. Januar, daß in Rußland sich die Reform von oben als unwirksam erwiesen habe und man mit einer Revolution von unten rechnen müsse, macht Bismarck ein großes Fragezeichen und schreibt mit erfrischender Nüchternheit an den Rand: „Man stiehlt und lügt nur zuviel!" P. A. 25) Bismarck an Schleinitz 1 1 . April 61 GW III, 214t.

— 13 — Als die Februarbedingungen bekannt wurden, hat Gortschakow allerdings eine deutliche Verwarnung erteilt mit dem Bemerken, das geplante Vasallentum des Augustenburgers erinnere in fataler Weise an das Verhältnis des Sultans zu den Donaufürstentümern und Serbien.26) Aber dann kam man von beiden Seiten nicht mehr darauf zurück26®), und im Verlauf des kritischen Jahres festigte sich die Freundschaft der beiden Herrscherhäuser so sehr, daß im Juli durch den General von Loen ein Austausch von Vierpfündergeschützen samt dazugehöriger Munition zwischen Rußland und Preußen in Gang gebracht wurde. Ob Bismarck ganz so ruhig gewesen wäre, wenn er von den Intriguen gewußt hätte, die hinter seinem Rücken gesponnen wurden, um den Zarenhof gegen seine Annexionspolitik in Wallung zu bringen ? Im Weimarer Hausarchiv liegt ein Bündel Briefe, die der Vetter des Zaren, Großherzog Carl Alexander, seit dem Winter 1864 an Alexander II. gerichtet hat und in denen er immer häufiger und immer zudringlicher seine ganze Beredsamkeit aufbietet, um den Herrn aller Reußen, den einzigen, der gegen den allmächtigen preußischen Ministerpräsidenten noch etwas vermag, zu warnen vor den Gewaltplänen Bismarcks: dieses „individu", wie er ihn herabwürdigend nennt, dieses „homme sans scrupule ni conscience". Diese Briefe, die eine Reihe kompromittierender Äußerungen König Wilhelms, der preußischen Militärs, Bismarcks selbst an den Russen verraten, um ihm Handhaben zu geben, die preußischen Annexionspläne vor dem Forum Europas zu entlarven, fordern das Veto des Auslandes gegen die preußische Politik im Namen der deutschen Libertät — offenbar mit schlechtem Gewissen und dem Bewußtsein des Verrats, sonst würde nicht jedes Postscriptum den Empfänger beschwören, das erhaltene Schreiben sofort zu verbrennen. Hinter dem Versuch des Weimarer Großherzogs, die Nordmarkpolitik des verhaßten preußischen Ministers abzuwürgen, wird noch eine zweite bedenklichere Absicht erkennbar: der Zar soll durch sein Machtwort in Berlin das Ministerium Bismarck stürzen und dem König wieder die Freiheit der Entschließung verschaffen, die jetzt ganz unter der Hypnose des Gefährlichen steht! Bismarck hat nichts gewußt von dem Komplott, das gegen ihn geschmiedet wurde. Der Zar aber hat damals das Vertrauen gerechtfertigt, das der preußische Edelmann zeitlebens in den vornehmen offenen Souverän gesetzt hat. Alexander durchschaut überlegen die 26) Gortschakow an Oubril 12. März (a. St.) 6g. Abschrift G St. A. 26a) Vgl. z. B. Redern an Bismarck 23. März 65 bei Fritz Hähnsen. Ursprung und Geschichte des Art. V des Präger Friedens, 1929, I, S. 4ogf.

— 14 — Machenschaften des augustenburgisch gesinnten fürstlichen Agenten und ahnt, auf welche weiblichen Einflüsse diese schlecht gesponnene Intrigue vielleicht zurückzuführen ist.27) Zum Werkzeug der Königin Augusta wollte er sich nicht hergeben.28) Immerhin war die Gefahr nicht ganz unbedenklich. Die russische Vermittlung zugunsten der hessischen oder oldenburgischen Verwandten ist Bismarck gelegentlich recht unbequem gekommen, warum sollte Alexander nicht auch auf die Bitten des weimarischen Vetters eingehen, zumal ihm doch jede Thronentsetzung — und als das konnte die Enterbung des Augustenburgers aufgefaßt werden — fast wie ein böses Omen verhaßt war. Was die zarische Politik letztlieh bestimmt hat, den deutschen Dingen so duldsam zuzusehen, scheint mir noch einer näheren Untersuchung bedürftig. Daß es die Dankbarkeit für die Unterstützung im polnischen Aufstand nicht allein ausgemacht haben kann, scheint, sicher; denn wir wissen jetzt (durch Friese, durch Zechlin, durch die Veröffentlichung der Historischen Reichskommission), daß der rasche Abbruch der Alvenslebenschen Konvention bei dem Zaren auch schmerzliche Gefühle hinterlassen hat.29) Aber was auch die Motive gewesen sein mögen, das Ergebnis für den vorliegenden Zusammenhang besteht jedenfalls darin, daß Bismarck in seinen Kombinationen auf Rußland ebensowenig Rücksicht zu nehmen brauchte wie auf England. Zwei Großmächte fielen einfach aus. Das war vielleicht der glücklichste unter all den Umständen, die zu einer Initiative großen Stils für das Jahr 1865 einluden. Und forderte nicht auch die Schwäche des Gegenspielers zu einer geschichtlichen Abrechnimg geradezu heraus? Österreich war seit dem Krimkrieg hoffnungslos isoliert und durch diese Isolation erst recht unsicher geworden, so daß es sich in nervösem 27) Carl Alexander verwahrt sich mit fast komischem Eifer gegen den Argwohn, daß irgend jemand Drittes sich bemühe, Mißtrauen zu säen: „personne ne me prêche la zizanie". Carl Alexander an den Zaren 22./10. Juli 65 Th. St. A. 28) Daß die Anstifterin der Weimarischen Intrigue wirklich die Königin Augusta ist, läßt sich aus ihren Briefen an den Bruder Carl Alexander (Th. St.A.) freilich nicht erweisen. Sie sprechen nur selten und allgemein von Bismarck als dem „funeste homme" o. ä. Dagegen läßt ihr Geburtstagsbrief an Carl Alexander c. 23. Juni 64 erkennen, daß sie sich bei den Berliner Besuchen des Zaren mehr als üblich um diesen bemühte und- noch eifriger darauf horchte, wie ihre Bemühungen von ihm aufgenommen wurden. 29) Mit einer Arbeit über das Verhältnis Bismarcks zu Kußland in der Epoche der Reichsgründung bin ich gegenwärtig beschäftigt.

— 15 — Anlehnungsbedürfnis sogar zur preußischen Allianz bekannte, wo es bundestreu sein mußte (wie bei der Abberufung der Exekutionstruppen aus Schleswig-Holstein) und Napoleon zu gefallen suchte, wo es die Partei des Papstes hätte ergreifen sollen (in der römischen Frage). Am deutlichsten zeigte sich diese Isolierung neuerdings wieder auf der Botschafterkonferenz in Konstantinopel, wo Prokesch mit den Russen nicht mehr zusammengehen wollte in der Frage der Entschädigung für die griechischen Klöster, aber darum doch auch dem Standpunkt der Franzosen keinen Schritt näher kam, der den Fürsten Cusa offen als französischen Schützling in den Donaufürstentümern begünstigte.30) Österreich besaß keinen Freund mehr auf der Welt und hatte es auch seit langem verlernt, sich solche zu schaffen. Das zweite Dauermoment seiner Ohnmacht lag in dem trostlosen Zustande der Finanzen. Der Staat, der bis 1848 finanziell zu den bestsituierten des Kontinents gehört hatte, war abhängig geworden von der Hilfe internationaler Bankkonsortien und konnte nicht einmal mehr die Zahlungen des regelmäßigen Schuldendienstes aufbringen. Gleichzeitig ist der Staat aber auch nach innen jeder Bewegungsfreiheit beraubt, weil der Reichsrat rücksichtslos die Verabschiedung des Etats verweigert, solange der Haushalt von der Regierung nicht ins Gleichgewicht gebracht sei. Bei einer Kreditforderung von 1 1 7 Millionen erhält der Finanzminister von Ausschuß und Abgeordnetenhaus ganze 13 Millionen bewilligt. Die Opposition wird sich bei dieser Budgetberatung ihrer Macht voll bewußt, angesichts einer Regierung, die keinen Staatsschatz in Reserve hat wie das preußische Konfliktskabinett und die täglich weniger mit dem ungeheuren habsburgischen Reichsproblem fertig wird. Das ist der dritte Punkt der österreichischen Schwäche: das Donaureich steht mitten in der Krise einer tiefgreifenden Verfassungsumbildung. Viel Zeit ist nicht mehr zu verlieren. Schon beginnen an den Rändern die fremdstämmigen Bestandteile der Monarchie abzubröckeln. In Triest, das noch zum deutschen Bundesgebiet rechnet, muß der österreichische Gouverneur die Auflösung des Stadtrates verfügen, weil er allzulaut seinem Wunsch nach italienischer Staatszugehörigkeit Ausdruck gegeben hat. 81 ) Es ist zweifellos ein großer Versuch einer Verfassungsreform, der von Esterhazy und Kaiser Franz Joseph persönlich eingeleitet wird. Man unternimmt es, das konstitutio30) Brassier an Bismarck, Konstantinopel 28. Mai 65 P. A. 31) Bericht des Generalkonsuls Lutterroth in Triest an Werther vom 17. und 25. Januar 65 P. A.



16



nelle und das Nationalitätenproblem in eins zu verknoten und zusammen zu lösen. Man opfert das zentralistische System und das bürgerliche Parlament, um durch die Einrichtung föderalistischer aber ständischer Landtage von Prälaten und Magnaten in Dalmatien, Kroatien, Slavonien und Ungarn dem radikaldemokratischen Nationalismus zuvorzukommen. Wie auch das Experiment glücken mochte, für das Jahr 65 ergab sich aus dem Übergangszustand eine kaum verhüllte Anarchie. Die ersten Gerüchte über den wahrscheinlichen Sturz des Systems Schmerling tauchen schon im März auf.32) Und als am 27. Juli der Reichsrat auseinanderging, da war das neue Ministerium noch immer nicht ernannt, noch immer kein Finanzminister gefunden und noch immer die restliche Geldforderung von 104 Millionen Gulden nicht unter Dach gebracht. Das hatte natürlich wiederum verhängnisvolle Rückwirkungen auf die Kreditaussichten des Staates: er brachte sich um den Rest des Vertrauens bei seinen privaten Gläubigern, ja der dualistische Umbau des Reiches selbst schädigte den Anleihemarkt, weil die Geldgeber im Ungewissen waren, ob Ungarn künftig die Staatsschuld der österreichischen Hälfte anerkennen würde. Wir erhalten einen interessanten Einblick in diese Befürchtungen der Haute Finance durch einen Privatbrief Gerson Bleichröders an Bismarck, der sich in den Akten des Auswärtigen Ministeriums findet. In dem Brief des Berliner Bankiers wird noch ein weiterer höchst interessanter Gesichtspunkt zur Lage Österreichs entwickelt. Wenn die Weltfinanz knapper wird mit der Gewährung von Krediten an den armen österreichsischen Staat, so rührt das letzten Endes daher, daß die Geldmärkte Europas neuerdings völlig mit Beschlag belegt sind „einerseits durch das Aufblühen der Fabrikation für den Export, anderseits infolge von maßloser Spekulation mit transatlantischen Fonds und Rohstoffen". Wir stehen in den Anfängen der Gründerzeit, der Kapitalmarkt ist aufs äußerste angespannt durch das industrielle und koloniale Unternehmertum. Die von den Großbanken im Stich gelassene Habsburgische Gesamtmonarchie wird in gewissem Sinne ein Opfer des beginnenden Hochkapitalismus. So nahe hängen Wirtschaftsgeschichte und diplomatische Geschichte auch hier zusammen. Ein Jahr vor Königgrätz hatte das internationale Kapital das Donaureich bereits aufgegeben. Die Chancen, welche Bleichröder dem bankerotten Staat noch einräumt, sind so gering, daß er Bismarck vorschlagen kann, Preußen solle durch Gewährung einer Anleihe Österreich gleichsam auf32) Werther an Bismarck 19. März 65 P. A.

— 17 — 33

kaufen. ) Es ist bezeichnend für die letztlich heroische Haltung Bismarcks, daß ihn — nach den Bleistiftstrichen zu urteilen, die sich auf den Wiener Berichten finden — von allen Nachrichten über den österreichischen Verfall nur eine Kategorie wirklich bewegt hat: die Meldungen über die fortschreitende Reduktion der Armee. Einem Staatsmann wie Bismarck muß es unbegreiflich gewesen sein, -daß sich der Souverän eines von zwei, ja drei Seiten bedrohten Staates der Geldnot und den planmäßigen Abstrichen des Abgeordnetenhauses so widerstandslos fügen konnte wie Franz Joseph. Im März wurde die Verminderung der Truppenstärke in Venetien beschlossen. Im Juni begnügt sich der Kaiser entgegen dem Votum des Kriegsministers mit 89 statt 105 Millionen im Heeresetat. Und im August wird angeordnet, daß die Erfordernisse der Armee auf die normale Grenze von 80 Millionen zurückzuschrauben seien.34) Das Fazit, das Bismarck aus diesen Symptomen zog, traf wohl zusammen mit dem Satz des Referenten im österreichischen Finanzausschuß: „daß Österreich infolge der Kreditlosigkeit des Staates zeitweilig seine Großmachtstellung aufgeben müsse". 35 ) Wenn wir diesen großen politischen Horizont des Jahres 1865 rekonstruieren, erscheint es dann nicht wie ein Rätsel, daß Bismarck den Degen in die Scheide zurückgestoßen hat ? Ist sein Zögern in dieser Situation nicht schon Beweis genug, daß er über Wege und Ziele seiner deutschen Politik noch nicht endgültige Entscheidung getroffen hat ? In diese Freiheit der Wahl gilt es nun sich zurückzuversetzen und da zeigt sich sogleich, daß aus dem Dänischen Krieg ein Erbe übrig war, das der preußischen Politik auf lange hinein ein dem Krieg abgewandtes Gepräge verleihen konnte. DER DOPPELTE

KURS.

Bismarck hat das Zusammenwirken mit dem Bundesgenossen von 1864 nicht bloß a b eine Augenblicksverbindung aufgefaßt, sondern als einen großen für die Dauer gemeinten Versuch. Der Beweis dafür liegt in den inhaltschweren Besprechungen von Schönbrunn und in den beinahe leidenschaftlichen Bemühungen 33) Bleichröder an Bismarck 17. Oktober 65 P. A. 34) Werther an Bismarck 5. März, 28. Juni, 5. Juli, 13. August 65 P. A. 35) Der Satz ist vom Ausschuß getilgt, aber von Werther am 19. März 65 an Bismarck berichtet worden. Bismarck hat ihn sich angestrichen !



18



des preußischen Außenministers, seinen österreichischen Kollegen Grafen Rechberg im Amt zu erhalten, um auf das freundschaftliche Vertrauen der beiderseits leitenden Minister eine Politik der preußisch-österreichischen Allianz zu gründen.38) Das Zugeständnis, durch das Bismarck die erschütterte Stellung Rechbergs zu stützen gedachte, bestand in der Zusicherung, daß innerhalb einer Frist von 12 Jahren neue Verhandlungen über den Eintritt Österreichs in den Zollverein zulässig sein sollten. Juristisch-formal handelte es sich also nur um ein unverbindliches pactum de contrahendo, politisch aber war diese Nachgiebigkeit ein bedeutsames Opfer, weil sie den Ruf des preußischen Königtums bei den kleindeutschen Patrioten in Frage stellte und Bismarck in Gegensatz brachte zu den Führern der preußischen Zollvereinspolitik im eigenen Hause. Die Ressortminister, Rudolf von Delbrück, der König selbst lehnten jedes Entgegenkommen ab, das die Idee der wirtschaftlichen Hegemonie Preußens im kleindeutschen Raum berührte, und es kam über dem Meinungsstreit zwischen dem abwesenden Ministerpräsidenten und den Berliner Stellen zu einer schweren Kabinettskrisis, die den Zusammenstößen von BadenBaden und Nikolsburg kaum nachsteht und zu der Erklärung Bismarcks führte, daß er für eine Politik der Brusquierung Österreichs die Verantwortung nicht übernehmen könne.3') Man spürt es den Biarritzer Telegrammen Bismarcks an, daß es ihm in dieser 36) Daß selbst Rechberg nur gleichsam negative Allianzpolitik trieb, um den österreichischen Staat nicht im Zustand innerer Zerrüttung einem Doppelkrieg auszusetzen, daß er seine alten Vorwürfe gegen den Zynismus der Bismarckschen Politik gerade damals im Schoß der Regierung erneuerte, und als zuverlässige Stütze der Freundschaft mit Preußen sich eigentlich nur der Kaiser Franz Joseph erwies, konnte Bismarck nicht mit der aktenmäßigen Genauigkeit durchschauen wie wir heute (vgl. Engel-Janosi, Graf Rechberg, München 1927, S. 125 u. 129). Aber es ist fraglich, ob er darum weniger versucht hätte, auf die Person Rechbergs ein politisches System zu gründen. Es war für die großartige Sachlichkeit Bismarcks fast gleichgültig, mit welchen Gefühlen und aus welchen Motiven der Partner an das preußische Bündnis gebunden war. Daß Rechberg im Gegensatz zu Biegeleben und Schmerling die Verbindung mit Preußen unter keinen Umständen abbrechen wollte, steht fest: vgl. Engel Janosi, Die Krise des Jahres 1864 in Österreich, in Historische Studien, Festschrift für Pribram, Wien 1929, S. 152, i66ff., und Eugen Franz, Graf Rechbergs deutsche Zollpolitik, MÖIG 46 (1932), S. 141 ff. 37) Telegramm Bismarcks vom 15. Oktober 64 GW IV, 571. — Wie lange gerade an diesem Punkt der Konflikt mit König Wilhelm noch nachwirkt, beweist der Bericht Karolyis vom 27. April 1865; vgl. Anlage Nr. 2.

— 19 — Auseinandersetzung über die Zollangelegenheit um die Richtlinien der preußischen Politik überhaupt geht. Wie jede größere politische Entscheidung hat der geplante Schachzug drei Seiten. Einmal soll das Eingehen auf Rechbergs Wunsch den taktischen Bedürfnissen des Augenblicks genügen und den ungestörten Abschluß des Friedens mit Dänemark sichern.38) Zum andern ist die Aktion vorbeugend gemeint, um eine heraufziehende gefährliche Konstellation im Keim zu vernichten. Wenn Preußen nämlich offen zeigt, daß es des österreichischen Bündnisses nicht mehr bedarf, und dadurch die feindselige Politik Schmerlings in Wien die Oberhand gewinnt, wird man von österreichischer Seite vielleicht versuchen, durch eine Anerkennung des Königreichs Italien sich Frankreich zu nähern, eine Verständigung der Westmächte untereinander herzustellen und eine Mächtekonstellation zu erzeugen, wie sie während des polnischen Aufstandes gedroht hat, Preußen endgültig zum Anhängsel des zarischen Rußland zu stempeln.39) Schließlich aber liegt in dem versöhnlichen Kurs, den Bismarck in der Zollfrage zäh, wenngleich erfolglos, innehält, auch eine bestimmte und deutliche Strategie, die nicht diktiert ist durch drohende Operationen des Gegners, sondern einem Systemganzen von eigenen Bewegungen angehört. Die Randbemerkungen Bismarcks zu einem ungedruckten Privatbrief Rechbergs vom 17. September 1864 geben darüber den unbefangensten Aufschluß40) und erlauben folgendes Bild. In Schönbrunn hatte Bismarck sich und den Österreichern die Aufgabe gestellt, „gemeinsam die deutsche Politik zu l e i t e n " , und so jene innige Gemeinschaft zu erhalten, die in der bloßen Besorgnis vor Angriffen des Auslandes nicht dauerhaft genug begründet wäre, sondern eines aktiven Ziels der Zusammenarbeit bedarf. 41 ) In den amtlichen Schriftstücken, den Immediatberichten Bismarcks und den Briefen an Rechberg hat es den Anschein, als wolle Bismark damit nur „das natürliche Verhältnis" der beiden Vormächte im Rahmen des Deutschen Bundes wieder38) Bismarck an das Ministerium des Auswärtigen 16. Oktober 64 G W IV, 571. 39) Immediatbericht Bismarcks vom 10. und 16. Oktober 64 G W IV, 569 und 573. 40) P.A. Abt. A. I A . A . I.41 secr. vol. I. — Der Auszug bei SybelHI, 400 ff., ist irreführend, weil alle ,,friderizianischen" Marginalien Bismarcks unterdrückt und nur diejenigen stehen geblieben sind, die man auch kleindeutsch interpretieren kann. 41) Bismarck an Rechberg 4. Oktober 64 G W IV, 5 6 7 I (Konzept; nach der Reinschrift veröffentlicht. Österreich. Rundschau Bd. 43).



20



herstellen, wie es vor dem Jahre 1848 bestanden hatte, wo angesichts der bleibenden Übereinstimmung des preußischen und des österreichischen Bundestagsgesandten jeder Widerspruch der Mittelstaaten verstummte. 42 ) In Wahrheit handelt es sich, das geht aus den erwähnten Randbemerkungen hervor, bei dem System von Schönbrunn nicht um eine Restauration des Deutschen Bundes (freilich auch nicht um seine Reform), sondern um eine Sprengung dieses nur noch als Redensart existierenden Gebildes. Die .Zusammengehörigkeit Österreichs mit Deutschland' ist für Bismarck nur noch eine „Theorie", Österreich ist „ M a c h t " schlechthin. Man darf es nicht mißverstehen, wenn er zu der Formel .Österreich als deutsche Macht' mit grimmigem Sarkasmus bemerkt „mehr Macht als deutsch". E r will dem Habsburgerreich keine Vorwürfe machen wegen Vernachlässigung seiner deutsch-nationalen Pflichten, sondern er will festnageln, daß Österreich keinen deutschen Beruf habe, daß es Großmacht im Kreis der Großmächte sei und aller Bezug auf Deutschland an der Wirklichkeit gemessen nur als „Phrase" erscheine. Nach Bismarcks nüchternem Urteil gibt es eigentlich keine .gemeinsame deutsche Einrichtung' mehr. Auch der Zollverein ist nicht als solche anzuführen, sonst müßten ja Mecklenburg und die Hansestädte, die ihm nicht angehören, Ausland sein! Und gar von einer Verfassung Deutschlands zu sprechen ist blinde oder unwahrhaftige Selbsttäuschung — zu der entsetzten Frage Rechbergs, ob eine Politik der .Lahmlegung des Bundes' denn noch zeitgemäß sei, bemerkt Bismarck ein lakonisches „ J a " . E r hat keine Furcht vor dem Schreckgespenst, mit dem großdeutsche wie kleindeutsche Politiker gerne die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vaterlandes erweisen wollen: als ob nämlich die deutschen Regierungen, wenn man ihre Mitwirkung ausschalte, aus Furcht vor Übergriffen einer oder der anderen der beiden Vormächte, schließlich das Ausland in die deutschen Angelegenheiten hereinziehen könnten. Wenn Österreich und Preußen vereint sind, kann ihrer Kraft selbst ein Rheinbund nur „sehr wenig" anhaben. Und wie nach außen, so sind sie auch nach innen am mächtigsten allein. Denn ein wahrhaft konservatives Regime ist um so eher durchzuführen, je unerbittlicher man die Verbindung mit den deutschen Mittelstaaten löst, welche „durch ihre Verfassungen gezwungen" sind, auf ihre Landtage und die Zeitungen zu hören und mit der Volksbewegung zu kokettieren. Das ist das klare Programm einer europäischen Großmachtpolitik im Zweibund mit Österreich, die bewußt ein42) Bismarck an Werther 6. August 64 GW IV, 527.



21



geordnet wird in den weltgeschichtlichen Kampf zwischen Autorität und Barrikade. 43 ) „Wir haben Europa die Stirne bieten können", schreibt der preußische an den österreichischen Minister, „solange wir unser Vertrauen auf niemand weiter als aufeinander setzten; wir werden aber, fürchte ich, dahin gelangen, daß unsere Monarchen den eigenen Untertanen nicht gewachsen sind, wenn wir dieses Vertrauen zueinander wieder verloren gehen lassen". 44 ) Bismarck scheut vor den äußersten Konsequenzen dieses Kurses nicht zurück. In den Gedanken und Erinnerungen deutet er (in einer später wieder unterdrückten Stelle) sogar an, daß er dem Kaiser Franz Joseph seinerzeit in Schönbrunn die preußische Unterstützung zur „Wiedergewinnung" der „Lombardei und anderer italienischer Gebiete" in Aussicht gestellt habe als Gegenstück zu der gemeinsamen Eroberung an der Elbe 46 ), und in den Stenogrammniederschriften Lothar Buchers zum Kapitel „Frankfurter Fürstenkongreß" wird stichwortartig Mailand unter die „Errungenschaften einer preußisch-österreichischen Allianz" gerechnet. 46 ) Was für die innerdeutsche staatliche Entwicklung sich an Folgerungen ergeben würde, spricht eine zeitgenössische politische Flugschrift von der Feder des Vortragenden Rates Hepke ganz im Sinne Bismarcks mit bemerkenswerter Offenheit aus.47) 43) „Ich verstehe unter den europäischen Komplikationen nicht nur die Beziehungen der Kabinette untereinander; denn dieselben erhalten ihre volle Bedeutung erst durch die in allen europäischen Ländern gleichmäßig vorhandenen Gefahren revolutionärer Zustände." Privatschreiben Bismarck an Werther 10. Mai 63 GW IV, 1 2 1 . 44) Bismarck an Rechberg 8. September 64 GW IV, 554 (Konzept; s. o. Anm. 41). 45) Erinnerung und Gedanke, ed. G. Ritter und R . Stadelmann, GW XV, 237. 46) Ebd. X V , 621. Vgl. dazu den Bericht des französischen Generalkonsuls aus Venedig: Origines diplomatiques, Paris 1 9 1 1 , IV 102. — Die Möglichkeit „einer länger dauernden dualistischen Politik" im Zusammenwirken mit Rechberg wird in den Urdiktaten des Bismarckschen Memoirenwerkes noch häufiger und eindringlicher betont als in der Fassung letzter Hand und entschieden als „Fortschritt zum Besseren" gewertet, vor allem weil sie richtig gehandhabt den Bund zur „toten Maschine" herabdrücken mußte. Vgl. GW X V , 619 und 621, Stenogrammfragment Nr. 38 und 52. 47) „Ein preußisches Wort. Nonsineira. Berlin 1864." Vgl. G. Ritter, Die preußischen Konservativen und Bismarcks deutsche Politik, Heidelberg 1913, S. 120. Die Hepkesche Schrift leugnet, ähnlich wie die oben zitierten Randbemerkungen Bismarcks, daß die Voraussetzungen für ein gesamtdeutsches Staatswesen gegeben seien: „ E s giebt weder eine allgemeine deutsche Volkssprache noch eine allgemeine deutsche Sitte noch



22



Seit fünfzig Jahren hat sich unter den deutschen Bundesstaaten das Dogma ausgebildet, „daß Preußen nicht eine deutsche Großmacht, sondern der deutsche Großknecht sei". Um diesen nationalen Wahn zu zerstören, um Preußen nach einer Periode des „Sichselbstverlierens" die großstaatliche Unabhängigkeit wieder zu verschaffen, muß seine Machtgrundlage verbreitert werden, sei es durch die Annexion der Elbherzogtümer, sei es durch einen zwangsweisen Zusammenschluß der norddeutschen Kleinstaaten. Allmählich würde sich aus dieser borussischen Politik eine Trias von drei deutschen Unionen — Norddeutschland, Süddeutschland, Österreich — herausbilden, wobei die flankierenden Großmächte pflichtmäßig48) den Schutz der Nation übernähmen. Man erkennt in diesem Schönbrunner System der Bismarckschen Politik eine eigentümliche und geschlossene Verbindimg dreier ursprünglich verschieden gearteter Elemente: der friderizianischen Grundgesinnung des wieder erwachenden preußischen Staates, der Idee einer planmäßigen Substitution des Bundes durch freie Vereinbarungen in Norddeutschland, wie sie Bismarck schon in seiner Frankfurter Gesandtenzeit vorgeschlagen hat, und der Praxis einer konservativen Zusammenarbeit mit dem rein europäisch gefaßten Österreich. Die wichtigste Stütze für dieses politische Programm lag in dem Einverständnis Bayerns, das im März 1865 durch den Mund seines leitenden Ministers aus freien Stücken erklärte, es sei vollkommen gerechtfertigt, daß Preußen eine Oberhoheit über Norddeutschland erstrebe und seine Macht bis Mainz dehne; einer derartigen Bundesumgestaltung, wofern sie nur Bayern aus dem Spiel lasse, stimme man ohne Vorbehalt zu.49) Bismarck konnte Herrn yon der Pfordten ehrlichen Geidentische materielle, politische und religiöse Interessen, welche sich über Deutschlands Gesamtgebiet erstreckten . . . Verschiedene von der geographischen Lage abhängige Lebensbedingungen machen mindestens einige, wenn auch nicht zahlreiche nebeneinanderstehende deutsche Staatenbildungen nothwendig. Selbst der Kitt von Blut und Eisen würde dieses Verhältniß nicht auf die Dauer ändern, der schwarz-roth-goldene Nationalismus aber schwerlich Berge und Flüsse versetzen und Sitten und Sprache verändern" (S. 26). 48) Den bezeichnenden Gedanken, daß Österreich und Preußen mit der gemeinsamen Übernahme der Führung und der Ausscheidung des Bundes „nur ihre Pflicht gegen sich selbst und gegen das übrige Deutschland erfüllen", führt Bismarck in einem eigenhändigen Zusatz zu dem Erlaß an Werther vom 6. August 64 aus: GW IV, 527. 49) Reuß an Bismarck 2. März 65 G. St. A. Vgl. G W V, 1 1 5 . — Auch Gramont in Wien entnimmt den Äußerungen des bayerischen Gesandten, daß Bayern bereit wäre, die Verbindung zum Deutschen Bund zu lösen:

— 23 — wissens versichern, daß kein konservativer preußischer Staatsmann auf den exzentrischen Gedanken verfalle, München von Berlin aus beherrschen zu wollen. „Auch in Preußen wird in den Kreisen, welche überhaupt zu politischem Urtheil befähigt sind, die selbständige Bedeutung Baierns vollständig erkannt, welche der bayrische Herr Minister mit so gerechtem Selbstgefühl betont. . . Die Bedeutung Baierns steht nicht hinter der anderer europäischer Staaten zurück, welche selbständig in Europa bestehn, ohne sich an einen Bund zu lehnen und ohne eine Verletzung ihrer Unabhängigkeit zu besorgen".50) Pflege des eigentümlichen bayrischen Nationalgefühls, Erhöhung der Wittelsbacher zu europäischem Rang und bewußte Weiterbildung des Prinzips der Mainlinie sind wesentliche Bestandteile dieser Schönbrunner Politik, welche das ehemalige Großdeutschland Schwarzenbergs aufteilen möchte in eine Trias von Groß-Preußen, Groß-Bayern und Groß-Ungarn. Die Frage ist mm: in welchem Zeitpunkt ist die Entscheidung gegen das System einer wechselseitigen Großmachtgarantie gefallen, bzw. in welcher Form hat der Versuch einer preußisch-österreichischen Allianz (als des Schlüssels zu diesem System) weitergelebt auch über den „Culminations- und Wendepunkt" 61 ) von Schönbrunn hinaus ? Als mit dem Rücktritt Rechbergs (27. Oktober 1864) der Hauptpfeiler der österreichischen Bundesgenossenschaft herausgebrochen war, hat Bismarck seine Bemühungen nicht sofort aufgegeben, sondern auch dem Nachfolger sein Vertrauen bekundet und ihm durch Zugeständnisse in der Zollfrage es erleichtern wollen, das preußische Bündnis zu fördern. Er hat erreicht, daß man bei der Entfernung der Exekutionstruppen aus Holstein gemeinsam vorg'ng, und im Dezember 1864 einen letzten großen Versuch gemacht, sterreich aus dem Rahmen des Bundes zu lösen und zu sich herüberzuziehen.52) Erst als bei dieser Auseinandersetzung klar wurde, daß das Wiener Kabinett den Boden der Bundesverträge nicht zu verlassen gesonnen war und daß demzufolge eine Annexion der Herzogtümer mit Österreichs Zustimmung nicht zu erwarten sei, entschließt sich Bismarck, das Steuer umzulegen und die Annexion gegen Österreich in Plan zu setzen. Es ist ein absolut andersartiger Kurs, auf den er damit hinüberwechselt. Er beginnt Origines diplomatiques VI, 23. Über Pfordtens „Torysmus" vgl. auch. R. v. Mohl, Lebenserinnerungen, Stuttgart 1902, II, 2 1 1 . 50) Bismarck an Reuß 5. März 65 GW V, 116. 51) Erinnerung und Gedanke, G W X V , 236. 52) Bismarck an den Geschäftsträger in Wien 13. Dezember 64 GW V,

39 ff.

— 24 — damit, daß noch am 24. Dezember der seit Monaten unterbrochene Faden der Verhandlungen mit Italien über einen Handelsvertrag wieder aufgenommen wird. 53 ) Schönbrunn bedeutete Garantie Venetiens, vielleicht sogar Rückeroberung der Lombardei. Jetzt fängt Bismarck vorsichtig und gemessen an, die ersten Pfosten einzurammen, die später die Brücke des preußisch-italienischen Kriegsbündnisses tragen sollen. E r weiß, daß er auch die Anlehnung an Frankreich jederzeit finden kann, und im Januar deutet er das auch in Wien an. 64 ) Damit betritt Bismarck wieder einen Weg, der während des dänischen Unternehmens verwachsen und vergrast war, der aber in den Unterredungen der fünfziger Jahre mit Napoleon, in dem Werben des Bundestagsgesandten für ein gutes Verhältnis zu Frankreich, in der Baden-Badener Denkschrift und in dem Bundesreformprogramm von 1863 schon angebahnt war. Die Machterweiterung Preußens kann auch erstritten werden auf dem Weg der gemäßigten Revolution: mit dem illegitimen Italien im Bunde, unter wohlwollender Unterstützung des Kaisers der Volkssouveränität, unter dem Aufruf der deutschen Nation zur Mitarbeit an einem wie immer gearteten Zentralparlament, durch eine kleindeutsche Bundesreform mit liberalen Kleinodien und durch einen Krieg um die Sicherstellung der Annexionen gegen die Eifersucht Österreichs. Auch in diesem System — wir nennen es im Unterschied zum Schönbrunner das Baden-Badener System nach der Denkschrift von 1 8 6 1 — sind die Gedanken über eine deutsche Verfassung im Grunde nur Konsequenzen der europäischen Orientierung. Dem Bündnis mit Österreich entspricht der Plan einer A u f l ö s u n g des Bundes, dem diplomatischen Zusammenspiel mit Frankreich und Italien entspricht der Plan einer F o r t b i l d u n g des Bundes in Hinsicht auf ein Mitbestimmungsrecht der Nation bei ihren gemeinsamen Angelegenheiten. Wenn der dualistische Versuch gelungen wäre,, hätte in Deutschland gegen Presse und Kammern regiert werden können; sobald sich Österreich versagte, mußte auch Bismarck diesen beiden wichtigsten Organen der öffentlichen Meinung Rechnung tragen und in ihnen ein Gegengewicht schaffen gegen die zentrifugalen Kräfte der Dynastien und Regierungen. Bei einem losen Kranz von Zoll- und Militärkonventionen wie ihn das Schönbrunner Programm vorsieht, konnte man den Partikularismus der süddeutschen Mittelstaaten sich selbst überlassen; wenn aber das Ziel eine konstitutionelle Neuordnung Kleindeutschlands verlangte,. 53) Bismarck an Usedom 24. Dezember 64 GW V, 5 1 . 54) Bismarck an Werther 23. Januar 65 G W V, 59.

— 25 — konnten die im Liberalismus liegenden Kräfte der Einigung nicht völlig entbehrt werden. Aber nun ist mit aller Entschiedenheit zu betonen, daß das an der Wende des Jahres 1865 tastend in die Wege geleitete Angriffsmanöver keineswegs die ganze Breite des politischen Schlachtfeldes einnimmt. Bismarck hat die Hoffnung auf eine Zweibundpolitik noch nicht aufgegeben. E r glaubt noch an Mensdorff und Kaiser Franz Joseph und ist sicher, daß sie persönlich einem Heimfall Schleswig-Holsteins an Preußen nicht abgeneigt wären, wenn nicht gewisse andere Kreise der österreichischen Regierung in blinder Eifersucht das Bündnis mit Preußen hintertrieben.65) Darum gilt es, ähnlich wie bei der Alvenslebenschen Konvention oder bei der Zollvereinstrage 1864, gleichsam Innenpolitik im Lande des Gegners zu machen. Um Mensdorff gegen Schmerling zu stützen, kommt Bismarck einen halben Schritt entgegen und begnügt sich an Stelle der Annexion mit gewissen militärischen und wirtschaftlichen Sicherungen in der Nordmark, den sog. Februarbedingungen. Durch kluge Mäßigung in der Herzogtümerfrage soll Österreich gedrängt werden, den starren Bundesstandpunkt aufzugeben und die Autonomie des Augustenburgers der Freundschaft mit Preußen zu opfern. Aber über den taktischen Zweck hinaus gehört dieser Verzicht auf die Annexion einem strategischen Gesamtplan an, den man vom Schönbrunner System her verstehen muß. Die Form eines ewigen und unauflöslichen Schutzund Trutzbündnisses mit einem neu zu gründenden norddeutschen Kleinstaat war nicht bloß ein elastisches Zugeständnis, ein Kompromiß über eine abgeschwächte Form der Eingliederung, sondern politisches Gebilde von eigener Zukunft mit Möglichkeiten und Vorteilen, welche die Annexion so nicht bot. Wenn sich die Einrichtung eines halbselbständigen Klientelstaats bewährte, konnte dieses Vorbild ganz anders als ein von der Habgier Preußens verschlungenes Schlewig-Holstein auf die übrigen Regierungen von Norddeutschland ansteckend wirken und den Anfang machen zu einer norddeutschen Union, die lediglich auf freien Vereinbarungen formell souveräner Regierungen beruhte. Ein solches Trabanten55) Bismarck an Werther 26. Januar 65 GW V, 67. Auch Bismarck an Werther 23. Januar GW V, 59, Bismarck an Werther 1. März GW V, 109, Bismarck an Goltz 20. April GW V, 168. Die ersten Zweifel an der Bündniswilligkeit Mensdorffs werden bezeichnenderweise durch Mitteilungen aus Karlsruhe erregt. Aber auch jetzt läßt Bismarck die Frage noch offen, ob nicht der badische Gesandte in Wien Baron Edelsheim, ein notorischer Österreichgänger, die antipreußischen Äußerungen Mensdorffs überspitzt wiedergegeben hat (Bismarck an Werther 15. März 65 GW V, 131).



26



system wäre schon deshalb nicht wider Bismarcks Sinn gewesen, weil es die innere Struktur Preußens unangetastet gelassen hätte, während jede Annexion eine Umbildung in Aufbau und Verwaltung des ganzen Staates nach sich zog. Wie gefährlich waren doch schon die Mittel, mit denen die Annexion wahrscheinlich erkauft werden mußte: um das österreichische Dominat zu übertrumpfen, mußte man eine Ständeversammlung einberufen nach einem sehr viel radikaleren Wahlrecht als es in Preußen in Geltung war; um Napoleon zu gewinnen, mußte man wohl in den dänischen Distrikten Nordschleswigs das Prinzip der Volksabstimmung zur Anwendung zulassen, das gefährliche Folgerungen für die polnischen Provinzen nahelegte. Es sprach schon beinahe ebensoviel gegen wie f ü r die Annexion. Der einzige, der die großen Perspektiven der Politik der Februarbedingungen erkannte und zu würdigen wußte, war der hannoversche Minister Graf Platen. Das Programm einer lockeren, aber unausweichlichen Waffen-, Zoll- und Verkehrseinheit von Norddeutschland hat Platen erschreckt und zur Bewunderung hingerissen. Auch das Königreich Hannover würde sich einem solchen Block schwerlich entziehen können. Darum ist Platen der einzige namhafte mittelstaatliche Politiker, der im partikularistischen Interesse seines Landes und der nördlichen deutschen Staaten überhaupt eine preußische Annexionspolitik „hundertmal" lieber sehen würde als ein Schutz- und Trutzbündnis mit einem vasallistischen Landesherm von Schleswig.56) Interessant ist, daß diese hannoversche Ansicht auch auf die Haltung des Londoner Kabinetts abgefärbt hat und Lord Russell mit Berufung auf die Meinung Platens erklärt, England zöge die gänzliche Einverleibung einer Halbsouveränität Schleswig-Holsteins vor.5,7) Mensdorff hat auch jetzt die herkömmliche Stellung Österreichs als Präsidialmacht des Deutschen Bundes höher angeschlagen als die Freundschaft mit der anderen Großmacht. Und Bismarck sah sich dadurch schon von außen her gezwungen, beide Gleise seiner Politik gleichzeitig vorwärts zu treiben: die Vorbereitung zum Krieg und die Bereitschaft zürn Bündnis mit Österreich.57®) Zum Krieg drängte alles, was die Annexion wün56) Ysenburg an Bismarck 7. März 65 P. A. Vgl. GW V, 124. — Über die ungeheuerlichen großösterreichischen Hintergedanken Platens hoffe ich an anderer Stelle Mitteilungen zu machen. 57) Bernsdorff an Bismarck 31. Mai 65 P . A . 57 a) Mit jenem Freimut, den Benedetti so bewundert hat, legt Bismarck •dem französischen Botschafter die zwei Chancen offen dar, zwischen •denen die preußische Politik zu wählen hat: entweder die Herzogtümer zu

— 27 — sehenswert machte, drängte vor allem die Rücksicht auf ein mögliches künftiges Untertanenverhältnis der Schleswig-Holsteiner zu Preußen. Den ganzen Sommer über laufen Berichte aus den Herzogtümern ein, daß die Preußenfreunde im Lande selbst gegen die augustenburgische Partei sich nicht mehr behaupten können, wenn Preußen nicht endlich weit sichtbare Zeichen seines Annexionswillens aufstelle. Sollen die Holsteiner an Preußen glauben, so muß man in Berlin abrücken von der österreichischen Allianz. Der Zivilkommissar, die militärischen Stellen, der nach Schleswig entsandte Spezialberichterstatter Konstantin Rößler mahnen übereinstimmend zur Aktion.58) Bismarck läßt sich durch die Nervosität der Annexionisten nicht fortreißen — zu der Bemerkung Zedlitzens, die anti-augustenburgische Partei sei resigniert, denn Preußen scheine ja doch das entscheidende Wort nicht sprechen zu wollen, notiert Bismarck höchst skeptisch: „welches?". 69 ) Aber auch er kann sich der Einsicht nicht verschließen, daß Preußen, um in den Herzogtümern überhaupt Boden zu fassen, vorwärts gehen muß. Und in derselben Richtung drängt bereits die Erregung des Königs. Wir wissen heute, daß der König seit dem Frühjahr 1865 für den Annexionsgedanken gewonnen war 59 "), ja daß der schroffer werdende Ton im Verkehr mit Österreich beinahe mehr auf Rechnung des Königs als auf Rechnung Bismarcks zu setzen ist. Während Bismarck sich sogar zu einigen militärischen „Konzessionen" entschließen könnte, sieht sich der König „bereits wieder in Olmütz".80) Es sind freilich mehr persönliche als politische Momente, die König Wilhelm bestimmen. Der Monarch ist verletzt durch die Unbotmäßigkeit des augustenburgischen Prätendenten, der in Kiel eine Art Hoflager aufgeschlagen hat. Der Soldat in ihm hat dem Herzog nicht verziehen, daß er sich der Teilannektieren mit Zustimmung Österreichs und der Aussicht auf einen französischen Krieg, oder sie zu erwerben mit Duldung Frankreichs und der Aussicht auf einen österreichischen Krieg: Origines diplomatiques VI, 134. 58) Richthofen an Bismarck 12. Mai mit Bericht Konstantin Rößlers als Anlage. Richthofen an Bismarck 14. Mai. Eingabe von Oppens an Bismarck 4. Mai (im Namen „aller Besitzenden"). Denkschrift des Grafen Wartensleben (beim Preuß. Generalstab in Kiel), präs. 27. Mai. Konstantin Rößler an Richthofen 30. Juli. Richthofen an Bismarck 31. Juli 65 P. A. 59) Immediatbericht Zedlitz' 9. Juli 65 P. A. 59 a) Der erste deutliche Beleg für den entschlossenen Annexions willen des Königs ist der Brief an Carl Alexander vom 27. März 6g. Vgl. Kaiser Wilhelms I. Weimarer Briefe II, 6off. 60) Bericht Dunckers an Kronprinz Friedrich: Kaiser Friedrich III., Tagebücher von 1848 bis 1866, ed. H. O. Meisner, Anhang S. 533. Vgl. auch das Telegramm Karolys vom 27. April 65, Anlage Nr. 2. Beiheft d. H. Z. 29.

3



28



80

nähme am Feldzug entzogen hat. *) Der oberste Kriegsherr wird in seinem empfindlichsten Punkte getroffen, als der Erbprinz seine militärische Gehorsamspflicht nicht erfüllt, sich weigert auf den persönlichen Wunsch des Königs hin als preußischer Offizier das Land zu räumen, und sein Verhältnis zum preußischen Heeresdienst löst.601*) Aber schon vorher — und davon ist m. W. bisher nichts bekannt — waren Einflüsse am Werk, um den König zu einer kriegerischen Annexionspolitik fortzureißen. Am Abend vor dem Conseil, das eine erste Entscheidung über Krieg oder Frieden bringen sollte, schreibt Edwin von Manteuffel an seinen königlichen Herrn und Freund einen beinahe atemlosen Brief, um ihn auf dem Weg der geschichtlichen Größe mitfortzureißen.60®) In der dunkelfarbenen Sprache des Geschichtspropheten deutet er den welthistorischen Augenblick. „Alle europäischen Alliancen sind zerrissen, das System, auf dem das europäische Gleichgewicht beruhte, ist erschüttert oder eigentlich schon zusammengebrochen, revolutionäre Tendenzen haben Gewalt in allen Staaten, die Bewegungen gegen das alte Europa und die alten Dynasten, die mit dem Jahre 1789 begonnen, finden Boden in einem großen Theile der Menschheit. Wie ist es, wenn man das Buch der Geschichte zur Hand nimmt, da denkbar, daß ohne große politische Bewegungen ein wirklicher Zustand der Ruhe und der geordneten Verhältnisse wieder in Europa eintritt ? Diese Crisen müssen in einem großen Europäischen Kriege oder in die gegenwärtigen Dynastien umwerfenden, socialistischen Revolutionen ihren Ausgang nehmen. Für die gesamte Menschheit ist da der Krieg die mildeste und günstigste Lösung." Das bedeutet: da geschichtsphilosophisch eine große Reinigungskrise notwendig ist, soll sie besser in einem von Preußen entfesselten Krieg als in einem gesellschaftlichen Umsturz bestehen. Aber Manteuffel hat noch einen wirkungsvolleren Gedanken bereit, um den Nachfolger Friedrich Wilhelms IV. für eine Politik der Eroberung zu gewinnen. Der Makel, der an der 60a) Robert von Keudell, Fürst und Fürstin Bismarck, 1902, S. 174. 60b) Vgl. etwa den Brief Wilhelms I. an Franz Joseph vom 30. Juni (Wertheimer, Bismarck im politischen Kampf, S. i47f.), der allerdings, wie das Konzept (P. A.) ausweist, von Bismarck entworfen ist. 60 c) Es ist um so unerwarteter, Manteuffel eindeutig zum Krieg raten zu hören, als er wenige Tage zuvor, am 23. Mai, den bekannten Brief an Bismarck geschrieben hat, in dem er den Grundgedanken von Olmütz verteidigt (Bismarck-Jahrbuch IV, 105). Offenbar hatte er nach seiner Rückkehr von Merseburg (22. Mai) nicht sofort gemerkt, daß der Wind umzuschlagen begann, und wollte den Einfluß auf den Monarchen behaupten, indem er Bismarcks Kriegsbereitschaft um ein Vielfaches übertrumpfte.

— 29 — preußischen Königskrone noch immer haftet, ist der Eid auf eine Verfassung, die längst abgeschafft wäre, wenn sich ein Mittel fände, um sich ohne Gewissensbeunruhigung von eben diesem Schwüre zu lösen. Ein solches Mittel gibt Gott jetzt dem König in die Hand. Wenn er sich durch einen siegreichen Krieg zum Herrn der drei Herzogtümer macht, wird der preußische Staat so vergrößert werden, daß die alte Verfassung nicht mehr paßt, und wird die moralische Stellung der Dynastie im Lande so gefestigt, daß sich alle Verfassungsänderungen durchführen lassen. Diese Ansichten, vorgetragen mit der prunkenden Demut und Feierlichkeit eines frommen Gemüts, mußten für den König eine große Versuchung sein.61) Als zu diesen Momenten noch die Stimme der Armee tritt 62 ) und Moltke im Conseil der Erwartung Ausdruck gibt, daß die Siege von Düppel und Alsen nicht umsonst gewesen sein mögen, da ist das Gewicht zugunsten einer kriegerischen Politik schon so sehr verschoben, daß Bismarck mit unnachahmlichem Takt sich kaum spürbar dagegenstemmen muß. In der Kronratssitzung vom 29. Mai gibt er mit feiner psychologischer Berechnung sein Votum dahin ab, daß der Entschluß zum Krieg nur aus freier königlicher Überzeugung entspringen könne, daß er als Minister aber dazu raten müsse, an den Februarbedingungen festzuhalten und „erst wenn dieser Versuch gänzlich scheitern sollte, ein höheres Ziel ins Auge zu fassen". 63 ) Das Ergebnis des Conseil ist denn auch 61) E . von Manteuffel an König Wilhelm 28. Mai 65, vgl. Anlage Nr. 1. — Bezeichnend für die unkontrollierbaren Beziehungen der Kamarilla zum Zarenhof ist es, daß Manteuffel sogar Gortschakow gegenüber seine Anschauungen von den günstigen moralischen Wirkungen eines Kriegs zum Ausdruck bringt und höchst unvorsichtig für „einen guten und loyalen Krieg" das Wort führt. E r muß sich natürlich von dem Russen ziemlich scharf darüber belehren lassen, daß eine Entente zwischen den beiden deutschen Großmächten sehr viel geeigneter ist, die Gefahren aus der Tiefe der Gesellschaft zu bannen, als eine Entzweiung. J a Gortschakow geht zu deutlichen politischen Drohungen über, wenn er schreibt: „Certes nous n'hésiterions pas à accepter toute lutte où la dignité et l'honneur de la Prusse seraient l'enjeu ; mais nous pèserions scrupuleusement si ces grands principes sont effectivement engagés." Gortschakow an E . v. Manteuffel 22./10. Juli 65 G. St. A. 62) Sie dürfte für König Wilhelm das entscheidende Motiv gewesen sein. Schon im Herbst 1864 hat er seinem Schwager gegenüber bemerkt: „J'aurai bien de la peine à faire comprendre aux officiers qu'ils n'ont pas combattu pour la Prusse." Carl Alexander an Zar Alexander 1 5 . N o v e m b e r 64. Th. St. A. 63) Vgl. die Mitteilungen aus dem Sitzungsprotokoll GW V, 189, Vorbem. — Eine andere, offenbar von Moltke stammende Niederschrift



— 30 — ein voller Sieg der Bismarckschen Mäßigungspolitik. Die geplante Mission Edwin von Manteuffels, die Österreich vor die Alternative der rückhaltlosen Zustimmung oder des offenen Bruches gestellt hätte und nach Manteuffels eigenen Worten die schroffe friderizianische Botschaft nach Wien bringen sollte ,Ich will die Länder behalten und nun wissen Sie meinen Willen' — diese Sendung, die der König wohl im innersten gewünscht und seine militärische Umgebung offen befürwortet hat, unterblieb. Bismarck ist sogar ohne Hintergedanken bereit, dem Wiener Kabinett die Verständigung dadurch zu erleichtern, daß Preußen direkt und ohne Mitwirkung Österreichs mit dem künftigen Landesherrn über die militärisch und technisch notwendigen Sicherungsmaßnahmen unterhandeln will.64) Damit wäre die Politik der Februarbedinungen praktisch auf eine freiwillige Militärkonvention mit einem souveränen Herzog von Holstein zusammengeschrumpft, wie sie Preußen mit Koburg-Gotha schon 1861 abgeschlossen hatte und wie sie in allen dualistischen Entwürfen Bismarcks eine bedeutsame Rolle spielt. J a als Mensdorff im Juni sich auch gegen diesen Plan auf die Paragraphen der Bundeskriegsverfassung beruft, gesteht Bismarck sogar zu, die Frage der Militärhoheit in dem neuen Elbstaat vor dem Frankfurter Forum zu erörtern.66) Das hieß natürlich, auf den ehrenrührigsten Punkt, den preußischen Fahneneid der schleswig-holsteinischen Truppen verzichten.66) Es gehörte ein ungewöhnlicher Mut zu dieser Nachgiebigkeit, denn an den deutschen Höfen, in Paris und in London verzeichnete man moquant über den Kronrat ist bei Lettow-Vorbeck I, 9, verwertet. Die Darstellungen verfahren höchst willkürlich in der Wiedergabe des Vorganges. Vgl. die Abweichungen zwischen Sybel IV, 121 ff., Lenz S. 267, Friedjung I, n 8 f . , Brandenburg II, 118. 64) Bismarck an Werther 17. April, Bismarck an Reuß 21. April 65 GW V, 165 und 172. Daß Bismarck auch dieses neue Entgegenkommen ernst meint, beweist eine Randnotiz auf dem Bericht Ysenburgs vom 16. Mai P. A. Zu der Vermutung Platens, daß Österreich vielleicht der Form nach auf diesen Vorschlag eines nachträglichen Staatsvertrags zwischen Preußen und Schleswig-Holstein eingehen, aber nach Vollzug den Bund auftreten und das Arrangement rückgängig machen lassen werde, bemerkt Bismarck „doch sehr schwierig", hält also die Lösung für tragbar und rechnet mit ihr. 65) Bismarck an Werther 3. Juli 65. GW V, 220. 66) Dergestalt abgeschwächte Februarbedingungen hätten nicht bloß der Herzog von Augustenburg selbst, sondern sogar die führenden Mittelstaatler berechtigt gefunden: der weimarische Minister von Watzdorf, der bayerische Minister von der Pfordten, angeblich sogar Beust (v. Pirch an Bismarck 22. Juni, v. Krause an Bismarck, 23. Juni, v. Pirch an Bismarck 5. Juli über Erklärungen Beusts an Watzdorf. P. A.).

— 31 — jede leiseste Rückzugsbewegung der Preußen, und die deutschen Vertreter im Ausland triumphierten: Österreich brauche nur einmal Ernst zu zeigen, so weiche Preußen sogleich zurück. Bismarck mußte solche Berichte über kleine und kleinste Prestigeverluste der Monarchie seinem Herrn vorenthalten, sonst hätte das eigentümlich heftige Ungestüm des königlichen Ehrbegriffs gewiß sofort eine schärfere Sprache verlangt. 87 ) Auch das ist ein Beweis, daß Bismarck den König mindestens ebenso sehr zurückhalten wie an den Krieg heranführen mußte 6 7 a) und daß er sich keinesfalls die Tür zur Verständigung aus der Hand reißen lassen wollte, selbst auf die Gefahr hin, daß in der Welt das Gerücht entstehen konnte, Preußen sei im Begriffe, ein zweites Olmütz zu erleben.68) Die Zweifel, ob Bismarck nicht das Signal zum Rückzug blase, drangen schon bis in den engsten Kreis seiner Mitarbeiter im Ministerium.69) Aber genau gleichzeitig unternimmt Bismarck alles, was einen Krieg heraufführen und vorbereiten konnte. Er versichert sich der eventuellen Förderung Frankreichs durch bedingte Abtretung Nord-Schleswigs, er tut Schritte zur Einberufung der holsteinischen Stände, er plant eine Verhaftung des Erbprinzen in Kiel, er fordert Gutachten über die österreichischen Streitkräfte und sondiert die Haltung der italienischen Regierung im Falle eines preußischösterreichischen Konflikts. Vor allem: Bismarck rüstet planmäßig im eigenen Haus. Für eine im Konflikt mit der Volksvertretung festgefahrene Regierung ergaben sich beim Ausbruch eines Krieges finanzielle Schwierigkeiten gefährlichster Art. Es ist darum begreiflich, daß sich Bismarck an einem letzten Versuch der Aussöhnung mit der Kammer beteiligt hat, indem er mit dem gesamten Staatsministerium, Roon eingeschlossen, befürwortet, daß die Regierung auf den Boninschen Heeresgesetzentwurf eingehe. 67) Der Bericht Bernstorffs vom 17. Mai (P. A.), der auf die Melodie gestimmt ist ,La Prasse cane', ist, nach dem fehlenden Aktenvermerk zu schließen, dem König nicht vorgelegt worden. 67 a) Auch in der Frage der Abtretung Nordschleswigs ist der König viel schroffer als Bismarck und widersetzt sich schon im Frühj ahr 1865 der Idee, daß er als Sieger wieder ein Stück Land herausgeben soll: Bericht des dänischen Geschäftsträgers Guldencrone an den Außenminister Bluhme 22. April 65, bei Aage Friis, Nordslesvigske Spergsmaal 1864 — 79, Kopenhagen 1921, S. 21. 68) Angebliche Äußerung des österreichischen Zivilkommissars in Schleswig, Baron Halbhuber (Immediatbericht v . Herwarths 12. Mai 65, P. A.). 69) „Regensburg macht uns einen deprimierenden Eindruck als reculade. Gebe Gott, daß es in Wirklichkeit keine werde!" Hepke an Abeken (?) 16. Juli 65 P. A.

— 32 — Dieser Entwurf, der im Landtag allerdings vorläufig bloß eine kleine Gruppe hinter sich hatte 8 9 "), sah eine Kontingentierung der Mannschaftseinstellung auf 160000 statt 189000 Mann vor, was bei strikter Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht automatisch eine Abkürzung der dreijährigen Dienstzeit um einige Monate nach sich ziehen mußte. Dafür sollte dem preußischen Heer ein starkes Rückgrat von Berufssoldaten gewährleistet werden durch Erhöhung der Zahl der Kapitulanten auf 2 0 % des Gesamtbestands der Amee. Diese geniale Verbindung der Prinzipien eines Volksheeres mit den Vorteilen eines Berufsheeres, für die sich der Ministerrat einstimmig eingesetzt zu haben scheint, fand aber die Billigung des Königs auch dieses Mal nicht. Edwin von Manteuffel erwies sich wiederum wie schon 1862 als der eigentliche Scharfmacher, ja Intrigant in der Militärfrage, 69b ) Denn auf seine Einflüsterungen ist es zurückzuführen, daß Wilhelm I. eigensinnig dabei blieb, auch diese Form der Durchlöcherung der dreijährigen Dienstzeit müsse von der Armee als Konzession aufgefaßt werden und schädige die königliche Prärogative in Heeressachen, weil sie, wie Manteuffel geschickt zu insinuieren wußte, „eine Unterordnung unter eine . . . mit den Kammern zu vereinbarende Gesetzgebung" bedeute.70) 69a) Für die damalige Friedensbereitschaft des Fortschritts vgl. Duncker an Bernhardi 8. Februar 65: Aus dem Leben Th. v. Bernhardis VI, 153. Wie richtig Duncker und Bernhardi die Lage beurteilen (a. a. O. S. 200), beweist der nachstehend Anmerkung 70 mitgeteilte Fund. Ob wirklich Prinz Friedrich Karl das Haupt der intransigenten Militärpartei war, wie Bernhardi und andere annehmen, bedürfte noch der Untersuchung. 69 b) Vgl. L. Dehio, Bismarck und die Heeresvorlagen der Konfliktszeit, H. Z. 144, S. 38 f. Der im Folgenden mitgeteilte Brief Manteuffels bestätigt die von Dehio S. 46 aufgestellte Vermutung. 70) E. v. Manteuffel an König Wilhelm 2. Mai 65 H. A. ,,E. K . M.! Es mag sehr schwer sein, der einstimmigen Meinung eines ganzen Ministerraths das königliche Nein entgegenzustellen. Aber wer regiert und entscheidet in Preußen ? Der König oder die Minister ? Dreimal bereits haben E. M. Sich gegen das Kontingentierungsprinzip ausgesprochen und jetzt sollen E . M. zum vierten Male im Conseil darüber berathen. Das muß, abgesehen von dem Ungehörigen, E. M. Gesundheit schaden und Sie aufreiben. E. M. Minister sind treu und ergeben, sie leben nur jetzt in der Kammeratmosphäre. Sprechen E. M. aber einen bestimmten Befehl aus: das ist mein Wille, so gehorchen sie mit Freudigkeit. Darf ich meine Ansicht aussprechen, so ist es die: E. M. halten gar kein Conseil, sondern schreiben an Minister Bismarck: Nachdem Ich die Bonin'sehe Vorlage nochmals gelesen, bestimme Ich, daß die Regierung nicht auf dieselbe eingeht." Die Ablehnung jeder Art von Kontingentierung verfügte dann der Brief an Roon vom 3. Mai 65: Kaiser Wilhelms des Großen Briefe ed. Berner, Berlin 1906, II, S. io6f.

— 33 — So wurde der Landtag Ende Mai wieder ergebnislos aufgelöst, und die Regierung mußte auf Mittel und Wege sinnen, wie sie ohne gesetzliche Ermächtigung zu einer Staatsanleihe das Geld für einen Krieg sich beschaffte. Es scheint, daß Bismarck selbst den kühnen Plan ausgeheckt hat, die Forderung des Staates auf Kriegsentschädigung aus dem vergangenen Feldzug an die Preußische Seehandlung zu verkaufen. 71 ) Das praktisch seit 1820 zum Staatsinstitut gewordene Bankhaus sollte sich auf Grund seines kaufmännischen Kredites durch Ausgabe von Obligationen sofort die Mittel zum Erwerb beschaffen und die Forderungen in den Elbherzogtümern dann allmählich eintreiben. Auch durch Vermehrung der Depositengelder, die man durch erhöhten Zinsfuß anlocken mußte, konnte sie sich das erforderliche Kapital von 17 Millionen verschaffen. Bismarck ist optimistisch genug anzunehmen: „Rothschild allein ist bereit, so viel zu deponieren." Derart stark ist sein Glaube an den eigenen Staat, daß er nicht zweifelt, die Geldströme der Weltfinanz müßten dieser sicheren Kapitalsanlage von selber zufließen. Der preußische Finanzminister von Bodelschwingh hat freilich nur Bedenken, sowohl bankmäßiger wie staatsrechtlicher Natur, und Bismarck muß mit ansehen, wie sein Plan „unter den Finanz-Dornbüschen erstickt". Aber es gab andere Wege, um Mittel flüssig zu machen. Durch das Ablösungsgeschäft mit der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft allein gelangten 22 bis 25 Millionen für den Staat zur Verfügung.72) In der Regensburger Kronratsitzung konnten die Fachminister im ganzen 60 Millionen zur Verfügung stellen, eine Summe, die für den Bedarf eines halbjährigen Feldzuges ausreichen wird.73) 71) Quelle für das Folgende ist eine Denkschrift Bodelschwinghs vom 15. Juli 65 P. A. mit Marginalien Bismarcks, die verraten, daß er viel über den Punkt nachgedacht hat. Ein Hinweis auf Bismarks Urheberschaft liegt 1. in dem Charakter der Denkschrift als bestellter Arbeit, als kritisches Gutachten zu einem vorliegenden Plan; 2. in dem Charakter der Randbemerkungen, welche die finanzministeriellen Bedenken entkräften wollen; 3. in dem Auftrag Bismarcks an Eulenburg, mit dem Präsidenten der Seehandlung, Mendelssohn, Fühlung zu nehmen; 4. in der Klage Bismarcks in einem undatierten Brief an Roon aus dem Juli 1865, daß der Seehandlungsplan „unter den Finanz-Dornbüschen erstickt" sei (G. St. A. Rep. 92, Nachlaß Roon III). 72) Itzenblitz an König Wilhelm 20. Juli 65 P. A. 73) Ursprünglich rechnete man, mit dieser Summe von 60 Millionen die Totalmobilmachung und einen einjährigen Feldzug zu decken (so noch Bismarck an Kronprinz Friedrich 23. Juli 65 G W V 240). Gleich nach dem Regensburger Kronrat läßt Roon im Kriegsministerium überhaupt erst eine genaue Berechnung aufstellen (Roon an Glisczinski 21. Juli G. St. A.);

— 34 — Es ist bezeichnend, mit welcher Weitherzigkeit Bismarck bei dem Kernstück des finanziellen Mobilisierungsplanes, dem Eisenbahngeschäft, bereit ist, den staatlichen Einfluß auf eine wichtige Verkehrslinie preiszugeben und die Privatwirtschaft mächtig werden zu lassen in einem der bedeutsamsten Monopolgebiete des Staates.74) Am Einzelpunkt bestätigt sich, was im großen von Bismarcks Kriegspolitik gilt: sie ist in ihren Methoden wie in ihren möglichen Folgen durchaus revolutionär, wenn man unter Revolution alle die Kräfte versteht, die sich gegen den autoritären Staat des Ancien Regime allmählich erheben. Wie später das liberale Wahlrecht, so wird hier der liberale Kapitalismus unbedenklich als Mittel eingesetzt, obwohl der Appell an die Privatfinanz nicht bloßes Mittel bleiben konnte, sondern den Bismarckschen Staat in gewissem Sinn umbilden und angreifen mußte. Die Pläne zur Geldbeschaffung sind wohl der schlüssigste, vielleicht der einzig zwingende Beweis dafür, daß Bismarck auch zum Äußersten bereits entschlossen ist. Sehr viel weniger eindeutig ist das schon bei den militärischen Vorkehrungen, über die Sybel ziemlich unzureichend berichtet. Die preußische Heeresleitung ist so wenig auf einen unmittelbar bevorstehenden großen Krieg ausgerichtet, daß die angeforderte Mobilmachungsaufstellung noch nach dem Hauptetat des Kriegsministeriums von 1854 berechnet werden muß, nach einem Etat also, in dem die ausschlaggebenden Eisenbahntransportkosten noch gar nicht in Rechnung gestellt waren! Die Vorbereitungen im Kriegsministerium sind so wenig gediehen, daß im Anschluß an das Regensburger Conseil unter den Fachbearbeitern eine ernste Meinungsverschiedenheit darüber entstehen kann, ob man mit 60 Millionen Talern ein halbes oder ein ganzes Jahr Krieg führen könne! Als nun am 7. Juli zugleich von Bismarck persönlich und vom Kabinett des Königs aus an den Kriegsminister und den Generalinspekteur der Artillerie die Anfrage ergeht, ob die militärische Ausrüstung eine Eröffnung des Krieges in den nächsten 14 Tagen erlaube, ob vornehmlich „für den Fall des plötzlichen Eintritts kriegerischer Ereignisse" die Beschaffung der nötigen Reservemunition und die Armierung danach ergibt sich auf Grund höherer Verpflegungssätze, daß diese Mittel nur für 5 bis 6 Monate reichen (Promemoria Glisczinskis vom 25. Juli G. St. A . ; Roon an Bismarck 26. Juli, pr. Gastein 29. Juli! P. A.). 74) Obwohl Itzenblitz in einem Privatschreiben an Bismarck vom 9. Juli 65 (P. A.) den Ministerpräsidenten ausdrücklich auf diese grundsätzliche Seite der Sache aufmerksam macht.

— 35 — der Festungen mit gezogenen Geschützen sichergestellt sei 76 ), da beginnt man überhaupt erst den preußischen Kriegsapparat vom Westen auf die Südostgrenze umzustellen. Nichts spricht stärker gegen eine zielbewußte preußische Gewaltpolitik in Deutschland als die Tatsache, daß nur die Rheinfestungen bisher mit moderner Festungsartillerie ausgestattet sind, während sich die sächsischen und schlesischen Werke vielfach noch mit glatten Geschützen behelfen müssen. Jetzt erst auf Bismarcks Anruf hin läßt Roon einen Armierungsplan entwerfen, der aus den Beständen von Koblenz, Köln, Minden und Wesel die Ostfestungen komplettiert. Jetzt erst, am 10. Juli, ergehen die Anweisungen an Krupp, an die Artillerie-Werkstätten, an die staatlichen Geschützgießereien, die Herstellung von Geschützrohren und Munition durch Nachtschichten zu beschleunigen. Darum sind die Auskünfte, die von den nachgeordneten Stellen in Karlsbad einlaufen, nicht ganz so zuversichtlich wie das berühmte Telegramm Roons.76) Der Stellvertreter des Kriegsministers in Berlin, Glisczinski, meldet, daß die Ausstattung der Feldartillerie mit Vierpfündern an Stelle von Haubitzen „äußerstenfalls im Lauf eines Jahres" durchzuführen sei, und zwar nur, „wenn alle übrigen für die Festungs- und Belagerungsartillerie notwendigen Bestellungen unerledigt bleiben sollen".77) Das klingt doch wesentlich anders als der Bescheid, den Roon von Erdmannsdorf aus an Bismarck gibt, daß der Übergang von den Haubitzen zu den Vierpfündern am i . Oktober beendet sei.77a) Auch General von Hindersin leugnet die zurückgebliebene Bewaffnung der Ostfestungen nicht, betont freilich, daß die Kriegsbereitschaft genüge, „solange wir es mit Österreich, Baiern etc. allein zu thun haben".78) Roon behandelt die ganze Frage interessanterweise nicht als eine militärisch-fachliche, sondern als eine politische Angelegenheit. Darum telegraphiert er von seinem Landsitz, ohne sich Unterlagen aus Berlin zu verschaffen, in möglichst hoffnungs75) Bismarck an Roon 7. Juli 65 G W V, 223. Der Brief Bismarcks an Hindersin vom 7. Juli ist von Thimme nicht abgedruckt worden. 76) Unchiffriertes Telegramm Roons an Bismarck 9. Juli: „Vorläufig die Notiz, daß ich kann was Sie nöthigenfalls wollen" P. A. In dem später folgenden ausführlichen Bericht Roons an Bismarck vom 9. Juli heißt es dann auch: ,,. . . erwünscht wäre freilich eine übereilte Rüstung nicht; das ist niemals der Fall." P. A. 77) Glisczinski an den Kabinettschef von Tresckow 10. Juli 65 G. St. A. 77 a) Roon an Bismarck 9. Juli 65 P. A. 78) Hindersin an Bismarck 10. Juli 65 P. A.

— 36 — Sinn79)

vollem und macht dem Amt später Vorwürfe, daß seine Auskünfte nach Karlsbad nicht optimistisch genug gelautet hätten.80) Es kommt ihm nur darauf an, dem Minister des Auswärtigen die Freiheit der politischen Entschließung zu wahren, ihm einen geräumigen ausgreifenden Schritt zu ermöglichen. Es soll nicht wie nach Olmütz heißen, die mangelhafte Kriegsbereitschaft der Armee sei schuld an einer diplomatischen Niederlage des Staates. Nur dieser politische Gedanke beherrscht ihn. An einen ernsten Kriegsfall dagegen glaubt er nicht, sondern sieht das Ganze als reine „Eventualität", ja als „Demonstration".81) Und manches spricht dafür, daß Roon seinen bewunderten Ministerkollegen und Freund mit dieser Deutung richtig verstanden hat. Schon im Juni nämlich hat Bismarck auf Anregung Roons ein eigentümliches Pressemanöver einleiten lassen. Es sollten Nachrichten in die Öffentlichkeit gebracht werden über Verstärkung der Artillerieausrüstung in gewissen Garnisonen der Ostgrenze, und um die Drohung, die darin lag, wirksamer zu machen, empfahl Bismarck, diese Anordnungen als möglichst harmlos und rein technisch bedingt darzustellen. Bismarck will also die Welt absichtlich aufmerksam machen auf die gesteigerten Rüstungen und den erhöhten Betrieb in den staatlichen und industriellen Geschützgießereien. So geht man nicht vor, wenn man den Krieg erwartet und wünscht, sondern wenn man den Gegner durch einen Krieg schrecken und einschüchtern will. Der mit Roon verabredete Zeitungscoup mißlang, weil Eulenburg die Feinheit des Planes nicht verstand und den vom Kriegsminister 79) D a ß Roon den inhaltlichen Details selbst nicht ganz traut, geht daraus hervor, daß er seinem Stellvertreter in Berlin seine Antwort an Bismarck nicht im Wortlaut mitteilt, sondern nur dahin resümiert, daß „unsere Politik durch den Mangel an Kriegsbereitschaft und Schlagfertigkeit nicht gelähmt werden würde". Roon an Glisczinski 10. Juli 65 G. St. A. 80) Roon an Glisczinski 12. Juli 63 G. St. A. 81) In einem zweiten Schreiben Roons an Glisczinski vom 12. Juli (G. St. A.) heißt es:,,Im übrigen glaube ich,daß es sich bis jetzt noch lediglich um Eventualitäten handelt, auf welche vorbereitet zu sein unserer auswärtigen Politik die Freiheit der Entschließung ermöglicht, während sie sich entgegengesetzten Falles gelähmt fühlen würde wie im Jahr 1850 und 51, wo die Diplomatie schließlich den einzig haltbaren Grund für ,den Gang nach Olmütz' in der mangelhaften Kriegsbereitschaft gefunden zu haben meinte. Vielleicht handelt es sich bei den militärischen Vorbereitungen aber auch um Demonstrationen, welche den Ernst unserer Entschlüsse zur Anschauung bringen sollen." Den Hinweis auf dieses Faszikel zur Mobilmachung 1865 im G. St. A. verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Dr. Werner Frauendienst.

— 37 — selbst verfaßten Artikel zurückhielt. Aber Bismarck wiederholt dasselbe Spiel ein paar Tage später. Um die Einberufung von Hilfsarbeitern für die Munitionsfabriken als politisches Druckmittel auszunutzen, gibt er die merkwürdige Anweisung, diesen Befehl an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, aber mit allen Schleiern des Geheimtuns zu umgeben. Denn diese erste Mobilmachungsmaßnahme wird als leere Geste erscheinen, wenn man sie laut drohend verkündet; aber sie wird den gewünschten ernsten Eindruck machen, wenn sie als „ostensibles Geheimnis" behandelt wird. Und auf diese Schreckwirkung kommt es Bismarck offenbar mehr an als auf die sachliche Vorbereitung des Krieges.82) Ganz dieselbe Taktik verfolgt er mit den berühmten Karlsbader Äußerungen. Die säbelrasselnden Aussprüche gegenüber dem Herzog von Gramont, die alsbald die Wiener Salons durchliefen und die Presse beschäftigten, sind nur deshalb gefallen, damit sie in Wien und den Mittelstaaten kursierten. Daß der französische Herzog die. Meldungen sogleich aus eigenen Stücken dementierte, verdoppelte nur ihre Wirkung: dann wurden sie um so fester geglaubt. Die Drohung mit den Waffen soll Österreich einschüchtern, um zu einem günstigen Geschäftsabschluß mit ihm zu gelangen.83) Denn während nach Karlsbad die Meldungen über den Rüstungsstand der Armee eingefordert werden, laufen schon die Drähte ins österreichische Kabinett zur Einleitung einer neuen Vertrauensaktion. Die Wiener Politik war ja so uneinheitlich, daß ein scharfäugiger Gegenspieler um diplomatische Angriffsflächen nicht verlegen war. Eine entschiedene österreichische Außenpolitik hätte in jener Epoche zwei Wege einschlagen können. Die unentwegten Verfechter von Österreichs „Erstgeburtsrecht in Deutschland" wie Ludwig von Biegeleben mußten Tag und Nacht darüber wachen, daß Österreich sich nicht aus dem Bunde hinausdrängen,^zur Teilung des Oberbefehls, zum Verzicht auf die Präsidialwürde zwingen oder verführ«} lasse. Sie konnten von ihrem großdeutschen Ideal aus nichts anderes tun, als einen zähen Verteidigungskrieg führen, weil nach ihrem Standpunkt jeder kleinste Machtzuwachs Preußens eine Etappe zur Verabschiedung Österreichs aus seiner deutschen Stellung bedeutete. In dauerndem Alarmzustand, einen nahen Krieg vor Augen, mußten sie alles daransetzen, an Frankreich einen Rückhalt gegen 82) Das Obige nach dem Briefwechsel Roon an Bismarck 24. Juni, Bismarck an Roon 1. Juli, Roon an Regierungsrat Hahn 3. Juli, Eulenburg an Bismarck 9. Juli P. A., Bismarck an Roon 9. Juli G W V, 226. 83) So hat es schon der badische Geschäftsträger in Wien aufgefaßt; Wydenbrugk an Roggenbach 10. Juli 65 G. L . A.

— 38 — Preußen zu gewinnen, und sich bereithalten, Venedig zu opfern, um Frankfurt zu behaupten. Diese Politik wurde in Wien aber fast mehr von zugewanderten Deutschen als von Altösterreichern vertreten. Die Konservativen aus der Metternichschen Schule wie der Graf Rechberg oder die ungarischen Aristokraten von der Art Esterhazys, die seit der Ministerkrisis in den Vordergrund rücken, machten umgekehrt den Versuch, das deutsche Terrain zu neutralisieren, um in Südosteuropa stärker auftreten zu können. Da ihnen eine Verlegung des Schwergewichts der Monarchie nach Budapest vielleicht nicht so unerwünscht kam, waren sie nicht völlig abgeneigt, in die preußische Annexion der Elbherzogtümer zu willigen, zumal sie der Hoffnung sein konnten, Preußen werde dadurch von seinen gesamtdeutschen Zukunftsplänen abgelenkt werden. Auch von hier aus wäre eine klare Linie habsburgischer Politik möglich gewesen. Indem man Preußen in eine borussische Großmachtstellung hineintrieb, konnte man einen fernen Bundesgenossen gewinnen, der nach der Rechnung Esterhazys schon deshalb nicht allzu gefährlich werden konnte, weil er sich in dem eingegliederten Schleswig-Holstein sein Venetien schaffen mußte. Von diesen beiden politischen Richtungen, deren eine mit einem deutschen Krieg, deren andere mit einem Verzicht auf die Präsidialwürde um größerer Interessen willen rechnen mußte, ist keine zur Herrschaft gelangt. Vielmehr hat Graf Mensdorff, der Leiter der auswärtigen Politik, einen seltsam kurzwendigen, hin- und herfahrenden Kurs gesteuert, der überhaupt nur begreiflich wird, wenn man aus seinem späteren Rechenschaftsbericht hört, daß er hoffte, vielleicht im Zusammenwirken mit gewissen Kreisen am Berliner Hof, das Bismarcksche Regiment zu stürzen, indem er jeden Anlaß zu Feindseligkeiten vermied und Bismarcks Kriegspolitik sich totlaufen ließ.84) Diese Diplomatie war nachgiebig, ohne ehrlich die Vorteile des Dualismus einzuheimsen, sie war großdeutsch, ohne zum Zweikampf entschlossen zu sein. 84) Für die Möglichkeiten und Richtungen der österreichischen Außenpolitik vgl. folgende Quellen: Rechbergs Mitteilungen bei Friedjung II, A n h a n g 2 ; Engel-Janosi, Graf Rechberg, S. I23ff.; Freiherr von Biegeleben, Lebensbild von seinem Sohn, Wien 1930, S. 291 ff.; zwei ungedruckte Denkschriften Mensdorffs (Preuß. Jahrb. 180, 1920, S. 236). Der Ausspruch Esterhazys über das preußische Venetien wird berichtet von Wydenbrugk an Edelsheim 30. August 65 G. L. A . ; die höchst bezeichnende Äußerung Mensdorffs, er halte es für wahrscheinlich, daß bei einem Scheitern der Gasteiner Verhandlungen der König „es nicht zum Aeußersten kommen lasse und Bismarck entlassen werde", bei Wydenbrugk an Roggenbach 28. Juli 65 G. L. A.

— 39 — Trotzdem versucht Bismarck ein Gebäude des Ausgleichs auf diesem unfesten Grund zu errichten. Man kann die Anfänge des Gasteiner Vertrags zurückverfolgen bis zu der überraschenden Erklärung Mensdorffs, er habe gegen eine Erwerbung Lauenburgs durch Preußen nichts einzuwenden, wenn ein entsprechender Teil der österreichischen Kriegskosten abgezogen würde.85) Dieses Angebot fand Ende Mai statt. Seitdem hat Bismarck durch den Gesandten von Werther einen vertraulichen Gedankenaustausch in beinahe intimen Formen gepflegt. Durch sein großes Zugeständnis vom 3. Juli, die Militärfrage vor dem Bund zu erörtern, wird die Wiener Diplomatie sogar in Frankfurt wieder an die Seite Preußens getrieben.86) Mitten während der finanziellen und militärischen Vorbereitungen der Julitage, die, wie wir gesehen haben, vielleicht nur scheinbar hart an einen Krieg herangeführt haben, fragt Mensdorff privatim an, ob nicht die Entsendung eines österreichischen „Vertrauensmannes" nach Karlsbad oder Gastein erwünscht wäre, um „sich noch näher über das vorzubereitende endliche Einverständnis besprechen zu können".87) Bismarck telegraphiert noch am selben Tage, es ist der 12. Juli, seine Zustimmung zu der angeregten Idee zurück und überläßt die Wahl der Person ganz dem Ermessen des kaiserlichen Kabinetts.88) Schon vorher, spätestens am 5. Juli, war er entschlossen gewesen, vor der geplanten Monarchenzusammenkunft in Gastein keine Maßregel zu ergreifen, die zum Bruch führen könnte.89) J a viel85) Werther an Bismarck 23. Mai 65 P. A. 86) E s wird verabredet, daß Bayern am Bund eine Anfrage stellen soll, und Mensdorff zweifelt nicht, „daß unsere Regierungen sich leicht über die zu erteilende Auskunft einigen werden". Mensdorff an Werther 10. Juli P. A. 87) Mensdorff an Werther 10. Juli P. A. (vgl. Wertheimer, Bismarck im politischen Kampf, S. 156). Der Brief ist von Werther durch Kurier nach Karlsbad befördert worden zusammen mit einem Bericht über einen Besuch Biegelebens vom 10. Juli, der dieselbe Idee angeregt hat. Nach dem Präsentatvermerk ist beides am 12. in Bismarcks Händen. 88) Bismarck an Werther 12. Juli P. A. Nicht einmal Werther hat mit einem Eingehen Bismarcks auf diesen Vorschlag gerechnet, vielmehr setzt er voraus, „daß es weder S. M. noch Ew. Exzellenz angenehm sein möchte, einen solchen österreichischen Beobachter zu längerem Aufenthalt in Karlsbad oder Gastein eintreffen zu sehen" (Privatbrief Werthers an Bismarck 10. Juli P. A). 89) Eigenhändige Schlußbemerkung Bismarcks zu einem Erlaß an Usedom vom 5. Juli 65 P. A . : „Der Kaiser Franz Joseph hat den Höflichkeitsbesuch, den er dem Könige zu machen beabsichtigt, auf die Zeit des Aufenthaltes in Gastein verschoben. Maßregeln in den Herzogthümern, welche Ausgangspunkt des Bruches unserer Beziehungen mit Österreich

— 40 — leicht hat der Minister die Badereise seines Herrn nicht unabsichtlich auf österreichischen Boden gelenkt; denn solange sich der Souverän auf fremdem Gebiet befand, war beiden Mächten eine gewisse Zurückhaltung auferlegt und ein Vorwand geschaffen, um nicht jedem Aufbrausen des staatlichen Ehrgefühls nachgeben zu müssen. Als Mensdorff, wohl weniger durch den Ton der Regensberger Depesche vom 21. Juni als vielmehr durch aufgefangene Telegramme über die preußischen Eventualvorbereitungen zum Krieg 90 ), wieder unsicher wird und der erwählte Unterhändler noch einmal in Karlsbad anfragen läßt, ob sein Kommen nach wie vor erwünscht sei, da wiederholt Bismarck seine Einladung ausdrücklich.91) Daß er dem ungeachtet gegen die augustenburgische Agitation energischen Protest einlegt und aus der Unterdrückung der preußenfeindlichen Presse-, Vereins- und Verwaltungstätigkeit der Schleswig-Holsteiner eine Vorbedingung der Verhandlungen macht, ist durchaus kein Beweis gegen die Ehrlichkeit seiner Verständigungsabsichten. Österreich muß ja wieder auf die Basis des Wiener Friedens herübergezogen werden und dazu muß erst einmal die Solidarität der Großmächte gegenüber dem Streitobjekt hergestellt sein. In einer eigenhändigen Niederschrift über die Salzburger Zusammenkunft mit dem bayerischen Ministerpräsidenten von der Pfordten hat Bismarck diesen rein dualistischen Hintergedanken seines anti-augustenburgischen Manövers vollkommen enthüllt: „ . . . Erst wenn die öffentliche Meinung den Eindruck erhält, daß der Prinz nicht antipreußischer, sondern ebensowohl preußischer wie österreichischer . . . 92 ) Candidat ist, erst dann kann Preußen wieder in augustenburgischer Richtung verhandeln". 93 ) Sein nächstes Ziel war nur, die Gefahr abzuwerden könnten, beabsichtigt S. Maj. v o r diesem Besuch des Kaisers nicht zu ergreifen" (fehlt G W V ) . 90) Aus den Akten der Blome-Mission (H. W.) geht hervor, daß die Depesche Bismarcks an den Kronprinzen vom 23. Juli (GW V, 240), die von „Mobilmachungsmaßregeln" spricht, von der österreichischen Postspionage aufgefangen worden ist. 91) Werther an Bismarck 25. Juli und Telegramm Bismarcks an Werther vom selben Tag: „Graf Blomes Anwesenheit nach wie vor erwünscht; zweckmäßig gerade um über Consequenzen der Regensburger Depesche zu verhandeln" (P. A). 92) Dem bayerischen Minister zulieb hat Bismarck bei den Salzburger Besprechungen hier eingeschaltet „oder Bundes-". 93) Aufzeichnung c. 23. Juli GW V, 241. — Übrigens ist es schon rein grammatisch falsch in der Regensburger Depesche vom 21. Juli ( G W V , 2 3 8 ! ) ein „Ultimatum" Bismarcks zu sehen. Die Form „ E r s t wenn unsere . . . Beschwerden erledigt. . . sind, werden wir zu w e i t e r e r Ver-

— 41 — wenden, daß ein holsteinischer Landesherr in Abhängigkeit von der Bundesmajorität geriet 94 ) und daß Preußen eine diplomatische Schlappe erlitt. 94 *) Die Aussöhnung des Prätendenten mit König Wilhelm', zu welcher Herr von der Pfordten mitwirken sollte, wäre dazu ein ebenso gangbarer Weg gewesen wie seine Verhaftung, für die Bismarck mit der diabolischen Gleichzeitigkeit seiner zwei politischen Systeme in genau denselben Tagen Anstalten trifft. 98 ) Wenn wir über die Begegnung Bismarcks mit Herrn handlung bereit sein" stellt keine Alternative, sondern enthält nur eine conditio sine qua non. Wird sie nicht erfüllt, so erfolgt nicht der Bruch, sondern bloß ein Aussetzen der Verhandlungen, wie es Bismarck schon mehrmals vorgeschlagen hat. Die einzige Depesche nach Wien, die mit dem Krieg droht, ist der vierte Erlaß an Werther vom Ii. Juli (GW V , 232f). und sie ist verfaßt einen Tag bevor Bismarck Kenntnis davon erhalten hat, daß Mensdorff einen Vertrauensmann anbietet und bevor er das Echo auf sein Entgegenkommen in der Militärfrage vernommen hat. 94) Auf dem Weg über Hannover erfährt Bismarck bereits, der Erbprinz sei feste Verpflichtungen gegenüber gewissen Mittelstaaten eingegangen und habe dafür das Versprechen eingehandelt, daß die schleswigholsteinischen Kriegskosten auf die Bundesregierungen umgelegt würden. Ysenburg an Bismarck 25. Juli P. A. 94a) „Freiwillig könne Preußen den Herzog einsetzen, aber aufzwingen könne es sich diese Candidatur so wenig lassen wie eine andere . . . Die Ehre und die Aufrechterhaltung des monarchischen Ansehens im Innern gestatte dies nicht." Pfordten an Samwer über den Inhalt der Salzburger Besprechung, 24. Juli 65 bei Jansen-Samwer, Schleswig-Holsteins Befreiung, 1897, Beil. Nr. 54, S. 774. 95) Sybel IV, 152. — Freilich ist hier eine Einschränkung zu machen. Daß Bismarck gerade an den Kronprinzen von einseitigen Maßnahmen und von Mobilmachungsverordnungen schreibt (GW V, 240), entspricht durchaus seiner pädagogischen Taktik, die Pazifisten mit dem Gedanken des Krieges vertraut zu machen und die Annexionisten auf die Möglichkeit einer Versöhnung zu verweisen, um die Entscheidung frei in der Hand zu behalten. Dazu kommt aber ein weiterer Gesichtspunkt. Die Botschaften an den Kronprinzen vom 23. und vom 31. Juli (GW V, 240, 251) lassen die Kriegsgefahr größer erscheinen als sie ist, weil der Kronprinz, der sich auf Föhr aufhält, im Verkehr mit Friedrich von Augustenburg steht und dem Prätendenten zum Nachgeben raten, ja seinen Besuch in Berlin vermitteln soll (vgl. Jansen-Samwer, Schleswig-Holsteins Befreiung, Wiesbaden 1897, Beil. Nr. 54, S. 774t.). Zu diesem Zweck muß aber der Kronprinz selbst gehörig eingeschüchtert werden, weil er es bisher abgelehnt hat, den Augustenburger zur Annahme der preußischen Forderungen zu bewegen (wie Bismarck durch einen erregten Telegrammwechsel mit dem Auswärtigen Amt und dem preußischen Gesandten in Hamburg am 13. und 14. Juli erfuhr). Die beiden stärksten Zeugnisse von Bismarcks kriegerischen Absichten (GW V, 240 und 251) sind also quellenkritisch stark entwertet.

— 42 — von der Pfordten in Salzburg (23. Juli) Näheres wüßten, würde noch deutlicher werden, wie vorbehaltlos die preußische Politik zum Schönbrunner Programm mit allen seinen Konsequenzen noch immer bereit ist. Der eine Zug, von dem wir erfahren, spricht deutlich genug: Pfordten kann auf Grund der Salzburger Eröffnungen in Wien andeuten, daß Preußen sich schon begnügen würde mit einer auf zehn Jahre abgeschlossenen Militärkonvention, wenn sie ihm nur den Befehl über das holsteinische Truppenkontingent garantiere96), und Bismarck bestätigt dem entsetzten Baron Werther noch durch ein eigenes Telegramm, daß der bayrische Ministerpräsident ein Recht zu dieser erstaunlichen Andeutung habe.97) Der gemessene, etwas pedantische, friedfertige bayrische Staatsmann ist, so erfahren wir, von der Zusammenkunft mit Bismarck entzückt, ja „gehoben".98) Wir dürfen daraus schließen, daß Bismarck nicht um Neutralität in einem bevorstehenden Krieg geworben98"), sondern vielmehr den Gedanken einer süddeutschen Vormachtstellung der Wittelsbacher fortgesponnen und alle Befürchtungen über preußische Mediatisierungsabsichten entkräftet hat. Bayern soll in seiner Bundesloyalität erschüttert und für den Gedanken einer rein großmächtlichen Beziehung zwischen Berlin, München und Wien reif gemacht werden. Mit jener vornehmen Offenheit und dem einhüllenden Ton vollkommener Vertrauenswürdigkeit, dem sich kein Unterredner je hat entziehen können, hat Bismarck Herrn von der Pfordten aufs neue gewonnen für den Plan einer konservativen Trias, für eine norddeutsche Bundespolitik, die .Bayern aus dem Spiele ließe', kurz für die Ideen, zu denen Pfordten schon im März 1865 seine Zustimmung erteilt hatte.99) Und in diesem Geist von Schönbrunn wird vom 27. bis 31. Juli auch zwischen Preußen und Österreich verhandelt. 96) Reuß an Bismarck 25. Juli 65 P. A. Pfordten an den bayerischen Gesandten in Wien Graf von Bray-Steinburg 25. Juli 65 B. G. St. 97) Depesche Bismarcks an Werther 29. Juli 65: „Wenn Herr von der Pfordten auf den Gedanken zehnjähriger Convention zurückkommt, bitte ich nicht bestimmt entgegenzutreten; es kommt auf den Inhalt der Convention dabei an." P. A. (fehlt GW V). 98) Reuß an Bismarck 27. Juli 65 P. A. 98 a) Pfordten neigt sogar zu der Ansicht, daß Bismarck nur „den Ernst Preußens" zeigen, nicht aber den Bruch herbeiführen will. Pfordten an Bray-Steinburg 25. Juli 65 B. G. St. 99) Vgl. oben S. 22. — Mensdorff hat die Ergebnisse von Salzburg ganz richtig gesehen : wenn es zum Schlagen kommt, wird Bayern nach wie vor an Österreichs Seite stehen. Aber solange die Aussicht auf einen groß-

— 43 — DIE POLITISCHE BEDEUTUNG DES GASTEINER VERTRAGS. Es ist offenbar nicht richtig, daß die Anregung zu den Gasteiner Besprechungen von gewissen praktischen Vorschlägen des österreichischen Gesandten in München, Graf Blome, ausgegangen sei.100) Blome ist nicht zum Unterhändler bestimmt worden, weil er dem österreichischen Kabinett einen fertigen Vermittlungsplan unterbreiten konnte, der Mensdorffs Beifall fand. Er ist nur gerufen worden101), weil er für einen Anhänger der konservativen Zusammenarbeit mit Bismarck galt und aus guten Gründen sich zum Gegner einer Politik bekannte, welche Preußen ein „neues Olmütz" bereiten wollte. Blome war einer der wenigen, die klar gesehen haben, daß ein solches Olmütz nur ein zweifelhafter Gewinn für das Donaureich wäre. „Es würde das jetzige preußische Ministerium stürzen und mutmaßlich eine abermalige ,neue Aera' hervorrufen, mit allen jenen kleindeutschen Tendenzen, welche uns weit nachteiliger sind als Herrn von Bismarcks unpopuläres Regiment."102) Er steht also Esterhazy oder Rechberg weit näher in seinen außenpolitischen Anschauungen als dem Minister des Auswärtigen oder gar dem Referenten für deutsche Angelegenheiten, Freiherrn von Biegeleben. Aber er reist nicht im eigenen Auftrag für eine von ihm gefundene Idee der Teilung des Regiments in den Herzogtümern, sondern versehen mit einer Instruktion, die sich nur auf die preußischen Beschwerden in der mächtlichen Ausgleich besteht, legt Pfordten nicht mehr den früheren mittelstaatlichen Eifer für Österreichs Präsidialgewalt an den T a g .

V g l . Anlage

Nr. 8. —

N a c h d e m Gasteiner Vertrag steigert sich noch die Bereitschaft

Bayerns

zu einer

Zusammenarbeit

mit

Preußen:

Pfordtens v o m 12. Oktober 65, aus dem Doeberl,

vgl. das

Promemoria

Entwicklungsgeschichte

B a y e r n s I I I (1931), S. 4o6f., Auszüge g i b t : „ W i r können zur Zeit und wohl noch auf lange nicht auf Österreich rechnen; vielmehr ist es unser Gegner, weil es sich aus Furcht Preußen in die A r m e geworfen h a t . . .

E s wird

daher j e t z t unsere A u f g a b e sein, zu versuchen, ob wir uns nicht m i t Preußen verständigen können und ich halte dies

für möglich, solange in Preußen

Realpolitiker regieren wie Bismarck, der mir ja wiederholt gesagt

hat,

Preußen und B a y e r n sollen sich nicht streiten: denn sie seien natürliche Alliierte." 100) So z. B . S y b e l I V , 165. 101) „ G r a f Blome

v o n Lindau

herberufen, u m als

Vertrauensmann

zu weiteren Verhandlungen mit E w . E x z e l l e n z in Gastein b e a u f t r a g t zu werden."

Werther an Bismarck 16. Juli P. A .

102) Bericht Blomes v o m 14. A u g u s t N r . 2 H . W . Beiheft d. H. Z. 29.

4

— 44 — Regensburger Depesche bezog. 103 ) Da aber Preußen auf seiner Vorforderung bestand: ehe über den definitiven Landesherrn verhandelt werde, müsse zunächst einmal der Thronanwärter außer Landes gewiesen und das Preß- und Vereinswesen unter Kontrolle gestellt werden, und da andererseits Österreich diese wirkungsvollsten Waffen für eine augustenburgische Endlösung nicht preisgeben wollte, war auf solcher Basis eine Verständigung unmöglich. Erst nachdem vier Tage über diesen Punkt ergebnislos verhandelt worden war, will Blome auf den Gedanken gekommen sein, „sub specie rati" eine ganz neue Lösung vorzuschlagen. Die Unterstützung Edwin von Manteuffels habe dann auch nach manchen Einwürfen und Bedenken den König und Bismarck für das Blomesche Projekt gewonnen, „die ideelle Teilung der im Wiener Frieden erworbenen Rechte in eine reelle aufzulösen". Holstein sollte, von allen Belastungen seiner Souveränität befreit, dem Augustenburger zufallen, Schleswig definitiv in preußischen Besitz übergehen. Diese Darstellung des österreichischen Unterhändlers erweckt Bedenken, weil sie die Rolle Bismarcks allzu passiv darstellt. Sie widerspricht auch einer gut bezeugten Äußerung Mensdorffs vom 5. August, nach welcher „die Initiative" des Gedankens einer „territorialen Theilung in administrativer und militärischer Beziehung" dem preußischen Ministerpräsidenten zukommt und der Plan einer Neukonstituierung des Kondominats als „Bismarcksche Ideen" bezeichnet wird. 104 ) Aber noch mißtrauischer macht eine andere Beobachtimg. Blome verschweigt völlig, daß nicht von einer .Teilung überhaupt' die Rede war, sondern von Anfang an der Gedanke einer Verwaltungsteilung von dem einer Besitzteilung scharf getrennt worden ist. J a er scheint den grundlegenden Unterschied beider Modi erst nachträglich im Rückblick ganz verstanden zu haben. Aus Bismarcks Brief an König Wilhelm vom 1. August und den Randbemerkungen des Königs geht aber hervor, daß erst während der letzten 24 Stunden der Aussprache die Eigentumstrennung in den Vordergrund der Erörterung gerückt ist, daß Bismarck auch in einer Verwaltungstrennung einen gangbaren Weg erkannt haben würde, und der König in einer definitiven Annexion der Schleswigschen Hälfte bereits einen so bedeutenden Erfolg zu sehen vermochte, daß er an die Verwirklichung des Plans gar nicht glaubte. 105 ) 103) mission. Werthers 104) 105)

Diese Instruktion befindet sich nicht bei den Akten der BlomeAber sie ist aus Blomes Bericht Nr. 2 und aus einem Telegramm an Bismarck vom 26. Juli P. A . zu rekonstruieren. Edelsheim an Roggenbach 6. August 65. Vgl. Anlage Nr. 8. Erinnerung und Gedanke, G W X V , 259t. = Bismarck-Jahrbuch

— 45 — Der Anteil des preußischen Partners an den sog. .Blomeschen Vorschlägen' kann danach schwerlich so nichtssagend gewesen sein wie der ehrgeizige österreichische Gesandte (wohl sehr zu Bismarcks Befriedigung) den Anschein erweckte. Dafür spricht auch eine seltsame Denkschrift des Kultusministers von Mühler vom 31. Juli, die in Gastein zum Vortrag gelangt ist und eine eigene Form der „Realteilung" vorschlägt, nämlich nordsüdliche Grenzziehung und Mischung von getrennten und gemeinschaftlichen Institutionen, analog der vormaligen gemeinschaftlichen Regierung der Gottorper und der Königlichen Linie in Schleswig-Holstein. 106 ) Auch im preußischen Hoflager machte man sich also Gedanken über eine Verlängerung des Kondominats. Und es ist wahrscheinlich, daß die für den Gasteiner Vertrag charakteristische Unterscheidung von Verwaltungsteilung und Besitzteilung von Bismarck selbst stammt. Mit dieser Unterscheidung beginnt aber überhaupt erst die politische Bedeutung der Konvention. VI, 202 f. — Dem Brief Bismarcks ist von Thimme GW V, 250 f. zuviel tiefere Bedeutung unterlegt worden. Er spielt mit keiner Silbe auf einen künftigen Krieg um größerer Ziele willen an, sondern sucht den König nur zur Zurücknahme seiner Mitteilung an Augusta zu bewegen, indem er ihm vorstellt, daß eine Indiskretion doch ein unwürdiger Anlaß zum Krieg wäre. Diesen akuten Zweck hat Bismarck auch erreicht. Der Brief ist offenbar aufgehalten und durch einen andern ersetzt worden, in welchem die augustenburgische Partei vom König auf dem Weg über die Königin (wie von Bismarck über den Kronprinzen) auf einen wahrscheinlichen Bruch vorbereitet wird. Der Brief des Königs ist nicht erhalten, wohl aber die Antworten Augustas vom 5. und 7. August, in denen sie vor dem Bruch warnt (H. A.). — Die Randbemerkung des Königs zum Bismarckbrief erlaubt eine weitgehende Rekonstruktion der ersten BlomeVerhandlungen. Man sprach zuerst über eine Verwaltungsteilung zwischen den Condomini. Als diese Idee fallen gelassen wurde und nur noch von der größeren Forderung der Besitzteilung die Rede war, glaubte der König die harmlos gewordene erste Idee benützen zu können, um durch ihre Erwähnung seine Gemahlin sachte auf die Schmälerung der Rechte des Augustenburgers vorzubereiten und dadurch allzuheftiger häuslicher Entrüstung bei vollzogener Definitivtrennung der Herzogtümer vorzubeugen. Auf Bismarcks Einspruch hin, der die Verwaltungsteilung keineswegs so harmlos und ausgedient fand, verschob der König diese schonende Erklärung auf eine spätere mündliche Aussprache. Im Schlußsatz ist noch enthalten, daß Blome abgereist ist mit dem Vorschlag, daß jede der beiden Teilungsmächte unbeschränktes Verfügungsrecht über die ihr zu Eigentum übergebene Hälfte erhalten soll. Also ist gerade nicht die provisorische, sondern eine definitive Lösung am 31. Juli verabredet worden (gegen Thimme, G W V, 262). 106) Denkschrift von Mühlers, Gastein 31. August 65 P . A . 4*

— 46 — Die übliche Auffassung, daß sich diese zwei Möglichkeiten der Lösung des Herrschaftstreites zueinander verhalten wie niederes und höheres Ziel, bleibt an der Oberfläche. Es ist ähnlich wie bei den Februarbedingungen: die bloße Verwaltungsteilung ist nicht eine abgeschwächte, bescheidenere Form der Definitivteilung, sondern Bestandteil einer ganz anderen politischen Kombination. Wenn Preußen und Österreich sich über das gemeinsame Erbe des Dänischen Feldzugs schiedlich einigten, Gütertrennung durchführten und jeder mit seinem Stück für, immer zufrieden •war, so hieß das den wichtigsten Konfliktstoff zwischen den beiden Großmächten aus dem Weg räumen. Für Österreich war das Opfer nicht gering. Es mußte die Rechte des Augustenburgers auf Schleswig preisgeben, verlor darüber seinen Rückhalt im Bund und erhielt eine ferne Provinz, die ohne gutwillige Unterstützung der Preußen gar nicht zu behaupten war. Aber die Opfer der preußischen Politik waren nicht geringer. Eine definitive Abfindung mit Schleswig bedeutete den Verzicht auf Vollannexion, vielleicht für alle Zeiten, und belastete den Staat mit der Verteidigung eines Grenzlandes, das durch ein fremdes Territorium (Holstein) abgetrennt war vom Körper der Monarchie. Man mußte damit rechnen, daß Österreich seinen Anteil ohne Verzug an den Herzog von Augustenburg weitergeben würde, und man beraubte sich der Möglichkeit, aus der Herzogtümerfrage im Bedarfsfall den Funken zu einem deutschen Krieg zu schlagen. Der Gewinn für Preußen lag darin, daß die Drähte zwischen Frankfurt und Wien zerschnitten und das habsburgische Reich an den Wagen der preußischen Politik gefesselt wurde. Der Gewinn für Österreich lag in der Erhaltung des Friedens, den es so dringend brauchte, und in dem Schutz, den es für seine italienischen Besitzungen vermutlich gewann. Definitive Besitzteilung schmiedete die beiden Großmächte auf Gedeih und Verderben aneinander. Wenn dagegen die Teilhaber eine Anteilsbereinigung ablehnten oder hinausschoben, wenn nur die Technik der Doppelregierung geändert wurde und der Besitzanspruch gemeinsam blieb, war die Entscheidung über das Verhältnis der Mächte höchstens vertagt, wenn nicht überhaupt damit ausgesprochen wurde, daß auf eine friedliche Scheidung der Sphären nicht mehr zu rechnen sei. Aber Österreich wie Preußen hatten für den Augenblick größere Bequemlichkeit, für die Zukunft größere Bewegungsfreiheit. Denn Österreich konnte den Kandidaten des Bundes auf die endgültige Lösung vertrösten und Preußen behielt sich das Einspruchsrecht gegen ein augustenburgisches Herzogtum vor. Für Österreich stand die Fortführung einer Bundespräsidialpolitik offen, für

— 47 — Preußen Annexion und Krieg mit dem Nebenbuhler. J a ein provisorischer Teilungsvertrag, der die Endlösung ausdrücklich einer späteren Vereinbarung zusprach, erleichterte die E n t zündung des gewaltigen Konfliktstoffes, weil eine Vertragsverletzung gegenüber Europa einen unanfechtbareren Kriegsgrund abgab als die Unterstützung der augustenburgischen Agitation durch den österreichischen Zivilkommissar. Die Geschichte des Vertrages beweist nun, daß Bismarck die Besitzteilung — und das heißt die dualistischeBefriedung — angeboten, ja gewollt hat, daß er aber, als Österreich seine Chancen verkennend nur die Verwaltungsteilung gewähren wollte, sofort mit der ganzen Genialität schöpferischen Weiterdenkens die großen Möglichkeiten eines Provisoriums erfaßt und nun auch alles darangesetzt hat, die Vorteile einer solchen Lösung durch den Wortlaut der Vertragsparagraphen herauszumeißeln. Bismarck hat in drei Anläufen den Grafen Blome auf ein Definitivum festlegen wollen. Als der österreichische Diplomat am 3 1 . Juli Gastein verließ, war die Idee der endgültigen Teilung als Verhandlungsbasis verabredet. 107 ) Wie Blome nach schwierigen Beratungen in Ischl und Wien am 9. August wieder in Gastein eintraf, fand er den preußischen Ministerpräsidenten „bei dem ersten Projekte einer definitiven Theilung stehen geblieben". Bismarck wartete jetzt mit einem fertigen Vertragsentwurf auf 1 0 8 ), 107) Dieses erste Stadium vom 31. Juli ist niedergelegt in einem undatierten Vertragsentwurf Blomes (H. W.). Danach erhält Preußen außer Schleswig noch die „Benutzung" des Kieler Hafens, Besatzung in Rendsburg, eine Etappenstraße und eine Telegraphenlinie durch Holstein, Konzession zum Nordostsee-Kanal und — Lauenburg ohne Entschädigung. („Da Schleswig das minderreiche und weniger bevölkerte Land ist, meint Herr von Bismarck, Lauenburg müsse hinzugeschlagen werden. Ich glaube, daß über diesen Punkt noch Concessionen zu erwarten sind.") 108) Der eigenhändige undatierte .Erste Entwurf' G W V , 262 ff. = Bismarck-Jahrbuch IV, 196 ff. ist zweifellos eine Niederschrift Bismarcks aus der Zeit zwischen dem ersten und zweiten Besuch Blomes. Die Bedingungen stimmen mit der in Blomes Bericht vom 14. August Nr. 1 geschilderten Situation beim Empfang am 9. August überein: 1. eine besondere Entschädigung für Lauenburg ist nicht vorgesehen; 2. statt von „Benützung" des Kieler Hafens ist jetzt von Besatzungs- und Befestigungsrecht an der Kieler Bucht die Rede (Blome sagt ungenau „von dem Besitze Kiels"). Aus einem späteren Stadium kann dieser .Erste Entwurf' nicht wohl stammen, weil in den mündlichen Verhandlungen auf Grund der Wiener Vorschläge gleich von einem Kauf Lauenburgs und Erlaß der Kriegskosten für „dieses arme Land" die Rede ist, während in Art. 2 des .Entwurfs' noch Repartierung der Entschädigungssumme auf alle drei Herzogtümer vor-

— 48 — der nur von einem Definitivum sprach und in seinem letzten Artikel dem Kaiser von Österreich ausdrücklich das Recht einräumte, den Besitz Holsteins „anderweit zu übertragen" d. h. nach Sicherstellung gewisser militär- und verkehrstechnischer Forderungen an den Herzog von Augustenburg abzutreten. Aber damit noch nicht genug. Auch nachdem Blome mit dem österreichischen Gegenentwurf herausgerückt war und Bismarck sich bereits auf die Idee des Provisoriums umgestellt hatte, bot er zum drittenmal insgeheim die Hand, um das verblendete Wiener Kabinett zu einer dauerhaften Politik des Dualismus herüberzuziehen oder wenigstens den Weg dazu frei zu halten. Wenn die Besitzteilung nicht sofort und offen ausgeführt werden konnte, dann wollte man wenigstens die kommende abschließende Etappe der Verständigung mit Österreich im vorhinein festlegen. Dieser Versuch Bismarcks, den Partner zu einem Geheimabkommen zu drängen, das die Verwandlung des provisorischen Zustands in einen endgültigen vorbereiten, ja vollziehen sollte, war bisher unbekannt.109) Graf Blome meldet darüber in seinem Bericht: „Ferner bleibt mir noch zu erwähnen, daß der königlich preußische Ministerpräsident mir wiederholt den Entwurf eines geheimen Separatartikels vorlegte, worin stipulirt werden sollte, daß gegenwärtige für Preußen nachtheilige Bevölkerungs-Repartition eine künftige definitive [Real-]110)theilung nicht präjudiciren werde, sondern daß in diesem Falle ein Ausgleich stattzufinden habe durch Hinzufügung eines entsprechenden Theiles von Holstein zu Schleswig. Ich habe die Unterzeichnung eines solchen Artikels entschieden abgelehnt, nicht etwa, daß ich die Forderung gesehen ist. Umgekehrt kann der Entwurf auch nicht in die Zeit des ersten Blomeschen Aufenthalts fallen, weil im Entwurf von zwei Etappenstraßen und zwei Telegraphenlinien gesprochen wird, während Blome nach Wien nur von je einer Verkehrsverbindung berichtet hat und auch nur zu dieser Konzession ermächtigt wird. Das Zugeständnis der zweiten Etappenstraße und der zweiten Telegraphenlinie muß Mensdorff erst durch einen nachträglichen Telegrammwechsel abgerungen werden. 109) Nur Wertheimer, Bismarck im politischen Kampf S. 178 hat, ohne Verständnis für die Zusammenhänge, auch diesen Teil seiner Quelle excerpiert. Höchst seltsamer Weise ist dieser „Geheime Artikel" schon längst gedruckt als Anhang des .Ersten Entwurfs': Bismarck-Jahrbuch IV, 199. Woher Horst Kohl ihn kennt, ist unerfindlich. Die eigenhändige Niederschrift des „Ersten Entwurfs", wie sie G W V, 262 zugrunde liegt, enthält den Geheimartikel nicht in extenso, sondern nur in Form der unten beschriebenen Randbemerkung. 110) Die Abschrift hat hier in eine Lücke eingesetzt „ T o t - " d.h. „ T o t a l " Teilung; offenbar ist das verlesen aus „Real"-Teilung.

— 49 — Preußens unbegründet fände, sondern weil ich die Möglichkeit einer Definitivtheilung, dem Geist der Übereinkunft gemäß, nicht formuliren wollte." 1 1 1 ) Der Unterhändler hielt sich damit streng auf der amtlich vorgeschriebenen Linie seiner Mission. Für seine Person freilich war er anderer Ansicht. Blome scheint der einzige habsburgische Diplomat im Dienst gewesen zu sein, der die Ablehnung des Definitivums als einen nicht wieder gut zu machenden Fehler der österreichischen Politik durchschaute. Nur noch der von den Geschäften ferngehaltene Graf Rechberg hat das frühere Vertrauen Bismarcks gerechtfertigt, indem er gleich damals ausgesprochen und später öfters wiederholt hat, daß es angesichts der italienischen Frage notwendig und auf Grund des Bismarckschen Vorschlages möglich war, in ein gutes Verhältnis zu Preußen zu kommen, indem man die Herzogtümer endgültig teilte. 112 ) In der Tat, ablehnen durfte man in Wien die angebotene Bereinigung nur, wenn man auf den Krieg hinzielte, wenn es galt, sich „die Möglichkeit des Confliktes mit Preußen zu r e t t e n " . Aber es war kurzsichtig bis zum Unverstand, zu einer Zeit, wo man planmäßig abrüstete und den Armeebestand reduzierte, sich auf das Provisorium zu versteifen, weil es oberflächlich wie eine geringere Konzession aussah. Von dem Ministerrat, der unter dem Vorsitz Franz Josephs am 5. August in Wien die Entscheidung fällte, ist kein Protokoll vorhanden. 113 ) i n ) Blomes Bericht vom 14. August Nr. 1 H. W. Die Glaubwürdigkeit der Erzählung wird erwiesen durch eine merkwürdige Randnotiz Bismarcks auf dem .Ersten Entwurf, die von Thimme GW V, 262ff. nicht mit abgedruckt worden ist: „für definfitivum] H30HaCT. Truppenverpfl[egung] in Kiel und R[endsburg]. Steuern u. Zölle. Überschüsse zu gleichen Th[eilen]". Während der Verhandlungen über das Provisorium hat Bismarck also sein .Erster Entwurf' unter den Händen gelegen, und er hat darauf den Inhalt jenes Geheimabkommens skizziert. Das aus einem griechischen und einem russischen Bestandteil eigenmächtig gebildete Wort bedeutet „gleiche Teile" und der Sinn ist demnach identisch mit Blomes Bericht: für ein Definitivum ist mathematisch gleiche Verteilung der Bevölkerungszahl schon jetzt zu verabreden. Außerdem sollte das Geheimabkommen offenbar das endgültige Verhältnis der neuen Territorien zum preußischen Zollsystem und die wirtschaftliche Seite des Garnisonrechts regeln. 112) Vgl. den Hinweis auf einen Brief Rechbergs an seinen Bruder vom 13. August 1865 und eine rückschauende Betrachtung vom 28. Dezember 1866 bei Engel-Janosi, Graf Rechberg, S. 124, 134, 1 3 5 . Es ist zu beachten, daß auch bei Rechberg wie in den Äußerungen Mensdorffs zu Edelsheim (vgl. oben S. 44) nicht von Blomeschen, sondern von Bismarckschen Vorschlägen gesprochen wird! 113) Nach der gütigen Auskunft von Herrn Prof. Lothar Groß, Wien.

— 50 — Aber ein Gespräch, das Mensdorff am selben Tage mit dem badischen Gesandten von Edelsheim führte, läßt die Vorgänge im Schoß der Regierung ungefähr erkennen.114) Mensdorff konnte sein Mißtrauen gegen die Bismarcksche Politik auch jetzt nicht überwinden, obwohl er anerkennen mußte, daß Bismarck zu einer Übereinkunft der Mächte die Initiative ergriffen habe und sich um eine Begegnung der Monarchen in Gastein so eifrig bemühte, daß der Kaiser überstürzt von Ischl nach Wien zurückkehren mußte, um sich einer solchen Zumutung zu entziehen. Für Mensdorff, den auf dem Feld der Politik ziemlich unsicheren ehemaligen Kavallerie-General116), ist der überlegene preußische Staatsmann, der doch so verschiedenartige Pfeile in seinem Köcher hatte, nur ein fanatischer Kriegspolitiker, und der Ausgleich erscheint ihm nur als eine Finte, um den Bruch hinauszuschieben bis zu dem Zeitpunkt, wo König Wilhelm den österreichischen Boden wieder verlassen hätte. Darum stimmt er gegen jedes Provisorium und gegen die Rücksendung Blomes an den Verhandlungsort. Starr hält er fest an der deutschen Vormachtpolitik Österreichs und an der herkömmlichen Beschützerrolle gegen preußischen Annexionshunger, obwohl er es im Grunde besser weiß und noch letzthin an der Haltung des bayerischen Ministerpräsidenten nach dem Salz"burger Gespräch erkannt hat, daß es schon wegen der wankenden Bundestreue führender Mittelstaaten für Habsburg an der Zeit wäre, „sich auf den Boden seiner ausschließlich österreichischen Interessen zurückzuziehen und von diesem Gesichtspunkt aus sich auf möglichst günstige Bedingungen mit Preußen auseinanderzusetzen".116) Wenn wir nach einer Erklärung für Mensdorffs Mißtrauen suchen, dann liegt sie darin, daß das Wiener Kabinett dank seines alterprobten Spionagedienstes sämtliche Telegramme aufgefangen hat, die Bismarck in jenen kritischen Juli- und Augusttagen mit den Missionen in Paris und Florenz ausgetauscht hat und in denen er bekanntlich mit Ungestüm Aufklärung über Italiens und Frankreichs Entschlüsse im Falle eines Bruches verlangte.117) Aber es war nicht bloß Abwehr ein114) Edelsheim an Roggenbach 6. August 65, vgl. Anlage Nr. 8. 115) Über Mensdorffs Haltung in jenen Tagen vgl. auch Vitzthum von Eckstädt, London, Gastein und Sadowa, Stuttgart 1889, S. gof. 116) Edelsheim an Roggenbach 6. August 65, vgl. Anlage Nr. 8. 117) Sowohl an Blome nach Gastein wie an Metternich in Paris werden solche aufgefangene preußische Telegramme mitgeteilt. Auch der telegraphische Bericht des Grafen Goltz vom 10. August (Anlage Nr. 6) über die günstigen Eindrücke seiner Unterredung mit Eugénie ist interzeptiert und entziffert worden.

— 51 — 'seitig verstandener Bismarckscher Angriffspolitik, wenn der österreichische Minister einem Vergleich sich versagen wollte, weil er doch nicht ehrlich gemeint sei, sondern es war eine Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten österreichischer Außenpolitik. Man mußte entweder Schleswig oder Venetien opfern. Mensdorff hatte sich zum letzteren entschlossen, um Österreichs deutsche Stellung durch einen Krieg zu retten. In den Wochen, in denen in Gastein von Bismarck ein letzter Versuch mit dem Dualismus gemacht wurde, hielt Mensdorff seinen Botschafter in Paris fest, damit er im Moment der Kriegsgefahr an den Kaiser Napoleon jene wichtigen „Eröffnungen" richten könne, mit denen der Österreicher nicht bloß die Neutralität, sondern die „aktive Mitwirkung" der Franzosen zu erkaufen gedachte. 118 ) Diese „ouvertures" konnten nur in der Abtretung Venetiens bestehen. Wie weit Mensdorff mit solchen Plänen im Ministerrat offen hervorgetreten ist, entzieht sich der Kenntnis. Jedenfalls ist er mit seinem Nein im konservativen Kabinett Belcredi nicht durchgedrungen. E r wurde im Conseil vom 5. August überstimmt, und der Kaiser entschied für Annahme der preußischen Vorschläge. Aber auch diese Annahme geschah mit halbem Herzen und mit halbem Verstände, gerade wie Mensdorff seine Kriegspolitik mit halbem Mut und halbem Willen betrieb. 119 ) Man scheint den grundlegenden Unterschied zwischen einem provisorischen und einem definitiven Teilungsvertrag nicht einmal terminologisch erfaßt zu haben. Man gab Blome nur die Vollmacht für eine provisorische Besitztrennung mit 120 ), und Franz Joseph fand in seinem Begleitschreiben „den Gedanken einer wenn auch nur vorübergehenden Teilung der Herzogtümer" schon ein hinreichend großes, ja kaum tragbares Opfer. 1 2 1 ) Auf der anderen Seite aber meldet Mensdorff den be118) Mensdorff an Metternich 29. Juli H. W . und Privatbrief an Metternich vom 1 1 . August 65, vgl. Anlage Nr. 9. 119) Gerade in diesen Wochen werden die Armee-Reduktionen aus Ersparnisgrflnden vollends durchgeführt. Werther an Bismarck 5*. August 65 P. A. 120) Blomes Bericht vom 14. August Nr. 2 H. W . : „Mein Plan erlitt jedoch in Wien eine wesentliche Modifikation. Anstatt einer definitiven Äuftheilung ward beschlossen, der Theilung den Charakter des Provisoriums zu wahren." 121) Franz Joseph an König Wilhelm 7. August 65 H. W . Im Entwurf des kaiserlichen Briefes hatte sogar noch eine schärfere Fassung gestanden: „ I n aller Aufrichtigkeit muß ich Dir zwar gestehen, daß ich im Grunde von deip Gedanken einer wenn auch nur vorübergehenden Theilung der Herzogthümer wenig erbaut bin und mich kaum aller Zweifel an der Zweckmäßigkeit des in Aussicht genommenen Vertrages entschlagen kann."

— 52 — vorstehenden Abschluß der Konvention an den Botschafter Fürsten Metternich in einer Form, die nur die Vorstellung eines endgültigen Vergleichs wachrufen konnte 122 ). Mit einer staunenswerten Naivität setzte man dabei in Wien voraus, daß auch auf der provisorischen Basis noch die Verabredung gelte, daß jede der beiden Mächte das Recht habe, über das ihr zugefallene Gebiet nach Konvenienz zu verfügen. Hier begann doch nun wirklich das Entweder-Oder. Und Bismarck hat denn auch, als er sich abgewiesen und mißverstanden sah, das „Oder" ergriffen mit einer Raschheit und Schärfe, wie sie nur der Adlerblick der Feindschaft verleiht. Bei der ersten Unterredung schon hat er der provisorischen Teilung zugestimmt — seine Bereitwilligkeit war so jäh, daß sie dem Grafen Blome Schrecken einjagte und ihn vielleicht überhaupt erst auf das Fehlerhafte der österreichischen Politik aufmerksam machte. Und dann hat Bismarck mit ein paar Federzügen planmäßig den Text so gestaltet, daß der Weg zum Krieg nicht t r o t z , sondern durch die Konvention frei büeb. Mittels eines einfachen Zusatzes zum Artikel i der Konvention, der die Trennung der Verwaltung verfügt, wird die schleswig-holsteinische Frage bewußt als Reibfläche konserviert, an der mit leichter Mühe der Funke eines Kriegs entzündet werden konnte. Dieser Zusatz lautet: „unbeschadet der Fortdauer der gemeinsamen Rechte beider Mächte an der Gesamtheit der Herzogthümer". Damit war eine stillschweigende Zession an den Augustenburger abgeschnitten und Preußen das Recht zur Einmischung garantiert. Um die Konfliktsmöglichkeiten, die sich aus diesem verlängerten Kondominat ergeben mußten, noch zu erhöhen, läßt sich Bismarck mit scheinbarem Widerstreben außerdem den Artikel 3 der Konvention abnötigen, der für die Bundesfestung Rensburg gemischte Garnison und jährlich zwischen Österreich und Preußen alternierendes Kommando vorsieht. Wer daraus nicht nach Bedarf einen Streitfall zu machen verstand, mußte ein schlechter Diplomat -sein! Die Absicht, die Bismarck im ersten Ansatz mit dem Vertrage erstrebt hatte, war zunichte geworden. Aber durch ein geniales Eingehen auf die Halbheit des Gegners hat 122) Die unscharfe und unbesonnene Mitteilung Mensdorffs an Metternich, die in Paris so großes Aufsehen erregt hat, vgl. unten Anlage Nr. 9. Erst am 12. August hat sich Mensdorff überhaupt von Blome Aufschluß erbeten, ob „der Charakter des Provisoriums im Vertrage beibehalten werden wird", obwohl Blome schon seit der ersten Unterredung vom 9. August wußte, daß Bismarck diesen Charakter des Provisoriums „mit großer Bereitwilligkeit" angenommen hatte (Telegrammwechsel vom 12. August H. W.).

— 53 — Bismarck aus der schon beinahe mißglückten Aktion einen großen Erfolg zu machen verstanden. Nach außen sah das Ganze doch wie eine Allianz der zwei Teilungsmächte aus, zumal Mensdorff den abschwächenden Begriff der Verwaltungstrennung gar nicht ausnutzte, sondern auch in seinen amtlichen Kundgebungen immer von einer „reellen Theilung" des Besitzes sprach. 123 ) Dieser Schein mußte Österreich den Mittelstaaten entfremden. Noch einmal wurde der Wiener Politik die gemeinsame Front gegen den Augustenburger und den Deutschen Bund aufgenötigt und zugleich war doch einer künftigen Vollannexion mit keiner Silbe vorgegriffen. Als in Frankreich und Italien sich Überraschung und Entrüstung verbreitete, weil man sich von dem preußischen Freund hintergangen fühlte, war es von höchstem Vorteil, daß Bismarck auf den rein provisorischen Charakter dieser Abmachungen hinweisen konnte, und für das eigene Land brachte man immerhin das Herzogtum Lauenburg und einen Kriegshafen an der Ostsee mit nach Hause. Das Wichtigste aber war, man behielt die Entscheidung über Krieg und Frieden ganz in der Hand. Beide Gleise der Bismarckschen Politik waren ein Stück vorwärts getrieben worden in diesen Wochen. Der Vertrag ist gleichsam die Schwelle, die beide Schienen zusammenhält und querüber verbindet. Auch die versöhnliche Seite hat Bismarck beim endlichen Abschluß nicht verkümmern lassen. Während der König, wie aus einem eigenhändigen Notizzettel zwischen den Gasteiner Akten hervorgeht, die Bedingungen viel zu milde fand und sich gerne außer Lauenburg auch noch Sundewitt und Alsen hätte abtreten lassen 124 ), zeigte sich Bismarck in der Frage der Abtretung Lauenburgs nach dem Zeugnis Blomes „im höchsten Grade willfährig". Als er ohne viel zu feilschen die Entschädigungssumme von 2,5 Millionen Talern in den Vertrag einsetzte, erklärte er: „Unsere Mittel gestatten uns, die ganze Summe in einer einzigen Rate zu 123) Es ist kaum faßlich, daß Mensdorff in seinem Runderlaß an die Missionen in Deutschland vom 22. August 65 H. W. unterlassen konnte, aus dem unveränderten Gemeinbesitz an den Herzogtümern für Österreich Kapital zu schlagen und daraus Hoffnungen für den Augustenburger abzuleiten. Seine Formel widerspricht dem Wortlaut der Konvention und verschlechtert die Chancen Österreichs bei den Mittelstaaten, wenn er von einer Verwandlung der „ideellen Gemeinschaft" in eine „reelle Theilung des Besitzes" spricht und die Vorstellung der Besitzteilung sogar noch unterstreicht: „Wie seither in dem Mitbesitze beider Herzogtümer, so wird S. Majestät fortan in dem Besitze Holsteins das materielle Unterpfand für die Beachtung der Rechte und Interessen Österreichs erblicken." 124) Vgl. unten Anlage Nr. 7.

— 54 — erlegen und mir liegt daran, Ihnen zu beweisen, daß mit uns gut Geldgeschäfte zu machen ist". 1 2 6 ) In denselben Tagen geht ein vertraulicher Brief an den preußischen Finanzminister ab, in welchem die gerade Linie aufgezeigt wird, die von diesem unblutigen Erwerb Lauenburgs und einigen kontraktmäßigen Sicherungen in Holstein zu einem für Preußen „erwünschten Definitivum" führen kann. 126 ) Bismarck hält nach diesem Schreiben den geschlossenen Vergleich also für fortbildungsfähig: er kann nach wie vor den Anfang und die Vorbereitung einer Politik der gegenseitigen Abfindung bilden. Auch in diesem Augenblick, wo Bismarck die Herzogtümerfrage von neuem zu einem möglichen Kriegsgrund herrichtet, denkt er daran, durch friedlichen Kauf Schleswigs eines Tages doch noch zum Schönbrunner Programm zurückzukehren. Der Gasteiner Vertrag enthält eben beide Möglichkeiten einer deutschen Politik. Die Freiheit der Wahl sich noch einmal zu retten war der eigentliche Sinn dieser merkwürdigen diplomatischen Aktion.

ABWÄGUNG DER

MQTIVE.

Die überlieferte Auffassung erklärt sich die Geschichte des Jahres 1865 bekanntlich ganz anders. Bismarck habe seit langem, auch aus innerpolitischen Gründen, einen Krieg gewünscht, sei aber aus Rücksicht auf den König gezwungen gewesen diese Wünsche zu verbergen. Als er den Monarchen endlich zu ultimativen Äußerungen gebracht hatte, und die militärische, finanzielle und diplomatische Rüstung in Gang gekommen war, sei er durch die Unzuverlässigkeit Napoleons und die mangelhafte Zusage Italiens mitten in der Aktion gelähmt worden und habe die Blomesche Vermittlung annehmen müssen, weil König Wilhelm von unüberwindlicher 125) Blomes Bericht vom 14. August Nr. 1. H . W . 126) Bismarck an Bodelschwingh 14. August 65 P. A. (Konzept von der Hand Abekens.) Die entscheidende Interpretation des eben abgeschlossenen Vertrags lautet: „ E s sind dabei gewisse Stipulationen in Aussicht genommen, welche ein für uns erwünschtes Definitivum in einigen Punkten vorbereiten soljen." Diese Stelle ist auf Grund eines Bismarckschen Bleistiftstriches und daraus zu erschließender mündlicher Rücksprache geändert aus einer von Abeken stammenden Fassung, die gerade die fortzeugende Kraft des Lauenburg-Artikels nicht herausgearbeitet hatte („... Stipulationen, welche für einen speziellen Punkt einen definitiven Abschluß enthalten").

— 55 — Besorgnis vor den auf den Rhein gerichteten bösen Absichten Napoleons erfüllt worden sei. Um über die französische Politik Sicherheit zu gewinnen und die Verstimmung wegen Gastein zu verwischen, habe Bismarck dann vom König endlich die Erlaubnis erhalten, nach Biarritz zu reisen, um mit Napoleon persönlich Rücksprache zu nehmen, und dort sei die innere Entscheidung für das Wagnis eines Bruderkrieges und vielleicht auch schon für den Nationalkrieg gegen Frankreich gefallen. In dieser Geschichtskonstruktion steht auch nicht ein Stein richtig auf dem andern, und man muß sie durch den Nachweis ihrer Irrtümer Stück für Stück von oben nach unten abtragen. In Biarritz ist keine Entscheidung getroffen worden, sondern im Gegenteil von französischer wie von preußischer Seite alles in der Schwebe gehalten worden. 127 ) Man hat nur an das Seil gerührt, um zu prüfen, ob es noch gespannt sei. Der Entschluß zur französischen Reise ist auch nicht erst auf Grund des enttäuschenden Eindrucks der Gasteiner Konvention gefaßt worden, sondern war schon Anfang Juli mit Napoleon fest verabredet 128 ), war also von Anfang an eingebaut in einen Plan auf weite Sicht, der auch während der Verständigungsaktion das Handeln an der Seite Frankreichs und Italiens nie aus den Augen verlor. Nach allem, was wir wissen, trifft es auch nicht zu, daß der Konfliktsminister den Krieg gewünscht habe, weil er anders nicht mehr hoffen konnte, mit der Opposition im eigenen Lande fertig zu werden. In Wahrheit hat sich gerade 1865 Bismarck mit großen Gedanken einer rein innerpolitischen Beilegung des Verfassungsstreites getragen: zu Anfang des Jahres durch eine Neukonzeption der Heeresreform, auf welche Parlament und Krone sich hätten einigen können, später durch den Plan, eine konstituierende Versammlung zu berufen oder nach den Ratschlägen des verstorbenen Lasalle durch Verleihung des allgemeinen Wahlrechts ganz neue Wählerschichten für die Regierung mobil zu machen.129) Was schließlich von der starren Kriegsgegnerschaft des Königs 127) Vgl. Radowitz, Aufzeichnungen und Erinnerungen, ed. H. Holborn I, 81. 128) Brief an die Gattin vom 1 1 . Juli 65 (Briefe an Braut und Gattin, S. 563). Auch in Paris ist der Plan einer Zusammenkunft zwischen Bismarck und Napoleon in Biarritz bereits Anfang Juli bekannt. Man bringt ihn in Zusammenhang mit den französisch-italienischen Besprechungen in Plombières. Vgl. Metternich an Mensdorff 19. Juli 65 H. W . : „Que passera-t'il à Plombières, que fera Mr. de Bismarck à Biarritz ? Telles sont les questions •qui préoccupent beaucoup de monde dans l'opinion diplomatique." 129) Gespräch Bismarcks mit Duncker am 17. Juni 65. Vgl. Kaiser Friedrich III., Tagebücher 1848—1866, Anhang S. 532.

— 56 — zu halten ist, war im Laufe der Darstellung schon richtig zu stellen. Gewiß hat der König in Unterredungen und Briefen immer wieder dem Wunsch Ausdruck gegeben, daß der Krieg verhütet werden möge. Aber welcher Souverän des 19. Jahrhunderts hätte nicht gerne seinen Untertanen solche Opfer erspart! E s bleibt daneben und darüber bestehen, daß die zu einem Krieg drängenden Motive bei König Wilhelm eher stärker waren als bei seinem Minister. W i r haben gesehen: die Stimmung der Armee nach einem nicht ausgenützten Sieg, die Furcht vor einem neuen Olmütz, die Kränkung über die Unbotmäßigkeit des Herzogs von Augustenburg, vor allem die Einflüsterungen der Militärkamarilla — das alles stürmte seit dem Frühjahr auf den Monarchen ein und drohte schon im Mai seine weiche Natur weiter zu treiben als Bismarck lieb war. 1 2 9 a ) Sein königlicher Zorn war erwacht, und hat den Willen zum Krieg in ihm geweckt. 1 2 9 b ) Das lebhafteste Zeichen dafür ist ein Brief an den Kronprinzen vom 1 5 . Juli, den wir einstweilen freilich nur nach der Antwort des Sohnes 129 ®) wiederherstellen können, der aber den „Unwillen" des Monarchen über die „Verhöhnung" der preußischen Armee in den Elbherzogtümern und das „schroffe" Verhältnis zu Österreich so deutlich zum Ausdruck brachte, daß der Kronprinz selbst nicht mehr zweifelte, daß die Möglichkeit eines Krieges in unmittelbarer Aussicht stehe. E s lag auch nicht 129a) Vgl. unten Anlage Nr. 2 und oben S. 29 f. den Hinweis auf den Kronrat vom 29. Mai. Aus dem Juni liegt ein interessantes Zeugnis des österreichischen Gesandten in Berlin vor:,,. . . Anknüpfend an das Wort des Ministers: ,Ich bin nicht Preußen' versicherte mir Herr von Thile, wie Herr von Bismarck gegenwärtig wiederum, besonders wenn er mit Rücksicht auf Österreich vermittelnd zu wirken trachte, an Allerhöchster Stelle bedeutenden Schwierigkeiten begegne . . ." Chotek an Mensdorff 10. Juni 65 H.W. 129 b) Auch im Rückblick stellt sich dem König die Sache so dar, was ein Bericht des württembergischen Ministers Varnbüler über seinen Besuch bei König Wilhelm in Baden-Baden vom September 1865 bezeugt:,, . . .S.M. sprach mit mir auf das Eingehendste über die der Gasteiner Crisis vorangegangene Situation. Hiebei fiel mir auf, daß der König auf das bestimmteste festhielt an der Idee, Österreich habe Preußen so lange insultiert, bis man endlich so weit gekommen, beiderseitig ans Schwert zu greifen. Alle Angriffe der Presse und der Vereine waren Seiner Majestät sichtbar als ebenso viele Angriffe des Gouvernements dargestellt worden. Die daraus hervorgegangene Verstimmung war eine solche geworden, daß der König den Krieg beabsichtigt hatte." Immediatschreiben Varnbülers 7. September 65 W. St. A. 129c) Der Kronprinz an König Wilhelm 17. Juli 65: Tagebücher Kaiser Friedrichs III. ed. H. O. Meisner, Anhang S. 533f.

— 57 — in der Natur König Wilhelms, seinen Groll aus Furcht vor dem Ausland zu unterdrücken. Es ist Legende, daß der König sich gegen einen Krieg gesträubt habe, weil er ein Versagen der in Aussicht genommenen Bundesgenossen, eine Vereinsamung Preußens, einen französischen Handstreich befürchtet habe. Das beweist ein Brief an Augusta aus Gastein, in dem der König nach überstandener Krise die Gemahlin wegen ihrer Kriegsfurcht mit höflichen, aber bestimmten Worten zurechtweist: „Deine Annahme übrigens, daß bei dem. . . Bruch mit Österreich wir isoliert gewesen sein würden, dürfte nicht das Richtige sein, was ich den mündlichen Mitteilungen vorbehalte." 130 ) Angesichts dieser Zeugnisse drängt sich der Gedanke auf, daß Bismarck später planmäßig das Widerstreben seines Herrn übertrieben hat, um stellvertretend das ganze Odium des Blutvergießens auf sich zu nehmen und auf diese Weise dem neuen Bündnis der Monarchen die Wege zu ebnen. So bleibt nur noch das Kernstück der von Sybel bestimmten Auffassung zu prüfen: daß bei Bismarck selbst die Ungewißheit über Napoleons und La Marmoras Haltung den Ausschlag bei der Entscheidung über Krieg und Frieden gegeben habe. Bismarck hat dieser These Vorschub geleistet, weil er, noch während er die Unterschrift unter sein Vertragswerk setzte, den preußischen Gesandten in Paris und Florenz die mittelbare Verantwortung für diesen Ausgang der Dinge zugeschoben hat. Goltz bekommt den fast ungehaltenen Verweis, daß seine zögernden Meldungen einen Krieg nicht erlaubt hätten 131 ), und Usedom wird angedeutet, daß seine Nachricht, Napoleon würde die italienische Regierung nicht zurückhalten, zu spät gekommen sei. 132 ) Aber diese Vorwürfe, erhoben mitten in der Spannung des Handelns, dürfen nicht gedeutet werden als historische Abrechnung. Bismarck wollte sich ja den Weg zum Krieg und zur Freundschaft mit Napoleon nicht verbauen. Eine Beschwerde über ungenügende Ermunterung zum Bruch war den eigenen und den fremden Diplomaten gegenüber die plausibelste Erklärung für den Abfall von der Kriegspolitik, wenn man sie nicht einweihen wollte in das absichtlich zweigleisige System. Vielleicht war der scharfe Ton des Vorwurfs auch erzieherisch gemeint, um einem Rückschlag vorzubeugen, der in dem Eifer der Mitarbeiter eintreten konnte, wenn sie von 130) König Wilhelm I. an Augusta 12. August 65 H. A. 131) Bismarck an Goltz 14. August G W V, 264; 16. August G W V, 270, 273; 23. August G W V, 283; 1. September G W V, 2 8 9 I 132) Das Telegramm vom 14. August G W V, 264, ist in seinem wesentlichen Inhalt gleichlautend auch an den Grafen Usedom abgegangen (P. A.). Erlaß Bismarcks an Usedom 16. August G W V, 275 f.

— 58 — dem Zustandekommen dieses Vergleichs erfuhren, nachdem sie wochenlang über Kriegseventualitäten befragt worden waren. 133 ) Der Reiter, der aus dem Galopp in Schritt übergeht, setzt nicht aus mit den Hilfen, sondern treibt sein Pferd erst recht an. Jedenfalls war die Unzufriedenheit mit Paris und Florenz ein politisches Mittel, um in die nächste Zukunft zu wirken. Daß in der eben abgelaufenen Etappe Bismarck wider seinen Willen durch die Furcht vor der zweideutigen Haltung Frankreichs und Italiens gezwungen worden sei, die Blomeschen Vermittlungsvorschläge anzunehmen, ist historisch nicht haltbar. 133 ") Das läßt sich, wie mir scheint, teils direkt teils indirekt von vier Seiten her erweisen: i . waren die Berichte über die Haltung der französischen und der von ihr abhängigen italienischen Regierung im ganzen durchaus optimistisch; 2. war Bismarck in der ersten entscheidenden Phase der Gasteiner Verhandlungen noch von Mißtrauen frei und in der zweiten überwiegend vertrauensvoll; 3. hat der unendlich objektiv denkende Leiter der preußischen Politik mit der Möglichkeit durchaus gerechnet, daß man die verletzte öffentliche Meinung in Frankreich durch Kompensationen befriedigen müßte; 4. sprachen allgemeine politische Überlegungen dafür, die Probe auf die Zuverlässigkeit Napoleons lieber jetzt als später zu wagen; die Chancen für eine französische Unterstützung konnten nicht besser, sondern nur schlechter werden. Das noch nicht saturierte Königreich Italien war mit seinen 250000 Mann wohl exerzierter Truppen und einem ausgezeichneten Festungswesen ein militärisch fast unentbehrlicher Bundesgenosse für den Fall eines Zusammenstoßes mit Österreich. Es war nun leicht zu beobachten, daß die Volksstimmung in Italien, von einigen republikanischen und klerikalen Kreisen abgesehen, einmütig einem Angriff auf Venedig zudrängte und zur Waffenbrüderschaft mit Preußen „selbst ohne Teilnahme Frankreichs" bereit war. 134 ) Unsicher blieb nur die Frage, ob das ängstliche Kabinett La Marmora sein Handeln von der Zustimmung Napoleons würde 133) Dieser Rückschlag ist tatsächlich bereits eingetreten: Goltz ist geneigt, an den Tuilerien sehr viel zurückhaltender aufzutreten, um nicht durch die Ereignisse desavouiert zu werden (GW V, 260 Vorbem. und V, 271). Usedom will auf die bloße Nachricht von der zweiten Sendung des Grafen Blome hin die Kriegsfrage einstellen (Usedom an Bismarck 8. August und Bismarcks erregte Antwort vom selben Tag P. A.). 1 3 3 a) Für die Person Bismarcks ist die These Sybels schon abgelehnt worden von E . Brandenburg, Untersuchungen und Aktenstücke zur Geschichte der Reichsgründung 19x6, S. 435. 134) Usedom an Bismarck 26. April 65 P. A.

— 59 — abhängig machen bzw. ob es nicht bereits gewisse Verpflichtungen übernommen habe, eine Notlage Österreichs jetzt nicht auszunützen.136) Auch darüber gaben die Vertreter Preußens in Paris und Turin schon im Mai beruhigende Versicherungen ab. 138 ) Noch in den letzten Tagen vor der Annahme des dualistischen Provisoriums am 6. und 9. August meldet Usedom, daß König Viktor Emanuel „sehr kriegerisch" sei, daß man Frankreichs Zustimmung gar nicht erst einholen werde und daß ein französisches Kriegsverbot von dem „nationalen Drang",der Itaüener einfach überrannt werden würde. 137 ) Ein Veto des französischen Schutzherrn hätte ja auch nur dann einen Sinn gehabt, wenn zwischen Paris und Wien geheime Abmachungen getroffen worden wären in der Art des großen Kettentauschprojektes der Kaiserin Eug6nie vom Jahr 1863. An solche vertraulichen Verabredungen zwischen dem Fürsten Metternich und Drouyn de L'huys, mit dem sich österreichische offiziöse Blätter gelegentlich brüsteten, hat Bismarck so wenig geglaubt wie Goltz. Dazu waren schon die amtlichen französischen Stellen viel zu verärgert über die österreichische Politik in den Donaufürstentümern.138) Auch die Verminderung der österreichischen Besatzungstruppen in Venezien hat Bismarck mit Recht nicht auf geheime Verabredungen mit Frankreich, sondern auf die Finanzlage der Monarchie zurückgeführt.139) Noch am 4. August, also zwischen der ersten und der zweiten Etappe der Gasteiner Beratungen, hat Bismarck ohne Schwanken ausgesprochen, daß er über die Stellung Frankreichs und die Intentionen des Kaisers „keine Beunruhigung" empfinde, daß ihm auch der Einfluß des Außenministers Drouyn de L'huys keine Besorgnis zu erwecken vermöge. E r verläßt sich ausdrücklich auf die Neutraütätszusage Napoleons, auf die Äußerungen Benedettis und den günstigen Eindruck des Grafen Goltz. 140 ) Nun gab es allerdings zwei versteckte Probleme in der Angelegenheit des französischen Wohlwollens und des italienischen 135) Bismarck an Usedom 2 1 . April GW V, 170f.; Bismarck an Goltz 20. April GW V, 149. 136) Der Bescheid des Grafen Goltz, daß die italienische Regierung der französischen gegenüber keinerlei Bindungen eingegangen habe (Goltz an Bismarck 12. Mai P. A.) wird in vollem Umfang bestätigt von Usedom in seinem Bericht vom 21. Mai P. A. 137) Chiffrierte Telegramme Usedoms an Bismarck 6. und 9. August P. A. Vgl. Anlage Nr. 5. 138) Goltz an Bismarck 29. u. 30. Juni P. A. 139) Bismarck an Goltz 4. August GW V, 259. 140) Bismarck an Goltz 4. August GW V, 259. Beiheft d. H. Z. 29.

5



60



Bündnisses. Beide lateinischen Mächte wünschten den Krieg zwischen Preußen und Österreich. Aber sie wünschten je einen Krieg Von ganz verschiedener Tiefendimension und sie machten ihre Mitwirkung abhängig vom Charakter des Krieges. Italien ist alles darangelegen, daß ein „Krieg von Grund aus", „uneguerre à fond", „ein ernsthafter Krieg" sich entfeßle, in dem „mit ganzer Macht und um größerer Objekte willen als bloß um SchleswigHolstein gekämpft wird, zum Beispiel Oberherrschaft Deutschlands, Mainlinie und dergl.". Denn nur dann ist Italien sicher, daß Österreich nicht vorzeitig durch Preisgabe der Herzogtümer sich einen Separatfrieden erkaufen und über das allein gelassene Königreich herfallen wird. Italien kann der preußischen Kameradschaft nur trauen, wenn es in dem kommenden Krieg ums Ganze geht, so daß man nur gemeinsam nach dem Niederringen des Gegners Halt machen kann. 141 ) Ganz entgegengesetzt argumentiert die französische Politik. Daß Napoleon einen Krieg mit dem Ziel der Einkörperung der Herzogtümer in Preußen entschieden billige, daß er im Streitfall König Wilhelm wenn nicht seine Allianz so doch seine Neutralität anbieten werde, war so gut wie sicher. Die Sprache Benedettis, die Meldungen der Pariser Agenten, indirekte Informationen, die Bismarck über den französischen Gesandten in Weimar und den italienischen Vertreter in Paris zukamen, stimmten darin völlig überein.142) Noch am 9. August hat die Kaiserin Eugénie selbst in Fontainebleau im Gespräch mit dem preußischen Botschafter der „festen Überzeugung Ausdruck gegeben, daß der Kaiser nicht eintreten werde", und die 141) Usedom an Bismarck 21. Mai P . A . 142) Vgl. außer den Berichten von Goltz etwa den Brief des Pariser Agenten J . Hansen an Bismarck 15. Juli P. A. und Usedoms Immediatbericht vom 25. Juli (vgl. Anlage Nr. 3). Besonders unbefangene Nachrichten darüber kamen Bismarck auch von Weimar zu, wo der französische Gesandte Baron de Belcastel Erklärungen Napoleons verbreitete, die er aus dem Mund des Kaisers selbst vernommen hatte: des Inhalts, die Februarbedingungen seien eine halbe Maßregel; wenn Österreich etwa Preußen angreifen sollte, werde Napoleon dem König seine Allianz anbieten, wenn Preußen der angreifende Teil wäre, jedenfalls neutral bleiben. „L'Empereur l'a déclaré nettement." Zu der Frage, ob diese Sprache mit den Äußerungen des französischen Botschafters in Berlin übereinstimme, bemerkt Bismarck am Rande: „ J a . " Danach ist das Problem wohl gelöst, das Oncken, Rheinpolitik I, 49 noch offen gelassen hat, ob Bismarck berechtigt war, auf Grund der Sprache Benedettis an eine günstige Haltung Frankreichs zu glauben. Der interessante Bericht aus Weimar vom 1. Juli 65 ist gedruckt bei F . Hähnsen, Ursprung und Geschichte des Artikels 5 des Prager Friedens, 1929, I> 430-



61



Einverleibung der Herzogtümer in Preußen als „erwünschteste Lösung" bezeichnet. 143 ) Aber in den französischen Zusagen klingt immer die Drohung mit: wenn der Krieg nicht bloß um der Annexion, sondern um höherer Ziele willen entbrennt und eine größere Ausdehnung nimmt, wird Frankreich seinen Vorteil wahrnehmen müssen und sein Zusehen mit Geld aufwiegen lassen. 144 ) Lag vielleicht hier das Dilemma, welches Bismarck von einem Bruch mit Österreich Abstand nehmen ließ ? daß er um Napoleons willen einen „kleinen", um der italienischen Waffenhilfe willen einen „großen" Krieg brauchte und der „kleine" Krieg mit der Gefahr der Isolierung, der „große" mit dem Risiko französischer Kompensationswünsche belastet war? Es scheint nicht, daß Bismarck diese Schwierigkeiten unüberwindlich fand. E r richtet sich im Gegenteil darauf ein, die Italiener auch für einen bloßen Annexionskrieg zu kaptivieren und Napoleon im Falle größerer Machtverschiebungen einen bescheidenen Preis zu bezahlen. Einer Anregung L a Marmoras folgend will Bismarck nämlich den Gedanken eines voraufgehenden Bündnisvertrages nicht ganz abweisen, der Italien gegen ein vorzeitiges Abspringen des preußischen Alliierten Sicherheiten gewähren kqnnte. 146 ) Ein Hindernis für den Krieg dürfte in der mißtrauischen Vorsicht Italiens also nicht liegen. Viel schwerer wogen die Sorgen, welche Forderungen Napoleon während oder nach einem „großen" Krieg präsentieren werde. Diese Frage der Kompensation ist, wie ich glaube, nur im Rahmen der gesamten Beziehungen zwischen Bismarck und dem Kaiser der Franzosen zu behandeln. Der preußische Staatsmann hat seit seinen ersten Pariser Besuchen 1855 und 1857 l n Louis Napoleon nicht den Rheinpolitiker, sondern den europäischen 143) Goltz an Bismarck 10. August 65, vgl. Anlage Nr. 6. Der ausführliche Bericht vom 1 1 . August (Oncken, Rheinpolitik I, 51 ff.) über die Unterredung in Fontainebleau ist für Bismarcks Entscheidung nicht mehr in Betracht gekommen; nach dem Aktenvermerk ist er erst am 20. August präsentiert. 144) Telegramm Usedoms an Bismarck 15. August über Eröffnungen Napoleons an Nigra (P. A.). 145) Die Anregung des italienischen Ministerpräsidenten wird schon im Mai vom preußischen Gesandten in Turin weitergegeben (Usedom an Bismarck 21. Mai 65 P. A.) und auf Bismarcks Kriegsfrage hin wiederholt (Usedom an Bismarck 27. Juli GW V, 251). Aber während L a Marmora eine Allianz gewünscht hatte, die einen Separatfrieden beiderseitig ausschlösse und bestimmte Eroberungen garantiere, will Bismarck nur „die Verpflichtung eingehen, nicht Frieden zu schließen, ohne für den andern mindestens den status quo ante zu erhalten". Bismarck an Usedom 1. Aug. G W V, 253. 5*



62



Politiker gesehen und darüber gespottet, wenn seine Landsleute sich vor dem „génie du mal" jenseits des Rheines fast abergläubisch bekreuzigt haben.146) Nicht die natürlichen Grenzen Frankreichs zu erwerben, sondern den Fluch der Illegitimität abzuschütteln, den Kampf gegen die Verträge von 1815 zu führen, die heilige Allianz zu zersprengen, kurz das französische Paria-dasein zu überwinden und eine europäische Schiedsrichterstellung zu gewinnen: darauf lauten die Ziele Napoleons III. Auf dem Weg zu diesen Zielen wird der Kaiser mit Naturnotwendigkeit eng an die preußische Seite herangeführt. Seine Idee, Europa durch Errichtung von Nationalstaaten neu zu ordnen, kommt dem preußischen Hegemoniegedanken zugute, und sein Bedürfnis nach starken Bundesgenossen hat sich in Preußen die künftige Seemacht zweiten Ranges erwählt, die helfen soll dem meerbeherrschenden England das Gegengewicht zu halten. Eine Gefahr für das linksrheinische Deutschland besteht kaum, solange die bei allem Hang zu heimlichen Wegen doch überschaubare, ritterliche, ja „im Grunde gutmütige" 147 ) Persönlichkeit des Cäsar sich zu behaupten vermag und nicht unkontrollierbare Mächte des französischen Nationalwillens emporsteigen. Mit der genialen Fähigkeit, die Überlegungen des Gegenspielers Nachzurechnen, hat sich Bismarck ein für allemal befreit von dem Alpdruck der Rheingrenzenfurcht, welche nach seinem Urteil den Flug der preußischen Politik schon allzulange niedergehalten hat. In einem Brief an Schleinitz vom 9. Februar 1860 schreibt er darüber abschließend: „Aus dem Mißtrauen, mit welchem ganz Europa ein vergleichsweise so unbedeutendes Vergrößerungsgelüste Frankreichs wie das Savoyische aufnimmt, läßt sich wenigstens abnehmen, daß ein so unverhältnismäßiger Machtzuwachs Frankreichs wie die Rheingrenze ihn gewähren würde, von allen Staaten, auch abgesehen von ihrem Verhältnis zu Preußen, lediglich im Interesse des Gleichgewichts mit dem Schwerte bestritten werden würde, und daß wir uns mit diesem Popanz so sehr nicht einschüchtern zu lassen brauchen. La prépondérance que donnerait à la France un agrandissement aussi démesuré, ne manquerait .d'engendrer' une coalition de l'Europe entière qui viendrait nous reprendre ces provinces; cela ne serait qu'un dépôt, sagte mir buchstäblich der Kaiser Napoleon im Jahre 1857 und ich halte es noch heute für wahr." 148 ) Auch am Vorabend des Krieges von 1866 hat Bismarck an verwegene Projekte des Kaisers nicht geglaubt — schon aus dem ein146) Erinnerung und Gedanke GW X V , 110. 147) Erinnerung und Gedanke GW X V , 110. 148) Bismarck an Schleinitz 9. Februar 60 GW III, 69.

— 63 — fachen Grund, weil sie eine maßlose Torheit wären: vorzeitig verraten und dem preußischen Bundesgenossen als Kaufpreis genannt würden sie diesen in die ostmächtliche „Verständigung zu Dreien" zurücktreiben, also das Hauptziel Napoleons, die Sprengung der heiligen Allianz in Frage stellen; nachträglich mit Hilfe eines ehrgeizigen Habsburg verwirklicht würden sie dem Empire in einem erhöhten Österreich einen höchst unbequemen Grenznachbarn schaffen.149) Bismarck hat auch in den kritischen Tagen von Gastein daran festgehalten 150 ), daß der Preis für eine wohlwollende Neutraliät im Falle der Annexion schwerlich in territorialen Forderungen bestehen würde, daß sich Napoleon wohl mit der Herausgabe Nordschleswigs, mit Preußens Beitritt zu seiner Kongreßidee und der Unterstützung seiner italienischen und wallachischen Politik als Kompensationen begnügen würde. Darin stimmte die preußische Auffassung mit der des besten Napoleon-Kenners, des Cavaliere Nigra 181 ), und sogar mit der österreichischen Interpretation der Lage vollkommen überein. Obwohl ein Diplomat wie Fürst Metternich gewiß kein Interesse daran hatte, die Preußenfreundschaft Napoleons zu übertreiben und allzu billig darzustellen, hat er nach Wien berichten müssen, daß Preußen eine wohlwollende Neutralität Frankreichs schon für politische Gefälligkeiten der oben genannten Art haben könne und nur für einen appui matériel einen „beträchtlicheren Wechsel" ausstellen müsse 162 ). Auch Bismarck war sich klar, daß für den Fall eines größeren preußischen Machtzuwachses Napoleon, wie er bereits 1857 angedeutet hatte, auf die öffentliche Meinung in Frankreich Rücksicht nehmen und sichtbare Beute, une petite rectification des frontières 153 ), mit nach Hause bringen mußte. Dafür war der Kaiser dann auch bereit, im Bedarf aktive französische Hilfe zu leisten. Und auf diese Notwendigkeit hat sich Bismarck eingerichtet, er war auf ein territoriales Opfer gefaßt. Wer ein großes Spiel spielt, muß hohe Einsätze wagen. Als Bismarck Ende August 1865 in Karlsruhe die Frage der kriegerischen Auseinandersetzimg mit Österreich noch einmal durchsprach, da erklärte er dem Freiherrn von Roggenbach: „Was Frankreich für eine Stellung nehmen werde, sei indifferent, da Preußen es in der Hand habe, im entscheidenden Augenblick sich seine Freund149) Bismarck an Goltz 5. Mai 66 GW V, 482 ff. 150) Bismarck an Goltz 4. Aügust 65 GW V, 259. 151) Nigra an L a Marmora 8. August 65 bei Chiala, Ancora un po più di luce, Firenze 1902, S. 10ff. 152) Metternich an Mensdorff 19. Juli 65 H. W . 153) Erinnerung und Gedanke GW X V , 128.

— 64 — schaft zu gewinnen", und der badische Politiker gibt diesen Worten die richtige Deutung, wenn er in seinem Bericht an den Großherzog hinzusetzt: „Ich habe Grund anzunehmen, daß dabei wesentlich an Nordschleswigs Abtretung an Dänemark gedacht ist, im Notfall auch französisch redende Gebietsteile, die an Frankreich stoßen, von ihm ins Auge gefaßt worden sind." 154 ) Es gab Anhaltspunkte dafür, daß als Entschädigung von Napoleon in erster Linie die Grenze von 1814 gewünscht wurde, „die Abtretung einiger Kohlenbergwerke bei Saarlouis", wie der von Paris zurückgekehrte französische Gesandte in Weimar dem dortigen preußischen Geschäftsträger hintertrug. 158 ) Wir haben durch die Veröffentlichung des politischen Schrifttums jetzt auch den Beweis in Händen, daß Bismarck für den Fall eines deutschen Kriegs mit diesem Opfer der fremdsprachigen Teile des Saargebietes gerechnet hat. Ein schriftliches Votum des Auswärtigen Ministers vom 30. April 1866 beantragt aus Gründen der politischen Voraussicht, die Nutzung der Saarbrücker Bergwerke derart umzuwandeln, daß sie nicht mehr Staatseigentum bilden, sondern an eine Aktiengesellschaft übergehen, damit der 60Millionenwert auch bei Gebietsabtretung an Frankreich in preußischen Händen bleibe. Der Kaiser Napoleon würde sich, so nimmt Bismarck mit Grund an — damit bezeugend, daß er sich auf den Eintritt der Eventualität gefaßt macht —, auch mit diesem entwerteten Land zufrieden geben, weil es ihm nicht auf den Erwerb von Eigentum, sondern auf den moralischen Eindruck ankomme.156) Dieses Memorandum, das Bismarcks Stellung zur Grenzberichtigungsfrage im Westen am deutlichsten spiegelt, ist ein großartiges Zeugnis dafür, wie Bismarck „mit der kaltblütigen Parteilosigkeit eines beobachtenden Naturforschers" 167 ) an schwere Entscheidungen herangeht und den Einsatz nicht nach privaten Wünschen und Hoffnungen bemißt, sondern nach den Gesetzen der politischen necessitä. Weil er sich nüchtern sagen mußte, daß Frankreich den Preußen „nichts schuldet", hat er den „natürlichen Egoismus" auf beiden Seiten in Rechnung gestellt 168 ) und, gegen sich selbst schonungslos, das mögliche Opfer erwogen. 154) Oncken, Großherzog Friedrich I. von Baden, Stuttgart 1927.

I. 49i.

155) v. Pirch an Bismarck 1. Juli 65 bei F. Hähnsen, Ursprung und Geschichte des Artikels 5 des Prager Friedens I, 430. — Für die „Grenze von 1 8 1 4 " vgl. auch Beyens, Le second Empire, Paris 1925, IX, 99. 156) Votum vom 30. April 1866 G W V, 474 f. 157) Bismarck an Gruner 14. Mai 61 GW. III, 238. 158) Bismarck an Goltz 9. und 20. Februar 65 GW V, 72 und 93.

— 65 — Wenn wir nach dem Bisherigen den Stand der eng miteinander verknüpften italienischen Bündnis- und französischen Kompensationsfrage für die Situation von Gastein zusammenfassen, so ergibt sich, daß Bismarck im Juli 1865 die vertraulichen Verhandlungen mit Österreich ohne zwingenden Druck von den lateinischen Nationen her aus freien Stücken aufgenommen hat und daß das Bild, welches er sich von der wahrscheinlichen Haltung Frankreichs und Italiens machen konnte, nie so düster war, daß es ihn von einer kriegerischen Initiative hätte abhalten können. Der beste Beweis, daß man mit einem heimtückischen Überfall von französischer Seite überhaupt nicht gerechnet hat, liegt in dem Armierungsplan des Kriegsministeriums, der die westlichen Grenzfestungen von modernen Geschützen entblößt, um die Linie im Osten zu stärken. Nur in einem einzigen Augenblick sieht es so aus, als ob Bismarck doch unsicher geworden wäre. Am 27. Juli trifft im Hoflager von Gastein ein chiffriertes Telegramm von Usedom ein, das alarmierende Nachrichten über ein Gespräch mit La Marmora enthält. Der italienische Ministerpräsident hat danach erklärt, einen Traktat nicht abschließen zu können ohne Napoleon vorher zu fragen. „Dieser möchte etwa Anfrage benutzen, um seinen europäischen Kongreß herbeizubringen; denn an sich würde er einen preußisch-österreichischen Krieg vielleicht nicht gerne sehen."159) Das widersprach in aufregender Weise dem Inhalt eines Gesprächs, das Usedom kurz vorher mit dem aus Paris kommenden Cavaliere Nigra in Florenz geführt hatte und über das ein ausführlicher Immediatbericht referierte, der am Tag darauf, am 28. Juli, in Gastein präsentiert wurde. Der sehr gut unterrichtete italienische Gesandte in Paris hatte über die vier entscheidenden Punkte der außenpolitischen Konstellation die günstigsten Vorhersagen für einen deutschen Krieg gemacht: eine geheime Verabredung zwischen Österreich und Frankreich über eine Intervention Napoleons besteht nicht; der Kaiser gibt Preußen die besten Chancen zum Aufbau seiner militärischen, politischen und territorialen Großmachtstellung; auf eine Verpflichtung Italiens, Venetien nicht ohne seinen Willen anzugreifen, hat Napoleon nicht einmal angespielt; kein italienisches Ministerium kann sich dem Krieg, wenn er ausbricht, entziehen; und die Teilnahme des Königreichs wird nicht einmal abhängig gemacht wer159) U s e d o m a n B i s m a r c k 27. J u l i (vgl. G W V , 251). D e r ausführliche B e r i c h t über diese U n t e r r e d u n g , i n der L a Marmora die K r i e g s f r a g e g e s t e l l t wurde, s c h e i n t erst a m g. A u g u s t a b g e f a ß t und gar erst a m 18. präsentiert worden z u sein P . A .



66



den von einem vorgängigen Vertrag mit Preußen.160) Wer hatte nun recht, La Marmora oder Nigra ? Es ist natürlich, daß Bismarck sich mit Rückfragen an die beiden Missionen wendet, nach Florenz am i. 1 6 1 ), nach Paris am 4. August162), also erst nachdem die Teilungspläne mit Blome bereits durchberaten sind. Die Antworten laufen am 6. bzw. 10. August ein. Sie geben Bismarck die Sicherheit, daß die italienische Regierung im Fall eines Krieges zwischen den beiden deutschen Mächten sofort selbständig zur Aktion übergehen und von Napoleon daran nicht würde gehindert werden, da ihr der Kaiser die Gelegenheit zur Eroberung Venetiens nicht rauben wolle, wenn Italien „auf eigene Gefahr" handle.163) Aber auch in der Zwischenzeit, bevor diese Richtigstellungen vorlagen, war Bismarck keineswegs in einer die Kreise seines politischen Planens störenden Unruhe. Das läßt sich zeigen an einem Erlaß an Goltz vom 4. August, den Thimme nicht abgedruckt oder erwähnt hat. In einem eigenhändigen Zusatz zu einem Entwurf Abekens bekennt sich Bismarck zu der günstigen Auffassung Nigras „auf dessen Äußerungen ich mehr Gewicht legen möchte als auf die Eindrücke, welche Graf Usedom von andern Seiten gelegentlich empfangen hat". 164 ) An den „günstigen Dispositionen" Napoleons hat Bismarck also nicht ernstlich gezweifelt. Und wir können heute nachweisen, daß er sich darin nicht getäuscht hat, daß die beruhigende Formel, man werde Italien à ses risques et périls handeln lassen166), authentisch war und wörtlich in einem Brief des Kaisers an seine Gemahlin gestanden hat; Fürst Metternich hat diesen Brief selbst gesehen.166) Na160) Immediatbericht Usedoms vom 25. Juli, vgl. Anlage Nr. 3. Dieselbe Erklärung gibt Nigra dem Grafen Goltz: Goltz an Bismarck 11. August bei Oncken, Rheinpolitik I, 55. 161) G W V, 251 ff. 162) G W V, 249 f. 163) Usedom an Bismarck 6. August, Goltz an Bismarck 10. August; vgl. Anlage Nr. 6. 164) Bismarck an Goltz 4. August Nr. 2; vgl. Anlage Nr. 4. 165) Sowohl Nigra gebraucht sie (Usedoms Immediatbericht vom 25. Juli; Nigra an La Marmora 13. August bei Chiala, S. 18) wie Goltz, der sie aus dem Munde der Kaiserin Eugénie gehört hat (Goltz an Bismarck 10. August). 166) Metternich an Mensdorff 5. August H . W. : „Der Kaiser hat an die Kaiserin geschrieben, die mir den Brief gezeigt hat: Dites au Prince Metternich que mes intentions ne sont nullement hostiles à son gouvernement et que quoiqu'il arrive je garderai la plus stricte neutralité. A Berlin on doit savoir que l'Italie ne bougera qu'à ses risques et périls et n'aurait rien à attendre de moi."

— 67 — poleon hatte wohl auch gar nicht die Macht, schroffer aufzutreten; denn um einem Veto gegenüber Italien Nachdruck zu geben, hätte er mit bewaffneter Intervention drohen müssen und das erlaubte der Stand der mexikanischen Angelegenheit offenbar nicht.167). Der Nachfolger Lincolns auf dem Präsidentenstuhl der Vereinigten Staaten war ein schwacher Mann und in New York fanden täglich republikanische Versammlungen zugunsten der Juaristen statt. Die Situation war so ernst, daß die Pariser Blätter die Nachricht von dieser nordamerikanischen Kriegshetze gar nicht zu bringen wagten, weil sie eine Panik in Frankreich befürchteten.168) Wenn wirklich, wie es oft in populären Darstellungen den Anschein hat, die Führung von Bismarcks deutscher Politik nur die Funktion des Verhältnisses zu dem westlichen Nachbarn gewesen wäre, mußte er 1865 eher den Krieg wählen als die Konvention, — um die Schwäche Napoleons auszunützen und einer Entwicklung zuvorzukommen, die mit dem zunehmenden Einfluß der parlamentarischen Opposition in Frankreich einen entgegengesetzten außenpolitischen Kurs heraufzuführen drohte. Schon hatte Thiers seine große Rede im Corps législatif gehalten, in welcher er gegen Napoleons italienisch-deutsche Politik die schwersten Vorwürfe erhob, weil sie zwei Nationalstaatskolosse von 26 und 40 Millionen an den Grenzen Frankreichs großziehe, anstatt in einer Allianz mit Österreich den Schutz gegen sardinischen und preußischen Ehrgeiz zu suchen und der alten politischen Maxime zu folgen: d'empêcher les petits de devenir grands, les grands de devenir plus grands. Wenn sich an der Seine die Auffassung Thiers' durchsetzte, dann war selbst durch ein preußisches Nizza eine wohlwollende Neutralität der Franzosen nicht mehr zu erkaufen, denn Thiers ließ sich durch den Glanz von Nizza und Chambery nicht blenden — il'y a quelque chose qui vaut mieux qu'une province de plus, c'est la bonne politique.169) Die eigentlichen Gründe für den Verzicht auf die Eröffnung des Krieges, wenn es solcher bedarf, liegen anderswo. Wir haben sie zu suchen in dem unfertigen Zustand der preußischen Rüstungen170), in der Rücksicht auf die öffentliche Meinung Europas und ihrem Bedürfnis nach einer einwandfreien causa belli, die aus 167) Das scheint auch ein Argument Nigras gewesen zu sein: Usedom an Bismarck 14. August 65 P. A. 168) Metternich an Mensdorff 17. August 65 H. W. 169) Moniteur universel vom 14. April 1865. 170) Bismarck an Usedom 16. August 65 GW V, 275.



68



der augustenburgischen Agitation doch schwer zu gewinnen war 171 ), in der Notwendigkeit, ein höher gestecktes preußisches Kriegsziel politisch vorzubreiten.171 a) Nicht bloß weil das italienische Kabinett „une guerre sérieuse", einen Krieg um größere Objekte wünschte, sondern weil sich für den handelnden Staat selbst ein Krieg um der bloßen Annexion willen nicht lohnte172), hat Bismarck nach einem neuen Ansatz- und Zielpunkt für seine Kriegspolitik Ausschau gehalten. Die Zuspitzung der Dinge im Sommer 1865 erlaubte nur einen Krieg um Schleswig-Holstein; wenn man aber für die Gewinnung der Elbherzogtümer das Mittel der Waffen verbrauchte, was blieb dann als Mittel der Generalabrechnung mit Österreich übrig ? Zu einer hervorragenden Stellung Preußens in der Nordmark, zu Seegeltung, zur Sprengung des Bundes und einem preußischen System von Militär- und Zollkonventionen konnte man vielleicht auch gelangen, ohne die Sicherheit einer Koalition mit der Donaumonarchie preiszugeben.173) Griff man zum Schwert, so mußte der Ertrag umfassender, endgültiger sein. Er mußte die „norddeutsche Großmachtstellung" erbringen. Den Krieg aber unter dieser erweiterten Parole zu führen, dafür war noch beinahe nichts vorbereitet. Indem Bismarck die Unterscheidung zwischen ,kleinem' Krieg und .großem' Krieg aufgriff, vollzog er in der Tat eine „Wendung der preußischen Politik". 174 ) Die Sondierung über die Haltung Frankreichs bezieht sich von jetzt an nicht mehr auf einen Annexionskrieg, sondern auf einen Krieg zur Umgestaltung der nationalen Verfassung. Zum 171) Bismarck an Bunsen 16. September 65 G W V, 299. 171a) Die Ähnlichkeiten und die Verschiedenheiten der Situation von 1866 im Vergleich mit der von 1865 werden in großzügigem Aufriß erleuchtet in der genialen Instruktion für Moltke vom 12. März 1866, G W V, 396ff. 172) Vgl. das Zeugnis aus späterer 20. März 66 G W V, 408 f.

Zeit:

Bismarck an

Bernstorff

173) D a ß selbst die Hoffnungen auf den friedlichen Erwerb des zweiten Elbherzogtums nicht utopisch waren, beweist ein Ausspruch des österreichischen Zivilgouverneurs von Gablenz, der schon bald nach Abschluß des Vertrages in politischen Kreisen kursierte: der Heimfall Holsteins an Preußen stehe längstens im Frühjahr 1866 zu erwarten. Carl Alexander an Zar Alexander II. 25./13. September 65 Th. St. A. 174) So bezeichnet schon Usedom (an Bismarck 21. August P. A.) den Bismarckschen Erlaß an Goltz vom 16. August (GW V, 266ff., insbesondere 269). Der Erlaß, der eine nähere Ausführung zu G W V, 273 darstellt, ist von Abeken in einem von Bismarck ausdrücklich gebilligten Vorentwurf als „eine besondere, ganz vertrauliche geheime Depesche" bezeichnet. — Auch Max Lenz, Geschichte Bismarcks, 1911 3, S. 270 sieht in diesem Dokument einen wichtigen Einschnitt.

— 69 — erstenmal bekennt sich Bismarck in einem amtlichen Schriftstück programmatisch zu dem „Prinzip der unabhängigen und freien Entwicklung des preußischen und norddeutschen Elementes zu einer selbständigen Großmacht, welche ohne Anlehnung sich durch eigene Macht sicher fühlt". Auch in dieser Form machen die Ziele Bismarcks Halt an der Maingrenze. Die süddeutsch-katholischen Teile werden ausgesondert aus der „natürlich gegebenen politischen Sphäre" des Preußentums, und seine Aufgabe beschränkt auf „Sammlung der homogenen Elemente in Norddeutschland". Aber die preußische Nordbundpolitik wird unter den übergreifenden Gesichtspunkt der „Konsolidierung des nationalen Lebens" gerückt.175) Damit ist aufs neue die Richtung des Baden-Badener Kurses eingeschlagen, und fast notwendig muß die Bundesreformfrage wieder in den Mittelpunkt des politischen Handelns rücken, auch wenn 1865 von einem Appell an den „schwarz-rot-goldenen" Gedanken der gesamtnationalen Repräsentation erst in halblautem Selbstgespräche die Rede ist.176) Aber das Verständnis von Bismarcks deutscher Politik hängt daran, sich gegenwärtig zu halten, daß der Gasteiner Vertrag auch die Fortsetzung des Schönbrunner Kurses ermöglichte und ermöglichen sollte. Der Krieg war nur eine Eventualität, „falls keine Verständigung einträte". Wenn Bismarck an der letzten Haltbarkeit eines vertraglichen Ausgleichs zweifelte und die bewaffnete Auseinandersetzung eine bloße „Zeitfrage" nannte, so wollte er nicht mißverstanden sein — „ich sprach eventuell von Jahren, sogar vom Jahrhundert".177) Nur bei säkularer Betrachtung rangierte das Wagnis höher als die Sicherheit. Als nahes politisches Ziel behandelte Bismarck die Allianz mit Österreich nicht weniger pfleglich als die Konspiration mit Italien und Frankreich. Auf der 175) G W V ,

269.

Das „ P r i n z i p " der rein norddeutschen

Großmacht-

Stellung und die Formel von den „homogenen E l e m e n t e n " Norddeutschlands, die den Süden als nicht-homogen charakterisiert, beweist schon, d a ß Bismarck nicht v o m

Boden einer preußischen

auf den einer deutschen

Politik .übergetreten' ist. Wenn der gemeindeutsche Nationalstaatsgedanke anklingt und die preußische Machterweiterung im liberalen -Sinn als B e dürfnis, Sehnsucht und Forderung weiter Teile der Nation bezeichnet wird, so ist das deutlich an die Adresse Napoleons gesprochen, u m die von Bismarck erstrebte Politik dem Kaiser darzustellen als Parallele zur Gründung des italienischen Königreichs,

die betont schmeichelhaft als „ S c h ö p f u n g

Napoleons" bezeichnet wird. 176) Vgl. die Anspielung auf „ein deutsches Parlament" in Merseburg a m 21. A u g u s t 65: Keudell, Fürst und Fürstin Bismarck, S. 227. 177) Randbemerkungen Bismarcks auf d e m Bericht des Grafen G o l t z v o m 20. A u g u s t bei O n c k e n , Rheinpolitik I, 65.

— 70 — Reise von Gastein nach Biarritz haben zwei große politische Aussprachen stattgefunden. In Karlsruhe hat Bismarck jene Andeutung gemacht, daß er bereit sei, den Kaufpreis für die französische Freundschaft zu zahlen. Ein paar Tage früher hatte er in München Äußerungen getan, welche ihn zum entgegengesetzten Kurse entschlossen zeigen. „Er halte die Annexion der Herzogtümer an Preußen für unbedingt notwendig und werde sie auch erreichen, aber ohne Territorial-Kompensation für Österreich: eher könne von einer Geldentschädigung die Rede sein . . . Das Wort .Garantie für Venetien' habe er noch nicht ausgesprochen, er wisse aber, daß, wenn er es tue, er von Österreich alles verlangen könne, was er wolle; vielleicht tue er es doch noch, denn wenn Österreich Venetien verliere und dadurch aus den italienischen Verwicklungen herauskomme, könne es mit seiner ganzen Macht in Deutschland wirken und hier dann vielleicht unbequemer werden als jetzt". 178 ) Auch im Schutz der italienischen Besitzungen lag also ein Mittel, um Österreich als Rivalen aus Deutschland herauszumanövrieren und mit seinen Interessen nach Südosten abzudrängen. Diese doppelte Möglichkeit einer Anlehnung an das französisch-italienische System mit der Aussicht auf Krieg und eines Bündnisses mit der habsburgischen Monarchie unter der Voraussetzung der Erhaltung des Friedens bestand bis zum Ausbruch des Feldzugs. Noch zwei Tage vor dem Ausmarsch der Bataillone, am 13. Juni 1866, geht Bismarck selbst hinter das Ziel des .kleinen' Krieges, d. h. hinter das Annexionsprogramm, zurück und erklärt, er wäre selbst mit dem Augustenburger als Landesherrn in Schleswig-Holstein zufrieden, seitdem der Herzog sich geneigt erweise, auf die Februarbedingungen einzugehen. Während schon die Eisenbahnzüge an die Grenze rollen, bietet ein Telegrammwechsel mit München dem bayerischen Minister ein gemeinsames Unternehmen auf der Basis der Februarbedingungen an. Anknüpfend an das Salzburger Gespräch fordert Bismarck Herrn von der Pfordten auf, er möge den Erbprinzen Friedrich bestimmen, persönlich seinen Frieden mit dem König zu suchen!179) Von Beginn bis zum Ende seiner 178) Richard von Friesen, Erinnerungen aus meinem Leben, Dresden 1882 2 , II, 146. Von Beust, Erinnerungen zu Erinnerungen, Leipzig I88I2, wird diese Mitteilung erheblich in Zweifel gezogen. — Der Bericht Pfordtens an König Ludwig vom 29. August 65 B. G. St. enthält in der Tat diese Äußerungen Bismarcks nicht, wohl aber eine andere, wonach Gastein eine Gemeinschaftsfront gegen das „Parlamentar-System" herzustellen berufen sei und einem „Staatsstreich" selbst in den Mittelstaaten nichts mehr im Wege stehe. 1 79) Vgl. das eigenhändige Konzept eines Telegramms an den preußischen Gesandten in München vom 13. Juni 66 G W V, 547.

— 71 — deutschen Politik hat Bismarck zwei Pferde geritten, ein Sattelpferd und ein Handpferd; auf welchem der beiden Tiere er durch das Ziel gehen würde, war bis zum letzten Augenblick unentschieden. Nur das stand fest: wenn beide unter dem Reiter zusammenbrachen, durfte das Rennen nicht aufgegeben werden. Bismarck hat auch die Möglichkeit vorgesehen, daß weder der Schönbrunner noch der Baden-Badener politische Kurs zu jener Machterweiterung Preußens führen würde, die das oberste Ziel seines Handelns war. Für diesen Fall hat er sich vorbehalten, die Kräfte der Tiefe wachzurufen und die letzten national-revolutionären Leidenschaften aufzupeitschen zum Kampf aller Deutschen gegen den Erbfeind im Westen.180) Flectere si nequeo superos Acheronta movebo. Aber das war ein äußerster, in die Kombinationen der Stunde nicht hineinwirkender Grenzfall.

VOM W E S E N D E R B I S M A R C K S C H E N

POLITIK.

Wenn der Blick von diesen Ergebnissen zurückkehrt zu den im Eingang aufgeworfenen Fragen, dann will uns scheinen, als passe keine der sich einstellenden Antworten genau auf das dort angelegte Schema. Bismarcks Politik war weder kriegerisch noch konservativ noch national. Aber sie war auch nicht das Gegenteil von dem allem. Die Alternativen, von denen die Untersuchung nach dem Stand der wissenschaftlichen Erörterung ausging, sind offenbar nicht exakt genug dem Gesichtsfeld Bismarcks entnommen, darum kann die Untersuchung sie nicht zur Entscheidung bringen, sondern nur über sie hinaus führen. Für Bismarcks schleswig-holsteinische Politik hat A. O. Meyer gezeigt, daß sie nicht beherrscht war von einem beleidigten deutschen Gefühl oder einer nationalstaatlichen Zielsetzung, sondern von kontinentalpolitischer Überlegung und preußischer Staatsraison, welche die Erhaltung eines starken Dänemark und seine Personalunion mit den Herzogtümern unter Umständen höher anschlug als ein nationales Fürstentum in Kiel. 181 ) Dasselbe gilt von Bismarcks 180) Vgl. das Merseburger D i k t a t für die Presse vom 21. August 65, das auf die französisch-englischen Vorwürfe drohend mit dem Aufruf aller Parteien zur „Verteidigung des gemeinsamen Vaterlandes" antwortet: Keudell, Fürst und Fürstin Bismarck, S. 227. 181) A. O. Meyer, Die Zielsetzung in Bismarcks schleswig-holsteinischer Politik, Ztschr. d. Ges. f. Schleswig-Holsteinische Geschichte 52, 1923, S. lo3ff., besonders S. 115.

— 72 — deutscher Politik. Man deutet sie notwendig schief, wenn man sie in letzter Instanz auf die nationale Frage zurückführt und ergründen will, welche Form einer deutschen Einigung dem deutschen Staatsmann vorgeschwebt habe bei seinen Entschlüssen. Solche Gedanken über eine zukünftige Verfassung Deutschlands denkt Bismarck nur als Konsequenzen außenpolitischer Konstellationen. Die einheitliche Linie seines Handelns gewinnt er aus der Frage nach der Großmachtstellung Preußens und Österreichs. Da es zur Bereinigung dieses Verhältnisses mehr als einen Weg gibt, rechnet Bismarck auch mit mehr als einer Form deutscher Zukunftsgestaltung. Seine Alternative lautet nicht: dualistische oder hegemoniale Lösung der deutschen Frage, sondern sie lautet: Erhöhung Preußens mit europäischen oder mit deutschen Mitteln. Wie Deutschland aussehen wird, hängt ab von dem gewählten System einer preußischen Politik, nicht umgekehrt richtet sich die preußische Politik nach dem Traum eines deutschen Nationalstaates. Wenn ein Staat einen Gegner hat, wie der Bismarcksche Staat Österreich zum Gegner hatte, so kann er ihn niederwerfen, knebeln und unschädlich machen, oder er kann ihn durch seine Freundschaft so binden, daß er ihm durch überlegenen Schutz seinen Willen aufzwingt. Um diese Entscheidung ging es in der Bismarckschen Staatskunst. E s war dieselbe Entscheidung, die der Abgeordnete Bismarck schon am Ausgang der deutschen Revolution für eine tatkräftige preußische Politik offenstehen sah. Wenn damals ein Friedrich der Große den Thron der Hohenzollern innegehabt hätte, so führt Bismarck in seiner Rede vom 6. September 1849 a u s > » E r hätte die Wahl gehabt, sich nach dem Bruch mit Frankfurt an den alten Kampfgenossen, an Österreich, anzuschließen, dort die glänzende Rolle zu übernehmen, welche der Kaiser von Rußland gespielt hat, im Bunde mit Österreich den gemeinsamen Feind, die Revolution zu vernichten. Oder es hätte ihm freigestanden, mit demselben Recht, mit dem er Schlesien eroberte, nach Ablehnung der Frankfurter Kaiserkrone den Deutschen zu befehlen, welches ihre Verfassung sein solle, , auf die Gefahr hin, das Schwert in die Waagschale zu werfen. Das wäre eine nationale preußische Politik gewesen. Sie hätte Preußen im ersten Falle in Gemeinschaft mit Österreich, im anderen Falle durch sich allein die richtige Stellung gegeben, um Deutschland zu der Macht zu helfen, die ihm in Europa gebührt." 1 8 2 ) Preußen 182) G W X , 39. Schon Max Lenz, Der Schöpfer von Kaiser und Reich = Zu Bismarcks Gedächtnis, Leipzig 1899, S. 81 ff., hat auf diese Stelle hingewiesen.

— 73 — kann als Beschützer Österreichs im mitteleuropäischen Raum, wenn dieses nur mit der Rolle des Beschützten sich zufrieden gibt, eine ebenso mächtige Rolle spielen, wie als sein Besieger und Verdränger aus dem deutschen Bereich. Bismarck hat von seiner „unglücklichen Liebe" zu Österreich gesprochen. Die Allianz zwischen einer norddeutschen und einer südosteuropäischen unabhängigen Großmacht war das einzige feste Bündnis, das er aus freien Stücken gewünscht hätte. Sie ist durch die begreifliche, aber bei dem Machtverfall Österreichs doch kurzsichtige Wiener Politik vereitelt worden. Diese Absage, mit der Bismarck als einer historisch natürlichen wohl immer rechnen mußte und gerechnet hat, machte erst das Zusammengehen mit den liberalen Wünschen der deutschen Patrioten und den Appell an die Nationalstaatsidee nötig. Erst diese Schwenkung Bismarcks hat in Deutschland den liberalen Staatsgedanken wieder erweckt. Denn seit dem Wiener Frieden von 1864 war der deutsche Liberalismus am Ende seiner Weisheit. Von einer preußischen Leitung erwartete er nur mehr Vergewaltigung, von dem österreichischen Quietismus die Gefahr national-demokratischer Revolution und von einem durch Bayern gelenkten Kleinsten Deutschland nichts als geistige Unfreiheit und Ultramontanismus. Ratlos und resigniert hatte er nichts mehr vorzuschlagen und wartete in schlaffer Passivität auf eine erlösende Krisis gleichviel welcher Art. 183 ) Die Preisgabe des Schönbrunner Programms durch die Großmächte hat den deutschen Nationalliberalismus am Leben erhalten. Nicht leichten Herzens ist Bismarck diesen Weg gegangen. Noch im Juni 1866 hat er gewünscht, daß Manteuffel in Schleswig-Holstein ein bißchen York spiele, weil er vorgezogen hätte, daß der Krieg durch die Eigenmächtigkeit eines Generals entbrenne statt durch einen revolutionären Bundesreformantrag. Auch zwischen 1867 und 1870 hat Bismarck noch einmal versucht, auf neuer Basis ein Band der Solidarität zwischen einem saturierten Norddeutschland und Österreich-Ungarn zu knüpfen. Erst wie auch dieser Versuch sich als nicht haltbar erwies und zu erneuter völliger Isolierung Preußens zu führen drohte, hat er durch den Krieg von 1870 endgültig die Ehe mit der deutschen Bewegung vollzogen.184) Die Fragen des nationalen Staatsbaües waren taktische Figurationen im Dienst der Bereinigung des Machtverhältnisses zu 183) Diese völlig resignierte Stimmung spiegelt sich eindrucksvoll in einem Brief Robert von Mohls an Ludwig von Edelsheim 30. April 1865. G. L . A. 184) Vgl. Hajo Holborn, Über die Staatskunst Bismarcks, Zeitwende III, 1927, S. 332 f.

— 74 — Österreich. Dasselbe gilt aber auch umgekehrt. Auch die Sprache der Legitimität und das dynastische Prinzip sind Konsequenzen eines bestimmten außenpolitischen Systems gewesen, nicht übergeordnete Ideen, denen zuliebe ein modus vivendi mit Wien gesucht wurde. Ob Bismarck konservative oder revolutionäre Mittel wählen würde, hing lediglich davon ab, welchen Kurs er steuern mußte in der fundamentalen Auseinandersetzung mit Österreich. Darum konnte er so skrupellos und so grausam gegen sich selbst sein in der Wahl der Mittel. Darum konnte er, ohne mit der Wimper zu zucken, Könige absetzen, Kronvermögen beschlagnahmen, das schrankenloseste Wahlrecht verkünden, die nationale Revolution schüren und — vielleicht der krasseste Zug — tausende ungarischer Soldaten zum Treubruch gegen ihren obersten Kriegsherrn verleiten, indem er die Kriegsgefangenen noch während der Kämpfe im Juli 1866 in eine ungarische Legion einreihte, die zum Marsch auf Wien bestimmt war. Das ist nur der Mut zu den Konsequenzen eines bestimmten außenpolitischen Kurses. Der Offizier, der eine Sprengung ausführt, darf sich nicht daran kehren, ob sie der eigenen Mannschaft die Trommelfelle zerreißen wird. Die Radikalität der Mittel im Falle des konservativen Ausgleichs ist um nichts geringer. Garantievertrag mit Österreich, das hieß für Bismarck Verewigung der Mainlinie, Erhebung Bayerns zur unabhängigen Macht, Preisgabe der süddeutschen Mittelstaaten, Restauration in Italien. Das Geniale der Bismarckschen Staatskunst besteht darin, daß er die Entscheidung zwischen zwei diametral verschiedenen Kursen jahrelang in der Schwebe zu halten vermochte und dadurch die Welt in Ratlosigkeit und jener Furcht vor Überraschungen hielt, die angedauert hat, solange Bismarck die Geschicke Europas beherrschte. Aber diese Zweilinigkeit der Poütik war nicht in erster Linie berechnet zur Täuschung und Verschleierung seiner Manöver, sie war auch nicht so sehr Pressionsmittel, um jeweils auf den Westen oder den Osten einen Druck auszuüben186), sondern sie gehört zum Wesen der politischen 185) Diese Pressionstheorie, die neuerdings vor allem von Zechlin, Bismarck und die Grundlegung der deutschen Großmacht, Stuttgart 1930, wieder vertreten wird und die sich ja auf ein großes Bismarckzeugnis stützen kann (Erlaß an Goltz vom 20. Februar 65 G W V, 92 ff. = Sybel IV, 73 ff.) scheint mir gerade beim Gasteiner Vertrag zu versagen. Wie Bismarck a . a . O . auch selbst ausführt (GW V, 94), konnte die „ B e s o r g n i s " vor einem preußischen Zusammengehen mit Frankreich oder Österreich einen gewissen Druck ausüben, nicht aber der V o l l z u g . Die Konvention von Gastein hat auf die Eventualkoalierten in Paris und Florenz nicht anspornend, sondern abschreckend gewirkt, weil sie mißtrauisch und in ihrem

— 75 — Sicherung, wie sie die zugleich kühne und vorsichtige, unendlich sorgfältige Staatskunst Bismarcks verstand. Nun gibt es zwei Arten von Sicherung: eine welche Gefahrlosigkeit bedeutet und eine welche stumpfes Mißlingen ausschließen soll. Das geringere Risiko lag unzweifelhaft bei dem System von Schönbrunn. Darum hat es Bismarck gepflegt und ausgebaut gleichsam als Auffangsstellung, aus der man nicht leicht geworfen werden konnte. Aber der Weg des geringeren Risikos ist nicht immer der sicherere Weg zum Erfolg. Wenn in Bismarck immer wieder der elementare Drang zum Krieg hervorbricht, wenn er im Traum die schwarz-weißen Fahnen über einem Schlachtfeld in Böhmen wehen sieht185®), dann hat das seinen Grund weniger in der Kampflust seiner leidenschaftlichen Natur als in der tiefen Erkenntnis, daß nicht Verabredungen, sondern nur Geschehnisse einen Berg auftürmen, hinter den man nicht zurück kann. „Ereignisse sind stärker als menschliche Pläne", steht in einem Brief aus der Petersburger Zeit. 186b ) Wohl konnte man mit diplomatischen Mitteln versuchen, Österreich eine nachgeordnete Stelle in einem sorgsam abgewogenen Bündnissystem anzuweisen. Aber wer stand gut für die Haltbarkeit des so geschaffenen Zustandes ? Der Krieg, auch wenn er die Existenz des preußischen Staates aufs Spiel setzte und in seinen revolutionierenden Folgen noch nicht einmal zu übersehen war, bot größere Sicherheit als alle Sekuritätspolitik. Politiker sein heißt: unter allen Umständen Herr der taktischen Mittel bleiben. Der große Staatsmann ist mehr als Politiker: er riskiert das große Ereignis, das eine von Grund aus neue Situation schafft, obwohl er die taktischen Mittel zu ihrer Beherrschung noch nicht kennt. Denn er weiß, daß im staatlichen wie im einzelmenschlichen Leben bleibende Veränderungen nicht durch Beschlüsse und Entschlüsse, sondern durch Tatbestände geschaffen werden, über die niemand mehr hinwegspringt. Darum stand ihm der Krieg höher als jeder Vergleich. Es gab und gibt Deutsche, die enttäuscht sind, Bismarck als preußischen Staatsmann und nicht als planvollen Baumeister Glauben erschüttert wurden, ob es Preußen mit seinen Kriegsabsichten ernst sei. Für die gefährliche Verstimmung Napoleons vgl. etwa v. Loe, Erinnerungen aus meinem Berufsleben, Stuttgart 1906, S. 79; für den schwer überwindbaren Choc, den L a Marmora davontrug, vgl. Usedoms Rechtfertigungsschrift vom 10. Januar 69 bei Max Straganz, Die Stoß-ins-HerzDepesche des Grafen Usedom, Innsbruck 1922, Beilagen S. 54. 185 a) Vgl. Erinnerung und Gedanke G W X V , 377. 185 b) Bismarck an Schleinitz 6. April 61 G W III, 206. Beiheft d . H . Z. ig.

6

— 76 — deutscher Einheit sehen zu müssen. Bismarck hätte das nicht verstehen können. Er hat sich nie als im Auftrag eines Zukunftsprogramms stehend, als Platzhalter des Kommenden gefühlt, sondern immer als Diener des lebendig Bestehenden, unterworfen der Aufgabe der konkreten Situation. Cavour, der so oft mit ihm verglichen wird, ist gerade an diesem Punkte entscheidend von Bismarck verschieden. Der italienische Staatsgründer hat ein bestimmtes Bild vor Augen von wirtschaftlicher Blüte, technischem Fortschritt, verfassungsmäßigen Einrichtungen, zu dem er das geeinte Italien hinführen will. Bismarcks Politik empfängt ihre Gebote nicht von einem Ideal, sondern von dem Gegebenen. Der Unterschied zwischen beiden Staatsmännern ist nicht der, daß Cavour Doktrinär wäre und Bismarck Realist, sondern daß der eine von einem vorgesetzten Ziel abhängt in seinem Wirken, der andere von einer Verpflichtung getrieben wird, daß Cavour teleologisch handelt und Bismarck pflichtmäßig. Diesen Pflichtenkreis aber hat sich Bismarck nicht gewählt, er erhält ihn gesetzt durch den Staat, in den er hineingeboren ist, durch die Dynastie, der er Gefolgschaft leistet, durch das Amt, zu dem er berufen worden. Und diese innerste Zugehörigkeit läßt sich nicht abschütteln wie ein Kleid, das man weglegt, um ein besseres dafür einzutauschen. Daß der Wirklichkeitsbereich, in den Bismarck hineingestellt wurde, preußische Monarchie hieß, war seiner Wahl und Willkür entzogen. In einem merkwürdigen Wort der Gedanken und Erinnerungen hat Bismarck von sich bekannt: „Ich habe ein volles Verständnis für die Anhänglichkeit der heutigen weifischen Partei an die alte Dynastie und ich weiß nicht, ob ich ihr, wenn ich als Althannoveraner geboren wäre, nicht angehörte. Aber ich würde . . . mich nicht wundern, wenn die vis major der Gesamtnationalität meine dynastische Mannestreue und persönliche Vorliebe schonungslos vernichtete." Es ist eines der tiefsten Worte, die Bismarck über sich selbst ausgesagt hat, weil es eine Ahnung davon verrät, daß engeres und weiteres Staatsgefühl nicht einfach auseinander hervorwachsen können, sondern daß sie im Konfliktsfall tragisch zusammenstoßen müssen und dann dem einen oder dem andern unübertragbaren Gefühl nur die Aufgabe übrigbleibt, „mit Anstand zugrunde zu gehen".188) Wenn es nicht zu einem Zusammenstoß zwischen preußischem und deutschem Empfinden in Bismarcks Laufbahn gekommen ist, so rührt das einmal von der geschichtlichen Situation her — Preußen 186) Vgl. Bismarck an Werther 7. Mai 66 G W V , 489. 188) Erinnerung und Gedanke G W X V , 201.



11



war faktisch Deutschland —, und dann von der Bereitschaft des preußischen Staatsmanns, Verantwortung zu übernehmen. Als die schleswig-holsteinische Frage 1863 brennend wurde, hat ein namhafter preußischer Diplomat eine Denkschrift verfaßt, in welcher er seine Regierung vor jeder Einmischung warnt, weil Preußen damit eine schwer tragbare Verantwortlichkeit übernähme.189) Vor dieser Verantwortlichkeit hat sich Bismarck nie gescheut, weil er wußte, daß Macht nur ein anderes Wort für Verantwortung ist. Er hat 1864 für die Nordmark, 1866 für die süddeutschen Schutzbundstaaten, 1870 für das gesamte Deutschland und darüber hinaus für die Staatengesellschaft Europas die Verantwortung auf die preußischen Schultern übernommen. Aber er hat sie getragen als preußischer Staatsmann. Noch 1897 hat Bismarck von „der preußischen Absicht bei Gründung des Reichs"190) sprechen können, und den Staatsstreichplänendes Jahres 1890 liegt der Gedanke zugrunde, den preußischen Staat vor den zersetzenden Einflüssen des Reiches und seines Parlamentarismus zu bewahren. In den letzten Jahren der Reichskanzlerzeit ist es manchmal, als wenn ein Vater seinem groß und reich gewordenen Sohn halb stolz, halb sorgenvoll in die Augen sehe, um zu forschen, ob das alte vertraute Wesen nicht notgelitten habe unter der Erhöhung — ob die Reichsgründung für Preußen nicht eher zum Fluch als zum Segen ausgeschlagen sei. Trotzdem besteht natürlich ein Recht, das Werk Bismarcks auch vor 1870 vom Standpunkt des werdenden Nationalstaates zu betrachten, sobald wir nicht die Entscheidungen des großen Politikers abwägen, sondern den Verlauf unserer nationalen Geschichte begleiten wollen. Bismarck ist über sein Amt als preußischer Ministerpräsident hinaus im Hegeischen Sinne Geschäftsführer des Weltgeistes gewesen, und er hat um diese historische Bedeutung seines Handelns gewußt, auch wenn sie nicht als Teleologie dieses Handeln beherrscht hat. Es ist mit das Größte an Bismarck, wie er sein persönliches Verhältnis zu den allgemeinen Tendenzen des Weltlaufs geordnet hat. Mit männlicher Ergebung hat er sich dem großen Gang der Geschichte gegenüber bescheidet, ohne sich festzuklammern an Idole des eigenen Willens. In schwarzen Stunden konnte er sogar von der Lebensdauer der monarchischen Idee eine sehr düstere Meinung haben und mit der Möglichkeit, daß schon seine Söhne Republikaner "würden, hat er als Vierzigjähriger hart und schonungslos gerechnet. Aber solche 189) Denkschrift Balans vom 10. Juni 63 G. St. A. 190) Günther Franz, Bismarcks Nationalgefühl Leipzig 1926, S. 121. Beiheft d. H. Z. 29.

7

— 78 — Unterordnung unter die geschichtlichen Mächte berührte den Ernst seiner Verantwortung und seine Wachsamkeit nicht. „Der Strom der Zeit läuft seinen Weg doch wie er soll, und wenn ich meine Hand hineinstecke, so thue ich das, weil ich es für meine Pflicht halte, aber nicht weil ich seine Richtung damit zu ändern meine."191) Der preußische Staatsmann, der sein gedemütigtes und gefährdetes, mit schwerer nationaler Verantwortimg belastetes und von innerer Umbildung bedrohtes Land zu Macht und Größe geführt hat, fühlt sich an diesem Punkt verbunden mit dem letzten Soldaten einer preußischen Feldwache vor dem Feind. Die Wurzel dieser preußisch-deutschen Staatsgesinnung ist nach einem Wort, das Bismarck im Hauptquartier vor Paris gesprochen hat, „das Pflichtgefühl des Menschen, der sich einsam im Dunkeln totschießen läßt" 192 ), ohne nach dem Lohn, nach dem Ruhm oder auch nur dem Erfolg seiner Taten zu fragen. 191) Bismarck an Frau von Puttkamer 5. Februar 52 (Briefe an Braut und Gattin, S. 323). 192) Tischgespräch am 28. September 70 in Ferneres GW VII, 360.

ANLAGEN.

A n l a g e Nr. i. E d w i n v o n M a n t e u f f e l an K ö n i g W i l h e l m , 28.Maii865 (H.A.). Euer Königlichen Majestät wage ich allerunterthänigst zu schreiben. Die Sache ist wichtig und ich müßte wohl ein Concept entwerfen, den Gedankengang dann mehr ordnen, die Worte feilen. Aber Euere Majestät würden, wenn ich das Concept dann erst wieder abschriebe, den Brief erst morgen erhalten und ich mögte so gern, daß Euer Majestät die Gnade hätten, ihn vor dem morgenden Conseil zu lesen. Euer Königliche Majestät haben mir immer Huldreichst erlaubt vor Allerhöchstdemselben laut zu denken und haben dabei Gnädigst über Form und Ausdrucksweise hinweggesehen; ich flehe auch heute diese Gnade an und wage es laut zu denken. Wenn Ruhe und Friede im Lande wäre, wenn der alte König von Dänemark noch lebte und über Schleswig-Holstein herrschte, so würde ein Gedanke des Königs von Preußen einen Europäischen Krieg vielleicht herbeizuführen, um seine Monarchie um ein Paar Landschaften zu vergrößern und um ihr eine maritime Zukunft zu bereiten, wohl nie auftauchen können. Politisch Wünschenswerthes läge allein vor und nimmer könnte das Streben nach diesem die Berechtigung vor Gott und Menschen geben, Krieg herbeizuführen. Und selbst über das Politisch-Wünschenswerthe einer solchen Eroberung ließen sich noch Betrachtungen anstellen. Die militärische Aufgabe Preußens wird erhöht, ohne daß seiner Armee in gleichem Maße Verstärkung zufließt, die geographische Lage Preußens wird noch zerstückelter, in ihren Grenzen noch ausgedehnter und vor allem wird es genöthigt, seine Kräfte zu zersplittern, weil es gezwungen ist, sie neben der Erhaltung und immer noch nothwendigen Verstärkung der Landarmee (die Reorganisation ist in Bezug auf prima plana und Cadrestärke nur auf einem Minimum) auf gleichzeitige Errichtung einer Flotte mit allen daran hängenden Hafenetablissements zu wenden. Aus diesem letzteren Gesichtspunkte erachte ich die Berechnungen und Raisonnements des Finanzministers von Bodelschwingh für vollständig begründet. Aber sie verschwinden und kommen nicht in Frage, ebensowenig wie die anderen, eben aufgestellten Be7*



80



denken — weil die ganze Sachlage eine andere ist. Nicht um PolitischWünschenswerthes, sondern um Politisch-Nothwendiges, um Existenz und Zukunft Preußens, um die moralische Stellung in Europa, um Euer Majestät Namen in der Geschichte handelt es sich — und dafür unser Blut zu vergießen sind wir Unterthanen da. Ich nehme die volle Verantwortlichkeit für die Aussprache meiner Meinung auf mein Gewissen. Alle europäischen Alliancen sind zerrissen, das System, auf dem das Europäische Gleichgewicht beruhte, ist erschüttert oder eigentlich schon zusammengebrochen, revolutionaire Tendenzen haben Gewalt in allen Staaten, die Bewegungen gegen das alte Europa und die alten Dynastien, die mit dem Jahre 1789 begonnen, finden Boden in einem großen Theile der Menschheit. Wie ist es, wenn man das Buch der Geschichte zur Hand nimmt, da denkbar, daß ohne große politische Bewegungen ein wirklicher Zustand der Ruhe und der geordneten Verhältnisse wieder in Europa eintritt. Diese Crisen müssen in einem großen Europäischen Kriege oder in, die gegenwärtigen Dynastien umwerfenden sozialistischen Revolutionen ihren Ausgang nehmen. Für die gesammte Menschheit ist da der Krieg die mildeste und günstigste Lösung. Diese Auffassung über die allgemeinen Weltverhältnisse beruhigt mich vor meinem Gotte, wenn ich vor den Calamitäten, welche ein Krieg über das Land bringen kann, nicht zurückschrecke. Euere Königliche Majestät sind nun der von Gott berufene und von ihm dazu ausgestattete Monarch, der die Welt vor der sozialistischen Revolution retten kann. Euere Majestät haben das große Werk groß und kühn begonnen. Euer Majestät haben zuerst in einer Zeit wo Alles in industriellen und merkantilen Interessen versunken war, das militairische Prinzip, dessen Aufrechthaltung der Entwicklung jener allein Schutz gewährt, wieder in den Vordergrund gestellt und das große Werk der Reorganisation durchgeführt, das Euer Majestät die Macht gewährt, Ihren Ansichten Geltung in Europa zu verschaffen. Eure Majestät haben zuerst von allen Monarchen dem Anlaufen parlamentarischer Herrschaft die eiserne Stirn entgegengesetzt. Euer Majestät haben durch selbstständigen Entschluß und im Widerspruche mit Ihrem Parlamente und den Deutschen Mittelstaaten und einem Theile der Europäischen Cabinete und unter Fernhaltung revolutionairer Elemente, welche sich der Sache bemächtigen wollten, die Marken Deutschlands erobert, die selbst Kaiser Karl der Große nicht behaupten konnte. Und auf diesem glorreichen Wege sollten Euere Majestät stehen bleiben und gestatten, daß sich in den Herzogthümern eine Gewalt bildet, die nicht die K r a f t hat, die revolutionairen Elemente, die seit der Bewegung von 1848 dort Wurzel geschlagen, zu unterdrücken, die über kurz oder lang ihnen verfallen müßte und so diesen Theil Deutschlands zu einem neuen Heerde der Revolution machen würde. Hier fällt Euer Majestät preußisches Interesse mit dem allgemeinen Interesse zusammen und dieser Gesichtspunkt macht Euer Majestät Stärke im Wiener Cabinet und in den Cabineten Europas aus. Aber die rein preußischen Interessen legen noch dringendere Verpflichtungen



81



auf. Der Zwiespalt mit dem Landtage ist soweit gediehen, daß der Zustand ohne Begriffsverwirrung über das was Recht und das was Pflicht ist, herbeizuführen, nicht fortdauern kann. Die Verfassung ist wie die Dinge stehen, nicht mehr durchführbar. Das größte Hinderniß zu ihrer Abschaffung ist Euer Majestät eidliches Gelöbniß, ist der vielfach falsch aufgefaßte Eid auf Beachtung der Verfassung, der vielfach so ausgelegt wird, daß der Schwur der Treue und des Gehorsams nur so weit Geltung habe, als er mit der Beachtung der Verfassung nicht im Widerspruch stehe. Wenn sich die Dinge so weit gestalten, daß die Existenz der Dynastie und des Staates in Frage kommt, so wird auch hier eingegriffen werden müssen. Aber ist Gewissensbeunruhigung dabei zu vermeiden, so ist das von unendlichem moralischem Werthe. Das Mittel hierzu ist — und ich habe hier wenigstens das Festhalten an dem Gedanken für mich, denn ich habe ihn bereits dem Hochseligen Könige unmittelbar nach seinem Gelöbniß auf die Verfassung ausgesprochen — das beste Mittel meine ich ist hierzu, daß der Staat so vergrößert wird, daß die Verfassung wie sie heute ist, nicht mehr auf den Staat, durch Vergrößerungen die er erworben, paßt. Euer Königliche[n] Majestät giebt Gott dieses Mittel jetzt auch in die Hände. Behalten Euer Majestät die 3 Herzogt ü m e r n mit ihren Gerechtsamen und landesüblichen Einrichtungen, so paßt das nicht zu unserer Verfassung. Euer Majestät moralische Stellung im Lande ist dann aber so, daß alle Verfassungsänderungen, die Euer Majestät dann proponiren dankbar angenommen werden. DerTypusder preußischen Nation ist Ambition — geben Euer Majestät dieser volle Nahrung, so haben Euere Majestät sie voll und ganz. Und nun noch die Armee! Wir wollen Herren bleiben auf dem Boden, den unser König siegend sich erobert. Den Besitz der Herzogthümer verstehen Armee und Nation — die Minimalbedingungen, sie mögen soviel indirecte oder directe Vortheile haben als sie wollen, verstehen beide nicht! Euere Königliche Majestät wollen nun morgen Conseil halten. Wann hätte Friedland unsers Raths bedurft ? Euere Königliche Majestät wissen wahrhaftig die Dinge am besten, ordnen Euer Majestät Ihr besseres Wissen nicht Conseil-Abstimmungen unter. Darf ich Euer Majestät an das Conseil in Belle-vue vom Herbst 1850 erinnern. So viel ich weiß war der Hochselige König mit-Euer Majestät einverstanden. E r ordnete seine Ansicht dem Majoritätsausspruche des Conseil unter! Ich fahre nicht fort. Glauben Euere Majestät, die Politik kann nur der König eigentlich ganz allein, aber höchstens mit seinem Minister des Auswärtigen machen. Ein Minister-Conseil hat kein Verständniß dafür, schreckt zurück vor der Verantwortlichkeit, Geheimniß ist die Hauptbedingung mit — sie kann im Conseil nicht gewahrt werden. Als König Friedrich der Große zum Beginn des 2ten Schlesischen Krieges seinen Vertrag mit Frankreich schloß, theilte er ihn seinen Ministern erst nach dem Abschluß mit. Wie sollen Euer Majestät Ihren innersten Gedanken vor einem Conseil aussprechen, er ist wie bei allen Königen, die Großes vollbracht,



82



vielleicht noch im Reifen — zu frühes Aussprechen führt Mißverständnisse herbei. Darf ich eine ehrfurchtsvollste Bitte wagen, so ist es die, daß Euer Majestät morgen gar keine eigene Meinung aussprechen, sondern nur jeden Minister auffordern, seine Ansichten über die Herzogthümerfrage vorzutragen und nachdem Euer Majestät die Minister gehört, sagen Sie würden die Sache in Überlegung ziehen. Das erforderliche Exposee rein allgemein gehalten, kann der Minister des Auswärtigen machen. Nach dem Conseil berathen Euer Majestät dann mit Minister Bismarck berathen [sie] und mich dann mit der Antwort Friedrichs des Großen an Robinson: Ich will die Länder behalten und nun wissen Sie meinen Willen: nach Wien schicken [sie]. Euer Königliche Majestät geben so den Ministern ihr Recht und machen ihnen größeren Eindruck als wenn Euer Majestät Ihre Ansichten ihnen aussprechen. Erst wenn die Sache thatreif ist, spricht der König seine Ansicht aus. Wenn Euer Majestät aber morgen Conseil halten, so ist es doch wohl eine Frage, wo die Frage der Streitkräfte mit in Betracht kommt, und ich glaube, daß General Moltke dabei sein müßte, um diese erforderlichenfalls auseinanderzusetzen. Ebenso ist es, wenn ich fortgehe, doch wohl gut, wenn General Alvensleben im Zusammenhang bleibt und dem Conseil beiwohnt. Euer Königliche Majestät bitte ich fußfällig um Verzeihung und bitte um so Huldvollere Nachsicht, da es V45 Uhr ist und ich den Brief nun nicht einmal überlesen kann, ich lebe und sterbe Euer Königlichen Majestät allerunterthänigst treust gehorsamster Berlin 28. Mai 1865. E. Manteuffel. A n l a g e Nr. 2. K a r o l y i an M e n s d o r f f 27. A p r i l 1865 (H. W.). Chiffriertes Telegramm Se. Majestät der König soll noch in einer aufgeregten Stimmung wegen der Kieler Angelegenheit sein, seinen Unwillen gegen Herrn v. Bismarck richten und darin so weit gehen, daß er ihm jetzt die Zollunterhandlungen wegen des Artikels 75 vorwirft, für welche Concession Preußen einem so unerfreulichen Benehmen Seitens Österreichs ausgesetzt sei. — Die Aufwärmung dieses nicht in dem geringsten logischen Zusammenhange mit der vorliegenden Frage befindlichen Gegenstandes bewies die leidenschaftliche Aufregung des Königs. Herr v. Bismarck, welcher einen Ausgleich bei Sr. Majestät bevorwortet, ist hierdurch verletzt und wollte gestern einen zweimonatlichen Urlaub begehren. Er wird wohl von diesem Vorhaben ablassen ; aber es kann noch zu unangenehmen Auftritten zwischen ihm und diesem Souverän kommen. Ich glaube daß diese auf eine Erschütterung der Stellung des Ministerpräsidenten hinweisenden Symptome keine ernsten Folgen haben werden.

— 83 — A n l a g e Nr. 3. I m m e d i a t b e r i c h t U s e d o m s 25. J u l i 1865 (P. A.). Par courrier Prussien à Gastein. Florence, le 25 juillet 1865. Sire, Le chevalier Nigra, Ministre d'Italie à Paris, se trouvant ici pour quelques jours à cause de la mort de son père, est venu me voir hier. Comme il avait parlé dernièrement à l'Empereur Napoléon et au Roi Victor Emmanuel, ainsi qu'à beaucoup de personnes influentes des deux pays, on devait avoir traité dans ces conversations sans aucun doute les différents entre la Prusse et l'Autriche et les éventualités qu'ils présentent, surtout par rapport à l'attitude de l'Italie. Mr. Nigra aborda ces sujets avec la plus grande franchise et je suis heureux de pouvoir assurer à Votre Majesté, qu'il m'a confirmé entièrement et à la lettre tout ce que j'ai écrit sur cette importante matière: il n'y a pas un mot à retracter. „ 1 1 n'existe aucun rapprochement entre l'Autriche et la France, qui pût engager l'Empereur à intervenir dans un conflit austro-prussien: Napoléon est plutôt favorable à la Prusse et ne s'opposerait pas même à son agrandissement ou à une solution de la question allemande en faveur de la Prusse, s'il voyait que cela fût dans la nature des choses et dans les voeux des populations. Certes l'Empereur n'aimerait pas que la guerre se fît sans de bonnes relisons ou par pur caprice: mais il n'aime pas non plus les questions pendantes qui maintiennent l'Europe ,dans l'eau chaude' et les armées de tous les états dans un état de paix armée: il voudrait laisser à son successeur le moins de problèmes européens possible. S'il est vrai que le sort d'une guerre austro-prussienne dépend surtout de l'attitude de la France, jamais —- disait Mr. Nigra — les chances n'ont été aussi favorables pour la Prusse et pour tous les plans qu'elle pourrait former pour sa grandeur militaire, politique et territoriale : car jamais on ne verra sur le trône français un Souverain plus disposé à se tenir tranquille, ou qui vendrait cette neutralité à la Prusse à un plus modeste prix. „Quant à l'Italie, il n'a jamais existé et n'existera probablement jamais un engagement envers la France, de ne pas attaquer l'Autriche dans la Vénétie: Napoléon n'y avait jamais fait la moindre allusion. Il pourrait déconseiller une folle entreprise, mais il laisserait alors agir l'Italie à ses risques et périls. Encore moins l'Empereur voudraitil retenir l'Italie dans cette voie, s'il se présentait une occasion aussi favorable qu'une guerre austro-prussienne: c'est à dire une guerre sérieuse, dont l'Autriche ne pourrait pas se libérer en faisant quelques médiocres concessions à la Prusse. D'ailleurs il était peù probable — disait Mr. Nigra — que la Prusse une fois entrée en campagne avec toutes ses forces, se contenterait d'une paix médiocre, qui ne résoudrait

— 84 — aucune question vitale. Vis-à-vis d'une telle guerre à fond entre les deux puissances allemandes, l'Italie n'aurait à prendre et ne prendrait qu'une seule résolution, celle d'attaquer de son propre chef et de toutes ses forces la Vénétie, même sans traité préalable avec la Prusse. Cela était tellement dans la force des choses, qu'aucun Ministère Italien ne serait en état de s'y soustraire: on pouvait juger différemment cette entreprise, mais il serait impossible de ne pas la faire." J e réproduis fidèlement les propos de Mr. Nigra, dont la sincérité ne saurait être revoquée en doute. J e suis avec le plus profond respect Sire, de Votre Majesté le plus humble serviteur et très-fidèle sujet Usedom.

A n l a g e N r . 4. B i s m a r c k an G o l t z 4. A u g u s t 65. E r l a ß Nr. 2 (P. A.). Vertraulich. Durch Feldjäger. In meinem Erlaß n. 1 vom heutigen Tage habe ich des hauptsächlich auf telegraphischen Mittheilungen aus Italien geschöpften Eindrucks erwähnt, daß die Italiänische Regierung einestheils über die Intentionen des Kaisers Napoleon im Falle eines Kriegs zwischen den beiden deutschen Mächten nicht vollständig beruhigt, anderseits in ihren eigenen Entschlüssen nicht frei, sondern von der Zustimmung des Kaisers für einen Angriffskrieg auf Venetien abhängig sei. — Dem widerspricht indeß eine eingehende Aeußerung des Chev. Nigra in einem Gespräche mit dem Königlichen Gesandten, in welchem dieser Italiänische Diplomat, welcher für besonders eingeweiht in die Intentionen sowohl des Kaisers Napoleon wie seiner eigenen Regierung gilt und auf dessen Aeußerungen ich mehr G e w i c h t legen m ö c h t e a l s auf die E i n d r ü c k e , w e l c h e G r a f U s e d o m v o n a n d e r n S e i t e n g e l e g e n t l i c h e m p f a n g e n h a t 1 ) , die Dispositionen des Kaisers als günstig bezeichnet; jede etwa von Italien eingegangene Verpflichtung Österreich nicht anzugreifen in Abrede stellt und es als sicher voraussetzt, daß im Falle eines Krieges zwischen den beiden Mächten Italien sofort selbständig zur Aktion übergehen und von dem Kaiser nicht daran werde verhindert werden. 2 ) *) Die gesperrte Stelle eigenhändiger Zusatz Bismarcks. ) Beigegeben ist eine Abschrift des Usedomschen Immediatberichtes vom 25. Juli (Anlage Nr. 3). 2

— 85 — A n l a g e N r . 5. U s e d o m an B i s m a r c k 6. A u g u s t 1865 (P. A.). Chiffriertes Telegramm. General L a Marmora heute gesprochen und fand ihn täglich entschiedener. Die zwei Fragen vom 1. August würde ich jetzt so beantworten : ad 1. Bei Ausbruch des großen Krieges, sagt General La Marmora, greift das italienische Gouvernement sofort ohne abzuwarten unfehlbar an. Selbst bei beschränktem Kriege würde es vom Drange der Nation fortgerissen werden. ad 2. Es existieren keine Verpflichtungen gegen Frankreich. Um vorzugehen wird man schwerlich dessen Zustimmung, nur dessen Stillschweigen oder Still [halten] begehren. Ein Verbot Frankreichs hält man für unmöglich; um dem nationalen Drange zu widerstehen müßte es von materiellem Zwange unterstützt sein. Revolution wäre hier die Folge. A n l a g e Nr. 6. G o l t z an B i s m a r c k 10. A u g u s t 1865 (P. A.). Chiffriertes Telegramm. . . . Ich habe den gestrigen Tag in Fontainebleau zugebracht und bin im Allgemeinen befriedigt. Die Kaiserin spricht feste Überzeugung aus, daß der Kaiser nicht in den Krieg eintreten werde, zweifelt aber an deshalb im Voraus zu übernehmender feierlicher Verpflichtung. Französische Politik nach wie vor möglichste Berücksichtigung der Nationalitäten und Wünsche der Bevölkerungen; unter dieser doppelten Voraussetzung Einverleibung in Preußen erwünschteste Lösung. Vorsicht sei rathsam, um nicht durch Veranlassung zum Krieg in scheinbaren Gegensatz zu jenen Wünschen zu treten. Der Kaiser werde und könne Italien nicht hindern, auf eigene Gefahr die Gelegenheit zur Eroberung Venedigs zu benutzen. Sicherstellung des Papstes wünschenswert. Italien werde schwerlich in den Krieg eintreten, bevor Letzterer zwischen den deutschen Mächten wirklich ausgebrochen. Dasselbe sagt Chev. Nigra, der sich gegen mich ganz wie gegen Graf Usedom ausgesprochen hat. 1 ) Von beiden Seiten die Versicherung, daß weder zwischen Italien und Frankreich, noch zwischen jenem und Österreich über Anerkennung des Königreichs und desfallsige Bedingungen irgendwelche Verhandlungen gepflogen werden. *) Vgl. Usedoms Immediatbericht vom 25. Juli (Anlage Nr. 3).



86



A n l a g e Nr. 7. N o t i z z e t t e l v o n d e r H a n d K ö n i g W i l h e l m s I. (P. A.). Undatiert. Beigeheftet einem Umschlag mit .Materialien zum Vertrage' vom 11. und 12. August. ? 1) Es ist nichts gesagt über den Verbleib der Obersten Landesregierung nach der Trennung der Administration der Landestheile; hört sie doch wohl auf; müßte dies nicht ausgesprochen werden ? 2) Bleibt das Preußische OberCommando über die Ostreich. Truppen bestehen ? Dann müßte auch dies stipulirt werden. 3) Können wir B a u t e n im Kieler Hafen auf Holsteinsch. Boden beginnen, wenn wir es noch wollen ? 4) Desgleichen auf Alsen und Düppel ? 5) Könnten wir uns nicht, gleich wie Lauenburg, Sundewitt und Alsen gegen Geld abtreten lassen ? 6) Soll der Sitz unserer Administration in Schleswig bleiben oder nach Flendsburg zurückkehren ? W.

A n l a g e Nr. 8. E d e l s h e i m an R o g g e n b a c h 6. A u g u s t 1865 (G. L. A.). Vertraulich. . . . Anfangs war Graf Mensdorff sehr zugeknöpft und versicherte mir auf meine Fragen mehrmals, daß noch nichts entschieden, man vielmehr gerade über die weiteren Entschließungen in Berathung sei und er daher zur Zeit auch außer Stande sei, weitere und eingehendere Mittheilungen zu machen. Im Lauf des Gesprächs gelang es jedoch, denselben etwas mittheilsamer zu machen, wie auch durch indirecte Fragen einige Andeutungen und Einblicke in die Situation zu erhalten. Das Wesentliche davon lasse ich hier folgen. / Im gegenwärtigen Moment sei die Sachlage die, daß man damit umgehe, nochmals — zum letzten Male — einen Versuch zu machen, im Wege der Unterhandlungen dem drohenden Conflict vorzubeugen und wenn auch nicht alsbald eine Lösung herbeizuführen doch dieselbe anzubahnen und für die Zukunft vorzubereiten. Ob es gelingen werde, sei freilich eine andere Frage. Die Initiative des Gedankens gebühre Herrn von Bismarck, welcher denselben zuerst in einer Unterredung mit dem Grafen Bloome in Gastein geäußert habe, dann nochmals auf denselben zurückgekommen sei und gebeten habe, denselben in nähere Erwägung zu ziehen. Die Bismarcksche Idee knüpfe an das von Oesterreich wiederholt vorgebrachte Verlangen an, daß wenn in den Herzogthümern nicht alsbald ein Definitivum konstituirt werde, das dortige Provisorium auf der Basis der Gleichberechtigung der beiden Mit-

— 87 — besitzer reformirt werden müsse, und gehe dahin vor allen Dingen durch Revision resp. Neue Constituirung des Provisoriums einen Zustand herzustellen, bei welchem die dermaligen ewigen Reibungen zwischen den beiden Civilkommissären vermieden und dadurch die Gefahr eines ernstlichen Zerwürfnisses zwischen den beiden Regierungen verringert werden. / Sei dies geschehen, so würden dann daraus sich sehr leicht Anknüpfungspunkte für eine weitere Verständigung ergeben. / Über die Basis dieses neuen Provisoriums stehe noch nichts fest, doch sei von Herrn von Bismarck dem Grafen Bloome gegenüber der Gedanke einer t e r r i t o r i a l e n T h e i l u n g in a d m i n i s t r a t i v e r und militärischer Beziehung zwischen den b e i d e n M i t b e s i t z e r n h i n g e w o r f e n w o r d e n . / Seitdem habe Herr von Bismarck wieder von Gastein aus darüber hier anfragen und im Auftrage des Königs den Wunsch ausdrücken lassen, daß womöglich Graf Bloome mit Vollmacht zu Verhandlungen auf dieser Basis nochmals hingesendet werden möge. / Man habe nun hier in dem heute {: Sonnabend:) vormittag abgehaltenen Ministerrath beschlossen, die Staatskanzlei mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für ein Übereinkommen auf der Bismarckschen Basis zu beauftragen sowie ferner den Grafen Bloome zu einem nochmaligen Versuche nach Gastein zu senden. Graf Bloome werde demzufolge Dienstag oder Mittwoch wieder nach Gastein gehen. / Als ich mit weiteren Detailfragen darüber kam und namentlich wissen wollte, ob man denn hier bereits über die Annehmbarkeit der vorgeschlagenen Basis entschieden sei, und bejahenden Falls, in welcher Weise man sich die Ausführung der Theilung denke, ob auf Grund der gegenwärtigen militärischen Occupation d. h. daß Oesterreich den Westen, Preußen den Osten habe oder etwa nach den Herzogthümern, sowie ob noch ein gegenseitiges Control-Recht bleiben solle oder jeder Miteigenthümer in seinem Theile solle frei schalten können: erwiderte Graf Mensdorff: darüber könne er noch keine Auskunft geben; denn einerseits sei Alles vorläufig noch in der Schwebe und eigentlich nur eine Reihe von Gedanken, die dermalen hier und in der Ausarbeitung begriffen wären und andererseits sei auf Bismarcks Wunsch ausdrücklich verabredet worden,, vorläufig noch gegenseitig das größte Stillschweigen darüber zu beobachten. Er hätte daher eigentlich gar nicht davon reden sollen und müsse mich sehr bitten, die Mittheilung als eine ganz vertrauliche zu betrachten. — / Als ich hierauf mein Bedenken gegen die Idee eines solchen neuen Provisoriums aussprach und näher begründete, entnahm ich aus den aphoristischen Zwischenbemerkungen und halben Andeutungen von Mensdorff noch weiter, daß in dem oben erwähnten Ministerrath nicht sämtliche Minister, sondern nur — unter dem persönlichen Vorsitz des Kaisers — Mensdorff, Belcredi, Larisch, Majlath und Haller anwesend waren; daß Mensdorff sich dahin aussprach, daß er von dem Versuche einer nochmaligen Verhandlung gar nichts erwarte, indem er vielmehr das Ganze nur für eine Finte* Bismarcks ansehe, die Sache zu trainiren bis der König von Gastein fort sei, um im Augenblick der Constatirung des Bruchs



88



gleich energisch vorwärts gehen zu können, was, so lange der König auf österreichischem Boden sein würde, natürlich nicht möglich sein würde und daß er daher sich g e g e n die nochmalige Sendung des Grafen Bloome nach Gastein aussprach; daß Mensdorff jedoch ü b e r s t i m m t wurde, indem nur Majlath ihn unterstützte, die drei Andren dagegen der Ansicht waren, daß man kein Mittel unversucht lasse und daher auch dieses noch probieren müsse; und daß der Kaiser endlich sich für die Majorität entschied und ihre Ansicht zur Ausführung genehmigte! — / Aus den sonstigen Aeußerungen von Mensdorff ging ferner noch hervor, daß die eigentliche Ursache der gestern früh — gegen die ursprüngliche Absicht — erfolgten Rückkehr des Kaisers von Ischl in dem Wunsche zu suchen sei, jede Gelegenheit zu einer Zusammenkunft mit dem König von Preußen möglichst zu vermeiden. Im Hinblick auf die in der letzten Zeit fast ununterbrochenen Bemühungen des Berliner Cabinets eine solche Zusammenkunft herbeizuführen, scheint man nämlich hier die Befürchtung gehabt zu haben, daß wenn der Kaiser infolge der Verlängerung des Aufenthaltes der Kaiserin in Kissingen um acht Tagen diese ganze Zeit allein in Ischl verweile, es kaum möglich sein werde, die Zusammenkunft, wenn man dieselbe Preußischer Seits forciren wollte und zu dem Ende etwa ein Rendez-vous auf halbem Wege vorschlagen würde, zu vermeiden. Hier im Publikum hat diese unvermuthete Rückkehr übrigens große Sensation gemacht und insbesondere gestern auf der Börse eine wahre Panique hervorgerufen, da man dort, wo man die Situation bisher noch gar nicht für so bedenklich hielt, dies als ein Zeichen deutete, wie ernst die Dinge geworden sind. / Auf meine Frage, ob man diesseits jeden Gedanken einer Zusammenkunft der beiden Monarchen aufgegeben habe, sagte Graf Mensdorff: Nach Gastein werde der Kaiser n i c h t gehen; dagegen wäre, im Falle ein Ausgleich zustande kommen würde, es wohl möglich, daß bei Gelegenheit der Abholuhg der Kaiserin in Salzburg am 12. August dort ein kurzes Zusammentreffen der beiden Monarchen Statt finde; j e d o c h n u r in jenem F a l l e . — Als ich das Gespräch auf die Zusammenkunft zwischen den Herren von Bismarck und Pfordten in Salzburg brachte und mich erkundigte, wie weit man hier über den Inhalt jener Unterredung unterrichtet sei, erwiderte Graf Mensdorff, daß er theils durch Bayern selbst, theils indirect durch die dritte Hand darüber ziemlich genau unterrichtet sei und theilte mir nun im Wesentlichen das mit, was ich bereits berichtet habe. 1 ) Namentlich wiederholte und bestätigte er auch ganz ] ) Aus dem Mund des britischen Botschafters Lord Bloomfield hat Edelsheim über die Salzburger Zusammenkunft erfahren, daß Bismarck nur die Neutralität der Mittelstaaten verlangt habe. Bayern könne al'es gewinnen ohne das geringste Opfer. Denn Österreichs Stellung müsse nach einer Niederlage auf Bayern übergehen und Preußen werde Süddeutschland nicht in seine Machtsphäre einbeziehen. Edelsheim an Roggenbach 5. Aug. 1865 (G. L. A.).

— 89 — von freien Stücken, d. h. ohne daß ich etwa die Sache erst erzählte, die in meinem gestrigen Bericht enthaltenen Angaben des Englischen Botschafters, indem er in dieser Beziehung noch weiter beifügte, daß wie er bestimmt wisse, eine zweite Zusammenkunft der beiden Minister für die Rückreise des Herrn von Bismarck von Gastein ausgemacht sei. Im Allgemeinen schien Graf Mensdorff über die Haltung des Herrn von der Pfordten nicht vollständig befriedigt, obwohl er nicht gerade Mißtrauen hatte. Seine Ansicht darüber war vielmehr im Wesentlichen die: Er zweifle nicht, daß wenn es „zum Schlagen" kommen sollte, Bayern Oesterreich zur Seite stehen und es mit seiner vollen Kraft unterstützen werde. Er habe diese Erwartung auch offen in München aussprechen lassen und Nichts berechtige ihn, daran zu zweifeln, daß Bayern dieser Erwartung in vollem Maße entsprechen werde. Auf der anderen Seite aber gewinne es fast den Anschein, als ob ihan in München dermalen und solange die Dinge noch in der Schwebe seien, in seinem früheren Eifer für die Sache etwas nachlassen zu können glaube. / Dies würde er tief beklagen; denn es liege auf der Hand, daß gerade jetzt mehr wie je ein energisches Eintreten für die Sache und eine entschiedene Haltung von Seiten der Wittelsbacher Noth tue und ins Gewicht falle. Ohne eine solche, ohne die Gewißheit der vollen und entschiedenen Unterstützung des übrigen Deutschland, sei es Oesterreich bei seinen großen inneren Schwierigkeiten völlig unmöglich, den Kampf für die Erhaltung der föderativen Selbständigkeit der einzelnen Bundesstaaten gegenüber den Preußischen Vergewaltigungstendenzen unbedingt und auf jedem Felde, auf das ihn Herr von Bismarck verlegen möge, aufzunehmen und mit dem zu einem glücklichen Erfolg nothwendigen vollen Nachdruck weiterzuführen. / Nur Hand in Hand mit Deutschland und mit der Gewißheit der vollen Unterstützung desselben könne Oesterreich sich dem unterziehen. Im entgegengesetzten Falle würde ihm nichts übrig bleiben, als sich auf den Boden seiner ausschließlich Oesterreichischen Interessen zurückzuziehen und von diesem Gesichtspunkt aus sich auf möglichst günstige Bedingungen mit Preußen auseinanderzusetzen. Diese Alternative liege so in der Natur der Sache, daß unmöglich eine Deutsche Regierung darüber im Unklaren sein und sich Illusionen hingeben könne. / Daß die nationalen Interessen in der vorliegenden Frage gleichzeitig auch österreichische seien, stelle er nicht in Abrede; im Gegentheil, er halte das für ungemein glücklich und werthvoll, weil darin die Hauptbürgschaft eines glücklichen Erfolges liege. Aber aus jener Identität schließen zu wollen, daß Oesterreich auch allein die Vertheidigung unternehmen würde, würde ein verhängnisvoller Irrthum sein, da die Aufgabe und die zu bringenden Opfer für die dermalige Kraft Oesterreichs zu groß wären. / Uebrigens seien das wohl überflüssige Bemerkungen; denn man sehe das alles in Deutschland gewiß ebensogut ein, wie hier. — Bezüglich der dermaligen Stimmung in Gastein sagte mir Graf Mensdorff, daß der König infolge der ununterbrochenen und förmlich xaffinirten Hetzereien des Herrn von Bismarck bereits ungemein

— 90 — montirt sei, daß Herr von Bismarck dagegen sich Dritten gegenüber seit Kurzem den Anschein zu geben suche, als ob er sich bemühe, den König zu beruhigen und zurückzuhalten und endlich, daß die Feindschaft zwischen Bismarck und einem Theil der Militärparthei unter General Manteuffel zum vollen Ausbruch gekommen sei und letztere alle Hebel in Bewegung setze, um den ersteren zu stürzen. / Diese letztere Nachricht scheint mir für die richtige Abwägung der verschiedenen Kräfte und Chancen von großer Bedeutung und hat, wie mir scheint, auch viel innere Wahrscheinlichkeit für sich. / Auf den ersten Blick allerdings könnte es ziemlich unbegreiflich erscheinen, daß im Moment, wo Herr von Bismarck mit vollen Segeln auf den Krieg lossteuert, ein Theil der Militärparthei seinen Sturz anstreben sollte; aber bei näherer Betrachtung sind die Motive für eine solche Haltung doch sehr einleuchtend. Jene Fraktion geht dabei offenbar von der meines Erachtens sehr richtigen Annahme aus, daß ihr Hauptziel — die Beseitigung der Herrschaft des constitutionellen Systems in Deutschland durch die unter conservativer respective reactionärer Fahne bestehende Oesterreichisch-Preußische Allianz — von Nichts mehr bedroht wird als von der die Sprengung dieser Allianz mit N o t wendigkeit herbeiführenden Bismarck'schen Politik und daß daher die Beseitigung dieser letzteren und ihre Ersetzung durch ein in seinem Auftreten weniger schroffes System eine wahre Lebensfrage für die reactionären Interessen geworden ist. / Am Schlüsse der Unterredung mit dem Kaiserlichen Minister theilte ich demselben mit, daß ich bereits seit Ende des vorigen Monats im Besitze eines Urlaubs sei, d a ß ich jedoch, obwohl ich sehr wünsche, die schon voriges Jahr beabsichtigte Badekur nicht noch einmal verschieben zu müssen, bei dem plötzlichen Ernste der Situation mich für verpflichtet erachtet habe, den Antritt meines Urlaubs etwas zu verschieben und ersuchte denselben um seine Ansicht hierüber, ob nach Lage der Dinge ein Weggehen meinerseits ihm unbedenklich oder ob ein noch längeres Zuwarten ihm räthlich erschiene ? / Graf Mensdorff erwiderte: Wie e r mir schon gesagt habe, halte er einen Ausgleich zwar nicht für unmöglich, aber doch für wenig wahrscheinlich, und erwarte die eigentliche Krisis und Entscheidung für den Zeitpunkt nach der Abreise des Königs von Preußen von Gastein. Wenn Letzteres erfolgt und der König den Oesterreichischen Boden verlassen habe, werde aller Wahrscheinlichkeit nach Bismarck mit einem neuen, gegen den Herzog direct gerichteten coup in den Herzogthümern vorgehen und damit das Signal zu einer neuen Wendung der Dinge geben, welche sich für Oesterreich kurz als eine Vertauschung der Preußischen Allianz mit der Deutschen bezeichnen lasse. In diesem Falle würde natürlich das erste und wichtigste sein, sich möglichst rasch mit den übrigen deutschen Staaten ins Einvernehmen zu setzen. Mit Rücksicht darauf müsse er daher für wünschenswerth halten, daß die noch anwesenden Deutschen Gesandten Wien vor jenem Zeitpunkt nicht verlassen. Sei der letztere einmal vorüber, so werde sich jedenfalls mit einiger Sicherheit übersehen lassen, welche Wendung die Dinge

— 91 — für die nächsten Monate nehmen und sei diese Wendung voraussichtlich eine friedliche, so würde auch er (:Mensdorff:) nicht säumen, fortzugehen . . . Schließlich muß ich noch erwähnen, daß im Laufe der Unterredung Graf Mensdorff mir noch ganz im Vertrauen sagte, daß man im Kriegsministerium bereits seit einer Reihe von Tagen damit beschäftigt sei, alle Vorbereitungen für eine ernste Wendung der Dinge zu treffen und nur das noch unterbleibe, was alsbald große Ausgaben mit sich bringen würde, und beifügte, er sage mir das vertraulich, weil er es für sehr wichtig halte, daß die übrigen deutschen Regierungen sich den vollen Ernst der Situation sowie die Entschiedenheit der hiesigen Auffassung ganz klar machten und folgeweise über die von ihnen einzunehmende Haltung rechtzeitig ihren Entschluß faßten, damit nicht nachher im Moment der Krisis die beste Zeit mit Überlegen und Bedenken nutzlos hingehe. — Verehrungsvoll verharrend

Edelsheim.

A n l a g e N r . 9. M e n s d o r f f an M e t t e r n i c h 1 1 . A u g u s t 1865 (H. W.). Lettre particulière confidentielle.

Vienne, le 1 1 Août 1865.

L'affaire des Duchés de l'Elbe avait pris dans ces derniers temps une tournure telle qu'une rupture avec la Prusse semblait imminente. Les communications que je Vous ai fait parvenir régulièrement Vous ont mis au courant des prétentions prussienes et des causes qui avaient amené peu à peu le refroidissement de nos relations avec la Cour de Berlin. Forcés de songer sérieusement à l'éventualité d'une guerre, nous avons du nous préoccuper de l'attitude de la France et il nous importait, — si la crise devait réellement éclater, — de nous assurer de la neutralité de l'Emp. Napoléon. Nous aurions même pu nous trouver dans le cas de rechercher le concours actif de la France, si les Etats secondaires de l'Allemagne ne nous offraient pas un appui suffisant. Dans ces circonstances j'ai du Vous demander de rester à Paris afin que Vous puissiez soutenir de Votre influence personelle auprès de la Cour des Tuileries les ouvertures que nous aurions eu à adresser au Gouv' français. La gravité de la situation augmentait encore par suite des menées ourdies à Florence par M. de Bismarck. Elles nous ont été révélées par des télégrammes interceptés qui ne pouvaient nous laisser aucun doute sur la réalité du danger. L a correspondance qui continue à s'échanger entre Gastein et Florence indique chez les Italiens une disposition prononcée à profiter d'une rupture ouverte entre l'Autriche et la Prusse pour attaquer la Vénétie. Ils ne sont retenues que par la crainte d'être sacrifiés par la Prusse qui se réconcilierait avec l'Autriche en les abandonnant. Le Général de la Marmora se préoccupe égale-

— 92 — ment beaucoup de l'attitude de l'Emp. Napoléon qui ne saurait guère rester longtemps spectateur passif d'une guerre prenant des proportions un peu étendues. Vos télégrammes et Vos lettres particulières nous ont transmis des informations rassurantes sur les dispositions personelles de l'Emp. Napoléon et sur celles de son gouvernement. Il nous est cependant difficile d'éprouver à cet égard une confiance sans bornes. Ainsi que Vous le faites observer, vous-même, l'Emp. Napoléon verrait assurément avec une certaine satisfaction les deux grandes Puissances allemandes en venir aux mains. Il est donc probable que son langage vis à vis de la Cour de Berlin n'est pas de nature à décourager les velléités belliqueuses de M. de Bismarck. Nous en trouvons la preuve dans le télégramme que M. de Goltz a adressé à sa Cour pour lui rendre compte de l'entretien qu'il a eu avec l'Impératrice Eugénie à Fontainebleau. Ce télégramme ayant été intercepté et déchiffré ici, j'en trouve le texte assez important pour Vous le transmettre ci-annexé. Je Vous envoie enfin un courrier pour plus de sûreté, car je crains qu'un télégramme se puisse être aussi déchiffrée à Paris et cela révélerait la source d'où nous puisons nos renseignements. Cette communication Vous fera voir qu'on est loin de décourager la Prusse et qu'on tient entre nous la haleine assez égale. Je profite d'ailleurs de cette occasion pour Vous mettre brièvement au courant de la situation d'aujourd'hui. De puissantes considérations fondues principalement sur l'état intérieur de l'Empire nous font un devoir d'éviter la guerre, si nous pouvons honorablement le faire. Dans ce but le C te de Blome à été envoyé à Gastein pour y faire un dernier essai de conciliation. Les dispositions qu'il a observées chez le Roi de ^Prusse et son Ministre nous ont fait croire à la possibilité de conclure u n a r r a n g e m e n t b a s é s u r le p a r t a g e d e s D u c h é s entre les deux Puissances. Nous garderions pour notre part le Duché de Holstein en permettant à la Prusse d'établir à Kiel un port militaire. Le Duché de Schleswig passerait à la Prusse à laquelle nous abandonnerions aussi le Duché de Lauenburg moyenant une compensation. Le C te de Blome est retourné à Gastein a v e c ces p r o p o s i t i o n s , qui si elles sont acceptées seront aussitôt revêtues de la forme d'un traité. Les deux Puissances auraient le d r o i t d e d i s poser selon leurs c o n v e n a n c e s du t e r r i t o i r e q u i leur s e r a i t é c h u en p a r t a g e . Nous avons lieu de penser que la Prusse souscrira à cet arrangement et dans ce cas toute éventualité de guerre se trouverait écartée. La décision ne peut tarder et je me hâterai de Vous en informer par le télégraphe. Si le traité est conclu, rien ne s'opposera plus à ce que Vous profitiez de votre congé; si quelque difficulté nouvelle fait échouer cette dernière tentation, nous devons alors nous préparer sérieusement à la guerre et nous compterons dans ce cas sur Vous afin d'entretenir l'Emp. Napoléon dans les dispositions désirables. D'après les derniers télégrammes du C te de Blome, la conclusion du traité paraît probable et le fil électrique Vous l'annoncera peut-être avant l'arrivée de cette lettre. Recevez. . .

Beihefte der Historischen Zeitschrift Die Bezieher der „Historischen Zeitschrift" erhalten die Beihefte bei Bestellung vor Erscheinen mit 25 %> nach Erscheinen mit 1 5 % Nachlaß. Heft 1: Baron, Hans: Calvins Staatsanschauung und das konfessionelle Zeitalter. 130 S. 8°. 1924 M. 3.20 Heft 2: Troeltsch, Ernst: Die Bedeutung des Protestantismus fiir die Entstehung der modernen Welt. 5. Aufl. 103 S. 8°. 1928 Geb.M. 4.80 Heft 3: Precht, Hans: Englands Stellung zur deutschen Einheit 1848—1850. 192 S. 8°. 1925 M. 4.50 Heft 4: Erman, W.: Der tierische Magnetismus in Preußen vor und nach den Freiheitskriegen. 128 S. 8°. 1925 M. 3.80 Heft 5: Hölzle, E.: Die Idee einer altgermanischen Freiheit vor Montesquieu. 118 S. 8°. 1925 M. 4.20 Heft 6: Masur, Gerh.: 1926

Rankes Begriff der Weltgeschichte. 141 S. 8°. M. 4.50

Heft 7: Vigener, Fritz: Drei Gestalten aus dem modernen Katholizismus (Möhler, Diepenbrock, Döllinger). 200 S. 8°. 1926 M. 6.80 Heft 8: Stolberg-Wernigerode, Otto Graf zu: Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, ein Freund und Ratgeber König Friedrich Wilhelms I V . 144 S. 8°. 1926 M. 4.80 Heft 9: Hoffmann-Linke, Eva: Zwischen Nationalismus und Demokratie. Gestalten der franz. Vorrevolution. 324 S. 8°. 1927 M. 8.50 Heft io:Below, G . v.: Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters. 167 S. 8°. 1927 M. 7 . — Heft n : Voßler, Otto: Mazzinis politisches Denken und Wollen in den geistigen Stömungen seiner Zeit. 94 S. 8°. 1927 M. 3.60 Heft 12: Bein, Alex.: Die Staatsidee Alexander Hamiltons in ihrer Entstehung und Entwicklung. 191 S. 1 Taf. 8°. 1927 — . M. 5.80 Heft 13: Leusser, Herrn.: Ein Jahrzehnt deutsch - amerikanischer Politik (1897—1906). 114 S. 8°. 1928 M. 4.50 Heft 14¡Walser, Fritz: Die politische Entwicklung Ulrichs von Hutten während der EntscheidungsiahrederIUformatk>a^i43 S. 8°. 1928. M.4Ü®

Heft i j : Simon, Ernst: Ranke und Hegel. 220 S. 8°. 1928

M. 5.80

Heft 16: Erben,Wilh.: Kriegsgeschichtedes Mittelalters. 144 S. 8°. 1929. M. 6.5 o Heft 17: Voßler, Otto: Die amerikanischen Revolutionsideale in ihrem Verhältnis zu den europäischen. Untersucht an Thomas Jefferson. 201 S. 1929 M. 7.50 Heft 18: Ruth, Paul Hermann: Arndt und die Geschichte. Ein Beitrag zur Arndtforschung und zur Problemgeschichte des Historismus vornehmlich bis zum Ende der Befreiungskriege. 216 S. 8°. 1930 M. 7.20 Heft 19: Geyer, Fritz: Makedonien bis Zur Thronbesteigung Philipps II. 155 S. 8°. 1930 M. 7.— Heft 20: Gilbert, Felix: Johann Gustav Droysen und die Preußisch-Deutsche Frage. 154 S. 8°. 1931 M. 6.40 Heft 2 1 : Spiegel, Käthe: Die kulturgeschichtlichen Grundlagen der amerikanischen Revolution. 224 S. 8°. 1931 M. 9.— Heft 22:Lerner, Franz: Kardinal Hugo Candidus. 77 S. 8°. 1931 . . . M. 4.— Heft 23: Fritzemeyer, Werner: Christenheit und Europa. Zur Geschichte des europäischen Gemeinschaftsgefühls von Dante bis Leibniz. 173 S. 8°. 193 1 M. 7.20 Heft 24: Spangenberg, H.: Territorial-Wirtschaft und Stadtwirtschaft. Ein Beitrag zur Kritik der Wirtschaftsstufentheorie. 155 S. 8°. 1932. M. 8.50 Heft 25: Rosenthal, Erwin: Ibn Khaldüns Gedanken über den Staat. Ein Beitrag zur Geschichte der mittelalterlichen Staatslehre. 127 S. 8°. 1932. M. 6.50 Heft 26: Nitzschke, Heinz: Die Geschichtsphilosophie Lorenz von Steins. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. 14; S. 8°. 193 2 M. 6.— Heft 27: Kluke, P.: Heeresaufbau und Heerespolitik Englands vom Butenkriege bis zum Weltkrieg. 213 S. 8°. 1932 M. 8.50 Heft 28: Lenz, Georg: Demokratie und Diktatur in der englischen Revolution 1640-1660. 220 S. 8°. 1933 M. 7.50 Heft 29: Stadelmann, Rud.: Das Jahr 1865 und das Problem von Bismarcks deutscher Politik. 98 S. 8°. 1933 Heft 30: Wieruszowski, Helene: Vom Imperium zum nationalen Königtum. Erscheint im Herbst 1933.

R. OLDENBOURG . MÜNCHEN i UND BERLIN