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German Pages 420 [422] Year 2022
Andreas Neumann
Gelehrsamkeit und Geschlecht Das Frauenstudium zwischen deutscher Universitätsidee und bürgerlicher Geschlechterordnung (1865–1918)
WISSENSCHAF T SKULT UREN Reihe III: Pallas Athene Band 56
Franz Steiner Verlag
Herausgegeben von Caspar Hirschi Christian Joas Veronika Lipphardt Kärin Nickelsen Sylvia Paletschek Margit Szöllösi-Janze
W I S S E N S C H A F T S K U LT U R E N Reihe III: Pallas Athene Geschichte der institutionalisierten Wissenschaft Bd. 56
Gelehrsamkeit und Geschlecht Das Frauenstudium zwischen deutscher Universitätsidee und bürgerlicher Geschlechterordnung (1865–1918) Andreas Neumann
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und der Hans-Böckler-Stiftung
Umschlagabbildung: „Die Entwicklung zur Weisheit“. Hauptportal des Hauptgebäudes der Universität Jena, erbaut 1905–1908 nach Entwürfen des Architekten Theodor Fischer. Die allegorische Darstellung knüpft an Geschlechtervorstellungen über das vermeintlich intuitive Wissen der Weiblichkeit und das räsonierende Wissen der Männlichkeit an: Sie zeigt den menschlichen Erkenntnisprozess, der mit den biblischen Figuren Adam und Eva nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies begann. Die links im Vordergrund zu sehende Schlange symbolisiert ein mit stetigen Zweifeln behaftetes irdisches Wissen. Die Frauendarstellung in der Bildmitte lüftet die unter ihrem Schleier verborgene Erdkugel. Sie steht für das überirdische Wissen. Die beiden männlichen Figuren auf der rechten Seite symbolisieren neuzeitliche Buchgelehrte, die sich in einem Disput befinden. Foto: privat Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13165-0 (Print) ISBN 978-3-515-13166-7 (E-Book)
Inhalt I. 1. 2. 3. 4. 5. II. 1. 2. 3. 4.
Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Kontextualisierung: Die Ausnahme als Produkt der Übergangszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Problematisierung und Erkenntnisinteresse: Ausnahmen als Ausnahme erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragestellung, Hypothesen, Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodologie: Zur Theorie und Praxis wissenssoziologischer Diskursanalyse in der Geschichtswissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes . . . . . . . . Universitäten und Hochschullehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frauenbewegung und Aktivistinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akademische Berufsfelder und Freiberufler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit: Die Konstruktion bildungsbürgerlicher Phänomenstrukturen . . . . . .
III. Wissensbestände: Die Vermessung der akademischen Frauenbildungsfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaft: Ordnung im sozialen Wandel – Wandel der sozialen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschlechterordnung: Vom Sein und Sollen komplementärer Existenzen 3. Bildungswege: Gleiche Bildung für Männer und Frauen? . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzbereiche: Auf der Suche nach Alterität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit: Deutungsmuster und Aktivierungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Effekte des Macht-Wissen-Komplexes: Die Durchsetzung des Frauenstudiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutionalisierungen: „Chi và piano và sano“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskurstransformationen: „Der Kampf tobt jetzt mächtiger als je“ . . . . . . . . 3. Subjektkonstruktionen: Die Erfindung der akademischen Frau. . . . . . . . . . . 4. Fazit: Zur dynamischen Stabilisierung von Universitätsstruktur und Geschlechterordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 9 14 18 36 39 57 65 89 113 131 137 138 167 206 234 253 262 265 284 325 338
6 V. 1. 2. 3.
Inhalt
Schlussbetrachtung: Vom Einschreiben der Ausnahmen und dem Bewahren der Männeruniversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Schlüsselkategorien und globale Strategien des Diskursfeldes . . . . . . . . . . . . 343 Die Ausnahmen als Projektionsfläche brüchiger Bildungsideale . . . . . . . . . . 351 Ausblick: Lebenswege zwischen Anpassung und Devianz . . . . . . . . . . . . . . . . 354
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korpus der diskursanalytisch ausgewerteten Publikationen zum Frauenstudium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitale Archive, Quelleneditionen und biografische Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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361 361 361 380 386
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
I. Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen Die Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium im deutschen Kaiserreich ereignete sich in den Jahren zwischen 1900 und 1909 durch Beschlüsse der einzelnen deutschen Regierungen. Diese Zeit erscheint lang angesichts eines Begehrens, dessen Legitimität außerhalb Deutschlands etwa in den USA, der Schweiz, in England, in Frankreich, in Spanien und in den skandinavischen Ländern bereits breite Anerkennung fand. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, wie lang der Prozess tatsächlich dauerte: Die sich formierende deutsche Frauenbewegung erhob die ersten Forderungen nach höherer Bildung für Frauen bereits 35 Jahre früher. Nun ließe sich sagen, Institutionen und ihre Akteurinnen und Akteure sind träge, denn das Wesen von Institutionen ist gerade ihre Beständigkeit. Dennoch fragt sich: Weshalb dauerte dieser Wandel an den deutschen Universitäten besonders lang und welche Weichenstellungen führten schließlich eine Änderung herbei? Es gibt bereits ein beachtliches Spektrum an Arbeiten zum Frauenstudium.1 Sie beleuchten das Thema aus dem Blickwinkel der politischen Ideen- und Ereignisgeschichte sowie der Sozial- und Kulturgeschichte: Deshalb sind die Argumente und Gegenargumente innerhalb der Auseinandersetzung des späten 19. Jahrhunderts ebenso bekannt wie die politische Ereignisfolge zur Öffnung der Institution zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zudem geben statistische Daten ein detailliertes Bild zur sozialen Herkunft der ersten Studentinnengenerationen sowie deren späterem Berufsleben. Kulturgeschichtliche Studien rekonstruieren anhand der zahlreichen Biografien die Alltags- und Lebenssituation dieser neuen Statusgruppe an den deutschen Universitäten und in akademischen Berufen. Nur wenige Arbeiten thematisieren das Spannungsverhältnis zwischen Kontinuität und Dynamik, dem sich die Institution unter dem Druck gesellschaftlicher Wandlungs-
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Bei kursiv gesetzten Begriffen handelt es sich um zeitgenössische Quellensprache: Zwar sind es keine direkten Zitate, jedoch zentrale Aussagebestandteile des untersuchten Diskursfeldes. Die Hervorhebung begegnet der Gefahr einer unreflektierten Reproduktion impliziter Wertungen durch die Verwendung dieser Begriffe, die mit einer Beschreibung und Analyse des Diskursfeldes einhergeht.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
prozesse ausgesetzt sah. Keine Arbeit hat dieses Spannungsverhältnis bislang im Hinblick auf die Wechselwirkungen zwischen den drei Ebenen des Wissens, der Institution und der Subjekte untersucht. Dieses Spannungs- und Abhängigkeitsverhältnis enthält aber den Schlüssel zum Verständnis der nur langsam sich vollziehenden institutionellen Öffnungsprozesse sowie ihrer begrenzten Reichweite. Um die Wechselwirkungen zwischen Wissen, Institution und Subjekt in den Blick zu bekommen, versteht die Studie den Streit um die akademische Frauenbildungsfrage als ein Diskursfeld: In diesem Diskursfeld traten soziale Akteure und Akteurinnen auf, die sich in institutionellen Feldern bewegten und dadurch mit Machtpotenzialen ausgestattet waren, die es ihnen erlaubten, als Sprechende zu agieren. Das Mittel dieser Akteurinnen und Akteure war das Wort und ihr Ziel die Aktivierung von Deutungsmustern, die festlegten, welche Probleme überhaupt als solche anerkannt wurden und welche Lösungen für sie in Frage kamen. Eine derartige Aktivierung von Deutungsmustern sorgte dafür, dass sich Wissen, Institution sowie die Vorstellungen über den legitimen Handlungsspielraum von Subjekten veränderten. Die zentrale These dieser Untersuchung lautet: Innerhalb des Diskursfeldes zur akademischen Frauenbildungsfrage bildete sich ein struktureller Konsens zwischen bewahrend-konservativen und befreiend-liberalen Diskursstrategien heraus. Dieser Konsens bewirkte eine dynamische Stabilisierung des universitären Feldes. Ein zentraler Teil dieser Stabilisierung der klassischen Männeruniversität betrifft die Konstruktion der sogenannten Ausnahmestudentin. Die kaum zu erreichenden Erwartungen an diese hochbegabten Ausnahmen waren ein wichtiges Element dessen, was als gläserne Decke für einen subtilen Ausschluss von Frauen aus universitären Karrierewegen sorgte und noch heute sorgt. Empirisch rekonstruieren lässt sich das Diskursfeld durch zeitgenössische Publikationen zum Thema des Frauenstudiums: In dem guten halben Jahrhundert zwischen 1866 und 1918 entstanden vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz, etwa 450 derartige Publikationen.2 Diese Schriften sind Fragmente des Wissens und der Macht. Sie helfen zu verstehen, auf welche Weise sich die Spannungen kanalisierten und Veränderungen bewirkten. Sie fragten danach, wie und weshalb Frauen einen Platz an den Universitäten finden sollten und was dies aus den Universitäten und, noch bedeutsamer, aus den Frauen machen würde. Diese Fragen und Antworten klassifizierten sowohl den Gegenstand der Universität als auch das Subjekt der Studentin. Letztere konnte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich an den deutschen Universitäten immatrikulieren. Längst etabliert hatte sich dabei das Wissen
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Das Korpus umfasst den deutschen Sprachraum, da Beiträge aus Österreich und der Schweiz in Deutschland rezipiert wurden und damit einen bedeutsamen Einfluss auf die dortigen Entwicklungen ausübten. Zudem begrenzt es sich auf programmatische Beiträge, die über reine Ereignismeldungen in Service- bzw. Berichtsteilen von Zeitschriften hinausgehen. Näheres zur Korpusbildung vgl. Kapitel I, 5. Abschnitt: Quellenkorpus.
Historische Kontextualisierung: Die Ausnahme als Produkt der Übergangszeit
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über die Position dieses Subjekts innerhalb der Universität: Frauen erhielten Eintritt, mussten dabei jedoch Frauen im Sinne eines spezifisch deutschen Weiblichkeitsideals bleiben. Dieser prekäre Status im öffentlichen Raum gestattete es nur den sogenannten Ausnahmen, sich vom vermeintlichen Schicksal ihres Geschlechts zu emanzipieren. Die Möglichkeit zur individuellen Entfaltung in Bildung und Beruf bot sich lediglich einer begabten Elite. 1. Historische Kontextualisierung: Die Ausnahme als Produkt der Übergangszeit Die Frage nach höherer Frauenbildung kam in Deutschland im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf. Sie gehört zum Kosmos sozialer, wirtschaftlicher, politischer und kultureller Veränderungen. Im Reden über die akademische Frau kreuzten sich die drängendsten Themen der Zeit: Es finden sich Aussagen zum Wandel der Familienund Erwerbswelt, zum Charakter familialer, staatlicher und politischer Ordnung, zur Zukunft von humanistischer Bildung und sich ausdifferenzierender Wissenschaft sowie zur Grenzziehung zwischen Natur und Kultur. Diese thematischen Überlagerungen deuten auf die durchlässigen Grenzen zwischen öffentlichen Diskursen und wissenschaftlichen Spezialdiskursen. Es traf sich das Alltagswissen über die vermeintliche Natur der Geschlechter mit dem Fachwissen der Wissenschaft.3 Das universitäre Feld war keine Insel.4 Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts brach die materialistische Welt in die idealistisch bewehrten Mauern der deutschen Universität herein: Rund um die Hochschulen wuchsen der Handel, die Städte und der Wohlstand. Die Söhne einer neuen Mittelschicht zogen an die Universitäten. Die zweite Welle der Industrialisierung führte zum Bedarf nach naturwissenschaftlicher Großforschung. Mit diesem Wandel konnte die alte Ordinarienuniversität kaum mehr schritthalten – die Zahl ordentlicher Lehrstühle blieb begrenzt, während die der Privatdozenten stieg. Die länger werdenden Wartezeiten bis zu einem Ordinariat entwickelten sich zur sowohl psychisch als auch finanziell belastenden Geduldsprobe.5 So mancher als junger Student an die Universität gekommene Bildungsbürger war längst alter Philister, als er die ökonomischen Voraussetzungen zur Familiengründung erlangte.6 Auch im Staatsdienst mussten Anwärter oft lange auf eine Beamtenstelle warten, sei es im Lehramt oder in einer Behörde. Die Väter veranlasste dies zur Frage, was mit ihren nicht aufgeheirateten Töchtern geschehen solle – deren an höheren Mädchenschulen erworbenes Wissen ebenso weltfremd war wie die neuhumanistisch-verklärte Bildung an den Knabengymnasien und Hochschulen. 3 4 5 6
Hierzu vgl. Kapitel III, 2. Abschnitt: Geschlechterordnung. Zum Feldbegriffs in der Geschlechterforschung vgl. Engler (2010), S. 262 f; Krais (2000), S. 36–40. Vgl. Ringer (1988), S. 95. Vgl. Haupt (1992), S. 155.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Diese Entwicklungen führten zu einem Krisengefühl, wie es der Professor für Philosophie Theobald Ziegler (1846–1918) treffend beschrieb: Wir leben in einer Uebergangszeit […] – wir fühlen uns auch als die Menschen dieses Uebergangs. Uebergangszeit aber ist böse Zeit; vor allem weil in ihr unsere Gedanken und Gefühle zwiespältig geworden sind.7
Gedanken und Gefühle waren einem Wandel ausgesetzt, der einstige Überzeugungen brüchig werden ließ, ohne dass die neue Ordnung hinreichend gefestigt gewesen wäre, um an ihr Halt zu finden.8 Zwar waren durch das Berliner Universitätsmodell in vielerlei Hinsicht die Weichen für eine Entwicklungsfähigkeit der deutschen Universitäten gestellt, die der gesellschaftlichen Dynamik des 19. Jahrhunderts entsprach. Doch was einstmals den Weg zur Forschungsuniversität geebnet hatte, war längst selbst reformbedürftig. Die Idee der Einheit von Forschung und Lehre, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts Vorteile gegenüber den napoleonischen Staatsanstalten in Frankreich verhieß, sorgte nun für einen idealistischen Humboldt-Mythos, der es nur umso schwerer machte, sich mit den notwendigen Veränderungen zu arrangieren.9 Besonders schwer taten sich damit konservative Professoren.10 Liberal eingestellte Gelehrte wie der Pädagoge Friedrich Paulsen (1846–1908) trauerten zwar ebenso um vergangene Zeiten, doch begriffen sie, dass es angesichts des Wandels der Gesellschaft und damit auch der Geschlechterordnung eine Frage der Gerechtigkeit sei, zumindest jenen Frauen Zugang zur Universität zu verschaffen, welche die notwendige Qualifikation mitbrachten.11 Bei denen, die es ernst meinten, war zu unterscheiden zwischen den Brotstudentinnen, die es nach Abschluss ihres Studiums in die häufig neu geschaffenen, weiblich konnotierten Berufsfelder zog, und den seltenen Ausnahmen, deren „Leidenschaft“ für die wissenschaftliche Arbeit ein Verbleib im universitären Feld rechtfertigte.12 Gleichwohl trieb auch liberale Männer die Sorge um, diese Leidenschaft könne sogenannte Blaustrümpfe hervorbringen, denen es an Weiblichkeit mangele.13 7 8 9 10 11 12 13
Ziegler: (1908 [1895]), S. 16. Von einem solchen Krisengefühl müssen die strukturellen Faktoren einer politisch-ökonomischen Systemkrise unterschieden werden, die sich zwischen 1908 und 1914 zuspitzte. Vgl. Doerry (1986), S. 12–29. Die vor 1789 existierenden französischen Universitäten wurden durch berufsorientierte Spezialschulen und Fakultäten ersetzt. Vgl. Rüegg (2004). Zur Diskussion über den „Mythos Humboldt“ vgl. Ash (1999) bzw. zur „Erfindung von Humboldt“ vgl. Paletschek (2001), S. 78. Ringer spricht hier von den „Orthodoxen“. Ringer (1983), S. 121. Vgl. Paulsen (1902), S. 142–145. Weber (1990 [1919]), S. 204; Art. „Brotstudium“, in: Golücke (1987), S. 73. Exemplarisch hierfür die Worte des Nationalliberalen Friedrich Endemann im Reichstag: „Setzen wir voraus, daß die körperlichen und geistigen Eigenschaften der Frauen sie vollständig zum wissenschaftlichen Beruf befähigen, so bleibt doch eine Frau, die aus dem Gebiet ihres weiblichen Fühlens heraustritt, immer etwas anderes; sie mögen sagen, was Sie wollen. Ich erinnere nicht an die Zunft der Blaustrümpfe oder gar der Mannweiber; […].“ Reichstag (1893), S. 1215.
Historische Kontextualisierung: Die Ausnahme als Produkt der Übergangszeit
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Es blieb für Studentinnen also nicht viel Raum an den Universitäten. Ein Eindruck von der ihnen verbleibenden Nische lässt sich aus einer Quelle gewinnen, die bereits vor der formalen Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium entstand: Im Jahr 1897 veröffentlichte der Journalist Arthur Kirchhoff (1871–1921) die Ergebnisse einer von ihm zur Frage des Frauenstudiums initiierten Umfrage.14 Die Antworten in Form von Gutachten geben einen ersten Einblick in die drei Untersuchungsebenen: in die Institution, die Machtbeziehungen stabilisiert und reproduziert; in das Wissen, das Institutionen prägt und trägt; und in die Positionen der Subjekte, die innerhalb der Institution existieren und die sich entlang institutioneller Öffnungsprozesse etablieren. Das Wissen funktionierte dabei als Rechtfertigungsnarrativ, das die gesellschaftlichen und damit zugleich die vergeschlechtlichten Strukturen des Kaiserreiches zu Bedingungsfaktoren der deutschen Universität machte. In dieser Rechtfertigung zeigt sich eine Homogenität im Gedankengut, das sowohl konservative Gegner als auch liberale Befürworter des Frauenstudiums an den Tag legten: Während die Familie und damit ein vermeintlich weiblicher Naturberuf die sozialen Reproduktionsbedingungen sichern solle, könne sich das Staatswesen auf diesem gesellschaftlichen Nährboden entfalten. In einer solchen organizistischen Perspektive wirkte die Universität wie ein Ort des Gewissens, wie eine moralische Schaltzentrale, die sowohl über die Tradition als auch über das Fortschreiten des Volkes auf seinem Weg in die Zukunft wacht. Zugleich offenbart sich in diesem Muster der Weltwahrnehmung eine Krise der Rechtfertigung vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Wandels, den die damals Beteiligten als soziale Frage problematisierten. Aus heutiger Sicht oszillierten die einzelnen Bewertungen dieses Wandels zwischen Übergangszeit, Krise oder Katastrophe. Im Umgang mit den Veränderungen brach die Homogenität auf und das Diskursfeld ordnete sich entlang einer ganzen Reihe von Strategien, die unterschiedliche Problemdeutungen und Handlungsmöglichkeiten enthielten. Wenige Aussagen passen in eine streng zwischen modern und orthodox unterscheidende Dichotomie. Vielmehr scheint es zu einer Übereinkunft zwischen Liberalen und Konservativen gekommen zu sein, die gerade durch eine Abgrenzung zu befreiend-radikalen und bewahrend-reaktionären Strategien möglich wurde.15 Ein Großteil der Gutachten bewegte sich damit in einer Grauzone: Die Professoren lehnten eine Zulassung von Frauen zu den deutschen Universitäten in vielen Fällen weder uneingeschränkt ab, noch befürworteten sie diese bedingungslos.16 14 15
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Kirchhoff (1897). Die hier gewählten Bezeichnungen bewahrend-reaktionär, bewahrend-konservativ, befreiendliberal und befreiend-radikal beziehen sich auf vier narrative Strukturen, die als Grunderzählungen verschiedene Deutungsmuster miteinander verbanden. Die radikale Diskursstrategie ist nicht identisch mit dem radikalen Flügel der Frauenbewegung, wenngleich deren Akteurinnen und Akteure die narrativen Strukturen dieser Strategie nutzten und wesentliche Bestandteile der dort integrierten Deutungsmuster geprägt haben. Zum Begriff der narrativen Struktur vgl. Kapitel I, 5. Abschnitt: Interpretative Analytik. Zur Analyse der Deutungsmuster vgl. Kapitel III., 5. Abschnitt: Deutungsmuster und Aktivierungspotenziale. Vgl. Kapitel IV, 2. Abschnitt: Verstärkte Erfahrungen.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Die bekannteste Äußerung der Kirchhoff ’schen Gutachten stammt vom Begründer der Quantenmechanik, Max Planck (1858–1947). Seine Aussagen stehen exemplarisch für den Typus des konservativen Bewahrers, etwa wenn er in einem Satz sowohl die Vorstellung von der wissenschaftlichen Wahrheitssuche als einem Kampf als auch von einer natürlichen Differenz zwischen weiblicher und männlicher Denkart zum Ausdruck brachte: Studentinnen, in seinen Worten „Amazonen“, seien „auf geistigem Gebiet naturwidrig“. Doch handelte es sich bei Planck trotz naturalisierter Geschlechtervorstellungen keineswegs um einen reaktionären Frauenfeind, wie es seine Polemik zunächst glauben macht. Vielmehr folgten seine Ausführungen einer bewahrend-konservativen Strategie, die sich anders als die strikt bewahrend-reaktionäre Strategie innerhalb des Diskursfeldes zur akademischen Frauenbildungsfrage als durchaus konsensfähig mit liberaleren Deutungsmustern erwies. Denn in seinem Gutachten heißt es auch:17 Wenn eine Frau, was nicht häufig, aber doch bisweilen vorkommt, für die Aufgaben der theoretischen Physik besondere Begabung besitzt und außerdem den Trieb in sich fühlt, ihr Talent zur Entfaltung zu bringen, so halte ich es […] für ungerecht, ihr aus prinzipiellen Rücksichten die Mittel zum Studium von vornherein zu versagen […]. […] Andererseits muß ich aber daran festhalten, daß ein solcher Fall immer nur als Ausnahme betrachtet werden kann […].18
Und tatsächlich förderte Planck zahlreiche Physikerinnen, darunter Elsa Neumann (1872–1902) und Lise Meitner (1878–1968). Damit ist eine Erscheinung in den Blick geraten, die zur zentralen These dieser Studie führt: Die Einschreibung der Ausnahmen besitzt eine strukturierende und strukturierte Doppelnatur, die in den Zitaten des Liberalen Paulsen und des Konservativen Planck beispielhaft aufscheint. Die partikulare Förderung einzelner Talente mit besonderer Begabung tangiert den ersten und offenkundigsten Aspekt dieser Einschreibung. Er betrifft die tatsächlichen Auswirkungen der Existenzbedingungen. Der zweite Aspekt zielt tiefer und betrifft die Existenzbedingungen selbst. Es geht hier darum, wie es zu dem Wissen um die Subjektposition der Ausnahme im universitären Feld kommen konnte, auf welche Probleme dieses neue Identitätsmuster reagierte und welche Funktion es erfüllte. Die Klassifikation der Ausnahme öffnete die starre Geschlechterordnung einen Spaltbreit. Sie entsprach dem kaum zu erreichenden Ideal der gelehrten Jungfrau – frei von ehelichen Verpflichtungen und beseelt von der reinen Hingabe an die Wissenschaft, wie sie im Zeichen einer libertas philosophandi an den Reformuniversitäten in Halle und Göttingen gediehen waren. Im Dunstkreis der Ideen von Lehr- und Lernfreiheit erhielten dort bereits im 18. Jahrhundert zwei Frauen den Doktorhut: zunächst Dorothea Christiane Erxleben
17 18
Bereits Annette Vogt wies auf die Ambiguität von Plancks Ansichten hin. Vgl. Vogt (2007), S. 39–43. Max Planck, in: Kirchhoff (1897), S. 256.
Historische Kontextualisierung: Die Ausnahme als Produkt der Übergangszeit
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(1715–1762) in Halle 1754 und später Dorothea Schlözer (1770–1825) in Göttingen 1787, im Alter von nur 17 Jahren.19 In den bisherigen Ausführungen blieb die Geschichte der institutionellen Verfasstheit der deutschen Universitäten außer Acht. Der Blick in Rechtspraxis und Statuten offenbart, dass diese Geschichte keineswegs linear verlief, sondern vielmehr einem mäandernden Flusslauf gleicht: Dieser führte von der Praxis eines geheimen Studiums in Einzelfällen wie denen von Erxleben oder Schlözer zum völligen Ausschluss in den 1870er und 1880er Jahren, um dann in den 1890er Jahren erneut zur Praxis der Erlaubnis von Gasthörerinnen zurückzukehren und schließlich in der vollständigen Zulassung zu münden. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sah das akademische Bürgerrecht der Universitätsstatuten keinen konkreten Ausschluss von Frauen vor. Wie selbstverständlich koppelte sich dieses Bürgerrecht an eine männliche Identität.20 Der verfassungsmäßigen Unsichtbarkeit des Ausschlusses von Frauen stand die Gewohnheit gegenüber, hin und wieder Frauen in Vorlesungen als Gäste zuzulassen. Da es kaum Quellen zu dieser Praxis gibt, ist anzunehmen, dass es sich um wenige Fälle handelte, die noch dazu nicht als Problem gedeutet wurden. Das bislang kaum Denkbare rückte erst als Problem ins Bewusstsein, als sich 1865 der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) gründete, der als oberstes Ziel eine Ausweitung höherer Bildung für Frauen forderte. Zudem öffnete die Universität Zürich 1867 als erste deutschsprachige Hochschule ihre Tore für Studentinnen – zuvor waren Frauen dort bereits als Gasthörerinnen zugelassen. Es begann eine Debatte über Frauen an Universitäten, die über 30 Jahre anhalten sollte. Was zuvor nur sehr vereinzelt in Form inoffizieller Gasthörerinnenschaft auftrat und als kaum erwähnenswerter Sonderfall geduldet werden konnte, geriet für Rektoren, Bildungsminister und Kuratoren zum Politikum und zur lästigen Dauerfrage: Wie umgehen mit den ansteigenden Gesuchen nach Zulassung? Zahlreiche Universitäten und Landesregierungen des Kaiserreichs antworteten mit verschärfter Klausur: 1871 beschloss der Heidelberger Universitätssenat ein generelles Gasthörerinnenverbot. Es folgten die Universitäten Straßburg und Jena in den Jahren 1873 respektive 1879. Für die zehn preußischen Universitäten galt per Regierungserlass seit 1886 ein rigoroses Aufnahmeverbot von Hörerinnen – was die Senate der meisten Universitäten dankbar begrüßten.21 Alle anderen Universitäten des Kaiserreichs übernahmen den ablehnenden Trend ohne explizite Verbote und setzten damit den älteren gewohnheitsmäßigen Ausschluss von Frauen fort. Auch Österreich reagierte 1878 mit einem Zulassungsverbot für das von vielen Frauen, insbesondere aus dem russischen Raum, angestrebte Medizinstudium.22
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Vgl. hierzu Niemeyer (1996). Vgl. Mazón (2003), S. 214; vgl. auch dies. (2001). Vgl. Birn (2015), S. 64–70. Vgl. Hauch (2009), S. 13.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Nachdem es, durch die Liberalisierungsprozesse am Ende der 1880er Jahre begünstigt, zahlreiche Petitionen vonseiten der bürgerlichen Frauenbewegung gegeben hatte und sowohl Parlamente als auch die breitere Öffentlichkeit sich mit dem Thema konfrontiert sahen, lockerte Preußen 1896 seine Beschränkungen. Insbesondere in Berlin stiegen die Zahlen der Gasthörerinnen rapide an.23 Dennoch verteidigte so manch orthodoxer Professor nach dem Vorbild des Historikers Heinrich von Treitschke (1834–1896) die Geschlechtersegregation zur Not bis vor die Türen der eigenen Vorlesung.24 Im Ganzen ließ sich die Umsetzung eines der Hauptziele der bürgerlichen Frauenbewegung jedoch nach über 30-jährigem Kampf nicht mehr aufhalten: Zwischen 1900 und 1909 hoben sämtliche deutsche Regierungen die Schranken zu einem ordentlichen Studium auf. Die Studentinnenzahlen stiegen an und erreichten im Ersten Weltkrieg ihren vorläufigen Höhepunkt. Mit Beginn der Weimarer Republik ermöglichte die verfassungsmäßig verbriefte Gleichheit der Geschlechter nun auch für einige wenige Frauen den regulären Weg zum Ordinariat. In vielerlei Hinsicht verdeckt und überlagert dieser formalrechtliche Progress der institutionellen Strukturen die informellen Tiefenstrukturen einer subtilen Grenzziehung, wie sie zuvor beschrieben worden ist. Diese Tiefenstruktur rückte erst im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als neues Problem ins Bewusstsein der sozialen Akteurinnen und Akteure. Im Folgenden wird, vom Problem dieser Tiefenstruktur ausgehend, das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit verdeutlicht. 2. Problematisierung und Erkenntnisinteresse: Ausnahmen als Ausnahme erkennen Rein männliche oder weibliche Sozialräume begegnen uns in Deutschland nur noch in sehr wenigen Kontexten. Im Vorschulbereich, in den Schulen und im Studium ist Koedukation die Regel und hat einen Grad der Selbstverständlichkeit erreicht, der keinen Zweifel zulässt. Doch es gab diese Zweifel: Über ein Vierteljahrhundert stritten akademische Gelehrte, Publizisten sowie Vertreterinnen der Frauenbewegung über die Möglichkeit einer Öffnung des Bildungssystems. Neben den humanistischen Gymnasien waren insbesondere die Universitäten umkämpfte Felder, deren homosozialer Charakter den Klosterschulen, Zünften oder Handwerkergilden ihrer mittelalterlichen Gründungszeit glich.25 Dieser Streit wirkt aus heutiger Sicht antiquiert. Zwischen den Argumenten der Gegner und Gegnerinnen des Frauenstudiums und unseren Werten 23 24 25
Bereits seit dem SoSe 1894 durften Frauen in Berlin auf Grundlage von Einzelfallentscheidungen als Gasthörerinnen an Vorlesungen teilnehmen. Vgl. Kapitel IV, 1. Abschnitt: Experimenteller Progress. Vgl. Glaser (1996), S. 305; vgl. auch Kapitel IV, 2. Abschnitt: Adaptionsstörungen. Dies soll nicht bedeuten, dass die europäischen Universitäten direkt aus diesen Dom- und Klosterschulen hervorgingen. Zur Theorie eines autonomen Gründungsaktes der Universitäten durch die Rechtsform der coniuratio vgl. Oexle (1985), S. 34.
Problematisierung und Erkenntnisinteresse: Ausnahmen als Ausnahme erkennen
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liegt eine Kluft, die uns staunen lässt über so manch hartnäckiges Vorurteil und starre Gewissheit. Es ließe sich leicht über sie urteilen. Es ließe sich ebenso leicht sagen, unsere Zeit und unsere Geschlechterverhältnisse seien moderner, zivilisierter, überlegen und fortschrittlich. Doch auch wenn heute alles anders und in vielerlei Hinsicht besser ist, sind viele Praktiken, von denen wir glauben, sie gehören der Vergangenheit an, nicht vergangen.26 Im langen Streit über die Zulassung von Frauen an den deutschen Universitäten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts traten die impliziten sozialen und kulturellen Bedingungen eines Frauenstudiums zutage. Nach allmählicher Veränderung der Gesetzeslage in den deutschen Staaten zwischen 1900 und 1909 genossen Studentinnen formell die gleichen Rechte wie Studenten – informell war ihnen jedoch der Status von Ausnahmen eingeschrieben.27 Dies galt insbesondere hinsichtlich einer sich möglicherweise anschließenden akademischen Karriere an den Universitäten: Während sich die Zahlen von weiblichen und männlichen Studierenden im Verlauf des 20. Jahrhunderts anglichen, blieb die Zahl der an den Universitäten arbeitenden Akademikerinnen marginal. Neue Gesetze änderten nicht in wenigen Jahren, was über Jahrhunderte tradierte Kulturpraktiken geschaffen hatten. Durch einen diskursanalytischen Blick auf die Wirkung des Zulassungsprozesses, die dort produzierten sozialen und kulturellen Bedingungen und den Umgang mit den ersten Generationen von Studentinnen wird klar, dass die so antiquiert scheinende Debatte des 19. Jahrhunderts keineswegs zugunsten einer allgemeinen Emanzipation entschieden wurde. Die in ihr auftretenden Denkfiguren besaßen ein Nachleben bis weit in das 20. Jahrhundert hinein und auch heute lassen sich einige ihrer Elemente noch immer finden. Noch im Jahr 1957 bezeichnete Dorothea Götze in ihrer Dissertation zum „publizistischen Kampf der Frauenbewegung um die höhere Frauenbildung“ die Zulassung der Frauen zum Hochschulstudium als Abschluss eines erfolgreichen Emanzipationskampfes.28 Zu dieser Zeit betrug der Anteil von Frauen bei den Professuren in der Bundesrepublik jedoch gerade einmal 0,6 Prozent, bei den Ordinarien 0,06 Prozent und beim gesamten Lehrpersonal 4,6 Prozent.29 Die Zahlen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb blieben konstant niedrig bis in die 1980er Jahre – ein echter „Take off “ beim Anstieg des Frauenanteils lässt sich erst Ende der 1990er Jahre konstatieren.30 Obwohl einige wenige Studien den geringen Frauenanteil unter Universitätsdozentinnen in den 1950er und 1960er Jahren thematisierten, gab es in Westdeutschland bis in die 1970er Jahre keine nennenswerten politischen Gleichstellungsbestrebungen, die den Frauenanteil nicht nur als Thema formulierten, sondern problematisierten und damit 26 27 28 29 30
Beispielsweise wird noch immer die intellektuelle Leistungsfähigkeit von Frauen systematisch relativiert. Vgl. Bian/Leslie/Cimpian (2018). Zur subtilen Beeinflussung von Verhalten durch Geschlechterstereotype in der Wissenschaft vgl. auch Bielby (2000), S. 71–74. Zu Homosozialität in Relation zu Männlichkeitskonstrukten vgl. Meuser/Scholz (2005), S. 218. Vgl. Götze (1957), S. 271. Vgl. Paletschek (2012), S. 307 f. Vgl. ebd., S. 323.
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auf eine Veränderung der Situation zielten.31 Es herrschte eine „jahrzehntelang[e] Phase des Schweigens“ über die Unterrepräsentanz von Dozentinnen. Erst mit dem Erstarken der zweiten Frauenbewegung in den 1970er Jahren entwickelten sich sowohl Problembewusstsein als auch organisierte politische Interessenvertretung in Form einer „neuen Frauenbildungsbewegung“.32 Westdeutsche Feministinnen forderten Clearingstellen an den Hochschulen zur Durchsetzung einer gezielten Antidiskriminierung und Gleichstellungspolitik.33 Mit der Forderung nach „gleichberechtigter Verteilung von Bildungsund Berufschancen“ wuchsen die Zahlen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb seit den 1980er Jahren langsam an.34 Die Situation in Ostdeutschland gestaltete sich für Akademikerinnen kaum besser. Laut Verfassung und Ideologie der DDR galten Frauen in der sozialistischen Gesellschaftsordnung als gleichgestellt. Als Maßstab dieser Gleichstellung fungierte ihre Einbeziehung in den Arbeitsprozess. Doch verhinderten auch an ostdeutschen Hochschulen interne Aufstiegsbarrieren akademische Karrierewege, die einer Männerelite vorbehalten blieben. Wie in Westdeutschland herrschte eine frappierende Diskrepanz zwischen dem Anteil der Frauen unter den Studierenden und ihrem Anteil unter den Forschenden und Lehrenden. So gab es in der DDR nur geringfügig mehr Professorinnen als in Westdeutschland. Obwohl Frauenförderung in den 1960er Jahren in das staatlich gelenkte Problembewusstsein rückte, blieben entsprechende Maßnahmen bloße Lippenbekenntnisse. Die Frauenkonferenzen der 1960er Jahre, die Frauenausschüsse an den Universitäten sowie die seit 1968 eingeführte Frauensonderaspirantur zeigten kaum nachhaltige Effekte. Die Verantwortlichen entdeckten zwar Wissenschaftlerinnen als zu mobilisierende Reserve, die Forscherinnen mussten sich jedoch mit einer stereotypen Rolle arrangieren, die sie auf zunehmend weiblich konnotierte Wissenschaftsbereiche (Pädagogik und bestimmte Zweige der Medizin) sowie auf wenig prestigereiche Hilfstätigkeiten abdrängte. Förderungskriterien zielten eher auf eine SED-Mitgliedschaft sowie die soziale Herkunft aus Arbeiter/-innenfamilien, und auch diese Förderungen 31 32 33
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Vgl. Lorenz (1953); vgl. Anger (1960); vgl. Vetter (1961); vgl. Schindler (1962); Baeyer (1963). Metz-Göckel/Bock/Braszeit (1983), S. 207. Vgl. Schmerl/Bock/Braszeit (1983), S. 252 f. In den hier genannten Studien wird deutlich, dass die meisten Initiativen den Status autonomer Gruppen nicht aufgeben wollten. Einseitig institutionelle Anbindungen an bestehende Strukturen an Hochschulen, in Parteien oder Gewerkschaften wurden als Gefahr betrachtet – in dieser frühen Phase der Institutionalisierung sicher nicht unbegründet, da hier aufgrund hierarchischer Abhängigkeiten die Vereinnahmung und Verwässerung der eigenen Arbeit drohte. Die zitierten Autorinnen plädierten für einen Mittelweg, der für die Frauenpolitik der 1980er Jahre kennzeichnend ist: Autonome Frauengruppen und Frauen in den Institutionen der Frauenforschung und Frauenstudien sollten sich wechselseitig unterstützen. Vgl. Metz-Göckel/Bock/Braszeit (1983), S. 218 f. Es waren vor allem liberale Feministinnen, die auf diese Weise eine Gleichstellung der Geschlechter durch Veränderung institutioneller Bedingungen innerhalb bestehender gesellschaftlicher Strukturen erreichen wollten, während viele Radikalfeministinnen als Vertreterinnen der Neuen Linken eine Reformierung als patriarchal angesehener Strukturen für unmöglich hielten. Vgl. Karl (2011), S. 138 f. Biermann (2009), S. 121.
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kamen überwiegend Männern zugute. Die SED individualisierte indes das Problem, was bei den betroffenen Wissenschaftlerinnen zu einer Verweigerungshaltung und dem Verlassen der Hochschulen führte. Nicht zuletzt war es die Doppel- und Mehrfachbelastung in Beruf- und Haushalt, die eine erfolgreiche Karriere oftmals behinderte.35 Im wiedervereinigten Deutschland blieb der Weg trotz wichtiger Maßnahmen wie der „Empfehlungen zur Förderung von Frauen an Hochschulen“ von 1989, der „Anerkennung der Frauenförderung als Teil der Führungsaufgaben an Hochschulen“ im Jahr 1997 sowie der „Verankerung der Gleichstellung […] in der Novelle des Hochschulrahmengesetz[es]“ ein Jahr später steinig.36 2013 betrug der Anteil von Professorinnen in Deutschland 21,3 Prozent. Elf Jahre zuvor lag dieser bei 11,9 Prozent.37 Die jährliche Steigerungsrate beträgt damit etwa ein Prozent. Obwohl die Gleichstellungspolitik an Hochschulen in den letzten 30 Jahren wichtige Erfolge verzeichnet hat, würde es bei kontinuierlichem Anstieg weitere 30 Jahre dauern, bis sich anteilig ebenso viele Professorinnen an deutschen Universitäten befänden wie Studentinnen. Gleichstellungsarbeit geht mit der wissenschaftlichen Analyse von Barrieren einher.38 Neben der Feststellung einer Doppel- und Mehrfachbelastung durch unbezahlte Pflege-, Haus- und Erwerbsarbeit39 erweist sich innerhalb von Hochschulen die akademische Kultur als Hürde.40 Sie lässt sich mit technischen Top-down-Ansätzen, die auf Veränderung von institutionellen Strukturen zielen, kaum beeinflussen – zwar mögen institutionelle Änderungen der erste notwendige Schritt sein, doch die Trägheit der Akteure und Akteurinnen, welche die alten Strukturen und damit deren Denk- und Handlungsmuster verinnerlicht haben, verlangt einen tiefergehenden Wandel und eine stetige Erneuerung von Reformimpulsen.41 Es bedarf der Sensibilität und Bewusstseinsbildung bei allen Beteiligten. Dazu kann eine aus Gegenwartsfragen motivierte Geschichtswissenschaft beitragen42 – gerade weil die „Unterrepräsentanz von Wissenschaftlerinnen […] zu einem beachtlichen Teil historisch bedingt [ist]“.43 Mit Blick auf die Geschichte der Frauenbewegungen in den vergangenen 150 Jahren lässt sich konstatieren, dass sich die Frauen benachteiligenden Mechaninismen verschoben, ohne dass dies einem kontinuierlichen Übergang im Sinne stetiger Modernisierung entsprach. Im Zuge verschiedener Gesetze, die den Hochschulzugang zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das Wahlrecht in der Weimarer Republik sowie das Ehe- und 35 36 37 38 39 40 41 42 43
Vgl. Budde (2003), S. 159–198. Biermann (2009), S. 129. Zur kritischen Bilanz dieser Bestrebungen vgl. Wetterer (2000). Zahlen der Spitzengruppe in den W3/C4-Professuren liegen darunter – 2013 betrug der Anteil hier 17,3 Prozent. Vgl. Statistisches Bundesamt (2014), S. 40–42. Vgl. Holzbecher/Küllchen/Löther (2002), S. 112. Vgl. Becker-Schmidt (2005). Vgl. Costas (2003). Höppel (2003), S. 292. Vgl. Jansen-Schulz (2014). Krimmer/Stallmann/Behr u. a. (2003), S. 3. Diese Einschätzung deckt sich mit Ergebnissen von Wissenschaftshistorikerinnen. Vgl. Tobies (2008), S. 41.
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Familienrecht in den 1970er Jahren liberalisierten, bekamen Frauen zwar tatsächlich allmählichen Zugang zur formalrechtlichen Freiheit, wie sie im Selbstverständnis einer bürgerlichen Gesellschaft verfassungsmäßig verankert ist.44 Gleichzeitig haben sich innerhalb dieses formalen Freiheitsraumes jedoch Ausschließungsmechanismen erhalten und neu etabliert, die kaum mehr auf der Ebene juristisch fassbarer gesellschaftlicher Institutionen wirken. So ging das Eintreten von Frauen ins universitäre Feld einher mit einem Paradoxon: Die Zulassung von Studentinnen bedeutete einen Bruch mit den Traditionen eines rein männlich konnotierten akademischen Bürgerrechts, doch dieser Bruch beinhaltete zugleich die Bedingungen einer anhaltenden Marginalisierung von Wissenschaftlerinnen. Unter dem Schleier eines „androzentrisch Unbewussten“, einer Dominanz männlicher Kulturpraktiken im universitären Feld, findet sich diese Marginalisierung bis in die Gegenwart.45 Die Gleichzeitigkeit von Transformation und Persistenz, die nicht direkt auf die Intentionen der hochschulpolitischen Gegner/-innen des Frauenstudiums zurückführbar ist, führt zum Erkenntnisinteresse vorliegender Arbeit. 3. Forschungsüberblick Wie bereits erwähnt, widmet sich eine Vielzahl von Arbeiten dem Thema der Zulassung von Frauen an deutschen Universitäten. Die folgenden drei Unterabschnitte geben einen Überblick über diese Forschungen, wobei der Fokus auf dem Berichtszeitraum dieser Arbeit liegt.46 Der erste Unterabschnitt widmet sich den frühen Forschungen zum Frauenstudium, die bereits wenige Jahre nach dessen Etablierung begannen. Bei den Autorinnen und Autoren handelte es sich um Vertreter/-innen neuer Disziplinen wie der Soziologie oder Psychologie. Ihre Studien hatten die Aufgabe, die neuartigen Studentinnen zu verstehen, ihre Funktion innerhalb der Gesellschaft zu verorten und dabei zu helfen, sie in der Gesellschaft zu normalisieren. Ihre Leitfrage lautete zugespitzt: Wozu soll das Frauenstudium dienen? Die Zeit des Nationalsozialismus beendete diese frühen Reflexionen zum Thema weitgehend. Der zweite Unterabschnitt mit der Überschrift „(Wieder-)Entdeckung“ widmet sich daher den ersten vereinzelten Arbeiten, die dann wieder in den 1950er und 1960er Jahren entstanden. Ein verstärktes Forschungsinteresse lösten diese jedoch nicht aus. Ein Grund hierfür dürfte in ihrem zumeist rein historischen Interesse zu suchen sein. Der zeitgenössische Status von Frauen an den Universitäten fand keinen Einbezug in die Genese der Fragestellungen. Ein problemorientiertes Erkenntnisinte44 45 46
Vgl. Biermann (2009), S. 104. Bourdieu beschreibt, wie das „androzentrisch Unbewusste“ die für Frauen nachteiligen sozialen Strukturen enthistorisiert und damit unsichtbar werden lässt. Vgl. Bourdieu (2005 [1998]), S. 179. Diesem Thema widmet sich der Überblick von Budde (2002).
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resse erwachte erst mit der zweiten Welle der Frauenbewegung in den 1970er Jahren, die damit begann, das Engagement ihrer Vorläuferinnen wiederzuentdecken. Parallel zum Anstieg des Anteils von Frauen in der Wissenschaft nahmen die Arbeiten zur Geschichte von Frauen in der Wissenschaft zu und erreichten in den 1990er und 2000er Jahren ihren vorläufigen Höhepunkt. Diese neueren Forschungen unterscheiden sich in ihren Leitfragen in dreifacher Hinsicht: Die meisten Arbeiten thematisieren das Wie und Wo, sie fragen nach den politischen und institutionellen Entwicklungen, die zur Etablierung des Frauenstudiums an den deutschen Universitäten führten. Daneben gibt es Arbeiten, die nach dem Wer fragen und sich den Pionierinnen im Studium und in den akademischen Berufen widmen. Während im zweiten Unterabschnitt der Fokus darauf liegt, einen Überblick über die durch die Forschung erschlossenen Räume in Form einzelner Universitäten oder staatlicher Bildungslandschaften zu liefern, besitzt der dritte Unterabschnitt einen an Thesen orientierten Zugang. Dieser Zugang entfernt sich vom entdeckenden und erschließenden Charakter und fragt nach dem Warum der verspäteten Zulassung von Frauen sowie nach der Kontinuität der zugrunde liegenden Ausschlussfaktoren für unsere Gegenwart.47 Hierzu erfolgt eine analytische Gruppierung der Thesen, die sich in den verschiedenen Studien finden lassen, nach institutionellen, außerinstitutionellen und innerwissenschaftlichen Erklärungsansätzen. Normalitätssuche: Studentinnen als Gegenstandsbereich früher Forschungen Die frühen Forschungen waren noch weitgehend von den Kämpfen zur Etablierung des Frauenstudiums bestimmt. Sie stellen einen Bereich des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Diskursfeldes dar, der in der vorliegenden Diskursanalyse untersucht wird. Dieser Bereich entfernte sich jedoch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von der öffentlichen Arena des Zulassungskampfes und bildete einen entschieden wissenschaftlichen Spezialdiskurs. Diese Verwissenschaftlichung stand im engen Zusammenhang mit der Genese neuer Disziplinen wie der Soziologie, Psychologie, Pädagogik oder Sozialhygiene. Im Sinne des Fragehorizonts dieser Disziplinen suchten die Verfasser/-innen der Studien nach Wegen des Umgangs mit Unsicherheiten, die das Studium von Frauen mit sich brachte – denn die Lebensform der Studentin widersprach der klassisch-bürgerlichen Frauenrolle. Das Ziel bestand darin, Frau-Sein und Studentin-Sein miteinander zu versöhnen. Interessant für diesen Forschungsbericht sind sie in zweifacher Hinsicht: Erstmals erfolgte im Zuge der Verwissenschaftlichung eine Historisierung der Zulas47
In diesen Arbeiten zeigt sich, was Joan W. Scott in ihrem programmatischen Aufsatz 1986 als die Theoriebedürftigkeit der Genderforschung beschrieben hat. Eine Synthese deskriptiver Fallstudien kann erst durch einen theoretischen Interpretationsrahmen geschehen. Vgl. Scott (1994 [1986]), S. 31 f.
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sungsdebatte des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Zudem bieten die Studien ein breites Datenmaterial, das sich als Quelle für neuere Forschungen als brauchbar erwiesen hat. Am Anfang der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Zulassung von Frauen an den deutschen Universitäten steht die Dissertation der Soziologin Gerta Stücklen aus dem Jahr 1916.48 Die in dieser Studie erhobenen statistischen Daten zur finanziellen Situation der Studentinnen sollten diesen als Orientierungshilfe zur Studienplanung dienen. Neben dieser alltagspraktischen Funktion besaß die Studie noch einen weiteren Zweck: Stücklen lieferte im ersten Kapitel zunächst einen „Überblick über die Kämpfe der Frauen um die Zulassung zum akademischen Studium“ – obwohl diese Kämpfe nicht lang zurücklagen, schien es wichtig zu sein, an diese zu erinnern. Schon länger gab es den Vorwurf an die neue Studentinnengeneration, die Kämpfe der Pionierinnen vergessen zu haben und sich undankbar allein dem eigenen akademischen Studium zu widmen.49 Im Subtext der Studie steht deshalb die Frage nach der neuen Rolle der Studentin: Diese wird im Sinne der Frauenrechtlerin und Sozialwissenschaftlerin Marianne Weber (1870–1954) als Vermittlerin zwischen Gesellschaft und Wissenschaft betrachtet;50 die Studentin solle neben ihrem akademisch-individuellen Interesse die soziale Fürsorge für die Gemeinschaft nicht vergessen. Ebenfalls im Jahr 1916 erschien eine quantitative Studie der Psychologin Anna Wisse. Durch eine Befragung von 281 Studenten und 104 Studentinnen aus den Niederlanden deckte sie geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhältnis zum Studium, der Art des Studierens, innerhalb von Studientypen sowie im Leben der Studierenden auf. Wisse konstatierte bei einer „Mehrzahl der Frauen in ihren Motiven zum Studium, und auch in dem Studium selbst etwas Unbestimmtes“.51 Diese Unentschiedenheit würde zu einer gewissen „Halbheit“ führen, die das Studium auf den Status eines „interessanten Zeitvertreibs“, einer „Liebhaberei“ herabsetze.52 Intellektuelle Arbeit sei „stark von dem natürlichen Wirkungskreise der Frau verschieden“.53 Durch dieses Fazit zeigt sich die Studie blind für allgemeinere gesellschaftliche Einflüsse. Wisse psychologisiert und naturalisiert die hemmenden Faktoren, mit denen die ersten Studentinnengenerationen zu kämpfen hatten. Ebenfalls nach der neuen Rolle der Studentin fragte der sozialdemokratische Gynäkologe und Sozialhygieniker Max Hirsch (1877–1948) in seiner 1920 erschienenen Studie Über das Frauenstudium.54 Hirsch, seit 1920 gemeinsam mit Agnes Bluhm (1862–1943) Mitglied im preußischen Beirat für Rassenhygiene und Bevölkerungs48 49 50 51 52 53 54
Stücklen (1916). Vgl. hierzu Schaser (2000. Vgl. Weber (1904). Wisse (1916), S. 349. Ebd., S. 356. Ebd., S. 384. Hirsch (1920). Zum Wirken des im Verein Sozialistischer Ärzte assoziierten Hirsch vgl. Bock (1986), S. 45; Usborne (1994), S. 75–78, 171; Herlitzius (1995), S. 87, 226.
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fragen, beleuchtet wie Stücklen zunächst die Geschichte von Frauenbewegung und Frauenbildung. Die von ihm erhobenen Daten zum Heiratsalter und zur Heiratsquote von Akademikerinnen, zu konfessioneller Zugehörigkeit, sozialer Herkunft und Studienfachwahl von Studentinnen sowie zu den Immatrikulationszahlen bieten ein breites Datenmaterial.55 In seiner Interpretation dieser Daten erweist sich Hirsch als geprägt von den bevölkerungspolitischen Ängsten vor einem drohenden Verlust der Mutterrolle bei studierenden und forschenden Frauen. Die Erkenntnisgrenzen der Soziologie seien durch biologische Tatsachen gegeben. Demgemäß sah er auch die Grenzen der neuen Rolle von Studentinnen und Akademikerinnen bestimmt durch biologische Dispositionen. Im Rahmen eugenischer Überlegungen fragt er nach einem Zusammenhang zwischen Studium und Fruchtbarkeitsrate von Frauen. Derlei Korrelationen zwischen Begabung und Geschlecht gehörten zum Standardrepertoire der immer populärer werdenden Eugenik und Rassenhygiene, die Begabung als eine rein biologische Eigenschaft interpretierten: So lehnte der führende Rassenhygieniker Fritz Lenz (1887–1976) Akademikerinnen als „kontraselektiv“ ab, da sie den Heirats- und Fortpflanzungswillen schmälerten und Intelligenz bei der „Gattenwahl“ ohnehin nur auf männlicher Seite relevant sei.56 Eine auf qualitativen Daten beruhende Studie lieferte die Psychologin Lea Moser im Jahr 1923. Anhand von biografischem Material u. a. zur Astronomin Caroline Herschel (1750–1848) erarbeitete sie auf Grundlage der aus heutiger Sicht abenteuerlich anmutenden psycho-metaphysischen Prämissen ihres akademischen Lehrers Paul Häberlin (1878–1960) drei Studienmotivtypen von Studentinnen, die sich aus deren Triebverhältnissen zum Vater ergäben.57 Eine Ideengeschichte höherer Bildungsbestrebungen lieferte die Pädagogin und Wohlfahrtspflegerin Hildegard Ries in ihrer Dissertation aus dem Jahr 1927. Ausgehend von den Bildungstheorien des 18. Jahrhunderts sowie den Reformideen Johann Heinrich Pestalozzis (1746–1827) und Friedrich Fröbels (1782–1852) findet sich hier die erste umfassende Darstellung zur Geschichte des Frauenstudiums. Bei Ries steht der von Helene Lange (1848–1930) und Mathilde Weber (1839–1901) vertretene differenzfeministische Gedanke eines komplementären Ausgleichs der Geschlechtereigenschaften im öffentlichen Raum an prominenter Stelle. Der weibliche Beitrag zur Wissenschaft und
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Eine Nutzung dieser Daten finden sich bereits bei Mertens (1991). Bleker (2005), S. 256; allgemein zu rassehygienischen Überlegungen zur Abwehr der Frauenemanzipation durch Vertreter/-innen der völkischen Bewegung Puschner (2005), S. 54–60. Auf sozialdemokratischer Seite warnte der Eugeniker Alfred Grotjahn (1869–1931) entschieden pessimistischer als sein Kollege Hirsch vor der „dysgenischen Wirkung“ (Verschlechterung des Erbgutes in einer Population) des Frauenstudium falls es sich, von einzelnen begabten „Ausnahmen“ abgesehen, zu einer „Massenerscheinung“ entwickeln sollte: Denn Studentinnen würden „so gut wie vollständig aus der Fortpflanzung der Bevölkerung“ ausfallen und somit ihre wertvolles Erbgut verloren gehen. Grotjahn (1926), S. 302. Moser (1923).
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akademischen Berufstätigkeit sei im pädagogisch-sozialfürsorglichen Bereich sowie den verstehenden Kulturwissenschaften zu suchen.58 Eine auf breitem empirischem Datenmaterial basierende Studie zur Einstellung von Studentinnen zu ihrem Studium und zur Berufstätigkeit lieferte 1930 die Psychologin Elisabeth Knoblauch. Im Zentrum ihrer Untersuchung steht die Frage des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und „weiblichen Anlagen“, mit dem Ziel die Mädchenbildung und Berufsberatung diesem Verhältnis anzupassen.59 Als Quelle dienen 325 ausgefüllte Fragebögen, die im Rahmen einer eigens initiierten Umfrage unter Studentinnen der Universitäten Hamburg, Jena und München verteilt worden waren. Die Antworten zeigen, dass es vor allem wissenschaftliches Interesse und der Wunsch nach einer späteren Berufstätigkeit waren, welche die Studentinnen zum Studium motivierten. Das Vorurteil, wonach Studentinnen lediglich einer Mode folgen würden, zeitgenössisch als Modestudium bezeichnet, konnte damit entkräftet werden.60 Bei diesen sechs frühen Forschungsarbeiten handelte es sich um Versuche, das neue und vor allem während des Ersten Weltkriegs anwachsende Studium von Frauen zu normalisieren. Sie dokumentieren eine Verwissenschaftlichung der Frage, wozu das Frauenstudium dienlich sei und in welchem Verhältnis seine Funktion mit den Studienmotiven und der Studentinnenrolle stand. Diese Art wissenschaftlicher Reflexion fand im Nationalsozialismus ihr Ende, indem eine ideologiekonforme Frauenrolle festgelegt wurde. Dabei erwies sich die Ausgestaltung dieser Rolle im Zuge des Zweiten Weltkriegs als überraschend flexibel, wenn es darum ging, den Mangel an männlichem Personal durch akademisch gebildete Frauen auszugleichen.61 Wie ungewöhnlich die ersten Studentinnen für die Zeitgenossinnen und -genossen gewesen sein mussten, zeigt die Fülle an belletristischer Literatur zum Thema. Der in mehreren Auflagen erschienene Roman Alt-Heidelberg, du Feine von Rudolf Stratz (1864–1936) dürfte unter universitätsgeschichtlich Interessierten noch bekannt sein.62 Daneben existiert eine Fülle weithin vergessener Romane, die zum Großteil von Frauen selbst geschrieben worden sind.63 Zu den frühesten Werken gehören die beiden Publikationen der Frauenrechtlerin und Nationalökonomin Käthe Schirmacher (1865–1930), die sich für ein Studium in Zürich entschied.64 Verschiedene Untersuchungen, die sich 58 59 60 61 62 63
64
Ries (1927). Knoblauch (1930), S. 4. Knoblauch (1930). Vgl. Huerkamp (1996), S. 310. Stratz (1902). May (1886); Poritzky (1901); Mensch (1903); Ury (1906); Grote (1927); Baum (1928). Nach Kerstin Barndt handelte es sich hierbei bereits um Vorläufer des Romans der Neuen Frau, der in den 1920er Jahren zur zeitgenössischen Populärkultur gehörte. Sie vertritt die These, dass diese Romane in Wechselbeziehungen mit ihren Leserinnen entstanden, wobei der Gebrauchswert dieser Texte darin bestanden habe, „sich ins Leben zu denken“ und damit neue Subjektpositionen zu etablieren. Vgl. Barndt (2003), S. 3, 37 f. Schirmacher (1891); dies (1893).
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mit dem Frauenstudium beschäftigen, haben die in den Romanen auftauchenden literarischen Bilder der Studentin analysiert.65 (Wieder-)Entdeckungen: Frauenstudium und Wissenschaftspionierinnen Das wissenschaftliche Interesse am Thema blieb in den 1950er Jahren verhalten: Während die Arbeiten von Ernst Theodor Nauck und Laetitia Böhm die Öffnungsprozesse an den Universitäten Freiburg und München erhellten, untersuchte Götze den publizistischen Kampf um die Zulassung von Studentinnen in Deutschland insgesamt.66 Zu Beginn der 1960er Jahre publizierte Anna Lind ihre Dissertation zur Geschichte des Frauenstudiums in Österreich, Deutschland und der Schweiz in vergleichender Perspektive. Ein derartiger Vergleich war beispielgebend für künftige Arbeiten, da die Auseinandersetzung um das Frauenstudium im gesamten deutschen Sprachraum erfolgte und das akademische Personal sich in seinen Karrierewegen überwiegend in diesem Raum bewegte.67 Was die erwähnten Arbeiten eint, ist ihre historisierende Perspektive auf den Gegenstand. Der Kampf um die gleichberechtigte Zulassung wird als erfolgreich und weitgehend beendet beschrieben. Problemorientierte Zugänge setzten im Zuge der zweiten Welle der deutschen Frauenbewegung ein, mit deren Akademisierung sich schließlich am Ende der 1970er Jahre eine Frauengeschichtsschreibung zu etablieren begann.68 Diese Bewusstseinsbildung dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass in den darauf folgenden Jahrzehnten das Thema auf der Agenda blieb, wenngleich das Interesse mit wenigen Ausnahmen allein von Forscherinnen ausging. Dies gilt auch für die in den 1980er Jahren beginnende Bürgertumsforschung – so widmeten sich Forscherinnen innerhalb des Bielefelder Sonderforschungsbereichs (Sozialgeschichte des neuzeitlichen Bürgertums: Deutschland im internationalen Vergleich) dezidiert den Bildungsbürgerinnen und damit Frauen in der direkten Umgebung des universitären Feldes.69 Die sich in den 1990er Jahren dynamisierende Universitätsgeschichtsschreibung beachtete das Frauenstudium nur sporadisch.70 In großen Einzeldarstellungen zur Universitätsgeschichte fehlt eine Schwerpunktsetzung auf das Thema.71 Ein Grund hierfür könnte darin bestehen, dass Frauen innerhalb der Heuristik dieser Geschichtsschreibung tatsächlich nicht auf65 66 67 68 69 70 71
Mazón (2000); Weiershausen (2004); Verheyen (2015). Nauck (1953); Götze (1957); Böhm (1958). Lind (1961). Schmidtz-Harzbach (1976); von Soden/Zipfel (1979). Eine Dokumentation dieser Akademisierung anhand von Grundlagentexten findet sich bei Duelli-Klein/Nerad/Metz-Göckel (1982). Vgl. Frevert (1988); Budde (1994); Huerkamp (1996); Habermas (2000); Budde (2000). Im Jahrbuch für Universitätsgeschichte finden sich bis 2017 fünf Beiträge, die sich mit Studentinnen befassen: Lehnert/Reinsch (1999); Mazón (2002); Maurer (2003); Bertram (2008); Maurer (2013). Beispielhaft vgl. Rüegg (2004); Schmidt-Harzbach (1981).
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tauchten.72 Denn die institutionellen Strukturen der Universität änderten sich durch die Einführung des Frauenstudiums kaum und Frauen blieben in den Spitzenpositionen des Lehrpersonals marginalisiert. Arbeiten zur Studienpraxis und zum Alltag an den Universitäten, die nicht an der Studentin vorbeisehen könnten, waren lange Zeit rar.73 Es bleibt zu hoffen, dass eine erneuerte Universitätsgeschichte der universitären „Realgestalt“ (Sylvia Paletschek) als komplementärer Einheit aus Institution und Praxis besser gerecht werden wird.74 Die erste Gruppe von Arbeiten der neueren Forschung fragt nach dem Wie der Zulassung von Frauen zum Studium sowie den Studienumständen der ersten Studentinnen. Sie besitzen einen wiederentdeckenden Charakter, da das Thema im Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit weitgehend in Vergessenheit geriet. Die übergroße Mehrheit derartiger Studien orientiert sich an einzelnen Universitäten. Arbeiten zur Universitätsgeschichte und zum Frauenstudium eint der Umstand, dass es sich vielfach um Produkte universitärer Jubiläen oder Qualifikationsarbeiten handelt – Arbeitskreise oder Forschungsprojekte zum Thema Frauen in der Wissenschaft etablierten sich lediglich innerhalb der weitaus besser institutionalisierten Wissenschaftsgeschichte.75 Prägende Jubiläen waren der 90. und vor allem der 100. Jahrestag der Zulassung – ein Grund für die Hochkonjunktur des Themas in den 1990er und 2000er Jahren. Gut erforscht sind die Vorgänge an den süddeutschen Universitäten Freiburg, Heidelberg und Tübingen, die in den Jahren 1900 (Baden) bzw. 1904 (Württemberg) zu den ersten Hochschulen des Kaiserreichs gehörten, die Frauen zum Studium zuließen.76 Wie Edith Glaser in ihrer Studie zeigt, war eine vergleichsweise frühe Öffnung nicht gleichzusetzen mit einer liberalen Studienatmosphäre, wie sie in Zürich bestand.77 In Heidelberg etwa gaben Corpsstudenten die Parole aus: „Weisheitszicken werden nicht gegrüßt.“78 Gleiches gilt für die bayerischen Universitäten Würzburg und Erlangen, die im Wintersemester 1903/04 ihre Tore für Frauen öffneten.79 Weitaus beliebter unter Studentinnen war deshalb die Münchner Universität mit ihrem großstädtischen Umfeld und einer vergleichsweise geringen corpsstudentischen Präsenz.80 Die Entwicklungen an den süddeutschen Universitäten sorgten für Debatten in anderen deutschen Staaten: In Sachsen veranlassten sie das Kultusministerium unter Rücksprache der Fakultäten zur Öffnung der Leipziger Universität für Studentinnen 72 73 74 75 76 77 78 79 80
Heuristik meint hier den „Ausgangspunkt des Forschens“ im Sinne von Droysen (1868), S. 13. Vgl. Paletschek (2011), S. 173. Vgl. Gerber (2014), S. 282. Vgl. hierzu Daston/Wobbe (1999); das Produkt eines größeren Forschungsprojektes liefert Vogt (2007). Scherb (2002). Die Studie von Scherb konzentriert sich neben den politischen Ereignissen zur Öffnung vor allem auf das Studien- und Alltagsleben von Studentinnen. Vgl. Glaser (1992). Zitiert nach Schramm (2012), S. 92. Lehmann (1993); Hessenauer (1996). Vgl. Kaiser (1997); Hessenauer (2000). Allgemein hierzu vgl. Huerkamp (1996), S. 156.
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zum Sommersemester 1906.81 Auch im thüringischen Jena blieben die Öffnungsprozesse in Baden, Bayern, Württemberg und Sachsen nicht unbemerkt. Vor allem an der Philosophischen Fakultät mehrten sich Stimmen, die vor einem Zurückbleiben hinter der allgemeinen Kulturentwicklung warnten. Die sich weitgehend an Preußen orientierenden vier ernestinischen Erhalterstaaten, welche die Jenaer Universität gemeinsam finanzierten, befürworteten schließlich zum Sommersemester 1907 eine ordentliche Zulassung von Frauen, der wie bereits in den anderen Staaten eine Phase der Gasthörerinnenschaft vorausging.82 In Preußen selbst erfolgte die Zulassung erst ein Jahr später, obwohl die Weichen hierfür bereits seit 1905 durch Initiative des Ministerialdirektors Friedrich Althoff (1839–1908) gestellt waren. Lediglich die sich verzögernde Reform der höheren Mädchenschulbildung sorgte für eine Verspätung.83 Jubiläums- und Ausstellungsbände liegen für die ehemals preußischen Universitäten Berlin, Bonn, und Marburg vor.84 Für Berlin gibt es darüber hinaus eine umfassende Quellenedition.85 Ähnlich verhält es sich mit den kleinstaatlichen Universitäten in Gießen, Saarbrücken und Rostock.86 Die Vorgänge an den zehn preußischen Universitäten wurden zudem in Qualifikationsarbeiten thematisiert: So finden sich kleinere Studien für die Universitäten Kiel, Greifswald und Münster – für die Universität Halle beschränkt sich dies auf die Rechts- und Staatswissenschaften.87 Neben den Universitäten bestanden im Kaiserreich zudem neun Technische Hochschulen. Im Jahr 1899 erhielten diese das Promotionsrecht und wurden damit den Universitäten gleichgestellt. Das Frauenstudium war auch dort Thema. Kleinere Arbeiten hierzu liegen bislang lediglich zu Dresden, Berlin, Stuttgart und Braunschweig vor.88 Die einzige größere, an Lebensläufen orientierte Studie beschäftigt sich mit den Vorgängen in München.89 Zusammenfassend lässt sich ein Fehlen detaillierter Einzelfallstudien zu den lokalen Öffnungsprozessen mit Ausnahme von Tübingen, Würzburg und Heidelberg konstatieren. Desiderate bestehen im Hinblick auf die Universitäten Breslau und Königsberg – auch für Göttingen liegt lediglich eine ältere Studie zur Medizinischen Fakultät vor.90 Die innerinstitutionellen Vorgänge an den übrigen Universitäten sind nur in groben 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90
Vgl. Drucker (1956). Für weitere Arbeiten zur Geschichte des Frauenstudiums in Leipzig vgl. Brentjes/Schlote (1993); Hoyer (2002); Nagelschmidt (2007). Die einzige zum 80. Jahrestag erschienene Arbeit zum Frauenstudium stammt von Arnold (1986). Später erschien ein Sammelband herausgegeben von Horn (1999). Vgl. Albisetti (2007), S. 272 f. Ausstellungsgruppe an der Humboldt-Universität zu Berlin und Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (2003); Kuhn (1996); Lemberg (1997); Metz-Becker (2010). Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin/Projektgruppe Edition (2010). Lind (2008); Jung (2008); Beese (2010). Fischer (1996); Pieper (2007); Recknagel (2008); Reichmann (2009). Bernholz (1967); Duden/Ebert (1979); Eckhoff (1993); Becker (1998); Zachmann (2001). Fuchs (1994). Luhn (1972).
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Zügen rekonstruiert worden. Zwar sind die Positionen der Senate und Fakultäten zumeist ebenso bekannt wie einzelne Förderer und Gegner unter den Professoren, doch fehlt ein differenziertes Bild über den allgemeinen Einstellungswandel innerhalb der Fakultäten. Weitgehend im Dunkeln liegen zudem die außerinstitutionellen Entscheidungsprozesse in den Kultus- und Unterrichtsministerien, ohne die eine Änderung der Universitätsstatuten kaum hätte geschehen können.91 Wie die Wissenschaftshistorikerin Renate Tobies vorschlägt, wäre hier nach der Rolle einzelner Beamter zu fragen.92 Derartige Studien erfordern aufwendige Recherchen, die es notwendig machen, das Quellenmaterial der Universitäts- und Staatsarchive durch Egodokumente aus Nachlässen sowie die Berichterstattung in lokalen Medien zu ergänzen. Im Rahmen von Jubiläumsoder Examensarbeiten ist dies kaum zu leisten. Zukünftige Forschungen müssten daher an die bestehenden Jubiläumsschriften anschließen und so die Lücken füllen. Lokale Arbeiten zur Universitätsgeschichte zeigen die Besonderheiten begünstigender oder hemmender Faktoren im Zuge der Institutionalisierung des Frauenstudiums. Daneben gibt es drei Studien, die eine reichsweite Perspektive einnehmen und nach dem Charakter der allgemeinen Entwicklungen von Institutionen, Diskursen oder Alltagspraktiken fragen: Lothar Mertens legte im Jahr 1991 eine breit angelegte Studie vor, die neben den grundsätzlichen Debatten und Etappen auf dem Weg zum Frauenstudium die sozialgeschichtlichen Entwicklungslinien der deutschen Studentinnenschaft erfasst. Die Studie erschließt dabei einen langen Zeitraum, der über den Nationalsozialismus hinausreicht und die Entwicklung der Nachkriegszeit in beiden deutschen Staaten beleuchtet.93 Einen eher diskursanalytischen Zugang wählte hingegen die amerikanische Bildungsforscherin Patricia M. Mazón: Ihre vergleichende Studie nimmt ausgehend von den Männlichkeitsvorstellungen innerhalb des akademischen Bürgerrechts die Vorgänge an den Universitäten Berlin, Leipzig, Heidelberg und Halle in den Blick. Mazón schildert den Öffnungsprozess dieser Universitäten als einen Transformationsprozess im Verständnis des akademischen Bürgerrechts sowie als einen Regulierungsprozess, der lediglich „die besseren Elemente“ zum ordentlichen Studium zuließ und auf Kosten ausländischer, vor allem russisch-jüdischer Studentinnen erfolgte.94 Eine weitere diskursanalytische Studie mit besonderem Fokus auf die naturalisierenden Aussagen zum Körper und Geist von Frauen liefert Katharina Rowold.95 Die Arbeit Marco Birns vereint schließlich die Ebenen der politischen Entscheidungsprozesse, der sozialgeschichtlichen Entwicklung aufseiten der Studentinnen sowie des Lebensalltag derselben an den Universitäten.96 Damit liefert er die erste systematische Gesamtdarstellung zur Etablierung des Frauenstudiums im deutschen Kaiserreich – allerdings fehlt 91 92 93 94 95 96
Beispielhaft der Beitrag von Brinkschulte (1998). Vgl. Tobies (2008), S. 29–32. Mertens (1991). Mazón (2003). Rowold (2010). Birn (2015).
Forschungsüberblick
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eine überzeugende Verknüpfung der drei genannten Ebenen, sodass die Studie eher einen erschließenden Überblickcharakter aufweist. Zu den Arbeiten, die sich der Ebene des Lebensalltages oder der Organisationspraktiken von Studentinnen widmen, gehört die Studie Auf fremdem Terrain von Marianne Koerner.97 Die chronologisch aufgebaute Darstellung beginnt bereits vor der Jahrhundertwende und liefert einen Überblick über bürgerliche Geschlechterverhältnisse, universitäre Strukturen, bestehende Mädchenschuldbildung sowie Bestrebungen der Frauenbewegung und den antifeministischen Widerstand. Koerner beschreibt den Beginn von Gruppenbildungsprozessen bei Studentinnen als Reaktion auf den Ausschluss vom traditionellen Studentenleben. Zwischen bürgerlichen Verhaltensnormen und Organisationsformen der Frauenbewegung habe sich die Mischform einer „akademischen Frauenbewegung“ etabliert, die sich vor allem in der Anfangszeit weitgehend auf sich selbst konzentrierte. Ab 1912 habe sich ein Wandel innerhalb der Studentinnen-Organisationen vollzogen, der diese Vereine zunehmend durch die Aneignung korporativer Gepflogenheiten den traditionellen Normen der männlich geprägten Universität anpasste. Das Ziel einer angemessenen Beteiligung sei damit jedoch kaum erreicht worden – vielmehr habe die Übernahme dieser Verhaltensmuster zur Stabilisierung bestehender Machtverhältnisse geführt. Koerners Studie endet mit dem Jahr 1919. Für die Zeit der Weimarer Republik existieren einige Studien zur Lebenssituation von Studentinnen, die vielfach auf Interviews mit Zeitzeuginnen aus den 1980er Jahren zurückgehen.98 Dezidiert der Lebenssituation von Studentinnen im Nationalsozialismus widmen sich die beiden Studien von Brigitte Steffen-Korflür und Haide Manns.99 Zurzeit befindet sich eine neuere Studie von Simone Ruoffner in Bearbeitung, die neben den Anfängen im Kaiserreich das Ende der sich zu Damenverbindungen gewandelten Studentinnenvereine im Nationalsozialismus in den Blick nimmt und damit die Zeitebene aller bislang genannten Arbeiten zur Lebenssituation von Studentinnen umfassen wird.100 Bislang bezog sich der Forschungsbericht fast ausschließlich auf Studien, die das deutsche Kaiserreich oder einzelne Staaten innerhalb des Kaiserreichs zum Gegenstand haben. International vergleichende Forschungen finden sich kaum, obwohl die Wissenschaftssoziologin Ilse Costas bereits 1992 erste programmatische Vorstöße in diese Richtung veröffentlichte.101 Vorliegende vergleichende Studien beziehen sich weitgehend auf die Ebene höherer Mädchenbildung.102
97 98
Koerner (1997). Weyrather (1981); Clephas-Möcker/Krallmann (1988); Wierling (1990); Benker/Störmer (1991); Clephas-Möcker/Krallmann (1992). 99 Steffen-Korflür (1991); Manns (1997). 100 Ruoffner (2018). 101 Costas (1992a); dies. (1992b). 102 Piesker (2006); Rowold (2010); Borchers (2013); Jacobi (2013).
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Umfangreiche Literatur widmet sich den sogenannten Pionierinnen. Das Interesse richtete sich hier verstärkt auf die einzelne Persönlichkeit und fragte danach, wer Studentinnen und Dozentinnen der ersten Stunde waren. Sammelbände haben eine Vielzahl von Lebensläufen erschlossen, die durch die bestehenden biografischen Lexika kaum abgedeckt wurden.103 Wissenschaftsgeschichtlich interessant sind vor allem Studien, die sich den Vertreterinnen innerhalb einzelner Fachbereiche widmen.104 Mit einem vergleichenden Fokus auf transnationale Verflechtungen liefert Iwona Dadej sowohl kollektivbiografische Grundlagenforschung zu polnischen Akademikerinnen als auch zur Vernetzung von Akademikerinnen in nationalen Verbänden und internationalen Dachorganisationen. Zudem verdeutlicht sie anhand der Professionalisierungsbestrebungen von Juristinnen den jahrzehntelangen Ausschluss von Akademikerinnen aus staatlich abgesicherten Karrierewegen.105 Daneben finden sich zudem Arbeiten, welche die Konfession oder die Herkunft von studierenden und forschenden Frauen thematisieren. Bereits die ersten statistischen Erhebungen belegen einen überproportionalen Anteil von jüdischen Studentinnen, gemessen am jüdischen Bevölkerungsanteil.106 Ausgehend von dieser erklärungsbedürftigen Tatsache erarbeitete Luise Hirsch eine Studie zu dieser Personengruppe und machte vor allem die jüdische Bildungstradition für dieses Phänomen verantwortlich.107 Eine ebenfalls große Einzelgruppe stellten zudem russischen Studentinnen108 dar – wenngleich es sich hier oftmals zugleich um Jüdinnen handelte.109 Diese Studentinnen waren besonders von Stigmatisierungen und Ablehnung betroffen, wie einzelne Studien an der Universität Berlin, Halle und Jena zeigen.110 Ebenso zahlreich, aber weitaus willkommener als die russischen Frauen waren amerikanische Studentinnen. Sandra L. Singer beleuchtet diese Studentinnengruppe in ihrer Studie Adventures Abroad.111
103 104 105 106 107 108 109 110 111
Schlüter (1992); Tröndle-Weintritt/Herkert (1997); Fellmeth (1998); Busson-Spielberger (2016); Keller (2018). Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: zu Theologinnen vgl. Henze (1996); Wenzel (1999); zu Medizinerinnen vgl. Bleker (2000); zur Naturwissenschaft vgl. Leitner (1993); Vogt (2007). Vgl. Dadej (2019). Stücklen (1916), S. 40; Hirsch (1920), S. 36. Hirsch (2010). Die Gruppe meint alle Studentinnen, die aus dem damaligen Russischen Reich stammten: Sie umfasst damit auch Personen, die sich selbst nicht als russisch oder dem russischen Staat zugehörig verstanden. Biografien zu russischen Studentinnen finden sich bislang lediglich für den Österreichischen und Schweizer Raum: Veits-Falk (2012); Rogger/Bankowski (2010). Burchardt (1997); Peter (2006); Neumann (2021). Singer (2003).
Forschungsüberblick
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(Re-)Problematisierung: Faktoren des Ausschlusses von Frauen in Universität und Wissenschaft Die Suche nach Faktoren des Ausschlusses von Frauen in den institutionellen Strukturen der Universität sowie der Wissenschaft nimmt ihren Ausgang von der Beobachtung einer Unterpräsenz von Frauen innerhalb dieser Felder.112 Warum entwickelte sich die Präsenz von Frauen innerhalb des akademischen Lehrkörpers nicht ähnlich wie die ansteigenden Studentinnenzahlen? Warum nahm und nimmt die Anzahl von Frauen in der institutionellen Hierarchie kontinuierlich nach oben hin ab? Da das alte Vorurteil einer allgemeinen weiblichen Minderbegabung schon aufgrund der vielfach bewiesenen Studienqualitäten von Studentinnen widerlegt gilt, zielen aktuelle Studien im Gegensatz zu frühen Forschungen nicht auf die Biologie oder Psychologie der Studentin, sondern auf institutionelle Faktoren, auf Rollenmuster aller beteiligten sozialen Akteure und Akteurinnen sowie wissenschaftsinterne Gründe. Die Arbeiten umfassen also sowohl die Universitäts- als auch die Wissenschaftsgeschichte unter Einbeziehung soziologischer Erklärungsmodelle. Die Trennung zwischen den drei Ebenen der Institution, der Geschlechterrollen und der Wissenschaft ist einzig als analytische Differenzierung sinnvoll. Die Unterpräsenz von Frauen an den Universitäten kann nur hinreichend erklärt werden, wenn alle drei Ebenen gleichermaßen berücksichtigt werden. Tatsächlich zeigte bereits die Arbeit des Wissenschaftssoziologen Jonathan R. Cole im Jahr 1979 den Zusammenhang zwischen institutionellen Auswahlprozessen im Bildungsweg, vorhandenen Geschlechterstereotypen wie der Relativierung kreativen Vermögens von Frauen sowie innerwissenschaftlicher Anerkennungsdistribution.113 Dieser als triple penalty bezeichnete Zusammenhang von sich akkumulierenden Nachteilen sorgt für eine self-fulfilling prophecy, die das Selbstvertrauen und die Motivation von Frauen frühzeitig unterminiere. Während Männer sich oft auch bei durchschnittlicher Begabung eine Karriere innerhalb der Wissenschaft zutrauten, misstrauten Frauen weitaus häufiger aufgrund inkorporierter Vorurteilsstrukturen ihrem eigenen Leistungsvermögen.114 Viele Frauen glaubten demnach, nur eine kleine Elite unter ihnen sei für eine derartige Karriere überhaupt geeignet.115 112 113
114 115
Grundsätzlich lässt sich zwischen einer organisationssoziologischen und einer wissenschaftssoziologischen Perspektive unterscheiden. Vgl. Wobbe (2002), S. 7. Cole (1979). Obwohl Cole die historischen Bedingungen für die Marginalisierung von Frauen in der Wissenschaft treffend beschreibt, zieht er daraus kaum Konsequenzen für die Interpretation seiner Daten zur wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit von Frauen. Vielmehr betrachtet er deren durchschnittlich niedrigeren akademischen Rang als eine Folge ihrer geringeren Publikationstätigkeit. Die Wissenschaft arbeite in seinen Augen fair. Zur Kritik an Coles Interpretation von Forschungsdaten vgl. Rossiter (1981). Zur Frage des Einflusses struktureller Barrieren oder leistungsrelevanten Faktoren in der Wissenschaft vgl. auch Bielby (2000). Zur Inkorporation von „patriarchalischen Frauenstereotypen“ bei Studentinnen vgl. Vetter (1961), S. 660. Vgl. Cole (1979), S. 9, 78, 255.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Die erste Ebene von Ausschlussfaktoren, die eine Unterrepräsentanz von Akademikerinnen bedingen, befindet sich innerhalb institutioneller Strukturen.116 Die europäischen Universitäten gehen in ihren strukturellen Grundzügen auf das Mittelalter zurück. Demzufolge sieht die Mediävistin Bea Lundt in der klerikalen Genese dieser Strukturen eine Ursache für die Entwicklung der Universität zum Männerbund. Zwar relativiert die Universitätsgeschichtsschreibung die These einer direkten Kontinuität zwischen Dom- oder Klosterschulen und Universitäten, doch kam es durchaus zur indirekten Übernahme klerikaler Praktiken, sei es in Form niederer Weihen für Studenten oder durch die bis ins 15. Jahrhundert geläufige Bindung an das Zölibat für Medizindoktoren.117 Neben sozialen Veränderungsprozessen wie der zunehmenden Mobilität im Hochmittelalter, dem Wandel der Denkformen durch das Aufkommen der Scholastik sowie der Wiederentdeckung des römischen Rechts ist demnach die Übernahme klerikaler Strukturen in den Entstehungsbedingungen zu reflektieren.118 Zudem betont Lundt, die ältere klerikale und mit weiblicher Gelehrsamkeit kompatible Schriftkultur habe im Zuge einer Professionalisierung der Schriftkultur an den Universitäten eine Abwertung erfahren.119 Wenn die männerbündischen Strukturen der Universität derart tief verwurzelt waren, musste dann nicht die Öffnung der Universität für Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen immensen Wandel dieser Strukturen bewirken? Ein solcher revolutionärer Wandel fand bekanntermaßen nicht statt. Kristine von Soden verweist vielmehr darauf, dass die Professoren mehrheitlich das Frauenstudium als einen zusätzlichen Störfaktor betrachteten und Veränderungen alles andere als begrüßten. Sie sahen ohnehin in der zunehmenden Spezialisierung eine Bedrohung für die Einheit der Wissenschaft. Zudem herrschte in der Professorenschaft Angst vor einem sozialen Abwärtstrend an den Universitäten und damit zugleich Angst vor einem Verlust des gesellschaftlichen Status als Elite, der bislang auch durch die Selbstrekrutierung aus einem bildungsbürgerlichen Milieu gesichert worden war.120 Um das Paradox einer Gleichzeitigkeit von Strukturerhalt und Strukturveränderung aufzulösen, muss der Prozess der Zulassung von Frauen vor dem Hintergrund neuer Grenzziehungen betrachtet werden, welche die älteren Strukturen stabilisierten. Für die Geschlechtersoziologin Theresa Wobbe gehörte das Prestige der Ordinarien zu diesen älteren Strukturen, die durch die Reproduktionsmechanismen des akademi116
Diese Strukturen beginnen bereits bei den Vorbildungsbedingungen, verstanden als Zugangsvoraussetzung zur Universität. Da dieser Forschungsüberblick lediglich Arbeiten zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte umfasst, sei hier auf Gesamtdarstellungen zur höheren Mädchenbildung im Deutschen Kaiserreich verwiesen: Kleinau (1997); Albisetti (2007); Jacobi (2013). 117 Vgl. Lundt (1996), S. 110–113; dies. (1998). 118 Zu den drei erstgenannten Entstehungsbedingungen vgl. Oexle (1985), S. 36–40. 119 Vgl. Lundt (1996), S. 113. 120 Vgl. Soden (1997), S. 121. Grundlegend zur Angst vor der Masse sowie vor dem Verlust gesellschaftlichen Geltungsanspruches vgl. Ringer (1983), S. 46. 100.
Forschungsüberblick
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schen Betriebes garantiert worden waren.121 Die Medizinhistorikerin Johanna Bleker betonte den Assimilationsdruck, dem Frauen nach ihrer Zulassung ausgesetzt waren.122 Mazóns Interpretation zufolge bestand das eigentliche Ziel einer formalrechtlichen Zulassung eher in einer Regelverschärfung zur Selektion der „besseren Elemente“ unter den Frauen und zur Reduktion ausländischer sowie „ungenügend“ vorgebildeter Gasthörerinnen.123 Die Zulassung von Frauen zum Studium ging keineswegs einher mit einer Öffnung der akademischen Laufbahn. Vor allem bestanden weiterhin rechtliche Hürden bei der Habilitation.124 Als diese Hürden in der Weimarer Republik fielen, etablierten sich neue Hürden, die von der Soziologin Angelika Wetterer in Anlehnung an die Arbeiten von Anne Witz als internal demarcation beschrieben werden und weiche Ausschlussfaktoren bezeichnen.125 Derartige weiche Faktoren manifestierten sich innerhalb der universitären Kultur als Praxisformen: Für Juliane Jacobi sorgten bereits auf Ebene der Studierenden die Geselligkeits- und Lebensformen für eine Exklusion von Frauen. Mit seinen ablehnenden Worten habe dies Treitschke deutlich auf den Punkt gebracht: „Ein Student, der nicht saufen kann, niemals!“126 Eine solche männliche Codierung setzte sich innerhalb des akademischen Karrierewegs fort: Dieser war, wie Paletschek betont, nicht allein durch wissenschaftliche Leistungen bestimmt, sondern wurde zudem als „männliche Bewährung“ verstanden.127 Der Soziologe Michael Meuser interpretiert derartige Hierarchiebildungen in Männergemeinden allgemein als Männlichkeitsspiele, bei denen Frauen nur mitspielen könnten, indem sie „one of the boys“ würden.128 Jedoch ist diese Assimilation an die informellen Strukturen des akademischen Betriebs mit Schwierigkeiten verbunden: Zum einen konnte sich der Ausschlussfaktor des Geschlechts mit anderen Ausschlussfaktoren wie der Konfession, Weltanschauung oder sozialen Herkunft überlagern;129 zum anderen betont die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny, dass Frauen vom informellen networking schon deshalb ausgeschlossen seien, weil die Anreicherung sozialen Kapitals viel Zeit in Anspruch nehme.130 Die Ressource Zeit besäßen Frauen jedoch weit weniger als Männer, da sie durch die Doppelbelastung in Arbeit und Familie stärker gebunden seien.131 Auch Tobies beschreibt die Schwierigkeit einer Vereinbarkeit von akademischer Karriere und Familienleben im universitären Kontext. Ausnahmen fänden sich in historischer Perspektive lediglich in 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131
Vgl. Wobbe (1999), S. 20. Vgl. Bleker (1998a), S. 27. Mazón (2010), S. 119. Vgl. Brinkschulte (1998), S. 61. Vgl. Wetterer (1992). Jacobi (2012), S. 278. Paletschek (2012), S. 296. Meuser (2003), S. 90. Vgl. Paletschek (2012), S. 298 f. Zum Kapitalbegriff vgl. Bourdieu (1983). Vgl. Nowotny (1986), S. 23 f.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Industrielaboren oder Forschungsinstituten wie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die es verheirateten Wissenschaftlerpaaren erlaubten, gemeinsam unter Berücksichtigung ihrer Familienverhältnisse zu arbeiten.132 Zur benachteiligenden universitären Kultur gehöre auch die Praxis, Frauen in Hilfs- oder Assistenzstellungen abzudrängen, die zu keinem sichtbaren Output führen: Dadurch blieben die betroffenen Forscherinnen unbekannt.133 Vor diesem Hintergrund steht die kontrafaktische Überlegung des amerikanischen Bildungsforschers James C. Albisetti: Dieser bewertet die in Deutschland bereits frühzeitig abgelehnte Errichtung von Frauenuniversitäten nach angloamerikanischem Vorbild als verpasste Möglichkeit. Derartige homosoziale Universitäten hätten Frauen bessere Karrierechancen im akademischen Feld eingeräumt.134 Allerdings zeigt gerade die Situation von Frauen an amerikanischen Hochschulen, dass dort zwar kulturelle Ressourcen entstanden sind,135 jedoch die Chancen von Frauen an männlich dominierten Eliteuniversitäten der Ivy League gering blieben – bis hinein ins 20. Jahrhundert waren sie in Harvard und Princeton sogar formalrechtlich von der Erlangung akademischer Grade ausgeschlossen.136 Neben den genannten institutionellen Faktoren müssen außerinstitutionelle Gründe betrachtet werden – vor allem wenn es um die Frage geht, wodurch der Anstoß einer graduellen Veränderung institutioneller Strukturen kam, an deren Revision im Innern der Institution wenig Interesse bestand. Die Medizinhistorikerin Eva Brinkschulte vertritt die These, dass ein von außen stammender Modernisierungsdrucks bei der Zulassung von Frauen zum medizinischen Staatsexamen eine maßgebliche Rolle spielte.137 Die Rolle des Einflusses der Frauenbewegung beim Wandel der öffentlichen Meinung in den 1890er Jahren wird allgemein betont. Im Sinne der Modernisierungsthese muss dabei der Demokratisierungsgrad im Kaiserreich berücksichtigt werden, der die Spielräume öffentlicher Äußerungen absteckte.138 Rowold verweist im Zusammenhang mit den Bestrebungen der bürgerlichen deutschen Frauenbewegung auf Ambivalenzen: Denn vor allem der gemäßigte Flügel sorgte für eine Naturalisierung bzw. Verdinglichung bestehender Geschlechtervorstellungen.139 Im Gegensatz zu den Radikalen bzw. Fortschrittlichen, die das individuelle Naturrecht betonten, propagierten die Gemäßigten einen „maternalist feminism“, der kollektiv-weibliche Dispositionen wie Mutterschaft
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Vgl. Tobies (2008), S. 46. Vgl. ebd., S. 60–65. Vgl. Albisetti (2007), S. 177. Vgl. Wobbe (1999), S. 21. Vgl. Cole (1979), S. 214. Vgl. Brinkschulte (2011), S. 21. Vgl. Costas (1992b), S. 138. Zur Binnendifferenzierung in der bürgerlichen Frauenbewegung vgl. Kapitel II, 2. Abschnitt: Die Organisationsbasis der Frauenbildungsbewegung.
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auf außerfamiliäre Bereiche übertrug, um die Präsenz und das Wirken von Frauen in ihnen zu legitimieren.140 Claudia Huerkamp betont das Paradox eines bildungsbürgerlichen Interesses an der Öffnung der Universitäten einerseits und der ebenso bildungsbürgerlichen Ablehnung erwerbstätiger Frauen in freien Berufen andererseits.141 Costas bezeichnet es als einen „deutschen Sonderweg“, der anders als im angloamerikanischen Raum dazu führte, dass berufsständische Interessen zur Wahrung des Sozialprestiges zu einer Abwehr von Frauen führten.142 Auch die historische Bildungsforscherin Glaser sieht vor allem externe Gründe für eine Ablehnung von gleichen universitären Bildungschancen für Frauen.143 Zwar erscheinen die Argumente der Mediziner zur psychophysischen Unfähigkeit von Frauen wissenschaftlich und damit fachintern, doch habe die Frage der Befähigung nie im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Vielmehr diente die Befähigungsfrage lediglich als Mittel zum Zweck des Ausschlusses von akademischen Berufswegen.144 In dieser berufsständischen Abwehr zeigt sich die Angst vor Veränderungen im Zuge eines sich vollziehenden sozialen Wandels.145 Innerhalb der Universitäten sorgte diese Angst für ein diffuses Krisenbewusstsein.146 Schließlich äußerte sich in diesem Krisenbewusstsein auch die Furcht vor dem Verlust von Deutungsmacht in der breiteren Öffentlichkeit.147 Neben institutionsorientierten Ansätzen werden in der Forschung zudem herrschende geschlechtliche Rollenmuster als Faktoren für den Ausschluss von Frauen betrachtet. Mit Blick auf die im Bielefelder SFB angesiedelten Studien zu Bildungsbürgerinnen beschreibt Gunilla-Friederike Budde die Ambivalenz der bürgerlichen Gesellschaft, die zwar durch geschlechtsspezifische Ungleichheitsmuster geprägt gewesen sei, zugleich jedoch die Möglichkeitsbedingungen der Akzeptanz akademisch gebildeter Frauen durch eine hohe Wertschätzung des Wissens in der (bildungs-)bürgerlichen Familie enthielt.148 Wo sonst als innerhalb bildungsbürgerlicher Lebenswelten sollte sich die Subjektposition der akademischen Frauen herausbilden? Vielfach geschah dies über die Rolle der gebildeten Mutter, die durch rationale Haushaltsführung und Erziehung zum Wohle der bürgerlichen Familie beitragen sollte. Wie Hirsch herausgearbeitet hat, gilt dies in besonderer Weise für die jüdische Bildungstradition.149 Trotz dieser Möglichkeitsbedingungen reichten die Wurzeln geschlechtsspezifischer Rollenmuster tief. Karin Hausen verweist auf die Notwendigkeit einer massiven Kräftekonzentration im Wissenschaftsbetrieb, die geradezu eine Trennung zwischen 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149
Vgl. Rowold (2010), S. 5–8. Vgl. Huerkamp (1988), S. 202. Vgl. Costas (1992b), S. 138. Vgl. Glaser (1996), S. 303. Vgl. ebd., S. 309. Vgl. Bleker (1998b), S. 10. Zum Krisenbewusstsein der Professoren vgl. Ringer (1983), S. 229–243. Brunner (1992), S. 64. Vgl. Budde (2000). Hirsch (2010).
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
männlichen und weiblichen Sphären und damit Rollen bedingte. Reine Hingabe an und Freistellung für die Wissenschaft ließen sich lediglich durch Arbeitsteilung realisieren. Der von den Professoren zur Jahrhundertwende betonte Kampf, die Aufopferung und die Mühen im wissenschaftlichen Schaffensprozess bedingten das Ideal einer gesicherten Familie. Diese Sicherheit sollten Mütter und Hausfrauen garantieren. Sie hatten die menschlichen Bedürfnisse der Männer zu erfüllen, die selbst mit den übermenschlichen Aufgaben des Wissenschaftsbetriebs vollauf gebunden waren – selbstredend innerhalb des Horizontes bürgerlicher Wertewelt, die eine Vereinbarkeit von Berufs- und Familienarbeit noch nicht vorsah.150 So wundert es kaum, dass Frauen innerhalb der akademischen Arbeitswelt stets eine sekundäre Rolle einnahmen – während ihre primäre Rolle auf die Familienarbeit bezogen blieb. Die wenigen Aufsteigerinnen im Wissenschaftsbetrieb verblieben dort bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein im Status von Parvenüs, ohne eine Normalisierung ihrer Subjektposition zu erlangen.151 In ihrer Untersuchung der autobiografischen Selbstwahrnehmung solcher Parvenüs konstatiert Huerkamp eine Verdrängung diskriminierender Erfahrungen.152 Scheinbar gehörte dieser blinde Fleck zu den Bedingungen ihres Aufstiegs. Dies schließt an die allgemeineren Überlegungen Coles an, der den Faktor einer self-fulfilling prophecy betont: Frauen mit gesteigertem Bewusstsein für die sie blockierenden Barrieren scheitern an genau diesen.153 Allein der Fokus auf die individuelle Leistungsfähigkeit in Absehung verallgemeinernder Geschlechterstereotype scheint Erfolg zu ermöglichen. Eine weitere Perspektive auf Ausschluss und Marginalisierung von Frauen an den Universitäten besteht darin, innerwissenschaftliche Faktoren zu betrachten, die sich in den einzelnen Disziplinen aufgrund des dort verhandelten Fachwissens sowie der Fachkultur herausbilden. Der Fokus liegt hierbei zum einen auf wissenschaftlichen Wissensbeständen, die das Geschlechterwissen der Gesellschaft mit dem Fachwissen der Disziplin verbinden, sodass dieses Fachwissen als scheinbar objektive Legitimationsebene sozialer Tatbestände wirkt. Dies hat Auswirkungen in zwei Richtungen: Zum einen bestimmt es den Umgang mit Frauen innerhalb der eigenen Disziplin, zum anderen wirkt dieses Wissen nach außen als Stabilisator der gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse. Die meisten Arbeiten mit einem wissenschaftsgeschichtlichen Blick auf Geschlechterverhältnisse widmen sich der Medizin154 oder naturwissenschaftlichen Fachgebieten155 – ein Resultat der naturwissenschaftsorientierten Wissenschaftsgeschichte. So haben Claudia Honegger und Karin Schmersahl den Einfluss der Medizin auf die Ord-
150 151 152 153 154 155
Hausen (1986). Vgl. Ammicht Quinn/Wodtke-Werner (1999), S. 125 f. Huerkamp (1996). Vgl. Cole (1979), S. 255. Hollmann (1976); Mahncke (1997); Ebert (2003). Vgl. Schiebinger (1993); Vogt (2007); Hoffmann (2011).
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nung der Geschlechter im 18. und 19. Jahrhundert aufgezeigt.156 In einer vergleichenden Studie befasst sich Wobbe mit der Situation von Soziologinnen im amerikanischen und deutschen Hochschulsystem. Sie beschreibt die Hürden auf dem Weg zur Habilitation, ergänzt durch drei Fallstudien über die ersten Soziologinnen in Deutschland – darunter die Jenaer Professorin Mathilde Vaerting (1884–1977).157 Wobbe bezieht zudem das soziologische Geschlechterwissen in ihre Analyse ein – etwa die Thesen Georg Simmels zur weiblichen Kultur. Dieses Vorgehen erweist sich auch in Dorit Heinsohns Arbeit über das Geschlechterwissen der Physik als fruchtbar: So kann sie zeigen, dass naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle einen Einfluss auf geschlechterpolitische Positionen besaßen – beispielsweise argumentierten Planck, Wilhelm Ostwald (1853–1932) und Herbert Spencer (1820–1903) in ihrer Ablehnung höherer Frauenbildung auf Grundlage der Theorie der Energieerhaltung: Bildung stehe aufgrund des hohen Energiebedarfs der weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit im Wege.158 In jüngster Zeit findet sich Geschlecht als Analysekategorie auch in Arbeiten zur geisteswissenschaftlichen Wissenschaftsgeschichte: Für die Geschichtswissenschaft analysiert Falko Schnicke u. a. anhand der Briefwechsel von Leopold von Ranke (1795–1886) und Johann Gustav Droysen (1808–1884) den Einfluss von Körper- und Geschlechternormen auf das Arbeiten von Historikern. Er zeigt mit Blick auf die verschiedenen Ebenen des Wissens, der Praxen, Strukturen und Einzelpersonen, wie die Historiografie im Zuge ihrer Verwissenschaftlichung zugleich zu einer männlichen Disziplin wurde.159 Für die Germanistik an der Universität Wien hat Elisabeth Grabenweger gezeigt, dass institutionelle, fachliche und personelle Veränderungen wie der Prestigeverlust der Privatdozentur, das Nachlassen der Bedeutung von wissenschaftlichen Schulen sowie Brüche in der professoralen Abfolge zu einer Konstellation beitrugen, die sich vorteilhaft für die Karriere von Germanistinnen auswirkten.160 Levke Harders analysiert die Geschlechterordnung der American Studies: Sie kann zeigen, wie sich die symbolische Repräsentation von Geschlecht auf fachliche Imaginationen von „Nationalkultur“ auswirkte und wie sie auf einer tieferen Ebene die Arbeitsbedingungen von Amerikanistinnen beeinflusste.161 Welcher Forschungsbedarf lässt sich in Anbetracht der geschilderten Literaturfülle konstatieren? In ihrem Forschungsüberblick aus dem Jahr 2002 verweist Budde auf einen Mangel an Gesamtdarstellungen, die Brüche und Zäsuren sichtbar machen, sowie auf ein Defizit an vergleichenden Darstellungen. Trotz des von Budde aufgezeigten Desiderats fehlen noch immer Studien, die systematisch das Wechselverhältnis zwischen der Universität und dem öffentlichen Raum in den Blick nehmen. In ihrer 156 157 158 159 160 161
Honegger (1991); Schmersahl (1998); vgl. auch den Sammelband von Bleker/Steger (2005). Wobbe (1997). Heinsohn (2005). Vgl. Schnicke (2015), S. 13, 21. Vgl. Grabenweger (2016), S. 231. Vgl. Harders (2013), S. 10, 233.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Untersuchung zur radikalen Frauenbewegung stellt zudem Anne-Laure Briatte fest, dass es „noch keinerlei Forschung zu den Aktivitäten der ‚Radikalen‘ [gibt], um Frauen den Zugang zu weiterführenden Schulen oder den Universitäten zu verschaffen.“162 Auf diese Forschungslücken reagiert die vorliegende Studie: Sie umfasst den Zeitraum zwischen der Gründung des ADF im Jahr 1865 und dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 und sie bezieht den gesamten deutschen Sprachraum (Deutschland, Österreich, Schweiz) ein – wenngleich dies vor allem auf die Analyse von Publikationen beschränkt bleibt und sich die Darstellung von institutionellen Veränderungen hauptsächlich auf die Bundesstaaten des deutschen Kaiserreichs bezieht. Zudem betrachtet die Studie indirekt die Situation der höheren Bildung auch in anderen Staaten (USA, Großbritannien und Russland), insofern diese im untersuchten Diskursfeld als Argument auftauchten. Um sowohl die Institutionen und ihre sozialen Akteurinnen und Akteure als auch den Kampf um Wissen und Bedeutung innerhalb der breiteren Öffentlichkeit in den Blick nehmen zu können, nimmt die Untersuchung eine wissenssoziologische Diskursanalyse vor: Dieser geht es sowohl um symbolischen Zeichengebrauch als auch um nicht-diskursive Praktiken innerhalb institutioneller Felder wie beispielsweise die Vereinsaktivitäten der bürgerlichen Frauenbewegung.163 4. Fragestellung, Hypothesen, Inhaltsübersicht Im Anschluss an den Forschungsüberblick stellt sich die Frage nach der konzeptuellen Ausrichtung vorliegender Studie. Insofern sie das Wechselverhältnis zwischen Institution und Öffentlichkeit(en) in den Blick nimmt, handelt es sich vorrangig um einen Beitrag zur Universitäts- und Kommunikationsgeschichte.164 Die Klassifizierung als Geschlechtergeschichte trifft ebenso zu, ist jedoch eher einem Mangel geschuldet: Denn bei Geschlecht handelt es sich um eine Kernkategorie historischer Forschung. Geschlechterverhältnisse sind konstitutiv an der Herausbildung gesellschaftlicher Relationen beteiligt – deshalb sollte sich deren Analyse nicht in ein einzelnes Spezialgebiet abschieben lassen.165 Zudem erfolgen Exkurse ins Feld der Wissenschaftsgeschichte, 162 163
Briatte (2020), S. 91. Bei nicht-diskursiven Praktiken handelt es sich um institutionalisierte Handlungsmuster, die mit keinem unmittelbaren Sprach- oder Zeichengebrauch einhergehen. Sie können allerdings, wie in Kapitel IV, 2. Abschnitt: Adaptionsstörungen beschrieben, an der Diskursproduktion bzw. Transformation beteiligt sein. Vgl. Keller (2011b), S. 255 f. 164 Zu den Dimensionen von Öffentlichkeit(en) aus systemischer, räumlicher und akteursorientierter Sicht vgl. Kinnebrock (2007), S. 28. 165 Gleichwohl ist die weitere Institutionalisierung der Geschlechtergeschichte durch Professuren, Studiengänge und Forschungsverbände notwendig, um theoretische Impulse zur Reflexion der Kategorie Geschlecht für die Geschichtswissenschaft zu liefern. Es ist fraglich, ob eine solche Institutionalisierung bereits nachhaltig gelungen ist, da die bestehenden „Professuren bis auf eine die Geschlechtergeschichte nur als Teildenomination [führen], was [künftig] die Annulierung der
Fragestellung, Hypothesen, Inhaltsübersicht
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wenn wissenschaftliches Fachwissen erforderlich ist, um einzelne Spezialdiskurse innerhalb des untersuchten Diskursfeldes zu verstehen. Das zweite Kapitel (Machtpotenziale) dieser Studie zielt auf eine (Re-)Konstruktion des Diskursfeldes und seiner umliegenden institutionellen Felder, die den Handlungsraum der sozialen Akteurinnen und Akteure bildeten. Dadurch wird eine Antwort auf die Frage möglich, wie und weshalb es zur Jahrhundertwende zu einer Veränderung des universitären Feldes kam, nachdem dessen Ausschlussprinzipien, welche die Universitäten als exklusiv männliche Räume definiert hatten, ein halbes Jahrhundert lang entgegen dem Öffnungstrend in anderen Ländern aufrechterhalten worden waren. Welche Diskurstransformationen und Machtverschiebungen waren notwendig, um diese Änderung zu bewirken? Welche institutionellen Felder lassen sich innerhalb des Diskursfeldes finden? Welche Rolle spielten dort die sozialen Akteurinnen und Akteure? Mit diesen Fragen rücken die Potenziale der Macht in den Fokus der Analyse. Derartige Potenziale ergeben sich aus den Stellungen der sozialen Akteurinnen und Akteure innerhalb ihrer jeweiligen Institution. Machtpotenziale geben den Sprechenden innerhalb des Diskursfeldes eine Definitionsmacht, über legitime Probleme und Lösungsansätze zu entscheiden. Zugleich sind derlei Definitionen an Deutungsmuster gebunden, die das Weiterbestehen jener Institutionen sichern, die den Akteuren und Akteurinnen erst ihre Macht verleihen. Die Verbindung zwischen Institutions- und Akteursperspektive gibt Aufschluss darüber, wie stark Macht- und damit Veränderungspotenziale waren. Da die Akteurinnen und Akteure im Diskursfeld einer sozialen Homogenität unterliegen, die auf eine gemeinsame (bildungs-)bürgerliche Herkunft zurückgeführt werden kann, ist davon auszugehen, dass die Vektoren der Machtpotenziale nicht in Richtung eines revolutionären Bruches wirkten. Die Veränderungsvektoren zeigten eher in Richtung einer Verschiebung und graduellen Rekombination von Wissen und Institution. Die gemeinsamen Weltwahrnehmungsmuster, Wertmaßstäbe und Verhaltensregeln einer bürgerlichen Prägung schufen den Boden für einen Ausgleich zwischen den sozialen Akteurinnen und Akteuren. Im dritten Kapitel (Wissensbestände) der Untersuchung wird danach gefragt, anhand welcher Themenfelder sich das Diskursfeld inhaltlich erschließen lässt. Sie bilden die vier Abschnitte des Kapitels und lassen sich vier Bereichen zuordnen: der Gesellschaft und damit dem Sozialen, Politischen und Kulturellen; dem Geschlecht und den damit verknüpften Bereichen des Körpers, des Geistes und der geschlechtsspezifischen Verhaltensnormen (Moral); der Bildung und damit der Gymnasialbildung (universitäre Vorbildung), der Universitätsbildung und der Verwertung dieser Bildung in akademischen Berufen. In diesen Bereichen bildeten sich die Problemstrukturen der akademischen Frauenbildungsfrage als ein Geflecht von schwer lösbaren Aufgaben: Einzelne Probleme schienen leicht lösbar zu sein, doch ihre strukturelle Einbindung in breitere Teildenomination Geschlechtergeschichte ohne Änderung der Strukturpläne ermöglicht“. Schaser (2015), S. 85.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Gesellschaftsfragen zog stets eine Kette weiterer Erwägungen und Unsicherheiten nach sich. Die Grenzbereiche des Wissens, als vierter Bereich, bezeichnen schließlich externe Quellen der Irritation und der Verunsicherung von Weltwahrnehmungsmustern: Versuche, das Diskursfeldes zu ändern, vollzogen sich durch eine Aneignung des Fremden aus den Gefilden der Geschichte und des Auslandes. Diese beiden Bereiche ließen sich nicht im selben Maße stabilisieren, wie die beständig aktualisierten Wahrnehmungsund Handlungsmuster innerhalb der institutionellen Felder, aus denen das Diskursfeld stammte. Ihre Deutungsoffenheit war ein Mittel innerhalb der verschiedenen globalen Strategien, welche die sozialen Akteure und Akteurinnen unter Rückgriff auf ihre Machtpotenziale nutzten, um das Diskursfeld zu verändern. Die Beschreibung der jeweiligen Bereiche endet mit einem Zwischenfazit, in dem übergreifende Deutungsmuster zutage treten. Im vierte Kapitel (Effekte des Macht-Wissen-Komplexes) werden die folgenden Fragen beantwortet: Aufgrund welcher Machtpotenziale veränderten sich die Diskurse innerhalb des Diskursfeldes? Welche Auswirkungen hatte dies auf die Veränderung des universitären Feldes: Handelte es sich dabei um einen grundlegenden Bruch mit der Tradition oder eher um eine graduelle Transformation? Welche sozialen und kulturellen Bedingungen konstituierten sich schließlich durch diese Ereignisse für Frauen als Studentinnen? Wissensbestände treffen auf Machtpotenziale und verändern Diskurse, Institutionen und Subjektpositionen. Der erste Abschnitt des vierten Kapitels zielt auf Wirkungen im Bereich nicht-diskursiver Praktiken und damit auf Institutionalisierungsprozesse. Im zweiten Abschnitt erfolgt eine Darstellung von Effekten auf der Ebene diskursiver Praktiken, also innerhalb der Diskurse und des Wissens. Hier lässt sich die inhaltliche Entwicklung des Diskursfeldes nachvollziehen. Damit wird erkennbar, welche Ereignisse für eine Polarisierung oder Dynamisierung des Diskursfeldes sorgten. Im letzten Unterabschnitt werden darüber hinaus Widerstandshandlungen der sozialen Akteure des universitären Feldes beschrieben. Der dritte Abschnitt widmet sich dem Subjekt und damit sowohl den problematisierten Zuschreibungen wie der Modestudentin oder der vermännlichten Emanzipierten als auch den legitimen Identitätsangeboten wie der fleißigen Durchschnittsstudentin. Die institutionellen, diskursiven und subjektkonstituierenden Effekte werden als eine dynamische Stabilisierung beschrieben:166 Die Veränderungen vollzogen sich nicht, um zu etwas radikal Neuem zu gelangen, sondern um eine den neuen Umweltbedingungen angepasste Stabilisierung der Institution zu erreichen. Hierdurch erklärt sich die merkwürdige Parallelität von Veränderung und Bewahrung. Zwar vollzog sich eine 166 Der Soziologe Hartmut Rosa nutzt das Konzept einer dynamischen Stabilisierung, um die Beschleunigungslogik moderner Gesellschaften zu erklären. Diese bedürfen einer ständigen inneren Revolutionierung, um sich erhalten zu können. Vgl. Rosa (2016), S. 671–689. Im Hinblick auf die Anpassungsleistung von Frauen in der Wissenschaft findet sich die Stabilisierungsthese bereits bei Bleker (1998a), S. 27. Zur allgemeinen Charakterisierung von sich wandelnden Dispositiven vgl. Neumann (2019).
Methodologie: Zur Theorie und Praxis wissenssoziologischer Diskursanalyse
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rechtliche Befreiung von Frauen durch eine progressive Änderung der universitären Verfasstheit. Doch blieben zugleich die Restriktionen der Weiblichkeit im Rahmen einer traditionellen Familienordnung bestehen. Diese strukturelle Unvereinbarkeit von weiblicher Bildungs- und Familienbiografie ließ Frauen in eine Sonderrolle innerhalb der Universitäten treten, die für eine Bewahrung der Strukturen einer Männeruniversität sorgten. Die Ausnahmefrau im universitären Feld war das Produkt dieser dynamischen Stabilisierung von Wissenschaftsraum und Weiblichkeitsideal. In der Schlussbetrachtung treten die beiden Hauptprobleme der analysierten Wissensbestände gebündelt zutage. Die komplexe Problemstruktur innerhalb der Wissensbestände verdichtet sich in zwei Polen, die in der Analyse als Schlüsselkategorien sichtbar werden: die Frau und die deutsche Universität. Beide waren stark idealisiert und genau diese Idealisierung machte Veränderungen problematisch. Es herrschte bis weit in die bürgerliche Frauenbewegung hinein Furcht vor dem Verlust des vermeintlichen Wesens der Frau und der Universität. Die Angst vor einer Wesensänderung aufseiten der Frau war die Angst vor dem Monströsen, dem Widernatürlichen, dem Anorganischen. Beim Umgang mit den drohenden Veränderungen lassen sich vier globale Strategien ausmachen, die von den sozialen Akteurinnen und Akteuren im Kampf um die Umgestaltung des Diskursfeldes genutzt worden sind: Die Radikalen strebten nach Befreiung. Für sie war gerade das Bestehende skandalös. Sie erforschten und erkämpften als Avantgarde die Nischen für das Kommende. Die Liberalen strebten gleichsam nach Befreiung, suchten dabei jedoch den Ausgleich zwischen alter und neuer Ordnung. Das Kommende war ein ferner Sehnsuchtsort, den zu erreichen eine langsame Anpassung des Bestehenden voraussetzte. Die Konservativen strebten nach Bewahrung. Anpassungen an gesellschaftliche Veränderungsprozesse waren Kompromisse, die notwendig waren, um den radikalen Bruch abzuwenden und Natur und Tradition zu erhalten. Ihr Sehnsuchtsort lag in der Vergangenheit. Die Reaktionäre agierten ebenfalls bewahrend. Sie waren die kompromisslosen Verteidiger/-innen des vom Wandel bedrohten Vergangenen und zeigten sich in ihrer unnachgiebigen Haltung wie die Radikalen zu einem Leben in gesellschaftlichen Nischen und Grenzbereichen bereit. Innerhalb dieser Arena widerstreitender Diskursstrategien etablierte sich ein struktureller Konsens zwischen Konservativen und Liberalen, der zur Etablierung zweier Subjektpositionen der akademischen Frau führte: der Durchschnittsstudentin und der Ausnahmefrau. Letztere war die kaum erreichbare Projektionsfläche von Bildungsidealen, die sich angesichts des sozialen Wandels als zunehmend brüchig erwiesen. 5. Methodologie: Zur Theorie und Praxis wissenssoziologischer Diskursanalyse in der Geschichtswissenschaft Die wichtigsten Analysekategorien dieser Studie wie die des Diskurses, der Macht oder des Subjekts sind bereits mehrfach genannt worden und verweisen auf diskursana-
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
lytische Denkansätze, die Michel Foucault maßgeblich geprägt hat. Analytisch lassen sich Diskurse als ein Ordnungsprinzip begreifen: Sie enthalten Ordnungsmuster des symbolischen Zeichengebrauchs, die zeitlich und räumlich verortbare Wissensbestände generieren. Die inhaltliche Gestalt der Diskurse spielt eine sekundäre Rolle.167 Wichtig ist für eine Diskursanalyse zunächst, die Möglichkeitsbedingungen für das Auftauchen bestimmter inhaltlicher Ausgestaltungen zu betrachten. Diese Möglichkeiten zielen auf eine nicht-intentional gesteuerte und damit überindividuelle Ordnung. Der Fokus liegt auf formalen und kollektiven Mechanismen, die sowohl den Zutritt zu Diskursen als auch den Inhalt von Diskursen regulieren. Das grenzt die Diskursanalyse von der klassischen Ideengeschichte ab, in der die Persönlichkeit von Autorinnen und Autoren sowie ihre Ideenwelt im Zentrum des Interesses stehen. Außer den Einzelpersonen rückt deshalb auch das Thema aus dem Zentrum der Untersuchung. Es ist ein zu erklärender Effekt der zu untersuchenden Umstände: In diskursanalytischer Perspektive geht es um die Frage, warum das Thema der höheren Frauenbildung und damit des Frauenstudiums gerade in der Mitte des 19. Jahrhunderts auftauchte. Es stellt sich die Frage, welche Phänomenstrukturen dieses Auftauchen hervorbrachte, die bislang kein Gegenstand von Erkenntnis sein konnten. Phänomene sind damit keine Produkte einer neutralen Beobachtung, sondern zeigen sich dem Bewusstsein stets als vorstrukturierte Inhalte.168 Das Wissen über und die Wahrnehmung von Phänomenen steht in enger Verbindung zu den Diskursen, die zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort medial zirkulieren. Diskurse umgrenzen einen Erkenntnishorizont und ordnen die Phänomene in das Prokrustesbett der vorherrschenden Erkenntniskategorien. Wie Foucault verdeutlicht, müsse man „den Diskurs als eine Gewalt begreifen, die wir den Dingen antun“.169 Wie ein Scheinwerfer strahlen die Diskurse auf ihre Objekte und bringen je nach Einfallswinkel ganz verschiedene Phänomene hervor. Ob Wissenschaftlerinnen als Ausnahmen erscheinen oder als Normalität, hängt von den diskursiv geprägten Wahrnehmungsstrukturen der Diskursteilnehmenden ab. Bertolt Brecht nutzte die Lichtmetaphorik in seiner Dreigroschenoper, um die Wahrnehmungsweise sozialer Verhältnisse zu problematisieren: „Denn die einen sind im Dunkeln/Und die andern sind im Licht./Und man siehet die im Lichte/Die im Dunkeln sieht man nicht.“170 Für den Wissenschaftshistoriker Thomas S. Kuhn bestimmte ein Paradigma, das als diskursives Ordnungsmuster begriffen werden kann, „nicht nur, welche Entitäten das Universum bevölkern, sondern auch, welche es nicht enthält“.171 Kurz gesagt, stabilisieren Diskurse eine Perspektivität und konstruieren damit wahrnehmbare Phänomenstrukturen. Da alle Menschen nur symbolisch vermittelte Erkenntnisse über Phänomene
167 168 169 170 171
Vgl. hierzu Jäger (2012), S. 27; Keller (2006), S. 63 f. Für weitere Ausfühung zum Phänomenbegriff vgl. Kapitel I, 5. Abschnitt: Interpretative Analytik. Foucault (1991a [1970]), S. 34. Brecht fügte den Schlussvers für eine Verfilmung des Stücks hinzu. Vgl. Brecht (1997 [1930]), S. 320. Kuhn. (1976 [1962]), S. 21.
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haben können, ermöglichen diskursive Konstruktionen lediglich eine probabilistische Annäherung an Objektivität, deren Maßstäbe unter raumzeitlichen Einschränkungen pragmatistisch formuliert werden können. Sicher, es gab die deutsche Universität und die deutsche Weiblichkeit, doch gerade dort, wo so viel von deren eigentlichem Wesen die Rede war, offenbarten die redenden Menschen gerade nicht das eigentliche Wesen der Universität oder der Frau, sondern überliefern uns heute ein Spektrum der bildungsbürgerlichen Ordnungsmuster im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Das Reden über das Wesen dieser vermeintlichen Entitäten entpuppt sich aus dekonstruktivistischer Sicht als ein Prisma, das so viel mehr Phänomene zum Vorschein bringt, als es das Thema Frauenstudium zunächst vermuten ließe. Analytisch ist es sinnvoll davon auszugehen, dass in komplexen Öffentlichkeiten nicht nur ein einzelner hegemonialer Diskurs als Ordnungsmuster Wissen und Wahrnehmung prägt. Vielmehr verbinden sich Wissen und Wahrnehmung von Phänomenstrukturen mit einer oftmals diffusen und unklaren Vorstellung darüber, warum diese Phänomene als Probleme auftauchen, was eine adäquate Lösung dieser Probleme sein könnte und wer für Probleme und Lösungen eigentlich die Verantwortung trägt. Wenn diese unklaren Vorstellungen in einer breiten Öffentlichkeit medial zirkulieren, dann ist von einem Diskursfeld auszugehen. Innerhalb dieses Feldes ringen ganz verschiedene Diskurse mit unterschiedlichen sozialen Eintrittsbedingungen, verschiedenen Wahrheitskriterien und ordnenden Klassifikationen wie in einer Arena um Geltung. Hier zeigt sich die partikulare Gestalt des Wissensbegriffs: Wissen ist gesellschaftlich umkämpft und in Konflikte verstrickt, weil durch das diskursiv produzierte Wissen die Phänomene ihre Bedeutung erlangen. Wissen liefert den Menschen eine Handlungsorientierung sowohl im Umgang mit Dingen als auch im Umgang mit anderen Menschen. Im Umgang mit Menschen erweist sich Wissen als normativ: Es ordnet die soziale Welt. Bei der Vorstellung von einem Diskursfeld, in dem sich eine Art von Konflikt um gültiges Wissen ereignet, kommt die zweite Analysekategorie der Macht ins Spiel. Dabei handelt es sich um ein Dynamisierungsprinzip, denn Diskurse verändern sich in Zeit und Raum nicht von selbst. Macht liefert die Triebkraft, um das zuvor kaum Denkbare in die Wahrnehmung der Menschen zu bringen und in ihre Handlungen einzubeziehen. Macht entsteht durch das soziale Handeln einer Gruppe, sei dies nun innerhalb lockerer Bewegungsstrukturen oder in fest organisierten Verbänden. Mit dem Anstieg des Grades von Institutionalisierung in einer Gruppe steigt die Stabilität der Machtverhältnisse. Es etablieren sich primäre und sekundäre Kontrollmechanismen, um das Gruppenhandeln zu regulieren, sowie eine im Habitus der Gruppenmitglieder verankerte Hierarchie.172 Macht geht nicht allein von den vermeintlich objektiven sozialen Interessen einer Gruppe aus, sondern wird durch deren diskursive Relevanzstrukturen stabilisiert. Es erfolgt eine Kopplung zwischen Diskurs und Macht: Aus diesem Grund
172
Vgl. Berger/Luckmann (1980 [1966]), S. 59.
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kannte die soziale Frage oder die Frauenfrage mehr als nur eine wahre Lösung. Vermeintlich objektive Antagonismen wie Kapital und Arbeit oder Mann und Frau erscheinen nicht unvermeidlich als essenzielle Widersprüche. Die Konstruktion, Problematisierung und Wahrnehmung von Gegensätzen liegt auf einer symbolisch-kulturellen Bedeutungsebene. Da eine solche diskursive Konstruktion nur im gemeinsamen Handeln einer Gruppe im Modus einer Diskurskoalition durchgesetzt werden kann, entstehen die für relevant gehaltenen Probleme aufgrund von Machtwirkungen innerhalb eines Diskursfeldes. Die Macht ist somit nicht nur pluralistisch, bezogen auf ihre Entstehung in sozialen Gruppen, oder regulativ, bezogen auf den Zugang zur Gruppe, sie wirkt auch dynamisierend. Innerhalb von Gruppen etablieren sich eigene diskursive Ordnungsmuster: Gruppen sind durch die Zahl legitim Sprechender begrenzt. Die Deutungen der sozialen Akteurinnen und Akteure können sich somit abgekoppelt von anderen diskursiven Ordnungsmustern entwickeln. Es etablieren sich Teilöffentlichkeiten, beispielsweise die bürgerliche Frauenbewegung, mit eigenen sprachlichen Codes und Wertesystemen. Wenn Bewegungen beginnen, in einer komplexen bzw. breiteren Öffentlichkeit aufzutreten und wirksam zu werden, dann bringen sie ihre Weltdeutungen in das öffentliche Diskursfeld und schaffen es möglicherweise das gesamte Diskursgeschehen zu dynamisieren. Damit wird deutlich, dass sich die Entwicklungen des Sozialen stets mit Deutungen im Kulturellen verknüpfen: Unrecht verurteilt sich nicht von selbst und der soziale Wandel unterliegt keinem teleologisch-materialistischen Determinismus – weder von der Tradition zur Moderne noch vom Patriarchat zur Emanzipation oder vom Feudalismus zum Kommunismus.173 Zwar liefert das Soziale mit seinen institutionalisierten Feldern die gesellschaftlichen Existenzbedingungen der Diskurse; gleichzeitig legitimieren, deuten und reproduzieren jedoch die Diskurse die Gesellschaftsformation.174 Soziale Machtfaktoren weisen auf eine Erweiterung der an Foucault orientierten Diskursanalyse mit wissenssoziologischen Analysekategorien hin. Der Soziologe Reiner Keller hat das Forschungsprogramm einer wissenssoziologischen Diskursanalyse (WDA) entwickelt, dessen Grundannahmen und Begrifflichkeiten für vorliegende Studie adaptiert worden sind.175 Während die Analyse von Machtpotenzialen auf den Bereich des Sozialen zielt, fokussiert die Analyse von Diskursen auf die Symbolebene der Kultur. Für die Geschichtswissenschaft ermöglicht die WDA somit eine Synthese aus Sozial- und Kulturgeschichte. Für das Forschungsprogramm der WDA zentral ist zudem die analytische Trennung zwischen den Strukturkategorien des Subjekts und den handelnden Akteurinnen und Akteuren – denn sie sind es, die Deutungen vornehmen und damit Diskurse reproduzieren oder transformieren. Nur dadurch wird es möglich, diskursive Dynamisierungsprozesse in ihrem zeitlichen Verlauf zu erklären. 173 174 175
Weiterführend hierzu vgl. Laclau/Mouffe (1991), S. 139–205. Zu diesem Wechselverhältnis vgl. Brieler (2002), S. 59 f. Vgl. Keller (2011b).
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Die Trennung verhindert, dass die subjektivierenden Diskurse selbst als Akteure erscheinen, die tautologisch ihre eigene Dynamisierung bewirken.176 Durch den Einbezug von sozialen Akteurinnen und Akteuren werden dem Diskurskonstruktivismus deutende Konstrukteurinnen und Konstrukteure zur Seite gestellt. Ihre Deutungsspielräume bleiben jedoch durch die herrschenden Ordnungsprinzipien des Wissens sowie durch soziale Machtpotenziale begrenzt. Die Akteurinnen und Akteure befinden sich damit auf spezifischen Subjektpositionen als „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“177 Wenn Akteurinnen und Akteure die sozialen Eintrittsbedingungen erfüllen, haben sie Zugang zum Machtpotenzial einer Gruppe und können in den vorgegebenen Sagbarkeitsgrenzen an diskursiven Deutungskämpfen teilnehmen. Sie können Macht nun auch produktiv nutzen, um die Bedeutung einzelner Phänomenbereiche zu verschieben: Auf diese Weise transformierte beispielsweise die bürgerliche Frauenbewegung die begrenzte Vorstellung von Mutterschaft und durchbrach mit dem Konzept der geistigen Mütterlichkeit die Sphärengrenze zum außerhäuslichen Kulturraum. Außerhalb ihrer Bewegungsöffentlichkeit nahmen die Aktivistinnen mit dieser neuen Phänomenstruktur nun teil am Ringen um die richtige Deutung von Problemen, Lösungskonzepten und Verantwortlichkeiten. Langfristig sorgte dies für eine graduelle Verschiebung der öffentlich vorhandenen Wissensbestände. Es lassen sich innerhalb der Arena des Diskursfeldes verschiedene Phänomenstrukturen auffinden: von der sozialen Frage als Heiratsfrage bis hin zur Physiologie des Gehirns, vom Begriff der Universität bis zu den Funktionen des Staates. Diese diskursiv konstruierten Phänomene waren an soziale Machtpotenziale bzw. gesellschaftliche Kontextfaktoren rückgebunden. Sie wurden von den Akteurinnen und Akteuren in Reflexion auf die soziale Welt aktiviert, um ihrem Handeln in einer sich zunehmend industrialisierenden Gesellschaft sowie angesichts einer sich professionalisierender Wissenschaftlichkeit Bedeutung zu verleihen. Dabei konnte eine solche Aktivierung nur gelingen, wenn auf der Ebene des Sozialen Prozesse der Vergesellschaftung möglich waren. Die Macht organisierter Frauen war mehr als ein bloßer idealistischer Willensakt, mehr als Sprachhandeln oder Symbolpolitik. Es bedurfte eines strukturierten Sozialraumes, in dem diese Frauen überhaupt als Gruppe zueinanderfinden konnten. Während der Diskurs für die analytisch eingenommene Forschungsperspektive ein Ordnungs- und die Macht ein Dynamisierungsprinzip bezeichnet, handelt es sich bei der Kategorie des Subjekts um ein Normalisierungsprinzip: Die Konstitution von Subjektpositionen wirkt disziplinierend, etwa wenn im untersuchten Diskursfeld die Rede ist von der extravaganten Studentin als Trägerin großer Hüte oder aufdringlichen Parfüms. In diesem Fall ist damit die Absicht verbunden, eine bestimmte Identität betonter Weiblichkeit als Quelle der Störung aus dem männlichen Feld der Universität
176 177
Zu dieser Kritik vgl. Bambach (1984), S. 200. Brieler (2002), S. 70; Zum Konzept der Subjektposition vgl. Keller (2011b), S. 217, 221, 223, 235, 253.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
zu verbannen.178 Andererseits konnte die beständige Referenz auf den Fleiß von Studentinnen dazu führen, Fleiß und Ordnungssinn zu einem legitimen Verhaltensmuster der fleißigen Studentin werden zu lassen. Ist das Subjekt somit gefangen im „Kerker-Archipel“ einer antihumanen Disziplinargesellschaft, wie es Jean Améry als Kritik an Foucault formuliert hat?179 Ist es geformt und gezüchtet von einer Bio-Politik staatlicher Gouvernementalität? Das Subjekt als Normalisierungsprinzip einer erziehenden Disziplinar- oder Gouvernementalitätsmacht des Fremd- und Selbstzwangs stabilisiert nicht nur das subjektive Handlungsfeld. Subjekte sind in komplexen funktional differenzierten Gesellschaften fähig zu einer Praxis, die der Wissenssoziologe Peter L. Berger als „Ekstase“ bezeichnet: Sie sind fähig zum „Heraussteigen aus den Gewissheitsroutinen der Gesellschaft“.180 Zwar gäbe es aus einer Rolle bzw. – in der Terminologie der WDA – einer Subjektposition kein Entkommen, doch können Akteurinnen und Akteure durch eigenwillige Deutungsleistungen einen kritischen Abstand wahren und ihre Rollen nicht als fatalistische Notwendigkeit, sondern als Möglichkeit begreifen.181 Die Konstituierung des Subjekts in bürgerlichliberalen Gesellschaften erzeugt Überschüsse, die diese nicht nur dazu befähigt, das Bestehende zu reproduzieren, sondern es zu dynamisieren.182 Je differenzierter eine Gesellschaft, desto mehr Gruppen bilden die Pole einer Gegenmacht zu bestehenden Ordnungsmustern. Minderheiten und marginalisierte Gruppen treten auf die Bühne der Öffentlichkeit und verschaffen sich Gehör. Gerade eine „Überdetermination“183 der Subjekte schafft neben den inkorporierten Zwängen auch Handlungsalternativen, weil die Strukturen durch das Bewusstsein von Akteurinnen und Akteuren hindurch müssen, um reproduziert zu werden.184 Ist die Strukturebene überdeterminiert, kommt den Deutungsleistungen aufseiten der Strukturreproduzierenden eine höhere Bedeutung zu: „Jede gegebene Identität ist eine Möglichkeit, keine Notwendigkeit.“185 Trotz Normalisierung bleibt Gesellschaft veränderbar; umgekehrt sorgt die Vielfalt von Identitätsmustern für Anpassungsfähigkeit an eine sich stetig verändernde Gesellschaft. Das Subjekt befindet sich also auf einer Mesoebene zwischen Gesellschaft und Individuum: Es unterliegt Strukturbedingungen und gleichzeitig wirkt es über das Handeln der sozialen Akteurinnen und Akteure strukturierend. Eine strukturelle Überdetermination ermöglicht es den Handelnden, sich an beschleunigende Veränderungen dynamisch anzupassen und gleichzeitig neue Überschüsse zur Gesellschaftsverände-
178 179 180 181 182 183 184 185
Zum Konzept „betonter Weiblichkeit“ vgl. Scholz (2010), S. 397. Améry (1977). Berger (2011 [1963]), S. 160. Ebd.; hierzu vgl. auch Veyne (2004), S. 44. Zur Bürgerlichkeit als kulturellen Code und den Praktiken freier Assoziation vgl. Hettling (2000). Reckwitz (2006), S. 62. Vgl. Welskopp (2001), S. 104. Keller (2011b), S. 164.
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rung hervorzubringen. In diesem Sinne war Foucault, wie der Historiker Philipp Sarasin treffend feststellt, geradezu ein „Theoretiker des Liberalismus“.186 Um an das oben genannten Beispiel anzuknüpfen, lässt sich sagen, dass Studentinnen als soziale Akteurinnen die Wahl zwischen verschiedenen Subjektpositionen hatten. Zwar wiesen die normalisierenden Tendenzen der legitimen Positionen ganz klar in die Richtung eines positiv assoziierten Identitätsmusters, mit dem ein unauffälliges und gepflegtes Äußeres, Bescheidenheit, Gewissenhaftigkeit, Ruhe, Fleiß und Zurückhaltung einhergingen. Doch erwies sich diese Normalisierungstendenz eben nicht nur als repressiv, sondern auch als produktiv, da Studentinnen nun zumindest einen Möglichkeitshorizont zum Handeln im universitären Feld erhielten, um dort ihre neue Rolle auszudeuten und langfristig ihren institutionalisierten Handlungsradius zu erweitern: So etablierten sie nun ihre eigenen Vereine und Zeitschriften, in denen sie sich zu ihrer Subjektposition reflexiv verhalten konnten. Sie hatten ein, wenn auch anfänglich sehr begrenztes Machtpotenzial in einem einstmals für sie nicht zugänglichen Feld erlangt. Die Debatte um die Zulassung von Frauen zum Studium beeinflusste sowohl die Wahrnehmungs- und Wissenswelt als auch die Verhaltensweisen aller Beteiligten: Immer mehr Professoren betrachteten Studentinnen nicht länger als psychophysische Mängelwesen, sondern als Trägerinnen spezifischer Talente. Studenten mäßigten ihre Umgangsformen, indem sie ihr Trampeln und Pfeifen bei der Anwesenheit von Frauen im Hörsaal reduzierten und sich allmählich mit der Möglichkeit weiblicher Kommilitonen arrangierten. Studentinnen fanden ihre Wege und Nischen in einem für sie zunächst feindlichen sozialen Umfeld. Eine verbindende Betrachtung sowohl der diskursiv konstruierten Kultur als auch der institutionalisierten Felder des Sozialen rekonstruiert die historische Konstellation, die eine Verbindung von Wissenschaft und Weiblichkeit denkmöglich machte. In diesen Relationen stand die historische Persönlichkeit und konnte nicht anders, als jenes Thema anzusprechen, dessen Denkmöglichkeit und damit Problematisierung erst in seiner Zeit gegeben war. Die Persönlichkeiten standen in zu beschreibenden Äußerungsmodalitäten. Sie waren beheimatet an institutionellen Plätzen und unterlagen dort spezifischen Subjektpositionen und Wahrnehmungsfeldern.187 Im Verlauf dieser Studie werden wir diese Plätze besuchen, den dort geltenden Wahrnehmungsweisen begegnen und dem kaleidoskopischen Stimmengewirr lauschen: Doch zuvor stellt sich die Frage, wie die Erkenntnisinstrumente aussehen, die uns in der Gegenwart dazu befähigen, diese Reise anzutreten und dem Stimmengewirr die Antworten auf die gesuchten Fragen abzuringen.
186 187
Sarasin (2008), S. 43. Vgl. Foucault (1981 [1969]), S. 75–82.
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Einleitung: Die Einschreibung der Ausnahmen
Interpretative Analytik: Zur Operationalisierung theoretischer Grundannahmen Anhand der theoretischen Vorannahmen müssen nun Erkenntnisinstrumente abgeleitet werden, die es ermöglichen, sowohl die Analyse der Quellen, die dann im nächsten Unterabschnitt beschrieben wird, als auch deren Interpretation nachzuvollziehen. Keller schlägt zur methodischen Operationalisierung der wissenssoziologischen Diskursanalyse eine rekonstruktive Perspektive der inhaltlichen Gestalt von Diskursen vor. Er nennt diese Perspektive „interpretative Analytik“.188 Das Analysekonzept besteht aus vier Achsen: Phänomenstrukturen, Klassifikationen, Deutungsmustern und narrativen Strukturen. Ein Phänomen bezeichnet etwas im Bewusstsein Erscheinendes. Die bewusste Wahrnehmung von Phänomenen ist kein neutraler rezeptiver Akt, sondern unterliegt strukturellen Vorbedingungen: Jede Benennung von Eigenschaften geschieht notwendig selektiv. Symbole können die Eigenschaften von Objekten nie vollständig erfassen; im Gegenzug kann eine Vielzahl von Symbolen auf eine einzelne Eigenschaft zielen. Wie wir wahrnehmbare Phänomene benennen, hängt vom Sinnkontext ab, in dem diese innerhalb unserer sozialen Welt stehen. Wegen dieser Vielfalt möglicher Bezüge ist Erkenntnis kein bloßer Kurzschluss zwischen empirischer (Reiz-)Erfahrung und bewusster Verarbeitung mittels symbolischen Zeichengebrauchs. Empirische Erfahrungen sind vielmehr unterbestimmt, weil es immer einen breiten Spielraum in der kulturellen Verarbeitung dieser Erfahrungen gibt: Wie Willard Van Orman Quine herausgestellt hat, gilt das auch im wissenschaftlichen Feld.189 Die Bezeichnung von Phänomenen ist kein Akt der Repräsentation, sondern der diskursiven Konstruktion. Selten erfolgt eine Bezeichnung in rein deskriptiver Absicht und je komplexer die Aussage, desto größer werden die Kontexteinflüsse. Wenn wir beispielsweise über den Wahnsinn und die Sexualität der Menschen sprechen, machen wir diese damit zu den Wahnsinnigen oder den Sittenmonstern, die als scheinbar unveränderliche Typen in den sozialen Taxonomien unseres Wissens verhandelt werden. Wie Phänomene erscheinen bzw. wie wir sie wahrnehmen, wird also durch diskursive Muster präfiguriert. Diese Muster werden als Phänomenstrukturen bezeichnet und ihnen gilt das Erkenntnisinteresse. Eine Beschreibung von Phänomenstrukturen bezweckt demnach eine „typisierende Rekonstruktion“ der inhaltlichen Gestalt von Diskursen.190 In komplexen Aussagen ereignet sich nicht nur eine Konstitution von Gegenständen durch selektive Bezeichnung bestimmter Aspekte, sondern es werden auch Gegenstände in Beziehung miteinander gebracht. Derartige Phänomenkonstellationen beinhalten dann Problemdefinitionen, die einen großen Spielraum an möglichen Handlungskon-
188 189
Zum Verhältnis zwischen WDA und Grounded Theory vgl. Truschkat (2013). Vgl. Quine (1951), S. 39 f. Zur Rolle kommunikativer Akte für eine Bewertung empirischer Reize im Rahmen eines „Erkenntnis-Dreiecks“ vgl. Davidson (2004 [1991]), S. 350 f. Zur Weiterentwicklung von Quines Gedanken zu einer feministischen Erkenntnistheorie vgl. Nelson (1990). 190 Keller (2011b), S. 251.
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zepten und adressierten Verantwortlichkeiten zulassen. So wurde im analysierten Diskursfeld beispielsweise die vermeintlich mangelhafte Vorbildung von Frauen oder die Doppelbelastung durch Studium und Hausarbeit als Problem benannt. Gerade bei der Untersuchung öffentlicher Diskursprozesse ist das Spektrum des Sagbaren aufgrund der Heterogenität teilnehmender Gruppen breit. Deshalb lassen sich die Wissensbestände eines Diskursfeldes entlang von Problemdefinitionen inhaltlich erschließen.191 Der Blick auf derartige Phänomenstrukturen eröffnet eine deskriptiv-zergliedernde Perspektive und erfolgt im dritten Kapitel (Wissensbestände) dieser Arbeit. Klassifikationen legen im Unterschied zu Phänomenstrukturen den Fokus auf diskursiv vermittelte und institutionell stabilisierte Kategorisierungen von Phänomenbereichen. Während es bei der Suche nach Phänomenstrukturen um latente und veränderliche Zuschreibungen geht, sind Klassifikationen fixierte Muster der Wahrnehmung.192 Die Spielräume verschiedener Deutungen sind innerhalb des Diskursfeldes hier weitaus geringer, weniger beliebig und viel offener gewaltförmig. Klassifikationen sorgen dafür, dass bezeichnete Phänomene als ein Typus wahrgenommen werden, und fließen in die Darstellung von Phänomenstrukturen ein. Sie finden sich im untersuchten Diskursfeld beispielsweise bei völkerpsychologischen Einteilungen: So ist der Amerikaner charakterisiert durch utilitaristisches Nützlichkeitsstreben und wird mit einer pragmatischmaterialistischen Weltanschauung assoziiert; Osteuropäerinnen stehen unter dem Verdacht gelöster Umgangsformen; Angehörige romanischer Völker werden als Anhänger eines galanten Frauenkultus betrachtet. Auch Bildungskonzepte treten entlang von Klassifikationen in Erscheinung: So wird die angloamerikanische Hochschulstruktur als grundlegend verschieden vom deutschen Hochschulmodell bewertet. Klassische Berufsbilder sind weitere Beispiele von Klassifikationen, die zugleich Subjektpositionen liefern. Im Diskursfeld werden die idealen Eigenschaften eines Arztes als männliche Eigenschaften benannt, um weibliche Ärzte als strukturell unterqualifiziert zu klassifizieren. Die Suche nach der inhaltlichen Gestalt von Diskursen fokussiert neben Phänomenstrukturen und Klassifikationen zudem Deutungsmuster. Diese unterscheiden sich von den zwei bereits beschriebenen Achsen der interpretativen Analytik im Grad ihrer Komplexität. Während die Analyse von Phänomenstrukturen eine deskriptiv-zergliedernde Perspektive einnimmt, kommt der Darstellung von Deutungsmustern die Aufgabe zu, eine die Phänomenstrukturen verbindende Interpretation vorzunehmen. Dabei verknüpfen Deutungsmuster die Ebenen der Phänomenstrukturen (Problemdefinitionen sowie mögliche Handlungskonzepte und Verantwortlichkeiten) und Klassifikationen. Sie beinhalten zudem Werturteile und beziehen dabei die Position von Subjekten ein.193 Darüber hinaus werden anhand der Deutungsmuster erste Wechselwirkungen zwischen 191 192 193
Zum Konzept der Phänomenstruktur vgl. Keller (2011a), S. 103; Keller (2011b), S. 248 f; Keller (2013), S. 47. Zum Konzept der Klassifikation vgl. Keller (2011b), S. 243–248. Zum Konzept des Deutungsmusters vgl. Keller (2011a), S. 208–210; Keller (2011b), S. 240–243.
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Macht und Wissen sichtbar: Denn zum Erreichen ihrer Ziele müssen soziale Akteurinnen und Akteur erfolgreich Deutungsmuster aktivieren. Deutungsmuster bedingen somit eine interpretativ-synthetisierende Perspektive. Als phänomenübergreifendes Element dient ein verbindender Wertbezug. Eine Darstellung der vorherrschenden Deutungsmuster im untersuchten Diskursfeld erfolgt im fünften Abschnitt des dritten Kapitels in einem Zwischenfazit (Deutungsmuster und Aktivierungspotenziale). Schließlich zielt die interpretative Analytik auf narrative Strukturen, deren Analyse sich im fünften Kapitel (Schlussbetrachtung) findet. Narrative Strukturen bezeichnen die „story lines“ oder „roten Fäden“, welche die einzelnen Deutungsmuster zu einer komplexen Geschichte verbinden.194 Derartige Grunderzählungen generieren Erklärungen für das Hauptproblem oder die Hauptprobleme innerhalb eines Diskursfeldes. Als Heuristik lässt sich das formalistische Analysemodell Hyden Whites adaptieren, mit dem dieser Werke der Geschichtsphilosophie und Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts entlang ästhetischer, kognitiver und ideologischer Erzählstrukturen hin untersucht hat. So lassen sich Grunderzählungen zu einer der vier archetypischen Erzählformen des Dramas zuordnen: Das Verhältnis zwischen Protagonist/-in und Welt lässt sich als Romanze, Komödie, Tragödie oder Satire erzählen.195 Die Fragen lauten hierbei: Wie positioniert sich der Autor oder die Autorin zum Hauptproblem des Diskursfeldes? Von welcher Art ist das Weltverhältnis des bzw. der Erzählenden? Besteht Hoffnung auf eine zufriedenstellende Lösung des Problems, gar auf Versöhnung? Werden die gesellschaftlichen Entwicklungen als Katastrophe oder Chance verstanden? Innerhalb dieser Erzählformen werden formale Schlussfolgerungen gezogen. Derartige kognitive Operationen verleihen der narrativen Struktur erst ihre explanatorische Kraft. Sie verbinden die verschiedenen Phänomene zu einem Erklärungsmodell. Die narrative Struktur erhält ein sie übersteigendes Prinzip und damit tieferen Sinn.196 Narrative Strukturen haben zudem ideologische Implikationen bzw. allgemeine ideologische Präferenzen. White identifiziert, in Anlehnung an Karl Mannheim, „geistig verantwortungsbewusste“ Typen in den Deutungen historischen Wandels:197 Konservative Deutungen idealisieren eine langsame und begrenzte Entwicklung als gesunde 194 Zum Konzept der narrativen Struktur vgl. Keller (2011b), S. 251 f; Keller (2013), S. 48 f. 195 Vgl. White (1991), S. 21–25. 196 Beispielsweise kann eine organizistische Welthypothese erklären, weshalb das Wohl des Staates über dem Wohl des Individuums steht. Denn erst die einzelnen Teile der Welt tragen gemeinsam zum Funktionieren des Ganzen bei. In einem mechanistischen Modell lassen sich Phänomene auf ein Grundphänomen reduzieren: So wird die Frauenbildungsfrage vonseiten der Sozialdemokratie als Nebenwiderspruch der sozialen Frage und damit des grundlegenden Klassenwiderspruchs gedeutet. Die Frauenbildungsfrage sei ein Problem der besseren Kreise, da höhere Bildung auch nach einer formal-rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter nur der besitzenden Klasse zukommen würde. Kontextualistische Modelle zielen auf Erklärungen durch komplexe Zeitdiagnosen, welche Phänomene auf ihre wechselseitigen Verstrickungen und Ursprünge zurückführen. Formativistische Konzepte hingegen suchen keine Erklärungen des Ganzen, sondern bezeichnen die Vielfalt und das Eigenrecht der Phänomene. Vgl. ebd., S. 25–37. 197 Ebd., S. 39.
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und natürliche Form des historischen Wandels. Liberale Deutungen orientieren sich an realpolitischen Maßstäben einer teilweisen Regulierung und verweisen den radikalen Wandel in die Sphäre unerreichbarer Utopie. Revolutionär und zukunftsoptimistisch positioniert sich hingegen der Radikalismus zum historischen Wandel. Er strebt nach einer grundlegenden Erneuerung der Gesellschaft. Im Unterschied dazu begründet der Reaktionär als ein „geistig autoritärer“ Typus seine Deutungen rückwärtsgewandt auf bereits etablierte gruppenspezifische Praktiken.198 Quellenkorpus Das zu bearbeitende Quellenkorpus besteht notwendigerweise aus einer begrenzten Materialmenge. Zwischen einst vorhandener Quellenfülle, dem gegenwärtigen Überlieferungsstand und dem tatsächlich ausgewerteten Material existiert eine Kluft, die nach quellenkritischen Erwägungen zu beschreiben ist. Achim Landwehr gliedert das Quellenkorpus daher in ein „imaginäres“, ein „virtuelles“ und ein „konkretes Korpus“.199 Das imaginäre Korpus als Totalität aller sprachlichen Äußerungen eines Diskursprozesses verdichtet sich allenfalls während der Quellenauswertung in der Vorstellungswelt des oder der Forschenden. Dem tatsächlichen Zugriff bleibt es schon aus Überlieferungsgründen verborgen. Stets ist von der Lückenhaftigkeit des Materials auszugehen.200 Es ist ratsam, zunächst von einem diffusen Diskursfeld auszugehen, weil in einer komplexen Öffentlichkeit stehende Diskurse selten stabilisiert sind, sondern verschiedene Phänomenstrukturen und Deutungsmuster um die Definition eines Gegenstandes ringen. In diesem Diskursfeld existierten Konflikte um ein oder mehrere Schlüsselprobleme. Eine zu enge Auswahl der Quellen könnte diese Konflikte verschleiern. Das Problem der Quellenauswahl ließ sich im Falle vorliegender Studie dadurch abmildern, dass das untersuchte Diskursfeld bereits von den Zeitgenossen und -genossinnen unter die Kategorie des Frauenstudiums subsumiert worden ist. Die von Wilhelm Erman (1850–1932) und Ewald Horn (1856–1923) im Jahr 1900 herausgegebene Bibliographie 198
Die ebenfalls „geistig autoritären“ Typen einer apokalyptischen (göttlichen Autorität) und faschistischen (charismatischen Autorität) Deutung spielen als Erklärungsmodelle im Diskursfeld ebenso wie die „geistig verantwortungsbewusste“ anarchistische Deutung keine nennenswerte Rolle. Im Gegensatz zum Radikalismus fungiert beim Anarchismus nicht die Zukunft, sondern der Naturzustand verbunden mit einem positiven Menschenbild als Quelle normativer Kraft zur (Wieder-) herstellung einer sozialen Gemeinschaft. Vgl. ebd. 199 Landwehr (2008), S. 102–103. 200 Im Prozess der Korpusbildung bietet das virtuelle Korpus hingegen ein regulatives Ideal als Maßstab der Suche. Es bezeichnet den überlieferten Bestand an Quellen oder anders ausgedruckt, das Maximum des theoretisch zu erschließenden Quellenbestandes. Ob ein solches Maximum angestrebt wird, hängt von der Fragestellung ab. In den meisten Fällen genügt die Beschränkung auf ein konkretes Korpus – als begründete Teilmenge des virtuellen Korpus. Vgl. Busse/Teubert (2013 [1994]), S. 16 f; Landwehr (2008), S. 102.
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der deutschen Universitäten liefert einen ersten Einblick in die damalige Kontroverse.201 Die Suche nach Ursprüngen von Diskursen ist müßig, denn Wissen besitzt stets eine Vorgeschichte und seine Entwicklung nimmt selten einen direkten Weg.202 Über einen Eintritt von Frauen in die Universitäten gab es ungeachtet einiger Einzelpublikationen zum Thema vor den 1860er Jahren keine ernsthafte Debatte.203 Aus diesem Grund erfolgt eine Eingrenzung des Korpus auf die zweite Hälfte des 19. sowie frühen 20. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.204 Mit den bei Erman/Horn aufgefundenen Publikationen liegt ein vorläufiges konkretes Korpus vor, das jedoch noch keine Aussage über das möglicherweise überlieferte virtuelle Korpus ermöglicht. Die Autoren könnten bewusst Quellen unterschlagen oder aufgrund arbeitsökonomischer Beschränkungen einzelne Dokumente übersehen haben. Die weitere Suche in Datenbanken wie der Gerritsen Collection of Aletta H. Jacobs, eine von der niederländischen Ärztin und Frauenrechtlerin Aletta Henriëtta Jacobs (1854–1929) und ihrem Ehemann Carel Victor Gerritsen (1850–1905) angelegte Sammlung von Schriften zur Frauenbewegung und Frauengeschichte, bietet hierfür zumindest einen Anhaltspunkt. Wenngleich diese Sammlung über den Erhebungszeitraum der Erman/Horn-Bibliografie hinausgeht, weist die Summe der in dieser Sammlung auffindbaren Publikationen auf eine Lücke in den bibliografischen Daten Ermans/Horns hin, die sich vor allem auf Publikationen der Frauenbewegung erstreckt. Eine weitere Ausweitung des Korpus erfolgte im Zuge der inhaltlichen Auswertung der Quellen.205 Bei den Textgattungen der Publikationen handelt es sich um Gebrauchslite201
202 203
204 205
Hier findet sich eine eigene Kategorie Frauenstudium. Aufgeführt sind 279 Publikationen, bestehend aus Einzeldrucken, Zeitschriften- und Zeitungsartikeln aus den Jahren 1641 bis 1899. Erman/Horn (1904). Zwischen 1795 und 1872 finden sich hier keine Einträge. Lediglich eine Quelle aus dem Jahr 1851 liegt innerhalb dieser Lücke. Die 34 genannten Quellen vor dem Jahr 1795 können allenfalls als eine Vorgeschichte des im Fokus stehenden Diskursprozesses betrachtet werden. Sie sind Teil einer bereits im Spätmittelalter beginnenden Debatte über die Ebenbürtigkeit von Frauen sowie deren Bildungsvermögen, welche gemeinhin unter dem Begriff querelle des femmes zusammengefasst wird. Vgl. Gössmann (1987), S. 144; Niemeyer (1996); Bock (1997); Hassauer/Waldner (2008). Vgl. hierzu Schäfer (2010), S. 125. Die verzeichneten Publikationen des 17. und 18. Jahrhunderts weisen zumindest auf eine Auseinandersetzung über das Bildungsvermögen von Frauen hin. Die Wissenschaftshistorikerin Londa Schiebinger vertritt die These, dass bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zwei Subjektpositionen für Frauen in höheren Bildungssphären existierten: in den Salons des Adels sowie in außeruniversitären Akademien. Adlige Frauen versammelten gelehrte Persönlichkeiten in ihren Salons und somit etablierten sich diese Salons zu Rekrutierungsräumen des gelehrten Standes. In den Akademien konnten Frauen als Helferinnen ihrer Männer tätig werden. Beide Subjektpositionen verschwanden im Zuge des Verwissenschaftlichungsprozesses im ausgehenden 18. Jahrhundert. Für Grundlegendes hierzu vgl. Schiebinger (1993). Eine deutliche Grenze lässt sich im 20. Jahrhundert nicht ausmachen, da sich die inhaltliche Gestalt der Diskurse zum Frauenstudium langsam weiterentwickelte und allmählich neue Fragen beispielsweise zur Ausübung von akademischen Berufen durch Frauen relevanter wurden. Das Auffinden weiterer Bibliografien ergänzte das konkrete Korpus. Zu nennen sind hierbei Howes Barus/Harris Rollins (1903); Deutscher Akademikerinnenbund (1934); Sveistrup/Zahn-Harnack (1961).
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ratur, die sowohl Fach- als auch allgemeinere Sachliteratur umfasst. Selten erschienen die Texte in Buchform, weitaus häufiger wurden sie als Broschüren oder Zeitschriftenartikel veröffentlicht. Artikel aus Tageszeitungen fanden nur dann Berücksichtigung, wenn sie im Diskursfeld rezipiert wurden.206 Nach Abschluss der inhaltlichen Analyse und Einbezug aller in den Quellen auftauchenden Querverweise, solang diese sich explizit der Frage des Frauenstudiums widmeten, stand das konkrete Korpus fest: 447 Publikationen fanden Eingang in die weitere Kontext- und Textanalyse – aufgelistet im Verzeichnis der gedruckten Quellen im Anhang (Korpus der diskursanalytisch ausgewerteten Publikationen zum Frauenstudium). Mithilfe von Digitalisierung und Texterkennung wurde das konkrete Korpus medial erschlossen.207 Anschließend erfolgte die Auswertung dieser digitalisierten Quellen mithilfe einer Software zur qualitativen Datenanalyse (QDA).208 In Zukunft werden die Texte als Subkorpus im Deutschen Textarchiv online zugänglich sein. Kontextanalyse Eine an Wechselwirkungsprozessen zwischen kulturellen Wissensbeständen und sozialen Machtfaktoren interessierte Diskursanalyse berücksichtigt den Kontext der untersuchten Diskursfragmente. Der Kontext erschließt sich entlang dieser Fragmente: Jedes Fragment markiert einen Fall der Analyse und jeder Fall enthält eine Vielzahl zu erhebender Variablen. Es werden zunächst grob vier verschiedene Bereiche unterschieden: situativer, institutioneller, medialer und historischer Kontext.209 Der situative Kontext nimmt die Arena des Diskursprozesses in den Blick. Er „beinhaltet vor allem die Frage, wer zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort was tut“.210 Hier gilt es, die Autorin oder den Autor des jeweiligen Textes näher zu bestimmen: Für jedes Diskursfragment wurden anhand biografischer Datenbanken personenbezogene Fallvariablen recherchiert.211 206 Bei einem Großteil der Zeitungsbeiträge handelt es sich um kurze Notizen über den formalen Zulassungsprozess von Frauen zum Studium: Selten erfolgte dabei eine produktive Problemverschiebung. 207 Open-Source-Lösungen zur Texterkennung von Frakturschrift erwiesen sich als nur begrenzt nutzbar. Vgl. hierzu Vorbach (2014). 208 Als vorteilhaft erwies sich hier die Zusatzfunktion zur Verarbeitung quantitativer Fallvariablen, welche die Kontextanalyse vereinfachte. Bei der Auswahl des Analyseprogramms ist daher auf die Fähigkeit zur Auswertung in einem mixed-methods-Verfahren zu achten. Zur Anwendung vgl. Kuckartz (2010). 209 Vgl. Landwehr (2010), S. 105–108; Keller (2011a), S. 100. 210 Landwehr (2008), S. 107. 211 Es handelt sich um Name, Geburts- und Sterbejahr, soziale Herkunft, akademische Titel/Grade sowie Fachbereich und Beruf, Bildungsstand und Orte des universitären Bildungsgangs, Konfession, prägende Auslandsaufenthalte, politisches Milieu, Wirkungsort und Staatszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Aussage.
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Da einige Quellen indirekt mehr als eine Autorin oder einen Autor aufweisen, war es notwendig, diese Quellen in mehrere Fälle aufzugliedern: Dies geschah bei Gutachten, Umfragen und parlamentarischen Redebeiträgen.212 Auf diese Weise fächerte sich das konkrete Korpus des Diskursfeldes, bestehend aus 447 Quellen, in 786 Fälle auf. Innerhalb dieser Fälle lassen sich 556 Einzelpersonen als Sprechende identifizieren.213 Eng mit dem personenbezogenen situativen Kontext verbunden ist der institutionelle Kontext. Dieser erschließt sich über die Einbettung der sozialen Akteurinnen und Akteure in eine Institution. Bereits die akademischen Titel/Grade oder Berufszugehörigkeiten sind das Resultat einer temporären oder andauernden Zugehörigkeit zu einer Institution. Es finden sich drei größere institutionelle Kontexte: Universität, Frauenbewegung und freie Berufe. Eine nähere Charakterisierung der sozialen Akteursgruppen und deren institutioneller Verortung folgt im anschließenden zweiten Kapitel (Machtpotenziale). Im medialen Kontext ließen sich 110 Zeitungen und Zeitschriften unterscheiden.214 Der mediale Kontext spielt aufgrund der Homogenität der Medienform des konkreten Korpus für die Untersuchung eine eher untergeordnete Rolle.215 Im Zuge der Auswertung und Interpretation konnten einzelne Zeitschriften einem liberalen, konservativen, katholischen und sozialdemokratischen Milieu zugeordnet werden. Während beispielsweise im sozialdemokratischen Milieu nur wenige Texte entstanden sind, die hier als Diskursfragmente auftauchen – lediglich die Periodika Arbeiterinnenzeitung sowie Der
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Jedes Gutachten und jede parlamentarische Rede, die sich innerhalb eines Textes einer Einzelperson zuordnen ließ, markiert zugleich einen neuen Untersuchungsfall, zu dem die oben aufgezählten Variablen zu erheben waren. Um das konkrete Korpus des Quellenbestandes vom analytisch hiervon getrennten Fallbestand zu trennen, zergliedert sich das Korpus in der Analysesoftware anhand von Kategorien in verschiedene Dokumentgruppen. In der Dokumentgruppe Diskursfeld befinden sich alle 447 Diskursfragmente des konkreten Korpus. Ein einzelnes Diskursfragment kann jedoch auch selbst eine Dokumentgruppe stellen, wenn sich aus diesem Fragment mehrere Fälle aufgrund unterschiedlicher Autor-/innenschaft rekonstruieren lassen. Auf diese Weise bildet die erwähnte Publikation von Kirchhoff ein Diskursfragment innerhalb der Dokumentgruppe Diskursfeld, da sie ein Teil des konkreten Korpus ist – die Kontextvariablen orientieren sich hier an der Person Arthur Kirchhoff. Weil das Diskursfragment jedoch zugleich weitere Aussagen von 124 verschiedenen Sprechern beinhaltet, konstituiert es eine eigene Dokumentgruppe, in der jeder dieser Sprecher einen einzelnen Fall darstellt. Die Dokumentgruppe setzt sich demnach aus den jeweiligen Gutachten der einzelnen Sprecher zusammen. Jedem Gutachten ließen sich nun die Kontextvariablen zuordnen. 213 Bei 106 Fällen handelte es sich um anonyme Autorinnen oder Autoren, bei 124 Fällen um Mehrfachautorschaft. 214 Als Hilfsmittel zur Ermittlung der jeweiligen Adressat/-innenkreise dienten die beiden Handbücher von Kürschner (1902) und Fischer (1972). 215 Lediglich das Erscheinungsjahr, die Auflagenhöhe des jeweiligen Druckerzeugnisses sowie die Auflagenstärke der jeweiligen Periodika, die Textform (Artikel, Rezension, Miszelle, Vortrag, Leserbrief, offener Brief, Bericht etc.) sind bedeutsam. Das Layout der Texte blieb ebenso unberücksichtigt, wie die künstlerische Ausgestaltung von Einbänden. Für Arbeiten mit einem anderen Schwerpunkt vorstellbar wären jedoch auch hier Klassifikationen in Form von Kontextvariablen.
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sozialistische Akademiker thematisierten das Frauenstudium –, ließ sich aufseiten der bürgerlichen Sozialreformer/-innen eine besondere Zielgruppe ausmachen.216 Der historische Kontext war quantitativ nicht in der gleichen Form wie die anderen Kontextebenen dokumentierbar. Er war zunächst durch die Forschungsliteratur zum Thema zu sondieren. Im Prozess einer qualitativen Inhaltsanalyse ließen sich anschließend Kontextreferenzen durch Codierungen innerhalb der genutzten QDA-Software festhalten. Diese Praxis betrifft bereits die Ebene der Textanalyse. Textanalyse Die Textanalyse mittels softwaregestützter Codierungen zielt sowohl auf die Makro- als auch die Mikrostruktur. Die Untersuchung der Makrostruktur erfolgte inhaltsanalytisch. Die Mikrostruktur wird mit dem beschriebenen Instrument der interpretativen Analytik erschlossen: Hierbei geht es um zu rekonstruierende Bedeutungen zwischen den einzelnen Textinhalten, wie sie bereits bei der Erläuterung der Phänomenstrukturen und Deutungsmuster beschrieben worden sind. Die Analyse der Makrostruktur erfolgte zunächst auf drei Ebenen: Die erste Ebene greift auf die bereits erläuterten Dokumentvariablen zurück und weist jedem Diskursfragment einen Anlass und ein Subthema zu. Auf der zweiten Ebene wurde mit Faktencodes operiert, die der inhaltlichen Erschließung des historischen Kontexts durch das Codieren der im Text auftauchenden Ereignisse und Personen dienten.217 Auf einer dritten Ebene erfolgte die Anbindung der qualitativen Textdaten an die Möglichkeiten einer quantitativen Auswertung. Kategoriale Variablen dienten dazu, Inhalte in einer Ordinalskala bewerten zu können.218 Die Ausprägungen einer kategorialen Variable entsprechen Codes, mit denen sich Textstellen codieren lassen. Auf diese Weise gruppierten sich die Diskursfragmente und deren Autorinnen und Autoren zu bestimmten Positionen im Diskursfeld.219 So ließen sich beispielsweise alle ablehnenden Äußerungen zur Zulassung von Frauen an Universitäten innerhalb des Codes Frauenstudium 216 217 218 219
Siehe hierzu beispielsweise die Beiträge in den Zeitschriften Ethische Kultur und Soziale Praxis. Das heißt, wenn im Text ein Ereignis X oder eine Person Y auftauchte, erfolgte eine Codierung und Bezeichnung des Codes mit dem zeitgenössischen Quellenbegriff. Vgl. Kuckartz (2010), S. 61. Vgl. Kuckartz (2010), S. 62. Zur inhaltsanalytischen Technik einer skalierenden Strukturierung vgl. Mayring (2010), S. 101–109. Als befürwortend gelten Positionen, die keinerlei Einschränkungen vornehmen und einer vollen Immatrikulation von Studentinnen mit den gleichen Rechten zustimmen. Bedingt befürwortende Positionen beinhalten Einschränkungen wie die Schaffung spezieller Frauenuniversitäten als Volluniversitäten (d. h. mit allen Fakultäten), die Hoffnung auf erhöhte Auslese von Frauen oder die Spezialisierung auf bestimmte Fachgebiete mit vermeintlich weiblichen Eigenschaften. Bedingt ablehnende Positionen gingen mit der Einschränkung einer Zulassung auf einzelne Fakultäten einher oder formulierten rechtlich verbriefte Doppelstandards bei den Immatrikulationsbedingungen. Ablehnende Positionen beharren auf einen vollständigen rechtlichen Ausschluss von Frauen vom Universitätsstudium.
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und darin innerhalb des Subcodes ablehnend codieren. Die somit gebildeten Variablen und ihre Ausprägungen halfen bei der späteren Auswertung des Materials, etwa der Zuordnung eines Textbestandteils zu einem Deutungsmuster.220 Die Möglichkeiten einer skalierten Strukturierung sind begrenzt. Sie ist lediglich Hilfsmittel, das erst durch eine kontextualisierende Interpretation und Darstellung seinen Wert erhält. Die Textanalyse kann nicht linear erfolgen: Auch die Makroanalyse lässt sich nicht abkoppeln von einer Mikroanalyse, welche die Bedeutung der Inhaltsvariablen aufzeigt.221 Die Analyse der Mikrostruktur erfolgte nach dem Prinzip einer trichterförmigen Verdichtung des Materials. Erst wenn sich mehrere Codes, die Phänomenbereiche im Diskursfeld markieren, auf eine Kategorie hin verdichten ließen, konnte von einer relevanten Aussage im diskursanalytischen Sinne gesprochen werden, weil Diskursanalysen nicht an Einzeläußerungen interessiert sind, sondern an kollektiven Wissensbeständen. Das Ziel bestand im Gegensatz zur Analyse der Makrostruktur nicht darin, die ganze Breite der Diskursfragmente gleichmäßig entlang von Inhaltskategorien zu erschließen. Vielmehr ging es darum, die typischen Aussageformationen mithilfe interpretativer Analytik aus den Texten herauszuarbeiten. Derartige Formationen waren kaum ohne Vorkenntnis des Textmaterials auffindbar. Im Codierparadigma der Grounded Theory wird deshalb zwischen offenem, axialem und selektivem Codieren unterschieden.222 Zunächst erfolgte im Prozess des offenen Codierens eine induktive Erschließung der Phänomenstrukturen.223 Es geht darum, Phänomene und deren Reichweite entlang von Kategorien zu bestimmen, die aus dem Material selbst entwickelt werden mussten.224 Bezüge zwischen einzelnen Phänomenen werden durch Gruppierungen zu Kategorien höherer Ordnung festgehalten. Beispielsweise finden sich vielfältige Äußerungen zur Charakterisierung der Frauenbewegung: So ist die Rede von dem Geschrei emanzipierter Amerikanerinnen, von amerikanischen und englischen Gleichheitsphantasten oder von einer angloamerikanischen Art der Emanzipation. Etwas unbestimmter heißt es an anderer Stelle, die Frauenbewegung sei eine von außen her verpflanzte Emanzipations220 Ein solches Muster ist komplexer als eine einzelne Variable. Es ergibt sich im Zusammenspiel mehrerer Einstellungen, verbunden mit bestimmten Problemdefinitionen und Handlungskonzepten. Zumindest einige dieser Handlungsoptionen lassen sich durch eine skalierte Strukturierung erfassen: so etwa die Zustimmung oder Ablehnung zur Koedukation oder die Zustimmung oder Ablehnung zu eigenständigen Frauenuniversitäten. 221 Eine Bearbeitung der drei genannten Ebenen erfolgte in einem zirkulär-mäandernden Prozess: Für jedes Diskursfragment waren alle Bearbeitungsschritte erneut zu vollziehen, weil sich durch die Kenntnis späterer Quellen der Fokus auf bestimmte Inhaltsbereiche schärfte. 222 In aktuellen Einführungen zur Grounded Theory werden offenes und axiales Codieren nicht mehr stark voneinander unterschieden. Vgl. Corbin/Strauss (2007), S. 198. 223 Die Konzepte der Phänomenstrukturen, Klassifikation, Subjektposition oder Deutungsmuster weisen jedoch auf Kategorien hin, die nicht das alleinige Produkt des Quellenmaterials sein können. Im Rahmen von Diskursanalysen gibt es kein rein induktives Codieren ohne jegliche Vorannahmen – dafür sorgen die allgemein-theoretischen Prämissen der diskursanalytischen Perspektive. 224 Zum Streit um das „Problem der Induktion“ zwischen Glaser und Strauss vgl. Strübing (2014), S. 51–64.
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bewegung. Die Gemeinsamkeit zwischen diesen Äußerungen besteht in diesem Beispiel in der Bewertung. Die Frauenbewegung wird abwertend als fremd und von außen hereinbrechend klassifiziert. Hierzu zeigten sich zwei Arten der Delegitimation und es bot sich daher an, für diese beiden Phänomenbereiche zwei Kategorien zu bilden: Während die erste Gruppe unter die Kategorie Fremdzuschreibung (Abweichung vom deutschen Nationalcharakter) fällt, wird die zweite Gruppe von Klassifikationen als Pathologie (Abweichung von der Natur) codiert. An diesem Punkt wurde also durch die eigene Interpretation eine Abstraktion vom Ursprungsmaterial vollzogen. Strauss bezeichnet das offene Codieren daher treffend als „Sprungbrett“, um von den Daten ausgehend, zu komplexeren Phänomenen vorzudringen.225 Sie sind zwar aus dem Material heraus entwickelt, doch bedarf es einer Syntheseleistung zum Auffinden von Gemeinsamkeiten. Das offene Codieren hat explorativen Charakter. An seinem Ende steht wie zu Beginn der Suche wiederum eine Entscheidung über den weiteren Forschungsprozess: Durch eine erste Kenntnis des Materials wird die Fragestellung geschärft und der Untersuchungsbereich weiter eingegrenzt. Im Rahmen der weiteren Untersuchung können kaum alle aufgefundenen Phänomenbereiche berücksichtigt werden. Als Kriterium der Begrenzung dienten Beziehungen zwischen Phänomenbereichen: Nur wenn sich Phänomene innerhalb eines wiederholt auftretenden Musters bewegten, waren sie von Interesse. Eine solche Begrenzung leitete den Prozess des axialen Codierens ein. Der Fokus lag nun auf den Beziehungen zwischen den Kategorien, die durch das offene Codieren aufgefunden worden waren und die sich durch ihre Dichte als bedeutsam für den Diskursprozess erwiesen hatten. Die Annahme von Beziehungen führte zur Hypothesenbildung: Beispielsweise war nach Analyse der Kirchhoff-Gutachten zu fragen, welche Stellung die dort aufgefundene Subjektposition der Ausnahmefrau in den Deutungsmustern von Gegnern und Befürwortern innerhalb des gesamten Diskursfeldes einnahm: Dadurch bestand die Möglichkeit, dieses Identitätsmuster als integrierendes Moment beider Lager zu begreifen. Im Prozess des selektiven Codierens geht es schließlich um die Rekonstruktion eines komplexen Musters, das als Erklärungsmodell zur Integration möglichst vieler Kategorien dient. Dies geschieht durch den Bezug auf eine oder mehrere Schlüsselkategorien. Schlüsselkategorien im Sinne der Grounded Theory repräsentieren das „Hauptanliegen oder -problem der Leute im Untersuchungsfeld“.226 Schließlich zeigte sich dieses Hauptproblem im vermeintlichen Wesen der Frau und daran geknüpfter Weiblichkeit. Während das Wesen auf das Natur- oder Gattungswesen zielte, bezog sich Weiblichkeit auf die kulturelle Repräsentation des Natürlichen. Im Zuge des sozialen Wandels wurden die Gewissheiten über die bürgerliche Weiblichkeit und die damit im Zusammenhang stehenden moralischen Implikationen brüchig. Doch nicht nur kulturelle Deutungen der Weiblichkeit erwiesen sich angesichts des sozialen Wandels als fragil. Durch die Er225 Vgl. Strauss (1998), S. 100. 226 Ebd., S. 66.
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weiterung des medizinischen Wissens wurde es immer schwerer, das Argument einer psychophysischen Andersartigkeit aufrechtzuerhalten. Mediziner wie Carl Bernhard Brühl (1820–1899) argumentierten gegen den Mythos eines weiblichen Gehirns. Die Suche der Gegner nach qualitativen Unterschieden in der Geistesbegabung der Geschlechter verschob sich zunehmend in die metaphysischen Welten eines durch die Untersuchungsmethoden der damaligen Zeit weitgehend verborgenen Nervensystems: Es mischten sich Kulturkritik und Psychopathologie.227 Die Gegner der Gleichwertigkeitsthese begannen in zunehmend übersteigerter und zum Teil grotesker Form ihre Theorie zu verteidigen – auf der Spitze dieser Entwicklung steht das bekannte Machwerk Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes von Paul Möbius (1853–1907), das pünktlich zum Übergang ins 20. Jahrhundert erschien und bis 1922 ein dutzend Auflagen erreichte.228 Bevor weiter in diese Wissensbestände, die aus heutiger Sicht oftmals Wissensabgründe oder Wissenssackgassen waren, vorgedrungen werden kann, werden im nächsten Kapitel (Machtpotenziale) zunächst die im Diskursfeld beteiligten institutionalisierten Felder und die darin agierenden sozialen Akteurinnen und Akteure charakterisiert, um dadurch die Machtpotenziale zur Veränderung des Feldes abschätzen zu können. Das Ziel besteht darin, Vertrautheit mit den jeweiligen historischen, institutionellen und situativen Kontextfaktoren herzustellen.
227 Vgl. mit Fokus auf die USA, Frankreich und England Appignanesi (2008), S. 112–141. 228 Vgl. Möbius (1922 [1900]).
II. Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes Die Aufmerksamkeit in einer komplexen Öffentlichkeit unterliegt kurzen Halbwertszeiten:1 Zu den sich abwechselnden Stimuli ihrer Aufmerksamkeitsökonomie gehören Skandale, Affären, Überraschungen, Innovationen, hin und wieder auch handfeste Katastrophen. Der Nachrichtenwert orientiert sich an dem tatsächlichen oder gefühlten Betroffenheitsgrad möglichst vieler Rezipienten und Rezipientinnen dieser Nachrichten.2 Nur selten etablieren sich Dauerthemen in der breiteren Öffentlichkeit. Wenn sich derartige Themen etablieren, dann handelt es sich zumeist um sehr unspezifische Problemkomplexe, die bei einer Vielzahl von Menschen ein Unbehagen in Form diffuser Ängste auslösen.3 Weder ist das tatsächliche Problem noch deren Lösung hinreichend genau zu erfassen. Es existieren multiple Verantwortlichkeiten, die das Handeln einzelner Akteure und Akteurinnen blockiert oder zumindest unsicher werden lässt. Zudem sorgen strukturelle Pfadabhängigkeiten für geringe personale Steuerungsfähigkeit. Dabei ist gerade die Diffusität ein Grund für die Beharrlichkeit eines solchen Problemkomplexes im öffentlichen Raum – das Thema erscheint unergründbar, geradezu rätselhaft. Weil die Probleme dort je nach Perspektive stets in etwas veränderter Form auftreten, verlängert sich so die begrenzte Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit. Die breitere Öffentlichkeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts pflegte derartige Themen als Fragen zu formulieren, wobei ein vorangestelltes Attribut den Fragehorizont begrenzte: So findet sich die soziale Frage, dicht gefolgt von der Arbeiterfrage, der nationalen oder deutschen Frage, der orientalischen Frage, der kolonialen Frage, der Judenfrage, der Polenfrage oder der Jesuitenfrage usw. Meist handelte es sich hier also um Fragen nach Identität und Zugehörigkeit. In den Bereich derartiger Dauerthemen gehörte zweifellos die Frauenbildungsfrage, in der das Frauenstudium neben der Gründung von Mädchengymnasien eine Hauptrolle
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Zu den Dimensionen von Öffentlichkeit(en) vgl. Kinnebrock (2007), S. 28. Zur Dynamik öffentlicher Meinungsbildung vgl. Gerhards/Neidhardt (1991), S. 49–56, 77. Das Publikum spielt eine aktive Rolle in öffentlichen Kommunikationsprozessen, die als „Selbstverständigungsprozess der Gesellschaft“ (Elisabeth Klaus) verstanden werden können. Kinnebrock (2007), S. 32.
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spielte. Das ist alles andere als offenkundig, denn beim Frauenstudium scheinen sowohl Problemstruktur als auch Verantwortlichkeiten klar bestimmbar: Es ging schließlich bloß um eine Ausweitung, vielfach auch nur um eine Auslegung etablierter Zulassungsrechte und damit um die leicht zu beantwortende Frage, ob die vorhandenen Universitätsstatuten geschlechtsspezifische Diskriminierungen beinhalteten. Eine Anpassung oder Interpretation der entsprechenden Statuten hätte jederzeit durch die Kultus- oder Unterrichtsministerien der Einzelstaaten unter Rücksprache mit Kuratoren und Universitätssenaten erfolgen können. Ein Fall an der Universität Jena zeigt, wie leicht es für den Senat noch im Jahr 1858 war, eine Entscheidung herbeizuführen: Die Frage, „ob der Prorektor sein Recht Erlaubnis zum Besuch akademischer Vorlesungen zu erteilen in geeigneten Fällen auch auf Frauen ausdehnen könne“, beantwortete der Senat ohne größere Umschweife positiv.4 Nun wäre das Thema weitaus weniger interessant, wenn es sich tatsächlich so einfach verhalten hätte. In Jena konnte 1858 auf diese Weise entschieden werden, weil es noch keine öffentliche Phänomenstruktur gab, die ein drängendes Problem daraus gemacht hätte, dass einzelne Frauen Vorlesungen an der Universität besuchen wollten. Erst am Ende der 1860er Jahre entwickelte sich dieses Phänomen von einem Individual- zu einem Gesellschaftsproblem und erschien als solches in der breiteren Öffentlichkeit. Es gehörte nun zum vielschichtigen Komplex dessen, was als Frauenfrage die Gemüter erhitzte. Verantwortlichkeiten verloren sich in der Dynamik eines sich beschleunigenden sozialen Wandels. Ein ganzes Bündel von Problemen stand einem ebenso verworrenen Knäuel von Handlungskonzepten gegenüber. Intellektuelle und Publizisten eines breiten politischen Spektrums wie beispielsweise August Bebel (1840–1913), Eduard von Hartmann (1842–1906) oder Constantin Rößler (1820–1896) versuchten sich an der Auflösung dieses Knotens – wenngleich mit dem Resultat gesteigerter Verworrenheit. In bürgerlichen Kreisen, die sich im Vergleich zum Arbeiter- und Handwerksmilieu ein höheres Weiblichkeitsideal leisten konnten, dürfte die Frauenfrage zum Bereich dessen gezählt haben, zu dem das Eine-MeinungHaben im Rahmen tagespolitischer Konversation unabdingbar war. Das Dauerthema des Frauenstudiums besaß bis zur Zulassung von Frauen an den Universitäten also eine komplexe Tiefenstruktur, die einfache Lösungen unwahrscheinlich machten. Pfadabhängigkeiten begannen bei den Vorbildungsstrukturen und setzten sich in den Universitäten und akademischen Berufsgruppen fort. Die Schulsysteme der deutschen Staaten unterschieden scharf zwischen den Geschlechtern. Staatliche Finanzierung kam lediglich der höheren Knabenbildung zugute. Bei den Universitäten selbst handelte es sich um Institutionen, die durch gleichgeschlechtliche Genossenschaftsstrukturen ihrer mittelalterlichen Gründungszeit geprägt waren, und frühneuzeitliche Universitätsgründungen nutzten vielfach die Räumlichkeiten säkularisierter Klöster. Neben der Ausbildung zu freien Berufen dienten die Universitäten der Reproduktion
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UAJ, Bestand BA 533, Bl. 22r; weiterführend hierzu vgl. Neumann (2020a).
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des geistlichen und bürokratischen Personals. Sowohl Gottes- als auch Staatsdienst waren jedoch rein männliche Berufsfelder. Es ist daher kaum überraschend, wenn Rationalität und Logik, die neuen, regulativen Ideale von Verwaltung und Recht, als genuin männliche Eigenschaften galten. Die Tiefenstruktur blieb nicht auf die Universität beschränkt, sie besaß ihr Pendant im bürgerlichen Familien- und Weiblichkeitsideal: Bereits der Begriff höhere Töchterschule implizierte die Bestimmung von Frauen für die Sphäre des bürgerlichen Haushaltes, denn die Tochter war anders als der Knabe gebunden an familiäre Häuslichkeit.5 Das häusliche Weiblichkeitsideal stand geradezu konträr zum Ideal des wissenschaftlichen Genius: hier Reproduktion der natürlichen Basis menschlicher Kultur – dort Produktion des zivilisatorischen Fortschrittes. Ebenso vielfältig wie diese an ihre institutionellen Felder gebundenen Strukturbedingungen gestalteten sich die Problemdeutungen. Die ganze Breite möglicher Akzente zeigte sich im Versuch zur Charakterisierung der Frauenfrage: Handelte es sich um eine Rechts- und Emanzipationsfrage, um ein Symptom der sozialen Frage oder um eine Verknüpfung beider? Gerade in dieser Hinsicht zeigt sich die enge Verwandtschaft zur Frage des Frauenstudiums, die ganz verschiedenartige Schwerpunkte im Spektrum zwischen Rechts- und Versorgungsproblem zuließ. Je nach Prämisse erschienen die vielen Probleme auf dem Weg zur Etablierung eines Studiums für Frauen entweder als niedrige Hürden, mittelgroße Unannehmlichkeiten oder unüberwindliche Hindernisse. Unumstritten war zwar die Diagnose einer prekären Versorgungslage von alleinstehenden Frauen der gehobenen Mittelschicht, doch konnten deren individuelle Gerechtigkeitsansprüche tatsächlich gegen das kollektive Gemeinschaftsinteresse ausgespielt werden? Zu welchen Präzedenzfällen und neuen Lebensformen würde dies führen? Das Ideal der Gleichheit stieß auf Vorstellungen der Gleichwertigkeit: Sollte das Recht tatsächlich nivellieren, was der Zivilisationsprozess an Arbeitsteilung hervorgebracht hatte? Würde die Herstellung von Gleichheit nicht in einen gnadenlosen Naturzustand zurückführen, der Mann und Frau unterschiedslos in den Kampf ums Dasein trieb? Bestand im qualitativ gleichen Wert der Geschlechter innerhalb ihrer jeweiligen Sphären etwa kein evolutionärer Fortschritt? Was für die einen den Status quo legitimierte, brachten andere als Gegenmodell in Stellung: Denn gerade die darwinsche Evolutionslehre unterstreiche die Anpassungsfähigkeit an eine veränderte Umwelt. Warum solle dies nicht auch für die Anpassungsfähigkeit von Frau und Gesellschaft gelten? Doch es blieb nicht bei derlei abstrakten Gedankenspielen. Die Problemdefinitionen enthielten handfeste Elemente: Junge Menschen gehobenerer Kreise, die sich sonst lediglich unter dem Aspekt einer möglichen ehelichen Verbindung kennenlernten, sollten nun gemeinsam lernen. Was für die einen die Chance zur Liebesheirat eröffnete, bedeutete für die anderen eine Entfesselung des sexuellen Marktes: Für sie lag es nahe, die Studentin
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Vgl. Albisetti (2007), S. 38.
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als Gegenstück zum frivolen Studenten zu betrachten, beide der Prostitution verfallen – auf ihre je eigene Weise. Aus heutiger Sicht wirken die Bedenken geradezu grotesk. In zeitgenössischer Perspektive war jedoch nicht einmal klar, welche Wesen hier überhaupt Zutritt verlangten. Könnten diese anämischen, menstruierenden, nervösen, ganz und gar zerbrechlichen und mit einer Disposition zur Krankheit veranlagten Frauen körperlich und geistig den Anforderungen des Studiums genügen? Müsste das Niveau der Lehre nicht Schaden nehmen? Sollte der Staat ein Experiment finanzieren, das auf derart unsicheren Füßen stand und das noch dazu den Konkurrenzdruck in den freien Berufen durch eine Schar familiär ungebundener Mann-Frauen zu erhöhen drohte? Wer sollte und wer wollte für derartige Implikationen die Verantwortung tragen? Die fortschrittlicheren Zeitgenossen und -genossinnen fühlten sich durch derartige Ausfälle zu enthusiastischen Gegenreaktionen veranlasst, welche die Zweifel Stück für Stück demontierten. Das Großherzogtum Baden unternahm im Jahr 1900 den ersten Schritt zur ordentlichen Zulassung von Frauen an seinen Universitäten in Freiburg und Heidelberg. Die Formulierung des Erlasses zeigt an, auf welch wackeligen Füßen dieser Vorstoß stand, denn eine Immatrikulation von Frauen erfolgte zunächst nur „versuchsweise“. Entscheidungsträger in den Kultusministerien im ganzen Reich nahmen diesen Vorbehalt zur Kenntnis.6 So verknüpfte Preußen acht Jahre später die Öffnung der Universitäten für Frauen, nachdem die Zahl der außerordentlichen Gasthörerinnen beständig gewachsen war, zugleich mit einer Begrenzung der Studentinnenzahlen.7 Derlei Vorstöße waren nur möglich, weil die Prognosen weder eine große Nachfrage noch eine große Zahl von befähigten Frauen konstatierten. Vertreterinnen der Frauenbewegung selbst betrachteten das Studium zunächst als Pionierarbeit und übten durch negative Integrationstechniken die Abgrenzung zu ungeeigneten Elementen.8 Von am Studium interessierten Frauen forderten sie ernste Hingabe, Gründlichkeit und Selbstdisziplinierung – verwunderlich ist daher kaum, dass sich spätere Studentinnengenerationen von der ihnen zugestandenen Rolle als Speerspitze zunehmend distanzierten und ein regelrechter Streit über sogenannte Elite-Studentinnen entbrannte. Interessant hierbei ist, dass sich die Diskurse der politischen Verantwortungsträger auf eben jene Elite bei der Öffnung des Studiums bezogen: Es etablierte sich die Subjektposition der Ausnahmeindividuen, denen als Betroffenen des sozialen Wandels eine Nischenexistenz geschaffen werden sollte, und unter diesen sozioökonomischen Ausnahmen befanden sich eben auch die als naturwidrigen Ausnahmefälle klassifizierten seltenen Genies, Hochbegabten und Wunderkinder. Derartige Ausnahmen assoziierten stets das Monströse, gerade weil sie 6 7 8
Zur Rezeption des Erlasses vgl. Bayerischer Landtag (1900), S. 75; Anonym (1900/01). Zur Deutung der Zulassung als Ausleseprozess vgl. Mazón (2003), S. 118. Negative Integration bezeichnet eine Form der Einbeziehung durch partielle Segregation. In diesem Fall versuchten Teile der bürgerlichen Frauenbewegung eine Akzeptanz von Studentinnen zu erlangen, indem sie bestimmte Typen von Studentinnen als ungeeignet klassifizierten – beispielsweise sogenannte Modestudentinnen. Vgl. hierzu Kapitel IV, 3. Abschnitt: Subjektkonstruktionen.
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mit den Ideen der Moderne und damit mit einer zügellosen Hyper- und Überkultur im Bunde zu stehen schienen. Um die Geister zu vertreiben, welche die Ideen der Moderne riefen, galt es, die Entfaltung der Frauen zum Schutz der Weiblichkeit zu begrenzen. Der Grenzbereich führte in die Sphäre pathologischer Metamorphosen: Die moralischen Schranken sollten Zügellosigkeit, Selbstüberschätzung, Übereifer, hysterische Maßlosigkeit, Extravaganz und Rücksichtslosigkeit bannen, die vorgeblich hinter den Gleichheitsbestrebungen des radikalen Teils der bürgerlichen Frauenbewegung lauerten. Als Gefäß für die Quellen der Devianz diente die Subjektposition der radikal Emanzipierten, deren angeblicher Fieberwahn von vernünftigen Reformvorschlägen zu unterscheiden sei: Die ganze civilisierte Menschheit ist von einem Emanzipationsprozeß ergriffen. Man schaue, wohin man wolle – überall gährt es. Bis zu einem gewissen Grade ist das ein erfreuliches Zeichen für das stete Fortschreiten der Menschheit in der Entwickelung zu einer höheren Kulturstufe. Sobald dieser Grad aber überschritten wird, ist diese Gährung kein gesunder Prozeß mehr, sondern sie artet aus in ein Fieber, welches den Menschheitskörper mit krankhaften Phantasien erfüllt.9
Das bisher aufgezeigte Spektrum von Strukturbedingungen und Problemwahrnehmungen vermittelt einen ersten Eindruck von der Komplexität des Themas. In den folgenden Kapiteln finden die einzelnen Elemente dieses Spektrums ihren Platz in einer systematischen Darstellung. Was durch diesen Einstieg deutlich geworden sein sollte, ist der Umstand, dass es den Diskurs über das Frauenstudium nicht gab. Vielmehr handelte es sich um ein Diskursfeld, bestehend aus zahlreichen verschiedenen Diskursen, die alle ihre eigenen Schwerpunktsetzungen und Problemdefinitionen in die Arena des Diskursfeldes hineintrugen. Es findet sich weder eine homogene Gruppe sozialer Akteurinnen und Akteure, noch findet sich eine übergeordnete und kohärente Erzählung innerhalb dieses Feldes. Gerade die Unklarheit darüber, was überhaupt das eigentliche Problem sei, sorgte wie schon erwähnt für die Beharrlichkeit des Themas: So gab es neben der Ärztinnen-, Familien-, Ausländer-, Befähigungs- oder Gerechtigkeitsfrage auch noch vielfältige Kombinationen aus all diesen Fragekomplexen. Die folgende Darstellung bringt eine analytische Ordnung in dieses Stimmgewirr. Sie isoliert nicht nur die einzelnen Gruppen der Sprechenden, sondern sucht ebenso nach den Strängen aus Rede und Gegenrede sowie den Aktionen und Reaktionen, die zur Veränderung des Diskursfeldes, zur Veränderung der institutionalisierten Universitätsstruktur sowie zur Veränderung der Identitätsangebote für Frauen führten. Wenngleich dabei auch diskursive Ambivalenzen zur Darstellung gebracht werden sollen, lassen sich Vereinfachungen kaum vermeiden: Das Diskursfeld wird mit einer Ordnungsstruktur versehen, die Resultat einer interpretativen Analytik ist. Erst die in der Einleitung geschilderte Heuristik sorgt für Verdichtungen und Schneisen im Material der Quellen. Die Ver-
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Minuth (1900), S. 214.
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dichtungen und Schneisen sind Wege möglicher Deutungen: Sie sind das Resultat eines „Diskurs[es] über Diskurse“.10 Die Auswertung und Präsentation empirischer Daten besitzt die positivistische Tendenz, den schwer zu erfassenden historischen Entstehungskontext dieser Daten zu vernachlässigen. Ohne diesen Kontext ist die Darstellung eine bloße Addition empirischer Partikel und erscheint farblos und blutleer. Um das im Folgenden präsentierte Datenmaterial lebendig werden zu lassen, bedarf es zunächst einer Charakterisierung der sozialen Felder, in denen es entstand. Deshalb werden in den folgenden Kapiteln jeweils die institutionellen Transformationsprozesse im 19. Jahrhundert beleuchtet, um anschließend vor dem Hintergrund dieser Kontextualisierungen die im untersuchten Diskursfeld auftretenden sozialen Akteurinnen und Akteure im Hinblick auf ihre Sozialstruktur, ihre Einstellungsmuster sowie ihre mediale Repräsentation zu beleuchten. Zum Aufdecken sozialstruktureller Machtpotenziale wird das Diskursfeld analytisch in drei institutionelle Teilbereiche aufgegliedert: Im Zentrum steht die gleich zu Beginn der Darstellung betrachtete Institution der Universität. Wie bereits in der Einleitung deutlich geworden ist, war das universitäre Feld keine Insel, sondern mit seinem gesellschaftlichen Kontext verflochten. Die anschließend zu beschreibenden Felder der bürgerlichen Frauenbewegung und der akademischen Berufe waren an ihrer Peripherie jeweils mit dem universitären Feld gekoppelt. So stand das Feld der Frauenbewegung durch die soziale Herkunft ihrer Akteurinnen in enger Verbindung zu den Universitäten. Zwar waren sie im Deutschen Reich bis zur Jahrhundertwende als Frauen selbst von universitärer Forschung und Lehre weitgehend ausgeschlossen, doch ergaben sich im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen, Jubiläen und Zeremonien an den Universitäten allerlei Interaktionsmöglichkeiten. Schließlich waren diese mehrheitlich bildungsbürgerlichen Frauen die Gattinnen, Mütter und Töchter der im Zentrum des universitären Feldes stehenden Akteure und auch für sie galt Bildung als ein bürgerliches Bindeglied zur eigenen Selbstvergewisserung und zur sozialen Distinktion.11 Die Universität war für sie kein gänzlich fremdes Feld. Sie besaßen eine Vorstellung davon, auf welche Gefilde sich ihre Bestrebungen richteten. Für die akademischen Berufe stellten die Universitäten den Reproduktionsraum. Es gehörte daher zum Standesbewusstsein der akademischen Berufsgruppen, in Fragen, die ihre professionelle Reproduktion betrafen, ein informelles Mitspracherecht einzufordern. Zudem ergaben sich Überschneidungen zwischen den Feldern durch eine Doppelzugehörigkeit ihrer sozialen Akteure und Akteurinnen. Diese Personen mit doppelter Feldzugehörigkeit sind von besonderem Interesse: So handelte es sich beispielsweise bei den ersten Ärztinnen des Kaiserreichs um Freiberuflerinnen, die sich zugleich in der Frauenbewegung engagierten und für deren Ziele eintraten.
10 11
Keller (2011b), S. 269. Vgl. Kaschuba (1988), S. 31 f.
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Zu den Kontextfaktoren gehören neben der Charakterisierung der institutionellen Felder und ihrer sozialen Akteurinnen und Akteure zudem die genutzten Medien. Von diesen Medien waren einige eher innerhalb eines Feldes relevant (kleine und mittlere Öffentlichkeiten), andere etablierten zwischen den Feldern eine große und damit komplexe Öffentlichkeit.12 Deshalb gilt es im Folgenden zu unterscheiden zwischen eng an ein Feld gebundenen Fach-, Bewegungs- oder Vereinszeitschriften und der selbstständig publizierten Pamphletliteratur sowie den feldübergreifenden Medien der meinungsbildenden Kulturzeitschriften. Letztere erzielten gemessen an ihrer Auflagenstärke und der Verbreitung in öffentlichen Lesehallen die breiteste Wirkung, wenngleich ihre Ausrichtung auf die ernsten Themen der Kultur, Politik und Religion auf ein gebildetes Publikum und damit eine bürgerliche Öffentlichkeit zielten. Es stellt sich die Frage, welche der untersuchten Akteursgruppen in den öffentlichen Meinungsbildungsprozessen den größten Einfluss erlangen konnte und weshalb.13 Bevor es an eine Charakterisierung der einzelnen Felder gehen kann, gilt es zunächst das gesamte Diskursfeld in seinem zeitlichen Verlauf zu betrachten. In der Grafik (Abb. 1) lässt sich der Verlauf publizistischer Tätigkeit hinsichtlich seiner Frequenz und seiner Einstellungsmuster verfolgen: Zu Beginn der 1870er Jahre etablierte sich das Diskursfeld zur Frage des Frauenstudiums. Das Publikationsaufkommen erlebte in den Jahren 1872 und 1873 einen ersten Höhepunkt. Nach einem leichten Anstieg in den Jahren 1877 und 1878 schwächt es sich in den 1880er Jahren ab.14 Ein erneuter Anstieg erfolgte erst zwischen 1888 und 1894. Dieser Anstieg ging 1892 mit einer bislang nicht erreichten Publikationsfrequenz einher. Zwischen 1895 und 1899 erlangte die publizistische Tätigkeit schließlich ihre höchste Frequenz. Zwischen 1900 und 1918 ging diese Tätigkeit auf ein gleichbleibendes Frequenzniveau zurück. Hinsichtlich der erkennbaren Einstellungsmuster, die durch eine skalierte Strukturierung15 sichtbar gemacht worden sind, lässt sich das Diskursfeld in der ersten publizistischen Hochphase im Jahr 1872 als polarisiert beschreiben. Ab 1889 zeigt sich in Abgrenzung zu den das Frauenstudium gänzlich ablehnenden Einstellungen eine stabile Mehrheit befürwortender und bedingt befürwortender Einstellungen. Die Jahre nach 1894 waren durch Ausbau und Verfestigung dieser Mehrheit befürwortender Einstellungen geprägt. Nach 1900 verlor das Diskursfeld gänzlich seine Polarisierung. Ablehnende und bedingt ablehnende Aussagen waren fortan marginalisiert – was auch daran gelegen haben dürfte, dass sich das Diskursfeld inhaltlich verschob: Denn die Frage einer Zulassung von Frauen zum Studium trat immer mehr hinter praktischen Fragen der Ausgestaltung einer solchen
12 13 14 15
Zu den Ebenen von Öffentlichkeit vgl. Kinnebrock (2007), S. 32–34. Speziell für die Frauenbewegung stellen an eine breitere Öffentlichkeit gerichtete Schriften innerhalb der bürgerlichen Presse eine Forschungslücke dar. Vgl. Schaser/Schraut (2019), S. 12. In den Jahren 1882, 1884 und 1886 waren keine auswertbaren Publikationen auffindbar. Vgl. Kapitel I, 5. Abschnitt: Textanalyse.
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Zulassung zurück – diesbezügliche Schriften sind ebenso wie Schriften zur Öffnung bestimmter Berufszweige im Korpus nicht berücksichtigt worden.
Abb. 1: Einstellungen zum Frauenstudium (Gesamtbereich des konkreten Korpus – ohne publikationslose Jahre; n=447)
Anhand der Grafik (Abb. 1) lassen sich keine Aussagen über den Einfluss der befürwortenden oder ablehnenden Publikationen im Diskursfeld treffen – es wäre schließlich denkbar, dass die Mehrzahl der das Frauenstudium befürwortenden Diskursfragmente von einer im Gegensatz zu den ablehnenden Diskursfragmenten schwächeren Machtbasis ausgingen oder aufgrund der genutzten Medien einen eingeschränkten Adressatenkreis besaß. Der Anteil befürwortender Aussagen wäre dann ein rein quantitativer Effekt, der das qualitative Potenzial der Gegenstimmen verschleiern würde. Aus diesem Grund kann eine weitere Einschätzung der Einstellungsmuster nur auf Grundlage einer Analyse vorhandener Machtpotenziale vorgenommen werden. Erst dann lassen sich Antworten auf die folgenden Fragen finden: Welchen Beitrag leisteten die jeweiligen institutionellen Felder zur Entwicklung der Publikationsfrequenz im Diskursfeld und welches Feld wirkte am stärksten in die bürgerliche Öffentlichkeit hinein? Wie gestaltete sich die Verteilung der Einstellungsmuster in den einzelnen Feldern und welchen Anteil hatten diese an der Einstellungsverteilung im gesamten Diskursfeld? Lassen sich Unterschiede innerhalb der jeweiligen Felder feststellen, die sich auf verschiedene sozialstrukturelle Merkmale der dort agierenden Akteurinnen und Akteure zurückführen lassen? Worin bestanden die Eintrittsbedingungen in die jeweiligen Felder und welche Sprecher/-innen traten in ihnen auf?
Universitäten und Hochschullehrer
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1. Universitäten und Hochschullehrer Das institutionelle Feld der deutschen Universitäten Nichts hat dem seit hundert Jahren so vielseitig entwickelten Wesen der deutschen Hochschulen einen eigenartigeren, ihrer ganzen Vergangenheit mehr widersprechenden Zug verliehen, als das Frauenstudium. Gustav Thurau (1863–1918), Professor für Romanische Philologie, Greifswald 191216
Selten überdauerte eine Institution so lange Zeit wie die Universität. Schaffen es Institutionen, dem Sturm der Geschichte zu trotzen, dann nur mithilfe einer ideellen Einhausung, die als Schutz zwischen Institution und Umwelt tritt und sich dank der Flexibilität des Mythos der Universität den wechselnden Umgebungen anpasst. Historisches Geschehen und mythologische Deutungsintentionen verknoten sich zu „einem unentwirrbaren Knäuel“.17 Erst Handlungspraktiken und ideelle Normen gleichermaßen ergeben die „Realgestalt“ (Paletschek) der Universität. Diese Realgestalt ist ohne temporale und lokale Einschränkungen nicht zu rekonstruieren. Der Blick auf die Geschichte der Universität muss das Legitimationsprinzip von Normen und Mythen verstehbar machen, um nicht zu falschen Urteilen zu gelangen.18 Institution impliziert Dauerhaftigkeit. Gerade deshalb erscheint die Stabilitätsannahme als kaum erklärungsbedürftig. Mit Kontinuitätsannahmen geht jedoch, wie Peter Moraw mahnend feststellt, die Gefahr einher, Erscheinungsformen der Gegenwart mit teleologischen Erklärungen zu versehen. Wesentliche Unterschiede im Zeitverlauf werden verdeckt, genuin moderne Wesenszüge auf die Vergangenheit übertragen.19 Das universitäre Feld erstreckt sich in seinen äußeren Formen auf eine in Zeit und Raum kaum zu überschauende Ausdehnung: Seine zeitliche Tiefendimension reicht weit zurück bis ins Hochmittelalter. Von Bologna und Paris ausgehend, dehnten sich die Universität im 13. und 14. Jahrhundert in zwei Modellen auf ganz Europa aus. In der mittelalterlichen Jurisprudenz bezeichnete universitas zunächst allgemein die institutionelle Einheit eines Personenverbandes, etwa des Stadtbürgertums (universitas civium). Zunehmend erfuhr diese Begriffsbedeutung jedoch eine Zuspitzung von einem Gattungs- zum Artbegriff und meinte fortan die spezielle korporative Verbandseinheit, die auf die genossenschaftliche Autonomie von Lehrenden und Lernenden zielte – die 16 17 18
19
Thurau (1912), S. 3. Bauer (2012), S. 40. Gleichzeitig handelt es sich bei Mythen keineswegs um falsche Ideale, die einer Wirklichkeit gegenüberzustellen wären, sondern durchaus um handlungsleitende Prinzipien, die jedoch oft entgegen ihrer narrativen Inhalte zeitlich und räumlich gebunden sind an die Deutungen von Erinnerungsgemeinschaften. Vgl. Moraw (2008), S. 4 f.
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universitas magistrorum et scolarium.20 Die Bedeutung des Begriffs Universität bezog sich damit keineswegs auf eine Allgemeinheit von möglichen Wissens- oder Lehrinhalten, sondern auf eine Gemeinschaft von Personen. Ganz ähnlich wie bei den Gilden der Kaufleute oder Zünften der Handwerker schuf ein gegenseitiger Eid einen Rechts- und Friedensbereich, in dem sich die Mitglieder durch einen symbolisch nach außen verdeutlichten Status im Innern fortan als Gleiche begegnen konnten.21 Da sich die Gesellschaft des Hochmittelalters zunehmend differenzierte, besaßen Papst- und Kaisertum gleichermaßen ein Interesse an Kritik, Erweiterung und praktischer Verwertung von Wissen. Insbesondere im Bereich des Rechtswesens bestand eine Nachfrage, um einer neuen gesellschaftlichen Komplexität, beruhend auf demografisch-sozialen, wirtschaftlichen, politischen und religiösen Veränderungen, zu begegnen.22 Deshalb garantierten Papst und Kaiser durch Privilegien das Fortbestehen der Universitäten. Mit dem Machtverfall dieser geistigen und weltlichen Zentralmächte änderten sich im 15. und 16. Jahrhundert die Bedingungen grundlegend. Der Personenverband des universitären Feldes geriet unter Einfluss landesherrlicher Obrigkeiten. Die durch Landesfürsten initiierten Neugründungen ließen die Anzahl der Universitäten zwar weiter anwachsen, führten jedoch auch zu einer herrschaftlichen Überformung der genossenschaftlichen Autonomie durch die Erzeugung finanzieller Abhängigkeit sowie durch Eingriffe in das Lehrprogramm und die Zulassungsbedingungen für Studenten.23 Welche Strukturen langer Dauer gab es jenseits der korporativen Charakteristik des Personenverbandes? Finden sich neben rein äußerlichen Bestimmungen innere Strukturmerkmale? Die Idee der Universität war Gegenstand unzähliger Betrachtungen, die allerdings dem eingangs geschilderten Problem der Mythenbildung unterliegen. Lässt sich dennoch nach dem Ausschlussprinzip eine verlässliche Aussage über innere Strukturen treffen? Vielleicht hilft es, hierzu eine Quelle zu wählen, der bereits in ihrer Entstehung ein Blick von außen inhärent war. Der Amerikaner James Morgan Hart (1839–1916) berichtete wie folgt über seine Studienerfahrungen an deutschen Universitäten, die er in den Jahren von 1861 bis 1865 sammelte: To the German mind the collective idea of a university implies a Zweck, an object of study, and two Bedingungen, or conditions. The object is Wissenschaft the conditions are Lehrfreiheit and Lernfreiheit.24
Bei dem Objekt Wissenschaft handelte es sich – zumindest im Sinne des modernen Verständnisses von empirischer, rationaler Wissenschaft als Erkenntnisprinzip – um eine neue Idee, die an den Reformuniversitäten Halle und Göttingen im 18. Jahrhundert
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Vgl. Hammerstein (2011). Vgl. Oexle (1985), S. 32 f. Vgl. Rüegg (2016 [1994]), S. 237–240. Die Universitäten etablierten sich als Orte öffentlicher Erziehung. Vgl. Stichweh (1991), S. 47–56. Hart (1874), S. 249.
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erstmals aufkam. Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und Wilhelm von Humboldt (1767–1835) erhoben sie anschließend zum Ideal. Am ehesten führen daher die von Hart genannten Bedingungen der Lehr- und Lernfreiheit weiter, denn sie verweisen tatsächlich auf gewisse dauerhafte Strukturen: Zwar kam die Idee freier Forschung und freier Lehre ebenso wie das moderne Wissenschaftsverständnis erst an besagten Reformuniversitäten auf, doch lassen sich Wissensaustausch und Mobilität von Studenten und Lehrenden als Freiheitsmomente bezeichnen.25 Während die Studenten zur Not mit den Füßen über ihre Lernfreiheit entschieden und die Universität wechselten, speiste sich die Lehrfreiheit an den Universitäten aus einem im Vergleich zu bestehenden Einrichtungen der Wissenstradierung flexiblen Umgang mit Denkformen, so mit der Scholastik im Mittelalter und dem Humanismus in der Frühen Neuzeit.26 Beide zeichneten sich durch eine Verschiebung gegenüber den bis dahin etablierten Denktraditionen aus. Doch diese inneren Freiheitsmomente waren einzig im Zusammenhang mit äußerer Abhängigkeit denkbar: An die geistige und physische Mobilität knüpften sich stets Schutzbedürfnisse, die nur durch äußere Mächte garantiert werden konnten. So führten die landesherrlichen Universitätsgründungen zu einer eingeschränkten Mobilität durch die Bevorzugung von Landeskindern und auch die Lehre erfuhr Eingriffe insbesondere an den juristischen und theologischen Fakultäten. Der allgemeine Charakter von Universitäten lässt sich deshalb nur in einem doppelten Paradoxon beschreiben: Erstens blieb die innere Autonomie stets angewiesen auf ein äußeres Herrschaftsinteresse an dieser Autonomie – das im Inneren wirksame bios theoretikos der Wissensüberlieferung und Wissensproduktion stand einem von außen stammenden bios praktikos, einem pragmatischen Verwertungsinteresse gegenüber.27 Zweitens muss die Reform- und Veränderungsfähigkeit des universitären Feldes selbst als ein eigenständiges Merkmal angeführt werden, denn das Wesensprinzip der Institution mag ihre Beständigkeit gewesen sein, das Lebensprinzip jedoch bestand gerade in ihrer Flexibilität, ihrer Fähigkeit zur Anpassung an den sozialen Wandel ihrer Umwelt. Zu beachten ist dabei: Umso allgemeiner die Betrachtung ausfällt, desto mehr führt dies zu ambivalenten, uneindeutigen Urteilen. Ausgehend vom beschriebenen Spannungsverhältnis eines doppelten Paradoxons muss deshalb die weitere Charakterisierung des universitären Feldes in den Grenzen des langen 19. Jahrhunderts erfolgen, die durch die Problemstellung der vorliegenden Arbeit gegeben sind. Welche Veränderungsprozesse erlebten die sozialen Akteurinnen und Akteure und zu welchen Herausforderungen führten sie? Am ehesten lassen sich die tiefgreifenden Transformationsprozesse des universitären Feldes im 19. Jahrhundert anhand seiner ver-
25 26 27
Zur libertas philosophandi und den Reformuniversitäten vgl. Paulsen (1902), S. 52–60. Gleichwohl hatte die akademische Freiheit des Mittelalters kaum etwas zu tun mit der Wissenschaftsfreiheit, die sich gesetzlich verankert erst im 19. Jahrhundert herausbildete. Vgl. vom Bruch (2008), S. 300. Vgl. Rüegg (2016), S. 250.
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änderten gesellschaftlichen Funktionen begreifen:28 Erstens erfuhr die Berufsbildungsund Ausbildungsfunktion eine Intensivierung; parallel zu Wirtschaft und Bevölkerung wuchs der Bedarf an den Leistungen der freien Berufe, insbesondere denen von Anwälten und Ärzten; zugleich verlangte die Erweiterung der Bürokratien in den deutschen Einzelstaaten und im Reich nach einer Zunahme akademisch gebildeter Beamter.29 Auch zogen der Ausbau und die Regulierung des Schulwesens einen erhöhten Bedarf nach Oberlehrern nach sich. Zweitens erhielten die Universitäten mit der neuhumanistischen Vorstellung einer allgemeinen Bildungsfunktion einen neuen legitimatorischen Überbau: Durch die Lektüre der antiken Klassiker sollte sich die Persönlichkeit eines Mannes als die Ausgestaltung seines inneren Vermögens zu Freiheit und Sittlichkeit herausbilden.30 Während allgemeine Bildung auf das innere Wachsen der Potenziale des Individuums zielte, erhielt die Universität drittens eine Forschungsfunktion, die diese entwickelten Potenziale aufgreifen und in der Neuschöpfung von Wissen kanalisieren sollte.31 Neue Erkenntnisse zum Nutzen der in verschiedener Hinsicht wachsenden Gesellschaft zu produzieren, wurde während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts langsam und beständig zum Imperativ für die Universitäten. Die drei beschriebenen Funktionsbereiche standen in einer Wechselwirkung zu institutionellen Veränderungen, deren wichtige Impulse von den Reformen der Berliner Universitätsgründung im Jahr 1810 ausgingen und im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einem Umbau des Qualifikationssystems sowie der Binnenstruktur durch Seminar- und Institutsgründungen führte. Die Schriften Humboldts, Friedrich Wilhelm Schellings (1775–1854), Johann Gottlieb Fichtes (1762–1814) und Schleiermachers nahmen diese Veränderungen ideell vorweg, indem sie Kernelemente einer neuen Universitätsidee formulierten, die sich innerhalb der universitären Realgestalt jedoch nur allmählich und auch nur teilweise verwirklichten. Von Preußen bzw. Berlin ausgehend kam es deutschlandweit zu einer Institutionalisierung der Habilitation und Privatdozentur: Dies führte zur Verengung des Rekrutierungsfeldes durch die Etablierung inneruniversitärer Karrierewege, die jedoch aufgrund der prekären Situation von sich weitgehend selbst finanzierenden Privatdozenten lediglich im Stadium einer „Protoprofessionalisierung“ verblieben; denn akademische Karrieren enthielten auf mittlerer Ebene eine „Risikopassage“ und glichen somit einem Glücksspiel.32 Abhängig war dieses Glück sowohl von den sprudelnden Quellen eines privaten Vermögens als auch von Beziehungsnetzwerken, die, durch vorteilhafte Eheschließungen bekräftigt, an die vetternwirtschaftliche Rekrutierungspraxis
28 29 30 31 32
Zum Funktionswandel der Universitäten im 19. Jahrhundert. vgl. Paletschek (2011), S. 172. Vgl. Paulsen (1902), S. 151. Zur Vorstellung von allgemeiner Bildung innerhalb universitärer Lehre vgl. Ziegler (1908), S. 42–46. Vgl. Paulsen (1902), S. 293 f. Schmeiser (1994), S. 25. Noch immer sind wissenschaftliche Karriereverläufe „praktisch nicht prognostizierbar“. Geenen (2000), S. 84.
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vormoderner Familienuniversitäten erinnerten.33 Zudem verband sich mit der Habilitationsschrift die Forderung einer Erkenntniserweiterung, was den Forschungsimperativ institutionell verankerte, meritokratische Auswahlprinzipien verstärkte und zu einer leistungsbasierten Selektion innerhalb eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses führte.34 Nicht unwesentlich für ein solches Verhältnis dürfte die Etablierung von Seminaren als den eigentlichen „Pflanzschulen der wissenschaftlichen Forschung“35 gewesen sein. Sie trugen nicht nur zur Möglichkeit eines dialogischen Austauschs zwischen Lehrenden und Lernenden bei, sondern etablierten in Form von angegliederten Bibliotheken und Arbeitsräumen eine Infrastruktur der Begegnung. Die Gründung neuer Institute veränderte die universitäre Hierarchie, die bislang durch die vier Fakultäten und den Senat definiert worden war. Die leitenden Direktoren dieser Institute waren als Professoren zwar Mitglieder in den klassischen Gremien der Universität, rechenschaftspflichtig waren sie jedoch lediglich den Kultusministerien, denen sie direkt unterstellt waren.36 Damit gerieten die Professoren entgegen der von Humboldt und Schleiermacher formulierten Idee einer überstaatlichen Autonomie der Universität in zunehmende staatliche Abhängigkeit und wurden zu „Antragsstellern“.37 Institutsgründungen waren zumeist die direkte Folge des Aufkommens neuer Disziplinen sowie der universitären Konkurrenz um die besten wissenschaftlichen Köpfe, die diese Disziplinen ausgestalteten und weiterentwickelten. Dieser Wettbewerb profitierte vom Ausbau des Eisenbahnwesens, der die materiellen Bedingungen der Mobilität bereitstellte. Auf diese Weise konnte sich ein System aus Einstiegs-, Durchgangs-, Aufstiegs- und Endstationsuniversitäten etablieren, das von Marita Baumgarten klassifiziert worden ist.38 Die Karrierevektoren waren dabei auf die prestigeträchtigen Endstationen Berlin, München, Leipzig und gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch zunehmend Wien gerichtet.39 In diesem Wettbewerb, der mit einer Ausdifferenzierung des Wissens zusammenhing, zeigte sich zudem das Anwachsen des Finanzbedarfs, der aus der Zunahme von Lehrstuhlinhabern, deren leistungs- und anerkennungsabhängigen Vergütung sowie der Ausstattung von Laboratorien hervorging.40 In Preußen versechsfachten sich die staatlichen Ausgaben für die Universitäten zwischen 1868 und 1914 – wobei sich der Anteil an den Staatsausgaben angesichts des Anstiegs des Gesamthaushalts konstant um zwei Prozent bewegte.41 Kleinere Staaten hatten es zunehmend schwer, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Die klein33 34 35 36 37 38 39 40 41
Vgl. Baumgarten (1997), S. 105 f. Vgl. Schmeiser (1994), S. 17, 31 f. Paulsen (1902), S. 267. Vgl. Schmeiser (1994), S. 47 f. Ellwein (1985), S. 115. Vgl. Baumgarten (1997), S. 270 f. Vgl. Ebd., S. 271. Vgl. McClelland (2012a), S. 487 f. Vgl. ebd., S. 457.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
staatlichen Universitäten benötigten das gleiche technische Equipment wie die besser finanzierten Großuniversitäten – schnell stießen kleine Institutionen daher an Grenzen der Finanzierbarkeit.42 Während Preußen lediglich 0,27 Mark pro Einwohner/-in für seinen Bildungsetat aufwendete, waren es im Mittelstaat Sachsen bereits 0,45 Mark und in Baden mit 0,67 Mark mehr als doppelt so viel wie in Preußen.43 Nicht zu unterschätzen ist zudem die versteckte, gesellschaftliche Finanzierung der Universitäten durch die weitgehend unbezahlte Arbeit der Privatdozenten sowie durch Studiengebühren, zwei Faktoren, die zu einer sozialen Auslese führten, welche durch die wenigen Stipendien kaum gemildert werden konnte.44 Das Wachstum der Universitäten zeigte sich zudem in einer seit den 1860er Jahren stetig steigernden Studierendenfrequenz, die zur Jahrhundertwende geradezu explodierte. Waren im Wintersemester 1859/60 noch 11.901 Studierende an reichsdeutschen Universitäten immatrikuliert, waren es 1893/94 bereits 27.026. Diese Zahl verdoppelte sich nochmals bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs auf 60.235.45 Die stärksten Zuwachsraten verzeichneten die philosophischen Fakultäten, die vielfach noch die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachgebiete umfassten, sowie die medizinischen Fakultäten, deren Aufwertung maßgeblich von den wissenschaftlichen Durchbrüchen der Antisepsis und Bakteriologie ausging. Dieser Zuwachs geschah vor dem Hintergrund eines bislang nie gekannten Bevölkerungswachstums und einer massiven Urbanisierung. Trotz Anstieg der Studierendenzahlen blieb die Universität daher gemessen an der gesamten Einwohnerzahl des Deutschen Reichs eine exklusive Einrichtung. Eine zweite Welle der Industrialisierung im Bereich elektrochemischer Produktionsmittel bewirkte schließlich einen strukturellen Umbruch im Hochschulsystem: Der Ruf nach neuer Großforschung sprengte die Grenzen der Universität. Er führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Ausgliederungsprozessen in Form von Forschungsinstituten unter dem Dach der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Vielfach besaßen Professoren neben dem Ordinariat an einer Universität zudem einen außeruniversitären Forschungsauftrag. Die einzelnen Länder finanzierten Forschungen nun nicht mehr allein, sondern das Reich beteiligte sich zunehmend an den Kosten.46 Machtpotenziale deutscher Hochschullehrer Wie wirkten sich diese institutionellen Veränderungen auf das Lehrpersonal aus? Die Gruppe der Hochschullehrer war grundsätzlich getrennt in zwei Statusgruppen: die
42 43 44 45 46
Vgl. Kriekhaus (2005), S. 240. Vgl. McClelland (2012a), S. 457. Vgl. Langewiesche (1994), S. 325, 327. Vgl. Jarausch (1984), S. 72. Vgl. Kriekhaus (2005), S. 323.
Universitäten und Hochschullehrer
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Gruppe der Ordinarien oder ordentlichen Professoren und die Gruppe der Nicht-Ordinarien, zu der Privatdozenten, Extraordinarien und Titularprofessoren zählten.47 Die universitätspolitische, ökonomische, soziale und kulturell-symbolische Hierarchie zwischen beiden Gruppen war eindeutig: Die Ordinarien waren durch stabile soziale Netzwerke in die Strukturen der „unsichtbaren Universität“ eingebunden, genossen hohes gesellschaftliches Ansehen, hatten staatlich bezahlte Beamtenstellen inne, durften im Senat und den Fakultäten wählen sowie in die Stellungen des Rektors und Dekans gewählt werden.48 Die Nicht-Ordinarien hingegen verfügten weder über gesicherte Bezüge noch über Vertretungsrechte. Innerhalb der korporatistischen Strukturen waren sie randständige Figuren, die all ihre Hoffnungen auf ein Ende der langjährigen Probezeit durch eine Berufung zum Ordinarius setzten. Die Bedeutsamkeit der Nicht-Ordinarien für die Lehre wuchs mit dem Anstieg der Studierendenzahlen zwar beständig an, gleichzeitig nahmen jedoch für sie die Chancen eines Aufstiegs ab. Die Angst vor dem Abstieg in ein „akademische[s] Proletariat“ wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts immer virulenter. Die Zahl der mit Ordinarien besetzten Lehrstühle nahm nicht im selben Maß zu wie die der Studierenden. Die Einrichtung bezahlter Assistenzstellen sorgte erst im 20. Jahrhundert für eine Abmilderung dieser Situation.49 Ebenso virulent wie die Abstiegsängste bildungsbürgerlicher Kreise wurde in den 1890er Jahren die Frage des Frauenstudiums – wenngleich mit umgekehrter Problemdefinition: Frauen aus bürgerlichen Kreisen sollten die Möglichkeit erhalten, am kulturellen Kapital der Universitäten teilzuhaben, um dieses Kapital zum Zwecke ökonomischer Absicherung verwerten zu können. Während sich an den Universitäten bereits die Angst vor einer Abwertung des eigenen kulturellen Kapitals ausbreitete, verlangten die Frauen, von ihrem Status als bildungspolitische Parias zu Parvenüs aufzusteigen, um ihren Anteil an diesem Kapital zu erlangen. Dieses Bestreben von Außenseiterinnen blieb innerhalb des universitären Feldes nicht unbeantwortet: Seit 1870 hatten sich immer wieder Vertreter dieses Feldes zu den Bestrebungen geäußert und mit der Zunahme des öffentlichen Interesses am Schicksal der bildungspolitischen Parias nahmen die Meinungsäußerungen aus den Universitäten zu. Die Grafik (Abb. 2) zeigt die Frequenz der vom universitären Feld ausgehenden Publikationen sowie die Einstellungsverteilung. Mit Blick auf das gesamte Diskursfeld sind folgende Aspekte in dieser Grafik auffallend: Circa die Hälfte aller Publikationen des Zeitraums zwischen 1870 und 1887 gingen auf Diskursfragmente zurück, die im universitären Feld entstanden. Dieser Anteil nahm im Verlauf der 1890er Jahre sehr deutlich ab. Zudem zeichneten sich die rekonstruierten Einstellungsmuster im universitären Feld durch eine weitaus größere Unentschiedenheit aus als die Einstellungsmuster im gesamten Diskursfeld. Die Grauzone von bedingt 47 48 49
Vgl. Klinge (2004), S. 125. Charle (2004), S. 77. Ebd., S. 64.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Abb. 2: Einstellungen zum Frauenstudium (Teilbereich des konkreten Korpus: universitäres Feld – ohne publikationslose Jahre; n= 90)
befürwortenden und bedingt ablehnenden Einstellungen überwiegt. Bei den gänzlich befürwortenden und ablehnenden Einstellungen zeigt sich in der Grafik (Abb. 2) eine langsame Trendwende: Während zu Beginn der Auseinandersetzung über das Frauenstudium gänzlich ablehnende Töne dominierten, stiegen in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre die Zahlen der befürwortenden Einstellungen. Dennoch übertrug sich die positive Grundstimmung, die sich mit Blick auf das gesamte Diskursfeld in den 1890er Jahren konstatieren lässt, nur sehr verhalten in das universitäre Feld – noch am Ende der 1890er Jahre überwogen hier Einstellungsmuster mit deutlich artikulierten Vorbehalten, sodass festzuhalten ist, dass die im Diskursfeld auftauchenden ablehnenden oder bedingt ablehnenden Tendenzen in den Jahren zwischen 1890 und 1900 zum Teil vom universitären Feld ausgingen. Wie lässt sich die Oberfläche dieser Daten durchdringen, um zu den Machtpotenzialen der Hochschullehrer zu gelangen? Es stellt sich die Frage nach den Sprechorten, an denen die einzelnen Diskursfragmente entstanden sind. Sprechende in den Endstationsuniversitäten besaßen eine stabile Machtposition innerhalb des Feldes – Sprechende unterhalb dieser höchsten Hierarchieebene verfügten über ein geringeres symbolisches Kapital. Der soziale Anpassungsdruck wirkte hier stärker, da der weitere Karriereverlauf womöglich noch nicht abgeschlossen war. Zudem verband sich die Fachzugehörigkeit eines Aussageproduzenten mit Machtpotenzialen. Vor allem die traditionsreichen Geisteswissenschaften besaßen einen hohen gesellschaftlichen Deutungsanspruch, der sich in einer Verknüpfung mit der meinungsbildenden Publizistik manifestierte. Doch auch die Mediziner beanspruchten mit dem Aufkommen der (Sozial-)Hygiene am Ende des 19. Jahrhunderts eine in die Gesellschaft hineinreichende Definitionsmacht, deren moralisch-normativer Charakter sich unter dem Deckmantel
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Universitäten und Hochschullehrer
naturalisierender Aussagen zu verbergen suchte. Zudem muss der jeweils aktuelle Status innerhalb der Hochschullehrerlaufbahn ebenso in die Betrachtung der Machtpotenziale einfließen wie viertens die soziale Herkunft und konfessionelle Zugehörigkeit. Von welchen Universitäten ging die größte Strahlkraft in das Diskursfeld aus? Oder anders formuliert, an welchen universitären Orten entstanden die meisten Diskursfragmente? Die folgende Tabelle zeigt die jeweiligen Zahlen von Publikationen zum Frauenstudium zwischen den Jahren 1866 und 1918 gegliedert nach der von Baumgarten typisierten Universitätshierarchie.50 Tabelle 1: Publikationszahlen nach Sprechorten innerhalb der Universitätshierarchie (n=83)51 Endstationsuniversität Wien (15) Berlin (11) München (6) Leipzig (1)
Aufstiegsuniversität Göttingen (3) Prag (3) Straßburg (3) Bonn (2) Graz (2) Heidelberg (1) Würzburg (1)
Durchgangsuniversität Königsberg (3) Breslau (2) Jena (2)
Einstiegsuniversität Zürich (13) Erlangen (3) Kiel (2) Gießen (2) Rostock (2) Genf (2) Bern (2) Greifswald (1) Basel (1)
Von den untersuchten Diskursfragmenten des konkreten Korpus entstand etwa ein Fünftel im universitären Feld. Die Tabelle 2 zeigt die Einstellungsmuster an den Sprechorten entlang der Karrierewege.52
50 51 52
Vgl. Baumgarten (1997), S. 270 f. Fünf Diskursfragmente gehen auf die Universitäten in Budapest, Krakau, New-York, Dorpat und Lüttich zurück. Sie fallen aus der von Baumgarten vorgenommenen Typisierung der Karrierewege heraus und sind deshalb nicht in der Tabelle aufgeführt. Abweichung zur Grafik mit den Einstellungsmustern erklärt sich durch anonyme Publikationen. Die innerhalb der Universitätshierarchie verorteten Einstellungen dürfen nicht als ein Abbild der dort vorherrschenden Grundstimmung verstanden werden: Die Tabelle zeigt lediglich, welche Einstellungen Autoren an verschiedenen Orten der Universitätshierarchie vertraten, die innerhalb des Diskursfeldes durch ihre Publikationen in Erscheinung getreten waren.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Tabelle 2: Einstellungen nach Universitätshierarchie (konkretes Korpus: universitäres Feld) in Prozent (n=83)53 befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Endstation Aufstieg Durchgang Einstieg Einstieg (n=33) (n=7) (ohne Schweiz, (mit Schweiz, (n=15) n=16) n=28) 33,3 28,6 16,7 33,3 37 30 42,9 33,3 16,7 33,3 13,3 23,3 0
14,3 14,3 0
33,3 16,7 0
41,7 0 8,3
25,9 0 3,7
Mit Blick auf die Einstellungsverteilung entlang der Universitätshierarchie lässt sich eine Zunahme der Unsicherheit unterhalb der Ebene der Endstations- und Aufstiegsuniversitäten konstatieren: Der als Grauzone zu definierende Bereich von bedingt befürwortenden und bedingt ablehnenden Einstellungen wächst an; gleichzeitig schwächt sich die an den Endstationsuniversitäten anzutreffende Polarisierung zwischen Befürwortern und Gegnern ab. Der Einfluss des zahlenmäßig überproportionalen Anteils von Diskursfragmenten aus Zürich ist geringer als erwartet. Die Rolle Zürichs wird im weiteren Verlauf der Untersuchung ebenso zu klären sein wie der zahlenmäßig hohe Einfluss der Endstationsuniversitäten Wien und Berlin. Bei Betrachtung der Sprechorte entlang der Fälle gewinnt das universitäre Feld innerhalb des gesamten Diskursfeldes deutlich an Boden: Von insgesamt 786 Fällen gehen 304 auf Aussageereignisse innerhalb von Universitäten zurück. Auf Fallebene verschiebt sich zudem das Verhältnis nochmals deutlich zugunsten der Endstationsuniversitäten: An diesen allein findet sich mit 148 Fällen nahezu die Hälfte aller Aussageereignisse. Dass dies nicht mit der Größe dieser Universitäten und der Größe ihres Hochschulpersonals erklärbar ist, zeigt das Verhältnis der vier Endstationsuniversitäten zueinander: Berlin und Wien stellen zusammengenommen allein 82 Prozent der Fälle, während München und Leipzig deutlich zurückliegen. Da die Mehrzahl der Fälle im Rahmen von Umfragen entstanden sind, lässt sich vermuten, dass die Verantwortlichen dieser Umfragen ein besonderes Interesse an Meinungen hatten, die sich im Machtzentrum des universitären Feldes befanden.54 53
54
Hier und in allen folgenden Tabellen und Grafiken bezeichnet (n) die Anzahl von Publikationen oder Akteurinnen und Akteure, denen das gesuchte Merkmal zugeordnet werden konnte. Die heterogene Quellenlage führt teilweise zu hohen Ausfallraten im Datenmaterial. Aus diesem Grund unterscheidet sich die Anzahl (n) zur jeweiligen Grundgesamtheit (N), die beim konkreten Publikationskorpus 447 und bei den namentlich sozialen Akteurinnen und Akteuren 786 beträgt – davon 556 namentlich identifiziert. Von 304 Fällen entstanden 206 im Kontext veröffentlichter Gutachten oder Umfragen zum Frauenstudium. Dieser Kontext ist bei einer Interpretation der Zahlen vor allem im Hinblick auf die
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Universitäten und Hochschullehrer
Tabelle 3: Einstellungen nach Universitätshierarchie (soziale Akteure: universitäres Feld) in Prozent (n=137) befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Berlin (n=47) 21,3 25,5 34 12,8 6,4
Wien (n=51) 54,9 25,5 9,8 5,9 3,9
München (n=14)
Leipzig (n=9)
28,6 50 14,3 7,1 0
0 66,7 22,2 11,1 0
Zürich (n=16) 68,8 18,8 6,2 0 6,2
Auf Fallebene lassen sich die Einstellungsmuster ortsspezifisch analysieren. Um Verzerrungen zu vermeiden, wurden Fälle ausgeschlossen, die auf Doppelautorschaft zurückgehen, sodass sich die Fallzahl verringert. Wie in der Tabelle 3 deutlich wird, findet sich in Berlin eine breite Grauzone von bedingt befürwortenden und bedingt ablehnenden Fällen. An den Rändern dieser breiten Grauzone stehen sich nahezu doppelt so viele gänzlich befürwortende wie gänzlich ablehnende Autoren gegenüber. Zudem zeigt sich in drei Fällen eine neutrale Einstellung, weil die Aussagen keine Tendenz erkennen ließen oder einen klaren Standpunkt verweigerten. An der Universität München dominiert wie in Berlin die Grauzone, wenngleich mit leichter Tendenz zu befürwortenden Aussagen – eine Tendenz, die sich an den Rändern noch deutlicher bemerkbar macht. Weitgehende Einigkeit herrschte an der Universität Zürich, die als einzige der Sprechorte im Diskursfeld das Frauenstudium bereits in den 1870er Jahren institutionalisiert hatte. Auch an der Universität Wien scheinen die öffentlich geäußerten Einstellungen weitaus eindeutiger als die in Berlin und München gewesen zu sein: Im Datenmaterial findet sich ein breites Feld befürwortender Fälle, gefolgt von einer schmalen Grauzone mit deutlicher Tendenz zu bedingt befürwortenden Positionen. Es lassen sich lediglich drei Fälle gänzlich ablehnender Einstellungen ausmachen. Nachdem die Publikationen sowie die Fälle Universitätsstandorten zugeordnet worden sind, gilt es nach Fakultäts-, Disziplin- und Fachzugehörigkeiten zu unterscheiden. Bei einer groben Differenzierung nach Fakultätszugehörigkeiten wird eine Dominanz der Mediziner deutlich: Von den Diskursfragmenten des konkreten Korpus, die vom universitären Feld ausgingen, stammten 46 Prozent von Vertretern medizinischer Disziplinen. Es folgten Angehörige der philosophischen Fakultäten mit 40 Prozent – ohne die Veröffentlichungen aus den mathematisch-naturwissenschaftlichen Erhebungszeit zu berücksichtigen: 32 Fälle gehen auf die von Kirchhoff herausgegebenen Gutachten von 1897 zurück – dies betrifft die drei reichsdeutschen Universitäten Berlin, München und Leipzig. 27 der 51 Wiener Fälle stammen aus dem Jahr 1904. Damit erfolgten diese Äußerungen sieben Jahre nach den von Kirchhoff veröffentlichten Gutachten. Doch auch wenn diese Aussagen einer Selektion unterlagen, sorgten sie dennoch für eine Verschiebung des Bildes in der öffentlichen Wahrnehmung und dies trug zur Marginalisierung ablehnender Aussagen bei. Zu Entstehung und Wirkung der Gutachten vgl. Kapitel IV, 2. Abschnitt: Verstärkte Erfahrungen.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Disziplinen verkleinert sich deren Anteil auf 32 Prozent. Deutlich geringer sind die Anteile der Juristen und der Theologen mit zehn respektive drei Prozent an den Veröffentlichungen. Tabelle 4: Einstellungen nach Universitätshierarchie (soziale Akteure: universitäres Feld) in Prozent (n=86)
befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
28,9 28,9
Philosophische Fakultäten (ohne Math.Nat. Fächer, n=30) 46,7 23,3
23,7 18,4 0
Medizinische Fakultäten (n=38)
Juristische TheoFakultäten logische (n=8) Fakultäten (n=3)
Math.-Nat. Fakultäten/Fächer (n=7)
25 62,5
0 66,7
71,4 28,6
20
0
0
0
6,7 3,3
0 0
33,3 0
0 0
Welche Einstellungen zum Frauenstudium lassen sich innerhalb des konkreten Korpus mit Blick auf die einzelnen Fakultäten feststellen? Wie die Tabelle 4 zeigt, ergibt sich bei den Medizinern ein heterogenes Bild. In den philosophischen Fakultäten verschiebt sich das Bild deutlich in Richtung positiver Aussagen. Bei alleiniger Betrachtung der Publikationen mit einem mathematisch-naturwissenschaftlichen Institutionskontext fehlen ablehnende Positionen sogar völlig. Naturwissenschaftler verstärkten damit maßgeblich die befürwortende Tendenz innerhalb der philosophischen Fakultäten. Bei den wenigen Publikationen aus den juristischen und der theologischen Fakultäten überwiegen ebenfalls befürwortende Einstellungen. Welchen Disziplinen gehörten die sozialen Akteure des universitären Feldes an? Von den 304 Fällen müssen auch hier zunächst die Fälle einer Mehrfachautorschaft abgezogen werden. Auf diese Weise lassen sich 253 verschiedene soziale Akteure identifizieren. Von diesen sozialen Akteuren gehörten 113 und damit 45 Prozent den medizinischen Fakultäten an. Der Anteil der philosophischen Fakultäten entspricht mit ebenfalls 45 Prozent dem der Mediziner. Dieser Anteil verkleinert sich, wenn man die mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen abtrennt, die für sich genommen 13 Prozent der sozialen Akteure stellten. Die Juristen sind mit acht Prozent und die Theologen mit vier Prozent lediglich marginal vertreten.
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Tabelle 5: Einstellungen nach Fachgebieten der medizinischen Fakultäten (konkretes Korpus: soziale Akteure im universitären Feld) Chirurgen Gynäkologen Anatomen Physiologen Internisten in Prozent (n=16) (n=10) (n=12) (n=71) (n=23) (n=10) befürwortend 31,2 13 40 50 16,7 bedingt befürwor37,5 47,8 30 10 41,7 tend bedingt ablehnend 12,5 21,7 20 40 8,3 ablehnend 12,5 13 10 0 0 unbestimmt 6,2 4,3 0 0 33,3
Tabelle 5 zeigt die einzelnen Fachzugehörigkeiten der sozialen Akteure in den medizinischen Fakultäten: Unter den 113 Medizinern stellten Gynäkologen die stärkste Fraktion. Eine rein quantitative Erfassungen der Einstellungen zum Frauenstudium soll an dieser Stelle allein für die Gynäkologen, Chirurgen, Anatomen, Physiologen und Internisten erfolgen: Bei den Gynäkologen finden sich drei bedingungslose Befürworter, bei denen es sich um zwei Münchner und einen Kieler Lehrstuhlinhaber handelte. Die Grauzone derer, die Vorbehalte besaßen und die Zulassung von Frauen zum Studium an einschränkende Bedingungen knüpfte, zerfällt in elf sich bedingt befürwortend und vier sich bedingt ablehnend äußernde Akteure – mit fünf Lehrstuhlinhabern in Berlin und zwei in Wien ging von dieser Gruppe ein starkes Machtpotenzial aus. Die Gruppe der entschiedenen Gegner war mit drei Gynäkologen ebenso groß wie die der Befürworter – wenngleich sich zwei Lehrstühle der Gegner an den Spitzenuniversitäten in Berlin und Wien befanden. Im Vergleich wird deutlich, dass sich unter den Gynäkologen die wenigsten Befürworter fanden. Deutlich ablehnende Einstellungen gab es zwar auch bei Chirurgen und Anatomen, doch fanden sich in diesen Fachgebieten stets Kollegen, die dem eine deutlich befürwortende Position entgegenstellten. Was der Vergleich nicht leisten kann, ist eine Einschätzung der Definitionsmacht durch einzelne Vertreter dieser Fachgebiete. Vor allem unter den Anatomen fanden sich mit dem Münchner Theodor von Bischoff (1807–1882) und dem Berliner Wilhelm von Waldeyer (1836–1921) zwei wirkungsmächtige Gegner des Frauenstudiums.55
55
Näheres hierzu findet sich im Kapitel IV, Abschnitt 2: Produktive Polarisierung.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Tabelle 6: Einstellungen nach Fächern der philosophischen Fakultäten (konkretes Korpus: soziale Akteure im universitären Feld) in Prozent (n=122) befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Philologen Staatswissen(n=23) schaftler (n=21) 30,4 47,6 21,7 38,1 30,4 8,7 8,7
9,5 0 4,8
Philosophen (n=20) 50 25 15 10 0
Historiker Naturwissen(n=14) schaftler (n=34) 35,7 61,8 35,7 8,8 14,3 14,3 0
26,5 0 2,9
Unter Philologen (Sprach- und Literaturwissenschaftlern) sowie Historikern herrschten die größten Vorbehalte: Wie die Gynäkologen sahen sich die Philologie und die Geschichtswissenschaft mit der größten Nachfrage durch Frauen konfrontiert. Denn in den Diskursen zum Frauenstudium dominierten selbst bei der bürgerlichen Frauenbewegung die Berufsziele der Frauenärztin und akademisch gebildeten Lehrerin. Bei den Staatswissenschaftlern und Nationalökonomen herrschte hingegen eine deutliche Tendenz zur Befürwortung: Es finden sich keine gänzlich ablehnenden Äußerungen und lediglich drei von 21 Professoren vertraten bedingt ablehnende Einstellungen. Innerhalb dieses Fachbereichs gab es großes Verständnis für die ökonomische Notwendigkeit zur Schaffung standesgemäßer Berufe für Mittelschichtsfrauen. Aufseiten der Naturwissenschaftler lassen sich zehn Physiker, acht Biologen (Botaniker und Zoologen), jeweils sechs Mathematiker und Chemiker sowie drei Geologen und ein Geograf finden. Unter ihnen herrschte trotz eindeutig befürwortender Tendenz eine gewisse Polarisierung, wie ein Blick auf die bedingt ablehnenden Positionen zeigt. Dabei lässt sich keine fachliche Prädisposition für bedingt ablehnende Einstellungen ausfindig machen, da derlei Einstellungen von Physikern, Biologen und Chemikern (jeweils zwei) gleichermaßen vertreten wurden. Tabelle 7: Einstellungen nach Hierarchie (konkretes Korpus: soziale Akteure im universitären Feld) in Prozent (n=235) befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Ordinarien (n=199) 38,2 30,2 19,1 6,5 6
Nicht-Ordinarien (n=36) 34,2 28,9 26,3 10,5 0
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Welche hierarchischen Positionen nahmen die sozialen Akteure innerhalb des universitären Feldes ein und welche Einstellungen vertraten diese? Von den Publikationen aus dem universitären Feld gehen über drei Viertel auf ordentliche Professoren zurück. Unter den Nicht-Ordinarien finden sich sieben Extraordinarien, fünf Privatdozenten sowie ein Titularprofessor und ein Assistent. Beim Blick auf die Aussage- bzw. Fallebene der sozialen Akteure verschiebt sich das Verhältnis nochmals zugunsten der Ordinarien, da Aussagen von Nicht-Ordinarien weniger als ein Fünftel ausmachen. Hinsichtlich der Einstellungen von Ordinarien und Nicht-Ordinarien zeigt sich auf Fallebene eine bedingt ablehnende Tendenz aufseiten der Nicht-Ordinarien. Insbesondere der Anteil bedingungslos ablehnender Positionen ist bei ihnen deutlich größer. Beim Blick auf den religiösen Hintergrund der sozialen Akteure (Tabelle 8) dominieren die evangelisch-lutherischen Protestanten das Feld – wenig überraschend ist dabei, dass hiervon nahezu die Hälfte in Berlin ansässig waren, jedoch finden sich einzelne Protestanten auch an katholisch geprägten Universitäten wie München und Würzburg. Bei lutherischen Protestanten zeigen sich die deutlichsten Vorbehalte gegen das Frauenstudium in einer Dominanz der Grauzone von bedingt befürwortenden und bedingt ablehnenden Einstellungen mit einer leichten Tendenz zur Ablehnung.56 Weitaus aufgeschlossener erscheinen katholische Akteure. Mehr als die Hälfte von ihnen gehörte der Wiener Universität an – die Einstellungsausprägung reichsdeutscher Katholiken weicht kaum vom Muster der in Wien ansässigen Akteure ab, wo Katholiken die Mehrheit stellten. Eine gemessen am Bevölkerungsanteil große Gruppe stellten soziale Akteure, die der jüdischen Minderheit zuzurechnen sind.57 Soziale Akteure dieser Gruppe bewegten sich nahezu ausschließlich an den Spitzenuniversitäten in Berlin und Wien, wo sie vor allem medizinische Fachgebiete vertraten. Die Tendenz zu befürwortenden Aussagen war in dieser Gruppe noch etwas größer als unter katholischen Akteuren. Zudem findet sich eine kleine Gruppe von Akteuren, die der reformierten Konfession angehörten. Unter den Reformierten, die an den Universitäten Berlin, Leipzig, Straßburg und Zürich lehrten, findet sich eine Mehrheit mit befürwortenden Einstellungen. Fünf soziale Akteure bezeichneten sich explizit als konfessionslos – sie vertraten ausschließlich befürwortende Einstellungen. Im Vergleich wird deutlich, dass die Vertreter der jüdischen, katholischen, reformierten und konfessionslosen Minderheiten innerhalb des universitären Feldes weitaus positiver zum Frauenstudium eingestellt waren als die der lutherisch-protestantischen Mehrheit.
56 57
Interessant wären darüber hinaus vertiefende Studien, welche die protestantischen Akteurinnen und Akteuren nach ihrer Verortung im liberalen Kulturprotestantismus bzw. konservativ-orthodoxen Verbandsprotestantismus differenzieren. Acht zum evangelischen Glauben und zwei zum katholischen Glauben konvertierte Akteure wurden zur jüdischen Minderheit gerechnet, da das kulturelle Milieu der jüdischen Herkunftsfamilie hier noch prägend gewesen sein dürfte bzw. unklar ist, wann die Konvertierung erfolgt war.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Tabelle 8: Einstellungen nach religiösen Milieus (konkretes Korpus: soziale Akteure im universitären Feld) in Prozent (n=156) befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Lutheraner (n=70) 21,4 28,6 31,3 11,4 7,1
Katholiken (n=42) 35,7 38,1 14,3 4,8 7,1
Juden (n=36) 41,7 36,1 11,1 11,1 0
Reformierte (n=8) 62,5 25 12,5 0 0
Der Blick auf die soziale Herkunft (Tabelle 9), die anhand der Vaterberufe ermittelt worden ist, zeigt bei elf Akteuren einen adligen Familienhintergrund. Die Positionen in dieser kleinen Gruppe waren polarisiert zwischen gänzlich befürwortenden und bedingt ablehnenden Einstellungen. Die Besitz- bzw. Wirtschaftsbürger stellten mit 46 sozialen Akteuren die zweitgrößte Gruppe innerhalb der sozialen Herkunftskategorie, deren Einstellungsmuster eine deutliche Tendenz zu befürwortenden Einstellungen aufwies.58 Die Mehrheit von 113 sozialen Akteuren besaß einen bildungsbürgerlichen Hintergrund.59 Hier dominierte die Grauzone aus bedingt befürwortenden und bedingt ablehnenden Einstellungen, wenngleich sich weit weniger bedingungslose Gegner als Befürworter fanden, sodass von einer leichten Tendenz zu bedingt befürwortenden Einstellungsmustern gesprochen werden kann. Es verbleiben zwei kleinere Gruppen, von denen die erste aus Familien unterer Beamter oder Kleingewerbetreibende stammte. Dieses als Kleinbürgertum zu bezeichnende Milieu zeigt sich als überraschend aufgeschlossen – über die Hälfte vertrat befürwortende Einstellungen bei völligem Fehlen gänzlicher Ablehnung. Zur zweiten Gruppe gehören die Söhne von Bauern oder Handwerkern. Auch hier herrschte die Tendenz zu gänzlich befürwortenden Einstellungen zum Frauenstudium, wenngleich die Vorbehalte etwas größer waren als unter den kleinbürgerlichen Akteuren.
58
59
Der Begriff Wirtschafts- bzw. Besitzbürger umfasst selbst ein heterogenes Ensemble mit einer großen sozialen Spannweite zwischen Großbourgeoisie auf der einen und den kaum von Handwerkern zu unterscheidenden Besitzern kleiner Fabriken auf der anderen Seite. Dennoch machte diese Bevölkerungsgruppe lediglich ein bis zwei Prozent der Bevölkerung aus. Vgl. Schäfer (2009), S. 89. Als charakteristisch für die Zugehörigkeit war hier der Gymnasial- und Hochschulabschluss. Auch diese Gruppe machte lediglich ein Prozent der Bevölkerung aus. Vgl. ebd., S. 104.
81
Universitäten und Hochschullehrer
Tabelle 9: Einstellungen nach sozialer Herkunft (konkretes Korpus: soziale Akteure im universitären Feld) Bauern, Handwerker (n=15)
28,43 38,24
Untere Beamte, Kleingewerbetreibende (n=11) 54,5 27,3
24,51 4,9 3,92
18,2 0 0
26,7 6,7 6,7
in Prozent (n=196)
Adel (n=11)
Besitzbürger (n=46)
Bildungsbürger (n=113)
befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
36,4 0
42,9 28,6
36,4 9,1 18,2
14,3 9,5 4,8
46,7 13,3
Hinsichtlich der Altersstruktur (Tabelle 10) zeigt sich eine deutliche Tendenz zu befürwortenden Aussagen bei den nach 1850 geborenen Hochschullehrern, die zum Zeitpunkt ihrer Äußerungen durchschnittlich 45 Jahre alt waren. Die Gruppe der entschiedenen Befürworter erreichte in dieser Altersgruppe nahezu die Mehrheit und setzte sich damit von der Grauzone ab, die einschränkende Vorbehalte gegen das Frauenstudium äußerte. Die vor 1850 geborenen Hochschullehrer hingegen waren zum Zeitpunkt ihres Beitrags zum Diskursfeld durchschnittlich 58 Jahre alt und zeigten deutlich größere Vorbehalte; hier dominierte die Grauzone. Zudem war etwa jeder zehnte Hochschullehrer in dieser Alterskohorte grundsätzlich gegen das Frauenstudium eingestellt. Tabelle 10: Einstellungen nach Geburtsjahr (konkretes Korpus: soziale Akteure im universitären Feld) in Prozent (n=232) befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Geburt vor 1850 (n=160) 32,5 31,9 23,1 8,8 3,8
Geburt nach 1850 (n=72) 47,2 26,4 15,3 2,8 8,3
Zur medialen Repräsentation deutscher Hochschullehrer im Diskursfeld Welche Medien transportierten die Diskursfragmente des universitären Feldes in das Diskursfeld? An welche Zielgruppe richteten sich diese Medien? Welchen Anteil machten die meinungsbildenden Tageszeitungen und Zeitschriften aus? Welche Autoren
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
waren besonders präsent? Zur Beantwortung dieser Fragen wird das universitäre Feld in die verschiedenen Fachgebiete, also die Medizin, die Geisteswissenschaften einschließlich der Philosophie, die Naturwissenschaften, Rechtswissenschaft sowie die Theologie aufgegliedert. Die Mediziner produzierten den größten Anteil der vom universitären Feld ausgehenden Diskursfragmente. Hierbei ist zwischen den an eine akademische Öffentlichkeit oder die medizinische Fachwelt adressierten Publikationen zum einen und an eine allgemeine Öffentlichkeit gerichteten Publikationen zum anderen zu unterscheiden. Bei den Medizinern finden sich im Vergleich mit anderen Hochschullehrern die meisten Publikationen in Fachzeitschriften, wobei überrascht, dass es etwa ebenso viele befürwortende Artikel gab wie Beiträge, die der Grauzone bedingt befürwortender oder ablehnender Einstellungen zuzuordnen waren. Lediglich in einem Artikel wurden unbedingt ablehnende Einstellungen vertreten. Unter den an ein akademisches Publikum gerichteten Publikationen waren zwei Beiträge in der Allgemeinen Deutschen Universitätszeitung bemerkenswert. Hierbei handelte es sich um das Organ der Deutschen Akademischen Vereinigung, einer von dem Arzt, Reformburschenschafter und Bildungsreformer Konrad Küster (1842–1931) gegründeten Reformbewegung, aus dessen Frauengruppe sich 1888 der Berliner Verein Frauenwohl formierte. Die befürwortende Einstellung der Redaktion dieser Zeitschrift zeigt sich darin, dass es eine Rubrik zum Thema Frauenstudium gab. Mit ebenso positiver Tendenz zeigen sich die Beiträge in Kulturzeitschriften, die sich an ein bildungsbürgerlich-liberales Publikum richteten und in ihrer Auflagenstärke hinter den Fachzeitschriften zurückstanden. Lediglich in der selbstständig publizierten Pamphletliteratur dominierten auffallend negative Einstellungstendenzen. Die größte mediale Strahlkraft unter den Medizinprofessoren besaßen mit jeweils drei Publikationen der gegenüber dem Frauenstudium ablehnend eingestellte Münchner Anatom Bischoff sowie der ablehnend bis bedingt ablehnend eingestellte Berliner Anatom Waldeyer. Mit jeweils zwei Beiträgen folgten der bedingt ablehnend eingestellte Erlangener Pharmakologe Franz Penzoldt (1849–1927), der ebenfalls bedingt ablehnend eingestellte Physiologe Ludimar Hermann (1838–1914), der bedingt befürwortend eingestellte Anatom Georg Hermann von Meyer (1815–1892), der befürwortend eingestellte Sexualforscher Albert Eulenburg (1840–1917) sowie der ebenfalls befürwortend eingestellte Anatom Brühl. Während Bischoff, Hermann, Meyer und Brühl vorwiegend in der Frühphase des Diskursfeldes und damit vor 1890 publizierten, äußerten sich Penzoldt und Waldeyer im Verlauf der Hochphase der Debatte um das Frauenstudium in den 1890er Jahren.
Universitäten und Hochschullehrer
Publikationen von Angehörigen der medizinischen Fakultäten (n=44)60 Universitäts- und Wissenschaftsöffentlichkeit Akademische Öffentlichkeit (n=4) – Alma Mater (2) [Bischoff 1877, Meyer 1878] – Allgemeine Deutsche Universitätszeitung (2) [Freund 1898, Jacobi, 1900]
Vorträge/Reden in akademischer Öffentlichkeit (publiziert in Fachzeitschr. u. als selbst. Publikationen) – Rektoratsreden [Späth 1872, Fehling 1892, Waldeyer 1898] – Universitätsfeier [Bumm 1917]
Medizinische Fachwelt (n=12) – Deutsche Medicinische Wochenschrift (4) [Dohrn 1893, Cohn 1898, Jacobi 1900, Eulenburg 1901] – Wiener medizinische Wochenschrift (2) [Waldeyer 1888, Stieda 1903] – Wiener klinische Rundschau (1) [Kunn, 1903] – Wiener klinische Wochenschrift (1) [Rydygier 1896] – Wiener medizinische Presse (1) [Späth 1872] – Prager Medizinische Wochenschrift (1) [Petrina 1896] – Medicin. Correspondenzbl. des Württ. Ärztl. Vereins (1) [Dohrn 1893] – Aerztlicher Central-Anzeiger (1) [Stieda 1903]
Komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=6) – Die Nation (2) (linksliberal) [Eulenburg 1890, Rosenbach 1895] – Die Zukunft (1) (bildungsbürgerlich) [Höber 1899] – Die Zeit (Wien) (1) (bildungsbürgerlich; Aufl. 5.000) [Gruber 1900] – Auf der Höhe (1) (kosmopolitisch) [Brühl 1893]
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Tageszeitungen (n=7) – Allgemeine Zeitung Augsburg/München (3) (nationalliberal) [Bischoff 1872, Hermann 1872, Lehmann 1898] – Neue Freie Presse Wien (2) (liberal) [Schrötter von Kristelli 1895] – Münchner Neueste Nachrichten (1) (linksliberal) [Winckel 1889]
selbstständ. Publikationen (n=11) – Bischoff 1872 (Literarisch-artistische Anstalt) – Hermann 1872 (Orell, Füßli & Co) – Zehender 1875 (Stiller’sche Hof- u. Uni.-buchhandl.) – Brühl 1879 (Selbstverl. d. Vereins f. erweiterte Frauenbildung) – Fehling 1892 (Ferdinand Enke) – Müller 1894 (Verl. A.G. – vorm. J. F. Richter)
Auflagenzahlen wurden nur angegeben, wenn diese bei Kürschner (1902) zu ermitteln waren.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Publikationen von Angehörigen der medizinischen Fakultäten (n=44)60 Komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=6) – Die Gartenlaube (1) (illustriert/unterhaltend) [Meyer 1890]
Tageszeitungen (n=7) – Pester Lloyd (1) (linksliberal) [Goldzieher 1895]
selbstständ. Publikationen (n=11) – Albert 1895 (Alfred Hölder) – Penzoldt 1898 (Gustav Fischer) – Waldeyer 1898 (August Hirschwald) – Runge 1899 (Dieterich) – Bumm 1917 (Norddeutsche Buchdruckerei)
Vom Umfeld der geisteswissenschaftlichen Disziplinen innerhalb der philosophischen Fakultäten gingen deutlich weniger Publikationen aus: Eine breitere Auseinandersetzung in Universitäts- und Fachzeitschriften scheint es hier nicht gegeben zu haben. Lediglich in der Nationalökonomie finden sich zwei Fachpublikationen zum Thema. Im Gegensatz zu den Medizinern verfassten einige geisteswissenschaftliche Hochschullehrer Beiträge in Zeitschriften des gemäßigten Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung. Mit ihren Artikeln in Kulturzeitschriften adressierten sie wie ihre Medizinerkollegen ein überwiegend bildungsbürgerlich-liberales Publikum. Die breiteste mediale Wirkung erzielten dabei der befürwortend eingestellte Nationalökonom Carl Victor Böhmert (1829–1918) mit sieben Publikationen, gefolgt von seinem bedingt befürwortend eingestellten Jenaer Kollegen Julius Pierstorff (1851–1926). Publikationen von Angehörigen der philosophischen Fakultäten (Geisteswissenschaften) (n=31) Universitäts- und Wissenschaftsöffentlichkeit Akademische Öffentlichkeit (n=1) – Akademische Revue (1) (Philippi 1896) Vorträge/Reden in akademischer Öffentlichkeit (publiziert als selbstständ. Veröffentlichung) – Rektoratsreden [Scheel 1873, Holzinger von Weidich 1900] – Antrittsrede [Herkner 1899]
Fachpublikationen (n=2) – Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik (1) [Pierstorff 1883] – Handwörterbuch der Staatswissenschaften (1) [Pierstorff 1892]
Universitäten und Hochschullehrer
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Publikationen von Angehörigen der philosophischen Fakultäten (Geisteswissenschaften) (n=31) Komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=6) – Die Wahrheit (1) (katholisch) [Baumann 1896] – Die Zeit (Wien) (1) (bildungsbürgerlich; Aufl. 5.000) [Minor 1895] – Deutsche Rundschau (1) (bildungsbürgerlich) [Sybel 1885] – Neue deutsche Rundschau (1) (bildungsbürgerlich; Aufl. 2.100) [Platter 1896] – Bohemia (1) (linksliberal; Aufl. 14.500) [Winternitz 1899] – Volkswohl (1) (sozialreformerisch) [Böhmert 1890)
Bewegungsöffentlichkeit (Frauenbewegung) (n=6) – Der Frauenanwalt (3) (gemäßigt) [Böhmert 1870, 1871] – Die Frau (3) (gemäßigt) [Ziegler 1894, Messer 1912, Hausmann 1917]
Tageszeitungen (n=3) – Allgemeine Zeitung Augsburg (1) (nationalliberal) [Böhmert 1872] – Neue Zürcher Zeitung (1) (linksliberal; Aufl. 12.000) [Böhmert 1872] – Grazer Tagespost (1) [Schumpeter 1916]
selbstständ. Publikationen (n=14) – Sybel 1870 (Max Cohen & Sohn) – Scheel 1872 (Friedrich Mauke’schen Officin) – Böhmert 1872 (Wigand) – Teichmüller 1877 (E. Mattiesen) – Ziegler 1891 (Göschen) – Walcker 1893 (Helmich) – Lindner 1897 (Warkentien) – Herkner 1899 (C. Heymann) – Pierstorff 1899 (Gräfe & Sillem) – Holzinger von Weidich 1900 (J. G. Calve’sche K. u. K. Hof- u. Universitätsbuchhandlung) – Bauer 1908 (Franz Deuticke) – Ruge 1912 (Meiner) – Thurau 1912 (Bruncken & Co.) – Schiff 1916 (Verlag d. Vereins f. realgymn. Mädchenunterricht)
Naturwissenschaftler verfassten lediglich elf Publikationen: Am aktivsten waren dabei die beiden schweizerischen Biologen Arnold Dodel-Port (1843–1908) und Karl Vogt (1817–1895), deren Publikationen auch in Deutschland und Österreich erschienen. Dodel-Port stand eng mit der Frauenbewegung in Verbindung und scheute sich nicht, in Organen zu publizieren, die befreiend-radikale Diskursstrategien vertraten.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Publikationen von Angehörigen der philosophischen Fakultäten (Naturwissenschaften) (n=11) Universitäts- und Wissenschaftsöffentlichkeit Akademische Öffentlichkeit – Rektorratsrede (in selbstst. Publikation) [Pochhammer 1893]
Fachpublikationen (n=1) – Medicin. Correspondenzbl. des Württ. Ärztl. Vereins (1) [Vogt 1894]
komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=2) – Die Nation (1) (linksliberal) [Vogt 1890] – Wiener Mode (1) (illustriert, unterhaltend) [Vogt 1888] Bewegungsöffentlichkeit (Frauenbewegung) (n=2) – Frauenberuf (1) (radikal) [Dodel-Port 1890] – Die Lehrerin in Schule und Haus (1) (Organ des ADLV) [Dodel-Port 1892]
Tageszeitungen (n=3) – Frankfurter Zeitung (2) (linksliberal) [Dodel-Port 1892, Vogt 1894] – Neue Freie Presse (1) (liberal) [Penck 1905] – Neues Wiener Abendblatt (1) [Dodel-Port 1888]
selbstständ. Publikationen (n=3) – Pochhammer 1893 (Toeche) – Dodel-Port 1896 (Dietz) – Foerster 1902 (Dr. Sohn Edelheim Verlag)
Einen ebenso geringen Anteil am Diskursfeld wie die Naturwissenschaftler hatten die Juristen. Zwei Beiträge richteten sich an eine akademische Öffentlichkeit: Bereits 1879 erschien ein bedingt befürwortender Artikel von Franz von Holtzendorff (1829–1889) in der Alma Mater im Rahmen einer vom Mediziner von Bischoff initiierten Debatte. An die Zielgruppe der Frauenbewegung richteten sich zwei Beiträge von Hermann Rehm (1862–1917) und Josef Kohler (1849–1919) – Rehms Beitrag ging dabei auf einen Vortrag vom April 1901 auf dem Bayrischen Frauentag zurück. Der Wiener Edmund Bernatzik (1854–1919) publizierte im Jahr 1900 ein Gutachten zur Zulassung von Frauen zum juristischen Studium.
Universitäten und Hochschullehrer
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Publikationen von Angehörigen der rechtswissenschaftlichen Fakultäten (n=10) Universitätsöffentlichkeit Bewegungsöffentlichkeit Akademische Öffentlichkeit (n=2) (Frauenbewegung) (n=1) – Die Frau (1) – Alma Mater (1) (gemäßigt) [Holtzendorff 1879] [Kohler 1893] – Kyffhäuser-Zeitung (1) (Organ der deutschen Studenten) [ Jerschke 1883] komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=4) Tageszeitungen (n=1) – Neue Freie Presse (1) – Deutsche Worte (1) (liberal) (deutsch-national; Aufl. (Sperl 1918) 1.500) [Ehrlich 1895] – Die Nation (1) (linksliberal) [von Bar 1890] – Die Zeit (Wien) (1) (bildungsbürgerlich; Aufl. 5.000) [Bernatzik 1900] – Der Arbeiterfreund (1) (sozialreformerisch; national-liberal; Aufl. 2.300) [Gneist 1874]
selbstständ. Publikationen (n=2) – Bernatzik 1900 (Selbstverlag des Vereins für erweiterte Frauenbildung in Wien) – Rehm 1901 (C. Brügel & Sohn)
Bei den Theologen finden sich nur drei Publikationen: Es handelt sich um ein 1871 selbstständig erschienenes ablehnendes Essay von Hermann Jacoby (1836–1917), ordentlicher Professor der praktischen Theologie in Königsberg, ein 1892 in der Reihe Evangelisch-soziale Zeitfragen publiziertes befürwortendes Essay von Johann Weiss (1863–1914), außerordentlicher Professor für neutestamentliche Exegese in Göttingen, sowie einen 1910 publizierten bedingt befürwortenden Beitrag des in Münster lehrenden katholischen Moraltheologen Joseph Mausbach (1861–1931), der auf einen Vortrag bei der Katholikenversammlung in Augsburg zurückging. Publikationen von Angehörigen der theologischen Fakultäten (n=3) selbstständ. Publikationen – Jacobi 1871 (C. Bertelsmann) – Weiss 1892 (Fr. Wilh. Grunow) – Mausbach 1910 (Aschendorff)
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Welche Erkenntnisse und welche neuen Thesen und Fragen lassen sich aus der Fülle des bislang präsentierten Datenmaterials ableiten? Folgende Punkte sind für die weitere Auseinandersetzung bedeutsam: Die vom universitären Feld in das Diskursfeld hineinragenden Publikationen stammten vor allem aus den universitären Machtzentren Berlin und Wien, aber auch die Einstiegsuniversität Zürich tat sich hier hervor. Die jeweiligen Rollen dieser Sprechorte im Verlauf des Diskursprozesses werden im Fortgang der Untersuchung zu klären sein. In der Publikationstätigkeit zum Frauenstudium bestand eine starke Dominanz der Ordinarien: Ordentliche Professoren kamen fünfmal mehr zu Wort als Nicht-Ordinarien – obwohl es wesentlich mehr Nicht-Ordinarien im universitären Feld gab als ordentliche Professoren. Wenn sich nicht-ordinierte Hochschullehrer äußerten, dann mit einer etwas größeren Tendenz zu ablehnenden Einstellungen. Bei religiösen Minderheiten lässt sich eine Tendenz zu befürwortenden Einstellungen ausmachen, wobei die sich äußernden reformierten und jüdischen Akteure ausgesprochen befürwortend eingestellt waren. Im universitären Feld befanden sich gemessen am Gesamtbevölkerungsanteil zahlreiche jüdische Akteure. Dieser ohnehin starke Anteil kam im Diskursfeld noch stärker zu tragen. Offenbar besaßen diese Akteure ein großes Interesse daran, als Sprecher im Diskursfeld aufzutreten. Dieses aktive Engagement korreliert mit den überproportional hohen Zahlen jüdischer Studentinnen in der ersten Studentinnen-Generationen. Bei schwächeren sozialen Schichten sowie dem Besitzbürgertum gab es eine Tendenz zu befürwortenden Einstellungen. Im bildungsbürgerlichen Milieu hingegen gab es Vorbehalte, wenngleich keine gravierende Ablehnung auszumachen ist. Vor allem die untere Mittelschicht dürfte ein Interesse an einer Aufweitung der Bildungsmöglichkeiten besessen haben – die Erwerbsarbeit war hier anders als im Bildungsbürgertum bereits Normalität und die Töchter konnten von einer Öffnung profitieren. Bei Besitzbürgern dürfte sich die Konkurrenzangst weit weniger negativ ausgewirkt haben als im bildungsbürgerlichen Milieu, das vom raschen Gelingen der angestrebten Karrierewege abhängig war und sich längere Wartezeiten auf unbezahlten Positionen kaum leisten konnte. Es herrschte eine starke Dominanz der Mediziner und das, obwohl die philosophischen Fakultäten im universitären Feld breiter aufgestellt waren. Beim Thema des Frauenstudiums liefen die Mediziner den Geisteswissenschaftlern den Rang ab, obwohl Letztere eine gesellschaftspolitische Führungsrolle beanspruchten. Scheinbar erreichten die Mediziner eine größere Definitionsmacht, da das Thema der akademischen Frauenbildung gerade für die zur Jahrhundertwende aufkommende Sozialhygiene sowie im Hinblick auf die Frage der psychophysischen Eignung von Interesse war. Für den weiteren Verlauf der Untersuchung gilt es die Perspektive der Mediziner näher zu betrachten, um deren etwaigen gesellschaftlichen Deutungsanspruch zu verstehen. Über die Einstellungsmuster nach Fachbereichen lässt sich konstatieren, dass die Mediziner die deutlichsten Vorbehalte äußerten. Innerhalb der Medizin zeigten dabei die Gynäkologen die am stärksten ablehnende Einstellung – vermutlich eine Reaktion
Frauenbewegung und Aktivistinnen
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auf die weitverbreiteten Forderungen nach Frauenärztinnen sowie ein Effekt des vor allem unter Gynäkologen anzutreffenden Vorurteils über die vermeintliche Inferiorität von Frauen in psychophysischer Hinsicht. Unter den sozialen Akteuren der philosophischen Fakultäten herrschte hingegen eine vorsichtige Tendenz zur Befürwortung. Unter den Naturwissenschaftlern gab es ausgesprochene Fürsprecher, wenngleich diese mit Ausnahme schweizerischer Professoren im Diskursfeld weniger aktiv waren – womöglich aufgrund eines fehlenden gesellschaftspolitischen Deutungsanspruchs. Hinsichtlich der medialen Repräsentation führten die Mediziner eine starke Auseinandersetzung innerhalb der eigenen Fachöffentlichkeit. Ebenso besaßen sie durch selbstständig publizierte Broschüren eine hohe Präsenz in der breiteren Öffentlichkeit. Hier muss näher untersucht werden, zu welchen Wechselwirkungen es zwischen medizinischen Spezialdiskursen und öffentlichen Beiträgen kam. Im Disziplinbereich der philosophischen Fakultäten hingegen entstand außer in der Nationalökonomie keine fachwissenschaftliche Auseinandersetzung. Naturwissenschaftler, Juristen und Theologen äußerten sich lediglich in Einzelfällen; hier schien es eher persönliches Engagement für das Frauenstudium als fachbezogene Betroffenheit zu sein, welche die sozialen Akteure dieser Fachbereiche zu ihren Äußerungen veranlasste. Dafür spricht auch, dass sich Gegner aus diesen Fachbereichen kaum mobilisieren ließen. 2. Frauenbewegung und Aktivistinnen Bei der modernen Frauenbewegung handelt es sich keineswegs nur um Sicherstellung der materiellen Existenz, sondern ebensosehr um ideale Güter, um Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne als Glied der Gesellschaft und des Staates. Denn die Frauenfrage umfaßt in ihrer vollen Bedeutung alle Beziehungen der Menschen zu einander; sie stellt neben den wirtschaftlichen soziale, politische und ethische Forderungen, die mit einander eng verknüpft sind, und welche aber erfüllt sein müssen, auf daß die Frage in ihrem Umfange gelöst sei. Irma von Troll-Borostyáni (1849–1912), Schriftstellerin, Salzburg 189961
Das Eingangszitat der österreichischen Frauenrechtlerin Troll-Borostyáni benennt mit ökonomischen, politischen und kulturellen Forderungen das gesamte Spektrum dessen, was die Frauenbewegung in Deutschland und Österreich am Ausgang des 19. Jahrhunderts als ihre Ziele formulierte: Zur ökonomischen Komponente gehörten Initiativen zur Erweiterung weiblicher Erwerbsarbeit; kulturelle Forderungen zielten auf die gleiche Teilhabe von Frauen an Bildung oder die Bekämpfung von Prostitution und Alkoholismus; politische Ansprüche im engeren Sinne banden sich an die bürgerlich-liberale
61
Troll-Borostyáni (1899), S. 134.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Vorstellungswelt einer Teilhabe an politischer Gestaltung und Repräsentation. Weil Troll-Borostyáni diese Forderungen als eng miteinander verknüpft beschrieb, enthält ihre Aussage eine deutliche Positionierung: Denn erst der Dreiklang aus den Ebenen der Wirtschaft, Politik und Ethik charakterisierte die Bewegung als modern. Der zeitgenössische Begriff einer Frauenbewegung ist allerdings irreführend. Er konstruierte eine semantische Einheit der Bewegung, die dazu geeignet war, nach außen homogen zu erscheinen, obwohl im Innern eine räumliche und inhaltliche Heterogenität vorherrschte. Tatsächlich war die Frauenbewegung nicht nur schwer zu fassen, weil sie sich auf lokaler Ebene von Ort zu Ort unterschied, sondern auch, weil sie sich in ihren inhaltlichen Schwerpunktsetzungen immer weiter ausdifferenzierte. Wie zu zeigen sein wird, lässt sich nicht einmal bei der von Troll-Borostyáni angeführten „Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne“ von einem für alle Vertreterinnen verbindlichen Ziel sprechen. Für sich als radikal oder fortschrittlich verstehende Aktivistinnen handelte es sich bei der Frauenbewegung um eine primär politische, für eher gemäßigte Vertreterinnen um eine primär kulturelle Angelegenheit: Für Erstere waren die Mittel des Kampfes in der Agitation auf der politischen Bühne zu finden. Ihre Ziele richteten sich auf eine äußere Umgestaltung der Rechtsgrundlagen des Geschlechterverhältnisses. Für die anderen richteten sich die Ziele nach innen, um die traditionelle Frauenrolle in eine gesellschaftlich wirksame Rolle zu transformieren. Die Mittel mussten dabei „in Form und Inhalt etwas anderes sein als die Propaganda des politischen Machtkampfes“.62 Aus diesem Grund gilt es, sich zumindest in diskursiver und institutioneller Hinsicht vom Singular zu verabschieden und stattdessen vom Plural der Frauenbewegungen auszugehen. Was in der allgemeinen Rede den Singular dennoch rechtfertigt, ist das verbindende Element des Bewegungsprinzips selbst:63 Bewegung beschreibt hier die gesellschaftlichen Prozesse einer Verflüssigung, Informalisierung oder Rekombination vergeschlechtlichter Rollenmuster. Diese Veränderungsprozesse eröffneten die Möglichkeit zur Umgestaltung. Von diesem Gestaltungswunsch zeugte der selbstbewusste Name der am längsten erschienenen Frauenbewegungs-Zeitschrift im deutschen Sprachraum, dem Verbandsorgan des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF): Neue Bahnen. Es ist also von einer Wechselwirkung zwischen der Frauenbewegung und den gesellschaftlichen Veränderungsprozessen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auszugehen. Doch worin bestanden diese gesellschaftlichen Veränderungen, die für ein beständiges Wachstum der Bewegung sorgten? Es lassen sich auf den Ebenen der Wirtschaft, der Politik, des Rechts und der Kultur vier Veränderungsprozesse ausmachen: Die Produktivkraftentwicklung der Industrialisierung sorgte für ein Aufbrechen früherer Wirtschafts- und Lebensformen. Außerhäusliche und entfremdete Arbeit wurde zum Charakteristikum einer neuen Klasse von Menschen, die weder Produktionsmittel in Form von Werkzeugen oder Werkstätten 62 63
Bäumer (1954), S. 156. Zur Nutzung des Konzepts der sozialen Bewegung vgl. Briatte (2020), S. 21.
Frauenbewegung und Aktivistinnen
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noch das Produkt ihrer Arbeit besaßen. Ihnen gegenüber standen die Besitzer der Produktionsmittel sowie die Abnehmer der Arbeitsleistung und auch diese blieben von den Veränderungen nicht unberührt. Während sich das Leben von Kleinbauern und Handwerkern ebenso wie das Leben von Knechten und Mägden um Haus und Familie zentriert und dort zu koproduktiven Wirtschafts- und Lebensformen geführt hatte, rückten nun Arbeit und Familie, Produktion und Reproduktion sowie Öffentlichkeit und Privatheit weiter auseinander. Wenngleich trennscharfe Grenzen nur ideell vorherrschten, so war eine Grenze doch ganz offenkundig: die Grenze zwischen bezahlter Lohnarbeit und unbezahlter Reproduktionsarbeit.64 Die neuen Formen „räumlich-sozialer Isolation“ zogen eine Abhängigkeit von Frauen gegenüber Männern nach sich.65 Umwälzungen, die gemeinhin als Bestandteil der sozialen Frage galten, trafen Frauen daher besonders hart: Während aufseiten der arbeitenden Klasse niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und schlechte Wohnsituationen zu diesem Kreis von Problemen zählte, bekamen auch die besseren Stände der Produktionsmittelbesitzer sowie der Inhaber von höheren Bildungsabschlüssen die sozialen Verwerfungen durch eine Verschlechterung ihres beruflichen Fortkommens infolge zunehmender Konkurrenz zu spüren. Frauen aller Klassen hatten unter den Folgen der sozialen Verwerfungen zu leiden – selbstredend auf verschiedenen Weisen: Während Arbeiterinnen deutlich schlechter bezahlt wurden als Arbeiter und noch dazu die Bürden von Haushalt und Mutterschaft zu tragen hatten, besaßen bürgerliche Frauen jenseits verschämter Hausarbeit durch Nähen oder Sticken kaum standesgemäße Erwerbsmöglichkeiten, um im Falle von Ehelosigkeit, Witwenschaft oder beruflicher Erfolglosigkeit des Ehemanns zur bürgerlichen Existenzsicherung beizutragen.66 So unterschiedlich die Leidenssituation von Frauen verschiedener Bevölkerungsschichten gewesen sein mag, der erbarmungslose Einbezug von Frauen in den Mechanismus industrieller Produktion zeigte eines ganz offenkundig: Von Frauen war in psychischer und physischer Hinsicht mehr zu erwarten, als die Geschlechterdichotomie ihnen zugestand. Denn, ob in Bergwerken oder Fabriken, als Dienstmädchen oder Waschfrauen, die Arbeiterinnen waren omnipräsent und als Teil der „industriellen Reservearmee“ für die wachsende Wirtschaft unverzichtbar.67 Zudem kam ihnen angesichts der Entfremdungstendenzen eines ökonomisch forcierten Individualismus die kaum erfüllbare Doppelrolle zu, neben ihrer Erwerbsarbeit als
64
65 66 67
Vgl. Hausen (2003), S. 94; über diese dichotome Typisierung hinaus bot das Ideal bürgerlicher Geselligkeit den Frauen als Repräsentantinnen des kulturellen Familienkapitals durchaus gewisse Handlungs- und Gestaltungsspielräume. Deshalb waren Haus und Familie niemals ausschließliche Orte von Privatheit, sondern reichten über Formen der Geselligkeit in die Öffentlichkeit hinein. Vgl. Mettele (1996), S. 168. Labouvie (2007), S. 204. Bussemer (1985), S. 48. Marx (1965 [1867]), S. 354.
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Bewahrerin eines traditionellen Gemeinschaftsmodells innerhalb einer geschrumpften Kernfamilie wirken zu müssen.68 Ein zweiter großer Veränderungsschub ging von bürgerlich-politischen Idealen aus. Zentral waren dabei die Ideale der Freiheit, der Rechtsgleichheit und der politischen Verfassungsmäßigkeit. Die Katalysatoren der Revolutionen in Amerika und Frankreich überführten diese Ideale vom gelehrten Diskurs in eine institutionalisierte Praxis. Wo immer sich diese Praxis zeigte, strebten auch Frauen nach Teilhabe: Bereits 1791 forderte Olympe de Gouges (1755–1793) in Paris die Anerkennung der Rechte von Frauen als Staatsbürgerinnen. Ihre Forderung starb vorerst mit ihr auf der Guillotine. Die Frauenemanzipation gehört damit zum unbewältigten Erbe bürgerlicher Idealvorstellungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts. An diese vererbten Spannungen anknüpfend, stellte Louise Otto-Peters (1819–1895) ihrer im Zuge der 1848er-Revolution entstandenen Frauen-Zeitung das Motto voran: „Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen!“69 Die zivilen, politischen und sozialen Rechte, die Thomas H. Marshall in seiner Analyse des sich zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert entwickelnden Staatsbürgerstatus beschreibt, waren für Frauen weitaus geringer als für Männer.70 Es gelang der Frauenbewegung des Kaiserreichs dennoch, an einer meinungsbildenden Öffentlichkeit zu partizipieren: Vereinsgründungen, Zeitschriftenprojekte, Kongresse und Versammlungen sowie parlamentarische Petitionen waren die Mittel der Bewegung. Noch bevor sie sich ihre vollständigen politischen Rechte erkämpft hatten, etablierten sich die Aktivistinnen somit einen eigenen politischen Raum. Innerhalb ihrer Bewegungsstrukturen übten sie ihr politisches Denken und Handeln ein.71 Das bürgerliche Recht sorgte für eine in juristische Formeln gegossene Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Bereits während der Französischen Revolution war klar, dass homme nicht Mensch, sondern Mann bedeutete und Frauen von der neuen Brüderlichkeit ausgeschlossen blieben. Das Ehe- und Familienrecht band Frauen an einen sie beschränkenden familialen Rechtskreis. Sie genossen folglich nicht die gleichen vertragsrechtlichen Freiheiten wie Männer: Weder durften sie unabhängig von ihren Ehemännern ihre Arbeitskraft verkaufen, noch durften sie Verträge schließen oder über Eigentum selbstständig bestimmen – selbst Kinder blieben das Eigentum des Mannes. In verschiedener Ausprägung finden sich diese Bestimmungen im französischen Code civil von 1804 und im zehn Jahre älteren preußischen Landrecht. John Stuart Mill (1806–1873) und Harriet Taylor Mill (1807–1858) charakterisierten die bürgerliche Ehegesetzgebung in ihrem gemeinsam verfassten Werk Subjection of Women als Leibeigenschaft der Frau unter Herrschaft des Mannes.72 Zum Einfluss dieser Schrift auf die 68 69 70 71 72
Vgl. Scott/Tilly (1981), S. 122. Twellmann (1993 [1972]), S. 4 f. Vgl. Marshall (1992 [1950]), S. 40 f, 52–65. Marshalls Betrachtungen orientieren sich am männlichen Staatsbürger. Eine Analyse der rechtlichen Situation von Frauen fehlt vollständig. Zur These der Bildung eines politischen Raumes durch diese Vereine vgl. Briatte (2020), S. 314. Vgl. Mill/Taylor Mill (1976 [1869]), S. 171 f.
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deutsche Frauenbewegung konstatierte 1883 der Jenaer Nationalökonom Pierstorff, zu dessen Forschungsfeldern die Frauenfrage gehörte: Eine Erörterung der Litteratur zur Frauenfrage, auch wenn sie in der Hauptsache auf Deutschland sich beschränken will, vermag keinen besseren Ausgangspunkt zu wählen, als die bekannte Emanzipationsschrift von J. Stuart Mill.73
Die rechtliche Ungleichheit von Frauen bot, einmal als Problem konstituiert, eine dauerhafte Angriffsfläche für weitere Schübe der Frauenbewegung. Das Mobilisierungspotenzial eines gemessen an bürgerlichen Freiheitsvorstellungen inkonsistenten Familienrechts blieb weit über die erste Welle der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinaus wirksam. Auf kultureller Ebene begannen einige Avantgardistinnen sowohl durch ihren Lebensstil als auch durch ihre Werke bestehende Denkhorizonte zu verschieben und neue Subjektpositionen zu etablieren: George Sand (1804–1876), Louise Aston (1814–1871) oder Fanny Lewald (1811–1889) stellten den herrschenden weiblichen Normallebenslauf im bürgerlichen Milieu infrage, indem sie sich mit der alleinigen Rolle als Ehefrau und Mutter nicht zufriedengaben. Ihnen folgten viele weitere Autorinnen, die sich der Nöte und Hoffnungen der Frauen ihrer Zeit annahmen und großer Beliebtheit erfreuten – trotz orthodoxer Gegenstimmen, die sich zur Jahrhundertwende erhoben, wie der des Pharmakologen Hermann Schelenz (1848–1922): […] liest man, wie eine Elsbeth Meyer-Forster sich zur Apologetin der Dirnen aufwirft und sie mit dem Nimbus der Märtyrerin umgiebt; wie Helene Böhlau vor dem ‚unseligen Anwachsen der Liebe, die den Geist der Frau dumm und arm gefüttert und ihren Geist aufgefressen hat‘, warnt; liest man die erotischen Dichtungen Anna Ritters, die, vielleicht im Andenken an Göthe, über die beengenden Beigaben von Standesamt und kirchlichem Segen als ‚conditio sine qua non‘ offenbar recht geringschätzig denkt: so muss man zugeben, dass solche Ansichten schliesslich im Evangelium freier Liebe und zügelloser Leidenschaft gipfeln […]74
Bis zur Entfesselung freier Liebe sollte es zwar noch einige Jahrzehnte dauern, doch zumindest die Berufsschriftstellerei gehörte nunmehr zum Kreis von Tätigkeiten, die im Einklang standen mit den Vorstellungen vom weiblichen Geschlechtscharakter.75 73 74 75
Pierstorff (1883), S. 399; zur Rezeption Mills bei den deutschen Liberalen vgl. Bussemer (1985), S. 68 f. Schelenz (1900), S. 72; vgl. auch Simmel (1985 [1902]), S. 167. Zumindest die sogenannte freie Ehe erhielt zur Jahrhundertwende breiteren Zuspruch. Vgl. hierzu Dauthendey (1900) sowie im Lager der sozialdemokratischen Frauen vgl. Fürth (1906). Beziehungskonstellationen außerhalb der ehelichen Form wurden selbst im Umfeld der Sozialdemokratie erst in den 1920er Jahren diskursfähig, wenngleich es im proletarischen Milieu üblich war, einen unehelichen Schatz zu haben, solange daraus keine Kinder hervorgingen. Zu außerehelichen Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeiterinnen vgl. Wettstein-Adelt (1893); exemplarisch zum Diskurs über freie Liebe vgl. Kollontaj (1920).
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Dieser attestierte Frauen einen „subjektiv-lyrischen Charakter“, gespeist von Fantasie, Detailtreue und sozialen Instinkt.76 Trotz dieser scheinbaren Konformität wirkte hier eine subversive Kraft, die sich bei der Ausweitung von Erwerbsmöglichkeiten noch verdient machen sollte: Die Vorstellungswelt zweier komplementärer Geschlechter, denen genuin eigene Begabungsfelder zukommen, ließ sich gegen die Dichotomie der getrennten Sphären von Öffentlichkeit und Privatheit in Stellung bringen, indem das Fehlen weiblicher Talente und Einflüsse im öffentlichen Raum zum Problem erhoben wurde.77 Die Organisationsbasis der Frauenbildungsbewegung Nachdem die gesellschaftlichen Bedingungen für das Aufkommen der Frauenbewegung skizziert worden sind, fragt sich, auf welche Weise sich die hier interessierenden Machtpotenziale ausfindig machen lassen. Hierbei ist nach Prozessen zu suchen, die zur Etablierung institutioneller Felder führten und somit die von den beschriebenen gesellschaftlichen Bedingungen der Frauenbewegung ausgehenden Veränderungsschübe auf Dauer stellten. Bereits während der Befreiungskriege gegen die napoleonische Fremdherrschaft etablierten sich patriotische Frauenvereine. Reichsweit entstand im Zuge des Kriegs gegen Frankreich der Vaterländische Frauenverein als „Armee der Kaiserin“. Auf lokaler Ebene ließen sich über das gesamte Jahrhundert hinweg derartige Initiativen finden, oft unter Schirmherrschaft ortsansässiger Fürstinnen.78 Auch wenn diese karitativen Frauenvereine keine Frauenrechtsvereine und damit Interessenvertretungen waren, ließ sich auf diesen Organisationserfahrungen, die aufgrund publizistischer Begleittätigkeiten zu diskursiven Modellpraktiken wurden, aufbauen.79 Frühformen von Institutionalisierung, die nicht nur auf soziale Fürsorge, sondern auf eine Interessenvertretung von Frauen gerichtet waren, finden sich in den demokratischen Frauenvereinen, die sich im Zuge der 1848er-Revolution in Städten wie Mainz, Berlin oder Wien gründeten.80 Doch blieb dieses Engagement von nur kurzer Dauer, da im Zuge der Gegenrevolution eine Verbots- und Verfolgungswelle einsetzte. Neue Vereinsgesetze in Preußen, Bayern und Sachsen verboten im Verlauf des Jahres 1850 den Frauen nun explizit die Mitgliedschaft in politischen Vereinigungen. Erst 1908 hob ein reichsweites Vereinsgesetz diese Verbote auf, wenngleich nun der sogenannte „Sprachenparagraph“ für einen indirekten Ausschluss aller nicht-deutschsprachigen Minderheiten sorgte.81
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Jacoby (1871), S. 19; vgl. auch Simmel (1985 [1902]), S. 167. Vgl. Lange (1899a), S. 15. Gerhard (2012), S. 65. Zur diskursiven Modellpraxis vgl. Keller (2011b), S. 255–257. Vgl. Gerhard (1995), S. 67 f; Gerhard (2012), S. 38. Vgl. Schaser (2006), S. 19; Briatte (2020), S. 304 f.
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Trotz des Verbots politischer Betätigung formierte sich 1865 unter Leitung von Otto-Peters und Auguste Schmidt (1833–1902) in Leipzig der ADF. Der Beschluss zur Gründung erfolgte auf einer überregionalen Frauenkonferenz, die unter dem Spottnamen „Leipziger Frauenschlacht“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde.82 Um die restriktiven Vorschriften der Vereinsgesetzgebung zu umgehen, standen die Verbesserungen von Erwerbs- und Bildungsmöglichkeiten ganz oben auf der Agenda. Dies war bereits beim Leipziger Frauenbildungsverein der Fall gewesen, aus welchem der ADF maßgeblich hervorging. Politische Forderungen blieben somit implizit, um nicht erneut den Argwohn der Kontrollbehörden auf sich zu ziehen – in Sachsen trug das politische Vereinsverbot aus dem Jahr 1850 in Anlehnung an Otto-Peters den inoffiziellen Namen Lex Otto. Die Mitgliederzahl des ADF wuchs von der Zeit seiner Gründung bis 1889 auf etwa 12.000.83 Knapp ein Jahr nach Gründung des ADF entstand unter Vorsitz von Adolf Lette (1799–1868) der Verein zur Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts in Berlin. Während Lette in einer Denkschrift jedwede politische Emanzipationsforderung von Frauen scharf zurückwies, stand sein Nachfolger, der liberale Strafrechtsprofessor von Holtzendorff, solchen Bestrebungen durchaus wohlwollend gegenüber.84 Wenige Jahre nach Gründung erweiterte der Verein seine Forderungen, was 1869 zur Namensänderung in Lette-Verein zur Förderung höherer Frauenbildung und Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts führte.85 Als Vereinigungen neuen Typs entstanden schließlich im Jahr 1888 der Frauenverein Reform (VFR) in Weimar und der Verein Frauenwohl in Berlin.86 Beide Organisationen besaßen überregionalen Modellcharakter und machten es sich zur Aufgabe, fortschrittliche Ideen zu verbreiten. Von ihnen ausgehend etablierte sich ein zeitgenössisch als „jüngere Richtung“ beschriebener radikaler Flügel innerhalb der deutschen Frauenbewegung. Dieser zeichnete sich durch eine unverblümte Agitation seiner Ziele aus, welche für die „ältere Richtung“ bzw. den gemäßigten Flügel, verkörpert durch den ADF, bislang lediglich vorsichtig geäußerte Fernziele waren.87 Zudem gab es einen 82 83 84
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Bäumer/Lange (1901), S. 51. Männer durften als beratende Mitglieder ohne Stimmrecht beitreten. In der Denkschrift Lettes heißt es: „Was wir nicht wollen und niemals […] wünschen und bezwecken, ist die politische Emancipation und Gleichberechtigung der Frauen. Wenn ihnen sogar der berühmte englische Nationalökonom John Stuart Mill das aktive und passive Wahlrecht, die Vertretung und Theilnahme an politischen Versammlungen, zu vindiciren gemeint ist, so befindet er sich dabei im Widerspruch, wie mit den tausendjährigen Einrichtungen aller Staaten und Völker, so auch mit der Natur und Bestimmung des Weibes und mit den ewigen Gesetzen der göttlichen Weltordnung.“ Lette (1865), S. 10. Vgl. Hirsch (1891), S. 30. Die Geschichte der bürgerlichen Frauenbewegung sowie deren Deutung wurde durch Helene Lange und Gertrud Bäumer – beides wichtige Akteurinnen des gemäßigten Flügels – sowie deren Schülerinnen maßgeblich geprägt. Dies führte dazu, dass die Bedeutung der genannten Vereine des radikalen Flügels lange Zeit unterschätzt worden ist. Vgl. Schraut (2019), S. 213. Bäumer/Lange (1901), S. 155; Wolff (1905), S. 16.
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evangelisch-konfessionellen Flügel, der jedoch im Diskursfeld zur Frauenbildungsfrage eine eher untergeordnete Rolle spielte. Der VFR forcierte das Engagement für die Zulassung von Frauen zur vollen gymnasialen Vorbildung nach dem Vorbild des Lehrplans von Knabengymnasien, zum vollen akademischen Studium und zur anschließenden akademischen Berufstätigkeit – wegen der Schwierigkeit dieser Aufgaben handelte es sich hierbei um den einzigen Vereinszweck.88 Nachdem die eigene Zeitschrift Der Frauenberuf 1892 eingestellt worden war, verließen die Aktivistinnen die interne Bewegungsöffentlichkeit und erreichten 1894 mit einer Zeitungs-Korrespondenz, die monatlich Informationen für die Presse enthielt, eine breitere Öffentlichkeit.89 Dass Kompromisse kaum zum Repertoire dieser Vereinigung gehörten, lässt bereits die Zusammenstellung des Gründungskomitees vermuten, in dem sich prominente Vertreterinnen des linken oder radikalen Flügels der Bewegung fanden: Neben Hedwig Kettler (1851–1937), die sich in kämpferischer Anlehnung an die Jungfrau von Orléans „Johanna“ nannte, gehörten ihm u. a. die Berlinerin Hedwig Dohm (1833–1919), eine für ihre spitze Feder bekannte Publizistin, die Salzburgerin Troll-Borostyáni sowie die in Zürich lebende Schriftstellerin Juliane Engell-Günther (1819–1910) an – auch die später durch ihr Engagement für das Frauenstimmrecht deutschlandweit bekannte, 1897 in Zürich promovierte Juristin Anita Augspurg (1857–1943) gehörte spätestens seit 1890 dem Verein und ab 1891 auch dem Vorstand an.90 Zu Kompromissen bereit waren hingegen der ADF sowie Lange, die mit der sogenannten Gelben Broschüre im Jahr 1887 als Beilage einer Petition Berliner Frauen zur Reform der höheren Mädchenschulbildung für großes Aufsehen gesorgt hatte.91 Zu dieser Zeit forderte der ADF lediglich eine partielle Studienzulassung von Frauen zum Medizinstudium und die Berliner Frauen wünschten sich, dass „dem weiblichen Element eine größere Beteiligung an dem wissenschaftlichen Unterricht auf Mittelund Oberstufe der öffentlichen höheren Mädchenschulen gegeben und namentlich Religion und Deutsch in Frauenhand gelegt werde“.92 Der Frauenverein Reform jedoch erstrebte im Gegensatz zu diesen tastenden Vorstößen „die volle (nicht auf Bruchstücke beschränkte!) Aufschließung des wissenschaftlichen Studiums für die Frauenwelt, um so die Frau befähigt und berechtigt zu machen zum Betreten des weiten Gebietes der auf solchen Studien beruhenden Berufsarten“.93 Um das Hauptziel zu unterstreichen, erfolgte 1891 die Umbenennung in Verein Frauenbildungs-Reform (VFR).94 88 89 90 91 92 93 94
Vgl. Cohn (1896), S. 25; zu den Vereinszielen vgl. Schmidbaur (1990), S. 39. Zum Begriff der Bewegungsöffentlichkeit vgl. Wischermann (2003), S. 41–48; Kinnebrock (2005), S. 183. Vgl. Grimm (1893), S. 9; Kinnebrock (2005), S. 122. Zur Rolle Zürichs als Ort der ersten Bildungsstätte von Juristinnen vgl. Dadej (2019), S. 199–203. Lange (1887). Zahn-Harnack (1929), S. 190. Grimm (1893), S. 15. Vgl. ebd., S. 28.
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Der zweite genannte Verein Frauenwohl entstand aus einer Frauengruppe der reformerischen Deutschen Akademischen Vereinigung (DAV).95 Unter Minna Cauer (1841–1922) bekam der Verein einen Modellcharakter und führte zur Ausgründung zahlreicher gleichnamiger Zweigvereine. So fand sich der Name Frauenwohl bald nicht nur in großen Städten wie Hamburg, sondern auch in kleinen Städten der Provinz wie im thüringischen Rudolstadt und Jena.96 Nachdem sich der Verein 1893 von der DAV gelöst und Cauer einen mit Lange ausgefochtenen Richtungsstreit um den Vorsitz 1894 für sich entschieden hatte, vollzog sich eine Radikalisierung zum Kampfverein unter der Maßgabe fortschrittlicher Agitation, während rein praktische Aufgaben wie karitative Tätigkeiten aufgegeben wurden.97 Durch Vortragsreisen verbreiteten weltbürgerlichlinksliberale Frauen wie die Hamburger Kaufmannstochter Lida Gustava Heymann (1868–1943) die vergleichsweise radikalen Ideen über Frauenstimmrecht, koedukative Bildung oder die Kritik am patriarchalen Familienrecht des 1896 vom Reichstag verabschiedeten und 1900 in Kraft getretenen BGB. Im Zuge der neuen Frauenbildungsbewegungen, deren Petitionswellen in Richtung der Landtage und des Reichstages brandeten, entstand 1890 der Allgemeine Deutsche Lehrerinnenverein (ADLV) auf Initiative von Marie Loeper-Housselle (1837–1916), Schmidt und Lange. Die beiden wichtigsten Ziele bestanden in einer Reform der Mädchenschulbildung sowie einer wissenschaftlichen Ausbildung von Lehrerinnen. Um höhere Mädchenschulklassen durch Frauen unterrichten zu können, brauchte es Oberlehrerinnen und dies erforderte gymnasiale Vorbildung sowie die Zulassung zum Universitätsstudium. Der Lehrerinnenberuf war gesellschaftlich akzeptiert – wenn auch lediglich für unverheiratete Frauen. Stein des Anstoßes für die Vereinsgründung war die mangelhafte Ausbildung von Lehrerinnen. Zudem war eine Weiterbildung, von einigen Kursen im Berliner Victoria-Lyceum abgesehen, kaum möglich.98 Das erklärt den immensen Organisierungsgrad des ADLV, der bereits 1891 über 3.000 Mitglieder aufweisen konnte und bis 1901 auf 16.000 Mitglieder anwuchs. Dem Selbstverständnis nach handelte es sich um eine Berufsorganisation von Lehrerinnen, die für eine hinreichende Aus- und Fortbildung kämpften.99
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Vgl. Cauer (1913), S. 6. Vgl. Neumann (2018). Laut Cauer nahmen die Regionalvereine „aber leider bald von der großen allgemeinen Propagandaarbeit Abstand […] und [verloren] sich in lokale Kleinarbeit“. Cauer (1913), S. 26; zum Verein und seiner Entwicklung vgl. Briatte (2020), S. 52–83; Pommerenke (1995). Zur Oberlehrerinnenprüfung ließ das preußische Unterrichtsministerien Volksschullehrerinnen mit Seminarausbildung erst durch einen Erlass vom 31. Mai 1894 zu – wenngleich es an Vorbildungsmöglichkeiten für diese sehr umfangreiche Prüfung mangelte, da Frauen zu einem ordentlichen Universitätsstudium nicht zugelassen waren. Zum Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen waren die Lehrerinnen indes erst durch Erlass vom 14. Dezember 1905 zugelassen. Vgl. Albisetti (2007), S. 186 f., 243; Tobies (2008), S. 25. Vgl. Bäumer/Lange (1901), S. 86–88.
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Mit den vorgestellten Vereinigungen Frauenbildungs-Reform und Frauenwohl hatten radikale Diskursstrategien ein institutionelles Umfeld gefunden. Der Grundstein für eine wachsende Dynamik in der Bewegung war gelegt. Dies führte sowohl zur Erweiterung von Themengebieten als auch zu einer institutionellen Ausdifferenzierung. Um den zentrifugalen Kräften als Folge dieser Dynamik zu begegnen, erfolgte 1894 die Gründung des Bundes deutscher Frauenvereine (BDF) nach dem Vorbild des amerikanischen National Council of Women of the United States, den deutsche Frauenrechtlerinnen auf der Weltausstellung von 1891 in Chicago kennengelernt hatten.100 Der BDF gründete sich auf Basis einer „Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners“.101 Die überregionale Institutionalisierung der Frauenbewegung erreichte damit eine neue Qualität. Von nun an waren die bürgerlichen Frauen des Kaiserreichs eine Kraft, die dazu in der Lage war, sich Gehör zu verschaffen. Konnten die Mitglieder des preußischen Abgeordnetenhauses und des Reichstags noch zu Beginn der 1890er Jahre über die Petitionen der Frauen unter Gelächter zur Tagesordnung übergehen, spürten sie nun, dass der Spuk nicht mehr von allein verschwinden würde. Bereits 1895 gehörten dem BDF 65 Vereine an, nach der Jahrhundertwende stieg der Organisationsgrad exponentiell: Waren es 1901 noch 136 Vereine mit 70.000 Mitgliedern, assoziierten sich ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg 2.200 Vereine mit etwa 500.000 Mitgliedern im Dachverband.102 Im Verein Frauenbildungs-Reform kam es zu anhaltenden Debatten über einen Beitritt zum BDF, bei denen sich die Dominanz von Kettler, die sich gegen einen Beitritt aussprach, auf geradezu undemokratische Weise zeigte: Ihre Dominanz veranlasste zahlreiche Frauenrechtlerinnen, darunter Augspurg, im Zuge der Generalversammlung 1895 dazu, aus dem Verein auszutreten.103 Um in der Frauenbewegung koalitionsfähig zu werden, schien eine konzeptionelle und personelle Neuausrichtung unausweichlich. Zudem gab es Querelen über die Finanzierung des 1896 in Karlsruhe begründeten Mädchengymnasiums. 1897 kam es zur Abwahl der Führungsfigur vom Vereinsvorsitz. Kettler widersetzte sich abermals einer demokratischen Entscheidung durch die Vereinsmitglieder und ließ sich in einer eilig anberaumten außerordentlichen Mitgliederversammlung an ihrem Wohnort Hannover erneut in den Vorstand wählen.104 Im Herbst 1897 konstituierte sich deshalb ein Teil der Mitglieder unter dem Namen Verein Frauenbildung neu. Jetzt konnte sich der überregionale Modellcharakter des Vereins vollständig entfalten und es kam zur Gründung von 24 Abteilungen in verschiedenen Städten des deutschen Kaiserreichs.105
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Vgl. ebd., S. 131. Gerhard (1995), S. 171. Vgl. ebd., S. 170. Vgl. Kinnebrock (2005), S. 185; Schmidbaur (1990), S. 41. Kettler setzte ihre Arbeit im Vorstand des Vereins Frauenbildungs-Reform bis April 1901 fort. Eine umfangreiche Würdigung ihres Lebenswerkes findet sich bei Willich (1960); sowie Bock (1993). Vereinszweige hatte es bereits zuvor etwa in München ab 1891 gegeben. Vgl. Wegner: (1908), S. 96.
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Aufgrund der Konflikte mit Kettler entstand im Februar 1896 in Berlin der Verein für Frauen-Studium unter dem Vorsitz Augspurgs. Unter den Gründerinnen dieser Organisation fanden sich die Pazifistin Emmi „Muschka“ von Witt (1863–1949), die einstige Hofschauspielerin Marie Stritt (1855–1928) sowie die Schriftstellerin Natalie von Milde (1850–1906).106 Im Mai 1898 fusionierte der Verein mit dem Verein Frauenbildung zum Verein Frauenbildung-Frauenstudium (VFbF). Unter dem Vorsitz von Dr. Anna von Doemming wich der Verein vom Prinzip des Vollgymnasiums mit analogem Lehrplan zum Knabengymnasium ab. Mit dieser Abkehr vom einstmaligen Grundprinzip konnte sich Augspurg nicht arrangieren, trat abermals aus und konstituierte den Verein für Frauen-Studium neu.107 Das Publikationsorgan des VFbF war bis 1899 die von Cauer herausgegebene Zeitschrift Die Frauenbewegung, die zwar laut ihrem Editorial allen Richtungen der Frauenbewegungen offenstand, sich jedoch zunehmend zum Organ der Radikalen entwickelte.108 Zu Beginn des Jahres 1900 hatte sich der VFbF samt seiner Ortsgruppen von dem Publikationsorgan gelöst – was als eine Folge der veränderten Vereinsziele erscheint. Stattdessen zählte nun der Berliner Verein für Frauen-Studium (Vf Fs) zu den von der Zeitschrift vertretenen Stimmen. Von Beginn an blieb wegen der politischen Neutralitätsklausel des BDF die sogenannte proletarische Frauenbewegung aus dem Dachverband ausgeschlossen – auch wenn es vor allem im radikalen Flügel befürwortende Stimmen für eine Aufnahme gegeben hat. In der sozialistischen Bewegung rückte die Frauenfrage seit Erscheinen von Bebels Die Frau im Sozialismus stärker ins Bewusstsein. Unter den sozialistischen Frauen fanden sich mit Clara Zetkin (1857–1933), Lily Braun (1865–1916) oder Käthe Duncker (1871–1953) Aktivistinnen, die den blinden Fleck einer männlich dominierten Bewegung, die Lohnarbeit von Frauen lange Zeit als Schmutzkonkurrenz verunglimpfte, eingehender beleuchteten. Im Unterschied zu befreiend-radikalen oder befreiend-liberalen Diskursstrategien problematisierten Sozialistinnen und Sozialisten die Situation von Arbeiterinnen und Arbeitern als ein hierarchisches Machtgefälle und damit einem vertikalen Problem zwischen oben und unten, das sich aus den Klassenverhältnissen ergab. Ihnen musste somit die Situation von bürgerlichen Frauen lediglich als horizontale Problemlage innerhalb der bürgerlichen Klasse erscheinen. Ihre Lösungskonzepte zielten auf die Aufhebung des Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit – die Forderungen bürgerlicher Frauen nach einem Einbezug in bestehende Erwerbsarbeitsstrukturen, 106 Vgl. Milde/Proells/Bauer u. a. (1896); Natalie von Milde wechselte später erneut zum Verein Frauenbildung-Frauenstudium; in der Weimarer Ortsgruppe war sie im Jahr 1900 im Vorstand. Nach ihrem Tod im Jahr 1906 verlieh die Natalie von Milde-Stiftung zinsfreie Darlehen für Studentinnen. Vgl. Stücklen (1916), S. 65. 107 Vgl. Kinnebrock (2005), S. 186–192; Koerner (1997), S. 84. 108 Vgl. Cauer (1895); Anonym (1899q); dass dies bereits zeitgenössisch so wahrgenommen wurde, zeigt die Charakterisierung bei Duboc (1896), S. 99; als „Probelauf “ kann die Zeitschrift Frauenwohl betrachtet werden, die von 1893 bis 1894 für circa ein Jahr erschienen war. Vgl. Briatte (2020), S. 77 f.
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noch dazu auf Ebene standesgemäßer Berufe, war aus dieser Perspektive „gegenrevolutionäre“ Flickschusterei mit „lähmende[m] Einfluß“.109 Zumindest erschien es revolutionär gesinnten Kämpferinnen vom Schlage Zetkins oder Brauns so. Sie sabotierten die Solidarisierungsversuche radikal-bürgerlicher Frauenrechtlerinnen.110 Verglichen mit den Differenzen zwischen gemäßigter und proletarischer Frauenbewegung waren die Unterschiede zum konfessionellen Flügel der Frauenbewegung eher graduell: Die Konfessionellen konstituierten sich in zweifacher Richtung, nämlich 1899 mit Gründung des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes (DEF) sowie 1903 mit dem Katholisch Deutschen Frauenbund.111 Von den Konfessionellen gingen mechanisch-statische Vorstellungen von Mutterschaft aus, die sich von den eher organisch-flüssigen Vorstellungen einer geistigen Mütterlichkeit der Gemäßigten unterscheiden lässt.112 Fünf Jahre nach Gründung des BDF führten 1899 die zentrifugalen Kräfte der verschiedenen diskursiven Strategien zur Gründung des Verbandes fortschrittlicher Frauenvereine (Vf F), zu dessen Organ sich die seit 1895 bestehende Zeitschrift Die Frauenbewegung entwickelte.113 Zahlreiche Frauenwohl-Vereine gliederten sich dem Verband an – wenngleich sie parallel dazu auch im BDF assoziiert blieben. Zudem findet sich im Selbstverständnis des Vf F der Wunsch nach einer vertieften Annäherung an die proletarische Frauenbewegung, die im BDF immer wieder auf Widerstände gestoßen war.114 Mit 23 Vereinen und etwa 1.600 Mitgliedern blieb der Verband der Fortschrittlichen eine radikale Speerspitze, von der allerdings trotz ihrer vergleichsweise kleinen Mitgliederzahl wichtige Impulse ausgingen.115
109 Zetkin (1958 [1928]), S. 210. 110 Briatte kann zeigen, dass entgegen zahlreicher Darstellungen über Brauns Ansichten, diese keineswegs eine Annäherung befürwortete, sondern diese aktiv sabotierte. Vgl. Briatte (2020), S. 236; interessanterweise stellt sich Braun in ihren Memoiren als Befürworterin einer Zusammenarbeit dar. Vgl. Braun (1909), S. 631 f. 111 Vgl. Kerchner (1992), S. 76 f. 112 Die Grenzen weiblichen Wirkens im Kulturleben wurden entweder eng oder weit bestimmt. So gab es eine Auseinandersetzung um das Konzept der Mütterlichkeit zwischen Lange und der konfessionellen Frauenrechtlerin Elisabeth Gnauck-Kühne: Während Lange ein spezifisch-weibliches Kulturvermögen im Sinne gesellschaftlicher Aufgabengebiete organisch aus dem inneren Vermögen von Frauen ableiten wollte, betrachtete Gnauck-Kühne die Rolle von Frauen statisch und von außen durch ihre gesellschaftliche Stellung festgelegt. Vgl. Lange (1899a); Gnauck-Kühne (1904); vgl. auch Kleinau (1996), S. 116. 113 Gründung des Vf F war in den Augen der Fortschrittlichen nötig geworden, weil die Strukturreform des BDF hin zu einem „föderalistischen Modell“ mit zentraler Leitungsfunktion 1898 auf der dritten Generalversammlung des BDF gescheitert war. Vgl. Briatte (2020), S. 146 f. 114 Zum Scheitern dieser Annäherung vgl. ebd., S. 213–238. 115 So gründete sich im personellen Umfeld des Vf F im Jahr 1902 der Deutsche Verein für Frauenstimmrecht, der sich 1904 selbst als ein reichsweiter Verband mit sieben Landesvereinen und 16 Ortsgruppen konstituierte. Die Fortschrittlichen, die im Oktober 1901 im Reichstag eine Tagung veranstalteten, machten so das Frauenstimmrecht zu ihrem politischen Hauptkampffeld, das im gemäßigten Lager aufgrund der noch bis 1908 bestehenden restriktiven Vereinsgesetze gemieden wurde. Vgl. Wegner (1908), S. 35, 71.
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Neben der erwähnten institutionellen Differenzierung zeigt sich das Auseinanderdriften der verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung aufgrund verschiedenartiger Diskursstrategien in nahezu allen Bereichen, denen sich die Aktivistinnen widmeten: Bei der Erwerbsarbeits- und Arbeiterinnenfrage gab es Uneinigkeit darüber, ob jenseits sozialer Fürsorgemaßnahmen auch weitergehende Interessen von Arbeiterinnen zu repräsentieren seien und wie eine Zusammenarbeit mit der sozialistischen Frauenbewegung aussehen könnte.116 In Sachen höherer Mädchenbildung fragte sich, ob bestehende Einrichtungen durch die Angliederung gymnasialer Kurse zu reformieren seien – das Modell Langes –, oder ob es völlig neuer, grundständiger Mädchengymnasien auf Grundlage des Curriculums der Knabengymnasien nach dem Karlsruher Modell Kettlers bedürfe.117 Bei der Frage nach verschiedenartigen Lehrplänen für Jungen und Mädchen sowie der nach dem Pro und Contra der Koedukation zeigte sich die Kluft zwischen differenzfeministischen und egalitären Deutungsmustern.118 Auch bezüglich des Frauenstudiums unterschieden sich die Bestrebungen der verschiedenen Flügel: Während die einen die Zulassung in allen Bereichen forderten, versuchten die anderen, durch ihre Forderungen nach Ärztinnen und Lehrerinnen zunächst eine Zulassung zu den medizinischen und philosophischen Fakultäten zu erreichen. Am deutlichsten unterschieden sich die Einstellungen bei Themen, die in ihrem Kern auf politische Rechte zielten: Obwohl der ADF unter Hinweis auf Frauenrechte bereits 1877 versucht hatte, die Kommission zur Erstellung eines reichsweiten BGB zu beeinflussen, hatte der Widerstand gegen die endgültige Verabschiedung des BGB-Entwurfs im Jahr 1896 seinen Ursprung aufseiten befreiend-radikaler Diskursstrategien. So verwundert es nicht, dass der Widerstand auf institutioneller Ebene ausging von den Vereinen Frauenwohl, dem Rechtsschutzverein für Frauen in Dresden sowie der Rechtskommission des BDF, die durch Stritt unter einem radikalen Einfluss stand.119 Gänzlich an Sagbarkeitsgrenzen stießen die nach der Jahrhundertwende stärker werdenden Bestrebungen, die auf eine Sexualreform zielten: freie Ehe oder freie Liebe, die Abschaffung der Paragrafen 218 und 175, die Abtreibung und männliche Homosexualität unter Strafe stellten, waren aufgrund religiöser Vorbehalte nicht mehrheitsfähig.120 Helene Stöckers (1869–1943) Bund für Mutterschutz und Sexualreform blieb bei seiner Gründung 1905 die Auf116
Die Spannungen bezüglich eines Zusammenwirkens mit der Arbeiterinnenbewegung lassen sich aufgrund der Berichte zur Generalversammlung des BDF erahnen. Vgl. u. a. Cauer (1900), S. 155. 117 Vgl. Albisetti (2007), S. 233 f. 118 Zur Koedukationsbewegung vgl. u. a. Ohr (1909), S. 22. 119 Vgl. Zahn-Harnack (1928), S. 38; Gerhard (1995), S. 229; Stritt übernahm 1899 sogar den Vorsitz des BDF und fungierte fortan als eine Vermittlerin von radikalen Ideen. Vgl. Briatte (2020), S. 250–255; Evans (1976), S. 49. Weitaus schwieriger als die Organisation eines Frauenlandsturmes gegen das BGB war eine gemeinsame Mobilisierung in der Stimmrechtsfrage: Konservative und teilweise auch gemäßigte Stimmen beschränkten sich anfangs auf ein passives Dreiklassenwahlrecht für Frauen nach preußischem Vorbild, während radikale Positionen ein aktives und gleiches Wahlrecht für Frauen forderten. Vgl. Cauer (1913), S. 29; Greven-Aschoff (1981), S. 132–141. 120 Vgl. Gerhard (1995), S. 265–275.
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nahme in den BDF verwehrt, der nach 1908 durch den Beitritt des DEF unter Einfluss konfessioneller Kräften geriet.121 Das Thema Pazifismus sprengte mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs schließlich selbst die Reihen der Radikalen:122 Während Frauen wie Heymann und Augspurg auch während des Krieges den Kontakt mit Gleichgesinnten im Ausland nicht abreißen ließen, zog es einstmals fortschrittliche Mitkämpferinnen wie die lange Zeit von Paris aus agitierende Romanistin Schirmacher zur völkisch-antisemitischen Bewegung, die bereit war, „Deutschland über alles“ zu stellen.123 Aufgrund institutioneller und diskursiver Verflechtungen zwischen den Flügeln wäre es unreflektiert, die von den Zeitgenossinnen zur eigenen Profilschärfung geprägten Quellenbegriffe radikal und gemäßigt ohne Einschränkungen zu übernehmen und auf eine eigene Analyse und kritischen Überprüfung zu verzichten.124 Lange selbst deutete die Differenzen der verschiedenen Richtungen lediglich als oberflächliche Verschiedenheit bei der Wahl von Mitteln und Wegen, während an den gemeinsamen Zielen kaum Zweifel bestünden.125 In ihrer diskursanalytischen Studie zur politischen Strategie der Frauenbewegung betont Wobbe zudem die gemeinsame Ausgangsbasis beider Flügel.126 Doch lassen sich wie oben angedeutet durchaus Differenzen in den diskursiven Strategien sowie auf institutioneller Ebene ausfindig machen. So waren auf den Generalversammlungen des BDF die Lager in Nachahmung parlamentarischer Gepflogenheiten durch die Sitzordnung symbolisch voneinander getrennt:127 Die ältere Richtung saß rechts vom Vorstandstisch, die Radikalen der jüngeren Richtung, die sich zudem als Opposition verstanden, fanden sich auf der linken Seite.128 Es ist dennoch ratsam, die Flügelkämpfe nicht entlang institutioneller Grenzen zu hypostasieren, sondern auf diskursiver Ebene nach den Spielräumen des Sagbaren zu suchen. Der BDF blieb lange Zeit eine Diskursarena, die heterogene Stimmen und „wechselnde Koalitionen“ zuließ:129 Es gab keine undurchlässigen Grenzen zwischen den verschiedenen Positionen.130 Nachdem die Fortschrittlichen mit dem Vf F ihren eigenen Verband gegründet hatten, konnten sie ihre im eigenen Kreis entwickelten Ideen und Strategien 121 122 123
Vgl. Briatte (2020), S. 194–200. Vgl. Wurms (1998), S. 62–65. Schirmacher (1916); Schirmacher begann bereits 1904 unter dem Einfluss des Präfekten Henri Chastenet anti-liberale und völkisch-rassistische Positionen zu beziehen, die sie zunehmend vom radikalen Flügel der Frauenbewegung entfremdeten. Vgl. Walzer (1991), S. 55–77. Laut Schirmachers durch zahlreiche antisemitische Entgleisungen geprägten Autobiografie vollzog sich zwischen 1900 und 1906 ihre „Wetter- und Sonnenwende“, die sie „nach rechts“ warf. Vgl. Schirmacher (1921), S. 37. Zur politischen Aktivität Schirmachers vgl. die umfangreiche Biografie von Gehmacher/Heinrich/ Oesch (2018). Allgemein zu Frauen in der völkischen Bewegung vgl. Puschner (2005). 124 Vgl. Schaser/Schraut (2019), S. 9, 15; Paletschek (1993), S. 554; Briatte (2020), S. 29. 125 Bäumer/Lange (1901), S. 157. 126 Vgl. Wobbe (1989), S. 102. 127 Mit seinen Organen war der BDF eine Nachahmung des Staates im Kleinen. Vgl. Briatte (2020), S. 314. 128 Vgl. Cauer (1900), S. 153; vgl. auch Lange (1922), S. 223 f. 129 Schaser (2019), S. 192. 130 Vgl. Briatte (2020), S. 23, 25.
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sehr erfolgreich über die zugleich im BDF vertretenen Vereine dort einbringen, zudem verzichteten sie immer mehr auf den Gestus der Fundamentalopposition und verwendeten anstelle des Adjektivs radikal nun den im politischen Raum etablierten Begriff fortschrittlich.131 Erst nach Beitritt des konservativen DEF 1908 scheint sich der Sagbarkeitsraum deutlich verengt zu haben, was zu einer Stärkung bewahrend-konservativer Strategien und dem Hinausdrängen radikaler Positionen führte.132 Die Machtpotenziale der Frauenbildungsbewegung im untersuchten Diskursfeld Nachdem im vorigen Abschnitt das institutionelle Feld der Frauenbewegung dargestellt worden ist, stellt sich nun die Frage nach den von dort ausgehenden Machtpotenzialen. Der institutionelle Einfluss der Frauenbewegung lässt sich dabei auf zwei verschiedenen Wegen feststellen: über die Vereinszugehörigkeit und über die Publikationsmedien, die von den Aktivistinnen genutzt wurden. Daneben stellt sich die Frage nach sozialräumlichen Merkmalen (Sprechorte, Bildungshintergrund, soziale Herkunft) und ihrem Einfluss auf die Legitimation der Aktivistinnen als Sprechende.
Abb. 3: Anteil der Frauenbewegungsschriften am Gesamtkorpus
131 132
Vgl. Ebd., S. 180, 239, 243. Vgl. Greven-Aschoff (1981), S. 105 f; Baumann (1992), S. 19; Karl (2011), S. 90 f.
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Bei einem Vergleich der Frequenz von Schriften aus dem institutionellen Umfeld der Frauenbewegungen mit der Gesamtheit des konkreten Korpus fällt Folgendes auf: Eine deutlich erkennbare Agitation der Frauenbewegung setzte außerhalb der eigenen Bewegungsöffentlichkeit erst 1888 im Zuge der oben genannten Petitionskampagne ein. Im Jahr 1894 erfuhr diese Agitation eine Steigerung und erreichte 1899 ihren publizistischen Höhepunkt. Nach 1900 nahm zwar die Gesamtzahl von Publikationen zur akademischen Frauenbildungsfrage im konkreten Korpus ab, doch stammte nun ein Großteil der weiterhin publizierten Beiträge von Vertreterinnen der Frauenbewegung. Zudem lässt sich an der Grafik (Abb. 3) ablesen, wie viele Publikationen in Periodika erschienen, die nicht zur Bewegungsöffentlichkeit zählten: Dabei wird deutlich, dass die publizistischen Aktivitäten der Frauen zwischen 1888 und 1901 ihre größte Wirkung in der breiteren Öffentlichkeit entfalteten. Wie zu erwarten war, fallen die Einstellungsmuster im Hinblick auf das Frauenstudium im publizistischen Umfeld der Frauenbewegung homogen aus. Lediglich zwei bedingt ablehnende Einstellungen gehen auf unkommentierte Abdrucke einer Rede Waldeyers sowie einer Rezension von Victor Cherbuliez (1829–1899), veröffentlicht unter dem Pseudonym G. Valbert, zurück.133 Einige bedingt befürwortende Stellungnahmen ergeben sich aus einschränkenden Kompromissen wie einer partiellen Öffnung der medizinischen oder philosophischen Fakultäten. Derlei Beschränkungen schwächten sich im Verlauf der 1890er Jahre ab und finden sich nach 1900 nur noch in vereinzelten Stellungnahmen – auch dies ist wenig überraschend, da sich zwischen 1900 und 1909 schrittweise die Zulassung von Studentinnen in den Einzelstaaten ohne größere Einschränkungen vollzog. Die weitere Analyse bewegt sich auf Ebene der sozialen Akteure und Akteurinnen, um Verzerrungen durch Doppelautorschaft zu vermeiden. Auf diese Weise lassen sich den 185 untersuchten Schriften aus dem Umfeld der Frauenbewegung 104 verschiedene Personen zuordnen. Bei 80 Prozent von diesen handelt es sich um Autorinnen, 20 Prozent der Beiträge stammen von Autoren. Unter den Sprechorten (Abb. 4) der sozialen Akteurinnen und Akteure befinden sich mit Wien, München und Leipzig alle wichtigen Zentren der deutschsprachigen Frauenbewegung. Berlin lässt sich im Diskursfeld der akademischen Frauenbildungsfrage als Bewegungshauptstadt im deutschen Sprachraum bezeichnen.134 Für die weitere Analyse werden lediglich die Frauen unter den sozialen Akteurinnen und Akteuren näher betrachtet, da die wenigen Männer aufgrund ihrer Eingebunden-
133 134
Anonym, L. G. (1888); Anonym (1897c). Unter Sonstige fallen in der Grafik alle Orte, in denen weniger als drei publizistisch aktive soziale Akteurinnen und Akteure im untersuchten Feld ansässig waren; darunter befinden sich für die Frauenbewegung bedeutsame Städte wie Heidelberg, Göttingen, Dresden, Hamburg, Tübingen, Halle und Weimar.
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heit in andere institutionalisierte Felder, vor allem die Universität, die Datenauswertung zum Bildungsstand und zur sozialen Herkunft verzerren würden.135
Abb. 4: Sprechorte nach Städten (konkretes Korpus: soziale Akteurinnen/Akteure der Frauenbewegung; n=89)
Bei 36 sozialen Akteurinnen ist eine institutionelle Zugehörigkeit in einem Verein oder Verband der Frauenbewegung nachweisbar. Knapp die Hälfte von ihnen waren über die Mitgliedschaft in anderen Vereine wie erwartet Mitglieder im überregionalen BDF (10) bzw. im ADF (6). Des Weiteren waren je vier im ADLV bzw. im VFbF organisiert. Zwei Frauen waren Mitglied des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins (AÖF). Im Umkreis fortschrittlich ausgerichteter Organisationen bewegten sich vier Autorinnen im VFR und drei im Berliner Frauenwohl-Verein. Überschneidungen ergeben sich vor allem zum BDF, da dort ein breites Spektrum aus Vereinen vertreten war. Bei den übrigen sozialen Akteurinnen war die Mitarbeit in einem regionalen Frauenverein wie dem Münchner Frauenheim, Breslauer Frauenbildungsverein, Rostocker Frauenverein oder Berliner Kindergartenverein nachweisbar. Wegen der Lückenhaftigkeit biografischer Informationen lassen sich kaum Aussagen über den tatsächlichen Einfluss der genannten Organisationen auf die Machtpotenziale innerhalb des Diskursfeldes treffen. Lediglich die mehrfach vorkommenden Organisationen deuten auf deren Einfluss hin, was das Erkenntnisinteresse im weiteren Verlauf der Untersuchung in diese Richtungen fokussiert. Ein unerwarteter Befund ergibt sich hinsichtlich des Bildungsstands der Aktivistinnen. Dieser zeichnet sich durch einen hohen Anteil von Akademikerinnen aus. Zwar 135
Das Datenmaterial reduziert sich zudem aufgrund des Umstandes, dass sich für lediglich 56 der 77 Frauen biografische Daten ermitteln ließen – 26 Prozent der Fälle sind damit für die weitere Untersuchung unzugänglich, wodurch sich Rückschlüsse auf die Fehleranfälligkeit der Analyse ergeben.
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Abb. 5: Bildungsstand der Frauenbewegungsakteurinnen (konkretes Korpus: soziale Akteurinnen der Frauenbewegung; n=52)
ist bekannt, dass viele Aktivistinnen der Frauenbewegung ihre Bildungsabschlüsse im Ausland erwarben, doch dürfte der Anteil von 36,5 Prozent promovierter Frauen innerhalb des Diskursfeldes zur akademischen Frauenbildung noch über dem zu erwartenden Durchschnittsmaß liegen. Hinzu kommen 7,7 Prozent mit einem universitären Bildungsabschluss sowie weitere 17,3 Prozent, die entweder noch an Universitäten studierten oder eine Universität ohne Abschluss besucht hatten. Das ergibt einen Akademikerinnenanteil unter den der Frauenbewegung zuzurechnenden Sprecherinnen von über 60 Prozent. Dieser Anteil verringert sich auch bei ausschließlicher Betrachtung der vor 1850 geborenen Frauen kaum, nämlich auf etwa 55 Prozent – allerdings finden sich unter der älteren Generation lediglich 15 Prozent promovierte Frauen, während bei den nach 1850 geborenen Frauen der Promoviertenanteil auf 52 Prozent ansteigt. Die beiden Altersgruppen unterscheiden sich zudem im Anteil von Abschlüssen, die auf eine einjährige Lehrerinnenseminarbildung zurückgehen: Sind es bei den vor 1850 Geborenen 20 Prozent, reduziert sich dieser Anteil bei den nach 1850 Geborenen auf circa 13 Prozent. Jüngere Vertreterinnen nutzten offenbar die ihnen gebotenen Chancen zu höheren Bildungswegen. Von den Akademikerinnen studierten 40 Prozent in Zürich. Nach der Zulassung von Gasthörerinnen und später Studentinnen finden sich zudem Berlin, Wien, München und Leipzig als beliebte Studienorte. Im direkten Zusammenhang mit dem Bildungsstand stehen die Berufe: Die gewichtigsten Anteile entfallen dabei mit jeweils 30 Prozent auf die Gruppe der Schriftstellerinnen, Publizistinnen und Redakteurinnen sowie auf die Lehrerinnen; hier ist allerdings zwischen den neun Lehrerinnen mit Seminarbildung auf Volksschulniveau und den acht studierten Oberlehrerinnen zu unterscheiden. Ärztinnen sind mit 23 Prozent ebenfalls stark vertreten. Dabei handelt es sich um 13 Medizinerinnen, die sich zwischen 1870
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und 1907 äußerten und unter denen drei Studentinnen, acht medizinische Doktorinnen sowie zwei Frauen mit einem medizinischen Staatsexamen waren. Zur sozialen Herkunft ließen sich lediglich in 37 Fällen Daten ermitteln. Dabei zeigt sich ein aus dem universitären Feld bekanntes Muster: Die Mehrheit von 55 Prozent stammte aus einem bildungsbürgerlichen Umfeld; dem standen 30 Prozent Frauen aus besitzbürgerlichen Familien gegenüber. Lediglich zehn Prozent stammten aus adeligen Familien. Mit nur fünf Prozent waren Frauen vertreten, deren Väter die Stellung eines unteren Beamten oder Angestellten innehatten. Aus Handwerker-, Bauern- oder gar Arbeiterfamilien stammte keine der untersuchten Autorinnen, von denen biografische Informationen vorliegen. Zu religiösen Herkunftsmilieus lassen sich aufgrund der wenigen biografischen Daten keine verlässlichen Aussagen treffen. Innerhalb des überschaubaren Datenmaterials sind jedoch Frauen aus jüdischen Familien überproportional vertreten – ein Befund, der bereits aus Untersuchungen zur ersten Studentinnengeneration bekannt ist. Die Altersstruktur weist den höchsten Anteil bei den Frauen im Alter von 30 bis 50 auf. Über 50-jährige Frauen finden sich im Diskursfeld häufiger vertreten als Aktivistinnen unter dem 30. Lebensjahr. Dies lässt zwar nicht generell auf ein hohes Eintrittsalter in das institutionalisierte Feld der Frauenbewegung schließen, doch zumindest zeigt dieser Befund, welches Alter eine Sprecherin der Bewegung durchschnittlich besaß.136
Abb. 6: Alter zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (konkretes Korpus: soziale Akteurinnen der Frauenbewegung; n=56
136
Das Alter hing klar mit der Sprechposition zusammen, dies zeigt sich am Beispiel der Teilnahme Augspurgs auf einer BDF Generalversammlung, auf der ihr mit 38 Jahren in einer Diskussion „signalisiert wurde, dass sie zu jung sei“. Briatte (2020), S. 144.
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Zudem zeigt sich kein wesentlicher Unterschied im Alter von Autorinnen, die entweder dem älteren oder dem jüngeren Flügel der Bewegung angehörten, d. h. für ein eher gemäßigt oder radikal geltendes Medium schrieben oder in einem entsprechenden Verein Mitglied waren. Lediglich bei den über 60-Jährigen finden sich im gemäßigten Flügel mehr Frauen als unter den Fortschrittlichen. Dieser Befund zeigt, dass die Rede von einem älteren und einem jüngeren Flügel eher in Richtung der Diskursinhalte sowie auf das Alter der entsprechenden Organisationen zielt als auf das Alter der beteiligten Aktivistinnen.137 Die öffentlich-mediale Repräsentation der Bewegung Vermittelt über die Publikationsmedien lässt sich indirekt eine Aussage über den Anteil der verschiedenen Zweige der bürgerlichen Frauenbewegung treffen, in denen das Frauenstudium verhandelt wurde. Denn die einzelnen Periodika waren zumeist Publikationsorgane bestimmter Vereine und damit auch eines Zweiges der Bewegung. Dabei ergibt sich ein überraschend ausgewogenes Bild: Etwa die Hälfte der Beiträge stammt aus Periodika, die sich als eher gemäßigt klassifizieren lassen; die andere Hälfte ging von Beiträgen des radikalen Flügels aus. Diese Verteilung zeigt sich bereits beim Blick auf die beiden beitragsstärksten Periodika: Die Frau und Die Frauenbewegung.138 Obwohl Die Frau den Anspruch zur Vertretung der gesamten Frauenbewegung erhob und nicht das Organ eines einzelnen Vereins war, lässt sich das Periodikum dennoch dem gemäßigten Flügel zuordnen: Die Herausgeberin Lange war ebenso wie Gertrud Bäumer (1873–1954), die ab 1916 als Mitherausgeberin auftrat, eine der maßgeblichen Akteurinnen im ADF, im ADLV und im BDF. Beide Frauen vertraten befreiend-liberale Diskursstrategien und grenzten sich deutlich von befreiend-radikalen Strategien ab. Der Anspruch zur Vertretung der ganzen Frauenbewegung war der semantische Versuch, eine negative Integration der Bewegung zu etablieren, in der radikale Positionen kaum
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Gerhard hat das Durchschnittsalter von Aktivistinnen der ersten Frauenbewegung berechnet und kommt zum gleichen Schluss. Vgl. Gerhard (2004), S. 113. Wie erklärt sich das Übergewicht der beiden Zeitschriften? Zunächst ist festzuhalten, dass auch andere Periodika über Rubriken zum Frauenstudium oder höhere Frauenbildung verfügten und ihre Leserinnenschaft mit Kurznotizen zum Fortgang der akademischen Frauenbildungsfrage versorgten. Da jedoch lediglich umfangreichere Artikel in das konkrete Korpus einbezogen worden sind, kommen diese Notizen in der Auswertung nicht vor. Eventuell ist das Übergewicht der beiden Periodika zudem auf die genutzten Datenbanken zur Erstellung des konkreten Korpus zurückzuführen. Sowohl für die Einschätzung der Machtpotenziale als auch für eine Auswertung der Wissensebene dürften sich dadurch jedoch kaum Verzerrungen ergeben, da beide Periodika zusammen in institutioneller und inhaltlicher Hinsicht das Spektrum der bürgerlichen deutschen Frauenbewegung abdeckten. Zudem wurde das Korpus im Verlauf der Quellenauswertung um weitere in den Quellen genannte Schriften ergänzt.
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mehr vorkommen sollten.139 Wie Christina Stange-Fayos in ihrer Studie zu Diskurs und Rhetorik der Zeitschrift konstatiert, zeichneten sich beide Herausgeberinnen eher durch eine Behinderung von „Meinungsvielfalt und Meinungsbildung“ aus als durch eine Integration aller im Rahmen der Frauenbewegung vertretenen Diskursstrategien.140 Tatsächlich gehen von den 35 untersuchten Beiträgen in der Frau allein acht auf Lange und zwei auf Bäumer zurück. Aufgrund der negativen Integrationstechniken innerhalb dieser Zeitschrift überrascht es kaum, dass sich nur zwei Jahre nach deren erstmaligem Erscheinen 1893 mit der Frauenbewegung 1895 ein weiteres Periodikum etablierte, deren Herausgeberin Cauer für ihre Zeitschrift ebenfalls beanspruchte, das Sprachrohr der ganzen Bewegung zu sein. Insgesamt besaß Lange mit 14 Beiträgen zur Frage des Frauenstudiums die größte mediale Strahlkraft im Diskursfeld. Erst mit erheblichem Abstand folgt ihr die befreiend-radikalen Diskursstrategien zugeneigte Schirmacher mit fünf Beiträgen sowie die Journalistin Eliza Ichenhäuser (1869–1932) mit ebenfalls fünf. Mit je vier Beiträgen erwiesen sich die Stuttgarter Schriftstellerin Sidonie Binder (1842–1918) und Cauer ähnlich engagiert in der Frage, während Mathilde Weber, Bäumer und Louise Büchner (1821–1877) je drei Publikationen verfassten. Die größte mediale Resonanz erzielten Lange und Weber mit ihren Broschüren. Unter den an die akademische Öffentlichkeit adressierten Periodika finden sich sieben Beiträge. Die Artikel in der bildungsreformerischen Allgemeinen Deutschen Universitätszeitung bewegen sich in einem überwiegend befürwortenden Einstellungsbereich. Mit Troll-Borostyáni veröffentlichte dort sogar eine Vertreterin befreiend-radikaler Diskursstrategien. Einen weiteren Artikel aus diesem diskursiven Umfeld verfasste Cauer für die Akademische Rundschau, die den Bestrebungen der Freistudentenschaft nahestand und dem Frauenstudium ebenfalls positiv zugeneigt war. Für medizinische Fachzeitschriften publizierten mit Ausnahme der österreichischen Frauenrechtlerinnen Auguste Fickert (1855–1910) und Rosa Mayreder (1858–1938) ausschließlich Ärztinnen. Im Feld der evangelisch-sozialen Reformbestrebungen publizierten zwei Autorinnen. Hierzu muss erwähnt werden, dass sich dieses Feld in den liberalen EvangelischSozialen Kongress (ESK) und in die konservative Freie Kirchlich-Soziale Konferenz (FKSK) differenzierte. Als Grund für die Trennung spielte neben der Kontroverse um die Theologie Albrecht Ritschls auch die Stellung von Frauen in der christlich-sozialen Reformbewegung eine Rolle.141 Ein Vortrag auf dem ESK von Käthe Windscheid
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„Insbesondere Helene Lange, Gertrud Bäumer und ihre Schülerinnen erwiesen sich als äußerst wirksame Autorinnen in der Frage der Inklusion oder Exklusion unterschiedlicher Richtungen der Frauenbewegung.“ Schaser/Schraut (2019), S. 15; Schaser spricht von einem exklusiven Kartell, dass dazu beitrug, „das Bild einer monolithischen Frauenbewegung zu konstruieren“. Schaser (2019), S. 176. 140 Vgl. Stange-Fayos (2014), S. 91. 141 Vgl. Ueberschär (2005); zur „Frauenfrage“ im ESK und FKSK vgl. Kampmann (2018), S. 113–236.
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(1859–1943) findet sich als Abdruck in Die christliche Welt;142 während in den Heften der FKSK ein Essay der Frauenrechtlerin Marie Martin (1856–1926) zum Abdruck kam.143 Neben den als bewegungsinterne Kommunikationsmedien einzustufenden Periodika lassen sich auch Publikationen von Vertreterinnen der Frauenbewegung ausfindig machen, die auf eine „komplexe Öffentlichkeit“ zielten.144 Diese sind bedeutsam für die Einschätzung der Reichweite der von der Frauenbewegung ausstrahlenden Diskurse. Etwa 21 Prozent aller untersuchten 185 Beiträge aus dem Umfeld der Frauenbewegung zielten auf eine breitere Öffentlichkeit. Hierbei handelt es sich um selbstständige Publikationen, Beiträge in überregionalen Tageszeitungen und meinungsbildenden Kulturzeitschriften sowie in Illustrierten. Unter den erstgenannten selbstständigen Veröffentlichungen befinden sich 13 Essays, drei Erfahrungsberichte und sechs Publikationen, die auf Vorträge zurückgehen. Zu den Autorinnen dieser 23 selbstständigen Veröffentlichungen gehören sechs Ärztinnen. Publikationen aus dem institutionellen Feld der deutschen Frauenbewegung (n=185) Universitäts- und Wissenschaftsöffentlichkeit Akademische Öffentlichkeit (n=7) – Akademische Revue (1) [Frost 1897] – Akademische Rundschau (1) [Cauer 1896] – Allgemeine Deutsche Universitätszeitung (4) [Weber 1892, Hein 1898, Troll-Borostyani 1900, Küstermann 1901] – Factotum (1) [Levetus 1898]
142 Windscheid (1899). 143 Martin (1901). 144 Kinnebrock (2007), S. 34.
Fachzeitschriften (=5) – Deutsche Medicinische Wochenschrift (2) [Bluhm 1895, Bridges Adams 1896] – Wiener klinische Rundschau (1) [Fickert 1899] – Archiv für Augenheilkunde (1) [Fischer-Dückelmann 1899] – Wiener klinische Rundschau (1) [Mayreder 1900]
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Publikationen aus dem institutionellen Feld der deutschen Frauenbewegung (n=185) komplexe Öffentlichkeit Bewegungsöffentlichkeit (Frauenbewegung) Kulturzeitschriften (n=12) selbstständ. Publikationen Frauenbewegungsschriften (n=23) (n=135)145 – Die Frau (35) – Dohm 1874 – Der Türmer (gemäßigt; hrsg. v. Helene (Wedekind & Schwieger) (nationalkonservativ) Lange) – Morgenstern 1888 [Stelzner 1899] – Die Frauenbewegung (33) (Verl. d. Deut. Haus– Deutsche Warte (radikal; hrsg. v. Minna Cauer) frauen-Zeitung) (deutsch-national) – Deutsche Hausfrauen Zeitung – Weber 1888 (2) [Wegner-Zell 1891] (8) (W. Kohlhammer, Fues) – Der Basar (hrsg. v. Lina Morgenstern) – Kerschbaumer 1889 (illustriert, unterhaltend) (Ver. f. erweit. Frauenbil- – Frauenberuf (7) [Gundling 1871] – Frauen-Rundschau (6) dung Wien) – Die Gartenlaube (hrsg. v. Ella Mensch) (illustr., unterhaltend; Aufl. – Lange 1889 – Die Frau der Gegenwart (5) (L. Oehmigkes Verlag) 300.000) (hrsg. v. Marie Wegner) – Bluhm 1890 [Lange 1895] – Dokumente der Frauen (Hopfer, Wien) – Die christliche Welt (Wien) (5) – Gnauck-Kühne 1891 (kulturprotestantisch; (radikal; hrsg. v. Auguste (Schulzsche Hof-BuchAufl. 5.100) Fickert) druckerei) [Windscheid 1899] – Neue Bahnen (5) – Kattner 1891 – Die Kritik (2) (gemäßigt; Organ d. ADF) (Fues) (bildungsbürgerlich; Aufl. – Der Frauenberuf (4) – Kettler 1891 5.000) (radikal; hrsg. v. Hedwig (Weimarer Verlagsan[Ichenhäuser 1895, 1897] Kettler) stalt) – Neue deutsche Rund– Der Frauenanwalt (4) – Binder 1892 schau (gemäßigt; hrsg. v. Jenny (G. J. Göschen’sche Ver(bildungsbürgerlich; Aufl. Hirsch) lagsbuchh.) 2.100) – Centralblatt des BDF (3) – Oelsner 1894 [Schirmacher 1895] – Jahresberichte d. Vereins f. er(Max Lemke) – Die Nation weiterte Frauenbildung Wien – Schubert-Feder 1894 (linksliberal) (3) (G. Reimer) [Lange 1896] – Die Lehrerin in Schule u. – Kuhnow 1896 – Hochland Haus (3) (Hermann Haacke) [Dransfeld 1911] (Organ d. ADLV) – Neue Revue – Frauenbildung (3) [Kerschbaumer 1895] (hrsg. v. Jacob Wychgram) – Der sozialistische Akademiker [Schirmacher 1896]
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In den Neuen Bahnen wurde das Thema weibliche Ärzte und Frauenstudium bereits seit 1867 bzw. 1870 thematisiert. Meist geschah dies innerhalb der Rubrik Blicke in die Runde. Da Kurzbeiträge ohne eigenen Titel nicht in die Bibliografie aufgenommen worden sind, finden sich in der Tabelle lediglich fünf Beiträge in den Neuen Bahnen, die als eigenständige Artikel veröffentlicht worden sind.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Publikationen aus dem institutionellen Feld der deutschen Frauenbewegung (n=185) komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=12) Tageszeitungen (n=3) – Allgemeine Zeitung Augsburg (nationalliberal) [Gundling 1872] – Frankfurter Zeitung (linksliberal; Aufl. 20.000) [Ichenhäuser 1899] – Neue Freie Presse [Hafferl-Bernatzik 1916]
Bewegungsöffentlichkeit (Frauenbewegung)
selbstständ. Publikationen (n=23) – Schirmacher 1896 (Th. Schröter) – Ichenhäuser 1897 (Walther) – Bistram 1899 (S. Lucas) – Braunmühl 1899 (Kgl. Hof- u. Buchdruckerei K. u. L.) – Krukenberg 1903 (Ernst Fische) – Heine 1906 (Friedrich Rothbarth) – Ohr 1909 (Nationalverein) – Bäumer 1911 (Deuticke) – Lehmann 1914 (Koch)
Frauenbewegungsschriften (n=135)145 – Der Bund (2) (Zentralbl. d. BöF) – Neues Frauenleben (2) (radikal; hrsg. v. Auguste Fickert) – Für edle Frauen (hrsg. v. Adolf Hinrichsen) – Die Frauenbestrebungen unserer Zeit – Neues Frauenblatt – Schweizer Frauenheim – Schweizer Frauenzeitung – Hillgers Illustriertes FrauenJahrbuch – Jahrbuch für die Deutsche Frauenwel
Aus der Untersuchung des Feldes der deutschsprachigen Frauenbewegung ergeben sich die folgenden Befunde, die für die weitere Untersuchung bedeutsam sind: Es zeigte sich ein überdurchschnittlich hoher Bildungsgrad der Aktivistinnen, der zudem in vielen Fällen mit Auslandserfahrung einhergeht. Die Frauen hatten somit zweierlei bewiesen: Sie waren befähigt zu dem, was sie forderten, und sie brachten durch ihre Studienerfahrungen an ausländischen Universitäten zudem das Wissen mit, wie diese Forderungen institutionell umzusetzen waren. Auf Grundlage der Befunde zu den Sprechorten lässt sich konstatierten, dass die Machtpotenziale im Diskursfeld von den großstädtischen Zentren der Frauenbewegung ausgingen, die in Wien, München, Leipzig sowie in der Bewegungshauptstadt Berlin lagen.146 Es finden sich kaum Beiträge, die sich institutionell auf regionale Orts- oder Zweigvereine zurückführen lassen – obwohl die neuere Frauenbewegungsforschung die Bedeutung vor allem des süddeutschen Raums unterstreicht.147 Dies könnte auf eine Arbeitsteilung innerhalb der Bewegung hindeuten, die differenzierte zwischen den Initiativen vor Ort, deren Aufgabe in einer Beeinflussung regionaler Institutionen und
146 Zu Berlin als „Experimentierfeld“ und „Schrittmacher der Frauenemanzipation“ vgl. Schaser (2010). 147 Vgl. Schraut (2019), S. 205–207.
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
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Akteure bestand, sowie den publizistischen Initiativen in den genannten Zentren, die von dort aus auf eine breitere Öffentlichkeit einwirkten. Zudem zeigt sich ein hoher Anteil des radikalen Flügels im Diskursfeld. Dieser Flügel war, was die Anzahl der Vereine und deren Mitglieder anbelangt, viel dünner aufgestellt als der größere gemäßigte Flügel. Doch durch das Vorhandensein eigener Publikationsorgane sowie eine forcierte Agitation ließ sich der Einfluss auf das Diskursfeld verstärken. Vor allem Aktivistinnen, die innerhalb der Frauenbewegungshierarchie auf einer hohen Stufe standen und/oder über einen hohen Bildungsstand verfügten, konnten mit selbstständigen Essays oder Beiträgen in großen Kulturzeitschriften auch zur über die Frauenbewegung hinausreichenden breiteren Öffentlichkeit beitragen. Das symbolische Kapital, das eben darin bestand, zum Vorstand eines bekannten Vereins zu gehören oder einen Doktortitel zu besitzen, stellte gewissermaßen die Eintrittskarte zum allgemeinen Diskursfeld. Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Ärztinnen unter den erfassten Autorinnen. In den 1890er Jahren dürften sich nahezu alle im deutschen Kaiserreich tätigen Ärztinnen zur akademischen Frauenbildungsfrage geäußert haben. Offenbar wollten sie den Frauen in ihrer Heimat den Umweg über ausländische Universitäten ersparen. Zudem kämpften sie für eine Öffnung der Universitäten sowie für die Approbation von Ärztinnen, um ihren eigenen prekären Status zu verändern, denn ihre ausländischen Abschlüsse ließen sich aufgrund der ärztlichen Prüfungsordnung nur bedingt nutzen. Ein letzter Befund richtet sich auf die weitere Entwicklung des Diskursfeldes: So scheint die auf die eigene Bewegung gerichtete Publikationstätigkeit von Frauenrechtlerinnen nach 1900 ein Indiz für immanente Kontroversen gewesen zu sein. Eine breitere Öffentlichkeit adressierten kaum mehr Beiträge. Tatsächlich lassen sich in den Debatten um den Vierten Weg, also die Zulassung von Lehrerinnen mit Seminarausbildung zum Studium, das Verhältnis zur freistudentischen Bewegung sowie die Auseinandersetzung über Eliteköpfe oder Ausnahmestudentinnen derartige Kontroversen finden. 3. Akademische Berufsfelder und Freiberufler [Die Frauen] mögen im Hausfrauenberuf noch so thätig und fleißig sein; – dieser Beruf ist nun einmal von allen vorhandenen Berufen der einzige unbesoldete, und so konnten sie es bisher nie aus eigner Kraft dahin bringen, die nötigen Mittel zur Ergreifung eines von ihnen ersehnten Berufes zu beschaffen; […] denn selbst in armen Verhältnissen geborene Männer hatten wenigstens immer die Möglichkeit, sich durch Anstrengung und Fleiß mit der Zeit die nötigen Mittel zu verschaffen, um einen Beruf, zu dem eine innere Neigung sie drängte, ergreifen zu können. Eugenie Hein, 1898148 148 Hein (1898).
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Was es für die Menschen im 19. Jahrhundert bedeutete, einen Beruf auszuüben, lässt sich aufgrund der Fragmentierung und Differenzierung des Erwerbslebens heute schwer nachvollziehen. Das bürgerliche Konzept des Berufs verlor seine traditionelle Legitimationsbasis im Verlauf des 20. Jahrhunderts weitgehend – die Sinnstiftung menschlichen Handels rückte dabei zunehmend ins Private.149 Gleichzeitig vollzog sich etwas, das sich in Anlehnung an Marx’ Ökonomisch-philosophische Manuskripte als „Entfremdung“ bezeichnen lässt.150 An die Stelle des Berufs rückte der Job. In einer Gesellschaft der Jobholder wird die innere Neigung oder Berufung infolge der Austauschbarkeit des Individuums im Arbeitsprozess obsolet. Der Jobholder ist gerade kein Berufener, dessen Tätigkeit einem inneren Zweck folgt, der darin besteht, seine Arbeit als Pflichtschuld zum Wohle der Menschen zu geben; vielmehr ist er selbst ein Mittel und folgerichtig muss er sich anschicken, die auf dem Markt der modernen Erwerbsgesellschaft generierte Arbeit zu nehmen – er wird folglich zum Arbeitnehmer.151 Diese von Hannah Arendt beschriebene Zweck-Mittel-Umkehr gilt es zu berücksichtigen, um das Konzept des Berufs, wie es im bildungsbürgerlichen Denken des 19. Jahrhunderts vorherrschte, verstehen zu können. Innere Neigung als Zweck der Berufsidee war in der protestantisch geprägten Vorstellungswelt etwas Sakrales, das seinen Ursprung nicht in der materiellen Welt, sondern im Willen Gottes hatte.152 Im von Johann Heinrich Zedler (1706–1751) verfassten Universal-Lexicon aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lassen sich derlei religiöse Ursprünge im traditionellen Berufsverständnis nachvollziehen; dort heißt es: […] einen zu etwas beruffen, heist nichts anders, als einen zu etwas bestimmen, oder ihn zu etwas besondern verpflichten. Der Beruff ist also eine Pflicht, nach der wir etwas besonders in der Menschlichen Gesellschaft zu verrichten schuldig sind. Alle Pflichten sind von Gott, wenn sie rechtmäßig sind […].153
Gleichzeitig trat zum protestantischen Verständnis einer Berufung das feudale Element des Standes: Berufsstand drückte daher nicht nur eine Tätigkeitsform aus, sondern zugleich die Stellung im sozialen Raum.154 So bezeichneten sich die Inhaber von höheren Bildungsabschlüssen als gebildeter Stand. Im Gegensatz dazu fiel die Masse der stetig wachsenden Fabrikarbeiter/-innen kaum mehr unter das traditionelle Berufsideal. Zwar war hin und wieder noch immer die Rede vom unteren oder niederen Berufsstand, doch traten parallel dazu die Vorstellungen einer besitzlosen oder arbeitenden Klasse.155 149 Die Erfindung der Freizeit ist dabei eine durchaus positive Nebenfolge, wenngleich die wachsende Freizeitindustrie lediglich zum bloßen Konsum anregt, der einer tieferen Sinnstiftung durch seine rastlose Prozesshaftigkeit im Wege steht. Vgl. Rüegg (1978), S. 160. 150 Vgl. Marx (2009 [1844]), S. 84–88. 151 Vgl. Arendt (1989 [1958]), S. 42. 152 Vgl. Weber (2000 [1904/05]), S. 120. 153 Art. „Beruff “, in: Zedler/Ludewig (1752), Sp. 1449. 154 Vgl. Jarausch (1990), S. 10 f. 155 Vgl. die Begriffsverwendung bei Pierstorff (1883), S. 421; ders. (1892), S. 654; Schmelzle (1896), S. 211.
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
115
Während der Begriff des Standes auf eine göttliche Ordnung verschiedener Standesstufen verwies, die aus einer transzendenten Perspektive der Jenseitigkeit gleichwertig erschienen, implizierte der Klassenbegriff ein gänzlich säkularisiertes, materielles Abhängigkeitsverhältnis: Unter den Hauptklassen galten Arbeiter als unterste Berufsstellung, während vor allem Industrielle, Fabrikbesitzer, Direktoren oder leitende Staatsbeamte den obersten Rang einnahmen.156 Die akademischen Berufe befanden sich im Mittelfeld; die Berufsbezeichnung war hier nicht nur Ausdruck spezifischer Fähigkeiten, sondern zugleich Ausdruck einer neuen bürgerlichen Werteordnung, die sich im 19. Jahrhundert herausbildete. Zu diesen Berufen zählten sowohl die freien Berufe des Arztes und des Anwalts als auch die in einem Beamtenverhältnis stehenden Berufe wie die des Pfarrers, des Hochschullehrers und zunehmend auch des Gymnasiallehrers. Da diese Berufe trotz staatlicher Oberaufsicht einen Tätigkeitsbereich innerer Selbstgestaltung beinhalteten (die Kirche, den Hörsaal, das Klassenzimmer) verstanden sich diese Beamten dennoch als autonom Handelnde – ganz im Sinne freier Berufstätigkeit.157 Die genannten freien bzw. akademischen Berufsarten gehen zwar auf traditionelle Berufsformen zurück, sind jedoch in ihren institutionellen Strukturen ebenso wie die arbeitende Klasse des Industriekapitalismus ein genuines Produkt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zur Professionalisierung und berufsständischen Organisation akademischer Berufe im 19. Jahrhundert Im folgenden Abschnitt stellt sich die Frage, welche historischen Einflussfaktoren zur Institutionalisierung der modernen akademischen Berufe führten und welche für das untersuchte Diskursfeld relevanten Machtpotenziale und Ausschließungsmechanismen sich in diesen Strukturen finden lassen. Anfänglich stammte die Heuristik zur Suche nach derlei Veränderungsprozessen in den bürgerlichen Berufsmodellen des 19. Jahrhunderts aus der angelsächsischen Professionalisierungssoziologie, wo sie häufig Teil modernisierungstheoretischer Strukturmodelle war. Diese Modelle unterschieden idealtypisch zwischen entrepreneurs, bureaucrats und professionals. Letztere erfüllten demnach die altruistische Funktion 156
157
Vgl. Art. „Beruf “, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon (1905), S. 737–738; es gab keine verbindliche Kategorisierung der gesellschaftlichen Sozialstruktur. Vielmehr rangen die führenden Nationalökonomen nach adäquaten Ausdrucksmöglichkeiten. Vgl. Wehler (1995), S. 704–707. Die Klassentendenzen verstärkten sich zwischen dem Großbürgertum und der Arbeiterschaft, die jeweils an innerer Einheitlichkeit hinzugewannen. Innerhalb des Bürgertums jedoch gab es einen breiten Spielraum an Ungleichheit, sodass hier kaum von einer einheitlichen Klasse gesprochen werden kann. Aus diesem Grund dürfte der Autor des Lexikoneintrages von so etwas wie einer mittleren Klasse ausgegangen sein. Vgl. Kaelble (1983), S. 222. Vgl. Jarausch (1995), S. 204.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
eines gesellschaftlichen Fortschritts jenseits wirtschaftlicher Verwertungsinteressen. Die professions würden sich durch einen spezifischen Ethos auszeichnen, der sich aufgrund einer autonomen Selbstkontrolle erhalte158 Derlei strukturfunktionalistische Erklärungen stehen allerdings im Widerspruch zur mitteleuropäischen Charakteristik der professionalisierten akademischen Berufe:159 Denn weder werden Berufskarrieren betrachtet, die durch staatliche Gesetzgebung und Bürokratie geschützt sind und somit dem Autonomieideal widersprechen; noch gerieten die spezifischen Eigeninteressen der Angehörigen dieser Berufsgruppen in den Blick, die ganz im Gegensatz zur Annahme eines altruistischen Ethos an einer Verknappung und Monopolisierung ihres Dienstleistungsangebots interessiert waren – zu ihrem eigenen Wohle und zum Nachteil des Geldbeutels ihrer Klientel. Offenbar handelte es sich bei den akademischen Berufen jenseits ihres Selbstverständnisses und jenseits strukturfunktionalistischer Verallgemeinerungen lediglich um „halbfreie Amtsprofessionen“, deren Professionalisierung zumindest im deutschen Raum von oben verfügt wurde, also unter staatlicher Regulierung erfolgte. Unter Maßgabe dieser historisch-kritischen Korrekturen am strukturfunktionalistischen Erklärungsmodell lässt sich nach Hannes Siegrist von einem „staatlich-marktwirtschaftlichen Modell“ der Professionalisierung sprechen, das vormoderne Berufsbilder schrittweise ablöste.160 In einem solchen staatlich-marktwirtschaftlichen Modell der Professionalisierung oder Modernisierung akademischer Berufe verschwammen die Grenzen zwischen Unternehmertum (Markt), Bürokratie (Staat) und Professionalisierung (Fach) und alle drei Ebenen trugen zur Entwicklung bei: Der Staat schuf durch ein amtliches Prüfungswesen, die Überwachung berufspraktischer Ausbildung (Referendariat, Assessorenzeit) und den Schutz von Berufstiteln einen einheitlichen Karriereweg; zugleich garantierte er durch diesen Karriereweg einen abgegrenzten Markt professioneller Dienstleistungen. Auf Ebene der halbfreien Amtsprofessionen bildeten sich Vereine und Kammern heraus. Dies sollte die innere Autonomie gegenüber staatlichen Eingriffen schützen. Zudem galt es umgekehrt, den Staat als Garanten beruflicher Monopolstellung zu hofieren.161 Darüber hinaus drängten sie auf eine Angleichung der unterschiedlichen Besoldungen, Karrierewege und Ranghierarchien bei den verschiedenen akademischen Berufe – wobei die Juristen stets den obersten Maßstab stellten, dem sich die anderen Berufsgruppen anzunähern suchten.162 Zwischen diesen Berufsverbänden und dem Staat standen die Universitäten, die sowohl Fachwissen zur Legitimation als auch die Infrastruktur für dessen Überprüfung bereitstellten. Ein vierter bislang ungenannter Einflussfaktor bestand im Wandel des Verhältnisses zwischen den akademischen Ex-
158 159 160 161 162
Vgl. Siegrist (1988), S. 12, 14. Zur Kritik aus dem Bereich der historischen Soziologie vgl. Huerkamp (1985), S. 16–20. Siegrist (1988), S. 22–24. Das erklärt, warum die Staatsbindung der Gelehrten in Deutschland zunahm. Vgl. Gall (1992), S. 21. Vgl. McClelland (1985), S. 245.
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
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perten und ihrem Laienpublikum. Durch eine Vereinheitlichung des Produkts ihrer Dienstleistungen – die Diagnose einer Krankheit, die Beratung in Rechtsgeschäften etc. – machten die spezialisierten Berufsgruppen ihr Publikum je nach Bedürfnis zunehmend abhängiger. Konnte es zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch zwischen einer Schar aus Barbieren, Wundärzten, Homöopathen, Heilkünstlern, Hebammen und promovierten Medizinern wählen, musste es sich insbesondere nach Einführung der staatlichen Krankenversicherung im Jahre 1883 einem staatlich anerkannten Arzt anvertrauen, um eine Diagnose und ein Attest zu bekommen.163 Die Professionalisierung führte zwar zu deutlichen Fortschritten in der medizinischen Versorgung und in der bürgerlichen Rechtssicherheit – zumindest in den Städten –, jedoch um den Preis einer Abhängigkeit von einem Experten- und Technokratentum, das von außen betrachtet ähnlich esoterisch anmutete wie einst die Tätigkeit der Winkeladvokaten und Quacksalber. Frauen war der Zutritt zu diesen professionalisierten Karrierewegen bis zu den langsamen Öffnungsprozessen in den 1890er Jahren auf allen Ebenen verschlossen:164 Für eine Hochschulausbildung fehlte es an institutionalisierten Vorbildungsmöglichkeiten in Form von Gymnasien. Zudem begann eine akademische Berufskarriere bereits durch frühzeitige Entscheidungen des Vaters, der seinen Sohn auf die spätere gymnasiale Bildung etwa durch spezielle Kurse vorbereiten konnte – das kam für die höhere Tochter nicht infrage, galt es für sie doch als Ideal, früh zu heiraten und als Hausfrau und Mutter der weiblichen Berufung zu folgen. Ein Universitätsstudium, das vor diesem Hintergrund für Frauen lange fast undenkbar schien, wurde zudem durch universitäre Statuten, Regierungserlasse oder, wo derlei explizite Regelungen fehlten, durch das Gewohnheitsrecht verhindert. Frauen waren nicht zu den Staatsexamen zugelassen, welche die staatlich garantierte Monopolstellung akademischer Berufe sicherten. Sogar jene Frauen, die über im Ausland erworbene akademische Abschlüsse verfügten, hatten es schwer: So bedurfte es einer wohlwollenden Auslegung der reichsweit geltenden Gewerbeordnung sowie einer Anpassung der ärztlichen Prüfungsordnung bzw. der Rechtsanwaltsordnung, damit sie als Medizinerinnen oder Anwältinnen tatsächlich arbeiten konnten165 – denn der Titel des Arztes war trotz Gewerbefreiheit staatlich geschützt und knüpfte sich an eine im Deutschen Reich erworbene Approbation nach bestandenem medizinischem Staatsexamen.166 Frauen mussten beim Publikum eine Nachfrage schaffen, was Vertrauen in ihre Fähigkeiten voraussetzte. Einem solchen Vertrauen arbeitete eine 163 Vgl. Huerkamp (1980), S. 351, 369 f. 164 Zum Verhältnis zwischen Professionalisierung und Geschlecht vgl. Costas (1992a). 165 Während die Frage für Medizinerinnen 1899 reichsweit positiv entschieden wurde, erfolgte eine Zulassung von Frauen zur ersten juristischen Staatsprüfung in Preußen erst 1919 und eine Anpassung der erwähnten preußischen Rechtsanwaltsordnung, die schließlich alle Staatsprüfungen öffnete, erfolgte nochmals zwei Jahre später. Andere Einzelstaaten wie Bayern oder Sachsen öffneten bereits einige Jahre früher die juristischen Karrierewege für Frauen. Vgl. Recknagel (2008), S. 15. 166 Vgl. Huerkamp (1980), S. 364.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Mehrzahl der organisierten Mediziner auch ideologisch entschieden entgegen: Auf wissenschaftlichen Versammlungen und Ärztetagen kanonisierten sie die Vorstellung von der weiblichen Unzulänglichkeit für den Arztberuf.167 In bedeutenden ärztlichen Berufsvereinen, wie der Berliner Medizinischen Gesellschaft, blieben Ärztinnen auch nach Zulassung zur staatlichen Approbation im Jahr 1899 ausgeschlossen. Da dies unter kleinlicher Auslegung der Satzung geschah, die zwar den Titel eines Dr. rite promotus kannte, jedoch nicht den einer Dr. rite promota, ist von einer prinzipiellen Abwesenheit jedweden Wohlwollens den neuen Kolleginnen gegenüber auszugehen.168 Die Berufsverbände reagierten kaum überraschend auf die vermeintlich drohende weibliche Konkurrenz: Denn die zentrale Funktion dieser Organisationen bestand in einer Standespolitik, die darauf abzielte, eine Hebung oder mindestens eine Absicherung des eigenen Berufsstandes zu erwirken. Die Erfahrungen in anderen Berufsbranchen wurden dabei als Beweis dafür herangezogen, dass die Zulassung der sogenannten Frauenarbeit eine finanzielle und symbolische Abwertung nach sich ziehen würde – es würden nicht nur die Löhne, sondern gleichzeitig das Prestige sinken: Allenthalben, wo die Frau angestellt wurde, als Kassirerin, Buchhalterin in den verschiedensten Industriebetrieben, fand eine Lohnherabsetzung statt, einerseits ein schwerwiegender Beweis für die geringere Werthung weiblicher Arbeitsleistung, andererseits der Hauptgrund für die Verdrängung der Männerarbeit. Soll der gleiche Vorgang sich auch auf medizinischem Gebiete abspielen?169
Diese Äußerung des Berliner Nervenarztes Siegfried Placzek (1866–1946) im Ärztlichen Vereinsblatt steht stellvertretend für eine Problematisierungsweise von Frauenarbeit, die sich so hartnäckig hielt und handlungsprägend wirkte, dass die Abwertungstendenzen tatsächlich eintraten – der im Zitat genannte „schwerwiegende Beweis“ war das Resultat eines Kurzschlusses zwischen Erwartung und so interpretierter Erfahrung. Die „geringere Werthung weiblicher Arbeitsleistung“ reichte vom Bildungsbürgertum bis zur Arbeiterschaft – Letztere glaubte sich bereits in den 1860er Jahren im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein der weiblichen Schmutzkonkurrenz erwehren zu müssen. Die Abwehr von Frauenarbeit musste unter derlei Vorzeichen zur Aufgabe jeder beruflichen Interessenvertretung werden. Denn die Ziele der Berufsvereine bestanden in einer Vereinheitlichung der Berufskarriere durch Ausschluss all jener Konkurrenz, die beim Lohn, Wissensstand oder Prestige nicht dem gewünschten Niveau entsprachen. Um dies zu erreichen, waren Zulassungserschwerungen auf Ebene staatlich abgesicherter Examen notwendig.170 Da sich im Kaiserreich ein System des „berufsständischen Korporativismus“ zwischen wirtschaftlichen Interessenverbänden und staatlichen 167 168 169 170
Vgl. Waldeyer (1889); Penzoldt (1898). Vgl. Anonym (1901), S. 35. Placzek (1896), S. 579 f. Vgl. McClelland (1985), S. 244.
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
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Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen etabliert hatte, erfolgte diese Lobbyarbeit zumeist jenseits der Öffentlichkeit(en) und damit jenseits des Horizonts der vorliegenden Studie.171 Aus diesem Grund erfolgt lediglich eine Charakterisierung der innerhalb des öffentlichen Diskursfeldes relevanten Berufsvereine oder Verbände und auch nur im Hinblick auf jene Berufsgruppen, in denen Frauen im Untersuchungszeitraum für eine Zulassung kämpften, d. h. in den Bereichen des Lehramtes, der Medizin und der Jurisprudenz.172 Unter den Lehrervereinen findet sich im Deutschen Verein für das höhere Mädchenschulwesen eine Organisation, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1873 ganz im Sinne einer nach oben hin orientierten Berufsstandspolitik um eine Eingliederung in das höhere Schulwesen bemühte.173 Die Gründung des Vereins ging auf eine Konferenz der Mädchenschullehrer 1872 in Weimar zurück. Neben Standesfragen kamen dort auch die durch den ADF vorangetriebene Bildungsbestrebungen von Frauen zur Sprache: Die Mädchenschullehrer konstatierten zwar eine partielle Eignung „strebsamer, denkender und geschickter Lehrerinnen“ für die oberen Klassen der Mädchenschulen, insbesondere für den Sprach- und Geschichtsunterricht, allerdings traute man diesen Talenten keine leitende Stellung zu – der symbolträchtige Titel des Direktors sollte männlich bleiben.174 Derlei paternalistische Positionen setzten sich im Verbandsorgan der Zeitschrift für weibliche Bildung auch bei der Frage des Frauenstudiums fort: Zwar fanden sich dort überwiegend befürwortende bis bedingt befürwortende Einstellungen, doch sollten die studierten Frauen in noch zu erschließenden, neuen Berufen tätig werden, um nicht in direkte Konkurrenz zur männlichen Erwerbsarbeit zu treten.175 Das medizinische Studium betrachtete der Herausgeber Wilhelm Buchner (1827–1900) lediglich als ein Privileg einer „kleinen Zahl von Auserwählten“ unter den studierenden Frauen.176 Die Hegemonie der männlichen Lehrer zeigt sich im Verbandsorgan zudem darin, dass mit Ausnahme eines Beitrags der Philologin Martin, die dem eher konservativen evangelischen Flügel der Frauenbewegung angehörte, die Texte zur akademischen Frauenbildungsfrage ausschließlich von Männern stammten.177 Eine Reaktion auf diese Art des Paternalismus war die Gründung des ADLV im Jahr 1890.178 Als Berufsverein der Lehrerinnen sollte dieser selbst ganz im Sinne der Berufsstandspolitik agieren. 171
172 173 174 175 176 177 178
Wehler (1988), S. 73; vgl. auch Nipperdey (1992), S. 593. Eine umfassende Untersuchung der akademischen Berufsvereinspolitik zur Frage weiblicher Erwerbstätigkeit steht weitgehend aus. Eine Charakterisierung einzelner Berufsverbände kann in dieser Arbeit nur in dem Maß erfolgen, wie es zum Verständnis des öffentlich zugänglichen Diskursfeldes notwendig ist. Die informelle Ebene der Beeinflussung regierungspolitischer Entscheidungsstrukturen bleibt dabei weitgehend im Dunkeln. Für eine Auflistung der wichtigsten, akademischen Berufsvereine vgl. McClelland (1985), S. 242. Vgl. Kleinau (1997), S. 29 f. Reuper (1878), S. 18. Vgl. Wilhelm (1898), S. 27. Buchner (1893), S. 61. Vgl. Martin (1898). Vgl. Albisetti (2007), S. 179.
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Zum Beispiel geschah dies bei der Ablehnung des sogenannten Vierten Weges. Der Begriff bezeichnete eine vierte Möglichkeit für Frauen an einer preußischen Hochschule voll immatrikuliert zu werden. Seit dem 3. April 1909 durften Frauen, die über eine Lehrbefähigung für mittlere und höhere Mädchenschulen sowie eine zweijährige Berufserfahrung verfügten, studieren. Bis dahin war lediglich der Abschluss eines Gymnasiums, Realgymnasiums oder Oberrealschule zulässig. Beim Vierten Weg handelte es sich damit um ein Sonderrecht, das den männlichen Lehrern mit Seminarausbildung nicht zustand und die Berufskarriere der universitär gebildeten Oberlehrerinnen zu entwerten drohte.179 Da die bürgerliche Frauenbewegung stets Sonderrechte ablehnte, geriet diese Praxis frühzeitig in die Kritik.180 Mit dem Vereinsverband der akademisch gebildeten Lehrer etablierte sich schließlich im Jahr 1903 ein „stimmgewaltiger“ Philologenverband.181 Den durch ministeriellen Erlass vom 14. Dezember 1905 in Preußen zur philologischen Staatsprüfung und damit zum höheren Lehramt (pro facultate docendi) zugelassenen Frauen blieb jedoch eine Aufnahme verwehrt.182 Als in den 1920er Jahren die Zahl der Studienrätinnen zunahm, forderte der Verband gar ein Anstellungsverbot von Frauen an koedukativen Schulen; und die Zahl der an Mädchenschulen beschäftigten Lehrerinnen sollte durch eine Regelung begrenzt werden, der zufolge sie die Zahl männlicher Lehrer nicht übertreffen dürfte.183 Im Bereich der Interessenvertretung von Lehrerinnen ist zudem der Verein deutscher katholischer Lehrerinnen zu nennen, der sich im Jahr 1885 konstituierte. Hauptzweck waren vor allem religiös-sittliche Belange sowie Selbsthilfe und Weiterbildung. Der reformkatholische Moraltheologe Mausbach beschrieb einen breiten Wirkungskreis der „sozialen Bildung und Versöhnung“, der von der „Dorfschule“ über die „Fortbildungsschule der Arbeiterin“ und die „Lyzeen und Gelehrtenschulen“ bis hin zum „vornehme[n] Pensionat“ reiche.184 Die Organisation erlangte aufgrund ihrer engen katholischen Ausrichtung nicht die Breitenwirkung des ADLV, jedoch gingen von ihr wichtige Impulse zur Etablierung eines spezifisch katholischen Flügels der Frauenbewegung aus. Bei den Medizinern herrschte, neben der ohnehin verpflichtenden Mitgliedschaft in den sich zwischen 1864 und 1887 reichsweit etablierenden Ärztekammern, ein hoher sozialer Druck zum Eintritt in einen der zahlreichen Berufsvereine, die geradezu korporatistisch nach dem Lebensbundprinzip funktionierten: Einmal eingetreten, drohten bei Austritt empfindliche Strafen, die weit über den professionellen Bereich hinausreichten und einer allgemeinen gesellschaftlichen Ächtung gleichkamen.185 179 180 181 182
Vgl. Kerchner (1992), S. 112 f. Vgl. Lange (1909). Jarausch (1995), S. 205. Vgl. ebd., S. 215; Costas (2015), S. 11–31, hier S. 27 f; zur Zulassung von Frauen für das höhere Lehramt (pro facultate docendi) vgl. Hartmann (1913), S. 31. 183 Vgl. Clephas-Möcker/Krallmann (1992), S. 178. 184 Vgl. Mausbach (1910), S. 37. 185 Vgl. Huerkamp (1980), S. 379; Huerkamp (1985), S. 286.
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
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Zu den größten Dachverbänden der Mediziner gehörte der Deutsche Ärztevereinsbund, der sich 1873 gegründet hatte und in den 1890er Jahren über 200 assoziierte Vereine umfasste.186 Jährlich organisierte der Bund die Ärztetage. Auf dem 26. Ärztetag in Wiesbaden kam 1898 schließlich das Frauenstudium an prominenter Stelle auf die Tagesordnung: Man sah die Zulassung von Frauen zu den akademischen Berufen nun als etwas unweigerlich Kommendes und wollte entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen. Hierzu zählte zum einen die Forderung nach einer Öffnung aller Fakultäten, um den Druck vom Arztberuf zu nehmen. Zudem betrachteten die Mediziner ganz wie die Mädchenschullehrer die weibliche Erwerbstätigkeit in ihrer Profession als seltene Ausnahmefälle – sollten Frauen in größerer Zahl Medizin studieren, dann geschehe dies sowohl zum Schaden der Frauen selbst als auch zum Schaden der medizinischen Fakultäten, deren Prestige notwendigerweise sinken müsse.187 Immerhin stimmte die Versammlung für die Annahme weiterer Ergänzungsthesen, die von zwei aus Breslau stammenden Ärzten formuliert worden waren und gleiche Vorbildung sowie eine gleiche allgemein-ärztliche Grundlagenausbildung für Frauen forderten, um keine Spezialärztinnen zweiter Klasse zu generieren.188 Eine solche Klasse von Hilfsärztinnen hatte der im Jahr 1900 gegründete Verband der Ärzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen, nach ihrem Gründer Hermann Hartmann (1863–1923) kurz Hartmannbund genannt, im Sinn.189 Derlei Ideen besaßen unter der Ärzteschaft eine lange Tradition und reichten zurück auf orthodoxe Positionen, die bereits Bischoff vertreten hatte: Dieser pries „die reine, unverfälschte weibliche Natur“ der Frauen, die sie zur Krankenpflege prädestiniere, um sie im gleichen Atemzug als für die Medizin „nach göttlicher und natürlicher Anordnung“ unfähig zu bezeichnen.190 Recht spät, nämlich erst nach dem Ende des deutschen Kaiserreichs, machten juristische Berufsvereine das Streben nach einer akademischen Berufstätigkeit von Frauen zum Thema:191 So positionierte sich der Deutsche Anwaltsverein recht deutlich gegen Richterinnen und Rechtsanwältinnen, nachdem durch die Gesetzesänderungen der Weimarer Republik die Arbeit von Frauen in diesem Bereich möglich geworden war.192 Doch derlei Vorgänge liegen, ebenso wie die Debatten um eine Zulassung von Pfarrerinnen, bereits weitgehend außerhalb des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Studie. Überraschend war die Aufnahme von Marie Raschke (1850–1935) in die Juristische Gesellschaft (1900) sowie ihre Zulassung zum Deutschen Juristentag (1904).193 186 187 188 189 190 191 192 193
Vgl. Huerkamp (1980), S. 367. Vgl. Flesch (1898). Vgl. Stelzner (1899), S. 114. Vgl. Kerchner (1992), S. 60 f. Bischoff (1872a), S. 45 f. Die Öffnung juristischer Berufe erfolgte erst zwanzig Jahre nach der Zulassung von Frauen zum juristischen Studium. Zur Zulassungsdebatte vgl. Röwekamp (2011), S. 180–327. Vgl. Huerkamp (1994), S. 281. Vgl. Berneike (1995), S. 79; Raschke, die zunächst Lehrerin geworden war, hatte sich bereits 1896 in einem Artikel für die Zulassung von Frauen zum Rechtsstudium ausgesprochen, nahm zur
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Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Die Machtpotenziale der akademischen Berufsgruppen im Diskursfeld Obwohl von einer regen Tätigkeit der Berufsvereine in Sachen akademischer Frauenarbeit auszugehen ist, finden sich in den Publikationen kaum Hinweise auf das öffentliche Wirken berufsständischer Interessenvertretungen. Offene Interventionen erfolgten stattdessen durch einzelne Angehörige akademischer Berufsgruppen, vor allem aufseiten der Mediziner, denn diese standen durch die prominente Forderung nach Frauen- und Kinderärztinnen gewissermaßen an vorderster Front. Dass diese sich allerdings der Unterstützung einer Mehrheit ihrer Berufskollegen sicher sein konnten, zeigen die oben angeführten Beispiele. Umso überraschender ist folgender Befund: Es gab Ärzte, die sich öffentlich für die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium aussprachen, wie die weitere Analyse des Diskursfeldes ergeben wird.
Abb. 7: Einstellungen zum Frauenstudium unter freien Berufsgruppen (konkretes Korpus; ohne Frauenbewegungsschriften; ohne publikationslose Jahre; n=64)
Die Grafik (Abb. 7) zeigt ein heterogenes Bild der Einstellungen zum Frauenstudium, die ausgehend vom Feld der akademischen Berufsgruppen in das Diskursfeld einflossen.194 selben Zeit als Gasthörerin an Vorlesungen teil und forderte andere Frauen auf, es ihr gleichzutun, auch wenn die Aussichten auf eine berufliche Verwertung des Wissens schlecht stünden. Wenige Jahre später wurde sie 1899 im Alter von 49 Jahren in Berlin promoviert. Sie gehörte durch ihre Mitgliedschaft im Berliner Frauenwohl-Verein zur radikalen Frauenbewegung. Raschke (1896); zu ihrem Engagement in der Berliner Zentralstelle für Rechtsschutz im BDF vgl. Röwekamp (2011), S. 539–543; vgl. auch die Kurzbiografie bei Briatte (2020), S. 477. 194 Insgesamt lassen sich 82 Publikationen im konkreten Korpus finden, die von Angehörigen akademischer oder freier Berufe verfasst worden sind. Die Auswertung wurde jedoch von Beiträgen in Frauenbewegungszeitschriften bereinigt, da es sich dabei ausschließlich um befürwortende Stellungnahmen handelte, die für das allgemeine Meinungsbild innerhalb der breiteren Öffentlichkeit nicht repräsentativ wären.
123
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
Innerhalb der 64 Beiträge sind die Ärzte mit 29 Publikationen am stärksten vertreten, gefolgt von neun Lehrern, fünf Juristen und vier Theologen – bei den übrigen Freiberuflern handelt es sich um sechs Schriftsteller und vier Journalisten. Während sich bei Ärzten ein polarisiertes Einstellungsmuster mit deutlich ablehnender Tendenz zeigt, vertraten die drei anderen akademischen Gruppen deutlich befürwortende oder bedingt befürwortende Positionen. Bei den Journalisten oder Redakteuren finden sich alle vier Einstellungen gleichmäßig verteilt; hauptberufliche Schriftsteller äußerten sich ausschließlich befürwortend. Was die geografischen Sprechorte anbelangt, so dominiert, wie bereits bei den zwei vorangegangenen Feldern der Universität und der Frauenbewegung, Preußen. Nahezu die Hälfte aller Autoren besaß dort seinen Wirkungsort, ein Viertel in ÖsterreichUngarn. Weit abgeschlagen finden sich Bayern, Sachsen, Baden und die Schweiz, die jeweils zwischen drei und fünf Prozent der Sprechorte ausmachen. Diese Verteilung spiegelt sich auch bei den Städten wider wo sich lediglich Berlin und Wien als zwei Zentren ausmachen lassen, während alle anderen Städte keine besondere Häufung von Autoren aus dem Feld akademischer und freier Berufsgruppen aufweisen. Unter Einbezug des Datenmaterials aus Umfragen und parlamentarischen Reden bestätigen sich auf Fallebene die oben beschriebenen Tendenzen: Es ließen sich hier 151 soziale Akteure im Feld der freien und akademischen Berufsgruppen identifizieren. Mediziner stellen dort erneut die größte Gruppe – was angesichts der Tatsache, dass es sich um die größte Gruppe freiberuflicher Akademiker handelte, nicht weiter verwundert. Pfarrer waren gemessen an den Gesamtzahlen der akademischen Berufsgruppen hingegen deutlich unterrepräsentiert.195 Tabelle 11: Einstellungen nach Berufsfeldern (konkretes Korpus: soziale Akteure im Feld akademischer/freiberuflicher Gruppen ohne Frauen) in Prozent (n=96)
Mediziner (n=38)
Lehrer (n=26)
Anwälte (n=7)
34,6 30,8
Juristen (ohne Anwälte, n=11) 18,2 27,3
57,1 0
Journalisten/ Schriftsteller (n=14) 50 28,6
befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
28,9 15,8 21,1 31,6 2,6
19,2 11,5 3,8
18,2 27,3 9,7
0 28,6 14,3
14,3 7,1 0
Die ablehnende Tendenz unter Medizinern zeigt sich auf akteursbezogener Fallebene noch deutlicher ausgeprägt als auf der autorenbezogenen Publikationsebene des 195
Vgl. Wehler (1995), S. 732. Die Differenz zur Gesamtzahl ergibt sich aufgrund hier nicht genannter, einzeln auftretender Berufstypen, wie Kaufleuten, Verlegern oder Staatsbeamten.
124
Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
konkreten Korpus. Demgegenüber wird die befürwortende Tendenz bei den Lehrern umso deutlicher. Allerdings zeigt hier der Blick ins Detail, dass vor allem die innerhalb des Diskursfeldes auftauchenden Mädchenschullehrer sich sehr deutlich befürwortend äußerten, während sich die Einstellungen von Lehrern an Realgymnasien in der Grauzone bedingt befürwortender und bedingt ablehnender Positionen bewegten. Eine gänzlich ablehnende Tendenz weisen die Einstellungen von Lehrern an humanistischen Gymnasien auf. Die Gruppe der Juristen spaltet sich in Beamte (Richter, Staatsanwälte, Ministerialbeamte) und freie Anwälte auf. Wie die Tabelle (Tab. 11) zeigt, scheint es gerade unter den im Diskursfeld aktiven Anwälten eine starke Polarisierung gegeben zu haben – wenngleich sich die Mehrzahl ganz im Sinne der Liberalität dieser Profession befürwortend äußerte. Auch bei den juristischen Amtsträgern überwog eine befürwortende Tendenz – trotz nicht unerheblicher Vorbehalte, die sich in einer ausgeprägten Grauzone zu erkennen gibt. Hinsichtlich der Altersstruktur zeigt sich eine deutliche Ausprägung befürwortender Einstellungen bei den nach 1850 geborenen sozialen Akteuren: Die vor 1850 Geborenen waren im Durchschnitt 56 Jahre alt, als sie sich im Diskursfeld äußerten; die nach 1850 Geborenen hingegen 33 Jahre – hier zeigt sich die Kluft zwischen zwei Generationen akademischer Freiberufler. Tabelle 12: Einstellungen nach Geburtsjahr (konkretes Korpus: soziale Akteure im Feld akademischer/freiberuflicher Gruppen ohne Frauen) in Prozent (n=120) befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Geburt vor 1850 (n=78)
Geburt nach 1850 (n=42)
32,1 23,1 17,9 21,8 5,1
50 19 14,3 11,9 4,8
Anhand der sozialstrukturellen Daten zeigen sich Verteilungen, die bereits beim akademischen Feld beobachtet werden konnten: Die Masse der Akteure rekrutierte sich aus bildungsbürgerlichen Kreisen und Akteure aus dem jüdischen Milieu waren, gemessen an der Gesamtbevölkerung, überproportional vertreten. Beim Blick auf die Einstellungsverteilung entlang religiöser bzw. konfessioneller Zugehörigkeit (Tabelle 13) finden sich im Unterschied zu den sozialen Akteuren des universitären Feldes, d. h. den Hochschullehrern, höhere Werte bei den ablehnenden Einstellungen. Bei Vertretern akademischer Berufsgruppen aus dem katholischen Milieu zeigt sich im Vergleich zu den katholischen Universitätslehrern geradezu eine Verkehrung der Einstellung. Dies könnte dadurch zu erklären sein, dass Universitätsprofessoren wohl eher das Studium im Auge hatten, während innerhalb des akademischen Berufsfeldes die Frage unter der Perspektive beruflicher Verwertung betrachtet wur-
125
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
de.196 Mit dem hohen Niveau ablehnender Einstellungen geht zugleich ein hohes Niveau befürwortender Einstellungen bei evangelischen und jüdischen Akteuren einher. Die Grauzone ist insgesamt schwächer ausgeprägt, was auf eine stärkere Polarisierung hinsichtlich der akademischen Frauenbildungsfrage im Feld akademischer Berufsgruppen hindeutet. Tabelle 13: Einstellungen nach religiösen Milieus (konkretes Korpus: soziale Akteure im Feld akademischer/freiberuflicher Gruppen ohne Frauen) in Prozent (n=72) befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
Lutheraner (n=36) 36,1 27,8
Katholiken (n=15) 6,7 26,7
Juden (n=16) 43,8 18,8
Konfessionslose (n=5) 100 0
13,9 19,4 2,8
26,7 40 0
12,5 18,8 6,2
0 0 0
Im Hinblick auf die soziale Herkunft zeigt sich eine ähnliche Tendenz zur Abschwächung der Grauzone vor allem bei der zahlenmäßig größten Akteursgruppe aus dem bildungsbürgerlichen Milieu. Bei Akteuren, die aus der unteren Mittelschicht in den akademischen Berufsstand aufgestiegen sind, zeigt sich im Gegensatz zu den Universitätsprofessoren mit ähnlichen sozialen Aufstiegserfolgen eine deutliche Ablehnung: Während die Professoren hier überdurchschnittlich oft eine befürwortende Position einnahmen, offenbart sich im Falle der akademischen Berufsgruppen aus diesem Milieu ein gegenteiliges Bild. Bei Bauern und Handwerkern, die eine deutlich kleinere Aufstiegsgruppe ausmachten, findet sich die ablehnende Tendenz in etwas abgeschwächter Form. Tabelle 14: Einstellungen nach sozialer Herkunft (konkretes Korpus: soziale Akteure im Feld akademischer/freiberuflicher Gruppen ohne Frauen)
42,9 28,6
Besitzbürger (n=16) 56,2 5,6
Bildungsbürger (n=41) 41,5 22
Untere Beamte, Kleingewerbe (n=7) 14,3 28,6
Bauern, Handwerker (n=7) 37,5 12,5
28,6 0 0
22,2 11,1 0
14,6 4,6
0 57,1 0
25 25 0
in Prozent (n=78)
Adel (n=7)
befürwortend bedingt befürwortend bedingt ablehnend ablehnend unbestimmt
196 Einschränkend muss festgehalten werden, dass die Fallzahl bei den akademischen Berufsgruppen (n=72) geringer ist als bei den Hochschullehrern (n=156): Damit sind die Aussagen zum Zusammenhang zwischen religiösen Milieus und der Einstellung zum Frauenstudium weniger verlässlich.
126
Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Die mediale Repräsentation akademischer Berufsgruppen im Diskursfeld Die von den sozialen Akteurinnen und Akteuren des akademischen Berufsfeldes genutzten Medien lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften richteten sich nach innen an eine Fachöffentlichkeit. Selbstständig veröffentlichte Beiträge sowie Artikel in meinungsbildenden Periodika waren an eine breitere Öffentlichkeit adressiert. Die erste Gruppe wurde von den Medizinern dominiert; hier finden sich 17 Beiträge, die im Falle männlicher Autorschaft durch eine stark ablehnende Einstellung geprägt waren – lediglich ein Arzt äußerte sich befürwortend, und dies lediglich anonym.197 Bemerkenswert ist allerdings, dass sowohl die Deutsche Medizinische Wochenschrift als auch die Wiener Medizinische Presse vereinzelt Frauen zu Wort kommen ließ, die sich entgegen dem Trend befürwortend äußerten – darunter eine der ersten Ärztinnen des Kaiserreichs Hope Bridges Adams (1855–1916).198 In der selbstständig veröffentlichten Pamphletliteratur zum Frauenstudium dominierten ebenfalls die männlichen Ärzte mit elf Publikationen. Anders als bei den Fachzeitschriften zeigte sich auch im Fall der männlichen Autoren ein heterogenes Bild: Vier ablehnenden Schriften und eine bedingt ablehnende Schrift standen vier bedingt befürwortende und drei befürwortende Essays gegenüber. Zudem veröffentlichten die Ärztinnen Karoline Schultze (1866–?), Agnes Bluhm (1862–1943), Rosa Kerschbaumer (1851–1923), Anna Kuhnow (1859–1923) und Julie Ohr (1881–?) eigene Essays mit ausschließlich befürwortenden Einstellungsausprägungen. Einige der Publikationen von Ärztinnen lassen sich auch dem Feld der Frauenbewegung zuordnen: Insbesondere die Ärztinnen Bluhm (Mitglied im Verein Frauenwohl und im BDF), Kerschbaumer (Mitglied im VFR), Kuhnow (Mitglied im ADF) und Franziska Tiburtius (1843–1927) (Berliner Frauenclub) waren aktiv in der Frauenbewegung. Bei Anna Fischer-Dückelmann (1856–1917), Bridges Adams, Agnes Hacker (1860–1909) und Ohr wäre dies aufgrund ihrer Äußerungen im Diskursfeld kaum verwunderlich.199 Neben den Medizinerinnen und Medizinern äußerten sich zudem fünf Lehrer bedingt positiv sowie zwei Juristen, deren Beiträge damit in die Grauzone fallen. Zwei Artikel richteten sich an eine dezidiert akademische Öffentlichkeit: So findet sich je ein Artikel in der Akademischen Revue und der Alma Mater – in beiden werden Positionen vertreten, die der Grauzone zuzuordnen sind. Unter den meinungsbildenden Kulturzeitschriften dominieren Periodika, die an ein bildungsbürgerliches Milieu adressiert waren: So finden sich zwei Beiträge in der Gegenwart und je ein Beitrag in der Neuen Revue sowie der Deutschen Revue. Ebenso wie Beiträge in dezidierter nationalliberal ausgerichteten Kulturzeitschriften wie dem Grenzboten, Deutschland oder den Preußischen Jahrbüchern bewegen sich die hier vertretenen 197 Vgl. Anonym, S. (1880). 198 Vgl. Bridges Adams (1896); Fickert (1899); Mayreder (1900); vgl. hierzu auch Gemkow (1991). 199 Zur Wirkung der von Ärzten verfassten Texte vgl. Kapitel IV, 2. Abschnitt: Produktive Polarisierung.
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
127
Einstellungen im Bereich der Grauzone. Beiträge mit stark befürwortender Tendenz finden sich in kulturprotestantischen Periodika wie der Christlichen Welt oder den Comenius-Blättern ebenso wie in den auflagenstarken Unterhaltungszeitschriften Die Gartenlaube und Die Woche. In eine erwartbar ablehnende Richtung tendieren einzelne Artikel in kulturkonservativen und nationalkonservativen Periodika wie Die Fackel, Der Türmer sowie Otto Glagaus (1834–1892) antisemitisch ausgerichtetem Der Kulturkämpfer. Dem entgegen stehen drei befürwortende Beiträge in den sozialistischen Zeitschriften Arbeiterinnenzeitung, Der sozialistische Akademiker sowie Die neue Zeit – bei den Autoren und Autorinnen dieser Artikel handelte es sich um Journalisten oder Schriftsteller. Publikationen aus dem institutionellen Feld der akademischen Berufsgruppen (n=97) Universitäts- und Wissenschaftsöffentlichkeit Akademische Öffentlichkeit (n=4) – Allgemeine Deutsche Universitätszeitung (2) [Minuth 1900/01 (Schriftsteller/ Ingenieur)] – Alma Mater [Wolf 1878 (Philologe/Oberlehrer)] – Akademische Revue [Brestowski 1895 (Apotheker)] – Akademische Monatshefte [Köhler 1898]
Fachzeitschriften (n=19) – Zeitschrift für weibliche Bildung (5) (Organ d. dt. Vereins f. d. höhere Mädchenschulwesen) [Buchner 1892/93/98 (Philologe), Martin 1898 (Philologin/Oberlehrerin), Neustätter 1898 (Arzt)] – Deutsche Medicinische Wochenschrift (4) [Bluhm 1895 (Ärztin), Henius 1895 (Arzt), Bridges Adams 1896 (Ärztin), Zollern 1896 (Schriftsteller)] – Aerztliches Vereinsblatt für Deutschland (2) [Buschan 1896 (Arzt), Placzek 1896 (Arzt)] – Wiener medizinische Blätter [S. (anonymer Arzt) 1880] – Wiener medizinische Presse [Landau 1895 (Arzt)] – Archiv für Augenheilkunde [Fischer-Dückelmann 1899 (Ärztin)] – Ärztliche Mitteilungen aus und für Baden [älterer Arzt (anonym) 1892] – Bayrisches ärztliches Correspondenzblatt [Frankenburger 1899 (Arzt)] – Gesundheit: Zeitschrift für öff. u. priv. Hygiene [Ruff 1888 (Arzt)] – Pharmazeutische Zeitung [Peters 1895 (Apotheker)] – Wiener medizinische Wochenschrift [Kronfeld 1889 (Arzt)]
128
Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Publikationen aus dem institutionellen Feld der akademischen Berufsgruppen (n=97) komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=21) – Die Fackel (nationalkonservativ) [Wittels 1907 (Psychologe)] – Der Türmer (nationalkonservativ) [Flemming 1899 (Schriftsteller/Verleger)] – Der Kulturkämpfer (antisemitisch) [Glagau 1881 ( Journalist/Publizist)] – Die Grenzboten (nationalliberal; Aufl. 2.000) [Buchner 1892 (Philol./ Mädchensch.)] – Deutschland (nationalliberal; Aufl. 8.000) (Neumann-Hofer 1890 ( Journalist)] – Preußische Jahrbücher (nationalliberal) [Rößler 1893 ( Journalist/Publizist)] – Stimmen aus MariaLaach (katholisch) [Cathrein 1900 (Moralphilos./Jesuit)] – Die christliche Welt (kulturprotestantisch; Aufl. 5.100) [Rade 1899 (Pfarrer/ Politiker)]
Tageszeitungen (n=4) – Allg. Zeitung Augsb./ München (3) (nationalliberal) [Oetker 1873 ( Jurist), Kaiser 1891 (Arzt), Neustätter 1898 (Arzt)] – Berliner Tageblatt (linksliberal) [Wulckow 1896 (Phil./ Mädchensch.)]
selbstständ. Publikationen (n=33) – Schleinitz 1872 (Schriftstellerin) (Oroll, Füssli & Co) – Hartmann, O. 1876 (Doktor) (Caesar Schmidt) – Rutenberg 1877 (Anwalt) – Reuper 1878 (Philologe/ Oberlehrer) (A. Pichker’s Witwe & S ohn) – Schwerin 1880 (Philologe) (Reihe: Deutsche Zeit- u. Streitfragen) – Pehlmann 1888 (Arzt) Bewegungsöffentlichkeit (Emil Straus) (Frauenbewegung) (n=16) – Schultze 1889 (Ärztin) – Die Frau (7) (Hobbing, Leipzig) (gemäßigt) – Kerschbaumer 1889 (Ärztin) [Dahms 1893 ( Jour(Ver. f. erweit. Frauenbildung nalist), Bölsche 1894 Wien) (Schriftsteller), Wul– Bluhm 1890 (Ärztin) ckow 1894 (Philol.), (Hopfer, Wien) Heilborn 1897 ( Journa- – Kattner 1891 (Schriftstellerin) list), Tiburtius 1897/98 (Fues) (Ärztin), Erismann 1899 – Velden 1892 (Arzt) (Arzt)] (Heinrich Laupp Jr.) – Die Frauenbewegung – Henrich-Wilhelmi 1892 (2) (Schriftst.) (radikal) (Maier & Finck) [Flesch 1894 (Arzt), – Ritter 1893 (Arzt) Ohr1908 (Ärztin)] (Hugo Steinitz) – Dokumente der Frauen – Popper 1894 (Historiker/ (2) Schriftst.) [Eckstein 1899 (Anwalt), (J. G. Calve’schen k. u. k. Hof- und Eitelberg (Arzt) 1899] Universitäts-Buchhandlung) – Der Frauenanwalt – Langer 1894 (Arzt) [Hrischfeld 1870 (Heinrich Lützenkirchen) (Zahnärztin)] – Kronfeld 1895 ( Journal./ – Jahrbuch für d. Deutsche Botaniker) Frauenwelt (Carl Konegen, Wien) [Hacker 1899 (Ärztin)]
Akademische Berufsfelder und Freiberufler
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Publikationen aus dem institutionellen Feld der akademischen Berufsgruppen (n=97) komplexe Öffentlichkeit Kulturzeitschriften (n=21)
selbstständ. Publikationen (n=33)
–
– Svetlin 1895 (Arzt) (Franz Deuticke) – Pinn 1896 (Philologe/Oberlehrer) (Oskar Gottwald’s Verlag) – Buchner 1896 (Phil./Mädchensch.) – Kleinwächter 1896 (Arzt) (Louis Heuser’s Verlag Berlin) – Kuhnow 1896 (Ärztin) (Hermann Haacke) – Erismann 1896 (Arzt) (Budapest) – Wild-Queisner (Schriftsteller) (W. Köhler) – Dornblüth 1897 (Arzt) (Wilhelm Werthers Verlag) – Brupbacher 1899 (Arzt) (Speidel, Zürich) – Schelenz 1900 (Pharmakologe) (Günther, Leipzig) – Thal 1904 (Philologe/Oberlehrer) – Martin 1901 (Philologin/Oberlehrerin) (Verl. d. Buchh. d. Berliner Stadtmis.) – Grünwald-Zerkowitz 1902 (Schrift.) (Caesar Schmidt) – Moses 1909 (Arzt) (Verlag der Aerztlichen Rundschau) – Ohr 1909 (Ärztin) (Nationalverein) – Hartmann, E. 1914 (Philologe/ Oberlehrer) (Trewendt & Granier, Breslau) – Schwalbe 1918 (Arzt) (Georg Thieme)
–
–
–
–
– – –
–
Bewegungsöffentlichkeit (Frauenbewegung) (n=16) – Jahresbericht des Vereins Die Gartenlaube für erweiterte Frauenbil(illustr., unterhaltend; dung in Wien Aufl. 100.000) [Huch 1902 (Schriftstel[Hofmann 1866 (Schriftlerin)] steller)] – Für edle Frauen Die Woche [Büchner 1885 (Arzt)] (illustr., unterhaltend; – Frauen-Rundschau Aufl. 350.000) [Hugh-Hellmuth 1908 [Wychgram 1908 (Phi(Psychologin)] lol./Oberlehrer)] Die Gegenwart (3) (bildungsbürgerlich; Aufl. 5.000) [Franzos 1881 ( Jurist/ Journalist), Arzt (anonym) 1892, Wulckow 1898] Neue Revue (2) (bildungsbürgerlich) [Kerschbaumer 1895 (Ärztin), Rosenfeld 1895 ( Jurist)] Deutsche Revue (bildungsbürgerlich) [Nordau 1899 (Arzt/ Schriftsteller)] Über Land und Meer [Wulckow 1898 (Philologe/Mädchensch.)] Arbeiterinnenzeitung [Fehlinger 1895 (Publizist und Anthropologe)] Der sozialistische Akademiker [Hart 1896 (Schriftsteller)] Die neue Zeit (2) [Lübeck 1888, 1890 ( Journalist)]
130
Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Das öffentliche Sprechen über das Frauenstudium durch Vertreter akademischer und freier Berufe adressierte primär ein bildungsbürgerliches, nationalliberal geprägtes Publikum. Partielle Offenheit zeigt sich sowohl zu nationalkonservativen als auch sozialistischen Kreisen. Darüber hinaus lassen sich folgende Schlüsse aus der Auswertung des Datenmaterials treffen: Es ist ein Auseinanderklaffen zwischen einer tendenziell ablehnenden Berufsvereinspolitik und den in ihrer Summe bedingt befürwortenden Einstellungen im Diskursfeld zu konstatieren. Zeigt sich in den Aussagen der Mediziner in ihren Fachzeitschriften noch eine Parallelität zur berufsstandswahrenden Politik der Vereine, löst sich diese Eindeutigkeit beim Blick auf Publikationen mit einer breiteren Zielgruppe auf. Es scheint, als habe es die zahlenmäßig größere Gruppe der Gegner des Frauenstudiums nicht geschafft, sich in der breiteren Öffentlichkeit gegen die laute Minderheit der Befürworter/-innen durchzusetzen. Offenbar etablierte sich im Verlauf der 1890er Jahre in diesem Teil der Öffentlichkeit eine Sagbarkeitsschwelle, die es zunehmend schwerer machte, gänzlich ablehnende Positionen zu vertreten. So forderten die Mediziner auf dem Wiesbadener Ärztetag die Zulassung von Frauen zu allen Fakultäten nur deshalb, weil sie aufgrund des Umschwungs in der öffentlichen Meinung von einer baldigen Zulassung von Frauen ausgingen. Um diesen Schritt zu verstehen, ist es notwendig, zwischen der Frage einer bloßen Studienzulassung von Frauen und einer akademischen Berufstätigkeit zu differenzieren: Die Ärzte beugten sich dem allgemeinen Einstellungswandel vermutlich nur, um die Zahl möglicher Konkurrentinnen im Arztberuf möglichst gering zu halten. Die einflussreichsten Berufsverbände gründeten sich erst zu einem Zeitpunkt, als über die Frage des Frauenstudiums diskursiv und teilweise auch institutionell bereits entschieden war. Der 1900 gegründete Hartmannbund und der sich drei Jahre später konstituierende Philologenverband entfalteten deshalb ihre stärkste Wirkung bei den Versuchen zur staatlichen Regulierung einer akademischen Berufstätigkeit von Frauen. Ganz ähnlich wie innerhalb des universitären Feldes verschoben sich die Abgrenzungskämpfe vom Bereich der Studienzulassung auf die Ebene der Berufstätigkeit. In welchem Maße sie damit erfolgreich waren, müssen weitere Studien zeigen. Es ist auffällig, dass sich die männlichen Vertreter akademischer Berufsgruppen erst dann zur Frage äußerten, wenn die Forderungen nach einer Öffnung für Frauen ihr spezifisches Berufsfeld zum Gegenstand machten. Aus diesem Grund finden sich Wortmeldungen von Juristen viel später als von Medizinern. Zudem ist bedeutsam, auf welche Weise eine Öffnung angestrebt wurde. Im Fall der Mediziner bedeutete eine Zulassung zur Approbation zugleich die Zulassung zum gesamten akademischen Berufsfeld des Arztes. Zwar zielten die Forderungen zunächst nur auf die Gynäkologie und die Pädiatrie, doch wenn Frauen zu diesen Bereichen zugelassen würden, wäre die Arbeit als Allgemeinmedizinerin ihnen rechtlich kaum noch zu verwehren gewesen: Eine rein spezialmedizinische Ausbildung widersprach dem nach medizinischer Allgemeinbildung verlangenden Berufsethos. Im Falle des Lehrer/-innenberufs an höheren Schulen stand hingegen eine vollständige Öffnung aller Gymnasien gar nicht
Fazit: Die Konstruktion bildungsbürgerlicher Phänomenstrukturen
131
zur Debatte. Es schien zunächst klar zu sein, dass Oberlehrerinnen auch weiterhin an höheren Mädchenschulen oder neu einzurichtenden Mädchengymnasien unterrichten sollten, zudem eher nicht in oberen Klassenstufen und nicht in allen Fächern. Die ablehnende Tendenz der Mediziner erklärt sich also vor allem daraus, dass in ihrem Falle eine institutionelle Gleichstellung auf dem Berufsmarkt unausweichlich war – während bei Lehrern institutionelle Grenzen durch die Trennung in Mädchen- und Knabenschulen bereits bestanden. Ebenso gab es bei den Juristen viele zu nehmende Hürden, gerade wenn es um das Richteramt als begehrteste Position oder andere hoch dotierte Beamtenstellen ging – der Anwaltsberuf hingegen war von jeher den weniger begabten Juristen vorbehalten, wenngleich die zum Richteramt befähigende Prüfung als Zulassungsbedingung für Rechtsanwälte dennoch zuvor bestanden werden musste.200 Im untersuchten Feld der freien Berufsgruppen finden sich zwei Sonderfälle: Dabei handelt es sich um die Schriftsteller und die Journalisten. Beide Gruppen zeichneten sich durch eine außerordentlich liberale Einstellung zum Frauenstudium aus und beide Gruppen wiesen keine professionalisierte Berufskarriere auf – weder gab es staatlich geschützte Titel noch staatlich regulierte Ausbildungswege. Obwohl gerade dies zu einer starken Prekarisierung dieser Beschäftigungsformen führen musste, kam es nicht zu einer Abwehr der neuen weiblichen Konkurrenz. Eventuell verhinderte die fehlende Berufsstandspolitik einen organisierten Widerstand oder überhaupt eine entsprechend diskursiv konstruiertes Problembewusstsein. Die Ausgrenzung vom Feld bestehender Berufsvereine bzw. der dort vorherrschende Paternalismus hielt Frauen nicht dauerhaft von Machtpotenzialen fern. Vielmehr schufen sie sich durch die Gründung von Berufsvereinen wie dem ADLV, dem Deutschen Juristinnen-Verein, der Vereinigung der Nationalökonominnen usw. eine eigene Machtbasis.201 Gerade in der Tendenz zu einer Polarisierung der Einstellungen zum Frauenstudium scheint sich die eigenartige Ambivalenz des akademischen Berufsfeldes zu spiegeln: Einerseits herrschte in den akademischen Berufen, allen voran unter den Anwälten, ein liberaler Geist, andererseits gab es ein starkes Interesse an staatlichen Regulierungen, um durch Verknappung des Angebots eine ökonomische, kulturelle, soziale und schließlich symbolische Aufwertung der eigenen Profession herbeizuführen. 4. Fazit: Die Konstruktion bildungsbürgerlicher Phänomenstrukturen Der erste Abschnitt zielte auf die Machtpotenziale, die sich innerhalb institutioneller Felder ergaben. Machtpotenziale bezeichnen die äußeren sozialen Mechanismen zur 200 Vgl. Rechtsanwaltsordnung im Deutschen Reichsgesetzblatt (1878), § 1: „Zur Rechtsanwaltschaft kann nur zugelassen werden, wer die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat.“ 201 Zur Arbeit des Juristinnen-Vereins ab 1914 vgl. Röwekamp (2011), S. 546–552.
132
Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Verknappung, zum Ausschluss und zur Transformation von Diskursen. Vor allem drei Aspekte, die jeweils wechselseitig Feldebene und Akteursebene miteinander verbinden, waren hierbei bedeutsam: erstens der Grad an Institutionalisierung eines Feldes gemessen am vorhandenen Organisationsgrad (Rollenverteilung, Ausdifferenzierung, Hierarchiebildung) sowie der Einbindung beteiligter sozialer Akteurinnen und Akteure in diese Organisationsebenen; zweitens die Eintrittsbedingungen in diese institutionalisierten Felder anhand sozialstruktureller Akteursmerkmale; drittens die medialen Ausdrucksmöglichkeiten der Felder sowie die Schwellen zur kommunikativen Teilhabe in diesen Medien auf Akteursebene. Eine Analyse der Einstellungsverteilungen untersucht die durch Machtpotenziale stabilisierten Grenzen des Sagbaren in den am Diskursprozess beteiligten Feldern. Nachdem eingangs dieses Kapitels ein Fragenkomplex zur Charakterisierung dieser Machtpotenziale aufgeworfen worden ist, der auf den Beitrag der institutionellen Felder auf die Frequenzentwicklung innerhalb des gesamten Diskursfeldes abzielte, sollen in diesem Fazit dazu nun Antworten gegeben werden. In der Grafik (Abb. 8) sind die jeweiligen Anteile der verschiedenen betrachteten Felder an der Publikationsfrequenz vergleichend dargestellt.202 Hierbei wird noch einmal die leichte Dominanz des universitären Feldes vor dem allgemeinen Anstieg der Publikationsfrequenz im Jahr 1887 deutlich – ein Effekt der 1872 von Bischoff ausgelösten Debatte unter Universitätsprofessoren, die an späterer Stelle eingehender
Abb. 8: Publikationsfrequenz der Felder im Verhältnis zum Gesamtkorpus
202 Die Summe der Publikationen im Gesamtkorpus ist etwas höher als die Summe der Publikationen der drei Felder, da sich im Gesamtkorpus anonyme Schriften befinden, die sich keinem Feld zuordnen lassen.
Fazit: Die Konstruktion bildungsbürgerlicher Phänomenstrukturen
133
thematisiert wird.203 In der Hochphase zwischen 1892 und 1900 scheint der Beitrag dieses Feldes eher schwach gewesen zu sein, was daran gelegen haben könnte, dass die Meinungen der Universitätsprofessoren bereits durch Umfragen gesammelt und eigenständig publiziert worden waren. Im Feld der Frauenbewegung zeigte sich eine starke Frequenzentwicklung zwischen 1894 und 1900, die am Ende der 1890er Jahre ihren Höhepunkt erreichte. Im Feld der akademischen Berufsgruppen war zunächst eine ähnlich starke Publikationstätigkeit zu beobachten, die allerdings zum Ausgang der 1890er Jahre hin abnahm. Daneben stellte sich die Frage, welches Feld publizistisch am stärksten in eine breitere Öffentlichkeit hineinwirkte. Als Teil der allgemeinen oder breiteren Öffentlichkeit werden jene Publikationen betrachtet, die in einer meinungsbildenden Kulturzeitschrift, Tageszeitung oder als selbstständige Schrift veröffentlicht wurden. Erwartbar relativiert sich hier die publizistische Dominanz der Frauenbewegung, die sich mit zwei Dritteln ihrer Beiträge nach innen an die eigene Bewegungsöffentlichkeit richtete. In den meinungsbildenden Kulturzeitschriften waren Akteurinnen der Bewegung nur schwach vertreten, am ehesten wirkten sie daher durch selbstständig veröffentlichte Essays in die breitere Öffentlichkeit. In der Grafik (Abb. 9) zeigt sich ein Absinken der Publikationsfrequenz im Jahr 1897, gefolgt von einem großen Ausschlag im Folgejahr. Dabei handelt es sich um einen Effekt der von Kirchhoff veröffentlichten Gutachten.204
Abb. 9: Publikationsfrequenz in allgemeiner Öffentlichkeit (konkretes Korpus; Kulturzeitschriften, Tageszeitungen, selbstständige Veröffentlichungen; n=172)
203 Vgl. Kapitel IV, 2. Abschnitt: Produktive Polarisierung. 204 Zur Rezeption dieser Gutachten vgl. Kapitel IV, 2. Abschnitt: Verstärkte Erfahrungen.
134
Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
Zudem war die Verteilung der Einstellungsmuster innerhalb der einzelnen Felder von Interesse, um erste Zusammenhänge zwischen den Machtpotenzialen und dem Diskursverlauf abschätzen zu können. Wie zu erwarten, kamen die meisten eindeutig befürwortenden Stellungnahmen von Vertreterinnen der Frauenbewegung. Die aus dem universitären Feld stammenden Stimmen lassen sich jener Grauzone zuordnen, in der sich die bedingt befürwortenden bzw. bedingt ablehnenden Stellungnahmen fanden, wobei eine leichte Tendenz zur Befürwortung festzustellen war. Bei den akademischen Berufsfeldern ist diese Grauzone der Einstellungsmuster demgegenüber schwächer ausgeprägt; stattdessen tritt hier eine stärkere Polarisierung zwischen generellen Befürwortern und Gegnern zutage. Der Anteil befürwortender Aussagen aus allein drei Feldern bewirkte innerhalb des gesamten Diskursfeldes Synergieeffekte, die in der Summe zu einer deutlichen Verschiebung der Sagbarkeitsschwellen während der 1890er Jahre führten, wie insbesondere im Kapitel zur Diskursdynamisierung zu sehen sein wird. Es lassen sich Zusammenhänge zwischen sozialstrukturellen Merkmalen und der Einstellung zum Frauenstudium ausmachen: So konnte gezeigt werden, dass soziale Akteure aus einem besitzbürgerlichen Milieu eine deutlich erkennbare Tendenz zu befürwortenden Einstellungen aufwiesen. Die Masse der Akteure aus einem bildungsbürgerlichen Herkunftsmilieu hingegen besaßen stärkere Vorbehalte. Im Zusammenhang mit Religion zeigt sich unter Akteuren aus einem jüdischen Familienmilieu ein ausgeprägt liberaler Bildungsgeist, der eine Offenheit für das Frauenstudium zur Folge hatte. Schließlich lässt sich hinsichtlich der Altersstruktur eine deutliche Tendenz zu befürwortenden Aussagen bei den nach 1850 Geborenen feststellen. Der unterschiedliche Erfahrungsraum älterer und jüngerer Generationen scheint bei der Akzeptanz der sich vollziehenden sozialen Veränderungsprozesse eine bedeutsame Rolle gespielt zu haben. Hinsichtlich der geografischen Sprechorte und sozialen Hierarchien ergeben sich verschiedene Eintrittsbedingungen zum Diskursfeld: Unter den Sprechorten überwiegt Preußen; Berlin bildete das Zentrum des Diskursfeldes; Wien und München treten entsprechend ihrer Bedeutung innerhalb der Universitätslandschaft in Erscheinung. Bedeutsame Universitätsstandorte wie Leipzig sind hingegen deutlich unterrepräsentiert. Als prominenter Sprechort macht sich Zürich bemerkbar, allerdings nur innerhalb des universitären Feldes – offenbar gab es starke Anreize für die dortigen sozialen Akteurinnen und Akteure, als Sprechende am Diskursfeld teilzunehmen. Wenn sich Autoren aus dem universitären Feld äußerten, dann waren es zumeist ordentliche Professoren. Auch innerhalb der Frauenbewegung dominiert Berlin. Zudem zeichnen sich die institutionellen Führerinnen der Bewegung durch Mehrfachpublikationen aus, was auf einen leichteren Zugang zum Diskursfeld hindeutet. Eine Besonderheit sind die mit Publikationen vertretenen Ärztinnen, die sich zwar einem akademischen Berufsfeld zuordnen lassen, jedoch aufgrund ihres Außenseiterinnenstatus in diesem Feld eher als Vertreterinnen der Frauenbewegung zu klassifizieren sind. Generell lässt sich zu den sozialen Eintrittsbedingungen zu den jeweiligen Feldern sagen, dass die Akteurinnen und Akteure überwiegend einem städtischen, bildungs-
Fazit: Die Konstruktion bildungsbürgerlicher Phänomenstrukturen
135
bürgerlichen, protestantischen Milieu mit liberaler oder nationalliberaler Prägung angehörten. Trotz langsamer sozialer Öffnungsprozesse zeichnete sich dieses städtische Bildungsbürgertum im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts noch immer durch ein beträchtliches Maß an Selbstrekrutierung aus. Demzufolge findet sich unter den Sprechenden ein hoher Anteil an Akademikerinnen und Akademikern: Von den 259 identifizierten Autorinnen und Autoren konnten 177 eine akademische Bildungskarriere vorweisen. Von den 82 Autorinnen und Autoren ohne universitäre Bildung waren 51 Frauen, die deutlich geringere Chancen auf einen höheren Bildungsabschluss besaßen. Bemerkenswert ist es daher, dass sich dennoch 22 Frauen mit einem Doktortitel unter den insgesamt 86 Autorinnen finden lassen und 13 weitere Frauen eine Universität besucht hatten. Von den 556 Personen, die indirekt durch Umfragen, Gutachten oder Parlamentsreden zu den Aussagen im Diskursfeld beitrugen, besaßen 437 einen akademischen Bildungshintergrund; 385 hatten einen akademischen Titel (226 Ordinarien, 55 Nicht-Ordinarien, 104 Doktoren). Von den 119 Personen, bei denen keine universitäre Bildungserfahrung nachgewiesen werden konnte, waren 52 Frauen – doch auch bei diesen lässt ihre Sprache auf ein inkorporiertes Bildungswissen schließen, das vielleicht nicht an Gymnasien oder Hochschulen erworben worden war, jedoch einen bildungsbürgerlichen Familienhintergrund verrät. Es verbleiben 66 männliche soziale Akteure, bei denen kein Universitätsbesuch nachweisbar ist – wozu allerdings beiträgt, dass von 39 dieser Akteure keine oder kaum biografische Daten ermittelt werden konnten. Das Thema der akademischen Frauenbildungsfrage war eingebettet in bildungsbürgerliche Phänomenstrukturen, die sich hinsichtlich einer aktiven Teilnahme am Diskursgeschehen in einem stark nach außen hin abgeschlossenen Diskursfeld etablierten. Dies wird umso deutlicher, wenn die Zahl bildungsbürgerlicher Akteurinnen und Akteure im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung betrachtet wird – so machten Bildungsbürger/innen trotz zahlenmäßiger Verdopplung während des Kaiserreichs kaum mehr als etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung aus.205 Aus diesem Befund leiten sich die bereits in der Einleitung skizzierten Thesen für die weitere Heuristik der Untersuchung ab: So ist anzunehmen, dass Frauen nach Eintritt ins universitäre Feld kein Interesse daran besaßen, den soziokulturellen Charakter dieses Feldes grundlegend zu ändern. Auch innerhalb akademischer Berufsgruppen dürfte ein gewisser Opportunismus bzw. ein Interesse an einer Anpassung an die etablierten Strukturen soziokultureller Auslese vorgeherrscht haben. So waren Frauen innerhalb der von ihnen gegründeten Berufsverbände ebenso wie Männer an einer Festigung ihrer Berufskarrieren und einer Steigerung von Prestige interessiert. Durch die Etablierung spezifisch weiblicher Tätigkeitsfelder blieben zudem bestehende Weiblichkeitsvorstellungen bewahrt und die Konkurrenz zu männlichen Kollegen ließ sich abschwächen. Das Fehlen einer in soziokultureller Hinsicht radikalen Agenda bot die Möglichkeit zur Übereinkunft mit
205 Vgl. Wehler (1995), S. 128, 705.
136
Machtpotenziale: Soziale Charakteristiken des Diskursfeldes
sozialen Akteuren, die noch Vorbehalte gegen ein Studium von Frauen besaßen. Prinzipielle Gegner waren jedoch trotz dieser gemäßigt-liberalen Agenda nicht zu einer Abkehr ihrer reaktionären Einstellungen bereit – allerdings verstummte diese Gruppe im Diskursfeld nach der Zulassung der Frauen zum Studium im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Da es sich hier höchstens um zehn Prozent der männlichen sozialen Akteure gehandelt haben dürfte, wie die untersuchten Einstellungen der im Diskursfeld vertretenen Hochschullehrer vermuten lassen, werden die Frauen nach Eintritt in die entsprechenden Institutionen gewusst haben, wie ihnen aus dem Weg zu gehen war.206 Die Analyse der Machtpotenziale im Diskursfeld provoziert weitere Fragen, die sich unter der quantifizierenden Perspektive des ersten Kapitels nicht beantworten lassen: Auf welche Weise stellte sich ein Konsens innerhalb des Diskursfeldes her, der zur Marginalisierung gänzlich ablehnender Aussagen geführt zu haben scheint? Wo lagen Veränderungsvektoren innerhalb der bildungsbürgerlichen Phänomenstrukturen und Deutungsmuster? Welche Problemverschiebungen und Lösungsansätze entstanden mit dem Konsens einer Zulassung von Frauen zum Studium?
206 Ein Problem ging mit dieser sogenannten Damensperre dennoch einher: Denn gewisse Vorlesungen mussten besucht werden, um einen Studienabschluss erlangen zu können. Vgl. Bäumer (1954), S. 145–147; exemplarisch die biografische Schilderung von Berthold (1969), S. 18.
III. Wissensbestände: Die Vermessung der akademischen Frauenbildungsfrage Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Machtpotenziale der verschiedenen relevanten institutionellen Felder aufgezeigt worden sind, sollen nun inhaltliche Dimensionen untersucht werden: Die verschiedenen Abschnitte dieses Kapitels rekonstruieren das Spektrum der innerhalb des Diskursfeldes auffindbaren Phänomenstrukturen, bestehend aus Problemdefinitionen, Handlungs- und Lösungskonzepten sowie adressierten Verantwortlichkeiten und klassifizierenden Zuschreibungen.1 Zwar waren keineswegs alle aufgeführten Phänomene für alle Beteiligten gleichermaßen problematisch, doch ein regelmäßiges Auftauchen von Problemdefinitionen sorgte für einen wechselseitigen Bezug zwischen Diskursen und Gegendiskursen. Wenn Akteurinnen und Akteuren mit großer Definitionsmacht spezifische Probleme konstituierten, dann mussten sich andere Sprechende zu diesen Problemen verhalten, selbst wenn sie damit lediglich dessen Relativierung bezweckten. In den Grundzügen wurden die Phänomenbereiche zwar als problematisch anerkannt, in Detailfragen hingegen waren verschiedene Deutungen möglich. Neben eine deskriptiv-zergliedernde Analyseebene der Phänomenstrukturen tritt daher im Fazit dieses Kapitels eine interpretativ-verbindende Ebene der Deutungsmuster.2 Die Einteilung der folgenden Abschnitte erfolgt entlang von vier Phänomenbereichen: Gesellschaft, Geschlecht, Bildung sowie Grenzbereiche des Wissens. Gesellschaft umfasst Elemente aus den Bereichen Wirtschaft, Familie, Staat, Recht und Kultur. Bei Geschlecht und Bildung handelt es sich um Teilbereiche, die quer zu den zuvor beschriebenen Gesellschaftsphänomenen liegen und in ihrer Perspektive tiefer reichen. Die im vierten Abschnitt dargestellten Grenzbereiche des Wissens standen in einer raumzeit1
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Zitate einzelner Akteurinnen und Akteure sind fortan exemplarisch: Sie machen auf Phänomenstrukturen aufmerksam, die charakteristisch für einen größeren Personenkreis waren. Über die Nennung von Sprechorten sowie Berufsbezeichnungen erfolgt eine Anbindung an die Machtpotenziale institutionalisierter Felder. Deutungsmuster greifen auf die Elemente der Phänomenstrukturen zurück und offenbaren die Wertebezüge, die verschiedene Phänomenstrukturen miteinander in Verbindung bringen. Für eine abschließende Einschätzung vorhandener Aktivierungspotenziale vgl. Kapitel V, 1. Abschnitt.
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Wissensbestände: Die Vermessung der akademischen Frauenbildungsfrage
lichen Distanz zum Diskursfeld und konnten gerade wegen ihres Entrücktseins ein sehr flexibles Aktivierungspotenzial entfalten.3 1. Gesellschaft: Ordnung im sozialen Wandel – Wandel der sozialen Ordnung Am Anfang dieser Zeitepoche steht einerseits die französische Revolution, die den starken Umschwung auf politischem Gebiet einleitete, und andererseits die Einführung der Maschinentechnik in die englische Spinnerei und Weberei, die den gewaltgen Umschwung auf wirtschaftlichem Gebiet anbahnte, den wir mit dem Wort ‚Maschinenzeitalter‘ zusammenfassen. Rückblickend können wir also ungefähr einen Anfang der jetzigen Uebergangsepoche feststellen, aber wir können nicht voraussehen, wann diese Uebergangszeit beendet sein wird, wann einmal eine neue, zeitweilig ruhigere Stufe der Menschheitsentwicklung nach dem Gären und Drängen der Gegenwart erreicht sein wird. Wir müssen uns aber bewußt bleiben, daß wir in einer Uebergangszeit leben, mit aller Größe, aber auch mit aller Tragik solcher Entwicklungsstadien. Else Lüders (Frauenrechtlerin), Berlin 19134
Die Angehörigen jeder Generation fühlen sich als neue Menschen, als Menschen eines Übergangs zwischen überwundener Vergangenheit und noch nicht eingelöster Zukunft. Alte Werte und Normen sind niemals sofort die Werte und Normen der Jugend – wer niemals die Grenzen der bestehenden Ordnung überschritt, kann sich kaum frei zu ihnen bekennen. Unter der Jugend, auch und insbesondere unter der akademischen Jugend, gehörten Grenzüberschreitungen zum festen Repertoire universitärer Sozialisation, wie die Disziplinarakten der Universitätsarchive bezeugen. Dennoch lässt es sich mit dem Verweis auf derlei Konstanten nicht so einfach über die zeitgenössische Diagnose einer Übergangsepoche hinweggehen, für die exemplarisch das Eingangszitat der Frauenrechtlerin Else Lüders steht und dem sich noch Dutzende ähnliche Zitate zur Seite stellen ließen.5 Der gesamtgesellschaftliche Übergang vollzog sich zwischen zwei Polen: der Wirtschaft und der Kultur. Beide erzeugten in ihrem wechselseitigen Verbund ein Kraftfeld, das die familiale, staatliche und rechtliche Ordnung in eine neue Zeit drängte. Die Gesellschaft der 1890er Jahre besaß schließlich weit größere
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So war es beispielsweise für die sozialen Akteurinnen und Akteure weitaus schwieriger, die Vergangenheit oder die Zukunft als klar umrissenen Phänomenbereich zu definieren. Beide sind weniger das Objekt als vielmehr das Mittel des Kampfes zur Erlangung von Deutungsmacht. Beim Ausland handelte es sich um einen räumlich entrückten Phänomenbereich, der entweder als Vorbild zur Selbstbestimmung oder als Abgrenzungsfolie aktiviert werden konnte. Lüders (1913), S. 309. Zum Schwanken zwischen Veränderung und Beharrung in dieser Zeit vgl. Herrmann (1991).
Gesellschaft: Ordnung im sozialen Wandel – Wandel der sozialen Ordnung
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Gemeinsamkeit mit der Gesellschaft der ersten Hälfte des 20. als mit der des frühen 19. Jahrhunderts.6 Trotz Gründerkrach 1873 und anschließender Großer Depression (1873–1896) prägte das Kaiserreich eine langanhaltende Phase der Hochindustrialisierung, die sich in einem stetigen Ausbau der industriellen Leitsektoren im Eisenbahnwesen, der Stahlproduktion, Kohleförderung und im Maschinenbau allerorten zeigte. Der Wandel vom Agrar- zum Industriestaat trieb immer neue Massen vom Land in die Städte, in deren Schmelztiegeln und Hochöfen die letzten Reste einer ständischen Gesellschaftsordnung zu verdampfen schienen. Hatten Karl Marx (1818–1983) und Friedrich Engels (1820–1895) diese Entwicklungen bereits 1848 im Kommunistischen Manifest prognostiziert und programmatisch das neu entstandene Proletariat auf einen bevorstehenden Klassenkampf eingeschworen, so zeitigten die 1890er Jahre nochmals eine immense Beschleunigung dieser Veränderungsprozesse:7 Neben einem Wandel der politischen Kultur, zunächst durch den neuen Kurs unter dem Reichskanzler Leo von Caprivi (1831–1899) und seit 1894 durch die konservative Politik des persönlichen Regiments des jungen Kaisers Wilhelm II. (1859–1941), trat das Reich angefeuert durch eine elektrochemische Industrialisierungswelle in eine lang anhaltende Phase der Hochkonjunktur.8 Dies geschah vor dem Hintergrund einer allgemein wachsenden Weltwirtschaft, deren globale Ketten der Kapitalverwertung bereits durch die beiden Weltwirtschaftskrisen der Jahre 1857 und 1873 klar zutage getreten waren. Nationaler Protektionismus und eine staatliche Stärkung der Binnenmärkte nährten vor allem auf konservativer Seite die Illusion einer unilateralen Kontrollierbarkeit der Finanzströme. Imperiale Landnahmen erschlossen Rohstoffe für das Heimatland und stützten zugleich die integrative Kraft eines kulturell unterfütterten Nationalismus, der den Primat deutscher Kultur gegen die materialistische Zivilisation der anderen Großmächte unter Beweis stellen sollte.9 Die integrative Kraft des Nationalismus hatte ihre Grenzen und konnte nur in ihren extremen Formen die zentrifugalen, die bisherigen sozialen Bande desintegrierenden Kräfte der Wirtschaft kompensieren. Im Innern des Reiches verfestigten sich sozialstrukturelle Differenzierungen, die nach außen hin sichtbar waren durch kulturelle 6 7
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Zur Kritik am „langen 19. Jahrhundert“ in bildungsgeschichtlicher Perspektive vgl. Groppe (2018), S. 38. „Der Fortschritt der Industrie […] setzt an die Stelle der Isolierung der Arbeiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Assoziation. Mit der Entwicklung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst hinweggezogen, worauf sie produziert und die Produkte sich aneignet. Sie produziert vor allem ihren eignen Totengräber.“ Marx/Engels (2009 [1848]), S. 31 f. Der neue Kurs bezeichnet eine innenpolitische Neuorientierung während der Kanzlerschaft Caprivis: Mit Reformen auf den Gebieten des Arbeitsschutzes bzw. Arbeitsrechts, der Gemeindeordnung sowie der Steuergesetzgebung sollten soziale Konflikte abgemildert werden. Vgl. Wehler (1995), S. 595, 614, 617. Vgl. Hobsbawm (1989), S. 61–65.
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Distinktion. Zwar bot die bürgerliche Lebensform ein großes Anziehungspotenzial und tatsächlich schafften es zunehmend berufliche Aufsteiger aus den unteren Mittelschichten, dieser Lebensform zu entsprechen, doch blieb die Gesellschaft dauerhaft in verschiedene Klassen mit eigenen kulturellen und politischen Milieus gespalten. Neben den Fahrstuhleffekt eines allgemeinen sozialen Aufstiegs trat ein Rolltreppeneffekt, der die ohnehin Vermögenden weiter an Reichtum zunehmen und die Armen sowie die neue, schmale Mittelschicht in ständiger Angst vor dem sozialen Ruin leben ließ.10 „Mit aller Größe, aber auch mit aller Tragik“ drängte und gärte es.11 Unter der bildungsbürgerlichen Elite herrschte Angst: Würden jene Veränderungsprozesse zu einem Überdruck führen, der den gesellschaftlichen Umsturz einleiten und die herbeigesehnte und herbeigefürchtete neue Zeit in einem gewaltigen Sprung einholen könnte? Die Rede von der Kulturnation beschwor eine Harmonie geistiger Gemeinschaft, die gegen das ständige Rezitieren von Revolutions- und Umbruchsalbträumen in Stellung gebracht wurde. Das Problem der bürgerlichen Übergangsmenschen bestand in der unklaren Vorstellung vom Charakter des Neuen sowie von der Dauer der Transformationsphase: „Wie weit geht dieser Umschwung?“, fragten sich auch jene, die an Veränderungen im Sinne bürgerlicher Zielutopien interessiert waren.12 Nun wäre dies keine Diskursanalyse, wenn die sozioökonomischen Strukturen als starre Determinanten dieser Entwicklungsprozesse begriffen würden. Nicht nur die Wirtschaft allein drängte in die neue Zeit. Die diskursiven Deutungen einer ökonomischen Pfadabhängigkeit begleiteten diese Entwicklung. Daraus resultierte schließlich der Unwille zu einer grundsätzlichen Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung, die über bescheidene sozialreformerische Maßnahmen hinausgingen. Vor dem Hintergrund dieser holzschnittartig skizzierten Transformationsprozesse muss das nun folgende Spektrum bildungsbürgerlicher Phänomenstrukturen und Deutungsmuster betrachtet werden. Kulturfragen waren nicht nur bloßes Abbild der sozialen Verhältnisse, sondern standen in Interdependenz zu ihnen – denn nur so lässt sich die spezifisch deutsche Antwort auf die akademische Frauenbildungsfrage im internationalen Kontext verstehen. Auf diese Weise von einer soziokulturellen Wechselwirkung zu sprechen, heißt das Diskursive als den Versuch eines Verstehens und Domestizierens des Sozialen zu betrachten: Indem über die soziale Welt gesprochen und verhandelt wurde, veränderte sich diese Welt auf eine Weise, die neue Probleme hervorrief und damit neue Deutungen notwendig machte. Die materialistische Ebene des Sozialen und die diskur10
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Vgl. Wehler (1995), S. 712, 715. Das Bild des Fahrstuhls verkörpert den allgemeinen gesellschaftlichen Zuwachs an Wohlstand, von dem alle, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß profitieren. Die Rolltreppe hingegen verkörpert die Beharrungskräfte und Abstiegsgefahren für sozial schwächere Teile der Bevölkerung, die gegen die Rolltreppe anlaufen müssen, während es für Kapitalbesitzende leicht ist, ihr Vermögen zu vermehren. Zur Rolltreppenmetapher im Rahmen einer Gegenwartsanalyse vgl. Nachtwey (2016). Lüders (1913), S. 309. Gnauck-Kühne (1904), S. 13.
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siv-symbolische Ebene der Kultur bewegen sich in einem unaufhörlichen Kreislauf und dieser Kreislauf aus Wandel und Ordnung drehte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer schneller: bis heute hat er nicht aufgehört, sich zu beschleunigen. Wirtschaft: Die Frauenfrage als soziale Frage des gebildeten Mittelstandes Verordnungen, welche die Immatrikulation der Frauen umgehen wollen, würden binnen kurzem doch wieder aufgehoben werden müssen, denn sie schaffen einen Zustand, der auf die Dauer ganz unhaltbar ist, da unsere moderne wirtschaftliche Entwickelung eine durch derartige Ausnahmebestimmungen bedingte Einschränkung der Berufsthätigkeit der Frauen immer weniger gestattet. Anna Pappritz (1861–1939) und Katharina Erdmann, Frauenrechtlerinnen, Berlin 189913
Erlebbar war die skizzierte wirtschaftliche Entwicklung in zweifacher Hinsicht: Zunächst trat sie den Menschen in der Gestalt von Dingen gegenüber. Maschinen waren materialisierte Ideen bahnbrechender Erfindungen. Bedeutete Technik einst die kunstfertige Ausübung einer handwerklichen Tätigkeit, schien sie sich nun selbst in etwas Lebendiges verwandelt zu haben. Die Technik stieg von einem bloßen Hilfsmittel zur versinnbildlichten Triebkraft der „gewaltigsten aller Revolutionen“ auf,14 die bei ihrer umwälzenden Tätigkeit beständig Dampf atmete und ganze Legionen von Arbeiterinnen und Arbeitern verschlang. Von allem Schmutz und Lärm bereinigt, traten die Produkte schließlich als Waren ihren zukünftigen Besitzern und Besitzerinnen gegenüber, die aufgrund einer weltweit zirkulierenden Geld- und Kreditwirtschaft zunehmend kaufkräftiger wurden. Doch diese Zirkulation blieb den meisten Menschen weitgehend fremd – weshalb Marx die Dingwelt der Warenprodukte mit den wundersamen Fetischpuppen sogenannter Naturvölker verglich, deren esoterischer Charakter die gesellschaftliche Funktion ihrer Heiligkeit verschleierte. Die Menschen sahen die materiellen Ergebnisse wirtschaftlicher Entwicklung, den Prozess selbst jedoch spürten sie eher, als ihn zu begreifen – er ging ihnen an die „Seelenruhe“.15 Dem Gespür fehlte der begriffliche Kompass und so blieben die Triebkräfte nebulös: Es war die moderne Zeit oder es waren die modernen Verhältnisse, die mit der Notwendigkeit einer Naturgewalt zu den gewaltigen Umwälzungen führten. Doch die eigentliche Triebkraft lieferten weder Maschinen noch das Kapital. Das Wimmeln der in ihrer Arbeitsteiligkeit zerstreuten Arbeiter/-innen erzeugte den Mehrwert und hielt Maschinen- und Kapitalkreisläufe in Gang. In dieser arbeitenden Klasse 13 14 15
Pappritz (1899). Svetlin (1895), S. 2. Sybel (1885), S. 354.
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erblickten die Bildungsbürger/-innen die gefürchtete Avantgarde einer dystopischen Zukunft. Sie war der Gegenpol des Handelns und Hoffens aller sich als Bürger bzw. Bürgerin begreifenden Menschen, doch sahen diese Bürger/-innen in ihnen zugleich, zu was diese neue Zeit sie unweigerlich drängte: zur Verwertung brachliegender Arbeitskraft und damit zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit ihrer unbeschäftigten Töchter. In einem Referat auf der Gründungsversammlung des Akademischen Frauenvereins 1904 in Wien über „die materiellen Grundlagen des Frauenstudiums“ brachte die sozialdemokratische Studentin der Staatswissenschaften Helene Deutsch diesen Umstand ins Bewusstsein ihres Auditoriums:16 Zwar sei das Frauenstudium eine Angelegenheit der bürgerlichen Frauen, doch basiere es auf einer „Umgestaltung der Produktion“, welche die „Frau des Mittelstandes“ aus ihrer hauswirtschaftlichen Tätigkeit herausdränge, hin zum „öffentlichen Unterricht“, „zur Berufsarbeit“ und schließlich „auch zum Studium“.17 Das Schicksal der Arbeiterinnen schärfte die soziale Selbstwahrnehmung: Die Frauenfrage galt als die soziale Frage der sich selbst als „gebildeten Mittelstand“, als „gebildete Klasse“ oder auch altmodisch als „gebildeten Stand“ bezeichnenden Menschen, gerade weil im bildungsbürgerlichen Selbstverständnis die Arbeit des Geistes den einzigen Schutz bot vor den sozialen Abgründen körperlicher Arbeit.18 Ob als Fabrikarbeiterin oder Hausangestellte, die im Moloch der Großstadt verkehrende Arbeiterin stand, „von den Wogen des Lebensmeeres herumgetrieben“, beständig mit einem Bein in der Prostitution.19 Das Phänomen einer drängenden Bewegung oder zwingenden Umwälzung der sozialen Verhältnisse führt direkt zu damit verbunden Problemdefinitionen. Das Haus galt als die Domäne der Frau – dort oblag ihr das „Führeramt“.20 Die Bestimmung zur Gattin und Mutter war natürlicher Beruf – wenngleich die philanthropinistische Bildungstradition durch eine Erziehung zur Häuslichkeit in den höheren Mädchenschulen der Natur kräftig nachhalf. Während die Frau im Innern ein „freundliches Heim“ errichtete, sollte die Erwerbsarbeit des Mannes mit all ihren „Lasten und Widerwärtigkeiten und Unfällen“ dieses Heim von außen absichern.21 Dieses Idealbild, obwohl in seiner reinen Form mehr Mythos als Realität, bekam zunehmend Risse: Selbst der papsttreue Zentrumspolitiker Georg von Hertling (1843–1919) musste im Januar 1900 im Reichstag konstatieren, dass die „wirtschaftliche Grundlage des Vaterhauses vielfach nicht mehr 16
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Deutsch promovierte 1910 an der Universität Tübingen mit einer Arbeit zur Seidenindustrie in Österreich. Bei ihr handelte es sich nicht um die gleichnamige Psychoanalytikerin, die sich 1904 noch nicht an der Universität Wien aufhielt und bis zu ihrer Heirat mit Felix Deutsch 1912 den Nachnamen Rosenbach trug. Kulka (1904), S. 156. Pierstorff (1883), S. 425; Werner (1888), S. 30; Albert (1895), S. 33; während in der sozialistischen Theorie die Frauenfrage lediglich das kulturelle Pendant der sozialen Frage war und sich nur durch die vollständige Lösung dieser sozialen Frage beseitigen ließe. Vgl. Bebel (1909 [1879]), S. 8. Goldzieher (1895), S. 6; vgl. auch Walser (1985), S. 101. Waldeyer (1889), S. 42. Henius (1895), S. 614.
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breit und sicher genug ist“.22 Zudem driftete die häusliche Handarbeitsproduktion als eine traditionelle Zuverdienstmöglichkeit zum Familieneinkommen einer zunehmenden Preisentwertung durch billigere Industrieprodukte entgegen. Die „gebildeten Mädchen“ der Mittelschicht vergrößerten mit ihren gestickten, genähten, geklöppelten und gehäkelten Zierwaren als Produkten häuslicher Erziehung das Elend der armen Handarbeiterinnen, die tatsächlich auf den schmalen Verdienst angewiesen waren.23 Die Umstellung von einer „Naturalwirtschaft“ zur „Geldwirtschaft“ führe zu einer „Vernichtung der alten Art des Haushaltens“ und einem Freiwerden „weiblicher Arbeitskräfte“, referierte der Nationalökonom Hans Scheel (1839–1901) in seiner Rektoratsrede an der Universität Bern bereits im November des Jahres 1873 vor dem Hintergrund der aufziehenden weltweiten Wirtschaftskrise24 In den folgenden Jahrzehnten verbreitete sich der Topos einer „Vernichtung der Hausarbeit“,25 sodass der Eindruck entstehen konnte, die Frauen und vor allem die Töchter säßen zu Hause nervös gelangweilt auf ihren Kanapees. Backen, Buttern, Schlachten, Räuchern, Einmachen, Waschen – das alles würde durch außerhäusliche Dienstleistungen übernommen, so die landläufige Erzählung.26 Tatsächlich wurden im Haushalt schon lang keine Güter des täglichen Lebensbedarfs mehr produziert, das sahen auch Frauenrechtlerinnen wie Lange so, die durch die „moderne Großindustrie“ die alten Formen häuslicher Produktion verschwinden sah27 Die urbanisierten Verhältnisse boten ohnehin kaum die Mittel für eine klassische Hauswirtschaft.28 Diesen Umstand kompensierten zumindest teilweise die gestiegenen repräsentativen Ansprüche an den bürgerlichen Haushalt, der zudem immer weniger Mittel zur Beschäftigung von Dienstmädchen bereithielt.29 Deshalb gehört der Mythos vom Verschwinden der Hausarbeit zum romantischen Klischee eines vor allem durch Männer verbreiteten modernisierten Hausfrauenbildes, dessen negative Kehrseite wiederum das Bild des unzufriedenen, missvergnügten und putzsüchtigen Hausdrachens war. Wenn schon die Hausarbeit nicht gänzlich verschwand, so verkleinerte sich doch der Haushalt. Als Produktionsstätte konnte er unverheiratete Töchter und alte Tanten versorgen, im Rahmen einer Kleinfamilie war dies kaum der Fall. Dies betraf vor allem den Teil der besseren Stände, die über höhere Bildungsabschlüsse verfügten und diese als freiberufliche Akademiker oder als Staatsbeamte zu ökonomischem Kapital verwerten mussten. Besonders dem viel zitierten „Arzt, Ingenieur, Privatdozenten“ oder in Österreich dem „Sektionsrat“ war eine Versorgung unverheirateter Töchter oder
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Anonym (1900/01), S. 94. Weber (1888), S. 11. Scheel (1873), S. 7 f. Schmelzle (1896), S. 211. Vgl. Weiss (1892), S. 13. Lange (1896), S. 419. Vgl. Weiss (1892), S. 14. Vgl. Bussemer (1985), S. 40–45; zum Lohn von Dienstmädchen vgl. Wierling (1987), S. 90–96.
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Schwestern gar über den eigenen Tod hinaus schwer möglich.30 Eine Beamtenfamilie, die früh ihren Ernährer verlor und fortan in einfachen Verhältnissen zu leben hatte, galt als ein typisches Schreckbild. Für derlei Familien blieb die weibliche Erwerbsarbeit von Müttern und Töchtern der einzige Ausweg zur Existenzsicherung – so vorhandene Söhne selbst Geld für ihre Ausbildung benötigten und womöglich eine eigene Familie zu ernähren hatten.31 Die neuen Verhältnisse kamen wie ein Unwetter über die Menschen. Als Lösung schien sich ihnen einzig die Wahl der richtigen Kleidung als eine Anpassung an diese Naturgewalt anzubieten. Wenn es sich schon nicht vermeiden ließ, Frauen in die Erwerbsarbeitssphäre einzubeziehen, so sollte es sich zumindest um standesgemäße Berufe handeln, denen zuvorderst die unverheirateten Mädchen nachgehen sollten. Der stetig hervorgebrachte Vorschlag einer Büroanstellung im Apparat des Verkehrs-, Eisenbahn-, Post- und Telegrafenwesens galt selbst Verfechtern der alten Ordnung als angemessen.32 Von einer solchermaßen „wirtschaftlichen Selbstständigkeit“ schien es kein weiter Weg bis zum „manchesterlichen Standpunkt“ einer vollkommenen „Freiheit der Frauen auf ökonomischen Gebiet“.33 Die Gefahr entsittlichender und gesundheitsschädlicher Beschäftigungen, wie sie unter Arbeiterinnen gang und gäbe waren, sollte ebenso wie eine Anstellung verheirateter Frauen durch einen ausgeweiteten Arbeitsschutz nach Möglichkeit unterbunden werden.34 Insbesondere ein Konflikt zwischen Erwerbsarbeit und Mutterschaft sollte aus konservativ-bewahrender Sicht verhindert werden, da sich Tendenzen eines „gestörten Familienlebens“ bei den Arbeiterinnen bereits zur Genüge zeigen würden.35 Was sich dort ebenfalls zur Genüge zeige, sei eine die Frauenerwerbsarbeit begleitende Minderung der Arbeitslöhne, „erwiesenermaßen“ verursacht durch die geringeren „Lebensbedürfnisse des Weibes“.36 Aus dieser Perspektive lag es nahe, die „Entartung des freien Wettbewerbes“ als einen Circulus vitiosus zu deuten, der die Dinge stetig schlimmer mache – der Idealtypus einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.37 Wem waren hier Vorwürfe zu machen und wer trug Verantwortung für diesen beklagenswerten Teufelskreis? Für die Frauenrechtlerin Ottilie von Bistram (1859–1931) war es das „Maschinenwesen“ des Mannes, das den Frauen ihre bisherige Arbeit aus der 30 31 32 33 34 35 36 37
Obwohl die zitierten Beispiele von Albert stammten, wurde sie fortan vielfach entgegen seiner Intention genutzt, um die These einer allein durch Männer finanzierbaren Familie zu widerlegen. Vgl. Albert (1895), S. 8; zur Kritik vgl. u. a. Hannak (1895), S. 8. Vgl. Bäumer (1954), S. 88, 102. Vgl. Bischoff (1872b), S. 3567. Müller (1894), S. 6. So sah die novellierte Reichsgewerbeordnung von 1891 im § 120b eine Trennung der Geschlechter vor. Schmelzle (1896), S. 212; andere Stimmen lobten die Leistung der Frauen beim Umgang mit dieser Doppelbelastung. Vgl. Binder (1892), S. 19. Kleinwächter (1896), S. 31. Otto Gierke, in: Kirchhoff (1897), S. 26.
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Hand nahm und sie in seine Domäne trieb.38 Was die Frauenbewegung anging, so galt sie den einen als notwendige Bedingung der modernen Zeit, für die anderen bedeutete sie den Urgrund allen Übels, der die Frauen ins „Joch männlicher Arbeit“ spanne und damit die Misere eigentlich erst auslöse.39 Was sich allen gleichsam offenbarte: Die ökonomische Frauenfrage in der Gesellschaft brachte eine „Familienfrage“ im Privaten hervor, denn die Familie galt als inneres Pendant des Wirtschaftsraumes.40 Familie: Die Heiratskrise der besseren Stände Das ganze Gerüste unserer Kultur baut sich auf die Familie auf. Es darf mithin nicht wunder nehmen, dass ein Mangel bei dem wichtigsten Mitgliede der Familie, der Frau, auch anderweitige Gebrechen zur Folge hat. „Dr. Philadelphos“ (Anonymus), Berlin 189141
Statistisch betrachtet, waren die „Versorgungsaussichten durch die Ehe“ vor dem Ersten Weltkrieg günstig, wie Hirsch 1920 in seiner Sozialhygiene-Studie zum Frauenstudium rückblickend konstatierte. Der sogenannte „Frauenüberschuss“ sei „gerade in den Jahren, in welchen die Frauen ihre Forderungen nach Zulassung zum Studium erhoben haben, im Rückgang begriffen gewesen“.42 Nun sprechen Zahlen nicht für sich, sowohl ihre Erhebung als auch ihre Rezeption unterliegen gewissen Vorannahmen und Interpretationen. Im Licht dieser Interpretationen gab es tatsächlich so etwas wie eine Eheoder Heiratskrise, die nicht nur von Befürwortenden des Frauenstudiums strategisch genutzt, sondern von einer Mehrzahl der Gegner/-innen als ein Problem betrachtet wurde.43 Laut landläufiger Meinung überstieg die Zahl der Frauen im Deutschen Reich, die der Männer. Nach Ludwig Büchner (1824–1899) waren es in den 1880er Jahren „bekanntlich“ eine Million.44 Daten aus Kürschners Staatshandbuch sowie dem Statistischen Jahrbuch schienen diese Wahrnehmung zu stützen, die bis zur Jahrhundertwende stabil blieb.45 In Österreich-Ungarn galt ein Überschuss von einer halben Millionen Frauen als gewiss.46 Als Ursachen wurden eine höhere Sterblichkeit unter Männern als Effekt von Krieg und schlechten Arbeitsbedingungen sowie eine männerdominierte Aus38 39 40 41 42 43 44 45 46
Bistram (1899), S. 26. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 32. Buschan (1896), S. 45. Philadelphos (1891), S. 2. Hirsch (1920), S. 24 f. Ein Überblick findet sich bei Haushofer (1895); eine wissenschaftlichen Analyse mit der Frage, wie das Phänomen der Ehelosigkeit die bürgerliche Geschlechterordnung veränderte, findet sich bei Kuhn (2002). Büchner (1885), S. 522 f. Vgl. Gnauck-Kühne (1891), S. 9. Vgl. Popper (1894), S. 4.
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wanderung genannt.47 Auch wenn es nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 zu keinen Kriegen kam, in denen in nennenswerter Zahl deutsche Soldaten starben und die Auswanderungszahlen eher abnahmen, sprachen Einzelne gar von einer stetigen Zunahme des Überschusses.48 Zudem war das Phänomen erzwungener Ehelosigkeit in ganz Europa verbreitet. Was lag daher näher, als dieses Phänomen als eine „unnatürliche Entwicklung“ und damit als ein Resultat sozialer und wirtschaftlicher Missverhältnisse zu betrachten?49 Da die Arbeiterschaft in ihren Umgangsformen weniger formell zu sein schien, musste es sich aus dieser Perspektive zudem um ein Mittelstandsproblem handeln.50 Der Deutschkonservative Georg Oertel (1856–1916) gehörte zu einer Minderheit, die das Problem öffentlich relativierte. In einer Reichstagsrede stellte er klar, dass die landläufig genutzten Daten lediglich die Rede von einem Frauenüberschuss in absoluten Zahlen rechtfertigen würden. Die Geschlechterverteilung unter den heiratsfähigen Jahrgängen der unter 25-Jährigen sei „ungefähr gleich“. Demnach sei die gesellschaftliche Funktion der Frauen, die er als Konservativer primär im Gebären und in der Erziehung von Kindern sah, von den wirtschaftlichen Verhältnissen unberührt.51 Galt der Überschuss an Frauen als das Hauptproblem der Heiratskrise, so gesellten sich zu diesem Umstand eine Reihe von Verstärkungsfaktoren. Beklagt wurde eine sinkende Heiratsfrequenz, die sich auf zwei Phänomene zurückführen ließ: Auf individueller Ebene diagnostizierten nicht wenige Autorinnen und Autoren eine Heiratsunlust der Männer, die sowohl Prostitution als auch uneheliche Kinder hervorbringe. Dabei handelte es sich bald nicht mehr nur um ein Problem des sittlichen Verhaltens einzelner Männer, sondern wuchs zu einem die ganze Volkshygiene gefährdenden Menetekel an, zu einem Zeichen der Schande und gesellschaftlichen Doppelmoral.52 Das zweite Phänomen wurzelte wiederum in den ökonomischen Verhältnissen. Die sinkende Zahl der Ehen im gebildeten Mittelstand wurde als eine Folge der Wartezeit in den Berufslaufbahnen gedeutet, die sich mit lang andauernder Ungewissheit verband und im schlimmsten Falle gar zum gänzlichen Verzicht auf Ehe und Familiengründung führte.53 Die anachronistisch wirkende Aussicht auf eine Mitgift erschien daher als ein entscheidender, wenngleich unmoralischer Faktor für den Gang zum Altar: Weibliche Tugend galt doppelt, wenn sie mit einem „ausgiebigen Geldsäckel beschwert“ daherkam.54 Für den in die USA ausgewanderten Ingenieur Fred R. Minuth verderbe der
47 48 49 50 51 52 53 54
Vgl. Müller (1894), S. 6 f. Tatsächlich erhöhte sich lediglich das Heiratsalter und erzeugte damit den Anschein einer Heiratsabnahme. Zur statistischen Widerlegung des Frauenüberschusses vgl. Kuhn (2002), S. 39 f. Vgl. Ritter (1893), S. 3 f. Gnauck-Kühne (1891), S. 2. Vgl. Swoboda (1895), S. 49. Anonym (1902d), S. 145. Vgl. Rauber (1898), S. 21–24. Vgl. Pierstorff (1892), S. 653. Kronfeld (1895), S. 31.
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„Mangel an Mammon“ regelrecht den Charakter.55 Geldheirat bedeutete vielfach nichts anderes als die „Prostitution in der Ehe“.56 Die Problemlage der Heiratskrise lag offen zutage, doch stellte sich im ökonomischen Sinne die Frage, wie der „Überschuss an weiblicher Bevölkerung“ einem gesellschaftlichen Nutzen zugeführt werden könnte.57 Das naheliegendste Lösungskonzept bestand in einer Stärkung der Selbstständigkeit von Frauen durch Berufsbildung, damit diese nicht länger als „Opfer des Standesdünkels“ die Folgen eines kurzsichtigen Elternhauses tragen müssten.58 Damit würde den Mädchen ein „Schatz“ auf ihren Lebensweg mitgegeben, der nicht nur zu einer Erhöhung der „Geistes- und Charakterbildung“ führe, sondern sie später als Mütter zu „treuen und wahren Lebensgefährtinnen“ mache.59 Erwerbstätigkeit vergrößerte die Möglichkeiten einer Liebesheirat und bot damit zugleich einen Ausweg aus dem moralischen Teil der Heiratskrise. Der unsittliche Grund von Eheschließungen konnte nur beseitigt werden, wenn die „heiligste und größte Sache“ auf einer Entscheidungsgrundlage beruhe, die frei sei vom Zwang sozialer Notwendigkeit.60 Während die ökonomische Selbstständigkeit die Liebesheirat anbahnte, bestand in der Bildungsgrundlage dieser Selbstständigkeit eine Ressource zum längerfristigen Gelingen der Ehe. Viele Männer sehnten sich danach, von ihren Frauen verstanden zu werden und dem romantischen Eheideal zweier sich gegenseitig ergänzender und eine Einheit bildender Liebender zu entsprechen:61 „Welcher Aufschwung wäre in einer Ehe zu erwarten, wo die Frau mit selbstständig geschultem Urtheil ihren Gatten stützt und fördert […].“62 Mit außerhäuslicher Emanzipation hatte dies nicht zwingend etwas zu tun: Nur wenn die Frau dem Manne ein „intellektuell und moralisch ebenbürtiges Wesen“ sei, bekenne sie sich frei zu der ihr zugewiesenen Rolle und erfülle diese umso besser – so die reaktionär eingestellte Frauenbewegungsgegnerin Sidonie GrünwaldZerkowitz (1852–1907).63 Zur Mutterrolle gehörte ganz im Geiste romantischer Bildungstradition, für die Persönlichkeitsentfaltung der Kinder Sorge zu tragen – vor allem die der Söhne.64 Ihre Rolle sollte die Frau dabei nicht mechanisch erfüllen, sondern organisch als ein wahrhaftiges Individuum, bei dem im Sinne Jean Pauls (1863–1825) „alles Herz“ sei, „sogar 55 56 57 58 59 60 61
62 63 64
Minuth (1900), S. 214. Swoboda (1895), S. 49. August Dorner, in: Kirchhoff (1897), S. 3 Buchner (1896), S. 429. Das Lebensmodell der ehelosen Berufsfrau wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhundert für bürgerliche Kreise denkbar. Kuhn (2002), S. 32, 58–63. Kuhnow (1896), S. 16. Weiss (1892), S. 9. Das Topos des gegenseitigen Verstehens prägte die Auseinandersetzung um die neue Moral, die zur Jahrhundertwende begann, und die bürgerliche Ehe problematisierte. Frauen forderten von ihren Männern, als vollwertige Persönlichkeiten ernstgenommen zu werden. Vgl. exemplarisch Dauthendey (1900). Lassar (1897), S. 10. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 27. Vgl. Greven-Aschoff (1981), S. 35; Albisetti (2007), S. 27 f.
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der Kopf “.65 Nur selbstständige Wesen bringen selbstständige Wesen hervor: Deshalb legt eigens „die Mutter den Grund zu all dem glänzenden Wirken, mit welchem dereinst der Sohn die Welt erfüllen und beherrschen wird“.66 Allein ihr oblag es, die in der „Kinderseele schlummernden Talente und Eigenschaften“ heranzubilden.67 Auf diese Weise gewendet, bot höhere Bildung eine „umfassendere und tiefer gehende Vorbereitung für den eigentlichen Beruf des Weibes“.68 Jenseits romantischer Verklärung stützten auch die neuesten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse derlei Thesen: So hieß es etwa, dass sich der „Einfluss der Menschenmütter“ auf Bildung und Geistesentwicklung der Kinder als eine entwicklungsgeschichtliche Tatsache begreifen lasse. Das geistige Vermögen des Frauenhirns erschloss sich als eine „Absicht der Natur“.69 Höhere Frauenbildung galt auch auf dem Gebiet der Haushaltung als eine „Bürgschaft für häusliches Glück“:70 Dienstboten mussten angewiesen und Einkäufe erledigt werden – dabei stand die Ausbildung „des mathematischen Verstandes im Interesse allgemeinen Familienglücks“.71 In diesem Sinne verglich der württembergische Landtagsabgeordnete Benedikt Freiherr von Hermann (1834–1913) bei seiner verhaltenen Fürsprache für eine Öffnung der Universitäten die gebildete Mutter mit dem gebildeten Landwirt, der gestützt auf die agrochemischen Erkenntnisse eines Justus von Liebig (1803–1873) seinen Gutsbesitz rational bewirtschaftet.72 Derlei Vorschläge waren kompatibel mit dem Ideal der geschlechtlichen Sphärentrennung: Höhere Bildung sowie die wirtschaftliche Selbstständigkeit während der Übergangsphase zwischen Elternhaus und Ehe standen nicht länger im Widerspruch zum natürlichen Beruf der Frau als Mutter, Gattin und Erzieherin. Dennoch gab es allerlei ausgefallene Lösungskonzepte am Rande dieses sich zur Jahrhundertwende anbahnenden Kompromisses: Anhänger/-innen eines orthodoxen Geschlechtermodells schlugen schon einmal die Entziehung des passiven Wahlrechts auf Reichsebene für unverheiratete Männer vor.73 Die beste Lösung der Frauenfrage betrachteten diese Herren und Damen in einer zwangsweisen Herstellung der alten Ordnung durch Verheiratung um jeden Preis: Denn „die natürlichste freie Bahn ist die, welche in die Enge des häuslichen Herdes führt!“74 Hierfür seien den bürgerlichen Töchtern die überzogenen Ansprüche durch eine Erziehung zur „Einfachheit, Sparsamkeit und Sittlichkeit“ gründlich auszutreiben.75 Um den Überschuss an Frauen auszugleichen, der dieser 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
Reuper (1878), S. 6. Sybel (1870), S. 13. Fehling (1892), S. 30. Reuper (1878), S. 4. Brühl (1883), S. 80. Gnauck-Kühne (1891), S. 20. Büchner (1876), S. 7. Vgl. Grimm (1893), S. 99. Vgl. Anonym (1902), S. 145. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 48. Buschan (1896), S. 46.
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„naturgemäßen Lösung“ im Wege stünde, galt selbst die Doppelehe einigen wenigen als legitime Lösung der Heiratskrise.76 Zudem müsse dem Phänomen der unehelichen Kinder durch eine Heiratspflicht Abhilfe geschaffen werden.77 Auf einer Sitzung des preußischen Staatsministeriums erwähnte der Finanzminister Johannes von Miquel (1828–1901) im Jahr 1898, der Kaiser vertrete die Ansicht, der „Überschuß an Frauen“ könne vielleicht „durch Übersiedelung in die Kolonien vermindert werden“. Zudem verhindere dies die Degeneration der deutschen Kolonialisten durch Verbindungen mit „eingeborenen Frauen“.78 Ob Bildungsreform, Heiratspflicht oder die vom populären Modephilosophen von Hartmann prominent vertretene Junggesellensteuer zur Lösung der Jungfernfrage, gefordert war der Gesetzgeber, der zwischen der kleinsten gesellschaftlichen Einheit der Familie und der größten Einheit des Staates maßvoll zum Wohle einer organischen Ordnung vermitteln sollte – und in dieser organischen Ordnung zogen Rechte zugleich Pflichten nach sich.79 Die oberste Pflicht von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern bestand in der biopolitischen Forderung nach Erhalt militärischer Wehrhaftigkeit und dies selbstredend in der jeweiligen Funktionssphäre – entweder durch die Zeugung von zukünftigen Soldaten oder durch die Bereitschaft zur Vernichtung des eigenen Körpers in den Stahlgewittern kommender Kriege: Derlei durch von Hartmann popularisierte Gedanken sahen den einzigen und unmittelbaren Beruf der Frauen darin, „dem Valerlande möglichst viele und möglichst tüchtige und wohlerzogene neue Bürger zuzuführen, um es im Kampfe um’s Dasein der Nationen konkurrenzfähig und siegreich zu machen.“80 Selbst konservative Aktivistinnen der Frauenbewegung wie Elisabeth Gnauck-Kühne (1850–1917) sahen kein Problem darin, die staatsbürgerlichen Rechte von Frauen an die Ausübung des Mutterberufes, also an ihre „reproduktiven Fähigkeiten“ zu koppeln.81 Staat: Vom Sinn des Individuums im Ganzen Ein Mann, der die für ihn geborene Weibeinheit nicht zur Ehe nimmt, schädigt sich selbst, schädigt die betreffende Weibeinheit, andere Weiber und den Staat, dem alle angehören. August Rauber (1841–1917) Professor für Anatomie, Dorpat 189882
76 77 78 79 80 81 82
Vgl. Alexander Freund, in: Kirchhoff (1897), S. 105; Grünwald-Zerkowitz (1900); dies. (1902), S. 48. Vgl. Reuper (1878), S. 20. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2003), S. 310. Penzoldt (1898), S. 7; zur Junggesellensteuer vgl. Hartmann (1886), S. 74; ders. (1896); zu weiteren Lösungsvorschlägen vgl. Kuhn (2002), S. 178–181. Pelman (1888), S. 29. Briatte (2020), S. 321. Rauber (1898), S. 17.
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Wann immer es um eine Erweiterung weiblicher Lebenssphären und damit um individuelle Entfaltungsmöglichkeiten ging, standen die Nöte von Staat und Gemeinschaft bereit, um dieses Drängen in seine Schranken zu verweisen. Als Mittel hierfür diente die zynische Übersteigerung der bestehenden Ordnung, um alle Gegenentwürfe in das Reich der Utopie zu verbannen: Für schallendes Gelächter sorgten kulturelle, ökonomische und politische Ansprüche zumindest bei Personen mit traditionellen Geschlechtervorstellungen immer dann, wenn Frauen ihren angestammten Platz verließen, um an die Universitäten, den freien Markt oder die Rednertribüne zu drängen. Der Neuhumanismus vermittelte im Rekurs auf die antike Ordnung, dass staatsbürgerliche Rechte mit dem Recht, Speer und Schild zu tragen, einhergingen: Ein „Amazonenkorps“ galt als eine lächerliche Vorstellung.83 Es könne doch nicht ernsthaft geglaubt werden, dass Frauen heutzutage wie die Frauen bei den „alten Germanen“ das Bedürfnis hegten, „mit in das Feld zu ziehen“.84 Überdies bewerteten es sowohl reaktionäre als auch konservative Positionen im Diskursfeld als ungerecht, wenn Frauen, die keinen Wehrdienst leisteten und somit nicht durch eine „Blutsteuer“ die „Staatslast“ trugen, zu einem früheren Zeitpunkt ihres Lebens zu akademischen Bildungstiteln und Berufen gelangen könnten als Männer.85 Dem Bildungsbürger bedeutete das Privileg des Militärdienstes als Einjährig-Freiwilliger viel und als unrechtmäßig angesehene Konkurrenz sollte es nicht entwerten.86 Gegen die Logik eines „Mord-Patriotismus“, wie Dohm dies nannte, gab es bis zur Mitte der 1890er Jahre kaum kritische Stimmen.87 Die Phänomenstruktur dieses Staatsdenkens lässt sich als organizistisch beschreiben:88 Die nach außen gerichteten Glieder des Staates waren männlich (machtvoll, 83 84 85 86
87 88
Fehling (1892), S. 22. Scheel (1873), S. 13. Kleinwächter (1896), S. 33 f; der Verweis auf die Wehrpflicht findet sich auch in der Argumentation von Juristen in ihren Stellungnahmen zur Habilitationsfrage. Vgl. Brinkschulte (1998), S. 54 f. Voraussetzung für den Einjährig-Freiwilligen Militärdienst war das Absolvieren der Sekunda an einer 9-klassigen Anstalt (Gymnasium oder Realgymnasium) bzw. der Prima an einer 6-klassigen Anstalt. Im Gegensatz zum normalen Militärdienst ermöglichte diese Dienstform die freie Wahl des Truppenteils sowie des Dienststandorts, das Wohnen außerhalb der Kaserne, ein Weiterverfolgen von Studien z. B. als immatrikulierter Student sowie vielfache Diensterleichterungen, die den Wegfall alltäglicher Verrichtungen betrafen. Nach der Dienstzeit konnte das Reserveoffizierspatent erworben werden, das als Eintrittskarte in die „gute Gesellschaft“ galt. Der 12-monatige Militärdienst musste selbstständig finanziert werden: Das machte die 1822 als Bildungsprivileg eingeführte Institution des Einjährig-Freiwilligen zu einem Besitzprivileg, da die Finanzierung etwa dem Jahresgehalt eines Volksschullehrers entsprach. Vgl. Mertens (1990), S. 223–225. Für eine Kontextualisierung, einen Forschungsüberblick sowie zur Frage der Bedeutung des Militärdiensts auf die Sozialisation bürgerlicher Männer vgl. Groppe (2018), S. 371–438. Dohm (1874), S. 172. Der Begriff des Organischen unterstreicht die Vorstellung einer natürlichen Entwicklung. Kritiker derartiger Denkfiguren wie Treitschke verwarfen diese Analogie, weil sie aus der Naturwissenschaft stamme und weil sie die Vorstellung einer automatisch sich vollziehenden Staatsentwicklung impliziere – gegen derlei Automatismen stand bei ihm der „Wille“ als „Wesen des Staates“. Vgl. Treitschke (1899), S. 28; solche Denkweisen tendireren dazu, bestimmte Bevölkerungsgruppen auszuschließen. Vgl. hierzu Postone (1988), S. 249.
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willensstark, wehrhaft), die innen liegenden Bereiche hingegen weiblich (harmonisch, gefühlvoll, behütend).89 Das Gebiet der Frau ist das scheinbar enge und einförmige des inneren häuslichen Lebens; die Domaine des Mannes ist die weite Welt da draußen, die Wissenschaft, die Rechtsordnung, der Staat.90
Wenn einzelne Elemente an die Oberfläche des männlichen Staates drangen, erschien dies als eine pathologische Verfallserscheinung, die das Gleichgewicht einer gesunden Ordnung unterminierte.91 Den Neigungen einzelner Individuen konnte nur so viel Spielraum zugestanden werden, wie es das Beziehungsgeflecht der Gesamtheit erlaubte:92 In dieser Ordnung war die Familie „staatsbildendes Element“.93 Es handelte sich bei ihr um ein weibliches Reproduktionsorgan und somit um die Grundlage des „ganzen gesellschaftlichen und staatlichen Lebens“.94 Frauen als die Verantwortlichen für das häusliche Wohl der Familie waren somit die „wichtigsten Personen im Staate.“95 Der ihr unterstellte konservative Geist und ihr gesunder Körper betrafen dessen genuines „Lebensinteresse“.96 In diesem Sinne erschien das Frauenstudium als Experiment mit möglichen Spätfolgen zum „Schaden der Nation“.97 Was sich hingegen an der männlichen Oberfläche unter dem Staat verstehen ließ, zielte auf die aktive „Machteinheit“ als eine Leitungs- und Entscheidungsebene mit angegliedertem Bürokratieapparat.98 Die Vertreter/-innen eines solchen Staatsdenkens sahen in der politischen Opposition eine gemeinschaftsgefährdende Krankheit.99 Die Angst ging um vor einer Zersplitterung oder „Atomisierung der Gesellschaft“.100 Solange hingegen die Integrationsfunktion der Familie gewahrt bliebe, wäre das Immunsystem intakt. Solche Positionen wurden vor allem gegen die Sozialdemokratie in Anschlag gebracht.101 Wenn Bebels erstmals 1879 erschiene Schrift zur Stellung der Frauen im Sozialismus eines bewiesen hatte, dann, dass die Sicherung der materiellen Existenz der Väter zugleich die Lebens-
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Zur organischen Staatstheorie vgl. Ley (1999), S. 25–29; zur Metapher des Organismus als Beschreibung des Verhältnisses von Bundesstaaten und Reich vgl. John (2012), S. 73–79. 90 Sybel (1870), S. 13. 91 Vgl. Otto Gierke, in: Kirchhoff (1897), S. 27. 92 Vgl. Späth (1872), S. 1117. 93 Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 37. 94 Anonym (1900b). 95 Kreyenberg (1873), S. 404. 96 Vgl. Herkner (1899), S. 251; Moses (1909), S. 14. 97 Pochhammer (1893), S. 12. 98 Gnauck-Kühne (1891), S. 7. 99 Vor allem konservative Gelehrte bevorzugten vermeintlich überparteiliche Bewegungen zum „Gesamtwohl des Staates“. Schwabe (1988), S. 23. 100 August Dorner, in: Kirchhoff (1897), S. 3. 101 Vgl. Fehling (1892), S. 24.
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sicherung des Staates bedeutete.102 Denn überall dort, wo wirtschaftliche Not herrsche, fließe Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie.103 Aus dieser bewahrenden Perspektive entstand im Staatswesen ein problematisches Ungleichgewicht: Wenn einem Organ etwas zugestanden würde, hätte dies die stärkere Belastung eines anderen Organs zur Folge. Eine Finanzierung von Frauenbildung zöge somit entweder eine Erhöhung der Staatskosten nach sich, die aufseiten männlicher Ausbildung zur Unterfinanzierung führe, oder das Bildungsniveau sinke bei gleichbleibender Finanzlage für alle Beteiligten. Da der Mann als Ernährer der Familie galt, bestand die Priorität aufseiten männlicher Bildungswege. Würden diese staatsfinanzierten Bildungswege, bestehend aus Gymnasien und Hochschulen, durch eine Zulassung von Frauen belastet, verstärke dies die wirtschaftliche Not der Männer mit all den befürchteten Schäden für Familie und Staat. Das Bild wäre unvollständig, wenn es allein beim organizistischen Staatsdenken bliebe. Die Phänomenstrukturen weisen auf einen ambivalenten Staatsbezug in bildungsbürgerlichen Kreisen hin, der zwischen universell-liberalen und partikular-nationalistischen Standpunkten schwankte.104 Die Schilderung der Situation von freiberuflichen Akademikern, die zwar einem altliberal-autonomen Berufsethos anhingen, den Staat jedoch zum Erhalt ihrer akademischen Karrierewege benötigten, brachte diese Ambivalenz bereits im zweiten Kapitel (Machtpotenziale) dieser Studie zum Vorschein. Das Pendant zum organizistischen Staat, ob in seiner älteren feudal-obrigkeitsstaatlichen oder seiner neueren völkisch-nationalistischen Spielart, bestand im liberalen Staat als einer Sicherungsinstanz individueller Rechte: „Der Staat muß Freiheit geben und Spielraum für das individuelle Leben […].“105 Zur freien Entfaltung des Individuums gehörte die freie Wahl des „Lebensberufes“.106 Rechtsstaatlichkeit avancierte zum Inbegriff eines modernen Staates.107 Zwar bildete das Deutsche Reich in seinen Grundstrukturen einen solchen modernen Rechtsstaat, aus Sicht der Frauen jedoch hatte diese Moderne noch nicht begonnen.108 Ihre Hoffnungen zielten auf den „Zukunftsstaat“, welcher der Hälfte seiner Bürgerschaft nicht länger ihre bürgerlichen Rechte vorenthielt.109 In dieser befreienden Perspektive lag das Problem in einem Überwiegen an Pflichten, da Staat und Kommunen beim Ein-
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Bebel erweiterte das Buch kontinuierlich. Vgl. Bebel (1909). Vgl. Kleinwächter (1896), S. 32. Tatsächlich gab es keinen Zusammenhang zwischen prekärer Fabrikarbeit von Frauen und deren Mobilisierbarkeit für einen Eintritt in die SPD. Vgl. Evans (1979), S. 199–208. Vgl. hierzu die Ausführungen bei Wehler (2000), S. 89. Teichmüller (1877), S. 89. Morgenstern (1888), S. 17. Vgl. Ehrlich (1895), S. 710. Auch liberale Staatsdenker rechtfertigten den rechtlichen Ausschlusses von Frauen vgl. Ley (1999), S. 29 f. Weber (1888), S. 37.
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treiben von Steuern und Abgaben keinen Geschlechtsunterschied kannten.110 Da die bestehenden Lehranstalten mit den Finanzleistungen von Frauen betrieben würden, bestehe für diese ein Recht auf Teilnahme an deren Angeboten:111 „Was auf Kosten des ganzen Volkes erhalten wird, müßte auch jedem Gliede der Gemeinschaft offen stehen.“112 Mit ganz ähnlichen Argumenten wurde das Wehrpflichtproblem relativiert: So könne von einer „allgemeinen Wehrpflicht“ ohnehin keine Rede sein, da nicht alle Männer eines Jahrgangs eingezogen und zahlreiche Kandidaten für untauglich befunden würden.113 Das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter, das paradoxer Weise auch Gegner einer Zulassung von Frauen zum Studium mit dem Argument der Wehrpflicht betonten, werde vom Staat durch Ausschluss vom Wahlrecht und von der Mitgliedschaft in politischen Vereinen beständig verletzt.114 Zudem leisteten Frauen ihren Dienst fürs Vaterland, der ebenfalls lebensbedrohlich sein könnte, zwar nicht auf dem Schlachtfeld, aber dafür im Kreißsaal.115 Ein anderes Lösungskonzept sah einen weiblichen Ersatzdienst vor: So regte die mit dem Kolonialisten Carl Peters (1858–1918) zusammenarbeitende Schriftstellerin Frieda von Bülow (1857–1909) an, Frauen zwischen dem 18. und 22. Lebensjahr zum Dienst in einer öffentlichen Wohltätigkeitsanstalt zu verpflichten.116 Mit einem solchen „einjährig-freiwilligen Pflegejahr“ für bürgerliche Töchter wäre ein Pendant zum EinjährigFreiwilligen Militärdienst geschaffen.117 Hierzu sollte eine weitgehende Verstaatlichung der sozialen Fürsorgearbeit erfolgen, sodass „Krippen, Warteschulen, Kindergärten, Speiseanstalten für Kinder und für Erwachsene, Sonntagsheime, Mädchenheime, Haushaltsschulen, Nähschulen, gewerbliche Fortbildungsschulen im allerweitesten Umfange“ Frauen beschäftigen könnten.118 In derlei Vorschlägen zeigen sich zwei Pfade zur künftigen Ausgestaltung von Erwerbswegen für Frauen: Diese blieben auf den sozialen Sektor (Pflege, Erziehung, Elementarbildung) bzw. auf prekäre Teile des sekundären und tertiären Sektors (Fließband- und Handlangerarbeiten, Putzen, Nähen, Waschen) beschränkt und wurden gegenüber Arbeiten, die als männlich galten, ökonomisch abgewertet. Der Staat war als intervenierender Akteur gefragt, wenn es um die Regulierung von Konkurrenz ging. Derlei Vorstellungen vertraten auch Ärzte, denn die „Kraft des 110 111 112 113 114 115 116
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Vgl. Henrich-Wilhelmi (1892), S. 31; Cauer (1896), S. 209; Flesch (1898), S. 230; Poehlmann (1903), S. 639. Vgl. Braunmühl (1899), S. 6. Isidor Rosenthal, in: Kirchhoff (1897), S. 54. Vgl. Böhmert (1870b), S. 59. Vgl. Hermann (1872a), S. 16 f. Vgl. Lange (1896), S. 423. H. Kersten (1892), S. 33; zur Ideen einer „Frauendienstpflicht“ vgl. auch Schirmacher (1921), S. 74; Peters wurde 1895 für Kriegsverbrechen (neben Morden auch sexualisierte Gewalt) in DeutschOstafrika verurteilt, jedoch wenig später zum Entsetzen vieler Frauenrechtlerinnen rehabilitiert. Vgl. Briatte (2020), S. 323. Rehm (1901), S. 28. Weiss (1892), S. 31.
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Volkes“ hinge an der medizinischen Versorgung.119 So führe die „Verstaatlichung des ärztlichen Standes“ zu einer ausgewogeneren Verteilung der niedergelassenen Ärzte sowie zu einer festen Besoldung durch den Staat.120 Die genügsamen Frauen hätten ihren Dienst als Land- oder Fabrikärztinnen zu verrichten, ohne allzu sehr mit den Männern zu konkurrieren.121 Selbst im Sanitätsdienst waren somit Medizinerinnen denkbar.122 Nun erwuchs aus den verschiedenen Vorstellungen über die Steuerungs- und Regulierungsbefugnisse des Staates kein unüberwindbarer Antagonismus: Eine moralische Pflicht des Staates gegenüber dem Individuum bestünde zumindest dann, wenn der „natürliche Wirkungskreis“ kein Auskommen böte.123 Dieses vor allem vom Verein für Sozialpolitik (VfS) popularisierte Denken öffnete den Weg zum Interventionsstaat, der wirtschaftspolitisch regulierend zwischen Unternehmer- und Arbeiterinteressen vermitteln sowie durch sozialstaatliche Grundsicherungen die Härten kapitalistischer Produktionsweise abfedern sollte. Während einige Stimmen die Gründung staatlich finanzierter Mädchengymnasien und Frauenhochschulen forderten, setzten andere auf privat finanzierte Einrichtungen nach angelsächsischem Vorbild.124 Ein drittes Konzept, das ohne finanziellen Mehraufwand auskam, bestand in der Öffnung bestehender Universitäten.125 Attraktiv wurde diese letztgenannte Lösung durch die stetig wiederholte Zuversicht, es werde bei einer sehr geringen Anzahl studierender Frauen bleiben und der Staat habe alle Anreize zur Vergrößerung dieser Zahl tunlichst zu unterlassen.126 Dem gefährlichen Gesellschaftsexperiment ließ sich mit der Zulassung einiger weniger Frauen zur Universität, die dann als „Versorgungs-Anstalt für verfehlte Existenzen“ zu dienen hatte, der Stachel ziehen.127 Recht: Gerechtigkeit im Kampf ums Dasein Wenn fünf Millionen Frauen den Kampf ums Dasein kämpfen müssen, so ist es eine Grausamkeit und Ungerechtigkeit, ihnen die Waffen vorzuenthalten. Elisabeth Gnauck-Kühne (1850–1917), Nationalökonomin und Frauenrechtlerin, Berlin 1891128 119 Bischoff (1872a), S. 12. 120 Vgl. Albert (1895), S. 28; Ehrlich (1895), S. 712; generell zum Verhältnis ärztlicher Profession und staatlicher Regulierung vgl. Huerkamp (1985), S. 244. 121 Vgl. Schwerin (1880), S. 14; Pochhammer (1893), S. 18. Landärztinnen lehnten zahlreiche Stimmen ab: Eine solche Tätigkeit sei körperlich zu anstrengend für Frauen. Vgl. u. a. Bischoff (1872b), S. 3585. 122 Vgl. Svetlin (1895), S. 41 f. 123 Bernatzik (1900), S. 12. 124 Vgl. Julius Bernstein, in: Kirchhoff (1897), S. 49. 125 Vgl. Böhmert (1870a), S. 22. 126 Vgl. Hans Buchner, in: Kirchhoff (1897), S. 143. 127 Rutenberg (1877), S. 166. 128 Gnauck-Kühne (1891), S. 13.
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Die wirtschaftliche Entwicklung galt als Hauptauslöser einer Verschiebung der traditionellen Ordnung in Staat und Familie. Deshalb gehörte die Frauenfrage zur sozialen Frage. Wenn es jedoch um individuelle Ausnahmen, also um hochbegabte oder von den strukturellen sozialen Veränderungen betroffene ehelose Frauen ging, so kam die Rechtsfrage als Phänomen hinter dem sozialen Problemkomplex deutlich zum Vorschein. Sogar reaktionäre Stimmen bemerkten, dass dieses noch kaum an die Oberfläche gelangte Problem ein nicht zu unterschätzendes Mobilisierungspotenzial aufseiten der Frauenrechtler/-innen barg: Denn selbst im günstigsten Fall, „daß beide Geschlechter sich an Zahl die Waage hielten, und daß im Verhältnis nur wenige Frauen von der Ehe ausgeschlossen blieben“, wären die Frauenfrage und die mit ihr einhergehenden Forderungen nicht gänzlich verschwunden129 Diese Forderungen gingen über eine soziale Absicherung weit hinaus und zielten auf das bürgerliche Rechtssubjekt, das sich gerade nicht durch ein Aufgehen in einer größeren Gemeinschaft auszeichnet, sondern durch seine Individualität. Auf dieser Grundlage basierte die Denkmöglichkeit, Frauen könnten aus ganz „persönlichen Gründen“ auf die Ehe verzichten.130 Die Frau als individuelle Persönlichkeit ließ sich nicht als bloßes „Generationswerkzeug“ begreifen, sondern nur im kantischen Sinne als einen Zweck ihrer selbst:131 Ein solches Selbstbestimmungsrecht war die Konsequenz „revolutionärer Prinzipien“, deren Existenzbedingungen an die Umwälzungen der Jahre 1776 und 1789 in Amerika respektive Frankreich gekoppelt waren.132 Bis dahin galt der Einzelne als definiert durch seinen Stand: ob Adel, Bürger, Handwerker oder Bauer, die Dynastien, Gilden und Zünfte schlugen das Individuum in ihren Bann – Frauen definierten sich vor allem durch die soziale Stellung ihres Mannes. Die Freiheit in der Lebensstellung hingegen war der Kern eines individuellen Strebens nach Glück: Nicht allein das, was ein Mensch ist, sollte ihm zur Würde gereichen, sondern das, wozu er zu tun in der Lage war.133 Bestand hierin nicht der Charakter der modernen Welt – der hauptsächliche Unterschied zwischen modernen Institutionen, modernen sozialen Ideen, modernem Leben und dem längst vergangener Zeit?134
Derlei altliberale Gedanken, die nicht nur einer deontologisch-kantischen, sondern ebenso einer utilitaristischen Ethik folgen konnten, transportierten Harriet und John Stuart Mill in ihrem „epochemachenden“ Werk über die Hörigkeit der Frau in das deutsche Diskursfeld zur Frauenfrage – vermittelt durch die Übersetzung von Jenny Hirsch (1829–1902).135 129 130 131 132 133 134 135
Kersten (1892), S. 5. Küstermann (1901), S. 6. Teichmüller (1877), S. 44. Holtzendorff (1879), S. 214. Mill/Taylor Mill (1976), S. 250. Ebd., S. 151. Pinn (1896), S. 21.
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Auf fremdem Boden erwachsen, hat [das Werk] – zwar nicht den Anstoß zur Emanzipationsbewegung bei uns gegeben, – wohl aber dieselbe in einem Grade beeinflußt und befördert, wie kein anderes Werk […].136
Die größte Leistung der in drei Auflagen erschienen Bibel der Frauenbewegung (Stritt) bestand darin, mit den schärfsten Waffen des Geistes darzulegen, dass die viel gepriesene weibliche Natur ein kultureller Effekt der bisherigen Erziehung von Frauen war: „Man fing an einzusehen, daß die Kultur der Frauen die Kultur des Volkes bedeutet.“137 Selbst das Bedürfnis, sich von derlei Gedanken abzugrenzen, offenbart noch die Strahlkraft dieses mächtigen individualistischen Deutungsmusters, das halb verborgen unter den Problemen der sozialen Lage darauf wartete, vollends in die Arena der öffentlichen Meinung einzutreten.138 Die Bedingung für die Aktivierung der Rechtsfrage bestand in der weitverbreiteten Abscheu vor Willkür, Tyrannei und Ungerechtigkeit als einem Erbe der altliberalen Nationalbewegung.139 Jedes nur partikular und einseitig geltende Recht musste als ein willkürliches Recht erscheinen, das galt zunehmend auch im Hinblick auf die Geschlechterverhältnisse:140 Daß […] Frauen – und wenn es auch nur Ausnahmen sein sollten – bloß durch ihr Geschlecht und wegen ihres Geschlechts in Folge staatlicher oder gesellschaftlicher Einrichtungen oder Gewohnheiten an der freien Entfaltung ihrer Kräfte und Fähigkeiten behindert sein sollen – dieses erscheint […] als eine Sache großer Ungerechtigkeit.141
Das viel beschworene Gerechtigkeitsgefühl besaß einen Maßstab, der im moralischen Grund der Sittlichkeit wurzelte. Dieses Gefühl entstammte dem Kontext der gesellschaftlichen Ordnung: Gerechtigkeit war eine „sittliche Frage“ und meinte vordergründig „soziale Gerechtigkeit“, die der freien Entfaltung menschlicher Anlagen diente.142 Dieser naturrechtliche Maßstab besaß eine transzendente und eine innerweltliche Ebene: Gott und Mensch – Christentum und Vernunft – Nationalstaat und Individuum. Das „fundamentalste Menschenrecht“ bestand in der von Gott gegebenen „Freiheit der
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Pierstorff (1883), S. 399. Lange (1889), S. 6. Vgl. u. a. Fehling (1892), S. 17. Gleichwohl gehörte es zu den blinden Flecken des deutschen Liberalismus, mit den Begriffen allgemein, universell oder gleich auf die Allgemeinheit von Rechten zu zielen, die jedoch allein für Männer galten. Deshalb fragt Hausen, ob es dem Liberalismus zugute gerechnet werden könne, dass sich Menschen- und Bürgerrechte für Frauen durchsetzten, somal liberale Politiker selbst Widerstand gegen die Umsetzung von Emanzipationsbestrebungen leisteten. Vgl. Hausen (2010), S. 52. 140 Vgl. Kettler (1891), S. 16. 141 Büchner (1885), S. 522. 142 Meyer (1899), S. 715.
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Selbstbestimmung“.143 Die Freiheit des Menschen stammt somit aus seiner Eigenschaft als vernunftbegabtes Wesen und als solches muss er auch die Erlaubnis zur Ausübung dieser Vernunft als einem Streben nach Wahrheit besitzen.144 Zwischen transzendenter und innerweltlicher Ebene vermittelte die kantische Idee der Glückswürdigkeit, die zum zeitgenössischen Bildungskanon des Bürgertums gehörte: Nur wer im Leben von seiner Freiheit in einer pflichtbewussten Weise Gebrauch mache, erweise sich im von der Vernunft erhofften Jenseits als des ewigen Glücks würdig. Ein auf diese Art gedachtes pflichtschuldiges Individuum brauchte keinen Obrigkeitsstaat, um die gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Hierin bestand der bedeutsamste Unterschied zum utilitaristischen Glücksstreben angelsächsischer Provenienz, der als ein positivistisch-materialistischer Standpunkt im deutschen Diskursfeld auf wenig Gegenliebe traf. Während die naturrechtlichen Bestimmungen auf individuelle Rechte und daraus abgeleitete Pflichten zielten, waren die bestehenden Bürgerrechte vereinseitigte Männerrechte.145 Nur Männer besaßen die formalrechtlich garantierte Freiheit, in ihren Fähigkeiten und Begabungen entsprechende gesellschaftliche Stellungen zu gelangen. Der anderen, der größeren „Hälfte der Menschheit“ hingegen blieb dieses Recht verwehrt.146 Es verwundert daher nicht, dass dies mit dem Absprechen ihrer geistigen Fähigkeiten einherging. Immanuel Kant (1724–1804) selbst klassifizierte die Frau eher durch ihren schönen Verstand als durch ihren Zugang zum mundus intelligibilis.147 Dennoch beriefen sich Cauer und Lily von Gizycki (in zweiter Ehe Lily Braun, 1865–1916) ausdrücklich auf Kant, als sie in Der Frauenbewegung konstatierten, die Vernunft reife „nie anders als durch eigene Versuche“.148 Die Problematisierung des Rechts bewegte sich im Rahmen formaler Maßstäbe. Die Frage nach den Chancen zur tatsächlichen Ausübung von Fähigkeiten und Begabungen für Frauen und Männer stellte sich kaum. Das formalrechtliche Lösungskonzept verknüpfte das soziale Gerechtigkeitsproblem mit dem Problem fehlender staatsbürgerlicher Rechte und damit mit den oben genannten bürgerlichen Zielutopien. Willkürliche Beschränkungen von Rechten mussten als unbürgerlich, gar unzivilisiert gelten. Nicht zufällig entstand die Analogie einer Unterdrückung der Frauen mit der früheren Unterdrückung von Jüdinnen und Juden oder der Sklaverei – Emanzipation bedeutete hier, den Einbezug in die bürgerliche Sphäre des Rechts.149 Der Weg zur sozialen Gerechtigkeit verlief zwangsläufig über das bürgerlich-liberale Recht, das jedem Individuum den freien Abschluss von Verträgen und damit den freien Verkauf seiner 143 144 145 146 147 148 149
Brons (1900), S. 36; zur Funktion der Menschenrechte im Diskursfeld vgl. auch Hausen (1986), S. 33. Vgl. Schleinitz (1872), S. 5. Vgl. Neustätter (1898a), S. 5 (Nr. 264); Poehlmann (1903), S. 637. Oelsner (1894a), S. 9. Kant (2011 [1775]), S. 437–438. Zitiert nach Briatte (2020), S. 154. Vgl. Wolf (1878), S. 26.
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Arbeitskraft erlaubte, sollte die Gesellschaftsordnung nicht grundlegend infrage gestellt werden. Soziale Gerechtigkeit war deshalb gleichbedeutend mit der „Gleichberechtigung im Kulturstreben und im Kampf ums Dasein“.150 Dass dieses Dasein weiterhin ein Kampf bleiben sollte, daran bestand kein Zweifel: Die Frauen sollten gleichberechtigt mitkämpfen – ohne Benachteiligungen, aber auch ohne ausgleichende Sonderrechte. Es herrschte das Prinzip analoger Rechte und Pflichten.151 An die Stelle der alten ritterlich-feudalen Galanterie trat nun die bürgerliche Rechtsgleichheit, denn galante Bevorzugung setzte ein unmündiges Rechtssubjekt voraus: Die konventionellen Höflichkeitsformen der Männer brauchten passive Frauen, welche diese Höflichkeit nicht als ihr Recht einfordern konnten, sondern die ihnen eine männliche Gunst gewährte.152 Die Rechtsfrage und ihre Kehrseite, die sittliche Gerechtigkeitsfrage stellten keine marginalen Ausnahmeerscheinungen im Diskursfeld dar, wie zum Teil in der Forschung nahegelegt wird.153 Aussagen zum Verhältnis zwischen Menschen- und Bürgerrechten oder auch bloß zum Problem sittlicher Gerechtigkeit waren vielmehr weit verbreitet.154 Sie erschienen jedoch marginal, weil sie meist nur beiläufig als Bekenntnis eines durch altliberale Denkmuster geprägten protestantisch-bürgerlichen Milieus artikuliert und im Vergleich zu anderen Problemdefinitionen seltener argumentativ ausgeführt wurden. Noch galten soziale Probleme als vordergründig.155 Doch unter der Oberfläche entwickelte sich die Rechtsfrage langsam zu einem Problem, das schließlich nach der Jahrhundertwende in den Kampagnen zum politischen Frauenstimmrecht offen zutage trat.156 Zudem müssen die Rechte von Frauen als Individuen im Hinblick auf die Stellung in Ehe und Familie betrachtet werden:
150 151 152 153 154 155
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Scheel (1873), S. 11. Nach diesem bürgerlichen Prinzip versuchte die Kaufmannstochter Lida Gustava Heymann ihre Staatsbürgerrechte in Hamburg durch Boykott ihrer Steuerzahlungen zu erreichen. Vgl. Briatte (2020), S. 212. Vgl. Anonym (1897a), S. 520. Vgl. Costas (1992a), S. 57; dies. (2010), S. 194; Borchers (2013), S. 21. Eine erste Analyse von Bestimmungen im preußischen Privatrecht, die eine Gleichstellung der Geschlechter verhinderten, findet sich bei dem Juristen und späteren nationalliberalen Abgeordneten Wachler (1869). Lange und Bäumer als bedeutende Wortführerinnen des gemäßigten Flügels der Frauenbewegung wehrten sich gegen eine bloße Zuspitzung auf Rechtsfragen, die radikale Vertreterinnen der Bewegung wie auch Vertreter/-innen der Sozialdemokratie beförderten: Aus gemäßigter Sicht war die naturrechtliche Forderung nach Gleichberechtigung in einer durch Männer geprägten Wirtschaftsordnung kein Gewinn für Frauen, da diese sich nach ihrer Gleichberechtigung den Männern anzupassen hätten. Gegen das Konzept der Gleichberechtigung stellten sie ihre Idee einer Gleichwertigkeit. Anstelle eines Rechts auf Arbeit in männlich-entfremdeten Arbeitsverhältnissen sollten Frauen ihre besonderen Fähigkeiten dazu einsetzen, diese Verhältnisse von einem weiblichen Tätigkeitsbereich aus zu ändern. Vgl. Brick (1983), S. 102 f., 112. Gleichwohl führte dies kaum zu einer Änderung liberaler Staatstheorien, in denen Männer weiterhin den universellen Maßstab verkörperten. Vgl. Ley (1999), S. 187; zu den blinden Flecken des Liberalismus und deren Kritik vgl. auch Nussbaum (2002).
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Wer nur auf das Einzelleben sieht, wird geneigt sein, die Gleichstellung der Frauen mit den Männern hier wie überall für eine Forderung der Gerechtigkeit zu erklären. […] In der That! Für die rein individualistische Betrachtungsweise zerrinnen alle gegen das Frauenstudium erhobenen Bedenken in Nebel. Für sie versteht sich auch die vollkommene Gleichstellung von Mann und Frau im Familienrecht eigentlich von selbst!157
Wer individuelle Rechte forderte und an das Gerechtigkeitsgefühl appellierte, meinte damit meist unverheiratete, alleinstehende Frauen – denn nur sie waren vollgültige Individuen im bürgerlichen Sinne, die als solche selbstständig für sich zu sorgen hatten. Auf diese Weise kam es vor, dass die Rechte von Frauen als Individuen lediglich bis an die Schwelle des bürgerlichen Haushalts anerkannt wurden. Dort aber bestimmten die Funktionen in Familie und Staat über das weibliche Individuum: Und hier ist der Punkt, wo die rein individualistische Betrachtungsweise und das auf das Leben des Ganzen gerichtete Denken, in den schärfsten Widerstreit geraten. […] Das Gemeinwesen ist kein Sandhaufen, sondern ein Organismus. Geschlechtslose Individuen bilden kein Volk. Die Grundeinheit des socialen Körpers ist die Familie. Von der Gesundheit und Kraft der Familie hängt zuletzt das nationale Schicksal ab.158
Zeitgenössische Hinweise auf das Primat eines liberal-bürgerlichen Rechtsdenkens, zumindest im begrenzten Rahmen der Sphärentrennung zwischen einer in der Öffentlichkeit stehenden ledigen Frau und einer ins Private verwiesenen verheirateten Frau, finden sich in Aussagen, die den „demokratischen Zug der Zeit“, eine „Tendenz der Neuzeit“ oder einfach nur einen „modernen Standpunkt“ preisen.159 Die Zeit für die „Moralität der Gerechtigkeit“ schien zumindest innerhalb des bildungsbürgerlichen Milieus längst gekommen.160 Damit ist der zweite Pol gesellschaftlicher Transformation neben der sozialen Entwicklung in den Blick geraten: die „Cultur-Entwicklung“ einer „Weltgeschichte“, die „nicht rückwärts geht“.161 Kultur: Die ungesunden Metamorphosen der Moderne Der reine Individualismus, dessen notwendige Frucht die Emanzipationsbewegung ist, kann natürlich bei konsequenter Durchführung seines leitenden Grundsatzes ein rechtliches Herrschaftsverhältnis einer der in der Ehe verbundenen Personen niemals als gerechtfertigt anerkennen, weil es mit den Prinzipien der Freiheit und Gleichheit aller in Wider157
Otto Gierke, in: Kirchhoff (1897), S. 21 f. Zu Gierkes These einer ungleichen Stellung von Frauen und Männern im Eherecht vgl. Berneike (1995), S. 19, 75. 158 Ebd., S. 25. 159 Von einem älteren Arzte, Dr. B. (1892), S. 109; Pinn (1896), S. 20; Bayerischer Landtag (1900), S. 70. 160 Mill/Taylor Mill (1976), S. 191. 161 Rutenberg (1877), S. 165; Weber (1893), S. 16.
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spruch steht. Aber der reine Individualismus beruht eben auf einseitiger Anschauung, auf unvollkommenem Verständnis der Gesellschaft. Es gilt ihn zu bekämpfen auf Grund einer richtigeren Beurteilung der gegenseitigen Beziehungen von Individuum und Gesellschaft. Julius Pierstorff (1851–1926), Professor der Staatswissenschaften, Jena 1882162
„Unsichtbar“, aber „unaufhaltsam“ drang der „Menschengeist“ vorwärts.163 In dieser im 19. Jahrhundert empfundenen Kulturentwicklung zeigte sich die gestaltende Kraft der sittlichen Mächte, zu denen jede einzelne Persönlichkeit ihren Beitrag zu leisten hatte. „Menschengeist“ hieß in erster Linie Volksgeist und in diese „Geistesbewegung der Zeit“ fanden sich nun auch Frauen „hineingerissen“.164 Jede Zunahme von Wissen und Bildung bedeutete hierbei eine „Veredelung“ der Menschheit.165 Das Wollen eines einzelnen Menschen war „nicht imstande, die grossen Strömungen der Culturentwickelung zu hemmen oder in Nebenbahnen zu leiten“.166 Gerade aus diesem Grund konnte ein „reiner Individualismus“ als einer gesunden Kulturentwicklung entgegengesetzt betrachtet werden, da er die „Natur der gesellschaftlichen Faktoren“ missachte.167 Jede und jeder Einzelne zählte in diesem kulturellen Kraftakt. Doch sie zählten nicht deshalb, weil jeder Mensch nach seinem persönlichen Glück strebte, sondern weil sich der Sinn individuellen Schaffens nur in einer höheren Ordnung offenbart: im Staat, in der Nation, in der deutschen Kultur. Erst das gemeinsame Wirken der einzelnen Persönlichkeiten sollte die großen Ideen der Zeit lebendig werden lassen.168 Der „reine Individualismus“ kannte in dieser Perspektive nur die ungezügelte Assoziation freier und gleicher Vertragspartner. In vielerlei Hinsicht trafen sich die Problematisierungen einer enthemmten Wirtschaft mit den Vorstellungen einer enthemmten Kulturentwicklung. In einer solchen traten dem natürlichen Lauf der Dinge künstliche und korrumpierte Einzelinteressen entgegen. Dementsprechend wurden moderne Lebensverhältnisse als eine unnatürliche Entwicklung begriffen.169 Unnatürlich verwies dabei auf eine Missachtung vermeintlicher Naturgesetze.170 Der reine Individualismus, als das Streben nach den individuellen Eigeninteressen, gehörte damit zum „kurzsichtigen Utilitarismus“, der sich in dieser Lesart lediglich auf dem kleinlichen Standpunkt praktischer Lebensinteressen bewegt.171 Ge162 163 164 165 166 167 168
Pierstorff (1883), S. 409. Weilshäuser (1868), S. 34. Rößler (1893), S. 29, 43. Hermann Senator, in: Kirchhoff (1897), S. 90; Julius von Sachs, in: Kirchhoff (1897), S. 281. Oelsner (1894a), S. 9. Pierstorff (1883), S. 409. Zum klassischen Kulturbegriff und dem Zusammenhang zwischen Hochkultur und der Abgrenzung von anderen Kulturen vgl. Griesebner/Lutter (2000), S. 60. 169 Vgl. Hermann Strack, in: Kirchhoff (1897), S. 14 170 Vgl. Schmelzle (1896), S. 212. 171 Gruber (1910), S. 16.
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rade Frauen sollten als die „idealeren Naturen“ einen Gegenpol zum utilitaristisch-materialistisch ausgerichteten Zeitgeist bilden.172 Ihre natürliche Uneigennützigkeit stünde dem „Fetischismus der Maschinen“ im Wege.173 Wenn sie schon teilhaben sollten am Kulturfortschritt, dann keineswegs als Brotstudentinnen aus bloßer materieller Not heraus, sondern als „eine Elite von Frauen.“174 Die deutsche Frau verkörperte damit den Glauben an die im Inneren gesunde deutsche Kultur:175 Noch nagte die künstliche Moderne lediglich an der Oberfläche. Wenn die deutsche Frau als Garantin für die Vitalität deutscher Kultur galt, umso alarmierender erschienen moderne Emanzipationsideen, die das Ziel ausgaben, die deutschen Frauen zu befreien. Der Alarmismus der Emanzipationsgegner und -gegnerinnen äußerte sich in übersteigerten Pathologisierungen, welche die „verrückte Emancipationslehre“ als „Auswüchse“ der Moderne, „krankhafte Verhältnisse“, „moderne Krankheiten“ oder schlicht als Ausdruck einer „ungesunden Zeit“ geißelten.176 Wie ein „krankhaftes Fieber“ würden derlei Ideen alle Grenzen überschreiten.177 Maßlose, überreizte und schwärmende Frauen ließen sich mit diesen Ideen anstecken, übersähen dabei ihre natürlichen „Schranken“ und gerieten in eine haltlose „Emanzipationssucht“.178 In dem vom Pädagogen Max Wolf (1824–1901) im Jahr 1892 veröffentlichten Essay Die physische und sittliche Entartung des modernen Weibes heißt es: Wo immer ein Volk, wie die asiatischen Nomaden oder die Indianer Amerikas, nicht die Kraft hatte, mit der Scholle zu verwachsen, der Familie ein Haus zu bauen, ist es geschichtslos geblieben. Mit dem Hause erst beginnt die allgemeine Gesittung, mit der Häuslichkeit die Civilisation.179
Die Frauen stünden an der Basis der Zivilisation, weil sie vermittelt durch das Haus über die Sittsamkeit des Volkes wachten. Die Problemdiagnose blieb nicht bei derlei oberflächlichen Beurteilungen eines irgendwie aus dem Ruder gelaufenen Zeitgeistes. Vielmehr lassen sich vier Momente ei172 173 174 175
176 177 178 179
Vgl. Oelsner (1894a), S. 4. Anonym (1897c), S. 134. Ebd. Kirsten Heinsohn interpretiert den Begriff der deutschen Frau als einen Differenzbegriff, mit dem Konservative eine eigenständige kollektive Identität in Abgrenzung zu liberalen und sozialdemokratischen Frauenbildern schufen. Konservativen Frauen nutzten ihn als Selbstbezeichnung. Er sei geprägt worden durch vier Codes: der emotionalen Verankerung im Nationalismus, der Verankerung des Deutschtums im protestantischen Christentum und biologistischen Rassevorstellungen, der Orientierung am Gedanken der Volksgemeinschaft, welcher der Vorstellung einer Klassengesellschaft entgegenstand, sowie der Glauben an eine spezifische Frauenaufgabe in der Familie zur Stärkung des deutschen Staates. Vgl. Heinsohn (2010), S. 111 f. Böhmert (1872), S. 4036; Schmelzle (1896), S. 241; Sundbeck (1891), S. 37; Treitschke (1899), S. 242; Krukenberg (1903), S. 8. Minuth (1900), S. 214. Büchner (1878b [1877]), S. 252; Weber (1888), S. 27; Müller (1894), S. 5; Weiss (1892), S. 44. Max Wolf zitiert nach Schmelzle (1896), S. 174.
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ner umfassenden Delegitimierung von kulturellen Emanzipationsbestrebungen, die auf das Verhältnis der Geschlechter zielten, finden: Erstens wurden die Bestrebungen mit dem politischen Gegner assoziiert, ob dies nun freiheitliche Wirtschaftsliberale waren oder die Sozialdemokratie. Die Frauen seien „fortschrittlich verrannt“.180 Die Frauenbewegung führe auf Abwegen direkt zur „Furie sozialer Revolution“.181 Überhaupt sei die „manchesterliche Strömung“ eines laissez faire, laissez aller nur die fünfte Kolonne der Sozialdemokratie.182 Eine dritte Partei, die angeblich von der „Frauen-Emancipation“ profitierte, waren ausgerechnet die Ultramontanen:183 Denn im Falle einer politischen Gleichstellung der Frauen triumphiere aufgrund ihres „pfäffisch gegängelten Gefühlskonservatismus“ das „jesuitische Papstthum“.184 Zweitens erfolgte eine Externalisierung durch die Assoziation der emanzipatorischen Bestrebungen mit fremden Mächten, etwa England, Nordamerika oder gar Russland. Die Emanzipationsbewegung sei „von außer her verpflanzt“ und deshalb bereits „geistig besiegt“. Sie müsse durch eine Auffassung ersetzt werden, die dem „deutschen Geist“ besser entspreche. Der Impuls einer gesellschaftlichen Veränderung möge von außen gekommen sein, jedoch bringe nur die Besinnung auf die eigene Kultur eine tatsächliche Lösung der mit diesen Veränderungen aufgekommenen Probleme.185 Die „Gleichheitsphantasien“ galten damit als ein importierter „Schwindel“.186 Das „Geschrei emancipierter Amerikanerinnen“ war abschreckendes Beispiel.187 Das Zerrbild russischer Nihilistinnen, die Pfeife rauchend und Hosen tragend durch die Gassen Zürichs marodierten, tat sein Übriges, um den Begriff der weiblichen Emanzipation in der Öffentlichkeit zunehmend negativ zu besetzen.188 Der durch den Deutschkonservativen Karl Alwin Hartmann (1840–1928) geprägte Topos von der Frauenemanzipation als einem „nationalen Unglück“ erfreute sich großer Beliebtheit.189 Dogmenvorwürfe dienten als ein drittes Moment der Delegitimierung dazu, die eigene Position als überlegen darzustellen: Die Ablehnung von extremen Forderungen tarnte sich als eine objektive Beurteilung vom Standpunkt einer gemäßigten Mitte.190 Dadurch war es möglich, der Frauenrechtlerin Dohm „Jacobinertum“ zu unterstellen.191
180 181 182 183
Dagobert von Gerhardt-Amyntor, in: Kirchhoff (1897), S. 323 Rutenberg (1877), S. 187. Vgl. Kleinwächter (1896), S. 33. Das zeitgenössische Schlagwort bezeichnet die politische Haltung streng päpstlich gesinnter Katholiken. 184 Hartmann (1886), S. 39. 185 Pierstorff (1883), S. 434. 186 Oetker (1873), S. 4249. 187 Reuper (1878), S. 2. 188 Vgl. u. a. Anonym (1872c), S. 172 f; Anonym (1873a); Anonym (1873b); Walcker (1893), S. 266; Pinn (1896), S. 38; zudem äußerst überspitzt und antisemitisch Glagau (1881). 189 Buchner (1892b), S. 263; Kersten (1892/93), S. 190. 190 Vgl. Von einem älteren Arzte, Dr. B. (1892), S. 109. 191 Pierstorff (1883), S. 403.
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Die Emanzipierten würden eine „Doktrin“ vertreten.192 Es handele sich um „Fanatiker der Gleichberechtigung“193 oder um „rabiate Frauenrechtlerinnen, die jeden Unterschied zwischen den Geschlechtern verwischen möchten“.194 Gegen die „leidenschaftlichen Tendenzen“ des Dogmas der „extremen Frauenrechtlerinnen“ standen schließlich die harten „biologischen Tatsachen“.195 Neben die Dogmenvorwürfe trat viertens eine Problematisierung vermeintlicher Gewalt, die durch von den Emanzipationsbestrebungen ausgehe: Diese führe zu einer „Zerstörung der Familie“, zur „Unfruchtbarkeit“ und zur Zersetzung der „Volkskraft“.196 Gleichheitsargumente erschienen als geradezu „kaltblütige“ Forderungen.197 Weil Frauenrechtlerinnen im deutschen Sprachgebiet anders als die englischen Suffragetten nach der Jahrhundertwende nicht zum Mittel der physischen Gewalt griffen, dienten Metaphern zur Legitimation des Gewaltvorwurfes: Die Frauenbewegung entsprach darin einer katastrophalen Naturgewalt; sie sei ein über die Ufer tretender „Strom“, der irgendwann in seine natürlichen Grenzen zurückfluten müsse.198 Die Bewegung vergreife sich durch „blinden Eifer“ in ihren Mitteln.199 Zwar seien ihre Forderungen teilweise legitim, jedoch würden sie das Maß übersteigen und zu „Exzessen“ führen.200 Der nationalistische Publizist Carl Sundbeck (1865–1927) sprach gar von einem „Joch der Weiberemanzipation“, welche die studentische Burschenherrlichkeit vergangener Tage begrabe.201 Hier zeigt sich idealtypisch das Phänomen einer pathischen Projektion der um die patriarchale Gewalt bangenden männlichen Autorität. Die fehlende Reflexion eigener Machtgier mündete in einer paranoiden Angst vor der Herrschaft vermeintlicher Gegnerinnen. Die bisherigen Opfer der Unterdrückung wurde in den Augen ihrer Peiniger selbst zu Unterdrückerinnen.202 Vielleicht war deshalb der Vorwurf, die Frauenbewegung schüre einen Kampf gegen den Mann, weit verbreitet.203 Die so für ihre Rechte kämpfende Frau erschien jedenfalls als eine „Partisane der Emanzipation“.204 In diesen Problemdefinitionen steckte bereits ein gutes Stück ihrer Lösung: Indem vor allem politische und rechtliche Forderungen als maßlos klassifiziert wurden, drängten die somit etablierten Phänomenstrukturen die gemäßigte Frauenbewegung in kontrollierbare Bahnen. Diese Einhegung ermöglichte es, sie weiterhin als einen Teil 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204
Rößler (1893), S. 22. Anonym (1892a), S. 5. Küstermann (1901), S. 5. Runge (1898), S. VI. Gruber (1910), S. 5. Anonym, A. v. H. (1897), S. 18. Anonym, X. T (1897). Rößler (1893), S. 22. Anonym (1897a), S. 521. Sundbeck (1891), S. 37. Vgl. Horkheimer/Adorno (1987 [1947]), S. 219. Vgl. Hirsch (1920), S. 16. Anonym, Dr. H. (1887), S. 771.
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der sozialen Frage zu betrachten, die sich durch paternalistische Sozialreformen lösen ließe. Die diskursive Einhegung der Bewegung erfolgte nach dem Prinzip divide et impera, das den Frauenemanzipationswütigen die vernünftigen Frauen mit ihren legitimen Forderungen gegenüberstellte. Als legitim galt der Ruf nach „weiblichen Ärzten“, der weithin hörbar von der im ADF assoziierten Frauenrechtlerin Mathilde Weber ausgegangen war.205 Maßlos und überzogen hingegen erschienen radikale Forderungen eines kulturellen Wandels der Geschlechterverhältnisse: Das ‚dritte Geschlecht‘, das sind diejenigen, ob Mann ob Frau, die den Charaktertypus ihres Geschlechtes, insoweit er der Entwickelung des höheren Menschheitlichen im Individuum hinderlich ist, von sich abzustreifen vermögen und hierdurch einen Boden schaffen, auf welchem Mann und Weib als freie Wesen sich begegnen.206
Troll-Borostyánis Rede von einem dritten Geschlecht, die im gleichnamigen Roman von Ernst von Wolzogen (1855–1934) das negative Bild einer ungesunden Frauenemanzipation umkehren sollte, zielte auf die Sphäre des reinen Individualismus, in der sich Männer und Frauen als Gleiche begegnen können.207 Auch für Schirmacher bestand die Auflösung des „Rätsels Weib“ in der Verflüssigung einer Rollendichotomie, die als eine „Metaphysik der Geschlechter“ entstanden sei, um Frauen ihrer Freiheit als Individuen zu berauben:208 Es ist ganz einfach. Die Frau ist nur dem ein Rätsel, der sie nicht als Mensch betrachtet. […] Was die Geschlechter brauchen, ist nicht ‚Ergänzung‘, dabei fährt die Frau zu schlecht – ist Gegenseitigkeit. Wer die Menschheit in zwei getrennte Klassen scheidet, Mann und Weib – der schafft Mißachtung, Mißverständnis, Haß. Es gibt nur Individualitäten. Und das Rätsel löst sich: Wer dich entbehren kann, wird Wahrheit für dich haben.209
Der radikale Gleichheitsdiskurs forderte die Mitarbeit der Frauen an der Kulturentwicklung der Menschheit nicht als Frauen und Mütter, sondern als gleichberechtigte Individuen, daran ließ Kettler in ihrem Bildungsmanifest keinen Zweifel:210 Die Zeit ist hin, wo die Frau dem Manne zutrauen und der Mann sich einbilden durfte, das Wohl der Familie allein in der Hand zu haben, nachdem jeder, der sehen will, sich davon hat überzeugen können, daß die Aufgabe des ganzen Menschengeschlechts nicht von der Hälfte desselben gelöst worden ist; und zwar nicht von ihr gelöst worden ist, weil sie nicht von ihr gelöst werden konnte.211
205 206 207 208 209 210 211
Ruff (1888), S. 125. Troll-Borostyáni (1900), S. 163. Vgl. Wolzogen (1899), S. 154. Schirmacher (1911), S. 135. Ebd., S. 159 f. Zum zentralen Begriff der „Menschheit“ bei den Radikalen vgl. Briatte (2020), S. 136. Kettler (1891), S. 15.
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Wo es um die Entwicklung der Menschheit im Großen gehe, dürfe es keine Unterschiede geben. Die „Geschlechtertrennung“ gehöre, so Mayreder, „den niedrigen Regionen des Seins an“ und nur „in den Höhen“ herrsche Gemeinsamkeit.212 Wer erhoffte sich von diesen „niederen Regionen“ eine Antwort auf die großen Fragen und Probleme der Menschheit? Die Stimmen dieses radikalen und marginalisierten Diskurses akzeptierten die ungelösten Fragen einer solchen Kulturentwicklung und betrachteten Veränderungen als eine zu ergreifende Chance. Der ferne, aber dennoch erreichbare Sehnsuchtsort dieses universalistischen Experiments war die im schweizerischen Mittelland gelegene Limmatstadt Zürich, deren Universität bereits 1867 dazu übergegangen war, Frauen zuzulassen: Für Schirmacher befand sich die ganze moderne Kultur dort miniaturisiert wie in „einem chemischen Kolben, in dem eine neue Mischung probirt wird, von der heute noch Niemand sagen kann, ob sie nicht eine grosse Zukunft hat“.213 Derlei Kulturexperimente einer großen, aber ungewissen Zukunft stießen selbst in weiten Teilen der Frauenbewegung auf Ablehnung: An die Stelle der Ungewissheit setzten sie ein transformiertes, dabei klar umrissenes Weiblichkeitsideal. Um breitere Akzeptanz zu finden, grenzten sie sich dabei von allen Emanzipationsideen ab, die zu schnell eine zu weitreichende Gleichheit einforderten. Die Machtpotenziale des Diskursfeldes drängten zur Anwendung negativer Integrationstechniken: Nur durch ein Abstoßen von radikalen Ideen konnten die gemäßigten Vorstellungen mit einer erfolgreichen Durchsetzung ihrer Problemdefinitionen rechnen. Dies führte die gemäßigten und konservativen Stimmen der Bewegung zunehmend in antiliberale Fahrwasser. Ihr soziokulturell gewendetes Weiblichkeitsideal bot konservativen Kritikern und Kritikerinnen der Frauenemanzipation künftig die Möglichkeit, unter dem Deckmantel der Natürlichkeit weiterhin Rollenvorstellungen zu normieren:214 Der emanzipierte Frauentypus werde mit „Recht so gehaßt“, konstatierte Lange bereits 1889.215 Nicht nach den geckenhaften oder den noch schlimmeren frivolen Auswüchsen darf man die Frauenbewegung abschätzen, eben so wenig, wie man die Reformation wegen der Bilderstürmer verurteilt.216
Derlei Abgrenzungen nutzte Gnauck-Kühne als erste Rednerin auf dem sozialreformerischen Evangelisch-Sozialen Kongress (ESK), der 1895 in Erfurt tagte.217 Dem mehrheitlich aus Pastoren bestehenden Publikum musste sie als das Sinnbild der deutschen Frau erscheinen:218 212 213 214 215 216 217 218
Mayreder (1905), S. 265. Schirmacher (1896), S. 54. Vgl. hierzu Vogel (2010), S. 216. Lange (1889), S. 19. Zur Kontextualisierung dieser Ablehnung Langes vgl. Brick (1983). Gnauck-Kühne (1891), S. 6. Zu den Debatten um die Frauenfrage im ESK vgl. Kampmann (2018), S. 124–227. Die ausgebildete Nationalökonomin Gnauck-Kühne gehörte zu einer Gruppe von Pionierinnen, die der Sozialforschung in Deutschland zu einem „Entwicklungsschub der sozialwissenschaftlichen
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Das in Deutschland weithin noch allmächtige Gespenst der russischen Nihilistin oder der amerikanischen Emancipationsdame war in jenem Augenblick [von Gnauck-Kühnes Rede] auf einmal zerstoben.219
Hinter der Position einer in ihrer Einflusssphäre erweiterten Mütterlichkeit durch die Gemäßigten in der Frauenbewegung verbarg sich keine Strategie im herkömmlichen Wortsinn einer souveränen Wahl. Es handelte sich vielmehr um den Effekt einer Sagbarkeitsgrenze, vor deren Hintergrund die zitieren Aussagen Troll-Borostyánis, Mayreders oder Schirmachers erst als besonders radikal erschienen. Diese Grenze bestand in einer essentialistischen Differenzierung zwischen Mann und Frau. Sie ließ zwar graduelle Verschiebungen zu, jedoch keinen Bruch der kulturellen Hegemonie.220 Das Problem bestand nicht zuletzt in einem schwer auflösbaren Gegensatz zwischen der Annahme eines natürlichen Wesens der Frau und einem Fortschritt der Kultur. Da sich an das Wesen der Frau zugleich die soziale Rolle der Mutterschaft koppelte, welche die Mehrheitsgesellschaft als ursprünglich empfand, stand die Kulturgeschichte für Frauen still: Jede Entwicklung erschien als ein potenzieller Degenerationsprozess.221 Versuche zur kulturellen Entgrenzung der Mutterrolle, wie sie im Konzept der geistigen Mütterlichkeit vorgenommen wurden, konnten lediglich wenigen Ausnahmefrauen ein Refugium jenseits sozial erwünschter Daseinssphären verschaffen: Die von Lange und Bäumer propagierte „Kulturaufgabe der Frau“ im öffentlichen Leben, die auf ihrer spezifischen „seelische[n] Produktivität“ beruhte, begrenzte sich auf eine Professionalisierung im Feld der sozialen Arbeit.222 Frauenberufe wie Lehrerin oder Erzieherin blieben folglich ökonomisch abgewertete „Derivate des Mutterberufes“.223
Empirie“ verhalfen. Die ESK fungierte hierbei als wichtiger Bezugspunkt. Vgl. Keller (2018), S. 20, 29. 219 Cohn (1896), S. 43. 220 Jacobi beschreibt die Nutzung des Konzepts der „geistigen Mütterlichkeit“ als eine Professionalisierungsstrategie der organisierten Frauenbewegung. Vgl. Jacobi (1990), S. 209. 221 Zum Problem eines Stillstands der Geschichte durch die Projektion der Geschlechterrollen auf einen vermeintlich natürlichen Urzustand vgl. Honegger (1991), S. 113. 222 Lange (1889), S. 10; Lange (1922), S. 138, 158. In Anlehnung an das Kulturkonzept Simmels sah Bäumer die „kulturpolitische Mission“ der Frauen darin, die technisch-instrumentelle Zivilisation des Mannes in „persönliche Kultur“ zurückzuverwandeln und damit für das halbgebildete Subjekt ihrer Gegenwart eine „innere Einheit“ der Bildung zurückzuerlangen. „Die Frau“ versöhne den „feindseligen Gegensatz“ zwischen Zivilisation (männlich) und Kultur (weiblich). Vgl. Bäumer (1909), S. 2, 4, 13 f; Simmel (1985 [1899]). Zwar begrenzte Mütterlichkeit in diesem Sinne kein statisches Konzept von Weiblichkeit, da dessen Kultureinflüsse stets neu zu bestimmen wären, dennoch institutionalisierte sich in den neuen Frauenberufen die Vorstellung von getrennten Aufgabesphären der Geschlechter in der Gesellschaft. Vgl. Stoehr (2006), S. 202 f. 223 Kleinau (1996), S. 124.
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2. Geschlechterordnung: Vom Sein und Sollen komplementärer Existenzen Sexualität und Wahnsinn sind keine Schimären, keine Ideologie, keine Vorurteile; es gibt sie wirklich, aber wir können nicht sagen, was sie sind; wir können Sexualität und Wahnsinn als solche nicht von den wechselnden Vorstellungen unterscheiden, die sich die Menschen im Laufe der Zeit davon gemacht haben. Paul Veyne, Althistoriker, Paris 2004224
Geschlechtscharakter, dieses im 19. Jahrhundert populäre Konzept bezeichnete das vermeintlich natürliche Wesen von Mann und Frau. Eine solche Wesensbestimmung verwies die Geschlechter in bipolare Wirkungssphären und beruhte auf wechselseitiger Komplementarität. Ideen einer solchen Komplementarität der Geschlechter finden sich bereits in philosophischen und anthropologischen Abhandlungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts. So heißt es bei Kant: „Des Mannes Wirtschaft ist Erwerben, die des Weibes Sparen.“225 In ähnlichem Duktus tauchten derartige Dichotomien während des gesamten 19. Jahrhunderts auf: Bei ihnen handelte es sich um regulative Ideale, welche die tatsächliche Heterogenität sozialer Strukturen durch eine normative Agenda der Homogenisierung der bürgerlichen Geschlechterordnung verdeckte.226 Beim einstmals populären Philosophen von Hartmann heißt es in einer Streitschrift gegen die Gleichstellung der Geschlechter im Jahr 1886: In dem physiologischen Geschlechtscharakter des Mannes und Weibes ist nicht nur ein Unterschied, sondern geradezu ein Gegensatz anzuerkennen, und dieser auf keine Weise aus der Welt zu schaffende Gegensatz ist bestimmend für das gesammte natürliche und geistige Leben der Menschen. Dieser Gegensatz ist derjenige von Aktivität und Passivität, von Begehren und Gewähren, Werben und Umworbensein; […].227
Derartige Dichotomien gehörten zu einem Aussagesystem, das Vorstellungen über die Natürlichkeit der Geschlechtscharaktere reproduzierte. Dies sorgte für eine Erfahrungsmatrix, deren handlungsleitende und welterklärende Kraft nicht nur im Alltagswissen wirkte, sondern auch in den Spezialdiskursen der Wissenschaft. So fanden ökonomische Implikationen, wie sie sich beispielhaft im Zitat von Kant zeigen, ihren Weg in die junge Disziplin der Nationalökonomie. Dementsprechend heißt es bei dem Wiener Professor für politische Ökonomie Lorenz von Stein (1815–1890): Dem Manne obliege die „Erzeugung“, der Frau hingegen die „Verzehrung“ – Lebensaufgabe beider 224 Veyne (2004), S. 28; vgl. auch Veyne (2009), S. 12, 69. 225 Kant (1798), S. 254. Kant ist hier lediglich exemplarisch genannt, ein weiteres Beispiel wäre Humboldts Anthropologie, die ebenfalls zwischen einer Tatkraft des Mannes und einer empfangenden Kraft der Frau differenzierte. Vgl. Kraul (1988), S. 50; Labouvie (2007), S. 196. 226 Vgl. hierzu Becker-Schmidt (1998), S. 85. 227 Hartmann (1886), S. 37.
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sei die „Wiedererzeugung“.228 Hierbei wird deutlich: Die polarisierte Gegensätzlichkeit des dichotomen Geschlechtermodells entsprach keiner bloßen Hierarchisierung durch das einseitige Ideal der Männlichkeit, denn erst in ihrer gegenseitigen Ergänzung galten beide Geschlechter als vollkommen. Das erstmals von Hausen rekonstruierte Modell der bürgerlichen Geschlechtscharaktere führte in der Forschung zu zwei Debatten: Erstens war das von Hausen untersuchte Verhältnis zwischen Norm und Realität nur schwer fassbar und zeigte sich in den Untersuchungen zur konkreten Lebenspraxis als überraschend flexibel.229 Zweitens war ihre These einer Herausbildung dieses Verhältnisses in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts strittig – da diese Annahme zu einer Harmonisierung der frühneuzeitlichen Geschlechterverhältnisse führe.230 Eine ähnliche Kritik traf die These des Übergangs von einem aus der Antike stammenden Ein-Geschlechter-Modell zu einem komplementär ausgerichteten Zwei-Geschlechter-Modell, wie sie Thomas Laqueur, Claudia Honegger und Londa Schiebinger zu Beginn der 1990er Jahre formulierten. Im ersten Modell existierte demnach lediglich ein Geschlecht, bei dem jedoch vielfältige Einflüsse dafür sorgten, dass sich verschiedene körperliche und geistige Ausprägungen zeigten – so stand beispielsweise in der Temperamentenlehre des Arztes Galenos von Pergamon (2. Jh. n. Chr.) die innere Hitze für die Ausprägung männlicher Attribute. Laut Übergangsthese ereignete sich im 17. und 18. Jahrhundert eine Transformation zu einem neuen Modell, das nun zwei Geschlechter auf Grundlage anatomischer Merkmale zu unterscheiden begann.231 Eine Studie des Sexualwissenschaftlers Heinz-Jürgen Voss hat allerdings gezeigt, dass sich Denkfiguren beider Modelltypen sowohl vor als auch nach der vermeintlichen Übergangszeit finden lassen. Wie Honegger und Schiebinger festgestellt haben, spielte im 18. Jahrhundert die Medizin eine bedeutsame Rolle dabei, gesellschaftliche Ungleichheit mithilfe einer biologisch-medizinisch unterfütterten Geschlechtertheorie zu legitimieren. In der Tendenz sei dies zwar richtig, bemerkt Voss, jedoch verdecke die Annahme bruchhafter Übergänge in der Wissenschaftsgeschichte die Heterogenität der sozialen Realität. So variiere die Reichweite der geschlechtsspezifischen Differenzbeschreibungen im 18. Jahrhundert: Neben der bereits von Honegger genannten Arbeit von Karl August Erb (1791–1873) habe sich eine ganze Richtung medizinisch-biologischer Theorieproduktion den Thesen einer Geschlechterdifferenz entgegenstellt. Jacob Fidelis Ackermann (1765–1815) beispielsweise beschrieb die Ent228 Lorenz von Stein zitiert nach Pierstorff (1883), S. 425. 229 Groppe verdeutlicht, „[e]s wäre methodisch falsch, den öffentlichen Diskurs einfach als Abbildung oder Modell privater Beziehungen zu deuten“. Der Diskurs markierte eine Grenzbestimmung des öffentlich Sagbaren und bot einen Orientierungsrahmen. Im Privatraum war indes „vieles möglich“. Groppe (2018), S. 138 f. 230 Mitunter wird die Entstehung der Geschlechtscharaktere bereits mit der Scholastik des Mittelalters in Verbindung gebracht; vgl. Gössmann (1987), S. 144 f; zur Forschungsdiskussion vgl. Albisetti (2007), S. 28–30. 231 Vgl. Laqueur (1990), S. 16, 149, 154; Honegger (1991), S. 109–117; Schiebinger (1993), S. 269 f.
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wicklung der Geschlechter ausgehend von einer gemeinsamen Organanlage. Zwar sprach Ackermann von idealtypischen Frauen- und Männerkörpern – jenseits des Idealtyps bestünden jedoch fließende Übergänge anstelle harter Geschlechtergrenzen. Zudem vollziehe sich entgegen der Präformationstheorie der Zeugungsakt mit nahezu gleichen Anteilen von Mann und Frau.232 Jenseits der Frage nach dem tatsächlichen Aufkommen eines Zwei-Geschlechter-Modells sowie des Vorhandenseins von Kritik an den Theorien der Geschlechterdifferenz genügt es an dieser Stelle, von folgender These auszugehen: Erst die Annahme zweier biologisch verschiedener Geschlechter konnte zu jenem komplementären Modell führen, das sich in der Rede vom Geschlechtscharakter finden lässt. Das 18. Jahrhundert fungierte hierbei als Katalysator einer Modernisierung älterer Geschlechtermodelle. Wie Hausen betont, war das Aussagesystem der Geschlechtscharaktere im 18. Jahrhundert eine Reaktion auf sich verändernde Familienstrukturen, die sich, wie bereits im ersten Unterabschnitt (Wirtschaft) dieses Kapitels ausgeführt, von einer Familienwirtschaft hin zu getrennten Sphären in Privat- und Erwerbsleben transformierten.233 In der „Dynamik des modernen Denkens und sozialen Wandels“ brauchte es nun neue Legitimationen, um Frauen an ihren gesellschaftlichen Platz zu verweisen.234 Die Berufung auf eine göttliche Ordnung konnte angesichts des Skeptizismus der Aufklärung nicht mehr im gleichen Maße geschlechtsspezifische Rechte und Pflichten aufrechterhalten. Deshalb trat nun die Wissenschaft an, um die Natürlichkeit dieser Normen unter Beweis zu stellen. Der Einbezug geschlechtsspezifischer Charakteristika in die Prämissen dieser Wissenschaft muss dabei als ein „Prozeß ideologischer Vergewisserung“ betrachtet werden.235 Die Frage nach der Popularisierung oder Verbreitung einer derartigen neuen Ordnung in der Bevölkerung führt zur Frage nach dem Verhältnis zwischen Norm und Realität. Da die Wissenschaft selbst ihre Prämissen der unmittelbaren Lebenswelt entnahm, ist anstelle eines von oben nach unten (vom Fachwissen zum Alltagswissen) popularisierten Systems eher von einer Wechselwirkung auszugehen. Zudem brauchte es Zeit, bis sich die geschlechtsspezifischen Bildungsmodelle in neuen Praxisformen institutionalisieren konnten. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, von der Vorstellung präexistenter oder fixierter Normen abzurücken und stattdessen von einer sich prozessual entfaltenden Normalisierung auszugehen.236 Dabei verschiebt sich die Perspektive vom bloßen Vorhandensein des Normsystems auf die lang anhaltende Herstellung dieses Systems. Eine solche Perspektive integriert die Möglichkeit flexibler Ausgestaltung geschlechtsspezifischer Verhaltenserwartungen in individuellen Kontexten.237 232 233 234 235 236 237
Vgl. Voß (2010), S. 132, 136, 140, 152. Vgl. Hausen (1976), S. 372. Budde (2000), S. 251. Hausen (1976), S. 373. Vgl. Jäger (2012), S. 53. Zur Ausgestaltung des bürgerlichen Ehelebens jenseits starrer Normen vgl. Habermas (2000), S. 263, 316.
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Zunehmende Versuche zur Durchsetzung von Normalisierung deuten zudem eher auf die Fragilität von Normen hin als auf ihre fixierte Verbindlichkeit. Aus diesem Grund spielten die Geschlechtscharaktere beim Thema des Frauenstudiums eine so wichtige Rolle – nicht weil sie allgemein verbindlich waren, sondern weil es eine sich verschärfende Krise ihrer Legitimität gab. In diesem Abschnitt werden die Kontroversen über den Realitätsgehalt der Geschlechtscharaktere sowie ihre Ursprünge nicht weiter vertieft. Vielmehr wird das Diskursfeld entlang der folgenden Fragen vermessen: Weshalb wurde vor allem der weibliche Geschlechtscharakter zu einem Problem und welche Handlungskonzepte tauchten auf, um mit diesem Problem umzugehen? Zu welchen Umdeutungen des weiblichen Geschlechtscharakters führten diese Handlungskonzepte? Von welchen sozialen Akteurinnen und Akteuren gingen die verschiedenen Vorstellungen über das Sein und Sollen der Geschlechter aus? Auf welche Informationsquellen stützten sich diese Vorstellungen? Die Beantwortung der Fragestellungen erfolgt mithilfe einer analytischen Differenzierung zwischen den Zuschreibungen hinsichtlich des Körpers, des Geistes und der Moral von Frauen.238 In den drei Bereichen der Moral, des Körpers und des Geistes finden sich die von Hausen genannten Hauptkategorien des komplementären Geschlechtermodells: Sie betonen auf männlicher Seite die Aktivität, Rationalität und das Tun sowie komplementär dazu auf der weiblichen Seite die Passivität, Emotionalität und das Sein. Diese Hauptkategorien bildeten für die sozialen Akteurinnen und Akteure des untersuchten Diskursfeldes die Erfahrungsmatrix ihrer Weltwahrnehmung und -deutung. Dabei ermöglichten die Kategorien eine assoziative Erweiterung der Geschlechtscharaktere durch die Subsumtion verschiedenartigster Erfahrungspartikel unter die Syntax des Geschlechtermodells. Moral: „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan“ Das Leben der Frau – eine ewig brennende Flamme der Liebe, so sagen die einen. Das Leben der Frau – das ist die Selbstverleugnung, behaupten die andern. Das Leben der Frau – es ist der Mutterberuf, so wollen es die dritten. Das Leben der Frau – eine heitere Tändelei, so scherzen noch andere. Die Tugend der Frau – das ist der blinde Glaube, darüber einigen sie sich alle. Die Frauen glauben blind, sie lieben, sie opfern sich […]. Eliza Orzeszkowa (1842–1910), Schriftstellerin, Grodno 1887239
238 Wie im Zwischenfazit (Kapitel III, 5. Abschnitt) anhand der Deutungsmuster zu zeigen sein wird, standen diese Zuschreibungen in einem Wechselverhältnis zueinander. 239 Eliza Orzeszkowa: Ein Frauenschicksal, Dresden/Leipzig 1887, zitiert nach Lange (1894a), S. 214.
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Weiblichkeit bedeutete eine Fülle von unterschiedlichen Assoziationen. Trotz mannigfaltiger Variationen wiesen diese eine gemeinsame Tendenz auf: Weiblichkeit umschrieb einen Sehnsuchtsort – einen Ort der Projektionen, einen Ort der Heterotopie, an dem all jene Eigenschaften eine Heimat erhielten, die in der rauen Wirklichkeit keinen Platz hatten. Das traf auf die Vorstellungswelten von Männern, aber auch die von Aktivistinnen der bürgerlichen Frauenbewegung zu.240 Weiblichkeit verhieß Farbe in einer durch instrumentelle Vernunft ergrauten Welt. „Der Frau“ falle es nicht schwer, einem durch „Unkultur verdorbenen“ Raum durch „kleine Eingriffe“ ein „freundliches Aussehen zu geben“.241 Die Frau weiß mit einem Nichts, oder doch mit nicht viel mehr, ihren Wohnraum zu schmücken: eine Blume im Glas, eine Schleife an der Wand, ein Deckchen, ein Figürchen hier und da, und die Sache ist gemacht.242
Eine Allegorie der Weiblichkeit entspricht einem Blumenstillleben: Blumen symbolisierten Vergänglichkeit, Liebe und Reinheit – Eigenschaften, die innerhalb des Diskursfeldes auch den Phänomenstrukturen der Weiblichkeit anhafteten. Den vergänglichsten Moment des Daseins markierte die Blütezeit. Neben den Farben der Blüte trat Ruhe in die Welt. Das Dichterwort Wilhelm Raabes (1831–1910) zitierend, heißt es bei Marie Speyer (1880–1914), der ersten in Freiburg promovierten Studentin: „Eine Blume, die sich erschließt, macht keinen Lärm dabei.“243 Die „Frauenseele“ sammle sich im Stillen, das Getöse der Welt sei ihre Sache nicht. Gleichzeitig war Weiblichkeit nicht einfach vorhandenes Naturprodukt. Sie wurde kultiviert und damit der bürgerlichen Moral entsprechend gesellschaftlich überformt:244 Weiblichkeitsentfaltung hieß, die Blume von ihrer Knospe zur vollen Blüte denken.245 Weil die Blüte erst durch ihre Komposition zur Geltung gelangt, erscheint die Schönheit dieser Blüte selten allein – es galt, ihre Reinheit in einem passenden Rahmen zu entfalten. Die Phänomenstruktur schwankte zwischen Naturanlage und Kunstprodukt. Die Natur offenbarte ihre Bestimmung nur den Gehorsamen: „Dem Mann zur liebenden Gefährtin ist/Das Weib geboren; – wenn sie der Natur/Gehorcht, dient sie am würdigsten dem Himmel!“246 Die ewige, weil beständig sich erneuernde Kraft im unscheinbaren Spross der Pflanze stand schließlich für
240 Beispielsweise vertrat Bäumer nach Lesart von Irene Stoehr einen „naturrechtlichen Weiblichkeitsbegriff “, dessen Ausgestaltung von der jeweiligen Person abhing und nicht mechanisch durch eine gezielte Erziehung zur Weiblichkeit erreicht werden konnte. Das Konzept war also offen für Ausgestaltungen und beinhaltete dennoch eine Anklage an eine von Männern dominierte Wirklichkeit, der es galt mit weiblicher Ergänzung und Kritik entgegenzutreten. Stoehr (2006), S. 201 f. 241 Stücklen (1916), S. 87. 242 Schubert-Feder (1894), S. 20. 243 Wilhelm Raabe, zitiert nach Speyer (1912), S. 307. 244 Vgl. Steinbrügge (1983), S. 63. 245 Vgl. Eitelberg (1899), S. 287. 246 Schelenz (1900), S. 74.
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das natürliche Weiblichkeitszentrum: die Liebe. Die Blumenallegorie verwies in ihrer weltabgewandten Weise auf das Schöne, Wahre und Gute. Das Schöne bezog sich auf die Anmut als ein alleiniges Vorrecht der Frau.247 Eine als natürlich verstandene Ästhetik bot dem Weiblichkeitsideal ein Annäherungsmaß. Dabei handelte es sich keineswegs um ein Vorrecht um seiner selbst willen. Die „Grund- und Hauptbestimmung“ der Frauen ruhte auf dem kategorischen Imperativ, ihre „Umgebung glücklich zu machen“.248 Dies hieß für eine Frau, der Geselligkeit ihren Reiz und ihre Anmut zu schenken und dem Mann zu gefallen.249 Wie der Sexualforscher Eulenburg ausgeführt hat, besitze die Weiblichkeit ihren Anteil am Reich des Wahren aufgrund „natürlicher Intuition“, die ihrem Denken eine Lebendigkeit und Klarheit verleihe, die dem strengen logischen Schließen des männlichen Geistes fehle.250 Die Quelle dieser instinkthaften Objektivität entspringt der Liebe, die einer solchen Denkweise gemäß in der Mutterliebe ihren natürlichen Urgrund findet. Mutterliebe bedeutete eine subjektive Erkenntniskraft, die durch Gefühle auf eine Form der Wahrheit zielte, die den individuellen und vom abstrakten Denken verdrängten Erfahrungen zur Geltung verhalf. Die Instrumente dieser Erkenntniskraft hießen Geduld, Beharrlichkeit, Geschicklichkeit, Zartgefühl und Zärtlichkeit. Sie entstammten dem Raum harmonischer Innerlichkeit, die dem Lebenswillen eine erhaltende und behütende Heimat schuf. Das Gute musste im tugendethischen Sinne beständig kultiviert werden. Der ethische Maßstab der Weiblichkeit regulierte das Ethos – die sittliche Haltung im Leben, die sich entlang von Schamhaftigkeit, Reinheit, Fügsamkeit, Keuschheit, Ordnungsliebe und vor allem Fleiß ausrichtete. Schönheit allein konnte korrumpieren; Schönheit konnte gar als Gefahr für einen geglückten weiblichen Lebensweg erscheinen – immer dann, wenn sie zu allerlei Selbstsucht führte und nicht zu ihrem eigentlichen Ziel, das auf die Bedürfnisse des Mannes nach heimischer Behaglichkeit und die richtige Erziehung der Kinder bezogen blieb. Erst die Komposition aus Schönheit und Tugend legitimierte Weiblichkeit. Trat noch die Liebe hinzu, war sie vollkommen und es realisierten sich die Worte der polnischen Schriftstellerin Orzeszkowa, die Lange in einem Aufsatz zu Mädchenerziehung und Frauenstudium zitiert hat: „Die Frauen glauben blind, sie lieben, sie opfern sich, sie erziehen ihre Kinder, […] somit erfüllen sie das, was die Welt ihnen zu erfüllen vorschreibt, […].“251 Neben diesen Idealisierungen finden sich kaum negative Zuschreibungen an die Weiblichkeit: Oberflächlichkeit, Herrschsucht, Listigkeit und Gefallsucht tauchen zwar als Problematisierungen im Diskursfeld auf, galten jedoch kaum als eigentlich weiblich,
247 248 249 250 251
Vgl. Krukenberg (1903), S. 5. Wulckow (1894), S. 247. Vgl. Hugo Münsterberg: Art. „Amerika“, in: Kirchhoff (1897), S. 354; Popper (1894), S. 15. Albert Eulenburg, in: Kirchhoff (1897), S. 130. Eliza Orzesko zitiert nach Lange (1894a), S. 214.
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sondern allenfalls wie die Putzsucht als eine ungesunde Übersteigerung weiblicher Ästhetik. Wo immer sich Klagen über derlei Verhalten zeigten, dienten diese Klagen eher dazu, das positive Weiblichkeitsideal umso klarer hervortreten zu lassen. Dennoch stimmte etwas nicht mit dieser Erzählung einer die Liebe und Opferbereitschaft bergenden Weiblichkeit. Die Welt veränderte sich rasant und es kam die Zeit, in der die Erfahrung des praktischen Lebens mit dem Ideal der Erwartung nicht mehr übereinkam – das Ideal hatte dem Leben noch nie entsprochen, doch mit dem Benennen dieser Kluft war ein Problem geschaffen und dieses Problem stürzte das Weiblichkeitsideal in eine stetig anwachsende Krise. Bei Orzezskowa heißt es weiter: […] und dennoch werden [die Frauen] von eben dieser Welt etwas scheel angesehen und von Zeit zu Zeit lassen sich bald in Gestalt von Vorwürfen, bald in der freundlicheren Form der Ermahnung Stimmen vernehmen, die da sagen: es steht schlecht um euch! Und aus der Mitte der Frauen selbst wiederholen die weitsichtigeren, die klügeren und wohl auch die unglücklicheren, indem sie um sich und auch in sich blicken: es steht nicht gut um uns.252
Die Kritik dieser unglücklichen, weil weitsichtigeren Frauen bestand nicht in einer Opposition gegen das Weiblichkeitsideal. Vielmehr kritisierten sie das Abschließen und Einschließen dieses Ideals in der weltabgewandten Sphäre der Häuslichkeit. Dieses Abschließen lieferte den Grund dafür, dass die Welt sie etwas scheel ansah. Die konfessionelle Frauenrechtlerin Martin, erste in Preußen geprüfte Oberlehrerin, die aufgrund ihres beharrlichen Engagements einigen Einfluss auf die preußische Mädchenschulreform von 1908 nehmen sollte, betonte:253 Je unnötiger im modernen Hause tüchtige Frauenarbeit wurde, um so verderblicher lastete das Blumendasein der Dame auf einer ernsten Frauenseele. Es fing uns an zu ekeln vor diesem Nichts, und die Sehnsucht nach solider Arbeit, erwachte.254
Etwas musste sich am Lebensmodell bürgerlicher Frauen ändern, die Streitfrage lautete: Was genau sollte sich ändern? Die sozialen Akteurinnen und Akteure führten den Kampf um Erhalt und Veränderung des Weiblichkeitsideals mit einer breiten Palette etablierter Wissensbestände. Die Vergewisserung über das richtige Verhalten von Frauen, und implizit von Männern, geschah innerhalb des untersuchten Diskursfeldes in fünf verschiedenen Wissensbereichen: im alltäglichen Wissens- und Erfahrungsbereich, im Feld der Kunst und Belletristik, in philosophischen und daran anschließenden pädagogischen Betrachtungen, in anthropologischen Studien sowie im Feld des medizinischen Fachwissens. Allerdings ist diese Einteilung bereits ein Effekt der Analyse und verdeckt die wechselseitigen Implikationen: Tatsächlich bestand die Charakteristik des 252 Eliza Orzesko zitiert nach ebd. 253 Zu Martin und ihrer Auseinandersetzung mit der Unterrichtsbehörde vgl. Nieswandt/Joest (1990). 254 Martin (1901), S. 6.
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Geschlechterwissens gerade in einer Überschneidung dieser verschiedenen Wissensbestände – dies gilt es trotz analytischer Zergliederung der Aussagen im Blick zu behalten. So war das Alltagswissen unverzichtbares Fundament aller künstlerischen oder wissenschaftlichen Prämissen über das Wesen der Geschlechtscharaktere, was schließlich zu allerlei Fehlschlüssen führte.255 Kulturelle Normen begründeten sich durch die alltäglichen Erfahrungen eines vermeintlich natürlichen Seins. Dieses natürliche Sein offenbarte seinen Sinn jedoch seinerseits erst im Hinblick auf kulturelle Deutungen. Die Suche nach einem den scheinbar objektiven Naturtatsachen innewohnenden Endzweck befand sich in einem hermeneutischen Zirkel und konnte die durch den Werterelativismus verursachte Krise im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht abmildern.256 Dennoch wurde hartnäckig versucht, die brüchig werdenden Geschlechtergrenzen mithilfe des von Tradition und Geschichte untermauerten Alltagswissens abzusichern. Dieses Alltagswissen kam in Gestalt des „gesunden“, manchmal auch des „deutschen Menschenverstandes“ daher.257 Wie wenig das Alltagswissen des „gesunden“ Menschenverstandes jedoch als Ausgangsmaterial für weitergehende Schlussfolgerungen taugte, verrät nicht nur die klassische Rhetorik, die für derlei Scheinrationalität den Begriff des argumentum ad judicium prägte, es zeigt sich daran, dass sowohl Gegner/-innen als auch Befürworter/-innen höherer Frauenbildung den gesunden Menschenverstand für ihre Argumentation bemühten.258 Aus welchen Informationsquellen speisten sich die Wissensbestände über die Geschlechterverhältnisse und auf welche Weise erfolgte ihre Rezeption? Bevor es an die Beantwortung dieser Frage gehen kann, muss das Verhältnis zwischen den Deutungen innerhalb des Diskursfeldes und den Informationsquellen, auf die sich diese Deutungen bezogen, näher betrachtet werden: Denn es wäre eine grobe Vereinfachung, die im Folgenden genannten Personen, die meist im Rahmen eines Autoritätsarguments im Diskursfeld auftauchten, als frauenfeindlich zu klassifizieren, weil ihre Schriften bei der Suche nach dem eigentlichen Kern des weiblichen Wesens als Informationsquelle dienten. Besonders einflussreiche Autoritäten waren, ebenso wie der gesunde Menschenverstand im Bereich des Alltagswissens, vielseitig umworben: So gehörten Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und Friedrich Schiller (1759–1805) zum bildungsbürgerlichen Wissenskanon und es verwundert kaum, dass beide Klassiker in Frauenfragen zu
255
Zum „Prisma der Alltagskultur“ im wissenschaftlichen Geschlechterwissen vgl. Fausto-Sterling (1988 [1985]), S. 24 f. 256 Beispielsweise befand sich das historische Denken des Historismus aufgrund seiner Relativierung überepochaler Werte sowie seines dazu im Widerspruch stehenden affirmativen Standpunktes nationalstaatlicher Entwicklung in einer Krise, die sich schließlich angesichts der Weltkriegs- und Umbruchserfahrungen zu Beginn der 1920er Jahren weiter zuspitzte. Als Katalysator wirkte Nietzsche (1991 [1874]); zur späteren Problemanalyse vgl. Troeltsch (1922); Heussi (1932). 257 Buchner (1893), S. 31. 258 Exemplarisch für die Gegner höherer Frauenbildung vgl. Sybel (1870), S. 11; Bischoff (1872a), S. 14, 48; exemplarisch aufseiten der Befürworter/-innen vgl. Lange (1889), S. 34 f; Pinn (1896), S. 25.
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ambivalenten Deutungen führten – je nachdem unter welchen geschlechterpolitischen Vorzeichen die Blütenlese erfolgte. Kein anderer Autor wurde öfter bemüht als der deutsche Dichterfürst, der in den Schlussversen des zweiten Teils der Faust-Tragödie das weibliche Prinzip der Liebe und der Erlösung, verkörpert durch die Jungfrau Maria, über das mit dem Teufel im Bunde stehende männliche Prinzip der Weltbeherrschung siegen lässt. Angezogen und geleitet vom Ewig-Weiblichen steigt Fausts rastlose Seele in den Himmel und findet Erlösung vom Pakt mit Mephistopheles: „Alles Vergängliche/Ist nur ein Gleichnis;/ Das Unzulängliche,/Hier wird’s Ereignis;/Das Unbeschreibliche,/Hier ist’s getan;/Das Ewig-Weibliche/Zieht uns hinan.“ Wie kein anderer Topos erwies das Ewig-Weibliche im Diskursfeld als leerer Signifikant, der sich mit allerlei Erwartungen und daran angeschlossenen Befürchtungen füllen ließ.259 So klagte der in Zürich lehrende Botaniker Dodel-Port über dessen Wirkung: „Goethe hat damals, als er den ‚Faust‘ schuf, wohl kaum geahnt, welche Verheerungen mit seinem ‚Ewig-Weiblichen‘ angerichtet werden würden.“260 Die Verheerungen lasen sich in etwa so, wie es ein anonym bleibender älterer Arzt in den Ärztlichen Mitteilungen aus und für Baden zu Beginn der 1890er Jahre zur akademischen Frauenbildungsfrage zum Besten gab: Das ewig Weibliche ist kein leeres Wort. Eine sittige Reinheit umgibt wie ein idealer Hauch die weibliche Persönlichkeit und erzeugt beim Manne das Gefühl der Ritterlichkeit, die durch die begeisterungsvolle Hingabe alle Triebe läutert. Je höher die Frau, desto reiner ist dieses Empfinden.261
In den Worten des anonymen Arztes zeigt sich, was es bedeutete, die Weiblichkeit in ihrer höchsten Gestalt nicht bloß als naturgegebene Eigenschaft, sondern als ein höheres, geradezu göttliches Gut zu verstehen, das es zu kultivieren galt. Im komplementären Sinne wirkte Frauenanmut als die Triebkraft des männlichen Mutes. Die weibliche Anmut verkörperte das unbekümmerte Leben im idealistischen Musentempel. Sie half dem männlichen Mut im feindlichen Leben der materiellen Realität bestehen zu können, indem sie einen Rückzugsort bereitete: Doch ebenso wie die Männlichkeit nicht im Musentempel gestählt würde, sondern zu verweichlichen drohte, würde die weibliche Anmut nicht im Kampf gedeihen.262 Deshalb müssten alle Kräfte „dahin streben, dass die Frau nicht durch Einschlagen falscher Bahnen von den Bestrebungen abwendig gemacht wird, wodurch sie uns das Leben veredelt und unser Dasein versüsst“.263 Das Eindringen der feindlichen Welt in die vom Männlichen abgespaltene idealistische
259 260 261 262 263
Zu der von Ernesto Laclau aufgestellten Theorie leerer Signifikanten vgl. Landwehr (2008), S. 89. Dodel-Port (1892), S. 107. Von einem älteren Arzte, Dr. B. (1892), S. 117. Vgl. Jacoby (1871), S. 13. Henius (1895), S. 615.
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Sphäre des Schönen und des Guten bedrohte die Weiblichkeit. Sollten die Frauen ihre Sphäre verlassen, so könnten gesellschaftliche Spannungen heraufziehen: Man würde das Haus, welches wenigstens unter normalen Verhältnissen jedem Menschen heutzutage noch ein Stück Himmel auf Erden sein soll, und das Familienleben zur Hölle machen.264
Im tugendethischen Sinne bedrohte jede als unweiblich verstandene Handlung die Weiblichkeit. Vermeintlich falsche Handlungen, wie das Eindringen in das männliche Tätigkeitsfeld der Universität, würden zu einer unweiblichen Lebenshaltung führen. Da Frauen jedoch trotz männlicher Handlungen keine echten Männer werden könnten, bedrohten sie nicht nur das Weiblichkeitsideal, sondern zugleich den Charakter männlicher Institutionen und männlicher Identität: Die Burschenherrlichkeit ist für immer verschwunden, der Kommersgesang verklungen. – Und warum? Im Vaterlande Goethes frage man es nicht: das ewig Weibliche ist beschmutzt. Was zieht uns dann hinan?265
Nichts weniger als der Antrieb männlicher Schaffenskraft und die Hoffnung auf innerweltliche Erlösung standen auf dem Spiel. Als abwehrende Reaktion auf diese Identitätsängste institutionalisierten und militarisierten sich die studentischen Männlichkeitsrituale.266 Nun bestand seit jeher ein Grundproblem der Tugendethik darin, keinen universellen Maßstab ihrer Gültigkeit zu finden. So wundert es nicht, dass auch die Tugend der Weiblichkeit nicht vor Kritik und Umdeutungen gefeit war. Kritik zielte auf die soziale Begrenztheit des Ideals. Denn offenbar handelte es sich um ein partikulares Dogma, an dem das weniger in gesellschaftlichen Höhen weilende „Proletarierweib“ einen geringen Anteil besaß.267 Andere Deutungen betrachteten es als einen Gewinn für die Weiblichkeit, wenn diese durch akademische Studien eine ökonomische und kulturelle Erhöhung erfahren würde.268 Es bot sich die Chance, das bislang eingeschlossene Prinzip der Liebe in die Welt zu entlassen, wie die in Heidelberg promovierte und fortan als Lehrerin tätige Anglistin Windscheid verdeutlichte: Was aber spezifisch weiblich ist, das ist jenes Gefühl der Mütterlichkeit im weitesten Sinne, die durchaus nicht gebunden ist an den Besitz eigner Kinder, sondern die in ihrer umfassenden Liebe sich hilfsbereit bethätigt, die jede Frau auszuüben vermag, die studirte und in ihrem Berufe thätige so gut als andre; wo diese Eigenschaften voll entwickelt sind, da ist keine Gefährdung […].269
264 265 266 267 268 269
Rede des deutschkonservativen Abgeordneten Martin Schall im Reichstag(1896a). Sundbeck (1891), S. 37. Vgl. zu dieser These Levsen (2007b), S. 94. Henrich-Wilhelmi (1892), S. 31, 34. Vgl. Erismann (1899b), S. 537. Windscheid (1899), S. 830.
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Dass durch eine solche kulturelle Erhöhung und räumliche Befreiung die Studentinnen keineswegs einen Mangel an Weiblichkeit erleiden würden, bekräftigten die Erfahrungen im englischen und schweizerischen Ausland.270 Geradezu radikal war die Verschiebung der Weiblichkeit in die Sphäre eines universellen, religiösen Prinzips, das sich auch im Mann finden lasse und die Spaltung der Sphären besiege. Echt weiblich sei Stärke, Hilfsbereitschaft, Großherzigkeit – „mit einem Worte, echt menschlich“.271 Das Ewig Weibliche lebt […] auch im Manne, es ist in Christus ein unverkennbarer Zug, in Buddha, in Plato, Schiller, Fröbel und zahllosen anderen Menschenfreunden. Es ist eben die weltüberwindende Güte, Opferfähigkeit, Barmherzigkeit, Hingebung, gepaart mit einer Anmut, die wir in Raphael und Mozart so unwiderstehlich finden.272
Auf der Suche nach der Weiblichkeit im Musenhain klassischer Dichtkunst durfte die zweite Autorität an der Seite Goethes nicht fehlen. Auch hier herrschte an Huldigungen und Mahnungen in Bezug auf weibliches Leben kein Mangel. So heißt es bei Schiller in der Tugend des Weibes: Tugenden brauchet der Mann, er stürzet sich wagend ins Leben, Tritt mit dem stärkeren Glück in den bedenklichen Kampf. Eine Tugend genüget dem Weib; sie ist da, sie erscheinet Lieblich dem Herzen, dem Aug lieblich erscheine sie stets!273
Mochten einzelne Verhaltensmaßregeln veränderbar sein, schien Weiblichkeit doch an die formale Gestalt eines weiblichen Wesenskerns gebunden. Als unveränderliches Prinzip dieses Wesens galt das Primat des Gefühls, dessen tiefster und wahrhaftigster Ausdruck sich in der Liebe zeigte. So heißt es bei Schiller weiter: „Männer richten nach Gründen; des Weibes Urteil ist seine Liebe, wo es nicht liebt, hat schon gerichtet das Weib.“274 Derlei Klassifikationen waren kaum geeignet, die höhere Bildung von Frauen zu begünstigen. Wozu sollten sie das Urteilen nach Gründen lernen, wenn sie bereits Einblicke in die tieferen Urteile der Liebe besaßen? Beide Erkenntnisformen befanden sich in spezifischen Feldern und eine Verbindung dieser Felder erschien inkommensurabel. So ließ sich wissenschaftliche Wahrheit, die auf Empirie und logische Rationalität setzte, schwerlich auf esoterischer Liebesweisheit begründen. Deshalb verurteilte Schiller seiner Zeit den „falschen Studirtrieb“ der Frauen mit einem Epigramm. Der konservativ-katholische Moralphilosoph Victor Cathrein (1845–1931) griff diese Verse als Motto seiner Ausführungen gegen das Frauenstudium auf: „O wie viele neue Feinde der Wahrheit!/ Mir blutet die Seele,/Seh’ ich das Eulengeschlecht,/das zu dem Lichte sich drängt!“275 270 271 272 273 274 275
Vgl. Winternitz (1899), S. 3 (Heft 257); Erismann (1899b), S. 537. Windscheid (1899), S. 830. Oelsner (1894a), S. 4. Schiller: „Tugend des Weibes“, in: Ders. (1962 [1879]), S. 253. Kersten (1892), S. 27; Schiller (1962 [1879]), S. 253 f. Cathrein (1900), S. 369.
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Licht galt gemeinhin als Sinnbild der Aufklärung. Auf dem Frontispiz von Denis Diderots (1713–1784) und d’Alamberts (1717–1783) großer Enzyklopädie, die in Schillers Jugendjahren vollendet worden war und wie kaum ein anderes Werk seiner Zeit das Aufklärungsprojekt verkörperte, lüftet die Ratio im Bunde mit der Philosophie den Schleier der Wahrheit. Die Philosophie wiederum offenbart ihre Geheimnisse vor dem strahlenden Licht der Erkenntnis.276 Dies impliziert eine entblößende, sezierende Wahrheitssuche, die sich in der Helligkeit des Tages vollzieht. Die weibliche Wahrheit des „Eulengeschlechts“ verbirgt und heilt. Ihre mystischen Kräfte verbleiben im Dunkeln der Nacht. Glück empfängt das „Eulengeschlecht“ daher nur durch seine ungelehrte Weltabgewandtheit, wie vor Schiller bereits Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) urteilte.277 Obwohl auch die übrigen empirischen Wissenschaften, die der Wahrheit zu Füßen liegen, auf dem Frontispiz der Enzyklopädie als weibliche Figuren dargestellt sind, handelt es sich doch allein um himmlische Musen, die dem forschenden Handwerk der Männer auf Erden den Weg leuchten. Damit war symbolisiert: Weibliche Erkenntnis gehorchte nicht den irdischen Erkenntnisprinzipien – entweder war sie überhöht und überirdisch oder sie war dunkel und esoterisch. Es nimmt kein Wunder, dass der gelehrte Bildungsweg begabter Ausnahmefrauen dem einer heiligen Jungfrau glich: ein Ideal, an dessen asketischen Ansprüchen selbst hochbegabte Frauen nur scheitern konnten. Ausnahmefrau sein hieß, die fleischgewordene Tochter jener himmlischen Musen zu sein, die sich in der Ikonografie verewigt fanden. Nicht wenige dürften derartige „Musentöchter“ im Sinn gehabt haben, wenn sie über das Frauenstudium sprachen.278 Sowohl das männliche als auch das weibliche Erkenntnisprinzip besaßen in ihre je eigenen Sphäre ihre Berechtigung: Weil der „Kern des echt Weiblichen“ in der „ureigentümlichen“ Kraft zur Mutterliebe bestand, „welche die Natur dem Weibe als auf seiner psycho-physiologischen Eigenart beruhend“ mitgab, zielte diese Mutterliebe auf geschützte Häuslichkeit und auf die dem Licht der Öffentlichkeit abgewandte Seite des privaten Lebens.279 Auf die komplementäre Kehrseite des Häuslichkeitsideals blickend, bemerkte der Zentrums-Abgeordnete Bruno Klaus (1848–1915) im württembergischen Landtag: „Denn das Wort Schillers gilt auch heute noch: ‚Der Mann muß hinaus in das feindliche Leben‘ und nicht das Weib.“280 Gleichwohl fanden sich auch in diesem Fall kritische Stimmen, die den Anachronismus und die soziale Partikularität derartiger Schiller-Adaptionen kritisierten. So entspreche die „Art und Weise, wie Schiller die verschiedenen Berufe bei den beiden Geschlechtern charakterisiert hat, […] heute den Thatsachen nur mehr bei der besitzenden Classe“, die aufgrund ihrer Lebensweise und ihres Abstands zur Erwerbsarbeit 276 Zur Deutung des Frontispizs sowie zur Einordnung von Allegorien vgl. Schiebinger (1993), S. 178–207. 277 Vgl. Art. „Eulengeschlecht“, in: Grimm/Grimm (1862), Sp. 1194. 278 Reichstag (1892), S. 2001. 279 Gnauck-Kühne (1891), S. 29. 280 Grimm (1893), S. 95.
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eher dem Adel als dem Bürgertum zuzurechnen war.281 Bürgerliche Frauen jedoch drängte es in die Sphäre des Erwerbs, die standesgemäß nur durch die Pforte höherer Bildung zu erreichen war. Dieser Umstand findet seine Kritik in der Tendenzliteratur des schwedischen Schriftstellers August Strindberg (1849–1912). Für diesen raubte eine Übertretung der Sphären das eheliche Glück: In seinen Erzählungen zum Spannungsfeld der Geschlechter wimmelt es von gelehrten, berufstätigen Protagonistinnen, die mitunter als Anhängerinnen der Frauenbewegung ihre Weibnatur unterdrücken. Kinderlos, kalt und unnahbar leben sie in platonischen Beziehungen mit ihren männlichen Verehrern, von deren Hingabe sie zehren, denen sie die echt weibliche Liebe jedoch versagen. Die Männer sind bei Strindberg demnach die Leidtragenden liebloser „Blaustrümpfe“.282 Jedoch pünktlich mit Schwangerschaft und Geburt bricht auch aus diesen Frauen die Mutterliebe hervor und sie ergeben sich dieser tieferen, weil aus dunklen Naturtrieben emporwachsenden Wahrheit.283 Demgemäß zitierte der orthodoxe Mediziner Eduard Albert (1841–1900) den Schriftsteller Strindberg als eine Autorität in Sachen weiblichen Unvermögens zum logischen Erschließen der Welt.284 Als eine Kämpferin zum Erhalt der eigentlichen Weibnatur trat die Schriftstellerin Laura Marholm (1854–1928) im Diskursfeld auf. Zwar beklagte sie das Zerrbild, das Strindberg von der Frau als einer Megäre gezeichnet hatte – pflichtete ihm in seiner Pathologiediagnose jedoch bei.285 Dies wird in einem Marholm-Zitat von Placzek im Ärztlichen Vereinsblatt deutlich: Das Weib war in den Konkurrenzkampf mit dem Manne getreten, und es hatte sich wirklich Ellbogenraum in diesem Kampfe erobert. […] Die Welt war mürrischer geworden – das ganze Dasein sah aus wie ein ungeheuer grauer Arbeitstag. […] Und wenn sie sich in ihrem Spiegel sehen? Ja, dann sehen sie, dass ihre Augen müde und ihre Wangen schlaff und ihre Haut welk und blass ist von Anämie, sie sehen, dass sie kränklich und abgearbeitet sind; […]. Und es nahm einen anderen Spiegel, den Spiegel des Weibes – die Bücher der Dichter. […] Und da erfährt es, dass es ein Abschaum ist, ein Vampyr, eine Dirne, ein hässliches, kränkliches, lästiges Geschöpf […]. Das ist das Weib bei Strindberg … . Und es hat keine Zeit mehr, Weib zu sein; es hat keine Kraft mehr, Weib zu sein; […]. Denn es ist ein gespaltenes Geschöpf geworden; es glaubt nicht mehr an sich selbst als Weib!286
Marholm suchte in ihrem Buch der Frauen nach dem Ausbruch des „Weibempfindens“ bei sechs erfolgreichen Ausnahmefrauen ihrer Zeit. Anhand dieser Schicksale schilderte 281 Bernatzik (1900), S. 12. 282 Zur Begriffsherkunft aus dem Umfeld des englischen Naturforschers Benjamin Stillingfleet am Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Feyl (1981), S. 19. 283 Für eine exemplarische Erzählung vgl. Strindberg (1988 [1884/86]). 284 Vgl. Albert (1895), S. 11. 285 Vgl. Marholm (1895), S. 42, 118. 286 Placzek (1896), S. 580 f.
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sie das Leid moderner Frauen, die ihre Weibnatur nicht in Einklang bringen konnten mit ihrem Wunsch nach geistiger Reife und nach Geltung in einer männlichen Welt: Sie alle waren krank an einer inneren Spaltung, die erst mit der Frauenfrage in die Welt gekommen ist, an einer Spaltung zwischen ihrer Verstandesrichtung und der dunklen Basis ihrer Weibnatur.287
Als Idealtypus dessen, „was diese Zeitrichtung aus dem Weibe“ mache, galt ihr das traurige Schicksal der Mathematikerin Sofja Kovalevskaja (1850–1891), die als Ausnahmetalent in Göttingen promoviert worden war.288 Für Marholm versinnbildlichte sich in ihrer Person das weibliche Zeitopfer schlechthin: […] ein Genie zu nichts, ein Weib zu nichts, sich abhetzend nach Zielen, hinter denen die Leere steht, verschmachtend vor Schaugerichten, todesmüde und voller Todesfurcht, gestorben, weil einen Augenblick lang der Puls der Selbsterhaltung aussetzte, begraben unter Nekrologen, vergessen für die nächste Neuigkeit.289
Der „Zeitrichtung“ trotzend, heißt es an anderer Stelle: „Eins aber ist es, wozu das Weib geschaffen ist, wenn es normal geschaffen ist, und das ist zur Liebe. […] Denn des Weibes Inhalt ist der Mann.“290 Ähnliche Töne schlug die schwedische Schriftstellerin Ellen Key (1849–1926) an, welche die Berufsarbeit in Konkurrenz zum Mann als „missbrauchte Frauenkraft“ problematisierte.291 Keine Frau könne alles gleichzeitig erfüllen. Eine arbeitende Frau widerspreche den Pflichten gegenüber ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem Haus: „Arbeitsteilung muss bleiben aus dem Gesichtspunkt der Gattung.“292 Die Alternative bestehe darin, von der von Marholm beschriebenen Spaltung zerrissen zu werden. Lediglich die „wirklich Berufenen“ sollten ihren Weg in Studium und Beruf finden, wie Marie Speyer (1880–1914) mit Verweis auf Key und mit Blick auf in ihren Augen weniger begabte Modestudentinnen argumentierte:293 Und wieder blieb nur die Nische des Ausnahmetalents. Neben Strindberg, Marholm und Key tauchten aber auch Persönlichkeiten im Diskursfeld auf, mit denen die Öffentlichkeit weniger wohlwollend umging: Fast vergessen schien der Schriftsteller Bogumil von der Goltz (1801–1870), als dieser in den 1890er Jahren zitiert wurde. In einigen Vorträgen Über die Frauen in Wien sowie mit einer Charakteristik und Naturgeschichte der Frauen hatte sich dieser in der Mitte des 19. Jahrhunderts an der anthropologischen Erforschung der Frauennatur beteiligt. In 287 288 289 290 291 292 293
Marholm (1895), Vorwort: o. S. Ebd., S. 202. Ebd. Marholm (1895), S. 48. Vgl. Key (1898). Zitiert nach Hirsch (1920), S. 17. Vgl. Speyer (1912), S. 306.
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einer Zeit, als sich das Berufsbild der seminaristisch gebildeten Lehrerin für private Mädchenschulen gerade etabliert hatte, sah er sich bemüßigt zu verlautbaren: „[N]ur [der Mann] kann das Weib unterrichten, nur männliche Unterweisung imponirt einem Mädchen, nur durch ihn empfängt sie das fehlende Element.“294 Dankbar rezitierten vor allem orthodoxe Mediziner die genannten schriftstellerischen Interventionen, wenn es darum ging, Ansprüche nach weiblichen Ärztinnen zurückzuweisen.295 Angesichts der gemäßigteren Stimmen, die seit Mitte der 1890er Jahre die Mehrheit im Diskursfeld stellten, erschien Goltz als ein bereits reichlich angestaubtes Gespenst, als ein Geist längst vergangener Tage. Gleichwohl täuscht der Eindruck einer das Weiblichkeitsideal übermäßig bestärkenden Riege von Schriftstellerinnen. Dohm spöttelte, es gäbe keine „große Auswahl unter den Schriftstellerinnen von Geist, die gegen die Frauenbewegung Front machen“. Außer Marholm käme ihr lediglich Else von Schabelsky (1860–1902) in den Sinn.296 Genauso scheint unter den Schriftstellern das Meinungsbild zur Frauenbildung mehrheitlich positiv gewesen zu sein, worauf die bei Kirchhoff abgedruckten befürwortenden Stellungnahmen sowohl bei sozialdemokratischen Autoren wie Friedrich Spielhagen (1829–1911) oder Robert Schweichel (1821–1907) als auch bei antidemokratischen Konservativen wie Freiherr von Wolzogen hindeuten. Der populäre und mehrfach im Diskursfeld auftauchende norwegische Schriftsteller Henrik Johan Ibsen (1828–1906) erschütterte das häusliche Weiblichkeitsideal wie kein anderer seiner Zunft: In seinem 1879 uraufgeführten Theaterstück Nora Oder ein Puppenheim problematisierte er dessen Ein- und Abgeschlossenheit. Von dem bürgerlichen Weiblichkeitsideal werde nichts Höheres erwartet, als dem Ehemann ein schönes Heim zu bereiten. Die Hausfrau bevölkere das bürgerliche Heim als Puppe. Ihr stand als Objekt keine Aktivität zur Lösung weltlicher Lebensnöte zu. Die Protagonistin Nora symbolisierte eine zum „Spielzeug“ degradierte Ehefrau.297 Schließlich problematisiert sie jedoch ihre Lage und verlässt tief enttäuscht von den ehelichen Verhältnissen Mann und Kinder. Anschließend begibt sie sich auf die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wer bei ihrem Problem mit der Welt recht habe: die Gesellschaft oder sie selbst. Die Deutung des Stückes glich laut dem völkischen Publizisten und Lebensreformer Heinrich Pudor (1865–1943) einem „Vexierrätsel“. Die Frage, wie es die Männer mit Nora hielten, geriet zur Frage nach einer modernisierten Männlichkeit: Welches Weib wird der Mann der Zukunft ehelichen wollen? Nora vor der Trennung oder Nora nach der Trennung? Nora verlässt den Mann, welcher alten Idealen nachging und ein Weib als Haushälterin forderte. Und sie wird zugleich reif als Gattin für den Mann künftiger 294 Goltz (1863), S. 307. 295 Vgl. Albert (1895), S. 5 f., 11; Placzek (1896), S. 574, 581; Penzoldt (1898), S. 26; Runge (1898), S. 16 f., 32. 296 Dohm (1897), S. 47. 297 Vgl. Pinn (1896), S. 36.
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Tage, denn sie stellt die Frage: Wie bin ich fähig, meine Kinder zu erziehen, wenn ich mich nicht selbst erzogen habe?298
Trotz Infragestellung der häuslichen Enge fanden sich keine Deutungen, die bei Ibsen eine Abkehr vom zentralen Kern des herrschenden Weiblichkeitsideals ausmachten. Vielmehr verstanden seine Rezipienten und Rezipientinnen das Drama als eine Aufwertung von Mütterlichkeit: Denn Frauen könnten die drängenden Menschheitsfragen nur als Mütter lösen. Diese Einstellung stieß sogar bei der reaktionären Frauenbewegungsgegnerin Grünwald-Zerkowitz auf Zustimmung – wenngleich im Sinne Ibsens eine geistige Aufwertung durch Selbsterziehung notwendig war und dies eine höhere Bildung implizierte, die Grünwald-Zerkowitz lediglich „hochbegabten Ausnahmsmädchen“ zugestand, „die eine entschiedene Abneigung gegen die Ehe haben“.299 Bei Ibsens Müttern der Zukunft durfte es sich um keine Puppen handeln, vielmehr mussten es Frauen sein, die ein Bewusstsein von den Vorgängen der Welt besaßen, um den Männern bei deren Lebensnöten beizustehen. Ein weiteres Beispiel eines das Weiblichkeitsideal kritisierenden Schriftstellers findet sich mit Ernst von Wildenbruch (1845–1909), der sich 1897 auch an einer von Magnus Hirschfeld (1868–1935) initiierten Eingabe an den Reichstag zur Streichung des Paragrafen 175 aus dem Strafgesetzbuch beteiligte. Von Wildenbruch erscheint in Fragen der bürgerlichen Lebensgestaltung als Vertreter eines liberalen Individualismus. Der Berliner Oberlehrer Karl Pinn (1861–1941) zitierte in einer Abhandlung über die öffentliche Meinung zum Frauenstudium die kurz zuvor im Börsen-Courier bzw. der Volks-Zeitung abgedruckten Worte des Schriftstellers: „Warum spricht man immer von ‚der Frau‘ statt von den Frauen?“300 Als einzigen Maßstab für die Gestaltung des Lebenswegs betrachtete von Wildenbruch das meritokratische Prinzip, wie Schirmacher in ihren Ausführungen zu dessen Stellungnahme in den Kirchhoff-Gutachten verdeutlichte: So finde sich die Entscheidung für eine Studienzulassung von Frauen nicht in der verallgemeinerten Subsumtion unter ein starres Frauenbild, es zähle allein die geistige Befähigung.301 Neben Alltagswissen und Belletristik stützten philosophische Betrachtungen die Erfahrungsmatrix der Geschlechtscharaktere. Informationsquellen philosophischer Provenienz reichten zurück bis auf Platon und Aristoteles. Wobei die rezipierten Vorstellungen beider Philosophen verschiedener nicht sein konnten. Platon galt als Vertreter einer Geschlechtergleichheit sowohl in Erziehungsfragen als auch bei Tätigkeiten im öffentlichen Raum. Entscheidendes Moment sei allein die Begabung:302 „Plato verlangt
298 299 300 301 302
Pudor (1902), S. 627. Vgl. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 40 f. Pinn (1896), S. 33. Vgl. Schirmacher (1897), S. 28. Vgl. Teichmüller (1877), S. 20.
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für seinen idealen Staat politische und soziale Gleichheit beider Geschlechter.“303 Die geistigen Fähigkeiten von Frauen beurteilte er positiv.304 Seine Mutter Periktione galt als Verfasserin philosophischer Werke.305 Ganz anders verhielt es sich mit der Rezeption aristotelischer Lehren. Diese standen für eine strikte Trennung der Geschlechtersphären: Weil eine Frau lediglich ein unvollkommener Mann und damit einem Kind ähnlich sei, hätten beide auch zwingend verschiedenartige Tugenden.306 Für das Leben außerhalb des Hauses sei die Frau zu schwach, für die Erziehung der Kinder hingegen bestens geeignet.307 Als ebenfalls die Differenz der Geschlechter betonender Philosoph war Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) im Diskursfeld präsent. Das spezifische Seelenleben der Frauen disponiere deren Andersartigkeit.308 Betont wurde dabei die zärtliche Sorgfalt der Mutterschaft.309 Zudem spielte Schutzbedürftigkeit eine wichtige Rolle zur Legitimation eines durch den Mann vor äußeren Gefahren beschützten Heimes.310 Doch die Deutungen der Lehren aus Rousseaus Erziehungsroman Emile waren trotz einiger Kritik an seiner „Naturanbetung“ ambivalent.311 Schließlich besäßen Frauen über die Erziehung ihrer Kinder einen großen Einfluss auf die menschliche Kulturentwicklung: Die Menschen werden immer Das sein, was die Frauen aus ihnen zu machen belieben: sollen sie gross und tugendhaft sein, so lehre man die Frauen, was Grösse und Tugend ist.312
Das mit Rousseau begründete Wissen über die gestaltende Kraft weiblicher Erziehung schien sich bereits hinreichend etabliert zu haben. Zumindest wuchs die Angst vor den Frauen nach den revolutionären Eruptionen des Jahres 1848 derartig, dass nicht nur demokratische Frauenvereine verboten worden waren, sondern Frauen jedwede politische Betätigung untersagt wurde: auf dass sie gerade nicht in einer politischen Öffentlichkeit lernten, was Größe und was Tugend außerhalb der ihnen zugestandenen Lebenssphäre des heimischen Herdes bedeuteten. Die Kontrolle über das Leben von Frauen über das Vehikel der Weiblichkeit war gleichzeitig eine Kontrolle über die bestehende staatliche und gesellschaftliche Ordnung. Die viel zitierte Apathie, die Passivität, der eskapistische Egoismus und politische Opportunismus der deutschen Hausfrau waren in den Augen der orthodoxen Bewahrer/-innen gefährdete Güter.313 Die Frauen sollten Hüterinnen im „Heiligtum 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313
Kronfeld (1889), S. 1106. Vgl. Schwerin (1880), S. 21 f. Vgl. Henrich-Wilhelmi (1892), S. 7. Vgl. Teichmüller (1877), S. 24. Vgl. Schmelzle (1896), S. 174. Vgl. Teichmüller (1877), S. 54. Vgl. Pelman (1888), S. 25. Vgl. Kronfeld (1889), S. 1106. Popper (1894), S. 12. Jean-Jacques Rousseau zitiert nach Walcker (1893), S. 274. So behauptete der Deutschkonservative Karl Alwin Hartmann, dass die Mehrzahl der Frauen seiner Ansicht seien und sie ins Haus und die Familie gehörten. Vgl. Grimm (1893), S. 154.
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der Familie“ bleiben, weil sie dort als „wahrhaft nützliche, staatserhaltende Kraft“ und somit als „Schutz gegen das Eindringen aller staats- und kulturfeindlichen Gewalten“ wirkten.314 Gefährdet erschien diese Kraft durch allerlei kulturelle Modeerscheinungen, die in dieser Perspektive als unnatürlich und entartet galten, um die Naturgesetzlichkeit des traditionellen Weiblichkeitsideals zu unterstreichen.315 Das Ideal entwickelte sich allerdings nicht von selbst aus der bloßen Natur heraus – diese stellte lediglich die natürliche Form bereit: Kultivierte und als besonders weiblich klassifizierte Handlungen mussten bestärkt werden, um das Weiblichkeitsideal zu erreichen. Aus dem gleichen Grund galt es abweichende und vermeintlich unweibliche Handlungen als unnatürlich zu verurteilen. Die Schwäche orthodoxer Bewahrer zeigte sich darin, dass sie auf ihre Feindbilder geradezu panisch reagierten: Dies taten sie, weil die Frauenrechtlerinnen begannen, auf das Bewusstsein der Frauen einzuwirken, damit diese nicht länger Subjekte an sich blieben, sondern wie Ibsens Nora Subjekte für sich würden – gerade so, wie es die Sozialdemokratie bezüglich der Befreiung der Arbeiterschaft verlangte. Bei den „engherzig denkenden Hausfrauen und weltfremden Müttern“ finde sich der „größte Feind der Studentinnenfrage“. Sie „pflanzen systematisch ihren Söhnen den Haß ein, den Haß gegen die Frau des Berufslebens“, konstatierte der Jurastudent Ludwig David (1884–1969).316 Für „Johanna“ Kettler war es das „Allerschlimmste“, dass den Frauen aufgrund ihrer Unterdrückung jedes Bewusstsein für ihre Lage fehle.317 Der von ihr und ihren Genossinnen ausgerufene Kampf um das Bewusstsein nahm zu Beginn der 1890er Jahre an Fahrt auf und tobte in seiner für die herrschende Geschlechterordnung gefährlichen Sachlichkeit und Vehemenz in unzähligen Broschüren und Vorträgen, Lesezimmern und Kundgebungen, Presseinformationen und Kampagnen. Wie äußerte sich nun die Gegenseite, um Weiblichkeit und Tradition zu verteidigen? Ein probates Mittel bestand darin, die Ansprüche von Frauen als illegitime Herrschaftsansprüche zurückzuweisen. Friedrich Nietzsche (1844–1900) nutzte es trotz seines Aufbegehrens gegen unhinterfragte Moralvorstellungen ebenso wie Arthur Schopenhauer (1788–1860), um seine negative Perspektive auf das Bildungsvermögen von Frauen auszudrücken.318 Wäre Nietzsche noch geistig gesund der radikalen Kettler in Weimar begegnet, sie hätte ihm als Paradebeispiel weiblicher Herrschsucht gegolten. So heißt es bei Nietzsche polemisch: 314 315
316 317 318
Vgl. Rede des freikonservativen Abgeordneten Johannes Höffel im Reichstag (1893), S. 1221. Der Entartungs-Begriff wurde im Diskursfeld seit den 1890er Jahren genutzt. Bspw. vom Nationalökonomen Heinrich Herkner (1863–1932), der das Frauenstudium zwar befürwortete, radikale Ziele jedoch ablehnte: „Der Radikalismus des echten Weibes hört auf, wo das Familienleben […] beginnt. […] Diesen Thatbestand können die verwerflichen Extravaganzen einiger entarteter Geschöpfe nicht verhüllen […].“ Herkner (1899), S. 251. David (1907), S. 101. Kettler (1891), S. 13. Vgl. Georg Runze, in: Kirchhoff (1897), S. 11.
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Bisher war glücklicherweise das Aufklären Männer-Sache, Männer-Gabe – man blieb damit ‚unter sich‘; und man darf sich zuletzt, bei allem, was Weiber über ‚das Weib‘ schreiben, ein gutes Mißtrauen vorbehalten, ob das Weib über sich selbst eigentlich Aufklärung will – und wollen kann… Wenn ein Weib damit nicht einen neuen Putz für sich sucht – ich denke doch, das Sich-Putzen gehört zum Ewig-Weiblichen? – nun, so will es vor sich Furcht erregen – es will damit vielleicht Herrschaft. Aber es will nicht Wahrheit: was liegt dem Weibe an Wahrheit!319
Die aus Chemnitz stammende und in Zürich studierende Helene Friederike Stelzner (1861–1937) beklagte sich über die „große Gefolgschaft“, die Nietzsches „Herrenmoral“ genoss.320 Denn die von Frauen unternommene Aufklärung über ihre Situation gehöre für diese Kreise „zu den schlimmsten Fortschritten der allgemeinen Verhäßlichung Europas“. Sie empfänden es als eine schlechte Erscheinung, wenn Frauen sich ihrer selbst bewusst würden und dabei notwendig „ad rem mulieris“ zu sprechen begännen.321 Neben Schopenhauer und Nietzsche komplettierte von Hartmann das populärphilosophische Dreigestirn, zu dem sich in Frauenfragen nur die hartgesottenen Verfechter/-innen alter Ordnung bekannten. In seiner Philosophie des Unbewussten kommt den Instinkten und dem Triebleben eine hohe Bedeutung zu: Unbewusst seien Frauen instinktiv dazu geneigt, den Mann anzuziehen. Nur Scham und Erziehung legten ihnen hierbei Fesseln auf.322 Eine solche Erziehung hatte nach Lesart des Bonner Psychiaters Karl Pelman (1838–1916) der Kinderpflege und der Hausarbeit zu gelten. Auf die Behauptungen von Hartmanns verweisend, mochte auch Pelman die am Ende der 1880er Jahre erreichte und noch immer mangelhafte Bildung in den höheren Töchterschulen wieder auf das Volksschulniveau der Großmüttergeneration „zurückschrauben“.323 Zur Bekräftigung philosophischer Spekulationen über den Naturzweck der Weiblichkeit dienten schließlich anthropologische und kulturgeschichtliche Studien: In Anlehnung an Das Weib in der Natur- und Völkerkunde des Leipziger Gynäkologen Hermann Heinrich Ploss (1819–1885) empfahl der ebenfalls als Gynäkologe tätige Max Runge (1849–1909) zum Erhalt der Weiblichkeit regelmäßigen geschlechtlichen Verkehr in der Ehe. Dadurch werde vorzeitiges Welken, wie es bei „alten Jungfern“ zu beobachten sei, verhindert.324 Weil ein solcher „regelmäßige Verkehr“ in ebenso regelmäßiger Schwangerschaft mündete, schien für Runge dadurch der Frauenfrage der Stachel gezogen. Neben Ploss galt der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897) als 319 Nietzsche (1886), S. 232. 320 Die Befreiung von moralischen Konventionen bot allerdings auch Anlass für eine feministische Nietzsche-Rezeption wie sie beispielsweise bei Helene Stöcker anzutreffen war. Vgl. Herlitzius (1995), S. 140. 321 Stelzner (1899), S. 115. 322 Vgl. Runge (1898), S. 25. 323 Pelman (1888), S. 26. 324 Runge (1898), S. 10.
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Autorität in Frauenfragen. Mit seinem 1861 veröffentlichen Werk Die Familie ließ sich die Naturalisierung der gesellschaftlichen Ordnung treffend bewerkstelligen:325 So sah der angehende Jurist Hans Schmelzle (1874–1955) darin den Beweis erbracht, dass es sich bei dem Gegensatz der Geschlechter um einen unabweisbaren naturwissenschaftlichen Gegensatz handeln müsse.326 Es ließe sich auf der Suche nach der Weiblichkeit innerhalb des Diskursfeldes weiter ins Detail gehen, doch die Rekonstruktion von Diskursen und Gegendiskursen, die um das Zentrum liebender Mütterlichkeit kreisen, würde zu keiner Erkenntniserweiterung führen. Es bleibt auf die gemeinsame Tendenz in den Aussagen zu verweisen, von der bereits zu Beginn die Rede war und die sich wie folgt interpretieren lässt: Weiblichkeit bedeutete die Projektion einer Sehnsucht. Jede geharnischte Apologie des Weiblichkeitsideals vonseiten männlicher Akteure entsprang daher einer Hoffnung, dass sich Wünsche erfüllen würden, die das Ich verdrängt hatte, um es im Anderen zu suchen. Doch umso gewaltsamer sich die Akteure an ihre verdrängte und externalisierte Hoffnung klammerten, je weiter rückte diese in die Ferne. Glück lässt sich nicht zwingen. Demgemäß deutete Windscheid die vermeintlich prekär gewordenen weiblichen Eigenschaften als „überkommene Schlagwörter“, als die falsche Illusion einer besseren Welt: Die solche Worte aussprechen, verstehen unter echter Weiblichkeit meistens ein ätherisches blumenhaftes Wesen, das in möglichster Unkenntnis des Lebens erhalten wird damit die rauhe Wirklichkeit nicht den Duft von ihm nehme.327
Sich der rauen Wirklichkeit bewusst hofften die Befürworter/-innen höherer Frauenbildung auf eine Befreiung der Weiblichkeit. Dabei blieben sie mit ihren Gegendiskursen dem Ideal jedoch weiterhin verbunden. Ein bislang ausgeklammerter Wissensbestand findet sich innerhalb der Medizin. Wie in diesem Abschnitt deutlich wurde, entlehnten vor allem orthodoxe Mediziner, die bewahrend-reaktionäre und bewahrend-konservative Diskursstrategien präferierten, ihre Prämissen dem herrschenden Ordnungs- und Moralkanon der Weiblichkeitsideale, um von diesen ausgehend die psychophysische Materialität der Frau in den Blick zu nehmen: Sie nutzten ihr wissenschaftliches Renommee, um „die Dynamik des modernen Denkens und sozialen Wandels“ aufzuhalten.328 In den nächsten beiden Abschnitten wird daher die medizinische Analyse der Phänomenstrukturen des weiblichen Körpers und Geistes in den Fokus rücken.
325
Zur Einordnung von Riehls Werk vgl. insb. Gerhard (1978), S. 28, 74–76, 81, 148–152; weiter Keller (2018), S. 42; Kuhn (2002), S. 48–50. 326 Vgl. Schmelzle (1896), S. 172. 327 Windscheid (1899), S. 830. 328 Budde (2000), S. 251.
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Körper: „La femme est un animal naturellement faible et malade“ Es war der Ökonom und freigeistige Liebling der Salons Ferdinando Galiani (1728–1787), der im 18. Jahrhundert die Gerede von der Frau als einem schwachen und kranken Tier geprägt hatte. Derlei Aphorismen beeinflussten die Phänomenstruktur des weiblichen Körpers, der im Sinne Galianis „nur in Intervallen eines beständigen Krankseins“ als gesund galt.329 Da dieser Körper lediglich unter Perspektive seines vermeintlich einzigen Daseinszweckes in den Blick geriet, fokussierte diese Phänomenstruktur auf Prozesse der Fortpflanzung und Nachwuchspflege. Die demgemäß klassifizierten Frauen erschienen als Geschlechtswesen – während das Geschlecht der Männer nur in direkter Differenz und Anlehnung zu dem Geschlecht von Frauen als Phänomen im Diskursfeld auftaucht. Nicht nur in der Sprache, sondern auch im Alltagswissen war das männliche Subjekt die universelle Norm und damit war es als Objekt für derlei fundamentale Problematisierungen unsichtbar.330 Aufgrund dieser Überblendungseffekte der universellen Norm traten Klassifizierungen des männlichen Geschlechts im Diskursfeld nur spärlich auf. Sie zeigten sich immer dann, wenn es zum weiblichen Prinzip einer Kontrastfolie bedurfte, die das Weibliche als das Besondere vom Allgemeinen differenzierte. Der männliche Körper erschien in seinen spärlichen Charakterisierungen als ein Mittel, das zugerichtet und eingesetzt wird, um auf die äußere Welt einzuwirken, um Stoffwechselprozesse in Gang zu halten und somit die Natur zu beherrschen. Die Phänomenstruktur glich einer geraden Linie oder einer planen Ebene. Die Gesundheit eines solchen männlichen Körpers wurde lediglich im Rahmen der Zu- und Abnahme seiner physischen Kraft im Prozess des Heranwachsens und Alterns thematisiert.331 Zur Herstellung dieser geraden und kraftvollen Linienform fungierte schulischer Drill durchaus als probates Mittel – für den weiblichen Körper hingegen galt diese Form einer männlichen Knabenbildung als Gefährdung des auf die Fertilität hin ausgerichteten Reifeprozesses. Die Phänomenstruktur des weiblichen Körpers entsprach einer Welle und diese ließ sich kaum ohne Schaden in ein Prokrustesbett sperren: Die Wellenmetapher zielte dabei weniger auf das Ideal äußerlicher Rundungen als vielmehr auf die im Innern des Körpers sich vollziehenden periodischen Kreislaufprozesse der Geschlechtsorgane. Diese Kreislaufprozesse würden den gesamten Organismus und damit den gesamten weiblichen Lebensprozess beeinflussen.332 Der Fokus auf diese Kreislaufprozesse war es, der die Rede von einer eigentlichen Bestimmung der Frauen rechtfertigen sollte. Für die einen zeigte sich der „göttliche Endzweck“ in einer körperlichen „Scheidung der 329 Placzek (1896), S. 576; zur Problemkonstruktion der ewig kranken Frau vgl. auch Fausto-Sterling (1988), S. 119–123; Kniebiehle (1994), S. 382. 330 Deshalb konnte Otto Weininger in seiner zu den klassischen Werken der Wiener Moderne zählenden Dissertation Geschlecht und Charakter behaupten, „nur der Mann ist Mensch“. Klinger (1986), S. 66 f. 331 Vgl. Jacoby (1871), S. 13 f; Späth (1872), S. 1113. 332 Vgl. Fehling (1892), S. 15 f., 26; Rehm (1901), S. 13.
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Menschheit in Geschlechter“;333 andere beschworen den „Weltgeist“, der in der „Körperbeschaffenheit des Mannes und in der Körperbeschaffenheit des Weibes“ seinen Willen klar ausgesprochen habe, wonach der Mann „dem Erwerbe“ und „die Frau der Fortpflanzung des Geschlechtes und dem Gedeihen der Familie“ diene.334 In dieser Deutung legte der männliche Körper als ein Mittel lediglich seiner Form nach den Zweck seiner weiteren Existenz fest, die vorrangig dem Kampf in seiner zivilisatorischen Gestalt als Erwerbsarbeit zu gelten hatte. Der weibliche Körper hingegen berge bereits den Inhalt des an diesen Körper gebundenen Daseins, das den Zweck besitze, seinen „angeborenen“, „ursprünglichen“, „wirklichen Lebensberuf “ einer in eingehegter Häuslichkeit sich vollziehenden Mutterschaft auszuüben.335 Die Rede vom schwachen Geschlecht problematisierte den vermeintlichen Mangel einer sich nach außen hin entfaltenden Kraft. Im Sinne der komplementären Erfahrungsmatrix musste der weibliche Körper in seinem Innern jedoch eine größere Spannkraft aufweisen. Denn zum einen würden die Generationsorgane eine große Menge an Energie konsumieren; zum anderen erschien die innere Kraft, die mit einem geruhsamen Stoffwechsel einherging, als prädestinierend für ein häusliches Leben: Der verhältnissmässig langsame Umsatz macht es erklärlich, warum Frauen in geschlossenen Räumen, wie Theater, Kinderstuben und auf Bällen es zuweilen aushalten unter Bedingungen, unter denen es den Männern unerträglich wäre. In Folge dessen können sie auch anhaltender und geduldiger gewisse sitzende Arbeiten verrichten.336
Im Sinne einer solchen Kraftökonomie zehrte jede äußere Anstrengung von den Vorräten der inneren Lebensäußerungen.337 Die inneren Lebensäußerungen seien beschäftigt mit den Prozessen einer frühzeitig einsetzenden körperlichen Reife sowie dem sich daran anschließenden Menstruationszyklus und der Schwangerschaft. Die Prozesse fänden schließlich im Klimakterium ihr Ende. All diese Stadien galten unter Medizinern als hoch problematisch, was die Einschätzung einer schwächlichen Konstitution zu rechtfertigen schien: Ihr Eintritt in das Geschlechtsleben zwischen dem 12. und 15. Jahre ist eine oft gar lange dauernde Krise, durch die dreissig Jahre, wo dasselbe anhält, ist sie […] jährlich zwei Monate lang leidend, wenn sie auch nicht ihrer Bestimmung, Mutter zu werden, nachkommt. Dass Gravidität, Wochenbett, Ernährung und Pflege des Kindes sie nur allzu sehr von der Aussenwelt abziehen, bedarf keiner Erörterung. Am Schlusse der weiblichen Carrière
333 Freiherr von Soden, in: Kirchhoff (1897), S. 13. 334 Minuth (1900), S. 214. 335 Von einem älteren Arzte, Dr. B. (1892), S. 111; Freiherr von Soden, in: Kirchhoff (1897), S. 14; Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 25. 336 Škljarevskij (1898), S. 13. 337 Vgl. Anonym, Dr. H. (1887), S. 771; zu dieser Sichtweise vgl. Heinsohn (2005).
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wartet ihrer eine neue lange Krise, jenseits welcher vielleicht Enkelchen ihr neue Mutterpflichten auferlegen.338
Die Adoleszenzphase als Zeit der geschlechtlichen Reife entsprach dem wichtigsten Lebensabschnitt einer Frau. Weil dieser Prozess im Vergleich zum Knaben früher einsetze und ein rascheres Ende habe, wurde die Frühreife des weiblichen Körpers vielfach als Ursache für die ihm zugeschriebene Unvollkommenheit angeführt.339 Auch die Schnelligkeit der Adoleszenz galt als Grund für größere Anfälligkeit.340 Eine Folgerung aus diesen Annahmen bestand darin, den körperlichen Reifeprozess der Mädchen als eine Zeit des erhöhten Schonungsbedarfs zu betrachten – sollte die ohnehin kränkliche Disposition nicht noch weiter verstärkt werden.341 So müsse jede Störung dieser Reife, etwa durch eine als übermäßig erscheinende Gehirnentwicklung aufgrund geistiger Bildungstätigkeit auf Kosten dieser Geschlechtsentwicklung gehen.342 Die Gefahr einer Fehl- oder Unterentwicklung der Geschlechtsorgane durch übermäßige geistige Anstrengungen während der Mädchenschulzeit postulierte der Gynäkologe und Sozialhygieniker Hirsch noch im Jahr 1920 – fast 50 Jahre nach dem ersten Auftreten dieser Problemdeutung bei dem Anatomieprofessor Bischoff. 343 Als Störung galt eine den Knaben gemäße gymnasiale Schulbildung. Drastisch prognostizierte der Leipziger Agrikulturchemiker Friedrich Stohmann (1832–1897): Sollten an Mädchen gleiche Anforderungen in der schulischen Bildung gestellt werden, „so würde man Krüppel erziehen, die für ihr Leben ruiniert sein würden“. Gymnasien für Mädchen sollten daher verboten werden.344 Vor allem Anatomen und Gynäkologen wurden nicht müde, vor den Gefahren des langen Sitzens und des „Examensbüffelns“ innerhalb „männlicher Bildungswege“ zu warnen.345 Das Resultat seien Haarausfall, Kurzsichtigkeit, Rückgratverkrümmung, Blutarmut und Nervosität.346 Die Karikaturisten der Unterhaltungsblätter griffen diese Schreckbilder auf und zeichneten gebildete Frauen entweder als flatterhaft, bebrillt, verknöchert und dünnhaarig oder aber als das weibliche Abbild des männlichen Corpsstudenten: Bier trinkend, Pfeife rauchend, Schläger schwingend und sexuell übergriffig – hier wie dort war der weibliche Geschlechtscharakter verfehlt. 338 339 340 341 342 343
Anonym, Dr. H. (1887), S. 771. Vgl. Jacoby (1871), S. 12; Lindner (1897), S. 4; Rehm (1901), S. 8. Vgl. Placzek (1896), S. 574. Vgl. Moses (1909), S. 12. Vgl. Bischoff (1872a), S. 22. Hirsch sah jedoch im Gegensatz zu Bischoff nach „geschlechtlicher Reifung“ kein Hindernis für das Studium und eine akademische Berufsausübung für Frauen. Hirsch (1920), S. 108; zur Kontextualisierung im Hinblick auf die bevölkerungspolitischen Diskurse dieser Zeit vgl. Schmersahl (1998), S. 317–334. 344 Friedrich Stohmann, in: Kirchhoff (1897), S. 274. 345 Vgl. Buchner (1892a), S. 256; Karl von Bardeleben, in: Kirchhoff (1897), S. 33; Johannes Conrad, in: Kirchhoff (1897), S. 178. 346 Vgl. Bernhard Ritter, in: Kirchhoff (1897), S. 298; Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 23; Moses (1909), S. 5.
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Die Problemdefinitionen endeten jedoch nicht mit dem körperlichen Reifeprozess. Der mit der Menstruation beginnende weibliche Krisenzyklus sollte sich vielmehr bis zur ersten Schwangerschaft weiter steigern.347 Nach Ansicht des Heidelberger Gynäkologen Adolf Kehrer (1837–1914) sei in der „bisherigen Besprechung der Frauenfrage aus Zartgefühl“ das Thema der Menstruation „meist unberührt geblieben“.348 Tatsächlich jedoch nahmen vor allem Ärzte im öffentlichen Diskurs kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, wegen dieses körperlichen Prozesses den Frauen ihr Vermögen zum Arztberuf abzusprechen. Bereits Kehrers Straßburger Kollege Hermann Fehling (1847–1927) hatte ausgeführt, wie der „geheimnisvolle Vorgang im weiblichen Organismus“ schon bei Mädchen einen Anstieg „krankhafter Erscheinung“ bewirke.349 Der Berliner Sanitätsrat Leopold Henius (1841–1924) ging so weit, an alttestamentarische Vorurteile anzuknüpfen, in dem er die menstruierende Frau als unrein klassifizierte. In diesem Zustand wäre eine Ärztin, insbesondere bei Operationen, eine Gefahr für Patienten und Patientinnen.350 Zudem beeinträchtige die „Circulationswelle“ gerade bei „geistig hochveranlagten Frauen“ für mehrere Tage die Arbeitskraft – im Falle einer Schwangerschaft noch länger.351 Geistig veranlagte Frauen meinte die höheren Töchter der gebildeten Mittelschicht, die geradezu als eigene Spezies erschienen und scharf von Arbeiterinnen abgegrenzt wurden, die ihre körperliche Leistungsfähigkeit tagtäglich unter Beweis stellen mussten. Neben dieser sozialen Differenzierung, die ein mit der Theorie körperlicher Schwäche schwer vereinbares Verhalten erklären sollte, vertraten einige Mediziner die Annahme, Frauen würden durch „allerhand Listen“ und „Verstellungskunst“ ihre Periode aus Scham weitgehend vor den Männern verheimlichen. Der nicht durch das Studium des weiblichen Körpers geschulte Blick könne sich dadurch täuschen lassen, den Medizinern bliebe der vermeintliche Makel jedoch nicht verborgen.352 Über das Werk des Sexualforschers Havelock Ellis (1859–1939) popularisierte sich das Bild einer Wellenbewegung zur Beschreibung physiologischer Prozesse des weiblichen Körpers. Ellis’ anthropologische Abhandlung Man and Woman von 1894 wurde noch im Jahr ihres Erscheinens ins Deutsche übersetzt (Mann und Weib).353 Innerhalb des medizinischen Spezialdiskurses begründete sich die Theorie einer den ganzen Körper umfassenden Wellenbewegung auf eine 1878 erschienene Schrift des im amerikanischen Louisville lehrenden Medizinprofessors John Goodman.354 Die Theorie basierte vor allem auf Schwankungen der Körpertemperatur, des Pulsschlages sowie Harnstoffausscheidungen, die Goodman mit dem Menstruationsprozess in Verbindung 347 348 349 350 351 352 353 354
Zur Wirksamkeit soziobiologischer Zuschreibungen vgl. auch Fausto-Sterling (1988), S. 19–22. Adolf Kehrer, in: Kirchhoff (1897), S. 113. Fehling (1892), S. 14. Vgl. Henius (1895), S. 614. Kritik an Henius formulierte wenig später der Oberlehrer Pinn (1896), S. 14. Langer (1894), S. 16. Placzek (1896), S. 577; Runge (1898), S. 21. Vgl. Ellis (1895). Vgl. Goodman (1878).
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brachte.355 Der im tschechischen Franzensbad praktizierende Kliniker Carl Reinl verbreitete in einem 1884 publizierten Vortrag diese Theorie im deutschen Sprachraum. Dabei konnte er sich auf vergleichende Messdaten stützen, die er im Bäderhospital für Unbemittelte an gesunden sowie geschlechtskranken Frauen sammelte, worunter auch Frauen zählten, denen im Zuge einer Ovariotomie ein Eierstock entfernt wurde – eine Eingriff, der nicht nur im Zuge pathologischer Veränderungen der Eierstöcke, sondern auch zur Behandlung von Krankheiten des Geistes vorgenommen wurde.356 Ellis widersprach der These eines beständigen Krankseins bzw. einer periodischen Störung des weiblichen Körpers durch die Menstruation explizit. Dennoch postulierte er eine problematische Wechselwirkung zwischen dem Phänomen einer Wellenbewegung im weiblichen Organismus und der gesellschaftlichen Ordnung: Die Menstruation ist also kein isolierter und zeitlich begrenzter Prozess, sondern nur eine Phase einer beständigen Wellenbewegung im ganzen weiblichen Organismus. […] Die Thatsache ist nicht bloß für Aerzte und Naturforscher, sondern auch für den Soziologen und für die ganze menschliche Gemeinschaft von Wichtigkeit.357
Ellis selbst leitete aus dieser Feststellung lediglich einen erhöhten Schonungsbedarf erwerbstätiger Frauen ab – zielte also ganz im Sinne der Frauenbewegung auf den Schutz arbeitender Frauen. Dass dieser paternalistische Schutzgedanke zu einer Einschränkung von Frauen führen konnte, war in seinen Thesen jedoch bereits angelegt. Denn es sei „nicht länger möglich, die Periodizität des weiblichen Lebens als eine rein private Angelegenheit des Weibes zu betrachten, das ihr unterworfen ist“.358 Auf der Grundlage dieser These einer Wechselwirkung zwischen weiblichem und gesellschaftlichem Leben, die den Körper von Frauen als öffentliche Angelegenheit deutete, konnten orthodoxe Mediziner den Hebel ansetzen, um zu ihren einschränkenden Schlussfolgerungen zu gelangen.359 Ellis legitimierte die ohnehin weitverbreitete Praxis, von einem physiologischen Sein auf ein gesellschaftliches Sollen zu schließen – weil er selbst zu den progressiven Medizinern zählte und seine Arbeit auf feministische Motive zurückging, wirkte dies umso verhängnisvoller.360 Nicht zuletzt Möbius machte in seinem erfolgreichen Machwerk regen Gebrauch von naturalistischen Fehlschlüssen dieser Art.361 355 356 357 358 359
Vgl. Bullough/Voght (1973), S. 73. Vgl. Reinl (1884). Zur Ovariotomi bei geistigen Krankheiten vgl. Schmersahl (1998), S. 197–200. Ellis (1895), S. 256. Ebd., S. 258. Die Mediziner betrieben Körperpolitik: Indem der Körper als sozial relevant betrachtet wurde, vollzog sich eine Politisierung, im Zuge derer bestimmte Interessen durchsetzbar wurden. Vgl. Schnicke (2015), S. 45 f. Zum Gebrauch von Wissenschaft für politische Zwecke durch Wissenschaftler selbst sowie zur Multivalenz wissenschaftlicher Inhalte vgl. das Analysemodell bei Ash (2010), S. 17. 360 Zur Einordnung Ellis vgl. Offen (2000), S. 193 f. 361 In seinen Tiraden gegen intellektuelle und „kinderarme“ Frauen verwies Möbius auf eine Studie von Ellis, die einen Zusammenhang zwischen Kinderreichtum und der höheren Wahrscheinlichkeit der Geburt eines „genial“ veranlagten Menschen postulierte. Vgl. Möbius (1922), S. 69.
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Kritiker/-innen derartiger Problematisierungen des weiblichen Körpers setzten am Phänomen der kränklichen Mittelschichtsfrauen an, führten deren vermeintlich pathologische Erscheinungsformen jedoch auf eine falsche Lebensweise und Erziehung zurück. Nicht noch mehr häusliche Schonung sei die Lösung des Problems, so der Breslauer Internist Ottomar Rosenbach (1851–1907), sondern eine Änderung einer „unhygienischen Lebensweise“, die einem „falschen Ideal der Weiblichkeit“ nachstrebe.362 Als Beispiel einer die Leistungsfähigkeit begünstigenden Lebensführung von Frauen aus der gebildeten Mittelschicht wurden Lehrerinnen angeführt.363 Wie prekär derlei Argumentationen waren, zeigt die Tatsache, dass auch Gegner/-innen der höheren Frauenbildung das Beispiel der Lehrerinnen aufgriffen, dabei allerdings deren hohe Krankheitsrate im Vergleich zu den männlichen Lehrkräften betonten.364 Galt der einen Seite die Berufsarbeit von Frauen als Ursache für die Zunahme nervöser Erkrankungen durch eine Überforderung des weiblichen Organismus, sahen andere in ihr aufgrund der moralischen Befriedigung, die mit dem Beruf einhergehe, gerade ein Gegenmittel gegen nervöse Zustände.365 Indes darf nicht der Eindruck entstehen, dem Diskursfeld würden die Zwischentöne fehlen: Es wäre zu einfach, die beiden Lager bloß in bedingungslose Befürworter/-innen und Gegner/-innen zu trennen. Vielmehr bahnten sich in problemlösungsorientierten Handlungskonzepten erste Kompromisse an: So plädierten 1897 der Psychotherapeut Albert Moll (1862–1939) und der Professor für Innere Medizin Ernst von Leyden (1832–1910) dafür, Studium und Berufsarbeit auf unverheiratete Frauen zu beschränken, die zwar durch die Menstruation, jedoch nicht durch die weitaus längere Schwangerschaft behindert würden. Zudem sollten nur die „allertüchtigsten Elemente“ zugelassen werden, denen ihr Körper als Mittel im männlichen Sinne gehorche.366 Aufseiten radikaler bzw. fortschrittlicher Frauenrechtsdiskurse traten Schirmacher und Dohm explizit gegen die Problematisierung des weiblichen Zyklus an. Schirmacher argumentierte mit der Stärke von Arbeiterinnen und Hausfrauen, denen im Rahmen ihrer Erwerbs- und Hausarbeit keine Beeinträchtigungen anzumerken seien.367 Zudem verwies sie auf die wohlwollenden Stellungnahmen der Mädchenschullehrer Carl Nohle (1856–1917) und W. Panzerbieter, die beide an Langes Gymnasialkursen in Berlin unterrichteten und keine Störungen durch den Menstruationszyklus feststellen konnten.368 Mit entblößendem Sarkasmus begegnete Schirmacher der körperlichen
362 Vgl. Ottomar Rosenbach, in: Kirchhoff (1897), S. 83. 363 Vgl. Albert Moll, in: Kirchhoff (1897), S. 142; Dornblüth (1897), S. 36. 364 Vgl. Kersten (1892), S. 31; Langer (1894), S. 15 f; Rehm (1901), S. 17; Svetlin (1895), S. 24; Bayerischer Landtag (1900), S. 79. 365 Vgl. Anonym (1894b), S. 30. 366 Vgl. Albert Moll, in: Kirchhoff (1897), S. 142; Ernst von Leyden, in: Kirchhoff (1897), S. 75. 367 Vgl. Schirmacher (1897), S. 27. 368 Ebd., S. 4.
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Mängelliste des Jenaer Anatomen Karl von Bardeleben (1849–1918), der sich im Rahmen der Kirchhoff-Gutachten geäußert hatte: Professor v. Bardeleben beschwört alle Schrecken auf einmal: Menstruation, Gravidität, Puerperium, Klimacterion, Nervosität, Hysterie. Nun, die Natur ist zwar nicht gerade gnädig mit der Frau verfahren, doch aber gnädiger, als Professor v. Bardeleben. Seine Aufzählung erschreckt den Leser, er denkt sich die Frau gleichzeitig mit all diesen ‚Übeln‘ behaftet. Glücklicherweise schließt aber einer der ersten vier Zustände immer die drei anderen aus, und sämtliche sind vorübergehend. Bei der Frau, die studieren will, wird für gewöhnlich nur die Menstruation zu berücksichtigen sein.369
Ebenso spöttelnd konterte bereits Dohm 20 Jahre zuvor das Menstruationsargument bei Bischoff, der rhetorisch danach gefragt hatte, weshalb fast alle Nationen der Geschichte „die Weiber“ während ihrer Periode für unrein hielten. Dohms Antwort ging dem politischen Geist der Zeit entsprechend mit kulturkämpferischer Attitüde einher: Aus demselben Grunde, Herr Professor, aus dem man Jahrhunderte lang bei fast allen Nationen Frauen mit roth geränderten Augen als Hexen verbrannte – darum, weil jeder Aberglaube seine Zeit braucht, um überwunden zu werden; darum glaubte man auch Jahrtausende, daß die Sonne sich bewege und die Erde still stände. Einige Pastoren glauben noch daran. Wie es scheint, haben sie Mitgläubige!370
Die nun bereits betagte Frauenrechtlerin Dohm intervenierte auf dem Höhepunkt der Publikationsfrequenz zum Frauenstudium im Jahr 1897 gegen die an Bischoff anknüpfenden Behauptungen einiger orthodoxer Mediziner und stellte damit unter Beweis, dass sie das Mittel der Zuspitzung noch immer beherrschte. Dem Argument der mit dem Menstruationszyklus einhergehenden Blutarmut entgegnete sie: Wir wollen doch aber nicht auf der Blutarmut oder sonstiger physischer Entartung eine Gesellschaftsordnung gründen! Nur möglichst normale physische Beschaffenheiten dürfen maßgebend dafür sein. Aber je mehr die Ärzte das Weib als mater dolorosa hinstellen, je besser läßt es sich für ihre Behauptungen verwerten.371
Was als normale physische Beschaffenheit galt, unterlag einem erheblichen Deutungsspielraum, wie Judith Butler herausgestellt hat: „[…] der Körper ist eine geschichtliche Situation, wie Beauvoir sagt, und er ist eine Art des Tuns, der Dramatisierung und der Reproduktion einer geschichtlichen Situation.“372 Um den Spielraum „des Tuns“ einzuschränken, bedienten sich die Mediziner einer „Metaphysik der Substanz“ (Butler), die politische Glaubenssätze und Überzeugungen mit körperlichen Phänomenstrukturen 369 370 371 372
Ebd. Dohm (1874), S. 141. Dohm (1897), S. 35. Butler (2002), S. 305.
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verband. Diese naturalisierende Politik bezog auch die geistigen Fähigkeiten in den Bereich ihrer Deutungsmacht ein.373 Geist: „Die Frau memorirt, der Mann studirt“ In ihrer Darstellung zur Polarisierung der Geschlechtscharaktere analysiert Hausen wie kognitive Eigenschaften von Männern und Frauen den Kategorien der Rationalität und Emotionalität zugeordnet wurden. Diese Kategorien schufen eine Ordnung innerhalb des variationsreichen Aussagesystems der Geschlechtscharaktere.374 Zur Ordnung des Spektrums von Aussagen innerhalb des vorliegenden Diskursfeldes liefern sie eine erste Orientierung, müssen jedoch um zwei Aspekte erweitert werden: So ist der Rationalität die Kategorie der Objektivität zur Seite zu stellen und der Emotionalität die der Subjektivität. Emotionalität implizierte Passivität. Der weibliche Geist schien ausgeliefert an die Gefühle des Gemüts. Mit dieser Klassifikation gingen zwei Phänomene einher: Infantilität und Instinkt. Sie mündeten im drakonischen Urteil: geistige Inferiorität. Der weibliche Intellekt rückte in die Nähe eines „kindlichen Typus“.375 Die vermeintliche Empfindsamkeit von Frauen galt als Ausdruck ihrer größeren Naturnähe. Sie verleihe ihnen eine „thierähnliche“ Reaktionsfähigkeit;376 gleichzeitig seien Frauen willensschwach, leicht erregbar und furchtsam wie Kinder – während Männer mutig seien.377 Mit dem größeren Instinkt gingen Scharfsinn und Schläue einher, sodass trotz kindlicher Naivität den Frauen eine „prophetische Gabe“ zuteilwerde, die es ihnen erlaube, „die Welt zu erkennen, ohne die sonst gültigen Bedingungen der Reflexion, des Urtheils, des Schlusses, der Beobachtung zu erfüllen“.378 Derlei Klassifikationen blieben nicht ohne die Deutung eines Naturzwecks: Sie dienten zunächst den Müttern dazu, „das naive Kind verstehen zu können“.379 Zudem würden sie Frauen attraktiv für männliche Verehrung machen: So sei die „[seelische und leibliche Anmut] am reizendsten in der naiven Natürlichkeit einer reichen, echt frauenhaften Natur“.380 Der nationalliberale Abgeordnete des Weimarischen Landtages im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach Julius Appelius (1826–1900) gab während einer Debatte über das Frauenstudium zu Protokoll, erst Naivität und Frische einer Frau reize die Männer – im Umkehrschluss konnte 373 374 375 376 377 378 379 380
Die Metaphysik der Substanz konstruiert eine innere Kohärenz bzw. Kausalität zwischen anatomischem Geschlecht und Geschlechtsidentität, vgl. Butler (1991), S. 37–49. Vgl. Hausen (1976), S. 367 f. Vgl. Dornblüth (1897), S. 23. Hartmann (1876), S. 11. Vgl. ebd., S. 16 f. Jacoby (1871), S. 13. Gruber (1910), S. 17. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 29.
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höhere Bildung bei einer Frau diesen Reiz nur beschädigen.381 Der Anatom Bischoff betonte, Männer liebten Frauen auf eine Weise, die der Liebe zu Kindern nahestehe.382 Männliche Liebe glich einem Akt der Domestikation: Kindliche Naivität und Frische erhielten sich in den engen Bahnen des häuslichen Lebens. Die Inferiorität besaß dabei ganz praktische Zwecke und musste naturnotwendig sein.383 Als Beweis der These eines inferioren Geistes diente das vermeintliche Fehlen großer Kulturinnovationen durch Frauen.384 „Nüchterne Beobachter“ fänden in der „intellectuellen Inferiorität der Frau“ ein ewiges „Bildungsgesetz der Natur“.385 In einem solch naturalisierenden Frauenbild war Biologie letztlich Schicksal.386 Die augenscheinliche Zirkularität und Metaphysik dieser Argumentation wird im weiteren Verlauf der Analyse zu thematisieren sein. Neben der Emotionalität wurde auch die „Subjektivität des Denkens“ als weibliche Eigenheit proklamiert.387 Subjektivität implizierte einen am Individuellen und Besonderen ausgerichteten Intellekt. Der Psychologe Ferdinand Maria Wendt (1839–1904) diagnostizierte in seiner 1892 erschienenen Schrift Die Seele des Weibes einen Hang zum induktiven Schließen, der auf einer mangelhaften Abstraktionsfähigkeit beruhe, der Frauen das Aufstellen allgemeiner Sätze und daraus folgende logische Ableitungen erschwere.388 In Anlehnung an Wendt proklamierte der Psychiater Wilhelm Svetlin (1849–1914) der „Sinn für das Kleinliche“ lasse sie das Ganze aus den Augen verlieren.389 Dass derlei Phänomenstrukturen innerhalb des Diskursfeldes keineswegs kohärent waren, zeigt die ältere Charakterisierung des weiblichen Intellekts durch den englischen Historiker Henry Thomas Buckle (1821–1862), der in seinem viel zitierten Essay zum Einfluss der Frauen auf den Fortschritt der Wissenschaft Frauen im Gegensatz zu Wendt einen Hang zum deduktiven Denken zusprach, das Buckle als dem einseitigen männlichen Denken überlegen bewertete.390 Bei seinem Klärungsversuch stellte der in Kiew Lehrende Medizinprofessor Aleksej Sergeevič Škljarevskij (1839–1907) fest: Es handele sich bei Buckles Deduktion tatsächlich um einen im Unbewussten sich vollziehenden Induktionsschluss, der erst als bewusstes Produkt im Nachgang deduktiv erscheine.391 Wie auch immer Škljarevskij bestehende Inkohärenzen der Phänomenstrukturen zu glätten versuchte, eines schien allgemein festzustehen: Dem weiblichen Intellekt mangele es aufgrund seiner detailverliebten Ausrichtung am Konkret-Besonderen an Schöpfungskraft. Als schöpferisch galt das Vermögen zur Subsumtion unter das Allgemeine, die 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391
Vgl. Grimm (1893), S. 88. Albert (1895), S. 18. Schmelzle (1896), S. 175. Vgl. Rutenberg (1877), S. 176. Von einem älteren Arzte, Dr. B. (1892), S. 110. Vgl. Duden (1997), S. 41. Kersten (1892), S. 27. Vgl. Baumann (1896), S. 241 f. Svetlin (1895), S. 16 f. Vgl. Dohm (1874), S. 179; Lange (1894a), S. 263. Vgl. Škljarevskij (1898), S. 16.
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einen abstrahierenden Blick auf das Ganze zur Folge habe. Der italienische Pädagoge Luigi Credaro (1860–1939) urteilte zwar auf der Grundlage eigener Erfahrungen – denn in Italien gab es keine expliziten Einschränkungen einer Studienteilnahme von Frauen, blieb jedoch nicht unbeeinflusst von den verbreiteten Geschlechtertopoi, wie folgendes Zitat zeigt: Die Frau ist immer gut vorbereitet, wenn sie sich zur Prüfung stellt, sie gibt getreulich das Gelernte wieder, verfügt aber im allgemeinen nicht über unabhängige schöpferische Ideen.392
Selbst die Frauenrechtlerin Lange pflichtete derlei Urteilen bei: [I]ch erkenne gern an, daß bei der geistigen Veranlagung der beiden Geschlechter dem Manne diese produktive Kraft in ungleich höherem Maße zugefallen ist als der Frau, […].393
Wie der Naturforscher Vogt ausführte, werde dieser Mangel an Produktivität jedoch durch einen gewissen Vorteil „in receptivem Lernen“ kompensiert.394 Eine solche Annahme war im Diskursfeld allgemein verbreitet und wurde durch weitere Eigenschaften ergänzt: Auch wenn sie rezeptiver als Männer seien, besäßen Frauen dennoch eine größere Fantasie und Einbildungskraft.395 Weil diese jedoch zu allerlei Abschweifungen führten, bleiben Frauen kleineren Formen verhaftet: Für den Wiener Schuldirektor Julius Reuper (1841–1891) waren Schriftstellerinnen daher zum Schreiben von Novellen weit besser geeignet als zum Abfassen epischer Romane.396 Weil das Urteil von Frauen rascher erfolge, sei es zugleich weniger tief. Somit stand die „Schnelligkeit des Gesamtempfindens“ in einem Gegensatz zum festen und durch Diskussion erlangten Urteil der Männer.397 Schnelligkeit und Lebendigkeit seien praktische Talente, wenn es darum gehe, den Alltag zu meistern. Hierfür seien Frauen mit einer besseren Menschen- und Sprachkenntnis ausgestattet.398 Ihr irdisches am Menschlichen ausgerichtetes Denken verleihe ihnen eine größere Kompetenz darin, dem Wissen durch Handeln Wirksamkeit zu verleihen, so Marianne Weber.399 „Die Schranken, die wir aufrichten, fesseln nicht, sondern schätzen den weiblichen Genius.“400 Derartige Huldigungen des weiblichen Intellekts, wie sie der Theologe und spätere Rektor der Königsberger Universität Jacoby in jungen Jahren formuliert hatte, überdeckten die Gewaltförmigkeit der Zuschreibungen: Tatsächlich vollzogen „die 392 393 394 395 396 397 398 399 400
Art. „Luigi Credaro“, in: Anonym (1904), S. 16. Lange (1889), S. 89. Vogt (1888), S. 22. Vgl. Friedrich Kirchner, in: Kirchhoff (1897), S. 294; Dr. Moriz Benedict, in: Anonym (1895c), S. 549. Vgl. Reuper (1878), S. 6 f. Sybel (1870), S. 14. Vgl. Rutenberg (1877), S. 171. Vgl. Weber (1904), S. 645. Jacoby (1871), S. 19.
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Schranken“ den Ausschluss von Frauen aus der Wissenschaft nicht innerhalb eines variablen Raums des Rechts, der sich durch Gesetze und Statuten hätte ändern lassen, sondern im Raum vergeschlechtlichter Subjektpositionen. Die Assoziation des Männlichen mit Wissenschaftlichkeit verengte die Handlungsspielräume der als weiblich klassifizierten Subjekte: Während der Lebens- und Persönlichkeitswert der Frau in der Berührung mit den starren männlichen Prinzipien der Wissenschaft gemindert wird, ihre Lebensorgane austrocknen und tot werden, erfahren auf der anderen Seite die reinen Formen der Wissenschaftlichkeit durch die Forderungen der Frau an sie eine Umgestaltung und Verunreinigung. Beide Welten, die der lebensleeren Wissenschaftlichkeit, des absoluten Geistes, und die der lebensfrohen, lebenstiefen Weiblichkeit, des subjektivsten Geistes, an sich hoch und groß und gleichwertig, büßen in diesem Gegeneinander von ihrem Werte ein.401
Doch es brauchte keinen unverbesserlichen Reaktionär wie den randständigen Antisemiten Arnold Ruge (1881–1945), der in seiner Zeit als Privatdozent in Heidelberg wegen Äußerungen zur Frauenbewegung mit dem prominenten Gatten Marianne Webers, dem Soziologen Max Weber (1864–1920), aneinandergeriet, um derlei Feststellungen zu treffen. Der Prager Altphilologe Carl Holzinger von Weidich (1849–1935) hatte bereits zwölf Jahre zuvor in einer Rektoratsrede festgestellt: Das Wesen und der Ruhm der deutschen Universitäten besteht in der Verbindung von Lehre und Forschung. Die Frau nun stellt nach ihrer innersten Natur ein receptives Element dar, und bis einmal die Frauen und Mädchen in vielleicht nicht allzu ferner Zeit in hellen Scharen in die alten Mauern der Universität einziehen, werden sie das Gewicht jenes ohnehin beträchtlichen Theiles unserer Zuhörerschaft verstärken, der sich auch jetzt nur receptiv verhält.402
Trotz derartiger Aussagen wäre es verfehlt, die gezogenen Grenzen als gänzlich undurchdringlich zu deuten. Handlungsspielräume gab es. Schließlich öffnete sich zur Jahrhundertwende das universitäre Feld zumindest im formalrechtlichen Sinne. Die geschlechtsspezifischen Klassifikationen waren keineswegs starr. Deshalb konnten sich nach dieser Öffnung Subjektpositionen für Frauen im universitären Feld herausbilden: Die Frage lautet nur, welche Spielräume weiblichen Subjekten angesichts der Hartnäckigkeit der geschilderten Klassifikationen blieben? In dem von Marianne Weber stark gemachten Punkt einer handlungspraktischen Wirksamkeit des Wissens durch Frauen zeigt sich bereits die Deutungsspanne der Klassifikationen, denn Wirksamkeit des Wissens war innerhalb einer immer stärker an Forschung ausgerichteten Universitätslandschaft durchaus ein gefragtes Gut. Obwohl es sich in der Grundtendenz überwiegend um einschränkende Klassifikationen gehandelt hatte, lassen sich dennoch einige ins 401 Ruge (1912), S. 30. 402 Holzinger von Weidich (1900), S. 15.
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Positive gewendete Phänomenstrukturen im Geschlechterwissen des Diskursfeldes finden, die den weiblichen Intellekt betreffen.403 Wie sah diese Verschiebbarkeit hinsichtlich der Phänomenstruktur des weiblichen Intellekts aus? Zunächst ließ sich die auf einer subjektiven Erkenntnisweise beruhende Neigung zum Besonderen im Verbund mit einer auf das Detail gerichteten Beobachtungsgabe für wissenschaftliche Zwecke durchaus verwerten: So sei die Neigung zum Voranstellen des Besonderen ein „heilsames Gegengift“ gegen die abstrakte Deduktion, wie der in Zürich lehrende Heinrich Herkner (1863–1932) mit Blick auf seine männlichen Kollegen in der Nationalökonomie konstatierte.404 Für den Leipziger Chemiker Stohmann galt die als spezifisch weiblich verstandene Beobachtungsgabe von Frauen als vorteilhaft in den naturwissenschaftlichen Fächern.405 Auch die mit der emotionalen Naturhaftigkeit im Bunde stehende Intuition ließ sich zum Vorteil umdeuten: Die Münchner Lehrerin und Frauenrechtlerin Clementine Braunmühl (1833–1918) sah in der Intuition und der Klugheit eine Schöpfungskraft eigener Art, die in Form „ethischer Produktivität“ zu nutzen sei.406 Auf die Schnelligkeit und Lebendigkeit weiblicher Intuition zielend, bemerkte Škljarevskij: Ihr wisst, mit welch staunenswerther Tiefe diese Eigenschaft der Frau in Schillers Kassandra gekennzeichnet ist. Nun ist jedes Weib bis zu einem gewissen Grade eine Kassandra, und gewiss konnte sich mehr denn einer von uns, der auf die Logik der Frau geringschätzend herabsieht, überzeugen, dass sie die Wahrheit trifft, dort, wo der schwerfällige Apparat des männlichen Denkens uns in der Irre lässt oder wenigstens im Zweifel.407
Für Binder helfe die größere Fantasie von Frauen bei ärztlichen Diagnosen.408 Als ganz und gar positiv galt das weibliche Sprachtalent. Es ließ sich in vielen Fachgebieten von der ärztlichen Praxis über die Jurisprudenz bis hin zur Sprachwissenschaft verwerten.409 Derartige Transformationen in den Deutungen des virulenten Geschlechterwissens hatten Auswirkungen auf jene drakonischen Urteile, die selbst durch eine Umdeutung kaum zum Vorteil von Frauen ausfallen konnten: So ließ sich die unterstellte Infantilität zumindest auf geistigem Gebiete im Rahmen transformierender Gegendiskurse nicht länger begründen. Sie sei vielmehr Effekt einer Erziehung, die Frauen „in kindlicher Unbeholfenheit“ erhalte, wie die Züricher Studentin Alexandra von Schleinitz (1842–1901) bereits 1872 festgestellt hatte.410 Dem dadurch hervorgerufenen Mangel an Selbstver403 Zum Problem der Reifizierung beim positiven Bezug auf Weiblichkeit vgl. Butler (1991), S. 63–68. 404 Herkner (1899), S. 241. Für Herkner waren Frauen besonders geeignet, „die sozialen Probleme der Modernisierung und Industrialisierung“ zu untersuchen. Keller (2018), S. 36; vgl. auch Weyrather (2003), S. 35. 405 Vgl. Friedrich Stohmann, in: Kirchhoff (1897), S. 275. 406 Vgl. Braunmühl (1899), S. 10. 407 Škljarevskij (1898), S. 17 f. 408 Vgl. Binder (1892), S. 42. 409 Vgl. Anonym (1872a); Eckstein (1899), S. 217; Linke (1918), S. 50. 410 Schleinitz (1872), S. 6.
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trauen müsse „vernunftgemäßere Erziehung“ entgegenwirken, betonten fortan die Aktivistinnen der Frauenbildungsbewegung.411 Mit den Umdeutungen schwächte sich auch das Urteil einer Inferiorität von Frauen ab. Der Hofschauspieler Friedrich Mitterwurzer (1844–1897) bemerkte: „Die Frau ist ausdauernd, wenn es sein soll auch heroisch. Wer kann sie also ein inferiores Wesen nennen?“412 Der Augenarzt und Hygieniker Friedrich Erismann (1842–1915) konstatierte unter Rückgriff auf seine Erfahrungen in Russland und der Schweiz: […] die geistige Inferiorität verschwand, sobald man der Frau die Möglichkeit gab, denselben Bildungsgang durchzumachen, den der Mann Jahrtausende hindurch als sein Monopol betrachtet hatte; […].413
Der freisinnige Abgeordnete Carl Baumbach (1844–1896) bemerkte im Reichstag spöttelnd, die anwesenden Herren sollten die Inferiorität des weiblichen Geschlechts ihren Gattinnen erklären und anschließend schauen, welche Wirkung ihre Ausführungen entfalten.414 Derlei Umdeutungen stürzten die Klassifikationen des Weiblichkeitsideals im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in eine Krise. Um weiterhin als Ideal Gültigkeit beanspruchen zu können, brauchte es neue Legitimationsanstrengungen. In einer an die (Natur-) Wissenschaft glaubenden Gesellschaft schien die Medizin am ehesten geeignet, dem Ideal neue Legitimation zu verschaffen – Antisepsis und Mikrobiologie machten sie zu einer aufstrebenden Disziplin, die bei der Senkung der Sterblichkeitsrate unleugbare Fortschritte zu verzeichnen hatte. Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel angeführt, besaß die Medizin des 19. Jahrhunderts bereits eine lange Tradition biologisch-medizinischer Klassifikationen der Geschlechterdifferenz, die mit gesellschaftlichen Normzuschreibungen korrelierten. Die medizinischen Deutungen des weiblichen Intellekts setzten auf der Grundlage einer Mängeldiagnose des weiblichen Körpers an. Durch eine zunehmende Zurückweisung des von René Descartes (1596–1650) postulierten Dualismus zwischen einer rein geistig-immateriellen und einer ausgedehnt-materiellen Substanz stand der Annahme einer Wechselwirkung zwischen körperlich-physischen und geistig-psychischen Prozessen nichts mehr im Wege. Die Wechselwirkungsthese erhielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nochmaligen Auftrieb, durch die populär werdende Evolutionstheorie.415 Sie schürte Hoffnungen, geistige Erkrankungen vermittelt über den Körper behandeln zu können – das bereits genannte Beispiel einer weiblichen Kastration (Ovariotomie) zur Behandlung der Hysterie erlangte hierbei traurige Be-
411 412 413 414 415
Binder (1892), S. 42. Anonym (1895g). Erismann (1899b), S. 537. Baumbach (1893), S. 8. Vgl. Schmersahl (1998), S. 78 f.
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rühmtheit.416 Dabei musste die These einer psychophysischen Wechselwirkung kein Bekenntnis zum Materialismus im Sinne des Naturforschers Vogt beinhalten. Schließlich sei der Materialismus im strengen Sinne ebenfalls ein metaphysischer Glaube, wie der Begründer der Zellularpathologie Rudolf Virchow (1821–1902) verdeutlichte, der unbelegbare Glaubenselemente in der Wissenschaft grundsätzlich ablehnte. Virchows Standpunkt lässt sich daher als positivistischer Agnostizismus bezeichnen.417 In welch weltanschauliche Urgründe dieser Streit auch immer führen mochte, zwischen Materialisten, Agnostikern und Spiritualisten bestand eine verblüffende Einigkeit, wenn es darum ging, die intellektuelle Leistungsfähigkeit von nicht-weißen Menschen sowie von Frauen mit vermeintlich objektiven statistischen Daten über deren Gehirne abzuwerten.418 Den Archetyp einer solchen Abwertung schuf Bischoff mit seiner Schrift Das Studium und die Ausübung der Medicin durch Frauen im Jahre 1872. Die Frauenrechtlerin Agnes von Zahn-Harnack (1884–1950) bezeichnete die Schrift des Münchner Professors in ihrer 1928 erschienenen Geschichte der Frauenbewegung als die erste gegen die Frauenbewegung gerichtete Beweisführung, die auf biologischer Basis erfolgte.419 Bischoff stützte sich dabei nach eigenem Urteil auf „unparteiische“ und „gewissenhafte“ Forschungen der Anatomie und Physiologie. Dabei lautete sein Grundaxiom, „dass das Weib […] in seiner ganzen Organisation einen minder hohen Entwicklungsgrad erreicht hat, und in allen Beziehungen dem Kinde näher steht, als der Mann“.420 In dieser Anschauung pflichtete ihm drei Jahre später der in Rostock lehrende Augenheilkundler Wilhelm von Zehender (1819–1916) in seinem gegen das Studium und die Berufsausübung von Frauen gerichteten Vortrag in der Aula der Universität bei: Da der typische Frauenschädel einem Kinderschädel gleiche, verbleibe auch die intellektuelle Entwicklung von Frauen auf einer kindlichen Stufe.421 Auf welcher Grundlage standen derlei Urteile und gab es innerhalb des medizinischen Spezialdiskurses Kritik? Die von Bischoff genannten Forschungen bezogen sich hauptsächlich auf die Werke dreier Gelehrter: Der Kern seines Forschungsprogramms speiste sich aus den Arbeiten des belgischen Moralstatistikers und Astronomen Adolphe Quetelet (1796–1874), dessen Projekt einer „Physik der Gesellschaft“ auf einer Vermessung (Anthropometrie) des „mittleren Menschen“, differenziert nach Nationalitäten, beruhte.422 Gesellschaft sollte auf dieselbe Weise objektiv vermessen werden wie die Gegenstände der Physik. Dies beinhaltete nicht nur den menschlichen Körper 416 Erst mit dem Nachweis einer Beziehung zwischen Syphilis-Erregern und geistiger Paralyse durch Auffinden der Bakterien im Gehirn ließen sich Erfolge erzielen. Vgl. Schott/Tölle (2006), S. 80. 417 Vgl. Wittkau-Horgby (1998), S. 121 f. 418 Vgl. Hagner (2000), S. 264. 419 Vgl. Zahn-Harnack (1928), S. 152. 420 Bischoff (1872a), S. 14. 421 Vgl. Zehender (1875), S. 6. 422 Quetelet (1856), S. iiif.
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und Intellekt, sondern auch die Moral sowie das Nationengebilde. Die Nation begriff Quetelet als einen großen Körper, als einen Organismus, der sich bei hinreichendem Verständnis seiner Funktionsweise auf der Grundlage von Gesetzmäßigkeiten erklären und steuern ließe. Der im Zusammenhang mit den statistischen Messdaten gewonnene Durchschnittstypus des Menschen galt Quetelet als ein Modell und betrachtete er als Produkte „zufälliger Ursachen“, die entgegen landläufiger Meinung keineswegs unergründbar seien, sondern sich auf notwendige Regeln zurückführen ließen. Nichts entgehe den Gesetzen, denen alle organischen Wesen unterworfen seien:423 Nur durch ebensolche Gesetze hat [der große Erbauer des Weltalls] seine göttliche Weisheit auch in der moralischen und intellectuellen Welt alles ins Gleichgewicht gebracht; welche Hand aber wird den dichten Schleier, der über die Geheimnisse unsres Gesellschafts-Systems […] gebreitet ist, die dessen Geschicke und Erhaltung leiten und verbürgen, lüften? Wer wird der zweite Newton sein, der die Gesetze dieser anderen Mechanik des Himmels auseinandersetzen wird?424
Karl Adler (1823–1896), Herausgeber und deutscher Übersetzer von Quetelets Zur Naturgeschichte der Gesellschaft, bezeichnete ein derartiges Forschungsprogramm als „politische Naturforschung“.425 Auch wenn Bischoff auf die Vorstellung einer nach allgemeinen Naturgesetzen sich vollziehenden organischen Gesellschaftsordnung nicht explizit einging, teilte er doch deren hölzern-quantitative Grundannahme: Anstatt die Geschlechterordnung durch philosophische Spekulationen zu begründen, bot ihm die Vermessung einer vermeintlich natürlichen Grundordnung den normativen Maßstab zur Einrichtung des sozialen Lebens. Bischoff nutzte das Datenmaterial Quetelets über männliche und weibliche Körper, um daraus Rückschlüsse auf das intellektuelle Vermögen der Geschlechter sowie deren Positionen in der Gesellschaft zu ziehen. Als weitere Quelle diente Bischoff das umfangreiche Werk des Naturforschers Samuel Thomas von Sömmerring (1755–1830), dessen im ausgehenden 18. Jahrhundert entstandene (neuro-)anatomische Werke noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein den Statuts von Handbüchern hatten. Sömmerring charakterisierte das Gehirn als zentrales Wissensobjekt in der Wissenschaft vom Menschen.426 Was den Menschen zum Menschen mache, seien seine Gehirnprozesse und diese ließen sich über quantitative Messdaten bestimmen.427 Dabei vertrat er die These einer umgekehrten Proportionalität zwischen Hirn- und Nervengröße.428 Den Daten Sömmerrings stellte Bischoff zudem die anatomischen Untersuchungen von Hermann Welcker (1822–1899) zum Wachstum und Bau des menschlichen Schädels zur Seite. Erkenntnisse über Gewicht und Form 423 424 425 426 427 428
Vgl. ebd., S. 16. Vgl. ebd., S. 288. Ebd., S. xiii. Vgl. Hagner (2000), S. 86. Vgl. ebd., S. 90. Vgl. Stahnisch (2005), S. 214.
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des Schädels sowie das absolute Gewicht des Hirns von Männern und Frauen sollten den vermeintlichen Beweis für die Nähe zwischen Frau und Kind liefern. Insbesondere das Großhirn als Organ des Bewusstseins und Sitz der Intelligenz unterscheide sich bei den Geschlechtern.429 Doch so eindeutig, wie Bischoff die Forschungsergebnisse der Anatomie präsentierte, waren sie keineswegs. Bereits Sömmerrings Schüler Ackermann kam bei seinen Diagnosen der Geschlechterdifferenzen zu ambivalenten Urteilen, welche die Vorstellung einer geringeren Vernunftbegabung von Frauen keineswegs erhärteten.430 Bischoff bezog sich zwar auf die Arbeit Ackermanns, vermied allerdings jeden Hinweis, der seine geschlechterpolitischen Schlüsse hätte in Zweifel ziehen können. Der Glaube an die Allmacht der Statistik schuf einen positivistischen Schleier, der blind machte für ambivalente Urteile, die sich aus den Deutungsspielräumen des Datenmaterials ergaben. Doch dieser Schleier war keineswegs undurchdringlich, wie die im Vergleich zu Bischoffs Polemik sachlich wirkende Kritik seines Wiener Kollegen Brühl zeigt. Dieser veröffentlichte 1879 eine 130-seitige Broschüre inklusive anatomischer Abbildungen, um der These eines in der Beschaffenheit des Gehirns begründeten inferioren Intellekts von Frauen entgegenzutreten. Bis zu seinem Tod im Jahr 1899 wiederholte er seine Einwände in zahlreichen Vorträgen und Publikationen.431 In der erwähnten Broschüre Einiges über das Gehirn der Wirbelthiere unterstrich Brühl die Wichtigkeit einer Unterscheidung zwischen relativem und absolutem Hirngewicht. Im Verhältnis zum Körpergewicht sei das (relative) Hirngewicht der Frauen sogar etwas größer als das von Männern. Zudem wies er jede Ableitung von Eigenschaften der Geistestätigkeit aus der Schädelform scharf zurück. Zur „anatomische[n] Ehrenrettung des Frauenhirns“ konstatierte er abschließend: Es sei bei mikroskopischen Untersuchungen weder an den Nerven noch an den Furchen und Windungen des Großhirns, noch an gröberen Bestandteilen des Gehirns ein Unterschied zwischen Männern und Frauen festgestellt worden.432 Ein weiterer Kritiker der Ableitung geringerer Verstandeskraft aus der Hirngröße war der Darmstädter Arzt und Mitbegründer des deutschen Freidenkerbundes Büchner. Unter Bezugnahme auf die Studien des Pariser Anatomen Pierre Paul Broca (1824–1880), der das Gehirn im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit mit einem Muskel verglich und damit seine Entwicklungsfähigkeit unterstrich, betonte Büchner den Einfluss der Erziehung auf den Intellekt – wenngleich die Thesen Brocas ihm zugleich dazu dienten, zwischen kultivierten „Menschenrassen“ und „kulturlosen Völkern“ zu unterscheiden.433 Dennoch nahm der Materialist Büchner in Sachen Beurteilung weiblicher Verstandeskraft einen agnostischen Standpunkt ein, denn er kritisierte Brühl dafür,
429 430 431 432 433
Vgl. Bischoff (1872a), S. 16. Vgl. Voß (2010), S. 136. Vgl. Brühl (1879); Brühl (1883); zur Tätigkeit Brühls vgl. Spitzer (1899). Brühl (1883), S. 68 f. Büchner (1885), S. 520.
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voreilig eine vollständige Gleichheit der Gehirne von Männern und Frauen behauptet zu haben.434 Die Aussagen des populären Sexualforschers Ellis wiesen einige Jahre später allerdings eben in Richtung der von Brühl behaupteten Gleichheit. So konstatierte Ellis, das Gehirn sei eher dazu geeignet, um die Gleichheit zwischen den Geschlechtern aufzuzeigen. Die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Hirnanatomie und Intelligenz lasse sich bislang kaum wissenschaftlich begründen.435 Die kritischen Stimmen bewirkten bis zum Ende der 1880er Jahre immerhin, dass von der These eines Zusammenhangs zwischen Hirngewicht und Intellekt weitgehend abgerückt wurde. Was sich trotzdem weiterhin hartnäckig hielt, war die These einer geschlechtsspezifischen Qualität der Stirn- und Scheitellappen, die der Anatom Waldeyer in einem Vortrag gegen das Frauenstudium auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im Jahr 1888 für seine Argumentation bemühte. Dabei stützte Waldeyer sich auf den Bischoff-Schüler Nikolaus Rüdinger (1832–1896), dessen Arbeit Bischoff selbst in einer weiteren Schrift gegen die akademischen Bildungsbestrebungen von Frauen 1877 aufgegriffen hatte.436 Rüdinger proklamierte auf Grundlage vergleichender Untersuchungen an den Hirnen von Embryonen und Kindern eine geschlechtsspezifische Entwicklung der Hirnwindungen. Die Furchen der Hirnwindungen würden sich bei Knaben früher als bei Mädchen ausbilden.437 Erste Anregungen für diese Studie erhielt er durch die Arbeit des Jenaer Anatomen Emil Huschke (1797–1858), der in seiner 1854 publizierten Untersuchung der Hirnwindungen konstatierte: […] so ist es nun auf dieser empirischen Basis möglich, da jene beim Weibe entwickelteren Theile sämmtlich zum Scheitelhirn gehören und umgekehrt die des Mannes zum Stirnhirn, den allgemeinen Ausspruch begründet darzustellen, dass im weiblichen Geschlecht mehr oder weniger das gesammte Scheitelhirn, im männlichen umgekehrt das gesamte Stirnhirn vorherrsche und die charakteristische Eigenthümlichkeit ihres geschlechtlichen Hirntypus ausmachen.438
Huschke verglich aufgrund dieser Ergebnisse das weibliche Hirn nicht nur mit dem von Kindern, sondern zog Analogien zum Tierreich: „Die Raubthiere repräsentieren in ihrem Charakter das männliche, die Wiederkäuer das weibliche Geschlecht.“439 Die früher als bei Jungen einsetzende Reife bei Mädchen führte in diesem Konzept zu einem weniger vollkommen ausgebildeten weiblichen Körper, der dem eines Kindes gleiche. Nun sollte ausgerechnet eine schnellere Entwicklung der Furchen in den Hirnwindungen bei Jungen genau gegenteilig funktionieren und das geistige Primat der Männer beweisen. Derlei Inkohärenz blieb Kritikerinnen und Kritikern nicht verborgen. Mit 434 435 436 437 438 439
Vgl. ebd., S. 517 f. Vgl. Ellis (1895), S. 111, 117 f. Vgl. Bischoff (1877). Vgl. Rüdinger (1877). Huschke (1854), S. 154. Ebd., S. 153.
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Blick auf die Scheitelhirn-Stirnhirn-These Huschkes und Rüdingers bemerkte ein gewisser Dr. Ritter in einer Frauen und Ärzte betitelten Broschüre: Wären die Forscher wirklich unparteiisch gewesen, so hätten sie auch einmal diejenigen Abweichungen zusammenstellen müssen, die für die Inferiorität des Mannes sprechen.440
Offenbar war die Neuroanatomie bei ihrer Suche nach Geschlechterdifferenz an ihre technischen Grenzen gestoßen. Der Basler Gynäkologe Fehling stellte in einer 1892 publizierten Rektoratsrede zur Bestimmung der Frau mit Blick auf kritische Stimmen fest: Während das weibliche Geschlecht mit dem relativen Gehirngewicht dem Mann sogar voraus ist (1/35 gegen 1/36) so haben neuere Anatomen makro- und mikroskopische Unterschiede im Bau gewisser Hirnteile gefunden, welche Licht auf die Verschiedenheit mancher intellektueller und geistiger Fähigkeiten werfen könnten, Befunde, die jedoch andere nicht als richtig anerkennen.441
Sollte trotz dieser Zweifel die Inferioritätsthese weiterhin aufrechterhalten werden, bedurfte es tiefergehender Analysen, die bis hinab in die biochemischen Prozesse der Physiologie des Menschen reichten. Unter der Prämisse einer von Beginn an differenten Geschlechtsanlage des Embryos bemerkte Fehling: Bis vor Kurzem nahmen wir an, dass auch beim Menschen in der ersten Entwicklung die Individuen geschlechtlich indifferent seien, jetzt wissen wir, dass schon die erste Anlage der Keimdrüsen das Individuum geschlechtlich bestimmt, je nachdem sich Ursamen- oder Ureizellen entwickeln. […] Der verschiedene Bau bedingt gewisse Unterschiede der physiologischen Vorgänge, bei der Frau ist die Zahl der Blutkörperchen im Cubikmillimeter […] geringer als beim Mann, […].442
Diese Aussage zeigt exemplarisch, was es bedeutete, auf der Suche nach der Geschlechterdifferenz dem Programm eines physiologischen Reduktionismus zu folgen. Ein solcher Reduktionismus drang über Organe, Gewebe, Zellen, Chromosomen, Gene und schließlich Hormone in immer tiefer liegende Schichten vor.443 Ließen sich die Befunde der Anatomie noch von einem breiten Akteurskreis kritisieren und kontrollieren, war die tiefer liegende Ebene der Physiologie nur noch einem kleinen Kreis von Experten zugänglich. Nur diese Experten verfügten über die technologischen Mittel, die in die verborgenen Tiefen des menschlichen Organismus führten. Auf Grundlage ihrer geschlechterpolitischen Prämissen verteidigten sie dadurch die Definitionsmacht über die aufgefundenen Phänomene gegen äußere Kritik. Beim Chirurgen Albert heißt es:
440 441 442 443
Ritter (1893), S. 126. Fehling (1892), S. 13. Ebd., S. 12 f. Vgl. Voß (2010), S. 144, 235.
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Man sagt, die Anatomie habe bisher keine Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Gehirne auffinden können. Auf dieses Argument gehe ich gar nicht ein. Die anatomische Forschung ist ja nicht tief vorgedrungen. Und angenommen, es würden die Formen identisch sein, so würde daraus noch gar nichts folgen.444
Der in Wien lehrende Chirurg machte keinen Hehl daraus, dass er an seinen geschlechterpolitischen Grundannahmen einer männlichen Superiorität trotz neuroanatomischer Fehlschläge weiterhin festzuhalten gedachte. Anstatt messbare und überprüfbare Quantitäten ins Feld zu führen, verlagerte er seine Argumente vollends in den Raum der Spekulation. Aus den sichtbaren Formen allein folge gar nichts: „Ein magnetisches und ein unmagnetisches Hufeisen können in der Form ganz identisch sein und doch sind sie verschieden.“445 Der Reduktionsprozess gelangte nun an die Grenze zur Metaphysik der Substanz und dort vereinten sich Körper und Geist mit den moralischen Implikationen der Geschlechterordnung. Die postulierten Qualitäten seien nur durch eine „Psychologie des Weibes“ aufzufinden, führte Albert weiter aus, in deren Richtung es auch bereits „kleine Versuche“ gegeben habe.446 Er spielte auf die Arbeit Wendts an, der 1892 den Versuch einer derartigen Psychologie vorgelegt hatte. Wendt betrachtete die Physiologie als Ausgangsbasis der Psychologie. Er nutzte damit die materialistische These einer psychophysischen Wechselwirkung, ohne dabei vom christlichen Prinzip einer Geschlechtergleichheit des immateriellen Geistes abzuweichen: Die Psychologie […] scheidet […] zwischen Mann und Frau, und ihre Base, die Physiologie, noch viel mehr; denn die Richtung, in welcher die Gesetze von Mann und Weib angewandt und entwickelt werden, ist eine unterschiedene. Es gibt nur einen menschlichen Geist, aber es gibt eine männliche und eine weibliche Seele, die mitbedingt ist durch die höchst verschiedenartige Nerven-, Knochen-, Blut- und Muskelbildung von Mann und Frau. Es entspringt daraus ein gesonderter männlicher und weiblicher Beruf.447
Wie bereits die Aussagen des Gynäkologen Fehling zeigten, beteiligten sich an der Debatte zur intellektuellen Leistungsfähigkeit von Frauen nicht nur Anatomen, Physiologen und Psychologen. Auch Gynäkologen waren bestrebt, die Einflusssphäre ihrer Profession über die Grenzen der weiblichen Generationsorgane auszuweiten, sondern unterstellten eine vielfältige Wechselwirkung zwischen Uterus und Ovarien zum einen und den geistigen Hirnprozessen zum anderen, um daraus Rückschlüsse auf das richtige gesellschaftliche Verhalten von Männern und Frauen ziehen zu können.448 In seinen 444 445 446 447 448
Albert (1895), S. 10. Ebd. Ebd., S. 16. Wendt (1892), zitiert nach Schmelzle (1896), S. 173. Dies führte zu einem Kompetenzstreit zwischen Gynäkologen auf der einen und Psychologen, Neurologen bzw. Sexualwissenschaftlern auf der anderen Seite. Vgl. Schmersahl (1998), S. 206–211.
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Tiraden gegen ein Studium und die berufliche Ausübung der Frauenheilkunde durch Frauen verkündete der in Göttingen lehrende Gynäkologe Runge: Object seines Studiums ist der weibliche Organismus im weitesten Sinne des Wortes. Eindringlich lehnen wir es ab, dass unser Gebiet seine Grenze finde in der Physiologie und Pathologie der Generationsorgane. […] [Der Frauenarzt] ist der Berather in allen Phasen des weiblichen Lebens, dessen Studium ihm eine Fülle von Kenntnissen und überraschenden Thatsachen ergiebt und ihm das innerste Seelenleben des Weibes erschliesst, das sich erst voll entwickelt, wenn das Weib seinem natürlichen Berufe zu leben in der Lage ist.449
Kritische Gynäkologen waren im Diskursfeld in der Minderheit: Beispielsweise traten die in München und Bern lehrenden Professoren der Frauenheilkunde Franz von Winckel (1837–1911) und Peter Müller (1836–1922) derartigen Thesen ihrer Kollegen öffentlich entgegen.450 3. Bildungswege: Gleiche Bildung für Männer und Frauen? Wir wollen nichts – als treu Euch helfen,/Verständnißvoll in’s Leben schau’n/Und mit ganzen Frauenherzen/Am Frauengeiste weiter bau’n./Und an des Lebens ernsten Fragen/ Nicht gleichgültig vorübergeh’n,/Und bei des Lebens Noth und Jammer/Nicht nur von Ferne rathlos steh’n! Ottilie von Bistram (1859–1931), Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, Elberfeld 1899451
Die Geschichte der höheren Bildung im 19. Jahrhundert kann an der Kategorie des Geschlechts nicht vorbeisehen. Beim Thema des Frauenstudiums ist dies ganz offensichtlich. Doch auch die höheren Bildungswege der Männer lassen sich in ihrer Konzeption nur vor dem Hintergrund geschlechtsspezifischer Differenz- und Legitimationsmodelle begreifen. Männliche Bildung orientierte sich an drei Maßstäben: an der neuhumanistischen Persönlichkeitsbildung zur Erziehung „brauchbarer Lenker der menschlichen Gesellschaft“ zum Erhalt der moralischen Kultur in Religion und Staat, an der Berufsbildung zur Reproduktion der sozioökonomischen Ordnung sowie an der Herausbildung des Vermögens selbst zu forschen als einer Triebkraft des gesellschaftlichen Fortschritts.452 In Summe hieß das: Die Aufgabe des männlichen Akademikers
449 450 451 452
Runge (1899), S. 12. Vgl. Winckel (1889), 161–163; Müller (1894). Bistram (1899), S. 13. Holzinger von Weidich (1900), S. 7.
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bestand darin, die sittliche Ordnung zu erhalten und die Gesellschaft mit neuen Ideen anzureichern.453 Kant schrieb in seiner Idee zu einer Geschichte in weltbürgerlicher Absicht von einer „ungeselligen Geselligkeit des Menschen“.454 Als ungesellig diagnostizierte er dabei einen natürlichen Antagonismus, der als Triebkraft der Geschichte die Menschheit zu neuen Ideen führe. In seiner Anthropologie verkörperte die Frau die Geselligkeit, wodurch Männer implizit als Träger des Antagonismus erscheinen. Dem Veränderungsprinzip aufseiten des Mannes korrespondierte das Prinzip der Erhaltung aufseiten der Frau. Naturzweck der Weiblichkeit, so Kant, sei die Arterhaltung und im Kulturellen die Geselligkeit als eine Pflege feiner Empfindungen. Dieses Konzept entwickelte sich zum Leitbild für das bürgerliche Geschlechterverhältnis im 19. Jahrhundert: Während das Wesen der Frau den natürlichen Kreislauf aus Gebären und Erziehen aufrechterhalten sollte und mit ihrer Sittsamkeit die Wohlanständigkeit in der Kultur zu sichern hatte, zielte das männliche Prinzip auf kulturelle Bewegung, Aktivität und Schöpfungskraft.455 Die bürgerliche Gesellschaft formierte sich als eine Arbeitsgesellschaft. In einer solchen am Leistungsprinzip orientierten Gesellschaft gestaltete sich der kantische Antagonismus als ein konkurrenzorientierter Kampf ums Dasein, von dem sich weder Politik noch Wissenschaft entgegen ihrem postulierten Primat befreien konnten. Der ungeselligen Gesellschaft mangelte es an häuslicher Behaglichkeit: Das bürgerliche Individuum, das zweifelsfrei ein männliches war, konnte sich in ihr weder zu Hause fühlen, noch konnte es außerhalb von ihr leben:456 Der von seinen „Geschäften“ in Anspruch genommene Mann sehnte sich nach „Hausfrieden“.457 Ihm verlangte es nach einer idealen Gefährtin, die seinen Mangel an Geselligkeit ergänzend ausgleichen konnte. Dementsprechend heißt es bei Adolf Rutenberg, dessen Briefe zur Frauenfrage fast 80 Jahre nach Veröffentlichung von Kants Anthropologie im Kontext des untersuchten Diskursfeldes erschienen: Die Frau soll die beste Freundin des Mannes, seine geistliche Trösterin sein; in vielen Fällen kann sie ihm zur Helferin und Mitarbeiterin werden. Das ist das Ideal der Wirksamkeit des Weibes von guter Art, das ist der wahre geistige Beruf der Hausfrau, hier sind die echten Wurzeln ihrer Kraft.458
453 Zur Ideengeschichte vgl. Fichte (2010 [1807]), S. 9; Humboldt (2010 [1808]), S. 229; Schleiermacher (2010 [1808]), S. 144. Zur Veranschaulichung und Durchsetzung dieser Ideen im 19. Jahrhundert vgl. die Hodegetik bei Erdmann (1858); Paulsen (1902), S. 288; Ziegler (1908), S. 123. 454 Kant (1784), S. 12. 455 Vgl. Kant (1798), S. 253 f. Zum „Tätigsein“ als einem männlichen Attribut sowie zur Zugehörigkeit von Frauen zum Naturkreislauf vgl. Doyé (1997), S. 32, 35. 456 Vgl. Arendt (1989), S. 49. 457 Kant (1798), S. 251. 458 Rutenberg (1877), S. 178.
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Was bei Kants sich formierendem klassisch-orthodoxem Geschlechtermodell fehlte, erlangte während der Romantik größere Bedeutung: Die Liebe ermöglichte temporäre Flucht vor der geschäftigen Welt. Sie spendete den gespaltenen Individuen die Hoffnung auf Versöhnung, die darin bestand, ein Ganzes zu sein. Die häusliche Gefährtin hatte das mangelhafte Selbst durch die Blüten der Hochkultur zu ergänzen. Tatsächlich jedoch sorgte die Sehnsucht nach der Liebe einer solchen Gefährtin für eine ideologische Verdopplung dessen, was durch diesen Bund überwunden werden sollte.459 Liebe blieb gekoppelt an die funktionale Differenzierung einer Gesellschaft, die Männern und Frauen verschiedene Wirkungssphären zuwies.460 Wie sollte unter diesem Vorzeichen Liebe nicht zu einer falschen Versöhnung mit dem „Unvermeidlichen“ führen?461 Wie fatalistisch dieses Verhältnis auch immer zu deuten ist, mit Geselligkeit und Liebe geraten die Maßstäbe der höheren Bildungswege für Frauen in den Blick. Sie bildeten die feste Basis als den Gegenpol zum männlichen Veränderungsprinzip, das den gesellschaftlichen Wandel vorantreiben sollte. Diese feste Basis bestand außer in den niederen Aufgaben des Haushaltens in der häuslichen Rezeption verfeinerter Hochkultur: in gepflegter französischer Konversation und geübter Hausmusik. Die ideologischen Eckpfeiler der höheren Mädchenbildung korrespondierten mit den Setzungen der Geschlechtscharaktere.462 Dabei handelte es sich um die Komplementarität von Männlichkeit und Weiblichkeit, die Sphärentrennung sowie den mütterlichen Erziehungs- und Liebesdienst.463 Aufgabe der Frauen war es demnach, dem Ehemann als Gehilfin zur Seite zu stehen und dabei zugleich seine Mängel auszugleichen, ihm einen Haushalt als bürgerlich-privaten Rückzugsraum zu schaffen und ihm eine liebende Gefährtin und Mutter seiner Kinder zu sein.464 Im Jahr 1894 beschrieb der preußische Unterrichtsminister Robert Bosse (1832–1901) den zur Weiblichkeit erziehenden Charakter höherer Mädchenschulen: Diese seien nur „zum Theil aus einem unterrichtlichen Bedürfnis, zu einem anderen Theil mehr aus gesellschaftlichen Rücksichten
459 Vgl. Bock/Duden (1977). 460 Zum allgemeinen Problem der Liebe unter dem Vorzeichnen instrumenteller Vergesellschaftung vgl. Adorno: (2010 [1966]), S. 101–103. 461 Bourdieu (2005), S. 187. 462 In diskursanalytischer Perspektive lässt sich Ideologie als Herrschaftsformation begreifen, die zu einer Einschränkung von Möglichkeiten sowohl im Denken als auch im Handeln führt. Der Ideologiebegriff impliziert damit nicht sein Gegenteil, die Wahrheit. Sein Gebrauch ist nicht kritisch-normativ, sondern instrumentell-analytisch. Nur durch immanente Kritik entkommt Ideologiekritik normativen Prämissen. Sie sucht die von ihr postulierte Wahrheit in den Phänomenen durch eine Aufdeckung immanenter Widersprüche im Diskursfeld mit dem Ziel gesellschaftlicher Transformation. Zur immanenten Kritik vgl. Jaeggi (2009), S. 286–288. 463 Vgl. Albisetti (2007), S. 26–28. 464 Vgl. Kleinau (1997), S. 31. Um diese Aufgaben zu erfüllen, erforderte der Hausfrauenberuf mehr Kompetenzen als im Geschlechtscharakter vorgesehen waren und durch die höheren Mädchenschulen vermittelt wurden, etwa „Planungskompetenz, Organisationsvermögen und Kalkulationskenntnisse“. Budde (2000), S. 259.
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hervorgegangen“.465 Zum Erreichen der beschriebenen Erziehungsziele existierten für die bürgerlichen Schichten der Bevölkerung zunächst konfessionelle oder private und später zunehmend kommunale Schulen – die Begriffe höhere Töchter- oder Mädchenschule setzten sich für jene Schulen durch, deren Fremdsprachenangebot Französisch und Englisch umfasste. Dabei war höhere Bildung für Mädchen vorrangig ein soziales Distinktionsinstrument. Bei dem Attribut „höher“ handelte es sich um einen Euphemismus: Bildungsinhalte waren nicht einheitlich geregelt und bezogen sich hauptsächlich auf die späteren Aufgaben in Haus und Familie – wozu besonders in höheren Gesellschaftskreisen Fremdsprachenkenntnisse gehörten, die Konversation auf Alltagsniveau ermöglichen sollten.466 Diese Schulen hatten kein „institutionalisiertes Kulturkapital“ durch staatliche Bildungsabschlüsse zu vergeben.467 Rechtlich betrachtet gehörten sie damit zum niederen Schulwesen. Zwar waren sie zunehmend staatlich konzessioniert, eine stabile staatliche Finanzierung fehlte ihnen jedoch.468 Mädchenschulen stellten eine Erweiterung des häuslichen Raums dar und dies schloss allzu große Staatsnähe aus, während die Berechtigung für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst gerade nur vom Staat vergeben werden konnte.469 Die Mädchenschullehrer kämpften deshalb seit 1872 im Deutschen Verein für das höhere Mädchenschulwesen weitgehend erfolglos für die Anerkennung ihrer Schulen als Staatsanstalten – wobei ihr Kampf ohnehin eher ihrem eigenen Sozialprestige als einer substanziellen Verbesserung des Bildungsangebots ihrer Schülerinnen diente. Das Bildungsangebot ließ die Schulung im selbstständigen Denken vermissen. Im Gegensatz zum neuhumanistischen Ideal der Persönlichkeitsbildung, welche die Formung der eigenen Urteilskraft im „Stahlbad des klassischen Alterthums“ voraussetzte,470 bekamen die Schülerinnen Wissen in Form von Tatsachen serviert. Es handelte sich um eine rezeptive und rezitativische Art des Lernens. Aufseiten der Lehrkräfte fanden sich seit den 1830er Jahren examinierte Lehrerinnen vor allem in den unteren Elementarklassen: Dabei beeinträchtigte ein großes Maß an Fluktuation die Unterrichtsqualität, weil das Lehrinnenzölibat, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rechtlich verankert wurde, jede Weiterbeschäftigung verheirateter Frauen untersagte.471 Erst die Einführung erweiterter Kurse an einigen Schulen schuf den Abschluss einer examinierten Lehrerin für die unteren und mittleren Schulebenen.472 465 466 467 468 469 470 471
Bosse (1894a), S. 447. Vgl. Jacobi (2013), S. 289, 291; Albisetti (2007), S. 69 f. Bourdieu (1983), S. 190. Vgl. Albisetti (2007), S. 55 f. Vgl. Kraul (1991), S. 280; Jacobi (2013), S. 207. Treitschke (1899), S. 2. Die Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte, zu der die Zölibatsklausel für Lehrerinnen gehörte, wurde erst mit Art. 128 der Weimarer Verfassung und infolge diesbezüglicher Klagen vor dem Reichsgericht mit den Beschlüssen vom 10. Mai 1921 und 5. Januar 1923 beseitigt. Allerdings führte Art. 14 der Personal-Abbau-Verordnung vom 27. Oktober 1923 erneut eine Möglichkeit zur Kündigung verheirateter Beamtinnen ein.Vgl. Tobies (2008), S. 43. 472 Zur Statuspassage von Lehrerinnen zwischen Ausbildung und Heirat vgl. Haupt (1992), S. 150.
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Die zeitgenössischen Problematisierungen höherer Mädchenbildung stellten die ideologischen Eckpfeiler nicht grundsätzlich infrage, ließen jedoch die Rufe nach einer Reform dieser Schulen lauter werden. Der preußische Bildungsminister Adalbert Falk (1827–1900) unternahm 1873 einen ersten Reformversuch, der jedoch, abgesehen von einigen Bestimmungen zur Lehrerinnenausbildung, keine grundlegenden Veränderungen bewirkte. Sein konservativer Nachfolger Robert von Puttkamer (1828–1900) stellte alle diesbezüglichen Bemühungen ein. Auch unter künftigen Ministern herrschte Stillstand, bis die Reformen der Jahre 1894 und maßgeblich 1908 die Mädchenbildung auf eine neue Grundlage stellten. Die Reform des Jahres 1894 ermöglichte es Frauen die Oberlehrerinnenprüfung abzulegen.473 Die bedeutsamste Neuerung der weitaus umfangreicheren Reform 1908 bestand in der Aufwertung der höheren Mädchenschulen, wodurch nun für Frauen der Weg zum Abitur geregelt war.474 In bürgerlicher Perspektive stand der höheren Töchterschule das humanistische Knabengymnasium gegenüber. Bei dieser Institution handelte es sich um ein sakrosanktes Bollwerk: Erst zur Jahrhundertwende gab es nach Jahrzehnten der politischen Belagerung einen Teil seines Herrschaftsanspruchs über die Beurteilung der geistigen Reife deutscher Knaben an die Realgymnasien und Oberrealschulen ab.475 Die Frage, ob auch Mädchen zur geistigen Reife fähig seien, ließ sich in den Augen vieler Zeitgenossen und -genossinnen nur im Rahmen heikler Experimente beantworten, was zu den bereits im vorangegangenen Abschnitt geschilderten, abenteuerlichen Spekulationen über körperliche und seelische Spätfolgen führte. Diese Befürchtungen gipfelten schließlich in den Bedenken der Sozialhygieniker, für die nichts weniger auf dem Spiel stand als die Reproduktionsfähigkeit der ganzen Nation.476 Sollte der Staat derartige Experimente finanziell unterstützen und durch eine Aufnahme der Töchterschulen ins höhere Schulwesen rechtlich konzessionieren? Vor dem Hintergrund dieser einführenden Kontextualisierungen soll das Diskursfeld im Folgenden im Hinblick auf drei Phänomenstrukturen analysiert werden: Zunächst bestand ein Problem darin, dass die etablierten Mädchenschulen keine Berechtigungen zum Universitätsbesuch boten und somit die Propädeutik bzw. das Vorwissen zum Studium zweifelhaft war. Wie ließ sich die Mädchenschulbildung umgestalten, um den akademischen Einstiegsanforderungen zu genügen, ohne dabei die Charakteristik der Mädchenbildung preiszugeben? Bei der Vorstellung eines Eintretens von Frauen in die Universitäten ergab sich zudem ein sittliches Problem: Bislang ließ sich über das Thema der Sexualität von einer weltabgewandten Warte aus sprechen. Nach der herrschenden Logik einer heterosexuellen Erfahrungsmatrix handelte es sich bei der Universität um ein Feld, das außerhalb 473 474 475 476
Vgl. Kapitel IV, 1. Abschnitt: Propaganda der Tat. Vgl. Bosse (1894a); Anonym (1908); vgl. auch Albisetti (2007), S. 130–137; Jacobi (2013), S. 292–296. Vgl. Kraul (1988), S. 54 f. In Reinform finden sich diese Bedenken bei Moses (1909).
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des sexuellen Marktes stand. Durch das Eintreten von Frauen in dieses Feld drohten sich die Spielregeln und damit der kulturelle Charakter grundlegend zu verändern – so zumindest die Befürchtungen. Auf welche Weise sollten sich künftig Fragen der menschlichen Sexualität auf den Gebieten der Kunst, Philologie, Biologie oder Medizin thematisieren lassen, wenn das sexuelle Potenzial, verkörpert durch Studenten und Studentinnen, im Auditorium dem Ordinarius gegenüber saß? Schließlich waren die Funktionen der Universität darauf hin zu befragen, ob sie mit den Maßgaben weiblicher Lebenswege zu vereinbaren waren und ob sie womöglich durch die Anwesenheit von Studentinnen beeinträchtigt werden könnten. Über allen drei Bereichen schwebte die Frage, welche diffizilen Veränderungen die akademische Kultur erleiden könne, wenn Frauen zur Universität zugelassen würden. Propädeutik der Universität: Klassische Bildung als männliche Bildung? Aber es stand ja da eine in Jahrhunderten aus männlichem Wesen gewachsene, jugendliche Lebensform uns gegenüber, in der gewiß die Wesenselemente von Jugend und Geist uns gemeinsam waren, aber die organische Verschmelzung der männlichen und weiblichen Art doch erst gefunden werden mußte. Gertrud Bäumer (1873–1954), Frauenrechtlerin, Bad Godesberg 1953477
Die Idee der Maturität knüpfte sich eng an das akademische Bürgerrecht.478 Als Grundlage geistiger Reife galt eine allgemeine Bildung, die den Studenten reif für weiterführende Studien machte: Wichtiger Bestandteil war das Erlernen und Anwenden einer gebildeten Sprache als Distinktionsmerkmal gegenüber Nicht-Akademikern. Noch im 18. Jahrhundert erfolgte die akademische Propädeutik an der philosophischen Artistenfakultät, die jeder Student zu absolvieren hatte.479 Mit der Einführung des Abiturs in Preußen 1788 begann sich die Vorbildung stärker in die Lateinschulen zu verschieben. 1836 wurde die staatliche Abiturprüfung an einem humanistischen Gymnasium zu einer Zulassungsbedingung zum Studium – zunächst lediglich für die abschließenden Staatsprüfungen, später zunehmend für die Immatrikulation selbst.480 Durch diese Etablierung verbindlicher Vorbildungswege verlagerte sich die Entscheidung für einen akademischen Lebenslauf bei Jungen in die Kindheit: Spätestens mit neun oder zehn Jahren erfolgte der Eintritt in das Gymnasium. Zugleich stieg das universitäre Eintrittsalter: Konnten Studenten die Artistenfakultät ab dem Alter von etwa 16 Jahren 477 478 479 480
Bäumer (1954), S. 146. Vgl. Mazón (2003), S. 29; Brinkschulte (2011), S. 10. Vgl. Rüegg (2016), S. 224. Vgl. Lundgreen (1985), S. 88 f; Ringer (2004), S. 200.
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besuchen, begann das Studium nach der etablierten Maturitätsprüfung in der Regel erst mit dem 20. Lebensjahr.481 Die Maturität setzte ein hohes Maß an sozialem und kulturellem Kapital voraus: Die Schulzeit wollte durch den Vater finanziert sein und das Bestehen der Abiturprüfung knüpfte sich an hohe Anforderungen. Bildungsbürger bezeichneten humanistische Gymnasien in ihren Autobiografien nicht selten als „Drillanstalten“.482 Das Kulturkapital galt als gefährdet, sollte es Frauen gestattet werden, an den Universitäten zu studieren, ohne für die Zulassung gleiche Anstrengungen auf sich nehmen zu müssen. Doch Mädchen blieb der Zutritt zum Gymnasium verwehrt. Ohne bestandene Maturitätsprüfung durften sie lediglich gastweise an Vorlesungen partizipieren. Erst 1896 nahmen sechs Absolventinnen privater Gymnasialkurse als Externe an den preußischen Abiturprüfungen teil.483 An den unorthodoxen Bildungswegen der Studentinnen entzündete sich Kritik. Der Zweifel an einer hinreichenden Vorbildung von ausländischen Studentinnen entwickelte sich als Phänomenstruktur bereits im Zuge der Zulassungsprozesse an der Züricher Universität in den 1870er Jahren und fand schließlich seinen Weg in das breitere Diskursfeld. In Zürich hatte sich ein problematischer Doppelstandard etabliert: Während Schweizerinnen die eidgenössische Maturitätsprüfung, die den reichsdeutschen Anforderungen in etwa entsprach, ablegen mussten, wozu sie seit 1869 als Externe zumindest berechtigt waren, durften sich Ausländerinnen seit 1867 zunächst ohne Weiteres immatrikulieren.484 Schweizerinnen hatten es damit schwerer als ihre aus dem Ausland stammenden Kommilitoninnen. Zudem mussten sie sich privat auf die Maturitätsprüfung vorbereiten – selbst in den 1890er Jahren existierte in der Schweiz noch kein Mädchengymnasium.485 Die selbstständige Vorbereitung auf das Maturitätsexamen wurde als geistig und körperlich äußerst anspruchsvoll beschrieben.486 Nach wiederholten Protesten der Studentenschaft und einer Petition von Studentinnen an den Senat der Universität kam es 1872 zur Einführung einer Zulassungsprüfung für ausländische Studentinnen. Die neu geschaffene Sonderprüfung blieb zwar hinter den Anforderungen der Matura zurück und berechtigte nicht zum Staatsexamen, bot aber immerhin die Möglichkeit, von einer Fakultät promoviert zu werden.487 Da ausländische Frauen zumeist ohnehin nicht vorhatten, in der Schweiz in einem akademischen Beruf tätig zu werden, begnügten diese sich mit einem Doktortitel, den die Aura des deutschen Bildungsideals umgab. Unter den ausländischen Studentinnen war die Gruppe russischer Frauen stark vertreten. Obwohl diese Frauen zu den ersten erfolgreich pro481 482 483 484 485 486 487
Vgl. Paulsen (1902), S. 383. Vgl. Kraul (1988), S. 72. Vgl. Ichenhäuser (1897b), S. 44. Vgl. Schweizer. Verband d. Akademikerinnen (1928), S. 24 f. Vgl. Anonym (1892a), S. 1. Vgl. Pochhammer (1893), S. 4 f; Höber (1899), S. 424. Vgl. Anonym, B. R. (1889), S. 251.
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movierten Ärztinnen der Schweiz gehörten, wurde aus ihnen im breiteren Diskursfeld der Idealtyp der ungenügend vorgebildeten Studentin.488 Auch den Frauen aus angloamerikanischen Ländern dürfte die Maturität fremd vorgekommen sein. In England und Amerika dienten die ersten Jahre auf den Colleges zur Erlangung der vollständigen Studierreife.489 Aus diesem Grund urteilte Mark Twain nach seinem Besuch in Heidelberg im Jahre 1878, der deutsche Student hätte „das Gymnasium mit einer so ausgedehnten und vollkommenen Bildung verlassen, daß die Universität eigentlich nicht mehr für ihn tun kann, als ihn in einigen seiner tiefgelehrten Spezialitäten zu vervollkommnen“.490 Vor dem Hintergrund eines solchen Maturitätsideals geriet die weibliche Vorbildung in Verdacht unreif zu sein. Die deutschen Universitäten sahen sich mit der Gefahr konfrontiert, erneut von der einstmals ausgelagerten Bildungsaufgabe der Studierreife belastet zu werden.491 Vertiefte Bildung war nur durch den Besuch eines ordentlichen Gymnasiums zu erlangen.492 An einer nachgeholten Vorbildung durch private Studien oder aufbauende Kurse haftete der Makel der Oberflächlichkeit.493 Und selbst wenn die nötigen Kenntnisse nachgeholt wurden, so erzog die Zeit an der höheren Töchterschule lediglich zur passiven Zuschauerin:494 Denn Mädchenbildung vermied die Beschäftigung mit abstrakten Fragen „über die Idealität der Außenwelt, das Wesen von Raum, Zeit und Bewegung, die Apriorität der Mathematik“.495 Aus der Phänomenstruktur des Vorbildungsproblems ergaben sich zwei Grundfragen: Die erste richtete sich auf die Bildungswege: In welcher Form und in welchen Institutionen sollten die Schülerinnen unterrichtet werden? Die zweite knüpfte an die Debatte über Realgymnasien und Oberrealschulen an und zielte auf Bildungsinhalte: Welche Vorkenntnisse waren tatsächlich für den Besuch einer Universität notwendig?496 Zunächst galt es als ausgemacht, dass es nur unter den gleichen Anforderungen der Reifeprüfung zu einer Öffnung des Studiums für Frauen kommen dürfe. Diesen Grundsatz vertrat auch und gerade die Frauenbewegung, die dem Vorwurf einer Begünstigung entgegentreten wollte. Bei den Kritikern und Kritikerinnen des Frauenstudiums hatte dieser Grundsatz hingegen einen zynischen Beigeschmack: Sie forderten ebenfalls exakte Gleichheit der Maturitätsexamen, ohne den Schülerinnen jedoch die gleichen Vorbereitungsbedingungen in Form staatlich finanzierter Gymnasien zuzu488 Vgl. Kronfeld (1889), S. 1105; Anonym (1904), S. 17. Die Vorurteile gegenüber Frauen trafen sich mit einem antirussischen Affekt, der durch antisemitische Einstellungen verstärkt wurde. Vgl. auch Neumann (2021). 489 Vgl. Pochhammer (1893), S. 14. 490 Zitiert nach Rüegg (2016), S. 253. 491 Vgl. Philosophische Fakultät der Universität Kiel (1892), S. 11. 492 Vgl. Anonym (1892a), S. 3 f. 493 Vgl. Anonym (1894b), S. 31. 494 Vgl. Anonym (1898g), S. 183. 495 Friedrich Kirchner, in: Kirchhoff (1897), S. 294. 496 Anonym, W. (1896), S. 1.
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gestehen. In ihren Augen sollten begabte Ausnahmefrauen die Vorbildung durch private Anstrengungen erlangen. Selbst der freisinnige Politiker Heinrich Rickert (1833–1902), der sich im Parlament als ein Unterstützer der Frauenbewegung zu erkennen gab und als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Zentralvereins den organisatorischen Rahmen für die von Lange begründeten Realkurse für Frauen übernahm, pflichtete ihnen in diesem Punkt bei:497 Woher die Frauen ihre Vorbildung erhalten, das ist ihre Sache. Wir sind glücklicherweise heut so weit, daß man ein ganz gebildeter Mensch werden kann, und ein sehr gediegener auf einem speziellen Gebiet, ohne gerade ein Gymnasium zu besuchen. […] Es giebt sehr tüchtige Menschen, die als Extraneer ihr Examen machen und sich nachher vorzüglich bewähren.498
Gerade im Hinblick auf die niedrige Anzahl von Abiturientinnen, die von verschiedenen Seiten prognostiziert wurden, hätte in der Öffnung bestehender Knabengymnasien eine pragmatische Lösung bestanden. Doch traf Koedukation im schulischen Vorbildungsbereich auf noch größeren Widerstand als bei der Frage einer Universitätszulassung. Eine Öffnung der Gymnasien für beide Geschlechter war eine Minderheitenposition, die nur begeisterte Anhänger und Anhängerinnen reformpädagogischer Konzepte, wie der Münchner Augenarzt Otto Neustätter (1870–1943), überhaupt in Erwägung zogen. Innerhalb der Frauenbildungsbewegung propagierte in den 1890er Jahren lediglich der anfänglich von Augspurg geleitete Berliner Vf Fs koedukative Schulen.499 Die stark verbreitete Annahme geschlechtsspezifischer Lernformen gerade in den Entwicklungsphasen der frühen Jugend stand diesem Ansinnen im Wege.500 Um gleichwertige Vorbildungsbedingungen zu gewährleisten, blieb für eine „kleine höchst achtungswerte Ausnahmeschaar“ lediglich die Gründung spezieller Mädchengymnasien. Der Schriftsteller und Ägyptologe Georg Ebers (1837–1898) verband damit die Hoffnung auf größere Ausdauer und Genauigkeit im wissenschaftlichen Arbeiten.501 Erste Experimente mit Mädchengymnasien oder aufbauenden Gymnasialkursen begannen auf Initiative von Vertreterinnen der Frauenbewegung 1893 in Karlsruhe und Berlin. Derartige Initiativen trafen auf allerlei Vorbehalte: Zunächst gäbe es zu wenig geeignete Kandidatinnen, um den Aufwand eigener Mädchengymnasien zu rechtfertigen. Vielmehr sei an der Praxis externer Prüfungen für einzelne Ausnahmen festzuhalten.502 Darüber hinaus stelle der Bildungskanon des humanistischen Gymnasiums eine zu 497 Vgl. Lange (1922), S. 175 f. 498 Buchner (1892b), S. 266. 499 Vgl. Neustätter (1898b), S. 477; um die vorhandenen Gymnasien für Mädchen zu öffnen, befürworteten seit der Jahrhundertwende auch gemäßigte Aktivistinnen wie Lange die Koedukation. Vgl. Jacobi (2013), S. 298; vgl. auch Horstkemper (1996). 500 Vgl. Gustav Fritsch, in: Kirchhoff (1897), S. 46. 501 Georg Ebers, in: Kirchhoff (1897), S. 308, 311. 502 Vgl. Anonym (1896d), S. 7.
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schwere Bürde für den Durchschnitt der Mädchen dar.503 Weil die Schülerinnen nach Karlsruher Vorbild bereits im jungen Alter von zwölf Jahren in das Mädchengymnasium eintraten, geriet diese Form der Vorbildung in Konflikt mit den klassischen Erziehungszielen der Mädchenbildung. Ein akademischer Lebensweg bedrohte das Primat dieser klassischen Ziele einer „specifisch weibliche[n] Ausbildung und Erziehung“: Jede Unterrichtsanstalt für das weibliche Geschlecht, welche nicht diesen Zweck in erster Linie verfolgen wollte, würde sich auf das ärgste an der Natur versündigen und dem Volksund Familienleben unberechenbaren Schaden zufügen.504
Mit dem Konflikt zwischen klassischer Mädchenbildung und akademischer Vorbildung gerät das zweite Grundproblem der Bildungsinhalte in den Blick. Die Mädchengymnasien leisteten einen Spagat zwischen gleichwertiger Vorbildung und dem Festhalten an einem explizit für Mädchen entworfenen Bildungskanon. Eine bloße Nachbildung des Knabengymnasiums stellte selbst für die gemäßigte Frauenbewegung einen Angriff auf weibliche Subjektpositionen dar: Nach Ansicht des Nationalökonomen von Stein würden derart gestaltete Mädchengymnasien eine „weibliche Form des Mannes“ hervorbringen.505 Die Anforderungen waren geradezu antinomisch: Einerseits sollte der humanistische Bildungskanon gewahrt bleiben, andererseits dürfe es nicht zu einer Nachbildung der Knabenbildung kommen.506 Für den in Prag lehrenden Professor der klassischen Philologie Holzinger von Weidich vertrug sich dieser Bildungskanon jedoch nicht mit den speziellen Anforderungen der Mädchenbildung. In seiner breit rezipierten Rektoratsrede aus dem Jahr 1899 problematisierte er die Auseinandersetzung mit griechischen Autoren, die nun einmal nicht für Mädchen geschrieben hätten.507 Gleichzeitig sei die verbindliche Stellung des Griechischen ein „nothwendige[r] Unterbau der Universitäten“ jedoch unverzichtbar. Lediglich reformfreudige Akteure und Akteurinnen blieben von derartigen Problematisierungen unbeeindruckt, entsprachen die Zustände an den Knabengymnasien für sie doch ohnehin kaum noch den „modernen Bedürfnissen“.508 Der Unterabschnitt schließt mit einem Paradoxon: Zwar setzte sich als Problemlösungskonzept die Forderung nach einer Examensgleichheit durch, jedoch ohne im Gegenzug einen ähnlich hohen Grad der Befürwortung für eine strukturelle Angleichung des Curriculums und der Bildungswege für Mädchen und Knaben zu erreichen. Insbesondere die Forderung nach der Begründung eines humanistischen Mädchen503 504 505 506
Vgl. Pochhammer (1893), S. 13. Anonym, W. (1896), S. 1. Vgl. Langer (1894), S. 5. In seiner Tiefenstruktur unterlag dieser Bildungsbegriff einem geschlechtsspezifischen Dualismus: Mann und Frau entsprachen der Binarität von „Kultur – Natur, Ordnung – Chaos, Gefühl – Rationalität“. Vgl. Ammicht Quinn/Wodtke-Werner (1999), S. 145. 507 Vgl. Weidich (1900), S. 16. 508 Vgl. Friedrich Spielhagen, in: Kirchhoff (1897), S. 335.
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gymnasiums mit dem Lehrplan der Knabengymnasien war eine Minderheitenposition, die selbst innerhalb der Frauenbewegung umstritten war. Denn diese Forderung stellte den bisherigen Hauptzweck der Mädchenerziehung infrage. Eher herrschte die Bereitschaft zur Gründung von Mädchengymnasien nach dem Vorbild von Realgymnasien, die selbst jedoch erst zur Jahrhundertwende zu einem Universitätsbesuch berechtigten. Zahlreiche Akteurinnen und Akteure bis hinein in die Reihen der Liberalen betrachteten die Vorstellung von staatlich finanzierten Mädchengymnasien bereits als eine illegitime Übervorteilung von Frauen gegenüber Männern.509 Wenn diese Akteurinnen und Akteure sich Studentinnen vorstellen konnten, dann als Ausnahmen, die über genug Talent verfügten, sich die Vorbildung ohne staatliche Unterstützung anzueignen. So sah es noch im Jahr 1892 der Jenaer Nationalökonom Pierstorff, der sich für eine Zulassung von Studentinnen stark machte, ohne Befürworter staatlicher Mädchengymnasien zu sein: So wenig es aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen berechtigt erscheint, den Frauen, die alle für ein regelrechtes Studium vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen, den Zutritt zu den bestehenden Hochschulen völlig zu versagen, so wenig angebracht muß die Errichtung öffentlicher Mädchengymnasien behufs positiver Beförderung des Frauenstudiums erscheinen.510
Charakter der Universität: Die Scientia sexualis und das Koedukationsproblem Unseren Studenten […] ist der Gedanke eines rein wissenschaftlichen Interesses an dem Phänomen als solchem, hinter dem die Individualität, auch die Geschlechtsindividualität, des Beschauers vollkommen zurücktritt, noch nicht in vollem Umfange faßlich. Sie fühlen sich peinlich berührt, bestimmte Gegenstände mit einer Frau zusammen anzuhören[,] und dokumentieren dadurch, daß sie Person und Sache nicht zu trennen vermögen. Ilse Eckart, Berlin 1900511
Die Zulassung von Frauen zu einem bislang ausschließlich von Männern bevölkerten Feld führte zu allerlei Unsicherheiten im Verhalten. Sexualität war ein bedeutsamer Faktor dieser Unsicherheit – gerade in der Medizin jedoch ein unvermeidbares Thema: Hier befand es sich in Gestalt der Scientia sexualis im Bannkreis der wissenschaftlichen Forschung. Diese hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mithilfe methodisch kontrollierter Befragungen und klinischer Beobachtungen die Untiefen der menschlichen 509 Vgl. Penzoldt (1898), S. 21 f. 510 Pierstorff (1892), S. 654. 511 Eckart (1900), S. 226 f.
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Sexualität zu ergründen und ihre verborgenen Pathologien aufzuspüren. Umstellt und seziert von allerlei Fachbegriffen trat die Sexualität als technische, leblos-theoretische Phänomenstruktur in Erscheinung. Doch selbst die verwissenschaftlichte Sexualität hatte, so die Sorge der Zeitgenossen und -genossinnen, aufgrund ihres unverblümten, voyeuristischen Blicks das Potenzial die Weiblichkeit zu beschädigen, so als würde es sich bei den eingehegten Diskursen der Scientia sexualis um eine ganz eigene Form der Lust handeln: einer Lust nach wissenschaftlicher Analyse und unnachgiebiger Wahrheitssuche, die wie alle als aktiv empfundenen Tätigkeiten einem männlichen Prinzip zugeschrieben wurden.512 Auf der anderen Seite – und dies war die Kehrseite jener Sorge – drohte bei allzu großer Rücksichtnahme auf die Weiblichkeit die Wissenschaft mangels Klarheit, Tiefe und Detailfülle empfindlichen Schaden zu erleiden, und zwar nicht nur in der Medizin. Bereits im letzten Abschnitt erschien die Philologie als eine Gefahr für das Weiblichkeitsideal. Nicht nur der zitierte Philologe Holzinger von Weidich stellte sich die Frage, auf welche Weise antike Texte zu einem Gegenstand wissenschaftlicher Analyse werden sollten, wenn die darin vorkommenden Partikel einer Ars erotica nur für männliche Leser bestimmt schienen und die Weiblichkeit beschädigen könnten. Wie bei allen Fragen legitimer Weiblichkeit ging es weniger darum, woran sich junge Frauen tatsächlich stören könnten als vielmehr um die Wahrung gewisser Grenzen aufseiten derjenigen, für die das Weiblichkeitsideal zu einem geordneten Weltbild gehörte. Dieses Weltbild sollte dafür sorgen, dass die Begegnungen der Geschlechter in berechenbaren Bahnen verliefen. Deshalb empfand der in Wien lehrende Philologe Theodor Gomperz (1832–1912) anwesende Frauen als eine „hemmende Fessel“ und bat bei bestimmten Vorlesungen seine Hörerinnen, dem Auditorium fernzubleiben: So z. B. als ich in meinem Plato-Colleg den ‚Phädros‘ und das ‚Symposion‘ behandelte – zwei Gespräche, deren Erläuterung ein tieferes Eingehen auf die verschiedenen Arten der das sexuelle Leben der Griechen betreffenden Sitten unbedingt erfordert. Derartiges vor einem aus beiden Geschlechtern zusammengesetzten Auditorium zu erörtern, war mir unmöglich. Noch unmöglicher wäre es mir gewesen, vor einer solchen Zuhörerschaft die Lustspiele des Aristophanes vorzulesen und zu erklären.513
Ebenso hielt es der Wiener Professor für griechische Geschichte und Archäologie Emil Szanto (1857–1904). Er schloss einzelne Hörerinnen von seinem Auditorium aus, weil ihm die Darstellung bestimmter Themen seines Fachgebietes vor diesen unangenehm war.514 Selbst das bloße Erlernen von Sprachkenntnissen drohte im Philologiestudium offenbar, sittliche Grenzen zu überschreiten. Gerade orientalische Sprachen besäßen
512 513 514
Vgl. Foucault (1991b [1976]), S. 71, 84–90. Anonym (1904), S. 7. Vgl. ebd., S. 12.
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eine „derbe Natürlichkeit und glühende Sinnlichkeit“, was unweigerlich „zur Erörterung sehr heikler Themata“ führen würde.515 In der Nationalökonomie galten Neomalthusianismus und Prostitution als derartige heikle Themen.516 Für den in Zürich lehrenden Julius Platter (1844–1923) bestand die Lösung des Problems nicht im Ausschluss von Frauen, sondern in einer ernsten Behandlung des Gegenstands und einer bewussten Vermeidung aller Frivolitäten.517 Offenbar schienen viele Professorenkollegen Platters eine gewisse Lust daran zu verspüren, ihre Vorträge mit allerlei Frivolität zu würzen. So findet sich bei dem Breslauer Sexualwissenschaftler Max Rosenthal (1859–1931) der Hinweis auf einen namentlich nicht genannten Biologieprofessor, der seine Vorlesungen „unverblümt“ mit zotigen Vergleichen zu beleben pflegte und der Frauen explizit ausgeschlossen wissen wollte, um dies weiter ungestört tun zu können.518 Blieb das Thema der Sexualität bei Philologie, Nationalökonomie oder Biologie noch kulturell vermittelt und damit virtuell, erhielt es innerhalb der Medizin in Vorlesungen über Haut- und Geschlechtskrankheiten, in Sezier- und Präpariersälen, in Kliniken und praktischen Übungen handfeste Materialität. Der entblößte Körper eines toten Menschen oder eines bzw. einer zu Demonstrationszwecken vorgeführten Kranken verwandelte sich in der gemeinsamen Gegenwart männlicher und weiblicher Studierender zu etwas potenziell Anstößigem. Ganz im Sinne der Geschlechtscharaktere, wonach die Sexualität von Frauen passiv sei, werde beim gemeinsamen Lernen aufseiten der Studenten das sinnliche Verlangen durch bloße Anwesenheit von Studentinnen angeregt.519 Darüber hinaus müssten Medizinstudierende in die monströsen Abgründe menschlicher Sexualität blicken: [E]s giebt nicht bloß Natürlichkeiten auf geschlechtlichem Gebiete, sondern auch Unnatürlichkeiten, sexuelle Scheußlichkeiten und Bestialitäten, von denen der Nichtarzt keinen Begriff hat, die aber der Arzt kennen muß, und die ihm, auch ohne daß er sucht, entgegengetragen werden.520
Derartige „Scheußlichkeiten“ schienen dazu geeignet, das Schamgefühl von Frauen aufs Tiefste zu verletzen. Da die Professoren diese Dinge zur Sprache brächten, obliege ihnen die Bürde der Peinlichkeit.521 Auch hier entstand das Problem aus dem Weltbild des Betrachters: Schamgefühl galt als positive Eigenschaft der Weiblichkeit. Peinlich515 516
Friedrich Albrecht Weber, in: Kirchhoff (1897), S. 219. Der Neomalthusianismus geht zurück auf den britischen Ökonomen Thomas Robert Malthus (1766–1834) und problematisiert das Bevölkerungswachstums. Empfängnisverhütung sollte die Kinderzahl begrenzen, um die sozialen Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Vgl. Ferdinand (1999), S. 172–175. 517 Vgl. Erismann (1899a), S. 610. 518 Vgl. Rosenthal (1904), S. 25. 519 Vgl. Johannes Orth, in: Kirchhoff (1897), S. 69. 520 Scholz (1897), S. 96. 521 Vgl. Stieda (1903), S. 766.
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keit erwuchs aufseiten derer, die nicht bereit waren, von bestimmten Aspekten des Weiblichkeitsideals abzurücken. Dies alles waren bereits gewichtige Gründe, um an der Koedukation im Studium zu zweifeln. Der katholische Moraltheologen Cathrein erwartete folgende Reaktionen: Studentinnen, die sich eine „Spur von jungfräulicher Zurückhaltung“ bewahrt hätten, müsste es bei heiklen medizinischen Themen die Schamesröte ins Gesicht treiben – die unvermeidliche Reaktion der Studenten sei es hingegen, mit „Scherzen und Possen“ darauf zu reagieren.522 Neben den Problemen universitärer Lehre, die mit der Scientia sexualis einhergingen, bestand ein alltagsweltliches Problem: Durch das gemeinsame Studium drohe die sorgsam eingehegte Sexualität aus dem Elfenbeinturm auszubrechen. Sie drohe praktisch und damit unkontrollierbar zu werden. In die nüchternen Hallen der Auditorien könnte eine „geschlechtliche Spannung“ Einzug halten, wie es der Psychologe Hugo Münsterberg (1863–1916) ausdrückte, der dem Frauenstudium zwar aufgeschlossen gegenüber war, der Koedukation jedoch kritisch gegenüberstand.523 Womöglich würde die Universität zu einem Heiratsmarkt und zöge allerlei zweifelhafte Elemente an, die den Hörsaal mit einem Ballsaal verwechselten. Der Königsberger Anatom Ludwig Stieda (1837–1918) fürchtete beim „Beisammensein von jungen Personen beiderlei Geschlechts“ durch koedukatives Studium „eine Schlange unter Blumen“. Er verwies dabei auf die in seinen Augen moralisch fragwürdigen Beziehungen, wie sie zwischen Künstlerinnen und Künstlern bestünden und die nach einer Zulassung von Frauen gewiss auch an den Universitäten Einzug halten würden. Schlimmstenfalls könne es zu einer Duldung wilder Ehen kommen.524 Der universitäre Charakter hingegen verbot derlei Annäherungen. Deshalb dürften Studentinnen „den Jugendtraum der Liebe nicht träumen, der das Leben des jungen Mannes verschönt und der gar oft in freudige Erfüllung geht“.525 Ganz und gar drastische Worte fand der Psychoanalytiker Fritz Wittels (1880–1950) in seinem Beitrag für die von Karl Kraus (1874–1936) herausgegebene Fackel: Während die Studentinnen „die beste Jugendzeit zum Lieben und Gebären“ versäumten, würden sich die ohnehin bereits sexuell verwahrlosten Studenten über dieses Geschenk freuen. Nur scheinbar poche Minerva an die Pforten der Universitäten, tatsächlich trete Venus in die Halle.526 Derartige Übersteigerungen zeigen, dass die weibliche Sexualität keinen legitimen Ort im universitären Feld besaß – Studentinnen erschienen wie gefährliche Sirenen, subversiv allein durch ihre Präsenz.527 Unter Studenten hatten sich hingegen gewisse Umgangsformen im Rahmen der staatlich geduldeten
522 523 524 525 526 527
Cathrein (1900), S. 380. Art. „Amerika“ (Hugo Münsterberg), in: Kirchhoff (1897), S. 351. Stieda (1903), S. 768. Lindner (1897), S. 12. Wittels (1907), S. 13. In den Narrativen bei Verbindungststudenten waren Frauen Heilige oder Huren. Vgl. Koerner (1997), S. 46.
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Prostitution herausgebildet.528 Dieser Umgang war keineswegs ehrenrührig, auch wenn moralische Autoritäten wie Ziegler es für einen Fehler hielten, die Prostitution nicht zu ächten, weil sie gegen die studentische Ehre verstieß.529 In der exemplarisch bei Stieda und Wittels erscheinenden Phänomenstruktur gab es für Studentinnen lediglich zwei Arten des Auftritts: entweder als Heiratskandidatin oder als Dirne. Jedenfalls laufe ein Mädchen an der Universität Gefahr, sich für einen Studenten „wegzuwerfen“.530 Nun hätte es auf der Hand gelegen, die Lösung des Problems darin zu sehen, dass sich Studentinnen so weit wie möglich assimilierten, um keine Angriffsfläche in sexuellen Belangen zu bieten. Diese Art der Neutralität bedeutete jedoch, endgültig den Lebensentwurf als Ehefrau und Mutter zu verlassen. So urteilte der Syphilis-Experte und Klinikdirektor an der Berlin Charité Georg Lewin (1820–1896): Eine Frau, die über die Anatomie der Geschlechtsteile nicht allein des Weibes, sondern auch des Mannes orientiert ist und über das Mysterium des Geschlechtsaktes ohne Erröten sprechen kann, wird den Mann, wenn nicht immer abstoßen, so doch immer kalt lassen.531
Sein Heidelberger Kollege, der Gynäkologieprofessor Adolf Kehrer (1837–1814), pflichtete ihm bei: Studentinnen der Medizin verlören ihren „weiblichen Nimbus“.532 Ein in eine ganz andere Richtung weisendes Lösungskonzept stellte die Idee einer „weiblichen Universität“ dar, die bereits in den 1870er Jahren im Diskursfeld aufgetaucht war.533 Entweder sollte eine eigene Frauenuniversität oder Frauenhochschule gegründet oder aber eine bestehende Anstalt zu einer solchen umgewandelt werden. In der Namensvarianz Universität oder Hochschule deutete sich bereits ein geringerer Status gegenüber den klassischen Universitäten an: In jedem Fall konnte es sich bei einer derartigen Institution nicht um eine Volluniversität handeln, da die Schaffung einer juristischen und theologischen Fakultät mangels Zulassung in den entsprechenden Berufszweigen nicht infrage kam.534 Der sächsische Kultusminister Paul von Seydewitz (1843–1910), der die Landesuniversität in Leipzig in den 1890er Jahren erfolgreich modernisiert hatte, vertrat noch zur Jahrhundertwende, als in Baden bereits die Zulassungsschranken in Heidelberg und Freiburg fielen, die Idee einer reichsdeutschen „Universität lediglich für Frauen“. Diese habe lediglich „zwei Fakultäten, eine medizinische und eine philosophische […] zu umfassen“.535 Gerade vor dem Hintergrund der bestens etablierten, wenn auch hinter dem Prestige der großen Universitäten zurückstehen528 Der Bordellbesuch durch Offiziere und Studenten galt als Männlichkeitsbeweis. Vgl. Evans (1976), S. 17. 529 Vgl. Ziegler (1908), S. 61. 530 Vgl. Weiss (1892), S. 43. 531 Georg Lewin, in: Kirchhoff (1897), S. 73. 532 Adolf Kehrer, in: Kirchhoff (1897), S. 116 533 Vgl. Bischoff (1872a), S. 39; Hermann (1872a), S. 11. 534 Vgl. Johannes Conrad, in: Kirchhoff (1897), S. 202. 535 Sächsischer Landtag (1900).
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den medizinischen Frauencolleges in Amerika erschien dies als gangbarer Weg.536 An derartigen Anstalten sollten ganz nach amerikanischem Vorbild weibliche Lehrkräfte tätig sein, die ihre Ausbildung wiederum in einer anfänglichen Übergangsphase zuvor an Männeruniversitäten erhielten.537 Methoden wie Inhalte sollten zudem an die Bedürfnisse des weiblichen Geschlechts angepasst werden.538 Zudem könne eine in sich geschlossene Akademie auch dazu dienen, eine straffe Leitung durch eine Frau zu installieren: „Unlautere Elemente wären durch eine so in sich geschlossene Akademie von selbst ausgeschieden.“539 Frauenuniversitäten oder weibliche Hochschulen bedeuteten eine Anpassung des universitären Charakters an die moralischen Bedürfnisse des Weiblichkeitsideals. Insbesondere die akademische Freiheit galt es im Zuge dieser Anpassung zu begrenzen, sowohl im Hinblick auf die Lernfreiheit als auch die studentische Freizeitgestaltung. Zur Überwachung der Freizeitaktivitäten wurden Internate im Stil von Mädchenpensionaten erwogen. Die Kanalisierung der Lernfreiheit in geordnete Bahnen liefe auf fachlich spezialisierte Einrichtungen hinaus: auf Hochschulen für Lehrerinnen,540 medizinische Fachschulen für Ärztinnen541 oder Einrichtungen wie die 1925 in Berlin gegründete und von Alice Salomon (1872–1948) geleitete Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit.542 Lange Zeit stand die Universität Straßburg im Fokus einer derartigen Umwandlung zur Frauenuniversität. Erstmals brachte der freisinnige Abgeordnete Karl Schrader (1834–1913), angeregt durch eine Petition des VFR, diese Option in einer Reichstagsdebatte im März 1891 zur Sprache.543 Eine andere Anregung kam 1895 vom Berliner Rechtswissenschaftler Heinrich Dernburg (1829–1907). Er verwies auf die Universität Gießen, die, gelegen in der Mitte Deutschlands, für derartige Bestrebungen bestens geeignet sei.544 Dernburgs Vorschlag wurde weithin besprochen, jedoch Mitte der 1890er Jahre kaum mehr ernst genommen, da mit der Zulassung von Gasthörerinnen in Heidelberg, Tübingen und in Einzelfällen sogar in bereits in Berlin die Tendenz in Richtung einer allgemeinen Öffnung der Universitäten für Frauen ging.545 Windscheid erwähnte 1899 den Vorschlag nochmals während ihrer Rede auf einer Sonderkonferenz zum Frauenstudium im Zuge des in Kiel veranstalteten ESK. Das Publikum reagierte mit
536 537 538 539 540 541 542 543 544 545
Vgl. Jacobi (1900), S. 36. Vgl. Holzinger von Weidich (1900), S. 17. Vgl. Pochhammer (1893), S. 16. Philadelphos (1891), S. 30. Vgl. Werner (1888), S. 8. Vgl. Walcker (1893), S. 270; Stieda (1903), S. 768. Vgl. Ries (1927), S. 87. Vgl. Reichstag (1892), S. 1998. Vgl. Kirchhoff (1895); Heinrich Dernburg, in: Kirchhoff (1897), S. 21. Vgl. Pinn (1896), S. 32; Anonym, A. v. H. (1897), S. 19; zur Zulassung von Gasthörerinnen vgl. Kapitel IV, 1. Abschnitt: Experimenteller Progress.
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„großer Heiterkeit“ als Windscheid für alle Anwesenden nachvollziehbar die Nachteile von Frauenuniversitäten unterstrich.546 In der Frauenbewegung erfolgte nach anfänglicher Unsicherheit eine rasche Abkehr von der Idee einer Hochschule für Frauen. Während die Bewegungsöffentlichkeit der 1870er Jahre in der Frage noch unentschieden war, lehnte eine deutliche Mehrheit derjenigen, die sich zu Wort meldeten, die Idee spätestens seit Beginn der 1890er Jahre ab.547 Zu stark erinnerte sie an die Mängel bereits existierender Fortbildungsanstalten wie der Lycéen in Berlin, Köln, Darmstadt oder Leipzig. Der Nationalökonom Pierstorff assoziierte die künftigen höheren Frauenbildungsanstalten mit diesen bestehenden Einrichtungen, deren offenkundigster Mangel ihre private Finanzierung und das Fehlen von Abschlüssen war.548 Es bestand die Gefahr einer Errichtung von Hochschulen zweiter Klasse für Frauen, die zu spezialisierten Frauenberufen führten und im Grad ihres Ausbildungsniveaus und Sozialprestiges hinter dem der Männer weit zurückstanden. Im Hochschulkonzept von Christlieb Gotthold Hottinger (1848–1914) wurde sichtbar, wohin eine derartige Entwicklung führen konnte: Zwar schuf Hottinger mit seiner 1900 in Berlin gegründeten Frauenhochschule die erste Ausbildungsstätte für Bibliothekarinnen im Deutschen Reich, jedoch blieben die dort vermittelten Bildungsinhalte dem Ideal der Sphärentrennung verhaftet und bezogen sich auf die „Bestimmung zur Gattin und Mutter“.549 Dementsprechend kam aus der Frauenbewegung die Warnung vor Doppelstandards im Ausbildungsniveau. Die 1889 in Zürich promovierte und in Leipzig praktizierende Frauenärztin Anna Kuhnow (1859–1897) bezeichnete Frauenuniversitäten als ein Unglück, weil diese kein dem Studium an den etablierten Universitäten ebenbürtiges Studium ermöglichten.550 Auch Lange warnte vor „Universitäten zweiten Grades“.551 Für Pappritz haftete ihnen von vornherein das „Odium der Inferiorität“ an.552 Frauen könnten nur verlieren, wenn es zu einer Trennung der Geschlechter in der Hochschulbildung käme, denn die besten Lehrkräfte zöge es an die Männeruniversitäten – so die Medizinstudentin Stelzner im Jahr 1899, die wenig später zu den ersten zehn im Deutschen Reich promovierten Medizinerinnen gehörte.553 In diesen Stellungnahmen zeigt sich der breite Konsens gegen die Errichtung von Frauenuniversitäten. Lediglich eine Minderheit bekannte sich weiterhin zu dieser Idee: So plädierte die konservativ orientierte Gnauck-Kühne ebenso wie Mathilde Weber für besondere Anstalten nach englischem Vorbild oder zumindest für Parallelkurse für 546 547 548 549
Vgl. Anonym (1899b), S. 324; Windscheid (1899), S. 800. Zur Unentschiedenheit vgl. Dohm (1874), S. 129. Vgl. Pierstorff (1892), S. 657. Vgl. Hottinger (1899), S. 3. um die Jahrhundertwende vollzog sich eine Verweiblichung des Bibliothekarsberufs als einer dienenden Tätigkeit. Vgl. Lagrave (1995), S. 494. 550 Vgl. Kuhnow (1896), S. 18. 551 Lange (1894a), S. 286. 552 Pappritz (1898), S. 228. 553 Vgl. Stelzner (1899), S. 121.
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„weibliche Medizinerinnen“.554 Die Vorsitzende des Berliner Hebammen-Vereins Olga Gebauer (1858–1922) hob das „Gefühl der Gleichberechtigung“ unter Studentinnen als einen Vorteil derartiger Anstalten hervor. Zudem würden Frauenuniversitäten die Gefahr vermeiden, dass männliche Hochschullehrer die Frauen als „aufgebürdete Beigabe“ behandelten.555 Außerhalb der Frauenbewegung zielte die Kritik an Frauenuniversitäten auf die Vermeidung einer unnötigen „Aufmunterung zum Studium“, die durch das Vorhandensein von eigens für Frauen eingerichteten Anstalten entstehe. Frauen würden dadurch auf Bahnen gelenkt, in denen sie mangels vorhandener Berufe ohnehin nur „unbestimmte Aussichten“ hätten.556 Die meisten Aussagen bezogen sich jedoch auf die Kostenfrage: Bereits sehr früh tauchte dieses Problem im Diskursfeld auf – so im Jahr 1873 bei dem Nationalökonomen Scheel.557 In den 1890er Jahren vermischte es sich mit der Prognose einer geringen Anzahl von Ausnahmestudentinnen, die eigene Hochschulen kaum rechtfertigten.558 In dieser Sichtweise trafen sich Kritiker/-innen und Befürworter/-innen des Frauenstudiums: Der den Bestrebungen wohlgesonnene Züricher Psychiater August Forel (1848–1931) bezeichnete „weibliche Hochschulen“ als ein „unnütz kostspieliges Unternehmen“.559 Auch sein Berner Kollege Müller nutzte das Finanzierungsargument gegen Frauenuniversitäten, obwohl seine Ablehnung eher aus moralischen Gründen erfolgte.560 Für den Herausgeber der Zeitschrift für weibliche Bildung Buchner hätten derartige Einrichtungen Geldmittel erfodert, „die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehen würden“.561 Das Problem der Finanzierung sorgte schließlich dafür, dass auch eine wachsende Mehrheit unter den Professoren von der Idee separierter Frauenuniversitäten in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre Abstand nahm.562 Um Studentinnen trotz der Probleme, die Scientia sexualis und Koedukation mit sich brachten, einen Platz an bestehenden Männeruniversitäten zu sichern, bedurfte es einer Umdeutung, die dazu geeignet war, den Fokus auf das Geschlecht zu relativieren. An die Stelle der sittlichen Konflikte rückte deshalb die Universalität und Neutralität der Wissenschaft. Bei diesen Umdeutungsprozessen spielten die vermittelten Erfahrungen der schweizerischen Mediziner eine tragende Rolle. Die deutsche Reichsregierung sandte eigens eine Anfrage an die schweizerischen Universitäten, um an den dortigen Ein554 555 556 557 558 559 560 561 562
Vgl. Gnauck-Kühne (1891), S. 34; Weber (1892), S. 19; Weber (1893), S. 36. Tiburtius (1894), S. 171. Kersten (1892), S. 28 f. Vgl. Scheel (1873), S. 15. Vgl. Lehmann (1898), S. 3 (Heft 142); Buchner (1893), S. 60. Erismann (1899a), S. 605. Vgl. Müller (1894), S. 38. Buchner (1893), S. 31. Lehmann (1898), S. 3 (Heft 142); Anonym (1904), S. 4. Im Jahr 1916 formulierte Eduard Spranger dennoch eine Denkschrift zur Idee einer Hochschule für Frauen: Eine solche Hochschule sollte über den Fachschulen für Frauenberufen stehen, um höhere Bildung wie an Universitäten zu vermitteln, jedoch ganz im Sinne „spezifisch weiblicher Kulturarbeit“ wirken. Spranger (1916), S. 67.
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sichten eines koedukativen Studiums teilzuhaben: Ihre Sorge galt der weiblichen Schamhaftigkeit angesichts einer Thematisierung der Sexualorgane im Medizinstudium.563 Andere schweizerische Professoren äußerten sich aus eigenem Abtrieb zur Frage der Koedukation: Bei dem in Lausanne lehrenden Édouard de Cérenville (1843–1915) hieß es, obwohl das Medizinstudium eigentlich keine Ausbildung für junge Damen sei, hätten die Studentinnen gelernt, die „côté dangereux de la virilité“ ihres zukünftigen Berufes zu akzeptieren; zumindest habe ihre Sittlichkeit im Umgang mit riskanten Themen keinen Schaden erlitten.564 Der Direktor des hygienischen Instituts in Würzburg Karl Bernhard Lehmann (1858–1940) schöpfte aus seinen Erfahrungen als Student in Zürich und konstatierte in der Allgemeinen Zeitung, er würde im Falle einer Zulassung von Studentinnen, „kein Wort weniger sagen, als wenn keine Damen da wären“.565 Der berühmte Genfer Zoologe Vogt forderte „Ernst und Zurückhaltung“ von den Professoren, die gern einmal mit zotigen Bemerkungen über die Stränge schlügen. Vor den Augen der Wissenschaft seien die Hörer/-innen im Auditorium „geschlechtslose Wesen“.566 Der Berner Anatomieprofessor Hans Strasser (1852–1927) empfahl „sachliches Interesse“ und „wissenschaftlichen Eifer“ als Mittel gegen „unpassende Gedanken“.567 In der Schweiz bildete sich ein pragmatisches Handlungsmodell im Umgang mit der Koedukation heraus. Der in Zürich lehrende und als Vertreter einer strengen medizinischen Ethik bekannt gewordene Hermann Eichhorst (1849–1921) erklärte: Er rufe in seinem klinischen Alltag niemals Praktikantinnen zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten bei Männern auf.568 Für seinen Kollegen Philipp Stöhr (1849–1911) stand die Wissenschaft vor jeder Rücksichtnahme auf das Schamgefühl, jedoch erfolge beim Präparieren und Demonstrieren von Sexualorganen eine Geschlechtertrennung, damit die Studierenden ihm ohne Verlegenheit und Zurückhaltung ihre Fragen stellen könnten.569 Diese Praxis der Geschlechtertrennung bei praktischen Kursen erschien auch reichsdeutschen Professoren als Kompromiss denkbar.570 Die Anrufung von Wissenschaftsidealen schuf die gemeinsame Basis eines sich langfristig abzeichnenden Konsenses – trotz aller Vorbehalte:571 Die in Zürich lehrenden Professoren Justus Gaule (1849–1939), Rudolf Krönlein (1847–1910), Arnold Dodel-Port und Albert Heim (1849–1937) betonten, für sie sei allein das „wissenschaftliche Interesse“, der „wissenschaftliche Ernst“, die „reine Wissenschaftlichkeit“ unter strenger Wahrung des „richtigen Taktes“ und des „rechten Tones“ von Bedeutung.572 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572
Vgl. Adler (1899), S. 289; Ries (1927), S. 120. Erismann (1899a), S. 605. Lehmann (1898), S. 2 (Heft 142). Vogt (1888), S. 22. Erismann (1899a), S. 608. Vgl. ebd., S. 607. Vgl. ebd., S. 543. Vgl. Hermann Cohn, in: Kirchhoff (1897), S. 100 f; Carl Stump, in: Kirchhoff (1897), S. 177. Vgl. u. a. Pinn (1896), S. 6; Julius Bernstein, in: Kirchhoff (1897), S. 44. Erismann (1899a), S. 543, 544, 608, 611.
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Neben der Anrufung eines wissenschaftlichen Ethos vollzog sich eine weitere Verschiebung des Koedukationsproblems: Das gemeinsame Lernen von Studenten und Studentinnen wurde dabei nicht länger als Quelle kaum zu bändigender Gefahren entworfen, sondern als Disziplinierungsmaßnahme. So findet sich im Diskursfeld die weitverbreitete Aussage, die Anwesenheit junger Frauen wirke „veredelnd“ auf Studenten, was die allgemeine Disziplin verbessere. Eine solche Ansicht äußerte z. B. der Nationalökonom Böhmert bereits im Jahr 1870.573 Zahlreiche Autoritäten wie der Philosophieprofessor Ziegler oder der Reichstagsabgeordnete Baumbach teilten diese Ansicht.574 Der Berner Gynäkologe Müller hielt die Anwesenheit von Frauen für einen Vorteil, weil diese zu größerer Klarheit zwinge und sich anzügliche Witzeleien verböten, in denen „sich mancher Universitätslehrer“ zuweilen gefalle.575 Ebenso urteilte der Berliner Physiker Arthur König (1859–1901): Durch die Zulassung von Frauen „dürften auch bald jene der Würde des akademischen Katheders ohnehin nicht passenden Witze völlig verschwinden, die leider, besonders auf den heiklen Grenzgebieten der Medizin und Jurisprudenz manchmal noch beliebt sind“.576 Der fortschrittlich denkende und für sozialistische Ideen empfängliche Psychiater Forel konstatierte: Unsere moderne Gesellschaft heuchelt noch viel zu viel in sexuellen Dingen. Mehr Natürlichkeit, mehr Offenheit, weniger Unkenntnis (sogenannte Unschuld)[,] vor allem aber ungezwungeneren, natürlicheren Verkehr beider Geschlechter!577
Auch innerhalb der Frauenbewegung nutzten die Aktivistinnen das Argument einer „veredelnden“, „versittlichenden“, „vorteilhaften“ Wirkung von Studentinnen auf ihre Kommilitonen, wobei sie sich oft auf eigene Studienerfahrungen im Ausland berufen konnten.578 Funktionen der Universität: Wissenschaft und Brotberufe Nur die absolute Hingabe an das Studium und den Beruf wird in den einzelnen Arbeitsgebieten allmählich die spezifischen Werte herausbringen, die wir als den weiblichen Einschlag in der Gesamtkultur bezeichnen. Helene Lange (1848–1930), Lehrerin und Frauenrechtlerin, Berlin 1907579
573 574 575 576 577 578
Böhmert (1870a), S. 24. Vgl. Ziegler (1891), S. 127; Baumbach (1893), S. 13. Vgl. Müller (1894), S. 39. Arthur König, in: Kirchhoff (1897), S. 158. Erismann (1899a), S. 605. Vgl. u. a. Morgenstern (1888), S. 21; Oelsner (1894a), S. 4; Kuhnow (1896), S. 8 f; Ichenhäuser (1897b), S. 47; Pappritz (1898), S. 228. 579 Lange (1907), S. 41.
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Rößler konstatierte 1893 in den Preußischen Jahrbüchern, die deutsche Universität befinde sich „in einer ihre ganze Wirkungsfähigheit in Frage stellenden Krisis“.580 Der einflussreiche Publizist, der selbst habilitiert hatte, war bestens mit der Stimmung an den deutschen Universitäten vertraut. In die von Rößler ausgemachte Krisenstimmung hinein drangen nun auch noch die stetig lauter werdenden Rufe nach einer Öffnung der Universitäten, was die Frage aufwarf: Welche Auswirkungen hätte es auf die Funktionen der Universität, wenn diesen Forderungen nachgegeben würde? Wären Allgemeinbildung, Berufsausbildung sowie die Lehre des forschenden Verstehens bislang unentdeckter Wissens- und Erfahrungsbereiche im gleichen Maße wie zuvor möglich? Würde sich eine Verschiebung zwischen den Funktionen ergeben, sodass das Forschen zugunsten der Berufsausbildung zurücktreten müsste? Würde es zu einem allgemeinen Niveauverlust kommen? Das Frauenstudium warf hinsichtlich der universitären Funktionen dabei keine völlig neuen Probleme auf, verschärfte aber die ohnehin bestehenden. An der Wurzel dieser Problematisierungen lagen die universitären Strukturen, die durch das Anwachsen der Hochschulen an ihre Grenzen kamen: Der Bau neuer Gebäude, die Etablierung neuer Lehrstühle und Institute konnte kaum schnell genug geschehen. Bereits angesichts der rasch steigenden Studierendenzahlen in den 1870er Jahren wurde der Raummangel als Problem gegen eine Zulassung von Frauen in Stellung gebracht.581 Als am Ende der 1880er Jahre das Frauenstudium erneut prominent in der breiteren Öffentlichkeit auftauchte, kam auch dieser Einwand erneut auf. Vor dem württembergischen Abgeordnetenhaus befand Carl Heinrich Weizsäcker (1822–1899), Kanzler der Tübinger Universität, im Jahr 1891: „Unsere Räumlichkeiten sind beinahe durchaus so berechnet, daß sie gerade hinreichen für die Studenten, die wir jetzt haben und künftig haben werden.“582 Von einer drohenden „Überbevölkerung“ sprach 1893 der Zentrumspolitiker und Gymnasialdirektor Georg Orterer (1849–1916) während einer Reichstagsdebatte.583 Bei den Medizinern bekam dieses Strukturproblem eine spezifische Prägung: Dort mangelte es an Plätzen für das praktische Jahr der Ausbildung und Studentinnen erschienen daher als zusätzliche Konkurrenz.584 Neben einer Verschärfung struktureller Krisenbedingungen fand sich das Phänomen einer allgemeinen Klage über eine „Verflachung des Studiums“.585 Auch diese Problematisierung existierte bereits unabhängig von der Frage des Frauenstudiums: Hier war es der Zuwachs an Studenten aus bislang unterrepräsentierten sozialen Schichten, die für die Angst vor einem Niveauverlust sorgte.586 Brotstudium hieß der Kampfbegriff, wenn 580 581 582 583 584 585 586
Rößler (1893), S. 24. Vgl. Scheel (1873), S. 14. Grimm (1893), S. 101. Ebd., S. 55. Vgl. Frankenburger (1899), S. 98; vgl. auch Huerkamp (1985), S. 99. Siegfried Lommatzsch, in: Kirchhoff (1897), S. 6 Bereits in den 1870er und 1880er Jahren nahm der Anteil von Söhnen des sogenannten Kleinbürgertums an den deutschen Universitäten aufgrund ansteigenden Wohlstandes zu. Nach 1900 bis zum
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es darum ging, das Bedürfnis nach einer raschen Berufsausbildung zu delegitimieren:587 Eine solche Art des Studierens frage nicht „nach Talenten und Neigungen“, sondern strebe „nur nach möglichst schneller Anstellung“. Dieser Gefahr würden die studierenden Damen sicher noch weniger entgehen, als ihre männlichen Kollegen und damit die Klasse derer noch vermehren, die die Wissenschaft als die milchende Kuh betrachten.588
Diese Einschätzung stand allerdings in Widerspruch zur Mehrheit der nach Fach- und Allgemeinbildung strebenden Gasthörerinnen, die zumindest im Deutschen Reich an ihre Studien kaum berufliche Aussichten knüpfen konnten – ausgenommen als eine irreguläre Fortbildung für den Lehrerinnenberuf. In Preußen waren seit Mitte der 1890er Jahre derartige Hörerinnen durch Einzelfallprüfung der Universitäten in größerem Maßstab zugelassen. Diese Gruppe traf nun das Verdikt mangelnder Vorbildung im besonderen Maße. Im Gegensatz zu männlichen Gasthörern hatten es die Gasthörerinnen mit einer geschlechtsspezifischen Vorurteilsstruktur zu tun. Bereits zu Beginn der Auseinandersetzung erschien es „selbstverständlich“, dass die „wissenschaftliche Natur der Vorträge“ durch die Anwesenheit von Frauen beeinträchtigt werden müsste.589 Derlei Urteile hielten sich auch nach der Zulassung von Hörerinnen hartnäckig. So wirke die Anwesenheit von Frauen im Hörsaal auf „Ton und Inhalt der Vorträge“ herabdrückend, konstatierte der Berliner Philosoph und Honorarprofessor Adolf Lasson (1832–1917).590 Dies schien unlängst gehegte Sorgen zu bestätigen: Eine Aufweichung der Vorbildungsschranken schädige die Leistungsfähigkeit der deutschen Universitäten.591 Doch selbst eine Bestätigung der Vorbildung durch das Ablegen der Matura durchbrach die Vorurteilsmatrix nur schwer: Für orthodoxe Hardliner schien festzustehen, dass Studentinnen eine Verlangsamung des wissenschaftlichen Fortschrittes bewirkten.592 Frauen würden lediglich auswendig lernen, während Männer in der Lage seien, tiefer in die Materie vorzudringen.593 An diesen Urteilen änderte die Erfahrung mit Studentinnen oder Gasthörerinnen nur wenig. Noch im Jahr 1908 sah der Grazer Professor für Altertumskunde Adolf Bauer (1855–1919), der zu den Koryphäen seines Fachs gehörte, in der „raschen Zunahme und Ausbreitung volkstümlicher Universitätsvorlesungen
587 588 589 590 591 592 593
Beginn des Ersten Weltkriegs stellte diese Gruppe schließlich die Hälfte der männlichen Studierenden, wodurch sich die Selbstrekrutierung des bisher dominanten Bildungsbürgertums abschwächte. Dennoch blieb diese soziale Öffnung der Universitäten aufgrund unterschiedlicher ökonomischer und kultureller Ausgangsbedingungen, die weiterhin bestanden, begrenzt. Vgl. Jarausch (1984), S. 73, 78. Vgl. hierzu Bleker (1998a), S. 24. Lindner (1897), S. 6. Oetker (1873), S. 4251. Adolf Lasson, in: Kirchhoff (1897), S. 165 f. Vgl. Pochhammer (1893), S. 13. Vgl. Waldeyer (1889), S. 41. Vgl. Penzoldt (1898), S. 18.
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und insbesondere in dem Frauenstudium eine ernste Gefahr für den wissenschaftlichen Charakter der Universität“.594 Zudem spielte auch beim Argument einer Verflachung des wissenschaftlichen Charakters das Problem der Scientia sexualis eine Rolle: Die Anwesenheit von Frauen führe zu einer Hemmung der Universitätslehrer. Durch dieses „peinliche Gefühl“ werde der wissenschaftliche Vortrag oberflächlicher.595 Um die allgemeine Peinlichkeit abzuschwächen, erfolge eine Vereinfachung des Unterrichts.596 Derlei Problematisierungen begegneten vorsichtige Befürworter/-innen im Diskursfeld mit Relativierungen: Ein ums andere Mal diente hierzu die Prognose geringer Studentinnenzahlen. So hieß es exemplarisch bei der Aktivistin Binder: Um wie viel Medizin studierende Frauen wird es sich denn überhaupt handeln? Besonders in den ersten zwanzig Jahren und solange noch keine entsprechenden Vorbereitungsanstalten für die Mädchen da sind? Um ein halbes Dutzend höchstens für jede deutsche Universität, […].597
Eine ähnliche Problemverschiebung erfolgte beim Phänomen einer vermeintlichen Niveausenkung durch sogenannte Modestudentinnen, denen im Gegensatz zu den ebenfalls als Negativbeispiel aufgerufenen Brotstudentinnen im Grunde nichts an den eigentlichen Studieninhalten läge und die nur der Reiz des Neuartigen an die Universitäten locke. Bummelei durch uninteressierte Studierende sei ein dauerhaftes Phänomen, seit es Universitäten gäbe. Es habe stets „eine hübsche Prozentzahl von Studenten“ auf den Bänken gesessen, die „trotz bestandener Examina thatsächlich unvorbereitet waren“, hieß es in einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung in der ersten Debattenphase in den 1870er Jahren – auch in dieser Hinsicht nahm die in der Schweiz begonnene Auseinandersetzung zahlreiche Problematisierungen vorweg, die später in den 1890er Jahren im Deutschen Reich erneut zur Sprache kommen sollten.598 Eine Lösungsstrategie bestand darin, die Berufsausbildungsfunktion der Universitäten in den Vordergrund zu rücken. Für eine solche Ausbildung seien keine Genies gefragt und durchschnittliche Leistungen völlig ausreichend. Schließlich ginge es nicht darum, Ärzte und Ärztinnen zu Forschenden auszubilden, sondern sie dazu zu befähigen, das erlernte Wissen zum Wohle ihrer Patientinnen und Patienten anzuwenden.599 Die Unterscheidung zwischen universitärem Durchschnitt und dem seltenen Forschergenie entwickelte sich zu einem mächtigen Topos der Befürworter/-innen: Der Maßstab für die Studienanforderungen richte sich nicht nach Genies, sondern nach „ganz mittelmäßigen Geistern“.600 Kritiker/-innen des Frauenstudiums versuchten sich ihrerseits in Relativierungen: Es gäbe 594 595 596 597 598 599 600
Bauer (1908), S. 8. Anonym (1892a), S. 5. Vgl. Runge (1899), S. 18. Binder (1892), S. 25. Vgl. Anonym (1872a). Vgl. Ritter (1893), S. 136. Ehrlich (1895), S. 705.
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zwar einzelne Ausnahmetalente unter Frauen, der allgemeine Durchschnitt stehe jedoch hinter dem Durchschnitt aufseiten der Studenten zurück. Bei dem Jenaer Anatom von Bardeleben hieß es: Daß die Begabung des Weibes für das Studium aber im Durchschnitt eine geringere ist als die der Männer, ist wohl allgemein anerkannt. Selbstverständlich giebt es Ausnahmen auf beiden Seiten – und daß da viele besser begabte Frauen einer großen Masse unbegabter oder mäßig begabter Männer gegenüberstehen, gebe ich gern zu.601
Angesichts des Fokus auf die Berufsbildungsfunktion war die Frage einer Verwertungsmöglichkeit universitärer Abschlüsse nicht weit. Sie hing von der gesellschaftlichen Nachfrage nach Akademikerinnen ab. Abermals knüpfte sich ein Sachverhalt des Frauenstudiums an bereits etablierte Problematisierungen: Aufgrund des Anstieges der Studierendenfrequenz an den Universitäten kam es zur Überproduktion von Akademikern. Die Angst vor einem akademischen Proletariat ging um.602 „Überfüllung“ wurde als Resultat eines Missverhältnisses zwischen Nachfrage und Angebot hinsichtlich akademischer Berufe begriffen.603 Dabei ging es nicht darum, Konkurrenz im Allgemeinen zu problematisieren. Es galt, zwischen nützlicher, „lebhafte[r] Conkurrenz“ und einem ungesunden „Kampf “ zu unterscheiden. „Symptom“ eines „krankhaften Zustandes“ sei eine „stärkere Vermehrung des Gelehrten-Proletariats“, was eine schädliche Auswirkungen auf das wissenschaftliche Niveau habe.604 Im Licht derartiger Problematisierungen erschien das neue Phänomen der Studentinnen als eine Gefahr für die deutschen Universitäten, die ihren „ernsteren Aufgaben“ weniger nachgehen könnten. Entweder würde die neuartige Konkurrenz zwischen den Geschlechtern als neuer Faktor das Problem der Überfüllung weiter verschärfen oder aber zulasten der Wissenschaft gehen, weil das Vorbildungsniveau von Frauen nicht den Anforderungen entspreche.605 Die Befürchtungen akademischer Freiberufler ähnelten sich mit denen der Hochschullehrer: So kam für sie das Eintreten „niedere[r] Elemente“ in die Universitäten einer „Herabdrückung“ ihres Berufsstandes gleich.606 Es entstanden drei Problemlösungskonzepte, die dazu geeignet waren, der Konkurrenzverschärfung sowie der Prestigeminderung entgegenzuwirken: eine Professionalisierung bestehender weiblicher Berufe durch akademische Bildung, die Etablierung weiblicher Sonderzonen innerhalb akademischer Berufe sowie die Schaffung neuartiger Berufsfelder. Sonderzonen könnten sich allerdings nur in jenen Bereich etablieren, aus denen sich die Männer bereits aufgrund des Prestigeverfalls begannen zurückzu-
601 602 603 604 605 606
Karl von Bardeleben, in: Kirchhoff (1897), S. 34. Vgl. Kapitel II, 2. Abschnitt: Machtpotenziale deutscher Hochschullehrer. Kersten (1892), S. 34. Vgl. Kaiser (1891), S. 2. Philosophische Fakultät der Universität Kiel (1892), S. 15. Kleinwächter (1896), S. 29.
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ziehen.607 Neben diese drei Möglichkeiten traten zwei bereits in anderen Phänomenbereichen vorkommende Bedingungen: die Beschränkung auf talentierte Ausnahmefrauen sowie die Beschränkung auf Unverheiratete. Als bereits etablierter Beruf galt die Lehrerin – entweder für Volksschulklassen oder mit einer mehrjährigen Seminarbildung für untere und mittlere Klassenstufen an höheren Mädchenschulen. Doch selbst das Lehrerinnenseminar bot selten mehr als eine auf das Nötigste beschränkte Ausbildung. Zahlreiche Lehrerinnen dieser Generation beklagten wie Bäumer in ihren Lebenserinnerungen die Halbheit derartiger Einrichtungen: „Über allem Schulstoff lag eine unheimliche, hoffnungslose Abgenutztheit.“608 Sie waren nicht nur in Sachen Bildung eine Sackgasse, sondern auch im Hinblick auf Karrierewege. Sowohl die oberen Klassenstufen sowie der Direktorinnenposten blieben Lehrerinnen aufgrund fehlender Zugangsvoraussetzung zur Oberlehrerprüfung in Preußen bis 1894 verschlossen. Deshalb gehörte die Forderung nach Lehrerinnen in höheren Klassenstufen zum Kern der von Lange verfassten Gelben Broschüre, mit der die Bewegung für eine Öffnung akademischer Bildungswege für Frauen im Herbst 1887 ihren Anfang genommen hatte. Fortan betonten die Aktivistinnen die Wichtigkeit eines „weiblichen Einflusses“ auf die heranwachsenden Mädchen in den Oberstufen, für deren Belange nur Frauen Verständnis aufbringen würden.609 Nur dieser Einfluss könne diese Mädchen davor bewahren, auf ihrem Lebensweg eine „schiefe Richtung“ einzuschlagen.610 Angesichts der differenzfeministischen Geschlechtervorstellungen blieben die Forderungen auf das Feld der Mädchenbildung beschränkt.611 Gegen den Unterricht von Lehrerinnen an Knabenschulen gab es unter anderem deshalb Bedenken, weil es Frauen an Durchsetzungskraft fehle, was die Disziplin negativ beeinträchtigen könnte. Darüber hinaus eröffnete sich wissenschaftlich gebildeten Lehrerinnen jedoch ein Weg in die theologischen Fakultäten, denn Frauen galten als prädestiniert für den Religionsunterricht.612 Idealtypisch für die Eingrenzung von Sonderzonen in bestehenden Berufsfeldern war die ärztliche Profession. In der Debatte um weibliche Ärzte ging es nahezu ausschließlich um Frauen- und Kinderärztinnen. Ein Grund hierfür war die Problematisierung des weiblichen Schamgefühls. Hierbei fungierte die 1888 veröffentlichte und mehrfach neu aufgelegte Broschüre mit dem Titel Aerztinnen für Frauenkrankheiten: Eine ethische und sanitäre Notwendigkeit von Mathilde Weber als Katalysator. Auch wenn Webers Schrift entscheidend zur Popularisierung des Problems beitrug, war die Verletzung des weiblichen Schamgefühls durch männliche Ärzte auch schon lange davor thematisiert worden. Das prominenteste Opfer des Fehlens von Ärztinnen fand sich 607 608 609 610 611 612
Vgl. Lagrave (1995), S. 486; Bourdieu (2005), S. 107. Bäumer (1954), S. 89. Vgl. Martin (1901), S. 5. Lange (1894a), S. 220. Vgl. Buchner (1892b), S. 268. Vgl. August Dorner, in: Kirchhoff (1897), S. 5.
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im viel zitierten Schicksal Maria von Burgunds: Die im 15. Jahrhundert lebende Gemahlin Kaiser Maximilians I. stürzte unglücklich von ihrem Pferd und verweigerte sich der Hilfe durch einen männlichen Arzt, sodass sie „in der Blüte ihrer Jugend“ starb.613 Bereits 1866 konstatierte Friedrich Hofmann in der Gartenlaube, „[d]aß es […] eine immer lauter auftretende Forderung der Sitte ist, für Frauenkrankheiten auch Frauen zu wissenschaftlichen Heilerinnen heranzuziehen […]“.614 Die Problematisierung war weit über den deutschen Sprachraum hinaus verbreitet: Bereits der amerikanische Physiologe Samuel Gregory (1813–1872), Begründer des 1848 eröffneten New England Female Medical College in Boston, der ersten Institution zur Ausbildung gelehrter Medizinerinnen weltweit, führte Sittlichkeitsgründe für das Bedürfnis nach Ärztinnen an.615 Prominent schilderte 1891 Leo Tolstoi (1828–1910) in der Kreutzersonate, wie sehr das sittliche Gefühl von Frauen unter den „barbarischen Händen, unzüchtigen Blicken und Berührungen männlicher Ärzte“ litt.616 Die Phänomenstruktur der Schamhaftigkeit und Sittlichkeit zergliedert sich in mehrere Teilprobleme: So erschien der Frauenarzt als ein Eindringling in das Intimverhältnis der Eheleute. Die gestörte Ehehygiene hatte neben der Furcht vor dem Arzt aus Schamhaftigkeit aufseiten der Frauen auch Folgen für den Ehemann. Der Besuch seiner Gattin bei einem männlichen Frauenarzt bereitete ihm Unbehagen.617 Das Teilen von ehelichen Geheimnissen mache Frauen für ihre Ehemänner weniger begehrenswert – im schlimmsten Falle würden sie ihnen gegenüber ganz und gar gleichgültig.618 Zweitens erfolgte eine Problematisierung der Machtstellung des Arztes gegenüber seiner Patientinnen. Im Reichstag sprach Bebel von einem häufiger als vermutet geschehenden Missbrauch der Vertrauensstellung durch Ärzte – ein Umstand, der wohl vor allem Frauen aus dem Kleinbürgertum und der Arbeiterschaft getroffen haben dürfte, da diese über weniger Finanzmittel verfügten und bei der Arztwahl kaum Alternativen besaßen.619 Siegfried Rosenfeld nannte juristische Anklagen wegen Verführung.620 Der Wiener Publizist und Anthropologe Hans Fehlinger skandalisierte zudem ärztliche „Brutalität und Wollgelüste“, denen Patientinnen ausgeliefert seien.621 Immer wieder war auch die Rede von einer problematischen Objektivierung von Frauen: Mediziner würden sie zu lebendigen Studien- und Demonstrationsobjekten machen.622 Auf eine dritte Weise konnte die ärztliche Praxis aus Sicht religiöser Moralgebote zum Problem werden – etwa als Verstoß gegen das sechste Gebote, das Ehebruch und Unkeuschheit 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622
Ritter (1893), S. 6. Hofmann (1866), S. 734. Vgl. Weilshäuser (1868), S. 8; vgl. auch Bonner (1992), S. 17–21. Kronfeld (1895), S. 42; vgl. auch Langer (1894), S. 12. Vgl. Binder (1892), S. 48 f. Vgl. Kattner: (1891), S. 14. Vgl. Reichstag (1894), S. 2287. Vgl. Rosenfeld (1895), S. 1327. Fehlinger (1895), S. 2. Vgl. Ritter (1893), S. 84.
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verbot.623 Virulenter war jedoch der Hinweis auf die mangelhafte Volkshygiene: Weil Frauen sich erst im äußersten Notfall zu männlichen Ärzten begeben würden, würden ernsthafte Erkrankungen zu spät diagnostiziert.624 Orthodoxe Mediziner relativierten das Problem des verletzten Schamgefühls durch Umdeutungen: Sie trennten zwischen moralisch richtiger Scham und falscher Prüderie. Letztere sei völlig unangebracht, da der Arzt eine Vertrauensperson sei.625 Das Potenzial derartiger Umdeutungsversuche blieb jedoch angesichts der Menge möglicher Spielarten des Schamgefühl-Problems begrenzt. Zur Popularität einer Problematisierung des weiblichen Schamgefühls trug das Phänomen bei, dass Frauen spezifische Fähigkeiten zugeschrieben wurden, die sie für bestimmte ärztliche Tätigkeiten befähigen sollten und so geeignet schienen, einen Ausweg aus der Misere zu ermöglichen. Aufgrund ihrer vermeintlichen Naturnähe ergäbe sich geradezu eine Veranlagung zum Heilberuf.626 Frauen seien so etwas wie die „Gehilfinnen der Natur“.627 Als solche traten sie als Vorreiterinnen der Naturheilkunde in Erscheinung.628 Zu den ihnen zugeordneten speziellen Fähigkeiten gehörte eine ihnen eigene Beobachtungsgabe für das Besondere oder Individuelle, was das geduldige Beobachten von Krankheitsverläufen ermögliche.629 Georg Simmel (1858–1918) sprach von einem besonderen Erkenntniswerkzeug der Frauen, das ihnen bei Diagnosen helfen könne.630 So vorteilhaft derartige Phänomenstrukturen für die Ziele der Frauenbewegung auch waren, brachten sie neue Einschränkung mit sich. Die Vorzüge der weiblichen Fähigkeiten wurden vor allem im Bereich der Gynäkologie und der Pädiatrie als relevant betrachtet. Daneben war eine Spezialisierung als Augenärztin, Fabrik- oder Armenärztin sowie eine Anstellung bei der Sittenpolizei und in Gefängnissen denkbar aber selbst in den ihnen zugestandenen Bereichen gab es Zweifel, beispielsweise hinsichtlich der Frage, ob Frauen alle gynäkologischen Operationen durchführen könnten. Eventuell erlaube ihre physische Kraft lediglich die Ausübung der „kleinen Medizin“ oder „niederen Gynäkologie“.631 Der Verweis auf die Spezialisierungen von Ärztinnen sorgte zudem für die Befürchtung, dass sich damit erneut eine Sphäre „zweiter Klasse“ innerhalb der ärztlichen Profession herausbilden könnte.632 Diese Problematisierung verwies auf die Tätigkeit von Wundärzten ohne akademische Ausbildung, die im Prozess der Berufsprofessionalisierung zu Heildienern degradiert wurden.633 Wenn die 623 624 625 626 627 628 629 630 631 632 633
Vgl. Anonym (1894a), S. 6. Vgl. u. a. Weber (1888), S. 13; Ziegler (1891), S. 127 f; Binder (1892), S. 55. Vgl. Buschan (1896), S. 44. Vgl. Wÿchram (1908), S. 1105. Weilshäuser (1868), S. 5. Vgl. Khuenburg (1895), S. 631. Vgl. Reichstag (1899), S. 356. Vgl. Simmel (1985 [1902]), S. 165. Vgl. Winckel (1889), S. 162; Adolf Kehrer, in: Kirchhoff (1897), S. 114. Vgl. Von einem älteren Arzte, Dr. B. (1892), S. 119. Vgl. Huerkamp (1985), S. 49–58.
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medizinische Ausbildung von Frauen nur in einem Teilbereich erfolge, müsse dies zu einer allgemeinen Senkung des Ansehens der Profession führen.634 Aus diesem Grund wollten die Aktivistinnen der Frauenbewegung jeden Anschein der „Spezialistenzüchterei“ vermeiden. Die medizinische Ausbildung von Frauen habe unter den gleichen Voraussetzungen zu erfolgen wie die der Männer.635 Neben der Ärztin kam die Apothekerin im Diskursfeld in Erscheinung. Auch wenn es kritische Stimmen bezüglich Frauen in diesem Berufsfeld gab, tobte die Abwehrschlacht hier weniger vehement. Die Pharmazie musste sich ebenso wie die Zahnmedizin im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als gelehrter Beruf erst noch vollständig etablieren. So wundert es kaum, dass beide Berufe von Medizinern im gleichen Atemzug als Ausweichmöglichkeiten genannt wurden, wenn es darum ging, Frauen vom Medizinstudium auszuschließen.636 Die pharmazeutische Praxis stelle keinerlei Anforderungen an die „physische Frauennatur“.637 Der Apothekerberuf befand sich aus Sicht dieser Mediziner irgendwo zwischen Arztberuf und Krankenpflege oder Hebammentätigkeit.638 Spät tauchte zur Jahrhundertwende die Juristin als eine mögliche Subjektposition im Diskursfeld und hier vor allem in österreichischen Kontexten auf.639 In Analogie zum Schamgefühl-Argument wurde auch im Bereich des Rechts argumentiert, dass Frauen hier einen Beistand durch ihr eigenes Geschlecht benötigten.640 Juristinnen seien natürliche Vertreterinnen weiblicher Interessen und als solche nützlich für die Rechtsberatungsstellen der Frauenbewegung. Es brauche rechtskundige Frauen als künftige Parlamentarierinnen.641 Im neuartigen Berufsbereich der Sozialfürsorge seien juristische Kenntnisse notwendig.642 Auch hier fanden sich geschlechtsspezifische Zuschreibungen, welche die neue Subjektposition legitimieren sollten. Die Juristin war so etwas wie eine Vermittlerin zwischen Wissenschaft und Lebenswelt – eine Versöhnerin zwischen Bürokratie und Bevölkerung. Ihr Wirken führe zu einer Befreiung „von der Herrschaft eines toten Rechts“ und liefere dem Staat „Hilfskräfte“ „auf dem Gebiete der Rechtskunde“.643 Wie bei der Ärztin wurde auch der Tätigkeitsbereich von Richterinnen dabei eingegrenzt: Diese sollten vor allem im Bereich des Familien- und Jugendstrafrechts wirken, da sie in Frauen und Kindern betreffenden Fragen ein „feineres Verständnis“ besäßen.644 Richterinnen könnten tiefer in „psychologische Zusammenhänge“ eindringen.645 634 635 636 637 638 639 640 641 642 643 644 645
Vgl. Svetlin (1895), S. 28. Binder (1892), S. 71. Vgl. u. a. Henius (1895), S. 614; Penzoldt (1898), S. 23; Cathrein (1900), S. 381. Reuper (1878), S. 22. Vgl. Max Runge, Kirchhoff (1897), S. 123. Röwekamp (2011), S. 30 f.,. Vgl. Troll-Borostyáni (1900), S. 162. Vgl. Schmidt (1900), S. 126; Hafferl-Bernatzik (1912), S. 17; Anonym (1916), S. 12. Vgl. Schiff (1916), S. 5. Poehlmann (1903), S. 641; Raschke (1896). Wÿchram (1908), S. 1106. Poehlmann (1903), S. 638.
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Schließlich etablierten sich im Diskursfeld als Handlungsoptionen völlig neuartige Berufe vor allem im sozialen Bereich: Dabei handelte es sich um eine forcierte Professionalisierung der klassischen Sozialfürsorge, wie sie von Armenpflegerinnen, Sozialfürsorgerinnen oder Erzieherinnen geleistet wurde.646 Lange beschrieb diesen Prozess als Wandel von der „Wohltätigkeit zur Wohlfahrtspflege“.647 Auf dem Gebiet der Wohnungs-, Gewerbe- und Gefängnisinspektion waren Beschäftigungsverhältnisse seit der Jahrhundertwende sogar in Staatsanstellung denkbar.648 Seit einer Änderung der Gewerbeordnung 1891 gab es eine staatliche Fabrikinspektion, die kontrollieren sollte, ob die Arbeitszeitbegrenzungen für Frauen sowie das Verbot von Kinderarbeit in Industriebetrieben eingehalten wurden – was einige Frauenrechtlerinnen als eine spezifisch weibliche Aufgabe betrachteten.649 4. Grenzbereiche: Auf der Suche nach Alterität Vergangenheit und Gegenwart haben wir neu zu entdecken, für uns zu entdecken; die Zukunft soll unseres Wesens Spuren deutlich tragen! Margarete Heine (1881–?), Philologin, München 1906650
Grenzbereiche des Wissens bezeichnen Phänomenstrukturen, die innerhalb des untersuchten Diskursfeldes dekonstruktive Kräfte entfalteten. Dekonstruktion meint einen prozesshaften Einbruch von Alterität, Divergenz oder Verschiedenartigkeit in bestehende Gewissheitsroutinen, die meist auf binären und hierarchischen Gegensätzen wie Geschlechtervorstellungen beruhen.651 Das Einbrechen von im Diskursfeld unbekannten Phänomenstrukturen destabilisierte vorhandene Deutungsmuster: Das bestehende Wissen im Untersuchungszeitraum verflüssigte sich an seinen Grenzbereichen durch die Wiederentdeckung von Frauen in der Geschichte, die Kenntnisse über ausländische Bildungsmodelle sowie die Projektion gesellschaftlicher Fortschritte auf die Zukunft. Dekonstruktion ermöglichte es, bestehende Arten der Problematisierung umzudeuten: Vergangenheit und Zukunft ließen sich so nach alternativen Lösungen für die eigene Gegenwart befragen.652 646 Zur Transformation ehrenamtlicher Fürsorge in neue Berufsfelder vgl. Lange-Appelt (1993); Sachße (2003). 647 Lange (1922), S. 171. 648 Zu Frauen in der Gewerbeaufsicht vgl. Schmitt (1995), S. 140–150; zur Legitimation eines getrennten Arbeitsmarktes vgl. Labouvie (2007), S. 202. 649 Vgl. Weyrather (2003), S. 46. Schröder sieht in den Reforminitiativen der Frauenbewegung mehr als nur eine „berufliche Entwicklung der sozialen Arbeit“, vielmehr verbanden sich hiermit gesellschaftliche soziale Reformvorhaben. Vgl. Schröder (2001), S. 23. 650 Heine (1906), S. 88. 651 Zu Derridas Begriff der Dekonstruktion vgl. Scott (1994), S. 49 f; Voß (2010), S. 25. 652 Vgl. Hölscher (2017), S. 12 f.
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Vergangenheit: Den Funken der Hoffnung entfachen Wenn die Jahrtausende ein Beweis wären, dann müßten die Männer ebenso wenig zum Studiren taugen; denn wer zählt die Jahrtausende, in denen sie, aller Kunst und Wissenschaft bar, in Höhlen und Pfahlbauten ein grammatikloses Dasein führten! Hedwig Dohm (1831–1919), Schriftstellerin, Berlin 1874653
Die Geschichtsschreibung ist eine unberechenbare Verbündete: Solang sie im Gewand institutionalisierter Traditionspflege daherkommt, scheint ihre Loyalität zu den vorherrschenden Gesellschaftsstrukturen gewiss. Denn Tradition ist gebunden an diese Strukturen. Sie zeigen sich in Form von Denkmälern, Museen, Geschichtsbüchern oder politischen Reden. Zu ihrer Gestaltung müssen die Akteurinnen und Akteure eine institutionelle Vorauswahl durchlaufen. Dadurch sind Spielräume eingeschränkt. Geschichte ist jedoch mehr als das Festschreiben von Traditionen. Eines ihrer wesentlichsten Merkmale besteht im Fortschreiben, das aufgrund neuer Interpretationen immer auch einem Umschreiben gleichkommt. Deshalb ist Geschichte unberechenbar und deshalb lohnt sich der Blick auf den Umgang mit Vergangenheit, wenn es darum geht, subtile Verschiebungen im Wertekanon eines Diskursfeldes zu finden. Es zeigt sich ein von Walter Benjamin in seinen Thesen zur Geschichte charakterisiertes Phänomen, das beständig zwischen der Affirmation überlieferter Werte und deren Veränderung pendelt: Nur dem Geschichtsschreiber wohnt die Gabe bei, im Vergangenen den Funken der Hoffnung anzufachen, der davon durchdrungen ist: auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein.654
Geschichtsschreibung ist somit für herrschende Ordnungen auch eine gefährliche Praxis. Sie hat das Potenzial die Weltwahrnehmungsmuster zu irritieren, nicht weil eine vergangene Realität in die Gegenwart hereinbricht, sondern weil die historischen Quellen ein unerschöpfliches Repertoire an Interpretationen einer nie einzuholenden Realität darstellen. Für die einen diente Geschichte als Beleg einer geistigen Minderwertigkeit von Frauen – so für den orthodoxen Anatomieprofessor Albert, der nicht müde wurde zu betonen, dass „alles Menschenwerk“ von „den Männern“ geschaffen worden sei.655 Für die anderen bewies gerade die Geschichte das schöpferische Wirken von Frauen. Die Geschichte lässt sich nicht auf die gleiche Weise bändigen, wie andere fest in den Institutionen und Handlungsmustern der Gegenwart verankerte Wissensbestände, die aufgrund ihrer alltagsweltlichen Aktualisierung weit weniger deutungsoffen sind.
653 Dohm (1874), S. 181. 654 Benjamin (1991 [1940]), S. 695. 655 Albert (1895), S. 1.
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Der traditionelle Blick auf Geschichte zielte auf das Wirken großer Männer, die ganz im Sinne des kantischen Antagonismus den Fortschritt beflügelten. Frauen erschienen hierbei als regelrechtes Hemmnis. Ihre Zulassung im universitären Feld und damit in Forschung und Wissenschaft würde den Fortschritt kaum voran-, dafür im schlimmsten Falle zum Stillstand bringen. Als populäres Beispiel dieser Phänomenstruktur galt der vermeintlich schädliche Einfluss, den Hebammen in der Geschichte der Geburtshilfe ausgeübt hätten.656 Echten Fortschritt hätten hier erst die Männer gebracht. Zuvor habe „tiefe geistige Nacht“ geherrscht.657 Eine derartige Problematisierung kombinierte Evolutionslehre mit Kulturgeschichte zu einer biologisch-materialistischen Geschichtsphilosophie. Fortschritt basiere auf dem naturgeschichtlichen Entwicklungstrieb des Menschen: Wie in dem Entwicklungs- und Alterungsprocesse unserer Mutter Erde eine grosse faunistische und floristische Epoche die andere ablöst, und zwar ohne grosse Katastrophen, in allmählichem, an den Umwandlungsprocess der Erde selbst angeknüpften Ablauf, so ist auch die politische und Kulturgeschichte in allen ihren Zeiten an dieselbe Grundlage gebunden und in ihren Änderungen und Ausgestaltungen von der naturgeschichtlichen Entwicklung in engster Weise abhängig. Jede Frage, das darf man heutzutage getrost behaupten, hat auch ihre streng naturwissenschaftliche Seite und kann ohne gewissenhafte Beachtung der letzteren nicht gelöst werden.658
Im Licht einer solchen Geschichtsbetrachtung erschienen Sphärentrennung und Arbeitsteilung der Geschlechter als Resultat eines evolutionären Differenzierungsprozesses. Die „Structur der Menschheit“ entspreche dem „Menschenpaar“. Mann und Frau verhielten sich wie ein „zweiatomiges Molekül“. Der Mann galt als natürlicher Motor der kulturellen Evolution. Er sorge als „Culturwesen“ für kulturelle Weiterentwicklung – die Frau hingegen als „Naturwesen“ für notwendige Stabilität:659 „Das evolutionäre Denken des 19. Jahrhunderts erkennt im ‚ewig Weiblichen‘ die nicht veränderliche Entwicklungsbedingung der Gattung, die selber keine Geschichte hat.“660 In der Biologie galt Zweigeschlechtlichkeit als ein Merkmal hoch entwickelter Lebensformen: Die Trennung des Geschlechtes, die wir bei einer großen Zahl niedrigstehender Organismen vermissen, bedeutet in der Entwicklung der organischen Welt einen großen Fortschritt, bedingt durch die Theilung der Arbeit – ein Princip, dem auch der Mensch einen großen Theil der ungeheuren Errungenschaften seines Geistes verdankt.661
656 Zum Verhältnis zwischen Hebammen und Ärzten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Kniebiehler (1994), S. 380–382. 657 Vgl. Fehling (1892), S. 7, 10. 658 Waldeyer (1889), S. 31. 659 Albert (1895), S. 8. 660 Scheich (1997), S. 134. 661 Kaiser (1891), S. 2.
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Analog dazu erschien die geschlechtliche Arbeitsteilung in der Kultur als ein evolutionärer Fortschritt.662 Erst eine „jahrtausendelange Entwickelung“ habe zu den gegenwärtigen Gesellschaftsverhältnissen geführt.663 Jede höhere Organisation bedürfe einer organischen Arbeitsteilung: Die männliche Menschheitshälfte entspreche dabei dem rechten Arm – die Frauen bildeten den unterstützenden linken Arm.664 Eine indirekte Bestätigung erfuhr diese Geschichtsphilosophie durch den Blick auf vermeintlich „niedere Menschenrassen“. Denn bei diesen „Rassen“ sei der körperliche Unterschied der Geschlechter weit weniger bemerkbar.665 Andererseits diente die eigene Kulturgeschichte als ein Beweis für die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges: Seit jeher hätten Frauen den liebenden Pflegedienst übernommen: „Und bei kaum einem andern Volke tritt dies mehr zutage als bei unsern Urvätern im germanischen Urwald.“666 Was die Germanen somit von anderen Naturvölkern an „sittlichem Gehalt“ unterschieden habe, sei ihre spezifische Würdigung der Frau als einer liebenden Pflegerin gewesen.667 Neben einem kulturellen Fortschrittsstillstand, hervorgerufen durch eine Zulassung von Frauen in vermeintlich männlichen Arbeitsbereichen, entstand in den 1890er Jahren mit dem Aufkommen der Eugenik eine biologistische Problematisierung, welche die Gefahr einer Degeneration heraufbeschwörte: Sollten studierte Frauen später heiraten, so würden „sie den Fluch gestörter Gesundheit auf spätere Generationen übertragen und Kinder hinterlassen, die noch elender, noch weniger widerstandsfähig sein werden, als das heutige Geschlecht“.668 Die Anhänger/-innen dieser Geschichtsphilosophie behaupteten, jede Änderung geschlechtlichen Arbeitsteilung liefe der naturgeschichtlichen Entwicklungslogik zuwider und führe zum Niedergang großer Kulturvölker.669 Um das vermeintliche Fortschrittsproblem in der biologisch-materialistischen Geschichtsphilosophie zu entkräften, wurde ihr die wiederentdeckte weibliche Schöpfungskraft in der menschlichen Kulturgeschichte entgegengehalten: Einerseits sorgten exemplarische Biografien erfolgreicher Frauen für eine Bewusstwerdung historisch bedingter Schranken, die durch Erziehung und institutionelle Barrieren im Lebensweg von Frauen entstanden; andererseits schufen diese Biografien erste Bausteine zukünftiger Subjektpositionen. Die Heldinnen hatten sich trotz aller Widerstände ihren Weg gebahnt. Frauen orientierten sich nun an diesen wiederentdeckten Heldinnen. 662 663 664 665 666 667 668 669
Vgl. Fehling (1892), S. 11. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 38. Vgl. Waldeyer (1889), S. 42. Vgl. Büchner (1885), S. 518. Koehler (1898), S. 309. Hofmann (1866), S. 732. Henius (1895), S. 613. Besonders ausgeprägt findet sich diese Vorstellung bei dem Anthropolgen Ludwig Woltmann (1871–1907), für den es zum „Niedergang“ der Kultur kommen müssen, wenn organische (biologische) und soziale (kulturelle) „Vererbung“ nicht länger parallel verlaufen würden. Auf Ebene des Sozialen galt ihm die Arbeitsteilung der Geschlechter als natürlich und zweckmäßig. Woltmann (1903), S. 141, 176.
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Bücher, die Frauenbiografien überlieferten und damit bei veränderungswilligen Personen den Funken der Hoffnung entfachten, gab es bereits seit geraumer Zeit: Im Jahr 1715 erschien Georg Christian Lehms (1684–1717) Teutschlands Galante Poetinnen.670 Zwischen 1823 und 1825 veröffentliche August von Schindel (1776–1830) sein dreiteiliges Werk Die deutschen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts.671 Der Germanist und in Triest tätige Gymnasialprofessor Heinrich Groß (1849–?) porträtierte 1885 Deutsche Dichterinnen und Schriftstellerinnen in Wort und Bild.672 Nicht alle diese Männer schrieben im Interesse der Frauenemanzipation, einige, wie Gustav Friedrich Klemm (1802–1867), zählten sogar zu ihren ausgesprochenen Gegnern. Dennoch stützte sich die Suche nach weiblicher Schöpfungskraft auf sein sechsbändiges Werk Die Frauen, das er zwischen 1854 und 1859 publiziert hatte.673 Bei Klemm finden sich zahlreiche Beispiele wissenschaftlicher Ausnahmebegabungen, die später im Diskursfeld zur akademischen Frauenbildungsfrage eine bedeutsame Rolle spielten.674 Mit eindeutigen Absichten im Sinne der Frauenemanzipation veröffentlichten Elise Oelsner (1836–1902) und Alphonse Rebière (1824–1901) kurz hintereinander ihre lexikalischen Arbeiten: Oelsners 1894 erschienenes Werk Die Leistungen der deutschen Frau in den letzten vierhundert Jahren war das erste Kompendium dieser Art aus dem Umfeld der Frauenbewegung.675 Der französische Frauenrechtler Rebière publizierte ein Jahr später das noch umfassendere Werk Les femmes dans la science: Notes recueillies.676 Speziell zur Geschichte von Medizinerinnen fanden sich im Diskursfeld zwei Abhandlungen: Eine ältere über die Verdienste der Frauen um Naturwissenschaft und Heilkunde stammt vom Bonner Pathologen Johann Friedrich Harless (1773–1853);677 1889 erschien die Dissertation Die Ärztin im XIX. Jahrhundert von der in Paris promovierten deutschen Physiologin Karoline Schultze (1866–?).678 Es geht hier nicht darum, die Biografien dieser wiederentdeckten Heldinnen erneut aufleben zu lassen. Um einen Eindruck von den am häufigsten im Diskursfeld auftretenden historischen Frauenfiguren zu erhalten, seien an dieser Stelle dennoch einige Beispiele erwähnt: In der Antike fanden sich mit Aspasia von Milet und Hypatia zwei prominente Philosophinnen.679 Mit der im 3. Jahrhundert v. Chr. lebenden Agnodice fand sich die erste bekannte Frauenärztin der griechischen Antike.680
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Lehms (1715). Schindel (1823–1825). Groß (1885). Klemm (1854–1859); zur Rezeption vgl. Dohm (1874), S. 7. Vgl. Teichmüller (1877), S. 49. Oelsner (1894a). Rebière (1897). Harless (1830). Schultze (1889). Vgl. Henrich-Wilhelmi (1892), S. 7. Vgl. Schwerin (1880), S. 21.
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Im Mittelalter waren es vor allem religiöse Felder, in denen sich Schriftlichkeit bewahrte. Frauenstifte und Frauenklöster spielten hierbei eine bedeutsame Rolle. Die Kanonissin Hrotsvit von Gandersheim (935–973) und die Benediktinerin Hildegard von Bingen (1098–1179) zeigten sich nicht nur in Theologie, sondern auch in Dichtkunst und Medizin bewandert.681 Im Bereich der Medizin galt die Schule von Salerno als ein Leuchtturm weiblicher Gelehrsamkeit im Hoch- und Spätmittelalter.682 Italien war seit dem Mittelalter so etwas wie eine Insel universitärer Gelehrsamkeit für Frauen, nicht nur in der Medizin. Im Bologna des 13. und 14. Jahrhunderts lehrten die Juristinnen Bettisia Gozzadini (1209–1261) und Novella d’Andrea (1312–1333) – angeblich bewegten sie sich in Männerkleidern und hielten ihre Vorträge verborgen hinter einem Vorhang.683 Unter den Adeligen des Mittelalters wird Elisabeth von Thüringen (1207–1231) als eine sich aufopfernde Krankenpflegerin und Vertreterin eines weiblich-asketischen Heiligenideals genannt.684 Aufgrund ihres Idealismus erhielt Jeanne d’Arc (1412–1431) als Jungfrau von Orleans die meiste „geistige Verehrung“.685 Die gelehrten Frauen der Renaissance gelangten durch Jacob Burckhardt (1818–1897) zu Prominenz, wobei der Kulturhistoriker betonte, dass es in den höchsten Gesellschaftsständen zu dieser Zeit gleiche Bildung – und dies hieß Bildung der Persönlichkeit – gegeben habe. Zu jenen gebildeten Persönlichkeiten gehörten die Universalgelehrte Anna Maria von Schürmann (1607–1678), die Humanistin Olympia Fulvia Morata (1526–1555) sowie Oliva Sabuco de Nantes Barrera (1562–1622).686 Im Bereich der Astronomie fanden sich in der Frühen Neuzeit gleich drei berühmte Frauen: Im 17. Jahrhundert verbesserte Maria Cunitz (1610–1664) auf Grundlage eines autodidaktischen Studiums die bestehenden Tabellen zur Berechnung der Planetenbahnen. Bereits an der Schwelle zur Moderne waren es Caroline Herschel (1750–1848) sowie die in Paris lebende und durch die Würdigung ihrer Mathematikerkollegen Joseph-Louis de Lagrange (1736–1813) und Carl Friedrich Gauß (1777–1855) noch zu ihren Lebzeiten geistig geadelte Sophie Germain (1776–1831), die überregionale Bekanntheit erlangten.687 Im Bereich der Medizin machten Hebammen von sich reden – trotz ihres schlechten Rufs, der ihnen vonseiten gelehrter Mediziner im 19. Jahrhundert zuteilwurde. So fanden sich als Beispiele für das medizinische Geschick von Frauen im Diskursfeld immer wieder die Namen der Berlinerin Justine Siegemundin (1636–1705) sowie der drei Pariserinnen Louyse Bourgeois (1563–1636), Marie-Louise Lachapelle (1769–1821) und Marie Anne Victorine Boivin (1773–1843). In Deutschland war Dorothea Chris681 682 683 684 685 686 687
Vgl. u. a. Peters (1895), S. 1794. Vgl. u. a. Koehler (1898), S. 310. Vgl. u. a. Morgenstern (1888), S. 5. Vgl. Stelzner (1899), S. 116 f. Jacoby (1871), S. 17. Vgl. Herrmann (1915), S. 2. Vgl. u. a. Dühring (1877), S. 7.
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tiane Erxleben (1715–1762) eine bekannte gelehrte Medizinerin im 18. Jahrhundert. Unter adeligen Frauen tauchten drei Staatslenkerinnen auf, deren Regentinnenschaft jeweils als fortschrittlich galt: Elisabeth I. von England (1533–1558), Katharina die Große (1729–1796) und Maria Theresia von Österreich (1717–1780).688 Im Spiegel traditioneller Geschichtsphilosophie erschienen diese erfolgreichen Frauenfiguren als naturgeschichtliche Ausnahmen oder als kulturgeschichtliche Sackgassen. „Exceptio firmat regulam“, lautete das Motto zur Erklärung abweichenden Verhaltens seit den Interventionen Bischoffs in den 1870er Jahren.689 Erfolgreiche Frauen in der Menschheitsgeschichte seien „Ausnahmserscheinungen“, die, gerade weil sie Ausnahmen seien, „der Mit- und Nachwelt besonders auffallen“.690 Deshalb war es kein Widerspruch für den orthodoxen Anatomieprofessor Waldeyer, zunächst zahlreiche Beispiele von Ausnahmefrauen aufzuführen, darunter viele der oben genannten, um im Anschluss daran sein Geschichtsbild ex negativo unter Beweis zu stellen – andere Akteure, wie der katholische Theologe Cathrein, griffen dieses Vorgehen auf.691 Zu welchen Konsequenzen sollte die Existenz derartiger Ausnahmen führen? Für den Publizisten Rößler war die Antwort eindeutig: Frauen, die Doktoren aller Fakultäten waren, hat es ja schon längst gegeben. […] Für solche Ausnahmen braucht man keine Gestalt des Unterrichts, die für eine Mehrzahl bestimmt ist.692
Die schärfsten Kritiker/-innen des Frauenstudiums waren sich darin einig, dass die Leistungen bedeutender Frauen in der Geschichte weit hinter der der Männer zurücktrete.693 Zur Umdeutung der Ausnahmeerscheinungen galt es die kulturelle Evolution auf eine Weise zu denken, die es ermöglichte, Frauen in den Entwicklungsprozess des Fortschritts zu integrieren: Das Weib muss an seiner intellectuellen Ausbildung noch lange arbeiten, es muss durch fleissige, sorgsame Selection und Erziehung nachholen, um was es an Leistungsfähigkeit im Laufe der Jahrtausende hinter dem erstarkten und angepassten Organismus des Mannes zurückblieb.694
Im Licht einer solchen positiven Eugenik, in der die Frauen an der Auslese durch rationale Fortpflanzung und Erziehung beteiligt sein sollten, determinierten die Naturbedingun-
688 689 690 691 692 693 694
Vgl. u. a. Ziegler (1891), S. 128 f. Bischoff (1872b), S. 3567. Scheel (1873), S. 12. Vgl. Cathrein (1900), S. 373 f. Rößler (1893), S. 23. Vgl. Peters (1895), S. 1795. Svetlin (1895), S. 15.
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gen nicht die Geistesentwicklung.695 Die Anpassung vollzog sich vielmehr im Zuge der Kulturgeschichte.696 Auf dieser Grundlage wies die Frauenbildungsaktivistin Kettler die zwingende wechselseitige Bedingtheit von Natur und Gesellschaftsstellung zurück und befand, „die sozialen Gewohnheiten“ hätten „den Unterschied veranlaßt“ und nicht etwa die Natur.697 Die konfessionelle Aktivistin Martin urteilte: Tatsächlich seien die Ausnahmen „für die Kultur ihrer Zeit abnorme Erscheinungen“ gewesen, „die keine Regel bilden konnten“.698 Der gegenwärtige Drang nach wissenschaftlichen Studien sei jedoch keineswegs auf die gleiche Weise abnorm, sondern das Resultat gegenwärtiger Kulturerscheinungen, in denen nun auch Frauen ihre Rolle zu spielen und zum kulturellen Fortschrittsprozess beizutragen hätten. Ausland: Fremdländische Bildungsmodelle und deutsche Identität Wer in der Sorbonne, im Collège de France, in University College, Cambridge, Oxford, in Zürich oder Bern einem […] gemeinsamen Kolleg beigewohnt hat, wird bestätigen, daß nach keiner Richtung hin irgendwelche Störung vorgekommen ist. Helene Lange (1848–1930), Lehrerin und Frauenrechtlerin, Berlin 1894699
Mit dem Blick aufs Ausland brachen Erfahrungen in das hier untersuchte Diskursfeld ein, die in fremden Bildungsmodellen gemacht worden waren. Dabei handelte es sich um Erfahrung in Bezug auf Studienpraktiken und bildungspolitische Regelungen, die sich unter den reichsdeutschen Machtverhältnissen nicht in gleicher Weise etablieren konnten. Zwar ließen sich diese in den Diskurs eindringenden Erfahrungen durch Klassifizierungen des Fremden und des Eigenen eindämmen oder zumindest in Grenzbereiche verbannen, doch genügte das Wissen innerhalb dieser Grenzbereiche, um Übersetzungsprozesse in Gang zu bringen, die langsam aber beständig die zunächst fremden Phänomene in den Bereich des Eigenen überführten. Es ist bekannt, welche bedeutsame Rolle das Ausland in den bildungspolitischen Auseinandersetzungen in allen Industrieländern spielte. Alle sich als zivilisiert begreifenden Kulturnationen schauten auf die Entwicklungen in anderen Staaten, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, hinter dem allgemeinen Fortschritt zurückzubleiben.700 Die Entwicklungen an ausländischen Universitäten blieben den deutschen Akteuren 695 Eine solche Vorstellung verbreitete Alfred Ploetz (1860–1940), der den deutschen Eugenik- bzw. Rassehygienediskurs geprägt hatte. Vgl. Ploetz (1895), S. 218. 696 Vgl. Büchner (1885), S. 521; Hannak (1895), S. 10 f. 697 Grimm (1893), S. 20. 698 Martin (1901), S. 3. 699 Lange (1904), S. 287. 700 Vgl. Zymek (1975), S. 346–348.
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des universitären Feldes nicht verborgen, gehörte die akademische peregrinatio, der Aufenthalt in der Fremde, doch zu den seit Langem gepflegten diskursiven Modellpraktiken. So huldigte Paulsen in seiner Hodegetik dieser liebgewonnenen Praxis: Und wenn von daher etwas von Liebe und Verständnis für fremde Art in unser von nationalem Hass und Dünkel geschwollenes Zeitalter flösse, so wäre das ein schöner Zuwachs zu anderem Gewinn.701
Bäumer bemerkte rückblickend auf ihre kurz nach der Jahrhundertwende mit Lange unternommene Studienreise nach England: Die Begegnung mit dem ‚Anderen‘ im inneren und äußeren Lebensstil eines fremden Volkes greift tief in den Aufbau des Weltbildes ein. Was es eigentlich ist um die Vertrautheit im eigenen Volkskreis, was es bedeutet, innen und nicht außen zu sein, spürt man erst dann.702
Das Experiment des Frauenstudiums war in den 1890er Jahren an nahezu allen ausländischen Universitäten im vollen Gange. Dieser Umstand führte zu dem Eindruck, ein positiver Ausgang derartiger Versuche sei bereits hinlänglich bewiesen. Für die Triftigkeit solcher Urteile spielte es eine wesentliche Rolle, von welcher Art die jeweiligen Bildungsmodelle waren, deren Phänomenstrukturen in das Diskursfeld der deutschen Auseinandersetzung um das Frauenstudium übersetzt wurden. Bei der Analyse dieser Strukturen lassen sich drei Grundmodelle unterscheiden: das angloamerikanische Modell, das russische Modell sowie das schweizerische Modell.703 Unter den amerikanischen Hochschulen für Frauen ragten die sogenannten Seven Sister Colleges hervor.704 In Bezug auf diese Frauenhochschulen herrschte im untersuchten Diskursfeld das größte Interesse am 1861 in der Nähe der Yale University gegründeten Vassar College, das nach dem 1837 entstandenen Mount Holyoke College zweitälteste der sieben privaten Bildungseinrichtungen. Eine ähnliche Aufmerksamkeit bekamen lediglich noch das Woman’s Medical College of Pennsylvania sowie das Female Medical College Boston.705 Die Praxis der Gründung eigener Frauen-Colleges fand sich auch in England. Wie in den Vereinigten Staaten standen die bekanntesten dieser Einrichtungen in räumlicher Nähe zu prestigeträchtigen Universitäten.706 So entstanden in der Nachbarschaft von Cambridge 1871 das Newnham College sowie ein Jahr später das Girton College.707 Letz701 Paulsen (1902), S. 391. 702 Bäumer (1954), S. 162. 703 Es handelt sich wegen der häufigen Bezüge im Korps um Grundmodelle. Länder wie Frankreich und Italien, die über eine lange universitäre Tradition verfügten, finden sich weitaus weniger häufig im Korpus. 704 Diese am griechischen Mythos der Pleiaden angelehnte Namensgebung erfolgte außerhalb des Untersuchungszeitraumes am Ende der 1920er Jahre. 705 Zur Entwicklung des Frauenstudiums im Hochschulsystem der USA vgl. Harders (2013), S. 13–23. 706 Allgemein zur Entwicklung an britischen Universitäten vgl. Dyhouse (1995). 707 Vgl. Kröner (1889), S. 445.
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teres wurde gegründet, nachdem Cambridger Professoren ab 1869 im nahe gelegenen Hitchin probeweise Vorträge für einige junge Frauen gehalten hatten.708 In Oxford entstanden 1879 mit Margaret Hall und Sommerville Hall ebenfalls zwei Einrichtungen. Ausnahmen von der Geschlechtertrennung kamen hier lediglich im Rahmen größerer Universitätsvorlesungen vor.709 Aufgrund der Hochschulautonomie in England existierte kein landesweit verbindliches Gesetz zur Aufnahme von Studentinnen. Die Zulassung von Frauen musste für jede einzelne Hochschule erstritten werden.710 Wie an den amerikanischen Eliteuniversitäten der Ivy League, die sich in direkter Nachbarschaft zu den Seven Sister Colleges befanden, blieb es auch in Cambridge und Oxford den Frauen versagt, außerhalb ihrer eigenen Colleges akademische Grade der nahe gelegenen Eliteuniversitäten zu erwerben. Obwohl in Oxbridge in den 1880er Jahren Frauen zu den staatlichen Examina zugelassen wurden, erhielten Studentinnen lediglich besondere Zeugnisse, die in ihrer Wertigkeit zwar einem akademischen Grad entsprachen, die Absolventin formal jedoch nicht zum Tragen des entsprechenden Titels berechtigte. Das staatliche Examen und das eigentliche Studium waren klar voneinander abgetrennt.711 In London fand sich neben dem 1874 gegründeten Royal Holloway College die London School of Medicine for Women. Die University of London fungierte als bloße Prüfungsbehörde. Unterricht in Form gemeinsamer Vorlesungen fand dort nicht statt, sodass die Widerstände hier etwas geringer ausfielen als in Oxbridge.712 Die Gründung der London School of Medicine war das direkte Resultat von Widerständen, welche die sogenannten Edinburgh Seven als erste Medizinstudentinnen an der schottischen Universität in Edinburgh zwischen 1869 und 1872 erfuhren.713 Zwar konnten die sieben Frauen, unter denen Sophia Jex-Blake (1840–1912) in der breiten Öffentlichkeit besonders hervortrat, Erfolge im Kampf um eine Zulassung erzielen – etwa beim Gesuch auf Zulassung zur Eintrittsprüfung für das Medizinstudium sowie die Zulassung zu den Hospitalsälen der Royal Informary –, doch scheiterten sie einstweilen an der Zulassung zu den abschließenden Prüfungen.714 Einige der Edinburgh Seven kehrten deshalb nach London zurück, wo sie bereits vor 1869 erfolglos versucht hatten, ein Medizinstudium zu beginnen. Dieses Mal führten die Initiativen schließlich zur Gründung der School of Medicine.715 Edinburgh blieb trotz anfänglicher Widerstände gegen die Zulassung von Frauen zum Studium, die nicht zuletzt durch den Protest von Studenten befeuert worden waren, unter Studentinnen beliebt: Die kurze Zeit in Hamburg praktizierende Anna Dahms studierte dort in den 1870er Jahren und gehört zu 708 709 710 711 712 713 714 715
Vgl. Levetus (1898), S. 3. Vgl. Lange (1894a), S. 262. Vgl. Costas (1992b), S. 126–128. Vgl. Tiburtius (1908), S. 549. Vgl. Winternitz (1899), S. 2 (255). Vgl. Lange (1895b), S. 424. Eine kurze Biografie von Jex-Blake findet sich bei Bickel (2017), S. 115–118. Vgl. Schultze (1889), S. 36–44.
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den ersten deutschen Frauenärztinnen.716 Im deutschsprachigen Diskursfeld wurden die genannten Ereignisse an der University of Edinburgh ebenso aufmerksam zur Kenntnis genommen wie die Zulassung von Medizinerinnen zur selben Zeit in Zürich. Bei den Frauen-Colleges sowohl in Amerika als auch in England lag der Fokus im Diskursfeld auf den Gründungsereignissen (gemeinhin Stiftungen durch Privatinitiativen), auf den Wohnsituationen (meist typische Unterbringung in Internaten auf dem Campus), dem Tagesablauf der Studentinnen, den Absolventinnenzahlen und den Lehrkräften.717 Die Phänomenstrukturen des angloamerikanischen Modells waren geprägt von der weitgehenden Abwesenheit von Studien zu universitärer Koedukation und damit einhergehenden Problemen – obwohl es koedukative Colleges, wie das seit seiner Gründung 1832 gemischtgeschlechtliche Oberlin College in Ohio oder die seit 1873 Frauen zulassende Wesleyan University in Connecticut gab.718 Der Ausschluss von den prestigeträchtigen Universitäten wie Oxbridge oder Yale war weithin bekannt, sodass die Bachelorabschlüsse der in Deutschland um ein aufbauendes Studium bemühten Amerikanerinnen und Engländerinnen bei der Beurteilung ihrer Vorbildung meist argwöhnisch betrachtet wurden. Beispielsweise fanden sich im Diskursfeld Erzählungen über die weitgehend erfolglosen Bemühungen um eine Zulassung von Frauen in Harvard: Dort fasste eine Kommission einen Beschluss gegen die Aufnahme von Studentinnen – was dazu führte, dass 1879 in unmittelbarer Nachbarschaft die Frauenhochschule Radcliffe College als eines der Seven Sisters Colleges gegründet wurde.719 Deshalb lautete die weitverbreitete Meinung, dass sich „Vorbildung, Studien, Prüfungen“ in Amerika und Deutschland klar unterschieden720 und beide Bildungsmodelle nicht vergleichbar bzw. nicht gleichwertig waren.721 Zudem galt Amerika, zumindest in konservativen oder reaktionären Narrativen, als ein negatives Sinnbild der Moderne und wurde für deren Pathologien verantwortlich gemacht: Für den Bonner Psychiater Pelman beispielsweise war Amerika „das gelobte Land der Nervösität“.722 Die Anfänge akademischer Frauenbildung in Russland stehen im Zusammenhang mit der Niederlage im Krimkrieg. Diese hart empfundene Schmach bereitete den Boden für Reformen, von denen das Bildungssystem nicht unbeeinflusst blieb. Natal’ja Korsini stellte 1858 das erfolgreiche Gesuch an die Universität in St. Petersburg, als Gast an Vorlesungen teilnehmen zu dürfen. Hieraus entwickelte sich im Folgejahr ein allgemeines Gasthörerinnenrecht, das jedoch nicht lang währte. In Reaktion auf 716 717
Vgl. Anonym (1885), S. 228; Oelsner (1894a), S. 75. Vgl. exemplarisch Art. „Amerika“ (Hugo Münsterberg), in: Kirchhoff (1897), S. 343–353; Dewey (1899). 718 Bis in die 1880er Jahre besaßen akademische Berufe in den USA ein geringes Sozialprestige, was ein Faktor dabei war, dass der Widerstand gegen Studentinnen zunächst gering ausfiel. Vgl. Costas (1992b), S. 131 f. 719 Vgl. Gneist (1874), S. 211; Art „Amerika“ (Hugo Münsterberg), in: Kirchhoff (1897), S. 348. 720 Penzoldt (1898), S. 9. 721 Vgl. Rehm (1901), S. 31. 722 Pelman (1888), S. 3.
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Studentenunruhen im Zusammenhang mit dem polnischen Januaraufstand wurde die Praxis der Gasthörerinnenschaft 1863 wieder verboten. Die mit den Hörerinnen gemachten Erfahrungen blieben jedoch nachhaltig lebendig.723 Seit 1869 entstanden in St. Petersburg und später auch in Moskau, Kasan und Kiew Höhere Frauenkurse. Die Professoren der örtlichen Universitäten boten dort in den Abendstunden literarischhistorische oder naturwissenschaftliche Weiterbildungskurse an.724 Erst 1878 erfolgte die Institutionalisierung dieser Kurse auf Basis geregelter Lehrpläne, Zugangsbedingungen, Selbstverwaltungsstrukturen und einem Finanzierungskonzept, was nun auch die Ausstellung von Abgangszeugnissen ermöglichte. Die Zeugnisse berechtigten zum Arbeiten als Lehrerin in höheren Positionen wie der Schulleitung und legten den Grundstein für weitere wissenschaftliche Studien – sicher ein wesentlicher Grund für die hohe Anzahl russischer Frauen an ausländischen Universitäten, deren Drang nach weiterführendem Wissen sie ins Bildungsexil trieb. Eine wichtige Rolle spielten zudem spezielle medizinische Kurse in St. Petersburg, die ebenfalls aus inoffiziellen Privatkursen hervorgingen. Da diese Kurse an der Militär-Medizinischen Akademie in St. Petersburg stattfanden, waren sie nach ihrer offiziellen Genehmigung im Jahr 1872 dem Kriegsministerium unterstellt.725 Zunächst bezweckte die Zulassung von Frauen lediglich eine Verbesserung der Ausbildung von Hebammen, um die Kindersterblichkeit zu reduzieren. Der Abschluss berechtigte nur zur Behandlung von Frauen und Kindern. Jedoch änderte die Teilnahme einiger Studentinnen als Sanitäterinnen im Russisch-Türkischen Krieg von 1877/78 die Situation.726 Fortan durften sich die hochgelobten Absolventinnen als allgemeine Ärztinnen betätigen und waren ihren männlichen Kollegen rechtlich gleichgestellt.727 Nach dem von Sozialrevolutionären verübten Attentat auf Zar Alexander II. im Jahr 1881 erfolgte eine massive Einschränkung der höheren Frauenbildung sowohl an den Höheren Frauenkursen als auch an der medizinischen Akademie, was schließlich zu ihrer endgültigen Einstellung durch einen Zarenerlass im Mai 1885 führte.728 Doch sehr lang wurde dieses Verbot nicht aufrechterhalten: So eröffneten die Höheren Frauenkurse bereits 1889 erneut, und auch die medizinischen Kurse wurden 1895 wieder eingesetzt – nun im Rahmen einer Medizinischen Fakultät für Frauen in St. Petersburg.729 Noch entschiedener als im angloamerikanischen Modell herrschte im russischen Modell Geschlechtertrennung. Für Frauen bestanden eigene Kurse, sodass von einer Integration in bestehende Hochschulstrukturen kaum die Rede sein konnte. Erst ab 1906 waren Gasthörerinnen an den Universitäten zugelassen, jedoch ohne ein Examen absolvieren zu dürfen. Fünf Jahre später wurden Examen, die an den Höheren Frau723 724 725 726 727 728 729
Vgl. Pietrow-Ennker (1999), S. 167–170. Vgl. Lübeck (1888), S. 63. Vgl. Heyfelder (1887), S. 248. Vgl. Svetlin (1895), S. 42. Vgl. Kerschbaumer (1889), S. 6. Vgl. Lübeck (1888), S. 66. Vgl. Gerschuny (1890), S. 517–518.
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enkursen abgelegt worden waren, Universitätsexamen gleichgestellt. Die Erlaubnis zur Immatrikulation erhielten Frauen ab 1913. Zu einem nennenswerten Anstieg der Studentinnenzahlen kam es erst nach der Revolution von 1917.730 Das Frauenstudium in Amerika, England und Russland wurde in der deutschsprachigen Öffentlichkeit breit rezipiert. Dennoch schien eine bloße Übernahme dortiger Praktiken politisch nicht durchsetzbar. Vor diesem Hintergrund wirkt das angeführte Eingangszitat von Lange beschönigend: Zwar gab es koedukative Hochschulveranstaltungen in Amerika und England, doch waren diese in den etablierten Machtzentren des universitären Feldes eher Ausnahmen. Koedukation erschien dort weniger als Störung, weil sich die Lösung dieses Problems in Form eigenständiger Frauenhochschulen bereits bestens etabliert hatte. Im deutschsprachigen Diskursfeld waren sich die Akteurinnen und Akteure der Unterschiede zwischen den genannten Bildungsmodellen bewusst. So konstatierte die Lehrerin Braunmühl: Auch ich wünsche weder Rußland, noch Amerika ober England, in welchen Staaten zahlreiche Aerztinnen wirken, zum Vergleich mit unseren deutschen Verhältnissen herbeizuziehen. Die deutsche Hochschulbildung steht unstreitig höher, oder wollen wir mindestens sagen, hat andere Einrichtungen wie die der genannten Länder, […].731
Um tatsächlich als Modellpraxis für deutsche Universitäten zu dienen, brauchte es ein kompatibles Bildungsmodell. Eine solche Kompatibilität boten die Schweizer Verhältnisse. Die Entwicklungen an der jungen Universität Zürich wirkten hierbei als Katalysator. Bereits kurz nach ihrer Gründung in den 1840er Jahren fanden sich dort zwei Schweizerinnen als Gäste in den Vorlesungen. Den Durchbruch zur Zulassung von Frauen zum Studium als immatrikulierte Studentinnen erzielte die 1843 als Tochter eines russischen Bauern geborene Nadeschda Prokofjewna Suslowa (1843–1918).732 Nachdem sie in der bereits erwähnten medizinisch-chirurgischen Akademie in St. Petersburg zwischen 1861 und 1863 erste Kenntnisse als Hospitantin auf dem Gebiet der Medizin gesammelt hatte, begab sie sich, getrieben durch die Repressionen in der Folge des Januaraufstands, 1864 nach Zürich. Dort wollte sie ihre Studien beenden. Da das Zürcher Universitätsgesetz nicht ausdrücklich nur Männern als Studierende vorsah, beschloss die 1865 tagende Senatsverhandlung eine Zulassung von Frauen als Hörerinnen. Suslowa und einer zweiten aus Russland stammenden Frau war es nun bei Erlaubnis des jeweiligen Dozenten gestattet, an den Veranstaltungen teilzunehmen. Im Frühjahr 1867 beantragte Suslowa schließlich die Zulassung zur Doktorprüfung. Zur Promotion zugelassen waren allerdings nur immatrikulierte Studierende. Abermals erfolgte eine für sie günstige Auslegung der bestehenden Gesetze, die kein explizites Verbot einer Immatrikulation von Frauen 730 Vgl. Piesker (2006), S. 232. 731 Braunmühl (1899), S. 7. 732 Ein kurze Biografie bei Bickel (2017), S. 123–125.
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vorsahen: Der Rektor beschloss unter Rücksprache mit den zuständigen Unterrichtsbehörden des Kantons Suslowas Zulassung. Im Dezember des gleichen Jahres promovierte die Fakultät sie zur Doktorin der Medizin.733 Die Nachricht verbreitete sich rasch im gesamten deutschsprachigen Diskursfeld: Zahlreiche Tageszeitungen bejubelten diese erste erfolgreiche Doktorprüfung einer Medizinerin an der noch jungen und mit dem liberalen Geist der Exilanten von 1848 beseelten Universität. Somit entfachten die Geschehnisse in Zürich den eigentlichen Funken für den Beginn des über 30 Jahre währenden deutschen Diskursprozesses zum Frauenstudium. Die Ereignisse um die Zulassung von Medizinstudentinnen in Edinburgh im gleichen Jahr heizten das öffentliche Interesse weiter an. Im August 1873 trat ein neues Reglement betreffend die Aufnahme von Studierenden an die Hochschule Zürich in Kraft. Auch Nichtkantonsbürgerinnen mussten seither ihre Vorbildung nachweisen – bislang hatte für die Zulassung ein Sittenzeugnis ausgereicht. Nun war entweder das Zeugnis einer in- oder ausländischen höheren Bildungsanstalt beizubringen oder die aus dem Ausland kommenden Studierenden mussten sich einer Zulassungsprüfung unterziehen. Ein in der Schweiz abgelegtes Maturitätsexamen war nur für die Zulassung zur Staatsprüfung notwendig; um promoviert zu werden, reichte die Immatrikulation. Diese Regelung bewirkte eine rechtliche Gleichstellung männlicher und weiblicher Studierender.734 Die Praxis des Frauenstudiums breitete sich infolgedessen auf andere Kantone aus. Lediglich in Basel herrschte lange Zeit eine ablehnende Stimmung. Noch in den 1890er Jahren führte dies zu vergleichsweise geringen Studentinnenzahlen.735 Zwischen dem Bildungsmodell der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem deutschen Modell war aufgrund vielfältiger Ähnlichkeiten eine hohe Vergleichbarkeit gegeben. Deshalb glaubte der Würzburger Hygieniker Lehmann wie viele seiner Zeitgenossen und -genossinnen, „daß die amerikanischen und russischen Erfahrungen für uns keinen so großen Werth haben, so interessant sie auch für die prinzipielle Bedeutung der Frage des Frauenstudiums sind, wie […] die in der Schweiz gemachten“.736 Sowohl im Alltagsleben der Studierenden, als auch in der wissenschaftlichen Ausbildung bestanden wichtige Übereinstimmungen: Die Unterbringung der Studierenden erfolgte nicht wie im angloamerikanischen Modell in Internaten in Campusnähe, sondern indem die Studierenden sich eine „Bude“ (ein oder zwei möblierte Zimmer meist in Privathaushalten) in der Innenstadt mieteten.737 Die Schweiz galt als ein Land, das mit „Deutschland auf einer Kulturschicht“ stand.738 Die Abiturprüfung befand sich in etwa
733 734 735 736 737 738
Vgl. Kreyenberg (1873), S. 400. Vgl. Schubert-Feder (1894), S. 6 f. Vgl. Philippi (1896), S. 324. Lehmann (1898), S. 4 (141). „Art. Bude“, in: Golücke (1987), S. 74; vgl. Bluhm (1890), S. 25 f. Rehm (1901), S. 22.
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auf dem gleichen Anforderungsniveau wie die deutsche Matura.739 Das Niveau der wissenschaftlichen Ausbildung entsprach dem der kleineren und mittleren deutschen Universitäten. Die schweizerischen Universitäten waren als Einstiegsuniversitäten in die Karrierewege deutscher Professoren integriert. Bei deutschen Studenten und Studentinnen waren die deutschsprachigen Universitäten in Genf, Bern und Zürich beliebt. Der kulturelle Austausch sorgte für weitere Angleichungen. Zudem hatten sich keine eigenen Frauenhochschulen etabliert, sodass das koedukative Studium die Regel war – Sonderregelungen gab es nach Ermessen des zuständigen Professors lediglich in einigen praktischen Kursen der Medizin. [Die Schweiz] war das Land, dessen Universitäten den unsrigen am ähnlichsten eingerichtet waren, wurden doch sogar lange Jahre den Medizinern die aus Schweizer Universitäten zugebrachten Semester voll angerechnet; vielfach unterrichteten deutsche Gelehrte an den dortigen Universitäten und auch umgekehrt.740
Auf dieser gemeinsamen Grundlage entwickelte sich das Schweizer Frauenstudium zu einem Referenzmodell für Deutschland. Ein quantitativer Vergleich zeigt das starke Gewicht der Schweiz im Diskursfeld: In 447 ausgewerteten Publikationen kamen die USA in 116, England in 92 und Russland in 89 Schriften als Stichwort vor. Auf die Schweiz verwiesen hingegen 147 Publikationen. Auch der Blick auf die übrigen Kulturnationen war bedeutsam. Denn obwohl es ein Bewusstsein für die Verschiedenartigkeit der Bildungsmodelle gab, herrschte Angst vor einem Zurückbleiben hinter Entwicklungen, die als allgemeiner Fortschrittstrend begriffen wurden. So findet sich Frankreich, das bereits 1863 mit Ausnahme der theologischen Fakultäten seine Hochschulen für Frauen zu öffnen begann, vor allem mit der Pariser Universität in 47 Publikationen;741 die skandinavischen Länder werden in 44 Schriften genannt; Italien mit seiner langen Tradition gelehrter Frauen wurde 34-mal, Belgien 27-mal und die Niederlande wurden 21-mal thematisiert. Österreich stellt einen Sonderfall dar, weil dort die Fortschritte in Sachen Frauenstudium ähnlich schleppend verliefen wie im Deutschen Reich. An der prestigeträchtigsten Universität Wien kam es erst im Wintersemester 1897 zur Zulassung von Hörerinnen in der Philosophischen Fakultät – im Jahr 1900 folgte die Medizinische Fakultät. Bis zur Öffnung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät sollte es noch bis 1919 dauern.742 Schneller ging es hingegen in Ungarn: Dort öffneten die Universitäten Budapest und Klausenburg auf Initiative des ungarischen Unterrichtsministers Baron Gyula Wlassics de Zalánkemén (1852–1937), der zuvor Gutachten von den betreffenden Professoren erbeten hatte, im
739 Vgl. Hacker (1899), S. 113. 740 Herrmann (1915), S. 8. 741 Auch in Frankreich sorgte ein niedriges Prestige der akademischen Berufe für geringen Widerstand gegen eine Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium. Vgl. Costas (1992b), S. 123. 742 Vgl. Heindl (2015), S. 534.
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Dezember 1895 ihre Türen für Studentinnen.743 In einem Rescript ließ dieser verlauten, dass die Öffnung aufgrund von „geänderten gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse“ erfolgte, die es notwendig machen, dass die Frauen ihre „Gatten in den auf die Erhaltung und Gründung des Hausstandes gerichteten Kämpfen wirksamer […] unterstützen“ könnten.744 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen in den übrigen Kulturnationen verloren die Warnungen vor einem gefährlichen Experiment durch die Zulassung von Frauen zum Studium in Deutschland an Schlagkraft. Lediglich der Verweis auf eine spezifisch deutsche Identität konnte die positiven Erfahrungen des Auslandes relativieren. Zu dieser Identität gehörte die deutsche Frau.745 Dieser Topos war stets zur Stelle, wenn es darum ging zu betonen, dass „alles, was so ist wie es sein soll“, eben auch so bleiben müsse. Bereits 1875 polterte der Rostocker Professor für Augenheilkunde Zehender in einem Zeitungsartikel: „Unsere deutschen Frauen […], müssen […] für’s Erste noch so bleiben wie sie sind!“746 Das „Wesen der deutschen Frau“ sei ein Teil der „Eigenart des deutschen Volkscharakters“ und gekennzeichnet durch „Würde, Tiefe und Kraft“.747 Die deutsche Frau zeichne sich durch eine eigene Gemütslage aus. Häuslichkeit sei Teil ihrer Natur.748 Vor dem Hintergrund dieses deutschen Weiblichkeitsideals kritisierte Rößler die „deutsche Nachahmungssucht“, die in der Erziehung zu einem Durcheinander von Jungen und Mädchen führe, das lediglich „Yankee-Women“ hervorbringen könnte, niemals jedoch echte „deutsche Frauen“.749 Derartige Vorstellungen gipfelten in der Behauptung von „Rassenunterschieden unter den kultivierten Nationen“.750 Worin die Unterschiede zu anderen Nationen bestanden, präzisierte die Schriftstellerin Marholm bei ihrem wehmütigen Abgesang auf die sogenannte Weibnatur: Wir germanischen Frauen sind mehr als die Frauen anderer Rassen gewohnt, uns als ein Anhang, ein Theil, ein Stück vom Manne zu betrachten. Für ihn da zu sein, uns ihm unterzuordnen, ihn zu umhegen, ihn zu verstehen, war bisher der Stolz und der Inhalt unseres Daseins.751
Marholm war sich bewusst, dass derartige Idealisierungen angesichts einer kaum aufzuhaltenden Moderne bereits reichlich anachronistisch geworden waren. Dennoch beriefen sich zahlreiche orthodoxe Akteure und Akteurinnen bei ihrem Versuch, die 743 744 745 746 747 748
Vgl. Bluhm (1895), S. 650. Pinn (1896), S. 16 f. Vgl. hierzu Kapitel III, 1. Abschnitt: Kultur; vgl. auch Heinsohn (2010), S. 109–124. Zehender (1875), S. 21. Wulckow (1894), S. 247. Laut des preußischen Oberregierungsrates Schneider, zuständig für Unterrichtsangelegenheiten, war „[j]ede echte Frau […] Hausfrau, wohin sie auch gehe, und was sie auch treibe, zum mindesten die deutsche“. Schubert-Feder (1894), S. 21. 749 Rößler (1893), S. 47. 750 Max Hofmeier, in: Kirchhoff (1897), S. 91. 751 Zitiert nach Placzek (1896), S. 574.
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Entwicklung aufzuhalten, auf das verblassende Ideal: So reanimierte der Pharmakologe Penzoldt das „verblichene Gespenstlein“ der „deutschen Frau“ in seiner Rede gegen das Frauenstudium auf dem 26. Deutschen Ärztetag 1898 in Wiesbaden.752 Er wollte „der deutschen Frau, wie wir sie verehren, die seelischen Aufregungen des ärztlichen Berufs und die nahe Berührung mit dem ekelsten Schmutz des Lebens, welchen auch die Krankenpflegerin nur zu streifen braucht, sehr gern erspart sehen“.753 Eine Relativierung erfuhren derartige Argumentationsstrategien dadurch, dass Amerikaner und Engländer selbst als Teil der „germanischen Nationen“ galten.754 Mathilde Weber übte sich an einer Kritik jenes Ideals und problematisierte die „demütige“ und „unselbstständige“ Stellung der deutschen Frauen unter den „heutigen Kulturvölkern“.755 Zukunft: Das normative Reservoir des Fortschritts Sehen wir auch heute noch eine massive Mauer von rückständigen Gesellschaftsmitgliedern beiderlei Geschlechtes, […] so werden sich […] die hoffnungsfreudigen Menschen – Männer und Frauen – zur nothwendigen Culturarbeit zusammenfinden und die Solidarität der Zurückgebliebenen wird dem mächtig vorwärtsdrängenden ZusammengehörigkeitsGefühle der Zukunftsmenschen auf die Dauer nicht Stand halten. Auguste Fickert (1855–1910), Lehrerin und Frauenrechtlerin, Wien 1899756
Die Zukunft gehört zu den ureigensten Phänomenstrukturen politischer Auseinandersetzungen: Das Vorwegnehmen zukünftiger Entwicklungen etabliert neue Problemdefinitionen und Handlungskonzepte, indem es die Konsequenzen politischer Entscheidungen, sei es programmatisch oder utopisch, bereits in der Gegenwart vorwegnimmt. Damit ist Zukunft eine Projektionsfläche. Dies lässt sich auch im untersuchten Diskursfeld nachvollziehen: In ihm ermöglichte die Rede von der Zukunft es, bislang kaum vertretene Normen und Werte sagbar zu machen. Um gesellschaftlichen Veränderungen normative Kraft zu verleihen, bedurfte es eines Vorgriffs auf die Zukunft. Erst dieser Vorgriff legitimierte vom Ist-Zustand abweichende Deutungen in der Gegenwart. Die Zukunft diente als ein normatives Reservoir. In den genutzten Metaphern erschien sie hell und erleuchtet. Sie strahlte als Dämmerung eines neuen Morgens in die Gegenwart. Sie versprach dabei eine Form der Gerechtigkeit, deren Maßstäbe bislang kaum Geltung erlangt hatten.
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Stelzner (1899), S. 113. Penzoldt (1898), S. 18. Vgl. die Äußerung bei Engelbert Pernerstorfer: Anonym (1895c), S. 586. Weber (1892), S. 19. Fickert (1899), S. 243.
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Das Vorwegnehmen einer positiven Zukunft gehörte nicht zu den Mitteln, denen sich die prinzipiellen Gegner/-innen der Frauenemanzipation bedienten. An der Grenze zum Fin de Siècle erschien diesen die Zukunft vielmehr dystopisch.757 Ihr normatives Reservoir lag in der Vergangenheit. Um dafür zu plädieren, dass alles werden müsse, wie es war, galt es die Normen und Werte dieser Vergangenheit über die Veränderungsimpulse der Gegenwart hinwegzuretten. Die Unentschlossenen plädierten zumindest für eine offene Gegenwart, damit zukünftige Entscheidungen über die akademische Frauenbildungsfrage möglich sein würden. So sah es beispielsweise der Budapester Augenarzt Wilhelm Goldzieher (1849–1916): Ueberlassen wir die Entscheidung der Zukunft, aber seien wir in der Gegenwart nicht ungerecht und tyrannisch, sondern gestatten wir jedem Individuum, nach seinem freien Ermessen seinen Lebensweg zu wählen.758
Bei den Befürworter/-innen höherer Frauenbildung lassen sich vier Phänomenstrukturen ausmachen, die sich auf eine zukünftige Gesellschaftsordnung beziehen. Zunächst galt Fortschritt als ein evolutionärer Prozess, der international und grenzenlos sei.759 Die Gegenwart war ein einzelnes Glied in einer Kette menschlicher Entwicklung.760 Mit jedem Glied schreite die Menschheit ein klein wenig weiter voran: „Ein Baum fällt nicht auf einen Streich, am wenigsten der des Vorurteils und eingewurzelter Gewohnheiten.“761 Das dieser Baum jedoch fallen werde, erschien gewiss. Bei der Unvermeidlichkeit der zukünftigen Fortschrittsbewegung handelt es sich um die zweite Phänomenstruktur. Im Jahr 1891 konstatierte der freisinnige Abgeordnete Ernst Harmening (1854–1913) in einer ansonsten nicht vielversprechenden Reichstagsdebatte über zwei Petitionen zur Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium:762 Wenn Sie dieser Neigung zu umstürzlerischen Bewegungen nicht heute schon in geringem Maße stattgeben wollen, dann werden Sie ihr später stattgeben müssen und vielleicht in sehr viel weiterem Maße; denn ruhen wird die Frage unter keinen Umständen.763
Sein Parteifreund Rickert pflichtete ihm bei: Die Zeit werde kommen, wo die Forderungen erfüllt werden müssten.764 Acht Jahre später sah mit Schrader ein weiterer Freisinniger in der Reichstagsdebatte, die durch den mit Teilen der Frauenbewegung sympathisierenden nationalliberalen Heinrich Prinz zu Schoenaich-Carolath (1852–1920)
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Auch Frauen entwarfen dystopische Zukunftsbilder. Vgl. hierzu die Sammlung bei Münch (2018). Goldzieher (1895), S. 6. Vgl. Lange (1895b), S. 426. Vgl. Ritter (1893), S. 75. Weber (1892), S. 19. Zu dieser Debatte vgl. Kapitel IV, Abschnitt 2: Resistentes Petitionieren. Reichstag (1892), S. 2008. Vgl. ebd., S. 2006.
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initiiert worden war, das Ziel der Studienzulassung von Frauen bereits fast erreicht.765 Im Diskursfeld herrschte schon seit Mitte der 1890er Jahre unter den befürwortenden Akteurinnen und Akteuren die Gewissheit, die Zeit einer Zulassung sei „gar nicht mehr fern“.766 Der „Sieg der gerechten Sache“ stünde kurz bevor.767 Zur Jahrhundertwende konstatierte Troll-Borostyáni, die „Zeichen der Zeit“ deuteten auf einen vollen Erfolg im neuen Jahrhundert.768 Die Vorwegnahme von zukünftigen Werturteilen, etwa durch „spätere Historiker“, gehört zur dritten Phänomenstruktur.769 So werde die nächste Generation die Neuerungen annehmen, schätzen und unentbehrlich finden;770 die Zukunft werde Frauen mündig sprechen;771 man werde über die „Kurzsichtigkeit von heute“ lachen.772 Bebel sah sich unter den „Bannerträgern“, die im Heute bereits Dinge forderten, die in 10 bis 15 Jahren eine „Mehrheit“ für selbstverständlich halte.773 Elias Metschnikow (1845–1916), der 1908 gemeinsam mit Paul Ehrlich (1854–1915) für die Entdeckung der Immunabwehr den Nobelpreis für Medizin erhielt, urteilte 1895 nüchtern: Die Zukunft werde den „Freunden des Frauenstudiums Recht geben“.774 Kettler betonte gewohnt kämpferisch: Ja, ich glaube sogar, daß es in Zukunft einen Gerichtshof geben wird, der strenges Urteil spricht […] über jede unter dem Deckmantel der Nächstenliebe ausgeübte Teufelei, mit einem Wort: über jedes unter dem Titel des Rechts begangene Unrecht. Und die Richter dieses Tribunals werden alle rechtlich und hoch denkenden Männer und Frauen der ganzen Nation sein; dies Tribunal selbst aber, das kräftige und unbestechliche, wird heißen: die öffentliche Meinung.775
Viertens geschah ein Anknüpfen an die Lichtmetaphorik der Aufklärungszeit.776 Die erleuchtete Zukunft sei in der Dämmerung gegenwärtiger Tage sichtbar;777 die Hoffnungsfrohen träumten von einem „goldenen Zeitalter“.778 Lange sah diesen Frühling nahen:
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Vgl. Reichstag (1899), S. 356. Wulckow (1894), S. 247. Pinn (1896), S. 29. Troll-Borostyáni (1900), S. 163. Weber (1893), S. 24. Vgl. Kattner (1891), S. 15. Vgl. Lange (1889), S. 118. Ziegler (1891), S. 130. Reichstag (1893), S. 1218. Vgl. Anonym (1895g). Kettler (1891), S. 15 f. Auch die Stimmrechtsbewegung bediente sich der aufklärerischen Ikonografie mit dem Symbol der aufgehenden Sonne. Vgl. Briatte (2020), S. 286–288. 777 Vgl. ebd., S. 5. 778 Weber (1888), S. 10.
Fazit: Deutungsmuster und Aktivierungspotenziale
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Auf allen Gebieten verjüngt sich die Zeit; überall dringen neue Keime aus der Erde, der Sonne des kommenden Jahrhunderts entgegen, freudig begrüßt von allem, was sich am Fortschritt zu freuen vermag.779
5. Fazit: Deutungsmuster und Aktivierungspotenziale Das Handeln einzelner Menschen ist für das in seiner Tendenz auf Makrostrukturen zielende Erkenntnisinteresse einer Diskursanalyse unbedeutsam. Erst wenn durch diese Handlungen auf tiefer liegende Machtverhältnisse geschlossen werden kann, die in der Lage waren, Deutungsmuster zu aktivieren und sowohl Diskursfelder als auch Institutionen zu verändern, werden sie relevant. Der Komplex aus Macht und Wissen verweist auf eine hegemoniale Ein- und Abgrenzung alternativer Deutungs-, Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten, die als Herrschaftseffekte begriffen werden können. Derartige Effekte bedürfen des Zusammenspiels von drei Ebenen, von denen zwei bereits beschrieben wurden: Wie im zweiten Kapitel dargestellt etablierten sich zunächst auf Grundlage institutioneller Machtpotenziale soziale Felder, in denen sich Akteurinnen und Akteure bewegten. Ihre Legitimation, um in diesen Feldern sprechen zu können, erhielten diese Akteurinnen und Akteure beispielsweise durch akademische Grade. Zweitens bildeten sie innerhalb der im dritten Kapitel beschriebenen Wissensbestände (Diskursfeld) als Sprechende verschiedene Phänomenstrukturen aus, die Problemdefinitionen, Handlungskonzepte sowie Verantwortlichkeiten umfassten. Diese Wissensbestände mussten zu Deutungsmustern verdichtet werden, um Wirksamkeit zu entfalten. Diese Muster wiederum ließen sich in globale Diskursstrategien integrieren. An dieser Stelle werden die Deutungsmuster und ihre Aktivierungspotenziale dargestellt. Eine Analyse der Diskursstrategien erfolgt in der Schlussbetrachtung. Vom Abschneiden alter Zöpfe und der Sehnsucht nach neuer Ordnung Ich könnte mir denken, daß diese Zeit [der 1890er Jahre] in der Entwicklung der Bevölkerung eine besonders kritische Phase war, in der alte, kleinbürgerlich-ländliche Ordnungen sich auflösten und neue sich noch nicht gebildet hatten. Gertrud Bäumer (1873–1954), Frauenrechtlerin, Bad Godesberg 1953780
Die im ersten Abschnitt (Gesellschaft) dieses Kapitels beschriebenen Deutungen eines soziokulturellen Übergangs von einem Agrar- zu einem Industriestaat zwischen 1870 779 Lange (1894a), S. 220. 780 Bäumer (1954), S. 121.
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und 1900 schwankten zwischen Chance und Krise. Eine deutliche Mehrheit in der bildungsbürgerlichen Öffentlichkeit tendierte zu Letzterem. Die Kompetenzen im Umgang mit Veränderungen in großem Ausmaß waren in einer stark regulierten Gesellschaft begrenzt. Bei aller Vorsicht vor Verallgemeinerungen lässt sich sagen, dass die meisten Menschen geprägt waren durch die Autorität einer monarchischen Ordnung, die in einem Spannungsverhältnis zum Parlamentarismus stand und in welcher der Staat als neutrale und vermeintlich unabhängige Instanz über die Gesellschaft wachte. Zudem herrschte eine Sehnsucht nach Assimilation an das Bestehende anstelle einer Bereitschaft zur Integration neuer Kulturelemente vor. Diese Assimilationssehnsucht steigerte sich zur Ausgrenzung und Repression gegen nationale, konfessionelle und soziale Minderheiten. Ein geradezu neurotischer Hang zur Harmonie führte zur schönfärberischen Beurteilung gesellschaftlicher Spannungen und eine militärisch kultivierte Aggressivität panzerte Individuum und Gesellschaft nach außen.781 Die Deutungen taumelten beständig zwischen dem Wunsch nach einem Abschneiden alter Zöpfe und der Sehnsucht nach neuer Ordnung. Die Wankelmütigkeit zwischen Verändern und Bewahren zeigt sich in zwei Typen von Deutungsmustern, deren Wertbezüge sich als individualistische Ordnungskonzeption und als gemeinschaftsorientierte Ordnungskonzeption klassifizieren lassen. Im Deutungsmuster einer individualistischen Ordnungskonzeption gestaltet sich das Zusammenleben der Menschen als eine informelle Gesellschaft, die sich durch das Handeln freier Individuen von unten her zu höherer Ordnung institutionalisiert. In einer Befreiung der Individuen von alten, ständischen Ordnungsmustern liegt das Potenzial für die Entwicklung der Gesellschaft. Die Wirtschaft mit ihrem freien Markt ist der Verhandlungs- und Begegnungsraum der Individuen, in dem diese eine selbstständige ökonomische Basis benötigen. Die Familie wird als Wirtschaftseinheit im Kleinen betrachtet, deren Grenzen zum öffentlichen Raum flüssig und deshalb kulturell auszuhandeln sind. Der Staat gilt als eine Sicherungsinstanz für die Wirksamkeit von Gesetzen und damit als Garant für Rechtssicherheit – er ist ein bloßes Mittel und kein Zweck seiner selbst. Grundlegende Bürgerrechte orientieren sich am Prinzip naturgegebener Menschenrechte und einem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl, das als notwendige Folge der individuierten Handlungslogik des sozioökonomischen Wirtschaftsraums entsteht. Auf kultureller Ebene wird sowohl der männliche als auch der weibliche Kulturbeitrag als eine Ressource zur kulturellen Weiterentwicklung betrachtet. Auf Ebene der globalen Diskursstrategien, die als Erklärungsmodell in der Schlussbetrachtung noch genauer beschrieben werden, zeigt sich das Aktivierungspotenzial dieses Deutungsmusters im Rahmen befreiendradikaler und befreiend-liberaler Diskursstrategien. In der gemeinschaftsorientierten Ordnungskonzeption werden die Menschen durch ihre sittliche Pflicht gegenüber der Gemeinschaft bestimmt, also gegenüber Staat,
781
Vgl. Doerry (1986), S. 155–176.
Fazit: Deutungsmuster und Aktivierungspotenziale
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Nation und zunehmend der deutschen Volksgemeinschaft. Die freie und ungezügelte Wirtschaftsentwicklung wird als Gefahr problematisiert, der es durch Regulierungen zu begegnen gilt. Die Familie ist das starre Fundament der Gemeinschaft; in ihr werden die Menschen auf ihre Funktionen in dieser Gemeinschaft vorbereitet; die Mutter entfaltet das Potenzial einer männlichen Persönlichkeit bei ihren Söhnen, durch die sich später die Geschicke der Gemeinschaft als ein Wirken sittlicher Mächte entscheiden; die Töchter werden auf ihre künftige Rolle als künftige Erzieherinnen ihrer Söhne und damit der Nation als Ganzem vorbereitet. Deshalb erhielten in Treitschkes Vorlesungen über Politik die Mütter eine prominente Stellung als Erzieherinnen der Nation: Die Hälfte des Staates ist verwahrlost, wenn die Angelegenheiten der Weiber schlecht geordnet sind. Auf dem Bestande eines gesunden Familienlebens ruht in solchem Maße das sittliche Dasein einer jeden Nation […].782
Der Staat etabliert sich als organischer Verbund, als ein eigenes Wesen, das durch den Zweck seiner selbst eine menschengleiche Würde besitzt. Er ist deshalb ein fragiles und beständig bedrohtes physiologisches Ordnungssystem, das nur durch die Disziplinierung seiner Staatsbürger/-innen funktionieren kann. Jede kulturelle Degeneration kann zu einer pathologischen Störung des staatlichen Organismus führen. Im Recht besteht daher bei aller Wirkungsmacht des Rechtsstaatsimperativs ein Primat der Gemeinschaft vor dem Individuum. Die Rechte des Individuums enden nicht dort, wo die Rechte eines anderen Individuums beginnen, sondern wo die Ordnung der Gemeinschaft zu sichern ist – im Zweifel habe sich das Individuum für die Gemeinschaft zu opfern, ob im Feld oder an der Heimatfront. Kultur wird als gesund empfunden, wenn sie in Kontakt steht mit der eigenen Tradition. Nur wenn die Lösungen der Kulturaufgaben aus dem Kreis deutscher Kultur stammen, bleibt das tiefere Wesen der Gemeinschaft gewahrt. Auf Ebene der globalen Diskursstrategien wird das Aktivierungspotenzial dieses Deutungsmusters durch bewahrend-reaktionäre und bewahrend-konservative Diskursstrategien eingelöst. Beide beschriebenen Deutungsmuster besaßen, trotz der vergleichsweise breiten Akteursbasis gemeinschaftsorientierter Ordnungskonzeptionen, weder genug Aktivierungspotenzial, noch waren sie an ein ausreichend starkes Machtpotenzial rückgebunden, um eine Hegemonie im untersuchten Diskursfeld zu erlangen. Vielmehr etablierte sich der Mischtyp einer balanceorientierten Ordnungskonzeption. Ein solches Deutungsmuster, das eine harmonische Vermittlung zwischen Individual- und Staatsinteressen anstrebte, konnte nur in einer reformistischen Anpassung der alten Ordnung durch eine vorsichtige Modernisierung von oben bestehen. Im Raum der Wirtschaft sollten sozialpaternalistische Einschränkungen ökonomischer Ausbeutungsinteressen in Form von Arbeitsschutzregeln für Frauen sowie Gesetzen zum Schutz vor Konkurrenz wie dem Zölibatsgesetz die übermäßigen Härten des freien Marktes ausgleichen.
782 Treitschke (1899), S. 236.
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Jeder und jede musste noch immer durch die „Anspannung aller physischen und psychischen Kräfte“ selbst mitwirken. Nur wer den stetig beschworenen Kampf ums Dasein bestand, hatte seinen bzw. ihren Beitrag geleistet. In diesem ökonomischen Ringen standen „Mann und Frau […] nebeneinander in gar manchen Fronten, die gegen Noth und Hunger aufmarschiren“. Kaum etwas wurde als „natürlicher“ empfunden, als „dieser Kampf um die Existenz“, der Kampf aller gegen alle – der allerdings in zivilisierten Bahnen verlaufen sollte.783 Wenngleich einige meinten, die bürgerliche Frau sei hierfür nicht geschaffen, so mussten auch sie die Konsequenzen eines Spiels akzeptieren, dessen Regeln sie nicht bereit waren zu ändern: Das bedeutete, Frauen in wirtschaftliche Verwertungsinteressen einzubeziehen. Die Familie blieb dabei das konstitutive Element der Gesellschaft. Die Ehefrau war dabei ein Individuum, das sich durch seine Arbeit für die Gemeinschaft auszeichnete; jedoch waren die Grenzen zwischen Familie und Gemeinschaft flexibel und punktuell durchlässig: Auch Mütter sollten in die Öffentlichkeit hineinwirken und dort ihren mütterlichen Standpunkt vertreten, von dem Einiges zum Wohle der Gesellschaft erwartet wurde. Der Staat sicherte die analoge Rechtsgleichheit zwischen Männern und Frauen außerhalb der familialen Ordnung. Er sollte formale Maßstäbe setzen, ohne dabei Frauen zu bevorzugen oder sie in ihre traditionelle Rolle zu drängen. Er war damit ein in Geschlechterfragen nicht-interventionistischer, geradezu passiver Staat, der weder für noch gegen Frauenemanzipation agierte. Auf dem Gebiet des Rechts bestand vollständige Gleichheit für Staatsbürgerinnen nur außerhalb des Familienrechts. Auf kultureller Ebene erfolgte eine Abgrenzung sowohl von radikaler Veränderung als auch von reaktionärer Bewahrung. Dies ermöglichte eine negative Integration, die das balanceorientierte Ordnungskonzept erst möglich machte. Damit eröffnete sich eine Anschlussfähigkeit sowohl an befreiend-liberale als auch an bewahrend-konservative Diskursstrategien. Stabilisierungs- und Dynamisierungspotenziale bürgerlicher Geschlechterordnung Anhand der im zweiten Abschnitt dieses Kapitels beschriebenen Phänomenstrukturen zum Geschlechterwissen bestätigte sich die Virulenz der bereits von Hausen analysierten Geschlechtscharaktere auch noch für das hier untersuchte Diskursfeld. Es fragt sich nun, wie sich die Akteurinnen und Akteure zu diesen Vorstellungen verhielten. Die Deutungen geschlechtsspezifischer Wissensbestände verdichteten sich im Diskursfeld zu drei Mustern, die genutzt wurden, um Geschlechterverhältnisse entweder zu verändern oder zu stabilisieren: Sie lassen sich als orthodoxes, transformatives und avantgardistisches Geschlechtermodell beschreiben.
783 Alle Zitate bei Svetlin (1895), S. 1.
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Im Zentrum eines orthodoxen Geschlechtermodells befand sich das deutsche Weiblichkeitsideal. Dieses kulturell herzustellende Ideal stand in einer zirkulären Verstrickung zu den als Weibnatur klassifizierten Eigenschaften. Der natürliche Wesenskern, dessen innerstes Heiligtum die Mutterliebe darstellte, war zunächst bloße Naturanlage. Damit diese Anlage tatsächlich zur Entfaltung kommen konnte, bedurfte es einer Kultivierung in zweifacher Hinsicht: Anmut sicherte die Attraktivität gegenüber dem männlichen Geschlecht. Sittsamkeit garantierte das gelingende Gedeihen der Naturanlagen. Von der richtigen Kultivierung hing es ab, ob die Anlagen reiften oder die soziale Finalität der Natur scheiterte. Die psychophysische Weibnatur begrenzte aufgrund vielfältiger Schwächen (Inferiorität) die kulturellen Handlungsspielräume von Frauen. Denn wenn die ohnehin schwächlichen Naturanlagen durch Kultur beeinflussbar oder gar gefährdet waren, dann mussten sich hierdurch Einschränkungen ergeben. Um diese Einschränkungen zu legitimieren, galt es, zum natürlichen Sein der Weibnatur vorzudringen. Hierzu wurden der als weiblich klassifizierte Körper und Geist unter der Ägide von Gynäkologie, Neuroanatomie und Physiologie zunehmend medikalisiert. Der harte Forschungskern dieser Suche nach der Weibnatur befand sich in den Grundannahmen der Geschlechtscharaktere.784 Sie dienten als die allgemeine Theorie des Programms. Die Suche erhielt ihre Ausgangsimpulse aus der Lebenswelt, um die durch den sozialen Wandel brüchigen Handlungsgrenzen des weiblichen Subjekts durch eine Modernisierung des traditionellen Geschlechtermodells abzusichern. Auf diese Weise fungierte das Weiblichkeitsideal als eine Basis des orthodoxen Geschlechtermodells, wobei die Fahndung nach der Weibnatur eine allzu deutlich werdende kulturelle Kontingenz verschleierte. Es kann kaum überraschen, dass Fragen der Weiblichkeit zu einem Politikum ersten Ranges aufstiegen – wenngleich jede allzu offene Erörterung von Weiblichkeitsfragen bereits am naturalisierten Ideal nagte und dessen Krise verschärfte. Denn die Anhänger/-innen orthodoxer Deutungsmuster waren mit dem Problem konfrontiert, dass jede Politisierung ihres Ideals zugleich dessen Relativierung durch das Schreck- und Feindbild alternativer Möglichkeit bedingte. Obwohl Weiblichkeit im Rahmen orthodoxer Muster eine Tugend meinte, bestand auf Seiten reaktionärer und konservativer Akteurinnen und Akteure paradoxerweise kein genuines Interesse an einer Politisierung. Denn ein Politisieren musste zugleich bedeuten, ein Phänomen aus dem unantastbaren Olymp einer vermeintlich natürlichen Ordnung in die weltliche Entscheidungssphäre der Menschen herabzuziehen. Das Über-Frauen-Sprechen oder das aus orthodoxer Sicht noch schlimmere Über-sich-selbst-Sprechen der Frauen hieß, diese zu einem Subjekt für sich werden zu lassen – es signalisierte, die Krise des Weiblichkeitsideals so weit voranzutreiben, bis der Veränderungsdruck durch das stetige Verschieben von Problembestimmungen und daraus zu ziehenden Konsequenzen eine veränderte 784 Zum Konzept eines harten Kerns in wissenschaftlichen Forschungsprogrammen vgl. Lakatos (1982), S. 117.
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Ordnung schaffen musste. Auf identitätspolitischer Ebene konnten die orthodoxen Bewahrer/-innen nur verlieren, eben weil jedes Ansprechen der Frauen als orthodoxe Parteigängerinnen sie bereits a priori zum politischen Subjekt erhob und die spekulative Metaphysik der Substanz in Bezug auf deren Weiblichkeit offenbarte.785 Der deutschkonservative Abgeordnete Martin Schall (1844–1898) erkannte dies, als er im Reichstag behauptete: „Meine Herren, es ist ein altes Wort, daß diejenigen Frauen die besten sind, von denen man am allerwenigsten spricht.“786 Die neue Ordnung der bürgerlichen Geschlechterverhältnisse formierte sich im transformativen Geschlechtermodell. Auch hier ging es darum, traditionelle Vorstellungen über die Geschlechtscharaktere zu modernisieren. Die geschlechterdifferenten Grundkategorien blieben dabei weitgehend intakt, wenngleich von ihnen ausgehend andere Problembestimmungen und Handlungskonsequenzen getroffen wurden. Transformationspotenziale ergaben sich, weil die dichotomen Geschlechterkategorien nur in ihrer unreflektierten Spielart als Klassifikationen funktionierten. Sobald sie jedoch zum Gegenstand von Diskursen wurden, eröffneten sich verschiedenartige Blickwinkel auf Geschlechterphänomene – was die Existenz transformativer Deutungsmuster zuließ. Die Zunahme und Verdichtung des Sprechens über das So-Sein der Geschlechter war bereits das Zeichen einer sich verschärfenden Krise ihrer Substanzmetaphysik – ganz egal wie orthodox dieses Sprechen auch gewesen sein mag und mit welch stabilisierenden Absichten es geschah. Gleichwohl handelte es sich bei den transformativen Deutungen nicht um eine Fundamentalopposition, die das komplementäre Geschlechtermodell negierte. Vielmehr setzte der Hebel an den bestens etablierten Kategorien an, was zwar Verschiebungen möglich machte, jedoch nur zu graduellen Änderungen der Phänomenstrukturen führen konnte. Das transformative Modell stellte die Grundprämissen vorhandener Dichotomien keineswegs infrage. Die kulturellen Sphärengrenzen ließen sich auf dem Grundsatz der komplementären Ergänzung der Geschlechter erweitern. Das Fehlen weiblicher Einflüsse in der Kultur konnte dadurch zum Problem werden. Es konnte zu einer Erweiterung legitimer Lebensmodelle kommen, wenngleich die Bezugsgrößen der Familie sowie der Mutterrolle dabei bestehen blieben. Sowohl die Subjektposition weiblicher Akteurinnen als auch die Spielregeln des universitären Feldes änderten sich nur so weit, bis sich die im Diskursfeld etablierten Spannungen kanalisiert hatten. Die Grenzen verschoben sich zwar, aber nur um dadurch neue Stabilität zu erlangen. Das avantgardistische Geschlechtermodell sprengte die stabilen Klassifikationen der komplementären Geschlechterordnung, um völlig neuartige Phänomenstrukturen zu etablieren. Die Neue Frau sollte aus einer veränderten Kultursphäre hervorgehen.787 785 Aus diesem Grund war eine Gegnerin von Antifeministen die politisch aktive Frau im eigenen konservativen Lager. Vgl. Planert (1998), S. 111 f. 786 Martin Schall (Reichstag) (1896), S. 840. 787 Zur Zukunftsvision der Neuen Frau vgl. Hölscher (2016), S. 204–208.
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Die metaphysische Weibnatur war nicht länger die letzte Grenze ihrer Möglichkeiten. Einem derartigen Deutungsmuster, das bisherige Geschlechtergrenzen infrage stellte, fehlte es allerdings an den notwendigen Machtpotenzialen. Es fand seine Entsprechung nur in den radikalsten Kreisen der Frauenbewegung. Zudem ließ es sich als widernatürliches Schreckbild mobilisieren, sodass zumindest bis zu Beginn der 1920er Jahre keine größere Attraktivität daraus entstehen konnte. Als Schreckbild oder als Zeichen, was innerhalb eines dystopischen Zukunftsstaates passieren konnte, wenn dem Veränderungsdruck nicht nachgegeben würde, stärkte es indirekt das transformative Modell.788 Universalistische Wissenschaft und komplementäres Erziehungsmodell Die im Abschnitt zur Bildung beschriebenen Phänomenstrukturen synthetisierten sich zu Deutungsmustern, die drei verschiedene Wertbezüge erkennen lassen: Im komplementär-mechanischen Erziehungs- und Bildungsmodell richtete sich Mädchenbildung instrumentell nach den Ordnungsvorgaben des orthodoxen Geschlechtermodells. Als Problem konstituierte sich die akademische Frauenbildung, weil sie Bedürfnisse schuf, die der späteren Hausfrauenrolle im Wege stand. Das Vorbildungsproblem erschien somit unlösbar, weil es mechanisch an die natürliche Rolle von Frauen in der bestehenden Gesellschaftsordnung gebunden blieb. Die akademische Frau galt als für ihren natürlichen Beruf verloren. Im Sinne einer solchen Problematisierung würde sie den Fortgang der Wissenschaft behindern: zum einen, weil die herrschenden Moralvorstellungen zum Umgang der Geschlechter miteinander einen offenen Wissensaustausch blockierten; zum anderen, weil sie aufgrund ihres natürlichen Unvermögens das Niveau der Bildung notwendigerweise senke. Hinzu kam eine Eskalation der sozialen Problemlage für den gebildeten Mittelstand, da eine Ausbildung von Frauen zu akademischen Berufen die Konkurrenzlage verschärfen würde. Die Handlungsspielräume waren angesichts dieser Problemdiagnosen sehr begrenzt. Zwar zeigte sich das komplementär-mechanische Bildungsmodell als offen für Reformen der Mädchenbildung, doch sollten diese Reformen jenseits des etablierten universitären Feldes etwa im Rahmen von zweitklassigen Frauenhochschulen oder wissenschaftlich fundierten Haushaltsschulen umgesetzt werden. Der Staat wurde als nicht primär verantwortlich für diese Reformen betrachtet. Höhere Mädchenbildung sollte weiterhin eine weitgehend privat finanzierte Angelegenheit bleiben. Das komplementär-organische Bildungsmodell schloss an das transformative Geschlechtermodell an. Die Vorbildungsstrukturen sollten sich nach den Bedürfnissen der Mädchenbildung und damit am natürlichen Wesen der Frau und ihren gesellschaftlichen 788 In den 1890er Jahren entstand eine europaweite Debatte über the New Woman. Auch Gegner der Frauenbewegung nutzten dieses Bild, um ihre Abneigungen zu projizieren, was oftmals in belletristischer Form geschah. Vgl. Offen (2000), S. 188–193.
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Aufgaben orientieren. Eine Lösung des Vorbildungsproblems war demgemäß denkbar, weil es als Strukturproblem und eine (vor-)gebildete Frau nicht als ein der Natur widersprechendes Phänomen gedeutet wurde. Eine bloße Übernahme bestehender Bildungskonzepte für Jungen wurde abgelehnt, da die gymnasiale Knabenbildung selbst als problematische Bildungsstruktur galt. Die akademische Vorbildung der Mädchen sollte eigene Wege gehen, gestaltet durch den Einfluss von Lehrerinnen und den vermeintlich natürlichen Bedürfnissen junger Frauen. Das universalistische Wissenschaftsideal sollte disziplinarische oder fachliche Störungen im Wissenschaftsbetrieb verhindern. Die Wissenschaft müsse im Fokus stehen, sodass die Geschlechterdifferenz in den Hintergrund trete. Das Koedukationsproblem verlor zudem seinen Stachel durch die Problemverschiebung auf die bislang bestehende Disziplin unter Studenten, auf welche die Anwesenheit junger Frauen durchaus mäßigenden Einfluss ausüben könne. In den akademischen Berufsarten etablierten sich weibliche Nischen oder erfuhren durch Professionalisierung einen Ausbau. Um keine unrechtmäßige Konkurrenz heranzuzüchten, musste dabei streng am Ideal gleicher Prüfungsleistungen festgehalten werden. Das egalitäre Bildungsmodell unterschied sich schließlich vom komplementär-organischen Modell in der Reichweite seiner Handlungskonzepte: Die Vertreter/-innen dieses Deutungsmusters strebten eine Erschließung sämtlicher Fakultäten und akademischer Berufe durch Frauen an. Zur Aktivierung offener und geschlossener Weltbezüge Die im vierten Abschnitt dieses Kapitels beschriebenen Phänomenstrukturen ließen sich entweder als geschlossener oder als offener Weltbezug zu komplexeren Deutungsmustern verbinden. Im geschlossen Weltbezug fungierte die Vergangenheit in Form traditioneller Werte als das normative Reservoir für Deutungen der Gegenwart. Historische Persönlichkeiten, welche die Geschichte als handelnde Subjekte beeinflusst hatten, waren dabei fast ausschließlich Männer, während Frauenfiguren nur als Ausnahmeerscheinungen ihren Platz in den historischen Erzählungen fanden. Auf diese Weise ließ sich das Andersartige in der Geschichte, zu dem gelehrte Frauen gehörten, nur als exotische Merkwürdigkeit denken. Vom normativen Reservoir blieb es ausgeschlossen. Das Ausland galt in Bildungsfragen als wesensfremd:789 Vorstellungen von deutscher Bildung und einer dieser Bildung entsprechenden Praxis verhinderte die Übertragung von Modellpraktiken in den eigenen Handlungshorizont. Die nationale Bildungsidentität schuf eine Inkompatibilität mit dem angloamerikanischen und dem russischen Bildungsmodell, in dem die amerikanische Modestudentin bzw. die russischen Nihilistin ihren Platz fand, jedoch nicht die deutsche Frau mit ihrem Wesensmerkmal der 789 Hierbei handelt es sich um ein gutes Beispiel dafür, wie Räume (Amerika, Russland, England, Schweiz) mit Bedeutung aufgeladen werden. Vgl. methodologisch hierzu Aulke (2015), S. 57.
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Innerlichkeit. Eine Zukunft, in der Modestudentinnen oder Nihilistinnen die deutschen Universitäten bevölkerten, galt als gefährlich. Nur eine Flucht in die Traditionen, in der das akademische Bürgerrecht ein ausschließlich männliches war, konnte diese Gefahr bannen. Im offenen Weltbezug war die Vergangenheit in Fragen des Geschlechterverhältnisses ein zu entdeckendes Land, bewohnt von allerlei heroischen Frauengestalten. Die Neuentdeckung dieses Landes bot die Chance, eine vermeintlich auf Ewigkeit gestellte Geschlechtsdifferenz als ein Produkt kultureller Veränderungsprozesse aufzulösen. Mit der Entdeckung einer durch Frauen geprägten Kulturgeschichte erhielt die Frauenbewegung sowohl eine Basis als auch eine in die Zukunft gerichtete Entwicklungsdynamik. Schließlich begannen die Aktivistinnen, allen voran Lange und Bäumer, die Geschichte ihrer eigenen Bewegung zu konstruieren, deren zukünftiges Ende als Sieg des Fortschritts bereits in den Erzählungen vorweggenommen war: Vergangenheit und Zukunft bildeten ein Kontinuum zur Festigung und Selbstvergewisserung eigener Normen und Ziele in der Gegenwart.790 Das Entdecken des Auslands vollzog sich auf zwei Wegen: Die Klassifikation der Kulturnation sorgte für eine Öffnung des Blicks nach außen. Das universelle Prinzip eines allgemeinen Menschheitsfortschritts legitimierte die Praxis, sich das Ausland als Erfahrungsraum anzueignen. Kulturentwicklungen wurden als transnationale Prozesse innerhalb eines gemeinsamen Zivilisationsraums verstanden. Damit war es schwer, Phänomene, die sich beispielsweise in England beobachten ließen, langfristig als etwas Fremdes auszuschließen. Eine am technischen und zivilisatorischen Fortschritt orientierte Gesellschaft wie die deutsche konnte sich auf Dauer das Stigma der Rückschrittlichkeit kaum leisten. In den Grenzbereichen des Wissens befanden sich zudem Phänomene der Ähnlichkeit, die eine zweite Art, Entdeckungen zu machen, ermöglichten. Von besonderem Interesse waren hier bildungspolitische Modelle in anderen Ländern: Je ähnlicher diese Modelle dem Eigenen, dem Gewohnten waren, desto schwerer wurde es, eine Übertragung von Handlungskonzepten aus diesen Bereichen abzuwehren. Aus diesem Grund erfolgte eine beständige Referenz auf die Schweizer Erfahrungen mit dem Frauenstudium. Die Schweiz mit seiner mit dem deutschen Kaiserreich vergleichbaren Hochschullandschaft diente als ein Modell der Ähnlichkeit, als ein Erfahrungsraum, der mit dem eigenen Raum weitgehend kompatibel war. Diese Kompatibilität ermöglichte eine positive Prognose für die Adaption zunächst fremd erscheinender Erfahrungen und Modelle. Um dieser Prognose normatives Gewicht zu verleihen, fungierte die Zukunft als ein Projektionsraum, der die im Widerspruch mit den bestehenden Verhältnissen stehenden Werturteile der Gegenwart von allen unberechtigten Vorwürfen und Anklagen freisprach.
790 Zur Frauenbewegungsgeschichte vgl. Schaser/Schraut (2019), S. 11; Schaser (2019).
IV. Effekte des Macht-Wissen-Komplexes: Die Durchsetzung des Frauenstudiums Die Aktivistinnen der Frauenbewegung versuchten, zu einer Zeit in das universitäre Feld zu gelangen, als dieses bereits unter dem Druck vielfältiger Transformationsprozesse stand. Die Veränderungen des 19. Jahrhunderts kulminierten in den 1890er Jahren in einem Krisengefühl, das „an Intensität bis zum Ende der Weimarer Zeit zunahm“.1 Dieser kulturpessimistische Niedergangs- und Krisentopos gehörte zum Kreis der bereits charakterisierten Dauerthemen, die sich aufgrund ihrer Unschärfe beständig innerhalb der bildungsbürgerlichen Öffentlichkeit halten konnten.2 Weder war klar, wann genau der Niedergang begonnen hatte, noch durch welches Denken er sich äußerte; auch in seinen Ursachen bestand Unklarheit.3 Der beschleunigte soziale Wandel löste ein Unbehagen, eine diffuse Angst vor der Moderne aus, die sich wie ein Schatten auf den weitverbreiteten Fortschrittsoptimismus legte und vor allem im sittlichen Empfinden in einen identitären Konservatismus umschlug.4 Die tiefere Ursache dieses Unbehagens lässt sich auf eine Spannung zwischen institutionellen Anpassungs- oder Veränderungsprozessen und dem Selbstverständnis der Hochschullehrer zurückführen. So lassen sich mindestens fünf Problemkreise ausmachen, die entweder bereits von den Zeitgenossen und -genossinnen selbst oder durch spätere Interpretationen als kritische Spannungsverhältnisse innerhalb der Universitäten gedeutet wurden. So sorgte der Einzug technischer Wissenszweige für einen Angriff auf die moralischen Geltungsansprüche der geisteswissenschaftlichen Disziplinen: Die Kultur wurde in Stellung gebracht gegen eine als materialistisch verstandene Zivilisation.5 Die Verweigerungshaltung gegenüber technischem Wissen innerhalb der Universitäten führte bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Gründung von Technischen Hochschulen, 1 2 3 4 5
Ringer (1983), S. 235. Vgl. hierzu die Einleitung in Kapitel II. Vgl. ebd., S. 234–236. Vgl. Kaschuba (1988), S. 38. Orientierungslosigkeit in Zeiten des sozialen Wandels als Ursache einer Ablehnung des Frauenstudiums findet sich als These bei Glaser (1996), S. 303; ähnlich Bleker (1998b), S. 10. Vgl. Ringer (1983), S. 84 f; Weber (2002), S. 159.
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die 1899 durch die Verleihung des Promotionsrechts in die Riege der Universitäten aufstiegen. Trotz Blockade aufgrund der Vorstellung einer ideellen Einheit der Wissenschaft ließ sich die fachliche Ausdifferenzierung der Universitäten nicht aufhalten: Das Aufkommen neuer natur- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen am Ende des 19. Jahrhunderts fragmentierte die philosophischen Fakultäten. Die Realgestalt der Universität glich damit zunehmend einer „Multiversität“.6 Kulturpessimisten und Bildungskritiker klagten über Spezialisierung und damit einhergehendes Fachidiotentum. Zudem führte ein zahlenmäßiger Anstieges der Studierenden zum Aufkommen neuer Studierendengruppen: Der Anteil an ausländischen Studierenden und sogenannter Brotstudenten, denen zugeschrieben wurde, einzig an der Berufsbildungsfunktion der Universitäten interessiert zu sein, nahm zu. Eine wachsende untere Mittelschicht schickte ihre Söhne an die Universitäten und sorgte damit für eine zunehmende soziale Heterogenität und für ein zumindest partielles Aufbrechen der Exklusivität. Schließlich kamen auch Gasthörerinnen und später Studentinnen als neue Gruppen hinzu.7 Nicht wenige Professoren betrachteten humanistische Bildung jedoch weiterhin als eine Angelegenheit hochbegabter Einzelpersönlichkeiten – aus einer solch bildungsaristokratischen Perspektive beschädigte die nivellierende Vermassung der Universitäten die echte Bildung.8 Die Vergrößerung des später als Mittelbau bezeichneten Lehrkörpers an den Universitäten führte zur Prekarisierung weiter Teile der Hochschullehrer. Selbst bei hinreichender materieller Versorgung durch Erbschaft oder günstige Heirat geriet die Warte- und Probezeit als Privatdozent zur nervlichen Belastungsprobe. Die NichtOrdinarien hatten oft das Gefühl, durch „jahrelange Versumpfung“ in einem geistig fordernden und mit Anerkennung geizenden Forschungs- und Lehrbetrieb „jeglichen Halt“ zu verlieren.9 Der an Wilhelm von Humboldt geschulte Bildungsidealismus stand im Gegensatz zu den Funktionen des universitären Feldes, welche durch die gesellschaftliche Umwelt dieses Feldes definiert worden waren. Das sorgte für einen Reformstau. Vielfach blieben die Ideale bloßes Wunschdenken, das sich, umso größer die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu werden drohte, weiter verfestigte. Das Humboldt’sche Bildungsideal implizierte ein geisteswissenschaftliches Primat der Philosophie. Auf dieser Basis sollten sich Lehre und Forschung miteinander verbinden: Forschung beginne mit der humanistisch gebildeten Persönlichkeit, die erst in ihrer vollen philosophischen Reife zur Hervorbringung neuen Wissens in der Lage sei. Doch führten die strukturellen 6 7 8 9
Gerber/Steinbach (2005), S. 16. Vgl. Jarausch (1984), S. 73 f. Wer als „Persönlichkeit“ gilt, wird in zumeist männlichen Spielen ausgehandelt, die sich nicht nach wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit bemessen, sondern mittels sozialer Machtdynamiken und ihrer Symbole verhandelt werden. Vgl. hierzu Engler (2000). Steinbach (2005).
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Zwänge einer gesteigerten Forschungstätigkeit notwendigerweise zur Spezialisierung, wodurch der Forschungsimperativ, dem die Lehrenden unterlagen, in einem Spannungsverhältnis zum Ideal der Allgemeinbildung aufseiten der Lernenden stand.10 Trotz dieser ideellen und funktionalen Gegensätze bezogen sich beide Prinzipien aufeinander: Der Bildungshistoriker Charles E. McClellend vertritt gar die These, erst ein Anstieg der Studierendenzahlen habe den Forschungsimperativ innerhalb des Lehrkörpers hinreichend verankert.11 Und hier wird ein weiterer Gegensatz als Folge einer Kollision der drei Universitätsfunktionen deutlich: Nicht nur allgemeine Bildungs- und Forschungsfunktion standen sich gegenüber, auch der Bedarf an einer schulmäßigen Berufsausbildung stand in einem Spannungsverhältnis zur forschungsorientierten Lehre.12 Zwischen den Stühlen zweier gesellschaftlich geforderter Verwertungsfunktionen bewegte sich das allgemeine Bildungsideal und dort erwies es sich als grundlegend antinomisch: Es sollte die Bedingungen einer von instrumentellen Zwängen befreiten geistigen Autonomie sichern, doch blieb es zugleich auf die Strukturen einer durch wirtschaftliche Prämissen strukturierten Gesellschaftsordnung verwiesen.13 Trotz dieser Gegensätze verbreitete sich das spezifisch deutsche Modell der Forschungsuniversität in weiten Teilen der Erde.14 Die fünf Problemkreise weisen auf ein Wechselverhältnis zwischen Macht und Wissen, Sozialem und Kulturellen, Strukturen und innerhalb dieser Strukturen lebenden Akteurinnen und Akteuren hin. Die Institutionalisierungsprozesse begleiteten fortwährend Versuche der Deutung, Steuerung und Korrektur durch die Handelnden. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich eine weitere Ebene: die Positionen der Subjekte. Die Fremdzuschreibungen vom ausländischen Studenten oder vom Brotstudenten konnten in derartige Positionen eingehen, die als Strukturbedingungen nicht der eigenen Selbstwahrnehmung entsprechen mussten. Doch auch die Professoren nahmen Subjektpositionen ein, die sich in einem spezifischen Habitus ausdrückten. Das Krisengefühl und die damit einhergehenden Verunsicherungen bestärkten dabei sogar ihre „kulturaristokratische Orientierung“.15 Vor diesem Hintergrund erschien die Frauenfrage als eine soziale Frage.16 Die ohnehin mit dem sozialen Wandel kämpfende 10 11 12 13 14
15 16
Für Mitchell G. Ash gehört die Auflösung der Einheit von Forschung und Lehre zu den im Kaiserreich sich vollziehenden „Brüchen“ innerhalb der Wissenschaft. Vgl. Ash (2002), S. 35. Vgl. McClelland (2012a), S. 453. Vgl. McClelland (2012b), S. 519. Zur Bildungsantinomie vgl. Adorno (2003 [1959]), S. 104. Vgl. Charle (2004), S. 19; vgl. zur Entwicklung in einzelnen Ländern den Sammelband von Schwinges/Staub/Jost (2001). Vielleicht erwies es sich andernorts deshalb als erfolgreich, weil es vom ideellen Ballast befreit worden war? Die Kehrseite dieser ideellen Aushöhlung erleben die Universitäten heute in der Form, dass die geisteswissenschaftlichen Bereiche zunehmend unter ökonomischen Druck geraten, weil sie nicht unmittelbar wirtschaftlichen Verwertungsinteressen dienen. Vgl. hierzu Nussbaum (2010), S. 9. vom Bruch/Kocka (1989), S. 148. Vgl. hierzu Kuhn (2002), S. 37 f.
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Universität und ihre kulturaristokratischen Funktionsträger erwiesen sich als wenig geeignet zur Lösung derartiger Fragen. Dementsprechend ist es kaum überraschend, dass der Eintritt von Frauen zu keiner grundlegenden Änderung einer männlich geprägten Kultur an den Universitäten führte. Vielmehr ging dieser Eintritt einher mit einer Stabilisierung der althergebrachten Strukturen einer Männeruniversität.17 Der zusätzliche Störfaktor des Frauenstudiums sollte in Bahnen gelenkt werden, die der etablierten Praxis entsprachen.18 In dieser Praxis musste die neue Subjektposition der Studentin jedoch erst geschaffen werden. Denn die bislang etablierte Praxis, die ihren Ausdruck im akademischen Bürgerrecht fand, war für Männer eng gekoppelt an Reife, Freiheit und Ehre und diese Werte verbanden sich mit einem corpsstudentischen Kult, der ihren exklusiv männlichen Charakter unterstrich.19 Frauen konnten zwar nach der Etablierung von Mädchengymnasien den Reifenachweis durch ihre Vorbildung erbringen, doch waren sie von der akademischen Freiheit, zumindest was das Alltagsleben anging, wegen bestehender moralischer Regeln ausgeschlossen; ebenso wie sie zur Satisfaktion, der Verteidigung ihrer Ehre gemäß studentischer Ehrenordnung, in den Augen von Verbindungsstudenten unfähig waren.20 Die folgenden Abschnitte widmen sich der Frage, zu welchen Veränderungen das Zusammenspiel der beschriebenen Machtpotenziale und Wissensbestände in drei Bereichen führte: der Institution, dem Wissen und den Subjektpositionen. 1. Institutionalisierungen: „Chi và piano và sano“ Chi và piano và sano. Man kann nur langsam vorwärts gehen, und wer zu viel verlangt, erreicht nichts oder doch nur sehr wenig. Heinrich Prinz von Schoenaich-Carolath (1852–1920), Landrat und Reichstagsabgeordneter, Berlin 190221
Bereits die Soziologin Costas hat auf Paradoxien im Zuge der Institutionalisierung des Frauenstudiums hingewiesen.22 Derartige Paradoxien gab es zahlreich: Als Reaktion auf Öffnungsprozesse im Ausland reagierten deutsche Hochschullehrer und Ministerialbürokraten mit formalen Ausschlüssen durch Erlasse oder durch Änderungen der Statuten. Trotz ernster Bedenken bezüglich der Disziplin von Studierenden erfolgten die ersten Öffnungsprozesse für Gasthörerinnen an großstädtischen Universität, etwa in Berlin – an mittelstädtischen Traditionsuniversitäten wäre hingegen das Maß der 17 18 19 20 21 22
Vgl. Bleker (1998a), S. 27. Vgl. Soden (1997), S. 621. Vgl. Levsen (2007a), S. 176; Mazón (2010), S. 113. Vgl. Brinkschulte (2011), S. 10 f. Reichstag (1903), S. 3582. Vgl. Costas (2010), S. 191 f.
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sozialen Kontrolle viel höher gewesen und hätte den Moralansprüchen eher genügt. Viele Bundesstaaten ließen Frauen früher zur Promotion als zur Immatrikulation zu. Reichseinheitliche Bestimmungen regelten die Approbationszulassung von Ärztinnen, obwohl die Bildungspolitik der Bundesstaaten für derartige Vorstöße besser geeignet gewesen wäre; ebenso war es Frauen in Preußen möglich, zur Oberlehrerinnenprüfung zugelassen zu werden, ohne ordentlich immatrikuliert zu sein. Vor allem bei Promotionen und der Gasthörerinnenschaft gehörten Ausländerinnen zu den Pionierinnen und der eigentliche Zulassungsprozess durch die ordentliche Immatrikulation war streng genommen kein Akt der Befreiung, sondern der Regulierung zur Eindämmung von Gasthörerinnen vor allem aus dem Ausland. Erst vor dem Hintergrund der bereits beschriebenen Wissensbestände lassen sich die genannten Paradoxien auflösen: Sie waren das Resultat einer Mentalität der kleinen Schritte. Diese Haltung wird deutlich in der eingangs zitierten Einschätzung des Prinzen von Schoenaich-Carolath – eines gemäßigten Befürworters von bürgerlich-gemäßigter Frauenbewegung und Frauenstudium. Keiner dieser Schritte sollte die begonnenen Institutionalisierungsprozesse hin zum Frauenstudium unumkehrbar machen. Die Suche nach einer neuen Ordnung entsprach einem Balanceakt, der zwar zu Transformationen führen sollte, jedoch keineswegs zu radikalen Veränderungen. Aufgrund dieses vorsichtig tastenden Voranschreitens muten die Institutionalisierungsprozesse paradox an. Für die beteiligten Akteure handelte es sich um ein Experiment, bei dem die Wahrung sowohl der bildungspolitischen als auch der geschlechterpolitischen Gegebenheiten an erster Stelle stand. Die folgende Darstellung der Prozesse einer Institutionalisierung des Frauenstudiums in fünf Unterabschnitten basiert überwiegend auf einer Auswertung der Forschungsliteratur, da die zugrunde liegenden internen Debatten, bürokratischen Abläufe und Entscheidungsprozesse an den Universitäten und in den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten nicht zum engeren Gegenstandsbereich dieser Arbeit gehören.23 Kodifizierung der Grenzen: Zur Sicherung der Männeruniversität In den Statuten der deutschen Universitäten fanden sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts keine expliziten Regelungen, die eine Studienzulassung von Frauen untersagten. Die ausschließliche Zulassung von Männern war vielmehr Bestandteil einer jahrhundertealten gewohnheitsrechtlichen Praxis. Von diesem Gewohnheitsrecht gab es lediglich die Ausnahme einer gastweisen Zulassung von Hörerinnen in einzelnen Vorlesungen und selten vorkommende Promotionen, die als Kuriositäten den Hochschulen mehr nützten als den promovierten Frauen. War eine Promotion geradezu 23
Für weitere Informationen siehe die in der Einleitung (Kapitel I, 3. Abschnitt) genannte Forschungsliteratur.
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unerreichbar, verbanden sich auch mit einer bloßen Zulassung als Gasthörerin noch vielfältige Hürden: Universitätsgremien, Rektoren und einzelne Hochschullehrer entschieden von Einzelfall zu Einzelfall, sodass Frauen auf die willkürliche Gunst der Entscheidungsträger angewiesen waren. Auch wenn die Akten der Universitätsarchive nur wenige Anhaltspunkte über frühe Gasthörerinnenschaft bieten, sprechen einige Indizien dafür, dass diese Praxis erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts größere Verbreitung erfuhr. Beispielsweise gab es an der Universität Freiburg 1846 spezielle Damenvorlesungen in Botanik – einer Disziplin, die bereits im 18. Jahrhundert als kompatibel mit dem weiblichen Geschlechtscharakter gedacht wurden.24 In Jena dehnte 1858 ein Senatsbeschluss die Befugnisse des Prorektors zur Zulassung von Gasthörern auf Frauen aus – überliefert ist allerdings nur ein einziger Fall, in dem von dieser Regelung Gebrauch gemacht wurde.25 In Heidelberg studierte seit 1869 die Mathematikerin Kovalevskaja und auch hier übertrug der Senat dem Prorektor sowie den jeweiligen Dozenten das Recht zur Zulassung von Gasthörerinnen, von dem bis 1871 etwa ein halbes dutzend Hörerinnen profitierte.26 In München ließ 1865 die Medizinische Fakultät eine Gasthörerin zu; zwischen 1869 und 1873 nahmen an der Münchner Universität weitere Frauen als Gasthörerinnen an Vorlesungen teil.27 Auch in Würzburg sind vor 1870 vereinzelte Hörerinnen belegt.28 An der Universität Göttingen kam es 1874 zur Ausnahmepromotion von Kovalevskaja, nachdem zuvor Gasthörerinnen geduldet worden waren. Für die Universität Leipzig sind zwischen 1870 und 1882 etwa 24 Gasthörerinnen überliefert.29 Bei all diesen Fällen handelte es sich um Ausnahmeereignisse, die noch keine Erschütterung der impliziten Regeln einer gewohnheitsmäßigen Rechtspraxis herbeiführten – an allen Universitäten erfolgte eine Zulassung der Gasthörerinnen durch Genehmigung der entsprechenden Hochschullehrer und des Rektors. Angesichts der veränderten Zulassungspraktiken in den Nachbarstaaten sowie der allmählichen Zunahme von Anfragen bezüglich der Aufnahme von Gasthörerinnen entwickelte sich in den 1870er Jahren ein Problembewusstsein an deutschen Universitäten, das dafür sorgte, dass prinzipielle Entscheidungen der Universitätsgremien notwendig wurden: Die weiblichen Gäste der Universitäten traten aus der Unsichtbarkeit heraus und drängten die universitätspolitischen Entscheidungsträger aus Sicht eines männlich konnotierten akademischen Bürgerrechts zur Wiederherstellung brüchig werdender Geschlechtergrenzen. Angesichts einer Zulassung von Frauen an den Universitäten in Zürich 1864 (regulär 1867) und Bern 1872, der Medizinischen Fakultät in Paris 1868, den Universitäten in Stockholm und Upsala 1870, in Rom und Bologna 1876, 24 25 26 27 28 29
Vgl. Scherb (2007), S. 136. Arnold (1986); Vgl. Altwasser (1999), S. 57. Vgl. Moritz (2007), S. 791; Birn (2015), S. 21 f. Vgl. Schultze (1889), S. 60; Kerschbaumer (1889), S. 4; Henrich-Wilhelmi (1892), S. 22. Vgl. Hessenauer (1996); Birn (2015), S. 34. Vgl. Kronfeld (1895), S. 12; Brentjes/Schlote (1993), S. 64; Birn (2015), S. 49 f.
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Effekte des Macht-Wissen-Komplexes: Die Durchsetzung des Frauenstudiums
in Kopenhagen 1875 sowie in Amsterdam und Brüssel 1880 sollte die Gasthörerinnenschaft offenbar nicht länger als falsches Signal des Wohlwollens aufgefasst werden. Das ablehnende Klima an den deutschen Universitäten entsprach in Sachen Frauenstudium der konservativen politischen Wende, die in den 1880er Jahren die Reichspolitik bestimmen sollte. Bei den konservativen Korrekturen in der Auslegung bisheriger Zulassungsbedingungen wurden nur selten die Statuten geändert. Stattdessen sorgten einzelne Senats- oder Regierungserlasse für einen Ausschluss. Der preußische Kultusminister Heinrich von Mühler (1813–1874) betonte bereits im Juni 1871, dass beim Erlass der Berliner Universitätsstatuten nicht an Frauen gedacht worden sei. In Zukunft könne daher „weiblichen Personen der Besuch der Vorlesungen auf dortiger Universität“ nicht gestattet werden.30 Ein Jahr später, als durch die ablehnenden Äußerungen des Anatomieprofessors Bischoff eine erste öffentliche Debatte über das medizinische Frauenstudium in Deutschland entbrannte, sah von Mühler kein Bedürfnis, „weibliche Ärzte“ auszubilden.31 Im öffentlichen Diskursfeld fand eine Reflexion dieser Ausschlusspraktiken erst mit einem erheblichen zeitlichen Abstand in den späten 1880er und 1890er Jahren statt. Lediglich die Anfragen von russischen Studentinnen erfuhr eine breite Rezeption: Etwa 100 aus dem Russischen Reich stammende Studentinnen hatten aufgrund eines Zarenerlasses 1873 Zürich verlassen müssen und baten nun um die Aufnahme an reichsdeutschen Universitäten unter anderem in Straßburg, Gießen, Erlangen, Rostock, Tübingen und Heidelberg.32 Während in Rostock die Anfragen der aus Zürich vertriebenen Exilantinnen ohne Reaktion blieben, führten sie in Heidelberg im August 1873 auf Beschluss des Senats zur völligen Ablehnung einer weiteren Aufnahme von Gasthörerinnen. Aufgrund des Widerstandes vonseiten der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät, die eine Zulassung befürwortete, durften die bislang zugelassenen Hörerinnen, deren Zahl sich auf sieben oder acht Frauen belief, ihre begonnenen Studien jedoch fortsetzen. Bereits im September 1871 hatte sich eine Tendenz zur Einschränkung der ohnehin geringen Hörerinnenzahl abgezeichnet, als der Senat ein Zulassungsstopp für Gasthörerinnen beschloss.33 In Tübingen beschäftigte sich der Senat ebenfalls anlässlich der Anfrage einer russischen Studentin aus Zürich mit dem Thema. Auf eine Intervention des Gynäkologen Johann Säxinger erging ein negativer Bescheid. Die Anfrage eines Amerikaners zur Zulassung seiner Tochter 1876 veranlasste den Senat schließlich zu einer prinzipiellen Ablehnung in der Frage.34 Auch der Straßburger Universitätssenat entschied
30 31 32 33 34
Mühler (1871), S. 352. Mühler (1872), S. 74. Vgl. Zehender (1875), S. 16; zu Auswirkungen und Hintergründen vgl. Neumann (2021). Vgl. Moritz (2007), S. 792 f; Birn (2010), S. 23 f. Vgl. Birn (2015), S. 45 f.
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1873 gegen eine Zulassung von Frauen: Obwohl die 1872 unter deutscher Herrschaft neugegründete Reformuniversität weniger traditionsverhaftet war, argumentierten die Beteiligten wenig glaubwürdig, an der Hochschule sollten keine „sonst noch nirgends“ erprobten „Neuerungen“ eingeführt werden.35 Im Jahr 1879 erfolgte an der Universität Jena der formalrechtliche Ausschluss von Frauen, anders als in Heidelberg, Tübingen und Straßburg jedoch durch eine Änderung der Universitätsgesetze: In der neuen Fassung der Gesetze für die Studierenden regelte nun der § 2 die explizite „Unfähigkeit zur Immatrikulation“ für „Personen des weiblichen Geschlechts“. In der Fassung von 1893 rückte der Ausschluss mit dem Hinweis, nur Männer seien zur Aufnahme in das akademische Bürgerrecht fähig, in den § 1. Zudem regelte der § 61 bzw. ab 1893 der § 59 das Hören von Vorlesungen für „nicht immatrikulierte Personen männlichen Geschlechts“. In den Jenaer Rektor- und Senatsakten zur Änderung der Gesetze ist keine Diskussion über den Ausschluss von Frauen überliefert – er dürfte weitgehend geräuschlos implementiert worden sein.36 In Sachsen legte nach einer Debatte in der Ersten Kammer des Landtags 1879 zur Änderung der Immatrikulations- und Disziplinarordnung die königliche Staatsregierung eine strenge Auslegung der Immatrikulationsordnung fest: Der Begriff „Person“ beziehe sich ausschließlich auf Personen männlichen Geschlechts. Gegen die bisher gültige Autonomie bei der Zulassung von Gasthörerinnen verfügte zudem der Kultusminister Karl von Gerber (1823–1891) trotz der Proteste des amtierenden Rektors, dass jeder Antrag auf Zulassung von Frauen seiner Zustimmung bedürfe. In der Praxis sorgte diese Verschärfung für einen faktischen Ausschluss von Hörerinnen: Das Kultusministerium lehnte zwischen 1882 und 1896 alle Anträge wegen fehlender Vorbildung ab.37 In München wurden nach 1880 ebenfalls keine Gasthörerinnen mehr zugelassen.38 Aufgrund einer Anfrage des Referenten für Universitätsangelegenheiten erließ schließlich auch der preußische Unterrichtsminister von Goßler per Ministerialreskript vom 9. August 1886 eine Verordnung, die nun für sämtliche zehn Universitäten in Preußen galt:39 Demnach durften „Frauen weder als Studirende aufgenommen noch als Hospitantinnen zugelassen werden“.40 An den reichsdeutschen Universitäten waren damit alle Durchlässe für bildungshungrige Frauen geschlossen. Vielen blieb lediglich der Weg ins deutschsprachige Ausland. In Österreich verbot jedoch am 6. Mai 1878 der Kultusminister ausdrücklich die Immatrikulation – Anlass war auch hier die Zunahme von Studienbewerberinnen.41 Die ausgeschlossenen Frauen trieb es deshalb ins Bildungsexil nach Zürich. Mit den dort gemachten Erfahrungen heimkehrend, waren sie die lebendigen Beweise für die 35 36 37 38 39 40 41
Maurer (2013), S. 12. Vgl. hierzu Neumann (2020a); Westphal (1999); Altwasser (1999). Vgl. Brentjes/Schlote (1993), S. 64 f; Birn (2015), S. 50 f. Vgl. Henrich-Wilhelmi (1892), S. 22 f. Costas (2010), S. 195; Vgl. Birn (2015), S. 64. Goßler (1886), S. 621. Vgl. Grabenweger (2016), S. 1.
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Verfehltheit einer immer anachronistischer werdenden Ausschlusspraxis, die Deutschland in kultureller Hinsicht vor den Augen der Weltöffentlichkeit lächerlich zu machen drohte. Propaganda der Tat: Maßnahmen zur Lösung des Vorbildungsproblems Jener, gegen die Zulassung früher vorgebrachte Grund:‚die fehlende gymnasiale Vorbildung‘ ist ja inzwischen durch die Einrichtung von Mädchengymnasien in Karlsruhe und Berlin hinfällig gemacht worden […]. B. Langer (Arzt), Wiesbaden 189442
Im Jahr 1893 überwies das Preußische Abgeordnetenhaus eine Petition zur Reifeprüfungszulassung von Mädchen zur Erwägung an die Regierung. Eine Zulassung zur Abiturprüfung für Mädchen schien nun erreichbar, was fehlte waren adäquate Vorbereitungsmöglichkeiten für diese Prüfungen. Für Lange und ihre Mitstreiterinnen war die Petition das Startsignal für gymnasiale Vorbereitungs- bzw. Aufbaukurse. Den Aktivistinnen blieb nur dieser Weg der Eigeninitiative, weil staatliche Stellen nicht einmal die Reform der bestehenden Mädchenschulen auf den Weg brachten. Vom Erfolg der ersten Abiturientinnen hing jedoch die ganze weitere Entwicklung der akademischen Frauenbildungsfrage ab.43 Etwas früher, nämlich im Oktober 1892, gründete der Wiener Verein zur Erweiterung der Frauenbildung eine private gymnasiale Mädchenschule.44 Durch derartig eigenständige Institutionalisierungsleistungen schuf die Frauenbewegung Tatsachen. Eine breite Öffentlichkeit erfuhr zugleich von ihren Anliegen: Der Bildungshistoriker James C. Albisetti und die Bildungshistorikerin Juliane Jacobi bezeichnen diesen Prozess daher als Propaganda der Tat.45 Die deutsche Frauenbewegung ging die Etablierung institutionalisierter Formen einer zum Abitur führenden Mädchenbildung auf zweierlei Weisen an: Die erste Initiative lässt sich nach der zeitgenössischen Klassifikation des Mädchenschuldirektors Buchner als „Berlin-Leipziger System“ bezeichnen.46 Gemeint sind die von Lange geleiteten Berliner Kurse sowie die vom ADF in Leipzig 1894 eingerichteten Realgymnasialkurse. Ihr institutioneller Grundstein war in Berlin bereits 1888 durch die an der Berliner Charlottenschule begründeten Realkurse gelegt worden. Als eine Zulassung zur Abiturprüfung erreichbar schien, mussten die bestehenden Strukturen im Herbst 42 43 44 45 46
Langer (1894), S. 3. Vgl. Lange (1922), S. 204. Oelsner (1894a), S. 32; vgl. Wilhelm (1898), S. 27. Die Bezeichnung findet sich bereits in der Satzung des Vereins und wird in der Forschungsliteratur immer wieder aufgegriffen. Vgl. Kinnebrock (2005), S. 122; Albisetti (2007), S. 229; Jacobi (2013), S. 298. Buchner (1898), S. 376.
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1893 lediglich zu gymnasialen Kursen ausgebaut werden. Ideell beruhte das Projekt fest auf den Grundsätzen des ADLV: Nur weibliche Lehrkräfte könnten den Übergang zum „spezifisch Weiblichen“, der bei jungen Mädchen nicht ohne „Gemütskrisen“ vonstattengehe, begleiten – schließlich seien diese Krisen von ihnen selbst durchlebt worden.47 Gleichzeitig orientierte sich das Curriculum der Kurse am Lehrplan von Knabengymnasien, um den inhaltlichen Anforderungen der Abiturprüfung zu genügen – dies entsprach zwar nicht der Vorstellung einer dem weiblichen Wesen adäquaten Bildung, musste jedoch in Kauf genommen werden, wie Lange betonte: „Um ohne Bild zu sprechen: wir können nur die staatlich angewiesene Bildung und Vorbildung uns aneignen, ob sie uns in allen Einzelheiten sympathisch ist oder nicht.“48 Lange und ihre Mitstreiter/-innen glaubten diesem Problem durch ein hohes Mindestalter begegnen zu können, sodass eine Zulassung erst nach der Absolvierung einer zehnstufigen Mädchenschulvorbildung erfolgte. Dadurch sollte vermieden werden, dass die betreffenden Mädchen zu früh einen für Frauen untypischen Lebensweg einschlugen. In erster Linie strebten die Eltern schließlich die Heirat ihrer Töchter an. Erst wenn sich bei einer Schülerin eine besondere geistige Veranlagung zeigte, käme ein anderer Lebensweg in Betracht.49 Diesen Weg sollten solche Kandidatinnen zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr beginnen und nach vier Jahren mit der Abiturprüfung einen ersten Meilenstein erreicht haben.50 Eine externe Kommission, die nicht aus den Lehrerinnen und Lehrern der Gymnasialkurse bestand, prüfte die Schülerinnen. Diese besondere Erschwernis schilderte im Reichstag der nationalliberale Abgeordnete Schoenaich-Carolath, der als Vorstand einer Vereinigung zur Veranstaltung von Gymnasialkursen für Frauen selbst an deren Finanzierung beteiligt war: Die betreffenden Damen machen ihre Prüfung vor dem Königlich preußischen Kommissar, vor dem preußischen Provinzialschulrath, und es tritt hierbei noch die Erschwerung ein, daß […] die Damen von Lehrern geprüft werden, welche vom Kultusminister besonders bestellt sind, Herren, welche die Damen gar nicht unterrichtet haben.51
Trotz dieser Hürde bestanden am Ende des Jahres 1896 die ersten sechs Absolventinnen die Prüfung.52 Im Jahr 1902 zählten die Kurse, die mit 12 Schülerinnen begonnen hatten, 108 aktive Schülerinnen und 50 Abiturientinnen.53 Das System fand, wie der Name andeutet, zudem rasche Verbreitung in Leipzig und darüber hinaus in Königsberg und Stuttgart. Im Jahr 1902 konnte der freisinnige Abgeordnete Ernst Müller (1854–1917) 47 48 49 50 51 52 53
Lange (1922), S. 189. Lange (1894a), S. 286. Vgl. Tiburtius (1894), S. 138. Vgl. Lange (1895b), S. 426; vgl. auch W. Panzerbieter, in: Kirchhoff (1897), S. 296. Reichstag (1898), S. 558. Einen Eindruck vom Klima in diesen Kursen vermittelt Hilde Schramms Biografie der promovierten Altphilologin Dora Lux. Vgl. Schramm (2012), S. 70–76. Vgl. Poehlmann (1903), S. 616.
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in einer Rede im Reichstag bereits auf neun derartige Mädchengymnasien verweisen und prognostizierte einen fortschreitenden Anstieg.54 Während die Aktivistinnen der Frauenbewegung den Weg zum Abitur in Preußen ebneten, erfolgte ein weiterer bedeutsamer Schritt auf dem Weg zur Lösung der akademischen Frauenbildungsfrage: Im Zuge einer Neuordnung der höheren Mädchenbildung durch den preußischen Kultusminister Bosse im Mai 1894 durften Lehrerinnen mit mindestens zweijähriger Unterrichtserfahrung an öffentlichen Schulen an der Oberlehrerprüfung teilnehmen.55 Die absolvierte Prüfung berechtigte zum Unterricht in den oberen Stufen der höheren Mädchenschulen.56 Die Prüfungsvorbereitung konnte an Fortbildungskursen in Berlin und Göttingen oder durch gänzlich private Vorbereitungen unternommen werden.57 Das Motiv dieser Neuordnung bestand keineswegs in einer Gleichstellung mit männlichen Oberlehrern: Vielmehr sollte die wissenschaftlich gebildete Lehrerin als Gehilfin des Mädchenschuldirektors bei der Erziehung zur echten Weiblichkeit mitwirken. Mit diesem Zugeständnis ging die gleichzeitige Zurückweisung des von Lange und ihren Mitstreiterinnen geschürten Zweifels an der „erziehlichen Kraft“ von Lehrern an Mädchenschulen einher.58 Damit verbarg sich hinter dem Zugeständnis des Kultusministers Bosse das Motiv einer Einhegung der aus Privatinitiativen hervorgegangenen Neuerungen: „[D]en aus freier Vereinsthätigkeit hervorgegangenen Fortbildungskurse[n]“ sollte „ein festes Ziel“ gegeben werden.59 Um in der von Buchner verwendeten Klassifikation zu bleiben, lässt sich die zweite Initiative zur Schaffung gymnasialer Vorbildungsstrukturen durch die Frauenbewegung als „Karlsruhe-Breslauer System“ bezeichnen.60 Treibende Kräfte hinter dem Projekt zur Gründung eines Mädchengymnasiums in Karlsruhe waren Kettler und der Verein Frauenbildungsreform (VFR).61 Bei dieser Schulform sollte es sich wie bei den Knabengymnasien um ein grundständiges Gymnasium handeln.62 Eine Aufnahme im Alter von bereits zwölf Jahren, nach sechs Jahren höherer Mädchenschulbildung, betrachteten viele Zeitgenossen und -genossinnen als einen Nachteil, da in diesem Alter für Mädchen die Berufswahl im akademischen Bereich verfrüht sei. Andererseits besaßen die Schülerinnen hier aufgrund der Mindestschuldauer von sechs Jahren mehr Zeit, sich den Abiturstoff anzueignen.63 Das Projekt begann 1893 mit einigen Startschwierigkeiten: Neben finanziellen Problemen schied der Schulleiter Friedrich Haag (1846–1914), 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
Vgl. Reichstag (1903), S. 3579. Vgl. Bosse (1894b), S. 744. Vgl. Windscheid (1901), S. 150. Vgl. Bosse (1894c), S. 744. Vgl. Bosse (1894a), S. 451. Vgl. ebd., S. 452. Buchner (1898), S. 376. Zur Vereinsausrichtung vgl. Kapitel II, 2. Abschnitt: Die Organisationsbasis der Frauenbildungsbewegung. Vgl. Kleinau (1996), S. 126. Vgl. Buchner (1898), S. 376.
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seit 1891 ordentlicher Professor in Bern, wegen Kritik an seinen Lateinlehrmethoden bereits zu Beginn des Jahres 1894 wieder aus.64 Im September 1898 ging die Verwaltung der Schule in städtische Hand über, was schließlich die prekären Strukturen nachhaltig festigte.65 Da der Ausbildungsgang zwei Jahre länger währte als im Berlin-Leipziger System verließen die ersten Abiturientinnen am Ende des Jahres 1899 das Karlsruher Mädchengymnasium. Die Absolventinnen kamen zunächst als Gasthörerinnen nach Freiburg und Heidelberg und dürften den Druck zur ordentlichen Immatrikulation auf die Regierung in Baden erhöht haben. Buchner bezog in seine Klassifikation die seit 1897 konkretisierten Bestrebungen zur Gründung eines Mädchengymnasiums nach Karlsruher Vorbild in Breslau ein. Tatsächlich hatten dort jedoch bereits Widerstände des preußischen Unterrichtsministeriums für ein Scheitern der entsprechenden Pläne im April 1898 gesorgt. Das Projekt hätte laut Kultusminister Bosse in ein „gefährliche[s] Fahrwasser der Frauenemanzipation“ geführt.66 Das preußische Staatsministerium hatte einen scharfen Blick darauf, ob Mädchengymnasien eine potenzielle Gefahr für eine spezifisch weibliche Erziehung darstellten, und offenbar zählten die Bestrebungen nach Karlsruher Vorbild hierzu. Was die Gymnasialkurse nach dem Berlin-Leipziger System anging, konnte Conrad von Studt (1838–1921), der 1899 Bosses Nachfolger wurde, das Staatsministerium beruhigen, sodass die laufenden Schulversuche in Preußen weitergehen konnten wie bisher, während die bildungspolitischen Aktivitäten radikaler Frauenrechtlerinnen als gefährliche, „aus dem Ausland importierte Bestrebungen“ gebrandmarkt werden konnten.67 Was in Preußen als „unnatürliches Fahrwasser“ galt, befand sich in Baden keineswegs an den Grenzen des Denkbaren: Dort gingen die Behörden schon bald noch einen Schritt weiter und erlaubten in Pforzheim, Mannheim und Konstanz koedukative Gymnasien.68 Experimenteller Progress: Die (Wieder-)Zulassung von Gasthörerinnen Ich bin nicht der Meinung, dass es sich empfehlen dürfte die Dozenten zu zwingen, die Frauen, welche die Erlaubnis zum Universitätsstudium erlangt haben, auch zu ihren Vorlesungen zuzulassen; dies sollte vermieden werden; denn damit würden die Lehrer unter Umständen […] in der Freiheit und Unbefangenheit ihres Lehramtes beschränkt. Wilhelm Waldeyer (1836–1921), Professor für Anatomie, Berlin 1898
64 65 66 67 68
Vgl. Müller (1894), S. 36; vgl. auch Kaller (1992), S. 366; zu Haag vgl. Art. „Friedrich Haag“, in: Historisches Lexikon der Schweiz (2007). Vgl. Bistram (1899), S. 7; vgl. auch Schmidbaur (1990), S. 40–43. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2003), S. 26. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2001), S. 88. Vgl. Lange (1904), S. 360.
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Die Praxis der Zulassung von sogenannten Hospitanten regelte in Preußen seit 1830 ein Ministerialerlass, gemäß dem der jeweilige Hochschullehrer über eine Zulassung entschied. Dass sich die Möglichkeit einer Gasthörerschaft allein auf Männer bezog, konkretisierte ein Ministerialreskript von 1886.69 Veränderungen hin zu einer Öffnung der Gasthörerschaft für Frauen gingen zunächst von anderen Bundesstaates aus: Seit 1891 fanden sich zunächst in Baden erneut Gasthörerinnen in den Vorlesungen. Es folgten schrittweise alle anderen Bundesstaaten, die Universitäten unterhielten. Als schließlich die Universität Jena 1902 Hörerinnen zuließ, war der Prozess einer (Wieder-)Zulassung im gesamten Deutschen Reich abgeschlossen. Eine Zulassung als Gasthörerin verband sich für Frauen mit einer strengeren Regulierung, als es bei Männern der Fall war: So hatten sie den Nachweis einer genügenden Vorbildung zu erbringen. Bei diesem Nachweis gab es vor allem bei Ausländerinnen weite Ermessensspielräume darüber, was als genügende Vorbildung zu gelten hatte. In vielen Fällen verlangten die Universitätsbehörden zudem ein polizeiliches Sittenzeugnis vom letzten Wohnort. Unter den ersten Hörerinnen fand sich ein hoher Anteil an Ausländerinnen, sodass das Frauenstudium zumindest teilweise als der Import einer Modellpraxis betrachtet werden muss. Die (Wieder-)Zulassung von Gasthörerinnen knüpfte sich zudem eng an die Zulassung zur Promotion. Weshalb dieser Schritt früher erfolgte als eine reguläre Immatrikulationszulassung, lässt sich damit erklären, dass eine Qualifikation durch Promotion lediglich für innerakademische Karrieren bedeutsam war. Mit einem Doktortitel verbanden sich keine Ansprüche auf Berufstätigkeit in den freien akademischen Berufen – hierfür bedurfte es der Zulassung zu den Staatsprüfungen. Im Jahr 1899 konstatierte Windscheid auf dem ESK rückblickend, es müsse „dankbar […] das freisinnige Vorgehn der badischen Landesuniversität anerkannt werden“.70 Die Heidelberger Universität entschied 1891 prinzipiell zugunsten einer Zulassung von Hörerinnen. Ein weiterer Vorstoß zur Promotionszulassung erfolgte auf Initiative der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät 1894. Im benachbarten Württemberg kam es an der Universität Tübingen 1892 auf Empfehlung des Kultusministeriums zur außerordentlichen Zulassung der Gräfin Maria von Linden (1869–1936). Knapp entschied der Senat mit zehn zu acht Stimmen für die Zulassung der späteren Zoologin und (Titular-)Professorin. Es vergingen fünf Jahre, bis 1897 drei Lehrerinnen erfolgreich den Antrag auf Zulassung für eine Vorlesung in Geschichte an der Tübinger Universität stellten. Auch in den darauffolgenden Jahren handelte es sich bei den Gasthörerinnen in Tübingen um württembergische Lehrerinnen, da diese den Vorbildungsansprüchen genügten. Die Zahl blieb gering – im Jahr
69 70
Vgl. Statuten der Königlich Preussischen Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität (1900), S. 56. Windscheid (1899), S. 762.
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1899 waren es lediglich fünf.71 Im Mai 1901 ermächtigte schließlich das Kultusministerium den Rektor, eigenmächtig über die Zulassung von Gasthörerinnen zu entscheiden. Als Nächstes wagte Mecklenburg-Schwerin den Schritt zur Gasthörerinnenzulassung im Wintersemester 1895/96 an der Universität in Rostock. Bis 1906 blieb die Zulassung von Gasthörerinnen auf die Philosophische Fakultät beschränkt, da ein „besonderes berufliches Interesse“ vorhanden sein musste, was bedeutete, dass die Zulassungspraxis auf die Fortbildung von Lehrerinnen zielte.72 Seit 17. Mai 1906 erfolgte eine Zulassung von Hörerinnen auf Grundlage des Reifezeugnisses.73 Im Großstaat Preußen fand sich im April 1894 eine erste Gasthörerin aus Frankreich an der Berliner Universität ein und einen Monat später eine weitere Hörerin aus Deutschland.74 Diese vorsichtigen Öffnungsschritte wurden vonseiten des preußischen Kultusministeriums als Experiment begriffen und standen im Kontext von Nachforschungen zur Praxis des Frauenstudiums in anderen Staaten: So reiste der Mathematiker Felix Klein (1849–1925) für eine Studie über die dortigen Universitäten in die Vereinigten Staaten. Den Auftrag hierzu hatte er vom Universitätsreferenten Althoff erhalten – einem leitenden Beamten im preußischen Kultusministerium, der als einflussreicher Hochschulpolitiker bekannt war. Klein sollte dort auch Interessentinnen für ein Studium in Göttingen anwerben. Albisetti vertritt die These, Althoff habe zunächst Erfahrungen mit ausländischen Gasthörerinnen sammeln wollen, bevor preußischen Frauen generell die Zulassung ermöglicht würde. Ein Erlass vom 10. September 1894 ermöglichte einem weiten Kreis von Frauen die Zulassung zur Gasthörerinnenschaft, wenngleich jede Kandidatin hinsichtlich ihres Bildungsgrades und ihrer charakterlichmoralischen Eignung geprüft wurde.75 Erst am 16. Juli 1896 erfolgte eine prinzipielle Entscheidung des preußischen Kultusministeriums, die für alle preußischen Universitäten Geltung besaß und weitere Einzelfallgenehmigungen durch das Ministerium überflüssig machte. Von nun an erfolgte eine Zulassung von Hörerinnen durch die autonome Entscheidung der Universitätsrektoren sowie der einzelnen Professoren für ihre jeweiligen Vorlesungen.76 Wie in Württemberg und Mecklenburg-Schwerin nutzten vor allem die über eine ausreichende Vorbildung verfügenden Lehrerinnen die Möglichkeit der Gasthörerinnenschaft zur Vorbereitung auf die Oberlehrerinnenprüfung. Laut einer Umfrage von Michael Ernest Sadler (1861–1943) und John Wilson Longsdon (1861–?) für das britische Unterrichtsministerium waren 1896 alle preußischen Universitäten bei entsprechender Qualifikation und Zustimmung durch Kuratoren
71 72 73 74 75 76
Vgl. Schirmacher (1899), S. 20. Vgl. ebd., S. 35. Vgl. Beese (2010), S. 24 f; Kleinschmidt (2010), S. 31. Vgl. Heller (1902), S. 67; vgl. auch Albisetti (2007), S. 245. Vgl. Tobies (2008), S. 23. Bei Tobies findet sich eine Tabelle über Hörerinnenzahlen an preußischen Universitäten zwischen 1895 und 1897. Vgl. Schramm (2012), S. 88.
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und jeweilige Dozenten zur Aufnahme von Gasthörerinnen bereit.77 Am 10. März 1899 erfolgte auf Erlass des Kultusministers zur „Vereinfachung des Geschäftsganges“ eine Gleichstellung von männlichen und weiblichen Hospitierenden durch Wegfall der Einzelfallprüfung.78 Seit 1899 war es Frauen zudem möglich, an der Universität in Berlin promoviert zu werden. Hierfür bedurfte es eines Antrags beim Kultusministerium sowie des einstimmigen Beschlusses der betreffenden Fakultät. Bis 1908 machten 22 Frauen von diesem Recht Gebrauch – darunter befanden sich 13 Ausländerinnen.79 In Sachsen erteilte der Kultusminister zu Beginn der 1890er Jahre zwei Töchtern eines Medizinprofessors die Erlaubnis, an Vorlesungen teilzunehmen.80 In den Folgejahren waren es vor allem Amerikanerinnen und Engländerinnen, die als Gasthörerinnen in Leipzig zugelassen wurden.81 Erstaunlicherweise promovierte ausgerechnet die Juristische Fakultät 1898 eine Frau während diesbezüglich in der Medizinischen und Philosophischen Fakultät weiterhin Vorbehalte herrschten.82 In der Immatrikulationsordnung vom 8. März 1899 wurde schließlich ausdrücklich festgelegt, „daß weibliche Personen zur Erlangung eines Hörerscheins der besonderen Genehmigung des Kultusministeriums bedürfen“.83 Unter den bayrischen Universitäten war Erlangen 1897 die erste, an der es zur offiziellen Zulassung von Gasthörerinnen kam. Bereits 1896 erlaubte das Kulturministerium in Einzelfällen Gasthörerinnen an der Münchner Universität.84 Würzburg ließ ab Wintersemester 1899/1900 regulär Gasthörerinnen zu, nachdem 1896 die amerikanische Zoologieprofessorin Marcaella J. O’Grady vom Vassar College durch eine Ausnahmegenehmigung einen Hörerinnenschein erlangt hatte, um ihr Universitätseinrichtungen zugänglich zu machen. Am 25. Juli 1900 wurde dann erstmals in Bayern eine Frau promoviert. Durch ein Schreiben an alle drei bayrischen Universitäten genehmigte die Regierung im Jahr 1901 unter der Bedingung ausreichender Vorbildung alle Gasthörerinnengesuche.85 Was die kleinstaatlichen Universitäten anging, so erfolgte im Jahr 1900 in Gießen die offizielle Zulassung von Hörerinnen, nachdem der Senat sich mit 18 zu acht Stimmen sogar für eine vollständige Immatrikulation ausgesprochen hatte, die allerdings erst 1908 möglich wurde.86 In Straßburg sorgte eine Petition elsässischer Lehrerinnen dafür, 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
Vgl. Sadler/Longsdon (1896), S. 704–707. Vgl. Bosse (1899), S. 420. Vgl. Vogt (2003), S. 33. Vgl. (Reichstag) (1892), S. 2003. Vgl. Kersten (1892), S. 15. Vgl. Neustätter (1898a), S. 1 (237). Juristinnen wurde im Gegensatz zu Ärztinnen oder Lehrerinnen nicht als Bedrohung begriffen, da eine Berufsausübung nicht zur Debatte stand. Vgl. Röwekamp (2011), S. 40. Vgl. Sächsischer Landtag (1900). Vgl. Sadler/Longsdon (1896), S. 707. Vgl. Hessenauer (1996), S. 44 f. Vgl. Lind (2008), S. 13; Birn (2015), S. 60 f.
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dass im Februar 1900 ein geordnetes Verfahren für die Zulassung von Gasthörerinnen eingeführt wurde.87 Für die Universität Jena beschlossen die vier ernestinischen Erhalterstaaten auf einer Universitätskonferenz am 13. Dezember 1901 positiv über die Frage der Gasthörerinnen.88 In der ersten Zeit behielt sich die großherzogliche Regierung in Weimar jedoch das Recht vor, anders als bei männlichen Gasthörern über Zulassungen von Frauen als Hörerinnen im Einzelfall zu entscheiden.89 Am 5. März 1902 trat die Regelung in Kraft: Eine Zulassung von Hörerinnen kam demnach infrage, wenn die bestandene Abgangsprüfung eines deutschen Lehrerinnenseminars vorlag und die Bewerberin die deutsche Reichsangehörigkeit besaß. Ausnahmen waren nur „bei dem Vorliegen besonders triftiger Gründe“ möglich. Zudem mussten Bewerberinnen ein Sittlichkeitszeugnis vorlegen, das ihre tadellose moralische Lebensführung unter Beweis stellen sollte.90 Bereits am 13. Februar 1897 hatte der Jenaer Universitätssenat positiv über die Doktorprüfungen von Frauen an der Philosophischen Fakultät entschieden.91 Jedoch erfolgte die erste Promotion einer Frau, der Amerikanerin Rowena Morse (1870–1958), erst zwei Jahre nach der Zulassung von Hörerinnen am 30. Juli 1904, nachdem die Hürden für die Promotionszulassung gelockert worden waren.92 Hinsichtlich der Institutionalisierung der Gasthörerinnenschaft lassen sich zusammenfassend folgende Merkmale festhalten: Zu Beginn bedurfte eine Zulassung noch der Zustimmung des zuständigen Ministeriums; anschließend erfolgte ein schrittweiser Abbau der daraus erwachsenden Hürden. Die notwendige Einwilligung des jeweiligen Hochschullehrers bedeutete allerdings einen Unsicherheitsfaktor, der seit etwa 1898 breit diskutiert wurde und dennoch nach erfolgreicher Immatrikulationszulassung 1908 in Preußen bis 1918 bestehen blieb.93 Die Hörerinnen und Studentinnen hingen somit noch relativ lange „von dem persönlichen Wohlwollen der betreffenden Herren“ ab.94
87 88 89 90
91 92 93 94
Vgl. Schirmacher (1899), S. 35. Vgl. Neumann (2020a). Es sei denn die Bewerberin kam aus einem der drei anderen Erhalterstaaten, dann oblag den dortigen Ministerien die Befugnis zur Zulassung. Die Zulassungsbestimmung im alten § 61 der Gesetze für die Studierenden verlangte von männlichen Hörern noch kein derartiges Zeugnis; auch in der Fassung von 1893 findet sich kein solcher Hinweis. Vgl. Gesetze für die Studirenden der Großherzoglich und Herzoglich Sächsischen Gesamt-Universität zu Jena (1879): S. 30 (§ 61); Gesetze für die Studirenden der Großherzoglich und Sächsischen Gesammt-Universität zu Jena (1893), S. 30 (§ 59). UAJ, Bestand BA, Nr. 1669c, Bl. 36r. Vgl. UAJ, Bestand M, Nr. 744, 30r. Vgl. Windscheid (1899), S. 761; vgl. auch Bleker (1998a), S. 17. Pappritz/Erdmann (1899).
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Effekte des Macht-Wissen-Komplexes: Die Durchsetzung des Frauenstudiums
Legalisierung der Praxis: Zur Approbation von Ärztinnen Wenn man einen so vollkommen neuen Weg beschreitet, handelt man immer taktisch richtig, mit einer schmalen Spitze vorzugehen. Arthur Graf von Posadowsky-Wehner (1845–1932), Staatssekretär, Berlin 189895
Für die erste Generation deutscher Ärztinnen war die Einordnung ärztlicher Tätigkeiten als Gewerbe zunächst ein Glücksfall.96 Einzig die Gewerbefreiheit für Heilberufe ermöglichte die Ausübung ärztlicher Tätigkeit jenseits berufsständischer Barrieren. Mit den männlichen Ärzten gleichgestellt waren die wenigen im Ausland ausgebildeten Ärztinnen allerdings dennoch nicht: Der Arzttitel blieb an die Approbation gebunden. Dass es sich hierbei keineswegs um eine reine Prestige- und Standesfrage handelte, zeigte sich an den vielfältigen Schwierigkeiten, unter denen die erste Ärztinnengeneration mit prekärem Rechtsstatus praktizierte: Beispielsweise blieb es ihnen untersagt, Medikamente zu verschreiben sowie Geburts- oder Totenscheine auszustellen. Deshalb bedurfte es der Zusammenarbeit mit einem approbierten männlichen Arzt, um den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten gerecht werden zu können.97 Das Aufkommen einer zweiten Generation von Ärztinnen in den 1890er Jahren leitete ein Übergangsstadium ein: Die immer noch sehr geringe Anzahl von Ärztinnen konnte den steigenden Bedarf der Bevölkerung, der Lebensversicherungen, der Gewerbekrankenkassen sowie der Gerichte, die nach weiblichen Sachverständigen verlangten, nicht decken.98 Auf diese sich zuspitzende Ärztinnenfrage mussten die politischen Entscheidungsträger auf die eine oder andere Art reagieren. Deshalb fokussierten die an den Reichstag gerichteten Petitionen der Frauenbewegung den Bedarf nach approbierten Ärztinnen. Zum einen ließ sich – wie bereits ausgeführt – mit der vermeintlich natürlichen Schamhaftigkeit99 von Frauen argumentieren, die auch von konservativer Seite kaum bestritten werden konnte, zum anderen gab es das positive Beispiel einer Handvoll praktizierender Ärztinnen im Deutschen Reich – der bereits erwähnten ersten Generation. Die Erteilung einer Approbation knüpfte sich nicht direkt an das Geschlecht. Indirekt sorgten jedoch drei Bedingungen dafür, dass es für Frauen unmöglich war, die Approbation zu erlangen: Verlangt war das Reifezeugnis eines deutschen humanistischen Gymnasiums – was durch die Gründung von Mädchengymnasien oder Gymnasialkursen sowie die Zulassung zur Abiturprüfung erst seit 1896 für Frauen zu erlangen war, als der erste Abiturientinnenjahrgang die Berliner Kurse verließ. Zudem musste 95 96 97 98 99
Reichstag (1898). Zu nennen wären hier Franziska Tiburtius und Emilie Lehmus in Berlin; Hope Bridges Adams in Frankfurt am Main und ab 1889 kam die Frauenärztin Anna Kuhnow in Leipzig hinzu. Vgl. Burchardt (1995), S. 15; Hoesch (1995), S. 47. Vgl. Tiburtius (1905), S. 396 f. Vgl. hierzu Kapitel III, 2. Abschnitt: Moral.
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der Großteil des Studiums an einer deutschen Universität absolviert worden sein – zur Anrechnung des Studiums bedurfte es jedoch der ordentlichen Immatrikulation. Die letzte Approbationsbedingung bestand in der bestandenen ärztlichen Prüfung am Ende des Studiums, die wiederum die Immatrikulation voraussetzte. Einer Lösung dieser Ärztinnenfrage ging ein lähmender Kompetenzstreit voraus. Den einzelnen Ländern oblag die Kontrolle über den Zugang zum Abiturexamen sowie zur Studienzulassung. Es schien zunächst, als könnten lediglich die Einzelstaaten durch eine Zulassung von Studentinnen zum Studium an ihren Universitäten das Problem lösen, da kein Interesse darin bestand, das hohe Niveau der deutschen Approbationsanforderungen durch eine Novelle der Gewerbeordnung aufzuweichen. Wenn überhaupt war eine Änderung der Approbationsbedingungen lediglich auf zwei Arten denkbar: Da das schweizerische Bildungsmodell als kompatibel betrachtet wurde, hätten dort erlangte Diplome oder zumindest die dort absolvierte Studienzeit angerechnet werden können. Diesen Weg ging im Jahr 1896 Österreich, nachdem die in der Schweiz geprüfte Ärztin Freiin Gabriele Possanner von Ehrenthal (1860–1940) mehrere entsprechende Petitionen an den Unterrichtsminister und den Reichsrat eingereicht hatte.100 Zwar musste sie die medizinischen Prüfungen in Wien erneut ablegen, ihr Studium wurde ihr jedoch angerechnet.101 Eine andere Möglichkeit bestand darin, die seit 1896 nahezu reichsweit implementierte Gasthörerinnenschaft als reguläre Studienzeit zu werten. Der Reichstag konnte durch eine Novellierung der Gewerbeordnung eine Änderung der Approbationsbedingungen beschließen, der Beschluss musste aber vom Bundesrat mitgetragen werden – in dem Preußen aufgrund der Anzahl seiner Gesandten die größte Machtposition innehatte. Für die zweite Möglichkeit einer Anrechnung der Gasthörerinnenzeit sprach die wohlwollende Einstellung des preußischen Kultusministers Bosse: Dieser betrachtete eine Zulassung einzelner Frauen zum Arztberuf als unproblematisch – gleichwohl lehnte er die Frauenemanzipation als solche ab.102 Für die zweite Möglichkeit sprach zudem, dass hierbei die Kontrolle über den Studienweg der zukünftigen Ärztinnen nicht an einen anderen Staat abgegeben werden musste. Im Februar 1898 erbat der Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1819–1901) von allen Regierungen der Einzelstaaten eine Stellungnahme zu den Plänen einer Änderung der ärztlichen Prüfungsvorschriften.103 Dem Beschluss des Bundesrates ging demnach eine mehr als einjährige Sondierungsphase voraus. Resultat dieser Sondierung war der Beschluss des Bundesrates zur Ausschaltung der bisherigen Approbationshindernisse für Frauen im April 1899. Nun waren die jeweiligen Prüfungskommissionen zur Abnahme der medizinischen Staatsprüfung von nicht immatrikulierten Frauen berechtigt, wenn ein Abiturzeugnis sowie die nötigen Hospitationen (Gasthöre100 101 102 103
Vgl. Anonym (1895i), S. 463–464. Wilhelm (1898), S. 57. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2003), S. 310. Vgl. UAJ, Bestand C, Nr. 1171, Bl. 22r–25r.
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rinnenscheine) nachgewiesen werden konnten. Das hieß, auch ein gastweises Studium genügte fortan den Prüfungsvorschriften.104 Ein Jahr später, im Juni 1900, erfolgte eine Anerkennung von in der Schweiz absolvierten Vorprüfungen. Die Ärztinnenfrage erwies sich somit als Kern der akademischen Frauenbildungsfrage: Denn wenn Frauen zur Approbation berechtigt waren, dann musste früher oder später auch das Provisorium der Gasthörerinnenschaft enden und einem regulären Studium weichen. Regulierende Öffnung: Ordentliche vs. außerordentliche Hörerinnen In zehn bis zwanzig Jahren werden wir es geradezu unbegreiflich finden, in welcher langsamen und zögernden Weise die verbündeten Regierungen und die deutsche Reichsregierung bezüglich der Frage des Frauenstudiums jetzt vorgehen. Ernst Müller (1866–1944) Politiker, Berlin, 1902105
Der nächste logische Schritt nach dem Beschluss des Bundesrats vom April 1899 bestand in der Herstellung von Rechtssicherheit für Medizinstudentinnen in den einzelnen Bundesstaaten: Denn diese Frauen befanden sich in einem prekären Status zwischen bloßen Hörerinnen und prüfungsberechtigten Studentinnen. Den ersten Schritt unternahm das Großherzogtum Baden. Wie bereits drei Jahre zuvor in Berlin absolvierte im Frühjahr 1899 der erste Jahrgang das Abitur am Karlsruher Mädchengymnasium. 1897 schlug die Regierung bildungspolitisch eine neue Richtung ein: So zeigte sie sich geneigt, Margarete Heine (1881–?) versuchsweise zum Medizinstudium zuzulassen – was lediglich an der Ablehnung durch die Heidelberger Universität scheiterte.106 Nachdem jedoch am 27. Dezember 1899 und 13. Januar 1900 die Universitätssenate in Freiburg und Heidelberg sich mehrheitlich für eine Öffnung ihrer Universitäten ausgesprochen hatten, erfolgte die offizielle Zulassung durch Erlass des Kultusministeriums am 28. Februar 1900 – wenngleich noch immer betont wurde, dass dieser Schritt zunächst „versuchs- und probeweise“ erfolge.107 In Freiburg wurde im Wintersemester 1899/1900 rückwirkend die erste Immatrikulation einer Frau vollzogen. Heidelberg immatrikulierte im Sommersemester des Jahres 1900 vier Frauen. Infolge der offiziellen Zulassung kam es zu einer Angleichung der Vorbildungsstandards zwischen Studenten und Studentinnen, was zugleich eine Zurückdrängung von Hörerinnen ohne Reifezeugnis bewirkte.108 Dies zeigte bereits die regulierende Wirkung dieses Schrittes.
104 105 106 107 108
Vgl. Reichsministerium des Innern (1899), S. 124. Reichstag (1903), S. 3580. Vgl. Scherb (2007), S. 139. Vgl. Birn (2015), S. 31 f. Vgl. Moritz (2007), S. 800 f.
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Es vergingen drei Jahre, bis ein weiterer deutscher Staat dieser Entwicklung folgte. In Bayern kam es unter dem neuen Kultusminister Anton Wehner (1850–1915) zwischen 1901 und 1903 zu einem Politikwechsel. Nach seinem Amtsantritt bat Wehner die drei Universitäten des Landes, sich zur Zulassungsfrage zu äußern: Würzburg sprach sich bis auf die Theologen für eine Immatrikulation von Studentinnen aus; in München war lediglich die geisteswissenschaftliche und staatswissenschaftliche Sektion für eine ordentliche Zulassung und auch in Erlangen zeigte sich eine Polarisierung, da sich dort allein die Philosophische und die Juristische Fakultät im Senat für das Frauenstudium aussprachen – beide Fakultäten bildeten jedoch die Mehrheit. Diese verhalten positiven Reaktionen veranlassten Wehner, schließlich, die Bitte um Genehmigung zur Immatrikulation von Frauen an den Prinzregenten Luitpold (1821–1912) zu richten: Nach dessen wohlwollendem Bescheid und einer Ministerial-Entschließung vom 21. September 1903 war eine Zulassung von Frauen bereits zum Wintersemester 1903/04 möglich.109 Auch in Württemberg erfolgte die Legalisierung der Immatrikulation von Frauen durch einen königlichen Ministerialerlass vom 16. Mai 1904 und nicht auf Initiative der Universität Tübingen. Der Verwaltungsausschuss beugte sich vielmehr dem Druck des Ministeriums, nach erfolgreich verlaufenden Petitionen der Stuttgarter Abteilung des Vereins Frauenbildung-Frauenstudium (VFbF).110 Die Philosophische Fakultät versuchte, ein Einspruchsrecht einzelner Professoren durchzusetzen, um selbst ordentlich immatrikulierte Studentinnen im Einzelfall abweisen zu können.111 Zudem behinderte das Mädchenschulwesen in Württemberg die Frauen auf ihren höheren Bildungswegen: Zunächst existierte zur Ablegung der Matura seit 1899 lediglich eine private Anstalt in Stuttgart unter Trägerschaft eines Vereins, der durch die lokale Abteilung des VFbF Unterstützung erhielt. Ab 1909 konnte zudem per Antrag über die außerordentliche Aufnahme in eine staatlich finanzierte Oberrealschule für Knaben entschieden werden – eine entsprechende Oberrealschule für Mädchen wurde erst 1924 eingerichtet.112 Im Königreich Sachsen bat das Ministerium aufgrund der Entwicklungen an den süddeutschen Universitäten im Jahr 1905 den Senat der Leipziger Universität um eine Stellungnahme zum Frauenstudium. Da alle Fakultäten eine ordentliche Immatrikulation befürworteten, schloss sich der Senat diesem Votum der Fakultäten im Februar 1906 an. Am 17. April 1906 erfolgte per Ministerialverordnung unter dem neuen liberalen Kultusminister Richard Freiherr von Schlieben (1848–1908) die Zulassung – jedoch 109 Vgl. Hessenauer (1996), S. 80–86; Birn (2015), S. 39–42. 110 Die Abteilung des Vereins bestand seit 1900 unter Vorsitz von Gertrud Schwend-Uexküll (1867–1901), auf deren Initiative die Gründung des privaten Stuttgarter Mädchengymnasiums im Jahr zuvor zurückging. 1908 gehörten der Abteilung etwa 278 Mitglieder an. Die Geschäftsführung lag zu dieser Zeit bei Sophie Reis. Nach Etablierung des Frauenstudiums setzte sich die Abteilung für die „Zuziehung von Lehrerinnen und Müttern zu den Schulverwaltungen“ ein und unterhielt eine Auskunftsstelle. Wegner (1908), S. 100. 111 Vgl. Glaser (1992), S. 48 f; Birn (2015), S. 48. 112 Vgl. Glaser (1992), S. 29–32.
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mit Ausnahme des Prüfungszugangs in Theologie und Rechtswissenschaft, mit der Begründung, dass Frauen ohnehin keinen Zugang zu den geistlichen und juristischen Berufen besäßen.113 Die vier ernestinischen Staaten öffneten die Universität Jena im Wintersemester 1907/08 für Studentinnen. Bereits seit den 1890er Jahren versuchten dort Professoren der Philosophischen Fakultät unter anderem der Philosoph und spätere Nobelpreisträger Rudolf Eucken (1846–1926) sowie der Nationalökonom Pierstorff, eine Öffnung zu erwirken.114 Die Anregung hierfür kam vom 1888 in Weimar gegründeten VFR unter Vorsitz Kettlers, der zudem immer wieder Petitionen an Regierungen, Landesparlamente und Universitäten sendete.115 Seit 1900 richteten die Weimarer und die Jenaer Abteilungen des VFbF, der aus dem VFR hervorging, wiederholt Petitionen an die großherzogliche Regierung in Weimar, wenngleich die Entscheidungsmacht allen vier Erhalterstaaten oblag: Das liberal regierte Herzogtum Sachsen-Meiningen befürwortete das Frauenstudium; Sachsen-Altenburg zeigte sich bis zuletzt wegen politischer Bedenken ablehnend – eine Zulassung von Frauen bringe die Gefahr nihilistischer Umtriebe mit sich. Sachsen-Meiningen setzte sich schließlich mit Unterstützung Sachsen-Coburgs und Gothas durch. Auf der Universitätskonferenz am 2. November 1906 beschlossenen die Erhalterstaaten die Öffnung der Jenaer Universität für Frauen.116 Ein entsprechendes Ministerialreskript erging am 4. April 1907. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt orientierte sich an Preußen und entschied sich am 29. Mai 1908 für eine Öffnung der Universität in Gießen.117 Ebenso verhielt sich Elsaß-Lothringen: Am 25. Juli 1908 wurde schließlich auf einer Senatssitzung den Frauen das volle Immatrikulationsrecht gewährt.118 In Preußen selbst waren bereits seit 1905 die Weichen hierfür gestellt. In diesem Jahr versuchte Althoff, der seit 1897 als Ministerialdirektor der I. Unterrichtsabteilung praktisch das gesamte Unterrichtsund Hochschulwesen in Preußen leitete, die Zulassung von Frauen zu erwirken. Der Kultusminister von Studt legte diesen Vorschlag daraufhin dem Innenministerium vor. In den Akten des preußischen Staatsministeriums finden sich die am 13. April 1905 formulierten Bedingungen: Die im Vergleich zu Süddeutschland bestehende „Zurücksetzung“ sei zu beenden, zugleich sollten jedoch Frauen vom Studium ferngehalten werden, „denen es an Vorbildung fehlt bzw. deren Anwesenheit nicht unbedenklich ist wie dies bei bestimmten Ausländerinnen der Fall ist“.119 In dieser Sitzung wurde außerdem beschlossen, mit der Umsetzung bis zur Reform der höheren Schulbildung 113 114 115 116 117 118 119
Vgl. Franzke (2007), S. 87; Birn (2015), S. 53; Röwekamp (2011), S. 47. Vgl. UAJ, Bestand M, Nr. 735, Bl. 2r–3v. Zur Entwicklung des Vereins vgl. Kapitel II, 1. Abschnitt: Die Organisationsbasis der Frauenbildungsbewegung; zu den Petitionen vgl. Kapitel IV, 2. Abschnitt: Resistentes Petitionieren. Vgl. UAJ, Bestand C, Nr. 32, Bl. 17r–17v., 54v. Vgl. Birn (2015), S. 62. Vgl. ebd., S. 82. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2003), S. 151.
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für Mädchen zu warten. Auf der Rektorenkonferenz vom 16. Mai 1905 sprachen sich die Rektoren aller zehn preußischen Universitäten für eine Immatrikulation von Frauen aus.120 Die für eine Öffnung notwendige Reform der preußischen Mädchenschulen verzögerte sich allerdings drei weitere Jahre:121 Grund für die Verzögerung war der Widerstand vonseiten hoher Regierungsvertreter, darunter Innenminister Theobald von Bethmann Hollweg (1856–1921), Justizminister Max von Beseler (1841–1921) sowie Handesminister Clemens von Delbrück (1856–1921). Sie sprachen sich insbesondere gegen eine Zulassung von Frauen zum juristischen Studium aus, weil dies befürchten lasse, dass Frauen mit einem juristischen Staatsexamen künftig im prestigeträchtigen Staatsdienst arbeiten könnten.122 Die mit Verspätung vorgenommene Neuordnung des höheren Mädchenschulwesens unter dem seit Juni 1907 amtierenden Kultusminister Ludwig Holle (1855–1909) betraf den flächendeckenden Ausbau der höheren Mädchenschulen auf zehn Klassenstufen, die auf die höhere Mädchenschule aufbauende Frauenschule sowie das dem Lyzeum angeschlossene Lehrerinnenseminar sowie die drei Studienanstalten in Form von realgymnasialen und humanistisch-gymnasialen Kursen sowie Oberrealschulkursen.123 Auf einer Sitzung des Staatsministeriums im Februar 1908 betonten die anwesenden Minister, wie diese Reform zu verstehen sei: als eine Verbesserung der „Verstandesbildung ohne Beeinträchtigung der Gefühlsbildung“.124 Mit dieser Neuordnung ging schließlich zum Wintersemester 1908/09 die Immatrikulation von Studentinnen in Preußen einer. Die Zulassung zu allen vier Fakultäten geschah unter der Voraussetzung, dass daraus keine Ansprüche auf „spätere Anstellung vor allem als Juristen und Theologen“ entstünden.125 Damit gab es in Preußen durch Ministerialerlass vom 18. August 1908 für Frauen und Männern gleichwertige, wenn auch nicht gleichartige Bildungswege.126 Ab 1909 erhielten seminaristisch ausgebildete Lehrerinnen die Möglichkeit zur Teilnahme an Hochschulprüfungen: Voraussetzung hierfür war eine zweijährige Berufstätigkeit sowie sechs absolvierte Studiensemester. Im Jahr 1913 traf das Kultusministerium eine kontroverse Entscheidung: Lehrerinnen mit Seminarausbildung waren fortan zur Immatrikulation an der Philosophischen Fakultät berechtigt. Damit etablierte sich ein nur für Frauen geltender Vierter Weg zum Hochschulzugang – neben den drei erwähnten regulären Wegen über gymnasiale und realgymnasiale Kurse sowie Oberrealschulkurse. Unter den Bundesstaaten bildete Mecklenburg-Schwerin das Schlusslicht bei der Zulassung von Frauen zum Studium. An der Universität Rostock kam es erst im Wintersemester 1909/10 zur Immatrikulation der ersten Studentinnen, nachdem am 120 121 122 123 124 125 126
Vgl. Birn (2015), S. 77. Vgl. Albisetti (2007), S. 272 f. Vgl. Röwekamp (2011), S. 49 f. Vgl. Anonym (1908). Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2003), S. 208. Ebd. Vgl. Glaser (1992), S. 22.
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29. Juni 1909 eine entsprechende Ministerialverfügung ergangen war. Auch hier hatte die Regierung zunächst die Entwicklung in Preußen abwarten wollen.127 Mit dem beschriebenen Institutionalisierungsprozess ging eine weitgehende Einschränkung der Erlaubnis von Gasthörerinnen einher.128 Mazón vertritt die These, Althoff habe die Zulassung von Frauen zum Studium nur deshalb befördert, um damit eine Eingrenzung der aus damaliger Sicht ausufernden Gasthörerinnenzahlen zu bewirken, die einen geringeren Befähigungsnachweis als ordentliche Studentinnen zu erbringen hatten.129 Angesichts der im Diskursfeld immer wieder geäußerten Erwartung, dass die Studentinnenzahl nach Zulassung des Frauenstudiums gering sein werde, eine triftige These. 2. Diskurstransformationen: „Der Kampf tobt jetzt mächtiger als je“ Solche prinzipielle Kämpfe sind immer Begleiterscheinungen neuer Ideen gewesen, sie haben nur eine symptomatische Bedeutung, indem sie uns erkennen lassen, daß eine Gärung vorhanden ist, daß ein Neues werden will. Käthe Windscheid (1859–1943), Anglistin und Frauenrechtlerin, Leipzig 1899130
Freund- und Feindbestimmungen prägten die Semantik des Diskursfeldes: So war die Rede von „Freunden“ und von „Gegnern“, vom „Kampf “ zwischen „Widersachern“ und „Vorkämpfern“;131 es wurden „Hiebe“ mit rhetorischen „Klingen“ ausgeteilt;132 die Vertreterinnen der Frauenbewegung leisteten „Brescharbeit“ im öffentlichen Leben und führten einen „Kampf “ um Mädchenschule und Universität.133 Mitte der 1890er Jahre konstatierte der Wiener Psychiater Svetlin: Die Regierungen und gesetzgebenden Körperschaften werden mit Petitionen und Resolutionen der widersprechendsten Art überhäuft, und in Broschüren und Zeitschriften tobt der Kampf jetzt mächtiger als je.134
Diese Aussagen reflektierten Transformationsprozesse, die nicht nur die Institutionen des Mädchenschulwesens und der Universitäten veränderten, sondern sich auch auf das Diskursfeld selbst auswirkten: Zum einen vollzog sich eine inhaltliche Weiterentwick127 128 129 130 131 132 133 134
Vgl. Beese (2010), S. 25. Vgl. Mazón (2002), S. 187. Vgl. Mazón (2001), S. 9; eine wohlwollendere Sicht findet sich bei Tobies (2008), S. 30 f. Windscheid (1899), S. 758. Vgl. u. a. Büchner (1885), S. 515; Anonym (1892a); Anonym (1894d). Anonym (1895h), S. 766. Ohr (1909), S. 7. Svetlin (1895), S. I.
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lung der Diskurse als Reaktion auf die beschriebenen Institutionalisierungsprozesse; zum anderen kam es zu einer Erschließung neuer Sprechräume, zu einer Ausweitung der Machtpotenziale durch die Übertragung dieser Diskurse auf das Feld der institutionalisierten, insbesondere der parlamentarischen Politik. Dabei konnte es auch um zunächst nicht-diskursive Praktiken gehen, die dann zum Gegenstand diskursiver Auseinandersetzungen wurden: etwa der Umgang mit den ersten Frauen an deutschen Universitäten, der in einigen Fällen zu Adaptionsstörungen und damit handfesten Skandalen führte. Es wird deutlich, wie die verschiedenen globalen Diskursstrategien das Diskursfeld wechselseitig dynamisierten: So wird im zweiten Unterabschnitt anhand der Interventionen orthodoxer Mediziner sichtbar, auf welche Weise die bewahrendreaktionäre Strategie zur Verhinderung des Frauenstudiums die Sogwirkung der befreienden Strategien verstärkte. Das Mittel der Skandalisierung verdrängte reaktionäre Positionen zunehmend aus dem Sagbarkeitsfeld. Schließlich führte die Dynamisierung zu einer Weiterentwicklung des gesamten Diskursfeldes.135 Die Diskurse fanden kein abruptes Ende, vielmehr diffundierten sie in andere Themen- und Wissensbereiche. Neue Probleme und Lösungskonzepte gerieten in den Fokus: So machte die Ärztinnenfrage der Frage nach der Studentin Platz und anstelle des Frauenstudiums waren nun der Zugang zu akademischen Berufen und die Habilitation umkämpfte Zielforderungen.136 Wurde zuvor der weibliche Geschlechtscharakter bemüht, um Frauen vom akademischen Studium fernzuhalten, verlagerte sich diese Praxis auf die akademische Berufsausübung. Resistentes Petitionieren: Gesuche als Antrieb parlamentarischer Debatten Diese abschlägigen Bescheide […] werden uns also nicht abhalten, immer wieder zu petitionieren. Mathilde Weber (1839–1901), Frauenrechtlerin, Tübingen 1892137
Resistenz bedeutet Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einwirkungen und damit ist dieser Begriff bestens geeignet, um die Hartnäckigkeit der Frauenbewegung zu bezeichnen, die sich in ihren bildungspolitischen Vorstößen nicht beirren ließ, obwohl „Petition um Petition“ abschlägig beschieden wurden.138 Gleichwohl handelte es 135 136 137 138
Vor allem radikale Frauenrechtlerinnen mobilisierten die Presse gegen antifeministische Angriffe und nutzten somit dieses Mittel. Vgl. Briatte (2020), S. 82; zur Strategie der „Skandalisierung“ vgl. Wischermann (1983). In Preußen wurden Frauen erst durch Erlass vom 21. Februar 1920 zur Habilitation zugelassen. Zuvor gab es lediglich Ausnahmefälle. Vgl. Tobies (2008), S. 53; zu den wenigen Habiliationen von Frauen außerhalb Preußens seit 1918 vgl. Schlüter (1983), S. 250. Weber (1892), S. 19. Binder (1892), S. 9.
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sich keineswegs um eine Hartnäckigkeit, die sich allein aus weltfremdem Idealismus speiste und dabei realpolitische Erwägungen missachtete. Die Petitionen bewirkten ein Einsickern von Diskursen in das parlamentarische Feld und sorgten dadurch für eine Ausweitung der Einflusszone der Frauenbewegung. Allein die Thematisierung ihrer Anliegen in den Parlamenten barg ein immenses Potenzial zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung. In den parlamentarischen Debatten, die als Folge der Petitionen geführt wurden, testeten die Aktivistinnen der Frauenbewegung Sagbarkeitsgrenzen: Wann immer sich eine Lücke in der Phalanx aus Gleichgültigkeit gegenüber ihren Anliegen erkennen ließ, stießen neuerliche Petitionen dort hinein.139 Es begann im November des Jahres 1887. Aus der „lähmenden Gewissheit“ einer ernsthaften Erkrankung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (1831–1888) erwuchs ein verzweifelter Wille zur Tat. Bislang hatte die Hoffnung der bürgerlichen Frauenbewegung auf einer liberalen Regierung des Kronprinzen geruht – bestärkt durch die Bildungsreformpläne der Prinzessin Viktoria (1840–1901). Auf den Beginn ihrer „Kampfzeit“ zurückblickend, schilderte Lange in ihren „Lebenserinnerungen“ das entscheidende Zusammentreffen im inoffiziellen Zentrum des politischen Liberalismus, dem Hause von Karl und Henriette Schrader (1827–1899) in Berlin: Es mag diese Stimmung, das Gefühl, zur Tatenlosigkeit auf absehbare Zeit verurteilt zu sein, wohl an jenem Nachmittag besonders schwer gedrückt haben, als wir in einem kleinen Kreise Berliner Frauen […] wieder einmal auf das Mädchenschulproblem kamen und schließlich den Entschluß faßten, in der Sache einen Vorstoß zu machen […].140
Gemeinsam mit Cauer, Schrader sowie drei weiteren Berliner Frauen reichte Lange eine Petition beim preußischen Unterrichtsministerium sowie dem Abgeordnetenhaus ein. Das darin erhobene Gesuch nach einer wissenschaftlichen Ausbildung von Lehrerinnen für Oberklassen in gesonderten Anstalten lässt sich bereits als einen vorsichtigen Schritt in die Richtung einer Universitätsöffnung deuten – denn bei Männern ging der Weg einer solchen wissenschaftlichen Ausbildung über die philosophischen Fakultäten und endete mit dem Staatsexamen pro facultate docendi. In einer Begleitbroschüre, die aufgrund ihres Einbandes als Gelbe Broschüre in die Annalen der Bildungsgeschichte einging, forderte Lange eine Stärkung des Einflusses von Lehrerinnen an Mädchenschulen. Bereits unter Zeitgenossen und -genossinnen erreichte die Schrift einen hohen Bekanntheitsgrad, da alle bedeutsamen Zeitungen mit „langen Artikeln“ über das Ereignis berichteten.141 Angeregt „durch Broschüren und Zeitungsstimmen“, in denen „recht lebhaft diskutiert“ werde, bemerkte ein bedingt ablehnend eingestellter Autor einer Broschüre zum neuen Charakter des Vorstoßes alarmierend, die Petition sei „aus 139
Zur Reflexion der eigenen Petitionspraxis in der Frauenbewegung vgl. Wischermann (2003), S. 211–216. 140 Lange (1922), S. 141. 141 Ebd., S. 152; vgl. auch Götze (1957), S. 193.
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Bestrebungen hervorgegangen, die nicht bloß auf eine totale Umwälzung des höheren Mädchenschulwesens gerichtet sind, sondern ebenso eine solche der höheren Frauenbildung überhaupt und schließlich der socialen Stellung der gebildeten Frau bezwecken“.142 Die Forderungen der Frauenbewegung waren in der politischen Öffentlichkeit angekommen.143 Aufgrund des hohen Interesses muss den Aktivistinnen ihr Vorstoß als Erfolg erschienen sein, begegnete die öffentliche Meinung ihm doch mit einigem Wohlwollen. Vor dem erfolgreichen Hintergrund dieses Vorstoßes beschloss der ADF im Jahr 1888, das „allgemeine Interesse“ verstärkt auf die Ärztinnenfrage zu lenken – zwar war hier mit heftigem Widerstand der Ärzte zu rechnen, die Argumente zur Notwendigkeit von Kinder- und Frauenärztinnen schien jedoch geeignet, die Öffentlichkeit für das Anliegen einzunehmen.144 Gerade im Kontext der Ärztinnenfrage tauchte seit den 1860er Jahren ein Bedarf an Kinder- und Frauenärztinnen auf. Damit war diese Forderung fast so alt wie die institutionalisierte Frauenheilkunde selbst, die etwa zur Jahrhundertmitte in den ersten gynäkologischen Kliniken in Berlin und Wien entstanden war.145 Bereits auf der ersten Generalversammlung des ADF 1867 schlug Henriette Goldschmidt (1825–1920) eine Petition an die norddeutschen Hochschulen mit Fokus auf die „ärztlichen Studien“ vor. Die Versammlung lehnte ihre Anregung jedoch mangels Erfolgsaussichten ab.146 Erst auf der fünften Generalversammlung 1872, als deren Austragungsort bewusst Eisenach „als Stätte der größten Reformation“ gewählt worden war, stand das Frauenstudium prominent auf der Tagesordnung: Während seines Plädoyers für Mädchenrealschulen bezeichnete der Psychologe Wendt, der als Mann lediglich beratendes Mitglied des Vereins war, „weibliche Ärzte für Frauen und Kinder“ als eine „dringende Notwendigkeit“.147 Im gleichen Jahr hatte der ADF das „Recht auf Arbeit“ in den neuen Angestelltenberufen des Eisenbahn-, Post- und Telegrafendienstes erfolgreich auf die Agenda von Reichstag und Reichsregierung gesetzt. Erwerbstätige Frauen mussten nun ihre Qualifikation in diesem modernen Dienstleistungssektor unter Beweis stellen.148 In der Folgezeit beschränkten sich die Petitionen der Frauenvereine in Sachen akademischer Bildung erfolglos auf den Apothekerberuf, der wie die Zahnmedizin in seinem Professionalisierungsgrad noch bis zur Jahrhundertwende hinter den etablierten akademischen Berufen zurückstand und deshalb als erreichbar erschien.149 Der öffentliche Eindruck, die Frauenbewegung habe die akademische Frauenbildungsfrage erst seit dem 142 Bei Lothar Werner, der als Autor dieser Broschüre auftaucht, handelt es sich wahrscheinlich um ein Pseudonym. Die Broschüre verbreitete sich im gesamten Deutschen Reich sowie in Österreich. Werner (1888), S. 8. 143 Vgl. Mazón (2003), S. 97. 144 Otto-Peters (1890), S. 78. 145 Vgl. König (1983), S. 7. 146 Bäumer (1902), S. 55. 147 Otto-Peters (1890), S. 24 f. 148 Zur Petition und der Debatte im Reichstag vgl. Twellmann (1972), S. 451–453. 149 Vgl. Bäumer (1902), S. 59.
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Ende der 1880er Jahre thematisiert, war tatsächlich nicht ganz unberechtigt. Offenbar betrachteten die Aktivistinnen die Zeit als noch nicht reif für derartige Bestrebungen, wofür unter anderem die Besetzung des Amts des preußischen Unterrichtsministers mit dem Konservativen von Puttkamer 1879 und seinem ebenso konservativen Nachfolger von Goßler 1881 eine Rolle gespielt haben dürfte – wenngleich die 1887 einsetzende Petitionswelle auch als Protest gegen Goßlers unnachgiebiger Haltung beim Festhalten am humanistischen Gymnasium gewertet werden kann.150 Mit der Gründung des VFR im Frühjahr 1888 entstand eine neue Dynamik: Denn nun waren es zwei Vereinigungen mit verschiedenen strategischen Reichweiten und Schwerpunktsetzungen, die sich deutschlandweit für das Frauenstudium engagierten. Aus dieser Dynamik entwickelte sich in den nächsten fünf Jahren eine regelrechte Agitationskampagne. Bereits die ersten Petitionen an die Bundesstaaten verdeutlichen die zwei Spektren: Im November 1888, ein Jahr nach dem Vorstoß des ADF, reichte der Verein Frauenbildungsreform (noch unter seinem ersten Namen Frauenverein Reform) bei den Unterrichtsministerien in Preußen, Bayern und Württemberg eine Petition ein, die auf eine Abiturprüfungszulassung, auf die Zulassung der Abiturientinnen an Universitäten und Technischen Hochschulen sowie auf die freie Berufsausübung für die Absolventinnen zielte. Diese Petition, die im Juni 1889 auch an die übrigen Kultusministerien gesandt wurde, ging weit über das vom ADF Geforderte hinaus, wenngleich die Begründung an bereits etablierten Phänomenstrukturen ansetzte und somit den wohlbekannten Vorbehalten gegenüber einer allgemeinen Emanzipation zuvorkam: So verwiesen die Petentinnen auf das Problem der fehlenden „Heiratssicherheit“ und betonten das Ziel, den unverheiratet bleibenden Töchtern der Mittelschicht eine „Heimstätte“ zu schaffen. Der „natürliche Beruf “ als Ehe- und Hausfrau bleibe jedoch das Leitbild im Leben einer Frau.151 Dem gegenüber stand eine im Frühjahr 1889 eingereichte Petition des ADF an alle zwölf Unterrichtsministerien, die eine Universität unterhielten. Das Gesuch zielte darauf, „Frauen den Zutritt zu dem ärztlichen und dem wissenschaftlichen Lehrberufe durch Freigebung und Beförderung der dahin einschlagenden Studien zu ermöglichen“. Zur inhaltlichen Unterstützung dieses Gesuchs trug abermals eine Schrift Langes bei, diesmal flankiert von der schon mehrfach erwähnten Broschüre Mathilde Webers zur „ethischen und sanitären Notwendigkeit“ von Ärztinnen.152 Im Gegensatz zu den Bestrebungen des VFR lag der Fokus des ADF zunächst ausschließlich auf der bereits 1887 problematisierten Oberlehrerinnenfrage sowie auf der Ärztinnenfrage, die auf Vereinsbeschluss forciert worden war. Die Reaktionen aus den Ministerien fielen ernüchternd aus. Bis zur Mitte des Jahres 1889 waren beim VFR lediglich drei Antworten eingegangen: Unter Rücksprache mit 150 151 152
Vgl. Albisetti (2007), S. 171. Grimm (1893), S. 31. Ein Abdruck der Petition findet sich bei Otto-Peters (1890), S. 79–82; bei den beiden Broschüren handelte es sich um Weber (1888) und Lange (1889).
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dem akademischen Senat in Tübingen sowie der Ministerialabteilung für Gelehrtenund Realschulen erklärte der württembergische Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens Otto von Sarwey (1825–1900), eine Zulassung von Frauen zur Landesuniversität verbiete sich aus nicht näher genannten „Gründen mannigfaltiger Art“. Das sächsische Staatsministerium trug „Bedenken“ zur Ausdehnung weiblicher Berufstätigkeit vor, die über die bisherige Lehrerinnentätigkeit hinausging. Vom Oberschulrat für ElsaßLothringen erreichte den Verein die Mitteilung, er könne eine Erfüllung des Gesuchs zurzeit nicht in Aussicht stellen.153 Ebenso dürftig waren die Reaktionen auf die ADFPetition: Das Reichsland Elsaß-Lothringen verhielt sich abwartend; hinhaltende bis abweisende Antworten kamen auch aus Sachsen-Gotha und Sachsen-Weimar; Sachsen betonte die Zuständigkeit des Reichs in Sachen der medizinischen Staatsprüfung;154 Hessen und Mecklenburg-Schwerin meldeten Bedenken, wonach eine Zulassung „nicht thunlich“ sei; von den übrigen Regierungen, darunter den Großstaaten Preußen und Bayern mit den meisten Universitäten des Reichs, kamen überhaupt keine Reaktionen.155 Beide Vereine zogen Lehren aus diesem Scheitern an der Mauer des Schweigens. Der korporatistische Weg einer direkten Beeinflussung der Ministerialbürokratie führte offenkundig nicht weiter. Die Aktivistinnen lernten jedoch schnell. Ihre Petitionen zeugten von politischer Professionalisierung: Treffend charakterisierte der Philologe Thurau 1912 die Agitation der Frauenbewegung deshalb als eine „moderne Vereinstechnik“.156 Zu diesem Lernprozess gehörte es, die Petitionen in weitere politische Felder zu streuen: Aus diesem Grund begannen die Aktivistinnen ab 1890, ihre Gesuche an die Landesparlamente und den Reichstag zu adressieren, um dadurch eine öffentlich hörbare Reaktion zu erzwingen. Der ADF richtete 1890 Petitionen an die weimarischen, bayerischen, badischen und preußischen Landesparlamente. Der VFR zog im Januar 1891 mit der gleichen Maximalforderung wie zuvor an die Kultus- und Unterrichtsministerien nach und betonte dabei mit Verweis auf Beispiele in Italien und der Schweiz, dass es um die „Förderung der Erwerbstätigkeit des weiblichen Geschlechts“ gehe.157 Noch bevor es am 19. März desselben Jahres im Weimarer Landtag zur Beratung kam, beschlossen die Reichstagsabgeordneten am 11. März bei ihrer ersten Verhandlung des Frauenstudiums den Übergang zur Tagesordnung: Obwohl sich die liberalen Abgeordneten Schrader und Friedrich Wisser (1834–1896) sowie der Sozialdemokrat Bebel wohlwollend geäußert hatten, kamen sie nicht gegen die Stimmen des Deutschkonservativen Theodor Hultzsch und des Zentrumsabgeordneten Orterer an, die ein Zugrundegehen des Familienlebens 153 154 155 156 157
Oelsner (1894b); vgl. zudem Anonym (1889), S. 488. Die medizinische Staatsprüfung war seit 1871 reichseinheitlich geregelt. Vgl. Huerkamp (1985), S. 248. Oelsner (1894b), S. 34–36. Thurau (1912), S. 3. Grimm (1893), S. 38.
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fürchteten. Schließlich problematisierten selbst prinzipielle Befürworter des Frauenstudiums wie Rickert einen Eingriff in die Kompetenzen der Bundesstaaten, weshalb der Übergang zur Tagungsordnung beschlossen wurde und die Petition so nicht einmal zur Erwägung an den Reichskanzler kam. Das wirkte als fatales Signal und erklärt die zögerlichen Debatten in den Parlamenten, die sich, wie Bebel feststellte, in dieser Frage paradoxerweise an der Haltung des Reichstags orientierten, der seinerseits auf die Landesregierungen verwies.158 Die Abgeordneten thematisierten die Petitionen beider Vereine in den Landesparlamenten zumeist in gemeinsamer Lesung. In Sachsen-Weimar betonte der Berichterstatter Weitemeyer Frauen seien „hauptsächlich zu guten Hausfrauen, zu Erzieherinnen der Kinder auszubilden“, was – wie im Protokoll vermerkt – zu „Heiterkeit“ im Auditorium führte. Zumindest die Frage der Zulassung von Frauen zum medizinischen Studium habe jedoch eine „gewisse Berechtigung“ und werde so bald nicht „von der Tagesordnung verschwinden“.159 Dem zum Trotz blieb der Vizepräsident des Landtags Julius Appelius (1826–1900) bei seiner kategorischen Ablehnung und verwies auf das durch eine Zulassung von Frauen bedrohte Weiblichkeitsideal – insbesondere „die Naivität und Frische“ würden verschwinden. Der Chef des Departement des Kultus im Staatsministerium des Großherzogtums Adolf Guyet (1835–1891) beendete schließlich unter Beifall die Debatte: „Ich aber, meine Herren, würde der letzte sein, der aus dem Schulwesen des Großherzogtums und aus unserer Landesuniversität eine Versuchsstation für die deutsche Frauenbewegung machen möchte.“160 In Württemberg verhielten sich die Abgeordneten ähnlich reserviert. Die Petitionskommission strebte den Übergang zur Tagesordnung an, wenngleich die Abgeordneten in ihrer vorausgehenden Debatte die Forderung einer Zulassung von im Ausland geprüften Ärztinnen der Regierung zur Erwägung empfahlen. Dem standen jedoch die Kompetenzbedenken des Staatsministers des Innern Karl Joseph von Schmid (1832–1893) entgegen. Die Approbation sei in der reichsweit geltenden Gewerbeordnung geregelt und deshalb Sache des Bundesrats: So wie die Dinge liegen, und wie ich die Intentionen der Regierungen, die im Bundesrat vertreten sind, kenne […], würde ein diesbezüglicher Antrag zur Zeit eine Aussicht auf Erfolg wohl nicht haben.161
Der für Schulfragen zuständige Staatsminister von Sarwey sah keine Veränderung zu den ersten Petitionen, die 1889 vom ADF und den FVR an das Ministerium ergangen waren: Die Regierung habe „den Gegenstand schon auf das eingehendste erwogen“.162
158 159 160 161 162
Reichstag (1893), S. 1220. Landtag Sachsen-Weimar-Eisenach (1891), S. 145 f. Ebd., S. 147. Grimm (1893), S. 116. Ebd., S. 112.
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Als Probleme nannten die Beteiligten zunächst die Überfüllung der Veranstaltungen an der Universität Tübingen. Prägnanz erhielt diese Problematisierung dadurch, dass der Rektor Weizsäcker selbst als Abgeordneter zur Frage ablehnende Stellung bezog. Mit Blick auf Zürich stand zudem die Disziplin im Raum, denn seit 1872 geisterten die vermeintlich nihilistischen Umtriebe russischer Studentinnen durch das Diskursfeld. Eine weitere Frage war die Finanzierung von Mädchengymnasien, die nicht Aufgabe des Staates sein könne, denn ein Gelehrtenleben könnten, wenn überhaupt, nur wenige Ausnahmefrauen führen – für die breite Masse der Frauen, deren Lebensmittelpunkt im Schoße der Familie liege, sei es gänzlich ungeeignet. In Preußen kam es erst gar nicht zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Bereits im März 1891 erklärte der zuständige Referent die Petition des ADF für ungeeignet für eine weitere Erörterung im Plenum. Im Juni, zwei Monate nachdem von Goßler als Unterrichtsminister wegen seiner durch Kaiser Wilhelm II. kritisierten Blockadehaltung zum Ausbau von Realschulen zurückgetreten war, kam das Thema auf die Tagesordnung. Die zuvor tagende Unterrichtskommission hatte eine Ablehnung der Petitionen vorgeschlagen – wollte jedoch den Eventualantrag zur Öffnung einer einzelnen Universität zur Ausbildung von Ärztinnen der Staatsregierung zur Erwägung überweisen. Selbst dies ging dem Zentrumspolitiker Aloys Perger (1816–1910) jedoch noch zu weit. Er stellte die formale Beschlussfähigkeit der Kommission infrage und torpedierte dadurch erfolgreich die Verhandlung des Themas.163 Laut dem nationalliberalen Abgeordneten Emil von Schenckendorff (1837–1915) hatte Perger, der selbst Mitglied der Kommission war, sehr deutlich gemacht, die Frage des Frauenstudiums überhaupt nicht ernstzunehmen. An diesem Abend kam es im Preußischen Abgeordnetenhaus zu keiner inhaltlichen Debatte mehr. Da die SPD zu dieser Zeit noch nicht im Abgeordnetenhaus vertreten war, gaben sich lediglich die beiden freisinnigen Politiker Paul Langerhans (1820–1909), selbst Doktor der Medizin, und Rickert als Befürworter zu erkennen. Rickert war die Sache zu wichtig, um die Debatte am Ende der Sitzungsperiode im weitgehend leeren Saal weiterhin zu beraten. Er schlug deshalb die Absetzung von der Tagesordnung vor, damit die Unterrichtskommission sich erneut mit der Frage beschäftigen könnte.164 In Baden ging die Zweite Kammer des Landtags über ein Gesuch des ADF zur Zulassung von Frauen zu medizinischen Studien im März 1890 nach kurzer Debatte ohne empfehlenden Beschluss zur Tagesordnung über. Allerdings erklärte der nationalliberale Ministerialrat und Arzt Leopold Arnsperger (1834–1906), die Regierung habe die Forderung der Frauenvereine anerkannt, diese seien jedoch noch nicht reif zur Umsetzung.165 Diese vorsichtig positive Haltung fand im darauf folgenden Jahr auch auf parlamentarischer Ebene ihren Ausdruck. Nun nahm der Petitionsausschuss der badischen Zweiten Kammer eine „wohlwollende Stellung“ zum Gesuch des VFR 163 Als sich die Kommission mit der Frage zu beschäftigen begann, verließ Perger die Versammlung. 164 Vgl. ebd., S. 78–84. 165 Vgl. Anonym (1890a).
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ein: Er empfahl, die Petition zur Kenntnisnahme an die Regierung zu überweisen – allerdings sei die Zulassung zum Maturitätsexamen auf Inländerinnen zu beschränken. Die Freisinnigen stellten einen Gegenantrag: Sie wollten die Petition zur Empfehlung überweisen und zudem das Abitur nicht nur Inländerinnen zugänglich machen, die Wissenschaft sei schließlich international. Das Zentrum forcierte wenig überraschend den Übergang zur Tagesordnung. Die Sozialdemokraten betonten unterdessen, das Thema der Berufstätigkeit von Frauen sei nicht allein aus Mitleid wichtig, sondern weil es sich um ein Recht handele. Obwohl der freisinnige Gegenantrag erfolglos blieb, wurde die Debatte in der Frauenbewegung als ein Lichtblick wahrgenommen. Zum ersten Mal hatte ein deutsches Parlament die akademische Frauenbildungsfrage durch die Weiterleitung einer Petition an die Regierung legitimiert.166 Obwohl die erste Petitionswelle außer in Baden überall zu Fehlschlägen geführt hatte, begann die Presse über die Gesuche der Frauenbewegung sowie die daran anschließenden Parlamentsdebatten zu berichten. Deshalb verwundert es kaum, dass in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Petitionen den Reichstag und das Preußische Abgeordnetenhaus adressierten, da sich auf diesem Wege eine reichsweite Öffentlichkeit und damit der größte Druck erzeugen ließ. Zudem bestärkte die Entlassung Bismarcks 1890 und der neue Kurs seines Nachfolgers Caprivi die Hoffnung auf liberale Reformen. Es kann an dieser Stelle nicht die Aufgabe sein, alle Petitionen und die daran anschließenden Debatten detailliert darzustellen. Stattdessen soll ein Vergleich verschiedener Phasen die Dynamisierungsimpulse aufdecken. Der Gradmesser einer Dynamisierung findet sich im Umgang mit dem Problem der unklaren Kompetenzzuordnung zwischen Reich und Ländern, das im Abschnitt zur Approbation von Ärztinnen bereits beschrieben wurde. Die bislang genannten Petitionen und Reaktionen lassen sich einer ersten Phase zuordnen, die 1887 ihren Anfang nahm und etwa bis zum Ende des Jahres 1891 andauerte. In dieser Phase verhinderten die prinzipiellen Bedenken der Konservativen und des Zentrums wohlwollende Stellungnahmen. Das Kompetenzproblem diente als Vehikel, um diese prinzipiellen Bedenken zu kaschieren. Konservative, Zentrum und teilweise auch Nationalliberale fürchteten um die natürliche Rolle der Frau sowie um die zusätzliche weibliche Konkurrenz in den akademischen Berufen, die zu einem gelehrten Proletariat führen und damit umstürzlerische Bewegungen begünstigen könnte.167 Zu den wenigen einsamen Rufern im Streit, die den Forderungen der Frauenbildungbewegung im Allgemeinen und der Ärztinnenfrage im Besonderen wohlwollend gegenüberstanden, gehörten freisinnige Abgeordnete sowie auf sozialdemokratischer Seite der in Frauenfragen kompetente Bebel. Bereits in der ersten Reichstagsdebatte im März 1891 beschrieb der freisinnige Abgeordnete Schrader, Ehemann der Fröbelnichte und Mitinitiatorin der ADF-Petition vom November 1887 Henriette Schrader, das Feld 166 Vgl. Grimm (1893), S. 119–134. 167 Zu derartigen Problembestimmungen vgl. Kapitel III.
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möglicher Optionen im Umgang mit dem Kompetenzproblem. Für Schrader bestand in der Kompetenzfrage keine ernsthafte Schwierigkeit, vorausgesetzt es gebe überhaupt den guten Willen zur Lösung. Der schnellste Weg bestünde darin, die bereits praktizierenden Ärztinnen im Reich, die ihr Wissen an einer ausländischen Universität erworben hatten, durch eine Novellierung der seit 1871 für das Deutsche Reich geltenden Gewerbeordnung rechtlich den Männern gleichzustellen. Insbesondere das Studium an schweizerischen Universitäten entspräche dem reichsdeutschen Niveau. Dieser Vorschlag kann als externales Lösungskonzept bezeichnet werden, das die bestehende Praxis, die Schweiz als Bildungsexil zu nutzen, rechtlich abgesichert hätte. Die Zulassung zum Abitur sowie zum Studium an der Universität in Straßburg nannte Schrader als eine weitere Möglichkeit einer rasch herbeizuführenden Entscheidung auf Reichsebene, da das Reichsland Elsaß-Lothringen vermittelt über einen Statthalter der kaiserlichen Gewalt unterstand. In diesem partiellen Lösungskonzept hätte sich Straßburg zu einer Sonderuniversität entwickeln können, die über eine lange Zeit den Druck reichsweiter Bestrebungen zur Studienzulassung abgeschwächt hätte. Als dritte Möglichkeit beschrieb Schrader einen Weg, der sich in den kommenden Phasen der Reichstagsdebatten als gangbar erwies: Durch ein Reichsgesetz sollte Druck auf die Landesbehörden ausgeübt werden – eine solche reichsweite Verordnung schuf schließlich die Entscheidung des Bundesrats im April 1899 zur Änderung der Approbationsvoraussetzungen. Dieses universelle Lösungskonzept besaß zwar die größte Reichweite und Signalwirkung, war jedoch aufgrund der Abhängigkeit von einzelstaatlichen Entscheidungen der langsamste Weg. Das war seit den 1890er Jahren eine der Hauptursachen dafür, dass sich die Zulassung von Frauen an allen deutschen Universitäten über viele Jahre hinzog.168 Wie bereits erwähnt, war der gute Wille zur Lösung der Frage im Sinne des von Schrader beschriebenen Weges in der ersten Phase der Auseinandersetzung noch nicht vorhanden. Das Kompetenzproblem diente als ein Feigenblatt, um prinzipielle Bedenken zu kaschieren: Von diesen prinzipiellen Bedenken musste angenommen werden, die bildungsbürgerlich-liberale Öffentlichkeit, die sich zunehmend wohlwollend zu den Bestrebungen der gemäßigten Frauenbewegung positionierte, würde sie als die schlechteren Argumente entlarven und könnte sich deshalb empören. Diese Empörung blieb in der Tat nicht aus. Dem Reichstag, der die Anträge im März 1891 zur Berücksichtigung der Petitionen mehrheitlich abgelehnt hatte und zur Tagesordnung übergegangen war, warfen diese liberalen Teile der Öffentlichkeit weitgehende Unwissenheit in Bezug auf die Frauenfrage vor. Zudem wurde der knappe Bericht der Petitionskommission als oberflächlich kritisiert.169 Die zweite Phase im Umgang mit den Petitionen, die auf die Jahre von 1892 bis etwa 1894/95 datiert werden kann, kennzeichneten die symbolischen Sympathiebekundun168 Vgl. Reichstag (1892), S. 1996 f. 169 Vgl. Ziegler (1891), S. 130 f; Gnauck-Kühne (1891), S. 1.
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gen von Abgeordneten aus einem breiten Parteienspektrum mit Ausnahme des Zentrums und der Freikonservativen. Voraussetzung hierfür war, dass die Ärztinnenfrage als eine Bedürfnisfrage, nicht jedoch als eine Rechtsfrage betrachtet wurde. Auf diesem Wege erschien die Frauenbildungsfrage als eine überparteiliche soziale Frage – streng getrennt von rechtlich fundierten Emanzipationsfragen, die das Problem fehlender politischer Rechte von Frauen überdeutlich gemacht hätte. Ungeachtet dieser überparteilichen Anerkennung der Existenz eines zu lösenden Problems blieb es beim Kompetenzgerangel zwischen Reich und Ländern. Während dieser zweiten Phase begann sich in den parlamentarischen Auseinandersetzungen eine überparteiliche Akzeptanz des Problems als einer zu lösenden sozialen Frage abzuzeichnen. Beispielsweise gestand der Deutschkonservative Hartmann ein, dass leider nicht alle Frauen ihrer Naturbestimmung unter den gegenwärtigen Verhältnissen genügen würden. Der „sozialen Aufgabe unserer Zeit“, mit der er die Frage der unverheirateten Frauen meinte, könne man sich nicht entziehen.170 Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Friedrich Endemann (1834–1909) zweifelte: Eine Freigabe der ohnehin überlaufenen akademischen Berufe des Arztes und des Philologen lindere die soziale Not der Frauen kaum. Dennoch sei er „kein prinzipieller Gegner der Zulassung der Frauen zum Studium“.171 Lediglich der Freikonservative Johannes Hoeffel (1850–1939) witterte im Reichstag noch immer den allgemeinen Umsturz hinter den Forderungen: So könne über die „wahre Natur dieser Bestrebungen“ kein Zweifel bestehen. Davon abgesehen seien die Frauen weder geistig noch körperlich in der Lage, dem Arztberuf zu genügen.172 Die Politiker des Zentrums ließen sich auf die Debatte gar nicht erst ein. Sie zogen es vor, das nun anerkannte soziale Problem der Frauenbildungsfrage weiter zu ignorieren. Um das sich ausbreitende Wohlwollen in der Öffentlichkeit zu repräsentieren, nutzten die Aktivistinnen der Frauenbewegung das Mittel von Massenpetitionen. Anstatt einzig in elaborierter Form durch Broschüren ihre Anliegen zu unterfüttern, sollte nun die Nüchternheit der nackten Zahlen zusätzlich für ihre Forderungen sprechen. Den Anfang unternahmen sechs Wiener Frauenvereine im Mai 1890 mit einer Bitte zur Zulassung an der dortigen Philosophischen und Medizinischen Fakultät.173 Noch im selben Monat, als das preußische Abgeordnetenhaus in Berlin durch den Antrag des Zentrumspolitikers Perger von einer sachlichen Debatte abgehalten worden war, ging auch dort die erste Massenpetition ein: Der VFR sowie der Verein Frauenwohl hatten 12.000 Unterschriften gesammelt und forderten, wenn auch in einer für ihre Verhältnisse zurückhaltenden Sprache, eine Zulassung von Studentinnen an der Philosophischen Fakultät. Selbst der Deutschkonservative Friedrich von Kölichen (1844–1915) konsta170 171 172 173
Reichstag (1893), S. 1212. Ebd., S. 1217. Ebd., S. 1220 f. Vgl. Anonym (1890b).
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tierte als Mitglied der Unterrichtskommission: „[I]ch glaube, es fällt doch wohl für uns ins Gewicht, daß so viele Frauen aus allen Teilen des preußischen Staates diesen Anträgen ihre Zustimmung erteilt haben.“174 Mit der Massenpetition hatte die Frauenbewegung eine bereits etablierte Modellpraxis übernommen.175 Kurze Zeit später zielten die Aktivistinnen mit diesem Mittel auf den Reichstag: Sechs Monate nach der an das Preußische Abgeordnetenhaus gerichteten Massenpetition überreichte der freisinnige Abgeordnete Baumbach am 10. November 1891 ein weiteres Gesuch des ADF an den Reichstag. Begleitet von 51.624 Unterschriften forderte der Verein die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium sowie zur Ausübung des Arztberufs zur Behandlung von Frauen und Kindern. Auch der VFR hatte am 18. April 1891 eine weitere Petition an den Reichstag gesandt: Er verlangte, der Reichstag möge auf die Einzelstaaten einwirken, damit der Bundesrat die Gewerbeordnung dahingehend ändere, dass die Bundesstaaten je ein Gymnasium und eine Universität benennen, an denen Frauen das Maturitätsexamen und ein Medizinstudium absolvieren könnten. Zudem insistierte der VFR auf eine Anerkennung von in der Schweiz absolvierten Studien. Bezug nehmend auf die ernüchternden Verhandlungen in den Landtagen sowie die erste Reichstagsdebatte schrieb die Vorsitzende Kettler einleitend: Aus der Behandlung unserer Petition haben wir den Eindruck gewonnen, daß die einzelnen Bundesstaaten im allgemeinen von der Ansicht ausgehen, der Einzelstaat könne in derartigen Reformen nicht wohl die Initiative ergreifen. Dem entgegen verweist uns nun die Motivierung des in der Sitzung vom 11. vor[angegangenen]. Monats zur Annahme gelangten Kommissionsantrages wieder auf die Einzelstaaten als die kompetenten Stellen. […] So verweist das Reich die deutschen Frauen an die Einzelstaaten; letztere aber erklären z. T., in derartigen Fragen nicht gut einzeln vorgehn zu können!176
Kettler durchschaute die formale Blockadetaktik und brachte dies deutlich zum Ausdruck. Überraschenderweise war es das Preußische Abgeordnetenhaus, das seine Blockade zuerst aufgab: Durch die Massenpetition brachten der VFR und der Verein Frauenwohl in der Sitzung vom 30. März 1892 die Abgeordneten dazu, Teile des Gesuchs der Regierung „zur Erwägung“ zu überweisen. Dies betraf die Forderung nach einer Zulassung von Mädchen bzw. Frauen zum Maturitätsexamen sowie zum Medizinstudium – beinhaltete allerdings nicht die ebenfalls erstrebte Errichtung von Mädchengymnasien und die Zulassung zu den philosophischen Fakultäten. Der Mädchenschuldirektor Buchner hielt es für „gewiß höchst bedeutungsvoll, wenn die preußische Unterrichtskommission mit allen gegen eine Stimme sich dafür ausspricht, daß dem weiblichen Geschlecht die Zulassung zum medizinischen Studium gewährt werde“. Zu174 175 176
Grimm (1893), S. 154 f. Derartige Massenpetitionen mit bis zu 100.000 Unterschriften hatten den Reichstag bereits zuvor zu anderen Themen, wie etwa der Forderung eines Befähigungsnachweises im Handwerk, erreicht. Grimm (1893), S. 76 f.
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gleich relativierte er die Befürchtungen des deutschkonservativen Abgeordneten Adolf Stoecker (1835–1909). Die Überweisung zur Erwägung an die Regierung sei kein Signal für die Allgemeinheit unter den Frauen, vielmehr sollten sich, wie Buchner betonte, „nur durchaus begabte, leibes- und willenskräftige, über das Maß der uns sonst so erfreulichen Weiblichkeit hinausgewachsene Naturen“ zum Studieren entschließen. Für diese Ausnahmen sei „das Eis der akademischen Ausschließlichkeit“ nun gebrochen.177 Dieser Teilerfolg der Frauenvereine bestärkte den ADF in seinem Vorgehen. Weil die erste Massenpetition des ADF vom November 1891 an den Reichstag bislang unerledigt geblieben war, ging am 19. November 1892 abermals eine Petition ein: dieses Mal begleitet von 54.766 Unterschriften. Daraufhin beschäftigte sich am 22. Februar 1893 die Petitionskommission und einen Tag darauf das Reichstagsplenum mit dem Anliegen. Baumbach, der die Petition für den ADF überreicht hatte, leitete das Thema mit einer langen Rede ein, die später als Separatdruck erschien.178 Er unterstrich darin das körperliche und geistige Vermögen von Frauen. Zugleich wies er darauf hin, es gehe nicht um eine Gleichstellung, wie es die Sozialdemokratie verlange, sondern lediglich um die Befriedigung eines Bedarfs insbesondere an Frauenärztinnen aufgrund des Scham- und Zartgefühls der Patientinnen. Der Staatssekretär im Reichsamt des Innern Karl Heinrich von Bötticher (1833–1907) antwortete auf die „wohldurchdachte und von Begeisterung für sein Ziel getragenen Rede“ Baumbachs, goss dabei jedoch gleichzeitig „einen Tropfen kalten Wassers in diese Begeisterung“:179 Zunächst erkannte er den Bedarf an Ärztinnen an und verwies dabei sogar auf die bestehende ärztliche Praxis von Tiburtius in Berlin, die dort gemeinsam mit Emilie Lehmus (1841–1932) unter prekären Bedingungen arbeitete, da beide Frauen ohne Arzttitel nicht einmal eigenständig Medikamente verschreiben durften.180 Allerdings hielt Bötticher am Kompetenzproblem fest. Da einzig die Gewerbeordnung in die Zuständigkeit des Reichs falle und diese Ordnung die Frauen nicht prinzipiell an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindere, sei nichts zu machen. An einer Änderung der im § 29 der Gewerbeordnung aufgestellten Approbationsbedingungen, die wie oben beschrieben Ärztinnen an der Ausübung ihrer Tätigkeiten behinderte, könne im Interesse der Wissenschaft kein Interesse bestehen: Der Uebelstand, den der Herr Vorredner [Baumbach] beklagt, liegt nicht auf dem Gebiet der Reichssphäre, sondern er liegt in der Schulorganisation der Einzelstaaten, und ein Eingriff in diese Schulorganisation ist dem Reich verfassungsmäßig nicht gestattet. […] Ich sehe deshalb keine Möglichkeit, daß das Reich hier Wandel schaffen kann. Wir können ja und werden wahrscheinlich – denn wir haben ja unendlich viel Zeit – noch sehr interessante Vorträge über diese Materie heute hören; aber das Schlußergebniß wird das sein, 177 178 179 180
Buchner (1892b), S. 273, 274, 275. Vgl. Baumbach (1893). Reichstag (1893), S. 1211. Die beiden Ärztinnen nutzten stattdessen den Titel „Dr. med. der Universität Zürich“ als Beleg ihrer Qualifikation. Vgl. Bornemann (1993), S. 30.
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daß hier der Bundesrath nicht helfen kann, daß dazu vielmehr allein die Einzelregierungen befähigt sind.181
Und in einer weiteren Wortmeldung des Staatssekretärs, in der er auf die Entscheidung der Verhandlung vom März 1892 im Preußischen Abgeordnetenhaus verwies, hieß es beschwichtigend: Jedenfalls für jetzt kann Herr Dr. Baumbach sich damit trösten, daß im größten deutschen Staate, und zwar in demjenigen, der bis vor kurzem vielleicht diesen Bestrebungen am abgeneigtesten war, die Dinge gegenwärtig in gutem Flusse sind.182
Abermals stellte Rickert, der als Abgeordneter sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Reichstag saß, einen Antrag zur Absetzung der Resolution. Die bestehende Unklarheit in der Kompetenzfrage müsse zunächst durch die Petitionskommission geklärt und diese Klärung in einem schriftlichen Bericht vorgelegt werden. Das Thema sollte nicht erneut an formalen Hürden scheitern. Die Kommission tagte am 8. März 1893 und empfahl, sowohl die Massenpetition des ADF als auch die ebenfalls ausstehende Petition des VFR und damit die Forderung nach einer Zulassung von Frauen zum Medizinstudium, zur Ausübung des ärztlichen Berufs sowie zu den philosophischen Fakultäten zur Erwägung an den Reichskanzler zu übermitteln – der eigentliche weitergehende Antrag einer Überweisung zur Berücksichtigung scheiterte an den noch immer nicht ausgeräumten rechtlichen Schwierigkeiten der Kompetenzfrage. Grundsätzliche Widersprüche gegen die wohlwollende Stellung zu den Petitionen waren nicht aufgekommen.183 Diese Empfehlung, die durch den Einbezug der philosophischen Fakultäten noch etwas über das preußische Vorbild vom März 1892 hinausging, hatte zunächst keine Konsequenzen. Im November 1893 ging deshalb eine dritte Massenpetition des ADF an den Reichstag – dieses Mal vom Abgeordneten Rickert überreicht, um der brachliegenden Sache einen neuerlichen Schub zu geben. Auch der VFR brachte im November 1893 abermals eine Petition ein. In den beiden Reichstagsdebatten vom 6. Februar und 19. April 1894 gab es keine inhaltlichen Veränderungen: Die Ärztinnenfrage wurde aufgrund des Schamproblems als Bedürfnis anerkannt. Der Verweis auf andere Kulturländer sollte den Handlungsbedarf unterstreichen. Das Kompetenzproblem verhinderte weiterhin konkrete Empfehlungen. Allein das Einwirken auf den preußischen Kultusminister sowie auf einflussreiche Professoren erschien der bürgerlichen Frauenbewegung als gangbarer Weg. Dass dieser Druck erfolgversprechend war, verrät die Position der preußischen Regierung, die in der Kommission für das Unterrichtswesen des Preußischen Abgeordnetenhauses anlässlich von zwei Petitionen vom Berliner Frauenverein, einem Zweigverein des ADF, 181 182 183
Reichstag (1893), S. 1211. Ebd., S. 1213. Reichstag (1893a), S. 781.
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sowie vom Verein Frauenwohl unter Federführung Cauers im Juli 1895 zum Ausdruck kam:184 Der Geheime Regierungsrat Schmidt berichtete, die königliche Staatsregierung behandle das Thema „in fortgesetzter Erwägung“. Vorsichtige Resultate dieser Erwägungen waren die Zulassung von Schülerinnen der Berliner Gymnasialkurse zur Reifeprüfung, die Zulassung einzelner Gasthörerinnen in Göttingen und Berlin zum Wintersemester 1895/96 sowie der erklärte Wille zu einer künftigen ordentlichen Zulassung von Studentinnen der Medizin.185 Auch die Initiatorinnen der Petitionen veränderten ihre Anliegen: War zu Beginn der Auseinandersetzung gerade bei den gemäßigten Vereinen nur vom medizinischen Studium und der wissenschaftlichen Ausbildung von Lehrerinnen die Rede, zielten die durch Lange im Namen des Berliner Frauenvereins eingereichten Gesuche beim Reichstag und dem Preußischen Abgeordnetenhaus vom Januar 1895 auf eine Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium unter den gleichen Bedingungen, die für männliche Studenten galten.186 Darin kam bereits die Sorge zum Ausdruck, die Regierungen könnten Schritte beschließen, die Sonderregelungen für Frauen vorsahen. Derartige Sonderregelungen durch eine Lockerung von Vorbildungsbedingungen hätten zu einer akademischen Bildung zweiter Klasse für Frauen und damit zu ihrer Delegitimation geführt. Die Angst vor derartigen Sonderregeln kam auch in einer Denkschrift des VFbF vom 1. März 1899 zum Ausdruck. Anknüpfend an die Reichstagsverhandlungen vom Januar desselben Jahres, in denen der Staatssekretär im Reichsamt des Innern Graf von Posadowsky-Wehner einen Beschluss des Bundesrats zur Ärztinnenfrage in Aussicht gestellt hatte, lautete das Gesuch „an den Hohen Bundesrat […], für die studierenden Frauen nicht neuerdings Ausnahmebestimmungen festzusetzen, um ihnen lediglich die Approbation zu ermöglichen, sondern stattdessen vielmehr den Universitäten nahezulegen, denjenigen Frauen, welche das Maturitätsexamen bestanden haben, die Immatrikulation zu gestatten“.187 Posadowsky-Wehner hatte zuvor allerdings klargemacht, dass eine generelle Öffnung zunächst ausgeschlossen sei: Die Zugeständnisse galten für die Laufbahn als Ärztin und Mittelschullehrerin, keinesfalls jedoch im Justizbereich, da sonst alle „Schranken fallen“ würden und es schließlich „sogar zur Verleihung des Wahlrechts“ kommen könne.188 Gemäß dieser Politik der kleinen Schritte kam es, wie von den Frauenvereinen befürchtet: Der Bundesrat erlaubte die Anrechnung der Hospitationszeit von Gasthörerinnen als normale Studienzeit, um über diese Sonderregelung den Bedingungen für die Zulassung zur Approbation zu genügen.
184 Beim Berliner Frauenverein handelte es sich um eine Vereinigung von Frauen, die aufgrund der inneren Richtungskämpfe im Berliner Frauenwohl-Verein zwischen Lange und Cauer, die Letztere für sich entschied, 1894 aus diesem austraten. Vgl. Briatte (2020), S. 69 f. 185 Vgl. Preußisches Abgeordnetenhaus (1895), S. 3422. 186 Vgl. Reichstag (1896b), S. 2290–2291. 187 Vgl. Pappritz/Erdmann (1899), S. 5. 188 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (2001), S. 151.
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Damit ist bereits die dritte Phase der Auseinandersetzung zwischen den Jahren 1894/95 und 1900 in den Blick geraten. Die Blockadehaltung wegen formaler Kompetenzbedenken lockerte sich maßgeblich durch die Bereitschaft Preußens, in der Ärztinnenfrage nachzugeben, was den Bundesratsbeschluss vom April 1899 ermöglichte. Eine weitere wichtige Neuerung der dritten Phase fand sich in der Art des Debattenanlasses: Bereits am 6. Februar 1894 wurde eine Reichstagsdebatte auf Initiative des nationalliberalen Abgeordneten Schoenaich-Carolath eröffnet. Dies war auch in den beiden Jahren 1898 und 1899 der Fall. Durch diese Unterstützung einiger liberaler Abgeordneter, die im privaten Umfeld Kontakte zur bürgerlichen Frauenbewegung in Berlin unterhielten, ließ sich das Thema der akademischen Frauenbildung in die wichtigen Verhandlungen zum Haushalt überführen. Die radikale Frauenbewegung zog sich angesichts derartiger Erfolge zusehends aus der Frauenbildungsbewegung zurück. Denn ihr vor allem im Berliner Verein Frauenwohl vertretener Anspruch lautete, mit ihrer Agitationsarbeit wichtige Impulse für bislang unbearbeitete Themen zu liefern, und hierzu sollten in den nun kommenden Jahren vor allem die Sittlichkeitsfrage und das Frauenstimmrecht gehören.189 Die vierte und letzte Phase ab der Jahrhundertwende war gekennzeichnet durch ein erneutes Aufkommen der Blockadehaltung wegen Kompetenzbedenken. Nachdem der Bundesrat seine Entscheidung zur Approbationszulassung beschlossen hatte, mussten die Konsequenzen dieser Entscheidung abgewartet werden. Die Einzelstaaten waren am Zug. Aus diesem Grund richteten sich nun wieder verstärkt Petitionen an die Unterrichtsministerien der Länder. Beispielsweise begann der VFR (ab 1898: Verein Frauenbildung-Frauenstudium), nachdem seine letzten Petitionen aus dem Jahr 1891 erfolglos geblieben war, unter anderem neuerliche Gesuche an die großherzogliche Regierung in Weimar zu stellen, die im Gegensatz zu den Regierungen in Baden, Bayern und Württemberg, die bereits eine Zulassung von Frauen beschlossen hatten, die weiteren Entwicklungen in Preußen abwartete.190In Preußen petitionierten indes 42 Abiturientinnen des Jahrgangs 1900/01 beim preußischen Kultusministerium und drangen auf eine „regelrechte Immatrikulation“ in Berlin, Bonn, Breslau, Göttingen, Königsberg und Marburg. Das Ministerium holte daraufhin ein Stimmungsbild der Fakultäten und Senate ein, wobei sich Berlin, Königsberg und Göttingen dagegen aussprachen. Wie die Erziehungswissenschaftlerin Hilde Schramm treffend bemerkt, stellte dies dennoch einen „Teilerfolg“ dar, „denn ihre Intervention löste heftige inneruniversitäre Debatten aus und beförderte die öffentliche Diskussion über das Frauenstudium“.191 Auf derartige Dynamiken wird im nächsten Abschnitt vertiefend eingegangen. 189 Vgl. Briatte (2020), S. 101. 190 Petitionen erfolgten am 2. April 1900, 15. Juni 1901, Herbst 1903 sowie am 21. April 1904. Die letzte Petition sorgte für neuerliche Bewegung, da dem lokalen VFbF auch Margarete Wagenmann, die Ehefrau des Jenaer Medizinprofessors August Wagenmann, angehörte. Vgl. UAJ, Bestand J, Nr. 141, Bl. 212r–213r. 191 Schramm (2012), S. 90.
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Welche Faktoren lassen sich ausgehend von den Petitionen zur Dynamisierung des Diskursfeldes ausmachen? Die Parlamente wirkten als Katalysatoren zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung und zur indirekten Beeinflussung der Ministerialbürokratie: Das parlamentarische Feld wird deshalb im Kapitel zu den Machtpotenzialen des Diskursfeldes nicht erwähnt, weil es lediglich als Multiplikator der Bestrebungen der Frauenbewegung wirkte, ohne dabei eigenständige Impulse durch völlig neue Problematisierungen oder Lösungskonzepte zu setzen. Zudem erwies sich die Pluralität der Frauenvereine als bedeutsam: Das breite Spektrum diskursiver Strategien (von befreiend-liberal bis befreiend-radikal)192 erleichterte die Kompromissfindung, da vor dem Hintergrund weitreichender Maximalforderungen eine Einigung auf vorsichtig reformistische Position als ein gemäßigtes Mittel erscheinen konnte, um den gesellschaftlichen Veränderungsdruck in überschaubare Bahnen zu lenken. Die Petitionen der Vereine lassen sich als ein Lern- und Professionalisierungsprozess politischer Lobbyarbeit beschreiben. Die Gesuche passten sich den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen an und reagierten flexibel auf neue Möglichkeitsbedingungen, die sich im Diskursfeld sowie den angrenzenden institutionellen Feldern ergaben. Zu diesem Lernprozess gehörte die Kooperation zwischen dem ADF und einzelnen liberal gesinnten Reichstagsabgeordneten wie Theodor Barth (1849–1909) sowie den bereits genannten Langerhans, Schrader, Baumbach, Rickert und Schoenaich-Carolath. Der Vergleich von vier Phasen parlamentarischer Auseinandersetzungen verdeutlicht, dass die durch diese Parlamentarier beeinflussten Debatten in den 1890er Jahre nur möglich wurden, weil das Thema der akademischen Frauenbildungsfrage zuvor durch Petitionen ins parlamentarische Feld überführt worden war. Dadurch konnten die Aktivistinnen schließlich ihre Sympathisanten unter den Abgeordneten zu eigenen Vorstößen, wie der von Schoenaich-Carolath während der dritten Phase, animieren. Ihr Einfluss endete jedoch mit der selbst recht begrenzten parlamentarischen Macht im Kaiserreich. Mit einer „Fixierung auf das Parlament“ hegten vor allem radikale Frauenrechtlerinnen mit ihren weitreichenden Forderungen übertriebene Hoffnungen, die sowohl wegen begrenzter Handlungsspielräume als auch wegen begrenzter liberaler Grundwerte hinsichtlich der Gleichberechtigung der Geschlechter selbst bei fortschrittlichen Parlamentariern enttäuscht werden mussten.193 Generell kann das Bestreben nach bürgerlicher Gleichberechtigung nicht ohne weiteres als ein Projekt der Liberalen im Kaiserreich betrachtet werden: Es waren lediglich einzelne Liberale, die sich für Frauenrechte einsetzten. Insbesondere in Bezug auf das Wahlrecht liefen die Sozialdemokraten den Liberalen in Emanzipationsfragen den Rang ab.194
192 Vgl. hierzu Kapitel V, 1. Abschnitt: Schlüsselkategorien und globale Strategien des Diskursfeldes. 193 Briatte (2020), S. 280, 283. 194 Vgl. Vogel (2010), S. 217.
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Produktive Polarisierung: Interventionen orthodoxer Mediziner und das Mobilisierungspotenzial kritischer Gegenstimmen195 In den ersten zwanzig Jahren, bis gegen 1870, hat die Frauenbewegung einen Widerstand mit […] biologischen Gründen kaum gefunden. Er beginnt erst eigentlich mit der Schrift des Münchener Professors Dr. von Bischoff […]. In ihr erscheint zum erstenmal die Beweisführung, die bis zum heutigen Tag […] von den Gegnern der Frauenbewegung gebraucht wird. Und zwar tritt diese Gegnerschaft in Wellenbewegung auf: während sie jahrelang in einer gewissen Ebene bleibt, erhebt sie sich dazwischen zu einer gewaltigen Brandung, um dann wieder für einige Zeit zurückzuebben. Agnes von Zahn-Harnack (1884–1950), Lehrerin und Frauenrechtlerin, Berlin 1928196
Im Jahr 1868 überführte der Lebensreformer Emil Weilshäuser die Debatte über „weibliche Ärzte“ aus England und Amerika in die breitere Öffentlichkeit des deutschen Diskursfeldes.197 Er stieß dabei auf keine nennenswerte Resonanz. Erst die Sensationsberichterstattung über weibliche Medizindoktoren aus Zürich und Edinburgh steigerte das öffentliche Interesse und rief soziale Akteure auf den Plan, die im Rahmen dieser Studie bereits mehrfach als orthodoxe Mediziner in Erscheinung getreten sind. Als Vertreter reaktionärer Diskursstrategien verteidigten sie das orthodoxe Geschlechtermodell. Bei ihnen handelte es sich um den bereits vielfach erwähnten Anatomen Bischoff – Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Vereinigungen, darunter die Leopoldina, die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, die englische Royal Society sowie weitere Akademien in den USA und Russland –, den Berliner Anatomen Waldeyer – ebenfalls Mitglied der Leopoldina sowie der Preußischen Akademie –, den Wiener Chirurgen Albert – seines Zeichens Hofrat, Ritterkreuzträger und Herausgeber einflussreicher Fachzeitschriften –, den Pharmakologen Penzoldt – Direktor des pharmakologisch-poliklinischen Instituts sowie späterer Ehrenbürger der Stadt Erlangen – und um den Gynäkologen Runge – Medizinalrat und Mitglied der Leopoldina. Nachdem die Schrift Weilshäusers auf keine Resonanz gestoßen war, markierte das Essay Bischoffs aus dem Jahr 1872 einen ersten Höhepunkt in der akademischen Frauenbildungsfrage.198 Zwar hatte es bereits 1871 ein ablehnendes Essay des Königsberger Theologieprofessors Jacoby gegeben, doch blieben auch hier die Reaktionen überschaubar.199 Bischoffs Interventionen gingen weniger auf das Wirken der sich seit 1865 institutionell formierenden Frauenbewegung zurück als vielmehr auf die Zulassungs-
195 196 197 198 199
Für vertiefende Ausführungen zu diesem Thema vgl. Neumann (2020b). Zahn-Harnack (1928), S. 152. In der Frauenbewegung war das Thema bereits früher präsent. Gehring (2020), S. 211–214. Zur Schrift Bischoffs vgl. Glaser (1996), S. 301 f; Schmersahl (1998), S. 78; Voß (2010), S. 174 f. Vgl. Jacoby (1871).
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prozesse an den Universitäten Zürich und Edinburgh. Die zahlreichen Berichte über Medizin studierende Frauen im Ausland brachten ihn dazu, seine Stimme zu erheben. Die Zeitungen kommentierten nicht nur die anwachsenden Studentinnenzahlen, sondern berichteten über die Urteile zweier Medizinerkollegen aus Zürich und Edinburgh. Nach Ansicht dieser Mediziner sei es zu keinen Problemen mit den Studentinnen gekommen. Bischoffs Widerspruch entzündete sich vor allem an den schweizerischen Vorgängen: Bei der Universität Zürich handele es sich um den „Hauptsitz des Unwesens“.200 Kurz bevor er zur Feder griff, hatte die Medizinische Fakultät der Universität Zürich die Amerikanerin Susan Dimock (1847–1875) zur Doktorin der Medizin und Chirurgie promoviert.201 Zudem fühlte sich Bischoff durch die zunächst 1869 für den Norddeutschen Bund erlassene, und 1871 vom Deutschen Reich übernommene Gewerbeordnung zu einem Handwerker herabgewürdigt. Aufgrund der neuen Regelungen war die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten nicht länger staatlich protegiert – obwohl der § 29 weiterhin den Schutz des Arzttitels garantierte, der nur von Personen getragen werden durfte, die den Bedingungen zur Erteilung einer Approbation genügten. Aus der Perspektive berufsständischer Interessenpolitik erschien die neue Gewerbeordnung dennoch als Skandal, denn die anderen akademischen Berufe wurden gar nicht als Gewerbe klassifiziert.202 Bischoffs lautstarke Einmischung weitete die publizistische Kampfzone aus: Zunächst sah sich der Züricher Nationalökonom Böhmert in der Augsburger Allgemeinen Zeitung zu einer – wenngleich anonym verfassten – Intervention berufen. Er war bereits zuvor mehrfach als ein Verfechter des Frauenstudiums publizistisch in Erscheinung getreten.203 Neben Böhmert verwies ein Medizinerkollege auf Schwächen der Bischoff ’schen Schrift: Der in Zürich lehrende Physiologe Hermann korrigierte in einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung dessen Thesen zum Hirngewicht – anders als Böhmert begrüßte er allerdings eine Geschlechtertrennung in Bildungsangelegenheiten.204 Bischoff verteidigte vehement seine Thesen gegen die Angriffe von Böhmert und Hermann in der Augsburger Allgemeinen Zeitung.205 Daraufhin reagierte Katharina Gundling (1853–?), die Tochter des liberalen Schriftstellers und Korrespondenten der Allgemeinen Zeitung Julius Gundling (1828–1890), mit einem knappen Artikel über erfolgreiche Medizinerinnen des 18. Jahrhunderts auf die Behauptungen Bischoffs zur fehlenden geistigen Schöpferkraft von Frauen.206 Mit seiner vorsichtigen Kritik an Bischoff beschloss der nationalliberale Politiker und Jurist Friedrich Oetker (1809–1881) den Schlagabtausch in der Allgemeinen Zeitung. Oetker betrachtete zumindest im Bereich 200 201 202 203 204 205 206
Bischoff (1872a), S. 24. Ein kurze Biografie bei Bickel (2017), S. 135–138. Vgl. ebd., S. 2, 10, 24. Vgl. Böhmert (1872); vgl. auch Böhmert (1870a); Böhmert (1870b); Böhmert (1871). Separatdruck des Artikel vgl. Hermann (1872a), S. 8, 11. Vgl. Bischoff (1872b), S. 4622–4623. Vgl. Gundling (1872), S. 4728; auch sie betätigte sich zuvor publizistisch. Vgl. Gundling (1871), S. 262.
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der Frauen- und Kinderheilkunde weibliche Ärzte als notwendig.207 In einer eigenen Broschüre sprang lediglich der Rostocker Ophthalmologe Zehender seinem Kollegen Bischoff zur Seite – wenngleich sein Urteil ambivalent blieb, denn zwar stimmte er den Thesen zum Hirngewicht weitgehend zu, doch betonte er auch die positiven Qualitäten des weiblichen Geistes wie beispielsweise die größere Gedächtnisstärke.208 Letztmalig intervenierte Bischoff im Jahr 1877 in der akademischen Frauenbildungsfrage – dieses Mal in der Wiener Hochschulzeitschrift Alma Mater. Erneut folgten kritische Reaktionen. So nahm der Züricher Anatomieprofessor von Meyer die in Zürich bestens etablierte Praxis des Frauenstudiums gegen „unbillige Angriffe in Schutz“.209 Mit den Mitteln der Wissenschaft reagierte der Wiener Anatom Brühl. Auf 128 Seiten inklusive anatomischer Abbildungen wies dieser die Hirngewichts-Thesen seines Münchner Kollegen zurück und beurteilte auf dieser Grundlage dessen Schrift als eine „moralische Missethat“.210 Die Kritiker Bischoffs gingen aus dieser ersten durch einen orthodoxen Mediziner eröffneten Auseinandersetzung eindeutig als Gewinner hervor. Bereits eine zeitgenössische Einschätzung bezeichnet das Resultat der im Wesentlichen 1872 geführten Debatte als günstig für die Ziele der Frauenbewegung.211 Die nächste Phase der Auseinandersetzung um das Medizinstudium für Frauen ereignete sich am Ende der 1880er Jahren. Waldeyer trat dabei aus zunächst recht ähnlichen Anlässen in die Fußstapfen seines 1882 verstorbenen Kollegen Bischoff: Wie bereits zu Beginn der 1870er Jahre sorgten die Berichte aus England, Nordamerika, Russland und nicht zuletzt der Schweiz für die Befürchtung, auch in Deutschland könne eine Zulassung von Studentinnen künftig möglich werden.212 In seiner Straßburger Zeit erlebte er 1874 die Zulassungsgesuche russischer Medizinstudentinnen, nachdem diese aufgrund eines Zarenerlasses die Züricher Universität 1873 hatten verlassen müssen, da ihnen staatsgefährdende und unsittliche Umtriebe vorgeworfen worden waren.213 Der Hauptanlass für Waldeyers Beunruhigung fand sich neben den Ereignissen im Ausland in den Bestrebungen der Frauenbewegung im Inland: Denn diese hatte 1887 mit ihrer Petitionskampagne zur Öffnung höherer Bildungswege für Frauen begonnen. Die binnen eines Jahres drei Auflagen erreichende Schrift Mathilde Webers zur Notwendigkeit von Frauenärztinnen alarmierte Waldeyer. Dieser ergriff im September 1888 auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Köln das Wort. Aufgrund ihrer „natürlichen Organisation“ klassifizierte er Frauen als für den Arztberuf unfähig. Anders als Bischoff sah er den Grund dafür aber nicht mehr im Hirngewicht, sondern 207 208 209 210 211 212 213
Vgl. Oetker (1873). Zehender (1875). Vgl. Bischoff (1877); Meyer (1878). Brühl (1879), S. 6; vgl. auch Brühl (1883). Vgl. Anonym (1872e). Vgl. Waldeyer (1889), S. 35. Vgl. Lavrov (1873); Waldeyer (1889), S. 36; zu langfristigen Auswirkungen vgl. zudem Neumann (2021).
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in den Hirnwindungen.214 Die Konsequenz blieb jedoch dieselbe: Wie Bischoff hielt auch Waldeyer die Frauen lediglich für medizinische Hilfsdienste befähigt.215 Noch bevor Waldeyers Vortrag ein Jahr später in Druck ging, reagierte die Gegenseite. Die Presse hatte bereits lebhaft über die Versammlung der Naturforscher sowie die dort geäußerten Thesen Waldeyers berichtet. Damit erreichte die akademische Frauenbildungsfrage eine bislang kaum gekannte Öffentlichkeit. Die verdiente Sozialreformerin und bekannte Frauenrechtlerin Lina Morgenstern (1830–1909) kritisierte Waldeyer mit Verweis auf das Schicksal der ehelosen Frauen, die bei vorhandener Begabung ihren Weg an die Universitäten finden sollten.216 Der mittlerweile in Dresden an der Technischen Hochschule lehrende Böhmert befürwortete in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Volkswohl wie bereits in den 1870er Jahren die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium.217 Unter den Medizinerkollegen trat der in München lehrende Gynäkologe von Winckel als schärfster Widersacher Waldeyers auf. Er wies in einem Artikel in den Münchner Neuesten Nachrichten nicht nur auf die hervorragenden Arbeiten von Studentinnen und Ärztinnen in Paris hin, sondern bezog sich zudem positiv auf die Frauen- und Bürgerrechtsbewegung in den USA. Als Unterstützer Waldeyers gab sich der junge Wiener Arzt Adolf Kronfeld (1861–1938) in einem Beitrag in der Wiener Medizinischen Wochenschrift, die er später als Chefredakteur verantwortete, zu erkennen und gehörte damit noch zu einer kleinen Minderheit.218 Waldeyer hatte mit seinem polarisierenden und polemischen Vortrag Öl in das bislang lediglich schwelende Feuer der Zulassungsdebatte gegossen. Das nun heftig lodernde Feuer trieb die produktive Polarisierung voran und mobilisierte die Befürworter und Befürworterinnen des Frauenstudiums. In einer 1898 veröffentlichten Rektoratsrede äußerte sich Waldeyer ein weiteres Mal. Er war nun auf den Standpunkt eingeschwenkt, dass eigene Frauenhochschulen eingerichtet werden sollten, um dadurch eine Zulassung von Studentinnen an den bestehenden Universitäten zu verhindern.219 Bei diesem Vorschlag handelte es sich um den letzten Ausweg für die orthodoxen Mediziner. In einem Gutachten nahm die orthodox dominierte Medizinische Fakultät der Universität Jena die Position Waldeyers vorweg.220 Vgl. Kapitel III, 2. Abschnitt: Geist. Waldeyer (1889), S. 43. Vgl. Morgenstern (1888), S. 5, 7, 14. Die vom Nationalökonomen Böhmert herausgegebene Zeitschrift, Volkswohl: Organ d. Centralvereins für das Wohl der Arbeitenden Klasse, erschien seit 1885 und existierte bis drei Jahre nach seinem Tod 1921. 218 Vgl. Kronfeld (1889). 219 Vgl. Waldeyer (1898), S. 17 f; Waldeyer plädierte für Frauenhochschulen als diese Idee in der Frauenbewegung bereits keine ersthafte Option mehr war. Vgl. Kleinau (1996), S. 118. 220 Das Gutachten entstand im Rahmen einer durch den Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst initiierten Sondierung vom Februar 1898 über eine mögliche Änderung der ärztlichen Prüfungsvorschriften. 214 215 216 217
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Die Fakultät steht der Frage vom Medizin-Studium der Frauen und von deren Zulassung zu den ärztlichen Prüfungen von vorn herein ablehnend gegenüber. Und da wir auf Grund der nachtheiligen Erfahrungen in den Nachbarländern tiefgehende Bedenken haben, alle deutschen Universitäten den Frauen […] als immatrikulierte Studierende freizugeben, so würden wir, falls doch einmal das Medizinische Studium der Frau eingeführt werden soll, anheimgeben, um das Uebel wenigstens in etwas zu beschränken, nicht alle Universitäten, sondern nur die eine oder andere den Frauen zu öffnen.221
In der Zwischenzeit intensivierten sich im benachbarten Österreich die Bestrebungen für eine Zulassung von Frauen zu den Universitäten. Nachdem der Verein für erweiterte Frauenbildung bereits seit einigen Jahren für die Etablierung von Mädchengymnasien gestritten hatte, erhob der 1893 gegründete Allgemeine Österreichische Frauenverein das Frauenstudium zu einem seiner Hauptthemen.222 Die Petitionen der Frauenbewegung bewirkten im gleichen Jahr eine Resolution des Reichsrats, in der die Abgeordneten die Regierung dazu aufforderten, zur akademischen Frauenbildungsfrage Gutachten der philosophischen und medizinischen Fakultäten einzuholen. Albert äußerte sich in seinem amtlichen Votum für die Medizinische Fakultät der Wiener Universität deutlich ablehnend und entschloss sich, im Juli 1895 mit dieser Meinung auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Es waren abermals Ereignisse im Ausland sowie die „zahllosen Petitionen“ für das Frauenstudium, die ihn wie bereits Bischoff und Waldeyer zu diesem Schritt veranlassten.223 „Durch alle Blätter Europas geht auf einmal die Nachricht, Fräulein X, die Tochter des bekannten Y, sei auf der Universität in Zürich zum Doctor der gesammten Heilkunde promovirt worden“, schrieb Albert erbost.224 Neben den Entwicklungen in Zürich registrierte er die Eröffnung einer Medizinischen Fakultät für Frauen in St. Petersburg, welche an die Tradition der Medizinisch-Chirurgischen Akademie anknüpfte, die aufgrund eines Zarenerlasses in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre geschlossen worden war.225 Wegen der hohen Rate an männlichen Analphabeten in Russland brachte Albert einer Hebung der weiblichen Bildung kein Verständnis entgegen – die Bildung der Männer habe entschiedenen Vorrang, da diese einen höheren Mehrwert verspreche.226 Als Negativbeispiele nannte er zudem Großbritannien und Irland. Dort würden Hochschulen für Frauen existieren und trotzdem gäbe es nur wenige Ärztinnen – eine Interpretation, der zahlreiche Kritiker/-innen Alberts vehement widersprachen.227 Albert konnte sich allerdings mit seinen Urteilen auf seine Kollegen Fehling in Basel sowie Zygmunt Laskowski (1841–1928) und Vogt in Genf stützen. Zwar 221 222 223 224 225 226 227
Vgl. UAJ, Bestand L, Nr. 251, Bl. 122r–123r. Vgl. Anderson (1994), S. 98. Albert (1895), S. 22. Ebd., S. 23. Vgl. Kerschbaumer (1895), S. 1383. Vgl. Albert (1895), S. 24. Vgl. ebd., S. 28; vgl. u. a. Kronfeld (1895), S. 7; Kerschbaumer (1895), S. 1386.
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vertraten die drei Professoren keine gänzlich ablehnenden Positionen und gehörten damit nicht zum Kreis orthodoxer Mediziner, dennoch bescheinigten sie den schweizerischen Absolventinnen eine mangelnde Leistungsfähigkeit.228 Pathetisch beschloss Albert seine Intervention gegen Medizinstudentinnen mit den Worten: „Gott schütze Jeden vor dieser Unheilsarmee!“229 Auch die Interventionen Alberts steigerten das Problembewusstsein zur akademischen Frauenbildungsfrage in einer breiteren Öffentlichkeit. Die österreichische Frauenrechtlerin Marianne Hainisch (1839–1936) konstatierte wenige Jahre später: Auch wurde die Streitfrage wochenlang zum Gesprächsthema in Kreisen, die sich bis dahin nicht für die Frauenbestrebungen interessiert hatten, so dass in den letzten 25 Jahren nichts so sehr die Frauenbewegung gefördert hat, als die Aussprache tiefster Missachtung, die der Essay des Gelehrten enthielt.230
In einem Artikel des Neuen Wiener Journals hieß es herausfordernd: Auf, auf Ihr Männer! Vertheidigt die Schwachen, sorgt, daß die Grundsätze der Gerechtigkeit auch der Frau gegenüber zur Geltung kommen. Und mit Genugthuung können wir hervorheben, daß unser Appell nicht wirkungslos verhallt ist. Dem Herrn Hofrath Albert sind Gegner erwachsen, die er wird gelten lassen müssen.231
Zu diesen „Gegnern“ zählte der Budapester Ophthalmologe Wilhelm Goldzieher (1849–1916). In einem Artikel in der Zeitung Pester Lloyd verteidigte er das Recht des Individuums zur Entfaltung seiner Begabung gegen die plumpen Verallgemeinerungen Alberts. Dabei betonte er wie so viele vor ihm explizit die bislang verhinderten Ausnahmetalente unter den studierwilligen Frauen.232 Unter den kritischen Stimmen fand sich auch die erste Augenärztin Österreichs, Rosa Kerschbaumer (1851–1923). Sie gehörte zur Riege der in Zürich und Bern ausgebildeten, aus dem Russischen Kaiserreich stammenden Ärztinnen und betrachtete die Angelegenheit als eine bürgerliche Rechtsfrage. Mit dieser Deutung widersprach sie der Zuordnung des Problems zur sozialen Frage. Zudem war es ihr wichtig, die Behauptungen Alberts über das Frauenstudium in ihrem Heimatland Russland zurechtzurücken.233 Lediglich Adolph Philippi (1843–1918) konnte Alberts Thesen etwas abgewinnen. Der als Chronist der Debatte auftretende Philologe delegitimierte besonders die Kritik vonseiten der „nicht-Ärzte“. Dabei behauptete er eine stumme Mehrheit unter Medizinern, die insgeheim ihrem Kollegen Albert zustimmen würden.234 Ob sie nun vorhanden waren oder nicht, die Parteigänger 228 229 230 231 232 233 234
Vgl. Albert (1895), S. 24–26; Fehling (1892), S. 27 f; Vogt (1894), S. 51–53. Albert (1895), S. 38. Hainisch (1901), S. 176. Anonym (1895g). Vgl. Goldzieher (1895). Vgl. Kerschbaumer (1895). Vgl. Philippi (1896).
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Alberts blieben weitgehend still. Umso lauter verhielten sich hingegen die Kritiker/-innen. Alberts Eintreten in das Diskursfeld sorgte damit für eine weitere Vergrößerung des öffentlichen Bewusstseins zur akademischen Frauenbildungsfrage. Auch diese Runde der Auseinandersetzung endete zugunsten der Frauenbewegungsinteressen. Eine Erklärung des Staatssekretärs Graf von Posadowsky im Reichstag vom 21. Januar 1898 veranlasste Penzoldt auf dem 26. Deutschen Ärztetag, der im Juni 1898 in Wiesbaden abgehalten wurde, zu interventieren. Nachdem Prinz zu Schonaich-Carolath eine Debatte zum Frauenstudium angeregt hatte, erklärte Posadowsky, „daß man sich gegen diese Frage nicht mehr absolut ablehnend verhalten könne“. Grund hierfür sei die Zulassung von Frauen zu den Abiturprüfungen in Preußen sowie die seit einigen Jahren erfolgende Zulassung von Gasthörerinnen. Zudem habe sich der preußische Kultusminister Bosse unter Rücksprache mit Rektoren und Kuratoren bereit erklärt, Frauen zum Medizinstudium zuzulassen. Es bedürfe lediglich noch einer Abstimmung des Reichskanzlers mit den Regierungen der Einzelstaaten, um den Frauen das Recht auf die Approbation zu gewähren.235 Die Mediziner kamen um das Thema also nicht mehr herum. Deshalb setzten sie das Frauenstudium auf die Tagesordnung ihres Ärztetages. Die undankbare Aufgabe, als Wächter ärztlicher Standesinteressen aufzutreten, wies der Geschäftsausschuss des Ärztetages Penzoldt zu, indem er ihn zum Referenten in der Sache ernannte.236 In seiner Rede, die kurze Zeit nach dem Ärztetag in voller Länge im Druck erschien, konstatierte Penzoldt, dass der Andrang von Frauen zum Medizinstudium in sämtlichen europäischen Staaten gering sei – zumeist handelte es sich bei den Studentinnen um Ausländerinnen. An Frauenärztinnen bestehe kein Bedarf, weil sich die Patientinnen in den letzten Jahrzehnten an eine Behandlung durch männliche Ärzte gewähnt hätten. Den Ansturm der Frauenbewegung auf die höheren Berufe führte Penzoldt auf materielle Not zurück. Eine Erweiterung des Spektrums von Frauenberufen, um diese Not zu mildern, betrachtete er deshalb zwar als wünschenswert, für den Arztberuf fehle es jedoch den Frauen an den geeigneten Fähigkeiten. Die Annahme, dass Frauen eine natürliche Prädisposition für den Arztberuf hätten, beruhe auf einer Verwechslung von Medizin und Krankenpflege. Wenn es schon zu einer Öffnung der Universitäten kommen müsse, dann sollten wenigstens alle Fakultäten geöffnet werden, um nicht allein die Mediziner zu benachteiligen.237 Ichenhäuser, eine Berliner Journalistin, und Lehmann, Direktor des hygienischen Instituts in Würzburg, widersprachen Penzoldt in seiner Auslegung der Verhältnisse im Ausland. Dort fänden sich unter den Absolventinnen der Universitäten zahlreiche hervorragende Ärztinnen.238 Die Züricher Medizinstudentin Stelzner verdeutlichte zudem in ihrer Kritik an Penzoldt, es gäbe auf Grundlage der von ihr gemachten Erfah235 236 237 238
Reichstag (1898), S. 561. Vgl. Penzoldt (1898), S. 6, 22. Vgl. ebd., S. 10. Vgl. Ichenhäuser (1897b), S. 31 f; Lehmann (1899), S. 7 f; vgl. auch Kirchhoff (1897), S. 37 f., 62, 106.
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rungen keine Bedenken eines koedukativen Studiums.239 Erneut sorgte eine polemische Zuspitzung für eine produktive Weiterentwicklung des Diskurses. Die orthodoxen Mediziner blieben zunehmend isoliert zurück. Durch die Verbreitung orthodoxer Deutungsmuster aktivierten sie lediglich weitere befürwortende Stimmen. Durch diese angeheizte Mobilisierung erlangten die Befürworter/-innen zugleich einen verstärkten Einfluss die Stimmung der öffentlichen Meinung, denn die allgemeine Empörung schien auf ihrer Seite. Aus den Reihen der Mediziner äußerte sich abermals ein Kollege aus Zürich als Kritiker der orthodoxen Position und appellierte an das Gerechtigkeitsgefühl der deutschen Öffentlichkeit. Der Physiologe Rudolf Höber (1873–1955) wies Penzoldts Behauptung zurück, es sei das Ziel, ebenso viele Ärztinnen wie Ärzte auszubilden, da es lediglich um die Möglichkeit eines Studiums für begabte Ausnahmen gehe. Abermals diente die These des weiblichen Ausnahmetalents als ein Mediator im Diskursfeld, durch den das Häuslichkeits- und Mutterschaftsideal unangetastet bleiben konnte. Dies nahm den prinzipiellen Gegner/-innen den Wind aus den Segeln und ließ die reaktionären Deutungsmuster randständig erscheinen.240 Wenige Akteure und Akteurinnen formulierten ihre Kritik auf einer universellen Grundlage, die befreiend-radikalen Diskursstrategien zuzurechnen war. Zu dieser Minderheit gehörte der in Frankfurt a. M. praktizierende Frauenarzt Max Flesch (1852–1943), der in der Zeitschrift Die Frauenbewegung, dem publizistischen Organ des radikalen Flügels der deutschen Frauenbewegung, äußerte. An eine spezifische Begabung von Frauen für die Kinder- und Frauenheilkunde glaube er nicht. Aber im Sinne der Gerechtigkeit müsse es zu einer vollständigen Gleichheit im Bildungswesen kommen, was die Schaffung von Mädchengymnasien und die Zulassung von Studentinnen zu allen Fakultäten einschloss.241 In der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland und Österreich herrschte trotz aller inneren Kämpfe Einigkeit, wenn es darum ging, Penzoldt und den Ärztetag zu kritisieren. Zu Kritikerinnen zählten die bekanntesten Aktivistinnen der Bewegung, darunter Schmidt und die Österreicherin Fickert.242 Braunmühl widmete sich Penzoldts Vortrag in aller Ausführlichkeit und wies Argument für Argument zurück. Auch sie hob in ihrem Plädoyer für Ärztinnen die begabten Ausnahmefrauen hervor, denn es werde „doch stets nur ein kleiner Prozentsatz der studirenden Frauen von diesem Zugeständnis Gebrauch machen, da die Ehe immer der erste und natürlichste Beruf der Frau bleiben wird“.243 Nur einen Monat nach dem Bundesratsbeschluss zur Approbationszulassung von Frauen sah sich zuletzt der Gynäkologe Runge als amtierender Prorektor der Göttinger
239 240 241 242 243
Vgl. Stelzner (1899). Vgl. Höber (1899), S. 423. Vgl. Flesch (1898), 229–230. Vgl. Schmidt (1898); Fickert (1899); mehrfach äußerte sich hierzu auch Binder (1898a–c) Braunmühl (1899), S. 18.
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Universität dazu veranlasst, im Rahmen einer akademischen Preisverleihung gegen die künftigen Kolleginnen unter dem Titel Männliche und weibliche Frauenheilkunde nochmals Front zu machen. Weil „die Frau“ zum „Lieblingsgegenstand der öffentlichen Debatte geworden“ sei, fühle er sich berechtigt, das Wort zu ergreifen – schließlich gehöre die „Fürsorge für die Frau“ zum Gegenstand seiner „Specialwissenschaft“.244 Auch dieses Mal veranlassten Ereignisse im Ausland die Intervention, wie aus Runges Kritik an der Presse deutlich wird. Eingehend werde über Doktorinnen in Amerika und Russland berichtet, von der „pflichtgetreuen Arbeit der Männer“ hingegen würde die Presse schweigen. Ursache dieses Problems sei das „sensationsbedürftige Publicum“. Dabei insistierte er wie bereits Penzoldt vor ihm, dass die ausländischen Verhältnisse sich nicht auf Deutschland übertragen lassen ließen.245 Die wichtigste Weichenstellung zur Etablierung von Ärztinnen in Deutschland waren bereits getroffen, als Runge im Juni 1899 mit seiner orthodoxen Intervention an die breitere Öffentlichkeit trat. Bereits im April hatte der Bundesrat entschieden, Frauen fortan zu den ärztlichen Prüfungen und damit zur Approbation zuzulassen; außerdem sollten die Hospitationszeiten der Gasthörerinnen als Studienzeiten anerkannt werden. Runges Abwehrschrift mobilisierte deshalb weit weniger Kritik als die Einlassungen seiner Vorgänger. Dennoch fanden sich mit dem jungen Germanisten Heinrich Meyer (1869–1945), dem Kaufmann und Lokalpolitiker Bernhard Brons (1831–1911) sowie dem sozialdemokratischen Doktoranden Fritz Brupbacher (1874–1945) öffentliche Kritiker.246 Bereits Glaser vertrat in ihren Studien zum Frauenstudium die These, dass die vor allem durch Mediziner geführte Befähigungsfrage als ein Mittel fungierte, um Frauen vom Arztberuf fernzuhalten. In Form wissenschaftlich bemäntelter Ideologie versuchten einige einflussreiche Mediziner, das orthodoxe Geschlechtermodell aufrechtzuerhalten. Doch führte diese „Angst vor Orientierungslosigkeit von Männern in der Zeit sozialen Wandels“ keineswegs zum Stillstand, sondern trieb die Krise weiter voran, bis Veränderungsdruck und Ordnungsbedürfnis eine neue Balance fanden.247
244 Runge (1899), S. 3. 245 Ebd., S. 16. 246 Vgl. Meyer (1899); Brons (1900); Brupbacher (1899). Brupbacher wurde wegen seines harschen Tons gegen Runge die Promotion verweigert, was seiner Karriere als Sexualreformer jedoch keinen Abbruch tat. 247 Glaser (1996), S. 303.
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Verstärkte Erfahrungen: Umfragen und öffentliche Gutachten Aber auch einzelne hervorragende, den höchsten Zielen in der Wissenschaft zustrebende Fachmänner verhalten sich […] entschieden abwehrend. Wie die Stimmung in diesem Lager im Allgemeinen ist, vermag ich in begreiflicher Ermangelung jeder statistischen Unterlage auch nicht annährungsweise anzugeben. Ludwig Schwerin, Berlin 1880248
Im Schlagabtausch über Sinn und Unsinn des Frauenstudiums zeigt sich, wie weit sich das empirisch-wissenschaftliche Denken im bildungsbürgerlichen Kreisen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts etabliert hatte. Philosophische Spekulationen allein genügten nicht mehr zur Entscheidungsfindung: Was die Akteurinnen und Akteure bereits in den frühesten Anfängen der Auseinandersetzung forderten, war ein Wissen, das auf Erfahrung beruhte. Um Erfahrungen verwertbar zu machen, mussten sie zunächst durch gezielte Maßnahmen dokumentiert und aufbereitet werden: Ob zur Lebenssituation verheirateter Fabrikarbeiterinnen, zum Alkoholismus oder der Nutzung des Telefons, Enqueten erfreuten sich großer Beliebtheit. Bei den Auftraggebern dieser Umfragen handelte es sich keineswegs allein um offizielle Stellen oder um zivilgesellschaftliche Organisationen wie den VfS, vielmehr beteiligte sich die Presse am Sammeln von Erfahrungsdaten und stellte diese ihrer Leserschaft zur Verfügung.249 Bereits 1873 konstatierte der nationalliberale Publizist und Politiker Oetker zur Frage des akademischen Frauenstudiums: „Für das praktische Leben sind nicht Hoffnungen und abstrakte Möglichkeiten, sondern die erfahrungsmäßigen Erscheinungen der Wirklichkeit maßgebend.“250 Das Interesse an diesen Erscheinungen, das Akteurinnen und Akteure der Frauenbewegung bzw. der linksliberalen Publizistik besaßen, zielte in zwei Richtungen: Es ging darum, zu erfahren, welche Einstellungen die Hochschullehrer zur Frage vertraten – dem entspricht das Eingangszitat von Ludwig Schwerin zu diesem Unterabschnitt, einem laut Pierstorff „prinzipiellen Gegner der Emanzipation“.251 Implizit zeigt sich hier der Wunsch nach einem Erhalt des Wesens der deutschen Universität. Zu wissen, wie die Hochschullehrer zu studierenden Frauen standen, war entscheidend dafür, ob die Einführung eines Frauenstudiums womöglich Auswirkungen auf die universitären Strukturen haben könnte – schließlich waren es die Hochschullehrer, welche gegebenenfalls die neue Praxis ohne Störungen in die bestehenden Strukturen zu überführen hätten. Das zweite Interesse reichte tiefer und adressierte jene Dozenten, die 248 Schwerin (1880), S. 3. 249 Zur Umfrageforschung des VfS vgl. Oberschall (1997 [1965]), S. 48–57; die ersten Sozialforscherinnen knüpften an die Methoden des VfS an, um Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Vgl. Keller (2018), S. 27. 250 Oetker (1873), S. 4259. 251 Pierstorff (1883), S. 427.
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bereits Erfahrungen mit Frauen an ausländischen Universitäten gemacht hatten. Jenseits der polemischen Zuschreibungen orthodoxer Mediziner, wie sie im vorangegangenen Abschnitt thematisiert worden sind, schienen allein diese Erfahrungsträger geeignet, die Leistungsfähigkeit von Frauen zu beurteilen. An den Erfahrungen von Frauen, die im Ausland studiert hatten, gab es hingegen in der breiteren Öffentlichkeit außer kurzer Sensationsmedlungen über die ersten Promotionen von Frauen kaum Interesse. Um auf die Erfahrungen dieser beiden Gruppen zugreifen zu können, forderten Ministerien und Universitäten bereits frühzeitig Gutachten von Hochschullehrern. So stellte die Medizinische Fakultät in Würzburg an den Senat der Züricher Universität 1870 die Frage, ob sich durch die Zulassung von Studentinnen während der für das „weibliche Zartgefühl empfindlichen Vorlesungen“ Probleme aus der „Gemeinschaft mit männlichen Studenten“ ergäben hätten.252 Ähnliche Anfragen richteten sich wiederholt an Universitäten in der Schweiz, wobei vor allem Zürich und Bern im Fokus des Interesses standen.253 Die Antworten auf eine Anfrage der deutschen Reichsregierung an die schweizerischen Behörden aus dem Jahr 1896 wurde durch Erismann, den geschiedenen Ehemann der ersten Züricher Medizindoktorin Suslowa veröffentlicht.254 Um die Stimmung unter reichsdeutschen Hochschullehrern zu eruieren, stellten die Ministerialbürokratien der Einzelstaaten zudem immer wieder Anfragen an die Senate und Fakultäten der Universitäten. Ein solches Wechselspiel zwischen Staat und Universitäten war notwendig, um der korporativen Freiheit als einem Recht universitärer Gelehrtenkorporationen zu genügen. Schließlich glichen auch die Universitäten untereinander ihre Erfahrungen ab: Im Oktober 1897 richtete die Freiburger Universität eine Umfrage an alle deutschen Universitäten, um Antworten darauf zu erhalten, welche Einrichtungen bislang hinsichtlich des Frauenstudiums bestünden und welche Anschauungen bei den Organen der jeweiligen Universität „über eine demnächstige Regelung der Frage vorwalten“. „Würden dieselben [universitären Organe] insbesondere einer Immatrikulation von Frauen, welche das Reifezeugnis eines deutschen Gymnasiums besitzen, zustimmen?“255 Im Zuge der ordentlichen Zulassung von Studentinnen in Preußen veranlasste das preußische Unterrichtsministerium 1907 eine Enquete unter Professoren zur Frage der Habilitation.256 252
Böhmert (1872), S. 3198; Kreyenberg (1873), S. 402. Die Anfrage stand im Zusammenhang mit einem 1869 gestellten Zulassungsgesuch der Amerikanerin Laura Reusch-Formes. Vgl. Hessenauer (1996), S. 24 f. Das bayerische Staatsministerium beauftragte den Senat in Würzburg, sich gutachterlich zu äußern. Da dieser selbst keine Erfahrung hatte, bat er unter anderem die Universität Zürich, um eine Antwort auf die Frage, ob die Gleichstellung beider Geschlechter „entweder grundsätzlich bejaht oder wenigstens factisch anerkannt ist“. StA Zürich U 94.1.12 253 Vgl. Erismann (1899), S. 609; Brons (1900), S. 38; vgl. auch die Akte im Staatsarchiv Zürich, U 106.14.10. 254 Erismann (1899a), S. 540 f; zu Erismann und Suslowa vgl. Rogger/Bankowski (2010), S. 121–129. 255 Vgl. UAJ, Bestand BA 528, Bl. 12r. vgl. auch Hessenauer (1996), S. 44 f. 256 Erst ein Erlass des preußischen Kultusministers vom 21. Februar 1920 eröffnete schließlich Frauen das reguläre Recht zur Venia Legendi. Vgl. Brinkschulte (1998), S. 51 f.
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Im Folgenden steht die Dynamisierung des Diskursfeldes durch dieses Erfahrungswissen im Fokus, dessen Wirkung durch Umfragen verstärkt wurde.257 Weil das untersuchte Diskursfeld öffentliche Diskurse umfasst, werden dabei lediglich veröffentlichte Umfragen und Gutachten thematisiert. Diese bewirkten eine Veränderung in doppelter Hinsicht: Sie mobilisierten die Erfahrungen sozialer Akteurinnen und Akteure, die sich sonst nicht öffentlich zur Frage geäußert hätten. Insbesondere die veröffentlichten Erfahrungen prominenter Sprecher/-innen sorgten für eine Aufwertung der akademischen Frauenbildungsfrage – denn je mehr hochgestellte Vertreter/-innen sich äußerten, umso mehr stieg das öffentliche Interesse. Gut erforscht sind die von Kirchhoff 1897 herausgegebenen Gutachten, die ja auch in dieser Studie bereits eine bedeutende Rolle gespielt haben. Weitgehend unbekannt sind hingegen die zahlreichen kleineren Umfragen und Gutachten, die vor und nach Kirchhoffs Sammlung erschienen. Zum Archetyp derartiger Unternehmungen im untersuchten Diskursfeld gehört der Abdruck dreier Stellungnahmen im Jahresbericht des Wiener Vereines für Erweiterte Frauenbildung 1894. Der Initiator blieb im entsprechenden Beitrag anonym. Er richtete sich an drei seiner medizinischen Fachkollegen mit der Bitte, sich zur Frage des Frauenstudiums zu äußern. An den Mediziner Erismann ging ein Telegramm nach Moskau mit zwölf Fragen zu den Zulassungsbedingungen, der Studienpraxis sowie der Berufstätigkeit von Medizinerinnen in Russland. Bezüglich der letzten Frage hatte der Verfasser zu vermerken: Die Landschaften sind überall sehr zufrieden mit der Thätigkeit der weiblichen Aerzte, die nicht selten in Bezug auf Berufseifer ihre männlichen Collegen übertreffen und in Bezug auf Bildung denselben nicht nachstehen.258
Der Bakteriologe Metschnikow sollte über seine Erfahrungen mit dem Frauenstudium aus drei Ländern berichten. Er konstatierte: „So viel ich hier in Paris als auch in der Schweiz und in Russland wahrgenommen habe, studirt die grosse Mehrzahl der Frauen mit viel Eifer und Erfolg.“259 Bei dem dritten im Bunde handelte es sich um den in Zürich lehrenden Medizinprofessor Gaule. Dieser sprach sich auf Grundlage seiner sechsjährigen Erfahrung für die Zulassung von Frauen zu den Universitäten aus, die er zugleich als weitere Stufe der Menschheitsentwicklung betrachtete. Diesem liberalen Fortschrittsdenken entsprach auch seine Haltung zur Vereinbarkeit von Ehe und Beruf.260 In einer weiteren Umfrage des Neuen Wiener Journals aus dem Jahr 1895 gab sich der anonyme Initiator aus dem Jahresbericht von 1894 als Max von Gruber (1853–1927) zu erkennen – Mitbegründer der modernen Hygiene, Professor in Wien und später in München. Gruber sah 1895 noch keinen Grund, „warum man den Frauen von vorne257 258 259 260
Vertiefend hierzu vgl. Neumann (2020c). Anonym (1894b), S. 29. Ebd., S. 32. Vgl. ebd., S. 31 f.
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herein den Zutritt zum Studium der Medizin und zur ärztlichen Praxis verweigern sollte“.261 Seine Meinung änderte sich in den Folgejahren jedoch grundlegend: So kritisierte er in einem 1910 im Münchner Rathaus gehaltenen Vortrag eine von Frauen geleitete Mädchenerziehung sowie die Berufstätigkeit von Frauen gleichermaßen als für die „Zuchtfähigkeit der Frau“ schädliche Entwicklungen. Als überzeugter Vertreter rassentheoretischen Denkens drückte er den Daseinszweck von Frauen, von einzelnen wissenschaftlich begabten und unverheirateten Ausnahmen abgesehen, auf das Niveau von Gebärmaschinen herab: Die scharf gespannten Züge, das frühzeitige Welken so vieler Studentinnen lehren, wie schädlich angestrengte Hirnarbeit für den weiblichen Körper ist. Eigentlich sollten – Honny soit qui mal y pense! – die jungen Mädchen wie die jungen Kühe und Stuten geweidet werden.262
Noch vor der erwähnten Enquete des Neuen Wiener Journals initiierte die Zeitschrift Ethische Kultur im Jahr 1894 eine Umfrage unter Frauen, die bereits auf medizinischem Gebiet tätig waren. Die Redaktion formulierte fünf Fragen, die das ganze Problemfeld der Ärztinnenfrage umrissen: Bezüglich der Moral stellte sich die Frage, ob das „Studium aus sittlichen und hygienischen Gründen wünschenswert“ sei. Den Körper und Geist betreffend fragte die Redaktion, ob sich „die Frau zum Beruf des Arztes physisch und psychisch“ eigne, und weiter, ob „sie im besondern: die für Operationen erforderliche Körperkraft“ besitze. Ein vierter Punkt berührte die Koedukation: Solle es zu einer Öffnung bestehender Universitäten oder zur Gründung eigener Anstalten komme. Mit Blick auf das Vorbildungsproblem wurde schließlich gefragt, welche Vorbildung Frauen besitzen müssten, „um in der Medizin nicht hinter den Männern zurückzustehen“.263 Zunächst adressierten die Redakteure die Frauenärztin Tiburtius.264 Nachdem diese sich erwartet positiv ausgesprochen hatte, ging der Probedruck des Artikels an weitere Medizinerinnen mit der Bitte um Ergänzungen: Infolgedessen äußerten sich mit knappen zustimmenden Worten Tiburius’ Schwägerin, die Zahnärztin Henriette Hirschfeld-Tiburtius (1834–1911), die Berliner Kollegin Lehmus sowie Bluhm, eine Berliner Gynäkologin und Sozialhygienikerin/Eugenikerin aus der zweiten Ärztinnengeneration. In einer umfangreicheren Stellungnahme äußerte sich die Ärztin Bridges Adams, damals mit Otto Walther verheiratet und im Lungensanatorium Nordrach tätig. Als Sozialdemokratin vertrat sie radikale Positionen, wies das Schamgefühl-Argument gemäßigter Frauenrechtlerinnen zurück, mit dem in der Ärztinnenfrage ein Bedarf an Frauenärztinnen begründet wurde – mit derlei Klischees aus der Erfahrungswelt höherer Töchter konnte sie nichts anfangen. Für sie war die bürgerliche Frauenfrage ein 261 262 263 264
Vgl. Anonym (1895g), S. 2 (11.10.). Gruber (1910), S. 23. Vgl. Tiburtius (1894). Zur Autobiografie vgl. Tiburtius (1925).
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bloßer Nebenwiderspruch der sozialen Frage. Sie plädierte für koedukative Erziehung und stützte die von Tiburtius vorgebrachten Einschätzungen zur Befähigung von Frauen zum Arztberuf.265 Die Berliner Oberhebamme Gebauer verteidigte hingegen eine konservativ-bürgerliche Position: Sie betonte die Familienpflichten der Frauen und sprach sich für eine Geschlechtertrennung bei der medizinischen Ausbildung aus. Zwei weitere Medizinerinnen äußerten sich: Die 1878 in Baltimore zum Doctor of Dental Surgery promovierte und nun in Berlin praktizierende Elvira Castner (1844–1919) sowie die in Boston tätige Chirurgin Fanny Berlin (1852–1921) – eine unter dem Namen Fanny Berlinerblau in der Ukraine geborene Jüdin, die in Bern als dritte Medizinerin 1875 promoviert worden war.266 Das verbreitete Vorurteil gegen Chirurginnen zurückweisend, konstatierte sie: „Es ist mir nicht ein Fall bekannt, wo bei der Ausführung irgend einer geringeren oder wichtigeren Operation die nötige Körperkraft oder Geistesgegenwart gefehlt hätte.“267 Im Oktober 1895 erschien eine Rundfrage des Neuen Wiener Journals unter dem Titel Männer über das Frauenstudium. Es handelte sich dabei um eine Reaktion auf die Veröffentlichung des Gutachtens von Albert, das als orthodoxe Intervention bereits im letzten Unterabschnitt thematisiert worden ist.268 Es war die erste veröffentliche Umfrage großen Stils. In einer Serie von vier Ausgaben fanden sich 27 Äußerungen von überwiegend in Wien lebenden Akteuren und Akteurinnen sowie von drei Personen aus Paris und einer aus St. Petersburg. Unter den Befragten befanden sich 14 Professoren und sieben Doktoren, darunter acht Mediziner, fünf Philologen, je zwei Historiker, Physiker, Juristen und Staatswissenschaftler sowie je ein Geologe, Schauspieler und Schriftsteller. Abermals äußerte sich Metschnikow zur Frage des Frauenstudiums. Für weitere Prominenz sorgte der Nationalökonom und Publizist Theodor Hertzka (1845–1924), der mit seinem Roman Freiland. Ein sociales Zukunftsbild 1890 eine regelrechte FreilandBewegung begründet hatte.269 Nur drei Frauen erhielten die Gelegenheit zur Stellungnahme: die Schriftstellerin Sofie von Rhuenburg,270 die in Paris forschende promovierte Physikerin Dorothea Klumpke (1861–1942) sowie die Schlossermeistergattin Fanny Bensch, vorgestellt als „Weib aus dem Volke“.271 Unter den 27 Befragten vertraten 14 befürwortende und sieben bedingt befürwortende Positionen. Lediglich vier Beiträge 265 266 267 268
Zur Biografie vgl. Krauss (2010). Vgl. Art. „Fanny Berlin“, in: Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia (1999). Tiburtius (1894), S. 172. Vgl. Lange (1895a), S. 145; Pinn (1896), S. 23, 28. Die polemische Tirade Alberts sowie die daraufhin unternommene Enquete des Neuen Wiener Journals von 1895 erlangte überregionale Bekanntheit, sodass sich die von der Frauenrechtlerin Morgenstern in Berlin herausgegebene Deutsche Hausfrauen-Zeitung (später Frauen-Reich) zu einem Wiederabdruck von zwölf Stellungnahmen entschloss. Vgl. Anonym (1895c). 269 Vgl. Anonym (1895g). 270 Wahrscheinlich handelt es sich hier um die bekannte Schriftstellerin Sophie von Khuenberg (1863–1937). 271 Anonym (1895g). Zitat siehe die Ausgabe vom 13. Oktober.
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waren bedingt ablehnend und einer war entschieden ablehnend; einer positionierte sich zudem neutral. Die ablehnende Stellungnahme stammte von dem Wiener Pathologieprofessor Salomon Stricker (1834–1898), der sich über die heftigen Angriffe gegen ihn empörte, nachdem er eine Studentin aus einer seiner Vorlesungen verwiesen hatte.272 Die Enquete des Wiener Journals könnte dem Journalisten Kirchhoff als Modell zu seinem Plan gedient haben. Der Hinauswurf einer Hörerin durch den Berliner Historiker Treitschke aus einer seiner Vorlesungen lieferte den konkreten Anlass zum Aufgreifen dieses Modells.273 Erneut sorgten die orthodoxen Geschlechtervorstellungen eines Professors für eine massive Ausweitung des Diskursfeldes. Die ersten Hinweise auf das Vorhaben einer Befragung von Hochschullehrern fanden sich im Diskursfeld in einem kurzen Beitrag im Berliner Börsen-Courier vom 25. Dezember 1895. Dort veröffentlichte Kirchhoff bereits sechs kurze Gutachten, gefolgt von der Ankündigung, in „einigen Wochen“ werde die vollständige Broschüre erscheinen. Das Erscheinen der Broschüre verzögerte sich indes noch bis zum Jahr 1897. Was Kirchhoff dann allerdings herausgab, war ein Buch, das mit 400 Seiten das Format einer Broschüre bei Weitem übertraf und in dem sich Gutachten von 104 deutschen Hochschulprofessoren, 13 Schriftstellern und fünf Mädchenschullehrern befanden. Leitfaden für die Gutachten war die von Kirchhoff in seinem Anschreiben an die Befragten formulierte Fragestellung, die wie andere Umfragen zuvor auch die Probleme der Vorbildung und der Koedukation ansprach: Welche Gründe sind vom allgemeinen und vom speziellen Standpunkte Ihrer Disziplin für resp. gegen das akademische Frauenstudium vorzubringen? Welche Vorbildung […] sollen die jungen Mädchen erhalten, und ist ein gemischtes […] Studium beider Geschlechter auf der Universität wünschenswert […]?274
Welche Motive trieben Kirchhoff zur Intervention in die akademische Frauenbildungsfrage? Allgemein lassen sich hier soziale und ethische Beweggründe erkennen: Mit Blick auf die soziale Frage der gebildeten Mittelschicht ging es vor dem Hintergrund der virulenten Heiratskrise um Beschäftigungsmöglichkeiten für bürgerliche Töchter. Kirchhoff war Anhänger eines transformativen Geschlechtermodells, wie es auch der gemäßigte Flügel der Frauenbewegung vertrat. Ein Studium sei eine positive Ergänzung des „weibliche Wesens“.275 Er verwies dabei auf die Triebkräfte eines kulturellen Fortschritts und bezeichnet höhere Mädchenbildung als „allgemeine Bildung“ fürs Leben, die den Frauen zur „Natürlichkeit“ verhelfen solle.276 Gleichzeitig betrachtete auch er akademische Karrierewege lediglich als eine Sache weniger Ausnahmefrauen, denn der „natürliche Trieb des Weibes, baldmöglichst einen eigenen Haushalt zu besitzen“, werde
272 273 274 275 276
Vgl. Ebd., S. 3 (3). Vgl. Kirchhoff (1897), S. VII, X. Ebd., S. 99, 173. Ebd., S. XV. Vgl. ebd., S. XI, XIV, XV.
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stark genug bleiben.277 In diesem Weltbild benötigte die Natur keine Unterstützung, um die Geschlechtergrenzen aufrechtzuerhalten: Frauen sollten hinsichtlich ihrer formalen Rechte zur „Menschheit“ gehören.278 Am orthodoxen Geschlechtermodell übte Kirchhoff scharfe Kritik: Und hier scheint mir der Kernpunkt der ganzen starrköpfigen Ablehnung zu liegen […]. [Die akademische] Frau verstösst gegen das traditionelle Frauenideal des Deutschen, des Ideals, das in der Kinderstube seinen ausschließlichen Platz und seine Lebensaufgabe findet.279
Kirchhoffs Motive geben bereits einigen Aufschluss über die liberalen Wissensbestände, die ihn beeinflussten. An konkreten biografischen Informationen ist hingegen wenig bekannt, was angesichts der Wichtigkeit dieser Quelle verwundert. Aus diesem Grund muss die Quellenkritik an dieser Stelle etwas umfangreicher ausfallen: Über den in Berlin lebenden Schriftsteller und Journalisten existiert lediglich ein knapper Eintrag in einem Nachschlagewerk deutschsprachiger Gelehrter und Schriftsteller/innen aus dem Jahr 1908: Demnach wurde er am 14. Mai 1871 in Wien geboren, ließ sich als Journalist vermutlich in Berlin nieder, verfasste sowohl naturwissenschaftliche als auch kulturgeschichtliche Aufsätze und war seit 1901 Herausgeber mehrerer Zeitschriften.280 Pinn bezeichnete Kirchhoff 1896 in seiner Analyse der öffentlichen Meinung zum Frauenstudium als einen ihm „persönlich und vorläufig auch dem Namen nach unbekannte[n] Journalist[en]“.281 Neben den Gutachten zum Frauenstudium, die ihn weit über Berlin hinaus bekannt machten, veröffentlichte er zwei weitere Umfragen unter Hochschullehrern: zunächst zur ersten Haager Friedenskonferenz von 1899 und ein Jahr später zur Flottengesetzgebung im Deutschen Reich.282 Nach diesen Publikationsprojekten blieb er sendungsbewusst: Er organisierte die Öffentlichkeitsarbeit des Preßbureaus zur Förderung gegenseitiger Kenntnis der Kulturvölker samt einer angegliederten Zeitschrift.283 Seine Spur verliert sich am Ende des Kaiserreichs. Vermutlich starb Kirchhoff im Jahr 1921. Neben der Fragestellung im Anschreiben der Umfrage gibt es keine Erkenntnisse darüber, auf welche Weise die Befragten ausgewählt und ob alle Rückmeldungen tatsächlich abgedruckt wurden. Als sicher kann gelten, dass eine Vielzahl der angeschriebenen Professoren keine Antwort übermittelte.284 Kirchhoff könnte das Stimmungsbild in 277 278 279 280
Ebd., S. XIV. Vgl. ebd., S. XVI. Ebd., S. XIIf. Vgl. Art. „Kirchhoff, Arthur“, in: Deutschlands, Österreich-Ungarns und der Schweiz Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild (1908), S. 240 f. 281 Pinn (1896), S. 30. 282 Kirchhoff (1899); ders. (1900). 283 Vgl. Stöber (2000), S. 81. 284 Vgl. Anonym, Y. (1897), S. 310.
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seinem Sinne verändert haben, doch relativieren sich derartige Bedenken mit dem Blick auf seine Interpretation: So behauptete er, unter denen, die sich beteiligt hätten, seien die Gegner des Frauenstudiums in der Minderzahl. Eine solche Wertung ist nur stimmig, wenn nur die gänzlich ablehnenden Stellungnahmen als Stellungnahmen gegen das Frauenstudium gezählt werden. Tatsächlich bleiben jedoch auch die uneingeschränkt befürwortenden Gutachten entgegen Kirchhoffs Einschätzung in der Minderzahl: Lediglich 22 von 104 Professoren äußerten sich ohne jeden Vorbehalt befürwortend. Selbst wenn Kirchhoff bei der Befragung von Professoren selektiv vorgegangen sein sollte, ist das Ergebnis ambivalent und spiegelt die gesamte Bandbreite des untersuchten Wissensfeldes. Als strategisch kann die Befragung von sechs Professoren gelten, die einen Teil ihrer Laufbahn an der Universität Zürich verbrachten. Doch auch diese im Vorwort des Buchs von Kirchhoff selbst vorgebrachte Hoffnung auf die in der Schweiz gemachten Erfahrungen für eine zukünftige Zulassung von Frauen zum Studium in Deutschland veränderte das Bild kaum: Der Anatom Hermann äußerte sich bedingt ablehnend zum Frauenstudium.285 Sein Fachkollege Eduard von Rindfleisch (1836–1908), der Gynäkologe Adolf Gusserow (1836–1906) und der Nationalökonom Gustav Cohn (1840–1919) äußerten sich bedingt befürwortend.286 Lediglich der Psychologe Wundt und der Chemiker Victor Meyer (1848–1897) machten uneingeschränkt positive Erfahrungen mit der Präsenz von Studentinnen geltend.287 Für sein Projekt arbeitete Kirchhoff mit dem in Berlin ansässigen Hugo Steinitz Verlag zusammen, dessen Geschichte sich an die Person Samuel Fischers (1859–1934) knüpft – denn bevor dieser seinen eigenen Verlag S. Fischer Verlag gründete, war er Teilhaber bei Steinitz.288 Der Verlag führte ein breites Sortiment bestehend aus Populärwissenschaft, Ratgeberliteratur, Belletristik sowie Brief- und Tagebucheditionen. Neben Kirchhoffs Akademischer Frau fanden sich eine weitere Schriften mit gesellschaftskritischer Ausrichtung im Verlagsprogramm: Ella Haags Die physische und sittliche Entartung des Modernen Mannes: Ein Gegenstück zu Max Wolfs „Entartung des Weibes“. Haags Veröffentlichung erreichte eine Auflagenstärke von 5.000 Exemplaren – dies dürfte auch der Auflage des Kirchhoff ’schen Gutachtenbuchs entsprechen.289 Es blieb beim Erstdruck ohne weitere Auflagen, dennoch verbreitete sich der Gutachtenband reichsweit und erlangte einen hohen Bekanntheitsgrad, wofür zumindest die zahlreichen Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften sprechen.290 285 Vgl. Ludimar Hermann, in: Kirchhoff (1897), S. 47–49. 286 Vgl. Eduard von Rindfleisch, in: Kirchhoff (1897), S. 71–72; Adolf Gusserow, in: Kirchhoff (1897), S. 111–112; Gustav Cohn, in: Kirchhoff (1897), S. 195. 287 Vgl. Wilhelm Wundt, in: Kirchhoff (1897), S. 179–181; vgl. Victor Meyer, in: Kirchhoff (1897), S. 268–269. 288 Vgl. Kuhbandner (2008), S. 100. 289 Haag (1893). 290 Vgl. Anonym, A. v. H. (1897); Anonym, Y. (1897); Dornblüth (1897); in den beiden Zeitschriften – Die Frau und Die Frauenbewegung – erfolgten Besprechungen: Lange (1897); Schirmacher (1897).
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Zwei Jahre nach der umfangreichen Gutachtensammlung Kirchhoffs erweiterte Erismann das öffentlich verfügbare Repertoire an Wortmeldungen von in der Schweiz tätigen Hochschullehrern. Als Quellengrundlage hierfür dienten ihm Antworten auf eine Anfrage der deutschen Reichsregierung an die Medizinische Fakultät in Zürich. Doch veröffentliche Erismann nicht nur diese Antworten der Züricher Medizinprofessoren, sondern erweiterte das Spektrum durch eigene Anfragen an den Züricher Biologen Dodel-Port, den Geologen Heim sowie den Nationalökonomen Platter.291 Zudem bezog er zwei Kollegen aus Bern und den in Lausanne lehrenden Pathologen Édouard de Cérenville (1843–1915) in sein durchgängig positives Stimmungsbild von schweizerischen Hochschullehrern ein. Als Medium diente ihm die illustrierte Zeitschrift Das neue Jahrhundert, die sich der Popularisierung von Wissenschaft widmete und in einer Auflage von 10.000 Exemplaren erschien. Ein weiterer Abdruck erfolgte in der gemäßigten Frauenbewegungszeitschrift Die Frau.292 Im selben Jahr unternahm die Frauenrechtlerin Schirmacher eine Enquete bei den offiziellen Stellen der Universitätsbürokratie: Sie sollte im Juni 1899 auf dem Internationalen Frauenkongress in London über das Frauenstudium in Deutschland berichten und benötigte hierfür einen Überblick, da trotz Zulassung von Gasthörerinnen an vielen deutschen Hochschulen die Lage unübersichtlich und durch die Willkür von Ministerialbeamten, Rektoren und Dozenten geprägt war. Dieses Mal ging es nicht um die Einstellungen einzelner Hochschullehrer, sondern allgemein um Erfahrungen, Studentinnen- und Promovendinnenzahlen sowie die Disziplin beim gemeinsamen Studium und etwaige gemischtgeschlechtliche Freizeitgestaltung. Von 14 der 20 deutschen Universitäten erhielt Schirmacher Antworten. Sie kamen in der Zeitschrift Die Frauenbewegung, dem Organ des radikalen Flügels, zum Abdruck. Zusammenfassend ließen sich sechs Hauptpunkte festhalten: In keiner Universität waren Frauen im Jahr 1899 zur Immatrikulation zugelassen. Jedoch war die Zulassung von Gasthörerinnen weit verbreitet. Sie besaßen keine Rechtssicherheit bei der Anrechnung von Studienleistungen oder Prüfungszulassung; als Studienmotive wurden Allgemeinbildung, Lehrerinnenfortbildung sowie wissenschaftliche Fachbildung angegeben. Unzuträglichkeiten aufgrund der Koedukation seien an keiner Universität bekannt geworden. Die meisten Staaten nahmen zur Frage einer ordentlichen Immatrikulation eine abwartende Stellung ein, wobei die Haltung Preußens für die weitere Entwicklung als entscheidend betrachtet wurde.293 Schirmachers Umfrage ist vor allem deshalb bedeutsam, weil sie als Bindeglied fungierte und das Ausland mit den deutschen Befindlichkeiten vertraut machte. Dies nährte zumindest bei nationalistischen Akteurinnen und Akteuren die Angst vor einem Zurückbleiben der deutschen Kulturentwicklung, was in deren Augen 291
Die 13 Separatvoten der Mitglieder der medizinischen Fakultät an der Universität Zürich, aus denen Erismann zitierte, finden sich im StAZ U 106.14.10. 292 Vgl. Erismann (1899a); Erismann (1899b). 293 Vgl. Schirmacher (1899).
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einer Bloßstellung im Ausland gleichgekommen wäre. Dadurch erhöhte sich der Druck auf die Regierungen der Bundesstaaten, sich von der abwartenden Stellung zu lösen und eine grundsätzliche Entscheidung herbeizuführen. Einen neuerlichen, breit angelegten Vorstoß zur Erhebung von Einstellungen und Erfahrungen von Akteuren aus dem akademischen Feld unternahm die Wiener Frauenbewegungszeitschrift Neues Frauenleben im Jahr 1904. Inspiriert von einer 1903 erschienenen Umfrage in der Pariser Zeitschrift La Revue, die durch eine Enquete die Einstellungen von Professoren aus der Schweiz, Russland, Italien, England, den Niederlanden und Frankreich zur Koedukation sowie zur Leistungsfähigkeit von Studentinnen ermittelt hatte, befragten die Redakteurinnen 32 Wiener Hochschullehrer aller Fakultäten, darunter für das 20. Jahrhundert bedeutsame Denker wie den Physiker und Wissenschaftstheoretiker Ernst Mach (1838–1916) oder den Juristen und Sozialtheoretiker Anton Menger (1841–1906). Zudem brachten sie 16 bereits aus La Revue vorliegende Stellungnahmen zum Wiederabdruck, in denen der positive Einfluss von Frauen auf die Studenten betont wurde. Unter diesen Antworten befand sich lediglich eine bedingt ablehnende Stellungnahme vom Berliner Althistoriker Eduard Meyer (1855–1930).294 Auf welche Weise abgelehnend eingestellte Professoren Gasthörerinnen und Studentinnen am Studium hinderten, wird im folgenden Unterabschnitt deutlich. Adaptionsstörungen: Diskursive Effekte von Abwehrverhalten Ich will das Weibervolk […] nicht in meinen Vorlesungen sehen. Heinrich von Treitschke (1834–1896), Professor für Geschichte, Berlin 1895/96295
Der Widerstand gegen die institutionelle Implementierung des Frauenstudiums zeigt sich im Diskursfeld durch unangepasstes Handeln der sozialen Akteure. Die entsprechenden Handlungen lassen sich als Adaptionsstörungen charakterisieren. Die im Folgenden beschriebenen Fälle veranschaulichen exemplarisch die Bandbreite widerständiger Praktiken zur Verteidigung eines geschlechterpolitischen Status quo an den deutschen Universitäten sowie die daraufhin folgenden öffentlichen Reaktionen, die zur Dynamisierung des Diskursfeldes beitrugen. Dabei lassen sich zunächst zwei Typen der Adaptionsstörung unterscheiden: die Anpassungsverweigerung durch Studenten zum einen und durch Hochschullehrer zum anderen. An den Beispielen derartiger Regelverstöße lässt sich nach Auffassung Schnickes das „implizite Wissen“ einer männerdominierten Institution über die Alltagshandlungen ihrer Akteure fassen.296 294 Vgl. Anonym (1904); Anonym (1903). 295 Zitiert nach Pinn (1896), S. 5. 296 Schnicke (2015), S. 484.
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Formen studentischen Protests ereigneten sich bereits am Ende der ersten Institutionalisierungsphase, die vom Ausschluss der Gasthörerinnen geprägt war: Im Jahr 1877 verfassten in Leipzig 38 Studenten eine Petition mit der Bitte um „Entfernung“ von drei Hörerinnen der Medizin. Als Gründe nannten sie die vermeintlich mangelhafte Vorbildung sowie die politische Gesinnung einer der drei Hörerinnen.297 Laut Redaktion der Hochschulzeitschrift Alma Mater habe deren Vorbildung jedoch in naturwissenschaftlicher Hinsicht über dem Niveau der Gymnasialbildung gelegen. Zudem sei der Protest von einer Minderheit ausgegangen, da ein Großteil der 400 Leipziger Mediziner das Anliegen der Petition nicht unterstützt habe.298 Ähnliche Ereignisse gelangten über 20 Jahre später im Frühjahr 1899 aus Halle an die Öffentlichkeit. Eine im Februar tagende Versammlung von Studenten und Ärzten beschloss mit 72 gegen 15 Stimmen, gegen die Beteiligung „des weiblichen Geschlechtes“ am klinischen Unterricht zu protestieren. Ein entsprechendes Protestschreiben ging am 9. Februar an den Dekan der Medizinischen Fakultät Prof. Theodor Weber (1829–1914): In diesem Schreiben brachten die Unterzeichnenden ihre Position zum Ausdruck, dass das gemeinsame Studium gegen Sitte und Moral verstoße.299 Der VFbF brachte die Sache an die Öffentlichkeit.300 Weite Teile der zeitgenössischen Presse folgten der Deutung durch die Frauenbewegung und bezeichneten die Sittlichkeitsbedenken als einen Vorwand, der dazu diene, die Konkurrenzabwehr zu verschleiern.301 Die Ausweitung der Auseinandersetzung veranlasste die Protestierenden am 3. März zu einem öffentlichen Aufruf der Hallenser Klinikerschaft an die Comilitonen der anderen deutschen Universitäten. Der Aufruf fand seinen Weg bis an das Schwarze Brett der Berliner Universität und diente dazu, reichsweit eine Koalition der Gegner/-innen des medizinischen Frauenstudiums zu mobilisieren: Nachdem […] die Frage vor das Forum der Oeffentlichkeit gezogen ist, wendet sich die Hallenser Klinikerschaft an die Kliniker der deutschen Universitäten, weil sie sich vorstellen können, welche peinlichen und jeder Schamhaftigkeit spottenden Situationen dieser gemeinsame klinische Unterricht hier und da herbeiführen muß. Die medicinische Facultät der Universität Halle hat als eine der ersten im Deutschen Reiche den Versuch gemacht, Frauen zum medicinischen Studium zuzulassen, und dieser Versuch ist als durchaus mißglückt zu bezeichnen. In die Stätten ehrlichen Strebens ist mit den Frauen der Cynismus eingezogen. Wir fordern: Die Ausschließung der Frauen vom klinischen Unterricht. Die von uns angeregte Frage hat jetzt ihren lokalen Charakter verloren.302
297 Vgl. Anonym (1877a). 298 Vgl. Anonym (1877b). 299 Vgl. Anonym (1899h). In der Notiz ist lediglich von „an den hiesigen Kliniken wirkenden Aerzte“ die Rede, tatsächlich dürfte es sich mehrheitlich um Studenten gehandelt haben. 300 Anonym (1899/1900). 301 Vgl. Anonym (1899g). 302 Fickert (1899), S. 241; der Wortlaut des Aufrufs fand weite Verbreitung. Vgl. u. a. Anonym (1899i–k).
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Der Aufruf verfehlte seine Wirkung. Stattdessen machte die Wortwahl „Hallenser Klinikerschaft“ ein Eingreifen des Dekans der Medizinischen Fakultät in Halle unumgänglich.303 Die offizielle Erklärung von Prof. Weber enthielt eine scharfe Kritik am anmaßenden Verhalten der Studenten und verteidigte die studierenden Frauen gegen die Angriffe:304 Es ist in hohem Grade zu mißbilligen, daß eine Anzahl hiesiger Studierender aus klinischen Semestern, welche sich mit zweifelhaftem Rechte als Vertreter der Halle‘schen Klinizisten betrachten, die vorliegende Angelegenheit in die Oeffentlichkeit gebracht haben, bevor sie ihre Eingabe in Betreff derselben der Facultät eingereicht und die Antwort dieser abgewartet hatten. Bei eingehender Prüfung der auf Wunsch der Facultät genau specialisirten Beschwerden hat sich herausgestellt, daß diese zum Theil auf Mißverständnissen, zum Theil aber auch auf tendenziösen Entstellungen einiger in den klinischen Anstalten von Seiten der Directoren oder Assistenten getroffenen Maßnahmen und von ganz bedeutungslosen Vorgängen beim klinischen Unterricht beruhen. […] Die Facultät bedauert ferner im höchsten Grade die Animosität gegen die weiblichen Studierenden, […] zu welcher das Verhalten der hiesigen weiblichen Studierenden nie den geringsten Anlaß gegeben hat.305
Der Vorfall zog weite Kreise: Als Kampf der Klinizisten sorgte er im gesamten deutschen Sprachraum für Aufsehen. Insbesondere die liberale und sozialistische Presse zweifelte am „Sittlichkeitsconflict“, den die „Kliniker“ durch die bloße Anwesenheit von Frauen am klinischen Unterricht konstruierten.306 Die in Wien lebende radikale Frauenrechtlerin Raissa Adler (1872–1962) konstatierte einen „sonderbare[n] Zwiespalt […] zwischen den Auffassungen der Lehrer und viele[n] ihrer Schüler betreffs des gemeinsamen Studiums“.307 Der von Adler zur Kenntnis genommene „Zwiespalt“ zeigte sich wenig später auch in Berlin. Der Dermatologe Professor Gustav Behrend (1847–1925) ließ eine Hörerin im Wintersemester 1899/1900 zu seiner Vorlesung über das Wesen der Prostitution zu. Er leitete seit 1891 die Station für Geschlechtskranke der Stadt Berlin und war ein Experte für Syphilis. Die Zulassung einer Hörerin zu seiner Vorlesung war wohlbegründet: Frauen besäßen ein berechtigtes Interesse an diesem Thema aufgrund einer möglichen Anstellung bei der Sittenpolizei oder als Armenärztin. Zudem handele es sich bei der Hörerin nicht um eine junge Studentin, der Oberflächlichkeit oder Neugier unterstellt werden könnte, sondern um die Vorsteherin einer Berliner höheren Töchterschule, die
303 304 305 306 307
Vgl. Nordau (1899), S. 236. Windscheid (1899), S. 762. Anonym (1899/1900), S. 18. Anonym (1899l); Anonym (1899m). Adler (1899), S. 292; der Streit ging im Jahr 1901 in eine zweite Runde: Dieses Mal richtete sich der studentische Protest gegen das Experiment einer Zulassung von russischen Medizinstudentinnen. Vgl. Peter (2006).
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sich bereits seit Längerem öffentlich mit sozialen Fragen befasst habe.308 Trotz dieses offenkundig berechtigten Interesses probten die anwesenden Studenten den Aufstand: Ihr Trampeln sorgte dafür, dass die deutlich ältere Schulvorsteherin den Hörsaal verließ. Das Schauspiel veranlasste Behrend zur Erklärung, „er habe durch die Erteilung der Erlaubnis an die Dame seine Stellung zu der Frage gekennzeichnet und bäte seine Hörer, auch ihrerseits die Sache für erledigt zu halten“.309 Die Studenten jedoch betrachteten die Sache keineswegs als erledigt. Sie erneuerten ihre Machtdemonstration, was schließlich dazu führte, dass der Hörerin die Genehmigung entzogen wurde. Ähnliches Protestverhalten wiederholte sich an der Berliner Universität in den nächsten Jahren mehrfach, unter anderem in der vom Germanisten Gustav Roethe (1859–1926) gehaltenen Antrittsvorlesung 1903 – allerdings mit dem Unterschied, dass dieser im Gegensatz zu Behrend ein orthodoxer Gegner des Frauenstudiums war.310 Die Affäre Behrend gelangte im gesamten deutschen Sprachraum zur Erörterung. Die Haltung der Studenten führte schließlich zu einem Einlenken Behrends. Dieser bekannte sich nun offen zur Ansicht seines orthodoxen Kollegen Waldeyers, der zwar nicht länger am völligen Ausschluss von Frauen aus der medizinischen Profession festhielt, jedoch die Koedukation weiterhin entschieden ablehnte und für die Errichtung von Frauenhochschulen plädierte.311 Aus Protest gegen die Entziehung der Teilnahmekarte für die betroffene Hörerin richtete der Vf Fs unter Vorsitz der radikalen Augspurg sowie des Berliner Zweigvereins der Internationalen Föderation ein Schreiben an den Senat der Universität. Darin hieß es, die Vorfälle seien keine innere Angelegenheit, vielmehr hätten sie „glücklicherweise den Weg zur öffentlichen Besprechung gefunden und sind dadurch dem Urteile der ganzen gebildeten Welt unterstellt worden. Mit Befriedigung darf man konstatieren, daß sich die Presse nahezu mit Einstimmigkeit zu Gunsten der zurückgewiesenen Hörerin ausgesprochen hat […]“. Zudem erfolgte eine positive Bezugnahme auf die Medizinische Fakultät der Universität in Halle, die angesichts der studentischen Proteste im „entgegengesetzten Sinne Stellung genommen“ habe. Dass die Berliner Universität nun getrennte Kollegien nach Vorschlag Waldeyers anstrebe, sei eine „ernste Gefahr“ für das Frauenstudium. Auf die Geschlechtsneutralität der Wissenschaft verweisend hieß es, „wissenschaftliche Forderungen“ seien ein „Gemeingut beider Geschlechter“. Den Vorurteilen der akademischen Jugend müsse mit „moderner Anschauungen und moderner Kultur“ begegnet werden.312 Obwohl Augspurg wenige Jahre zuvor selbst zu den Berliner Hörerinnen zählte, zeigten sich die studierenden Frauen keineswegs einverstanden mit dieser für sie äußeren Einmischung. Es offenbart sich damit ein weiterer Zwiespalt – dieses Mal zwischen den
308 309 310 311 312
Vgl. Anonym (1899n), S. 8; Anonym (1899o). Eckart (1900), S. 226. Vgl. Mazón (2003), S. 125. Vgl. Anonym (1899p). Augspurg (1899).
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aktiven Gasthörerinnen und den Vertreterinnen der radikalen Frauenbewegung. Denn neben dem Schreiben an den Senat erging vom Vf Fs, dessen Vorsitz Augspurg innehatte, eine Anfrage an den Verein studierender Frauen, der noch keine Kenntnis von den Vorgängen erlangt hatte. Doch während der Vf Fs auf Unterstützung gesetzt hatte, distanzierte sich der Studentinnenverein, der sich im Frühjahr 1897 neu konstituiert hatte, um sich vom politischen Radikalismus einiger „Ausländerinnen“ zu befreien.313 Der Verein veranlasste 119 studierende Frauen, darunter Langes enge Vertraute Bäumer, sich von Augspurg, dem Vf Fs sowie von der Betroffenen des Vorfalls abzugrenzen. Augspurg habe in „maßgebenden Kreisen“ für Missstimmung gesorgt, treibe lediglich Agitation für ihren Verein unter den studierenden Frauen und untergrabe dadurch den „Frieden zwischen Professoren und Studenten einerseits, studierenden Frauen andererseits“: Wir Unterzeichneten deutschen, an der Universität Berlin studierenden Frauen fühlen uns daher veranlaßt, gegen Ihr Vorgehen zu protestieren. Wir sind auf dem besten Wege, ohne vielen Lärm, in stetiger Einzelarbeit, einen verschlossenen Lehrsaal nach dem anderen zu erobern, und können es nur bedauern, wenn unser Vorgehen durch anspruchsvolle Agitation von nicht direkt beteiligter Seite gestört wird […].314
Dieser erste Konflikt zwischen Aktivistinnen der radikalen Frauenbewegung und Hörerinnen war der Prolog einer beginnenden Kontroverse über sogenannte undankbare Studentinnen. Die Solidarität unter den deutschen Studentinnen stieß innerhalb des universitären Feldes an die Grenzen bestehender Machtpotenziale, die zu einem opportunen Verhalten zwangen.315 Frauen wurden zu (Einzel-)Kämpferinnen ihrer innerstudentischen Angelegenheiten. Wenn sie sich assoziierten, dann drängte es sie zur Übernahme corpsstudentischer Geselligkeitsformen, was zur Entfremdung mit der Frauenbewegung führte.316 Zudem protestierten lediglich deutsche Frauen, was die weitverbreiteten Vorbehalte gegen ausländische, insbesondere russische Hörerinnen verdeutlicht. Die prinzipielle Verweigerungshaltung einzelner Hochschullehrer zur Zulassung von Frauen zu Vorlesungen und Seminaren hatte weitaus gravierendere Konsequenzen als der studentische Protest. Das Fehlen eines Teilnahmescheins für obligatorische Veranstaltungen konnte die Abschlussprüfung verunmöglichen. So bereitete die prinzipielle Weigerung Waldeyers den Hörerinnen in Berlin arge Probleme.317 An allen deutschen Universitäten gab es derartig eingestellte Hochschullehrer, die sich einer Zulassung widersetzten. Für Furore sorgte der in Berlin lehrende Historiker von 313 314 315 316 317
Anonym (1900a). Vgl. Anonym (1900d); vgl. auch Mazón (2003), S. 124. Der Zusammenschluss akademischer Frauen auch auf transnationaler Ebene kam erst in den 1920er Jahren als Resultat eines Kulturtransfers in Gang. Vgl. Oertzen (2012), S. 17. Vgl. Ruoffner (2019), S. 159 f. Vgl. Lange (1898), S. 355.
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Treitschke durch seinen Hinauswurf der Frauenrechtlerin Stöcker aus einer seiner Vorlesungen im Wintersemester 1895/96.318 Treitschke begleitete sie mit den Worten, er wolle das „Weibervolk“ nicht in seinen Vorlesungen sehen, „eigenarmig“ hinaus.319 Eine „Invasion der Weiber“ verfälsche notwendig den Charakter der Universität, denn Frauen dürften keine akademische Freiheit genießen; zugleich bedrohten sie durch ihre Anwesenheit die kameradschaftliche Charaktererziehung der männlichen Studenten.320 Im Zusammenhang mit dem Frauenstudium erwähnte die sich nach Meinung Treitschkes durch „Schreiereien“ und „Phrasen“ auszeichnende Zeitungsberichterstattung das für „peinliches Aufsehen“ sorgende Ereignis noch Jahre später.321 Dem Journalisten Kirchhoff diente es als Anlass für seine im vorangegangenen Unterabschnitt thematisierte Enquete. Etwa zwei Jahre später machte 1898 der Kunsthistoriker Herman Grimm (1828–1901) von sich reden. Zwar hatte dieser 1892 in einem Beitrag in der National-Zeitung die Notwendigkeit von Medizinerinnen und Lehrerinnen eingestanden, bemerkte dort jedoch bereits, er selbst werde seine Vorlesungen auf die „alte Art“ führen.322 Den Ausschluss von Gasthörerinnen von seiner Vorlesung zur Kunst- und Kulturgeschichte gab er schließlich durch einen knappen Hinweis am Schwarzen Brett bekannt: „Zuhörerinnen haben keinen Zutritt“. Die Tageszeitungen machten die Affäre Grimm ebenso wie zuvor die Aktionen Treitschkes überregional publik.323 Bei den beschrieben Fällen handelte es sich lediglich um die Spitze des Eisbergs: Beispielsweise weigerten sich in Königsberg gleich drei Professoren der Chemie, Anatomie und Physik zur Zulassung von Hörerinnen zu ihren Vorlesungen.324 An der Universität Jena, die als letzte der reichsdeutschen Universitäten Frauen als Gasthörerinnen aufnahm, erstellte der Prorektor eine Liste von Professoren, um fortdauernde „Belästigungen“ durch einzelne Zulassungsnachfragen von Hörerinnen zu vermeiden: 46 Professoren erklärten sich damit einverstanden, Frauen prinzipiell zu ihren Veranstaltungen zuzulassen. Lediglich vier Professoren waren prinzipiell dagegen und drei schlossen Frauen von ihren Übungen und Seminaren, nicht jedoch von den Vorlesungen aus.325
318
Zu Treitschkes Idee einer Konstitution des universitären Feldes als männliche Körperschaft vgl. Schnicke (2015), S. 470–482. 319 Pinn (1896), S. 5; Wulckow (2007), S. 252; Mazón (2003), S. 122. 320 Vgl. Treitschke (1899), S. 252, 258. 321 Vgl. Wulckow (1896); Treitschke (1899), S. 252. 322 Vgl. Grimm (1900), S. 362. 323 Vgl. Anonym (1898e), S. 261. 324 Vgl. Reichstag (1903), S. 3580. 325 Vgl. UAJ, Bestand BA, Nr. 528, Bl. 78r.
Subjektkonstruktionen: Die Erfindung der akademischen Frau
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3. Subjektkonstruktionen: Die Erfindung der akademischen Frau Nein, nein, nein, es heißt siegreiches Ich! In diesem Übergang gehen die Schwachen wohl zu Grunde, die Übergangstypen, die nicht ganz alt mehr und noch nicht ganz neu sind – wir, […] wir aber kommen durch! Käthe Schirmacher (1865–1930), Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, Paris 1893326
Neben Institutionalisierungs- und Diskursdynamisierungsprozessen bewirkten die Wissensbestände im Verbund mit Machtpotenzialen die Herausbildung von Subjektpositionen. Dabei handelt es sich um Identitätsmuster, die sowohl Erwartungen an die sozialen Akteurinnen und Akteure regulieren als auch deren eigene Wahrnehmungsund Bewertungsmuster prägen: Was ein Subjekt innerhalb gesellschaftlicher Verstrickungen sein kann, wird begrenzt durch das bereits beschriebene Wahrheitsregime aus Wissen und Machtpotenzialen. Dieses Regime bestimmt den Raum dessen, „was eine anerkennbare Form des Seins ist und was nicht“.327 Innerhalb des Diskursfeldes formte sich durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Diskurse die Subjektposition der Studentin. Von verschiedensten Seiten erhielt sie ihre anerkennungswürdigen Eigenschaften: von der Qualität ihres Denkens bis hin zur Pathologisierung ihrer körperlichen Dispositionen. Sie wurde aufgeladen mit moralischen Erwartungen von Sittsamkeit, Schamhaftigkeit und Strebsamkeit. Dies versorgte sie mit Möglichkeiten und fesselte sie gleichzeitig durch Einschränkungen.328 Dabei stehen Subjektpositionen in enger Wechselwirkung mit Institutionalisierungsprozessen. Erst wenn die Akteurinnen und Akteure eine Subjektposition besetzen, die sie mit den institutionellen Strukturen verbindet, ist eine Transformation dieser institutionellen Strukturen nachhaltig gelungen: Für eine sich formalrechtlich öffnende Universität bedurfte es einer oder mehrerer Positionen für das neue Subjekt der Studentin. Diese Konstruktionsleistungen erfolgten zugleich in Abgrenzung zu nicht oder nicht mehr legitimen Subjektpositionen: in diesem Fall der Salondame, der höheren Tochter sowie der sogenannten Emanzipierten. Delegitimierte Subjekte: Von Salondamen und pflichtlosen Schmetterlingen Da sitzt so eine reiche Frau denn tagaus, tagein mit einem hohlen Dasein: die Küche besorgt die Köchin, das Haus das Stubenmädchen und die Stütze der Hausfrau, in der Kinderstube herrscht die Amme, das Kinderfräulein, die Gouvernante. Wohl führt die Hausfrau
326 Schirmacher (1893), S. 147; in dem Roman verarbeitete Schirmacher ihre Erfahrungen mit dem Frauenstudium in Paris. Vgl. Schirmacher (1921), S. 15, 24. 327 Butler (2007), S. 33. 328 Vgl. ebd., S. 61–74.
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Effekte des Macht-Wissen-Komplexes: Die Durchsetzung des Frauenstudiums
die sogenannte Oberaufsicht, aber sie ist meist ein Schattenkönig, degradirt einzig zum Liebesbedürfniss des Mannes. Anna Kuhnow (1859–1897), Ärztin, Leipzig 1896329
Die bürgerliche Gesellschaft bedurfte einer vor den Zugriffen des Obrigkeitsstaats geschützten Form der Öffentlichkeit. Diesen Schutz gewährten die Arkanwelten der Freimaurerlogen, die Vereinszimmer der Gasthäuser oder aber die privaten Zirkel eines sich zum Freundeskreis erweiternden Haushalts. Die Privatleute traten „aus der Intimität ihres Wohnzimmers in die Öffentlichkeit des Salons“ und damit verlief die „Linie zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit […] mitten durchs Haus“.330 Die Einladung von Freunden und Bekannten zu einer „Gesellschaft“ konstituierte eine Modellpraxis, die Haus und Öffentlichkeit miteinander verband. Gegen das adelige „Zeremoniell der Ränge“ betonte der bürgerliche Diskurs „den Takt der Ebenbürtigkeit“.331 Diese Ebenbürtigkeit wurde dabei allerdings weniger im sozioökonomischen Sinne verstanden. Sie stellte sich vielmehr durch das nivellierende Zielideal des bürgerlichen Rechtssubjekts her. Die Subjektposition der Salondame war ein weiteres Produkt dieser im Schutze der Häuslichkeit sich vollziehenden bürgerlichen Geselligkeitskultur, deren Bedeutung für die Entstehung der soziokulturellen Formation des Bürgertums kaum überschätzt werden kann: Denn diese Position ermöglichte eine begrenzte Teilnahme von Frauen an öffentlichen Diskursen auf dem Boden bestehender Geschlechtervorstellungen.332 Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts steigerten sich die äußeren Repräsentationsanstrengungen des bürgerlichen Haushalts. Die Gesellschaft verlangte nach formeller Konversation, etablierte ein Zeremoniell nach Rangordnung, Dienstalter und Ordensauszeichnungen. Ähnlich wie im corpsstudentischen Milieu regelte ein Komment333 Kleidung, Tischordnung, Tischsitten, Anredeformen und Gesprächsthemen.334 Die soziale Distinktion der besseren Stände hatte sich auf ein für viele Zeitgenossen und -genossinnen kaum mehr erträgliches Maß gesteigert. Nicht nur die formalisierten Modellpraktiken der Etikette wurden deshalb problematisiert, auch die Subjektpositionen der verwöhnten Tochter aus gutem Hause und der Salondamen erfuhren eine zunehmend negative Kritik. In breiter Einmütigkeit arbeiteten Frauenrechtlerinnen daran, den einstmals zumindest partiell befreienden Lebensentwurf vor dem Hintergrund des bürgerlichen Ideals einer Parität von Rechten und Pflichten zu demontieren. Die ersehnten Freiheitsrechte bedurften einer Erweiterung des Pflichtenkreises über das 329 330 331 332 333
Kuhnow (1896), S. 12. Habermas (1965), S. 58. Neuere Arbeiten haben dies bestätigt. Vgl. z. B. Budde (2000), S. 262 f. Mettele (1996), S. 159. Vgl. ebd., S. 156. Comment (französisch „Wie“) bedeutet die Art und Weise etwas zu tun. Vgl. Art. „Comment“, in: Golücke (1987), S. 97. 334 Vgl. Mettele (1996), S. 167.
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bislang erstrebte Maß hinaus. Deshalb polemisierte die Mainzer Schriftstellerin Hedwig Henrich-Wilhelmi (1833–1913) gegen die „vornehme Dame, die ohne eigene Existenzberechtigung als bloße Schmarotzerpflanze am männlichen Stamme mitvegetiert, keine Pflichten erfüllt und folglich auch keine Rechte zu beanspruchen hat“. Sie sei ein bloßer „Luxusartikel, den sich der Gatte […] unter den Nippsachen seines Hauses“ erlauben dürfe. „Der Mangel eigener Tüchtigkeit“ mache sie „untüchtig auch zur Freiheit“.335 Eine derartige Abwertung von Salondamen und höheren Töchtern als Schmarotzerpflanzen bedeutete die Ablösung von einer älteren Subjektposition, die aufgrund einer Ausweitung bürgerlicher Kulturpraktiken auf eine breiter werdende bildungsbürgerliche Mittelschicht wegen mangelnder sozioökonomischer Voraussetzungen kaum umsetzbar war. Denn es herrschte vielerorts eine Kluft zwischen dem Normalbudget und dem repräsentativen Aufwand, der sich hinter den Fassaden als falscher Schein herausstellen konnte: Lebhaft lässt sich dieses Paradox nachempfinden beim Blick auf die Verhältnisse der Familie Marx, die trotz prekärer Lebenslagen auf ihr standesgemäßes Dienstmädchen, Helena Demuth (1820–1890), nicht verzichten mochte.336 Im Diskursfeld wird die Salondame wegen ihrer Unmoral einer allein an äußerer Repräsentation ausgerichteten Lebensweise zu einem problematischen Subjekt. Dieses Subjekt besaß in der Narration einen stereotypen Lebensweg: Die junge Dame oder höhere Tochter „[flatterte] aus der Pension in die Ballsäle“, um auf diesem Heiratsmarkt ihren künftigen Ehegatten kennenzulernen.337 Nach der Eheschließung stand sie einem repräsentativen Hauswesen vor, dirigierte das Dienstpersonal, übte sich im Klavierspielen und eignete sich die neueste Mode in Literatur und Kunst an, um damit ihrem Mann zu gefallen. Das Subjekt der Salondame führte im Urteil dieser Problematisierungen ein leeres und demoralisierendes Leben.338 Ihr schöngeistiges Wissens, die „Salonbildung“, tauge nicht fürs Leben.339 Die höheren Töchterschulen seien allein auf Repräsentation ausgerichtet und erzögen deshalb zu „verbildeten Puppen, Zierpflanzen des Salons, zur schöngeformten Null“. Sie stünden somit der vollen Entfaltung der Intelligenz von Frauen im Wege.340 Diese „überfeine Bildung“ mache sie zur Leitung eines modernen Hauswesens unfähig.341 Durch Vergnügungs- und Gefallsucht vergesse sie ihre Familienpflichten.342 Ein solcher Lebensweg dressierte die „Mädchen aus guter Familie“ zu dem von Ibsen beschriebenen „Puppendasein“343 – einem Dasein „ohne Ernst und 335 336 337 338 339 340 341 342 343
Henrich-Wilhelmi (1892), S. 30. Zu sozioökonomischen Formen des bürgerlichen Haushaltes vgl. Wierling (1987), S. 98–103. Büchner (1876), S. 6. Vgl. Dohm (1874), S. 131. Vgl. Grimm (1893), S. 99. Vgl. Goldzieher (1895), S. 6. Vgl. Reuper (1878), S. 34; Schmelzle (1896), S. 211. Vgl. Gnauck-Kühne (1891), S. 19 f. Zur Rezeption Ibsens im Diskursfeld vgl. Kapitel III, 2. Abschnitt: Moral.
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Pflicht“, als Objekt „zur Dekoration des Salons“.344 Der linksliberale Baumbach schloss in seiner Rede im Reichstag 1893 an derlei Kritik an: Bei den Frauen, die durch ihre pekuniäre und soziale Lage freier gestellt sind, macht sich in der Regel die falsche, einseitige, oberflächliche Erziehung in Verbindung mit den vererbten weiblichen Charaktereigenschaften nachdrücklich geltend. Sie haben nur Sinn für reine Aeußerlichkeiten, bekümmern sich nur um Tand und Putz, suchen in der Ausbildung eines verdorbenen Geschmacks und der Fröhnung üppig wuchernder Leidenschaften Thätigkeit und Befriedigung.345
Diesem falschen Schein gegenüber stand die Sehnsucht nach einer echten Wirksamkeit in der Welt – nach einer erfüllenden Tätigkeit, die das Prädikat der gesellschaftlichen „Notwendigkeit“ verdiente. Und diese Sehnsucht betraf nicht nur die Frau aus gutem Hause. Das Bedürfnis nach Wirksamkeit erreichte die ganze Breite von sich in irgendeiner Weise als bürgerlich begreifenden Frauen: Wenn der Mann in guten pekuniären Verhältnissen ist, so füllen sie ihre Zeit mit Gesellschaften und Toiletten aus; die weniger Begüterten gehen entweder im Staubwischen und Putzen auf und werden so ungemütlich, dass man sich fürchten muss, über ihre blanken Fussböden zu gehen, weil dann die Spuren unserer Tritte bleiben, oder sie interessieren sich aufs höchste für die Angelegenheiten der lieben Nächsten und finden ihre ganze Freude im Erzählen und Wiedererzählen. Noch andere häkeln und sticken und malen den ganzen Tag und kommen sich sehr fleissig vor. Und doch sind es meistens vergeudete Stunden, denn ihre Arbeiten sind keinem Menschen notwendig.346
Zu einem Wandel der „vergeudeten Stunden“ hin zu einem Leben, das sie auch für andere Menschen notwendig machen würde, schien das haltlose, flatterhafte und durch die Moden der Zeit umhergetriebene Frauensubjekt der Vergangenheit kaum aus eigener Kraft fähig:347 Und ich glaube selber, daß die Salondame, die sich nie in das Getriebe der Menschen begeben hat, wenig Willen und wenig Thatkraft zeigen wird. Eine gewisse Sanftmuth oder Indolenz des äußeren Wesens wird sich häufig als Merkmal ihrer ausgepolsterten Existenz bei ihr einstellen, und der zarte Parfum ihres Charakters und ihres Schnupftuches wird nicht verfehlen, sie in den Augen erfahrener Menschenkenner und Psychologen mit der Aureole edler Weiblichkeit zu schmücken.348
344 345 346 347 348
Heine (1906), S. 46 f. Baumbach (1893), S. 9. Frost (1897), S. 567. Lange (1895a), S. 147. Dohm (1874), S. 83.
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Es brauchte eine neue, eine selbstständige Frau: Diese neue Subjektposition der selbstständigen Frau sollte die bislang fehlende „Thatkraft“ zeigen, sei es in der Erziehung ihrer Kinder oder in einer „verantwortlichen Stellung“ außer Haus.349 Die Kritiker/-innen dieser neuen Stellung außer Haus nutzten die angestaubte Subjektposition der Salon- und Modedame nun selbst, um die Ansprüche der Frauenrechtlerinnen nach höherer Bildung zu diskreditierten. Die Hochschulzeitung Factotum urteilte deshalb bereits 1897 über die Berliner Gasthörerinnen: Allmählich aber haben pensionsentlassene höhere Töchter herausgefunden, daß neben Radfahren und Tennisspielen auch Vorlesungen über schöne Wissenschaften an der Universität eine angenehme Zerstreuung und Abwechselung in die Mußestunden des Tages bringen. Daß es den reizenden kleinen Zopfträgerinnen, die hübsch geschmückt und zierlich geputzt den Worten der Professoren lauschen, nicht um die Gelehrsamkeit zu thun ist, die ihnen da geboten wird, geht schon daraus hervor, daß sie durch ihre Anwesenheit nur die Vorlesungen über moderne Litteratur und Musik verschönen.350
Aus diesem Grund distanzierten sich die Frauenrechtlerinnen umso stärker von dieser verfemten Subjektposition. Die promovierte Literaturhistorikerin Speyer problematisiert im Jahr 1912 den Leichtsinn und die Unmoral, die mit den Studentinnen an den Universitäten Einzug gehalten habe: Es ist ja nur zu natürlich, daß auch der holde Leichtsinn dem Hörsaal nicht ferngeblieben, vom verzogenen Backfisch im langen Kleid, dem flirtenden Salondämchen bis zu den Elementen, die an der Grenze des Zweideutigen stehen oder sie bereits überschritten haben.351
Als Gegenmaßnahme setzte Lange auf die Durchsetzung einer dem universitären Feld angepassten Subjektposition mit den Mitteln einer universitätsinternen sozialen Kontrolle: „Die einzige Erzieherin für die taktlose, extravagante oder sonst das Frauenstudium diskreditierte Studentin ist die Studentinnenschaft.“352 Pathologisierte Subjekte: Emanzipationslüsterne Viragines Die Frauenbildung muß man freilich immer trennen von der Frauenemanzipation. Für letztere, offen gestanden, bin ich nicht zu haben; den viragines gegenüber hört die Galanterie der Männer auf. Friedrich Endemann (1834–1909), Arzt und Politiker, Berlin 1900353 349 350 351 352 353
Lange (1894a), S. 217. Anonym, B. R. (1898). Speyer (1912), S. 302. Lange (1907), S. 42. Vgl. Rede des Abgeordneten Endemann (Reichstag) (1900), S. 4485.
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Die im ersten Abschnitt (Gesellschaft) des dritten Kapitels (Wissensbestände) beschriebenen Problematisierungen moderner Kultur verwiesen zugleich auf eine weitere als problematisch empfundene Subjektposition: Mit den modernen Emanzipationsideen entstand die neue Subjektposition der Emanzipierten und diese war mit dem Verdikt der Unweiblichkeit behaftet. Das Phänomen auf einen Begriff bringend, sprachen die Zeitgenossen und auch manche Zeitgenossinnen von viragines, den Mannjungfrauen. Die aus dem Lateinischen abgeleitete Bezeichnung besaß drei Bedeutungsdimensionen: In seinen antiken Ursprüngen bezog sich virago im Singular auf eine Göttin – etwa die Kriegsgöttin Minerva als Belli virago. Eine zweite Bedeutungsdimension verwies auf die sogenannte Heldenjungfrau. In etwas abgewandelter Form tauchte diese als eine Heldin des Geistes in Burckhardts breit rezipierter Kultur der Renaissance auf: Das ruhmvollste, was damals von den großen Italienerinnen [der Renaissancezeit] gesagt wird, ist, dass sie einen männlichen Geist, ein männliches Gemüt hätten. Der Titel einer ‚virago‘, den unsere Zeit für ein sehr zweideutiges Kompliment hält, war damals reiner Ruhm.354
In die Klassifikation der Heldenjungfrauen mit mächtiger Persönlichkeit im Sinne Burckhardts ließen sich jene Frauen gruppieren, die durch die Übernahme von als männlich klassifizierten Verhaltensweisen auffielen. Bei den Studentinnen an den Universitäten konnte es sich dabei um eine Protestform handeln, die das Geschlecht in den Hintergrund rückte, um möglichst unauffällig agieren zu können. Oder es ging schlicht um einen Ausdruck der eigenen Geschlechtsidentität, die den gesellschaftlichen Konventionen nicht entsprach. Beispiele für das Auftreten als „flotter Bursche“ mit kurzen Haaren oder männlicher Kleidung fanden sich zahlreich:355 Einige der bekanntesten Persönlichkeiten dürften die Juristinnen von Linden und Augspurg, die Physikerin Emmy Noether (1882–1935) oder die Fotografin Sophia Goudstikker (1865–1924) gewesen sein. Die promovierte Philologin Heine, die zu den ersten Absolventinnen von Langes Gymnasialkursen gehörte, beschrieb 1906 in ihrem Buch Studierende Frauen die burschikose Nachahmung studentischer Freiheiten im Lebensalltag als einen Akt der Befreiung: Ach, als wir vorgestern von der VII. Symphonie [Beethovens] kamen, da waren wir so selig, daß wir uns angefaßt haben und um eine Laterne getanzt sind. Herrgott, das erzählt sie noch! Wie unweiblich! Wie burschikos!
354 Herrmann (1915), S. 2. 355 Glagau (1881), S. 29.
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Ja, mein Lieber, das sind die Burschikosen, die sich aus allen Fakultäten rekrutieren, wenngleich sie überall selten sind. Jene, die daher gehen, wenn auch nicht mit kurzen Haaren, so doch mit kurzen Kleidern, so, als führen sie immer Rad, mit kurzen Reformkleidern und derben Schuhen, welche niedrigste Absätze haben; […] In dieser Gewandung […] bewegen sie sich schnell und lebhaft und ungeniert, gehen durch Regen und Schnee, über Steine und Berge und Pfützen und wollen damit dokumentieren, daß sie gesunde, freie und natürliche Menschen sind. Menschen – das betonen sie, Menschen in erster Linie, nicht ‚Weiber‘. […] Ein starkes, stürmisches Freiheitsgefühl durchbraust ihre jungen Herzen. Sie bilden eitlen lebendigen Protest gegen die Konvention – gegen die lächerliche Konvention, welche das Leben der Frau einschnürt, verkrüppelt, in Staub verschüttet! […] Das ist schrecklich jungenhaft – ich gebe es gerne zu, aber die besten Gaben des Lebens scheinen ja nur von männlich zupackenden Händen erhascht werden zu können, oder wir müssen sie vermummt erschleichen. Tadelt alles an meinen ‚Burschikosen‘, aber beugt euch vor ihrer Ehrlichkeit.356
Auf diese Art den Konventionen zu trotzen bedeutete, sich in die Position tragischer Heldinnen zu begeben. Es bedeutete eine ungewollte, indirekte Bestätigung der orthodoxen Bewahrer konventioneller Geschlechtsidentitäten. „Nichts widert mehr an, als die viragines, welche in studentischem Treiben und Thun die männliche Jugend zu übertreffen suchen“, heißt es etwa beim Baseler Gynäkologen Fehling.357 Die Burschikosen erfuhren eine Abwertung als Mannweiber und damit ist eine dritte Bedeutungsdimension in den Blick geraten, wie sie in den deutschsprachigen Diskursen des 19. Jahrhunderts dominant auftauchte. Treitschke als Anhänger eines orthodoxen Geschlechtermodells klassifizierte die virago in seiner Vorlesung über Politik als einen „romanischen Frauentypus“.358 Damit grenzte er die deutsche Frau ab von der bei Burckhardt noch positiv konnotierten virago der italienischen Renaissance. Zudem war die männliche Frau, ob als Heldin oder als Göttin stets das Andere – stets die berühmte Ausnahme von der Regel. Sie stand in scharfem Gegensatz zur vermeintlichen Natürlichkeit. So hieß es bei Bogumil Goltz bereits 1863: „Ein Weib mit dem kritischen Verstande eines Mannes, ein Weib, dem sich an allen Dingen das Fragliche, Zweideutige oder Richtige herausstellt, ist eine Monströsität.“359 Um die Leerstelle einer nicht eindeutig zu klassifizierenden Geschlechtsidentität zu bezeichnen, etablierte sich neben dem Begriff der virago der des „dritten Geschlechts“.360 Der Schriftsteller von Wolzogen benannte in seinem gleichnamigen Roman derartige Subjekte als Neutra. Er ließ einen der Protagonisten, Arnulf Rau, definieren:
356 357 358 359 360
Heine (1906), S. 65–68. Fehling (1892), S. 26. Treitschke (1899), S. 246. Goltz (1863), S. 305. Vgl. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 9.
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Ich fasse unter dem Ausdruck ‚das dritte Geschlecht‘ alle die Frauenexistenzen zusammen, welche aus natürlicher Veranlagung oder unter dem Druck der Verhältnisse dazu gelangen, sich nicht mehr als Geschlechtswesen mit engumschriebenen Pflichten und Gerechtsamen [d. h. (Vor-)Rechten], sondern einfach als Mitmenschen zu empfinden.361
Der Ingenieur und Mitarbeiter der Allgemeinen deutschen Universitätszeitung Minuth urteilte in direkter Anlehnung an die aus dem Roman Wolzogens stammende Definition: Von einem ‚troisieme sexe‘ weiß die Natur innerhalb des Bereiches der Lebewesen als Regel nichts: nur sehr selten kommt es einmal als unfruchtbare Mißgeburt vor, als unnatürliche, gemiedene Erscheinung. Und eine gleiche unnatürliche, gemiedene Erscheinung, eine gleiche, unfruchtbare Mißgeburt würde das Gesellschaftsleben der Menschen zeitigen, wollten Mann und Frau den Charaktertypus ihres Geschlechtes von sich abstreifen und sich als freie Wesen, also als Neutra, begegnen.362
Nach der Typisierung des Psychiaters Richard von Krafft-Ebing (1840–1902) befand sich allein die „Monosexualität“ auf der Stufe einer normalen geschlechtlichen Entwicklung des Individuums. Dies bedeutete eine weitgehende Kongruenz zwischen primärem und sekundärem Geschlechtscharakter (zwischen Geschlechtsdrüsen und Fortpflanzungsorganen sowie somatischen und psychischen Eigenschaften). Die vielfach auftretenden „Zwischenstufen“,363 unter die auch das „dritte Geschlecht“ fiel, stellten demnach pathologische Abweichungen dar.364 Das Krankheitsbild der „Defeminatio“ beschrieb einen Wandel des Charakters, der bei einer Frau – dem primären Geschlechtscharakter nach – die Gefühle und Neigungen in eine männliche Richtung drängte.365 Wenn der sekundäre Geschlechtscharakter als durch äußerliche Einflüsse veränderbar galt, dann bestand somit die Gefahr, durch „falsche Praktiken“ eine „Entweiblichung“ herbeizuführen.366 Daran knüpfte sich die Vorstellung einer erworbenen konträren Sexualempfindung: Im schlimmsten Fall wären die Frauen in dieser Bewertung für ihren natürlichen Beruf verloren. Unter vermeintlich falsche Praktiken, welche die Subjekte von ihrer wahren Weiblichkeit entfernte, fielen alle männlichen Tätigkeiten, insbesondere die akademischen Berufstätigkeiten des Arztes oder Richters. Dass Arbeiterinnen in Schlachthöfen, in Küchen oder gar in Fabriken schwerste Arbeit leisteten und dabei sprichwörtlich ihren „Mann standen“, spielte hierbei keine Rolle.367 361 Wolzogen (1899), S. 92. 362 Minuth (1900), S. 214. 363 Den Begriff Zwischenstufen popularisierte der Sexualwissenschaftler Hirschfeld im Gegensatz zu Krafft-Ebing im emanzipatorischen Sinne, um geschlechtlich gemischte Typen zu bezeichnen. Vgl. Bruns (2008), S. 122–134. 364 Vgl. Krafft-Ebing (1984 [1912]), S. 35–39. 365 Vgl. ebd., S. 234, 250 f. 366 Ruge (1912), S. 33. 367 Kersten (1892), S. 35.
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Das Phänomen einer Vermännlichung diente zugleich als Erklärung für das vermeintlich widernatürliche Verhalten besonders radikaler Frauenrechtlerinnen. Rückblickend heißt es bei Hirsch: [Es] soll nicht geleugnet werden, dass auch Abarten der sexualen Veranlagung diesen äusseren Erscheinungen häufig zugrunde gelegen haben. Und dass sie besonders oft im Anfang der Bewegung unter ihren Führerinnen zu finden gewesen sind. Es versteht sich von selbst, dass Frauen mit männlichem Einschlag, von den sichtbaren äusseren Merkmalen bis zu den männlichen Eigenschaften des Gefühlslebens und der Denkweise, denen die Erfüllung der natürlichen Bestimmung des Weibes von der Natur versagt ist, mit besonderer Macht aus dem engen Rahmen herausdrängen, in welchen die Institutionen der menschlichen Gesellschaft die Frau hineinzwängen.368
Die Übernahme männlicher Verhaltensweisen innerhalb der Universitäten besaß im Urteil der Zeitgenossen und -genossinnen seine Ursache im Fehlen legitimer Lebensentwürfe für Studentinnen. Lange hatte das bereits 1889 problematisiert: Den Grund zu etwaigen Ausschreitungen unweiblicher Art sehe ich hauptsächlich in dem Umstande, daß den zum Teil noch recht jungen Mädchen keine andere Wahl freisteht, als wie ein junger Student in ungebundener Weise zu wohnen, zu essen, zu leben, ohne Anschluß vor allem an ältere, gebildete Frauen.369
Für eine Lösung dieses Problems brauchte es eine neue Subjektposition, die einen legitimen Verhaltensrahmen für Studentinnen etablierte. Ausnahme oder Durchschnitt: Was heißt es, Studentin zu sein? Rahel Varnhagen konnte zu ihrer Zeit sagen: „Warum sollte eine Frau nicht an der Universität studieren, wenn sie den Geist und die Gaben hat?“ – „Aber heutzutage“, meint Ellen Key, hätte Rahel gefragt: „Warum muß eine Frau Bücher schreiben, studieren, Wissenschaft betreiben – auch wenn sie nicht Geist und Gaben hat?“ Das akademische Studium erfordert von der Frau so viel physische und geistige Kraft, so viel moralische Ausdauer und Widerstandsfähigkeit, so viel pekuniäre Hilfsmittel daneben auch, daß nur die wirklich Berufenen den lockenden Weg beschreiten sollten, der so viele ins materielle und seelische Elend führt. Marie Speyer (1880–1914), Philologin, Luxemburg 1912370
368 Hirsch (1920), S. 16. 369 Lange (1889), S. 99. 370 Speyer (1912), S. 306.
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Was die ideale Studentin auszeichnen sollte, lässt sich nicht trennen von der Idee individueller Persönlichkeitsentwicklung. Als zu entwickelnder Ressource für die Zukunft des Deutschen Reiches verbreitete sich diese Idee am Ende des 19. Jahrhunderts: Begabung und Begabungsförderung sollten brachliegende Ressourcen in der Bevölkerung mobilisieren.371 Die Antwort auf die nebulöse Frage, was der Begabungsbegriff eigentlich aussagte, fiel in den Bereich der Psychologie. Erstmals entwarf Richard Baerwald (1867–1929) in seiner Theorie der Begabung 1896 ein elaboriertes Begabungskonzept: Begabung sei der „dauernde, allgemeine Vorzug eines Könnens, welches keine Fertigkeit ist“.372 Sie sei Hauptziel der formalen Bildung, die ein Pendant zur reinen Wissensvermittlung darstelle. Diese Definition implizierte, dass auch Begabung entwickelt und eingeübt werden müsse. Etwa 20 Jahre später verdeutlichte der einflussreiche Pädagogikprofessor Eduard Spranger (1882–1963) in seiner Bildungskonzeption, „wissenschaftliche Begabung“ beruhe auf einer individuellen Disposition. Als Kern dieser Disposition nannte er „Problembewusstsein“ – ein solches Bewusstsein zielte auf die Gabe der sokratischen Verwunderung sowie der Fähigkeit, aus dieser Verwunderung neue Fragen abzuleiten. Mit der Verwunderung und dem Fragen beginne jede Wissenschaft. Das Talent hierzu sei trotz etwaiger äußerer Hindernisse im Individuum immer schon vorhanden. Begabung und Intelligenz bleiben damit bei Spranger wesentlich mit dem Anfangspotenzial eines Menschen verbunden. Er schrieb damit der Sozialisation eine weitaus geringere Bedeutung zu: „Persönlichkeiten züchten kann man nicht.“373 Dieser an der individuellen Anlage ausgerichtete Begabungsdiskurs verschärfte sich im Hinblick auf die Studentin: Anstelle von zu fördernder Begabung und Talent bedurfte es in den Augen so mancher Professoren hier schon einer außergewöhnlichen Hochbegabung als Ausgangsdisposition. Die Männer blickten damit auf die genial beanlagten Ausnahmenaturen. Dabei immer wieder als relevante Eigenschaft genannt: die schöpferische Leistungsfähigkeit.374 Diese Übersteigerung innerhalb der Subjektposition des hochbegabten Ausnahmemädchens schuf einen kaum zu erreichenden Maßstab und wirkte abschreckend, einschüchternd und beschränkend auf die Entwicklungspotenziale von Studentinnen, die noch dazu ihren Platz in einer sie abweisenden Umgebung erst noch finden mussten. Derartige Ausnahmesubjekte zeichneten sich durch fünf Eigenschaften aus: Der Begabungsbegriff markierte in nahezu all seinen Spielarten eine Abweichung vom als weiblich bestimmten Geschlechtscharakter. Ein Studium galt als das Privileg eines begabten Menschen.375 Dies meinte nicht selten eine „theoretische Begabung“ für „abstraktes Denken“ – sei es „für strenge mathematische und physikalische Studien“ oder 371
Vgl. Gerber (2012), S. 114, 123; insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg waren neue Konzepte der Leistungsauslese gefragt. Vgl. Kössler (2018), S. 198. 372 Baerwald (1896), S. 2. 373 Spranger (1917), S. 16, 92. 374 Zur Verbindung zwischen Begabungs- und Leistungsbegriff vgl. Kössler (2018), S. 197. 375 Vgl. Popper (1894), S. 17.
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für philosophische Probleme.376 Dieses fand sich aber nur bei den „eigenartig begabten Frauen“ – sprich: bei den „Ausnahmefälle[n]“.377 Ausnahmen unter den Frauen standen „in ihrer intellektuellen und gemüthlichen Begabung mehr den Männern näher“.378 Viktor Birsch-Hirschfeld (1842–1899) sprach gar von einer „väterliche[n] Begabung“ für den Arztberuf.379 Marianne Weber definierte die Ausnahmestudentin ex negativo aus dem Mangel der Durchschnittsstudentin, die ein geringeres „abstraktes begrifflichen Denken“ sowie eine „andersartige Interessiertheit“ aufweise, als der männliche Schöpfergeist.380 Das Bildungsideal verband sich in der zweiten Eigenschaft mit einem bürgerlichen Berufsideal. Nur „für die Studien begeisterte Frauen“, die einem „inneren Ruf “, „Drang“ oder einer „Berufung“ folgten und somit eine „besondere Zuneigung“ zur angestrebten Laufbahn spürten, sollten den Weg in die akademische Welt einschlagen.381 Eine dritte Eigenschaft besonders talentierter Frauen umfasste die Gesundheit, verstanden als Widerstandsfähigkeit von Körper und Geist. Die Ausnahmestudentin sollte zugleich ein „hochbegabtes und gesundes Mädchen“ sein.382 Nur Ausnahmen würden über einen „kräftigen, ausdauernden und widerstandsfähigen Körper“, über notwendige „körperliche Kraft“ verfügen.383 Speiste sich der Begabungsbegriff bereits aus der Vorstellung individueller Veranlagung, so wirkte der Einbezug körperlicher und geistiger Gesundheit noch mehr in diese Richtung: Deshalb müsse eine „Auslese bestbeanlagter Zöglinge“, „ungewöhnlich stark und günstig veranlagte[r] weibliche[r] Individuen“, „besonders veranlagte[r] Frauen“ erfolgen.384 Damit schien eindeutig, „daß immer nur eine Minderzahl unter den Frauen jene besondere, für die gelehrten Berufsarten und deren Ausübung erforderliche Veranlagung besitzen wird“.385 Nicht nur in geistiger und physischer Hinsicht sollte eine Auslese erfolgen, „auch in materieller Hinsicht“ musste das „studieneifrige Mädchen“ für seinen „Kampf ums Dasein“ bestens ausgerüstet sein, insbesondere für den ärztlichen Berufsweg.386 Diese vierte Subjekteigenschaft zielte auf das ökonomische und kulturelle Kapital, also auf
376 Weiss (1892), S. 41; Hafferl-Bernatzik (1912), S. 12; Gustav Fritsch, in: Kirchhoff (1897), S. 46; Petrina (1896), S. 152. 377 Franz Muncker, in: Kirchhoff (1897), S. 230. 378 Lehmann (1898), S. 2 (141). 379 Viktor Birsch-Hirschfeld, in: Kirchhoff (1897), S. 63. 380 Weber (1917), S. 525. 381 Waldeyer (1889), S. 44; Speyer (1912), S. 304; Robert Olshausen, in: Kirchhoff (1897), S. 120; Rothschild (1918), 26 Julius Bernstein, in: Kirchhoff (1897), S. 44; Victor Meyer, in: Kirchhoff (1897), S. 269; Isidor Rosenthal, in: Kirchhoff (1897), S. 54. 382 Bistram (1899), S. 28. 383 Adolf Kehrer, in: Kirchhoff (1897), S. 112; Wulckow (1894), S. 245. 384 Rößler (1893), S. 31; Svetlin (1895), S. 14; Wilhelm Erb, in: Kirchhoff (1897), S. 128. 385 Hans Buchner, in: Kirchhoff (1897), S. 143. 386 Anonym (1895i), S. 464.
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die soziale Herkunft aus den „höheren Ständen“.387 Die begabte Frau war zugleich eine Frau der gebildeten, der besseren Stände.388 Nach dem bislang Ausgeführten, erübrigt es sich beinahe, die fünfte Eigenschaft zu erwähnten: Bei den begabten Ausnahmefrauen solle es sich um „familienlose Frauen“ handeln.389 Die Entwicklung einer wissenschaftlichen Begabung hatte bei Frauen also mit einem Zölibat einherzugehen. Unter den hochbegabten Ausnahmemädchen sollten nur jene studieren, „die eine entschiedene Abneigung gegen die Ehe“ oder aber „in der Ehe das Glück nicht gefunden“ hätten.390 War die Familie die natürliche Basis jeder Gesellschaftsentwicklung, so bedeutete der Verzicht auf eine eigene Familie für Frauen die notwendige Voraussetzung einer wissenschaftlichen Karriere: Nach alledem lässt sich die Ausnahme von der Regel leicht formuliren. Verzichtet die Frau auf das Eheleben, bringt sie glänzende Begabung, Glücksgüter und jenen rastlosen Wissensdrang mit, der nichts ungekannt will lassen, dann wollen wir ihr nichts in den Weg legen, aber sie aufzumuntern, haben wir keine Ursache.391
Neben diesen Ausnahmenaturen etablierte sich die Subjektposition der durchschnittlichen Studentin in Analogie zur breiten Masse der Studenten. Damit war zugleich die Grenze gezogen zwischen jenen Studentinnen, die nach ihrem Studium entweder heirateten oder spezifisch weibliche Berufswege einschlugen, und jener kleinen Minderheit von Studentinnen, denen aufgrund ihres Ausnahmetalents der Weg in die männerdominierten akademischen Berufsfelder offen stand. Die Konstruktion der Ausnahmestudentin diente dazu, eine bislang formalrechtliche Grenze in die Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster der Subjekte zu übertragen. Diese Entwicklung war beim Erscheinen der Kirchhoff ’schen Gutachten 1897 bereits weit fortgeschritten: Dort fand sich der 32mal vorkommende Begriff des Durchschnittes in direkter Nachbarschaft zu dem der Ausnahme, der 41-mal auftauchte. Diese Kopplung beider Subjektpositionen zeigt: Die Masse der Studentinnen hatte sich auf den geschlechtsspezifischen Durchschnittsbahnen zu bewegen. Die Ausnahmen tanzten auf der Nadelspitze wissenschaftlicher Exzellenz, ständig bedroht in die niederen Gefilde des Durchschnitts abzurutschen. Im Ringen um diese zwei Subjektpositionen versuchte die Frauenbewegung, durch den Hinweis auf den normalen Intelligenzdurchschnitt unter den männlichen Studierenden die überzogenen Erwartungen an die Studentinnen zu dämpfen: Die Aktivistinnen wussten, die Erwartungen an die genialen Ausnahmefrauen könnte angesichts der Masse künftiger Studentinnen nur enttäuscht werden. Bereits 1889 beschwichtigte Lange:
387 388 389 390 391
Binder (1892), S. 21. Vgl. Swoboda (1895), S. 47. Anonym, A. v. H. (1897), S. 19. Grünwald-Zerkowitz (1902), S. 41. Anonym, Dr. H. (1887), S. 771.
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Wenn man die Grenze für die Ausübung gelehrter Berufe da ziehen will, wo die selbständige Schöpferkraft aufhört, so werden allerdings diesseits der Grenze mit wenigen Ausnahmen alle Frauen stehen, aber auch mindestens 90pCt. der Männer.392
Und auch die Breslauer Lehrerin Oelsner versuchte die übertriebenen Erwartungen mit dem Hinweis zu relativieren, dass „auf tausend studirende Männer“ vielleicht einer komme, der bahnbrechend für sein Fach wirke. „Hätten die übrigen 999 Männer deshalb vom Studium ausgeschlossen sein sollen, weil sie es nicht soweit bringen, nicht so hervorragend beanlagt sind, – eine lächerliche Thorheit und zugleich ein beklagenswerter Verlust für die Menschheit wäre dies.“393
Der „wirklich wissenschaftliche Kopf “ sei eine „seltene Blüte“ auch unter Männern, hieß es analog dazu bei Binder.394 Martin verdeutlichte, „wahre Genies“ benötigten kein Studium für ihre Entfaltung. Das Studium solle vielmehr „den Geist und dann den Charakter stärken, bereichern und verfeinern, damit der Mensch für die Pflicht tüchtig werde“. Genies könne und wolle man an den Universitäten „nicht züchten“.395 Einige Kritiker/-innen des Frauenstudiums argumentierten, gerade die erste Studentinnengeneration sei durch besonders begabte Frauen geprägt und deshalb lasse sich anhand dieser Erfahrungen keine Aussage über die generelle Befähigung von Frauen treffen. Gegen derlei Vorstellung einer Ausnahmeintelligenz unter den bisher studierenden Frauen richtete sich ein anonymer Beitrag in der Wiener Frauenbewegungszeitschrift Dokumente der Frauen: Sogenannte „Eliteköpfe“ gäbe es unter den Studentinnen nicht, vielmehr entspreche die „weibliche Durchschnittsintelligenz“ den gestellten Anforderungen im gleichen Maße wie der Studenten.396 Rückblickend charakterisierte Margarete Heine die Pionierinnen nicht als Ausnahme-, sondern als Durchschnittsfrauen: Wer hatte gedacht, daß die Universität uns von Charakter, von Beharrlichkeit, Zähigkeit, Geduld erobert werden würde, statt von Begabung, Talent, Genies. […] Und schließlich ist das vielleicht gut. Denn das gilt es zu beweisen, daß der Durchschnitt weiblicher Intelligenz dem Durchschnitt der männlichen gleich ist.397
Trotz dieser kritischen Stimmen, welche die Subjektposition der Durchschnittsstudentin als Normalfall in Analogie zum Durchschnittsstudenten definierten, tendierte das Ideal selbst aufgeschlossener Professoren in die Richtung der begabten Ausnahmen. Beispielsweise verdeutlichte der Privatdozent für Philosophie und Pädagogik Wilhelm 392 393 394 395 396 397
Lange (1889), S. 89. Oelsner (1894a), S. 1 f. Binder (1898c), S. 706. Martin (1901), S. 12 f. Vgl. Anonym, L. (1905). Heine (1906), S. 77 f.
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Jerusalem (1854–1923) als Ehrengast der Gründungsversammlung des Akademischen Frauenvereins in Wien im Jahr 1904 nach einem Bericht der Schriftstellerin Leopoldine Kulka (1872–1920): Bloße Durchschnittsleistungen würden in Zukunft nicht genügen. An Stelle der Elitestudentin sei bereits die Durchschnittsstudentin getreten. Er wünsche sich hingegen Studentinnen, „die echt weibliche Eigenschaft inniger Hingebung auch an das Studium wenden mögen, daß diese Treue und Aufopferung ‚the loyalty‘ […] das spezifische Element sein möge, welches das weibliche Studium auszeichnet.“398 Anhand dieser Aussagen wird deutlich, dass es nicht gelang, die Durchschnittsstudentin mit denselben Maßstäben zu verbinden, die für den Durchschnittsstudenten galten. Die Subjektpositionen der Durchschnittsstudentin und der Ausnahmestudentin besaßen eine Auslese- und Blockadefunktion: Sie trennte die breite Masse studierender Frauen, den Durchschnitt, sowohl von klassisch männlichen akademischen Berufskarrieren, die dem Durchschnittsstudenten offenstanden, als auch von innerakademischen Karrierewegen ab, die nur den Ausnahmetalenten zugänglich waren. Deshalb ist die These Brinkschultes, wonach sich der Ausschluss von Frauen aus der akademischen Laufbahn als Voraussetzung für die Zulassung zum Studium deuten lasse, zu erweitern: Nicht allein der formale Ausschluss von der Habilitation bedingte die Zulassung zur Immatrikulation, sondern die weitaus folgenreichere Konstruktion der akademischen Frau als einer seltenen Ausnahmeerscheinung.399 4. Fazit: Zur dynamischen Stabilisierung von Universitätsstruktur und Geschlechterordnung Die sozialen Machtpotenziale entfalteten im Verbund mit den sprachlichen Diskursen ihre Wirkungen im institutionellen Feld der deutschen Universitäten, sie transformierten die Wissensordnung im Diskursfeld und sie führten zur Herausbildung von neuen Subjektpositionen. Diese Wirkungen vollzogen sich im historischen Prozess nicht in einer stufenförmigen Abfolge, wie es die Abschnittsstruktur des Kapitels suggeriert, sondern in sich wechselseitig bedingenden Prozessen. Die Dynamisierungen veränderten nicht nur den Inhalt des Diskursfeldes, sondern waren Ausdruck von Deutungsveränderungen, die zu den beschriebenen Institutionalisierungen führten. Tatsächlich bedarf eine erfolgreiche Änderung institutioneller Strukturen mehr als eine Top-downRegulierung durch formale Verfahrensgrundlagen: Jede formale Struktur benötigt das entsprechende Handeln sozialer Akteurinnen und Akteure. Wie im Abschnitt zu den Adaptionsstörungen gezeigt, erschwert deren Eigensinnigkeit eine sofortige Umsetzung institutioneller Reformprozesse. Es bedarf beständiger Anstrengungen und Kurskor-
398 Kulka (1904), S. 156 f. 399 Vgl. Brinkschulte (1998), S. 62.
Fazit: Zur dynamischen Stabilisierung von Universitätsstruktur und Geschlechterordnung
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rekturen, um eine gelingende Institutionalisierung zu erreichen und im Handel aller Beteiligten schließlich eine neue Normalität zu erzeugen. Zu diesen Normalisierungsanstrengungen gehörten Petitionen der bürgerlichen Frauenbewegung, um eine Studienzulassung für Frauen zu erreichen. Mit deren Hilfe verschob sich während der gesamten 1890er Jahre das durch die Parlamentsdebatten angeheizte öffentliche Interesse zugunsten der Frauenbewegung. Jede skandalisierte Niederlage bedeutete einen weiteren Schritt hin zum Ziel. Dabei zeigten die Aktivistinnen mit ihren Organisations- und Aktionsformen, dass sie die Sprache und Methode des politischen Feldes bestens beherrschten. Bislang hatten Frauen noch keinen Fuß auf das Parlamentsparkett oder in die Regierungsstuben der Ministerien gesetzt, sondern wurden auf die Besucherbereiche verwiesen. Die Frauenbewegung hielt mittelbar dennoch Einzug in die politischen Arenen des Kaiserreichs. Sie zwang die politischen Akteure dazu, die Geschlechterordnung zu politisieren und damit ihrer naturalisierenden Metaphysik zu entreißen. Allein mit dem Mittel öffentlichen Räsonierens verschoben die Aktivistinnen Schritt für Schritt die herrschenden Machtbeziehungen, die in ihrer symbolischen Repräsentation kaum deutlicher zum Ausdruck kamen als in dieser bürgerlichen Geschlechterordnung.400 Zu den Kurskorrekturen gehörte das Skandalisieren reaktionärer Stellungnahmen. Durch dieses Mittel entstand ein polarisierendes Spannungsverhältnis, das eine Dynamisierung des Diskursfeldes bewirkte. Die orthodoxen Mediziner trugen unbewusst durch ihre Polemik zu dieser produktiven Dynamik bei, die in ihrer Tendenz dem orthodoxen Geschlechtermodell diametral entgegenstand. Mochten die orthodoxen Stimmen noch so mächtig sein, sie riefen eine Vielzahl von Gegenstimmen hervor, deren Machtpotenzial im Einzelnen zwar geringer ausfiel, im Verbund jedoch die Empörung der Orthodoxen in Empörung über die Orthodoxen auslöste. Durch ihre Machtstellung besaßen die Mediziner eine privilegierte Sprechposition im Diskursfeld. An diese privilegierte Position dockten die weniger privilegierten Gegenstimmen an und profitierten damit von deren Sendungsreichweite. Für Kurskorrekturen sorgte auch eine Erschließung des Erfahrungsraums. Durch Umfragen erhielten Akteurinnen und Akteure eine Stimme, um diese Erfahrungen einer breiteren Öffentlichkeit mitzuteilen. Insbesondere prominente Stimmen sorgten für ein gesteigertes Problembewusstsein. Je mehr angesehene Personen sich äußerten, umso stärker wuchs das öffentliche Interesse. Die Akteurinnen und Akteure einer linksliberalen Öffentlichkeit nahmen dadurch Einfluss auf Hochschulreformprozesse und damit auf laufende oder geplante Institutionalisierungsleistungen. Erfahrungen aus dem europäischen Ausland flossen dadurch in diese Prozesse ein. Das erhobene Erfahrungswissen führte zur Vorstellung, das Frauenstudium sei ohne die befürchteten
400 Zum Politischen als einer Arena von Machtbeziehungen vgl. Bluhm (2010), S. 184.
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Effekte des Macht-Wissen-Komplexes: Die Durchsetzung des Frauenstudiums
Probleme einführbar. Zürich und Basel dienten als erfolgreiches Modell für die Staaten des Deutschen Reichs und für Österreich. Zur Vermittlung zwischen Institutionalisierungs- und Dynamisierungsprozessen brauchte es neue Identitätsmuster. Eine solche Etablierung neuer Subjektpositionen ging einher mit der Delegitimation unerwünschter Subjekte: Neben der älteren Subjektposition der Salondame, die bereits als Negativeffekt der Mädchenpensionate in ihrer Problemstruktur existierte, erfolgte eine Stigmatisierung und Ausgrenzung sogenannter viragines oder Mannweiber. Diese negativen Kontrastfolien bewirkten eine Eindämmung der Frauenemanzipation in die Restriktionen bürgerlicher Geschlechterordnung. Die universitäre Dynamik war nur möglich, durch die gleichzeitige Abwehr jener emanzipierten Monster der Moderne. Zahlreiche Akteure innerhalb des universitären Feldes verteidigten eine Universitätsidee, die angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen zunehmend anachronistisch wurde. Gleichzeitig begriff der Großteil von ihnen, dass diese Entwicklungen sich nicht aufhalten ließen. Die in eine Krise geratenen universitären Strukturen ließen sich nur dynamisch stabilisieren. Innerhalb des Feldes entfalteten die beschriebenen Diskurse deshalb ihre handlungspraktische Wirkung auf eine nicht-statische Weise. Wandlungsund Beharrungskräfte fochten einen Kampf miteinander aus, der alles andere als ein stetiges Fortschreiten sozialer Errungenschaften bewirkte. Die Ambivalenz zwischen Öffnungs- und Schließungsprozessen führte zu einer dynamischen Stabilisierung: Eine Öffnung des Studiums für Frauen kanalisierte den äußeren Druck und bewirkte Dynamik. Die neuen legitimen Subjektpositionen verschoben die bisherige Grenze von der Studienzulassung zu den akademischen Karrierewegen und stabilisierten damit die Strukturen des universitären Feldes.
V. Schlussbetrachtung: Vom Einschreiben der Ausnahmen und dem Bewahren der Männeruniversität Zu Beginn der Studie stellte sich die Frage, weshalb der Wandel hin zu einer Zulassung von Frauen zum Studium an den deutschen Universitäten im Vergleich zu den Universitäten in anderen Industrieländern besonders lang dauerte. Und welche Entwicklungen bewirkten schließlich, dass Frauen doch der Eintritt in diese männliche Institution gewährt wurde? Eine Erklärung führte zum Spannungsverhältnis zwischen Kontinuität und Dynamik, dem sich die deutschen Universitäten am Ende des 19. Jahrhunderts ausgesetzt sahen. Das Thema der akademischen Frauenbildung verschärfte diesen krisenhaften Prozess. Aus gegenwärtiger Sicht ist die Kontinuität unübersehbar. Sie zeigt sich in der anhaltenden Marginalisierung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb. Dies macht die Dynamiken einer Anpassung der deutschen Universitäten an den sozialen Wandel der Gesellschaft umso erklärungsbedürftiger. Um den Faktoren der Veränderungsprozesse auf die Spur zu kommen, erfolgte die Analyse des Diskursfeldes der akademischen Frauenbildungsfrage auf drei Ebenen: Die erste Ebene (Kapitel II) nahm institutionelle Felder sowie die auf ihnen beruhenden Machtpotenziale in den Blick. Auf diese Weise ließen sich die Anteile an der Publikationsfrequenz aus dem universitären Feld, der Frauenbewegung sowie akademischer Berufsgruppen rekonstruieren. Durch eine Analyse von Medien ließ sich zudem eine Aussage darüber treffen, ob sich die jeweilige Publikation an eine breite Öffentlichkeit oder an eine Teilöffentlichkeit richtete. Die Frauenbewegung etablierte beispielsweise eine starke Bewegungsöffentlichkeit, trat jedoch in einer breiteren bildungsbürgerlichen Öffentlichkeit überwiegend mittels selbstständiger Broschüren auf und weniger über das einflussreichere Medium der Kulturzeitschriften. Zudem konnte gezeigt werden, welche Rolle soziale Einflussfaktoren spielten, wenn es darum ging, die Eintrittsbedingungen zum Diskursfeld zu überwinden. Neben dem Herkunftsmilieu erwies sich der Bildungsgrad als ebenso bedeutsam wie der Wohnort. Eine überwiegende Mehrheit der aktiven Teilnehmer/innen des Diskursgeschehens gehörte dem großstädtischen, protestantischen und liberalen Bildungsbürgertum an. Aus diesem Grund lassen sich die im Diskursfeld konstruierten Phänomenstrukturen, die Problematisierungsweisen sowie Lösungsansätze umfassen, als bildungsbürgerliche Wissensbestände charakterisieren.
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Schlussbetrachtung
Auf der zweiten Ebene (Kapitel III) erfolgte eine Analyse dieser Wissensbestände. Dabei wurde Wissen als eine umkämpfte Prozesskategorie verstanden, die sowohl die Produktion und Reproduktion als auch die eigene Transformierbarkeit umfasst. Die Bestandteile des Wissens zergliederten sich in einzelne Phänomenbereiche, die durch die Spielarten ihrer Problematisierungsweisen und Lösungsmöglichkeiten dargestellt wurden. Es konnte dabei im ersten Abschnitt (Gesellschaft) gezeigt werden, wie sich die Frauenbildungsfrage mit den breiteren Diskursen zum Umgang und der Gestaltung des sozialen und kulturellen Wandels im Kaiserreich verband. Neben dieser Einordnung in gesamtgesellschaftliche Themen erfolgte im zweiten Abschnitt (Geschlecht) eine Problematisierung des Körpers, des Intellekts und des Verhaltens von Frauen. Medizinisches Geschlechterwissen erwies sich hierbei als besonders prägend, besaß seine Ursprünge jedoch nicht in wissenschaftlichen, sondern in alltagsweltlichen Prämissen. Die im dritten Abschnitt (Bildung) analysierten Wissensbestände knüpften an dieses Geschlechterwissen an: Die auf Koedukation gerichteten Lösungskonzepte universitärer Bildung konnten sich lediglich auf Grundlage der geschlechterpolitischen Möglichkeitsräume etablieren, die im vorangegangenen Abschnitt zu den Geschlechterverhältnissen beschrieben worden sind. Schließlich konnte im Hinblick auf die Grenzbereiche des Wissens im vierten Abschnitt (Grenzbereiche) gezeigt werden, wie eine veränderte Perspektive auf Vergangenheit und Zukunft zeitgenössische Denkhorizonte aufbrechen konnte. Auch die Rezeption ausländischer Kulturpraktiken erwies sich als dekonstruktives Element. Wie die einzelnen Wissensbestände dazu genutzt werden konnten, das Diskursfeld zu transformieren, wurde im Zwischenfazit von Kapitel III beschrieben: Anhand von Deutungsmustern wurde der unterschiedliche Umgang mit den vier beschriebenen Wissensbereichen der Gesellschaft, des Geschlechts, der Bildung sowie der Grenzbereiche erkennbar. Im Licht von Deutungsmustern ordneten und verdichteten sich die Probleme, Lösungen und Verantwortlichkeiten der zuvor beschriebenen Wissensbestände. Ob das dekonstruktive Potenzial der Grenzbereiche des Wissens zum Tragen kam, entschied sich innerhalb der Deutungsmuster von offenen oder geschlossenen Weltverhältnissen. Gesellschaft ließ sich im Rahmen von gemeinschaftsorientierten, individualistischen oder balanceorientierten Ordnungskonzeptionen aus deuten. Geschlechterwissen festigte sich im orthodoxen Geschlechtermodell, während avantgardistische Konzepte naturalisierende Klassifikationen infrage stellten. Das transformative Geschlechtermodell weitete hingegen die Grenzen bestehender Vorstellungen aus, ohne sie zu überschreiten. Ähnlich verhielt es sich bei den Deutungsmustern im Bildungsbereich. Komplementär-mechanische Bildungsmodelle gingen von starren und funktional gedachten Geschlechtergrenzen aus, während komplementär-organische Modelle die Notwendigkeit weiblicher Bildungs- und Kultureinflüsse sowie deren positive Auswirkungen außerhalb traditioneller Grenzen betonten. Wie bei den anderen Mustern gab es auch hier eine radikal-fortschrittliche Deutung von Bildung, die sich mit ihren egalitären Normen im untersuchten Diskursfeld zwar nicht durchsetzen
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konnte, jedoch im Verlauf des 20. Jahrhunderts einflussreich wurde. Um das Diskursfeld verändern zu können, mussten die genannten Deutungsmuster durch Akteurinnen und Akteure aktiviert werden, was ihnen nur auf Grundlage der zuvor beschriebenen Machtpotenziale gelang. Auf einer dritten Ebene (Kapitel IV) wurden Effekte sichtbar, die zu Veränderungen der Institution, des Diskursfeldes und der Subjektpositionen führten. Auf diese Weise ließen sich die institutionellen Veränderungsprozesse des universitären Feldes als Resultate der zuvor analysierten Wissensbestände sowie deren Transformation erklären. Die diskursive Transformation selbst wurde in einem eigenen Abschnitt anhand von Petitionen der Frauenbewegung, der Rezeption von Umfrageergebnissen sowie dem Umgang mit Gegnern des Frauenstudiums unter Medizinern und an den Universitäten beleuchtet. Die hier beschriebenen Veränderungen blieben jedoch begrenzt und entpuppten sich als Moment einer dynamischen Stabilisierung von Strukturen einer männerdominierten Universität. Der erste Abschnitt dieser Schlussbetrachtung zeigt, auf welche Weise die verschiedenen Deutungsmuster zu globalen Diskursstrategien verdichtet worden sind und als Strategien den Akteurinnen und Akteuren der einzelnen institutionellen Felder zur Verfügung standen. Der Strategiebegriff ermöglicht eine Makroperspektive auf das Diskursfeld. Hierbei werden die Verhältnisse zwischen Deutungsmustern ebenso sichtbar wie die Anbindung an Machtpotenziale. Der Strategiebegriff vereint damit den Blick auf die diskursive Kulturpraxis mit den nicht-diskursiven Formen der Vergemeinschaftung im Sozialen. Auf dieser Makroebene ergibt sich eine Erklärung für die begrenzte Reichweite der Strukturveränderungen. 1. Schlüsselkategorien und globale Strategien des Diskursfeldes Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich durch die Beschreibung von zwei Schlüsselkategorien und vier globalen Diskursstrategien zusammenfassen. Das Spektrum der im dritten Kapitel (Wissensbestände) beschriebenen Phänomenstrukturen und Deutungsmuster verdichtet sich zu zwei Schlüsselkategorien, welche die beiden zentralen Probleme des untersuchten Diskursfeldes markieren: die deutsche Universität und die deutsche Frau. Erstens standen sie in Bezug zur deutschen Universität und damit zu einem das universitäre Feld belebenden Wissenschafts- und Bildungsideal. Zweitens standen sie in Bezug zum vermeintlich biologischen Gattungswesen Frau und ihrem kulturellen Überbau der Weiblichkeit. Die beiden Probleme beruhen auf einer funktional und hierarchisch differenzierten Gesellschaftsvorstellung, wobei sich die deutsche Universität an der Spitze und die deutsche Frau an der Basis befanden. Die deutsche Universität war ein weitgehend von den Strukturbedingungen der Gesellschaft losgelöster Raum – zumindest ihrem Ideal nach. Die Frau hingegen wurde mit den materiellen Existenzbedingungen der bürgerlichen Gesellschaft assoziiert. Während diesem Gesellschaftsbild
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Schlussbetrachtung
entsprechend die deutsche Universität über die Früchte von Staat und Gesellschaft frei verfügte, blieb die Frau gebunden an den Boden, da ihre Fruchtbarkeit innerhalb familiärer Grenzen das Überleben von Gesellschaft, Staat und schließlich universitärer Bildung und Gelehrsamkeit als Triebfeder der Kulturentwicklung garantieren sollte. Aus der Überlagerung beider Schlüsselkategorien ergab sich die Problemstruktur des Frauenstudiums, die anfänglich deshalb kaum lösbar erschien, weil sich beide Probleme an völlig verschiedenen Orten des sozialen Raums bewegten. Die Existenz des merkwürdigen Kompositums aus Frau und Studium erklärt sich aus diesem Umstand: Sie vereinte zwei bis dahin unvereinbare Elemente, die sich innerhalb der Wissensbestände an zwei Orten befanden, die einander praktisch nicht berührten. Zugleich implizierte diese Begriffsbildung eine dauerhafte Differenz: Es handelte sich nicht um ein Studium der Frauen oder ein Studium von Frauen – bei dem sich das Subjekt Frau das Objekt des Studierens zu eigen machte. Das Kompositum Frauenstudium markierte vielmehr eine qualitative Veränderung des Studierens durch die Kombination mit der Kategorie des weiblichen Geschlechts – sie implizierte damit, eine Frau könne nicht auf dieselbe Weise studieren, wie dies die Männer bislang taten: Eine Frau würde stets die Ausnahme bleiben, ganz egal wie viele Frauen tatsächlich in das universitäre Feld gelangten. Die vier globalen Diskursstrategien zeigen, wie die beteiligten sozialen Akteurinnen und Akteure den beiden Hauptproblemen des Frauenstudiums begegneten. Es handelte sich hierbei um Grundstrategien innerhalb des Diskursfeldes, die sich in Form von narrativen Strukturen rekonstruieren lassen: Befreiend-radikale und befreiend-liberale Strategien bezogen sich auf den Eigenwert des Individuums und das zu befreiende individuelle Entwicklungsvermögen. Selbst wenn es nur wenige befähigte Frauen geben sollte, so sei dies Grund genug, ihnen das Recht zur Entfaltung ihres Bildungsvermögens einzuräumen. Der soziale Wandel wurde als Chance begriffen, um in der Zukunft zu einem gleichwertigen Verhältnis der Geschlechter zu gelangen. Das Bewusstsein, sich innerhalb einer länderübergreifenden Kulturentwicklung zu befinden, schuf ein über die Grenzen Deutschlands hinausreichendes Zugehörigkeitsgefühl und war eher an den zu erstreitenden Möglichkeiten des Individuums orientiert als an den Grenzen nationaler Identität. Daraus ergab sich ein offener Weltbezug, in dem sich Veränderungen als Chance begreifen ließen. Gesellschaftliche Ordnungskonzeptionen schwankten zwischen Balanceorientierung und Individualismus. Als Erklärungsmodi dienten in befreienden Diskursstrategien kontextualistische und formativistische Konzepte. In formativistischen Erklärungskonzepten ging es um die Wiederentdeckung oder Freilegung vergessener oder verschütteter Phänomenstrukturen wie der weiblichen Schöpferkraft in der Menschheitsgeschichte, neuer Wirkungssphären der Weiblichkeit oder neuer Erfahrungen in ausländischen Bildungsmodellen. Während formativistische Konzepte die Vielfalt weiblicher Möglichkeiten erschlossen, dienten kontextualistische Konzepte im Rahmen komplexer Zeitdiagnosen zur Darstellung der durch Männer geprägten Machtbeziehungen etwa innerhalb der Mädchenerziehung, die Frauen in ihrem Bildungsvermögen begrenzte.
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Befreiende Strategien unterschieden sich untereinander in der Reichweite ihrer Handlungs- und damit Problemlösungsansätze. Die befreiend-liberale Strategie öffnete Nischen für Frauen innerhalb bestehender Strukturen und konnte auf die Deutungsmuster des transformativen Geschlechtermodells und des komplementär-organischen Bildungsmodells zurückgreifen. Während sie, ihrer ideologischen Implikation entsprechend,1 realpolitische Reformkonzepte auf Grundlage bestehender Machtpotenziale und Strukturbedingungen forcierte, strebte die befreiend-radikale Strategie eine vollwertige Gleichheit der Geschlechter in möglichst kurzer Zeit an. In ihrer radikalsten Spielart, die nur von wenigen Aktivistinnen und Aktivisten innerhalb der Frauenbewegung vertreten wurde, entwickelte diese eine geradezu revolutionäre Kraft. Bei Käthe Schirmacher hieß es exemplarisch: Die Frauenbewegung rechnet nur mit der Zukunft, wenngleich ihr Kampf der Gegenwart angehört, die Vergangenheit aber ist kein Ballast für sie. […] Die Frauenbewegung ist ein Bruch mit der Vergangenheit; es scheiden sich daher in derselben die alte und die neue Frau, ebenso der Mann der reaktionären Richtung und der mit neuer Weltanschauung in seiner Stellung zu den Ideen der Frauenbewegung; es scheiden sich auch die Arbeiten und Aufgaben, welche die Frauen übernehmen und erfüllen. Die einen verharren starr bei ihrer engherzigen Auffassung des Hausfrauenberufes, die anderen erobern mutig und fröhlich neue Bahnen für ihr Geschlecht.2
Die befreiend-radikale Strategie arbeitete mit romantischen Erzählformen: Es ging um Selbstfindung und Erlösung sowie um den Triumph des Guten über das Böse. Demzufolge wurde die Zukunft als ein Sehnsuchtsort angerufen, an dem die bestehenden Probleme gelöst und die Welt als versöhnt erschienen. Die Machtpotenziale zur Aktivierung befreiend-radikaler Narrative standen auf schwachen Füßen: Als Multiplikatoren fanden sich im universitären Feld lediglich einige Züricher sowie für freisinnige oder reformistisch-sozialistische Positionen empfängliche Hochschullehrer mit Kontakten zum radikalen Flügel der Frauenbewegung. Innerhalb der Frauenbewegung selbst fehlte es ebenfalls an Multiplikatorinnen, vor allem an der regionalen Basis außerhalb der Zentren Berlin, Hamburg und Dresden.3 Die bewahrende Strategie betrachtete traditionelle Rollenmodelle als alternativlos und bedroht: In ihrer narrativen Struktur waren traditionelle und vermeintlich natürliche Berufsrolle der Frau identisch und beschränkten sich auf Häuslichkeit. Nur der Mann sollte sich in den öffentlichen Kampf ums Dasein begeben. Doch das In-Einklang-Bringen aus Sein und Sollen stand unter ständiger Attacke durch den sozialen Wandel, der
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Zu ideologischen Implikationen in narrativen Strukturen vgl. Kapitel I, 5. Abschnitt: Interpretative Analytik. Käthe Schirmacher zitiert nach Rauber (1898), S. 25. Die gescheiterte Zusammenarbeit mit den Sozialistinnen besiegelte diese schwache Position. Vgl. Briatte (2020), S. 238.
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Schlussbetrachtung
Sein und Sollen unaufhaltsam zu transformieren schien. Für bürgerlich-bewahrende Kreise bestand der Daseinskampf deshalb nicht allein in der ökonomischen Existenzsicherung, sondern zugleich in der Sicherung ihrer Art des richtigen Lebens. Dieser Daseins- und Kulturkampf erfuhr angesichts der Industrialisierung eine aus Sicht der Bewahrer/-innen katastrophale Steigerung. Die entfesselte Moderne dehnte die soziale Frage auf alle Gesellschaftsschichten aus. Damit bedrohte der gesellschaftliche Wandel das bürgerliche Weiblichkeitsideal. Dieses Ideal bot den besseren Kreisen ein Refugium, in dem die vermeintlich gute alte Zeit eingefroren überdauerte. Die Moral der deutschen Hausfrauen galt ihnen als die stärkste Frontlinie gegen die empfundenen Pathologien der Moderne. Die Verteidiger/-innen dieses Ideals traten dafür ein, das Natürliche und damit das scheinbar Gesunde zu bewahren. Sie führten einen verzweifelten Kampf gegen einen entgrenzten, pathologischen und zersetzenden Fortschritt; weil sie in diesem Kampf notwendigerweise über Frauen und deren traditionelle Rolle sprachen, trugen sie selbst zu einer Politisierung bei. Das geschlechterpolitische Sprechen schwächte die naturalisierende Wirkung der bisherigen Geschlechterordnung. Es war das deutlichste Zeichen einer Krise. Es zog die vermeintliche Natur der Frauen in die Arena eines Kulturkampfs und dieser Kampf veränderte die Grenzen der ohnehin brüchigen Geschlechterordnung. Was vor dieser Auseinandersetzung als natürlich galt, erschien danach weniger eindeutig. Die Vertreter/-innen einer bewahrenden Diskursstrategie bedienten sich eines organizistischen Erklärungsprinzips, in dem das Ganze nur über das Zusammenspiel seiner Teile funktioniert. Im Rahmen gemeinschaftsorientierter Ordnungskonzepte stand die Gemeinschaft über den Einzelinteressen der Individuen. Der Weltbezug war aufgrund einer selbstbezüglichen an Nation und Tradition orientierten Identitätspolitik geschlossen. Unterschiede ergaben sich innerhalb bewahrender Strategien hinsichtlich ihrer Reformbereitschaft. Bewahrend-konservative Strategien hielten am bürgerlichen Weiblichkeitsideal und den zugehörigen Rollenmustern zwar fest, hielten Ausnahmen unter bestimmten Bedingungen jedoch für denkbar. Dies ermöglichte einen Wechsel vom orthodoxen zum transformativen Geschlechtermodell und damit zum Deutungsmuster eines komplementär-organischen Bildungsmodells. In der bewahrend-konservativen Strategie konnte sich das Weiblichkeitsideal transformieren, um die als notwendig erscheinenden Veränderungen zu überstehen, ohne dabei seine eigentliche Substanz zu verlieren. Die bewahrend-konservative Strategie suchte Heil und Versöhnung in einer reformistischen Begrenzung des Schadens: Die krankhaften Verhältnisse, wie sie die Entwickelung unseres modernen Wirtschafts- und Kulturlebens gezeitigt hat, erfordern Heilung. Aber nur vernünftige Reformen, die sich auf der von der Natur und der Sitte von Jahrtausenden streng vorgezeichneten Bahn bewegen, lassen eine Gesundung erhoffen. Alles aber, was auf Gleichstellung der Frau mit dem Manne abzielt, widerspricht der Natur und dient daher weder dem Interesse der Frau selbst noch dem der Gesamtheit. Dieser revolutionäre Radikalismus fordert alle zu energischem
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Kampfe heraus, die berufen sind, die heiligsten Güter der Gesellschaft zu schützen. Denn es handelt sich hier nicht um Bekämpfung eines einzelnen Irrtums, sondern um Bekämpfung einer verderblichen Weltanschauung, falsch in ihren Voraussetzungen und verderblich in ihren Konsequenzen.4
Die Machtpotenziale zur Aktivierung dieses Narrativs standen auf etwas breiterer Basis als die der liberalen Strategie: Im universitären Feld fanden sich durch alle Fakultäten hinweg Multiplikatoren. Bewahrend-reaktionäre Strategien schlossen jede transformierende Reform aus – selbst wenn es sich um konservative Reformen handelte, die durchaus als vereinbar mit den natürlichen Grundbedingungen geschlechtlicher Sphärentrennung gelten konnten. Die narrative Form der bewahrend-reaktionären Strategie entsprach weitgehend der Tragödie: Die vom Protagonisten bewohnte Welt gerät aus den Fugen. Er kann dieser Katastrophe nicht entkommen und stellt sich dem aus seiner Sicht falschen Lauf der Dinge entgegen. Sein Weltverhältnis ist grundlegend gespalten zwischen Ideal und Wirklichkeit. Die Hoffnung auf Versöhnung ist vor dem Hintergrund einer pessimistischen Kulturdeutung verstellt: Unser in sich selbst verliebtes Jahrhundert krankt nicht nur an einem grundprosaischen Radicalismus, der über alle schöne von der Natur und Geschichte gesetzte Mannichfaltigkeit des Menschendaseins johlend hinwegspringt, sondern noch mehr an der moralischen Schwäche der Gebildeten und Denkenden, welche die Hohlheit dieser Theorien innerlich empfinden, aber sich nicht getrauen dem entgegenzutreten, weil heutzutage Niemand mehr ein Reactionär sein will und die größten Thorheiten des Jahrhunderts sich des Princips der Freiheit und Gleichheit rühmen. Das sieht man besonders bei der Frauenfrage. Lehren von der Emancipation der Weiber hat es in allen Zeiten der Geschichte gegeben, wenn die Bande der Zucht und Sitte sich lockerten.5
Die bewahrend-reaktionäre Strategie bedingte ein Festhalten am orthodoxen Geschlechtermodell sowie am komplementär-mechanischen Bildungsmodell. Im Sinne eines mechanistischen Narrativs wurden Männern und Frauen auf ihre funktionale Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft reduziert. In einer solchen Bildungskonzeption durfte es keine Ausnahmen geben. Die Machtpotenziale zur Aktivierung dieser Strategie fanden eine Verdichtung am Sprechort Berlin und in den medizinischen Disziplinen. Dies galt auch für die Ärzte im Bereich akademischer Berufsgruppen. Die Grafik (Abb. 10) zeigt ein Modell des untersuchten Diskursfeldes: Darin befinden sich die vier globalen Diskursstrategien (orange), die fünf von diesen Strategien genutzten Deutungsmuster (blau), die beiden dominanten Erzählformen aufseiten bewahrend-reaktionärer und befreiend-radikaler Strategien (grün), die Formen formaler 4 5
Schmelzle (1896), S. 241. Treitschke (1899), S. 249 f.
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Schlussbetrachtung
Abb. 10: Modell des Diskursfeldes
Schlussfolgerungen (gelb) sowie der strukturelle Konsens zwischen befreiend-liberaler und bewahrend-konservativer Diskursstrategie (gestrichelte rote Linie). Auch wenn Ähnlichkeiten bestanden, fanden die beschriebenen Strategien keine eindeutige Entsprechung im Parteiensystem des Kaiserreichs. Die Parteien traten in dieser Untersuchung nach der Konstitution der Schlüsselkategorien und globalen Strategien im Diskursfeld durch Parlamentsdebatten in Erscheinung: Eine ernsthafte Positionierung der Parteivertreter im Diskursprozess erfolgte damit erst kurz vor dem Höhepunkt der Aussagenproduktion in den 1890er Jahren und nur in wenigen Einzelfällen aus eigenem Antrieb. Zwar lassen sich innerparteiliche Trends zur Frage eines zu etablierenden Frauenstudiums ausmachen, innerhalb dieser Trends gab es jedoch Spielräume: Freisinnige verwendeten liberale Strategien. Nationalliberale nutzten sowohl konservative als auch liberale Strategien. Beim Zentrum reichte die Spanne von reaktionär bis konservativ. Unter Deutschkonservativen und Freikonservativen fand sich ein breiter Spielraum von liberalen bis reaktionären Strategien – jedoch mit einem deutlichen reaktionären Überhang. Was die Sozialdemokratie angeht, bewegten sich einzelne Personen, wie August Bebel, die Ärztin Hope Bridges Adams oder der in Moskau und Zürich lehrende Augenarzt Friedrich Erismann, im Rahmen einer radikalen Diskursstrategie. Allerdings handelte es sich hierbei um einzelne Wortmeldungen. Die große Mehrheit innerhalb der Sozialdemokratie betrachtete die akademische Frauen-
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bildungsfrage im ökonomisch-deterministischen Sinne als Teil eines erst nach einer gesellschaftsstrukturellen Umwälzung der Produktionsverhältnisse zu lösenden Nebenwiderspruchs. Die Zulassung von Frauen zu den Universitäten würde ohne vorherige soziale Umwälzung allein den Frauen der Bourgeoisie nützen. Die beschriebenen Strategien gehen nicht auf bewusste Entscheidungsakte zurück: Es findet sich keine Agenda, kein Masterplan, keine ursprüngliche Schrift. Die Strategien beschreiben denkmögliche Kombinationen, die sich innerhalb der Wissensbestände herausbildeten. Sie sind Produkte der Deutungsleistungen zahlreicher Diskursteilnehmer/-innen. Erst in der Masse und im zeitlichen Verlauf entstanden übergreifende Problemdefinitionen und daran anknüpfende Handlungskonzepte. Die somit etablierten Deutungsmuster verdichteten sich schließlich zu globalen Narrativen. Aus dieser Perspektive wird klar, warum die hier herausgearbeiteten vier Strategien nicht die Parteienlandschaft repräsentierten. Es handelte sich um intersubjektiv durchgesetzte Deutungsmuster und um komplexe narrative Strukturen, deren Aktivierungspotenziale von sozialen Akteursgruppen ausgenutzt werden mussten.6 Deutungsmuster und Strategien sind damit das diskursive Pendant der nicht-diskursiven Machtpotenziale, die sich anhand von Akteurspositionen innerhalb sozialer Felder aufzeigen lassen. Interessant hierbei sind weniger einzelne Deutungsmuster oder einzelne Strategien als vielmehr das systemische Verhältnis zueinander. Jede der Strategien konnte die Probleme des Diskursfeldes im Rahmen der eigenen Handlungskonzepte theoretisch lösen, doch verhinderten die als Machtpotenziale beschriebenen Kräfteverhältnisse eine praktische Durchsetzung. Hatten die bewahrend-konservativen und bewahrend-reaktionären Strategien den Vorteil, mit den Herrschaftsstrukturen des Kaiserreichs weitgehend im Einklang zu stehen, sahen sich diese in der Öffentlichkeit jedoch einem zunehmenden Druck durch befreiend-radikale und befreiend-liberale Diskursstrategien ausgesetzt. Weder Bewahrer/-innen noch Befreier/-innen konnten allein ihre Lösungen innerhalb des Diskursfeldes als die richtigen Handlungsoptionen durchsetzen. Deshalb kam es zu einer Diskurskoalition zwischen Liberalen und Konservativen. Lediglich die befreiend-liberale und die bewahrend-konservative Strategie erwiesen sich zusammen als wirksam, wenn es darum ging, Deutungsmuster für institutionelle Veränderungen zu aktivieren. Die Befreier/-innen besaßen zwar einen breiten Zugang zum Diskursfeld, ihnen mangelte es jedoch an institutioneller und politischer Durchsetzungsfähigkeit. Doch auch die Bewahrer/-innen konnten ihre Positionen angesichts der befreienden Präsenz im Diskursfeld nicht halten. Es vollzog sich eine Annäherung, die einen strukturellen Konsens von befreienden und bewahrenden Strategien unter Abwehr ihrer radikalen bzw. reaktionären Ränder ermöglichte. An diesem Fall lässt sich exemplarisch zeigen, auf welche Weise sich die Vorstellung einer gemäßigten Mitte aufgrund von Sagbarkeitsgrenzen eines Diskursfeldes herstellt. Im politischen Raum ist die Mitte ebenso
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Vgl. Keller (2009), S. 48; Keller (2011b), S. 243.
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Schlussbetrachtung
wenig eine universelle Konstante wie vermeintlich extreme oder radikale Einstellungen. Die Mitte und die extremen Ränder sind vielmehr das Produkt hegemonialer Diskurskoalitionen, die auf Abgrenzungen angewiesen sind.7 Radikale und reaktionäre Strategien waren in dieser Konstellation nicht obsolet, sondern zur Abgrenzung notwendig: Erst durch das Vorhandensein von radikalen und reaktionären Strategien konnten sich liberale und konservative Strategien als kompatible, weil maßvolle Problemlösungsansätze begegnen. Das gemeinsame Element war der Wunsch nach oder die Einsicht in die Notwendigkeit einer graduellen Neukonfiguration des Verhältnisses zwischen deutscher Universität und bürgerlicher Weiblichkeit. Während die radikale Diskursstrategie den Sagbarkeitsraum des Diskursfeldes immer weiter verschob, sodass die liberale Strategie als gemäßigter Weg erschien, wurden reaktionäre Positionen zunehmend aus dem Sagbarkeitsfeld verbannt.8 Der Erste Weltkrieg beendete die dynamisierende Sogkraft der Radikalen und führte zum nahezu vollständigen Zusammenbruch ihrer ohnehin begrenzten Machtpotenziale. Doch waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle konsensfähigen Deutungsmuster aktiviert, um in diesem Komplex aus Macht und Wissen die Institution der Universität für das weibliche Element zu öffnen, ohne dabei ihren männlichen Kern zu beschädigen: Das universitäre Feld hatte sich dynamisch stabilisiert und dadurch die beiden unvereinbar erschienenen Schlüsselkategorien durch eine graduelle Neukonfiguration von Universitäts- und Weiblichkeitsideal geradezu aufgelöst. Die Grafik (Abb. 11) verbindet Machtpotenziale mit den globalen Strategien der Produktion, Reproduktion und Transformation von Wissensbeständen, um eine Vorstellung von der Aktivierbarkeit durch die sozialen Akteurinnen und Akteure der jeweiligen Felder zu erhalten. Die Kreise des Blasendiagramms zeigen Deutungsmuster, die sich zu den globalen Strategien verdichteten.9 Weil konservative und liberale Strategien gemeinsame Deutungsmuster nutzten, überschneiden sich beide. Die versetzte Anordnung der Kreise zeigt verschiedene Tendenzen: Die Frauenbewegung nutzte radikale, liberale und in geringerem Maße konservative Strategien. Akteurinnen und Akteure der beiden anderen Felder bedienten sich kaum radikaler Strategien und griffen stärker auf reaktionäre Strategien zurück. Die Mengenverteilung zeigt ein Übergewicht im Bereich der liberalen und konservativen Strategien. Dies korrespondiert damit, dass sich zwischen diesen beiden Strategien der strukturelle Konsens herausbildete, der zur dynamischen Stabilisierung des universitären Feldes im Untersuchungszeitraum führte. 7 8 9
Vgl. Laclau/Mouffe (1991), S. 194. Zur „Re-Politisierung“ der Frauenbewegung durch den radikalen Flügel vgl. Planert (1998), S. 101 f; zur Aufgabenteilung zwischen den Radikalen und den Gemäßigten vgl. Briatte (2020), S. 174. Die Größe der jeweiligen Kreise verdeutlicht die Menge an Sprechenden eines Feldes: Je größer ein Kreis, desto mehr Akteurinnen und Akteure eines Feldes aktivierten entsprechende Deutungsmuster. Zum Zusammenhang zwischen Deutungsmustern und globalen Diskursstrategien siehe Abb. 10.
Die Ausnahmen als Projektionsfläche brüchiger Bildungsideale
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Abb. 11: Anteile an der (Re-)Produktion globaler Diskursstrategien durch die Akteursgruppen im Diskursfeld
2. Die Ausnahmen als Projektionsfläche brüchiger Bildungsideale Die vier Diskursstrategien, die auf den unterschiedlichen in der Arbeit dargestellten Machtpotenzialen und Wissensbeständen beruhten, sorgten für eine zweifache Dynamisierung universitärer Strukturen, und zwar innerhalb der Universität als Institution selbst wie auch innerhalb des untersuchten Diskursfeldes. Anhand verschiedener Querschnitte, welche die Schwellen relevanter Veränderungen markierten, sind die Dynamisierungsprozesse als Machtwirkungen sichtbar geworden. In den Prozessen der Institutionalisierung des Frauenstudiums zeigte sich ein Kompromiss zwischen der bewahrend-konservativen Strategie zum einen und der befreiend-liberalen Strategie zum anderen. Während zunächst die bewahrend-reaktionäre Strategie bis zum Ende der 1880er Jahre mit dem formalen Ausschluss von Gasthörerinnen erfolgreiche Machtwirkungen entfaltete, wurde diese im Zuge des ab 1900 zur Wirkung gelangten Kompromisses zunehmend marginalisiert. Es lassen sich drei Kernelemente dieses Kompromisses ausmachen, der für diese Marginalisierung verantwortlich war: Eine geschlechtersegregierte Vorbildung in Knaben- und Mädchengymnasien blieb die Norm – während die befreiend-radikale Variante einer nach universellen Maßstäben ausgerichteten Vorbildung eher ein Randphänomen blieb. Zweitens schränkten die Universitätsbehörden die Gasthörerinnenschaft zugunsten einer verschärften Auswahl ordentlich immatrikulierter Studentinnen im Zuge des formalen Zulassungsprozesses ein. Dies ermöglichte die Abwehr unerwünschter Elemente, die zumeist aus dem Aus-
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Schlussbetrachtung
land stammten und in politischer Hinsicht als problematisch galten. Schließlich kam es zur Etablierung frauenspezifischer Berufsbilder, sodass die klassischen akademischen Karrierewege weitgehend unberührt von weiblicher Konkurrenz blieben. Dies war möglich geworden, weil die befreiend-liberalen Diskursstrategien einen frauenspezifischen Kulturbeitrag betonten, der nicht in einer bloßen Nachahmung männlicher Schaffenskraft bestehen sollte: Weibliche Tätigkeitsfelder waren zwar gleichwertig, dies bedeutete jedoch keine vollständige Gleichstellung bzw. Gleichberechtigung, zu der die bewahrend-radikale Strategie drängte. Die Untersuchung der Ebene der Diskursdynamisierung machte diskursive Prozesse sichtbar, welche die Institutionalisierungsprozesse begleiteten. Auch hier zeigte sich eine zunehmende Marginalisierung der bewahrend-reaktionären Strategie. Zu dieser Marginalisierung trugen vor allem die Anhänger eines orthodoxen Geschlechtermodells unter den Medizinern bei, entgegen ihren eigentlichen Absichten. Ihr Versuch, die sich abzeichnende Öffnung der akademischen Bildungswege für Frauen aufzuhalten, erweiterte vielmehr den öffentlichen Resonanzraum. Denn die kritischen Reaktionen auf die Beiträge der Mediziner nutzten das öffentlichkeitswirksame Mittel der Skandalisierung. Die befreiend-radikale Strategie entfaltete ihre Wirkung insbesondere mit dem Mittel der Petition. Hierbei handelte es sich um einen Dynamisierungsmotor. Dessen Bewegungsvektoren zeigten in eine andere Richtung als die marginalisierte bewahrendreaktionäre Strategie: Denn sie erweiterten erfolgreich den Raum des Sagbaren und schufen zugleich eine Kontrastfolie, die es der befreiend-liberalen Strategie ermöglichte, sich als gemäßigte Koalition für die bewahrend-konservative Strategie anzubieten. Auf dem Feld der durch Umfragen verstärkten Erfahrungen zeigte sich schließlich, auf welche Weise sich die Bildungsmodelle des Auslandes in das deutschsprachige Diskursfeld übertragen ließen.10 Während die bewahrend-reaktionäre Strategie zunehmend als normativ-spekulativ abgewertet wurde, konnten sich die zu einer Öffnung tendierenden Sichtweisen auf erfahrungsbasierte Daten stützen. Der beschriebene Kompromiss zwischen den beiden mittleren Strategien führte wie schon gesagt zu einer dynamischen Stabilisierung des universitären Feldes. Diese dynamische Stabilisierung bewirkte zwar, Frauen formalrechtlich einzubeziehen, abgesehen davon blieben die inneruniversitären Strukturen jedoch unangetastet. Im Sinne der soziologischen Analyse von Wetterer lässt sich dieses Phänomen als Transformation von einer äußeren Grenzziehung durch Gesetze zu einer inneren Grenzziehung beschreiben, bei dem ausschließende Kulturpraktiken bestehen blieben.11 Dass die Zulassung zur Immatrikulation von Frauen kaum Auswirkungen auf die Universitätsstrukturen etwa in Form weiterreichender Reformen hatte, hat Böhm bereits im Jahr 1958 festgestellt:
10 11
Vgl. Kapitel IV, 2. Abschnitt: Verstärkte Erfahrungen. Vgl. Wetterer (2002), S. 435–495.
Die Ausnahmen als Projektionsfläche brüchiger Bildungsideale
353
Hat nun aber das Frauenstudium […] das Wesen der Hohen Schule grundlegend verändert? Es mag zumindest bemerkenswert sein, daß die jeweiligen Universitäts-Satzungen […] durch das akademische Frauenstudium im Kern keinerlei Veränderung, höchstens einzelne Zusätze erfahren haben. Am Beginn des Studentinnentums steht also keine inner-akademische Bildungs- oder Organisationsreform, sondern die äußere Form wie die innere Struktur der seit dem 19. Jahrhundert in neuem Aufschwung begriffenen deutschen Universitäten sind die gleichen geblieben.12
Weil eine innerakademische Bildungs- oder Organisationsreform ausblieb, konnte der männliche Kern der Universität erhalten bleiben. Der Abbau einer für alle sichtbaren Barriere offenbarte lediglich eine neue verdeckte Barriere, die eine Gleichberechtigung im akademischen Feld effektiv verhinderte: die gläserne Decke.13 Diese gläserne Decke beruhte dabei auf einer Einschreibung der Ausnahmen auf Ebene der Subjektpositionen.14 Die breite Masse der Studentinnen sollte in spezifisch weibliche Lebensbahnen gelenkt werden. Hierzu diente die Subjektposition der Durchschnitts- bzw. Brotstudentin. Lediglich eine kleine Elite von Ausnahmestudentinnen durfte in das männliche Feld akademischer Berufsausübung gelangen. Derlei Ausnahmesubjekte entsprachen durchaus der etablierten Praxis, die nur den begabtesten Studenten ein nahe an der Forschung stehendes Studium zubilligte bzw. tatsächlich in laufende Forschungen einführte.15 Gleichwohl erfuhr dieses Ideal eine vielfältige Übersteigerung für Frauen: Je weniger es aufgrund der Strukturveränderungen des universitären Feldes von den männlichen Wissenschaftlern gelebt werden konnte, desto größer die Erwartungen an die Studentinnen. Die Ausnahmestudentin war der Versuch zur Realisierung des Humboldt Mythos angesichts von Entwicklungen, die eine allgemeine Realisierung dieses Bildungsideals immer unwahrscheinlicher werden ließ. In sie hinein projizierten sich die populären Vorstellungen über die wissenschaftliche Persönlichkeit, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein erhalten blieben. Dabei handelt es sich um den Typus des gelehrten Einzelgängers, der bereits früh seine Andersartigkeit erkannte und endlich im Wissenschaftsbetrieb seine Heimat fand:16 Für Wilhelm von Humboldt vollzog sich Erkenntnis in „hülfreicher Einsamkeit“;17 Max Weber sprach vom „Geistesaristokraten“; Max Horkheimer sprach vom Theoretiker als einem einsamen und mutigen Feind der Herrschenden; Michel Foucault sprach vom in seine Sache vertieften „Geständ12 13 14 15 16 17
Böhm (1958), S. 327. Der Begriff zielt auf die Unsichtbarkeit von Strukturen, welche „in die alltägliche Kommunikation, in selbstverständliche Handlungsweisen der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse eingelagert“ sind. Den Involvierten fällt es schwer, diese Strukturen zu entdecken. Krais (2000), S. 34. Zur strukturierenden und strukturierten Doppelnatur einer solchen Einschreibung vgl. Kapitel I. Rüegg (2004), S. 25. Zur Geschichte der „wissenschaftlichen Berufung“ als ein kollektives Identitätsmuster vgl. Daston (2003). Humboldt (1964 [1809]), S. 191.
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Schlussbetrachtung
nis-Erzwinger“.18 All diese Außenseiter-Charakteristiken galten für die Ausnahmefrau doppelt – gerade weil sie in eine zunehmend spezialisierte Wissenschaft geriet, in der der einzelne Gelehrte gegenüber den großen Forschungsgruppen immer weniger zählte und sich die einstigen Ideale der „inneruniversitären Freiheit“ im Bunde mit „hülfreicher Einsamkeit“ als anachronistisch erwiesen. Weil es sich bei der Ausnahmestudentin nicht um eine bloße Verdopplung bzw. Steigerung des männlichen Ausnahmetypus handeln konnte, musste sie das alte Sinnbild der himmlischen Muse verkörpern, die mit dem bereits vorhandenen männlichen Gelehrten korrespondiert. Die sich nun auf Erden bewegende himmlische Muse, losgelöst von den weltlichen Berufspflichten der Ehefrau und Mutter zur Reproduktion der Gattung, sollte sich der Wissenschaft mit ihrer ganzen Persönlichkeit hingeben und war dabei lediglich das Pygmalion-Bild des an seinen brüchigen Bildungsidealen leidenden männlichen Gelehrten.19 3. Ausblick: Lebenswege zwischen Anpassung und Devianz Der Forschungsgewinn dieser Studie erstreckt sich auf drei Bereiche: Auf methodologischer Ebene findet sich ein Leitfaden zur Umsetzung wissenssoziologischer Diskursanalysen in der Geschichtswissenschaft mit Hilfe digitaler Analysewerkzeuge (QDA-Software). Auf der Ebene des sozialen Wandels zeigt die Arbeit im Detail, wie es einer Interessengruppe (der Frauenbewegung) im deutschen Kaiserreich gelang, eine bildungsbürgerliche Öffentlichkeit für ihre Ziele zu mobilisieren, und auf welche geschlechterpolitischen Grenzen und Widerstände sie dabei stieß. Das reiht die Studie in die Debatte zur Modernität des Kaiserreichs ein: Im Anschluss an Hans-Ulrich Wehler wäre der beschriebene Wandel als eine Form defensiver Modernisierung zu charakterisieren. Drittens ist auf institutionsgeschichtlicher Ebene deutlich geworden, auf welche Weise die Angehörigen der Universitäten und der akademischen Berufe auf den sozialen Wandel der Gesellschaft reagierten und zu welchen Anpassungs- bzw. Transformationsprozessen sowie Verweigerungshandlungen dies führte. Am Ende dieser Studie steht eine neue Frage: Wie ist die konstruierte Subjektposition der Ausnahmefrau als Identitätsangebot tatsächlich gelebt worden? Eine solche Frage nach den langfristigen Auswirkungen von Diskursen lässt sich nicht jenseits des sich beständig verändernden Diskursfeldes beantworten. Um eine Antwort zu erhalten, wäre deshalb eine erneute Diskursanalyse mit verändertem Untersuchungszeitraum sowie neuer inhaltlicher Schwerpunktsetzung zur Eingrenzung des Quellenkorpus notwendig. Neben dieser Analyse müssten Fallstudien an verschiedenen Universitäten zeigen, wie die Subjektpositionen auf Ebene sozialer Akteurinnen und Akteure ausgestaltet wurden und im Zuge dieser Ausgestaltungen neuerliche Veränderungen erfuhren. 18 19
Zu diesen Typen vgl. Holland-Cunz (2003), S. 41. Zu Frauen als Projektionsflächen männlicher Idealvorstellungen vgl. Brunner (1992), S. 18–31.
Ausblick: Lebenswege zwischen Anpassung und Devianz
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Ein solcher Blick auf Wechselwirkungen zwischen der Praxis des Forschens auf der einen und der strukturellen Organisationsebene auf der anderen Seite hat sich bereits in anderen Studien als produktiv erwiesen.20 So können etwa die strukturellen Hürden für Akteurinnen innerhalb des akademischen Selektionsprozesses sichtbar gemacht werden:21 Generell lässt sich sagen, dass das hohe Sozialprestige etablierter akademischer Felder oftmals mit dem Ausschluss von Frauen einherging, während neue, noch wenig etablierte oder geschwächte Disziplinen im Umkehrschluss ein höheres Maß an Offenheit aufwiesen.22 Bisherige Studien haben zudem den Einfluss von lokalen und kontextabhängigen Bedingungen gezeigt. So musste beispielsweise eine formal existierende Frauenförderpolitik, wie sie seit den 1960ern Jahren in der DDR forciert worden war, auch lokal durch Verantwortliche um- und gegen alte Beharrungskräfte durchgesetzt werden. Dies zeigte sich vor allem im Umgang mit gesellschaftlichen Rollenverteilungen, die nach wie vor für Frauen eine Doppelbelastung durch Familienund Erwerbsarbeit bedeuteten. Derartig strukturelle Benachteiligungen mussten auf Akteursebene als solche erkannt werden, um eine Individualisierung von Problemen, deren Ursachen gesellschaftlicher Natur waren, zu verhindert. Andernfalls kann es zum Fehlschluss kommen, wonach Frauen weniger leistungsfähig seien 23 Unerlässlich ist der Blick auf Förderbeziehungen zur Analyse von akademischen Karriereverläufen: Dies beginnt bereits im Elternhaus und in der Schule, wo Eltern und Lehrende die Fähigkeiten der Kinder klassifizieren und damit die spätere Studienwahl entscheidend beeinflussen.24 Akademische Mentorinnen und Mentoren erwiesen sich auf dem Weg zur Weiterqualifikation sowie beim Berufseintritt als bedeutsam, wenn es darum ging, Akademikerinnen zu fördern.25 In diesem Zusammenhang muss auch die Vergabe von Themen und Arbeitsgebieten von Professoren an Mitarbeiterinnen betrachtet werden. Deskriptive Arbeiten mit einem hohen Routineanteil wurden häufig an Frauen delegiert. Gleichzeitig wirkten sich vor allem in den Naturwissenschaften körperliche Zuschreibungen nachteilig aus, weil Frauen aufgrund des Zweifels an ihrer Kraft und ihrem technischen Verständnis schlechteren Zugang zu technischen Hilfsmitteln erhielten.26 Die ihnen verbleibende Rolle als Zuarbeiterinnen war arbeitsintensiv und kaum mit Prestigegewinn verbunden.27 Ähnlich verhält es sich mit jenen Formen unliebsamer Gremienarbeit, mit der sich kaum Anerkennung gewinnen ließ. Das Abdrängen in Hilfs- oder Nebenpositionen entsprach den in dieser Studie ana20 21 22 23 24 25 26 27
Vgl. Dadej (2019), S. 36; Grabenweger (2016), S. 3; Hoffmann (2011), S. 10–11; Vogt (2007), S. 18. Für eine Darstellung bestehender Erklärungsansätze vgl. Kapitel I, 3. Abschnitt: (Re-)Problematisierung. Vgl. hierzu die Schlussfolgerungen bei Costas (2000), S. 32; für die Germanistik empirisch bestätigen konnte dies Grabenweger (2016), S. 86. Vgl. Budde (2003), S. 176–191. Vgl. Tobies (2008), S. 38 f. Die Ambivalenz dieser Protegébeziehungen verdeutlicht Hoffmann (2011), S. 269–276. Vgl. Geenen (2000), S. 97–101. Vgl. Tobies (2008), S. 60–65.
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Schlussbetrachtung
lysierten Möglichkeitsräumen, die zwar eine Verwertung weiblicher Eigenschaften für die Wissenschaft vorsahen, jedoch zur Existenz von akademischen Sackgassen oder Nebengleisen führte, die selten bis zum Ordinariat reichten. Oft befanden sich Frauen in arbeitsteiligen und teamartigen Forschungsprojekten, die zwar einen vergleichsweisen leichten Zugang, jedoch schlechtere Aufstiegschancen boten.28 Zu analysieren wäre zudem die akademische Kultur, die häufig durch eine männerdominierte Atmosphäre bestimmt war und bei der Bewertung des Handelns von Frauen zu Doppelstandards führte. Der Anerkennungswettbewerb verlief nicht nach den gleichen Spielregeln.29 Nicht nur, dass wissenschaftliche Leistungen von Frauen durch Ignorieren und Bagatellisieren nicht zur Geltung gelangten – eine Benachteiligung, die Margaret W. Rossiter als „Matilda-Effekt“ bezeichnet hat – schon das Inszenieren eigener Leistungen sowie das redundante Anpreisen der eigenen Person wurden mit anderen moralischen Maßstäben bewertet, sobald Frauen dieses Verhalten an den Tag legten. Solche Maßstäbe lassen sich nur vor dem Hintergrund der in dieser Studie beschriebenen geschlechtsspezifischen Verhaltensnormen sowie deren diskursiver Reproduktion erklären.30 Derartige Fallstudien sind mit dem Problem konfrontiert, das bereits Huerkamp bei der Interpretation ihrer Daten zu den Biografien von Bildungsbürgerinnen hatte:31 Diskriminierungserfahrungen sind Faktoren, die sich nur schwer in den Überlieferungen finden lassen. Doch das Fehlen einer Geschichte der Verliererinnen heißt nicht, dass es diese nicht gegeben hat. Die Erfolgsgeschichten der in die Überlieferung eingegangenen akademischen Ausnahmefrauen müssten unter der Perspektive einer survivorship bias bewertet werden: Dieses Konzept beschreibt ein Überschätzen ursprünglicher Erfolgsaussichten durch die Ausblendung der Verlierer/-innen, die zum Zeitpunkt einer Untersuchung bereits gescheitert waren, wodurch die übrig gebliebenen Gewinner/-innen noch besser dastehen. Eine reine Analyse der Gewinnerinnen lässt keine Aussagen über alle einstmals vorhandenen Ausschlussfaktoren zu. Vor allem die schier unüberwindlichen Hürden lassen sich nicht auffinden, da die Gewinnerinnen genau an diesen gescheitert wären.32 Aus dieser Perspektive erscheinen die Gewinnerinnen eher als Überlebende eines wenig aussichtsreichen Selektionsprozesses. Es ist einfacher, die Geschichte der Pionierinnen und Siegerinnen zu schreiben, da die Gescheiterten doppelt unsichtbar sind durch die Blindheit dieser Geschichte: als Verliererinnen und als Frauen. Eine Fallstudie müsste vergleichend Karriereverläufe männlicher und weiblicher Wissenschaftler/-innen betrachten und Selektionsmechanismen auf ihre geschlechtsspezifischen Wirkungen hin bewerten.
28 29 30 31 32
Vgl. Hoffmann (2011), S. 343. Vgl. hierzu Engler (2000). Vgl. Rossiter (2003). Vgl. Huerkamp (1996), S. 152 f. Vgl. Smith (2014), S. 35–38.
Ausblick: Lebenswege zwischen Anpassung und Devianz
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Für ein an solchen geschlechtsspezifischen Auswirkungen orientiertes Projekt ergeben sich zwei Fragestellungen: Wo befanden sich die Grenzen legitimen Verhaltens innerhalb der akademischen Kultur und was bedeutete eine Anpassung an diese entsprechenden Regeln für erfolgreiche Ausnahmefrauen. Die Verhaltensgrenzen lassen sich mithilfe des Konzepts der Devianz auffinden. Der Kriminologe Edwin M. Lemert unterschied 1951 zunächst zwischen primärer Devianz aufgrund sozialer, kultureller oder psychologischer Ursachen und sekundärer Devianz als Resultat sekundärer Zuschreibungen.33 Der Soziologe Howard S. Becker erweiterte 1963 mit seinem Buch Outsiders den sekundären Devianztypus zum sogenannten Etikettierungsansatz.34 Es handelt sich bei Etikettierungen um äußere Zuschreibungen, welche die Grenzen legitimen Verhaltens markieren. Diesem Konzept könnte die Analyse devianter Fälle unter der Fragestellung ihrer Geschlechtsspezifik folgen. Anpassungsleistungen standen in enger Abhängigkeit zum jeweiligen lokalen Kontext. Nicht nur die lokalen Universitätsstrukturen spielten eine Rolle, vor allem das Vorhandensein sozialen Kapitals in Form von männlichen Mentoren und Unterstützern war bedeutsam. In die Untersuchung müssten also neben ortsspezifischen Besonderheiten der akademischen Kultur auch die dort anzutreffenden sozialen Akteursnetzwerke einfließen.35 Denn wie die Historikerin Jill Stephenson treffend feststellt: „At a time when women in professional positions were exceptional, each case was unique.“36
33 34 35 36
Vgl. Lemert (1951). Vgl. Becker (1963), S. 9. Vgl. hierfür die methodologischen Überlegungen von Düring/Eumann (2013). Stephenson (1990), S. 271.
Danksagung Das vorliegende Buch ist eine aktualisierte und gekürzte Fassung meiner im Mai 2019 eingereichten Dissertation. Das Promotionsverfahren an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde unter dem Prüfungsvorsitz von Michael Maurer mit einer Disputation im Juli 2020 erfolgreich abgeschlossen. Entscheidend zur Realisierung meiner Dissertation trugen die beiden Betreuer Stefan Gerber und Joachim Bauer bei. Sie weckten mein Interesse für die Universitätsgeschichte, bestärkten mich in der Anfangsphase meines Dissertationsprojekts und standen mir fortan jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Über fachliche Ratschläge hinaus förderten sie mich, indem sie mir die Mitarbeit im Universitätsarchiv ermöglichten: Erst durch diese Arbeit bin ich auf das Thema des Frauenstudiums aufmerksam geworden. Michael Maaser danke ich für das freundlicherweise übernommene Drittgutachten im Promotionsverfahren. Für die angenehme Diskussionsumgebung und die fachlichen Ratschläge danke ich allen Teilnehmenden des Oberseminars vom Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte: Insbesondere Gisela Mettele nahm Anteil am Wachsen der Arbeit vom Anfangsstadium des Exposees bis zur Präsentation der Endergebnisse. Im Oberseminar lernte ich von ihr in den vergangenen Jahren nicht nur grundlegendes Wissen über die Geschlechtergeschichte, sie erinnerte uns Teilnehmende auch immer wieder daran, den Blick auf das Wesentliche zu fokussieren. Ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung ermöglichte mir die Finanzierung meiner Arbeit. Für die Publikationsmöglichkeit in der Reihe Wissenschaftskulturen danke ich den Herausgeberinnen und Herausgebern sowie den anonymen Gutachterinnen und Gutachtern. Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften sowie die Hans-Böckler-Stiftung haben großzügige Druckkostenzuschüsse gewährt. Durch die grammatikalischen und stilistischen Untiefen lotste mich dankenswerterweise Ulf Heidel als erfahrener Lektor. Für ihre Unterstützung im Prozess bis zur Drucklegung danke ich Katharina Stüdemann vom Franz Steiner Verlag. Danken möchte ich auch allen Kolleginnen, Kollegen, Freundinnen und Freunden, die in Mittags- und Kaffeepausen zuhörten und diskutierten. Insbesondere danke ich Martin Krempel, Timo Bonengel, Ulrike Löffler und Marie-Theres Piening: Sie vertieften sich in einzelne Abschnitte und gaben wertvolle Hinweise zum Überarbeiten und Weiterdenken. Für das angenehme Klima sowie für die zahllosen Gespräche und
Danksagung
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Ratschläge gilt mein Dank zudem allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Universitätsarchivs Jena. Meinen Eltern danke ich für ihr Vertrauen und ihren Glauben an mich sowie für das auch in finanzieller Hinsicht sichere Gefühl, bei ihnen stets Rückhalt zu finden. Ebenso danke ich meinem Großvater für sein Interesse und seine finanzielle Unterstützung. Meiner Partnerin, Anne Jasmin Bobka, verdanke ich mehr, als es mir an dieser Stelle möglich wäre auszudrücken. Perspektiven auf die Welt entstammen metaphysischen Urgründen: Irgendwo dort sind Geschichte und Soziologie eine Verbindung eingegangen. Und wenn beide Perspektiven manchmal dennoch in verschiedene Richtungen zeigen, so finden wir jenseits der Wissenschaft wieder zusammen. Jena, im August 2021
Abkürzungsverzeichnis ADF ADLV BDF BGB DAV DEF ESK FKSK SBAH SBR Vf F VFR/ VFbF Vf Fs VfS WDA
Allgemeiner Deutscher Frauenverein (Gründung: 1865 in Leipzig) Allgemeiner Deutscher Lehrerinnenverein (Gründung: 1890) Bund Deutscher Frauenvereine (Gründung: 1894) Bürgerliches Gesetzbuch (Beschluss: 1896/Inkrafttreten: 1900) Deutsche Akademische Vereinigung (Gründung: 1887) Deutsch-Evangelischer Frauenbund (Gründung: 1899) Evangelisch-Sozialer Kongress (Gründung: 1890) Freie Kirchlich-Soziale Konferenz (Gründung: 1897) Stenografische Berichte über die Verhandlungen des preußischen Hauses der Abgeordneten Stenografische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages Verband Fortschrittlicher Frauenvereine (Gründung: 1899 in Berlin) (Deutscher) Frauenverein Reform (Gründung: 1888 in Weimar) Verein Frauenbildungsreform (Umbenennung: 1891) Verein Frauenbildung (Neukonstitution: 1897) Verein Frauenbildung-Frauenstudium (Umbenennung: 1898) Verein für Frauenstudium (Gründung: 1896 in Berlin) Verein für Sozialpolitik (Gründung: 1873) Wissenssoziologische Diskursanalyse
Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen Staatsarchiv Kanton Zürich (StAZ) Bestand U – Bildungs- und Unterrichtswesen (1803–1987) Nr. 94.1.12 Frauenstudium 1864–1879 Nr. 106.14.10 Weibliche Studierende der Medizin 1868–1896 Universitätsarchiv Jena (UAJ) Bestand BA – Rektor und Senat Zulassung der Frauen zum Studium innerhalb der philosophiNr. 528 schen Fakultät Das Recht Vorlesungen zu hören auf besondere Erlaubnis des Nr. 533 Prorektors Nr. 1669c Acta academ. betreffend Protokollbücher: Conclusa Senatus Acad Bestand C – Kuratel Nr. 32 Ministerialkonferenzen in Universitätsangelegenheiten Nr. 1171 Zulassung von Frauen zum Studium betreffend Bestand J – Theologische Fakultät Korrespondenzen, Bibliotheksangelegenheiten und andere FakulNr. 141 tätsangelegenheiten, Vorlesungen und Ferienkurse Bestand L – Medizinische Fakultät Nr. 251 Dekanatsakten (1897/98) Bestand M – Philosophische Fakultät Nr. 735 Zulassung von Personen weiblichen Geschlechts zum Hören einzelner Vorlesungen Registrande vom Wintersemester 1900/1901 bis zum 31. März 1913. Nr. 744
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Neue Bahnen: Organ des allgemeinen Deutschen Frauenvereins (1866–1919). Neue deutsche Rundschau. Freie Bühne (1894–1903). Neue Freie Presse (1864–1939). Die neue Zeit: Wochenschrift der Deutschen Sozialdemokratie (1883–1923). Neues Frauenblatt: Zeitschrift für alle Interessen der Frauenwelt (1896–1905). Neues Frauenleben. Organ der freiheitlichen Frau, hrsg. v. Auguste Fickert (1902–1914). Neues Wiener Journal: Unparteiisches Tageblatt (1893–1939). Pharmazeutische Zeitung: Die Zeitschrift der deutschen Apotheker (1856–). Pharus: Katholische Monatsschrift für Orientierung in der gesamten Pädagogik (1910–1934). Prager Medizinische Wochenschrift. Organ d. Deutschen Sect. d. Aerztekammer f. d. Kgr. Böhmen (1876–1915). Die Presse (1848–1896). Preußische Jahrbücher (1858–1935). Reclams Universum: Für deutsche Kultur im In- und Auslande (1897–1944). Schweizer Frauen-Zeitung. Organ für die Interessen der Frauenwelt (1883–1899). Schweizer Frauenheim. Familienblatt für Unterhaltung und Belehrung (1893?–1927). Soziale Praxis: Zentralblatt für Sozialpolitik. Organ des Verbandes Deutscher Gewerbegerichte (1895–1943). Stimmen aus Maria-Laach. Katholische Blätter (1871–1914). Studentische Monatshefte vom Oberrhein (1911–1914). Die Studentin (1912–1919). Die Tat. Deutsche Monatsschrift (1909–1939). Über Land und Meer. Illustrierte Zeitung (1858–1923). Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart (1857–1891). Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie (1860–1910). Volksblatt für Stadt und Land (Wien, 1871–1933). Volkswohl. Organ d. Centralvereins für das Wohl der Arbeitenden Klasse (Dresden, 1885–1921) Vom Fels zum Meer: Spemann’s illustrirte Zeitschrift für das deutsche Haus (1881–1917). Die Wahrheit. Halbmonatsschrift zur Vertiefung in die Fragen und Aufgaben des Menschenlebens (1893–1897). Wiener klinische Rundschau. Organ f. d. gesamte praktische Heilkunde, sowie f. d. Interessen d. ärztlichen Standes (1895–1922). Wiener klinische Wochenschrift. Offizielles Organ der Österreichischen Gesellschaft für Innere Medizin (ÖGIM), der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG) und der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) (1888–). Wiener medizinische Blätter. Zeitschrift für d. gesamte Heilkunde (1878–1901). Wiener medizinische Presse: Organ für praktische Ärzte (1865–1909). Wiener Mode: Mode- und Familien-Zeitschrift (1888–1945). Die Woche. Moderne illustrierte Zeitschrift (1899–1944). Die Zeit. Wiener Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft, Wissenschaft u. Kunst (1894–1904). Zeitschrift für weibliche Bildung insbesondere für das gesamte höhere Unterrichtswesen des weiblichen Geschlechts. Organ des deutschen Vereins für das höhere Mädchenschulwesen (1873–1901). Die Zukunft. Monatsschrift für Jünglinge, hrsg. v. Maximilian Harden (1892–1922).
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Personenverzeichnis Ackermann, Jacob Fidelis 168, 169, 202 Adler, Karl 201 Adler, Raissa 321 Agnodice 238 Albert, Eduard 84, 142, 144, 179, 204, 205, 235, 301, 305–307, 314 Albisetti, James C. 30, 32, 97, 168, 270, 275 Alexander II. von Russland 245 Althoff, Friedrich 25, 275, 282, 284 Appelius, Alfred 194, 290 Arendt, Hannah 114 Aristoteles 182 Arnsperger, Leopold 291 Ash, Mitchell G. 191, 264 Aspasia von Milet 238 Aston, Louise 93 Augspurg, Anita 96, 98, 99, 102, 107, 214, 322, 323, 330 Baerwald, Richard 334 Bardeleben, Karl von 193, 229 Barndt, Kerstin 22 Barth, Theodor 300 Bauer, Adolf 227 Baumbach, Carl 199, 225, 295–297, 300, 328 Bäumer, Gertrud 95, 108, 109, 158, 166, 171, 211, 230, 242, 253, 261, 323 Baumgarten, Marita 69, 73 Beauvoir, Simone de 193 Bebel, August 58, 99, 142, 151, 231, 252, 289, 290, 292, 348 Becker, Howard S. 357 Behrend, Gustav 321, 322 Benjamin, Walter 235 Bensch, Fanny 314 Berger, Peter L. 44 Berlin (Berlinerblau), Fanny 314
Bernatzik, Edmund 86 Beseler, Max von 283 Bethman Hollweg, Theobald von 283 Binder, Sidonie 109, 198, 228, 337 Birn, Marco 26 Birsch-Hirschfeld, Viktor 335 Bischoff, Theodor von 77, 82, 86, 121, 132, 189, 193, 195, 200–203, 240, 268, 301–305 Bistram, Ottilie von 144, 206 Bleker, Johanna 31 Bluhm, Agnes 20, 126, 313 Böhlau, Helene 93 Böhmert, Carl Victor 84, 225, 302, 304 Böhm, Laetitia 23, 352 Boivin, Anne Victorine 239 Bosse, Robert 208, 272, 273, 279, 307 Bötticher, Karl Heinrich von 296 Bourgeois, Louyse 239 Braun, Lily 99, 100, 157 Braunmühl, Clementine 198, 246, 308 Brecht, Bertolt 40 Briatte, Anne-Laure 36 Bridges Adams (Lehmann), Hope 126, 278, 313, 348 Brinkschulte, Eva 32, 338 Broca, Pierre Paul 202 Brons, Bernhard 309 Brühl, Carl Bernhard 56, 82, 202, 203, 303 Brupbacher, Fritz 309 Büchner, Louise 109 Büchner, Ludwig 145, 202 Buchner, Wilhelm 119, 223, 270, 272, 273, 295, 296 Buckle, Henry Thomas 195 Budde, Gunilla-Friederike 33, 35 Bülow, Frieda von 153
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Personenverzeichnis
Burckhardt, Jacob 239, 330, 331 Butler, Judith 193 Caprivi, Leo Graf von 139, 292 Castner, Elvira 314 Cathrein, Viktor 177, 219, 240 Cauer, Minna 97, 99, 109, 286, 298 Cérenville, Édouard de 224, 318 Cherbuliez, Victor 104 Cohn, Gustav 317 Cole, Jonathan R. 29, 34 Costas, Ilse 27, 33, 265 Credaro, Luigi 196 Cunitz, Maria 239 Dadej, Iwona 28 Dahms, Anna 243 d’Alambert ( Jean-Baptiste le Rond) 178 d’Andrea, Novella 239 Darwin, Charles 59 David, Ludwig 184 Delbrück, Clemens von 283 Demuth, Helena 327 Dernburg, Heinrich 221 Descartes, René 199 Deutsch, Helene 142 Diderot, Denis 178 Dimock, Susan 302 Dodel-Port, Arnold 85, 175, 224, 318 Doemming, Anna von 99 Dohm, Hedwig 96, 150, 162, 181, 192, 193, 235 Droysen, Johann Gustav 35 Duncker, Käthe 99 Ebers, Georg 214 Eckart, Ilse 216 Ehrlich, Paul 252 Eichhorst, Hermann 224 Elisabeth I. von England 240 Elisabeth von Thüringen 239 Ellis, Havelock 190, 191, 203 Endemann, Friedrich 294, 329 Engell-Günther, Juliane 96 Engels, Friedrich 139 Erb, Karl August 168 Erdmann, Katharina 141 Erismann, Friedrich 199, 311, 312, 318, 348 Erman, Wilhelm 49, 50 Erxleben, Dorothea Christiane 12, 13, 240 Eucken, Rudolf 282
Eulenburg, Albert 82, 172 Falk, Adalbert 210 Fehlinger, Hans 231 Fehling, Hermann 190, 204, 205, 305, 331 Fichte, Johann Gottlieb 68 Fickert, Auguste 109, 250, 308 Fischer-Dückelmann, Anna 126 Fischer, Samuel 317 Flesch, Max 308 Forel, August 223, 225 Foucault, Michel 40, 42, 44, 45, 353 Friedrich III. von Preußen 286 Fröbel, Friedrich 21, 177 Galenos von Pergamon 168 Galiani, Ferdinando 187 Gaule, Justus 224, 312 Gauß, Carl Friedrich 239 Gebauer, Olga 223, 314 Gerber, Karl von 269 Germain, Sophie 239 Gerritsen, Carel Victor 50 Glagau, Otto 127 Glaser, Edith 24, 33, 309 Gnauck-Kühne, Elisabeth 154, 165, 222 Goethe, Johann Wolfgang von 93, 174–177 Goldschmidt, Henriette 287 Goldzieher, Wilhelm 251, 306 Goltz, Bogumil 180, 181, 331 Gomperz, Theodor 217 Goodman, John 190 Goßler, Gustav von 269, 288, 291 Götze, Dorothea 15, 23 Goudstikker, Sophia 330 Gouges, Olympe de 92 Gozzadini, Bettisia 239 Grabenweger, Elisabeth 35 Gregory, Samuel 231 Grimm, Herman 324 Groß, Heinrich 238 Grotjahn, Alfred 21 Gruber, Max von 312 Grünwald-Zerkowitz, Sidonie 147, 182 Gundling, Julius 302 Gundling, Katharina 302 Gusserow, Adolf 317 Guyet, Adolf 290 Haag, Ella 317
Personenverzeichnis
Haag, Friedrich 272 Häberlin, Paul 21 Hacker, Agnes 126 Hainisch, Marianne 306 Harders, Levke 35 Harless, Johann Friedrich 238 Harmening, Ernst 251 Hart, James Morgan 66 Hartmann, Eduard von 58, 149, 167, 185 Hartmann, Hermann 121, 130 Hartmann, Karl Alwin 162, 183, 294 Hausen, Karin 33, 168–170, 194, 256 Heim, Albert 224, 318 Heine, Margarete 234, 280, 330, 337 Hein, Eugenie 113 Heinsohn, Kirsten 161 Heinsohns, Dorit 35 Henius, Leopold 190 Henrich-Wilhelmi, Hedwig 327 Herkner, Heinrich 184, 198 Hermann, Benedikt Freiherr von 148 Hermann, Ludimar 82, 302, 317 Herschel, Caroline 21, 239 Hertling, Georg von 142 Herzka, Theodor 314 Heymann, Lida Gustava 97, 102 Hildegard von Bingen 239 Hirschfeld, Magnus 182, 332 Hirschfeld-Tiburtius, Henriette 313 Hirsch, Jenny 111, 155 Hirsch, Luise 28 Hirsch, Max 20, 21, 33, 145, 189, 333 Höber, Rudolf 308 Hoeffel, Johannes 294 Hofmann, Friedrich 231 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig zu 279, 304 Holle, Ludwig 283 Holtzendorff, Franz von 86, 95 Holzinger von Weidich, Carl 197, 215, 217 Honegger, Claudia 34, 168 Horkheimer, Max 353 Horn, Ewald 49, 50 Hottinger, Christlieb Gotthold 222 Hrotsvit von Gandersheim 239 Huerkamp, Claudia 33, 34, 356 Hultzsch, Theodor 289
417
Humboldt, Wilhelm von 10, 67–69, 263, 353 Huschke, Emil 203, 204 Hypatia 238 Ibsen, Henrik Johan 181, 182, 184, 327 Ichenhäuser, Eliza 109, 307 Jacobi, Juliane 31, 270 Jacobs, Aletta Henriëtta 50 Jacoby, Hermann 87, 196, 301 Jerusalem, Wilhelm 337 Jex-Blake, Sophia 243 Johanna von Orléans ( Jeanne d’Arc) 96, 239 Kant, Immanuel 155, 157, 167, 207, 208 Katharina II. von Russland 240 Kehrer, Adolf 190, 220 Keller, Reiner 42, 46 Kerschbaumer, Rosa 126, 306 Kettler, Hedwig ( Johanna) 96, 98, 99, 101, 164, 184, 241, 252, 272, 282, 295 Key, Ellen 180, 333 Khuenberg (PS Rhuenburg), Sophie von 314 Kirchhoff, Arthur 11, 12, 52, 55, 133, 181, 312, 315–318, 324, 336 Kirchhoff, August 182 Klaus, Bruno 178 Klein, Felix 275 Klemm, Gustav Friedrich 238 Klumpke, Dorothea 314 Knoblauch, Elisabeth 22 Koerner, Marianne 27 Kohler, Josef 86 Kölichen, Friedrich von 294 König, Arthur 225 Korsini, Natal’ja 244 Kovalevskaja, Sofja 180, 267 Krafft-Ebing, Richard von 332 Kronfeld, Adolf 304 Krönlein, Rudolf 224 Kuhnow, Anna 278 Kuhn, Thomas S. 40, 126, 222, 326 Kulka, Leopoldine 338 Küster, Konrad 82 Lachapelle, Marie-Louise 239 Laclau, Ernesto 175 Lagranges, Joseph-Louis de 239 Landwehr, Achim 49 Lange, Helene 21, 96, 97, 101, 102, 108, 109, 143, 165, 166, 172, 192, 196, 214, 221, 222, 225, 230,
418
Personenverzeichnis
234, 241, 242, 246, 252, 261, 270–272, 286, 288, 298, 329, 330, 333, 336 Langerhans, Paul 291, 300 Laqueur, Thomas 168 Laskowski, Zygmunt 305 Lasson, Adolf 227 Lehmann, Karl Bernhard 224, 247, 307 Lehms, Georg Christian 238 Lehmus, Emilie 278, 296, 313 Lemert, Edwin M. 357 Lenz, Fritz 21 Lessing, Gotthold Ephraim 178 Lette, Adolf 95 Lewald, Fanny 93 Lewin, Georg 220 Leyden, Ernst von 192 Liebig, Justus von 148 Lind, Anna 23 Linden, Maria von 274, 330 Loeper-Housselle, Marie 97 Longsdon, John Wilson 275 Lüders, Else 138 Luitpold von Bayern (Prinzregent) 281 Lundt, Bea 30 Mach, Ernst 319 Malthus, Thomas Robert 218 Mannheim, Karl 48 Manns, Haide 27 Marholm, Laura 179–181, 249 Maria Theresia von Österreich 240 Maria von Burgund 231 Marshall, Thomas H. 92 Martin, Marie 110, 119, 173, 241, 337 Marx, Karl 114, 139, 141, 327 Mausbach, Joseph 87, 120 Maximilian I. von Österreich 231 Mayreder, Rosa 109, 165 Mazón, Patricia M. 26, 31, 284 McClellend, Charles E. 264 Meitner, Lise 12 Menger, Anton 319 Mertens, Lothar 26 Metschnikow, Ilja Iljitsch (Elias) 252, 312, 314 Meuser, Michael 31 Meyer, Eduard 319 Meyer-Forster, Elsbeth 93 Meyer, Georg Hermann von 82, 303
Meyer, Heinrich 309 Meyer, Victor 317 Milde, Natalie von 99 Mill, John Stuart 92, 93, 95, 155 Minuth, Fred R. 146, 332 Miquel, Johannes von 149 Mittenwurzer, Friedrich 199 Möbius, Paul 56, 191 Moll, Albert 192 Morata, Olympia Fulvia 239 Moraw, Peter 65 Morgenstern, Lina 304, 314 Morse, Rowena 277 Moser, Lea 21 Mozart, Wolfgang Amadeus 177 Mühler, Heinrich von 268 Müller, Ernst 271 Müller-Meiningen, Ernst 280 Müller, Peter 206, 223, 225 Münsterberg, Hugo 219 Nauck, Ernst Theodor 23 Neumann, Elsa 12 Neustätter, Otto 214 Nietzsche, Friedrich 184, 185 Noether, Emmy 330 Nohle, Carl 192 Nowotny, Helga 31 Oelsner, Elise 238, 337 Oertel, Georg 146 Oetker, Friedrich 302, 310 O’Grady, Marcaella J. 276 Ohr, Julie 126 Orterer, Georg 226, 289 Orzeszkowa, Eliza 170, 172, 173 Ostwald, Wilhelm 35 Otto-Peters, Louise 92, 95 Paletschek, Sylvia 24, 31, 65 Panzerbieter, W. 192 Pappritz, Anna 141, 222 Paul, Jean 147 Paulsen, Friedrich 10, 12, 242 Pelman, Karl 185, 244 Penzoldt, Franz 82, 250, 301, 307–309 Perger, Aloys 291, 294 Periktione 183 Pestalozzi, Johann Heinrich 21 Peters, Carl 153
Personenverzeichnis
Phillipi, Adolph 306 Pierstorff, Julius 84, 93, 160, 216, 222, 282, 310 Pinn, Karl 182, 316 Placzek, Siegfried 118, 179 Planck, Max 12, 35 Platon 177, 182 Platter, Julius 218, 318 Ploetz, Alfred 241 Ploss, Heinrich 185 Posadowsky-Wehner, Arthur von 278, 298, 307 Possanner von Ehrenthal, Gabriele 279 Pudor, Heinrich 181 Puttkamer, Robert von 210, 288 Quetelet, Adolphe 200, 201 Quine, Willard Van Orman 46 Raabe, Wilhelm 171 Raffael (Raffaello Sanzio da Urbino) 177 Ranke, Leopold von 35 Raschke, Marie 121 Rauber, August 149 Rebière, Alphonse 238 Rehm, Hermann 86 Reinl, Carl 191 Reis, Sophie 281 Reuper, Julius 196 Rickert, Heinrich 214, 251, 290, 291, 297, 300 Riehl, Wilhelm Heinrich 185 Ries, Hildegard 21 Rindfleisch, Eduard von 317 Ritschl, Albrecht 109 Ritter, Anna 93 Roethe, Gustav 322 Rosa, Hartmut 38 Rosenbach, Ottomar 192 Rosenthal, Max 218 Rossiter, Margaret W. 356 Rößler, Constantin 58, 226, 240, 249 Rousseau, Jean-Jacque 183 Rowold, Katharina 26, 32 Rüdinger, Nikolaus 203, 204 Ruge, Arnold 197 Runge, Max 185, 206, 301, 308, 309 Ruoffner, Simone 27 Rutenberg, Adolf 207 Sabuco de Nantes Barrera, Oliva 239 Sadler, Michael Ernest 275
419
Salomon, Alice 221 Sand, George 93 Sarasin, Philipp 45 Sarwey, Otto von 289, 290 Säxinger, Johann 268 Schabelsky, Else von 181 Schall, Martin 258 Scheel, Hans 143, 223 Schelenz, Hermann 93 Schelling, Friedrich Wilhelm 68 Schenckendorff, Emil von 291 Schiebinger, Londa 50, 168 Schiller, Friedrich 174, 177, 178, 198 Schindel, August von 238 Schirmacher, Käthe 22, 102, 109, 164–166, 182, 192, 318, 325, 345 Schleiermacher, Friedrich 67–69 Schleinitz, Alexandra von 198 Schlieben, Richard von 281 Schlözer, Dorothea 13 Schmelzle, Hans 186 Schmersahl, Karin 34 Schmid, Karl Joseph von 290 Schmidt, Auguste 95, 97, 308 Schnicke, Falko 35, 319 Schoenaich-Carolath, Heinrich zu 251, 265, 266, 271, 299, 300, 307 Schopenhauer, Arthur 184, 185 Schrader-Breymann, Henriette 286, 292 Schrader, Karl 221, 251, 289, 292, 293, 300 Schramm, Hilde 299 Schultze, Karoline 126, 238 Schürmann, Anna Maria von 239 Schweichel, Robert 181 Schwend-Uexküll, Gertrud 281 Schwerin, Ludwig 310 Seydewitz, Paul von 220 Siegemundin, Justine 239 Siegrist, Hannes 116 Simmel, Georg 35, 232 Singer, Sandra L. 28 Škljarevskij, Aleksej Sergeevič 195, 198 Soden, Kristine von 30 Sömmerring, Thomas von 201, 202 Spencer, Herbert 35 Speyer, Marie 171, 180, 329, 333 Spielhagen, Friedrich 181
420
Personenverzeichnis
Spranger, Eduard 223, 334 Stange-Fayos, Christina 109 Steffen-Korflür, Brigitte 27 Steinitz, Hugo 317 Stein, Lorenz von 167, 215 Stelzner, Helene Friederike 185, 222, 307 Stephenson, Jill 357 Stieda, Ludwig 219, 220 Stöcker, Helene 101, 185, 324 Stoecker, Adolf 296 Stoehr, Irene 171 Stohmann, Friedrich 189, 198 Stöhr, Philipp 224 Strasser, Hans 224 Stratz, Rudolf 22 Strauss, Anselm L. 55 Stricker, Salomon 315 Strindberg, August 179, 180 Stritt, Marie 99, 101, 156 Stücklen, Gerta 20, 21 Studt, Conrad von 273, 282 Sundbeck, Carl 163 Suslowa, Nadeschda 246, 247, 311 Svetlin, Wilhelm 195, 284 Szanto, Emil 217 Taylor Mill, Harriet 92, 155 Thurau, Gustav 65, 289 Tiburtius, Franziska 126, 278, 296, 313, 314 Tobies, Renate 26, 31 Tolstoi, Leo 231 Treitschke, Heinrich von 14, 31, 255, 315, 319, 324, 331 Troll-Borostyáni, Irma von 89, 90, 96, 109, 164, 166, 252 Twain, Mark 213 Vaerting, Mathilde 35 Veyne, Paul 167 Victoria von Großbritannien und Irland (Kaiserin Friedrich) 286 Virchow, Rudolf 200 Vogt, Karl 85, 196, 200, 224, 305 Voss, Heinz-Jürgen 168
Wagenmann, August 299 Wagenmann, Margarete 299 Waldeyer, Wilhelm von 77, 82, 104, 203, 240, 273, 301, 303–305, 322, 323 Walther, Otto 313 Weber, Marianne 20, 196, 197, 335 Weber, Mathilde 21, 109, 164, 222, 230, 250, 285, 288, 303 Weber, Max 197, 353 Weber, Theodor 320, 321 Wehler, Hans-Ulrich 354 Wehner, Anton 281 Weilshäuser, Emil 301 Weiss, Johann 87 Weitemeyer, J. 290 Weizsäcker, Carl Heinrich 226, 291 Welcker, Hermann 201 Wendt, Ferdinand Maria 195, 205, 287 Wetterer, Angelika 31, 352 White, Hyden 48 Wildenbruch, Ernst von 182 Wilhelm II. von Preußen 139, 149, 291 Winckel, Franz von 206, 304 Windscheid, Käthe 109, 176, 186, 221, 274, 284 Wisse, Anna 20 Wisser, Friedrich 289 Wittels, Fritz 219 Witt, Emmi M. (Muschka) von 99 Witz, Anne 31 Wlassics de Zalánkemén, Gyula 248 Wobbe, Theresa 30, 35, 102 Wolf, Max 161, 317 Woltmann, Ludwig 237 Wolzogen, Ernst von 164, 181, 331, 332 Wundt, Wilhelm 317 Zahn-Harnack, Agnes von 200, 301 Zedler, Johann Heinrich 114 Zehender, Wilhelm von 200, 249, 303 Zetkin, Clara 99, 100 Ziegler, Theobald 10, 220, 225
Weshalb durften Frauen an deutschen Universitäten im internationalen Vergleich erst spät studieren? Wieso entbrannte in Deutschland um das Thema ein Streit, der ein halbes Jahrhundert andauerte? Und wie wurde eine Einigung erzielt? Mit Antworten auf diese Fragen fügt Andreas Neumann der Geschichte des Frauenstudiums ein wichtiges Kapitel hinzu. Seine wissenssoziologische Diskursanalyse steht auf breiter Quellenbasis und entschlüsselt Machtpotenziale beteiligter Interessengruppen sowie verhandelte Wissensbestände. Der Mixed-Methods-Zugang verbindet die qualitative Analyse von Deutungen und Narrativen mit der quantitativen Analyse von sozialen Strukturen. Dieser Ansatz geht über deskriptive Darstellungen hinaus, weil er Erklärungen liefert: Deutlich wird, wie sich die Männeruniversität dynamisch stabilisierte. Bei der Zulassung von Frauen zum Studium handelte es sich deshalb um keine reine Fortschrittsgeschichte. Es gelang der bürgerlichen Frauenbewegung zwar, die Bildungspolitik über die Öffentlichkeit zu beeinflussen – hier zeigt sich das deutsche Kaiserreich von seiner fortschrittlichen Seite. Grenzen dieser Modernität liegen jedoch in der Voreingenommenheit gegenüber „der akademischen Frau“, die schon die „gläserne Decke“ für Akademikerinnen im Wissenschaftsbetrieb erkennen lässt.
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ISBN 978-3-515-13165-0
9 783515 131650