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German Pages 306 Year 2000
JONNA ZIEMER
Das gemeinsame Interesse an einer Regelung der Hochseefischerei
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von J 0 s t Dei b r ü c kund R a i n e rHo fm a n n
Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht
128
Völkerrechtlicher Beirat des Instituts:
Daniel Bardonnet I'Universite de Paris TI
Rudolf Bernhardt Heidelberg
Lucius Caflisch Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Geneve
Antonius Eitel New York; Bonn
Luigi Ferrari Bravo Universita di Roma
Louis Henkin Columbia University, NewYork
Tommy T. B. Koh Singapore
John Norton Moore University of Virginia, Charlottesville
Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis
Albrecht Randelzhofer Freie Universität Berlin
Krzysztof Skubiszewski Polish Academy of Sciences, Warsaw; The Hague
Christian Tomuschat Humboldt-Universität zu Berlin
Sir Arthur Watts London
Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg
Das gemeinsame Interesse an einer Regelung der Hochseefischerei Dargestellt am Beispiel des Fish Stocks Agreement
Von
J onna Ziemer
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ziemer, Jonna: Das gemeinsame Interesse an einer Regelung der Hochseefischerei : dargestellt am Beispiel des Fish-stocks-Agreement I von Jonna Ziemer. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; Bd. 128) Zug!.: Kiel, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09741-6
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 3-428-09741-6 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1998 abgeschlossen und im Juli 1998 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Veröffentlichungen und tatsächliche Geschehnisse nach diesem Zeitpunkt konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Die Entstehung der Arbeit wurde von vielen mit wertvollen Hinweisen und wichtiger Unterstützung begleitet. Mein ganz besonderer Dank richtet sich vor allem an meinen Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jost Delbrück, der den fachlichen Fortgang der Arbeit betreut und vorangetrieben hat und mir jederzeit filr ein Gespräch zur Verfilgung stand. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Dr. Rainer Hofmann. Beiden bin ich außerdem rur die unglaublich schnelle Durchftlhrung des Promotions verfahrens dankbar. Allen Mitarbeitern des Walther-Schücking-Instituts filr Internationales Recht an der Universität danke ich ebenfalls herzlich filr ihre Unterstützung. Besonders gilt dies filr Dr. Ursula Heinz und Priv.-Doz. Dr. Doris König, bei denen stets die Tür filr fachliche und technische Fragen die Dissertation betreffend offen stand, sowie meinen Freunden am Institut Christian Feist, Claudia Benecke, Britta Buchenau und Birgit Kessler rur konstrutive Kritik, Korrekturen und unermüdliche Aufbauarbeit. Für großzügige finanzielle Unterstützung während der Promotion danke ich dem Graduiertenkolleg nationales und internationales Umweltrecht der Universität Kiel und der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft und Forschung am Walther-Schücking-Institut Kiel sowie filr die Gewährung eines Druckkostenzuschusses dem Auswärtigen Amt. Schließlich möchte auch ich einer guten akademischen Tradition folgen und diese Arbeit meinen Eltern und meinem Bruder widmen. Kiel, im Dezember 1999
Jonna Ziemer
Inhaltsverzeichnis Problemstellung A. Drei relevante Besonderheiten umweltrechtlicher Verträge ........................................ 17 B. Nutzung erschöpflicher Ressourcen und staatliche Souveränität ................................ 19 I. Teil
Aktuelle Regelung der Hochseefischerei A. Einleitung .................................................................................................................... 22 B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt ............................................................. 23 I.
Überblick: Widerstreit konkurrierender Interessen bei der Verteilung von Ressourcen ................................................................................................... 23 I. Prinzip der Freiheit der Fischerei ................................................................... 23 2. Erkenntnis der Erschöpflichkeit der Ressourcen ............................................ 25 3. Erste Gegenmaßnahmen ................................................................................ 26 a) Internationaler Lösungsansatz ................................................................... 26 b) Praxis: nationale Lösung ........................................................................... 27 4. Lösungsversuch der Seerechtskonvention (SRK) .......................................... 29 a) Weiterentwicklung des nationalen Ansatzes ............................................. 29 b) Kritik: Ungelöste Probleme ....................................................................... 31 5. Folgeprobleme der SRK................................................................................. 32 a) Problematik der großen Fernfischereiflotten ............................................. 32 b) Problematik der wandernden Fischbestände ............................................. 33 6. Neue nationale Lösungsversuche ................................................................... 34 a) Beispiel Kanada ........................................................................................ 34 b) Beispiel Chile: "Mar presencial" ............................................................... 35 c) Beispiel Argentinien ................................................................................. 37 d) Bewertung der Beispiele ........................................................................... 38
H.
Geltende Regelung der Fischerei nach gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten im einzelnen .................................................................. 39 I. Struktur der Fischereivorschriften .................................................................. 39 2. Gebietsbezogene Regelung der Hohen See ................................................... .40 a) Flaggenstaatsprinzip als Ausdruck der Freiheit der Hohen See ............... .40 b) Einzelne Pflichten: Zusammenarbeit und Erhalt der Bestände ................ .41 aa) Zusammenarbeit ................................................................................. 41 bb) Maßnahmen zur Erhaltung ................................................................. 43
8
Inhaltsverzeichnis
3.
4. 5. 6.
c) Zusammenfassung der allgemeinen Pflichten bei der Hochseefischerei ..................................................................................................... 44 Artenbezogene Regelungen der Fischerei auf der Hohen See ....................... :45 a) Gebietsübergreifende Arten ...................................................................... 45 aa) Wortlaut ............................................................................................. 46 bb) Systematik .......................................................................................... 47 cc) Entstehungsgeschichte ...................................................................... .48 dd) Sinn und Zweck ................................................................................ .49 ee) Ergebnis ............................................................................................ .49 ft) Zusammenfassung .............................................................................. 49 gg) Schwachstelle ..................................................................................... 50 b) Weit wandernde Arten .............................................................................. 50 aa) Erfaßte Arten ...................................................................................... 50 bb) Reichweite der Verpflichtungen ......................................................... 51 cc) Regelungsadressaten .......................................................................... 52 dd) Schwachstellen ................................................................................... 52 Einschränkung durch andere Vorschriften ..................................................... 53 Zusammenfassung der Verpflichtungen ......................................................... 54 Untersuchungsergebnis .................................................................................. 55 a) Hervorhebung der Konfliktpunkte ............................................................ 55 b) Schlußfolgerungen .................................................................................... 55
III. Einschränkungen durch Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts ...................... 57 I. Prinzip 21 der Stockholm Deklaration ........................................................... 57 2. Prinzip der guten Nachbarschaft .................................................................... 59 3. Prinzip internationaler Zusammenarbeit ........................................................ 60 4. Vorsorgeprinzip (precautionary principle) ..................................................... 61 5. Prinzip der angemessenen/nachhaltigen Nutzung gemeinsamer Naturgüter (sustainable use/development) .............................................................. 62 6. Zusammenfassung.......................................................................................... 63 IV. Träger dieser Rechte ........................................................................................... 64 C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten ....................................................... 65
I.
Regionale Fischereiorganisationen ..................................................................... 65 I. NAFO ............................................................................................................ 65 a) System ....................................................................................................... 65 b) Schwachstellen .......................................................................................... 66 2. NEAFC .......................................................................................................... 67 a) System ........................................... ;........................................................... 67 b) Schwachstellen .......................................................................................... 68 3. FFA ................................................................................................................ 69 a) System ....................................................................................................... 69 b) Schwachstellen .......................................................................................... 70 4. ICCAT ........................................................................................................... 7I a) System ....................................................................................................... 71 b) Schwachstellen .......................................................................................... 72
Inhaltsverzeichnis
9
5. IATIC ............................................................................................................ 73 a) System ....................................................................................................... 73 b) Schwachstellen .......................................................................................... 74 6. CCAMLR ...................................................................................................... 74 a) System ....................................................................................................... 74 b) Schwachstellen .......................................................................................... 76 7. Bering See Vertrag ......................................................................................... 76 a) System ....................................................................................................... 76 b) Schwachstellen .......................................................................................... 77 8. Zusammenfassung.......................................................................................... 78 a) Interne Schwächen .................................................................................. 789 b) Externe Schwächen ................................................................................... 79 c) Besondere Problematik: Ausflaggen ......................................................... 80
11.
Rolle der FAO als globale Organisation ............................................................. 81
III. Ergebnis des ersten Teils..................................................................................... 82 2. Teil
Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK A. Einleitung: Die "DurchfUhrung" der SRK .................................................................. 84 B. Die Konferenz ............................................................................................................. 86
I.
Vorgeschichte ..................................................................................................... 86 I. Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen .................................................... 86 2. UNCED: Erdgipfel in Rio de Janeiro ............................................................. 88
11.
Verlauf. ............................................................................................................... 91 I. Vorbemerkung ............................................................................................... 91 2. Einzelne Sitzungen ........................................................................................ 92 a) Organisatorische Sitzung (19. bis 23. April 1993) .................................... 93 b) Zweite Sitzung (12. bis 30. Juli 1993): Auflistung der Kemprobleme ...... 93 aal Chairman's guide ............................................................................... 95 (1) Art der Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen im Wege der Kooperation ................................................................. 95 (2) Mechanismen internationaler Kooperation .................................. 95 (3) Einhaltung und Durchsetzung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen ................................................................. 95 (4) Vereinbarkeit von Maßnahmen innerhalb und außerhalb von AWZs .................................................................................... 96 (5) Besondere Interessen von Entwicklungsländem .......................... 97 bb) Form der Vorschläge der Konferenz .................................................. 97 cc) Geographische Anwendbarkeit .......................................................... 97 dd) Zusammenfassung .............................................................................. 98 c) Dritte Sitzung (14. bis 31. März 1994): Annäherung der Positionen ........ 99 aal VorsorgeprinzipIMethode ................................................................ 100
10
Inhaltsverzeichnis bb) Anhaltspunkte filr die Bewirtschaftung der Fischvorkommen (reference points for fisheries management) .................................... 101 d) Vierte Sitzung (15. bis 26. August 1994): Versuch der weiteren Annäherung, aber wenig inhaltlicher Fortschritt ..................................... l 02 e) Fünfte Sitzung (27. März bis 12. April 1995): Diplomatische Spannungen ............................................................................................. 104 f) Sechste Sitzung (24. Juli bis 4. August 1995): Letzter Einigungspunkt: die Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Maßnahmen ...... 105 3. Zusammenfassung der Hauptstreitpunkte .................................................... 106
C. Gegenüberstellung der Inhalte .................................................................................. 108 1.
Allgemeine Bestimmungen ............................................................................... 108
II.
Prinzipien bei Erhalt und Bewirtschaftung der Fischbestände .......................... 110 1. Allgemeine Grundsätze ................................................................................ 11 0 a) Langfristige Sicherung und optimale Nutzung........................................ 111 b) Meeresumweltschutz im weiteren Sinne ................................................. 113 c) Zusammenfassende Bewertung ............................................................... 114 2. Vorsorgeprinzip, "precautionary approach................................................... 114 3. Vereinbarkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen .............. 116 a) Wortlaut .................................................................................................. 116 b) Historische Untersuchung ....................................................................... 118 c) Sinn und Zweck ...................................................................................... 119 4. Zusammenfassung........................................................................................ 120
III. Mechanismen internationaler Zusammenarbeit ................................................ 120 I. Durchfilhrung der Zusammenarbeit bei der Erhaltung und Bewirtschaftung .............................................................................................................. 122 a) Kooperationsverpflichtung in regionalen Fischereiorganisationen (RFOs) ...................................................................................... 122 aa) Überblick.......................................................................................... 122 bb) Eingriff in das Prinzip der Freiheit der Hohen See ........................... 123 (1) Nur Ausgestaltung bestehender Einschränkungen ..................... 124 (2) Wandlung des Status des Rechtes .............................................. 124 b) Aufforderung zur Gründung von RFOs .................................................. 125 c) Nichtmitglieder und Nichtteilnehmer., .................................................... 126 aa) Wortlaut ........................................................................................... 127 bb) Systematik im FSA "in Einklang mit SRK und Völkerrecht" .......... 127 cc) Systematik der SRK: Vergleich mit Umweltschutzvorschriften ...... 128 d) Zusammenfassung ................................................................................... 129 2. Regionale Fischereiorganisationen .............................................................. 130 a) Regionale Übereinkünfte ........................................................................ 130 b) Neue Mitglieder ...................................................................................... 131 3. Umschlossene und halbumschlossene Meere ............................................... 132 a) Darstellung von Art. 15 und 16 ............................................................... 132 b) Vergleich mit der SRK ............................................................................ 133
Inhaltsverzeichnis
II
IV. Internationale Kooperation bei Überwachung und Durchsetzung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen ................................................. 134 I. Pflichten des Flaggenstaates ........................................................................ 135 2. Befolgung und Durchsetzung durch den Flaggenstaat.. ............................... 136 3. Durchsetzung durch andere als den Flaggenstaat ......................................... 137 a) Überblick über die Vorgeschichte ........................................................... 137 b) Voraussetzungen filr ein Einschreiten des Nicht-Flaggenstaates ............ 138 c) Verfahren bei der Durchsetzung: Mögliche Maßnahmen ....................... 139 aa) Darstellung allgemeiner Vorschriften .............................................. 139 bb) Einzelflilie der Durchsetzung ........................................................... 140 (l) Unbefugter Fischfang in Gebieten unter nationaler Hoheitsgewalt ............................................................................ 140 (a) Überblick ............................................................................. 140 (b) Vergleich mit der SRK ........................................................ 141 (2) Durchsetzung innerhalb eines Gebietes nationaler Hoheitsgewalt bei unbefugtem Fischfang auf Hoher See........... 141 (3) Unbefugter Fischfang durch Staatenlose auf Hoher See ............ 142 d) Schranken der Durchsetzung durch andere als den Flaggenstaat.. .......... 143 e) Maßnahmen durch den Hafenstaat.. ........................................................ 143 aa) Darstellung ....................................................................................... 143 bb) Verhältnis zur SRK .......................................................................... 144 f) Zusammenfassung ................................................................................... 145 V.
Bedürfuisse von Entwicklungsstaaten ............................................................... 146
VI. Friedliche Streitbeilegung ................................................................................. 147 I. Streitbeilegung nach der SRK ...................................................................... 148 a) Allgemeine Bestimmungen ..................................................................... 148 b) Verfahren bezüglich der Fischereivorschriften ....................................... 149 2. Streitbeilegung nach dem FSA. .................................................................... 150 a) Anwendbares Recht ................................................................................ 150 b) Pluralität der Foren ................................................................................. 151 c) Nichtmitglieder der SRK bei Streitigkeiten ............................................ 152 VII. Nichtvertragsstaaten .......................................................................................... 153 VIII. Treu und Glauben, Rechtsmißbrauch, Verantwortlichkeit, Haftung für Schäden ............................................................................................................. 155 I. Treu und Glauben, Verbot des Rechtsmißbrauchs ....................................... 155 2. Haftung ........................................................................................................ 156 IX. ÜberprOfungskonferenz .................................................................................... 156 X.
Schlußbestimmungen ........................................................................................ 157 I. Allgemeine Bestimmungen .......................................................................... 157 2. Besonderheit der Teilnahme von Nichtstaaten ............................................. 159 a) FAO ........................................................................................................ 159 b) NGOs ...................................................................................................... 160 aa) Rolle im internationalen Gefüge im Überblick ................................ 160 bb) Rolle der NGOs während der Konferenz ......................................... 161
12
Inhaltsverzeichnis cc) Zukünftige Aufgaben in Fischereiorganisationen ............................ 163 c) Europäische Gemeinschaft ...................................................................... 164 aal Zuständigkeit der EG ....................................................................... 164 bb) Teilnahme der EG an der Konferenz ................................................ 166 cc) Art. 47 FSA ...................................................................................... 167 XI. Annexe .............................................................................................................. 168 XII. Beurteilung: Durchfiihrung oder Änderung der SRK ........................................ 168 I. Durchfiihrung ............................................................................................... 169 2. Über Durchfiihrung hinausgehend ............................................................... 170 a) Auflistung ............................................................................................... 170 b) Vergleich mit dem Durchfiihrungsabkommen zu Teil XI SRK .............. 172 c) Ergebnis .................................................................................................. 174 3. Bindung von Mitgliedstaaten der SRK an das FSA und umgekehrt ............ 174 a) Bindung von Mitgliedstaaten des FSA an die SRK ................................ 174 b) Automatische Bindung von SRK-Mitgliedstaaten an das FSA ............... 175 aal Vergleich zum Tiefseebodenregime ................................................. 175 bb) Parallele zu Art. 18 WVRK .............................................................. 176 cc) Ergebnis ........................................................................................... 176
D. Beziehung zu anderen Abkommen ........................................................................... 177 I.
Compliance Agreement. .................................................................................... 177 1. Inhalt ............................................................................................................ 178 2. Bewertung im Verhältnis zum FSA ............................................................. 179
11.
Code of Conduct ............................................................................................... 181 1. Inhalt ............................................................................................................ 181 2. Bewertung im Verhältnis zum FSA ............................................................. 182
III. Zusammenfassung und Ausblick fiir das FSA .................................................. 183
3. Teil
Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung ....................................................... 187 I.
Einleitung .......................................................................................................... 187 1. Zwei Aspekte im Hintergrund ...................................................................... 187 a) Aspekt der staatlichen Souveränität ........................................................ 188 aal Traditioneller Grundsatz .................................................................. 188 bb) Interdependenz ................................................................................. 190 b) Umweltrechtlicher Aspekt ...................................................................... 191 c) Niederschlag im FSA .............................................................................. 193 aal Behandlung von Nichtmitgliedern nach Art. 8 Abs. 4 und 17 FSA ...................................................................................... 193 bb) Ausnahme zum Flaggenstaatsprinzip ............................................... 194 2. Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung ................................................. 194
Inhaltsverzeichnis II.
13
Theoretische Begründungen von Drittwirkung internationaler Verträge .......... 195 1. Nach der WVRK .......................................................................................... 195 2. Andere Ansatzpunkte einer Begründung von Drittwirkung ......................... 197 3. Zwischenergebnis ........................................................................................ 199
III. Vorhandene Drittwirkung internationaler Verträge .......................................... 200 1. Reflexwirkung völkerrechtlicher Verträge ................................................... 200 2. Qua Gewohnheitsrecht ................................................................................. 201 a) Entstehung .............................................................................................. 202 b) Instant Customary Law ........................................................................... 203 c) Schaffung von Gewohnheitsrecht durch Verträge ................................... 204 d) Persistant Objector Rule .......................................................................... 206 e) Ius cogens ............................................................................................... 207 aa) Ursprung .......................................................................................... 207 bb) Ausdehnung auf den Bereich des Umweltrechts .............................. 208 cc) Parallele in den Entwicklungen der Standards ................................. 209 dd) Zwischenergebnis ............................................................................. 211 f) Ergebnis .................................................................................................. 211 3. Objective RegimesJStatusverträge ............................................................... 211 a) Überblick ................................................................................................ 212 b) Drei klassische Beispiele aus der Praxis ................................................. 214 c) Gemeinsame Elemente ............................................................................ 215 d) Ergänzung und Ergebnis ......................................................................... 216 4. Barcelona-Traction: Verpflichtungen erga omnes ....................................... 217 IV. Geltende Ordnungssysteme: Internationalisierung und Institutionalisierung gemeinsamer Anliegen ...................................................................................... 218 1. Einleitung ..................................................................................................... 218 2. Antarktis ...................................................................................................... 220 a) Überblick ................................................................................................ 220 b) Intention der Regelung erga omnes ........................................................ 222 aa) Wortlaut ........................................................................................... 222 bb) Systematik ........................................................................................ 223 cc) Sinn und Zweck ............................................................................... 224 dd) Ergebnis ........................................................................................... 225 c) Akzeptanz durch die Staatengemeinschaft .............................................. 225 d) Beitritt offen rur alle ............................................................................... 225 e) Regelungskompetenz .............................................................................. 226 f) Praktische Durchsetzung gegenüber Drittstaaten und Institutionalisierung .................................................................................................. 227 g) Zusammenfassung ................................................................................... 228 3. Tiefseeboden ................................................................................................ 228 a) Überblick ................................................................................................ 228 b) Parallele zum Fish Stocks Agreement ..................................................... 230 c) Intention der Regelung erga omnes ........................................................ 231 aa) Wortlaut und Systematik .................................................................. 231 bb) Historische und teleologische Auslegung......................................... 232 cc) Ergebnis und Ergänzung .................................................................. 232
14
Inhaltsverzeichnis
4.
5.
6.
7.
d) Akzeptanz durch die Staatengemeinschaft .............................................. 232 e) Beitrittsmöglichkeit.. ............................................................................... 233 f) Regelungskompetenz .............................................................................. 233 g) Durchsetzung gegenüber Drittstaaten und Institutionalisierung .............. 234 h) Zusammenfassung ................................................................................... 234 Weltraum ..................................................................................................... 234 a) Kurzer Überblick über das Rechtsregime................................................ 235 aa) Die Nutzung des geostationären Orbits ............................................ 236 bb) Die Nutzung des Mondes ................................................................. 238 b) Intention der Regelung erga omnes ........................................................ 238 aa) Weltraum/geostationäres Orbit ........................................................ 238 bb) Mond ................................................................................................ 239 c) Akzeptanz in der Staatengemeinschaft .................................................... 240 aa) Weltraumvertrag .............................................................................. 240 bb) Mondregime ..................................................................................... 240 d) Beitritt offen ............................................................................................ 241 e) Regelungskompetenz .............................................................................. 242 f) Zusammenfassung................................................................................... 242 Ozonschicht ................................................................................................. 243 a) Überblick ................................................................................................ 243 b) Intention der Regelung erga omnes ........................................................ 244 c) Akzeptanz in der Staatengemeinschaft.................................................... 245 d) Beitrittsmöglichkeit. ................................................................................ 246 e) Regelungskomptenz .............................................................................. 2466 f) Ergebnis .................................................................................................. 246 Gegenbeispiele: ArtenvielfaltskonventionlMigratory Species ................... 2477 a) Artenvielfaltskonvention ......................................................................... 247 b) Migratory Species ofWild Animals ........................................................ 248 Zusammenfassende Beurteilung der Problemstrukturen und Vergleich zum FSA ...................................................................................... 249
B. Elemente der Ordnungssysteme ................................................................................ 250 I.
Vorerörterung: Prinzip des Common Heritage of Mankind .............................. 251 1. Entwicklung ................................................................................................. 251 2. Einzelne Merkmale ...................................................................................... 253 3. Bisherige Umsetzung ................................................................................... 254 4. Mögliche Ausdehnung des Konzeptes ......................................................... 255 5. Ergänzende Zusammenfassung .................................................................... 256
11.
Common Interest: Definition des Allgemeininteresses ..................................... 257 1. Vorüberlegung ............................................................................................. 258 2. Definition des Allgemeininteresses .............................................................. 260 a) Existenz einer internationalen Gemeinschaft .......................................... 260 b) Terminologie ........................................................................................... 261 c) Verschiedene Ansätze zur Identifizierung eines Allgemeininteresses .... 262 aa) Volonte generale oder objektiver Weltgeist ..................................... 262 bb) Parallel gelagerte Staateneinzelinteressen ........................................ 263
Inhaltsverzeichnis
15
cc) Consensus ........................................................................................ 263 dd) Public Interestlöffentliches Interesse ................................................ 264 ee) Ergebnis ........................................................................................... 265 d) Element Zeit.. .......................................................................................... 266 3. Verfahrensregeln bei der FestIegung von Allgemeininteressen ................... 266 a) Behauptung/Intention der Regelung fiir alle ........................................... 267 aal Multilaterale Verträge ...................................................................... 268 bb) Resolutionen der Generalversammlung............................................ 269 cc) Andere Akteure ................................................................................ 269 dd) Ergebnis ........................................................................................... 270 b) Doppelte "Akzeptanz" des besonderen Interesses ................................... 270 aal "Akzeptanz" gleich Nicht-Ablehnung .............................................. 270 bb) Durch die große Mehrheit ................................................................ 273 cc) Doppelte "Akzeptanz" ...................................................................... 274 c) Durchsetzung/Erga-omnes- Wirkung ...................................................... 275 4. Argumente gegen die Existenz von Normen des Allgemeininteresses ......... 276 5. Zusammenfassung........................................................................................ 277 111. Weitere Elemente .............................................................................................. 278 I. Universelle Konferenzen .............................................................................. 278 2. Einschaltung einer internationalen Institution .............................................. 280 3. Wandel der Funktionen internationaler Organisationen ............................... 281 a) Organisationen auf Regierungsebene ...................................................... 281 b) NGOs ...................................................................................................... 282 c) Zwischenergebnis ................................................................................... 283 4. Mosaik verschiedener Verträge .................................................................... 283 a) Verwendung von Rahmenverträgen ........................................................ 284 b) Zusammenspiel von "hard law" und "soft law" ...................................... 285 5. Compliance Control ..................................................................................... 286 6. Zusammenfassung ........................................................................................ 286
C. Versuch der Begründung von Regelungsbefugnis .................................................... 287 I.
Praktische Notwendigkeit einer Regelung ........................................................ 288
11.
Gleiches Teilnahmerecht fiir alle ...................................................................... 289
111. Wahrnehmung einer Ausgleichs- oder Distributionsfunktion ........................... 289
IV. Konsequenz: Keine einseitige Rücknahme möglich ......................................... 290 V.
Ergebnis zur Drittwirkung des FSA .................................................................. 290 Abschlußbemerkung
292
Literaturverzeichnis
293
Problemstellung Zum Erhalt der Umwelt muß auf internationaler Ebene dringend gehandelt werden. Völkerrechtliche Traditionen scheinen diesem Ziel regelmäßig entgegenzustehen. Dies liegt zum einen an den aufwendigen Verhandlungen und langwierigen Verfahren, die internationalen Entscheidungen vorausgehen. Zum anderen liegt das daran, daß kein Staat gern zugunsten eines internationalen Zieles höchsteigene Rechte aufgibt. Um eine international wirksame Einigung zu erzielen, muß der politische Wille, ein Ziel zu erreichen, schon sehr dringend sein. I Dennoch werden auf internationaler Ebene zahlreiche Anstrengungen unternommen, überlebensbedrohende Probleme der Umwelt zu lösen, bevor es zu spät ist.
A. Drei relevante Besonderheiten umweltrechtlicher Verträge Internationale umweltrechtliche Verträge unterscheiden sich in mehrerlei Hinsicht von traditionellen völkerrechtlichen Verträgen. Zumeist werden dabei drei Charakteristika genannt. Kennzeichnend rur umweltrechtliche Verträge ist zum ersten die Schwierigkeit, die sich den Völkerrechtssubjekten bei Verhandlungen stellt, wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Ziele miteinander zu verbinden. Ohne gesicherte wissenschaftliche Daten ist es Politikern und Diplomaten unmöglich, Verträge mit konkreten Handlungsverpflichtungen auszuhandeln. Zum zweiten spielt der Erhalt einer intakten Umwelt mit ihren lebensnotwendigen Ressourcen filr zukünftige Generationen eine große Rolle. Kommende Generationen können allerdings gegenwärtig nicht Rechtsträger sein. Ihre Interessen müßten im übrigen von jetzt lebenden Personen wahrgenommen werden. Dies kompliziert ihre Vertretung weiter. Von besonderem Interesse filr die vorliegende Arbeit ist das dritte Charakteristikum, das zur Unterscheidung herangezogen wird. Es handelt sich hierbei um das Vertragsobjekt: oft geht es bei Umweltverträgen um die sogenannten "global commons" - gemeinsame Ressourcen bzw. Ressourcen, die die gesamte internationale Gemeinschaft betreffen. Dabei können grob unterteilt erneut drei Kategorien ausgemacht werden. Zum ersten gelten als gemeinsam solche Güter,
S.257.
Kiss, Nouvelles tendances en droit international de l'environnement, GYIL 1989,
2 Ziemer
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Problemstellung
die sich wie die afrikanischen Elefanten oder der brasilianische Regenwald auf das Staatsgebiet bestimmter Staaten beschränken, aber einen Einfluß auf die globale Umwelt haben. Diese Güter sollen hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Sie werden in der vorliegenden Arbeit nicht näher untersucht. Es ist davon auszugehen, daß aufgrund bestehender Gebietshoheiten die Regelung von Erhaltung und Nutzung dieser Güter an diejenigen Staaten gekoppelt ist, auf deren Gebiet sie sich aufhalten. Sie sind dabei zwar verpflichtet, die Interessen der Staatengemeinschaft am Erhalt der Güter zu berücksichtigen. Andere Staaten können hier aber nur unter Beachtung der jeweiligen Souveränität Einfluß ausüben. Der zweite Fall umfaßt solche Güter, an denen Aneignung schlicht unmöglich ist, wie etwa beim Erdklima oder der Ozonschicht. Eine Veränderung solcher Güter hat ebenfalls Einfluß auf alle Völker der Erde gleichermaßen. Hier kann eine Kompetenz zur Erhaltungs- und Nutzungsregelung im Gegensatz zu den Gütern des ersten Falles nicht über die Gebietshoheit begründet werden. Diese Güter sind völlig von jeglichen Gebietsformen losgelöst. Die Notwendigkeit einer internationalen Lösung ergibt sich hier aus der praktischen Unmöglichkeit der territorialen Aneignung durch einzelne Staaten. Dieser Fall soll aber auch nicht zum Schwerpunkt der Arbeit werden, hierüber gibt es bereits zahlreiche weiterführende Untersuchungen. 2 Beispiele dieser Kategorie werden allerdings zum Vergleich mit der dritten Kategorie gemeinsamer Güter herangezogen werden.· Diese dritte und derzeit problematischste Kategorie beinhaltet schließlich Güter, die noch unverteilt sind, theoretisch aber verteilt werden könnten. Beispiel sind Teile der Hohen See oder mit Einschränkung auch die Antarktis, in denen kein Staat Besitzansprüche stellen kann. Wie konfliktträchtig und brisant die Zuordnung dieser dritten Kategorie international ist, wurde der Weltöffentlichkeit eindrucksvoll im Fischereiflottenstreit zwischen Spanien und Kanada im Frühjahr 1995 vor Augen gefUhrt. Der Streit über Fischereirechte am Schwarzen Heilbutt in Hochseegebieten vor den Grand Banks, Neufundland, löste einen schweren Handelskonflikt zwischen Kanada und der EU aus, der erst Monate später nach zähen Verhandlungen gelöst werden konnte. 3 Genau hier liegt der Schwerpunkt der folgenden Untersuchungen. Um genau solche noch unverteilten Güter geht es bei dem "UN-Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 1O. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen
2
Zum Status der Ozonschicht etwa Biermann, Saving the Atmosphere, S. 9 ff. Einigung abgedruckt in I.L.M. 34 (1995) S. 1260.
B. Nutzung erschöpflicher Ressourcen und staatliche Souveränität
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Wirtschaftszonen vorkommen (gebietsübergreifende Bestände), und von weit wandernden Fischbeständen" .4
B. Nutzung erschöpflicher Ressourcen und staatliche Souveränität Die in dieser dritten Kategorie erfaßten Güter bergen erschöpfliche Rohstoffe. Anerkanntennaßen haben alle Staaten gleiches Recht auf Zugang zu staatsfreien Gebieten und deren Vorkommen. 5 Da alle oder fast alle Staaten von diesen Ressourcen abhängen, erfordert ihre Nutzung und Bewirtschaftung internationale Zusammenarbeit und konzertierte Aktionen. Diese Maßnahmen werden aber in dem Moment ineffektiv, in dem Staaten, Einzelpersonen oder andere Einheiten sich weigern, mit den anderen zusammenzuarbeiten, und damit eine effektive Bewirtschaftung verhindern (hold outs). Ebenso problematisch ist der Fall, in dem einige Staaten von den Erfolgen internationaler Bemühungen profitieren, sich aber an den entstehenden Kosten nicht beteiligen wollen, also auf Kosten der anderen die Ressourcen weiterhin uneingeschränkt fUr sich nutzen (free riders). Traditionelles Völkerrecht fußt auf dem Prinzip der einzel staatlichen Souveränität sowie der Gleichheit der Staaten. Solange die Souveränität des Einzelnen aber in uneingeschränktem Maße anerkannt bleibt, ist es unmöglich, "hold outs" und "free riders" zu gemeinschaftskonfonnem Handeln zu bewegen. Boykotte und Sanktionen sind zwar denkbar, könnten aber selbst völkerrechts widrig sein und fUhren oft auch nicht zum gewünschten Erfolg. Damit ist festzustellen, daß der Grundsatz der nationalen Souveränität globalen Lösungen im Bereich des Umweltschutzes entgegensteht. 6 Um diesen Grundsatz gibt es einerseits im geltenden Völkerrecht keinen Umweg. Andererseits führt auch nichts um die Überlegung herum, daß natürliche Ressourcen irgend wann erschöpft sind, bei den lebenden Ressourcen der Hohen See teilweise sogar in absehbarer Zeit. Insbesondere Thunfisch als eine der kommerziell wertvollsten Fischarten gilt seit Jahren in Nord- und Südatlantik als komplett abgefischt bzw. schwer überfischt. 7 Bezüglich gebiets übergreifender Arten bieten die Grand Banks vor Neufundland wieder das drastischste Beispiel: Als der Entdecker John Cabot 1497 in diese Gegend gelangte, soll sich seine Mannschaft darüber beschwert haben, daß die Schwänne von Dorsch so dick Abgedruckt in 34 I.L.M. (1995) S. 1542. Vgl. Wolfrum, Internationalisierung, S. 4 f. 6 Jacobson, Entry into Force of the Law of the Sea Convention, 1994 Rhodes Papers, S. 320. 7 Mettzer, Global Overview, ODIL 1994, S. 259; zum Status einzelner Arten vgl. UN Doc. A/CONF.I 64/INF/4. 4
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Problemstellung
waren, daß sie hindurchrudern mußten, um an Land zu gelangen. 8 Über die Jahrhunderte haben hauptsächlich kanadische, aber auch fremde Fischer diese Ressourcen ausgebeutet. Heute sind die Vorkommen nahezu ausgelöscht. Die kanadische Regierung hat seit 1992 in ihrer Wirtschaftszone ein totales Moratorium über Dorsch verhängt, um die letzten Vorkommen zu retten. 9 Tausende von Fischern sind arbeitslos geworden. Wenn aber die natürlichen Vorkommen ausgerottet sind, verbleiben nur noch Hoheitsrechte über nichts. Solche Hoheitsrechte über nichts sind aber auch nur genausoviel wert. Insofern birgt der Grundsatz nationaler Souveränität ein gewisses selbstzerstörerisches Potential. Um diese Selbstzerstörung zu verhindern, muß ein Weg gefunden werden, wenigstens solche Maßnahmen durchzusetzen, die die überwältigende Mehrheit der Staaten zum Erhalt der lebensnotwendigen Ressourcen ftlr erforderlich hält. Bei solchen Mehrheitsmaßnahmen erscheint es am ehesten wahrscheinlich, daß das gewünschte Ergebnis erzielt werden kann. In der vorliegenden Arbeit gilt es zu beweisen, daß die internationale Gemeinschaft in den vergangenen Jahren eine Möglichkeit entwickelt hat, über den Weg multilateraler Vereinbarungen unter ganz bestimmten Umständen auch die "hold outs" und "free riders" an gemeinsame Spielregeln zu binden. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Tatsache, daß die Regulierung menschlicher Tätigkeiten auf immer höhere Ebenen verlagert wird. Das System der Nationalstaaten sieht sich der Bildung immer neuer internationaler regionaler und globaler Organisationen gegenüber, allen voran die Vereinten Nationen, die WTO oder etwa die EU. Inzwischen bedienen sich Staatenmehrheiten oder -gemeinschaften mehrerer Taktiken, um auch Drittstaaten zu vereinbarungskonformem Handeln zu bewegen. Einige dieser Taktiken werden im Laufe der Untersuchungen zum Vorschein kommen. Das UN-Übereinkommen zur Durchftlhrung der Bestimmungen des Seerechts übereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen vorkommen (gebietsübergreifende Bestände), und von weit wandernden Fischbeständen 10 (FSA) ist eines der neuesten und vor allem eines der deutlichsten Beispiele, anhand derer diese These belegt werden kann. Das Seerecht ist bereits seit langem als
8 Hudson (Hrsg.), Global Report No. 43, Winter-Spring 1995: The Great Global Fish Massacre. 9 Vgl. Vinogradov/Wouters, The Turbot War in the Northwest Atlantic, S. 601. 10 Text in: I.L.M. 34 (1995), S. 1542 tT. Der Einfachheit halber soll in Anlehnung an den englischen Titel des Übereinkommens "Agreement on the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 Relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks" die Abkürzung FSA (Fish Stocks Agreement) verwendet werden.
B. Nutzung erschöpflicher Ressourcen und staatliche Souveränität
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Vorreiter in der Entwicklung internationalen Rechts bekannt. Interessante Impulse rur alle Bereiche des Völkerrechts sind vor allem aus dem Tiefseebodenregime gekommen. Insofern handelt es sich um ein Rechtsgebiet, das bereits für seine sehr dynamische Entwicklung bekannt ist. Zwei Punkte werden dabei vom traditionellen völkerrechtlichen, vom Begriff der staatlichen Souveränität geprägten Verständnis her auf den ersten Blick als schlicht unmöglich erscheinen: Zum einen nehmen es die Vertragsparteien für sich in Anspruch, auch Drittstaaten an Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen bestimmter internationaler Organisationen zu binden. Zum anderen wird das Flaggenstaatsprinzip in bezug auf Hochseefischerei zum Teil erheblich eingeschränkt. Die souveränen Rechte von nicht an der Organisation beteiligten Staaten werden dadurch deutlich beschnitten. Um eine dogmatische Begründung rur diese geradezu revolutionären Neuerungen zu finden, ist es zunächst notwendig, einen Blick auf das geltende Regime der Hochseefischerei zu werfen. Nur so wird deutlich, warum das Problem gerade in bezug auf weit wandernde und grenzüberschreitende Fischarten so akut ist. Aufschlußreich ist auch eine Analyse des Verlaufs der Verhandlungen zum Übereinkommen, sowie die Untersuchung der einzelnen Artikel des Übereinkommens im Vergleich zum geltenden Seerecht. In einem dritten Teil soll schließlich geprüft werden, ob eine Drittwirkung von multilateralen Verträgen überhaupt möglich ist, und unter welchen Voraussetzungen sie heute schon anerkannt bzw. geduldet ist. Es ist zu beweisen, daß es effektiv bereits heute eine Drittwirkung multilateraler Verträge gibt. Das UN-Abkommen vermag die Voraussetzungen solcher Verträge mit Drittwirkung ebenfalls zu erfüllen. Der Grundsatz nationaler Souveränität wird damit zwar bei weitem nicht beseitigt, als absolute conditio sine qua non des Völkerrechts jedoch einschränkbar.
J. Teil
Aktuelle Regelung der Hochseefischerei A. Einleitung Für eine Untersuchung des UN-Übereinkommens zur DurchfUhrung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen vorkommen (gebietsübergreifende Bestände), und von weit wandernden Fischbeständen I ist es unerläßlich, zunächst die durchzufUhrenden Bestimmungen selbst unter die Lupe zu nehmen. Ziel dieses ersten Teils ist daher eine Auflistung der einzelnen aktuellen Regelungen der Hochseefischerei nach den genannten Zielarten. Insbesondere sind die Vorschriften der Seerechtskonvention von 1982 2 zu untersuchen. Es wird bewiesen werden, daß das traditionell gültige Prinzip der Freiheit der Fischerei auf der Hohen See heute bereits kaum noch Substanz hat. Dieses Prinzip bedeutet negativ definiert die Abwesenheit staatlicher Kontrolle durch andere als den Flaggenstaat. 3 Die Fischereifreiheit ist seit Jahren starken Erosionserscheinungen ausgesetzt. Zum einen gibt es eine Tendenz, nationale souveräne Rechte geographisch immer weiter auf die Gebiete der See auszudehnen. Zum anderen schränken international akzeptierte Regeln zur Bewirtschaftung der Vorkommen die Fischerei auf der Hohen See ein. Denn wenn die Bestände der gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten auf der Hohen See bewirtschaftet werden, kann das nur heißen, die Fischerei der Hohen See Verteilungsregeln zu unterwerfen. Dies hat zwangsläufig einen Eingriff in die materielle Aussage des Prinzips der Freiheit der Hohen See zur Folge. Diese Punkte werden im Laufe der Untersuchung näher dargelegt, wobei ein kurzer Rückblick auf geschichtliche Hintergründe nicht zu vermeiden ist. An-
Im weiteren wird zur Vereinfachung die Abkürzung FSA (Fish Stocks Agreement) verwendet. 2 BGBI. II 1995, S. 602, im folgenden SRK abgekürzt. König, Durchsetzung, S. 57.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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schließend folgt eine beispielhafte Untersuchung einzelner bestehender regionaler Fischereiorganisationen, um einen Überblick über die derzeit gängige Umsetzung der Regeln in die fischereirechtliche Praxis zu geben. Das Ergebnis kann bereits vorweggenommen werden: Aufgrund der Rahmen- und Lückenhaftigkeit der geltenden Regeln in Kombination mit dem aus der einzelstaatlichen Souveränität folgenden Flaggenstaatsprinzip ist ein effektiver Schutz der lebenden Bestände der Hohen See trotz der bestehenden Regelungen unmöglich.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt Die geltenden Regelungen sind das Ergebnis eines längeren Entwicklungsprozesses in der Definition des Gebietes der "Hohen See" und der dort geltenden Fischereirechte. So hat der Begriff der Hohen See in bezug auf die Fischerei im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte eine ganz andere Bedeutung erlangt als noch im traditionellen Seerecht.
I. Überblick: Widerstreit konkurrierender Interessen bei der Verteilung von Ressourcen
Ein erster schriftlicher Anhaltspunkt tUr die geographische Definition der Hohen See findet sich in Art. I des Genfer Übereinkommens über die Hohe See vom 29. April 19584: Danach sind Hohe See alle diejenigen Seegebiete, "die nicht zum Küstenmeer oder den inneren Gewässern eines Staates gehören". Da die große Mehrheit der Küstenstaaten bis etwa in die 70er Jahre hinein nur zurückhaltende Ansprüche geltend gemacht hatte - üblich waren drei bis 12 Seemeilen - waren zu diesem Zeitpunkt sämtliche Ozeane und Binnenmeere abgesehen von schmalen Küstenstreifen Teil der Hohen See.
J. Prinzip der Freiheit der Fischerei
Fundamentales Prinzip der Hohen See ist neben den Freiheiten von Schiffahrt und Überflug vor allem die Freiheit der Fischerei. Beinhaltet diese Freiheit negativ definiert die Abwesenheit staatlicher Kontrolle der Fischerei durch andere als den Flaggenstaat, so fordert sie positiv freien und gleichen Zugang zu den lebenden Ressourcen der Hohen See tUr alle Staaten. 5 Diese Freiheit hat folgen-
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1962.
Text in: BGBI. 1972 11, 1089; UNTS 450, 11, 169, in Kraft seit 30. September
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
den Hintergrund: Noch bis in das 20. Jahrhundert hinein ging man grundsätzlich von der Unerschöpflichkeit der lebenden Ressourcen in den Ozeanen aus. 6 Während die Vorkommen direkt unter der Küste, die fUr jeden Fischer leicht zu erreichen waren, bereits früh unter nationale Regelungen gestellt wurden, waren die unbegrenzten Weiten der Ozeane nur rur wenige erreichbar. Es war auch nicht möglich, die gesamten Meere rechtlich oder tatsächlich unter nationale Herrschaft zu stellen. Ebensowenig war vorstellbar, daß die Fischvorkommen in diesen kaum erreichbaren Weiten aufirgendeine Weise begrenzt sein könnten. Praktisch bedeutete die Fischereifreiheit ein Recht zur uneingeschränkten Nutzung der See fUr jeden, dem es möglich war, sie zu erreichen. Von diesem Nutzungsrecht wurde nach dem Grundsatz "wer zuerst kommt, fischt zuerst" ausgiebig Gebrauch gemacht. Ein einzelner Staat konnte und kann die Nutzung solcher Vorkommen aufgrund der Weite der Ozeane ohnehin nicht beherrschen. Begründet wurde die Fischereifreiheit auch damit, daß das namrliche Recht Eigentum an solchen Sachen verbietet, die die Natur rur den gemeinschaftlichen Nutzen aller erschaffen hat. 7 Eine Einschränkung fand die Fischereifreiheit zunächst nur durch Art. 1 Abs. 2 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See von 1958. 8 Danach bestand die Verpflichtung, "die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See zu treffen". In Art. 2 Satz 4 des Übereinkommens hat auch bereits der Gedanke der gegenseitigen Rücksichtnahme bei der Ausübung des Nutzungsrechtes Niederschlag gefunden. Diese Norm sieht vor, daß die Staaten die Fischereifreiheit unter angemessener Berücksichtigung der Interessen aller anderen Staaten auszuüben haben. Es konnte allerdings noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts soviel gefischt werden wie möglich, ohne daß irgendwelche Auswirkungen auf die sich selbst erneuernden Fischbestände bemerkbar waren. Die Fischereiaktivitäten eines Staates konnten damit schon rein praktisch gar nicht in die Rechte anderer Staaten eingreifen. 9 Eine weitere Beschränkung der Fischereifreiheit war daher damals nicht nötig und wurde lange Zeit überhaupt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.
5
S.1I0.
Wolfrum in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Vol. 11,
6 Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal, Vol. 26,1996, S. 316. 7 Hugo Grotius, Mare Iiberum; vgl. van Dyke, International Govemance and Stewardship ofthe High Seas and Its Resources, in: Ocean Govemance, in Fußnote 12. 8 Text in UNTS 559, 285. 9 Vgl. van Dyke, Ocean Govemance, S. 14.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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2. Erkenntnis der Erschöpjlichkeit der Ressourcen
Hochtechnologie (größere Netze, Schleppnetze, Einsatz von Maschinen bei der Handhabung der Netze, Radar- und Sonartechnik zur Ortung von Schwärmen, die Möglichkeit des Tiefgefrierens des Fanges, wobei solche Anschaffungen oft durch erhebliche Subventionen gestützt wurden), ständig steigender Bedarf nach Lebensmitteln und stetige Vergrößerung aller Fischereiflotten, teilweise durch erhebliche Subventionen unterstützt,10 haben dieses Bild gewandelt: 1I Die angestammten FanggrUnde der Flotten wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unrentabel, ganze Fischbestände durch Überfischung ausgerottet. 12 DarUber hinaus trifft der schlechte Zustand der Fischbestände die ökonomische Situation der Fischer sowie der Fischereiindustrie schwer. I3 Am Ende standen sich zwei Gruppen von Staaten gegenüber, die dasselbe Interesse verfolgten, nämlich so ertragreich wie möglich zu fischen. Diese Gruppen sind einerseits die Küstenstaaten, die die FanggrUnde vor ihren Küsten vor fremden Fischern zugunsten der Einheimischen schützen wollten. Auf der anderen Seite standen die Industrienationen, die selbst über ,keine reichen, küstennahen Vorkommen verfilgten, dafilr aber über Flotten, die in entfernteren Gegenden und damit vor reichen Küsten fischen konnten. Mit der Erkenntnis, die Ressource ist erschöpflich, geht auch die Einsicht einher, daß die uneingeschränkte Ausübung der Nutzungsrechte dieselben im Kern zerstört: spätestens dann, wenn die Bestände durch Überfischung ausgerottet sind. Damit wird durch Überfischung sehr wohl in die Fischereirechte anderer Staaten eingegriffen. Die einzige erdenkliche Möglichkeit, die Nutzungsrechte filr alle Fischer zumindest in Grenzen zu wahren, ist daher eine Selbstbeschränkung der Staaten. 14
\0 Speer/Chasis, An NGO Perspective, Ocean & Coastal Management, Special Issue 1995, S. 71. 11 Erklärung des Vorsitzenden der Konferenz zur Eröffnung der zweiten Sitzung, in Doc. AlCONF.I64/lI (1993), S. 1-2; vgl. Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal, Vol. 26 (1996), S. 313; Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy, Vol. 19, 1995, S. 159; Friedheim, Negotiating the New Ocean Regime, S. 124; Speer/Chasis, The Agreement on the conservation and management of straddlig and highly migratory fish stocks: an NGO perspective, Ocean & Coastal Management, Special Issue 1995, S. 71. 12 Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal, Vol. 26 (1996), S. 313. 13 Nandan, The Draft Agreement, S. 294. 14 Vgl. den Vorschlag der ILC bei der Kommentierung des endgültigen Vorschlags zur Kodifikation der Freiheiten der Hohen See: "Any freedom that is to be exercised in the interest of all entitled to enjoy it, must be regulated. Hence, the law of the seas contains certain rules ... , which are designed, not to limit or restrict the freedom of the high seas, but to safeguard its exercise in the interests ofthe entire inter national community",
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu: Bereits 1911 gab es mit dem Abkommen zum Pelzrobbenfang l5 zum ersten Mal einen Vertrag, in dem der Gedanke des Bestandsschutzes formuliert wurde. Für alle lebenden Ressourcen jedoch hat sich dieser Gedanke noch lange nicht durchsetzen können.
3. Erste Gegenmaßnahmen Wenn eine Ressource erschöpflich ist, aber viele an ihr interessiert sind, muß die Verteilung des Vorkommens in irgendeiner Form geregelt werden. Denkbare Lösungsansätze bei der Verteilung einer bis dahin staatsfreien Ressource gehen in zwei Richtungen: Unilaterale Ausdehnung von Rechten auf den bislang staatsfreien Raum oder multilaterale Vereinbarungen zur Regelung der FischereL I6
a) Internationaler Lösungsansatz Der Vertrag zum Pelzrobbenfang kann zum Beispiel als Versuch einer gemeinsamen, internationalen Lösung angesehen werden. Bezüglich der Hochseefischerei fand der erste Versuch einer allgemeinen Regelung während der ersten Genfer Seerechtskonferenz 1958 statt. Dabei stand vor allem die Zuweisung von Kompetenzen zum Erlaß und zur Durchsetzung von Schutzmaßnahmen im Vordergrund. 17 In einem die Konferenz vorbereitenden Memorandum des Sekretariats der Vereinten Nationen 18 wird jedoch die Möglichkeit des Bestandsschutzes der Fischvorkommen durch eine internationale Organisation noch nicht erwähnt. Als Lösung wird statt dessen lediglich die Erweiterung der Küstengewässerbreite oder die Errichtung von Fischereischutzzonen als Lösungsalternativen genannt. In den ersten Debatten der ILC zu dieser Frage wurde vorgeschlagen, die Erhaltung der Fischbestände der Hohen See regionalen Fischereiorganisationen zu
in: YBILC 1956 11, S. 278; ausfllhrliche Beschreibung der Entwicklung bei Friedheim, Negotiating the New Ocean Regime, S.124 ff. 15 Convention between the United States of America, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ire land, and Russia, for the Preservation and Protection of Fur Seals (Washington), 7. July 1911, in force 15 Oecember 1911, VIIII.P.E. 3682: 29,418. 16 Eine Unterscheidung in vier Lösungsansätze unternimmt Wolfrum, Die Fischerei auf Hoher See, ZaöRV 1978, S. 659ff., 663 m. w. N. in FN 18: strikt national, funktional national, funktional international und strikt international. 17 Ausfllhrlich Wolfrum, Internationalisierung, S. 198. 18 Memorandum presente par le Secretariat, UN Ooc. AlCNAI32, YBlLC 1950 Bd. 11, S. 67 (82 f).
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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übertragen. Durch eine Allgemeingültigkeitserklärung sollten die von dieser Organisationen getroffenen Regeln dann in ihrem Konventionsgebiet auch gegenüber solchen Staaten Bindungswirkung haben, die nicht Mitglieder dieser regionalen Organisation waren. 19 Zur BegrUndung wurde darauf hingewiesen, daß nur so dem Interesse der Menschheit (interest of mankind) an der Erhaltung der Bestände gedient werden könne. 20 Wer aber die Kompetenz haben sollte, eine solche Allgemeinverbindlichkeitserklärung abzugeben, wurde nicht geklärt. Insgesamt wurde keine Einigung über diesen Punkt erzielt, sondern die Frage der Möglichkeit einer Allgemeinverbindlichkeit an den Berichterstatter übertragen. Als einzige Lösung für einen effektiven Bestandsschutz sah dieser jedoch nur die Ausdehnung küstenstaatlicher Kompetenzen an. 21
b) Praxis: Nationale Lösung Im Ergebnis setzte sich der in den Debatten erkennbare internationale Lösungsansatz nicht durch. 22 Dementsprechend verlief die Entwicklung in der Praxis - insbesondere mit Akutwerden des Problems bezüglich aller mariner Vorkommen - in eine nationalisierende Richtung. 23 Nach dem zweiten Weltkrieg24 begannen die Küstenstaaten zunächst einseitig damit, ihre Hoheitsgewässer von drei auf bis zu zwölf Seemeilen auszudehnen, um die naheliegenden eigenen FanggrUnde vor fremden Fischern zu sichern. 25 Parallel dazu machten einige Staaten eigene Rechte an Fischvorkommen vor ihrer Küste im Anschluß an ihre Hoheitsgewässer geltend. 26 Ausgelöst wurde dies durch eine Erklärung des USamerikanischen Präsidenten Truman vom 28. September 1945, mit der eine Fischereischutzzone vor der amerikanischen Küste eingerichtet werden sollte. 27
Wolfrum, Internationalisierung, S. 199. Vgl. YBILC Bd. I, S. 201. 21 Deuxieme rapport sur la haute mer, UN Doc. NCN.4/42, YBILC 1951 Bd. 11, S. 75 (88 f.). 22 Wolfrum, Internationalisierung, S. 200. 23 Überblick über die Ereignisse bei Davies/Redgwell, The International Regulation ofStraddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 219 ff. 24 Wenige Staaten begannen damit schon vor dem Krieg, z. B. Brasilien (1938, 12 sm), Kolumbien (1923, 12 sm), Libanon (1921, 6 sm), vgl. dazu die Übersicht in: UN Doc. AlCONF. 13/C. I1L.1 I1Rev.l, COIT. 1 und 2). 25 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fishery Resources, S. 6. 26 Z. B.: Erklärung des US-amerikanischen Präsidenten vom 28. September 1945, abgedruckt in AJIL 1946, Doc. Section, pp. 46-47. 27 Text in UNST/LEG/SER.B/1,112, vgl. Mann Borgese, Ocean Governance, S. 14. 19
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Als Reaktion darauf beanspruchten Chile, Ecuador und Peru in der sogenannten Erklärung von Santiago am 18. August 1952 die ausschließliche Souveränität und Jurisdiktion über eine 200 Seemeilen breite Meereszone vor ihren Küsten. 28 In Europa spielte Island bei einer ähnlichen Entwicklung eine VorreiterrolIe, indem es 1948 in den über dem Festlandssockel befindlichen Gewässern Fischereischutzzonen einrichtete. In diesen Zonen solIte der Fischfang isländischer Regelung und Kontrolle unterfallen. 29 Dieses Konzept einer Fischereizone konnte sich jedoch während multilateraler Verhandlungen in den beiden ersten Genfer Seerechtskonferenzen nicht durchsetzen. 3o Das Genfer Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Schätze der Hohen See vom 29. April 1958 31 erkennt lediglich in Art. 6 Abs. I ein "be sonde 'es Interesse" der Küstenstaaten an, "die Ergiebigkeit der lebenden Meeresschätze in jeder an sein Küstenmeer grenzenden Zone der Hohen See zu erhalten". Einseitige Maßnahmen des Küstenstaates sollen aber nur ausnahmsweise und unter ganz bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig sein, wenn internationale Verhandlungen über Bestandsschutzmaßnahmen erfolglos geblieben sind. 32 Daraus ist zu schließen, daß die Konvention von 1958 noch am Prinzip der Freiheit der Hohen See mit einem internationalen Lösungsansatz festhält und den Küstenstaaten nationale Kompetenzen allenfalls zum Zwecke des Bestandsschutzes einräumt. Im Ergebnis wurde nicht mehr erzielt als ein Komprorniß in der Mitte zwischen dem nationalen und dem internationalen Lösungsansatz, die Gebiete der Hohen See gemeinsam zu bewirtschaften,33 wobei allerdings die Fernfischerei betreibende Staaten begünstigt werden. 34 Indiz dafilr, daß filr alIe Seiten dieser Komprorniß sehr unbefriedigend gewesen sein muß, ist die Tatsache, daß dieser Konvention nicht mehr als 34 Staaten beitraten. Eine zweite Seerechtskonferenz wurde im Anschluß an die erste einberufen, um eine Einigung über die Reichweite der Fischereirechte der Küstenstaaten zu erzielen. 35 Dieses
28 Vgl. Mann Borgese, Ocean Governance, S. 14; O'Connell/Shearer, Bd. I, S.553-558. 29 Law No. 44, concerning the scientific conservation of the continental shelf fisheries, 5. April 1948; Text in UN ST/LEG/SER.B/I, 12. 30 Vgl. dazu König, Durchsetzung, S. 121; Orrego Vicuna, Coastal States' Competences, ZaöRV 55/2, 1995, S.520; eine ausführliche Darstellung bei Wolfrum, Die Fischerei auf Hoher See, ZaöRVs 1978, S. 659 ff. 31 Text in: UNTS 559, 285. 32 Zur Entstehungsgeschichte und einzelnen Bestimmungen vgl. Wolfrum, Internationalisierung, S. 203. 33 König, Duchsetzung, S. 122. 34 Wolfrum, Die Fischerei auf Hoher See, ZaöRV 1978, S. 659, 673. 35 UNGA Resolution 1307(XIII), 29 April 1958.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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Ziel wurde nicht erreicht. 36 Auch dies ist Indiz dafilr, daß beide Lösungsansätze, unilateraler wie multilateraler, zu diesem Zeitpunkt nicht durchsetzbar waren. Der Trend zu einseitigen Aktionen setzte sich in Ermangelung einer internationalen Lösung nach den beiden Seerechtskonventionen fort: 1972 legte die isländische Regierung eine Fischereizone von 50 Seemeilen, 1975 von 200 Seemeilen fest. 37 Gegen die 50-Meilen-Zone protestierten Großbritannien und Deutschland und riefen den IGH an. 38 Während Island seine Politik unverdrossen beibehielt, wurde diese 50-Meilen-Zone nie rur rechtswidrig erklärt. Zwar mußte Island den beiden Klägerstaaten aufgrund VOn historisch begründeten Fangrechte rur eine Übergangszeit besondere Fischereirechte zugestehen. Insgesamt konnte dieser Entwicklungsprozeß jedoch nicht aufgehalten werden. 39 Nach und nach gingen mehr Staaten ebenfalls dazu über, ähnliche Zonen einzurichten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft beanspruchten mit Wirkung vom I. Januar 1977 jeweils 200 Seemeilen breite Fischereizonen in der Nordsee und dem NordatIantik (Gemeinschaftsmeer). 4°Die USA und Kanada erklärten mit Wirkung vom I. März 1977 ebenfalls 200 Seemeilen breite Fischereizonen. 41 Die Staatenpraxis zeigte damit eine eindeutige Favorisierung der Nationalisierung des Problems.
4. Lösungsversuch der Seerechtskonvention (SRK)
a) Weiterentwicklung des nationalen Ansatzes Im Rahmen der dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (von 1973-1982), an deren Ende die Seerechtskonvention 42 (im folgenden SRK) angenommen wurde, einigten sich die Teilnehmer schließlich vor allem auf Druck der Entwicklungsstaaten und im Hinblick auf diese Entwicklung auf die Einführung sogenannter Ausschließlicher Wirtschaftszonen. 43 Dieses Konzept wurde
36 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 9. 37 Limits ofthe Sea, no. 36, edition 5, 1985. 38 Urteile zu den Fisheries Jurisdiction Cases: ICJ Reports 1974, S. 3-173 (UK v. Iceland), bzw. S. 175-251 (FRG v. Iceland). 39 Vgl. Jaenicke in: Bernhardt, Encyc\opedia of Public International Law, Vol. 2, S. 95 ff., S. 97. 40 Beschluß des Rates vom November 1976, Text in ABI.EG 1981, C. 105/1. 41 Fishing Zones ofCanada Order, 1976 (Text in: I.L.M. 15 (1976), S. 1372) und Public Law 94-265, Fishery Conservation und Management Act, 1976 (Text in: I.L.M. 15 (1976), S. 635). 42 BGBI. 11 1995, S. 602, im Folgenden SRK abgekürzt.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
gleich zu Beginn der Konferenz angenommen,44 was deutlich macht, daß sich die Staaten zu diesem Punkt weitestgehend einig gewesen sein müssen. Vorstellungen derjenigen Staaten, die wie Malta den Aufbau einer internationalen Organisation anstrebten, die wesentliche Befugnisse für die Verwaltung der Fischbestände erhalten sollte, blieben ohne Erfolg. 45 Inzwischen hatte sich faktisch der unilaterale, nationale Ansatz schon durchgesetzt. Damit war eine Entscheidung bezüglich der Nutzungsverteilung ebenso wie bezüglich des Bestandsschutzes der Fischvorkommen in den Gebieten, die bis dahin noch offiziell zur Hohen See gehörten, zugunsten der nationalen Lösung gefallen. Diese Einigung der Vertragspartner hat in Art. 56 SRK Niederschlag gefunden. Danach können die Küstenstaaten bis zu einer Grenze von 200 Seemeilen souveräne Rechte insoweit ausüben, als Erforschung, Ausbeutung sowie Erhalt und Bewirtschaftung von Ressourcen auf oder unter dem Meeresgrund bzw. des darüber befindlichen Wassers betroffen sind. Gemäß Art. 61 SRK trägt der Küstenstaat die Verantwortung für Bewirtschaftung und Fortbestand der lebenden Ressourcen sowie die Durchsetzung seiner Maßnahmen. Das bedeutet, daß damit den Küstenstaaten sowohl Schutz als auch Nutzung der Fischvorkommen in ihren Wirtschaftszonen fast einschränkungslos obliegt.46 Nachdem mehr und mehr Staaten solche Zonen beanspruchten, wurde das Konzept dieser Wirtschaftszonen schon lange vor dem Inkrafttreten der Seerechtskonvention im Jahre 1994 allgemein als geltendes Gewohnheitsrecht anerkannt. 47 Der uneinge-
43 Die Teilnehmer der Dritten UN-Seerechtskonferenz akzeptierten das Konzept zunächst auf der Sitzung von Caracas, im Jahre 1974, nachdem die USA und die Sowjetunion ihre ursprüngliche Ablehnung aufgegeben hatten. Dazu Stevenson/Oxmann, The Third United Nations Conference on the Law of the Sea: The 1974 Caracas Session, in: AJlL 69 (1975), S. 16. Zur Entwicklung des Konzepts der Wirtschaftszonen Aguilar, The Patrimonial Sea or Economic Zone Concept, in: San Diego Law Review 11 (1974), S. 579-602; Hollick, The Origins of 200-Mile Otfshore Zones, in: AJIL 71 (1977), S. 494-500; O'Connel/Shearer, Bd. 1, S. 552 tf.; Attard, The Exclusive Economic Zone in International Law (1987), S. 1--42. 44 Dahmani, The Fisheries Regime ofthe Exclusive Economic Zone, S. 14-29. 45 Doc.NAC. 138/53 und Doc. N AC. 138/SC.IIIL.28; vgl. Wolfrum, Internationalisierung, S. 659. 46 Vgl. dazu Gündling, Die exklusive Wirtschaftszone, ZaöRV 38 (1978), S. 628 tf. m. w. N.; gemäß Art. 61 SRK ist der Küstenstaat zum Management der Fischvorkommen in der Zone und Durchsetzung der ensprechenden Gesetz befugt. Inwieweit fremden Fischern Zugang gewährt werden kann, regelt Art. 62. 47 Vgl. Meltzer, Global Overview, ODIL 1994, S. 256; van Dyke, International Governance and Stewardship of the High Seas and Its Resources, in: Ocean Governance, S. 13 m. w. N. in FN 4, zur Entwicklung des Konzeptes der Ausschließlichen Wirtschaftszone und der Situation Ende der 80er Jahre siehe Dahmani, The Fisheries Regime ofthe Exclusive Economic Zone, S. 14 tf., S. 150 tf.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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schränkten Ausbeutung der Fischvorkommen in diesen Zonen ist damit insoweit ein Riegel vorgeschoben worden, als die Bewirtschaftung der Bestände alleinige Aufgabe der jeweiligen Küstenstaaten geworden ist. Die überwiegende Mehrzahl aller wirtschaftlich bedeutenden Fischbestände ist zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens innerhalb von 200 Seemeilen zur Küste zu finden. 48 Daher fallen fast alle traditionellen Fanggründe der internationalen Fischereiflotten unter die Jurisdiktion einzelner Küstenstaaten. Rund 80 bis 90 Prozent der weltweiten Fischanlandungen werden in solchen Gebieten gefangen, die zu Fischerei- oder Wirtschaftszonen gehören. 49 Der durchschlagende Erfolg, den sich insbesondere die weniger entwickelten Länder von der Einfilhrung der A WZs erhofft hatten, ist jedoch ilUsgeblieben. 50 Der Generalsekretär der Vereinten Nationen erklärte 1993: "With respect to the distribution of world catch, there were widespread hopes that extended jurisdiction would lead to a significant redistribution of the sea's wealth in fisheries. In fact, although a small number of coastal states have reaped substantial benefits and a few distant water fishing nations have suffered large losses, such a great redistribution has not occured. Over 80 % of the total world catch is still taken by 20 main fishing nations."51
b) Kritik: Ungelöste Probleme Damit ist festzustellen, daß der Ansatz, dem Problem mit einer Nationalisierung bislang hoheitsfreier Räume zu begegnen, zwar relativ leicht praktikabel war, aber zu keiner durchgreifenden Lösung des Verteilungsproblems gefilhrt hat. Das hat mehrere Gründe. Einer der wichtigsten Gründe ist folgender: die sog. 200 Seemeilen-Grenze ist eine von Menschen erfundene Linie auf einer Seekarte, die keinen einzigen Fisch davon abhält, sich jenseits nationaler Hoheitsrechte im staatsfreien Raum aufzuhalten und dort fangen zu lassen. 52 Die zusammengehörenden Ökosysteme
Vgl. AlConf.I 64/1NFI2 S. 47. FAO UN Doc. AlCONF.I64/1NF4 (1993), 8, vgl. Armas Pfirter, Straddling Stocks and Highly Migratory Stocks, ODIL 1995, S. 133; Global Report No. 43, WinterlSpring 1995, S. I; Balton, Strengthening the Law of the Sea: the New Agreement on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, ODIL 1996, S. 127; Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 258. 50 Ausführliche Zahlen dazu bei Juda, World Marine Fish Catch, ODIL 1991, S. I ff. 51 UN Doc. Al48/527 (1993). 52 Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 127; Friedheim, Negotiating the New Ocean Regime, S. 132; vgl. AlCONF.I64/1NFI2 S. 47. 48
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
lassen sich nicht durch so eine künstliche Grenze trennen. 53 Viele Fischarten verbringen einen Großteil ihres Lebens zwischen der 200-Meilen Grenze 54 und der Küste eines Staates, halten sich zeitweise aber auch in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (A WZ) eines Nachbarstaates und bzw. oder auf der Hohen See auf. 55 Solche Grenzen sind leicht von hochseetauglichen Fischereifahrzeugen zumindest in bezug auf diejenigen Fischarten zu umschiffen, die in großer Entfernung zur Küste leben und zuflillig die imaginäre Grenze überschreiten. Dazu brauchen sich die Fischereifahrzeuge zum Fang nur auf Seemeile 20 I zu positionieren, wo sie ungestörte Fischereifreiheit genießen. Ein weiteres wichtiges Problem stellen die oft sehr ungenauen Daten über Zahlen von Fängen, Größe der Flotten, Beiflinge56 sowie die biologische Entwicklung der Fische dar. 57 Da die verschiedenen Regierungen oft nicht über verläßliche Daten verftlgen, ist eine Geflihrdung von Fischbeständen und damit die Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen, schwer zu beweisen. Damit werden Maßnahmen vor allem innenpolitisch gegenüber den eigenen Fischern schwer durchsetzbar sein, denn sie bedeuten immer eine Verringerung und Regulierung der Fangmengen.
5. Folgeprobleme der SRK
a) Problematik der großen Fernfischereiflotten Durch die Einrichtung der 200-Meilen-Zone sind die Flotten insbesondere derjenigen Staaten, die selbst nicht über wirtschaftlich wertvolle Fischereizonen verftlgen, aber einen hohen Bedarf an Fischprodukten haben (z. B. Polen, Spanien, Estland, Südkorea und Japan), aus angestammten FanggrUnden vor den Küsten anderer Staaten vertrieben worden. Da aber gerade diese Staaten über besonders große Flotten mit hohen Kapazitäten und ausgereifter Hochseetech-
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S.133.
Armas Pfirter, Straddling Stocks and Highly Migratory Stocks, ODIL 1995,
54 Bei 200 sm liegt die Grenze der Ausschließlichen Wirtschaftszone, die die große Mehrheit der Küstenstaaten heute beansprucht. 55 Vgl. Dahmani, The Fisheries Regime ofthe Exclusive Economic Zone, S. 114. 56 Sogenannte "By-Catches", d.h. Fänge von Nicht-Zielfischen, die nicht wirtschaftlich verwertet, durch den Fang aber dennoch getötet und damit aus der Nahrungskette genommen werden. 57 Barston, United Nations Conference on Straddling and Highly Migratory Fish Stocks, Marine Policy, Vol. 19, 1995, S. 160; Burke, Some Comments on High Seas Fishing and Inernational Law, in: Essays in Honour of Wang Tieya, 1994, S. \05 m. w. N. in FN 4; vgl. AlCONF.I64I1NFI2, S. 50 (Punkt 23).
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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nologie verftlgen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Fangquoten bei Küstenstaaten zu kaufen oder - billiger - auf die verbleibenden Teile der Meere auszuweichen, die noch zur Hohen See gehören. 58 Durch die Entwicklung von Trawlern, auf denen der Fisch wie in einer Fabrik direkt verarbeitet und tiefgefroren wird, wurden weitere Fahrten mit größeren Fängen möglich. 59 Ergebnis des geltenden Rechtes ist daher oft, daß Fernfischereitlotten - um im Genuß der Fischereifreiheit zu bleiben - überspitzt fonnuliert auf der 20 I. Seemeile positioniert aIle diejenigen Fische abfangen, die sich über jene gedachte Grenze "verirren".6O Diese flotten haben gegenüber Küstenstaaten außerdem den Vorteil, neue Fanggrunde aufsuchen zu können, sobald ein Gebiet leergefischt ist. 61 Da vor aIlem ftlr kleine Inselstaaten eine umfassende KontroIle der eigenen A WZ praktisch unmöglich ist, hat auch das illegale Fischen innerhalb der 200-Meilen-Zonen zugenommen. Auf Meile 195 funktioniert das Fischen nämlich genauso, kann aber vom Küstenstaat kaum unterbunden werden. 62
b) Problematik der wandernden Fischbestände Ebenso problematisch ist die Bewirtschaftung solcher Bestände, die innerhalb aneinander angrenzender Fischereizonen oder A WZs wandern. Hier sind wenigstens die benachbarten Küstenstaaten faktisch zur Zusammenarbeit gezwungen, woIlen sie wirksam Erhaltungs- oder Bewirtschaftungsmaßnahmen ftlr dasselbe Vorkommen treffen. Es ist davon auszugehen, daß selbst in der größten A WZ die fischvorkommen nicht effektiv bewirtschaftet werden können, werden sie außerhalb der Zone nicht mit demselben Ziel bewirtschaftet. 63
58 Hayashi, United Nations Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks: An Analysis of the 1993 Sessions, Ocean Yearbook 11 (1994), S. 20 f.; Burke, UNCED and the Oceans, Marine Policy Bd. 17, 1993, S. 520; Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 258. 59 Ausführlich Wang, Handbook on Ocean Politics & Law, S. 137. 60 Vgl. de Fontaubert, The politics of negotiation, Ocean & Coastal Management, Vol. 29, 1995, S. 80; van Dyke, International Governance and Stewardship of the High Seas and Its Resources, in: Ocean Governance, S. 15; Luccini/Voelckel, Droit de la Mer 2/2, S. 642 f. 61 Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal Vol. 26, 1996, S. 316. 62 Armas Pjirter, Straddling Stocks and Highly Migratory Stocks, ODiL 1995, S.133. 63 Mann Borgese, Ocean Governance, S. 65; vgl. Juda, The EEC and Ocean Use Management, ODiL 1987, S. 321. 3 Ziemer
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Damit hat sich das Problem der Überfischung nur von den küstennahen Gebieten wegverlagert und auf die grenzüberschreitenden und weit wandernden Arten, insbesondere im Bereich der 200-Seemeilen-Marke, konzentriert. 64
6. Neue nationale Lösungsversuche
Auf die Verlagerung des Problems ist zunächst mit der bekannten und praktikablen Lösung reagiert worden: Erneut wurden einseitig nationale Maßnahmen ergriffen, um die eigenen Bestände weiterhin zu schützen. Vorreiter waren dabei Staaten, deren Kontinentalschelf über die 200-Meilen-Grenze hinausreicht. Dort ist die biologische Produktivität der Fischbestände auch jenseits der A WZ noch relativ hoch und eine Ausbeute entsprechend lukrativ. 65
a) Beispiel Kanada Anschauliches Beispiel des Konfliktes ist die Situation an den Grand Banks vor Neufundland, wo am 9. März 1995 kanadische Beamte den spanischen Trawler "Estai" aufbrachten, der jenseits der 200-Meilen-Grenze auf Hoher See fischte. 66 1992 und 1994 hatte die kanadische Regierung ein Moratorium über den Fang von Kabeljau in kanadischen Gewässern verhängt. 67 Zahlreiche Fischer verloren dadurch ihre Arbeit. Ein Teil der Grand Banks erstreckt sich jedoch bis jenseits der 200-Meilen-Fischereizone Kanadas. Die Kabeljaubestände wurden direkt auf oder hinter der 200-Meilen-Linie intensiv von zahlreichen ausländischen Fischern be fischt, wodurch die Wirkung des Moratoriums innerhalb der kanadischen Fischereizone unterlaufen wurde. Der kanadische Ansatz, dieses Problem zu lösen, findet sich im "Act to amend the Coastal Fisheries Protection Act".68 Dadurch wurden kanadische Be-
64 FAO, COFI/87/2,1987, para 40; Meltzer, Global Overview, ODIL 94, 255; Burke, Some Comments, S. 82. 65 Vgl. Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 199. 66 Einzelheiten in der FAZ vom 13.März 1995: Keine Einigung im Streit um die "Estai", sowie FAZ vom 15. März 1995, "Systematische Ausrottung" (S. 10). 67 Vinogradov/Wouters, Turbot War, S. 601. 68 Statutes of Canada, 1994, c.14 (12. Mai 1994), dort section 2: "No person, being aboard a foreign fishing vessel of a prescribed class, shall, in the NAFO Regulatory area, fish or prepare to fish in contravention of any of the prescribed conservation and management measures." Näheres bei Vinogradov/Wouters, Turbot War, S. 601; Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 210 tT.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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amte einseitig ennächtigt, auch auf Hoher See fremde Schiffe zu betreten, zu inspizieren und sogar aufzubringen. 69 Dies gilt allerdings nur im Regelungsbereich der filr den Nordatlantik zuständigen Fischereiorganisation NAFO,70 deren Mitglied Kanada ist. Nach Art. 18.1. des Acts gilt ein Verstoß gegen die Fischereivorschriften im Regelungsgebiet der NAFO als ein Verstoß, der innerhalb kanadischer Hoheitsgebiete begangen wurde. 71 Es ging letztlich darum, auf regionaler Ebene - nämlich innerhalb des Regelungsgebietes der NAFO - bereits vereinbarte Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen auf der Hohen See durchzusetzen. 72 Während einige Staaten bereits beftirchteten, Kanada strebe eine weitere geographische Ausdehnung seiner Wirtschaftszone an, wurde dies von kanadischer Seite selbst stets dementiert. 73 Kanada ist aber weder von der NAFO und schon gar nicht von deren einzelnen Mitgliedstaaten zu solchen Maßnahmen befugt worden. Völkerrechtlich ist diese Vorgehensweise Kanadas höchst fragwürdig. 74 Dies soll aber nicht weiter untersucht werden, da es an dieser Stelle nur um die Darstellung einzelner Versuche geht, eine Lösung des Problems herbeizuftihren. 75
b) Beispiel Chile: "Mar presencial" Einen anderen Ansatz versuchten einige südamerikanische Politiker Anfang der 90er Jahre, indem sie die Errichtung eines "mar presencial" (presential sea) forderten. 76 Bereits einmal hatten die Chilenen ein Konzept zur Regelung von
69 Durch den Coastal Fisheries Protection Act von 1985 (Revised Statutes 1985, Chapter C-33) war dies bezüglich Fischern innerhalb der kanadischen Fischereizone gestattet worden. 70 Einzelheiten zu Aufbau und Kompetenzen der NAFO später in diesem Teil und III. I a. 71 Abgedruckt in: I.L.M. 33 (1994), S. 1383; Braen, La n:glementation canadienne des peches, ADMO 1996, S. 117. 72 Vinogradov/Wouters, Turbot War, S. 606 m. w. N. 73 Z. B. Applebaum, The Current Canadian Perspective, S. 302. 74 Vgl. dazu zum Beispiel die Erörterungen bei Davies/Redgwell, The International Legal Regulation ofStraddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 212 fT. 75 Im übrigen scheint Kanada inzwischen - seit Abschluß des Straddling Stocks Agreements - diese Gesetzgebung nicht weiter zu verfolgen. 76 Jorge Martinez Busch, "EI Mar Presencial, Actualidad, Desafios y Futuro" (Clase Magistral dictada por el Comandante en Jefe de la Arrnada, Valparaiso, May 1991), in Revista de Marina, 6 (1991) S. 571 (aus: JoyneriDeCola, Chile's Presential Sea Proposal, ODIL 1993, S. 100 in FN 5.
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Hoheitsbefugnissen auf Hoher See auf internationaler Ebene durchgesetzt: Die heute generell akzeptierte Konstruktion der AWZs ist letztlich mit auf einen chilenischen Vorschlag zurückzuftihren, ein "mar patrimonial" einzurichten. 77 Hinter dem neuen Konzept des "mar presencial" steht die Idee, den "Einfluß" der Küstenstaaten noch über die 200-Seemeilen-Grenze hinaus auszudehnen, um unter gewissen Voraussetzungen funktionale Jurisdiktion bezüglich Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen von Fischressourcen in den an die A WZ angrenzenden Gebieten ausüben zu können. 78 Das chilenische "mar presencial" sollte denjenigen Bereich des Südpazifik umfassen, der zwischen der eigenen A WZ und einem Median (Mittellinie) liegt, der vom Südpol bis zum Arica Parallel reicht. 79 Die Region, die damit chilenischer Jurisdiktion unterfallen sollte, würde auf diese Weise von 3 490 175 auf 19 967 337 Quadratkilometer vergrößert und somit mehr als verftlnffacht. Was das "mar presencial" genau beinhalten sollte, ist nie in allen Einzelheiten erläutert worden. Es wurde jedoch von chilenischer Seite beteuert, sich an die Vorschriften der SRK halten zu wollen. Ho Vorgesehen war, ein Gebiet festzulegen, in dem nationale Interessen ein Rolle spielen können. 81 Außerdem ging es um die Teilnahme des Küstenstaates an den Aktivitäten anderer Staaten in dem an seine A WZ angrenzenden Teil der Hohen See sowie deren Überwachung. Dies ist unzweifelhaft mit dem geltenden Regime der Hohen See vereinbar, wie es in Teil VII der SRK wiederzufinden ist. Sollte dies der gesamte Inhalt des "mar presencial" sein, wäre es allerdings praktisch überflüssig. 82 Soll jedoch die Wirksamkeit von Erhaltungsmaßnahmen des Küstenstaates in seiner A WZ auch auf der Hohen See unterstützt werden, kann es nur darum gehen, Hoheitsbefugnisse auf den bislang hoheitsfreien Raum zu erstrecken: Die Durchsetzung von Maßnahmen auch gegenüber fremden Schiffen. Das widerspricht eindeutig dem Prinzip der Freiheit der Hohen See. Will man für dieses Gebiet eine rechtlich bindende Regelung treffen, so geht das nach geltendem
77 Vgl. Clingan, A Response to Francisco Orrego Vicui'la, OOlL 1993, S. 95; Orrego Vicuiia, Coastal States' Competences over High Seas Fisheries, ZaöRV 55/2, 1995, S.523. 78 Orrego Vicuiia, Towards an Etfective Management of High Seas Fisheries, OOlL 1993, S. 88. 79 Diskussion der Literatur bei Kwiatkowsko, The High Seas Fisheries Regime: at a point of no return? in: The International Journal of Marine and Coastal Law, Vol. 8, 1993, S. 340 f.; Joyner/DeCola, Chile's Presential Sea Proposal, OOlL 1993, S. 107. 80 Orrego Vicuna, Towards an Etfective Management of High Seas Fisheries, OOlL 1993, S. 88; ders., Coastal States' Competences over High Seas Fisheries, ZaöRV 55/2, 1995, S. 522. 81 Ebendort. 82 Clingan, A Response to Francisco Orrego Vicufla, OOlL 1993, S. 96.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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internationalen Recht nur durch internationale Kooperation bzw. durch internationale Vereinbarungen, denen die Staaten frei zustimmen können. 83 Die Idee des "mar presencial" wird unter anderem damit gerechtfertigt, daß sie natürliches Ergebnis einer wirtschaftlichen Entwicklung sei, genauso wie die Fischereizonen oder A WZs zu ihrer Zeit Ergebnisse anderer Entwicklungsstadien waren. 84 Die Grundlage dieser Entwicklung sei in der Seerechtskonvention selbst zu finden: in Art. 63 Absatz 2, sowie Art. 64 bis 67, die die Freiheit der Hohen See beschränken und unter anderem den besonderen Interessen der Küstenstaaten Rechnung tragen. Anders formuliert: Solange auf internationaler Ebene nichts geschehe, um die Bewirtschaftung von Fischbeständen auf der Hohen See effektiv zu regeln, müsse man einseitig Maßnahmen treffen. 85
c) Beispiel Argentinien Ähnlich ausgestaltet war der Vorstoß Argentiniens, das 1991 ein Gesetz erließ, wonach solche Erhaltungsmaßnahmen auch jenseits der A WZ gelten sollen, die sich auf weit wandernde Arten und solche Arten beziehen, die Teil der Nahrungskette sind: "National Provisions concerning the conservation of resources shall apply beyond the two hundred (200) nautical mile zone in the case of migratory species or species which form part of the food chain of species of the exclusive economic zone of Argentina...86 Der Unterschied zum chilenischen Ansatz ist, daß es keine geographische Begrenzung gibt, sondern es nur um die Zonen "im Anschluß an die A WZ" geht. Darüberhinaus drückt die Formulierung "shall" zwingendes Vorgehen aus. Dieser Vorstoß ist somit weitergehend als der chilenische, ist aber nie in die Praxis umgesetzt worden. 87
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Clingan, A Response to Francisco Orrego Vicufla, ODIL 1993, S. 96 JoyneriDeCola, Chile's Presential Sea Proposal, ODIL 1993, S. 109. Orrego Vicuna, Coastal Ctates' Competences over High Seas Fisheries, ZaöRV
55/2, 1995, S. 527. 86 Act No. 23.968, 14. September 1991, Art. 5 Abs. 3; abgedruckt in: Diario Official de la Republica Argentina, 5. Decembre 1991, S. 1, englische Übersetzung in: Law of the Sea Bulletin, No 20, März 1992, S. 20; vgl. Armas Pfirter, Straddling Stocks and Highly Migratory Stocks, ODIL 1995, S. 135; Orrego Vicuna, Coastal States' Competences over High Seas Fisheries, ZaöRV 55/2, 1995, S. 526 f; Treves, Droits de peche de l'Etat cötier au deh\ de 200 milles, annuaire francais de droit international 38, 1992, S. 896 f. 87 Orrego Vicuna, Coastal States' Competences over High Seas Fisheries, ZaÖRV 55/2, 1995, S. 527.
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d) Bewertung der Beispiele Hier spielt sich tatsächlich eine sehr ähnliche Entwicklung ab wie während der Verhandlungen der dritten Seerechtskonferenz vor etwas mehr als 20 Jahren: Aus der Erkenntnis heraus, daß das geltende Regime nicht ausreicht, um die lebenden Ressourcen dauerhaft zu erhalten, entwickelt sich das Bedürfnis zu einer Neuregelung des Regimes der Hohen See. Es soll eine Autorität geschaffen werden, die wirksam Maßnahmen zum Erhalt der Fischbestände auf Hoher See treffen kann. 88 Erste denkbare bzw. auch praktizierbare Lösung ist die Ausdehnung von nationaler Hoheitsgewalt auf bisher staatsfreie Räume 89 - 25 Jahre zuvor war es die Einrichtung von AWZs, jetzt könnte es ein "mar presencial" sein. Die gezeigten Beispiele sind erneute Versuche, den nationalen Lösungsansatz weiterzuverfolgen. Bis dahin ist also kein gemeinsamer Weg gefunden worden, die Fischbestände der Hohen See gerecht zu verteilen. Deutlich wird dabei auch eine neue Einstellung der Staaten zu Fischereifragen: Angesichts der Aussichtslosigkeit, effektiv eigene Lösungen durchzusetzen, tritt verstärkt Frustration auUo Gegenüber den eigenen Fischern müssen in den A WZs Fischereibeschränkungen durchgesetzt werden, während nur wenige Meilen entfernt fremde Fischer die Bestände ungestraft abfischen. Unter solchen Voraussetzungen ist es mehr als verständlich, daß besonders stark betroffene Staaten versuchen, Lösungen im Hauruckverfahren zu finden. Fazit dieser Entwicklung ist die Feststellung, daß das Konzept der Freiheit der Hohen See nur dann noch weiter Bestand haben kann, wenn über die verbleibenden staatsfreien Gebiete eine internationale Einigung erzielt wird. Wenn der rechtliche Status der Meere und der Verteilung der Ressourcen mit der technologischen Entwicklung noch Schritt halten soll, 91 kann die einzige Alternative zur Internationalisierung des Regimes der Hohen See nur sein, den "Kuchen Ozean" auf nationale Hoheitsträger zu verteilen. Es ist weder eine laissez-faire Haltung in den Gebieten jenseits staatlicher Herrschaft wünschenswert, denn diese filhrt zwangsläufig zu einer Ausnutzung des Fischereirechtes und damit zur Überfischung. Noch ist die Verteilung auf nationale Anteile erstrebenswert. Durch eine solche werden sich Ungerechtigkeiten und Streit nicht vermeiden lassen, während nationale Regelungen tatsächlich auf Grenzen stoßen und daher in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt sind.
88 Vgl. Orrego Vicuna, Coastal States' Competences over High Seas Fisheries, ZaöRV 55/2, 1995, S.534; Burke, Unregulated High Seas Fishing and Ocean Governance, S. 238. 89 Juda, The EEC and Ocean Management, ODIL 1987, S. 322. 90 Nandan, The Draft Agreement, S. 294. 91 Joyner/deCola, Chile's Presential Sea Proposal, ODIL 1993, S. 115.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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11. Geltende Regelung der Fischerei nach gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten im einzelnen Einen Versuch, der Tendenz zur Nationalisierung der Ozeane entgegenzuwirken, stellt das Fish Stocks Agreement von 1995 dar. Bei diesem Übereinkommen geht es dem Titel nach um die Durchfilhrung der Bestimmungen der Seerechtskonvention, d.h. um die Ausfilllung der in der Seerechtskonvention festgelegten Rahmenbestimmungen. Um das Übereinkommen analysieren zu können, ist daher zunächst das Verständnis der bereits existierenden Strukturen notwendig. Die SRK ist seit dem 16.11.1994 in Kraft. Im Frühjahr 1998 lagen insgesamt 125 Ratifikationsurkunden vor. 92 Bezüglich der Vorschriften der hier betroffenen Teile V und VII der SRK wird allgemein gewohnheitsrechtliche Geltung angenommen. 93
1. Struktur der Fischereivorschriften In ihrer Grundstruktur sind die Fischereivorschriften der Seerechtskonvention in zwei Bereiche einzuteilen: in gebietsbezogene Vorschriften einerseits und artenbezogene andererseits. 94 Gebietsbezogen regelt die SRK Zugang zu und Erhalt von marinen Ressourcen entsprechend den marinen Zonen der inneren Gewässer, Archipel- und Küstengewässer,95 Ausschließliche Wirtschaftszonen 96 und den Gebieten des Kontinentalschelfes. 97 Artenbezogen werden speziell ge-
92 httpJ/www.un.orgiDepts/los/stat210s.txt, updated 1.4.1998. 93 So unter Berufung auf eine Untersuchung des DOALOS Wolfrum, The Protection
of the Marine Environment after the Rio Conference, S. 1005 in FN 8; MileslBurke, Problem of Straddling Stocks, ODIL 93, S. 350; Treves, Droits de peche de l'Etat cötier au dela de 200 milles, Annuaire tTancais de droit international Bd. 38, 1992, S. 889; Tomuschat, Obligations for States, RdC 1993/4, S. 214; einen ausfiihrlichen Überblick über die Entwicklung des gewohnheitsrechtlichen Seerechts bei Treves, Codification du Droit International et pratique des Etats dans le droit de la mer, RdC 1990, S. 9 bis 302; Fauteux, The Canadian Legal Initiative on High Seas Fishing, Yearbook of International Environmental Law, 1993, S. 52; Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal Vol. 26, 1996, S. 317; Mettzer, Global Overview, ODIL 1994, S.327; Jatbert, Unsolved Problems of Coastal State's Powers and Obligations, in: Law of the Sea at the Crossroads, S. 412. Staatenpraxis ist über die Arbeit bestehender internationaler/regionaler Fischereiorganisationen nachzuweisen. Diese wird in einem späteren Punkt dargestellt werden. 94 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 45; VinogradovlWouters, Turbot War, S. 608. 95 Art. 2 SRK: uneingeschränkte Souveränität des Küstenstaates. 96 Art. 56 Ia SRK, funktionale souveräne Rechte. 97 Art. 77 I SRK, funktionale souveräne Rechte.
l. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
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regelt: die grenzüberschreitenden Arten,98 weit wandernde Arten,99 Meeressäuger lOO sowie anadrome und katadrome Arten. 101 Der Grund dafilr, diese bestimmten Fischvorkommen artenbezogen zu regeln, liegt in der Feststellung, daß die juristischen Grenzen der einzelnen Meereszonen nicht auf die natürlichen Ökosysteme der See passen. 102
2. Gebietsbezogene Regelung der Hohen See
Jenseits der Ausschließlichen Wirtschaftszonen liegt die verbleibende Hohe See. Sie gilt a11en bisherigen Nationalisierungstendenzen zum Trotz noch immer als staatsfreier Raum, der dem Prinzip der Meeresfreiheit unterliegt. Ausgangspunkt ist Art. 87 SRK, wonach die Hohe See offen filr a11e Staaten ist. Dies schließt auch weiterhin den Fischfang ein. Dabei ist diese Freiheit aber nicht mehr absolut. 103 Sektion 2 von Teil 7 der Seerechtskonvention schränkt die Freiheit der Fischerei in mehreren Beziehungen ein.
a) Flaggenstaatsprinzip als Ausdruck der Freiheit der Hohen See Wer das Recht zur Fischerei auf Hoher See in Anspruch nimmt, ist auch Pflichten unterworfen: Art. 116 Jeder Staat hat das Recht, daß seine Angehörigen Fischerei auf Hoher See ausüben können, vorbehaltlich a) seiner vertraglichen Verpflichtungen b) der Rechte und Pflichten sowie der Interessen der Küstenstaaten, wie sie unter anderem in Artikel 63 Absatz 2 und in den Artikeln 64 bis 67 vorgesehen sind, und c) der Bestimmungen dieses Abschnitts. Art. 117 Jeder Staat ist verpflichtet, in bezug auf seine Angehörigen die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See zu ergreifen oder mit anderen Staaten zu diesem Zweck zusammenzuarbeiten.
98 Art. 63 SRK. 99 100
101 102 103
S.133.
Art. 64 SRK. Art. 65 SRK. Art. 66 und 67 SRK. Burke, UNCED and the Oceans, Marine Policy 1993, S. 520. Armas Pjirter, Straddling Stocks and Highly Migratoy Stocks, ODIL 1995,
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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Will ein Staat von dem Recht der Fischerei auf Hoher See Gebrauch machen, so wird er durch diese beiden Vorschriften zusammengenommen in zweierlei Hinsicht verpflichtet: Zum einen muß er Maßnahmen zum Erhalt der Fischvorkommen treffen, zum anderen mit den jeweils an den betroffenen Teil der Hohen See angrenzenden Küstenstaaten zusammenarbeiten. 104 Die Verantwortung fUr Erhalt und Bewirtschaftung der weit wandernden und gebiets übergreifenden Fischarten auf der Hohen See ist damit zwischen den Küsten- und den Fischerei betreibenden Staaten aufgeteilt. lOS Für die Fischfang betreibenden Staaten bedeutet das, daß Ihren Fischern der Zugang zu den Fischgründen der Hohen See offen steht. Dabei bleiben die Fangflotten der ausschließlichen Jurisdiktion ihres Flaggenstaates unterworfen.
b) Einzelne Pflichten: Zusammenarbeit und Erhalt der Bestände
aa) Zusammenarbeit Artikel 118 SRK enthält eine fUr alle Staaten der internationalen Gemeinschaft geltende generelle Verpflichtung zur Zusammenarbeit bezüglich Erhalt und Bewirtschaftung aller lebenden Ressourcen der Hohen See. Art 118 Die Staaten arbeiten bei der Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen in den Gebieten der Hohen See zusammen. Staaten, deren Angehörige dieselben lebenden Ressourcen oder verschiedene lebende Ressourcen in demselben Gebiet ausbeuten, nehmen Verhandlungen auf, um die rur die Erhaltung der betretTenden lebenden Ressourcen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Gegebenenfalls arbeiten sie bei der Errichtung subregionaler oder regionaler Fischereiorganisationen zu diesem Zweck zusammen.
Zu prüfen ist, ob die generelle Kooperationsverpflichtung in Satz I dieses Artikels nicht nur eine leere Hülle ist, sondern eine rechtliche Verpflichtung in sich trägt. Der Wortsinn spricht dafUr, denn das Wort "Cooperation" bedeutet "Action". Es ist danach also eine Verpflichtung zum Tätigwerden. 106 Neben der generellen Verpflichtung kann dies vor allem die Pflicht zur Mitteilung, Beratung oder 104 Mettzer, Global Overview, ODIL 1994, S.256; eine detaillierte Auflistung bei Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 45 tT. Diese Vorschriften können als Teil des gewohnheitsrechtlich geltenden generellen Völkerrechts angesehen werden, Burke, The New International Law of Fisheries, S. 99 tT. lOS Vinogradov/Wouters, The Turbot War, S. 608. 106 Pinto, The Duty ofCo-Operation and the United Nations Convention on the Law ofthe Sea, S. 154.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Verhandlung mit sich fiihren. 107 Es geht sogar noch ein Stückchen weiter: zwar ist es nicht unbedingt erforderlich, auch tatsächlich eine Einigung zu erzielen, 108 aber "good faith" und die Absicht, Streitigkeiten beizulegen sind essentiell. 109 Insofern läßt sich gut begründen, daß dieser Art. 118 SRK keine bloße Absichtserklärung von Verhandlungsdelegationen ist, sondern rechtliche Verpflichtungen mit sich fiihrt. 11O "Cooperation" müßte also zielgerichtet auf das Erreichen einer Einigung hin geschehen. 111 Wie diese aussehen könnte, ist bereits in Satz 2 festgestellt: die Staaten haben Verhandlungen einzugehen. Satz 3 regt an, zu diesem Zweck in Fischereiorganistionen zusammenzuarbeiten. Aufschlußreich ist ein historischer Vergleich mit der dem Art. 118 SRK entsprechenden Vorschrift des Genfer Übereinkommens von 1958 über die Fischerei. 112 Dessen Art. 4 Abs. 2 gibt der Kooperationspflicht einen Nachdruck, der in Art. 118 SRK nicht enthalten ist: Gelangen die beteiligten Staaten binnen zwölf Monaten nicht zu einem Einvernehmen, so kann jede Partei das in Artikel 9 vorgesehene Verfahren [zur friedlichen Streitbe\egung] einleiten.
Es ist anzunehmen, daß diese Form der obligatorischen Streitbelegung einer der Gründe war, weshalb nur wenige Staaten dieses Übereinkommen ratifizierten. l13 Dahingegen enthält Art. 4 Abs. 2 des Fischereiübereinkommens im Gegensatz zu Art. 118 SRK keinen Bezug zu den Fischereiorganisationen. Daraus läßt sich schließen, daß Art. 118 die existierende Praxis der Fischerei reflektiert. Auch Sinn und Zweck einer Zusammenarbeit sprechen dafiir, daß es sich um eine wirkliche rechtliche Verpflichtung handelt. Eine Pflicht zur Zusammenarbeit kann nur dann zweckdienlich sein, wenn diese zielgerichtet ist. Hier geht es um den Erhalt der lebenden Ressourcen. Dieser kann nur erreicht werden, wenn aktiv Maßnahmen ergriffen werden. Es reicht nicht aus, daß die Staaten sich etwa nur gegenseitig ihre Ansichten kundtun. Damit enthält Art. 118 SRK eine Verpflichtung der Staaten, aktiv zu werden.
Tahindro, Conservation ofTransboundary Stocks, ODIL 1997, S. 27. Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 229 f. 109 Burke, The New International Law ofFisheries, S. 125. 110 Vgl. die ausfilhrliche Darstellung der einzelnen Kooperationspflichten der SRK bei Pinfo, The Duty ofCo-Operation in UNCLOS, S. 136 tT. 111 Lucchini/Voelckel, Droit de la Mer 2/2, S. 664. 112 UNTS Vol. 559, S. 285. 113 Dahmani, The fisheries regime ofthe exclusive economic zone, S. 115. 107 108
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
43
bb) Maßnahmen zur Erhaltung Um die Erhaltung der Bestände zu gewährleisten, sind zulässige Fangmengen festzulegen und andere Maßnahmen zu ergreifen, Art. 119 Abs. 1 SRK. Diese Maßnahmen sollen auf der Grundlage der besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf gerichtet sein, den größtmöglichen Dauerertrag zu sichern. 114 Diese Formulierung trägt auch der Tatsache Rechnung, daß Informationen über Bestand und Fänge schwer zugänglich bzw. gar nicht vorhanden sind. Wenn jemand über solche Daten verfilgt, dann diejenigen, die vor Ort selbst Fischfang betreiben. 115 Der Begriff des größtmöglichen Dauerertrages (maximum sustainable yield) ist der einzige Bezugspunkt, der den Fischfang betreibenden Staaten als Bezugspunkt filr Fangmengen geboten wird. 116 Dieses Konzept ist nur auf erneuerbare Ressourcen anwendbar; es beschreibt diejenige Fangmenge, die jährlich von allen Flotten zusammen entnommen werden kann, ohne daß sich der gesamte Bestand spürbar verringert. Die Sicherheit solcher Bezugspunkte ist angesichts der Schwierigkeit, genaue Daten über Fänge und Reproduktionsmöglichkeiten zu erhalten, allerdings bald angezweifelt worden, insbesondere nachdem Überfischung bereits aufgetreten war. 117 Bei der Festlegung der zulässigen Fangmengen ist auch die Wirkung auf vergesellschaftete und abhängige Arten zu berücksichtigen,118 also solche Arten, deren Lebenszyklus unmittelbar Einfluß auf den Lebenszyklus der Zielarten hat, etwa als Nahrungsquelle, Jäger oder Fortpflanzungshelfer. Dazu sollen unter anderem die verfilgbaren Daten ausgetauscht werden. 119 Gleichzeitig wird aber festgestellt, daß keine Fischer irgendeines Staates diskriminiert werden sollen. 120 Fälle, in denen eine Diskriminierung stattfinden könnte, sind jedoch nur in geringem Umfang denkbar. 121 Eine Ungleichbehandlung könnte dann auftreten, wenn neue Mitglieder in eine bereits bestehende Fischereiorganisation oder in eine Vereinbarung eintreten wollen und dort eine eigene Fangquote nach dem in der Einrichtung bestehenden System beantragen. 122 Eine solche Nichtdiskrimi114 Art. 119 Abs. 1 a) SRK. Burke, The New International Law of Fisheries, S. 128. 116 UN Doc. A/CONF.I64/INF.9, S. 7 (Nr. 27). 117 Vgl. UN Doc. A/CONF.I64/INF.9, S. 2 (NT. 5). 118 Art. 119 Abs. 1 b) SRK. 119 Art. 119 Abs. 2 SRK. 120 Art. 119 Abs. 3 SRK. 121 Vgl. Oda, Fisheries under the Law of the Sea Convention, AJIL 1983, S. 752; Burke, The New International Law of Fisheries, S. 130 fT. 122 Vgl. die Überlegungen bei Burke, The New International Law of Fisheries, 115
S. 131.
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1. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
nierungs-Vorschrift hat das Potential, eine effektive Bewirtschaftung von Hochseebeständen zu unterlaufen. Im Falle neuer Mitglieder müßten entweder die alten Mitglieder auf einen angestammten Anteil verzichten, oder es müßten insgesamt höhere Fangmengen bewilligt werden. Art. 118 und 119 SRK schränken damit die Fischereifreiheit weiter ein, indem sie die Pflichten der Hochseefischerei betreibenden Staaten zur Zusammenarbeit und zum Erhalt der Ressourcen ein wenig konkretisieren. Allerdings bleiben die Aussagen ungenau.
c) Zusammenfassung der allgemeinen Pflichten bei der Hochseefischerei Zusammenfassend ist festzuhalten, daß durch die Vorschriften des zweiten Abschnitts von Teil VII SRK die Fischereifreiheit auf der noch verbliebenen Hohen See bereits durch eine ganze Reihe von generellen Grundsätzen eingeschränkt ist. Das traditionelle Prinzip der absoluten Freiheit der Fischerei ist damit inzwischen in die Vergangenheit einzuordnen. Zwar ist Überfischung als solche durch keine Norm der SRK ausdrücklich untersagt. Da aber Art. 117 bis 120 SRK die Staaten verpflichten, die lebenden Ressourcen zu erhalten, kann davon ausgegangen werden, daß darin konkludent das Gebot enthalten ist, die Ressourcen nicht zu überfischen. 123 Dies erfordert die FestIegung von nötigen Erhaltungsmaßnahmen filr die lebenden Ressourcen der Hohen See. Inzwischen wird die Verpflichtung zum Erhalt der lebenden Ressourcen als Völkergewohnheitsrecht im Sinne des Art. 38 Abs. 1 des IGHStatuts angesehen, ist damit also mehr als nur vertragliche Verpflichtung. 124 Insbesondere durch die Art. 117 und 119 SRK werden zwei Interessen einander gegenübergestellt: 125 Art. 117 garantiert den Einzelstaaten die Fischereifreiheit, indem bezüglich der Regulativbefugnisse auf der Hohen See das Flaggenstaatsprinzip postuliert wird. Die Interessen der Staatengemeinschaft als Kollektiv wahrt dagegen Art. 119 SRK. Dieser fordert, daß die Maßnahmen der Staaten den Erhalt der Bestände so gewährleisten, daß der größtmögliche Dauerertrag gesichert ist. Dieser Interessengegenüberstellung ist zu entnehmen, daß bezüglich der verbleibenden Teile der Hohen See der internationale Lösungsansatz weiterverfolgt wird.
lohnston (Cyrille de Klemm), The Environmental Law ofthe Sea, S. 171. Burke, The New International Law of Fisheries, S. 100, gestützt auf das Urteil des lOH im Fisheries Jurisdiction Case, Oroßbritannienilsland, 1974 ICJ Rep. Para.72. 125 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 50. 123
124
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
45
3. Artenbezogene Regelungen der Fischerei auf der Hohen See
Bezüglich einiger Fischarten wurden in Art. 63 bis 67 SRK spezielle artenbezogene Verpflichtungen sowohl rur Küsten als auch rur Fernfischerei betreibende Staaten aufgenommen. Da sich das Durchftihrungsabkommen auf die gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten beschränkt, sollen nur diese näher untersucht werden.
a) Gebietsübergreifende Arten Der Begriff der "Straddling Fish Stocks" oder gebietsilbergreifenden Arten ist zwar nicht ausdrücklich in der Seerechtskonvention enthalten, wird aber als Begriff rur diejenigen Arten verstanden, die in Art. 63 SRK behandelt sind. 126 Die meisten der Arten, die in Gebieten der Hohen See vorkommen, sind auch in Ausschließlichen Wirtschaftszonen zu finden. Daher könnten generell alle diese Arten als gebietsübergreifend bezeichnet werden. 127 Der Begriff der Straddling Fish Stocks ist hier aber im Zusammenhang mit den ilbrigen Vorschriften der Seerechtskonvention, insbesondere den Art. 64 bis 67, zu sehen und daher nicht auf diejenigen Arten anwendbar, die in diesen Vorschriften behandelt sind. Darunter fallen die weit wandernde Arten, Meeressäuger sowie anadrome oder katadrome Arten. Da rur diese spezielle Regelungen getroffen wurden, sind diese Arten absichtlich von den gebietsilbergreifenden Arten unterschieden worden. In bezug auf diejenigen Arten, die zwischen mehreren aneinander angrenzenden A WZs hin und her wandern, sind die Kilstenstaaten gemäß Art. 63 Abs. I SRK zur Kooperation aufgerufen. Dies soll entweder direkt oder durch regionale Organisationen geschehen. Diese regionalen Organisationen treffen die nötigen Maßnahmen, um Erhaltung und Entwicklung dieser Bestände zu gewährleisten. 128 Art. 63 Abs. 2 verpflichtet bezüglich jener Bestände, die sowohl zwischen AWZs als auch in angrenzenden Teilen der Hohen See vorkommen, die Flag126 Überblick über die betroffenen Arten bei Hayashi, The Role of the UN in Managing the World's Fisheries, S. 374 ff. 127 Vgl. Hayashi, The Role ofthe UN in Managing the World's Fisheries, S. 374. 128 Art. 63 Absatz I: "Kommen derselbe Bestand oder Bestände miteinander vergesellschafteter Arten innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen von zwei oder mehr Küstenstaaten vor, so bemühen sich diese Staaten entweder unmittelbar oder im Rahmen geeigneter subregionaler oder regionaler Organisationen, die erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren, um unbeschadet der anderen Bestimmungen dieses Teils die Erhaltung und Entwicklung dieser Bestände zu koordinieren und zu gewährleisten." (Hervorhebung durch Verfasserin)
46
I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
gen staaten der Hochseefischer zur "Kooperation" mit dem Küstenstaat, dessen A WZ an einen betroffenen Bereich der Hohen See angrenzt. Wiederum sollen regionale oder subregionale Organisationen die zum Erhalt "dieser Bestände in dem angrenzenden Gebiet erforderlichen Maßnahmen vereinbaren."129 Ausgangspunkt hierfür ist die Tatsache, daß die Fischbestände eine biologische Einheit bilden und in ihrer Bewirtschaftung nicht durch die von Menschen erdachte 200-Meilen-Grenze getrennt werden können. 130 Von "Entwicklung" ist in diesem Absatz im Gegensatz zu Absatz 1 nicht mehr die Rede, dafür wird die Formulierung "in dem angrenzenden Gebiet" aufgenommen. Was den rechtlichen Gehalt von Art. 63 Abs. 2 i. V. m. Art. 116 (b) SRK angeht, gibt es daher unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten. Es ist zu untersuchen, ob Art. 63 Abs. 2 den Küstenstaaten damit in dem an ihre AWZ angrenzenden Teil der Hohen See ein besonderes Recht an den dort befindlichen gebietsübergreifenden Fischarten verschafft, das die übrigen Staaten selbst auf der Hohen See zu berücksichtigen hätten.
aa) Wortlaut Durch die Aufnahme der Formulierung "in dem angrenzenden Gebiet" wird ausdrücklich auf die AWZ des Küstenstaates bezug genommen. Diese Bezugnahme läßt eine solche Interpretation der Vorschriften nicht völlig ausgeschlossen erscheinen. Auf der anderen Seite ist es logisch, daß die Fischer eines Küstenstaates möglichst küstennah fischen möchten. Sie haben daher zwangsläufig ein Interesse daran, in dem an die AWZ angrenzenden Gebiet der Hohen See zu fischen. Damit wird ein automatisches Fischereiinteresse des Küstenstaates an diesem Gebiet unterstellt. Art. 63 Abs. 2 SRK könnte daher ebensogut nur der KlarsteIlung dienen, daß in diesem Gebiet Zusammenarbeit zu erfolgen hat. Eine der verpflichteten Parteien ist automatisch der nächste Küstenstaat. Nach dieser Sichtweise erschöpft sich sein "besondere Interesse" in einem automatischen Recht, an einer eventuellen Zusammenarbeit mehrerer Staaten im betroffenen Gebiet beteiligt zu werden. Dem entspricht lediglich eine Verpflichtung der Femfischerei betreibenden Staaten, die Interessen des Küstenstaates zu berück-
129 Art. 63 Absatz 2: "Kommen derselbe Bestand oder Bestände miteinander vergesellschafteter Arten sowohl innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone als auch in einem seewärts an sie angrenzenden Gebiet vor, so bemühen sich der Küstenstaat und die Staaten, die diese Bestände in dem angrenzenden Gebiet befischen, entweder unmittelbar oder im Rahmen geeigneter subregionaler oder regionaler Organisationen, die zur Erhaltung dieser Bestände in dem angrenzenden Gebiet erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren." (Hervorhebung durch Verfasserin) 130 S. o.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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sichtigen, indem sie ihn an Maßnahmen beteiligen. Der Wortlaut des Art. 63 Abs. 2 SRK ist insoweit offen.
bb) Systematik
Die Annahme eines über ein Beteiligungsrecht hinausgehenden, besonderen küstenstaatlichen Rechts wird vor allem auf die "inter alia"-Klausel 131 des 116 (b) gestützt. Danach hätte neben den ausdrücklich aufgezählten Vorschriften auch Art. 56 Anwendung zu finden, der souveräne Rechte des Küstenstaates über die lebenden Ressourcen der A WZ etabliert. 132 Dann wären all die Vorkommen, die irgendwann in der A WZ des Küstenstaates auftauchen, erst einmal von Art. 56 erfaßt. Die einmal etablierten Rechte würden sich später fortsetzen, wenn der einzelne Fisch des konkreten Bestandes über die 200-Meilen-Grenze hinausschwimmt. Außerdem werden als systematisches Argument die Art. 61 und 62 angefilhrt, die über Art. 116 SRK ebenfalls anwendbar seien. Diese enthalten detaillierte Rechte und Pflichten des Küstenstaates in seiner eigenen A WZ. 133 Danach könnte der Küstenstaat bezüglich derjenigen "Straddling Stocks" der Hohen See, die gleichzeitig Teil eines Bestandes seiner A WZ sind, auf der Hohen See dieselben Rechte ausüben, die er auch in seiner A WZ ausübt. Vorausgesetzt Küsten- und Flaggenstaaten kommen zu keiner Einigung über Fangmengen und Erhaltungsmaßnahmen, könnte Art. 116 (b) dem jeweiligen Küstenstaat garantieren, einseitig Maßnahmen bezüglich eines gesamten Bestandes zu treffen, einschließlich desjenigen Teiles, der auf der Hohen See zu finden ist. 134 Gegen diese Argumentation ist einzuwenden, daß Art. 116 dem Küstenstaat nicht mehr Rechte zugestehen kann, als er nach dem Inhalt der Konvention überhaupt hat. Ein Vergleich mit den ebenfalls zitierten Vorschriften der Art. 64 bis 67 zeigt, daß auch diese den Küstenstaat in keiner Weise privilegieren. In Art. 119 wird nicht davon gesprochen, Interessen des Küstenstaates besonders zu beachten. 135 Die einzige Privilegierung, die Küstenstaaten im Bereich der So die englische Originalfassung, in der deutschen Übersetzung "unter anderem". Luccini/Voelckel, Droit de la Mer 2/2, S. 652; Burke, High Seas Fisheries, S. 133. l33 Vgl. Kwiatkowskn, Creeping lurisdicition, ODIL 1991, S. 168; Jalbert, Unsolved Poblems ofCoastal States' Powers and Obligations, in: Law ofthe Sea at the Crossraods, S. 413: im Falle von Uneinigkeit über das anwendbare Regime, solle dasjenige Recht des Küstenstaates in seiner A WZ auch für die dazugehörigen Bestände gebietsübergreifender Fische auf der angrenzenden Hohen See anwendbar sein. 134 Burke, Ocean Governance, S. 247; ders., UNCED and the Oceans, Marine Policy, Bd. 17, 1993, S. 528; Kwiatkowskn, Creeping lurisdicition, ODiL 1991, S. 168. 135 Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 231. 131
132
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Hohen See bekommen, findet sich tatsächlich in Art. 63 Abs.2. Diese Vorschrift stellt damit eine Ausnahmeregelung dar. Danach ist der mit seiner AWZ angrenzende Küstenstaat selbst dann an Erhaltungsmaßnahmen auf Hoher See zu beteiligen, wenn er selbst gar nicht Hochseefischerei betreibt. Aus Art. 118 läßt sich aber schließen, daß ein "Interesse" im fischereirechtlichen Zusammenhang dann gegeben ist, wenn Fischer eines Staates im betreffenden Gebiet entweder nach dieser Ressource oder einer anderen fischen. Fischt der mit seiner A WZ benachbarte Küstenstaat dort nicht selbst, hätte er nach Art. 118 auch kein Interesse und wäre nicht zu beteiligen. Genau hier greift Art. 63 Abs. 2 mit einem als privilegiert zu bezeichnenden automatischen Interesse des Staates ein. Daraus läßt sich ebenso schließen, daß das besondere Recht des Küstenstaates aus Art. 116 (b) und 63 Abs.2 sich in eben diesem Beteiligungsrecht bzw. der Kooperationsverpflichtung der Flaggenstaaten erschöpft. 136
cc) Entstehungsgeschichte
Aufschlußreich könnte eine Untersuchung der Verhandlungen zu dieser Vorschrift sein. In der Konvention gibt es keine Normen, die Durchsetzungsmechanismen vorsehen, mit denen der Küstenstaat auf der Hohen See im Anschluß an seine AWZ Schutzmaßnahmen fUr die betroffenen Fischbestände durchzusetzen könnte. l37 Dies haben einige KUstenstaaten noch während der Verhandlungen der Seerechtskonvention selbst festgestellt und die Aufnahme eines Streitschlichtungsmechanismus in den Abschnitt der Straddling Stocks vorgeschlagen. 138 Dies wurde aber dann bewußt nicht in den Vertragstext aufgenommen, um nicht den Abschluß der gesamten Konvention zu gefährden. Diese Untersuchung erlaubt den Schluß, daß ein derart durchsetzbares höherrangiges Recht des KUstenstaates von der Mehrheit oder zumindest einer gewichtigen Anzahl der Vertragspartner nicht gewollt war. Aufschlußreich ist auch ein Blick auf die Genfer Fischereikonvention von 1958. In deren Art. 6 und 7 ist ein spezielles Interesse der Küstenstaaten an dem Gebiet der Hohen See anerkannt, daß an die Hoheitsgewässer angrenzt. Nach Art. 7 Abs. 1 soll der Küstenstaat auch im angrenzenden Gebiet Maßnahmen ergreifen können. 139 Solche Formulierungen tauchen in der SRK von 1982 nicht
136 Treves, Oroits de peche de l'Etat cötier au del!\ de 200 miIles, Annuaire francais de droit international Bd. 38, 1992, S. 893; Dominguez Diaz, Hague International Law, S.26; Miles/Burke, ODIL 1989, S.352; Tahindro, Conservation of Transboundary Stocks,ODlL 1997, S. 16. l37 Meltzer, Global Overview, ODIL 1994, S. 257. 138 UN Ooc. AlCONF.62/L.114, 13.4.82, zu diesen Staaten zählten: Kanada, Australien, die Philippinen, Senegal, Island, Cape Verde.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
49
mehr auf. Statt dessen ist die Einfilhrung der AWZs anerkannt worden, ein darüberhinausgehendes besonderes Interesse der Küstenstaaten sollte gerade nicht mehr anerkannt werden. Auch läßt die geringe Anzahl der Ratifikationen des Abkommens von 1958 darauf schließen, daß die Mehrheit der Staaten nicht mit einem solchen besonderen Recht einverstanden war.
dd) Sinn und Zweck
Einen Rückschluß auf Sinn und Zweck dieser Vorschrift gibt das Prinzip der Freiheit der Hohen See. Danach gilt filr alle Staaten gleichermaßen jenseits der 200-Meilen-Grenze die Fishereifreiheit. Durch die Einfilhrung der 200-MeilenZonen wurde diese Freiheit bereits erheblich begrenzt, andererseits den Küstenstaaten die Pflicht auferlegt, in ihren A WZs rur Erhalt und Bewirtschaftung der Arten zu sorgen. Unter der Prämisse, den verbleibenden Rest der Hohen See samt Fischereifreiheit erhalten zu wollen, ist Sinn und Zweck des Art. 63 Abs. 2 SRK, den Küstenstaaten zu ermöglichen, ihre eigenen Maßnahmen innerhalb der A WZ von den auf der Hohen See fischenden Staaten berücksichtigt zu sehen. Es kann aber nicht darum gehen, ihnen souveräne Rechte an dem gesamten Bestand zu verschaffen. Denn dann hätte das Prinzip der Freiheit der Hohen See bezüglich gebietsübergreifender Bestände auch gleich komplett aufgehoben werden können.
ee) Ergebnis
Entscheidend ist, daß Art. 63 Abs. 2 eine Ausnahmevorschrift darstellt, die in die SRK aufgenommen wurde, um den Küstenstaaten die Bewirtschaftung der eigenen Bestände zu erleichtern. Die besseren Argumente sprechen damit für folgendes Ergebnis: Das besondere Recht des Küstenstaates aus Art. 116 (b) und 63 Abs. 2 SRK erschöpft sich in einem automatischen Beteiligungsrecht bzw. einer Verpflichtung der Hochseefischereinationen, Interessen des Küstenstaates "zu berücksichtigen".
jj) Zusammenfassung Abschließend sind folgende Prinzipien bezüglich der grenzüberschreitenden Arten festzustellen:
139 Zu Einzelheiten siehe Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 222 ff. 4 Ziemer
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
- Küsten- und Hochseefischereistaaten sind sowohl in den 200-Meilen-Zonen, als auch auf Hoher See zum Erhalt der Bestände und zur Kooperation verpflichtet. Kooperation bedeutet eine Verpflichtung, über Bewirtschaftungsund Erhaltungsmaßnahmen zu verhandeln. - Die mit ihrer A WZ an die Hohe See angrenzenden Küstenstaaten sind selbst dann an Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu beteiligen, wenn sie selbst dort gar nicht fischen.
gg) Schwachstelle
Als größte Schwachstelle der Regelung der SRK bezüglich der gebietsübergreifenden Fischarten hat sich allerdings diese Rahmenhaftigkeit herausgestellt. Einzelheiten dazu, wie die geforderte Zusammenarbeit praktisch auszusehen hat und vor allem durchgesetzt werden kann, sind in der Seerechtskonvention nicht zu finden. 140 Sie sind damit Streitigkeiten über mögliche Interpretationsweisen zugänglich.
b) Weit wandernde Arten aa) Erfaßte Arten
WeIche Arten zu den weit wandernden Arten zählen, ist durch eine Aufzählung der einzelnen Arten in Annex I der Konvention geklärt. Darin enthalten sind vor allem Thunfisch und verwandte Arten, zum Beispiel Delphine und Haie. Diese Arten sind in einer Kategorie zusammengefaßt worden, da sie eine Gemeinsamkeit haben: Sie bewegen sich im Laufe ihres Lebens über beachtliche Entfernungen über große Gebiete der Ozeane hinweg. Eine Effektive Bewirtschaftung der Bestände wird dadurch erschwert, daß sie dabei oft mehrere Fischereizonen ebenso durchqueren wie die Hohe See. 141 Thunfisch ist der wirtschaftlich wertvollste Fisch dieser Kategorie. 142 Er kommt hauptsächlich in der südlichen Hemisphäre vor und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb von A WZs angrenzender Küstenstaaten. Das Hauptproblem hierbei ist, daß in den Regionen, in denen es Thunfisch gibt, die Küsten140 Balton, Strengthening the Law of the Sea, ODIL 1996, S. 128; Vinogradov/Wouters, Turbot War, S. 608. 141 Nicht alle Thunfischarten weisen diese Eigenschaft auf. Nähere Informationen bei HilborniSibert, Is International Management of Tuna Necessary?, 12 Marine Policy (1988). 142 Munro, Management ofTropical Tuna Resources in the Western Pacific, S. 475.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
51
staaten zumeist weniger entwickelt sind. Gefischt wird aber vor allem von den hochentwickelten Fernfischereitlotten der Industriestaaten. Der Hintergrund des Art. 64 ist daher auch seine Besonderheit: er ist nicht biologischer, sondern wirtschafts-politischer Art. Es gibt andere Arten, die weit größere Distanzen wandern als Thunfisch, jedoch nicht in Annex 1 aufgeführt sind. 143 Die spezielle Regelung des Art. 64 erfaßt nur wirtschaftlich wertvolle Arten, garantiert aber den Küstenstaaten der Region ein Mitspracherecht.
bb) Reichweite der Verpflichtungen
Art. 64 enthält neben der Verpflichtung zum Erhalt dieser Arten durch das Treffen von Vereinbarungen eine Zielbestimmung, die in Art. 63 nicht enthalten ist: die optimale Nutzung der weit wandernden Arten. l44 Optimale Nutzung bedeutet nicht völlige oder größtmögliche Ausnutzung der Arten, sondern läßt den jeweiligen zusammenarbeitenden Staaten eine Wahl des für sie am besten erscheinenden Bewirtschaftungsziels. 145 Außerdem geht es um die gesamten Bestände, also sowohl die auf der Hohen See als auch die in ausschließlichen Wirtschaftszonen. Zahlreiche Staaten interpretierten diese Vorschrift trotzdem dahingehend, daß der jeweilige Küstenstaat in seiner AWZ ausschließliche Rechte an diesen Arten geltend machen kann, und zwar ebenso wie an allen anderen hier vorkommenden Arten. 146 Bis vor einigen Jahren hat es gegen diese Ansicht insbesondere durch die USA heftigen Widerstand gegeben. Bis 1991 haben die USA keine Ansprüche an Thunfisch jenseits einer 12-Meilen-Zone anerkannt. Dies änderte sich jedoch mit einer Änderung des Magnuson Fishery Conservation and Management Act, wonach weit wandernder Thunfisch, der in der US-amerikanischen AWZ auftritt, auch
Vgl. Burke, New International Law ofFisheries, S. 200. Art. 64 Absatz I: "Der Küstenstaat und andere Staaten, deren Angehörige in der Region die in Anlage 1aufgeführten weit wandernden Arten befischen, arbeiten unmittelbar oder im Rahmen geeigneter internationaler Organisationen zusammen, um die Erhaltung dieser Arten zu gewährleisten und ihre optimale Nutzung in der gesamten Region sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen Wirtschajiszone zu fördern. In Regionen, für die es keine geeignete internationale Organisation gibt, arbeiten der Küstenstaat und die anderen Staaten, deren Angehörige diese Arten in der Region befischen, bei der Errichtung einer solchen Organisation zusammen und beteiligen sich an ihrer Arbeit." (Hervorhebung durch Verfasserin) 145 Vgl. Burke, The New International Law of Fisheries, S. 60. 146 Munro, ODIL 1990, S. 289-308; Meltzer, Global Overview, ODIL 1994, S. 258. 143
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1. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
unter US-amerikanische Jurisdiktion flillt. 147 Danach mußten die USA dieses Recht auch für alle anderen Staaten anerkennen.
cc) Regelungsadressaten
Die Bestimmung "andere Staaten, deren Angehörige' in der Region die ( ... ) weit wandernden Arten befischen" beinhaltet neben dem angrenzenden Küstenstaat sowohl andere Küstenstaaten als auch Fernfischereinationen. Das bedeutet, daß zwei unterschiedliche Gruppen mit gegensätzlichen Interessen daran beteiligt sind, kooperative Regelungen bezüglich der Fischerei nach weit wandernden Arten zu treffen. 148 Im Gegensatz zu Art. 63 Abs. 2 geht es hier um die Region, die sowohl Gebiete innerhalb als auch außerhalb von AWZs umfaßt. Bei Art. 63 Abs. 2 geht es nur um die an die A WZs angrenzenden Zonen. 149 Die Staatenpraxis ist dieser Unterscheidung teilweise deutlich gefolgt: Die meisten regionalen Verträge betreffend Thunfisch finden beispielsweise sowohl innerhalb als auch außerhalb der A WZs der Region Anwendung. 150 Darüber hinaus sind Küsten- und Flaggenstaaten in bezug auf weit wandernde Fischarten zur Kooperation verpflichtet (sie "arbeiten zusammen"). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den "Straddling Stocks" nach Art. 63 Abs. 2 nur um das "Bemühen" darum, erforderliche Maßnahmen zu vereinbaren. 151
dd) Schwachstellen
Einzelheiten zur praktischen Umsetzung oder gar zur Durchsetzung VOn Maßnahmen sind allerdings auch hier nicht geregelt. 152 Statt dessen haben die Verhandlungspartner das Problem den jeweils interessierten Staaten zur regionalen Lösung überlassen. Die Behandlung VOn regionalen oder subregionalen Fischereiorganisationen ist auch unzureichend: Es bleibt unklar, ob diese Organisationen berechtigt sind, Regeln zum Fischbestandsschutz zu erlassen, wel147 Nandan et al., Commentary, Art. 64.9(a), S. 657, FN 14: Fishery Conservation Amendments of 1990, Public Law 101-627. 148 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 58. 149 Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 128. 150 Balton, Strenghtening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 128. \5\ Fauteux, The Canadian Legal Initiative on High Seas Fishing, Yearbook ofinternational Environmental Law, Vol. 4, 1993, S. 54; Tahindro, Conservation of Transboundary Stocks, ODIL 1997, S. 19. 152 Burke/Miles, Problem of Straddling Stocks, ODIL 93, S. 343; Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 129.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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chem Verfahren die Entscheidungsfindung folgen soll oder wie Maßnahmen durchgesetzt werden sollen oder können. 153 Was zu geschehen hat, wenn keine regionale Einigung erzielt wird, ist ebensowenig im Vertragstext enthalten.
4. Einschränkung durch andere Vorschriften
Unter den Artikeln der SRK finden sich noch einige weitere Vorschriften mit dem Potential, die Fischereifreiheit einzuschränken. So enthält Art. 78 Abs.2 SRK eine sogenannte "Gemeinwohlklausel". Danach werden die anerkannten Meeresfreiheiten und damit auch die Fischereifreiheit "von jedem Staat unter gebührender Berücksichtigung der Interessen anderer Staaten an der Ausübung der Freiheit der Hohen See sowie der Rechte ausgeübt, die dieses Übereinkommen im Hinblick auf die Tätigkeiten im Gebiet vorsieht." Insofern enthält dieser Artikel eine rechtliche Schranke der Fischereifreiheit, soweit die Interessen anderer Staaten an der Ausübung der Fischereifreiheit betroffen sind. Diese Schranke ist allerdings insoweit ausfüllungsbedürftig, als das Interesse der anderen Staaten nicht näher definiert ist - abgesehen von den in der SRK selbst enthaltenen Rechten. Es fragt sich daher, wie im Einzelfall ein Interesse anderer Staaten identifiziert werden kann, wenn dieses nicht ausdrücklich kundgetan wurde. Als Konkretisierung eines "Interesses" könnten zum Beispiel die internationalen Umwelt- und Artenschutzvereinbarungen zur Hohen See angesehen werden, in denen Interessen von vielen Staaten auf der Hohen See zum Ausdruck kommen. 154 Hier ist aber wiederum anzufl1hren, daß diese Verträge nur für die jeweiligen Vertragspartner gelten. Für Drittstaaten können darin enthaltene Vorschriften daher höchstens als Anhaltspunkt gelten. Auch enthalten sie oft bloße politische Absichtserklärungen, nicht aber die Definition wirtschaftlicher Interessen. Art. 78 Abs. 2 SRK ist im übrigen weitergehend als die Gemeinwohlklausel des Art. 2 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See von 1958. Nach die-
Wolfrum, Die Fischerei auf Hoher See, ZaöRV 1978, S. 659, 697. Z. B. International Convention for the Regulation of Whaling, Washington, 2.12.1946, geändert 19.11.l956, 338 UNTS S.336; International Convention for the High Seas Fisheries of the North Pacific Ocean, Tokio 9.5.1952, 205 UNTS S. 65; FAO Convention on the Conservation of the Living Resources of the South-East Atlantic, Rom, 23.20.1969, 801 UNTS S. 101; Convention for the Prohibition of Fishing with Long Driftnets in the South Pacific, Wellington 24.11.1989, I.L.M. 29 (1990), S. 1454. 153
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
sem müssen nur die Rechte anderer Staaten berücksichtigt werden, keine weiteren Einschränkungen, die der Vertrag selbst vorsieht. Eine weitere Einschränkung der Fischereifreiheit könnte in Art. 192 SRK gefunden werden. Dieser sieht ganz al1gemein die Verpflichtung der Staaten vor, die marine Umwelt zu schützen und zu erhalten. Da die lebenden Ressourcen zur marinen Umwelt gehören, sind auch sie prinzipiel1 zu schützen und zu erhalten. Diese Aussage ist aber von den Art. 63 bis 67 und Art. 116 bis 119 SRK bereits konkreter getroffen worden. Art. 193 SRK betont, daß die souveränen Rechte der Staaten zur Ausbeutung der lebenden Meeresressourcen sie nicht von der Verpflichtung befreien, die marine Umwelt zu erhalten und zu schUtzen. 155 Die einzige Vorschrift, die diesbezüglich auch Maßnahmen fordert, findet sich in Art. 194 Abs. 5, im Fal1e empfindlicher Ökosysteme bzw. bezüglich ausgebeuteter und bedrohter Arten. Konkretere Anhaltspunkte als in den artenspezifischen Fischereivorschriften der SRK darüber, wie diese Maßnahmen auszusehen haben, sind auch hier nicht enthalten. Sie könnten höchstens über die SRK hinausgehend möglicherweise den Rahmen rur weitergehende Übereinkommen bieten. 156 Aus der weiteren Durchsicht der Vorschriften der SRK ergeben sich damit keine noch weitergehenden Einschränkungen der Fischereifreiheit.
5. Zusammenfassung der Verpflichtungen Aus al1edem ergeben sich rur die einzelnen Staaten insgesamt sechs Verpflichtungen: Erhalt der lebenden Ressourcen der Hohen See, Zusammenarbeit beim Erhalt dieser Ressourcen, Verhandeln über Erhaltungsmaßnahmen, Erheben und Austauschen von Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich der Fischvorkommen, Anwendung der bestmöglichen verrugbaren Erkenntnisse, Unterlassen von Diskriminierungen.
155 Vgl. Wolfrum, The Protection of the Marine Environment after the Rio Conference, S. 1009. 156 Vgl. FreestonelMakuch, The New International Environmental Law ofFisheries, YIEL 1996, S. 11.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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6. Untersuchungsergebnis a) Hervorhebung der Konfliktpunkte Die rahmenhafte l57 Regelung, die sich aus der SRK ergibt, enthält vier Konfliktpunkte betreffend die Zuständigkeit rur Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen:
I. Küstenstaaten und Flaggenstaaten üben gleichzeitig Jurisdiktion über die grenzüberschreitenden Arten aus. 2. Die ausschließliche Zuständigkeit der Küstenstaaten in ihren jeweiligen A WZs garantiert noch lange nicht, daß die Bestände ausreichend geschützt werden. Beispiele sind etwa die Wirtschaftszonen Kanadas oder der EG. 158 3. Auf der Hohen See gilt weiterhin das Flaggenstaatsprinzip, eingeschränkt durch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Küstenstaaten bezüglich gewisser Arten. Eine wirksame, einheitliche Kontrolle der Fischereifahrzeuge kann dadurch nicht stattfinden. 4. Es besteht zwar eine Verpflichtung zur Kooperation zwischen Küsten- und Flaggenstaaten. Deren Art und Umfang sind jedoch nicht geregelt, sondern bleiben dem Willen und Können der Staaten überlassen.
b) Schlußfolgerungen Aus der vorstehenden Untersuchung ergibt sich zwingend, daß internationale Zusammenarbeit nicht umgangen werden kann,159 sollen diese Konfliktpunkte gelöst werden. Vor allem nach Art. 119 SRK ist zwar bereits internationale Kooperation auf dem Gebiet der Hochseefischerei gefordert, eine Internationalisierung der Fischvorkommen findet durch die Konvention von 1982 jedoch nicht statt. 160 Lediglich ein Interesse der Staatengemeinschaft an Erhalt und optimaler Nutzung der Ressourcen wird anerkannt. Art und Weise der Ausbeutung der Ressourcen haben dagegen in der jeweiligen Zone die Küsten bzw. auf der Ho-
157 de Fontaubert, The Politics ofNegotiation, Ocean & Coastal Management, Vol. 29, 1995, S. 80; Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 255. 158 Hey, Rede beim: 30th Annual Meeting ofthe Law ofthe Sea Institute at AI-Ain, United Arab Emirates, May 19-22, 1996 m. w. N. 159 Vgl. z. B. Juda, The EEC and Ocean Management, ODIL 1987, S. 322. 160 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 123.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
hen See die Flaggenstaaten mehr oder weniger unabhängig von dem Rest der Staatengemeinschaft festzulegen. Zusammenarbeit ist zwar gefordert, eine Garantie oder wenigstens Hinweise darauf, wie diese konkret gestaltet werden muß, gibt es aber nicht. Aus der Realität der Fischwirtschaft läßt sich schließen, daß praktikabelste Lösung die Zusammenarbeit im Rahmen von Fischereiorganisationen iSt. 161 Durch diese Vorschriften begrenzt die Seerechtskonvention die Souveränität der Staaten der Staatengemeinschaft: Souveräne Rechte in den Wirtschaftszonen sind durch die Pflicht der Erhaltung und Bewirtschaftung beschränkt, es gibt die Pflicht zur Zusammenarbeit, außerdem enthält die Konvention einen detaillierten Streitbeilegungsmechanismus. 162 Insofern enthält die Seerechtskonvention bereits bezüglich aller bestehenden Probleme anwendbare Regeln. Was den rechtlichen Gehalt der einzelnen Vorschriften jedoch angeht, bleibt die Seerechtskonvention oft mehrdeutig, so daß Raum rur unterschiedliche Interpretationen durch die Fischerei betreibenden Staaten bleibt. 163 Die SRK kann daher nur einen rudimentären Rahmen bieten. l64 Nötig wären vor allem Durchruhrungsbestimmungen darilber, wie die durch die SRK stipulierte Verpflichtung zur Zusammenarbeit und zur Erhaltung der Fischbestände in die Praxis umgesetzt werden können. 165 Insgesamt orientieren sich die Vorschriften wenn überhaupt, dann hauptsächlich an der Nutzung der Bestände, etwa indem die Erhaltung des größtmöglichen Dauerertrags betont wird. Der Schutz der marinen Umwelt wird in diesem Zusammenhang zweitrangig. 166 Grund rur diese nur rudimentäre Regelung ist, daß sich die Delegierten während der Verhandlungen zur SRK hauptsächlich auf die Einruhrung von A WZs konzentrierten,167 durch die sie sich bereits eine Lösung der meisten Probleme versprachen.
161 Vgl. Dahmani, The fisheries regime ofthe exclusive economic zone, S. 114. 162 Dazu Mann Borgese, Ocean Governance and the United Nations, S. 17. 163 Juda, International Law and Ocean Use Managament, S.276; ders. The 1995 United Nations Agreement, ODIL 1997, S. 149; Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 541. 164 Wolfrum in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Vol. 11, S. 111. 165 Oxman, Coastal States' Competences over High Seas Fisheries - Comment, ZaöRV 55/2, 1995, S. 541. 166 Vgl. Wolfrum, The Protection of the Marine Environment after the Rio Conference, S. 1009. 167 Wolfrum in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Vol. 11, S.112.
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III. Einschränkungen durch Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts Neben dem speziellen Recht der Seerechtskonvention in bezug auf grenzüberschreitende und weit wandernde Fischarten gilt ferner das allgemeine Völkerrecht, soweit es sich mit grenzüberschreitenden natürlichen Ressourcen befaßt. Unter Umständen lassen sich auch aus dem allgemeinen Völkerrecht Grundsätze ziehen, die zur Regelung der Fischerei auf der Hohen See anwendbar sind. Die Frage, wie Staaten sich bezüglich gemeinsamer Ressourcen zu verhalten haben, ist im Völkerrecht nicht neu. 168 Gemeinsames Element aller Ansatzpunkte ist, daß mehrere Staaten sich außerhalb der Grenzen ihrer nationalen Souveränität das Recht teilen, eine Ressource zu besitzen und auszubeuten. 169 Anerkanntermaßen steht keinem Staat einzeln das Recht zu, sie nur rur sich selbst zu nutzen oder andere Staaten von der Nutzung auszuschließen. 17o Sobald Teile der Ressource aber abgebaut, gefangen oder sonst in Besitz genommen wurden, gehen sie in Eigentum über. Internationales Umweltrecht wie es in Verträgen, Akte Internationaler Organisationen, Staatenpraxis oder gemeinsamen Erklärungen zu finden ist, enthält generelle Prinzipien bezüglich der Behandlung gemeinsamer Ressourcen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit generelle Regeln des Umweltvölkerrechts l71 auch auf staatsfreie Räume wie die Hohe See anwendbar sind und damit die Fischereifreiheit einschränken. Als solche Regeln, die generelle, nicht notwendig universelle Akzeptanz finden, werden vor allem immer wieder genannt und sind in diesem Zusammenhang von Interesse:
1. Prinzip 21 der Stockholm Deklaration
Am Ende der UN-Conference on the Human Environment 1972 in Stockholm wurden drei Instrumente angenommen: eine Resolution zu institutionellen und finanziellen Vereinbarungen, eine Erklärung mit 26 Prinzipien und ein Ak168 Zu Ressourcen als geteiltes oder gemeinsames Eigentum vgl. z. B. die Bering Sea Fur Seals Arbitration (1895), I Moore's Int. arbitration awards (1898), S. 755, oder den Icelandic Fisheries Case, ICI Rep. (1974), S. 3. 169 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 25. 170 Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 117 ff., m. w. N. 171 Zusammenfassung der Entwicklung des Umweltvölkerrechts als eigener Sektor internationalen Rechts bei Kornicker, lus Cogens und Umweltvölkerrecht, S. 132 ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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tionsplan mit 109 Empfehlungen. 172 Die Prinzipienerklärung l73 sollte einen gemeinsamen Ausblick und gemeinsame Prinzipien zur Verfilgung stellen, "to inspire and guide the peoples of the world in the preservation and enhancement of the human environment".174 Zweck der Prinzipienerklärung sollte sein, der Öffentlichkeit Umweltprobleme bewußter zu machen. Alle drei Instrumente waren aber nicht rechtlich verbindlich. Zur diesem Zeitpunkt konnten die darin enthaltenen Grundsätze selbst die Souveränität der Staaten noch nicht im einzelnen beschränken. Eine Einschränkung ergibt sich aber aus der später in Gewohnheitsrecht übergegangenen Anwendung dieser Prinzipien. Gemäß dem Grundsatz des Prinzips 21 der Stockholm-Deklaration üben Staaten nicht nur Souveränität über ihre nationalen Ressourcen aus, sondern tragen auch die Verantwortung, durch deren Ausbeutung keine Umweltschäden in anderen Staaten zu verursachen: 175 "States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own ressources pursuant to their own environmental policies, and the responsibility to ensure that activities within their jurisdiction do not cause damage to the environment of other States or areas beyond the limits of national jurisdiction. ,,176 Dies entspricht der traditionellen Maxime des "sie utere tuo ut alienum non laedas",177 die in zahlreichen Verträgen und anderen internationalen Akten wiederzufinden ist. 178 Der Grundsatz des Prinzips 21 wird heute auch als Basisnorm gewohnheitsrechtlichen Umweltvölkerrechts genannt. 179 Der IGH hat in seinem Gutachten zur Zu lässigkeit von Atomwaffen am 8. Juli 1996 die gewohnheitsrechtliehe Geltung dieses Grundsatzes bestätigt. 180
Sands, Principles oflnternational Environmental Law, S. 34 m. w. N. 173 Declaration ofthe United Nations Conference on the Human Environment, abgedruckt in: I.L.M.II (1972), S. 1416,1420. 174 UN Doc. NCONF.48/PC.17, zitiert bei Sands, Principles of International Environmental Law, S. 36. 175 UNGA ReS. 2849 (XXVI) (1972), para 4 (e) ausfiihrliche Erörterungen zur Geltung dieses Prinzips bei Sands, Principles of International Environmental Law, Vol. I, S. 186 ff.; Sohn, The Stockholm Declaration on the Human Environment, 14. Harv. ILJ (1972) 423, 485-93. 176 Stockholm-Deklaration, I.L.M. 11 (1972), S. 1420. 177 Sands, Principles oflnternational Environmental Law, Vol. I, S. 197. 178 Neben dem Corfu-Kanal Fall ist als Grundlage vor allem der Trail-Smelter Fall anzufiihren, außerdem Art. 24 der Stockholm Deklaration, sowie z. B. die World Charter for Nature; vgl. DahmiDelbrücklWolfrum, Völkerrecht VI S. 446; Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 93; Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 145. 179 Kornicker, lus Cogens und Umweltvölkerrecht, S. 140. 180 ICJ, Advisory Opinion, Legality ofthe Threat or Use ofNuclear Weapons, 8 July 1996; vgl. Kornicker, lus Cogens und Umweltvölkerecht, S. 141. 172
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Obwohl ursprünglich auf Umweltschäden an Land bezogen, ist dieses Prinzip auf Wasserverschmutzung ausgedehnt worden. 181 Hieraus wird bereits zum Teil die Konsequenz gezogen, daß dieses Prinzip auf gemeinsame bzw. hoheitsfreie Bereiche wie etwa die Hohe See zur Anwendung kommt. Dies fuhrt dazu, daß Fernfischerei betreibende Nationen keine Handlungen vornehmen dürfen, die einen negativen Effekt auf die Küstenstaaten haben. 182 Der erste Teil dieses Grundsatzes betrifft nur die Nutzung nationaler Ressourcen. Die Ausbeutung staatsfreier Ressourcen ist nicht erfaßt. Der zweite Teil des Prinzips beinhaltet ein Verbot der erheblichen Schädigung der Umwelt jenseits des eigenen Territoriums. Damit ist der Schutz staatsfreier Räume wie der Hohen See gemeint. Die Ausbeutung der Ressourcen staatsfreier Gebiete ist nach dem Wortlaut dieses Prinzips jedoch noch nicht geregelt. Wenn aber die Ausbeutung der eigenen Ressourcen nicht zu Umweltschäden in anderen Staaten filhren darf, so läßt sich argumentieren, daß das doch erst recht filr die Ausbeutung solcher Ressourcen gelten muß, die keinem bestimmten Staat gehören. Daraus ließe sich unter Umständen auch eine Verpflichtung der Staaten herleiten, durch eigene Aktivitäten auf Hoher See weder Umweltschäden filr andere Staaten in deren Hoheitsgewässern, noch Umweltschäden im staatsfreien Raum zu verursachen. 183 Danach ist festzustellen, daß das Prinzip 21 der Stockholmer Erklärung auch auf staats freie Gebiete anwendbar ist. Allerdings lassen sich aus diesem erfolgsorientierten Prinzip kaum konkrete Verpflichtungen der Völkerrechtssubjekte bezüglich ihrer Fischereipolitik begründen, denn selbst in seiner bisherigen Geltung ist das Prinzip 21 nicht eindeutig. Zum einen ist ungeklärt, wann genau ein erheblicher Umweltschaden anzunehmen ist. Zum anderen ist die kausale Verursachung eines Schadens durch bestimmte Aktivitäten eines Staates kaum nachweisbar. Prinzip 21 hilft also bezüglich der Definition konkreter Pflichten der Hochseefischerei betreibenden Staaten auch nicht weiter.
2. Prinzip der guten Nachbarschaft
Eng in Zusammenhang mit Prinzip 21 steht das Prinzip der guten Nachbarschaft, "principle of good neighbourliness", wie es in Art. 74 der Charta der
181
Birnie, The Basic Obligation to Protect the Marine Environment, S. 3.
182
van Dyke, New Initiatives on Governance of High Seas Fisheries Resources, Int.
Journal of Marine and Coastal Law 1995, S. 222. 183 Vgl. auch Annexe 1, 11 in: Our Common Future (Brundtland Report 1987),
S.349.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Vereinten Nationen festgehalten ist. Auch dieses ist Ausfluß der nationalen Souveränität, aus der folgt, daß Staaten ihr Territorium nicht zu Zwecken zur Verfiigung stellen dürfen, die den souveränen Rechten anderer Staaten zuwiderlaufen. 184 Es ist allerdings nicht ganz so weitgehend wie Grundsatz 21 der Stockholm-Deklaration, da es nur um Nachbarrecht geht, also lediglich das Staatsgebiet angrenzender Staaten gemeint ist. Genauso wie das Prinzip 21 ließe sich auch dieser Grundsatz auf den staats freien Raum der Hohen See ausweiten: Danach dürfen die Staaten dann nicht zulassen, daß die eigenen Fischer durch ihre Aktivitäten die Rechte der Fischer anderer Nationen beeinträchtigen, die in diesem Gebiet Fischfang betreiben. Dagegen läßt sich aber einwenden, daß es nur um die Nachbarschaftsrechte souveräner Staaten geht, der hoheitsfreie Raum aber gerade nicht erfaßt ist. Auch das Prinzip der guten Nachbarschaft gibt damit keine Aufschlüsse auf konkrete Verpflichtungen der Staaten bezüglich der Hochseefischerei.
3. Prinzip internationaler Zusammenarbeit Prinzip 24 der Stockholm Deklaration 185 gebietet eineVerpflichtung der Staaten zu internationaler Kooperation. Umweltrechtliche Verträge enthalten nahezu geschlossen eine solche Verpflichtung,186 wonach die Staaten entweder bezüglich der Vertragsziele oder speziellen Vorschriften der Verträge zusammenzuarbeiten haben. 187 Diese Kooperation kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Die Bandbreite reicht von gegenseitiger Information und Datenaustausch bis zu grenzüberschreitender Durchsetzung von Umweltstandards, und zwar innerhalb sowie außerhalb von Gebieten territorialer Souveränität. 188
184 Corfu-Kanal Fall (Groß BritannieniAlbanien), ICJ Rep. 1949,4,22. "International matters concerning the protection and improvement o[ the environment should be handled in a cooperative spirit by a// countries, big and sma//, on an equal [ooting. Cooperation through multilateral or bilateral arrangements or other appropriate means is essential to ejJectively control, prevent, reduce and e/iminate adverse environmental effects resulting [rom activities conducted in a// spheres, in such a way that due account is taken o[the sovereignity and interests o[ a// States." 186 Z. B. Art. 2 11 Convention for the Proteetion of the Ozone Layer (Wien), 22. März 1985, abgedruckt in I.L.M. 26 (1987), S. 1529; Art. 14 ACP-EC Lome Convention, 15. Dezember 1989 (Lome), abgedruckt in 29 I.L.M. (1990), S. 783; Art. 5 Convention 185
on Biological Diversity (Rio de Janeiro), 5. Juni 1992, abgedruckt in I.L.M. 31 (1992), S. 822; vgl. auch UNGA ReS. 2995 (XXVII), 15. Dezember 1972; die Verpflichtung zur Kooperation erscheint auch in anderen Bereichen des Völkerrechts als generell gültiges Prinzip, z. B. Art. 33 Charta der Vereinten Nationen; vgl. UN Doc. AlCONFIlNF/6 S.23. 187 Sands, Principles ofinternational environmentallaw, Vol. I, S. 197. 188 Kiss/She/ton, International Environmental Law, S. 151.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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Allerdings ist dieses generelle Prinzip keineswegs weitergehend als die Zusammenarbeitsverpflichtung aus Art. 197 oder 117 bis 119 SRK.
4. Vorsorgeprinzip (precautionary principle)
Dieses auf internationaler Ebene in den 80er Jahren verstärkt erschienene Prinzip greift dann in Entwicklung und Anwendung von internationalem Recht ein, wenn wissenschaftliche Unsicherheit über gewisse Faktoren besteht. 189 In Prinzip 15 der Rio Declaration wird das Vorsorgeprinzip wie folgt wiedergegeben: Where there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.
Ähnlich formuliert taucht das Vorsorgeprinzip inzwischen in zahlreichen internationalen Verträgen auf. 19O Der UN-Generalsekretär hat bereits 1990 die besondere Bedeutung dieses Prinzips filr die künftige Behandlung marinen Umweltschutzes genannt. 191 Genereller Ausgangspunkt ist dabei die Tatsache, daß die Wissenschaft nicht immer alle Erkenntnisse liefern kann, die nötig sind, unerwünschte Effekte auf die Umwelt zu vermeiden. 192 Grundlage dieses Prinzips ist ebenfalls der Grundsatz des "sie utere". Es kann von einer generellen Akzeptanz dieses Prinzips gesprochen werden, auch wenn die Aussage noch zu weitgehend ist, daß es zu internationalem Gewohnheitsrecht zu zählen sei. 193 Was genau der Inhalt ist, ist jedoch noch nicht festgestellt. 189 Sands, Principles of international environmental law, Vol. I, S. 208; gemeinsam mit einer Verpflichtung zum "Assessment" sehen dieses Prinzip Kiss/She/ton, International Environmental Law, S. 147 ff. 190 Z. B. bereits International Convention for the Regulation of Whaling (Washington), 2. Dezember 1946, abgedruckt in 161 UNTS 72, Art. V (2); Convention for the Protection of the Ozone Layer (Vienna), 22. März 1985, abgedruckt in I.L.M. 26 (1987), S. 1529, Präambel; Convention on Biological Diversity (Rio de Janeiro), 5. Juni 1992, abgedruckt in I.L.M. 31 (1992), S. 822; Art. 130r Abs. 2 Vertrag der Europäischen Union (Maastricht), 17. Februar 1992, abgedruckt in I.L.M. 31 (1992), S. 247; vgl. Auflistung bei Sands, Principles of international environmentallaw, Vol. I, S. 209; FreestoneiHey, Origins and Development of the Precautionary Principle, S. 3 f.; auch in nationalem Recht taucht das Prinzip auf, z. B. Australian Protection of the Environment Administration Act 1992. 191 Freestone/Makuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 11, unter Verweis aufUN Doc. A/45/721, 19. Nov. 1990, S. 20, Nr. 60. 192 Freestone/Hey, Origins and Development ofthe Precautionary Prinicple, S. 12. 193 Freestone/Hey, Implementing the Precautionary Principle: Challenges and Opportunities, S. 249 m.w.N; zahlreiche Autoren gehen allerdings bereits von gewohnheitsrechtlicher Geltung aus, vgl. van Dyke, The Straddling and Migratory Stocks Agreement and the Pacific, S. 7 in FN 13.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Kleinster gemeinsamer Nenner ist die Aussage, daß die Staaten sich damit einverstanden erklären, bei solchen Entscheidungen vorsichtig und vorausschauend tätig zu werden, die Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten. Nach einer Ansicht hat das Vorsorgeprinzip auch eine Beweislastumkehr zur Folge. 194 Danach muß derjenige die Unschädlichkeit einer Maßnahme beweisen, der sie behauptet. 195 Bislang mußte dagegen immer erst der Schaden bzw. die Schädlichkeit bewiesen werden. Diese Ansicht ist zwar relativ verbreitet, aber noch nicht durch Staatenpraxis eindeutig zu belegen. 196
5. Prinzip der angemessenen/nachhaltigen Nutzung gemeinsamer Naturgüter (sustainable use/development)
In diesem Zusammenhang ist auch das relativ neue Prinzip der nachhaltigen Nutzung zu nennen. 197 Im englischen Sprachgebrauch ist von "sustainable use" oder "development" die Rede, im Deutschen wird der Begriff "sustainable" oft mit angemessen oder nachhaltig übersetzt. Die Bedeutung des abstrakten Wortes "sustainable" ist schwer zu definieren 198, es hat sich vermutlich genau aus diesem Grund durchgesetzt. Sein genauer Inhalt ist erst im Laufe der Entwicklung des Prinzips noch auszuruHen bzw. ist teilweise durch den Abschluß zahlreicher internationaler Vereinbarungen ausgerullt worden. Zusammengefaßt geht es darum, daß die Anliegerstaaten eines gemeinsamen Naturgutes in Einschränkung ihrer territorialen Souveränität und Integrität verpflichtet sind, bei der Nutzung dieses Naturgutes die Interessen und Bedürfnisse aller Anliegerstaaten zu berucksichtigen. l99 Erstmals formuliert wurde dieser Grundsatz im Brundtland-Report von 1987. 200
194 Vgl. Freestone/Makuch, The New International Environmental Law ofFisheries, YIEL 1996, S. 12 m. w. N. 195 van Dyke/Zaelke/Hewison, Perspectives on Environmental Harmony, in: Freedom for the Seas in the 21st Century, S. 477. 196 Sands, Principles ofinternational environmentallaw, Vol. I, S. 212. 197 umfangreicher Überblick dazu bei Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter; Sands, Principles of International Environmental Law, Vol. I, S. 198208. 198 Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 145; Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 123. 199 So die Zusammenfassung bei Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, S. 186. 200 Our Common Future, S. 43 ff.
B. Freiheit der Hohen See contra Hoheitsgewalt
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Sustainable development is the development that meets the needs of the present without compromising the ability offuture generations to meet their own needs. [... ].201 Es geht also um den Mittelweg zwischen den Bedürfnissen der Zukunft und der Gegenwart. 202 In der Folge des Brundtland-Reports fand das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung bzw. Nutzung vielfachen Eingang in die Staatenpraxis im Wege einzelstaatlicher Maßnahmen bzw. multilateraler Verträge. 203 Wegen der großen internationalen Teilnahme kann als allgemeine Geltung besitzend derzeit die Definition aus Art. 2 der Convention on Biological Diversity von 1992 betrachtet werden: "Sustainable use" means the use of components of biological diversity in a way and a rate that does not lead to the long-term decline of biological diversity, thereby maintaining its potential to meet the needs and aspirations of present and future generations."204 In den folgenden Artikeln wird diese Definition weiter ausgefiihrt. 205 Allerdings ist auch dieses Prinzip wenig konkret in bezug auf einzelne Pflichten. Es bleibt fraglich, wie die Interessen der anderen Nutzer oder gar zukünftiger Generationen festzulegen sind, und wodurch dem Erfordernis der "Berücksichtigung" entsprochen ist. Auch dieses Prinzip verschafft damit keine Konkretisierung der Pflichten der SRK.
6. Zusammenfassung Inwieweit diese Prinzipien bereits den Status von Völkergewohnheitsrecht haben, ist in Ermangelung von Beispielen aus internationaler Rechtsprechung und Staatenpraxis schwer festzustellen. 206 Es bleibt jedoch festzuhalten, daß
201 Ähnlich formuliert erscheint dieses Prinzip in zahlreichen internationalen Verträgen, z. 8.: Art. 33 der ACP-EC Lome Convention, 15. Dezember 1989, I.L.M. 29 (1990), S. 783; Art. I (h) des International Tropical Timber Agreement, (Genf) 18. November 1983, UN Doc. TD/T1MBERlllIRev.l; Art. I (I) ASEAN Agreement, 9. Juli 1985, 15 E.P.L. (1985); S. 64; Präambel und Art. I, 8, 11, 12, 16, 17, 18 der Biodiversity Conventi on (Rio de Janeiro), 5. Juni 1992, I.L.M. 31 (1992), S. 822; Prinzip 27 der Rio Deklaration; zahlreiche weitere Nachweise bei Sands, Principles of International Environmental Law, Vol. I, S. 201 ff. 202 Bartholomäi, Sustainable Development und Völkerrecht, S. 19. 203 Ausführlicher Überblick bei Bartholomäi, Sustainable Development und Völkerrecht, S. 72 ff. sowie 195 ff. 204 Biodiversity Convention (Rio de Janeiro), 5. Juni 1992, I.L.M. 31 (1992), S. 822. 205 Diese Konvention ist von über 150 Staaten sowie der EU signiert worden, daher kann davon ausgegangen werden, daß das Prinzip der nachhaltigen Nutzung als allgemeines Prinzip internationalen Rechts akzeptiert ist, vgl. die ausführlichen Erörterungen bei Johnston, Sustainability, Biodiversity and International Law, S. 51, m. w. N.
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1. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
sämtliche oben genannten Prinzipien in zahlreichen internationalen Vereinbarungen, sowie UNGA-Resolutionen regelmäßig Erwähnung finden. 207 Damit hat eine große Zahl an Staaten ihre Rechtsüberzeugung kundgetan, an diese Prinzipien gebunden zu sein. Sie können daher wenigstens als im Entstehen begriffenes Völkerrecht qualifiziert werden. Insbesondere gilt das Prinzip "paeta sunt servanda", sodaß die einzelnen Staaten an zahlreiche internationale Vereinbarungen gebunden sind, mit denen sie selbst ihre Freiheiten beschränkt haben. Allerdings handelt es sich eben nur um Prinzipien, nicht um Rechtssätze. Eine Prüfung, ob diese Prinzipien gar durchsetzbare Rechte begründen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Insbesondere sind sie in bezug auf die Hochseefischerei nicht sehr hilfreich, da auch sie die einzelnen Pflichten der SRK nicht genau genug konkretisieren können. Die Prüfung bezUglieh weiterfllhrender Einschränkungen der Fischereifreiheit durch allgemeines Völkerrecht kann daher hier abgebrochen werden.
IV. Träger dieser Rechte Auf die Frage, wer Träger der bislang in der SRK und im allgemeinen Völkerrecht identifizierten bestehenden Rechte ist, ergeben sich aus dem Vorangegangenen im Grunde drei mögliche Antworten: I. Der an den jeweiligen Teil der Hohen See angrenzende Küstenstaat. Dies gilt zumindest dann, wenn grenzüberschreitende Fischvorkommen betroffen sind, Art. 63 Abs. 2 und 116 SRK. 2. Die anderen Staaten, die auf diesem Teil der Hohen See fischen. Dies gilt dann, wenn in einer bestimmten Region mehrere Staaten dieselben Sorten von Fisch befischen. Dann können ganze Regionen oder Subregionen betroffen sein. 3. Es ist allerdings auch denkbar, daß die Gemeinschaft der Staaten im Ganzen Träger der durch das spezielle Seerecht und das allgemeine Völkerrecht statuierten Rechte sein könnte. Dies könnte zumindest subsidiär dann gelten, wenn kein einzelner Staat oder keine Fischereiorganisation betroffen ist. 208
206 Vgl. Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 122 rur Sustainable Development. 207 Vgl. auch den Überblick bei Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 145 ff.; Sands, Principles of International Environmental Law, Vol. I, S. 183. 208 Burke/Miles, Problem ofStraddling Stocks, ODIL 1989, S. 352.
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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c. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten Es stellt sich daher die Frage, wie sich die Zusammenarbeit der Staaten bislang in der Praxis gestaltet, wie die Rahmenregelung der Konvention ausgerullt wird. Eine internationale Zusammenarbeit fmdet in unterschiedlichen Bereichen der Fischerei mit sehr unterschiedlicher Beteiligung statt. Neben zahllosen bilateralen und multilateralen Abkommen209 gibt es mehrere Fischereiorganisationen, die bereits versuchen, die Fischereiaktivitäten sowohl in Wirtschaftszonen als auch auf Hoher See zu lenken. 2 \O So ist Art. 118 der SRK mehr oder weniger eine Wiedergabe der bereits existierenden Staatenpraxis, indem als Weg internationaler Zusammenarbeit die Bildung und Nutzung solcher Organisationen vorgeschlagen wird. Dabei besteht eine beachtliche Vielfalt sowohl hinsichtlich der Form und Funktion der Organisationen. 211 Wie zu zeigen sein wird, haben sie aber alle ähnliche Probleme und Schwächen.
I. Regionale Fischereiorganisationen Beispielhaft sollen hier einige der größten Organisationen samt ihrer wichtigsten Probleme bei der effektiven Bewirtschaftung der Hochseefischbestände kurz skizziert werden. 212
I. NAFO a) System Die Northwest Atlantic Fisheries Organization, NAFO, die seit 1979 besteht,213 ist offen filr alle interessierten Staaten. 214 Sie betrifft den Nordatlantik
209 Vgl. z. B. Untersuchung bei Hey, The Regime fOT the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, Annexes. 2\0 Überblick bei Wolfrum in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law, Vol. 11, S. 117 ff. 211 Wolfrum, Die Fischerei auf Hoher See, ZaöRV 1978, S. 659, 674 f. 212 Für eine Übersicht über die bestehenden internationalen Organisationen, die sich mit den lebenden Ressourcen der Hohen See befassen: FAO Fisheries Circular No. 908, 1996. Kimball, Whither International Arrangements, Col. Journal of Transnational Law 1997, S. 332 ff. bezeichnet diese Organisationen als mini-IGOs. 213 EG ABI. 1978 L 378, S. I ff. 214 Art. 13 NAFO-Abkommen, vgl. Szekely/Kwiatkowska, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1375. 1996 waren Mitglieder: Bulgarien, Cuba, Dänemark (filr die Faröer Inseln und Grönland), Estland, die EG, Island, Japan, 5 Ziemer
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
nördlich 35°N in einem Bereich zwischen Kanada und der Südspitze GrÖnlands. Dort ist sie zuständig fiir die Fischerei nach jeder Art Fisch mit Ausnahme von Lachs, Thunfisch, Marlin, solchen Vorkommen fiir die die Walfangkommission zuständig ist sowie die sedentary species (auf dem Meeresboden befindlich bzw. festsitzend) des Kontinentalschelfes. 215 Ziel ist die Unterstützung von Erhalt und optimaler Nutzung der Fischressourcen der Hohen See im gesamten nordwestlichen Atlantik innerhalb und außerhalb der 200-Meilen-Zonen. 216Auf der Hohen See ist sie zuständig fiir Bewirtschaftung und Erhalt der Fischressourcen. Innerhalb der A WZs hat die NAFO keine Regulativbefugnisse. 217 Bezüglich grenzüberschreitender Arten enthält Art. XI (4) eine Besonderheit: Die Belange des Küstenstaates sind verstärkt zu berücksichtigen, wenn die Küstenbevölkerung in besonderem Maße von der Fischerei abhängig ist und der Küstenstaat bereits Bewirtschaftungsmaßnahmen innerhalb der A WZ getroffen hat. 218 Die NAFO ist eine der am straffsten geregelten Organisationen. Für die Bewirtschaftung ist die Kommission zuständig, sie verteilt Fangquoten auf die einzelnen Mitgliedstaaten.
b) Schwachstellen Die NAFO hat allerdings auch erhebliche Schwachstellen, die die Effektivität ihrer Arbeit behindern. Als erstes ist zu nennen, daß die Quoten der Kommission von den Mitgliedstaaten abgelehnt werden können. 219 In diesem Falle setzen die Mitglieder eigene, in der Regel höhere Quoten fest,220 wodurch der Überfischung weiterhin Vorschub geleistet wird. Sowohl Mitglieder als auch Nicht-
Kanada, Korea, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen, Rumänien, Rußland und die USA, FAO Fisheries Circular No. 908, 1996, S. 22. 215 Art. 1(4) NAFO-Vertrag. 216 Präambel NAFO-Vertrag, vgl. Szekely/Kwiatkowska, Marine Living Resouces, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1373 f. 217 Vgl. Szekely/Kwiatkoska, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1373. 218 Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 269. 219 Gern. Art. XII, was die Mitglieder auch regelmäßig tun, vgl. Bericht der Kommission an den Generalsekretär der VN, teilweise abgedruckt in: UN Doc. A/511383 vom 4. Oktober 1996, S. 17; Braen, La Reglementation canadienne des peches, Annuaire de Droit Maritime et Oceanique, Tome XIV, 1996, S. 98. Kanada hat 1992 vorgeschlagen, die objection procedure zu begrenzen, damit die Mitgliedstaaten sich an die Quoten halten, Docs. NAFO GF192-279, 15. Juni 1992, und GF192-308, 13. Juli 1992; vgl. Fauteux, The Canadian Legal Initiative on High Seas Fishing, Yearbook of International Environmental Law, Vol. 4,1993, S. 58. 220 Davies/Redgwell, The International Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 207 f.
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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mitgliedstaaten unterliefen die Regelungen der NAFO.221 Besonders nach dem Beitritt Spaniens und Portugals zur Europäischen Gemeinschaft hatte sich diesbezüglich der Ton innerhalb der NAFO verschärft. 222 Hinzu kommt, daß es keine Mechanismen zur Durchsetzung der von der Organisation festgelegten Quoten gibt. 223 Inzwischen wird jedoch davon ausgegangen, daß die Mitgliedstaaten im zulässigen Rahmen der NAFO-Quoten fischen. 224 Nichtvertragsstaaten können nicht an NAFO-Beschlüsse gebunden werden. Die Vertrags staaten sollen die Nichtvertragsstaaten auf die Maßnahmen der NAFO hinweisen, insbesondere wenn deren Aktivitäten den Zielen der NAFO zuwiderlaufen zu drohen. Während Korea, Marokko, Vanuatu und Venezuela dazu bewegt werden konnten, ihre Fischereiflotten aus der Region abzuziehen, unterlaufen jetzt Fischer mit sog. Geflilligkeitsflaggen die Maßnahmen der Organisation. 225
2. NEAFC
a) System Seit 1982 ist der Kooperationsvertrag bezüglich der Fischerei im Nordostatlantik in Kraft, der die Northeast AtIantic Fisheries Commission ins Leben rief. 226 Sie ist zuständig im NordostatIantik nördlich des 36. Breitengrades zwischen Europa und Grönland mit Ausnahme des Mittelmeeres, der Ostsee und der Belts,227 für Fischressourcen mit Ausnahme von Säugern, sedentary species,
221 UN Dok. A/51/383 vom 4. Oktober 1996, S. 9; Fauteux, The Canadian Legal [nitiative on High Seas Fishing, Yearbook of Internationa[ Environmental Law, Vol. 4, 1993, S.56; Szekely/Kwiatkowska, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1373; Juda, [nternational Law and Ocean Use Management, S. 269 f.; Mack, International Fisheries Management, Cal. Western [nt. Law Journal Vol. 26, 1996, S. 319; Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 269. 222 Vgl. z. B. Applebaum, The Current Canadian Perspective, S. 299; Jalbert, Unsolved Problems ofCoasta[ States' Powers and Obligations, in: Law ofthe Sea at the Crossroads, S. 414. 223 Braen, la Reglementation canadienne des peches, Annuaire de Droit Maritime et Oceanique, Tome XIV, 1996, S. 106. 224 Applebaum, The Current Canadian Perspective, S. 301. 225 Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 27 [; Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 210; zu diesem Problem in Einzelheiten: siehe unten. 226 Convention of Future Multilateral Cooperation in North-East Atlantic Fisheries, abgedruckt in ABI. EGL 227121 vom [2.8.[98[; FAO Fisheries Circular, No. 908, S. 20, Nachfolger der alten NEAFC von 1945, Text in: UNTS Bd. 486, S. 158. 22'1 Art. I CFMCNEA.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
sowie weit wandernden Arten, soweit diese von anderen internationalen Vereinbarungen geregelt werden. Mitgliedschaft steht den aründungsstaaten zu. 228 Auf der Hohen See hat NEAFC ausgedehnte Regulativbefugnisse, innerhalb der 200-Meilen Zonen nur begrenzt, wenn das betroffene Mitgliedsland den jeweiligen Maßnahmen ausdrücklich zustimmt. 229 Ein Beitritt weiterer Mitglieder ist möglich, wenn drei Viertel der Vertragsstaaten zustimmen. 23o Ziel der Kommission ist es, ein Forum für Konsultationen und Informationsaustausch bezüglich des Zustandes der Fischressourcen sowie der Bewirtschaftungspolitiken im Nordostatlatik zu bieten. 231 Sie soll Maßnahmen für die Hohe See bezüglich Art und Weise der Fischerei, Kontrolle sowie Datenerhebung empfehlen. 232 Dieses soll im Interesse von Erhalt und optimaler Nutzung der Fischressourcen im Regelungsgebiet geschehen. 233 In den vergangenen Jahren hat die NEAFC regelmäßig Höchstfangmengen (TACs) rur bestimmte Arten sowie Mindestgrößen für Fang und Netze festgelegt.
b) Schwachstellen Auch die NEAFC hat Schwachstellen. So ist bezüglich der von ihr festgelegten Maßnahmen eine "Objection", also Einwendungen, möglich. 234 Verhalten gegenüber Nichtmitgliedern wird nicht geregelt. Beitritt neuer Mitglieder ist außerdem nur bei einer Dreiviertel-Mehrheit der Mitglieder möglich. Es gibt keinen effektiven Mechanismus zur Durchsetzung der Maßnahmen. 235
Art. 20 CFMCNEA. SzekelylKwiatkowska, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1383, S. 1384. 230 1996 waren Mitglieder: Dänemark (für die Faröer Inseln und Grönland), die EG, Island, Norwegen, Polen und die russische Föderation, FAO Fischeries Circular No. 908, S.20. 231 Art. 4 Nr. 2 CFMCNEA. 232 Art. 5 ff. CFMCNEA. 233 Art. 4 Nr. I CFMCNEA. 234 Art. 12 CFMCNEA. 235 SzekelylKwiatkowska, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1385. 228
229
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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3.FFA a) System Durch die South Pacific Forum Fisheries Convention 236 wurde 1979 die Forum Fisheries Agency gegründet. 237 Mitglieder können solche Staaten werden, die Mitglied des South Pacific Forum 238sind, sowie andere unabhängige Staaten oder Territorien der Region, wenn das Forum zustimmt. 239 Die französischen und britischen Überseegebiete sind damit von der Mitgliedschaft ausgeschlossen,240 vor allem aber sind die Fernfischereistaaten ausgeschlossen.241 Das Gebiet, das die Organisation geographisch umfaßt, ist nicht definiert. Es handelt sich jedoch nur um solche Gebiete, die souveränen Rechten der Mitgliedstaaten unterfallen. 242 Die Konvention ist nicht auf besondere Fischarten beschränkt, bezieht sich aber ausdrücklich auch auf weit wandernde Arten. 243 Die besonderen Probleme der Südpazifik-Staaten wird bei einem Blick in den Atlas deutlich: vergleichsweise winzige Staaten haben enorme Fischereizonen, deren Überwachung den kleinen, finanziell oft schwachen Staaten nahezu unmöglich ist. 244 Die Inselregion ist andererseits bekannt rur ihre reichen Thunfischvorkommen. 245 Die Bevölkerung dieser Region ist zum größten Teil von 236 FAO Fisheries Report, No. 293, S. 201-205. 237 FAO Fisheries Circular No. 908, 1996, S. 70; genaue Informationen etwa bei Kent, Fisheries Politics in the South Pacific, Ocean Yearbook 1980, S. 346-381; zur Situation der Fischerei im Südpazifik siehe Kearney, The Development of Tuna Fisheries in the Eastern Pacific Ocean, S. 145 ff. 238 Zu dessen Hintergrund siehe Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 195, in FN 2. 239 Art. 11, Forum Fisheries Convention, Einzelheiten bei Sutherland, South Pacific Forum Fisheries Agency, ODIL 1987, S. 626 f. 240 Mitglieder FFA waren 1996: Australien, Cook Islands, Federated States of Micronesia, Fiji, Kiribati, Marshall Inseln, Nauru, Neuseeland, Niue, Palau, Papua Neu Guinea, Salomon Islands, Tonga, Tuvalu und Vanuatu, West Samoa, FAO Fisheries Circular 1996, S. 70. 241 Bogotu/SitanITikai, A Review of the Achievements, in: The Forum Fisheries Agency, S. 4. 242 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 196. 243 Präambel und Art. Art. VII (I) Forum Fisheries Convention. 244 Die EEZs der pazifischen Inselstaaten zusammen habe etwa eine Fläche wie der afrikanische Kontinent, Munro, Management ofTropical Tuna Resources in the Western Pacific, S. 479; Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal Vol. 26,1996, S. 319. 245 Gubon, Development and Management of Marine Resources in the Pacific Islands Region, Ocean Yearbook 11, 1994, S. 418 m. w. N.
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1. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
der Fischerei abhängig. 246Dementsprechend gestaltet sich die Zielsetzung der Organisation: Die Mitgliedstaaten haben ein gemeinsames Interesse (common interest) an Erhalt und Nutzung der lebenden Ressourcen. 247 Dies soll auf zwei parallel laufenden Schienen erreicht werden: Zum einen soll die FF A die Zusammenarbeit innerhalb der Mitgliedstaaten llirdem, zum anderen deren Verhältnisse mit Femfischereiflotten koordinieren. 248 Bei letzterem geht es um eine gemeinsame Politik gegenüber den Femfischereitlotten. 249 Zum Erreichen dieser Ziele sind zum Beispiel auch das Erheben und Austauschen von Daten über Fischvorkommen und deren biologischen Zustand, Flottenbewegungen, Fänge, Preise, Verarbeitung nötig. 250 Aufgabe der Agency ist damit kurz gefaßt die Harmonisierung der Fischereipolitiken, Erhalt und optimale Nutzung der betroffenen Arten, die Koordination bezüglich der Fischereiaktivitäten, die Sicherung eines größtmöglichen Ertrages der lebenden Ressourcen der Region filr die Menschen und die Region als Ganzes. Zu diesem Zweck hat die Agency Aktionsprogramme entwickelt,251 Regulativbefugnisse hat die FF A aber nicht. 252
b) Schwachstellen Die FF A hat bislang insofern recht erfolgreich gearbeitet, als sie es den pazifischen Inselstaaten ermöglichte, geschlossen den Femfischerei betreibenden Nationen entgegenzutreten 253 und so zum Beispiel die Zugangsgebühren ftir Femfischereiflotten in die A WZs der Inselstaaten erheblich erhöht hat; auch die Verfiigbarkeit von Daten wurde verbessert. 254 Was jedoch die Bewirtschaftung
246 FAO Fisheries Circular, No. 908, S. 59; Bugotu/SitaniTikai, A Review of the Achievements, in: The Forum Fisheries Agency, S. 4. 247 Szekely/Kwiatkowska, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1378. 248 Schurman, The Future of Regional Fisheries Cooperation, ODIL 1997, S. 370. 249 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 100; Joseph, Some Observations on Fisheries Management in the South Pacific Ocean, in: The Forum Fisheries Agency, S. 243. 250 Vgl. Art. VII Forum Fisheries Convention. 251 Einzelheiten bei Bugotu/SitanITeekabu, A Review ofthe Achievements, in: The Forum Fisheries Agency, S. 8 ff. 252 Szekely/Kwiatkowska, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1378; Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 195. 253 Vgl. Meltzer, Global Overview, ODIL 1994, S. 267; Überblick über die wichtigsten FFA-Initiativen der vergangenen Jahre bei Aqorau/Bergin, International Cooperation to Conserve Tuna, ODIL 1998, S. 23 f. 254 Vgl. Schurman, The Future of Regional Fisheries Cooperation, ODIL 1997, S.370.
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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und damit den Bestandsschutz der weit wandernden Fischarten angeht, nimmt die FF A solche Aufgaben nur rudimentär wahr. Dies war allerdings bislang auch nicht Ziel der Organisation. 255 In diesem Bereich stößt die Organisation außerdem vor allem dadurch auf Schwierigkeiten, als daß Bewirtschaftungsmaßnahmen nur rur die Inselstaaten selbst gelten könnten, da die Mitgliedschaft auf diese begrenzt ist. Bezüglich Beschluß und Umsetzung von Maßnahmen hat die Agency seit Beginn ihrer Arbeit Probleme, weil weder die finanziellen noch die personellen Mittel vorhanden sind. 256Einen Durchsetzungsmechanismus für einmal ergriffene Maßnahmen gibt es nicht. Vielmehr stellt sogar Art. III (2) der South Pacific Forum Fisheries Convention selbst fest, daß weitere internationale Instrumente notwendig seien, um Kooperation zwischen allen Küstenstaaten und Fischereistaaten in der Region fiir den Erhalt und die optimale Nutzung der weit wandernden Fischarten zu bewirken. 257
4. ICCAT a) System Die International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas besteht seit 1969. 258 Sie bezieht sich auf alle Arten von Thunfisch im gesamten Seegebiet des Atlantischen Ozeans, damit auch auf die Hohe See. 259 Die Mitgliedschaft ist offen fiir alle Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nationen oder einer untergeordneten Organisation sind. 260 Hauptziel des Vertrages ist der Erhalt von Thunfisch- und thunfischähnlichen Populationen in einer Größenordnung, die größte vertretbare Fänge als Nahrung
255 Sutherland, South Pacific Forum Fisheries Agency, ODIL 1987, S. 631, Aqorau/Bergin, International Cooperation to Conserve Tuna, ODIL 1998, S. 22. 256 Gubon, Ocean Yearbook 11, 1994, S. 420; vgl. Bugotu/SitanITikai, A Review of the Achievements, in: The Forum Fisheries Agency, S. 19. 257 "Effective co-operation for the conservation and optimum utilisation of highly migratory species in the region will require the establishment of additional international machinery to provide for co-operation between all coastal states in the region and all states involved in the harvesting of such resources." Vgl. Aqorau/Bergin, International Cooperation to Conserve Tuna, ODIL 1998, S. 25. 258 UN/LEG/SER.B.l16, S. 483--491. 259 Art. I Atlantic Tuna Convention. 260 Art. XIV Atlantic Tuna Convention. 1996 waren Mitglieder: Angola, Brasilien, Cape Verde, Elfenbeinküste, Equatorial Guinea, Frankreich, Gabon, Ghana, Guinea (rep.), Japan, Kanada, Korea, Libyen, Marokko, Portugal, Rußland, Sao Tome and Principe, Spanien, Süd Afrika, USA, Uruguay, Venezuela, das Vereinigte Königreich; FAO Fisheries Circular No. 908, S. 42.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
oder zu anderen Zwecken ermöglicht. 26 \ Die Kommission soll dementsprechend die Populationen überwachen und untersuchen, statistische Daten erheben und analysieren, sowie den Vertrags staaten Untersuchungen empfehlen. 262 Im Gegensatz zur IA TTC hat die ICCA T jedoch kein eigenes Personal, sondern ist auf die von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Informationen angewiesen. 263
b) Schwachstellen Größte Schwachstelle auch dieser Organisation ist bislang die Schwierigkeit, Einigung über Maßnahmen zu erzielen und Quoten zu verteilen. 264 Auch Durchsetzungsmechanismen wurden nicht erarbeitet, im Gegenteil, die Kommission kann nur Empfehlungen geben, denen die Mitglieder nicht zu folgen brauchen. 265 Die Kommission hat ihr Ziel, den Erhalt der Thunfischpopulationen nie erreicht. Der Bestand an laichfilhigem Roten Thunfisch zum Beispiel ist seit 1970 im westlichen Atlantik um 90 Prozent zurückgegangen. 266 Bei umweltpoIitisch engagierten Nichtregierungsorganisationen wie dem WWF hat sich die Kommission daher den Beinamen "International Conspiracy to Catch All the Tunas" eingehandelt. 267 In jüngster Zeit hat sich die ICCA T allerdings dadurch ausgezeichnet, daß sie als erste Fischereiorganisation ihre Mitglieder dazu aufrief, gegenüber solchen Nichtvertragsstaaten Handelsrnaßnahmen zu ergreifen, die ihre Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen kompromittierten. Bei einem Treffen 1995 wurden Belize, Honduras und Panama als Staaten identifiziert, deren Fahrzeuge die Maßnahmen der ICCAT unterliefen, und zu einer Änderung ihres Verhaltens aufgerufen. Nachdem sie dies nicht taten, rief die ICCAT im November 1996 ihre Mitglieder dazu auf, den Import von atlantischem Roten Thunfisch zu verbieten. 268 Über die Effektivität dieser Vorschläge kann jetzt noch keine gesi26\ Präambel Atlantic Tuna Convention; vgl. SzekelylKwiatkaska, Marine Living Resource, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1358 f. 262 Art. VIII Atlantic Tuna Convention. 263 Vgl. Jaseph, Observations on Fisheries Management, in: The Forum Fisheries Agency, S. 245. 264 Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal Vol. 26,1996, S. 321. 265 Vgl. Carr, Recent Developments in Compliance and Enforcement for International Fisheries, ELQ 1997, S. 856. 266 Sultan, Reversing the Crisis, S. 12 m. w. N. in FN 21. 267 Sultan, Reversing the Crisis, S. 11. 268 Carr, Recent Developments in Compliance and Enforcement for International Fisheries, ELQ 1997, S. 858 m. w. N.
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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cherte Aussage getroffen werden. Im übrigen handelt es sich um Maßnahmen, die nach Abschluß des UN-Fischereiabkommens 1995 und parallel abgeschlossener internationaler fischereirechtlicher Verträge getroffen wurden. Sie machen daher deutlich, daß erst seit 1995 wieder Bewegung in festgefahrene Fischereipolitiken gekommen ist.
5./A1TC a) System Die Inter-American Tropical Tuna Convention, von den USA und Costa Rica 1949 unterzeichnet, ist seit dem 3. Mai 1950 in Kraft. 269 Die Mitgliedschaft ist offen ft1r solche Staaten, die im von der Konvention geregelten Gebiet fischen, wenn die bisherigen Vertragsstaaten dem Beitritt zustimmen. 27o Gegenstand der Konvention sind diverse Sorten Thunfisch, deren Köder sowie solche Fische, die von Thunfisch-Fischern ebenfalls gefangen werden. 27I Geographisch geht es um den östlichen Pazifik. 272 Gemäß Art. 11 4 umfaßt die Konvention sowohl die Gebiete, die souveränen nationalen Rechten unterfallen, als auch die Hohe See. Dies ftlhrte durch das Ausdehnen von Hoheitsgewalt auf 200 Seemeilen zu Definitionsprob lernen. 273 Hauptziel ist der Erhalt der geschützten Bestände, sowie das Zusammenstellen von Informationen, so daß die Bestände auf einer Höhe erhalten bleiben können, die einen maximalen jährlichen Ertrag gewährleisten. Dazu gehört auch die Forschung über Lebensgewohnheiten und biologische Abhängigkeiten der Zielarten. Dazu verftlgt sie über eigenes Personal. Sie legt Fangquoten und Mindestgrößen rur Fische fest. Es gibt sogar ein System rur Hafeninspektion. In den 60er Jahren ftlhrte die Kommission Quotenregelungen auf einer "firstcome-first-serve"-Basis ein,274 die bis 1978 funktionierten, solange die USA als 269 80 UNTS 4; Näheres bei Joseph, Management of Tuna Fisheries and The Future ofTheir Management in the Tropical, Central and Western Pacific, S. 158 ff. 270 Art. V (3) IATTC; 1987 gehörten folgende Staaten der Convention an: Costa Rica, Frankreich, Japan, Nicaragua, Panama, USA, Vanuatu und Venezuela; FAO, Fisheries Circular No. 908, S. 63. 271 Art. II I. 272 In der Convention nicht genannt, aber im Annual Report bezieht sich die IA TTC auf ein Gebiet zwischen 140 Grad West und dem Amerikanischen Kontinent, sowie zwischen 40 Grad Süd und 30 Grad Nord, vgl. Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 217. 273 Joseph, Management ofTuna Fisheries in the Eastern Pacific Region, S. 148 ff. 274 Ausftlhrliche Informationen dazu bei Szekely/Kwiatkowskn, Marine Living Resources, in: Agenda 21 & the UNCED Proceedings, S. 1355 ff.
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1. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
einzige Nation in diesem Gebiet den Thunfischfang in größerem Stil betrieb. 275 Als die Flotten der Mitgliedstaaten sich dann jedoch entwickelten, größer und besser ausgerüstet wurden, wurde es immer schwieriger, Einigung über Quoten zu erzielen.
b) Schwachstel1en Schwachstel1e dieser Organisation ist damit vor al1em die mangelnde Fähigkeit, allein unter den Mitgliedern Mehrheitsbeschlüsse zu ergreifen und durchzusetzen. Problematisch ist außerdem der biologische Anwendungsbereich der IA TTC: Er ist auf Thunfisch beschränkt und berücksichtigt nicht den Lebensraum dieser Tiere. Allerdings hat die IA TTC ein Delphin-Programm entwickelt, um Beifang zu minimieren. 276 Dies hat jedoch eher politische Gründe denn ökologische, da die Delphine als im Meer lebende Säugetiere dem Menschen als besonders schützens wert erscheinen. Andere Arten, die auch in Mitleidenschaft gezogen werden oder als Nahrung der Thunfische dienen, finden überhaupt keine Berücksichtigung.
6. CCAMLR a) System Die CCAMLR (Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources), eine Ergänzung zum Antarktisvertrag277 aus dem Jahr 1980,278 enthält im Vergleich zu den anderen dargestel1ten Verträgen und Organisationen einige beachtliche Besonderheiten. CCAMLR wurde von den ursprünglichen Vertrags parteien des Antarktisvertrages unterzeichnet. Weitere Staaten dürfen dann beitreten, wenn sie ein Interesse an Forschung oder Fischereiaktivitäten im Vertragsgebiet haben. 279 Durch den Vertrag wurde eine Kommission mit eigener 275 Joseph, Observations on Fisheries Management, in: The Forum Fisheries Agency, S. 237. 276 Joseph, Observations on Fisheries Management, in: The Forum Fisheries Agency, S. 237. 277 402 UNTS 71. 278 20. Mai 1980, TIAS 10240, außerdem abgedruckt in I.L.M. 19 (1980), S. 841859; detaillierte Informationen bei Lyster, International Wildlife Law, S.156-177 m.w.N; Lagoni, in Antarctic Challenge 1984, S. 93-\08. 279 Art. XXIX CCAMLR, zur Zeit sind Mitglieder: Argentinien, Australien, Belgien, Chile, Deutschland, die Europäische Gemeinschaft, Frankreich, Japan, Neuseeland, Norwegen, Polen, Süd Afrika, Spanien, Schweden, USA, das Vereinigte Königreich und die GUS.
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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Rechtspersönlichkeit erschaffen, deren Aufgabe es unter anderem ist, Erhaltungsmaßnahmen zu formulieren und zu erlassen, sowie ein System filr Beobachtung und Untersuchung der Fischereiaktivitäten zu entwickeln. 280 Geographisch geht es um das antarktische Gebiet südlich des 60. Längengrades. 281 Biologische Zielgruppe sind alle Meereslebewesen der Antarktis. 282 In erster Linie sollte jedoch hauptsächlich Krill einer Bewirtschaftung zugänglich gemacht werden. Dabei handelt es sich um Schalentiere ähnlich den Shrimps, welche in dieser Region in großen Massen vorkommen und eine wichtige Rolle in der antarktischen Nahrungskette spieJen. 283 Die Größe des KriIIvorkommens ist weitgehend unbekannt, wird aber von Wissenschaftlern auf annähernd 150 Millionen Tonnen geschätzt, etwa doppelt soviel wie die gesamte Menge Fisch, die weltweit jährlich gefangen wird. 284 Die Bedeutung dieser unermeßlichen Menge an Protein ist daher filr die Menschheit noch kaum abzuschätzen. Ebensowenig ist abzuschätzen, welche Auswirkungen eine Überfischung dieser Bestände auf die Weltmeere haben könnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang der sog. "ecosystem approach", den die Konvention verwendet. Er erfordert, bei der Festlegung von Fangmengen rur Krill die Auswirkungen auf andere Tiere wie Pinguine oder Wale zu berücksichtigen, die vom Krill abhängig sind. 285 Üblich in Fischereiverträgen ist bislang nur die Betrachtung der isolierten Zielart gewesen. 286 Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, daß dieser Vertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als die Fischerei in der Antarktis noch nicht sehr stark ausgeprägt war und keine akute Gefahr filr die Bestände vorlag. Es handelt sich somit um einen der wenigen existierenden Präventivverträge. 287 Nach Art. 2 Absatz 2 CCAMLR geht es um "conservation", Erhalt, der lebenden Ressourcen der Antarktis. Dies beinhaltet "rational use", rationelle Nut-
Art. VII-XVII CCAMLR; Lagoni, Antarctic Challenge 1984, S. 99. Art. 1(1) CCAMLR. 282 Art. I (2) CCAMLR, spezielle Konventionen wie etwa die Walfangkonvention werden davon nicht berührt, Art. VI CCAMLR. 283 Lyster, International Wildlife Law, S. 188; Suter, Antarctica: Private Property or Public Heritage?, S. 36. 284 Suter, Antarctica: Private Property or Public Heritage?, S. 36. 285 Einzelheiten z. B. bei Johnston (Cyrille de Klemm), The Environmental Law of the Sea, S. 152; Lagoni, in Antarctic Challenge 1984, S. 97 tT.; Orrego Vicuna, The Regime of Antarctic Marine Living Resources, S. 147 fT. 286 Bezilglich Thunfisch hat dies wie gezeigt auch schon negative Auswirkungen. 287 Vgl. Lyster, International Wildlife Law, S. 157; weiteres Beispiel: Convention for the Conservation of Antarctic Seals, abgedruckt in I.L.M. 11 (1972), S. 251. 280 281
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
zung der Ressource, das heißt auch in diesem Vertrag wird eine Regelung über die Art und Weise der Ausbeutung getroffen. Artikel X enthält einen weiteren besonders interessanten Aspekt: "The Commission shall draw the attention of any State which is not a Party to this convention to any activity undertaken by ist nationals or vessels which, in the opinion of the Commission, affects the implementation ofthe objective ofthis convention". Damit wird in einem der wenigen Fälle von Fichereiorganisationen ausdrücklich Bezug auf Staaten genommen, die nicht Mitglied der betreffenden Organsiation sind. 288 So könnte öffentlich Druck auf diese Staaten ausgeübt werden, obwohl sie überhaupt nicht am Zustande kommen des Vertrages beteiligt waren. Dies ist jedoch an eine Befilrwortung der Kommission gekoppelt.
b) Schwachstellen Als mögliche Schwachstelle wird auch filr diese Konvention genannt, daß es keinen Mechanismus gibt, die Angaben der Fischer bezüglich der Fangmengen zu verifizieren. Auch Durchsetzungsmechanismen filr etwaige Quoten filr Vertragsstaaten sind nicht vorgesehen, vielmehr besteht die Möglichkeit des "opting out".289 Auch in dieser Konvention sind also typische Probleme nicht völlig ausgeräumt, obwohl es bereits erste Ansätze gibt, auf Erfahrungen anderer Organisationen aufzubauen.
7. Bering See Vertrag a) System Einen Versuch, grenzüberschreitende Fischvorkommen gemeinsam zu bewirtschaften, stellt das Abkommen über das sogenannte "donut hole" der Bering See zwischen China, Japan, Südkorea, Polen, Rußland und den USA dar.290 288 Abgesehen von der FF A, deren Hauptzweck es gerade ist, die Interessen der Mitglieder gegenüber anderen Staaten zu vertreten. 289 D.h. die einzelne Regelung abzulehnen, diesbezüglich einen eigenen Weg einzuschlagen. Vgl. Suter, Antarctica: Private Property or Public Heritage?, S. 40 mit weiterer Kritik; Lagoni, Antarctic Challenge 1984, S. 99; Orrego Vicuna, The Regime of Antarctic Marine Living Resources, S. 141 ( 290 Das "donut hole" ist eine relativ kleine Fläche der Bering See, die zur Hohen See gerechnet wird, aber von Wirtschaftszonen der USA bzw. der russischen Förderation umschlossen ist. Sowohl Fischereifahrzeuge der Küstenstaaten als auch von Fernfischereiflotten haben hier unbegrenzt gefischt. Vgl. Conservation and Management of the
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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Lange Zeit weigerten sich die Staaten, in diesem Gebiet restriktivere Fischereipolitik zu betreiben. Die Fischer verzeichneten dramatische Rückgänge der Fangmengen: Während 1989 1,4 Millionen Tonnen Pollock aus dem fraglichen Gebiet gefischt wurden, waren es 1992 nur noch 11000 Tommen. 291 Erst 1994 einigten sich die beteiligten Staaten auf den Bering See Vertrag, der rechtlich verbindliche Maßnahmen zur Folge haben soll, unter anderem die Festsetzung von Quoten. 292 Der Vertrag enthält eine Maßnahme, die dem Vorsorgeprinzip entspricht: Keinerlei Fischerei soll im Vertragsgebiet erlaubt sein, solange die Biomasse einer bestimmten Pollack-Art 1,67 t nicht übersteigt.293 Dazu ist erforderlich, daß die Vertragsstaaten den einzelnen Fischereifahrzeugen die Fischerei im Fanggebiet besonders gestatten. 294 Vertrags staaten können die Fahrzeuge der anderen Mitgliedstaaten inspizieren. 295 In Art. 12 enthält er die Aufforderung, in Einklang mit dem Völkerrecht auch Nichtvertragsstaaten zur Beachtung der ergriffenen Maßnahmen zu bewegen. Der Vertrag ist allerdings zu neu, um bereits Aussagen über sein Funktionieren treffen zu können. Im Dezember 1995 trat der Vertrag in Kraft.
b) Schwachstellen Allerdings hat der Bering See Vertrag bereits jetzt erkennbare Defizite: Zum einen gilt das durch ihn geschaffene Regime nur für das "donut hole", also nur den Teil der Hohen See, nicht aber für umliegenden Seegebiete unter der Jurisdiktion der benachbarten Küstenstaaten. 296 Der größte Teil der Bering See verbleibt damit unter rein nationaler Verwaltung. Zum anderen sind auch hier Quoten durch Konsens festzulegen,297 welcher vermutlich schwer zu erreichen sein wird. Im übrigen sind Durchsetzungsmechanismen nur von den Mitgliedstaaten gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen zu ergreifen. 298 Auch dieser Straddling Fish Stocks in the Bering Sea of Okhotsk, in: I, UN Ooc. AlCONF .1 64/L.33 (1993), Vertragstext abgedruckt in: I.L.M. 34 (1994), S. 67. 291 Carr, Recent Oevelopments in Compliance and Enforcement for International Fisheries, ELQ 1997, S. 854. 292 Convention on the Conservation and Management of Pollack Resources in the Central Bering Sea, 16. Juni 1994, abgedruckt in: I.L.M. 34 (1994), S. 67, sowie in 10 International Journal of Marine and Coastal Law, 1995, S. 127-134. 293 "Aleutian Basin Pollock", vgl. FreestonelMakuch, The New Interntional Environmental Law ofFisheries, YIEL 1996, S. 18, m. w. N. 294 Carr, Recent Oevelopments in Compliance and Enforcement for International Fisheries, ELQ 1997, S. 855. 295 Art. 11 Abs. 6 Bering See Vertrag. 296 Art. I Bering See Vertrag. 297 Art. 5 Nr. 5 sowie Art 7 und 8 Bering See Vertrag. 298 Art. 11 Bering See Vertrag.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
Vertrag hält damit bis auf einige Ausnahmen am traditionellen Flaggenstaatsprinzip fest. Ein Vorgehen gegenüber Nichtmitgliedern ist nicht vorgesehen. 299
8. Zusammenfassung Praktisch jeder Küstenstaat der Welt steht heute in irgendeiner Weise in Beziehungen mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen. Dies gilt zumindest was die Fischerei in Gebieten angeht, die an seine Küstengewässer angrenzen. 300 Dabei gibt es nicht nur multilaterale Verträge und Übereinkünfte, sondern auch unzählige bilaterale Vereinbarungen. Trotzdem ist das Problem der Überfischung in den vergangenen Jahren weltweit stetig größer geworden. Exemplarisch wurden in den vorgehenden Abschnitten einige der wichtigsten Schwachstellen von Fischereiorganisationen herausgearbeitet. Diese sind vor allem:
a) Interne Schwächen - Begrenzte Mitgliedschaft. Soll eine Organisation im Bereich von Bewirtschaftung und Erhalt der marinen Ressourcen effektiv arbeiten können, muß die Mitgliedschaft wenigstens für alle Küstenstaaten der Region sowie für alle Fernfischerei betreibenden Staaten offen sein, die in dieser Region tätig sind. Nur so kann gewährleistet werden, daß umfassendes Datenmaterial über Fänge und Schiffsbewegungen geliefert wird, anhand dessen Quoten erarbeitet werden können. 30 ) - Streit über die Vergabe von Quoten: Nicht nur die Gesamtfangmenge, sondern auch die Höhe der einzelnen Quoten für die jeweiligen Staaten müssen festgelegt werden. Aufgrund der Einzelinteressen besteht eine Tendenz dazu, insgesamt höhere Quoten festzulegen, als für den bewirtschafteten Fischbestand dienlich ist. 302 Auch über die verwendeten Daten und wissenschaftlichen Erkenntnisse besteht oft Uneinigkeit. 303
Vgl. Jacobson, The Next Level ofOcean Governance?, S. 314 f. Burke, The New International Law ofFisheries, S. 123. 30) Vgl. Joseph, Observations on Fisheries Management, in: The Forum Fisheries Agency, S. 245. 302 Juda, International Law and Ocean Management, S. 259 303 FAO Fisheries Report No. 484 Supplement, FIPUR484 (Suppl.); abgedruckt in UN Doc. AlCONF./I64!lNF2, S. 25 (71); Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 50 I. 299
300
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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- Das uneingeschränkt gültige Flaggenstaatsprinzip: Überwachungsmaßnahmen wie die Beobachtung oder Inspektion von Schiffen sind, wenn überhaupt vorhanden, durch die Weigerung der Staaten, sie durchzuftlhren, schnell unterlaufen. 304 Oft fehlen ferner Durchsetzungsmechanismen gegenüber den Mitgliedstaaten bzw. ein opting out ist möglich. Wenn Durchsetzungsmaßnahmen vorhanden sind, liegt die Sanktionierung von Vertragsverletzungen jeweils in der Hand der Mitgliedstaaten, können so also erneut unterlaufen werden. - Fonds bzw. angemessen ausgerüstetes Personal fehlen, um die Aufgaben der jeweiligen Organisation zu erftlllen. 305
b) Externe Schwächen - Zu eng gefaßte geographische Anwendbarkeit: Insbesondere was die weit wandernden Vorkommen angeht, muß die geographische Zuständigkeit einer Organisation so gefaßt sein, daß nicht Teile der bewirtschafteten Populationen aus dem Gebiet herausfallen. - Unkooperative Drittstaaten können überhaupt nicht erfaßt werden. Sofern es sich um Teile der Hohen See handelt, haben sie aber im betroffenen Regelungsgebiet das uneingeschränkte Recht zur Fischerei. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Fischereiorganisationen zwar gewisse Teilerfolge erzielt haben mögen. Was die Bewirtschaftung der Bestände der Hohen See insgesamt angeht, sind sie jedoch eher erfolglos geblieben. 306 Die derzeitigen Probleme der dargestellten Fischereiorganisationen zeigen deutlich, daß die Rahmenregelungen der SRK ihnen bei weitem keine umfassenden Handlungsmöglichkeiten zur Verftlgung stellen. 307 Die in der SRK enthaltenen Verpflichtungen und Vorgaben sind zu ungenau, als daß die bestehenden Fischereiorganisationen effektive Maßnahmen ergreifen und durchsetzen könnten.
304 Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal Vol. 26, 1996, S. 322. 305 FAO Fisheries Report No. 484 Supplement, FIPLlR484 (Suppl.); abgedruckt in UN Ooc. NCONF./I64I1NF2, S. 25 (71). 306 Mack, International Fisheries Management, Cal. Western International Law Journal Vol. 26, 1996, S. 314. 307 Ja/bert, Unsolved Problems of Coastal States' Powers and Obligations, in: Law ofthe Sea at the Crossroads, S. 414.
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I. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
c) Besondere Problematik: Ausflaggen Statt dessen hat sich in den vergangenen Jahren ein Problem internationalisiert, von dem die bestehenden Organisationen allesamt betroffen sind: das Ausflaggen von Fischereifahrzeugen. 308 Schiffseigner gehen immer wieder dazu über, ihre Schiffe der Flagge von Drittstaaten zu unterstellen. Dabei werden zum einen solche Staaten bevorzugt, die nicht nur geringe Anforderungen an Ausbildung, Entlohnung und soziale Rechte der Besatzung stellen. Zum anderen sind fUr Schiffseigner aber vor allem solche Staaten interessant, die nicht an die Abkommen und Quoten von Fischereiorganisationen gebunden sind. Die Flaggen solcher Staaten werden auch als "Geflilligkeitsflaggen" (flags of convenience) bezeichnet. Durch das Ausflaggen entkommen Fahrzeuge dem Regelungsbereich einer Organisation, in dem sie normalerweise Restriktionen unterworfen wären. 309 Einen ersten Versuch, diesem Problem gesondert zu begegnen, stellt das 1993 unter der Regie der FAO geschlossene "Compliance Agreement" dar. 310 Danach werden Staaten verpflichtet sicherzustellen, daß Fischereifahrzeuge, die unter ihrer Flagge fahren, durch ihre Aktivitäten nicht die Effektivität von Erhaltungsmaßnahmen internationaler Fischereiorganisationen unterlaufen. 311 Hilfreich werden dazu vor allem die Formulierungen in Art. 3 Nr. 5 sein, nach dessen lit. a und b Vertragsparteien grundsätzlich keinen Schiffen mehr eine Erlaubnis zum Fischfang geben sollen, die zuvor unter der Flagge eines anderen Vertragsstaates (a) oder eines Nichtvertragsstaates (b) Bewirtschaftungsmaßnahmen unterlaufen haben. Um dies zu garantieren, müssen die Staaten über ihre eigenen Schiffe Buch fUhren und entsprechende Informationen über eigene und fremde Schiffe an die anderen Mitgliedstaaten weitergeben.3\2 Damit wird Schiffen, die einmal zu einer solchen "Geflilligkeitsflagge" gewechselt haben, die Möglichkeit zur Rückkehr genommen. Sie flillen mit dem Ausflaggen eine endgültige Entscheidung. Davor mag der ein oder andere Schiffseigner zurückschrecken. 3\3
308 Vgl. Wolfrum, Diskussionsbeitrag zu Jalbert, Unsolved Problems of Coastal States' Powers and Obligations, in: Law ofthe Sea at the Crossroads, S. 423. 309 Vgl. Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 275. 3\0 Agreement to Promote Compliance with International Conservation and Management Measures by Fishing Vessels on the High Seas, abgedruckt in LL.M. 33 (1994), S.968-980. 311 Art. 3 I (a) Compliance Agreement. 312 Art. 4, 5 und 6 Compliance Agreement. 3\3 Das Verhältnis von Compliance Agreement und Straddling Stocks Convention wird an einem späteren Punkt erörtert.
C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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11. Rolle der FAO als globale Organisation Zusammenarbeit in bezug auf Hochseefischerei ist nicht nur regional oder subregional, sondern auch global denkbar. Eine weltweite Fischereiorganisation ist bis heute jedoch nie errichtet worden, obwohl es gelegentlich Vorschläge dazu gegeben hat. 314 Als globales Forum filr Fischereiangelegenheiten wirkt aIlerdings seit 1945 die UN-Food and Agriculture Organization (FAO)315 in begrenztem Maße. Gemäß Art. 1 Abs. 2 c) ihrer Verfassung hat sie sich mit dem Erhalt der natUr lichen Ressourcen sowie mit landwirtschaftlicher Produktion zu befassen. Insofern könnte sie unter Umständen eine globale Organisation darsteIlen, die das Potential hat, die Hochseefischerei weltweit wirksam zu regulieren. Die Wirklichkeit sah bislang jedoch anders aus. Die FAO übernahm zunächst eine Überwacher- und Beraterfunktion, veröffentlichte Berichte über Fischereiprobleme, Fangzahlen, sowie nationale Maßnahmen und steIlte insbesondere Entwicklungsländern technische und juristische Hilfe zur Verfllgung. 316 In der Folge der dritten Seerechtskonferenz wurden mit Hilfe der FAO verschiedene Programme ins Leben gerufen. So gab es für einige Länder Unterstützung bei der Entwicklung und Bewirtschaftung von A WZs. Gemeinsam mit Norwegen wurde Anfang der 90er Jahre auch ein "Fisheries Management and Law Advisory Programme (FIMLAP)" gestartet, in dessen Rahmen einzelnen, vor aIlem weniger entwickelten Staaten HilfesteIlung bei der Formulierung von Fischereistrategien, Gesetzen, Übereinkommen und der Planung der Bewirtschaftung der Fischbestände gegeben wurde. Auch initiierte die FAO mehrfach internationale technische Konferenzen. 317 Die FAO entbehrt jedoch jeglicher legislativer oder exekutiver Macht. Auch ihre Empfehlungen kann sie nicht rechtlich durchsetzen, sondern immer nur beratend tätig werden. Die Möglichkeiten, eine aussagekräftige globale Institution filr die Koordination von Erforschung und Regulierung der Fischerei zu schaffen, wurden nicht weitergehend genutzt, obwohl sie der FAO oft zugesprochen
314 BirnielBoyle, International Law and the Environment, S. 499. 315 Verfassung von 1945 abgedruckt in Peaslee, International Governmental Organizations 1979, Part 11, S. 98-110. 316 Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 499. 317 Überblick über die Aktivitäten der FAO: Hayashi, Implementing the Law ofthe Sea Convention: FAO's Contributions, Rede bei der 31. Konferenz des Law of the Sea Institute in Miami, 30.-31. März 1998, noch nicht veröffentlicht. 6 Ziemer
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1. Teil: Aktuelle Regelung der Hochseefischerei
wurden. 318 Es gibt unter der Regie der FAO lediglich mehrere Fischereikommissionen, die zuständig sind für das Sammeln von Daten, wissenschaftliche Forschung und Ausbildung. Auch über die FAO ist somit keine weitergehende Regulierung oder Internationalisierung der Hochseefischerei erfolgt.319
111. Ergebnis des ersten Teils Abschließend bleibt festzustellen, daß das ursprüngliche Prinzip der Freiheit der Fischerei auf der Hohen See durch zahlreiche international gültige Regeln und Prinzipien bereits massiv eingeschränkt ist. Die effektive Bewirtschaftung von Fischvorkommen auf der Hohen See scheitert jedoch an mangelnder Genauigkeit der einzelnen international akzeptierten Normen, sowie insbesondere an der oft unmöglichen Durchsetzung einmal ergriffener Maßnahmen. Dies gilt einerseits für Staaten, die ihre Hoheitsrechte durch die Mitgliedschaft in einer Fischereiorganisation selbst beschränkt haben, den Maßnahmen der Organisation aber nicht immer Folge leisten. Andererseits scheitert die effektive Bewirtschaftung der Bestände am Verhalten solcher Staaten, die sich jeglicher Selbstbeschränkung entziehen und ihren Fischern unbegrenzten Fischfang auf der Hohen See zugestehen. Vor allem das Ausflaggen vieler Schiffe verstärkt diese Problematik. Weder die Seerechtskonvention noch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts, noch die einzelnen regionalen Fischereiorganisationen waren damit bislang in der Lage, das Problem der Bewirtschaftung und des Erhalts der grenzüberschreitenden bzw. weit wandernden Fischarten für alle Staaten befriedigend zu lösen. 32o So stellt sich die Frage, wie die geltenden Vorschriften des Seerechts bezüglich der Fischerei verbessert bzw. ausgefilIlt oder weiterentwickelt werden können. Zu diesem Zweck ist im folgenden Teil der Arbeit ein internationales Abkommen zu untersuchen, das diese Probleme aufgreift: das UN-Übereinkommen
Johnston, International Law ofFisheries, S. 89. Die im Rahmen der FAO 1995 geschlossenen Verträge "Code ofConduct" und "Compliance Agreement" werden erst später im Zusammenhang mit der Untersuchung des Straddling Stocks Agreements untersucht, da sie auch erst im Zusammenhang mit dessen Verhandlungen entstanden. 320 Vg!. Mack, International Fisheries Management, Ca!. Western Int. Law Journal Vol. 26,1996, S. 314. 318
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C. Praktische Umsetzung der bestehenden Pflichten
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zur Durchftlhrung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen vorkommen (gebietsübergreifende Bestände), und von weit wandernden Fischbeständen.
2. Teil
Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK A. Einleitung: Die "Durchf"ührung" der SRK Einen Versuch, eine Lösung ftir die von der SRK offen gelassenen Probleme der Hochseefischerei zu finden, stellt die internationale Konferenz unter Regie der Vereinten Nationen bezüglich gebietsübergreifender und weit wandernder Fischarten dar. Bereits der Titel des daraus resultierenden UN-Abkommens zeigt seinen Anknüpfungspunkt: Es geht um die "Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 Relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks",] also die Durchführung2 der Bestimmungen der SRK über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender und weit wandernder Fischarten. Es geht also nicht um eine Änderung, sondern darum, brauchbare Interpretationen der Konvention zur Verfllgung zu stellen. 3 Angesichts der, wie gezeigt, möglichen verschiedenen Interpretationsweisen der einzelnen Vorschriften der SRK erscheint deren "Durchfllhrung" aber schon im Vorwege ebenso kontrovers. Eine "Durchfllhrung" muß begrifflich logisch im Rahmen der und in Einklang mit den bereits bestehenden Rahmenbestimmungen erfolgen. Da aber die einzelnen Vorschriften der SRK verschiedenste zum Teil sehr weite Interpretationsweisen ermöglichen, war eine Gratwanderung zwischen möglicherweise unzulässiger Ausdehnung der Vorschriften einerseits und dem Verfehlen einer effektiven Lösung andererseits vorprogrammiert. Eine "Durchfllhrung" könnte auch zu einem ähnlichen Resultat fllhren, wie das Übereinkommen über die Durchfllhrung von Teil XI der SRK von 1994. 4 Dort wurde das Tiefseebodenregime errichtet, das unter anderem das Gebiet und
Angenommen am 4. August 1995, UN Doc. AlCONF.164/37, abgedruckt in I.L.M. 34 (1995), S. 1542. 2 Hervorhebung durch Verfasserin. Nach dem französichen Text ist Ziel des Abkommens "de promouvoir I'application efficace des dispositions de la Convention des Nations Unies sur le droit de la mer relatives aux stocks de poissons transzones et aux stocks des grands migrateurs". 3 Lucchini/Voelckel, Droit de la mer 2/2, S. 671. 4 Abgedruckt in I.L.M. 33 (1994), S. 1309-1327; Deutsche Fassung abgedruckt in BGBI. 1994 IJ S. 2566, in Kraft seit 28.Juli 1996.
A. Einleitung: Die "Durchfilhrung" der SRK
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seine Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärte und seine Bewirtschaftung unter die Verwaltung einer internationalen Meeresbodenbehörde stellte. 5 Insbesondere das hier entwickelte Tiefseebergbauregime hatte viele Staaten ursprUngIich davon abgehalten, die SRK zu ratifizieren. 6 Die Hauptpunkte, die ftlr Staaten wie die USA problematisch erschienen, waren die Entscheidungsfindung, die Meeresbodenbehörde, der Aufbau des Unternehmens, Produktionsbeschränkungen, Kosten rur Vertragsparteien, Finanzierung des Regimes und obligatorischer Technologietransfer. 7 Erst als Verhandlungen aufgenommen wurden, um mit einem "Durchfilhrungsabkommen" das Regime an die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Industriestaaten anzupassen, kam auch der Ratifikationsprozeß wieder in Gang. 8 Durch das rechtlich verbindliche Übereinkommen von 1994 wurden einige Regeln des Tiefseebodenregimes der SRK grundlegend geändert. Nach Art. 2 des Übereinkommens sollen SRK und das Übereinkommen als ein einziges Vertragswerk betrachtet werden. Bei Nichtübereinstimmen von Vorschriften sollten die Änderungen aus dem Übereinkommen von 1994 gegenüber der SRK Vorrang genießen. Zahlreiche Vorschriften aus dem ursprünglichen Teil XI der SRK werden durch das Übereinkommen von 1994 schlicht als nicht anwendbar erklärt. Im Ergebnis wird unter anderem die Notwendigkeit betont, die Behörde müsse die Kosten ftlr die Mitgliedstaaten minimieren und ihre Organe nicht sofort, sondern sukzessive einrichten. 9 Die Vertragsparteien der SRK sind nicht mehr automatisch verpflichtet, die Bergbauaktivitäten des Unternehmens zu finanzieren. \0 Technologie soll nur noch zu angemessenen und annehmbaren kommerziellen Bedingungen auf dem freien Markt weitergegeben werden. 11 Die Rolle des Unternehmens wurde erheblich beschnitten. 12 Damit wurden nur einige Beispiele aufgelistet, die demonstrieren sollten, daß die "Durchfiihrung" des Teils XI der SRK tatsächlich auch "Änderung des Tiefseebodenregimes" hätte genannt werden können. 13
Umfassende Untersuchung und Beurteilung des Regimes bei Wolfrum, Internationalisierung, S. 328 tT. 6 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 86. 7 Oxman, Law ofthe Sea Forum, AJIL 1994, S. 689 tT. 8 Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 255. 9 Durchfilhrungsübereinkommen von 1994 Annex, Abschnitt 1 (2) und (3). \0 Durchfilhrungsübereinkommen von 1994 Annex, Abschnitt 2 (3). 11 Durchfilhrungsübereinkommen von 1994 Annex Abschnitt 5 (1). 12 Vgl. Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 257. 13 Aufgrund der politischen Schwierigkeit, den Vertrag auch nachträglich verbindlich filr diejenigen Staaten zu ändern, die die SRK bereits in ihrer ursprünglichen Form gezeichnet hatten, war es jedoch erforderlich, den Begriff "Durchfilhrung" zu wählen. Vgl. etwa Treves, The Agreement Completing the UN Law ofthe Sea Convention: For-
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Es ist daher zu untersuchen, ob das Fish Stocks Agreement eine ähnlich weite Interpretation des Begriffes der "Durchfilhrung" verfolgt. Dies würde unter anderem auch beweisen, daß die SRK nicht statisch angelegt ist, sondern den jeweiligen herrschenden Bedingungen angepaßt und verändert werden kann. 14 Um Rückschlüsse auf die Bedeutung einzelner Fragen und deren Verhältnis zur SRK im Zeitpunkt der Verhandlungsfilhrung zu erhalten, bietet sich folgende Vorgehensweise an: zunächst ein Überblick über den Verlauf der Konferenz einschließlich der wichtigsten Streitpunkte, sowie im Anschluß daran eine kurze Analyse der einzelnen Vorschriften des daraus resultierenden Übereinkommens.
B. Die Konferenz I. Vorgeschichte
1. Verhandlungen au/verschiedenen Ebenen Schon lange vor dem Inkrafttreten der Seerechtskonvention im Jahr 1994 war klar, daß sich mit Einfilhrung der A WZ der Druck auf die Hochseefischerei enorm verstärkte. Die rahmenhaften Regelungen aus SRK und den allgemeinen Regeln des Völkerrechts reichten nicht mehr aus, um die Fischerei auf der Hohen See filr alle Beteiligten sicherzustellen. 15 Die FAO, als Spezialorganisation der UNO generell kompetent filr weltweite Bewirtschaftung der Fischbestände, 16 veröffentlichte alarmierende Berichte über den Zustand der Fischvorkommen auf der Hohen See. Danach waren zahlreiche Vorkommen bereits völlig ausgebeutet, wenn nicht gar praktisch ausgerottet. 17 Das Thema Hochseefischerei wurde Anfang der 90er Jahre auf verschiedenen Ebenen global wie regional behandelt. Angesichts der schwierigen Situation vor Neufundland unternahm die kanadische Regierung mehrere Initiativen, innerhalb der Vereinten Nationen die Frage der Bewirtschaftung der Fischbestände mal and Procedural Aspects, unter Punkt 6: "The Thin Line between Implementation and Amendment", S. 104 f. 14 de Fontaubert spricht von einem "living instrument", in: The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 87. 15 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 1, S. I. 16 Dazu Hayashi, the Role of the United Nations in Managing the World's Fisheries, 1995, S. 373; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 307 ff. 17 FAO 1994, World Fisheries Ten Years after the Adoption of the 1982 Uni ted Nations Covention on the Law of the Sea, Doc. COF1/93/4 (Dezember 1992), S. 3; Doulman, FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, Structure and Process of the 1993-1995 United Nations Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, S. 1.
B. Oie Konferenz
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auf der Hohen See international zu behandeln. 18 In Zusammenarbeit mit der FAO berief die mexikanische Regierung im Mai 1992 eine internationale Konferenz "on responsible Fishing" in Cancun ein. 19 In einer dort angenommenen Erklärung20 wurde zum einen festgestellt, daß die Freiheit der Fischerei auszugleichen sei durch die Verpflichtung der Staaten zur Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit solle darauf gerichtet sein, Erhalt und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen in Übereinstimmung mit der SRK zu gewährleisten. Zum anderen wurde die F AO aufgerufen, als erste Maßnahme einen "Code of Conduct for responsible fishing" zu erarbeitenY Dieser Code wurde 1995 nach zweijährigen Verhandlungen in filnf förmlichen Meetings während der 28. Sitzung der FAO angenommen. 22 Nach diesem wurden die Staaten der internationalen Gemeinschaft dazu aufgefordert, auf allen Ebenen effektive Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen, um verantwortungsvolles Fischen auf der Hohen See zu ermöglichen. 23 Dies sollte unter anderem dadurch geschehen, daß die Staaten ihre Staatsangehörigen dazu bewegen, die allgemeine Praxis des Ausflaggens von Schiffen einzustellen. 24 Dieser Code of Conduct kann neben der Straddling Stocks Konferenz als zweite Schiene auf dem Weg zu einer Regelung der Hochseefischerei angesehen werden: Es war vorgesehen, daß der Code mit seinem breit geflicherten Anwendungsgebiet auf freiwilliger Befolgung durch die Staatengemeinschaft aufbauen sollte, während bezüglich der gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten ein spezifisches Vertragswerk angestrebt wurde. 25 In diesem Zusammenhang ist auch das sog. "Compliance Agreement" der FAO zu nennen, das im Rahmen einer FAO Konferenz im November 1993 angenommen wurde. Dabei handelt es sich um einen integralen Teil des Code of Conduct. Ziel dieses Agreements ist es, Hochseefischerei zu begrenzen, soweit sie gegen international vereinbarte Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnah-
Hayashi, Analysis of the 1993 Sessions, Ocean Yearbook 11 (1994), S. 26. Edeson, The Code of Conduct for Responsible Fisheries, Int. Journal of Marine and Coastal Law, Vol. 11, Nr. 2, 1996, S. 233. 20 Oeclaration of Cancim, abgedruckt in UN Ooc. NCONF.I64/INF/2 ANNEX 2 (S.85-88) 21 Gherari, L'Accord du 4 aout 1995 surles stocks, RGDIP, 1996, S. 370 f. 22 Edeson, The Code of Conduct for Responsible Fisheries, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1996, S. 233. 23 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, No. I. 24 Schon in Oeclaration of Cancun, Point 13; Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 274. 25 Edeson, The Code of Conduct for Responsible Fisheries, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1996, S. 233. 18
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
men verstößt. Auf das Verhältnis des Straddling Stocks Agreements zum Code of Conduct sowie zum Compliance Agreement wird später eingegangen.
2. UNCED: Erdgipfel in Rio de Janeiro
Inzwischen hatte die Hochseefischerei international eine derartige politische Bedeutung erlangt,26 daß es den Staaten sinnvoll erschien, dieses Thema nicht länger nur durch die mit Fischereifachleuten ausgestattete technische Organisation FAO zu behandeln, sondern im Rahmen einer UN-Konferenz auf die politisch-diplomatische Ebene zu verlagern. 27 Dies war um so mehr geboten, als zumindest von den KUstenstaaten ein bindendes Vertragswerk und nicht lediglich eine Absichtserklärung angestrebt war. Damit wurde das Thema gebietsübergreifende und weit wandernde Fischarten - insbesondere auf das Betreiben Kanadas 28 - zum Tagesordnungspunkt der den Erdgipfel vorbereitenden PrepCom. 29 Es war allerdings einer der wenigen Punkte des UNO-Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992, die nicht durch die PrepCom gelöst worden waren und auf dem Gipfel noch kontrovers diskutiert wurden. 30 Ein wichtiger Streitpunkt war die Frage, ob die lebenden Ressourcen der Meere getrennt zu behandeln sein sollten, je nachdem ob es sich um Gebiete außerhalb oder innerhalb staatlicher Jurisdiktion handelt. Das Konzept der "Iarge marine ecosystems" (LME) wurde in diesem Zusammenhang verhandelt. Danach sollte eine Erfassung von Ressourcen nicht nach ihrer rein geographischen Lage geschehen, sondern nach ihrem ökologischen Zusammenhang in größerem Maßstab. 31 Hinter dem Konflikt zu diesem Thema stand die Überlegung, daß eine globale Akzeptanz der LME die Autorität der KUstenstaaten über Vorkommen innerhalb ihrer Wirtschaftszonen schmälern könnte, indem Fernfischereinationen ein erhöhtes Mitspracherecht gewährt wUrde. Fernfischereinationen dagegen filrchteten, daß Küstenstaaten das Konzept der LME als Argu-
26 Das Thema wurde durch die Medien auch verstärkt in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt. 27 Hayashi, The Role of the United Nations in Managing the World's Fisheries, 1995, S. 373. 28 Vgl. Applebaum, The Current Canadian Perspective, S. 301. 29 Report ofthe Preparatory Committee for the United Nations Conference on Environment and Development, Doc. N45/46 (17. Oktober 1990), S. 37; vgl. Hayashi, Analysis ofthe 1993 Sessions, Ocean Yearbook 11 (1994), S. 26 f. 30 Zu den einzelnen Diskussionspunkten vgl. Burke, UNCED and the Oceans, Marine Policy Bd. 17, 1993, S. 519; zu den Arbeiten der PrepCom Hayashi, Analysis of the 1993 Sessions, Ocean Yearbook 11 (1994), S. 28. 31 Zum Konzept der LME ausfUhrlich z. B. Sherman, Biomass Yields of Large Marine Ecosystems, Ocean Yearbook 8 (1989), S. 117 ff.
B. Die Konferenz
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ment daftlr nutzen könnten, ihre Jurisdiktion auch auf Vorkommen jenseits ihrer Wirtschaftszonen auszudehnenY Die Idee der LME wurde letztlich nicht in ein endgültiges Vertragswerk aufgenommen. Eine Gruppe von Küstenstaaten unter der Führung von Kanada versuchte durchzusetzen, ein besonderes Interesse der Küstenstaaten jenseits ihrer 200Meilen Zone in die Agenda 21 aufzunehmen. 33 Auch dieser Vorschlag stieß auf den Widerstand der Fernfischereinationen. 34 Während der Verhandlungen in Rio forderte der Vorsitzende des Hauptkomitees die USA auf, einen Kompromiß über die zukünftige Behandlung des Themas Straddling Fish Stocks und Highly Migratory Fish Stocks zu finden. Damit sollten andauernde Streitereien zwischen Kanada und der Europäischen Gemeinschaft vermieden werden. 3s Nach nur 24 Stunden war per Konsensverfahren ein Ergebnis erzielt,36 das sich jetzt in Kapitel 17 der Agenda 21 wiederfindet: 17.49: Die Staaten sollen wirksame Maßnahmen einschließlich bilateraler und multilateraler Zusammenarbeit - gegebenenfalls auf subregionaler, regionaler und globaler Ebene - ergreifen, um sicherzustellen, daß die Hochseefischerei nach den Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen betrieben wird. Insbesondere sollen sie (... ) e) baldmöglichst eine internationale Konferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen einberufen, um unter Berücksichtigung entsprechender Aktivitäten auf subregionaler, regionaler und globaler Ebene eine wirksame Umsetzung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen über gebietsübergreifende und wandernde Fischarten (Straddling fish stocks and highly migratory fish stocks) zu unterstützen. 37
Diesen Text hat die EU erst akzeptiert, nachdem eine vorläufige Einigung über die beiden Hauptstreitpunkte erzielt worden war: 38
32 Burke, UNCED and the Oceans, Marine Policy 1993, S. 522; UNCED Doc AlCONF. 1511PC/I 00/Add. 21. 33 UN Doc. AlCONF.151IPC/WG.lI/L.16/Rev. I, März 1992. 34 Hayashi, The Role ofthe UN in Managing the World's Fisheries, S. 377. 3S Überblick über die Meinungsverschiedenheiten bei Burke, UNCED and the Oceans, Marine Policy 1993, S. 521 ff. 36 Detaillierte Ausführungen über die Hintergründe bei Fauteux, The Canadian Legal Initiative on High Seas Fishing, Yearbook of International Environmental Law, Vol. 4, 1993, S. 67. 37 Deutscher Text aus: Umweltpolitik: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Dokumente, Information des Bundesumweltministeriums, S. 147. 38 Fauteux, The Canadian Legal Initiative on High Seas Fishing, Yearbook of International Environmental Law, Vol. 4, 1993, S. 66 f. mit Quellenangaben aus Interviews;
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
I. Nach Überzeugung der EU war zuständiges Forum flir die Ausarbeitung neuer Regeln bezüglich der Fischerei nach gebietsübergreifenden und weit wandernden Arten nicht eine Konferenz der UN, sondern das Fischereikomitee der FAO, weil diese Organisation innerhalb der UN auf die weltweite Fischerei spezialisiert sei. 39 Man einigte sich darauf, die UN-Konferenz aufgrund wissenschaftlicher technischer Daten arbeiten zu lassen, die die FAO zur Verfligung stellen sollte (17.49 e) Satz 2). Der internationale Druck auf die Hochseefischerei war zu dem Zeitpunkt so stark, daß die politische Bedeutung zu hoch war, um die Verhandlungen einem technischen Organ zu überlassen, das hauptsächlich aus Fischereiexperten, nicht aber aus Politikern bestand. 40 2. Die Konferenz sollte in keiner Weise die Kompetenz erhalten, Vorschriften der Seerechtskonvention zu verändern, insbesondere in bezug auf die Rechte und Verpflichtungen von Küstenstaaten und Fernfischerei betreibenden Staaten (17.49 e) Satz 3).41 Damit wollte die EU eines vermeiden: "creepingjurisdiction over fisheries outside the 200-mile-limit".42 188 Staaten haben diesem Text zugestimmt. 43 Die Einberufung einer speziellen Konferenz spiegelt die verhärteten Positionen von Küstenstaaten einerseits und Fernfischerei betreibenden Staaten andererseits wider. Die Küstenstaaten standen auf dem Standpunkt, ein effektives Fischereiregime nur etablieren zu können, wenn die Vorkommen unter der Jurisdiktion eines einzigen Staates - des Küstenstaates - stünden. Demgegenüber stand die Erkenntnis, daß Schutz und Erhalt lebender mariner Ressourcen nur dann erreicht werden können, wenn ein Weg beschritten werde, der die marine Umwelt als integriertes Ökosystem ansieht. Dies schlösse aus, daß ein Staat respektive der Küstenstaat - seinen Willen gegenüber den anderen durchsetzte. 44 Dieser Ansatz favorisiert eine Internationalisierung der verbleibenden staatsfreien Ressourcen. Das Ergebnis der Rio-Konferenz ist damit nicht mehr als ein erneuter Komprorniß. Es handelt sich um eine politische Lösung ohne rechtliche WirkungY detaillierte Beschreibung des Verlaufes der Konferenz einschließlich der vorbereitenden Kommission bei Burke, UNCED and the Oceans, Marine Policy Bd. 17, 1993, S. 519 fT. 39 Hayashi, The Role ofthe United Nations in Managing the World's Fisheries, in: The Peaceful Management ofTransboundary Resources, S. 373. 40 Hayashi, The Role ofthe United Nations in Managing the World's Fisheries, in: The Peaceful Management ofTransboundary Resources, S. 373. 41 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, No. I. 42 Keine deutsche Übersetzung triffi diesen Ausdruck genau. 43 Fauteux, The Canadian Legal Initiative on High Seas Fishing, Yearbook ofInternational Environmental Law, Vol. 4, 1993, S. 68. 44 Wolfrum, The Protection of the Marine Environment after the Rio Conference, S. 1013. 45 Vgl. Doulman, FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 2.
B. Die Konferenz
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Auf Grundlage der Agenda 21 verabschiedete am 22. 12.1992 die UNGeneralversammlung die Resolution 47/192, mit der die Konferenz endgültig ins Leben gerufen wurde. 46 Ein Arbeitsplan wurde ihr dabei gleich an die Hand gegeben: (i) identifying and assessing existing problems related to the conservation and management of straddling fish stocks and highly migratory fish stocks; (ii) considering means of improving fisheries cooperation among States, and (iii) formulating appropriate recommendations. Demnach sollten die in der SRK (zum Teil bewußt offen gelassenen) Lücken aufgedeckt und dann geschlossen werden, sowie die existierenden Rahmenbedigungen durch neue Regelungen ausgefiillt werden. 47 Damit stand fest, daß rur die lebenden Ressourcen des staats freien Raumes nun endgültig ein verbindliches Regime zu schaffen war. Konkret stellte sich die Frage: Internationalisierung oder Verteilung auf einzelne. Gleichzeitig wurde das Mandat der Konferenz eingeschränkt: Die Ergebnisse der Arbeiten sollten vollständig mit den Vorschriften der Seerechtskonvention von 1982 übereinstimmen. 48 Außerdem sah die Resolution 47/192 vor, daß die Konferenz noch vor der 49. Sitzung der Generalversammlung beendet sein sollte.
11. Verlauf J. Vorbemerkung
Den Verhandlungen im Rahmen der Konferenz lagen schon zu Beginn mehrere gemeinsame Erkenntnisse zugrunde: Die Unmöglichkeit, Fischvorkommen auch in der größten Wirtschaftszone effektiv zu bewirtschaften, sowie die darauf basierenden Folgerungen, daß die Wirtschaftszonen und die Hohe See in irgendeiner Form kombiniert werden müssen. Außerdem stand fest, daß regionale Kooperation und Organisation eine entscheidende Rolle zu spielen haben werden, und daß die Rolle der Hafenstaaten verstärkt werden muß, was die Durchsetzung von Umwelt- und Fischereistandards angeht. 49 Während der Verhand-
46 United Nations General Assembly. 1993. Resolution 47/192 United Nations Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks. United Nations. New York. S. 3 f., abgedruckt in I.L.M. 23 (1993), S. 263 ff. 47 Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 276. 48 Gherari, L'Accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGDIP, S. 371; Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 276.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
lungen herrschte ein Bewußtsein der Dringlichkeit, das insbesondere dadurch hervorgerufen worden war, daß einige KUstenstaaten bereits einseitig Maßnahmen zur Lösung ihrer Probleme ergriffen hatten. 50 GleichgUltig, welchen Weg die Konferenz in Einzelfragen gehen wUrde, eine endgUltige Regelung wUrde immer nur den Interessen einer Staatengruppe dienen, während andere Gruppen den KUrzeren ziehen wUrden. In den entscheidenden Punkten standen sich dann auch hauptsächlich KUstenstaaten (Kanada und die "like-minded States") einerseits und Staaten mit großen Fernfischereiflotten (EU, Japan, Korea, Polen, baltische Staaten) andererseits gegenUber. Noch kurz vor der ersten Sitzung hatte die kanadische Regierung im Februar 1993 ein Treffen von KUstenstaaten in St. Johns, Neufundland, organisiert. Hauptzweck dieses Treffens war es, den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe dieser Staaten zu stärken und bei den an diesem Thema weniger interessierten Staaten das Bewußtsein fllr die Bedeutung der UN-Konferenz zu schärfen. 51 Diese Gruppe trat im Verlauf der Konferenz als "like-minded States" auf. Einigkeit bestand weiterhin in der Ansicht, daß das Ergebnis der Konferenz ein Vertragswerk in Übereinstimmung mit der SRK sein sollte. Angesichts der unterschiedlichen Interpretation der SRK bestand jedoch keine genaue Vorstellung darUber. 52 Ferner gingen Mitarbeiter der FAO davon aus, daß die Regeln der SRK betreffend die Hochseefischerei durch die tatsächliche Entwicklung der vergangenen Jahre inzwischen inadäquat und technisch Uberholt seien und neue Vorsorge- und Bewirtschaftungsmaßstäbe gesetzt werden mUßten. 53
2. Einzelne Sitzungen
Die Konferenz bestand aus insgesamt sechs Sitzungen, die allesamt im UNHauptquartier in New York stattfanden. Die erste davon behandelte nur organisatorische Fragen, Inhaltliches wurde während der Ubrigen fUnf Sitzungen erörtert. Parallel fanden immer wieder Treffen von KUstenstaaten und Fernfischerei betreibenden Staaten statt, in denen diese ihre Verhandlungspositionen koordinierten.
49 Mann Borgese, Ocean Governance and the United Nations, S. 65; Anderson, Current Developments, Int. Comparative Law Quarterly 1996, S. 465. 50 Im einzelnen s.o., Teil I, vgl. van Dyke, New Initiatives on Governance ofHigh Seas Fisheries, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1995, S. 221. 51 Doulman, FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 5. 52 Vgl. Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 279. 53 Diese Meinung ist wiederzufinden in UN Doc. AlCONF.164/INF 8 und 9.
B. Die Konferenz
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a) Organisatorische Sitzung (19. bis 23. April 1993) Gemäß UNGA Resolution 47/192 war es Aufgabe der Division for Ocean Affairs and Law of the Sea (DOALOS) des UN-Office of Legal Affairs, der Konferenz ein Sekretariat zur VerfUgung zu stellen. 54 Daher leitete DOALOS auch die erste Sitzung der Konferenz in die Wege. Während dieser ersten Sitzung, an der 81 Staaten, die EG sowie vier weitere IGOs, die FAO und 21 NGOs teilnahmen,55 wurde Satya N. Nandan (Fiji), der 1984-1992 UNUntergeneralsekretär ftlr Ocean Affairs war, zum Vorsitzenden gewählt. 56 Die Delegierten beschlossen, Entscheidungen im Wege der generellen Einigung bzw. durch Konsens zu erzielen. 57
b) Zweite Sitzung (12. bis 30. Juli 1993): Auflistung der Kernprobleme Während der Zeit bis zur nächsten Sitzung erarbeiteten mehrere Delegationen Listen mit Themen und Vorschlägen, die sie während der Verhandlungen berücksichtigt sehen wollten. Aus diesen Vorschlägen bereitete der Vorsitzende einen "Guide to the Issues before the Conference" vor, eine Art Tagesordnung. 58 Die ersten drei Tage beschäftigte sich die Konferenz mit der Identifizierung und Aufuahme der gegenwärtigen Probleme bei Bewirtschaftung und Erhalt der gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten. 59 Eine schriftliche Dokumentation dieser Debatte gibt es nicht. 6O Nach Debatte und zahlreichen Statements faßte der Vorsitzende die Schlüsselfragen der Konferenz zusammen: 61
54 FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 5. 55 Die Teilnahme von Nicht-Regierungsorganisationen war in §§ 4 und 12 der
UNGA Resolution 47/192 gefordert worden. 56 Mauritanien, Chile und Italien stellten Vize-Vorsitzende, ein CredentialsCommittee bestand aus Antigua und Barbuda, Burundi, China, Kenia, Neuseeland, Papua Neuguinea, der Russische Förderation und den USA; Report on the Organizational Session, UN Doc. NCONF.lI64/9, S. 2. 57 Anderson, CUTTent Developments, Int. Comparative Law Quarterly 1996, S. 466. 58 UN Doc. NCONF.I64/10 (24. Juni 1993). 59 Hayashi, Analysis of the 1993 Sessions, Ocean Yearbook 11 (1994), S. 32 f., 44 f. 60 Allerdings existiert eine Zusammenfassung der einzelnen Statements im Earth Negotiations Bulletin, herausgegeben vom International Institute fOT Sustainable Development, in dessen Vol. 7, Nr. 2 bis 5. 61 FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 8; Statement made by the Chairman ofthe conference at the conclusion ofthe General Debate on 15 July 1993, UN Doc. NCONF.I64112.
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2. Teil: Oas Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
1. Es muß eine Langzeitlösung gefunden werden. 2. Effektiver Erhalt und Bewirtschaftung der beiden betroffenen Fischtypen sind nötig, jedes Regime der Bewirtschaftung sollte an Vorkommensgebiet und Aufkommen der jeweiligen Fischarten gekoppelt sein.
3. Effektive Bewirtschaftung kann nur durch internationale Kooperation erzielt werden. 4. UNCLOS III muß den rechtlichen Rahmen rur Erhalt und Bewirtschaftungsmaßnahmen der betroffenen Fischarten bieten. 5. Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse sind rur das Ergreifen effektiver Maßnahmen unabdingbar; im Falle des Fehlens genauer Informationen sei der "precautionary appproach", das Vorsorgeprinzip anzuwenden.
6. Unverziehtbare Komponente der Bewirtschaftung ist das Prinzip der Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung.
7. Auf der Hohen See muß effektive Flaggenstaatsjurisdiktion in bezug auf die beiden Fischtypen ausgeübt werden. 8. Regionale Maßnahmen sollten auf global entwickelten Prinzipien beruhen, um Einheitlichkeit zu gewährleisten. 9. Es muß wirksame Streitbeilegungsmechanismen geben. 10. Maßnahmen sollen nicht von Staaten unterlaufen werden können, die nicht Mitglieder einer regionalen Organisation sind, im Gegenzug muß Neuankömmlingen die Möglichkeit zum Beitritt gegeben werden. 11. Entwicklungsstaaten muß technische Unterstützung gewährt werden, um deren Möglichkeiten zu Bewirtschaftung und Erhalt der Fischarten zu stärken. 62 Damit hatte die Konferenz eine Liste der gegenwärtigen Probleme erstellt und den ersten Teil ihres Mandates bewältigt. Sie begann mit dem zweiten Teil ihrer Aufgabe, Vorschläge zur Verbesserung der bislang mangelhaften Kooperation der Staaten untereinander zu erarbeiten. Dazu listete der Vorsitzende im sog. "Chairman's guide"63 die einzelnen Themen nacheinander auf. Anband dieses Dokumentes wurden die Positionen zu den einzelnen Punkten herausgearbeitet.
62 UN Ooc. A/CONF.I64/12, S.2 und 3; vgl. de Fontaubert, Another Step in the Implementation ofthe Law ofthe Sea Convention, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 83. 63 UN Ooc. A/CONF.164/1O S. 4 bis 10, außerdem gab es einen negotiating text, UN Ooc. A/CONF.I64/13.
B. Die Konferenz
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aa) Chairman 's guide
Der "Chairman's guide" enthielt insgesamt acht Fragen mit zahlreichen Unterpunkten, die sich als kontrovers herausgestellt hatten. Fünf dieser Punkte sollen kurz angesprochen werden, da sie die gegenseitigen Positionen von Küsten- und Fernfischereistaaten verdeutlichen.
(1) Art der Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen im Wege der Kooperation Hier ging es hauptsächlich um die Fragen von Bewirtschaftungsmaßstab, Vorsorgeprinzip sowie Erhebung und Weiterleiten von Daten. Einigkeit bestand darüber, daß generelle Prinzipien festzulegen seien, nach welchen Kriterien Daten zu erheben seien. 64 Die beiden anderen Punkte wurden nach ergebnisloser Diskussion auf die nächste Sitzung vertagt.
(2) Mechanismen internationaler Kooperation Unter diesem Punkt sprachen viele Delegationen die Beziehung von Nichtmitgliedern zu bestehenden Fischereiorganisationen an. Konsens herrschte bezüglich der Überlegung, Nichtmitglieder zur Mitarbeit aufzufordem. 65 Die Meinungen gingen jedoch bezüglich der Maßnahmen auseinander, die gegen Nichtmitglieder getroffen werden können, die regionale Maßnahmen unterlaufen. Der Vorschlag, solchen Schiffen den Zutritt zu den eigenen Häfen verwehren zu dürfen, fand nur geteilte Zustimmung. 66
(3) Einhaltung und Durchsetzung von Erhaltungsund Bewirtschaftungsmaßnahmen Unter dieser Überschrift hatte der Vorsitzende einige Vorschläge gemacht, wie die Befolgung von Maßnahmen sichergestellt werden kann. In Anbetracht der Tatsache, daß die FAO gerade den Code of Conduct erarbeitet hatte, sahen einige Delegationen diese Diskussion als reine Zeitverschwendung an. 67 Was
64
No. 8. 6S
66 67
Ausführlich zu den einzelnen Vorschlägen Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Hayashi, Analysis ofthe 1993 Sessions, S. 39. Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, No. 10. Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, No. 12.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
die Reichweite der Flaggenstaatsjurisdiktion angeht, waren die Delegierten ebenfalls geteilter Meinung. Gemäß der SRK sei allein der Flaggenstaat fIlr die Ausübung von Staatsgewalt auf Hoher See zuständig. Andererseits, so wurde argumentiert, liefe die Durchsetzung von Maßnahmen leer, wenn der Flaggenstaat seine Gewalt nicht ausübt. 68 Dann müßte das Prinzip der Hafenstaatsjurisdiktion eingreifen. 69
(4) Vereinbarkeit von Maßnahmen innerhalb und außerhalb von AWZs Die Frage der Vereinbarkeit von nationalen Maßnahmen innerhalb von Wirtschafts- oder Fischereizonen mit Maßnahmen regionaler Organisationen oder Übereinkünfte gehörte zu den schwierigsten der Verhandlungen insgesamt. Kernpunkt war die Frage, ob den Küstenstaaten ein spezielles Interesse oder eine spezielle Verantwortung an den Fischvorkommen in den an ihre A WZ angrenzenden Teilen der Hohen See zukommt. 70 Zahlreiche Küstenstaaten interpretierten die Rahmenregelung aus UNCLOS dementsprechend bzw. hatten bereits weitergehende Vorstöße unternommen und die Problematik zunächst im Alleingang durch nationale Regelungen zu lösen versucht. 71 Aufgabe der Konferenz war es, zwischen den beiden konträren Ansichten einen fIlr alle akzeptablen Kompromiß zu finden. Da die Vorkommen eine biologische Einheit bildeten, herrschte Einigkeit über die Tatsache, daß die Fischerei innerhalb wie außerhalb von Wirtschaftszonen aufeinander abgestimmt sein sollte. 72 Vorschläge reichten soweit, daß alle Staaten "freiwillig" auf die Maßnahmen der jeweils anderen Rücksicht nehmen sollten. Einige Küstenstaaten wollten das Wort "freiwillig" streichen, woraufhin die Fernfischereistaaten vorschlugen, auch diese Entscheidung zu vertagen. 73
68 Es geht um die Frage der Geflilligkeitsflaggen, vgl. Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, No. 12. 69 Hayashi, Analysis of the 1993 Sessions, S. 40. 70 Armas Pfirter, Straddling Stocks and Highly Migratory Stocks, ODIL 1995, S. 140 ff.; Hayashi, Analysis ofthe 1993 Sessions, S. 42. 71 S. o. Teil 1; vgl. de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 81. 72 Vgl. Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 279. 73 Vgl. Statement made by the chairman at the c10sing of the second session, 30. July 1993, Doc. A1CONF.I64/15, S. 4.
B. Die Konferenz
97
(5) Besondere Interessen von Entwicklungsländern Nach der Anerkennung der grundlegenden Verpflichtung aller Staaten, Entwicklungsländern Unterstützung zukommen zu lassen, faßte der Vorsitzende in einem Arbeitspapier mögliche Formen dieser Unterstützung zusammen. 74 Diese beinhalteten neben finanzieller und technischer Hilfe den Transfer von Technologie, sowie beratenden Service.
bb) Form der Vorschläge der Konferenz
Mandat der Konferenz war es, "angemessene Vorschläge" zu unterbreiten. Die rechtliche Form dieser Vorschläge zu bestimmen, blieb dagegen der Konferenz überlassen. Ob dabei ein rechtlich bindendes Instrument herauskommen würde oder nicht, war noch zu entscheiden. Einige Delegationen nutzten diese Sitzung, um ihre Standpunkte schon einmal deutlich zu machen: Küstenstaaten, darunter Kanada, Chile, Ecuador, Island, Norwegen und Peru, forderten ein rechtlich bindendes Instrument. 75 Fernfischerei betreibende Staaten wie Japan, Polen und die EG hielten unverbindliche Richtlinien rur eher angemessen. 76
cc) Geographische Anwendbarkeit
Insbesondere im Zusammenhang der Diskussion über die Vereinbarkeit von Maßnahmen innerhalb und außerhalb staatlicher Jurisdiktion ergab sich die weitere Frage, ob die Konferenz zuständig sein sollte, auch in Gebieten unter nationaler Jurisdiktion, insbesondere in A WZs, die Fischerei nach den betroffenen Fischarten zu regeln, oder ob das Mandat der Konferenz ausschließlich die Hohe See betraf. 77 Küstenstaaten argumentierten mit der Systematik der Agenda 21: Die Empfehlung, eine spezielle Konferenz abzuhalten, sei unter dem Buchstaben "c" in das Programm aufgenommen worden, der die nachhaltige Nutzung und den Erhalt der lebenden Ressourcen der Hohen See behandelt. Buchstabe "d" dagegen behandele die natürlichen Ressourcen unter nationaler Hoheit. Folglich sei das
74
UN Doc. NCONF.I64/L24.
75
Armas Pfirter, Straddling Stocks and Highly Migratory Stocks, OOlL 1995,
S. 138 ff. 76 Vgl. z. B. Watanabe, The Position of a "Fishing Nation" and CUTTent Cases, S. 307 (Punkt 5). 77 Earth Negotiations Bulletin Vol. 7 No. 12 und No. 13. 7 Ziemer
98
2. Teil: Oas Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Mandat der Konferenz auf die Hohe See begrenzt. 78 Außerdem habe die SRK den Küstenstaaten bereits volle Jurisdiktion über die Fischvorkommen innerhalb ihrer Wirtschaftszonen verschafft, die Krise in der Fischerei bezüglich dieser Arten sei nicht auf ihre Bewirtschaftungsmaßnahmen, sondern auf das unreguIierte Fischen auf der Hohen See zurückzufiihren. 79 Fernfischereistaaten dagegen, insbesondere die EG, Japan, Polen, die USA und die Republik Korea, beharrten auf der Notwendigkeit, die Vorkommen wegen ihrer biologischen Einheit innerhalb wie außerhalb der A WZs übereinstimmend zu regeln. Daher müsse das Mandat der Konferenz auch auf die Wirtschafts- und Fischereizonen erstreckt werden. 80 In diesem Fall würde sich aber wohl eine Entwicklung abzeichnen, die man als rückläufig bezeichnen könnte: Zumindest bezüglich der gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten würde eine Entwicklung rückgängig gemacht, nach der die Küstenstaaten ihre Jurisdiktion immer weiter in bislang staatsfreie Gebiete ausdehnen. 81 Versuche, diesen Konflikt zu lösen, wurden während dieser Sitzung noch nicht unternommen. 82
dd) Zusammenfassung
Damit waren auf der Konferenz die meisten Fragen bereits diskutiert worden. Zwei der drei von der Generalversammlung übertragenen Aufgaben waren gelöst: die Probleme waren identifiziert und Verbesserungsvorschläge gemacht worden. Etwa 90 Prozent des späteren Textes des Übereinkommens standen bis auf ein paar redaktionelle Änderungen im Grunde schon fest. 83 Die Formulierung angemessener Verbesserungsvorschläge, bereitete jedoch Probleme. 84 Bezüglich grundlegender Punkte hatte es noch keine Lösung gegeben. Die Entscheidungsfindung wurde auf die kommenden Sitzungen 1994 vertagt. Die FAO wurde beauftragt, Dokumente zu den Themen Vorsorgeprinzip und Bewirtschaftungsmaßstab zu erarbeiten. 85
Hayashi, Analysis ofthe 1993 Sessions, S. 35. Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. \33. 80 UN Ooe. NCONF.I64/L.8, Annex I. 81 Vgl. oben. 82 Hayashi, Analysis ofthe 1993 Sessions, S. 35 f. 83 de Fontaubert, Another Step in the Implementation of the Law of the Sea Convention, Oeean Yearbook 12 (1996), S. 84; Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 17, S.2. 84 Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 16, S. 14. 85 Statement made by the Chairman of the Conferenee at the Closing of the Seeond Session, 30. July 1993, Ooe. NCONF.I64/15. 78 79
B. Die Konferenz
99
Insgesamt hatten an dieser Sitzung teilgenommen: 105 Staaten, 13 internationale (Regierungs-)Organisationen, 40 Nichtregierungsorganisationen, sowie Vertreter von UN-Organisationen und die Virgin Islands als associate member. 86
c) Dritte Sitzung (14. bis 31. März 1994): Annäherung der Positionen Während ihrer 48. Sitzung im November 1993 akzeptierte die UNGeneralversammlung die Vorschläge der Konferenz und berief deren dritte Sitzung einY Inzwischen hatte Guyana als 60. Staat UNCLOS ratifiziert. Danach stand fest, daß die Seerechtskonvention am 16. November 1994 in Kraft treten sollte. Die FAO hatte inzwischen die angeforderten Dokumente zum Vorsorgeprinzip88 sowie zu den Bewirtschaftungsmaßstäben 89 fertiggestellt. In informellen Sitzungen ("informal-informals") wurden dann die während der letzten Sitzung offen gebliebenen Fragen anband des vom Vorsitzenden ausgearbeiteten Vortextes 90 Punkt für Punkt verhandelt und eine Annäherung der einzelnen Positionen erreicht. 91 Umstrittene Fragen waren insbesondere die Kohärenz von nationalen Maßnahmen und solchen von regionalen oder anderen Vereinbarungen, das Konzept der biologischen Einheit der Fischvorkommen, Streitbeilegung, sowie Überwachung und Durchsetzung von Maßnahmen. 92 Was die Frage der Vereinbarkeit von Maßnahmen in verschiedenen Zuständigkeitsgebieten angeht, so war weniger strittig, ob eine Verpflichtung der Staaten zur Zusammenarbeit besteht, sondern mehr, wie dieser Verpflichtung nachzukommen sei. 93 Insgesamt wurde aber kaum ein Fortschritt in Richtung konkreter Lösungen erzielt. 94 Am Ende der Sitzung legte der Vorsitzende dennoch eine überarbeitete
UN Doc. NCONF.I64/16, S. 2 f. UNGA Resolution 48/194, United Nations Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratol)' Fish Stocks; danach sollten 1994 zwei Sitzungen, diese im März sowie eine im August 1994 stattfinden. Nach dem Mandat der Konferenz war bis zur 49. Sitzung der Generalversammlung ein Abschluß zu finden. Die August-Sitzung sollte daher eigentlich die Abschlußsitzung sein. 88 UN Doc. NCONF.164/INF/8 The Precautionary Approach with Reference to Straddling Fish Stocks and Highly Migratol)' Fish Stocks. 89 UN Doc. NCONF.I64/INF/9 Reference Points for Fisheries Management: Their Potential Application to Straddling and Highly Migratol)' Ressources. 90 UN Doc. NCONF.I64/13. 91 F AO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 12 fT.; Statement of the Chairman at the Closing ofthe Third Session, UN Doc. NCONF.I64/19, S. 2 ff. 92 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, No. 31, S. I. 93 Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 280. 94 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 30, S. 20 f. 86
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100
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Fassung des Negotiating Text vor. 95 Diese enthielt bereits eine Art Präambel und Erstfassungen von Artikeln zu allen behandelten Themen. % Auf Grundlage der von der FAO zur Verfllgung gestellten Materialien behandelten die Delegierten in getrennten Arbeitsgruppen zwei Themen sehr ausfllhrlich, die sich ebenfalls in der neuen Fassung wiederfinden und hier gesondert erwähnt werden sollen:
aa) Vorsorgeprinzip/Methode
Einen besonderen Stellenwert nahm während dieser Sitzung der "precautionary approach" ein. Die Vokabel "approach" wurde in Anlehnung an die Verwendung des Begriffes während der Rio-Konferenz bewußt gewählt, um deutlich zu machen, daß es sich um einen anderen Ansatz handelt, als einige Staaten unter dem Begriff des "precautionary principle" verstanden. Letzterer Begriff habe im Laufe der Zeit durch nachlässigen Umgang einen negativen Beigeschmack erhalten. Durch radikale Interpretation habe der Begriff gelegentlich zu der Forderung nach völliger Verbannung jeglicher Technologie oder zu Moratorien gefllhrt und sei oft als unvereinbar mit dem Prinzip der nachhaltigen Nutzung verstanden worden. 97 "approach", ins Deutsche wohl mit "methodischer Ansatz" zu übersetzen, sei ein flexiblerer Begriff als "principle" und erlaube die Nutzung von Technologien. Während der ersten Sitzung war über die Anwendung der Vorsorgemethode noch keine Einigung erzielt worden. Die EG hatte zum Beispiel eine direkte Anwendung des Vorsorgeprinzips deshalb abgelehnt, weil es sich in der Rio Erklärung auf die Einleitung von Chemikalien beziehe, nicht aber direkt auf Fischereifragen anwendbar sei.98 Das Prinzip sei ftir den Bereich der Umweltverschmutzung entwickelt worden und daher nicht auf die Fischerei übertragbar. 99 Island und Neuseeland dagegen fanden, das Prinzip sei auf alle menschlichen Aktivitäten anwendbar. loo Bedenken bestanden, weil einige Staaten hier den Begriff Vorsorgeprinzip mit einem Fischereimoratorium gleichsetzten. 101 Die Anwendung des Vorsorgeprinzips wurde dann als zu streng angesehen, insbe-
UN Doc. NCONF. 164/13/Rev.1. Übersicht in FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 13. 97 UN Doc. NCONF.164/INF/8, S. 6, Nr. 21. 98 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 5, S. 2. 99 UN Doc. NCONF.I64/L.II/Rev. I, NCONF.164/L.20; Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 16, S.4. 100 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 5, S. 3. 101 UN Doc. NCONF.164/INF/8, S. 9, Nr. 31; Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 9, S. 2. 95
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B. Die Konferenz
\01
sondere in Relation mit der als solcher geringen allgemeinen Umweltschädlichkeit der Fischereiindustrie. Andererseits sei aber auch anzunehmen, daß in Ermangelung genauer wissenschaftlicher Daten die Wahrscheinlichkeit von Überfischung und Überdimensionierung der Flotten sehr hoch sei. Nach mehrtägiger Verhandlung in der "zweiten Runde" präsentierte der Vorsitzende in seinem überarbeiteten "Negotiating Text" das vorläufige Ergebnis: die "precautionary approaches to fisheries management".102 Unter anderem sollte danach gelten: (c) the absence of adequate scientific infonnation shall not be used as a reason fOT postponing or failing to take measures to protect target and non-target species and their environment. 103
bb) Anhaltspunkte für die Bewirtschaftung der Fischvorkommen (reference points for fisheries management) Bezüglich der Anhaltspunkte rur die Bewirtschaftung der Fischvorkommen hatte es in den vorangegangenen Jahren verschiedene Ansätze gegeben. Ausgangspunkt war dabei immer das Kriterium des "maximum sustainable yield" (MSY), deutsch: größtmöglicher Dauerertrag. Dies ist der einzige Anhaltspunkt der in der Seerechtskonvention selbst in Art. 119 Abs. I a) sowie Art. 61 Abs. 3 enthalten ist. IM MSY wird berechnet, indem natürliche Sterblichkeit und Fang einerseits durch jährliche Reproduktion andererseits ausgeglichen werden. 105 In dieser Größenordnung kann Fisch gefangen werden, ohne das Gesamtvorkommen zu vermindern. Während der Debatte wurde vorgeschlagen, diese Größe in den Verhandlungstext des Vorsitzenden aufzunehmen. 106 Diese Rechengröße krankt jedoch vor allem an der Unsicherheit der Daten, mit denen operiert wird - sowohl was die jährliche Fangmenge als auch die natürliche Sterblichkeit sowie die Reproduktion der Fische anbetrifft. Außerdem wird selbst die nach dieser Größe zahlenmäßig erlaubte Fangmenge ständig überschritten. 107 Im übrigen wird bei diesem Ansatzpunkt nur die jeweils einzelne Zielart betrachtet, ohne ihre Interdependenz mit anderen Arten zu berücksichtigen. Sinnvoll sei nach Ansicht der
102 UN Doc. AlCONF. 164/13/Rev. I, S. 4 f., NT. 4. 103 Vgl. Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 280. 104 UN Doc. AlCONF. 164/INF/9, S. 9, Nr. 27. 105 Vgl. Wang, Handbook on Ocean Politics and Law, S. 113 f. m. w. N. und Definitionen anderer im Zusammenhang stehender Begriffe. 106 Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 24, S. 2. 107 UN Doc. AlCONF.I64/INF/9, S. 9, Nr. 30.
102
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Mehrheit der Delegierten der Konferenz dieser Anhaltspunkt des MSY daher nur als Obergrenze, \08 nicht jedoch als Zielwert.
d) Vierte Sitzung (15. bis 26. August 1994): Versuch der weiteren Annäherung, aber wenig inhaltlicher Fortschritt Zwischen der dritten und der vierten Sitzung veranstaltete die argentinische Regierung im Juni 1994 ein Treffen in Buenos Aires, an dem Küsten- und Fernfischereistaaten teilnahmen. \09 Ziel war es, die gegensätzlichen Standpunkte in wichtigen Fragen des Verhandlungstextes des Konferenzvorsitzenden einander anzunähern. IIO Am 9. Juni 1994 wurde die "Buenos Aires Declaration" angenommen, mit der die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Einrichtung eines effektiven Fischereiregimes unterstützt wurden. 111 Während der vierten Sitzung wurden kontrovers gebliebene Punkte verhandelt. 112 Problematisch war noch immer die Vereinbarkeit von Maßnahmen innerhalb wie außerhalb von 200-Meilen-Zonen. Fernfischereinationen kritisierten, daß der Verhandlungstext bislang die Küstenstaaten favorisiere.1\3 Schwierig war vor allem, eine Definition des Begriffes der an die Wirtschaftszone anschließenden Zone (adjacent area, 'Art. 63 11 UNCLOS) zu finden. 114 Ferner wurde erörtert, ob Fischereiorganisationen offen rur alle interessierten Staaten sein sollten, was nach längerer Debatte tendenziell befurwortet wurde. 115 In diesem Zusammenhang ging es auch um die Frage der Durchsetzungsmethoden von einmal ergriffenen Bewirtschaftungsmaßnahmen. Einige Staaten schlugen vor, primär Küstenstaaten zur Durchsetzung zu verpflichten, während andere Vorschläge differenzierter vorgingen und regionale Besonderheiten berücksichtigten. Danach sollte es unterschiedliche Mechanismen geben, zum Bei\08 Ebendort S. INr. 5; Hayashi, The Role ofthe UN in Managing the World's Fisheries, S. 382. 109 Argentinien, Kanada, Chile, die EG, Island, Japan, Neuseeland, Norwegen, Papua Neuguinea, Peru, die Russische Föderation, Schweden und die USA nahmen teil, außerdem die FFA; FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 15. 1\0 Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 31, S. 2 "in the corridors". 111 Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 31, S. 2 "the intersessional period". 112 Zusammenfassung der einzelnen Diskussionspunkte in Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 39 S. 2 ff. 1 \3 Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy 1995, S. 163; Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 280, m.w.N; Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 39, S. 3. 114 Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy 1995, S. 163 f. 115 Earth Negotiations Bulletin Vo1.7, Nr. 39, S. 5; S. 7.
B. Die Konferenz
103
spiel regionale Richtlinien oder gar koordinierte Operationen. 116 Hier wurde die Gefahr gesehen, daß die Konferenz über ihr Ziel hinausschießen könnte, indem Vorschriften der Seerechtskonvention zu sehr ausgedehnt oder gar geändert würden. ll7 Anders als der Vorsitzende sahen einige Delegierten diese vierte Sitzung als einen Tiefpunkt der Verhandlungen an. Dies kam daher, daß in einigen wichtigen Fragen wenig inhaltlicher Fortschritt erzielt worden war. Einige schon rur geklärt gehaltene Fragen wurden erneut aufgeworfen. 118 Gleichzeitig lief zeitlich das Mandat der Konferenz aus. 119Aus der Erkenntnis, daß die Konferenz während dieser Sitzung noch keine Einigung würde erzielen können, erarbeitete der Vorsitzende selbst eine Vorversion ftir einen Vertrag (draft treaty) 120 als Verhandlungsbasis rur die nächste Sitzung. Inzwischen war er zu der Überzeugung gelangt, daß eine große Mehrheit der Staaten ein rechtlich bindendes Vertragswerk wünsche. 121 Nach dieser Vorversion war Ziel des Vertrages, die Langzeit-Erhaltung und nachhaltige Nutzung von gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten zu gewährleisten. Sie spiegelte ein Verständnis der Verbindung von Fischereiaktivitäten innerhalb wie außerhalb von Fischereizonen wider. Gleichzeitig versuchte sie, ein Gleichgewicht zwischen den Interessen von Küstenstaaten und Fernfischereinationen herzustellen. 122 Dabei solle ein globaler Rahmen rur regionale Kooperation geschaffen werden, die auf die Besonderheiten der Regionen Rücksicht nehmen könnte. 123 Außerdem war die Berücksichtigung spezieller Interessen von Entwicklungsstaaten sowie ein Mechanismus zur friedlichen Streitbeilegung enthalten. Vertreter von 98 Staaten, neun Regierungsorganisationen und 19 NGOs hatten an dieser Sitzung teilgenommen. 124
116 Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy 1995, S. 164. 117 Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy 1995, S. 166. 118 Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy 1995, S. 166. 119 FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 17. 120 UN Ooc. NCONF.I64/22. 121 Nandan, The Oraft Agreement, S. 296. 122 Überblick über die Inhalte des Vorvertrages bei Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 281; sowie eine Untersuchung der Vor- und Nachteile dieses Werkes in Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 39, S. 12 ff. 123 Vgl. Nandan, The Oraft Agreement, S. 296. 124 UN Ooc. NCONF.164/25 S. 2 f.
104
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
e) Fünfte Sitzung (27. März bis 12. April 1995): Diplomatische Spannungen In der Zwischenzeit hatte es Treffen von Küstenstaaten und Fernfischereistaaten gegeben, um diese Vorversion zu beraten, allerdings ohne besondere Ergebnisse. 125 Die gesamte fünfte Sitzung stand im Schatten diplomatischer Spannungen, die sich infolge des Aufbringens des spanischen Trawlers "Estai" durch die kanadischen Behörden Anfang März ergeben hatten. 126 Andererseits sorgte dieses Ereignis dafür, daß allen Beteiligten die Probleme sehr deutlich vor Augen geführt wurden, die bezüglich der Fischerei in solchen Gebieten der Hohen See bestehen, die an Wirtschafts- oder Fischereizonen angrenzen. 127 Dadurch verstärkte sich das Bewußtsein für die Notwendigkeit einer endgültigen Einigung auf internationaler Ebene. In Anbetracht der Tatsache, daß zu diesem Zeitpunkt einige Delegierten das Scheitern der gesamten Konferenz befürchteten, scheint ein gewisser Zusammenhang mit dem Verlauf der Konferenz nicht ausgeschlossen.1 28 Auf jeden Fall sorgten die Ereignisse dafür, daß Bewegung in die Positionen der Verhandlungsteilnehmer kam. 129 Ein wichtiger Fortschritt dieser Sitzung war die Feststellung, daß inzwischen auch bei den Fernfischerei betreibenden Nationen ein rechtlich bindendes Instrument favorisiert wurde. 130 Die Fronten blieben allerdings noch immer weitgehend unverändert in bezug auf die Frage der Vereinbarkeit von Bewirtschaftungsmaßnahmen auf der Hohen See und innerhalb von Wirtschafts- oder Fischereizonen, sowie in bezug auf die Frage der Durchsetzung von Maßnahmen auf der Hohen See. 13I Art. 21 der Vorversion sah bereits eine "Ergänzung" existierenden internationalen Rechts insoweit vor, als Bedienstete eines Staates im
125 FAO Fisheries Circular 898, FID/C 898, S. 17. 126 Hintergründe zu dem Fischereistreit Kanada-EU, der in diesem Ereignis gipfelte bei Warbrick/Goldrick, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly, Vol. 44 (1995), S. 927 ff.; Vinogradov/Wouters, Turbot War, S. 599 ff. 127 Juda, International Law and Ocean Governance, S. 283. 128 de Fontaubert nimmt an, daß die kanadische Regierung die Situation der Grand Banks dazu nutzte, die eigene Verhandlungsposition während der Konferenz zu stärken; in: The Politics ofNegotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 86. 129 Vgl. de Fontaubert, Another Step in the Implementation of the Law of the Sea Convention, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 89. 130 Die EG teilte mit "there is a c1ear momentum towards a binding international instrument. On this question the EC has stated that it would be flexible", Statement Delivered by Commissioner Emma Bonino on Behalf of the European Community at the Fifth Session of the Conference, New York, S. 4; ähnlich Statement by Head of the Delegation of Japan at the UN Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, New York, S. 1; Zitate abgedruckt in FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 18. 131 Juda, International Law and Ocean Governance, S. 283; insbesondere ging es um Art. 21 der Vorversion, vgl. FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 19.
B. Die Konferenz
105
Rahmen der Zuständigkeit einer regionalen Organisation Fahrzeuge inspizieren dürfen, die auf der Hohen See fischen. Dieses sahen vor allem die Fernfischereinationen als Erosion des nach der SRK geltenden Flaggenstaatsprinzips an. 132 Schließlich konnte der Vorsitzende eine Überarbeitung der Vorversion präsentieren. l33 Uneinigkeit war abgesehen von sprachlichen Schönheitsfehlern nur noch bezüglich der Artikel 14 und 21 der Vorversion festzustellen, so daß sich die Konferenz darauf einigte, daß die kommende Sitzung die letzte der Konferenz sein sollte, auf der der definitive Vertragstext festzulegen war. 134 An dieser ftlnften Sitzung hatten 94 Staaten, sieben internationale Regierungsorganisationen und 29 NGOs teilgenommen. 135
f) Sechste Sitzung (24. Juli bis 4. August 1995): Letzter Einigungspunkt: die Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Maßnahmen
In der Zwischenzeit hatte es erneut Treffen von Küstenstaaten und Fernfischereinationen gegeben. Während dieser Treffen wurde vor allem über den Art. 21 der Vorversion, den strittigsten Punkt der Verhandlungen, beraten. 136 Dieser Punkt war auch Hauptsache während der sechsten Sitzung, an der Vertreter von 112 Staaten, sieben Regierungsorganisationen und 30 NGOs teilnahmen. 137 Am 4. August nahm die Konferenz ohne Abstimmung das "Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10. December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks" an. 138 Die Delegierten beschlossen, die sechste Sitzung am 4. Dezember 1995 mit der feierlichen Signatur des Übereinkommens fortzusetzen. 139 Gleichzeitig nahm die Konferenz zwei Resolutionen an. Eine rief zur vorzeitigen und effektiven Umsetzung des Straddling Stocks Agreement auf, mit der anderen wurden UN-
FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 20. UN Doc AlCONF. 1641221Rev. 1. 134 Statement Made by the Chairman of the Conference at the Closing of the Fifth Session, on 12 April 1995, UN Doc. AlCONF.I64128 S. 5 Nr. 24; FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 20. 135 UN Doc. AlCONF.I64129, S. 3. 136 FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 20. 137 UN Doc. AlCONF . 164ß6 S. 2 f. 138 UN Doc. AlCONF.I64ß7; ebenfalls abgedruckt in I.L.M. 34 (1995), S. 15471580. 139 UN Doc. AlCONF.I64ß8, S. 7, Nr. 31. 132
l33
106
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Generalversammlung und Generalsekretär dazu aufgefordert, die weitere Entwicklung der Fischereisituation auch in Zukunft kritisch zu verfolgen. 140 Bemerkenswert ist, daß das Abkommen ohne förmliche Abstimmung oder Beschlußfassung angenommen wurde, also im Wege des Konsensverfahrens. Konsens wird definiert als die Abwesenheit von ausdrücklichem Widerstand gegen spezielle Regeln durch Konferenzteilnehmer. 141 Konsens beinhaltet also die stillschweigende Zustimmung auch solcher Teilnehmer, die nicht ausdrücklich filr eine Norm stimmen wollen. Der Begriff Konsens bezeichnet sowohl das Verfahren als auch das hieraus resultierende Ergebnis. Das bedeutet also noch nicht, daß das Abkommen von allen Teilnehmern insgesamt gebilligt wird, sondern nur, daß sie es nicht rundweg ablehnen. 142 Dieses Verfahren wird heute in internationalen Organisationen häufig verwendet, um den Staaten eine Zustimmung zu erleichtern. 143
3. Zusammenfassung der Hauptstreitpunkte
Am Ende der Konferenz wurde eine lange Liste der teilnehmenden Staaten und Organisationen veröffentlicht. 144 Unter anderem hatten 139 Staaten teilgenommen, dies allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Einige Vertreter dieser Staaten kamen nur zu wenigen Sitzungen, vor allem aber nahmen die meisten Staaten nicht aktiv sondern nur beobachtend an den Debatten teil. 14S Andererseits zeigt die hohe Zahl der Beteiligung insgesamt, daß zumindest alle diese Staaten von den Vorgängen Kenntnis genommen und keinen deutlich gewordenen Widerstand gegen das Ergebnis der Konferenz erhoben haben. Die Hauptstreitpunkte während der Verhandlungen hatten sich bereits lange im Vorfeld der Konferenz abgezeichnet. Während über 90 Prozent des Vertragstextes sehr schnell Einigung erzielt worden war, blieben bis zum Ende der Verhandlungen vor allem vier Punkte zwischen Küstenstaaten einerseits und Fernfischerei betreibenden Nationen andererseits umstritten: - geographische Anwendbarkeit: nur Hohe See oder Hohe See und EEZ,
UN Doc. NCONF.164/32, S. 9 bzw. 10. Charney, Universal International Law, AJIL 1993, S.544; Art. 161 Abs.8 e SRK: Konsens bedeutet das "Fehlenjedes llinnlichen Einspruchs". 142 Wolfrum, Konsens im Völkerrecht, S. 84. 143 DahmiDelbrückiWolfrum, Völkerrecht 1/1, S. 61; näher dazu im dritten Teil der Arbeit. 144 Final Act ofthe Conference, UN Doc. AlCONF.I64/38, S. 3. 145 Peru stellte fest, daß nur etwa 40 bis 50 Staaten in bedeutungsvoller Weise teilgenommen hatte, FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 27. 140 141
B. Die Konferenz
107
- rechtlich bindendes Instrument oder nicht, - besondere Rechte fiir Küstenstaaten im unmittelbaren Anschluß an die A WZ mit Stellung des Küstenstaates als Hüter der Fischvorkommen innerhalb sowie außerhalb der A WZ, - breite Kontrollmöglichkeiten rur Hafenstaaten oder Fortsetzung des im derzeitigen Seerecht geltenden Flaggenstaatsprinzips. Die Fernfischereinationen argumentierten geschlossen bei allen diesen Punkten ausgehend vom Prinzip der Freiheit der Fischerei, wie es in Art. 87 SRK verbrieft war. Die KUstenstaaten dagegen waren vor allem in bezug auf die Anwendung der Vorsorgemethode auch untereinander uneinig. Größtes Anliegen der KUstenstaaten waren vor allem die Vereinbarkeit von Maßnahmen innerhalb wie außerhalb der Fischereizonen sowie die Rolle von regionalen Fischereiorganisationen. 146 Schon während der Verhandlungen der dritten Seerechtskonferenz in den 70er Jahren hatten sich diese Positionen verhärtet und konnten, wie dargestellt, auch durch UNCED nicht gelöst werden. Insofern hätte das Mandat der Konferenz schon vor ihrem Beginn als totgeboren bezeichnet werden können. Durch die dramatische Verschlechterung des Zustandes vieler Fischbestände wurde aber sowohl KUstenstaaten als auch Fernfischereistaaten deutlich, daß sie im Grunde das gleiche Ziel verfolgten: die Reduzierung der Fischereikonflikte und die Beendigung der andauernden Überfischung, um auch in Zukunft die Möglichkeit des Fischfanges für alle Staaten zu gewährleisten. Teilnehmer der Konferenz verdeutlichten an deren Ende, daß es nur zwei Ergebnisse gab: entweder die Parteien würden kooperieren und einen gemeinsamen Erfolg erzielen, oder der Versuch der Einigung wUrde fehlschlagen, mit dem Ergebnis, daß beide Seiten verlieren. 147 Interessant erscheinen in diesem Zusammenhang schließlich noch zwei Feststellungen. Zum einen brachten während der Verhandlungen die Entwicklungsstaaten, insbesondere die großen afrikanischen Länder, nur wenig an eigenen Vorschlägen ein. 148 Konzertierte Positionspapiere oder Vorschläge gab es so gut wie keine. Anders als bei den Verhandlungen zur SRK kann damit deren Teilnahme als eher passiv bezeichnet werden. Zum anderen ist bemerkenswert, daß bei aller Umstrittenheit einzelner Fragen über einen Punkt grundsätzlich immer
146
FAO Fisheries Circular 898, FID/C898, S. 28 f.
147
de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management
1995, S. 81. 148 Vgl. Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy 1995, S. 162.
108
2. Teil: Oas Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Einigkeit bestand: Die einmal getroffenen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen müßten auch für Nichtvertragsstaaten gelten.
C. Gegenüberstellung der Inhalte Im Folgenden soll das Ergebnis der Konferenz in dem 50 Artikel und zwei Annexe umfassenden Übereinkommen dargestellt werden. Dabei ist ein Vergleich zu den Bestimmungen der SRK zu ziehen. Das gebietet der Titel des FSA, wonach es sich um die "Durchführung" der entsprechenden Bestimmungen der SRK handelt. In seiner Erklärung zur Annahme des Übereinkommens erklärte der Vorsitzende der Konferenz, das Fish Stocks Agreement beruhe auf drei Grundpfeilern. Zum ersten werden Prinzipien festgelegt, auf welchen Erhalt und Bewirtschaftung der Fischvorkommen basieren müssen: Die Vorsorgemethode und der Grundsatz der besten verfügbaren wissenschaftlichen Informationen. Zum zweiten werde gewährleistet, daß Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht unterlaufen werden, indem Durchsetzungsmechanismen festgeschrieben werden: Grundsätzlich werde das Flaggenstaatsprinzip bestätigt, aber durch eine Rahmenregelung ftlr das Eingreifen anderer Staaten ergänzt. Zum dritten beruhe das Übereinkommen auf einer Regelung zur friedlichen Streitbeilegung. 149 Während der Beratungen hatte sich unter den Delegierten die Vokabel "Fish Paper" eingeschlichen. Ähnlich hatten die Delegierten während der Verhandlungen zu dem Abkommen von 1994 zur Durchftlhrung von Teil XI einer Vorversion und dem schließlichen Vertragstext den Spitznamen "Boat Paper" gegeben, nachdem die erste Vorversion mit der Abbildung eines Schiffes beim Betreiben von Tiefseebergbau auf dem Deckblatt in Umlauf gebracht worden war. Da viele der Delegierten zur Straddling Stocks Conference gleichzeitig Teilnehmer der Teil-XI-Verhandlungen waren, ergab sich ein parallel gelagerter Spitzname. 150
I. Allgemeine Bestimmungen
Die zehn Absätze umfassende Präambel des Übereinkommens gibt einen kurzen Einblick in die Überlegungen, die dessen Abschluß ausgelöst haben. Zunächst bietet sie einen Überblick über die maßgeblichen Vorschriften der SRK.
149
UN Ooc. A/CONF.I64/35, S. 2.
150
de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management
1995, S. 87.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
109
Unzulängliche Bewirtschaftung der Hochseefischereien, übennäßige Nutzung der lebenden Ressourcen sowie die Probleme eines unkontrollierten Fischfanges, Überkapitalisierung, zu große Fangflotten, Um flaggen, unzureichende Fanggeräte und Datenbanken und ein Mangel an Zusammenarbeit werden unter Rückgriff auf Kapitel 17 von Agenda 21 der Rio Konferenz erwähnt. Die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit zur langfristigen Sicherung und nachhaltigen Nutzung der Vorkommen wird betont. Angelegenheiten, die nicht von der SRK oder dem FSA geregelt werden, sollen weiterhin allgemeinen Völkerrechtsregeln unterfallen. Bemerkenswert an der Präambel ist vor allem die Bezugnahme auf Kapitel 17 der Agenda 21. Damit ist das FSA trotz seines Titels nicht ausschließlich an die SRK gekoppelt, sondern berUcksichtigt auch umweltrechtIiche Ziele. Dies wird noch verstärkt durch Absatz 7 der Präambel. Dieser stellt die Notwendigkeit fest, Belastungen der Meeresumwelt zu venneiden, die biologische Vielfalt zu bewahren, die marinen Ökosysteme unversehrt zu erhalten und das Risiko langfristiger oder irreversibler Folgen der Fischerei auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Damit wird der Gedanke des Umweltschutzes im Rahmen von Fischereiaktivitäten auf eine höhere Ebene gehoben, als zuvor üblich war. Das FSA ist so das erste globale fischereirechtIiche Übereinkommen, das diese umweltrechtliche Bedeutung anerkennt. 151 Ziel des Übereinkommens ist demgemäß die langfristige Erhaltung und nachhaltige Nutzung der gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischbestände durch wirksame Durchftihrung der einschlägigen Bestimmungen der Seerechtskonvention von 1982 (Art. 2). Nachdem Art. 1 einige Begriffe klärt, ist in Art. 3 eine Lösung rur die schwierige Frage der geographischen Anwendbarkeit des Übereinkommens festgehalten: Es geht danach in diesem Übereinkommen nur um die Gebiete jenseits staatlicher Hoheitsgewalt, also außerhalb der 200Meilen-Grenze. Allerdings ist im Falle der biologisch Einheit eines Vorkommens gebietsübergreifender Fische in bestimmten Vorschriften des Übereinkommens 152 vorgesehen, daß Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen bezüglich dieser Vorkommen auch innerhalb der Grenzen nationaler Jurisdiktion gelten sollen. 153 Dies geht nicht über Art. 63 11 SRK hinaus, der eine Zusammenarbeit fordert. Diese kann natürlich beinhalten, daß gemeinsame Maßnahmen getroffen werden, die auch innerhalb bestimmter AWZs gelten. Art. 4 FSA betont, daß das Abkommen in keiner Weise die Rechte, die Hoheitsgewalt und Pflichten der Staaten der Seerechtskonvention berührt. Ausle-
151
FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries,
152
Art. 6 und 7, Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 54, S. 3. Vgl. Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 151.
YIEL 1996, S. 24. 153
1\0
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
gung und Anwendung des Übereinkommens sollen im Zusammenhang und in Übereinstimmung mit der Seerechtskonvention geschehen. Mit dieser Vorschrift wurde dem Bewußtsein Rechnung getragen, daß sich das FSA nur im Rahmen der bestehenden Normen der SRK halten soll. Die allgemeinen Bestimmungen des FSA enthalten damit echte Bestimmungen zur Durchführung des von der der SRK gesteckten Rahmens. Inwiefern die einzelnen technischen Vorschriften des FSA unter Umständen doch Regeln der SRK beruhren, soll im Folgenden weiter untersucht werden.
11. Prinzipien bei Erhalt und Bewirtschaftung der Fischbestände
Da weder der Begriff der gebietsübergreifenden noch der der weit wandernden Fischarten in dem FSA gesondert definiert wird, sollen die Begriffe weiterhin im Sinne der SRK verwendet werden. In Teil 11 FSA sind aIfgemeine Grundsätze bezüglich Bewirtschaftung und Erhalt der betroffenen Fischbestände enthalten, die erheblich spezieller sind als die entsprechenden Vorschriften der SRK. IS4 Sie gelten auf der Hohen See, aber auch innerhalb von AWZs bzw. Fischereizonen. Artikel 5 und 6 enthalten zusammen eine ganze Reihe von Maßnahmen, die allesamt zueinander in Beziehung stehen und nicht nur ausschließlich gebietsübergreifende oder weit wandernde Fischarten betreffen. ISS
J. Allgemeine Grundsätze
Jedes Recht beinhaltet auch eine Verptlichtung. IS6 Genauso verhält es sich mit der Freiheit der Fischerei. Gemäß Art. 63 11 SRK sind Küstenstaaten und Staaten, die nach gebietsübergreifenden Fischvorkommen fischen, zu der Bemühung verpflichtet, die zum Erhalt der Bestände erforderlichen Maßnahmen tUr die an die A WZs angrenzenden Gebiete der Hohen See miteinander zu vereinbaren. Nach Art. 64 SRK sind Küstenstaat und Fischereistaat gehalten zusammenzuarbeiten, "um die Erhaltung dieser Arten zu gewährleisten und ihre optimale Nutzung in der gesamten Region ... zu llirdern". Generell gibt es also
Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 135. Greenpeace Analysis, S. 2 Nr. \0 und 11; Balton, Strengthening the Law of the Sea, ODIL 1996, S. 136. 156 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 27. 154
ISS
C. Gegenüberstellung der Inhalte
111
die Verpflichtung zur Zusammenarbeit, wie diese im einzelnen aber auszusehen hat, wird in der SRK nicht näher beschrieben. 157 Artikel 5 des FSA enthält nun eine Reihe genereller Prinzipien, die bei der Bewirtschaftung der Fischvorkommen anzuwenden sind und so den vagen Begriff der Kooperation, wie er in der Seerechtskonvention verwendet wird, spezifizieren. 158 Dabei wird anders als in der SRK diesbezüglich nicht zwischen den gebietsübergreifenden und weit wandernden Arten unterschieden. 159 Einige dieser Prinzipien sollen kurz untersucht werden.
a) Langfristige Sicherung und optimale Nutzung Dabei gilt als eines der wichtigsten Ziele gemäß Art. 5 a FSA die langfristige Sicherung des Fortbestandes gebietsübergreifender und weit wandernder Fischvorkommen sowie deren optimale Nutzung. Obwohl der Begriff der "sustainability", wie er im englischen Vertragstext verwendet wird, gewöhnlich mit "Nachhaltigkeit" übersetzt wird, ist in der offiziellen Übersetzung durch die Europäische Kommission von "langfristiger Sicherung des Fortbestandes" die Rede. Der Begriff der "Nachhaltigkeit" bzw. "sustainability" ist, wie schon ausgefUhrt, auf die Entwicklungen seit dem Brundtland-Report und UNCED 1992 zurilckzufUhren. 160 Er taucht dementsprechend in der 1982 angenommenen Seerechtskonvention selbst noch nicht auf. Jedoch verweisen die Art. 63 11, 64 und 117 SRK auf die Verpflichtung zum Erhalt der gebietsübergreifenden, weit wandernden und Hochsee-Fischvorkommen. "Erhalt" dieser Vorkommen kann aber nichts anderes bedeuten als die langfristige Sicherung des Fortbestandes. 161 Geht man davon aus, daß diese Vorschriften mit Hilfe des FSA "durchgefUhrt" werden sollen, so trifft die offizielle deutsche Übersetzung von Art. 5 (a) des Abkommens von 1995 durch die EG Kommission die darin bereits in der SRK enthaltene Verpflichtung besser als der Begriff der "Nachhaltigkeit" dies könnte.
Dazu oben, Teil I. Hayashi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coastal Management 1995, S. 53. 159 Vgl. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 8 f. 160 S.o., Teil I. 161 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997,S.9. 157
158
112
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Zu beachten ist dabei, daß nach der Seerechtskonvention die Vorkommen nicht auf eine Zahl unterhalb des maximum sustainable yield sinken sollen. Diese Fangmenge kann damit als Untergrenze einer "Nachhaltigkeit" angesehen werden. 162 Das Konzept des größtmöglichen Dauerertrages erscheint daher auch in Art. 5 (b) des Übereinkommens. 163 Voraussetzung für die langfristige Sicherung des Fortbestandes ist nämlich gemäß Buchstabe (b) die Arbeit anhand der bestmöglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ziel der Arbeit soll anhand dieser Erkenntnisse sein, Fischbestände auf einem Stand zu halten oder dahin zurückzuführen, der den höchstmöglichen Dauerertrag sichert. Diese Vorschrift ist direkt auf die Artikel 61, 62 und 119 zurückzuführen. l64 Wie genau die bestmöglichen Erkenntnisse zu gewinnen sind, wird nicht genannt. Dadurch wird deutlich, daß selbst geringe Daten genügen, solange sie die besten der zur Verfügung stehenden sind. Weitere Voraussetzungen der langfristigen Sicherung der Vorkommen sind die Anwendung des Vorsorgeprinzips gemäß Art. 6 FSA. 165 In Art. 5 (d) und (e) FSA wird dem "ecosystem approach" Rechnung getragen, indem auch andere als weit wandernde oder gebietsübergreifende Fische desselben Ökosystems in die Maßnahmen mit einbezogen werden sollen, soweit die Einfluß auf Leben und Vorkommen der betroffenen Fischarten haben. l66 Die Formulierung ist der in Art. 119 Abs. 1 b) SRK sehr ähnlich. Damit sollen nicht nur die gezielt befischten Arten zu den Ressourcen gezählt werden, sondern alle Arten. Damit hat auch das Konzept der großen marinen Ökosysteme ("large marine ecosystems", LME) im FSA Niederschlag gefunden. 167 Anders als in der Seerechtskonvention sollen diese Gesichtspunkte nach dem Übereinkommen nicht mehr nur "berücksichtigt" werden, sondern es sollen positiv Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen getroffen werden. In der SRK wird als Ziel die Sicherung des größtmöglichen Dauerertrages genannt. Dies setzt notwendigerweise den Erhalt der Bestände voraus. Wie genau das zu erreichen ist, wird in der SRK dagegen nicht festgelegt. Insofern werden die Vorschriften der SRK durch das DurchfUhrungsabkommen tatsächlich konkreti-
162 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 9. 163 Zum Konzept des größtmöglichen Dauerertrages vgl. UN Doc. NCONF.164/1NFI9, 27; Zusammenfassung bei Tahindro, Conservation and Management ofTransboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 5 f 164 Vgl. Balton, Stengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 136. 165 Art. 5 (c). 166 Vgl. Gherari, L' Accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGDIP 1996, S. 373. 167 Dieses Konzept wurde bereits ohne konkretes Ergebnis in Rio verhandelt, s. o.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
113
siert: um die Ziele der SRK zu erreichen, müssen Prinzipien wie "sustainability" oder "ecosystem approach" als notwendige Zwischenziele beachtet werden. b) Meeresumweltschutz im weiteren Sinne Weiterhin enthält Art. 5 FSA eine ganze Reihe von begleitenden Umweltschutzvorschriften. So werden als Vertragsziele genannt: die Verhinderung von Meeresverschmutzung sowie der Schutz der biologischen Vielfalt des Meeres. 168 Während der Schutz der marinen Umwelt durchaus auch Thema der Seerechtskonvention ist, ist der Schutz der biologischen Vielfalt ein neuer Begriff. Hierin spiegelt sich die Erkenntnis wider, daß der Beifang von Nicht-Zielfischen eine der größten Umweltgeflihrdungen durch Fischereiaktivitäten darstellt. 169 Insofern findet sich auch ein Bezug zur Erklärung von Cancun und dem FAO Code of Conduct. Ausgelöst war diese Passage des Übereinkommens durch UNGA Resolution 491118, in der die Konferenz dazu aufgerufen worden war, zu diesem Problem Stellung zu beziehen. Art. 5 (h) FSA sieht die Verhinderung von Überfischung und Beseitigung übermäßiger Fangkapazitäten vor. Dies ist im Verhältnis zur Seerechtskonvention ein völlig neuer Punkt. Während der Verhandlungen der Konferenz war die Weltfischerei trotz erster Meldungen von geringeren Erträgen noch von der Vorstellung des Vorhandenseins reicher Fischvorkommen geprägt.170 Inzwischen ist Überfischung zu einem Hauptproblem der Weltfischerei geworden, 171 das vielschichtige GrUnde und Ursachen hat. Diese Vorschrift richtet sich daher nur gegen das Symptom, nicht aber gegen die Ursachen der Überfischung. Die Berücksichtigung der handwerklichen und Selbstversorgungsfischer ist in Art. 5 (i) aufgenommen worden. Weder in Art. 63 Abs.2 oder 64 der Seerechtskonvention gibt es hierzu einen Anhaltspunkt. Lediglich nach Art. 61 Abs. 3 SRK ist in den AWZs den Bedürfnisse der vom Fischfang lebenden Küstengemeinden Rechnung zu tragen. Hierin ist eine besondere BerUcksichtigung der Situation von Entwicklungsstaaten zu sehen, deren Flotten oft zu einem großen Teil aus Kleinstfischereibetrieben stammen. 172
168 Art. 5 (f) und (g). Tahindro, 1997, S. 10. 170 Tahindro, 1997, S. 10. 171 S.o., Teil 172 Tahindro, 1997, S. 10. 169
8 Ziemer
Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL
I. Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL
114
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK c) Zusammenfassende Bewertung
Durch diese Punkte wird die SRK weitergehend ergänzt. Sie postuliert aber selbst bereits die Sicherung des größtmöglichen Dauerertrages und den Schutz der marinen Umwelt. Daher können einzelne Schritte auf dem Weg dorthin, wie sie die genannten Vorschriften des FSA darstellen, durchaus als Konkretisierung der bereits vorhandenen, im einzelnen aber immer noch interpretationsbedÜTftigen Pflichten angesehen werden. Bemerkenswert ist jedoch, daß die Betonung bei weitem nicht mehr ausschließlich auf der Nutzbarkeit der Ressourcen durch den Menschen liegt. 173 Mindestens gleich große Bedeutung wird dem Gleichgewicht von Nutzung und langfristiger Sicherung zugemessen, also der "nachhaltigen Nutzung".
2. Vorsorgeprinzip, .. precautionary approach" Gemäß Art. 6 Abs. 1 FSA soll weitestgehend das Vorsorgeprinzip angewendet werden. Zu bemerken ist hier, daß in der deutschen Übersetzung durch die Kommission der EG die Rede vom Vorsorgeprinzip ist, während in der englischen Originalfassung nicht der Begriff "principle", sondern aus Gründen der politischen Akzeptanz der Begriff "precautionary approach" verwendet wird. Der Einfachheit halber soll hier der Übersetzung durch die Kommission gefolgt werden, da die Verwendung des Begriffes "approach" nur ein politischer Komprorniß war. Rechtlich macht die Verwendung der einen oder anderen Vokabel keinen Unterschied, wenn man davon ausgeht, daß auch das precautionary principle kein Fischereimoratorium beinhaltet. 174 Diese Annahme ergibt sich aus der Tatsache, daß das Vorsorgeprinzip ansonsten nicht von den Fernfischereinationen akzeptiert worden wäre. 175 Es ist damit weniger durchgreifend ausgefallen, als es zahlreiche Küstenstaaten und vor allem die NGOs gewünscht hätten. 176 In der Seerechtskonvention gibt es ein solches ausdrückliches Vorsorgeprinzip nicht. In der SRK sind jedoch in Art. 61 Abs. 2 und Art. 119 Abs. 1 lit. a Hinweise auf die Verwendung der besten zur Verfiigung stehenden wissenschaftlichen Angaben zu finden. Allerdings konnte es bisher als im Entstehen
173 Dies war vor allem in Art. 2 der Hochseekonvention von 1958 noch sehr deutlich der Fall, vgl. FreestonelMakuch, The New International Environmental Law ofFisheries, YIEL 1996, S. 26. 174 Vgl. oben, dritte Sitzung, vgl. auch FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 26. 175 Anderson, Current Developments, Int. Comparative Law Quarterly 1996, S. 469. 176 Greenpeace Analysis, S. 2 Nr. 13.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
115
begriffenes generelles Prinzip des Umweltvölkerrechts gesehen werden. 177 Das Prinzip, wie es nun im FSA aufgenommen ist, kann als eine Weiterentwicklung von Prinzip 15 der Erklärung von Rio l78 bezogen auf die speziellen Hochseefischereibelange bezeichnet werden. 179 Das Prinzip ist gemäß Art. 6 Abs. 2 FSA vor allem dann anzuwenden, wenn angemessene wissenschaftliche Daten zur Festlegung von Bewirtschaftungsoder Erhaltungsmaßnahmen fehlen. Bezogen auf Fischerei bedeutet die Anwendung des Vorsorgeprinzips, daß vorsorgliche Maßnahmen zu treffen sind, wenn schwere Schäden an den Beständen nicht von vornherein völlig auszuschließen sind. Außerdem heißt es, daß im Falle unerwartet eintretender Schäden unverzüglich reaktive Maßnahmen zu ergreifen sind. 180 Insofern ließe sich argumentieren, daß das Prinzip in der Form, in der es hier festgeschrieben wurde, tatsächlich eine Beweislastumkehr beinhaltet, wie dies bereits in der Völkerrechtslehre und von einigen Staaten diskutiert wurde. 181 Bislang war zu beweisen gewesen, daß bestimmte Fischereiaktivitäten auch tatsächlich den Bestand geflihrdeten, bevor begrenzende Bewirtschaftungsmaßnahmen erlaubt waren. Jetzt darf das Fehlen von Beweisen der Schädlichkeit nicht mehr als Entschuldigung dafiir herangezogen werden, daß keine begrenzenden Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen getroffen werden. Dies könnte im Endeffekt dazu ruhren, daß deIjenige, der in einem bestimmten Gebiet zu fischen beabsichtigt, die Unschädlichkeit seines Vorhabens beweisen muß.182 Da das Konzept des höchstmöglichen Dauerertrages seit der verstärkt auftretenden Überfischung nicht mehr ausschließlich gelten sollte,183 wurde in Anlage 11 FSA eine ganze Liste von Leitlinien fiir die Beachtung vorsorglicher Bezugswerte bei der Erhaltung und Bewirtschaftung der betroffenen Fischbestände festgesetzt. Dabei sollen zwei Arten von Bezugswerten herangezogen werden: Erhaltungs- oder Grenzwerte und Bewirtschaftungs- oder Zielwerte. 184 Gemäß Punkt 2 der Anlage geben die Grenzwerte an, wie intensiv ein Bestand befischt
177 S.o., Teil I. 178 Einzelheiten in Teil\. 179 Anderson, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly 1996, S. 469; Hayashi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coastal Management 1995, S. 56. 180 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL
1997, S. 13.
181 182 183 184
Vgl. oben, Teil\. Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 152.
Dazu vgl. oben, dritte Sitzung. Punkt 2 der Anlage.
116
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
werden kann, ohne die sicheren biologischen Grenzen zu überschreiten, innerhalb derer der höchstmögliche Dauerertrag möglich ist. Dieser Wert beinhaltet quasi die Obergrenze der biologisch erlaubten Fangmenge. Zielwerte sind vorgegebene Größen zur Verwirklichung von Bewirtschaftungszielen. Sie stellen eine wirtschaftliche Grenze dar und fordern damit nur die Berücksichtigung rein wirtschaftlicher Erfordernisse. Der Begriff des Vorsorgeprinzips im FSA geht in seiner Ausdrücklichkeit weiter als die entsprechenden Bestimmungen der SRK. Er läuft ihnen aber auch nicht entgegen, sondern hält sich durchaus im Rahmen möglicher Interpretationsweisen. Die Einfilhrung des Prinzips gibt den Fischerei betreibenden Nationen jedoch die Anregung, nicht wie bisher nur reaktiv tätig zu werden, wenn Überfischung bereits eingetreten ist. Dies erleichtert das Ergreifen präventiver Maßnahmen. 185 Auch dies kann aber noch als Konkretisierung der Schritte bezeichnet werden, die zum Erreichen des Ziels erforderlich sind, den größtmöglichen Dauerertrag zu sichern.
3. Vereinbarkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen Als drittes generelles Prinzip regelt Art. 7 FSA die Vereinbarkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen innerhalb von A WZs und angrenzenden Gebieten der Hohen See.
a) Wortlaut Nach Art. 7 Abs. 1 a) FSA bemühen sich die Staaten im Falle der gebietsübergreifenden Bestände, die filr die Erhaltung der Bestände in dem angrenzenden Hochseegebiet erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren. Art. 63 Abs. 2 der SRK enthält eine nahezu identische Formulierung wie Art. 7 Abs. 1 a) des Übereinkommens. Nach Art. 7 Abs. 1 b) FSA arbeiten die Staaten im Falle weit wandernder Arten zusammen, um deren Erhaltung zu gewährleisten und ihre optimale Nutzung in der gesamten Region sowohl innerhalb der A WZs als auch auf der Hohen See zu fördern. Dies entspricht dem Wortlaut des Art. 64 SRK. Nach dem Wortlaut des Art. 7 FSA sollen die nach der SRK garantierten souveränen Rechte unberührt bleiben. Allerdings ist in Art. 7 Abs. 2 des Abkommens etwas enthalten, das es in der SRK in dieser Form nicht gibt: Die
185 FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 27.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
117
Aussage, daß die Maßnahmen ftlr die Gebiete auf Hoher See und Gebiete unter staatlicher Hoheitsgewalt miteinander vereinbar sein müssen. Dabei sind folgende Faktoren zu berücksichtigen: a) die Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen ftlr beide Arten von Beständen, die ftlr die AWZs in Übereinstimmung mit Art. 61 SRK getroffen worden sind, b) bereits früher zwischen Küstenstaaten und Hochseefischereistaaten vereinbarte Maßnahmen, c) bereits früher im Rahmen von Fischereiorganisationen in Einklang mit der SRK vereinbarte Maßnahmen, d) die biologische Einheit und andere biologische Merkmale der Bestände sowie die Beziehungen zwischen der Bestandsverteilung, den Fischereien und geographische Besonderheiten der betreffenden Region, e) die Abhängigkeit bei der Staatengruppen von den betreffenden Beständen, sowie
t) die Folgen von Maßnahmen rur die lebenden Meeresschätze insgesamt. Gemäß Art. 7 Abs. 7 und 8 FSA sind sowohl Küstenstaaten als auch Hochseefischerei betreibende Staaten verpflichtet, sich gegenseitig über alle Maßnahmen der Fischerei nach den betroffenen Beständen zu infonnieren. Das alles bedeutet, daß die Fänge außerhalb der 200 Meilen-Zonen nicht länger erheblich von denen innerhalb dieser Zonen abweichen dürfen. 186 Damit besteht nun eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Außerdem enthält Art. 7· Abs. 4 FSA ein besonderes Druckmittel: Gelingt es nicht, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes eine Einigung zu erzielen, so kann jeder der beteiligten Staaten die Anwendung des verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus des Übereinkommens fordern. Nach Art. 7 Abs. 5 Fsa sollen bis zur endgültigen Einigung über passende Maßnahmen vorläufige Vereinbarungen praktischer Art getroffen werden. Gelingt auch hier keine Übereinstimmung, so kann jede Partei den Streitfall gemäß der in Teil VIII SRK beschriebenen Verfahren einem Gericht vorlegen, damit vorläufige Maßnahmen getroffen werden. 187 Hier können etwa solche vorläufige Maßnahmen angeordnet werden, die nach den gegebenen Umständen angemessen erscheiden, um die jeweiligen Rechte der Streitparteien zu sichern oder Schaden von den fraglichen Beständen abzuwenden (Art. 31 Abs. 2 FSA).188
van Dyke, The Straddling and Migratory Stocks Agreement and the Pacific, S. 3. 187 Mehr zum Streitbeilegungsmechanismus unten. 188 Dies gilt unbeschadet des Art. 290 SRK.
186
118
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Damit ist aus dem "Bemühen" der SRK eine durchsetzbare Verpflichtung zur Zusammenarbeit geworden, die sogar vorläufige Maßnahmen ennöglicht. Ein reines Bemühen dagegen beinhaltet noch keine Erfolgsverpflichtung. Insofern filhrt das Durchfilhrungsabkommen über den von der SRK gesteckten Rahmen hinaus. Es erscheint daher fraglich, ob das FSA noch als "Durchfilhrung" bezeichnet werden kann. Dabei ist allerdings zu beachten, daß der Wortlaut des Art 116 SRK bezüglich der Vereinbarkeit von Maßnahmen in den an die A WZs angrenzenden Zonen der Hohen See wie gezeigt gegensätzlichen Interpretationen zugänglich ist. 189
b) Historische Untersuchung Die Frage der Vereinbarkeit der Maßnahmen innerhalb wie außerhalb der 200 Meilen-Zonen war schon vor Konferenzbeginn immer wieder erörtert worden 190 und wurde zu einem der umstrittensten Punkte der gesamten Konferenz. 191 Während über das grundlegende Erfordernis der Vereinbarkeit Einigkeit herrschte, blieb umstritten, ob die Regeln filr die Hohe See dahingehend ausgelegt werden sollten, daß sie mit denen der A WZs übereinstimmen, oder ob die Regeln innerhalb der A WZs denen der Hohen See angepaßt werden sollten. 192 Küstenstaaten forderten während der Verhandlungen, ein eigenes überwiegendes Recht gegenüber Fernfischereiflotten derart einzubeziehen, daß im Falle eines Konfliktes die Interessen der Küstenstaaten die der Fernfischereiflotten verdrängen würden. 193 Dagegen argumentierten die Fernfischerei betreibenden Staaten, daß die SRK ein solches Recht nicht vorsähe. 194 In Art. 7 FSA spiegelt sich letztlich ein Komprorniß zwischen den Fronten wider. Eine eindeutige Aussage zugunsten der Interpretation, daß Art. 116 SRK den Küstenstaaten ein besonderes Recht einräume,195 läßt sich aus diesem Arti-
189 S.o., Teil I. 190 S.o., Teil I. 191 Gherari, L'Accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGOIP 1996, S. 374; hier wird allerdings davon gesprochen, daß die Küstenstaaten hiermit befriedigt sein müßten; nach Tahindro scheint erkennbar, daß die Interessen der Küstenstaaten schwerer wiegen, da nach Art. 7 Abs. 2 a die Wirksamkeit der einzelstaatlichen Maßnahmen nicht beeinträchtig werden soll, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 16. 192 Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 137. 193 Hayashi, The Role ofthe UN in Managing the World's Fisheries, S. 388.
194 Vgl. oben. 195 S.o., Teil I sowie dieser Teil; vgl. im Zusammenhang mit der Straddling Stocks Convention Gherari, L'Accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGOIP 1996, S. 374; van
C. Gegenüberstellung der Inhalte
119
kel nicht ableiten. Aus Abs. 2 d) ließe sich vielmehr gar das Gegenteil schließen. Danach soll auch der Umfang, in dem die Bestände innerhalb von AWZs vorkommen, berücksichtigt werden. Darauf könnte der Gedanke gestützt werden, daß bei Vorkommen, die nur selten innerhalb einer A WZ auftauchen, der Küstenstaat auch entsprechend wenig Mitspracherechte habe. 1% Gegen ein vorrangiges Recht der Küstenstaaten spricht auch ein Vergleich des endgültigen Vertragstextes mit früheren Versionen. Der im März 1994 verfaßte überarbeitete Verhandlungstext des Vorsitzenden 197 lautete nämlich noch anz anders: Im Falle der Nichteinigung von Küstenstaat und Fernfischereistaat sah Punkt 9 jenes Textes ftlr den Zeitraum des Verfahrens der Streitbeilegung vor, daß Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen des oder der jeweiligen Küstenstaaten zu beachten seien. Damit war fiir die Schwebezeit des Streites zunächst ein gewisser Vorteil filr die Küstenstaaten beabsichtigt. 198 Dies war bereits eine abgeschwächte Version der Forderungen der Gruppe von Küstenstaaten um Argentinien, Chile, Island, Kanada und Neuseeland. 199 Schon im Draft Agreement ist dieser Wortlaut aus der entsprechenden Vorschrift verschwunden. 2°O Daß selbst die Version des Verhandlungspapieres nicht übernommen wurde, spricht dafilr, daß sich die Ansicht der Küstenstaaten nicht hat durchsetzen können, daß ihnen ein überwiegendes Interesse an den Ressourcen im Anschluß an ihre A WZ zukommt. Statt dessen werden die beteiligten Parteien gezwungen, eine Vereinbarung zu treffen. Dies wirkt als eine dritte Interpretationsweise des Art. 116 SRK.
c) Sinn und Zweck Andererseits erscheint auch in bezug auf die Hochseefischerei jedes Bemühen zwecklos, das nicht auf einen gewissen Erfolg gerichtet ist. Wenn Küstenstaat und Fernfischerei betreibende Nationen lediglich verpflichtet sind, miteinander zu reden, ohne eine Einigung erzielen zu müssen, ist dem Ziel der SRK, Dyke sieht einen "tiIt" rur die Küstenstaaten, in: New Initiatives on Governance of High Seas Fisheries, Int. Journal ofMarine and Coastal Law 1995, S. 223. 1% Vgl. FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 29. 197 UN Doc. AlCONG. I 64/J3/Rev.I, Nr. 8. 198 Vgl. van Dyke, New Initiatives on Governance of High Seas Fisheries, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1995, S. 220 f.; Burke nennt dies einen "slight jurisdictional tilt in favor of coastal states", State Practice, New Ocean Uses and Ocean Gocernance under UNCLOS, in: Mensah (Hrsg.), Ocean Governance: Strategies and Approaches for the 21 st Century, S. 227. 199 Burke, State Practice ... in: Mensah (Hrsg.), Ocean Governance, S. 228. 200 UN Doc. AlCONF. I 64/22 Rev. I, Art. 4 Abs. 4-8.
120
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
der Sicherung des größtmöglichen Dauerertrags und dem Erhalt der Bestände effektiv gar nicht gedient. Eine Einigung muß erzielt werden. Insofern erscheint es angebracht, die Parteien zum Erzielen einer Einigung zu verpflichten. Sinn und Zweck dieser Vorschrift gebieten es daher, ergebnisorientiert diese Erweiterung der SRK noch als eine Bestimmung zu ihrer Durchfiihrung anzuerkennen.
4. Zusammenfassung
Durch das FSA werden die einzelnen Schritte festgelegt, die Küstenstaaten und Fernfischerei betreibende Staaten zu gehen haben, um das Ziel der Sicherung des größtmöglichen Dauerertrages zu erreichen. Allgemeine Grundsätze wie langfristige Sicherung und optimale Nutzung sowie Vorschriften des Meeresumweltschutzes im weiteren Sinne und die Anwendung des Vorsorgeprinzips (Art. 5 und 6 FSA) können problemlos als detailliertere Fortschreibung der in der SRK bereits angelegten Pflichten der Fischerei betreibenden Staaten bezeichnet werden. Bezüglich der Vereinbarkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen innerhalb von A WZs und dem angrenzenden Gebiet der Hohen See ist eine Erweiterung des Wortlauts der geltenden Bestimmungen eingetreten. Zwar wird keiner der bisher häufig vertretenen Interpretationsweisen betreffend besonderer küstenstaatlicher Rechte der Vorzug gegeben. Trotzdem verschafft das FSA den interessierten Staaten die Möglichkeit, kongruente Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen mit Hilfe des Streitbeilegungsmechanismus der SRK durchzusetzen. Aus einem bloßen Bemühen ist eine Verpflichtung geworden, zu einem positiven Ergebnis zu gelangen. Alle diese Vorschriften widersprechen aber dem Wortlaut der SRK nicht und halten sich damit im Rahmen möglicher Interpretationsweisen. Sie können damit als wirkliche DurchfUhrungsmechanismen bezeichnet werden.
III. Mechanismen internationaler Zusammenarbeit Der dritte Teil des Fish Stocks Agreements beschreibt die vorgesehenen Mechanismen internationaler Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit ist ein zentraler Punkt des Abkommens, denn die Bewirtschaftung der betroffenen Ressourcen ist sinnvoll nicht ohne ein gemeinsames Handeln der Gemeinschaft der interessierten Staaten möglich. 20t
20t
Gherari, L'Accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGDIP 1996, S. 377.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
121
Eine Pflicht zur Kooperation bestand seit Inkrafttreten der SRK, auch gewohnheitsrechtlich ist dieser Grundsatz anerkannt. 202 In Art. 118 SRK ist eine generelle Verpflichtung zur Zusammenarbeit bezüglich der Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen der Hohen See enthalten. Vorgesehen ist außerdem die Aufuahme von Verhandlungen zwischen Staaten, die in demselben Gebiet fischen, um die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Gegebenenfalls soll dies durch die Errichtung subregionaler oder regionaler Fischereiorganisationen (im weiteren RFO abgekürzt) geschehen. Speziell rur die gebietsübergreifenden Arten sieht Art. 63 Abs. 2 SRK das Bemühen von Küstenstaat und Hochseefischerei betreibenden Staaten vor, die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Bestände zu vereinbaren. Dies kann unmittelbar, d.h. bilateral, oder im Rahmen geeigneter RFO geschehen. In bezug auf weit wandernde Arten ist nach Art. 64 Abs. I SRK ebenfalls unmittelbare oder im Rahmen geeigneter internationaler Organisationen stattfindende Zusammenarbeit gefordert, um die Erhaltung dieser Arten zu gewährleisten und ihre optimale Nutzung in der gesamten Region sowohl innerhalb als auch außerhalb der A WZs zu tbrdern. Damit sind die Staaten verpflichtet, sich um Einigung über nötige Maßnahmen zu bemühen bzw. im Hinblick auf den Erhalt zusammenzuarbeiten. Eine Verpflichtung, Fischereiorganisationen zu grUnden bzw. ihnen beizutreten, besteht nur, soweit es um die weit wandernden Arten geht. Allerdings hat die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre zur Anerkennung der Tatsache geführt, daß effektive Bewirtschaftung und Erhalt der Hochseeressourcen nur auf subregionaler oder regionaler Ebene möglich ist. 203 Aus dieser Erkenntnis heraus wird die generelle Verpflichtung zur Zusammenarbeit durch das FSA weiter ausgedehnt und konkretisiert. Obwohl das FSA selbst globale Anwendbarkeit besitzt, liegt hier der Schwerpunkt der Zusammenarbeit auf Bildung neuer bzw. Stärkung bestehender regionaler oder subregionaler Organisationen und Maßnahmen. 204 Grundlegend wird auf zwei Funktionen der regionalen Fischereiorganisationen aufgebaut: Das Sammeln und Auswerten wissenschaftlicher Daten über die Bestände und deren biologische Umgebung einerseits sowie das Festlegen und Verteilen von Fangmengen andererseits. 205
S.o., Teil I. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 22 m. w. N. 204 Vgl. Art. 8 und 13; dazu: Mack, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal, Vol. 26, 1996, S. 326; Tahindro, Conservation and Management ofTransboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 22. 205 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 22 m. w. N. 202 203
122
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
1. Durchführung der Zusammenarbeit bei der Erhaltung und Bewirtschaftung
a) Kooperationsverpflichtung in regionalen Fischereiorganisationen (RFOs) aa) Überblick
Nach Art. 8 Abs. 1 FSA arbeiten Küstenstaaten und die auf Hoher See fischenden Staaten "in bezug auf gebiets übergreifende und weit wandernde Arten im Einklang mit dem Seerechtsübereinkommen entweder direkt oder über geeignete subregionale oder regionale Fischereiorganisationen oder Übereinkünfte unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der Unterregion oder Region mit dem Ziel zusammen, die Erhaltung und Bewirtschaftung solcher Bestände wirksam sicherzustellen". Abs. 3 geht noch einen Schritt weiter: die Staaten kommen ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit nach Abs. 1 nach, "indem sie Mitglied besagter Organisationen oder Teilnehmer an besagter Übereinkunft werden ... ", oder wenigstens die von diesen getroffenen Maßnahmen anwenden. Damit steht fest, daß der Verpflichtung zur Zusammenarbeit durch das Medium der Mitgliedschaft in einer RFO entsprochen wird. Insofern liegt eine Konkretisierung der bestehenden Pflicht zur Zusammenarbeit aus der SRK vor. In die Kooperationsverpflichtung wurden auch Nicht-Mitgliedstaaten einbezogen. Um zum Beispiel die Teilnahme möglichst aller Staaten zu garantieren, fordert Abs. 3 in Satz 2 weiter, daß die Mitgliedschaft in diesen RFO offen filr alle Staaten "mit echtem Interesse" sein soll. Die Beitrittsbedingungen dürfen die Teilnahme neuer Staaten nicht ausschließen und dürfen nicht so angewandt werden, daß sie einen Staat oder eine Gruppe von Staaten mit echtem Interesse diskriminieren. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, daß bereits bestehende regionale Organisationen aus diversen Gründen nicht alle Staaten, deren Fischer in der Region tätig sind, zu ihren Mitgliedern zählen. 206 So garantiert das FSA als erstes fischereirechtliches Instrument allen Staaten "mit echtem Interesse" den Zugang zu den Ressourcen. 207 Gegenstand von Streit wird aber hoher Wahrscheinlichkeit die Frage sein, wann denn ein "echtes" Interesse gegeben ist, denn dies ist ebensowenig definiert wie die Folgen des Fehlens eines echten Interesses. 2os Bislang kann das Vorliegen eines "echten Interesses" nur von der jeweils in Frage stehenden RFO geprüft werden. 209
206 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 20; außerdem s.o., Teil I, regionale Organisationen. 207 FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 30. 208 LucchinilVoelckel, Droit de la Mer 2/2, S. 683. 209 Orebech/SigurjonssonlMcDorman, Management, Enforcement and Dispute Settlement, Marine and Coastal Law 1998, S. 122.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
123
Durch die Offenheit der Fischereiorganisationen für alle Interessierten gemäß Art. 8 Abs. 3 FSA ist zunächst einmal dem Diskriminierungsverbot aus Art. 119 Absatz 3 SRK Rechnung getragen worden. Dieser stipuliert allerdings kein Diskriminierungsverbot gegenüber Staaten, sondern gegenüber einzelnen Fischern. Dies muß aber auch für die Fischer bestimmter Staaten gelten. Die juristisch entscheidende Aussage bezüglich der Nichtmitglieder regionaler oder subregionaler Organisationen enthält Art. 8 Abs. 4 FSA: "Nur diejenige Staaten, die Mitglied einer solchen Organisation oder Teilnehmer an einer solchen Übereinkunft sind oder sich bereit erklären, die durch solche Organisation oder Übereinkunft erlassenen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen anzuwenden, haben Zugang zu den Fischereiressourcen, rur die besagte Maßnahmen gelten." Damit werden solche Staaten von der Hochseefischerei in bestimmten Regionen ausgeschlossen, die nicht Mitglied solcher Organisationen sind oder sich nicht an deren Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen halten.
bb) Eingriffin das Prinzip der Freiheit der Hohen See Das Recht aller Staaten, daß seine Angehörigen auf der Hohen See Fischfang betreiben, ist dagegen in der SRK in Art. 116 noch ausdrücklich bestätigt. Art. 8 Abs. 4 FSA spricht unkooperativen Staaten diese traditionelle Freiheit der Fischerei auf der Hohen See für den Bereich bestehender RFOs ab. 2 \O Damit wird zum ersten Mal durch internationales Recht der Zugang zur Hochseefischerei begrenzt. 211 In der SRK wird die Fischereifreiheit zwar bereits unter einige Bedingungen gestellt. 212 Keinesfalls wird dieses Recht aber bestimmten Staatengruppen ganz abgesprochen. Dürfen in einer bestimmten Region nur Mitglieder der zuständigen RFO fischen, so bedeutet dies einen drastischen Einschnitt, wenn nicht gar die Verabschiedung vom Prinzip der Freiheit der Hohen See. 213 Mit Art. 8 Abs.4 greift das FSA damit in den Kern des traditionellen Prinzips der Freiheit der Fischerei ein. Dagegen könnte mit dem Gedanken argumentiert werden, bei dem FSA handele es sich nur um ein vertragliches Instrument. Nach geltendem Vertragsrecht seien nur die Vertragsparteien daran gebunden. Denen stünde es aber jederzeit frei, ihre verfllgbaren Freiheiten selbst zu beschränken. Genau dies ist allerdings das Problem, das durch das FSA gelöst werden sollte: Gerade dieje-
2\0
211 212 213
Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 155. Mack, Ca\. Western Int. Law Journal Vo\. 26, 1996, S. 326. S.o., Teil I. Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 155.
124
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
nigen Staaten sollen erfaßt werden, deren Angehörige sich nicht an die Maßnahmen der RFOs halten. Bei ihnen wird es sich in der Regel um Staaten handeln, die sogenannte Geflilligkeitsflaggen anbieten. Solche werden aber hauptsächlich von Staaten angeboten, die nicht Mitglied der SRK oder besonderer RFOs sind. Es geht also nicht darum, daß die Staaten sich selbst beschränken, sondern sie wollen die Fischereifreiheit rur alIe beschränken, insbesondere damit auch für Nichtvertragsstaaten.
(1) Nur Ausgestaltung bestehender Einschränkungen
Dabei läßt sich jedoch argumentieren, daß die Freiheit der Fischerei bereits durch diverse Prinzipien und Grundsätze eingeschränkt wird. 214 Die weitere Einschränkung der Freiheit durch das Erfordernis der Mitgliedschaft in einer RFO könnte daher auch als reine Qualifikation oder auch Deklaration215 der bereits bestehenden Einschränkungen verstanden werden. Es handelt sich dann nicht wirklich um eine dem derzeit anerkannten Seerecht fremde Vorschrift. Dann müßte allerdings rur alle Staaten gleichermaßen die Möglichkeit gegeben sein, die Mitgliedschaft in solchen RFOs und anteilige Fangquoten zu erreichen. Dies müßte dann die Struktur der jeweiligen RFO oder eine entsprechende Übereinkunft gewährleisten. Die Verpflichtung, in Organisationen zusammenzuarbeiten, kann dann als eine bloße Ausgestaltung der bereits bestehenden Einschränkungen anzusehen sein.
(2) Wandlung des Status des Rechtes Dies ist aber systematisch nicht haltbar. Die Freiheit der Fischerei beinhaltet ein Abwehrrecht aller Staaten gegen eine Beschränkung ihrer Fischerei auf der Hohen See durch andere Staaten. Mit der SRK wird dieses unmittelbar, rur jeden Staat sofort existentes Recht zu fischen kanalisiert. Durch Art. 8 Abs. 4 FSA dagegen beginnt das Recht zu fischen erst dann zu existieren, wenn eine Bedingung erftlllt ist, nämlich die Mitgliedschaft in einer RFO bzw. die Akzeptanz der Regeln dieser RFO. Ein Staat ist quasi erst dann mündig, die Freiheit der Fischerei auszuüben, wenn er den besonderen Status der Mitgliedschaft einer RFO erhalten hat. Er hat auch dann nur ein Recht zur Teilhabe an den Ressourcen des Regelungsgebietes. Es handelt sich damit nicht um eine Konkreti-
214 215
Dazu siehe die Ausfiihrungen in Teil I. Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 155.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
125
sierung einer bestehenden Pflicht, sondern dieser Pflicht wird eine ganz neue Qualität mit eigenen Rechtsfolgen gegeben. Im deutschen Recht wäre dieser Fall vergleichbar mit der Wandlung eines Abwehrrechtes (status negativus) in ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Die These lautet dann, daß die Freiheit der Fischerei in ihrer ursprünglichen Form ein Grundrecht ist, und zwar in Gestalt eines klassischen Abwehrrechts im Sinne eines status negativus. Es beinhaltet das Recht zur Fischerei, ohne durch irgendjemanden eingeschränkt zu werden. Die Ressourcen sind aber erschöpflich, daher kann dieses Recht nicht ftir alle uneingeschränkt bleiben. Sonst wären die Ressourcen irgend wann am Ende, und dann kann überhaupt keiner das Recht mehr ausüben. Durch das FSA wird dieser status negativus in ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gewandelt: Jeder hat in dem Falle das Recht zu fischen, wenn er bestimmte Bedingungen erftillt. Und auch dann hat er nur ein bloßes Teilhaberecht. Damit sind allerdings der Status des Rechtes und die Rechtsfolgen der Fischereifreiheit grundlegend geändert worden. Art. 8 Abs. 4 FSA geht damit über das hinaus, was noch als Durchftihrung bestehender Pflichten verstanden werden kann.
b) Aufforderung zur Gründung von RFOs Für Regionen, in denen es noch keine Fischereiorganisation gibt, fordert Art. 8 Abs. 5 FSA die betroffenen Küstenstaaten und Hochseefischerei betreibenden Staaten auf, solche Organisationen oder Übereinkünfte zu errichten. Diese sollen Erhaltung und Bewirtschaftung weit wandernder und gebietsübergreifender Arten sicherstellen. Die Staaten sind ferner aufgefordert, an der Arbeit dieser Organisationen teilzunehmen. Auch dies geht über den Wortlaut der SRK hinaus. Dort wird nur ftir weit wandernde Arten die Errichtung von Organisationen gefordert, Art. 64 SRK, nicht dagegen filr gebietsübergreifende Arten, Art. 63 Abs. 2 SRK. 216 Bereits in Art. 118 Satz 3 SRK ist allerdings festgehalten, daß zum Erhalt der lebenden Ressourcen der Hohen See gegebenenfalls solche Fischereiorganisationen gegründet werden. Dies beinhaltet auch die gebietsübergreifenden Arten. Ausgehend vom Prinzip der Freiheit der Hohen See und der einzelstaatlicher Souveränität kann aber kein Staat zum Beitritt zu einer solchen Organisation bzw. zur Befolgung ihrer Maßnahmen gezwungen werden. Durch Art. 8 Abs. 5 FSA allein ist dies auch nicht der Fall, sondern es wird nur die Gründung von neuen RFOs empfohlen, da diese erfahrungsgemäß am ehesten in der Lage sind, 216 Hayashi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coastal Management, 1995, S. 59.
126
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
effektive Maßnahmen tUr große Gebiete der See zu erlassen. Es ist weiterhin möglich, unterschiedlichste Organisations formen zu wählen, denn das FSA gibt keine feste Struktur flir die RFOs vor,217 selbst bloße - möglicherweise nur bilaterale - "Übereinkünfte" sind möglich. Die Aufforderung zur Gründung von RFOs bezüglich weit wandernder und gebietsübergreifender Fischarten hält sich damit durchaus in dem von der SRK vorgegebenen Rahmen.
c) Nichtmitglieder und Nichtteilnehmer Einen Versuch, das Problem der "Trittbrettfahrer" zu lösen, unternahmen die Verhandlungspartner mit dem Text des Art. 17 FSA. Um die Wirksamkeit der Einschränkung der Fischereifreiheit durch Art. 8 Abs. 3 und 4 zu gewährleisten und ein Unterlaufen unmöglich zu machen, sollen gemäß Art. 17 Abs. 1 FSA (Teil IV) Nichtmitglieder von regionalen Fischereiorganisationen oder Übereinkünften nicht von der Verpflichtung zur Zusammenarbeit nach Art. 63 Abs. 2 und 64 SRK befreit sein. Vielmehr darf gemäß Art. 17 Abs. 2 FSA ein Nichtmitgliedstaat Schiffen unter seiner Flagge nicht gestatten, die betroffenen Bestände zu befischen, tUr welche im Rahmen einschlägiger Organisationen oder Übereinkünfte Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen erlassen worden sind. 218 Gleichzeitig fordern gemäß Art. 17 Abs. 3 FSA die Mitglieder der Organisationen sonstige Rechtsträger zur uneingeschränkten Zusammenarbeit auf, damit die Maßnahmen im fraglichen Gebiet auf so viele Fangtätigkeiten wie möglich Anwendung finden. Noch einen Schritt weiter geht Art. 17 Abs. 4 FSA. Danach sollen nicht nur Informationen über Fischereifahrzeuge von Nichtmitgliedern im Regelungsgebiet der Organisation gesammelt werden, sondern auch mit der SRK bzw. dem allgemeinen Völkerrecht zu vereinbarende Maßnahmen ergriffen werden. Damit sollen die Mitgliedstaaten Schiffe von solchen Tätigkeiten abhalten, die die Wirksamkeit der Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen beeinträchtigen. 219 Dies könnte einen Eingriff in das Prinzip der Freiheit der Hohen See darstellen.
217 Vgl. Orebech/Sigurjonsson/McDorman, Management, Enforcement and Dispute Settlement, Marine and Coastal Law 1998, S. 121. 218 Hayashi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coastal Management 1995, S. 58 f. 219 Interessant ist dabei folgende Beobachtung: Sollen Drittstaaten sich an die von der RFO beschlossenen Maßnahmen halten, so muß das erst recht rur die Mitglieder der RFO gelten. Ein Opting Out, wie es bislang in zahlreichen Organisationen praktiziert wurde, kann dann nicht mehr gestattet werden. Dazu vgl. auch die Überlegung bei Davies/Redgwell, The International Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S.273.
c. Gegenüberstellung der Inhalte
127
aa) Wortlaut
Art. 17 FSA enthält damit umfassende Regelungen zum Verhalten von Nichtmitgliedern bzw. gibt den Mitgliedern Möglichkeiten an die Hand, Nichtmitglieder dazu zu bewegen, sich an die von ihnen erlassenen "Spielregeln" im Hochseefischfang zu halten. Absatz 1 verweist selbst zwar noch auf die Bestimmungen zur Zusammenarbeit gemäß der SRK. Dies läßt vermuten, daß auch Art. 17 nur auf die Festlegung bestimmter Interpretationsweisen des Begriffes "Zusammenarbeit" abzielt. In der SRK finden sich allerdings keinerlei Vorschriften, die Staaten verpflichten, sich an die Bestimmungen fremder RFOs zu halten. Dementsprechend herrschte in der Praxis auch das genaue Gegenteil: während der vergangenen Jahre hatten bei regionalen Fischereiorganisationen immer wieder Schiffe unter sogenannten GeflUligkeitsflaggen die getroffenen Regelungen unterlaufen und somit zu einem Großteil zu deren Paralysierung beigetragen. 22o Durch Art. 17 soll zukünftiges Ausflaggen und damit die "Trittbrettfahrerei" verhindert werden. Auch ist das Ergreifen von Durchsetzungsmaßnahmen gegenüber Fahrzeugen unter fremder Flagge als Eingriff in das Flaggenstaatsprinzip zu qualifizieren, welches Ausdruck der Souveränität unabhängiger und gleicher Staaten iSt. 221 Nach der SRK ist keinem anderen als dem Flaggenstaat gestattet, gegenüber Schiffen Maßnahmen zum Erhalt und zur Bewirtschaftung von Fischbeständen auf der Hohen See durchzusetzen. Eine Ausnahme gilt höchstens innerhalb der Gebiete unter eigener Jurisdiktion möglich. Der Wortlaut des Art. 17 FSA geht damit weit über das hinaus, was begrifflich unter "Durchführung" der Rahmenregelungen der SRK zu verstehen wäre.
bb) Systematik im FSA "in Einklang mit SRK und Völkerrecht"
Denkbar wäre, Art. 17 FSA deshalb als reine Durchführungsvorschrift zu beurteilen, weil nach Abs.4 die Maßnahmen nur in Übereinstimmung mit der SRK und dem allgemeinen Völkerrecht ergriffen werden dürfen. Das heißt, die Staaten dürfen nur tätig werden, solange sie sich an die bestehenden Regeln halten. Dies wiederum bedeutet, daß es doch schon Bestimmungen geben muß, die die Durchsetzung von Maßnahmen regeln. Denkbar wären etwa Anlandungsverbote oder Zutrittsverbote zum Hafen sowie förmliche Proteste beim Kapitän oder der Regierung des Flaggenstaates. Solche Maßnahmen sind zwar
220 221
S.o., Teil 1. Dieser Punkt wird im dritten Teil ausführlich erörtert.
128
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
unfreundlich, aber weder nach SRK noch nach allgemeinem Völkerrecht verboten. Diese Überlegung spricht dafllr, daß sich die Vertragsparteien mit Art. 17 FSA im rechtlichen Rahmen der SRK gehalten haben. Dagegen sind aber zwei Überlegungen anzufllhren. Erstens sind diese Maßnahmen gegenüber Dritten zwar nicht verboten. Es macht aber noch einen gewaltigen Unterschied, ob Maßnahmen lediglich nicht verboten sind, oder ob die Staaten geradezu zum Ergreifen solcher Maßnahmen aufgefordert werden. Durch das FSA werden die Mitgliedstaaten quasi zum Handeln gegenüber Drittstaaten und damit zum Eingriff in die staatliche Souveränität des Flaggenstaates verpflichtet. Aus einem Erlaubnissatz wurde folglich ein Gebot. Dies hat eine andere rechtliche Qualität und überschreitet damit tatsächlich den Rahmen einer Durchfllhrungsbestimmung. Die zweite Überlegung ist, daß es sich nach dem FSA nicht bloß um die Durchsetzung einzelstaatlicher Maßnahmen handelt. Vielmehr sollen die Mitglieder einer Organisation oder Übereinkunft konzertiert vorgehen, um deren Ziele gegenüber Außenstehenden durchzusetzen. Solche Organisationen oder Übereinkünfte haben aber eine andere Rechtspersönlichkeit als ein Staat, insofern wird es schwieriger sein, bestimmte Vorgehensweisen nach allgemeinen völkerrechtlichen Regeln zu begründen. Diese Überlegung kann also nicht dazu fllhren, Art. 17 FSA als reine Durchfllhrungsbestimmung zu bezeichnen.
ce) Systematik der SRK: Vergleich mit UmweltschutzvorschriJten
Ähnliche bis dahin innovative Ansätze finden sich bereits in Teil XII der SRK, der dem Schutz und der Bewahrung der Meeresumwelt gewidmet ist. So regelt etwa 217 SRK die Durchsetzungskompetenz bezüglich umweltrechtlicher Standards durch den Flaggenstaat, 218 SRK durch den Hafenstaat. Ähnlich wie Art. 19 und 23 FSA wird zunächst einerseits das Prinzip der Flaggenstaatsjurisdiktion bestätigt, andererseits in AusnahmeflUlen und unter bestimmten Bedingungen dem Küsten- bzw. Hafenstaat die Möglichkeit zur Durchsetzung der Vorschriften im Interesse der Gesamtheit der Staaten gegeben. Das System der Durchsetzung von Maßnahmen, wie es im FSA entwickelt wurde, läßt sich somit bereits in einem Teil der SRK finden. Dort geht es allerdings explizit nur um den Bereich des Umweltschutzes. Nun ließe sich argumentieren, daß Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen bezüglich der Hochseefischerei im Grunde auch Umweltschutzvorschriften sind. Es geht nämlich um den Schutz der Meeresfauna vor Überfischung oder gar Ausrottung einzelner Vorkommen. Allerdings beziehen sich die Vorschriften des Teils XII der SRK ausdrücklich
C. Gegenüberstellung der Inhalte
129
nur auf die Einleitung von Stoffen bzw. Meeresverschmutzung. Weiterhin läßt sich anfilgen, daß die Umweltschutzbestimmungen der SRK als "soft law" angesehen werden, während die Regeln bezüglich der Ressourcen der Meere im wesentlichen als "hard law" akzeptiert sind. 222 Eine Erweiterung der "weichen" Umweltschutzgrundsätze auf die "harten" Verteilungsgrundsätze von Ressourcen ist mit dem gegenwärtigen Völkerrecht kaum vereinbar. Insofern wäre auch die Ausdehnung dieser umweltrechtlichen Prinzipien aus Teil XII auf die Fischerei nicht zulässig. Nach alledem ist es mehr als zweifelhaft, die Aufforderung zu einem ganz bestimmten, zielgerichteten Verhalten von Mitgliedstaaten einer RFO gegenüber Nichtmitgliedern noch als reine "Durchfilhrungsbestimmung" zur Seerechtskonvention qualifizieren zu können. Diese Art der Interpretation geht über den Wortlaut der SRK hinaus.
d) Zusammenfassung Art. 8 Abs. 4 und Art. 17 FSA sind die Antwort auf Probleme, die bestehende Fischereiorganisationen mit der Taktik des Ausflaggens sowie mit "new entrants", neuen Anwärtern auf Fischereirechte, erfahren haben. 223 Sie gehen über den Wortlaut der entsprechenden Vorschriften der SRK hinaus. Vom völkerrechtlichen Standpunkt enthalten die beiden Artikel revolutionäre Gedanken. Wenn diese Vorschriften tatsächlich auf Drittstaaten anzuwenden sein sollen, so bedeutet dies im Grunde eine Bindung Dritter an einen Vertrag, an dessen Abschluß sie nicht beteiligt waren. Unter dem Gesichtspunkt einzelstaatlicher Souveränität beinhaltet diese Drittbindung eine unzulässige Einschränkung der Rechte eines Staates. 224 Die Frage der Möglichkeit einer allgemeinverbindlichen Regelung filr alle Staaten der internationalen Gemeinschaft soll daher aus dem Kontext der Vertragsanalyse herausgelöst und in einem dritten Teil gesondert behandelt werden. Was die praktische Umsetzung des FSA in den Fischereiorganisationen angeht, so wird mit erheblichen Schwierigkeiten zu rechnen sein. Es besteht zwar eine Verpflichtung zur Aufnahme interessierter Nationen, dies bedeutet aber noch nicht, daß diesen auch eine Quote im Zuständigkeitsgebiet zugeteilt werden kann und wird. Auch ist nicht geklärt, ob es innerhalb der RFOs möglich
222 Hewison, The Role of Environmental Nongovernmental Organizations in Ocean Governance, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 39. 223 Davies/Redgwell, The International Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 264 f. 224 Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 155. 9 Ziemer
130
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
sein darf, daß einzelne Mitglieder sich bestimmten (Mehrheits-)Beschlüssen widersetzen. 225 Diese praktische Seite der Folgen des Abkommens ist zwar ebenfalls hochinteressant, kann aber hier nicht weiter verfolgt werden.
2. Regionale Fischereiorganisationen
a) Regionale Übereinkünfte Die Art. 9 und 10 FSA enthalten grundlegende Richtlinien darüber, wie die RFO praktisch auszusehen haben und wie deren Arbeit gestaltet werden soll. Danach legen die Mitgliedstaaten solcher Organisationen oder Übereinkünfte unter anderem gemeinsame Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen fest, um die Fortdauer der Bestände sicherzustellen (Art. 10 a). Sie einigen sich auf Anteile und Aufteilung der zulässigen Fangmenge (b), holen wissenschaftliche Gutachten ein (d) und einigen sich auf eine friedliche Streitbeilegung (k). Auch ist im besonderen vorgesehen, daß allgemein empfohlene internationale Mindestnormen fiir eine verantwortungsvolle Fischereipraxis verabschiedet und beachten werden sollen (c). Dabei handelt es sich um Minimalstandards; den Staaten und jeweiligen Organisationen steht es frei, strengere Regelungen zu treffen. Dies war vor allem den Mitgliedstaaten der FF A und den Vereinigten Staaten von Amerika wichtig, die erfolgreiche Bemühungen in ihren Regionen nicht durch die Annahme des FSA unterlaufen sehen wollten. 226 Bei der Beschlußfassung und sonstigen Handlungen regionaler Organisationen ist gemäß Art. 12 FSA rur Transparenz zu sorgen. Dies ist vor allem zu gewährleisten, indem Vertreter zwischenstaatlicher und Nichtregierungsorganisationen an den Sitzungen teilnehmen dürfen. Dadurch soll die Information der Öffentlichkeit und damit die allgemeine Akzeptanz der Regelungsmaßnahmen verbessert werden. 227 Die Frage der Transparenz war während der Verhandlungen ein Schwerpunkt rur die teilnehmenden NGOS. 228 Sie war sehr kontrovers diskutiert worden, da die Teilnahme von NGOs bislang unterschiedlich und oft restriktiv gehandhabt worden war. 229 Art. 12 stellt insofern auch eine Innovation rur die bestehenden RFOs dar.
225 Zu dieser Frage vgl. z. B. Örebech/SigurjonssonlMcDorman, Management, Enforcement and Dispute Settlement, Ocean and Coastal Law 1998, S. 125 f. 226 de Fontaubert, Another Step in the Implementation of the Law of the Sea Convention, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 86. 227 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 28. 228 Earth Negotiations Bulletin Vol. 7, Nr. 54, S. 4. 229 Greenpeace Analysis, S. 6.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
131
Nach Art. 13 FSA ist die Stärkung bereits bestehender Organisationen vorgesehen. Damit wird berücksichtigt, daß in der Vergangenheit die Organisationen bereits mit unterschiedlichem Erfolg gearbeitet haben. 230 Nach Art. 14 ist die Sammlung und Weitergabe von Informationen vorgesehen, hierin drückt sich die Erkenntnis aus, daß nur aufgrund von genauen und übereinstimmenden Daten effektive Bewirtschaftungsmaßnahmen getroffen werden können. 231 Diese Vorschriften sind trotz innovativer Ansätze reine Durchfiihrungsvorschriften geltenden internationalen Seerechts. Sie erleichtern die Gründung neuer RFOs sowie die bereits aufgenommene Arbeit bestehender RFOs, indem sie ihnen einheitliche Richtlinien an die Hand geben und ihre Position international stärken.
b) Neue Mitglieder Ein wichtiges Problem im Rahmen der Zusammenarbeit durch Fischereiorganisationen ist die Aufnahme neuer Mitglieder in bereits bestehende Organisationen oder Übereinkünfte. Diese ist in Art. 11 FSA behandelt. Grundsätzlich haben gemäß Art. 116 SRK alle Staaten das Recht, auf der Hohen See Fischfang zu betreiben. Schwierig wird es allerdings dann, wenn die Ressourcen eines bestimmten Gebietes bereits vollständig ausgebeutet werden. Diesem Problem soll mit Art. 10 (i) FSA begegnet werden. Danach legen die Mitgliedstaaten von Fischereiorganisationen gemeinsam fest, auf welche Weise den Fischereiinteressen neuer Mitglieder oder Parteien entsprochen wird. Nach Art. 11 FSA müssen dabei wirtschaftliche und ökologische Faktoren berücksichtigt werden, wie sie in der SRK zum Beispiel bereits in den Art. 61 Abs. 3, 63 Abs. 3 und 119 enthalten sind. 232 Dies sind etwa der Zustand der Fischbestände und das aktuelle Ausmaß der Fischerei im Regelungsgebiet, die jeweiligen Fischereiinteressen und Praktiken der Mitglieder, die Beiträge zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Bestände, die Bedürfnisse von Küstengemeinden, Bedürfnisse von Küstenstaaten, deren Wirtschaft besonders stark von der Nutzung der lebenden Meeresschätze abhängt, sowie die Interessen von Entwicklungsstaaten der Region oder Unterregion. Ziel ist somit die Schaffung eines Gleichgewichtes zwischen der Freiheit der Fischerei einerseits und der Tatsache andererseits, daß einige Staaten in be-
S. o. Teil I. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, OOlL 1997, S. 29. 232 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 24. 230
23\
132
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
stimmten Gebieten bereits Erhaltungsmaßnahmen getroffen haben. Gleichzeitig soll der Tendenz zum "Trittbrettfahren" entgegengewirkt werden. Im Zusammenhang mit Art. 8 FSA ist diese Vorschrift unentbehrlich. Denn eine RFO kann nur dann von Nichtmitgliedern erwarten, sich an bestimmte Maßnahmen zu halten, wenn diesen Staaten auch prinzipiell die Möglichkeit gegeben wird, Mitglied zu werden und sich so an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Wie im einzelnen die Aufnahme neuer Mitglieder und insbesondere die Verteilung von Quoten innerhalb der jeweiligen Organisation oder Übereinkunft auszusehen hat, wird im FSA dagegen nicht präzisiert, diese Frage bleibt zwangsläufig den einzelnen Organisationen Uberlassen. Nach Art. 119 Abs. 3 SRK ist lediglich sicherzustellen, daß durch Erhaltungsmaßnahmen auf der Hohen See die Fischer irgendeines Staates nicht diskriminiert werden. Auch diese Vorschriften halten sich damit im vorgegebenen Rahmen der SRK. In der Praxis wird allerdings gerade die Aufnahme neuer Mitglieder in eine bestehende RFO vermutlich zu ganz erheblichen Schwierigkeiten filhren. Äußerst problematisch ist die Frage, wie neue Mitglieder aufgenommen werden können, wenn die Quoten filr den gesamten möglichen Fang bereits unter den alten Mitgliedern aufgeteilt sind. Denkbar sind nur zwei Lösungen: entweder ein Erhöhen der Gesamtfangmenge - was gerade vermieden werden sollte - oder eine anteilige Verringerung der einzelnen Quoten - der die alten Mitglieder kaum zustimmen werden.
3. Umschlossene und halbumschlossene Meere
a) Darstellung von Art. 15 und 16 Während der Verhandlungen legten einige KUstenstaaten besonderen Wert darauf, die Möglichkeit zur Kontrolle von umschlossenen bzw. halbumschlossenen Meeren zu schaffen. Dabei geht es um Gebiete besonderen Interesses filr diese KUstenstaaten. Dies ist gegeben, wenn grundsätzlich souveräne Rechte Uber das gesamte Meer bestehen, ein kleines Gebiet davon jedoch ausgenommen ist, das zur Hohen See gerechnet wird. 233 Insbesondere hatten die Vertreter der Russischen Föderation die dramatische Situation in der See von Ochotsk im Blickfeld, in der ein Gebiet der Hohen See ausschließlich von der russischen AWZ umgeben ist. 234
233
SRK.
Macle, Ca\. Western Int. Law Journal 1996, S. 327 f.; Legaldefinition in Art. 122
234 de Fontaubert, the Politics ofNegotiation; Ocean and Coastal Management 1995, S. 85; Barston, United Nations conference on straddling and highly migratory fish stocks, Marine Policy 1995, S. \6\ f. m. w. N.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
133
Während der fllnften Sitzung der Konferenz über weit wandernde und gebietsübergreifende Fischarten war die Frage der umschlossenen und halbumschlossenen Meere heiß umstritten. 23S Hier schlug die Delegation der Russischen Föderation vor, in einem entsprechenden Artikel bezüglich der umschlossenen und halbumschlossenen Meere mit aufzunehmen, daß nicht nur die natürlichen Merkmale dieser Meere berücksichtigt werden sollten, sondern auch die Rechte und Interessen der Küstenstaaten. 236 Bezüglich "normaler" halb oder ganz umschlossener Meere, d.h. bezüglich solcher Meere, an die mehrere verschiedene Küstenstaaten angrenzen, wurde dieser Vorschlag in Art. 15 FSA nicht in dieser Form aufgenommen. Nach dem endgültigen Wortlaut dieses Artikels tragen die Staaten den "natürlichen Merkmalen dieses Meeres Rechnung" und handeln ansonsten im Einklang mit Art. 122 und 123 sowie den sonstigen einschlägigen Vorschriften der SRK. Was allerdings die gänzlich von einem Gebiet unter der Hoheitsgewalt eines einzigen Staates umgebenen Teile der Hohen See angeht, so arbeiten gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz I FSA die Fischfang betreibenden Staaten mit dem Küstenstaat zusammen. Gemäß Satz 3 haben Erhaltungsmaßnahmen hier den besonderen Rechten, Pflichten und Interessen des Küstenstaates in Übereinstimmung mit Art. 61 SRK Rechnung zu tragen. Nach Art. 16 Absatz 2 FSA können bei fehlender Einigung über Maßnahmen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes vorläufige Vereinbarungen oder Maßnahmen getroffen werden.
b) Vergleich mit der SRK In Art. 123 SRK ist lediglich vorgesehen, daß die Anliegerstaaten solcher Meere zusammenarbeiten und ihre Bewirtschaftungsmaßnahmen koordinieren sollen. Andere Staaten oder Organisationen sollten gegebenenfalls aufgefordert werden, ebenfalls mit ihnen zusammenzuarbeiten. Damit erkennt bereits Art. 123 SRK ein besonderes Interesse der Küstenstaaten an den Vorkommen dieser Meere an. Besondere Rechte bezüglich der Teile, die als Hohe See gelten, werden in Art. 123 SRK - auch in Verbindung mit Art. 116 lit.b SRK - abgesehen von dieser Kooperationsverpflichtung dagegen nicht postuliert. 237 Hauptzweck des Art. 123 SRK ist die Betonung der besonderen Bedeutung der Beachtung der an anderen Stellen der SRK festgelegten Rechte und Pflichten gerade in diesen Gebieten. 238
Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 54, S. 5. UN Doc. NCONF.I64/L.47 und 48. 237 Miouski, Central Bering Sea Overfishing, San Diego Law Review 1989, S. 558, m.w.N; Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 30 f. 235
236
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Die Betrachtung des Art. 16 FSA im Licht der SRK filhrt zu zwei Bemerkungen: Mit der Kreation der umschlossenen und halbumschlossenen Meere wird ein Gebilde in das Vertragswerk eingefilhrt, das es in der SRK noch nicht gegeben hat. Insoweit liegt erneut eine Ausdehnung der Vorschriften der Konvention vor. Zweitens spricht die neu geschaffene Möglichkeit, vorläufige Maßnahmen zu treffen, für diejenige Interpretation, nach der den Interessen des Küstenstaates in diesem Gebiet der Vorrang gegenüber der Fischereifreiheit auf der Hohen See eingeräumt wird. 239 Die rechtliche Tragweite dieser Vorschrift ist allerdings begrenzt, da unter die Definition des "gänzlich von einem Gebiet unter der Hoheitsgewalt eines einzigen Staates umgebenen Teiles der Hohen See" als einziges auf der Welt das sog. "Peanut Hole" der See von Ochotsk flUIt. Diesbezüglich wird der Russischen Föderation zwar eine Vorrangstellung eingeräumt. Daß dies jedoch ein auf andere Meere übertragbares Konzept darstellt und damit einen Trend zur Ausdehnung küstenstaatIicher Hoheitsgewalt unterstützt, ist eher unwahrscheinlich. 240 Dieses Konzept kann daher im Rahmen der weiteren Untersuchung vernachlässigt werden. Damit ist auch hier festzustellen, daß es sich bei Art. 15 und 16 FSA tatsächlich um DurchfUhrungsregeln der SRK handelt.
IV. Internationale Kooperation bei Überwachung und Durchsetzung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen Besondere Vorschriften bezüglich Beobachtung, Kontrolle, Überwachung oder gar Mechanismen zur Durchsetzung von Maßnahmen zur Regelung der Hochseefischerei gibt es in der SRK nicht. Vielmehr gilt hier - ausgehend vom Prinzip der Freiheit der Meere und der einzelstaatIichen Souveränität - das Flaggenstaatsprinzip.241 Nach Art. 92 SRK unterstehen Schiffe auf der Hohen See der ausschließlichen Hoheitsgewalt ihres jeweiligen Flaggenstaates. Ausnahmen dazu werden nur nach den in Art. 110 SRK besonders und ausschließlich geregelten Fällen, im Rahmen der Nacheile durch den Küstenstaat nach Art. 111 SRK bzw. durch besondere internationale Verträge zugelassen. Diesem Grundsatz folgt auch Art. 117 SRK, der ausdrücklich festlegt, daß jeder Staat in
238 Miouski, Central Bering Sea Overfishing, San Diego Law Review 1989, S. 562. 239 Vgl. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 31. 240 Vgl. Mack, Cal. Western Int. Law Journal 1996, S. 328, FN 120; Tahindro, Conservation and Management ofTransboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 32. 241 Dazu ausführlich König, Durchsetzung, S. 65 tT.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
135
bezug auf seine Angehörigen verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See zu ergreifen. Damit sind die Regelungen der SRK sehr rahmenhaft geblieben.
J. Pflichten des Flaggenstaates
In Übereinstimmung mit dem Flaggenstaatsprinzip legt Art. 18 FSA fest, daß die Staaten alle erforderlichen Vorkehrungen treffen um sicherzustellen, daß Schiffe ihrer Flagge die regionalen und subregionalen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen einhalten. 242 Im Zusammenhang mit Art. 8 FSA wird damit die Regel aufgestellt, daß nur diejenigen Schiffe in einer bestimmten Region fischen sollen, die sich an die jeweiligen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen halten. 243 Gleichzeitig wird aber grundsätzlich das gewohnheitsrechtIich geltende Prinzip der Flaggenstaatsjurisdiktion bestätigt.244 Art. 18 enthält weiterhin detaillierte Bestimmungen darüber, welche Maßnahmen jeder Staat gegenüber Schiffen zu treffen hat, die unter seiner Flagge fahren. Ziel dieser Maßnahmen ist es zu verhindern, daß Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen von RFOs durch diese Schiffe unterlaufen werden. 245 In Art. 18 werden damit die bereits in Art. 217 SRK enthaltenen Pflichten des Flaggenstaates detailliert beschrieben und Einzelheiten festgelegt. 246 Dazu gehört unter anderem das Erlassen von Vorschriften über Lizensierung und Kontrolle der Fahrzeuge, Erstellung eines nationalen Registers der zum Hochseefischfang berechtigten Fahrzeuge, deren Kennzeichnung und Meldung der Schiffsposition sowie Überwachung der Fänge und Fangmengen, schließlich das Erlassen von Auflagen rur die Fangtätigkeit, um sicherzustellen, daß subregionale, regionale und globale Maßnahmen eingehalten werden. Nach Abs. 2 darf nur dann der Einsatz von Schiffen zum Fischfang auf Hoher See genehmigt werden, wenn der Staat in der Lage ist, diesen Schiffen gegenüber seinen Verpflichtungen aus der SRK und diesem Übereinkommen wirksam nachzukommen.
242 Diese Vorschrift stimmt weitestgehend mit Art. III Abs. 1a des FAO Compliance Agreement überein. 243 Ba/ton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 138. 244 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 34; Hayashi, Significance for the Law ofthe Sea Convention; Ocean and Coastal Management 1995, S. 61. 245 Anderson, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly, 1996, S. 471; Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 157. 246 Hayaschi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coasta1 Management, 1995, S. 60.
136
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Damit wird dem Grundprinzip der Flaggenstaatsjurisdiktion insoweit Gehalt gegeben, als daß die einzelnen Pflichten der Staaten genau beschrieben werden. Damit wird verdeutlicht, wie diese Jurisdiktion im einzelnen auszusehen hat. Daß sie effektiv zu sein hat, widerspricht den Grundsätzen der SRK nicht im geringsten, sondern dient vielmehr deren Zielen. Auch hierbei handelt es sich folglich um eine Konkretisierung bestehender Pflichten.
2. Befolgung und Durchsetzung durch den Flaggenstaat
Nach Art. 19 FSA tragen die Flaggenstaaten dafilr Sorge, daß ihre Schiffe die subregionalen und regionalen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen einhalten. Zu diesem Zweck besteht fiir den Flaggenstaat die Verpflichtung zur Durchsetzung unabhängig vom Ort des Verstoßes gegen Maßnahmen (Abs. I a), zur Untersuchung jedes mutmaßlichen Verstoßes (b), die Pflicht, von jedem Schiff unter seiner Flagge Angaben über Position, Fang und Geräte zu fordern (c), mutmaßliche Verstöße an die Behörden weiterzuleiten (d) sowie durchzusetzen, daß ein Schiff, das gegen Maßnahmen verstoßen hat, erst wieder zum Fang zugelassen wird, wenn alle zur Ahndung des Verstoßes verhängten Strafen erftlilt sind. Darüber hinaus sind nach Abs. 2 die Strafen so hoch festzulegen, daß sie abschreckend wirken. Art 19 FSA ist damit in bezug auf die Fischerei erheblich detaillierter als die entsprechenden Regelungen des Art. 94 SRK. Der Grundsatz des Flaggenstaatsprinzips wird bestätigt, aber auch bestärkt, denn die Verantwortung des Flaggenstaates fiir Schiffe unter seiner Flagge wird um einiges ausgedehnt. 247 Ähnlich detaillierte Vorschriften bezüglich der Durchsetzung von Umweltstandards durch die Flaggenstaaten enthält bereits Art. 217 SRK.248 Der in Art. 19 enthaltene Satz neuer, wiederum weitergehender Vorschriften wird es in vielen Staaten erforderlich machen, neue Gesetze zu erlassen. 249 Dies geschieht ebenso wie bei Art. 18 eindeutig in Durchfilhrung der bereits bestehenden Bestimmungen derSRK.
247
Mack, Cal. Western, Int. Law Journal 1996, S. 329.
248 Ausfilhrlicher Kommentar bei Nordquist, A Commentary, Teil IV, S. 240 ff. 249 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 34.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
137
3. Durchsetzung durch andere als den Flaggenstaat
a) Überblick über die Vorgeschichte Während die Verhandlungen zu den Pflichten des Flaggenstaates relativ problemlos verliefen, war eine andere Frage während der Sitzungen der Konferenz sowie bei Treffen zwischen den offiziellen Sitzungen sehr kontrovers: es ging um das Problem, daß einige Staaten - hauptsächlich sogenannte Geflilligkeitsflaggenstaaten - ihre Verantwortung gegenüber solchen Schiffen einfach nicht ausüben können oder wollen, die unter ihrer Flagge fahren. 25o Allein mit dem Recht der Nacheile aus Art. 111 SRK ließ sich die Schwierigkeit erwiesenermaßen nicht lösen. 251 Durchsetzungsmechanismen durch andere als den Flaggenstaat sollten damit den "flags of convenience" den Wind aus den Segeln nehmen. Dementsprechend war auch der Art. 21 FSA einer der umstrittensten Artikel, eine Einigung über den endgültigen Text wurde erst während der letzten Sitzung der Konferenz erzielt. Dabei standen vor allem drei Fragen im Mittelpunkt der Diskussion: a) unter welchen Umständen kann ein anderer als der Flaggenstaat Maßnahmen zur Durchsetzung gegenüber einem Schiff auf der Hohen See ergreifen, b) welche Arten von Maßnahmen dürfen getroffen werden und c) wie können Flaggenstaaten und deren Schiffe gegen Rechtsmißbrauch geschützt werden? Während Küstenstaaten die Rechte von Drittstaaten möglichst weitgehend gestalten wollten, argumentierten Fernfischereinationen, daß andere Durchsetzungsmaßnahmen als durch den Flaggenstaat getroffene gegen die SRK verstößen. 252 Nach dem Flaggenstaatsprinzip stehen Schiffe auf der Hohen See unter der ausschließlichen Jurisdiktion ihres Flaggenstaates und dürfen daher auch nur von dessen Behörden betreten und untersucht werden, auch nur dessen Behörden können Maßnahmen durchsetzen. 253 Kommt dieser Staat aber seinen Pflichten nicht nach, laufen von RFO getroffene Maßnahmen leer - zum Nachteil derjenigen Staaten, die sich an die Abmachungen halten. Die Art. 18 bis 23 FSA stellen einen Kompromiß zwischen diesen Positionen dar, indem einerseits der Grundsatz der Flaggenstaatsjurisdiktion in Art. 18 und 250 Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 140; Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 158. 251 Genauer zum Recht der Nacheile z. B. Tahindro, Conservation and Management ofTransboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 38 f. 252 Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 140 f. 253 Hayashi, Significance for the Law of the Sea, Ocean and Coastal Management 1995, S. 61.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
19 verstärkt wird. Andererseits legen die Art. 20 bis 23 detailliert fest, unter welchen Umständen ein anderer als der Flaggenstaat doch Maßnahmen durchsetzen kann. Maßnahmen gegenüber Schiffen, die nicht die eigene Flagge fUhren, galten bislang im internationalen Recht als Ausnahme. 254
b) Voraussetzungen rur ein Einschreiten des Nicht-Flaggenstaates Art. 20 und 21 FSA liefern einen Rahmen fiir die gemeinsame Durchsetzung von subregionalen und regionalen Maßnahmen auf globaler sowie regionaler und subregionaler Ebene. Nach der generellen Regelung des Art. 20 Abs. 1 arbeiten Flaggenstaat und andere Staaten direkt oder durch RFOs zusammen, um die Einhaltung und Durchsetzung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsvorschriften rur die betroffenen Fischbestände sicherzustellen. Diese Zusammenarbeit beinhaltet zum Beispiel das Gewähren von Unterstützung bei der Untersuchung mutmaßlicher Verstöße oder der Identifizierung von Schiffen, die im Verdacht stehen, gegen Maßnahmen verstoßen zu haben. Ebenfalls gehören dazu die Weitergabe der Ermittlungsergebnisse an alle interessierten Staaten, das gemeinsame Vorgehen von Mitgliedern einer RFO sowie die Möglichkeit, daß ein Flaggenstaat einem Küstenstaat gestattet, eines seiner Schiffe zu betreten und zu untersuchen. Kommen die Flaggenstaaten aus irgendweIchen Gründen der Verpflichtung aus Art. 20 nicht nach, greift im Falle des Verdachtes eines Verstoßes ergänzend der Mechanismus des Art. 21 ein. Er gestattet jedem Mitgliedstaat des Übereinkommens, das gleichzeitig Mitglied einer RFO ist, in dem Gebiet der Zuständigkeit dieser RFO das Recht an Bord zu gehen und das Schiff eines anderen Mitgliedstaates zu untersuchen, unabhängig davon, ob dieser Mitgliedstaat auch Mitglied der betroffenen RFO ist. 255 Einzige Voraussetzung, gemäß des Verfahrens des Art. 21 bei einem Schiff fremder Flagge im Falle eines Verdachtes an Bord zu gehen ist, damit die Tatsache, daß beide Parteien Mitglieder des globalen Fish Stocks Agreements sind. 256 Art. 21 beantwortet damit die Frage nach den Umständen, unter denen ein Eingreifen eines Drittstaates möglich ist. Diese Vorschrift schafft mit ihrem innovativen Verfahren eine sehr weitgehende Ausnahme vom Flaggenstaatsprinzip, die es in dieser Form im geltenden Seerecht nicht gegeben hat. 257 Hier wird
Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 158. Hervorhebung durch Verfasserin. 256 Hayashi, Significance for the Law of the Sea, Ocean and Coastal Management 1995, S. 61. 257 Vgl. Gherari, L'accord du 4 aout 1995, RGDIP, 1996, S. 384. 254
255
C. Gegenüberstellung der Inhalte
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erneut eine Antwort auf das Problem des Ausflaggens bzw. der Behandlung von Nichtmitgliedern der Fischereiorganisationen gegeben. 258 Das Recht der Nacheile aus Art. III SRK wird dadurch nicht berührt.
c) Verfahren bei der Durchsetzung: Mögliche Maßnahmen Für die Durchsetzung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durch andere als den Flaggenstaat sind in Art. 20 bis 23 FSA grundlegende Verfahrensregeln enthalten.
aa) Darstellung allgemeiner Vorschriften
Die Verfahren ftlr Anbordgehen und Kontrolle im speziellen sollen gemäß Art. 21 Abs. 2 FSA von den jeweiligen RFO festgelegt werden. Dabei ist dafür zu sorgen, daß Nichtmitglieder der RFO und Nichtteilnehmer an der Übereinkunft nicht diskriminiert werden, Satz 2. Legen die RFOs binnen zwei Jahren nach Annahme des Übereinkommens keine eigenen Verfahren fest, so erfolgen Anbordgehen und Kontrolle nach den Bestimmungen der Art. 21 und 22, Abs. 3. Abs.4 regelt die Einsetzung der Inspektoren und Notifizierung der zuständigen Behörde. Zusammenfassend lassen sich vier formelle Voraussetzungen ftlr das Anbordkommen auflisten: I. Es handelt sich um ordnungsgemäß ausgewiesene Inspektoren des kontrollierenden Staates (Art. 21 Abs. I). 2. Im Rahmen subregionaler oder regionaler RFOs wurde das Verfahren rur Anbordkommen und Kontrollen festgelegt und ordentlich bekanntgemacht (Art. 21 Abs. 2 und 3). 3. Der Kontrollstaat hat zuvor allen auf Hoher See Fischfang betreibenden Staaten bekanntgegeben, wie die Inspektoren sich auszuweisen haben (Art. 21 Abs.4). 4. Der Flaggenstaat wird von der Kontrolle unterrichtet (Art. 22 Abs. 1 b).259 Gibt es nach der Kontrolle an Bord eindeutige Gründe für die Annahme, daß das Schiff gegen die Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen verstoßen hat, so sichert der Kontrollstaat ggf. die Beweismittel und benachrichtigt den
258 Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 270. 259 Vgl. ÖrebechiSigurjonssonlMcDorman, Marine and Coastal Law 1998, S. 131.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Flaggenstaat unverzüglich von dem mutmaßlichen Verstoß.260 Auf diese Benachrichtigung hat der Flaggenstaat innerhalb von drei Arbeitstagen zu reagieren, indem er entweder seinen Pflichten aus Art. 19 nachkommt oder den Kontrollstaat selbst ermächtigt, die Ermittlungen zu filhren. 261 Mit dieser Vorschrift soll vermieden werden, daß der Flaggenstaat durch seine Untätigkeit das Verfahren paralysiert. 262 Im Falle einer Ermächtigung des Kontrollstaates hat dieser die Ermittlungsergebnisse unverzüglich mitzuteilen, woraufhin der Flaggenstaat verpflichtet ist, die nach Art. 19 vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Art. 21 FSA geht noch weiter, indem der genaue dann einzuschlagende Verfahrensweg festgelegt wird. Kommt der Flaggenstaat dieser Pflicht nicht nach, obwohl berechtigter Grund zur Annahme eines Verstoßes besteht, können die Inspektoren nötigenfalls das Anlaufen des nächsten geeigneten Hafens fordem. 263
bb) Einzelfälle der Durchsetzung
Die Art und Weise der Durchsetzung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen variiert hinsichtlich des Ortes, an dem mutmaßlicheVerstöße begangen wurden.
(I) Unbefugter Fischfang in Gebieten unter nationaler Hoheitsgewalt (a) Überblick Art. 20 Abs. 6 FSA gibt dem Küstenstaat ein besonderes Recht der Nacheile. Besteht berechtigter Grund zur Annahme, daß ein Schiff innerhalb des Gebietes unter Hoheitsgewalt eines Küstenstaates unbefugt Fischfang betrieben hat, so hat nach der ergänzenden Vorschrift des neuen Übereinkommens der Flaggenstaat auf Antrag des Küstenstaates auch dann unverzüglich Untersuchungen einzuleiten, wenn sich das betreffende Schiff bereits wieder auf der Hohen See befindet. Durch Art. 20 Abs. 6 FSA wird dem Küstenstaat damit die Möglichkeit eröffnet, auch dann noch tätig zu werden, wenn das fremde Schiff die eigenen Gewässer bereits verlassen hat. In diesem Fall hat der Flaggenstaat bei der Untersuchung des Vorfalles mit dem Küstenstaat zusammenzuarbeiten und kann diesem gestatten, an Bord zu gehen, um das Schiff zu kontrollieren. Mitglied-
260 Art. 21 Abs. 5. 261 Art. 21 Abs.6. 262
Gherari, L'accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGDIP, 1996, S. 384.
263 Art. 21 Abs. 8.
c. Gegenüberstellung der Inhalte
141
schaft innerhalb einer regionalen oder subregionalen Organisation ist für diese Ausprägung des Rechtes der Nacheile nicht erforderlich. (b) Vergleich mit der SRK In der SRK ist in Art. lII ein Recht der Nacheile filr den Küstenstaat bereits vorgesehen. Dieser Artikel ist bereits eine Ausnahme zum generell gültigen Flaggenstaatsprinzip und als solche an enge Voraussetzungen gebunden. Es besteht dann, wenn der Küstenstaat guten Grund zu der Annahme hat, daß das Schiff gegen seine Gesetze und sonstigen Vorschriften verstoßen hat. Fraglich ist, ob die Anwendung des Rechtes der Nacheile auf Fischereifragen über Art. III SRK hinausgeht. Nach diesem ist Voraussetzung filr die Nacheile ein Verstoß gegen ein Gesetz oder eine sonstige Vorschrift. Art. 20 Abs. 6 FSA spricht von "unbefugtem" Fischfang. Das bedeutet, daß gegen Fischereivorschriften verstoßen worden sein muß. Solche sind als "sonstige Vorschriften" zu werten, und zwar auch dann, wenn es sich um Vorschriften einer Organisation handelt, in der der Küstenstaat Mitglied ist. Denn der Küstenstaat ist zur Einhaltung und Durchsetzung dieser Vorschriften verpflichtet. Insofern ist die Anwendung auf Fischereivorschriften durchaus unter den Art. III SRK zu subsumieren. Das Recht aus Art. 111 SRK ist aber zeitlich eng begrenzt, indem die Nacheile begonnen werden muß, solange sich das fremde Schiff noch innerhalb eines Gebietes unter Hoheitsgewalt befindet, Abs. I Satz 2 und Abs. 2. Nach Art. 20 Abs. 6 FSA kann aber auch erst dann mit den Maßnahmen begonnen werden, wenn das Schiff bereits wieder auf der Hohen See ist. Andererseits erfordert dies auch die Zusammenarbeit mit dem Flaggenstaat. Daher kann diese Vorschrift als Auslegung der allgemeinen Verpflichtung zur Zusammenarbeit angesehen werden. Damit ist auch diese Vorschrift, die auf den ersten Blick wie eine Neuerung aussieht, ohne weiteres als Durchführung der entsprechenden Regeln der SRK zu bezeichnen.
(2) Durchsetzung innerhalb eines Gebietes nationaler Hoheitsgewalt bei unbefugtem Fischfang auf Hoher See Eine "umgedrehte" Vorschrift zu Art. 20 Abs. 6 enthält Art. 21 Abs. 14 FSA. Diese regelt den Fall, daß ein Schiff unter der Flagge eines anderen Vertragsstaates auf der Hohen See Fischfang betrieben und dabei mutmaßlicherweise gegen einschlägige Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen einer regionalen oder subregionalen Fischereiorganisation oder -übereinkunft in deren Zuständigkeitsgebiet verstoßen hat. In diesem Fall dürfen Beamte eines Küstenstaates, in dessen Fischereizone oder Hoheitsgebiet das Schiff anschließend auf derselben Reise hineinfährt, dort an Bord kommen und das Schiff kontrollieren,
142
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
wenn der Küstenstaat sowohl Vertragsstaat als auch Mitglied dieser Organisation oder Übereinkunft ist. Diese Regelung widerspricht auf dem ersten Blick dem Recht zur friedlichen Durchfahrt bzw. der Freiheit der Schiffahrt nach Art. 17 und 58 SRK, die nur in eng eingegrenzten Fällen beschränkt werden können. 264 Andererseits wird in Art. 21 Abs. 14 im Gegensatz zu Art. 20 Abs. 6 FSA deutlich gemacht, daß diese Regeln nur anwendbar sind, wenn beide Staaten Parteien des Abkommens sind. Der Flaggenstaat hat sich damit im Vorwege mit solchen Kontrollen einverstanden erklärt. Eine derartige vertragliche Selbstbeschränkung ist mit internationalem Recht vereinbar.
(3) Unbefugter Fischfang durch Staatenlose aufHoher See Eine besondere Regelung enthält Art. 21 Abs. 17 FSA, wonach Beamte eines Staates an Bord eines Schiffes gehen und dieses kontrollieren dürfen, wenn es berechtigte Gründe zu der Annahme gibt, daß ein Fischereifahrzeug keine Staatszugehörigkeit besitzt. Bei ausreichenden Beweisen dürfen im Einklang mit dem Völkerrecht angemessene Maßnahmen ergriffen werden. In der Seerechtskonvention darf ein Kriegsschiff nach Art. 110 Abs. I d) SRK ein staatenloses Schiff anhalten. Die Annahme, daß allein die Tatsache, daß das Schiff keine Staatszugehörigkeit besitzt, als solche schon eine Verletzung der Konvention sein könnte, ist weder im internationalen Gewohnheitsrecht noch im Vertragsrecht begTÜndet. 265 Grund rur die Gestattung des Anbordgehens bei staatenlosen Schiffen ist damit, daß kein Staat über dieses Schiff Kontrolle ausübt und es quasi in einem rechtlichen Vakuum schwimmt. Maßnahmen sollen aber nur dann ergriffen werden, wenn tatsächlich gegen internationale Vorschriften verstoßen wurde. 266 Diese Interpretation läßt sich auch auf das Fish Stocks Agreement ausdehnen, da nach dem Wortlaut des Art. 21 Abs.4 kein Verstoß gegen irgendwelche Regeln nötig ist. Anhaltspunkte dafilr, daß eine andere Interpretation gewollt ist, gibt es nicht. Danach ist die Staatenlosigkeit allein noch kein Verstoß gegen Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen auf der Hohen See.
264
265
Art. 73 SRK. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL
1997, S. 40 m. w. N. in FN 202. 266 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 40.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
143
d) Schranken der Durchsetzung durch andere als den Flaggenstaat Diese Ausnahmen zum Flaggenstaatsprinzip sind jedoch ihrerseits ebenfalls begrenzt. 267 So können sie jederzeit aufgehoben werden: ungeachtet der übrigen Bestimmungen des Art. 21 kann der Flaggenstaat gemäß Abs. 12 das Verfahren jederzeit wieder an sich ziehen, der Kontrollstaat hat dann das Schiff einschließlich der Ermittlungsunterlagen an den Flaggenstaat auszuliefern. Während der Inspektion und Ermittlungen gibt es Sicherheitsvorschriften, die etwa das Wohlergehen der Besatzung und die Sicherung der Qualität des Fanges betreffen, Art. 21 Abs. lO. Die Staaten haften nach Abs. 18 tUr Schäden und Verluste, welche bei der DurchtUhrung von Maßnahmen nach Art. 21 entstehen. Nach Art. 22 gelten detaillierte Regeln tUr das Anbordkommen und Durchfuhren von Kontrollen, durch die Schiff, Besatzung und Flaggenstaat vor unverhältnismäßigen Eingriffen durch den Kontrollstaat geschützt werden sollen. Schließlich sollen die Detailregeln tUr das Ergreifen von Maßnahmen gegenüber Schiffen unter fremder Flagge von den jeweiligen RFOs festgelegt werden. Einseitige Aktionen einzelner Staaten gegenüber unliebsamen Fischern wie Kanada dies im Falle der spanischen "Estai" unternommen hatte, würden danach auch nach den Art. 20, 21 nicht gerechtfertigt sein, solange von der NAFO keine Umsetzung der Artikel vorgenommen wurde. 268
e) Maßnahmen durch den Hafenstaat
aa) Darstellung Art. 23 Abs. I FSA verschafft den Hafenstaaten das Recht und die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die Wirksamkeit subregionaler, regionaler und globaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen zu unterstützen. Hafenstaat ist derjenige Staat, dessen Häfen freiwillig von einem Schiff angelaufen werden. Die Maßnahmen nach Art. 23 FSA beinhalten gemäß Abs. 2 unter anderem die Kontrolle von Dokumenten, Fanggeräten und Fängen an Bord, solange sich das Schiff freiwillig in diesem Hafen befindet. Nach Abs. 3 können die Staaten ihre Behörden ermächtigen, unter bestimmten Voraussetzungen sogar das Anlanden oder Umladen von Fängen zu verbieten. Während etwa in Art. 21 noch ausdrücklich davon die Rede ist, daß Maßnahmen nur gegen Schiffe unter der Flagge anderer Vertragsparteien stattfinden, können sich Hafenstaatsmaßnahmen dem Wortlaut des Art. 23 FSA nach gegen jedes Schiff richten.
Vgl. Balton, Strengthening the Law of the Sea, ODIL 1996, S. 141. Freestone/Makuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 37. 267
268
144
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
bb) Verhältnis zur SRK
In Art. 218 SRK. ist eine ähnliche Durchsetzung von Maßnahmen durch den Hafenstaat zwar vorgesehen, aber nur dann, wenn Vorschriften des marinen Umweltschutzes betroffen sind. 269 Hierbei geht es um das Einleiten von Stoffen in das Meer außerhalb von Gebieten unter staatlicher Jurisdiktion. Dies wird deutlich, wenn man Art. 218 SRK. im Lichte des Art. 220 Abs. 1 SRK betrachtet. 270 Ein solcher Durchsetzungsmechanismus durch die Hafenstaaten, wie in der SRK. enthalten, ist bereits an sich neu im internationalen Recht. Dies macht schon die vorsichtige Formulierung "außerhalb" von Gebieten unter staatlicher Jurisdiktion - anstelle von "auf der Hohen See" - deutlich. 271 Hier geht es allerdings um den Schutz der marinen Umwelt vor verbotenen Einleitungen. Was die Durchsetzung von Fischereivorschriften angeht, gibt es dagegen keine entsprechenden Vorschriften in der SRK, abgesehen einmal von dem Recht der Nacheile des Küstenstaates aus Art. 111 SRK. Das derzeitige Völkerrecht kennt keine Hafenstaatsjurisdiktion zur Durchsetzung von Bewirtschaftungsmaßnahmen filr die Hochseefischerei gegenüber fremden Schiffen. Damit werden durch das FSA wiederum per "Durchfilhrung" neue Regeln geschaffen. In ihrer Ausgestaltung richten sich diese nach dem Modell der Durchsetzung von umweltrechtlichen Vorschriften des Art. 218 SRK.. Insofern liegt eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches von Hafenstaatesjurisdiktion vom Umweltrecht auf das Fischereirecht vor. Allerdings sind diese neuen Regeln in ihrem Bereich auch inhaltlich noch weitergehender als die des Art. 218 SRK.. Während nach Art. 218 SRK der Hafenstaat Untersuchungen durchfilhren "kann", so hat nach Art. 23 des Übereinkommens der Hafenstaat "das Recht und die Pjlicht',272 Maßnahmen zu ergreifen. Einige Delegationen hatten während der Verhandlungen Zweifel daran ausgedrückt, ob die Einfilhrung solcher Hafenstaatskontrolle angemessen sei. Dagegen kann aber auch argumentiert werden, daß das Übereinkommen insofern im Einklang mit den Vorschriften der SRK. steht, als Maßnahmen nur "in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht" (Abs. 1) getroffen werden dUrfen. 273 Völkerrechtskonforme Maßnahmen, die Hafenstaaten gegenüber fremden Schiffen ergreifen, um sie zu einem bestimmten, legalen Verhalten zu bewegen, kön-
269
Ausfllhrlich zur Entwicklung und Ausgestaltung der Art. 218 und 219 SRK Kö-
nig, Durchsetzung, S. 185 ff. 270 König, Durchsetzung, S. 197.
Nordquist, Commentary, Teil IV, S. 260. Hervorhebung durch Verfasserin. 273 V gl. Hayashi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coastal Management 1995, S. 63. 271
272
C. Gegenüberstellung der Inhalte
145
nen nach geltendem Völkerrecht zwar als unfreundlich gewertet werden, nicht aber als verboten. Daher enthalte Art. 23 keine unangemessene Ausweitung der Rechte der Hafenstaaten, sondern nur deren schriftliche Niederlegung. Bezüglich Art. 23 kann dieser Argumentation folgend festgehalten werden, daß es sich um eine Interpretationshilfe bestehender Regeln handelt.
f) Zusammenfassung Zusammenfassend ist zunächst festzustellen, daß die Art. 19 bis 23 FSA eine Ausnahme zum gewohnheitsrecht lieh geltenden und in der SRK schriftlich niedergelegten Flaggenstaatsprinzip bilden. Das Besondere liegt darin, daß sie anderen als dem Flaggenstaat unter bestimmten Voraussetzungen die Kompetenz verschaffen, bei Verdachtsmomenten an Bord zu gehen und Kontrollen durchzuftlhren. Die Kompetenz, Strafen zu verhängen, hat der Kontrollstaat jedoch ohne ausdrückliche Zustimmung des Flaggenstaates nicht. 274 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung, daß das FSA damit nicht so weit geht wie die kanadische Gesetzgebung von 1994. 275 Kommt allerdings der Flaggenstaat trotz zur Verftlgung gestellten Ermittlungsergebnissen seiner Pflicht nicht nach, selbst Maßnahmen zu ergreifen, so kann gemäß Art. 20 Abs. 7 FSA das Schiff in der Region oder Unterregion vom Fischfang abgehalten werden, bis der Flaggenstaat tätig wird. Damit ist ein wirksamer Komprorniß gefunden worden. Die Wirksamkeit wird dadurch gewährleistet werden, daß die Besatzung des Schiffes selbst ein Interesse daran haben wird, daß der eigene Staat zügig Maßnahmen ergreift, damit der Fang fortgesetzt werden kann. Im Gegensatz zu Art. 8 Abs. 4 und Art. 17 gilt Art. 21 zwar nur ftlr die Vertragsstaaten des Fish Stocks Agreements. 276 Eine Ausnahme zum Flaggenstaatsprinzip kann allerdings unabhängig davon gemacht werden, ob der Staat, unter dessen Flagge das betroffene Schiff flihrt, tatsächlich selbst Mitglied der RFO ist, Art. 21 Abs. 1. Insgesamt handelt es sich bei den Artikeln 19-23 um eine vertraglich vereinbarte Ausnahme vom Flaggenstaatsprinzip bzw. Ergänzung zum Recht der Nacheile. Sie können daher prinzipiell nur zwischen den Vertragsparteien des Übereinkommens gelten, nicht jedoch gegenüber Drittstaaten. 277 Bezüglich Nichtvertragsstaaten ist es allerdings möglich, bei274
S.472.
Anderson, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly 1996,
275 Coastal Fisheries Protection Act as amended in 1994, abgedruckt in: I.L.M. 33 (1994), S. 1383, vgl. oben, Teil I. 276 Vgl. Anderson, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly 1996, S. 472. 277 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S.39. Diese Vorschriften können daher später bei den Erörterungen des dritten 10 Ziemer
146
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
spielsweise Anlauf- bzw. Anlandungsverbote auszusprechen. Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden. Die praktische Bedeutung der innovativen Artikel 21 und 22 des Übereinkommens wird sich vermutlich zunächst in Grenzen halten, denn abgesehen von den Vereinigten Staaten hat im Grunde kein anderer Staat der internationalen Gemeinschaft die Mittel bzw. das Bedürfuis, regelmäßig fremde Schiffe zu inspizieren. 278 Was die Durchsetzung durch den Hafenstaat angeht, so sind die Maßnahmen vielversprechender. Diese Verfahrensform hat sich im Rahmen des Art. 218 SRK bereits als erfolgreich erwiesen. 279
v. Bedürfnisse von Entwicklungsstaaten Nach Art. 119 Abs. 1 ader SRK sind bei der Festlegung der zulässigen Fangmengen und anderer Maßnahmen für der Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See unter anderem die besonderen Bedürfnisse der Entwicklungsstaaten zu berUcksichtigen. Dies wird in Art. 24 Abs. 1 FSA ausdrUcklich anerkannt. Wie diese besonderen Bedürfnisse zu definieren sind, spezifiziert Abs. 2: die Angewiesenheit der Bevölkerung auf Hochseefisch als Nahrungsquelle, die Notwendigkeit, nachteilige Folgen für Subsistenz- und Kleinfischer zu vermeiden, sowie die Sicherstellung, daß die Entwicklungsstaaten durch die Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen keine unverhältnismäßig hohe Last zu tragen haben. Welche Formen die Zusammenarbeit mit Entwicklungsstaaten haben können, ist in Art. 25 FSA festgelegt. Abs. 1 sieht die direkte Zusammenarbeit oder durch subregionale, regionale oder globale Organisationen vor, um Entwicklungsstaaten, insbesondere kleine Inselstaaten in die Lage zu versetzen, die betroffenen Fischbestände zu erhalten und zu bewirtschaften sowie die eigene Fischerei auszubauen. Diese Zusammenarbeit schließt die Gewährung finanzieller Hilfen ein, Abs. 2, während Abs. 3 festlegt, wie Entwicklungsstaaten die Hilfe zu nutzen haben. Gemäß Art. 26 sollen Sonderfonds zur Unterstützung der weniger entwikkelten Staaten gebildet werden. Diese soll rur die Durchführung des Übereinkommens eingreifen sowie fiir die Finanzierung der Kosten durch etwaige
Teils im Zusammenhang mit einer möglichen Drittwirkung des Vertrages vernachlässigt werden, sind aber dennoch als Ausdruck einer neuen Entwicklung nicht zu unterschätzen, vgl. die Ergebnisse des 3. Teils. 278 Balton, Strengthening the Law of the Sea., ODIL 1996, S. 141. 279 Vgl. FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 38 m. w. N.
C. Gegenilberstellung der Inhalte
147
Streitbeilegungsverfahren, an welchen sie teilhaben. Ferner sollen Staaten und internationale Organisationen die weniger entwickelten Staaten bei der GrUndung neuer und Stärkung bestehender RFOs unterstützen. Diese Unterstützung könnte sich dahingehend äußern, daß den Entwicklungsstaaten ohne Diskriminierung im Sinne von Art. 119 Abs. 3 SRK der Zutritt zu bestehenden Organisationen als "new entrants" gewährt wird. Um finanzielle Schwierigkeiten bewältigen zu können, ist denkbar, Partnerschaften oder ,joint ventures" mit entwickelten Staaten einzugehen, die bereits über Erfahrung in der Hochseefischerei verftlgen. 280 Durch die besondere BerUcksichtigung der Klein- und Subsistenzfischer in diesen Vorschriften ebenso wie auch in Art. 5 i und 11 d FSA soll verhindert werden, daß Erhaltungsmaßnahmen auf diese Fischer einen negativen Einfluß haben. 281 Vor allem diese Form der Fischerei bietet zahlreiche Arbeitsplätze sowie eine wichtige Proteinquelle ftlr die Küstenbevölkerung in Entwicklungsstaaten. Die großen Änderungen in der Hochseefischerei haben hauptsächlich in der Industrie und damit in den Industriestaaten stattgefunden. Dadurch, daß den Entwicklungsstaaten und deren Kleinfischern diese besondere Beachtung zuteil wird, soll sichergestellt werden, daß die zukünftige Entwicklung der Bewirtschaftung und Erhaltung von Beständen nicht ohne diese Staaten geschieht. Während Entwicklungsstaaten bereits in der Seerechtskonvention gesondert berUcksichtigt wurden, ist eine derart detaillierte Regelung der Beteiligung dieser Staaten an der Hochseefischerei neu im internationalen Seerecht. 282 Sie geht aber nicht über den möglichen Spielraum der entsprechenden Vorschriften der SRK hinaus.
VI. Friedliche Streitbeilegung
Ein eigener, neuer Streitbeilegungsmechanismus wurde während der Konferenz nicht entwickelt. Um allerdings den Druck auf die Vertragsstaaten zur Erftlllung ihrer vertraglichen Pflichten auf Dauer aufrechtzuerhalten, haben die Delegationen schließlich den Mechanismus der Seerechtskonvention in das FSA übemommen: 283 Nach Art. 30 Abs. 1 FSA gelten mutatis mutandis für alle Streitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten über Auslegung oder Anwendung des FSA die Bestimmungen des Teils XV der SRK, auch wenn eine oder beide
280 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 41 m. w. N. 281 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 41. 282 Greenpeace Analysis, S. 4 Nr. 23. 283 Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 142.
148
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Parteien dieses Streites nicht Vertragsstaaten der SRK sind. Art. 30 Abs. 2 FSA fUhrt diese Regel auch filr die Auslegung und Anwendung von Fischereiübereinkünften ein, denen die Parteien beigetreten sind. Auch dies ist unabhängig davon, ob die Parteien Mitglieder der SRK sind. Allerdings steht es solchen Parteien, die zwar Mitglied des FSA aber nicht der SRK sind, jederzeit frei, eines der in Art. 287 Abs. I SRK genannten Mittel zu wählen, Art. 30 Abs.4. Was vorläufige Maßnahmen angeht, können solche Streitparteien sogar abweichend von Art. 290 Abs. 5 SRK die Unzuständigkeit des internationalen Seegerichtshofes erklären. Damit wurde grundsätzlich eine globale Regelung filr die friedliche Beilegung von Streitigkeiten im Rahmen der Hochseefischerei getroffen. Einige Staaten hatten während der Verhandlungen noch regionale Lösungen favorisiert. 284 Diese sind jedoch auch jetzt nicht ausgeschlossen, denn nach Art. 282 SRK, der über Art. 30 des FSA anwendbar ist, steht es den Staaten frei, sich allgemeinen, regionalen oder zweiseitigen Streitbeilegungsmechanismen zu unterwerfen. Um das Verhältnis des FSA zu den Streitbeilegungsmechanismen der SRK zu klären, erscheint es an dieser Stelle notwendig, zunächst Teil XV der SRK kurz zu erörtern, und erst dann auf die Regelungen des FSA einzugehen.
1. Streitbeilegung nach der SR!( Hintergrund der Einfilhrung eines Streitbeilegungsverfahrens in die SRK war die Tatsache, daß die gesamte Konvention Ergebnis mühsamer Kompromisse ist. Einseitige Interpretation und Anwendung durch einzelne Staaten würde die Ziele sowie den Sinn und Zweck der Konvention schnell unterlaufen. 285 Aus demselben Grund wiederholt das Abkommen zunächst in Art. 27 die allgemeine Verpflichtung zur Streitbeilegung durch friedliche Mittel sowie in Art. 28 die Verpflichtung zur Verhinderung von Streitigkeiten.
a) Allgemeine Bestimmungen In Teil XV der SRK wird großes Gewicht auf nicht ilirmliche Wege der Streitbeilegung gelegt:286 gemäß Art. 279 SRK sollen die Staaten die Konflikte
Hayashi, Analysis ofthe 1993 Sessions, Ocean Yearbook 11 (1994), S. 41. Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 225; Adede, The System for the Settlement of Disputes, S. 241; Noyes, The Third-Party Dispute Settlement, 1994 Rhodes Papers, S. 213, m. w. N. 284
285
C. Gegenüberstellung der Inhalte
149
durch die in Art. 33 Abs. I der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Mittel lösen. 287 Danach bemühen sich die Staaten zunächst um eine Beilegung durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich etc. Scheitern diese Mittel jedoch, so filhrt die SRK selbst bereits innovative Verfahren ein, die zu bindenden Entscheidungen ftlhren. 288 Dieser zweite Abschnitt des XV. Teils bietet vier Möglichkeiten der Streitbeilegung: den Internationalen Seegerichtshof, den IGH oder zwei Arten von Schiedsgerichten, Art. 287 Abs.l SRK. Zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens können sich die Staaten ftlr eine dieser Formen entscheiden, der Mechanismus der SRK gilt nur subsidiär. Wegen der Vielzahl der Möglichkeiten, die zur Streitbeilegung gewählt werden können, besteht gemäß Art. 283 SRK eine Verpflichtung zum Meinungsaustausch. 289 Das obligatorische Verfahren zur Streitbeilegung greift grundsätzlich dann, wenn anders keine Einigung erzielt werden konnte. 290
b) Verfahren bezüglich der Fischereivorschriften Es bietet sich nun eine genauere Untersuchung der speziellen Vorschriften bei Streitigkeiten um Fischereifragen an. Wichtig ist vor allem die Feststellung, daß zwischen Streitigkeiten über Fischfang auf der Hohen See und innerhalb von A WZs von Küstenstaaten unterschieden wird. Grundsätzlich gilt für Fischereifragen die obligatorische Rechtsprechung. 291 Was die Fischerei innerhalb von A WZs oder Fischereizonen betrifft, so regelt Art. 297 Abs. 3 a SRK jedoch eine Ausnahme zum obligatorischen Verfahren. Danach ist der Küstenstaat nicht verpflichtet, einer obligatorischen Streitbeilegung zuzustimmen. 292 Nur in begrenzter Anzahl genau definierter Fälle hat sich der Küstenstaat einem Vergleichsverfahren nach Anlage V Abschnitt 2 zu unterwerfen. 293 In diesen Fällen
286 Art. 279-285 SRK; Noyes, The Third Party Dispute Settlement Provisions, 1994 Rhodes Papers, S. 214. 287 Der Bezug wurde mit Absicht nur zu den "Mitteln" des Art. 33 I und nicht zu dem gesamten Artikel hergestellt, da es nicht um eine Gefahr für den Frieden geht, Nordquist, A Commentary, Teil V, S. 18, Nr. 297.3. 288 Art. 286--296 SRK. 289 Adede, The System for the Settlement ofDisputes, S. 248. 290 Adede, The System for the Settlement of Disputes, S. 248. 291 Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 181. 292 Vgl. Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 246. 293 Art. 297 Abs. 3 b SRK; zu den Voraussetzungen ausführlich Hey, The Regime for the Exploitation ofTransboundary Marine Fisheries Resources, S. 48; Adede, The System for the Settlement of Disputes, S. 254 ff.
150
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
ist im übrigen zwar das Verfahren bindend, jedoch nicht die Entscheidung. 294 Damit wird dem Küstenstaat eine dominierende Rolle zuerkannt. 295 Die ausschließliche Hochseefischerei gehört nicht zu den in Abschnitt 3 von Teil XV geregelten Ausnahmen zur obligatorischen Streitbeilegung. 296 Streitigkeiten bezüglich der Fischerei auf der Hohen See unterfallen damit den Vorschriften der SRK bezüglich des obligatorischen Verfahrens. 297 Die verschiedenen Foren und deren Verfahren zur Entscheidungsfindung sind in den Art. 287 ff. SRK beschrieben. Anwendbares Recht ist nach Art. 293 Abs. 1 dabei das Seerechtsübereinkommen selbst sowie sonstige, mit der SRK nicht unvereinbare Regeln des Völkerrechts. Gemeint sind damit die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, einen ausdrücklichen Bezug auf die speziellen Regeln regionaler oder bilateraler FischereiübereinkUnfte gibt es jedoch nicht.
2. Streitbeilegung nach dem FSA Während der Verhandlungen gab es keinen Widerstand gegen die Ansicht, daß die Verfahren, wie sie in der SRK entwickelt wurden, prinzipiell beibehalten werden sollten. 298
a) Anwendbares Recht Die Unterscheidung der SRK zwischen Streitigkeiten bezüglich der Fischerei auf der Hohen See einerseits und innerhalb von A WZs andererseits findet sich im FSA ebenso wie in der SRK wieder: gemäß Art. 32 FSA gilt Art. 297 Abs. 3 SRK auch für dieses Übereinkommen. Damit unterfallen auch weiterhin nur Streitigkeiten über Fischerei auf der Hohen See dem obligatorischen Mechanismus zur Streitbeilegung. Dadurch ist noch einmal eindeutig festgelegt worden, daß innerhalb von A WZs auch bezüglich von gebietsübergreifenden und weit
Anlage V zur SRK, Art. 7 Abs. 2. Vgl. Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 238. 296 Hey, The Regime for the Exploitation of Transboundary Marine Fisheries Resources, S. 124. 297 Zur Frage, ob es sich bei gebietsübergreifenden Beständen um Fragen der Hochseefischerei oder der Fischerei innerhalb von AWZs handelt, vgl. Davies/Redwell, The International Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 246 in FN 260. 298 Kurzer Überblick über die Verhandlungen bei Hayashi, The Role of the UN in Managing the World's Fisheries, S. 387 ff. 294
295
C. Gegenüberstellung der Inhalte
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wandernden Fischarten einzig und allein die jeweiligen Küstenstaaten zuständig filr deren Bewirtschaftung und die Durchsetzung entsprechender Regeln sind. 299 Das filr die Entscheidungsfindung anwendbare Recht ist nach Art. 30 Abs. 5 FSA jedoch weiter gefaßt als filr Streitigkeiten nach Art. 293 SRK: das mit der Sache befaßte Gericht wendet nicht nur die SRK und das mit ihr vereinbare Völkerrecht an,300 sondern auch die Bestimmungen ,jeder einschlägigen subregionalen, regionalen oder globalen Fischereiübereinkunft ... , ebenso wie die allgemein anerkannten Normen für die Erhaltung und Bewirtschaftung von lebenden Meeresschätzen und andere Regeln des Völkerrechts, die mit dem Seerechtsübereinkommen vereinbar sind". Art. 30 Abs. 5 legt damit auch schon eine dynamische Interpretation nahe: das Recht soll angewendet werden, "um die Erhaltung der betreffenden gebietsübergreifenden Fischbestände oder weit wandernden Fischbestände sicherzustellen".30I Durch diese Erweiterung des bei der Streitbeilegung anwendbaren Rechts auf wichtige Fischereifragen erfllhrt das obligatorische Verfahren der SRK eine Stärkung,302 da es nun auch bei Fragen eingreift, rur die es zuvor keine oder nur regional unterschiedliche Mechanismen zur Klärung von Streitigkeiten gab. 303 Durch eine dynamische Interpretation kann sichergestellt werden, daß das geltende Recht zugunsten der Erhaltung der Bestände ausgelegt wird, also parteiunabhängig. So werden partikuläre Fischereiinteressen nur an untergeordneter Stelle berücksichtigt.
b) Pluralität der Foren Das Streitbeilegungsverfahren hat nun das Potential, die Pluralität der Foren bei der Entscheidungsfindung bezüglich Streitigkeiten über Hochseefischerei zu begrenzen und damit unterschiedlichen Interpretationen derselben Vorschriften zu vermeiden. Desweiteren gibt es die Gewähr, daß ein Gericht oder Gerichtshofmit der Sache befaßt wird, dessen Richter mit der Materie vertraut sind. 304
299
Vgl. Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 159.
300 Art. 293 Abs. I SRK. 301 Vgl. Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 159. 302
S.473.
Anderson, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly 1996,
Balton, Strengthening the Law of the Sea, ODIL 1996, S. 142 f. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 44 ff. 303
304
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
c) Nichtmitglieder der SRK bei Streitigkeiten Nach Art. 291 Abs.2 SRK stehen die Streitbeilegungsverfahren der SRK solchen Rechtsträgern, die nicht Vertragsstaaten der SRK sind, nur so weit offen, wie ausdrücklich in dem Vertragswerk selbst vorgesehen. 305 Jedoch können Nichtvertragsstaaten ihre Streitigkeiten nach Art. 20 Abs. 2 und 21 von Anlage VI 306 dem Internationalen Seegerichtshof unterwerfen, wenn alle Streitparteien zustimmen. Nach dem FSA gilt Teil XV der SRK mutatis mutandis filr alle Vertragsparteien des Abkommens, auch wenn diese nicht Vertragsparteien der SRK sind. 307 Dadurch werden die Mechanismen der SRK über deren Wortlaut hinaus auch filr gewisse Nichtvertragsstaaten automatisch filr anwendbar erklärt. Insofern könnte man erwägen, daß es sich an diesem Punkt möglicherweise um eine Änderung und nicht lediglich um eine Durchfilhrungsbestimmung der SRK handelt. 308 Um möglichst vielen Staaten den Beitritt zum FSA zu erleichtern und insbesondere Nichtvertragsstaaten der SRK nicht dadurch abzuschrecken, daß filr sie plötzlich der Teil XV der SRK quasi durch die Hintertür gilt, sind im FSA spezielle Vorschriften enthalten, die dieser Situation Rechnung tragen: 309 nach Art. 30 Abs.4 steht es jedem Vertragsstaat des FSA zu jedem Zeitpunkt frei, durch schriftliche Erklärung filr die Streitbeilegung eines oder mehrere der in Art. 287 Abs. I SRK genannten Mittel zu wählen. 3lO So kann zum Beispiel vermieden werden, daß Richter des internationalen Seegerichtshofes entscheiden, die die Streitparteien selbst nie gewählt haben. Noch weitergehend kann nach Art. 31 Abs. 3 ein Vertragsstaat des FSA, der nicht Vertragsstaat der SRK ist, abweichend von Art. 290 Abs. 5 SRK die Unzuständigkeit des Seegerichtshofes zur Anordnung, Änderung oder zum Widerruf vorläufiger Maßnahmen erklären. Zusammenfassend ist festzustellen, daß bezüglich der Streitbeilegungsmechanismen das FSA erheblich über die Vorschriften von Teil XV der SRK hinausgeht, indem es sowohl das anwendbare Recht ausdehnt als auch die SRK sogar für aufNichtvertragsstaaten anwendbar erklärt, soweit sie das FSA ratifiziert haben. Diese Staaten werden insofern zum Beitritt zum FSA "geködert", als daß sie die weitestgehenden Vorschriften der obligatorischen Streitbeilegung der SRK filr sich selbst (ausdrücklich) filr nicht anwendbar erklären können. Inso305 Ausführlich zu den Auswirkungen von Teil XI der SRK auf Nichtvertragsstaaten Noyes, The Third-Party Dispute Settlement Provisions, S. 227 tT. 306 Statut des Internationalen Seegerichtshofs. 307 Art. 30 Abs. I und 2 des Abkommens. 308 Gherari, L'accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGDIP 1996, S. 387. 309 Vgl. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 48. 310 Vgl. Gherari, L'accord du 4 aout 1995 sur les stocks, RGDIP 1996, S. 387.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
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fern steht es denjenigen Staaten, die nicht Mitglied der SRK sind, weiterhin frei, den Streitbeilegungsmechanismus der SRK zu akzeptieren. Tatsächlich ist die Ausdehnung der obligatorischen Streitbeilegung auf Nichtvertragsstaaten der SRK so revolutionär nicht. Schließlich gilt sie nur für solche Staaten, die Mitglieder des FSA sind. Damit haben sie aber grundsätzlich ihr Einverständnis mit den Regeln der SRK bezüglich der Fischerei erklärt, ohne die übrigen Teile der SRK filr sich anzunehmen. Ähnlich läßt sich in bezug auf das anwendbare Recht argumentieren. Nach Art. 297 SRK gelten die Regeln der SRK und das mit ihr vereinbare allgemeine Völkerrecht. Nach dem FSA sollen vor allem auch Regeln regionaler Übereinkünfte angewendet werden. Diese gehören zwar nicht zum allgemeinen Teil des Völkerrechts, sind aber aufgrund ihrer internationalen Qualität auch Regeln des Völkerrechts und können damit ebenfalls unter den Wortlaut des Art. 297 SRK interpretiert werden. Genauso verhält es sich mit allgemein akzeptierten Standards bezüglich der Bewirtschaftung von Fischbeständen. Demnach wird dies im FSA nur explizit festgestellt. Es handelt sich damit nicht um eine Änderung der Vorschriften der SRK, sondern um eine die Erhaltung der Fischbestände favorisierende Interpretation einer allgemein gehaltenen Vorschrift.
VII. Nichtvertragsstaaten Dem schwierigen Problem der "Trittbrettfahrer"3!! bzw. "free rider" versuchte die Konferenz mit dem neunten Teil des Abkommens, Art. 33, entgegenzuwirken. Hier geht es um die Behandlung von solchen Staaten, die nicht Vertragsstaaten des FSA sind und es auch nicht werden wollen. Da die Problematik der Hochseefischerei aber universeller Natur ist, war auch das Verhalten solcher Staaten in die Erwägungen einzubeziehen, damit die Wirksamkeit internationaler Maßnahmen nicht völlig durch Drittstaaten unterlaufen werden kann. Dieser Teil 9 enthält nur einen einzigen Artikel. Nach diesem Art. 33 Abs. I FSA ermutigen die Vertragsstaaten alle Nichtvertragsstaaten dazu, dem Übereinkommen beizutreten und Rechtsvorschriften zu erlassen, die mit den Bestimmungen des Abkommens übereinstimmen. Vertragsstaaten ergreifen gemäß Art. 33 Abs. 2 FSA Maßnahmen im Einklang mit diesem Abkommen und dem Völkerrecht, um Schiffe unter der Flagge von Nichtvertragsstaaten davon abzuhalten, Tätigkeiten auszuüben, welche die wirksame Durchfilhrung des FSA beeinträchtigen.
3!! S.o., Teil I.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Auf den ersten Blick erscheint diese Vorschrift wenig spektakulär, denn es werden lediglich die Vertrags staaten zu einem Tun - der "Ermutigung" von Nichtvertragsstaaten - verpflichtet. Eine Regelung dessen, wie sich Vertragsstaaten gegenüber Nichtvertragsstaaten zu verhalten haben, gibt es dagegen in der SRK nicht. Auch hier findet damit eine gewisse Erweiterung der Vorschriften der SRK statt. Allerdings gibt es in der SRK bereits die Verpflichtung zum Erhalt der Bestände. Diese Pflicht ist auch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Andere Staaten also aktiv dazu zu bewegen, sich entsprechend dieser Pflicht zu verhalten, kann daher als Konkretisierung dieser Pflicht betrachtet werden. 312 Voraussetzung ist nur, daß sich die Maßnahmen im Rahmen des von der SRK und dem allgemeinen Völkerrecht Erlaubten halten. Dies ist durch den Wortlaut des Art. 33 gewährleistet. Auch im allgemeinen Völkerrecht ist eine solche Berücksichtigung von Drittstaaten nicht ganz neu. So tragen die Vereinten Nationen nach Art. 2 Abs. 6 der Charta dafilr Sorge, daß Nichtmitglieder der VN insoweit nach deren Grundsätzen handeln, als dies zur Wahrung des Weltfriedens nötig ist. Besser noch ist ein Beispiel aus dem Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht filhren. 313 Nach dessen Art. 4 haben die Vertragsparteien bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Gesetze zu erlassen, nach denen sie von diesem Zeitpunkt an die Einfuhr der jeweils geregelten Stoffe aus Nichtvertragsstaaten verbieten. Auch hier werden indirekt Nichtvertragsstaaten aufgefordert, sich an die Vertragsbestimmungen zu halten. Problematisch könnte allerdings sein, wie die "Ermutigung" im einzelnen aussehen mag: ob aktiv Maßnahmen gegen Trittbrettfahrer ergriffen werden sollen, oder lediglich passiv vorgegangen werden soll, etwa durch Verweigerung des Zugangs zu Häfen oder Nichtankauf der Fischereiprodukte aus solchen Ländem. 314 Festzustellen bleibt jedoch, daß die SRK an dieser Stelle um die ausdrückliche Einbeziehung der Trittbrettfahrer erweitert wird. Eine Referenz zu Nichtvertragsstaaten läßt sich bislang lediglich aus Vorschriften des Tiefseebodenregimes ableiten, 315 die direkt nichts mit dem Trittbrettfahren in der Hochseefischerei zu tun haben. Daraus läßt sich allerdings ableiten, daß die SRK nicht grundsätzlich ausschließt, daß ihre Mitgliedstaaten gegenüber Nichtmitgliedstaaten koordiniert auftreten, um diese zu einem Verhalten zu bewegen, das den
Vg\. Oxman, The International Commons, S. 57. 1988 11 S. 1014 tf.; internationale Quelle: UNEP, Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer, Final Act (1987), S. 12. 314 Vgl. Anderson, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly 1996, S. 473. 315 Art. 137 und 139 SRK. 312
3138GB\.
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Zielen der Konvention zumindest nicht zuwiderläuft. Zwar halten sich die zu ergreifenden Maßnahmen in dem von der SRK gesteckten Rahmen. Neu ist allerdings, daß aus der rechtlichen Möglichkeit des Handeins ein rechtliches Gebot geworden ist.
VIII. Treu und Glauben, Rechtsmißbrauch, Verantwortlichkeit, Haftung für Schäden 1. Treu und Glauben, Verbot des Rechtsmißbrauchs
Relativ unproblematische Vorschriften enthalten die Art. 34 und 35 FSA: zum einen in Art. 34 die allgemeine Verpflichtung, die vertraglichen Verpflichtungen nach Treu und Glauben zu erfilllen, sowie die Pflicht, die eigenen Rechte so auszuüben, daß dies keinen Rechtsmißbrauch darstellt. Treu und Glauben sind generelle Verpflichtungen internationalen Rechts mit gewohnheitsrechtlicher Geltung. 316 Die Frage des Rechtsmißbrauchs hat im Fischereirecht und der Fischereiwirtschaft eine ganz besondere Bedeutung, vor allem da dessen Reichweite auf internationaler Ebene ungeklärt ist. Solange auf der Hohen See der Grundsatz der Fischereifreiheit gilt, wird aber zumindest die rücksichtslose Ausnutzung dieser Freiheit durch die Fischer eines Staates ohne Beachtung der anderen einen solchen Rechtsmißbrauch darstellen. 317 Dies kann als eine Konkretisierung der in Art. 117 SRK enthaltenen Verpflichtung zur Zusammenarbeit bei der Erhaltung der lebenden Ressourcen der Hohen See gedeutet werden. Da fur diese Pflicht eine gewohnheitsrechtliche Geltung angenommen wird, dürfte das Verbot des Rechtsmißbrauchs aus dem FSA auch für Nichtvertragsstaaten dieses Abkommens gelten. 318 Was im einzelnen genau ein Rechtsmißbrauch ist, bleibt jedoch auch im FSA ungeklärt, auch Beispiele werden nicht geliefert. Hier sind die jeweiligen Fischereiorganisationen gefordert, die Vorschrift mit Inhalt zu tUllen. Denkbarer Rechtsmißbrauch könnte etwa der Fall sein, in dem gebietsübergreifende Fischbestände verschiedene Jurisdiktionszonen durchwandern, von denen in einigen strikte Regelungen bestehen, in anderen die Fischereifreiheit noch unbegrenzt ist. Wissen die Fischer eines Staates, daß jenseits der Grenze aufgrund einer Gefährdung des gesamten Bestandes Restriktionen gelten, so ist es rechtsmißbräuchlich, die Freiheit zu fischen dort komplett auszuschöpfen, wo 316 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 35 f.; Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 159; vgl. Art. 300 SRK. 317 Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 159, m. w. N. 318 Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 36, m. w. N.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
noch keine Quoten festgelegt wurde. Als Beispiel könnte etwa der Fall der spanischen "Estai" gesehen werden. 319 Damit handelt es sich nicht um eine Änderung der SRK, sondern um eine zielgerichtete Interpretationen der geltenden Vorschriften der SRK: mit Art. 34 FSA wird die Interpretation von Küstenstaaten wie etwa Kanada bezüglich des Bestehens eines Rechtsmißbrauchsverbots anerkannt.
2. Haftung
Teil XI des FSA besteht ebenfalls nur aus einem Artikel. In diesem Art. 35 wird festgestellt, daß die Vertragsstaaten nach dem Völkerrecht rur Schäden und Verluste haften, die ihnen im Zusammenhang mit diesem Übereinkommen zuzuschreiben sind. In der SRK sieht Art. 232 im Bereich des Umweltschutzes eine solche Haftung vor filr Durchsetzungsmaßnahmen (Abschnitt 6 von Teil XII), wenn diese Maßnahmen unrechtmäßig sind oder über die in Anbetracht der verfilgbaren Informationen vernünftigerweise erforderlichen Maßnahmen hinausgehen. Gemäß Art. 232 Satz 2 SRK ist rur Klagen wegen Schäden oder Verluste der Rechtsweg zu den Gerichten der Mitgliedstaaten vorgesehen. Art. 235 SRK folgend sind die Staaten filr die Erfilllung ihrer internationalen Verpflichtungen betreffend den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt verantwortlich. Sie haften in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht. Umgehende und angemessene Entschädigung sind nach nationalen Gesetzen sicherzustellen, wobei gleichzeitig insoweit eine Pflicht zur Zusammenarbeit besteht. 320 Art. 35 FSA dehnt diese Haftung vom Bereich des Umweltschutzes auf den der Hochseefischerei nach weit wandernden und gebiets übergreifenden Fischarten aus.
IX. ÜberprOfungskonferenz Teil 12 FSA sieht eine ÜberpTÜfungskonferenz vier Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens vor. Zweck soll sein, die Effektivität des Übereinkommens bei der Bewirtschaftung und Erhaltung der betroffenen Fischbestände festzustellen. Ob die Effektivität des Abkommens nach so kurzer Zeit bereits festgestellt werden kann, erscheint fraglich. Jedenfalls ergibt sich durch diese Vorschrift die Möglichkeit, solche Probleme anzuvisieren, die schnell auftauchen können, wie
319 So hat die kanadische Regierung auch im Fischereistreit mit der EU argumentiert, vgl. Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 159. 320 Art. 235 Abs. 2 und 3 SRK.
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etwa mögliche Zusammenarbeit. 321 Sollten die Bestimmungen des Abkommens nicht zu angemessenen Ergebnissen fUhren, so hat die ÜberprUfungskonferenz das Mandat, Vorschläge zu unterbreiten, wie Inhalte und DurchfUhrung der Bestimmungen gestärkt werden können, Art. 36 Abs. 2. Mit dieser Vorschrift hat das FSA das Mandat der Konferenz über die in Agenda 21 geforderten Maßnahmen hinaus ausgedehnt und das FSA damit von einer gewissen Statik befreit: es wird möglich sein, den Vertragstext nicht absehbaren Änderungen der Situation der Hochseefischerei und Interpretationen des Vertrages selbst anzupassen.
X. Schlußbestimmungen 1. Allgemeine Bestimmungen Die im 13. Teil des Abkommens enthaltenen Schlußbestimmungen regeln unter anderem Unterzeichnung, Ratifikation, Beitritt und Inkrafttreten des Abkommens. Vom 4. Dezember 1995 an lag das Übereinkommen am Sitz der Vereinten Nationen zur Unterzeichnung aus, Art. 37. Nach Art. 40 sind zum Inkrafttreten des Abkommens 30 Ratifikations- oder Beitrittsurkunden erforderlich, genau die Hälfte dessen, was filr das Inkrafttreten der SRK nötig war. 322 Interessant ist dabei, daß die USA bereits im August 1996 das Abkommen ratifizierten und damit eines der ersten Länder waren, sich in dieser Form an das Übereinkommen zu binden. Die SRK selbst haben die USA nie ratifiziert. Diese Tatsache spricht dafUr, daß die Vereinigten Staaten die in der SRK enthaltenen Regeln bezüglich der Fischerei akzeptierten, auch ohne an die übrigen Teile der Konvention gebunden zu sein. Vorbehalte und Ausnahmen zum Übereinkommen sind nicht möglich, Art. 42 FSA. Damit sind die Vertragsparteien an das komplette Abkommen in allen seinen Einzelpunkten gebunden. Gemäß Art. 43 können jedoch Erklärungen abgegeben werden. Damit ergibt sich filr die Vertragsparteien die Möglichkeit, zu bestimmten Vertragsbestimmungen die eigene Interpretationsweise deutlich zu machen. Beide Vorschriften zusammen können unter Umständen dazu fUhren, daß zu bestimmten "unbequemen" Punkten Positionen bezogen werden, die einer extrem weiten Auslegung bzw. Interpretation entsprechen. Die Grenze zwischen
32\
S.332. 322
Macle, International Fisheries Management, Cal. Western Int. Law Journal 1996, Art. 308 Abs. I SRK.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
weiter Auslegung einer Vorschrift und einem Vorbehalt wird bei sehr am Eigen interesse orientierter Anwendung des Art. 43 möglicherweise verwischen. Verfahren tUr die Änderung oder Kündigung des Abkommens sind in den Art. 45 und 46 vorgesehen. Die Anlagen sind gemäß Art. 48 Abs. 1 Bestandteil des Übereinkommens. Gesondert sollen an dieser Stelle zwei Punkte der Schlußbestimmungen betrachtet werden: die Teilnahme von Nichtstaaten bzw. internationaler Organisationen, wie sie in Art. 47 geregelt ist, sowie das Verhältnis des Abkommens zu anderen internationalen Verträgen und Abkommen, Art. 44. Eine vorläufige Anwendung des Abkommens ist nach Art. 41 durch schriftliche Notifizierung möglich. Im Schlußakt der Konferenz wurde dazu aufgerufen, in Anbetracht der Dringlichkeit der Situation das Übereinkommens so bald wie möglich zu unterzeichnen bzw. es bis dahin provisorisch anzuwenden. 323 Angesichts dieses Aufrufes und des Nachdrucks, mit dem das Thema gebietsübergreifender und weit wandernder Fischarten in der Folge des Erdgipfels in Rio international behandelt wurde, scheint es etwas verwunderlich, daß bis zum Frühjahr 1998 erst 16 Ratifikationsurkunden zum FSA vorlagen. 59 Staaten hatten bis dahin das Abkommen jedoch bereits gezeichnet. 324 Daß die Ratifikation des FSA nur so langsam vor sich geht, hat zum großen Teil aber einen rein technischen Hintergrund: das Abkommen erfordert ein Tätigwerden der nationalen Gesetzgeber. Zur Umsetzung einzelner Bestimmungen des Abkommens müssen zunächst die nationalen Gesetze angepaßt werden. Daher benötigt eine Vielzahl von Staaten einen gewissen Umsetzungszeitraum, bevor sie sich vertraglich zu einem Tun verpflichten, das die aktuelle Gesetzeslage nicht gestattet. Im Vergleich zum FSA ist der Ratifikationsprozeß der SRK um einiges langsamer angelaufen: die Konvention hatten erst nach 12 Jahren die 60 Staaten ratifiziert, die zu deren Inkraftreten erforderlich waren. Inzwischen liegen hier allerdings bereits 125 Ratifikationen vor. Bezüglich des 1994er Durchfilhrungsabkommens zu Teil XI der SRK lagen bis zum 1. April 1998 79 Unterzeichnungen vor. 325 Auch dieser Zahl steht das FSA im Vergleich nicht nach.
323 Final Act of the United Nations Conference on Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, Annex I, UN Doc. AlCONF.I64!38, S. 10. 324 http://www.un.orgiDepts/los/losl64st.htm. updated 24.3.1998. Die EU hat am 27.6.1996 gezeichnet, die Bundesrepublik Deutschland am 28.8.1996. 325 http://www.un.orglDepts/los/stat2Ios.txt, updated 1.4.1998.
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2. Besonderheit der Teilnahme von Nichtstaaten Nach Paragraph 4 der UN-Resolution 47/192 326 waren auch andere Einheiten als Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu der Konferenz einzuladen: Organisationen, die eine dauerhafte Teilnahmeeinladung zur Generalversammlung haben, assoziierte Mitglieder regionaler Kommissionen, anerkannte nationale Befreiungsorganisationen, spezialisierte Agenturen der Vereinten Nationen, relevante internationale Organisationen, NGOs sowie regionale oder subregionale Fischereiorganisationen. Diese Einladung entspricht einem völkerrechtlichen Trend: die wachsende Bedeutung universeller internationaler Organisationen im Völkerrechtsleben. Die zunehmende Beteiligung an multilateralen völkerrechtlichen Verträgen reflektiert diesen Trend. 327 Neben 139 Staaten nahmen folglich an der Konferenz teil: die EU, zwei assoziierte Mitglieder einer regionalen Kommission, eine nationale Befreiungsbewegung, die FAO, die UNESCO und die Weltbank als spezialisierte Agenturen der UN, 16 internationale (Fischerei-) Organisationen und 72 Nichtregierungsorganisationen. 328 Deren Beitrag zur Konferenz und künftigen Arbeit bei der Erhaltung und Bewirtschaftung der betroffenen Fischbestände soll im folgenden kurz anhand der wichtigsten Beispiele dargestellt werden: die FAO, Nichtregierungs- bzw. Umweltschutzorganisationen sowie die EU.
a)FAO Zuständig für Fischereifragen - als Teil der Bereiche Ernährung bzw. Landwirtschaft - ist innerhalb der Vereinten Nationen die FA0329 als Spezialorganisation. 330 Den Aufgaben aus ihrem Statut folgend, befaßt sich die FAO darüber hinaus mit dem Erhalt der lebenden Ressourcen im allgemeinen. 33 ) Aufgrund dieser Zuständigkeit hatten einige Staaten bzw. Organisationen zunächst gefordert, eine Konferenz zum Thema weit wandernde und gebietsübergreifende Fischbestände in diesem spezialisierten Forum zu belassen. Vor dem Hintergrund der politischen Bedeutung des Themas war die Konferenz jedoch direkt Abgedruckt in I.L.M. 32 (1993), S. 264. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 721 ff.; ausführliche Untersuchung zur Rolle internationaler nichtstaatlicher Organisationen: Hempel, Völkerrechtssubjektivität. 328 Liste der Teilnehmer bei Doulman, FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 37 f. 329 Satzung vom 16.10.1945, abgedruckt in BGB\. 1971 11, S. 1033 ff. 330 Zur Rolle der FAO Überblick bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 295 ff., 307 ff. 33) Vg\. Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 65. 326 327
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
auf die UN-Ebene verlagert worden. 332 In Anbetracht ihrer Aufgabe gemäß Art. I ihrer Satzung, nämlich dem Sammeln von Informationen über Ernährung und Landwirtschaft, hatte die FAO dennoch während der Konferenz eine wichtige Aufgabe: sie übernahm die Rolle des wissenschaftlichen und technischen Beraters. 333 Die meiste technische Hintergrundinformation, anhand derer sich die Delegierten orientierten, war von der FAO erarbeitet und zur Verfilgung gestellt worden. 334 Zum Beispiel wurden Hintergrunddaten über einige der wichtigsten Themen wie das Vorsorgeprinzip und die Anhaltspunkte filr die Bewirtschaftung der Fischvorkommen von der FAO erarbeitet. 335 In weiteren Aufgabenbereichen blieb die FAO gleichzeitig unter eigener Regie tätig. So erarbeitete die FAO parallel zum Verlauf der Konferenz das davon unabhängige Compliance Agreement, sowie den Code of Conduct on Responsible Fisheries.
b)NGOs aa) Rolle im internationalen Gefüge im Überblick
Im traditionellen Völkerrecht haben Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nicht die Qualität eines Völkerrechtssubjektes. 336 Sie beruhen auf privatrechtlicher Grundlage, haben aber international Bedeutung. Ihre Existenz wird allgemein anerkannt, welchen Einfluß diese Organisationen auf internationale Gesetzgebung aber haben, wird bislang nur in wenigen Lehrbüchern erläutert. 337 Im System der Vereinten Nationen spielten NGOs trotzdem von Beginn an eine immer größer werdende Rolle. 338 Im Umweltbereich haben NGOs bereits mit Vgl. oben, Vorgeschichte, am Anfang von Teil 2. Gemäß Rule 57 stand Vertretern der FAO als Spezialorganisation ein Teilnahmerecht ohne Abstimmungsrecht zu, UN Doc. NCONF.I64/6, S. 15. 334 Doulman, FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 30; vgl. z. B. UN Doc. NCONF.I64/INF.2, 8, 9. 335 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 83. 336 Z. B. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 416; vgl. aber die Untersuchung bei Hempel, Völkerrechtssubjektivität, 2. und 4. Teil. 337 Sands, The Role of NGOs in Enforcing International Environmental Law, in: Butler (Hrsg.), Control over Compliance, S. 61 f.; ausführlicher Überblick über Status und Betätigungsfelder allerdings in DahmiDelbrück/Woljrum, Völkerrecht 1/2, § 108, im Druck. 338 Zur Geschichte der NGOs und deren Bedeutung im UN-System ausführlich Sea'1, The Early History, S. 25 ff., sowie zu ihrem Status: Willetts, Consultative Status for NGOs at the United Nations, S. 31 ff., beide in: Willetts (Hrsg.), The Conscience of the World; Hempel, Völkerrechtssubjektivität, 3. Teil l. Abschnitt. 332 333
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großem Einfluß auf Verhandlungen an zahlreichen internationalen Konferenzen teilgenommen, insbesondere auch an den Gipfeln von Stockholm und Rio. 339 DarUberhinaus haben sie einen beachtlichen Einfluß auf die öffentliche Meinung. Inzwischen ist es üblich, den spezialisierten NGOs - selbst wenn sie an sich gar nicht international strukturiert sind - die Teilnahme an ihren Aufgabenbereich betreffenden internationalen Konferenzen als Beobachter und Berater zu gestatten. 340
bb) Rolle der NGOs während der Konferenz
Während der organisatorischen Sitzung wurde die Stellung der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kontrovers diskutiert. Hier standen sich Entwicklungsländer und Industrienationen gegenüber. Während die Industrienationen eine möglichst weitgehende Beteiligung forderten, filrchteten die Entwicklungsländer eine zu sehr dominierende Rolle der - oft aus Industrieländern stammenden - NGOs. Als Komprorniß wurden die NGOs, deren Beteiligung in der UNGA Resolution 47/192 gefordert worden war, als Beobachter mit einem begrenzten Rederecht zugelassen. 34 \ Damit hatten die 74 NGOs, die an der Konferenz über gebietsübergreifende und weit wandernde Fischarten teilnahmen, einen ähnlichen Beobachterstatus bei öffentlichen Verhandlungen auch in untergeordneten Gremien der Konferenz342 wie bereits in Stockholm oder Rio. Außerdem konnte der jeweilige Vorsitzende eines Gremiums ihnen gestatten, zur gerade zu behandelnden Frage ein mündliches Statement abzugeben. 343 Auch die Abgabe schriftlicher Erklärungen über das Sekretariat war filr die NGOs wie filr alle Organisationen möglich. 344 339 Vgl. Willetts, Consu1tative Status for NGOs at the United Nations, in: Conscience of the Wor1d, S.49; Kiss/Shelton, International Environmental Law, S. 241; eine ausfilhrliche Darstellung des wachsenden Einflusses von NGOs im Umweltbereich bei Morphet, NGOs and the Environment, in: Willetts (Hrsg.), Conscience ofthe World, S. 166 f1; sowie bezüglich der seerechtlichen Rolle: Hewison, The Role of Environmental Nongovernmental Organzations in Ocean Governance, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 31 ff. 340 Willetts, Consultatve Status for NGOs at the United Nations, in: Conscience of the World, S. 49; Hempel, Völkerrechtssubjektivität, 3. Teil, 3. Abschnitt. 34\ Hayashi, Analysis of the 1993 Sessions, Ocean Yearbook 11 (1994), S. 31 f.; Report of the Organizational Session, UN Doc. AlCONF .16419, § 20, zur Rolle der NGOs während der Verhandlungen genauer später in diesem Teil. 342 Rule 55 der Rules ofProcedure, UN Doe. AlCONF.164/6, S. 14 f., die Frage, wie weitgehend der Einfluß der NGOs sein sollte, war während der organisatorischen Sitzung zwischen Industrienationen einerseits und Entwicklungsstaaten and~rerseits umstritten, vgl. oben. 343 Rule 55 Abs. 2. 344 Rule 62. 11 Ziemer
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Ein Recht zur Abstimmung stand ihnen dagegen nicht zu. Zahlreiche Verhandlungen fanden allerdings in den sogenannten "infonnal-infonnals" hinter verschlossenen Türen statt; hier wurden die NGOs nicht beteiligt.345 Die Einladung der NGOs zur Konferenz ergab sich direkt aus der UNGA Resolution 47/192. Nach traditionellem Vorgehen innerhalb der UN wurde betont, daß deren Mitglieder nur die Staaten sind. Organisationen können daher nur Beobachter oder Berater sein, aber kein Stimmrecht haben. 346 In jüngerer Zeit wurde aber immer mehr vom Prinzip der mehrheitlichen Abstimmung abgerückt, so wie auch während der Konferenz über gebietsübergreifende und weit wandernde Fische: Das FSA kam durch schlichten, stillschweigenden Konsens der Delegierten zustande. Durch diese Art der Enscheidungsfindung wird die Bedeutung einer Abstimmung gemindert. Dies stärkt das Gewicht derjenigen, die gar kein Abstimmungsrecht haben. Damit wächst auch der Einfluß der NGOs. Dies begründet sich vor allem durch folgendes: sie verfügen nicht nur über besonders gut ausgebildetes und spezialisiertes Personal und die nötigen finanziellen Mittel in ihrem jeweiligen Bereich, sondern haben etwa zum Beispiel durch professionelle Öffentlichkeitsarbeit großen Einfluß auf Tendenzen bei der Meinungsbildung von Delegierten wie der Öffentlichkeit. Bereits auf anderen UN-Konferenzen haben NGOs zwei Techniken entwickelt, um Einfluß auf das Ergebnis zu haben: die Bildung von Foren und das Herausgeben eigener Zeitungen. 347 Diese Taktik zeigte auch während der "Fischkonferenz" ihre Wirkung. In den Sitzungen der Konferenz übten NGOs ihren Einfluß vor allem durch zahlreiche schriftliche wie mündliche Erklärungen aus. 348 Die meisten zur Konferenz akkreditierten Organisationen waren besonders gut vorbereitet, organisierten Treffen zwischen den offiziellen Sitzungen und koordinierten ihre Ansichten untereinander, um bei den Sitzungen gemeinsame Positionen zu vertreten bzw. die Ergebnisse der Sitzungen untereinander auszutauschen. 349 Am Ende der Konferenz, im Juli 1995, gaben zum Beispiel 104 NGOs gemeinsam eine Erklärung ab, in der sie die Dringlichkeit des Ergreifen von Maßnahmen beton-
345 de Fontaubert, Another Step in the Imp1ementation of the Law of the Sea Convention, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 84; etwa während der dritten Sitzung, in der filnf von 14 Verhandlungstagen hinter verschlossenen Türen stattfanden. 346 Willetts, Consu1tative Status for NGOs at the United Nations, in: Conscience of the World, S. 50. 347 Ders., S. 51. 348 Zusammengefaßte Beispiele dafilr in Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7. 349 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 83, Doulman, Structure and Process of the 1993-1995 UN Conference, FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 31.
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ten und Lösungsvorschläge zu den ihrer Meinung nach wichtigsten Problemen unterbreiteten. 35o Wichtiger Meinungsbildungsfaktor während der Konferenz und vor allem begehrte Informationsquelle bei den Delegierten war auch das Earth Negotiations Bulletin, das das International Institute for Sustainable Development während der Sitzungen täglich herausgab. In diesem hatten die Autoren unter anderem die jeweiligen Ergebnisse des Vortages bzw. der vorhergehenden Sitzungsperiode, Dokumente und noch zu behandelnde Tagesordnungspunkte übersichtlich zusammengefaßt. Obwohl zahlreiche Staaten der gewichtigen Rolle der NGOs während der Konferenz verhältnismäßig skeptisch gegenüberstanden, wurde die technische Hilfe doch allgemein anerkannt, die diese Organisationen zur Verfügung stellten. 351 Einige Delegationen unterstrichen die neue Rolle der NGOs sogar dadurch, daß sie Vertreter der Organisationen in ihre eigenen Delegationen aufnahmen. Dadurch hatten diese NGO-Vertreter eine uneingeschränkte Akkreditierung zu allen Sitzungen und konnten den anderen Organisationen die Inhalte der Debatten weitergeben. 352
ce) Zukünftige Aufgaben in Fischereiorganisationen
Die Bedeutung der NGOs während der "Fischkonferenz" entspricht damit im wesentlichen der Rolle, die diese Organisationen während der vergangenen Jahre im System der Vereinten Nationen übernommen haben: sie haben zwar kein Stimmrecht, übernehmen aber als flihige Ermittier von Informationen und Daten sowie durch technische Hilfeleistung wichtige Arbeit und werden damit für solche Konferenzen im Grunde unverzichtbar. Die jeweiligen Delegierten der Staaten sind oft weder technisch in der Lage, diese Rolle selbst zu übernehmen, noch stehen die finanziellen Mittel dafilr zur Verfilgung. Die gleiche Rolle, die die NGOs während der "Fischkonferenz" gespielt haben, sollen sie nach dem Wortlaut des FSA künftig auch in regionalen oder subregionalen Organisationen in ähnlicher Form übernehmen. Nach Art. 12 un-
350 Text abgedruckt als Annex 2 in Greenpeace, Analysis. Die 104 NGOs setzen sich aus nationalen wie internationalen Umweltschutzorganisationen, Fischereigewerkschaften und anderen Organisationen zusammen. 351 Doulman, Structure and Process of the 1993-1995 UN Conference, FAO Fisheries Circular No. 898, FID/C898, S. 31. 352 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management, 1995, S. 83.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
ter der Überschrift "Transparenz der Arbeitsweise" soll gemäß Abs. 2 unter anderem Vertretern von NGOs die Teilnahme an Sitzungen nach Maßgabe der Verfahren der jeweiligen Organisation eingeräumt werden. Dabei sollen diese Verfahren nicht zu restriktiv sein. 353 Allerdings ist das FSA wenig konkret wann ein Verfahren zu restriktiv ist,wird nicht geklärt. 354 Ferner ist NGOs ebenso wie zwischenstaatlichen Organisationen Einblick in die aktuellen Unterlagen und Berichte zu gewähren. Damit wird den NGOs eine Art Kontrollfunktion eingeräumt. Dies wiederum läßt den Schluß zu, daß die NGOs insgesamt im Bereich internationaler Fischerei zwar nicht als Völkerrechtssubjekte im ursprünglichen Sinne anerkannt werden, so aber doch wenigstens als eine Art Rechtssubjekte sekundären Rechts eigene Kompetenzen im internationalen GefUge haben. m
c) Europäische Gemeinschaft Die EG hat bereits im Dezember 1984 die Seerechtskonvention unterzeichnet. Vertreter der Gemeinschaft sowie Delegationen der einzelnen Mitgliedstaaten nahmen gleichzeitig an den Verhandlungen der "Fischkonferenz" teil. Es drängt sich daher die Frage nach Zuständigkeit und Rolle der EG in Fischereifragen auf.
aa) Zuständigkeit der EG
Die Zuständigkeit der EG zur Regelung von Fischereifragen ergibt sich aus den Vorschriften der Verträge von Rom. 356 Gemäß Art. 210 EGV besitzt die Gemeinschaft eigene Rechtspersönlichkeit. In Bereichen, in denen die EG ausschließliche Zuständigkeit besitzt, hat sie daher extern die Kompetenz zum Abschluß internationaler Verträge. 357 Nach Art. 228 Abs. 7 EGV sind die Abkommen fUr die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verbindlich. 358
Art. 12 Abs. 2 Satz 2. Sulton, Reversing the Crisis, S. 20. m Der Begriff der "beschränkten, sekundären oder mittelbaren Völkerrechtssubjektivität" wird verwendet in DahmiDelbrückiWolfrum, Völkerrecht 1/2, § 108, II 3 b; vgl. auch Hempel, Völkerrechtssubjektivität, 3. Teil, 3. Abschnitt. 356 In der Neufassung von 1993: BGBI. 1993 II S. 1947. 357 Oppermann, Europarecht, RN. 1608. 358 Zur Wirkung von völkerrechtlichen Verträgen im EG-Rechtsraum Peters, The Position of International Law Within the European Community Legal Order, GYIL 40 (1997), S. 5 ff., 42 ff. 353
354
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Indem Art. 38 Abs. I Satz 2 EGV einerseits Erzeugnisse der Fischerei unter den Begriff der Landwirtschaft faßt und Art. 3 lit. d EGV andererseits für die Landwirtschaft sowie fUr die Fischerei die Annahme einer gemeinsamen Politik fordert, ist die inhaltliche Zuständigkeit der Gemeinschaft für Fischereifragen eindeutig gegeben. 359 Die räumliche Zuständigkeit der EG gilt für Gebiete, in denen der EGV Geltung hat. Diese ergibt sich aus Art. 227 EGV: die Gebiete der Mitgliedstaaten einschließlich derjenigen Gebiete, über die diese kraft Völkerrecht Hoheitsrechte ausüben. 360 Damit ist die Gemeinschaft unter anderem auch fUr Fischerei- oder Wirtschaftszonen sowie filr Fischfang betreibende Seeschiffe zuständig. Aus der Tatsache, daß Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen der Meere von den Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft durch den EGV übertragen wurden, folgt, daß sich die Zuständigkeit der EG bezüglich dieser Fragen auf die der einzelnen Fischereigerichtsbarkeit unterliegenden Gewässer sowie die Hochsee erstreckt. 361 Diese Kompetenz der EG beinhaltet das Festlegen von Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Meeresressourcen und die Sicherstellung dessen, daß die Mitgliedstaaten Vorkehrungen zur Durchsetzung dieser Maßnahmen treffen. 362 Damit hat die EG aber keine einem Flaggenstaat gleichzusetzende Kompetenz gegenüber den Schiffen, die unter den Flaggen ihrer Mitgliedstaaten fahren. Denn vor allem solche Durchsetzungsmaßnahmen, die sich auf Kapitäne oder sonstige Besatzung der Fischereifahrzeuge beziehen, wie etwa Verweigerung, Entzug oder Aussetzung der betreffenden Fang- oder Arbeitserlaubnis oder auch die Ausübung von Hoheitsgewalt über Schiffe auf Hoher See fallen nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft, sondern in die der jeweiligen Mitgliedstaaten. Dies gilt insbesondere filr Durchsetzungsmaßnahmen durch andere als den Flaggenstaat. Gemischte Zuständigkeiten wie bei Duchsetzungsmaßnahmen bestehen weitherhin bei den Bedürfnissen von Entwicklungsstaaten, bei wissenschaftlicher Forschung, Hafenstaatsmaßnahmen und bezüglich des Verhaltens gegenüber Nichtmitgliedern. 363 Damit liegt bezüglich der verschiedenen Punkte, die das FSA behandelt, eine gemischte Zuständigkeit von EG und Mitgliedstaaten vor. 364 Auch bei der dritten Seerechtskonferenz war bereits eine solche Form
Vgl. Churchill, EC Fisheries and an EZ, ODIL 1992, S. 147. Vgl. Z. B. EuGH RS 61/77, Slg. 1978, S. 417 tf., Anmerkung Beutler in EuR 1978, S. 266, 271. 361 S. Erklärung über die Zuständigkeit der EG Punkt 5, Auszug aus einem Entwurf eines Protokolls über die 1935. Tagung des Rates (Fischerei), Aktenzeichen 7971/96 Ext I. 362 Erklärung über die Zuständigkeit der EG Punkt 6. 363 Erklärung über die Zuständigkeit der EG Punkt 8. 364 Überblick zu gemischten Abkommen bei Oppermann, Europarecht, RN. 1656 m. w.N. 359 360
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
gemischter Zuständigkeiten gegeben. An dieser hatte die Gemeinschaft mit einer Kommissionsdelegation teilgenommen. 365 Dort wurde die Aufuahme einer speziellen Klausel zur Unterzeichnung der SRK durch internationale Organisationen erreicht. 366
bb) Teilnahme der EG an der Konferenz In welcher Form die EG an der Konferenz über gebietsübergreifende und weit wandernde Fischarten teilnehmen sollte, wurde während der organisatorischen Sitzung kontrovers diskutiert. Es ging vor allem darum, eine Überrepräsentation ihrer Mitgliedstaaten zu vermeiden. Andererseits forderten die Vertreter der Gemeinschaften, anders als bei internationalen Organisationen üblich, nicht nur als Beobachter zugelassen zu werden. 367Die EG sollte nach ihrer Auffassung wie ein vollwertig teilnehmender Staat behandelt werden. Andererseits war auch klar, daß ihr keine eigenen Stimmrechte zugestanden werden durften, um nicht die Stimmenzahl der EG-Mitgliedstaaten insgesamt zu erhöhen. 368 Die erzielte Einigung wird in Regel 2 und Regel 30 der "Rules of procedure"369 widergespiegelt: die Repräsentanten der EG sollen in Angelegenheiten der Zuständigkeit der EG teilnehmen, ohne dort Stimmrecht zu haben und so die Form der Vertretung der Mitgliedstaaten zu erhöhen. Die Vertreter der Gemeinschaften hatten damit ihrem Platz im Plenum wie jeder andere Staat auch, in diesem Falle zwischen Ägypten (Egypt) und Fiji. 370 Während der Verhandlungen lief die Teilnahme der EG und ihrer Mitgliedstaaten damit darauf hinaus, daß die Kommission rur die EG im wesentlichen die Verhandlungen fiihrte, nachdem die Positionen der Staaten zuvor in Brüssel abgestimmt worden waren. 371 An den eigentlichen Abstimmungen nahmen dann nur die Staaten teil, stimmten aber einheitlich ab. Die Position der Gemeinschaft während der Verhandlungen wurde zum Teil als "delikat" bezeichnet. 372 Das war unter anderem auf die Bedingungen zUTÜck-
365 Oppermann, Europarecht, RN 1659. 366 Art. 305 Abs. I Iit. f SRK und Anlage IX; die EWG hat die SRK 1992 signiert und dabei eine Erklärung über die Zuständigkeiten abgegeben, UN Doc. ST/LEG/SER.E/IO (1992), S. 801. 367 Hayashi, Analysis of the 1993 Sessions, Ocean Yearbook II (1994), S. 31. 368 Vgl. Hayashi, Analysis ofthe 1993 Sessions, Ocean Yearbook II (1994), S. 31. 369 UN Doc. NCONF.I64/6. 370 Anderson, CUTTent Developments, Int. Comparative Law Quarterly 1996, S. 466. 371 Vgl. Anderson, CUTTent Developments, Int. and Comparative Law Quarterly 1996, S. 466 f. 372 de Fontaubert, The Politics ofNegotiation, S. 85.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
167
zufilhren, unter welchen 1986 Spanien der Beitritt zur Gemeinschaft ermöglicht wurde: Teil der Beitrittsbestimmungen war gewesen, daß über einen längeren Zeitraum hinweg die spanische Flotte nicht in den übrigen europäischen Gewässern fischen durfte und noch darf. 373 Resultat dessen war, daß die spanische Flotte außerhalb Europas, insbesondere vor Kanada und Namibia fischte. In die Zeit der Verhandlungen der Fischkonferenz fiel der Konflikt zwischen Kanada und Spanien um die "Estai", in dem die EG durch ihre besondere interne Situation gezwungen war, die Interessen Spaniens zu vertreten. 374 Während der Konferenz fand auch die Aufnahme der drei neuen EU-Mitglieder Schweden, Finnland und Österreich statt, wodurch die Verhandlungen der Mitgliedstaaten untereinander schwieriger wurden und die Position der Gemeinschaft während der "Fischkonferenz" etwas aufweichte. 375 Das lag vor allem daran, daß nun nicht mehr nur die Interessen von zwölf, sondern von 15 Staaten zu berücksichtigen waren. Dadurch wurde die Angleichung der Positionen erschwert.
ce) Art. 47 FSA Im FSA wurde schließlich eine ähnliche Regelung getroffen wie in Art. 305 Abs. I Iit. f SRK: es wurde in Art. 47 FSA eine speziell auf die EG gemünzte Klausel aufgenommen, die die Teilnahme internationaler Organisationen bei gemischten Zuständigkeiten vorsieht. Interessant ist dabei die Festlegung, daß gemäß Art. 47 Abs. 2 lit. c FSA im Falle eines Konfliktes zwischen diesem und dem EGV das erstere den Vorrang genießt. Dies bedeutet, daß die EG mit Unterzeichnung des Abkommens ihre eigene vertragliche Grundlage hinter ein außergemeinschaftliches internationales Vertragswerk stellt und so den EGV beschränkt. Damit verzichtet die Gemeinschaft praktisch auf eigene souveräne Rechte - die jedoch selbst nur von den Mitgliedstaaten abgeleitet sind. Die Frage der Kompetenz der Gemeinschaft, solche Rechte weiter zu übertragen, wäre in der Theorie spannend zu klären, würde aber ebenfalls den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Insofern bleibt die Feststellung, daß im Falle einer Zeichnung durch die EG auch die einzelnen Mitgliedstaaten zeichnen. Damit autorisieren die Mitgliedstaaten die Gemeinschaft gleichzeitig zum Kompetenzverzicht und umschiffen so das juristische Problem mit einer technischen Lösung. Genau dies ist bereits im Jahr 1996 geschehen: am 27. Juni wurde die Zeichnung der Europäischen Union vorgenommen. Gleichzeitig zeichneten Österreich, Dänemark, 373 Churchill, EC Fisheries and an EZ, S. 152; Iberian Act of Accession, Art. 156166 und 347-353, 19850.1. (L302) I. 374 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 85. 375 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 85.
168
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Finnland, Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg, Portugal, Schweden und das Vereinigte Königreich. Sämtliche anderen Mitglieder der Union haben ebenfalls in den folgenden Wochen und Monaten gezeichnet, als letzte Länder Spanien und Frankreich am 3. bzw. 4. Dezember 1996. Insgesamt entspricht die Teilnahme der EG an der "Fischkonferenz" in etwa derjenigen an der Seerechtskonferenz. Eine Ausweitung geltenden internationalen Rechts bezüglich der Teilnahme internationaler/supranationaler Organisationen an internationalen Verhandlungen ist nicht zu erkennen. Die Entwicklung, nach welcher der Gemeinschaft an internationalen Konferenzen mehr und mehr der Status eines vollwertigen Teilnehmers ohne eigenes Stimmrecht gewährt wird, sieht sich jedoch erneut bestätigt.
XI. Annexe Das Fish Stocks Agreement enthält schließlich zwei Annexe. In Anlage I werden Richtlinien filr die Erfassung und den Austausch von Daten aufgestellt, in Anlage 11 Leitlinien filr die Beachtung vorsorglicher (precautionary) Bezugswerte bei der Erhaltung und Bewirtschaftung der betroffenen Fischbestände. Die beiden Anlagen sind gleichzeitig mit dem Abkommen von der Konferenz angenommen worden und bilden einen integralen Bestandteil des Abkommens.
XII. Beurteilung: Durchffihrung oder Änderung der SRK Der Titel des Abkommens lautet "Durchfilhrungsübereinkommen" bzw. "implementation agreement". Dies könnte darauf schließen lassen, daß es sich bei dem FSA um ein von der SRK abhängiges Instrument handelt. Die Form des Abkommens spricht jedoch eher dafilr, daß es sich um ein Instrument mit eigener Qualität handelt. Es ist finden sich zwar zahlreiche Anlehnungen an die Vorschriften der SRK, doch ist das FSA wie ein eigener Vertrag verhandelt worden. Auch die übrigen Formalitäten sind die eines selbständigen völkerrechtlichen Vertrages. Nach Art. 37 lag das Übereinkommen für 12 Monate zur Unterzeichnung aus, es bedarf nach Art. 38 der Ratifikation. Dies spricht dafür, daß es sich beim FSA um einen eigenständigen internationalen Vertrag handelt. Es könnte sich aber dennoch um eine vertragliche Durchführung der SRKVorschriften handeln. Dies indiziert der Titel. Ferner ist in Art. 4 FSA aus" drUcklich festgehalten worden, daß in keiner Weise die Rechte, die Hoheitsgewalt und die Pflichten der Staaten nach der SRK berUhrt werden sollen und das FSA im Zusammenhang und in Übereinstimmung mit der SRK ausgelegt werden soll.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
169
Die vorstehende Untersuchung hat jedoch ergeben, daß das FSA in zahlreichen Einzelpunkten Bestimmungen enthält, die über das in der SRK Vorgesehene hinausgehen. Deutlich ist zum einen, daß in bezug auf Fischereifragen der Fokus erstmals auf Aspekte des Umweltschutzes gerichtet wird. Ganz konkret liegen Abweichungen von der SRK vor, soweit es um Eingriffe in die traditionelle Freiheit der Fischerei auf der Hohen See und das damit verbundene Flaggenstaatsprinzip geht. Beide sind in der SRK ausdrücklich bestätigt. Im FSA ist dagegen keine Rede mehr von dieser Freiheit, sie wird nicht in einem Wort erwähnt. 376 Sie wird allerdings auch nicht explizit aufgehoben. Sind aber einmal die Bestimmungen des FSA ausgeführt, RFOs gegründet bzw. verstärkt und Maßnahmen ergriffen worden, so bedeutet dies schließlich doch eine Verteilung der gesamten Ressourcen unter den Teilnehmern. Für Nicht-Teilnehmer bleibt von dem "Kuchen" nichts übrig, und damit ist für sie die Fischereifreiheit beendet. Aufgrund dieser zahlreichen Eingriffe in die Fischereifreiheit stellt sich noch einmal zusammenfassend die Frage, ob diese diversen Bestimmungen des FSA zusammengenommen überhaupt noch als "Durchführung" der SRK angesehen werden können.
J. Durchführung
Dies kann nur solange der Fall sein, wie es sich um weiterführende Interpretationen der Bestimmungen der Konvention handelt. Solche sind immer dann zu vermuten, wenn bereits vor Beginn der Verhandlungen zum FSA unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten einzelner Bestimmungen der SRK aufgetreten sind. Dann können die im FSA getroffenen Regelungen als gemeinsame Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Möglichkeit angesehen werden. Dies gilt etwa im großen und ganzen für die bereits allgemein geltende Verpflichtung der Staaten zur Zusammenarbeit: den Staaten werden Richtlinien zur Verfilgung gestellt, die Auskunft darüber geben, wie solche Zusammenarbeit konkret zu erfolgen hat. Dies kann etwa durch die GrUndung oder Stärkung von RFOs und damit durch eine Institutionalisierung der Verwaltung der Fischbestände geschehen. 377 Ähnliches gilt zum Beispiel bezüglich der Themen "Vorsorgeprinzip" und "Grundsatz der nachhaltigen Nutzung der lebenden Ressourcen". Hier geht es um Prinzipien, die in der SRK keine deutliche Ausprägung gefunden haben,
Lucchini/Voelckel, Droit de la Mer 2/2, S. 690. Vgl. Tahindro, Conservation and Management of Transboundary Fish Stocks, ODIL 1997, S. 50. 376
377
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
bzw. zur Zeit, als die SRK geschlossen wurde, noch nicht als notwendig angesehen wurden. Sie widersprechen der SRK aber auch in keiner Weise, und sie haben inzwischen in der Völkerrechtspraxis stetigen Niederschlag gefunden. Rudimentäre Anlagen dieser Prinzipien sind auch in der SRK selbst zu finden. Wenn im FSA Leitlinien zur Anwendung dieser Prinzipien in der Praxis entwikkelt werden, so geht es letztlich darum, geltende Prinzipien zu konkretisieren und damit tatsächlich im normalgebräuchlichen Wortsinn "durchzufiihren". Die Gründung regionaler Fischereiorganisationen ist bereits in der SRK angeregt worden. Durch die Vorschriften des FSA wird den Staaten eine Richtlinie gegeben, anhand derer die Gründung und spätere Arbeit dieser Organisationen oder Übereinkünfte auf einen weltweit ähnlichen Standard gebracht werden kann. Auch dabei handelt es sich also um klassische Durchfilhrungsvorschriften. Ebenso läßt sich bezüglich der Pflichten des Flaggenstaates gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen und Schiffen unter seiner Flagge urteilen. Gemäß dem Flaggenstaatsprinzip hat der jeweilige Heimatstaat ausschließliche Jurisdiktion über die Schiffe unter seiner Flagge. Dies bedeutet aber auch, daß diese Jurisdiktion in irgendeiner Form tatsächlich stattzufinden hat. Durch die Art. 18 ff. klärt das FSA, wie dies in Einzelheiten auszusehen hat. Dabei handelt es sich also nur um eine Konkretisierung der bestehenden Pflicht. Zahlreiche Artikel des FSa enthalten damit praktisch anwendbare Vorschriften, die den Mitgliedstaaten Hilfestellung bei der Befolgung und Interpretation der SRK geben und diese konkretisieren.
2. Über Durchführung hinausgehend
a) Auflistung Andererseits enthält das Fsa vor allem zwei innovative Punkte, die nach der vorstehenden Untersuchung weit über das bisher geltende Seerecht hinausgehen. Zum einen geben die in ihm vorgesehenen Mechanismen internationaler Zusammenarbeit in Art. 8 Abs. 4 die Erlaubnis, Drittstaaten von den Fanggründen einer RFO auszuschließen. Über Art. 17 wird es den Mitgliedern einer RFO erlaubt, gegenüber Nichtmitgliedern aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um sie zur Einhaltung der "Spielregeln" zu zwingen. Dazu können Staaten, die nicht Mitglied des FSA sind, gemäß Art. 33 Abs. 2 mit Maßnahmen konfrontiert werden, die sie zur Einhaltung der auferlegten Spielregeln zwingen. Gesetzt den Fall, daß eine ausreichende Anzahl von Staaten in einer bestimmten Region Mitglied des FSA werden, wird es damit de facto auch fiir Nichtmitglieder schwierig, wenn nicht gar rechtlich unmöglich, sich den Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen einzelner RFOs noch zu widersetzen. 378 De facto haben diese Vorschriften damit letztlich doch eine Änderung geltenden Seerechts zur Folge:
C. Gegenüberstellung der Inhalte
171
sie heben das in der SRK. bestätigte traditionelle Prinzip der Freiheit der Fischerei auf. Zum anderen gehen die Aktionen, die gemäß Art. 21 FSA zur Durchsetzung von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen gegenüber Schiffen unter fremder Flagge im Hafen eines Staates oder auf der Hohen See ergriffen werden können, deutlich über die bisher geltenden Einschränkungen der ausschließlichen Flaggenstaatsjurisdiktion hinaus. 379 Hier handelt es sich im Gegensatz zu den zuvor genannten Punkten nicht ausschließlich um die Konkretisierung geltender Prinzipien. Vielmehr werden traditionelle souveräne Rechte von Staaten - die möglicherweise nicht einmal Mitglied des Abkommens sind - eingeschränkt. Die Einschränkung dieser Rechte könnte allerdings auch als eine Weiterentwicklung und Konkretisierung der geltenden Verpflichtung der Staaten zur Zusammenarbeit verstanden werden. Die Freiheit der Fischerei, so ließe sich argumentieren, werde zwar in der SRK. bestätigt, sei aber auch in dieser schon nicht mehr uneingeschränkt gewährleistet. Jedes Recht beinhalte gleichzeitig auch eine ihm entsprechende Pflicht. Die eigene Fischereifreiheit auszuüben bringe danach die Verpflichtung mit sich, dieselbe Freiheit bei anderen Staaten zu respektieren. 38o Die Einschränkungen der Fischereifreiheit entsprächen demnach der Pflicht zur Erhaltung der Fischbestände bzw. der Pflicht, die Fischereifreiheit der anderen Staaten in ihrer Substanz zu gewährleisten. Die genaue Ausgestaltung dieser Einschränkungen könne dann als Durchfilhrung gelten. 381 Durch das FSA erhalten diese Einschränkungen aber wie gezeigt eine andere rechtliche Qualität. Zum einen wird die Freiheit, in bestimmten Regionen der Hohen See zu fischen, an die konstitutive Voraussetzung der Mitgliedschaft in einer RFO gebunden. Zum anderen wird aus der in der SRK. nur gestatteten Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen, um Nichtmitglieder zu RFO-konformem Verhalten zu bewegen, ein rechtliches Gebot.
378 Hayashi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coastal Management 1995, S. 66. 379 Hayashi, Significance for the Law of the Sea Convention, Ocean and Coastal Management 1995, S. 66. 380 Vgl. Oxman, The International Commons, S. 40 unter Verweis auf z. B. Art. 87 Abs.2 SRK. 381 Vgl. de Fontaubert, Another Step in the Implementation of the Law of the Sea Convention, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 87 f.
172
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
b) Vergleich mit dem Durchfiihrungsabkommen zu Teil XI SRK Was das Verhältnis des FSA zur SRK angeht, läßt sich zum Schluß noch einmal 382 auf das Übereinkommen zur Durchfiihrung des Teiles XI der SRK383 verweisen. Dieser Teil war der umstrittenste der gesamten Konvention und fand insbesondere bei den Industriestaaten keine Zustimmung. Die USA etwa zeichneten die SRK hauptsächlich wegen dieses Teils nicht. 384 Sie wünschten keine Begrenzung der Menge oder Methoden der Ausbeutung der Ressourcen des Meeresbodens durch die Meeresbodenbehörde und lehnten zum Beispiel den obligatorischen Technologietransfer oder die ökonomische Hilfe fiir Entwicklungsländer ab. 385 Diesen Problemen sollte mit dem Abschluß des DurchfUhrungsabkommens von 1994 entgegnet werden, welches die USA auch sogleich nach der Einigung zeichneten. Durch das "DurchfUhrungsübereinkommen" wurden einige Vorschriften der SRK zum Teil ganz erheblich abgeändert, um sie den Bedürfuissen der Industriestaaten anzupassen. 386 So wurden unter anderem die Regeln der SRK zur Produktionsbegrenzung387 oder zur Weitergabe von Technologie388 schlicht fiir unanwendbar erklärt und durch allgemeine Kooperationsverpflichtungen ersetzt. Finanzielle Verpflichtungen ftlr Staaten und private Investoren wurden erleichtert, die Kompetenzen des Unternehmens gekürzt. 389 Diese Bedingungen sind natUrIich fiir diejenigen Staaten, die tatsächlich Tiefseebergbau betreiben wollen, erheblich einfacher zu erftlllen. Um diese Vorschriften noch "Durchftlhrung" und nicht "Änderung" nennen zu können, haben die Delegierten eine besondere Lösung gefunden. Diese enthält zwei Schritte. In Art. 2 Abs. 1 Satz 1 sieht das FSA vor, daß es gemeinsam mit Teil XI SRK als ein einziges Vertragsinstrument angewendet und interpretiert werden soll. Im Falle von Widersprüchen sollte dann nur das Durchfilhrungsabkommen anwendbar sein. Damit wird gewährleistet, daß Teil XI SRK
Vgl. bereits oben, Einfiihrung zu Teil 2. BGBI. 1995 11, S. 479, in Kraft seit 28. Juli 1996. 384 Oxman, The 1994 Agreement and the Convention, AJIL 1994, S. 687. 385 Standard, The Changing of the Guard, Ocean Yearbook 12 (1996), S.55 m.w.N. 386 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management 1995, S. 87: " ... the 1994 Agreement, wh ich ,fixes' the provisions of Part XI ... " Zum Verhältnis des I 994er Abkommens zur SRK Oxman, The 1994 Agreement and the Convention, AJIL 1994, S. 687 1f.; Anderson, Resolution and Implementation Agreement: A General Assessment, ZaöRV 1995, S. 280 ff. 387 Anlage zum FSA, Abschnitt 6 Abs. 7. 388 Anlage zum FSA, Abschnitt 5 Abs. 2. 389 Vgl. Oxman, The 1994 Agreement and the Convention, AJIL 1994, S. 695. 382 383
C. Gegenüberstellung der Inhalte
173
"übereinkommenskonfonn" auszulegen ist. Das Übereinkommen wird so im großen und ganzen zu einer Auslegungshilfe, nicht zu einer Änderung. 390 Die Interpretation dieser Vorschriften wird dem einzelnen Anwender überlassen. Werden aber Vorschriften des alten Abkommens fiir nicht anwendbar erklärt und durch neue ersetzt, so ist dies nach juristischen Verständnis keine Interpretation mehr, sondern eine Änderung. Trotzdem wurde dieser Weg von den Parteien eingeschlagen. Diese Taktik könnte theoretisch auch auf den insoweit vergleichbaren Bereich der lebenden Ressourcen der Hohen See ausgedehnt werden. Dazu ist auf Art. 4 Satz 2 FSA zu verweisen, wonach das Übereinkommen im Zusammenhang und in Übereinstimmung mit der SRK. ausgelegt und angewandt wird. Nach dieser Vorschrift handelt es sich diesen Überlegungen folgend auch nur um eine Auslegungshilfe. Es ist allerdings im Laufe der Untersuchung bewiesen worden, daß einzelne Vorschriften nicht nur interpretativ wirken, sondern rechtsfortbildend. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß Sinn und Zweck des Durchftlhrungsabkommens zu Teil XI einzig war, die SRK. für alle Staaten akzeptabel zu machen. 391 Das "alte" Tiefseebodenregime war hauptsächlich von Entwicklungsstaaten akzeptiert worden. Es mußte an die Bedürfnisse der Industriestaaten angepaßt werden. Sinn und Zweck des FSA ist es dagegen, von allen Staaten gleichennaßen anerkannte Lücken der SRK. zu schließen. Die Vorgehensweise bei der Änderung des Tiefseebodenregimes und dessen rechtlicher Status lassen sich daher nicht ohne weiteres auf das FSA übertragen. Allerdings läßt sich aus beiden Durchftlhrungsabkommen gemeinsam folgendes schließen: die SRK. ist nicht statisch, sondern die Mitgliedstaaten sind durchaus gewillt, das Vertragswerk veränderten Gegebenheiten anzupassen. Die Konvention befindet sich damit auch nach ihrem Inkrafttreten noch in einem Prozeß der Entwicklung. 392 Im Zeitalter der Telekommunikation ist auch nicht mehr einzusehen, daß Vertrags instrumente, die zur Regelung aktueller Probleme geschlossen wurden, sich nicht schnell an eine Änderung dieser Probleme anpassen können sollen. 393 Eine Anpassung der SRK an neue Schwierigkeiten liegt im Interesse aller Vertragsparteien.
Treves, The Agreement Completing the UN Law ofthe Sea Convention, S. 105. Standard, The Changing ofthe Guard, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 60; Nelson, The New Deep-Seabed Mining Regime, S. 20 I; Anderson, Resolution and Implementation Agreement: A General Assessment, ZaöRV 1995, S. 289. 392 de Fontaubert, Another Step in the Implementation of the Law of the Sea Convention, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 91. 393 Sohn, The 1994 Seabed Agreement, AJIL 1994, S. 705. 390 391
174
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Dennoch bleibt auch nach all diesen Überlegungen festzustellen, daß das FSA in wenigstens zwei Punkten über das hinausgeht, was im juristischen Sinne unter "Durchftlhrung" der SRK verstanden werden kann.
c) Ergebnis Bei SRK und FSA handelt es sich um zwei zwar in inhaltlichem Konnex stehende, aber trotzdem verschiedene, eigenständige Verträge. Durch das FSA findet eine progressive Weiterentwicklung der SRK statt. 394 Daraus ergibt sich eine Folgefrage: Können Staaten, die nur Mitglied der SRK sind, auch an das FSA gebunden sein und können umgekehrt Staaten, die nur Mitglied des FSA sind, auch an die SRK gebunden werden?
3. Bindung von Mitgliedstaaten der SRK an das FSA und umgekehrt
Problematisch ist in diesem Falle, daß die Vertragsparteien von ursprünglicher SRK und den Durchftlhrungsabkommen sind nicht absolut identisch sind. Damit stellt sich die Frage, ob ein Durchftlhrungsabkommen - noch dazu in Gestalt eines eigenständigen völkerrechtlichen Vertrages - auch rur Staaten gelten kann, die nur Mitglied der ursprünglichen Konvention sind, nicht aber des neuen Instruments.
a) Bindung von Mitgliedstaaten des FSA an die SRK Bezüglich derjenigen Völkerrechtssubjekte, die Mitglied des FSA aber nicht des ursprünglichen Vertrages sind, läßt sich eine relativ schnelle Schlußfolgerung ziehen. Mit der Zeichnung des Durchfiihrungsabkommens geben sie zu verstehen, daß sie die Regeln des Ursprungs vertrages in der geänderten Form als ftlr sich gültig akzeptieren. 395 Im Tiefseebodenabkommen wurde sogar in Art. 4 Abs. 2 klargestellt, daß die Zustimmung zur Bindung an die SRK Voraussetzung zur Bindung an das Durchfiihrungsabkommen ist. Auch in der Lehre wurde betont, es sei ein fundamentales Prinzip des Durchftlhrungsabkommens, daß es eine Einheit mit der SRK darstelle und daher immer nur beide Abkom-
394 FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 49. 395 Als Beispiel können die USA dienen, die die SRK bis heute nicht ratifiziert haben, aber unter den ersten drei Staaten waren, die die Ratifizierungsurkunde rur das FSA hinterlegten.
C. Gegenüberstellung der Inhalte
175
men gemeinsam ratifiziert werden können. 396 Eine entsprechende Vorschrift gibt es im FSA nicht. Allerdings erlauben hier Titel und ständige Bezugnahme auf die SRK problemlos den Schluß, daß die Grundvorschriften aus der SRK natürlich auch anwendbar sein sollen.
b) Automatische Bindung von SRK-Mitgliedstaaten an das FSA Der Titel "Durchfllhrungsabkommen" könnte implizit die Absicht der Parteien dieses Instrumentes beinhalten, auch die Parteien des Ursprungsvertrages automatisch an die Neuerungen zu binden. Dies ist sogar in den Fällen mit der pacta-tertiis-Regel zu vereinbaren, in denen es sich um rein deklaratorische Vorschriften handelt. 397 Dann geht es nur um die eindeutige Klärung von Vorschriften der SRK, die verschiedenen Interpretationsweisen zugänglich sind. Das FSA kann dann auch im Verhältnis zu Staaten, die nur Mitglied der SRK sind, als Auslegungshilfe der SRK gelten. Dies indiziert auch Art. 4 FSA. Problematischer ist allerdings die Frage in bezug auf solche Vorschriften, die sich nach der vorangegangenen Untersuchung als über ein bloßes DurchfUhren hinausgehend herausgestellt haben. Denn diejenigen Staaten, die die SRK bereits ratifiziert haben, haben dadurch gerade zum Ausdruck gebracht, daß sie sich an die ursprünglichen Regeln binden wollen.
aa) Vergleich zum Tiefseebodenregime Dazu könnte wieder ein Vergleich zum Tiefseebodenabkommen hilfreich sein. In dessen Art. 5 ist ein vereinfachtes Verfahren der Ratifikation fUr diejenigen Staaten vorgesehen, die bereits Partei der SRK sind. 398 Dadurch müssen diese Staaten nicht erst wieder bei ihren Parlamenten die Genehmigung fUr eine neue Ratifizierung einholen. Dieses Verfahren wird auch als "tacit consent", stillschweigende Zustimmung, bezeichnet. 399 Unter Umständen hätte auch das FSA einen ähnlichen Weg gehen können. Ein vereinfachtes Beitrittsverfahren fUr SRK-Mitglieder ist hier im Gegensatz zum Tiefseebodenabkommen aber nicht enthalten.
396 Z. B. Rattray, Resolution and Implementation Agreement: A General Assessment, ZaöRV 1995, S. 303. 397 So Juda, A Critique, ODIL 1997, S. ISS, unter Verweis auf Art. 34 WVRK. 398 Vgl. Treves, The Agreement Completing the UN Law of the Sea Convention,
S. 110.
399 Rattray, Resolution and Implementing Agreement: A General Assessment, ZaÖRV 1995, S. 304.
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2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
bb) Parallele zu Art. /8 WVRK Möglicherweise kann eine Parallele zu dem in Art. 18 WVRK geregelten Fall gezogen werden. Danach ist ein Staat verpflichtet, Ziel und Zweck eines Vertrages vor seinem Inkrafttreten nicht zu vereiteln, wenn er entweder den Vertrag bereits gezeichnet hat oder zugestimmt hat, durch den Vertrag gebunden sein zu wollen. Die Parallele könnte darin liegen, daß das FSA als Durchfilhrung der SRK der Vertrag ist, während die Mitgliedschaft in der SRK das in Art. 18 festgehaltene besondere Näheverhältnis zum Vertrag darstellt. Dann könnte eine vorvertragliche Bindung der SRK-Mitglieder an das FSA vorliegen. Durch die bloße Mitgliedschaft in der SRK hat ein Staat aber noch lange nicht den besonderen Fischereivorschriften zugestimmt. Die SRK ist kein Vorvertrag des FSA. Vielmehr ist die SRK umgekehrt der Vertrag, das FSA eine spätere Ergänzung. Es handelt sich also nicht um einen parallel gelagerten Fall. Art. 18 WVRK hilft daher auch nicht weiter.
ce) Ergebnis Die automatische Bindung der SRK-Mitglieder an das FSA ist mehr als zweifelhaft. Schließlich kann eine gesicherte Aussage darüber, ob diese Staaten in der Praxis tatsächlich die geänderte Form der SRK akzeptieren wollen, heute noch nicht getroffen werden. Alles hängt letztlich davon ab, wieviele Staaten das FSA tatsächlich ratifizieren oder ihm beitreten. Die Tatsache, daß die große Mehrheit der Staaten an den Verhandlungen teilgenommen hat und bereits zahlreiche Aktivitäten zur Umsetzung des FSA angelaufen sind, sprechen dafilr, daß die Vertragsstaaten der SRK das Abkommen allgemein akzeptieren. Jedenfalls kann das FSA gemäß Art. 31 Nr. 3 a WVRK als Auslegungshilfe bei der Interpretation der Fischereivorschriften der SRK herangezogen werden. 4OO Offen bleibt dann die Frage, ob diese Interpretation im Lichte des FSA zwingend ist. Diese Frage soll hier nicht weiter verfolgt werden, denn es ist ohnehin noch zu prüfen, ob das FSA möglicherweise Drittwirkung gegenüber Nichtvertragsstaaten entfaltet. 401 Davon wären dann auf jeden Fall auch die ursprünglichen SRK-Mitglieder erfaßt.
400 Davies/Redgwell, The International Legal Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 259. 401 Dazu s.o., Teil 3 der Arbeit.
D. Beziehung zu anderen Abkommen
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D. Beziehung zu anderen Abkommen Da sich mit dem Compliance Agreement402 und dem Code of Conduct403 der FAO zwei weitere Instrumente auf globaler Ebene zur Zeit der Entstehung des FSA ebenfalls mit der Problematik weit wandernder und gebietsübergreifender Fischbestände befassen, stellt sich neben der Frage nach dem Verhältnis zur SRK auch die Frage nach dem Verhältnis des FSA zu diesen internationalen Abkommen. Das Compliance Agreement und der Code of Conduct werden als zusammengehörend und sich gegenseitig ergänzend angesehen. 404 Nach Art. 44 FSA soll dieses nicht Rechte und Pflichten der Vertrags staaten aus anderen, mit diesem Abkommen vereinbaren Übereinkommen ändern. Es bietet sich daher ein kurzer Blick auf den Inhalt der bei den Abkommen an.
I. Compliance Agreement Das Compliance Agreement ist direkte Folge der Deklaration von Cancun und UNCED. 405 Es wurde im November 1993 während der 27. FAO-Konferenz einstimmig angenommen, 406 um dem Problem des Ausflaggens zu Gefiilligkeitsflaggen zu entgegenen407 und die Anstrengungen bestehender RFOs zu unterstUtzen. 408 Im Verlaufe der Verhandlungen stellte sich jedoch heraus, daß größtes Problem gar nicht das Ausflaggen als solches war, sondern die Weigerung mancher Staaten, effektive Kontrollen über ihre SchifTe auszuüben. 409
402 Agreement to Promote Compliance with International Conservation and Management Measures by Fishing Vessels on the High Seas, abgedruckt in: I.L.M. 33 (1994), S.968. 403 FAO, Code ofConduct for Responsible Fisheries, FAO, Rome 1995. 404 Vgl. Kimbal/, Whither International Arrangements, Col. Journal ofTransnational Law, 1997, S. 312 in Fn 12, vgl. Art. 1.1 und Absatz 11 der Präambel. 405 S.o., Teil 2, 1. Abschnitt. 406 Marashi, Summary Information, FAO Fisheries Circular 908, FIPUC908, S. 5 f. 407 Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 274 f.; Balton, Strengthening the Law ofthe Sea, ODIL 1996, S. 131. 408 Carr, Recent Developments in Compliance and Enforcement for International Fisheries, ELQ 1997, S. 851. 409 Balton, Strengthening the Law of the Sea, ODIL 1996, S. 123. Daher enthält auch der endgültige Titel des Compliance Agreement nicht mehr den Wortlaut: "the Flagging of Vessels on the High Seas", obwohl eine Vorversion noch so lautete, Hayashi, Implementing the Law ofthe Sea Convention: FAOs Contributions, Rede bei der 31. Konferenz des Law ofthe Sea Institute in Miami, 30.-31. März 1998, noch nicht veröffentlicht. 12 Ziemer
178
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Im Gegensatz zum Code of Conduct ist das Compliance Agreement rechtlich bindend. 4lO
1. Inhalt
Zwar wird in der Präambel des Compliance Agreements das Konzept der Freiheit der Fischerei bestätigt. Sie enthält jedoch drei wichtige Anknüpfungspunkte an Beschränkungen der Freiheit der Hochseefischerei: Die Pflicht der Staaten wird bestätigt, ihre Jurisdiktion und Kontrolle über ihre Schiffe effektiv auszuüben. Damit kann der einzelne Staat fiIr das Verhalten der Schiffe unter seiner Flagge deutlicher als bisher verantwortlich gemacht werden. 411 Weiterhin wird festgestellt, daß die Praxis des Ausflaggens eine Bedrohung tUr die Wirksamkeit von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen der Fischbestände ist. Jede Vertragspartei wird daher verpflichtet, eigene Fischereifahrzeuge davon abzuhalten, die Effektivität internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durch Ausflaggen zu unterlaufen, unabhängig davon, ob dieser Staat selbst Mitglied in einer Fischereiorganisation ist oder nicht. 412 Im besonderen sollen die Vertragsstaaten tUr Schiffe unter ihrer Flagge den Fischfang auf der Hohen See von einer Genehmigung durch eine zuständige Stelle abhängig machen,413 diese Genehmigung soll wiederum nur dann ergehen, wenn der Staat eine effektive Kontrolle seiner Schiffe sicherstellen kann. 414 Damit wird die Freiheit der Fischerei auf der Hohen See bereits von einer Bedingung abhängig gemacht: der Genehmigung durch den Flaggenstaat. Ferner sollen die Staaten solchen Schiffen, die zuvor in einem anderen Staat registriert waren, dann aber internationale Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen unterlaufen haben, die Genehmigung unter ihrer Flagge Hochseefischerei zu betreiben nur unter ganz bestimmten Umständen erteilen. 415 Dies soll auch tUr Schiffe gelten, die in Nichtvertragsstaaten registriert waren. 416 Dadurch sollen unerwünschte Transfers von Flaggen unterbunden werden. 417 Zu diesem Zweck sind gemäß Art. 4 Akten über die autorisierten Schiffe
410 Naeve/Garcia, The United Nations System Responds to Agenda 21.17, Ocean and Coastal Management Special Issue 1995, S. 29. 411 Lucchini/Voelckel, Droit de la Mer 2/2, S. 673. 412 Art. 3 Abs. 1 Compliance Agreement. 413 Art. 3 Abs. 2, Compliance Agreement. 414 Art. 3 Abs. 3, Compliance Agreement. 415 Art. 3 Abs. 5 (a), Compliance Agreement. 416 Art. 3 Abs. 5 (b), Compliance Agreement. 417 Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 275.
D. Beziehung zu anderen Abkommen
179
zu führen, gemäß Art. 5 und 6 haben die Staaten auf internationaler Ebene über die FAO bei Beobachtung und Datenerfassung der Schiffe zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus wurde in Art. 5 Abs.2 ein System der Hafenstaatskontrolle entwickelt: wenn sich ein Fischereifahrzeug freiwillig im Hafen eines anderen als seines Flaggenstaates befindet, und wenn dieser Hafenstaat berechtigte Gründe zur Annahme hat, dieses Schiff habe internationale Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen unterlaufen, so soll dieser Hafenstaat den Flaggenstaat davon unverzüglich in Kenntnis setzen. Damit wird dem Hafenstaat nicht nur die Möglichkeit gegeben, den Flaggenstaat zu informieren, sondern er wird geradezu dazu verpflichtet. 418 Ob der Hafenstaat dann jedoch Ermittlungen einleiten darf, hängt von weiteren Vereinbarungen mit dem Flaggenstaat ab. Das Compliance Agreement enthält keine Erlaubnis von Maßnahmen auf der Hohen See gegen andere als eigene Schiffe. Insofern enthält das Compliance Agreement ebenfalls keine Erweiterung der SRK. 4I9 Was Nichtvertragsparteien angeht, so enthält des FSA eine Kooperationsverpflichtung der Vertragsstaaten, um entsprechend dem Völkerrecht Maßnahmen zu ergreifen, die das Unterlaufen von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen verhindern.
2. Bewertung im Verhältnis zum FSA
Einige der Delegierten zur "Fischkonferenz" hatten nach Annahme des Compliance Agreements durch die FAO vertreten, den Teil des FSA, der sich mit dem Compliance Agreement überschneidet, einfach durch einen Hinweis auf dieses zu ersetzen. 420 Diesem Vorschlag wurde nicht gefolgt. Dies könnte fiir die Annahme sprechen, daß die Vorschriften nicht identisch sein bzw. dasselbe bedeuten können. Tatsächlich ist das FSA auf die gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischarten begrenzt, während das Compliance Agreement auf alle Fischarten auf der Hohen See anwendbar ist. Einerseits ist das FSA bezüglich seines Regelungsobjektes daher spezieller als das Compliance Agreement. 421 Andererseits um faßt das FSA aber zu einem geringen Teil auch Regelungen, die fiir Wirtschafts- bzw. Fischereizonen gelten, ist daher in seinem geographischen Anwendungsbereich weiter als das Compliance Agreement. Ebenso wie das FSA verneint das Compliance Agreement nicht die weitere Existenz die Fischereifreiheit, sondern unterwirft sie bestimmten Bedingungen.
418 419
420 421
Hey, Global Fisheries Regulations in the First Halfofthe 1990's, S. 11. Vgl. oben zur Durchsetzung. Hayashi, Role ofthe UN in Managing the World's Fisheries, S. 385. Hey, Global Fisheries Regulations in the First Half ofthe 1990s, S. 24.
180
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Es werden dazu in beiden Abkommen tatsächlich teilweise sehr ähnliche Punkte geregelt. So bestätigen beide das schon in der SRK entwickelte Flaggenstaatsprinzip. Was etwa die Durchsetzungsmaßnahmen durch den Flaggenstaat angeht, so bildet Art. 3 Compliance Agreement im Grunde einen Rahmen für den speziel\eren Art. 19 FSA. Bezüglich der Hafenstaaten geht das FSA aber über das Compliance Agreement hinaus: während letzteres zwar den Hafenstaat bei begründetem Verdacht verpflichtet, den Flaggenstaat zu informieren, gestattet das FSA dem Hafenstaat sogar, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Al\erdings wird in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Compliance Agreement festgestel\t, daß die Vertragsparteien Vereinbarungen darüber treffen können, wie Hafenstaaten gegebenenfal\s ermittelnd tätig werden können. Insofern ließe sich feststel\en, daß die Regeln des FSA nichts anderes sind als Vereinbarungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 und damit diesen umsetzen. Nach Art. 5 Abs.3 Compliance Agreement sollen die Vertragsparteien kooperative Vereinbarungen treffen. Dadurch sollen sie sich gegenseitige Unterstützung auf globaler, regionaler, subregionaler oder bilateraler Ebene zukommen lassen, um die Ziele des Agreements erreichen zu können. Als solche kooperative Vereinbarungen können zum Beispiel die Durchsetzungsmaßnahmen der Art. 19 bis 23 FSA angesehen werden. Damit ist festzustel\en, daß das Compliance Agreement ebenso wie das FSA Teil des "Mosaiks" ist, das aus zahlreichen einzelnen Regelungen über die Hochseefischerei zusammengesetzt wird. 422 Als solches wurde es von den Delegierten während der Verhandlungen der "Fischkonferenz" zumindest zum Teil beTÜcksichtigt.423 Nach diesen drei oben untersuchten Punkten läßt sich sogar die These aufstel\en, daß das FSA im Verhältnis zum Compliance Agreement das Speziel\ere ist, und letzteres daher ähnlich wie die SRK als Rahmenabkommen anzusehen ist. Zu beachten ist schließlich auch, daß das Compliance Agreement anders als das FSA keinen eigenen bindenden Streitbeilegungsmechanismus enthält, sondern nur auf die Möglichkeit hinweist, den IGH, den internationalen Seegerichtshof oder ein Schiedsgericht (arbitration) mit der Sache zu befassen. Insofern besteht die Gefahr, daß Streitigkeiten, die gemäß SRK bzw. FSA eigentlich dem Mechanismus der SRK unterfal\en, unterschiedlich bewertet werden könnten. 424
422 Als solches bezeichnet von der Delegation der USA während der Verhandlungen, vgl. Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 36, S. 2. 423 Vgl. z. B. Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, Nr. 39, S. 12. 424 Hey, Global Fisheries Regulations in the First Half ofthe 1990's, S. 13.
D. Beziehung zu anderen Abkommen
181
11. Code of Conduct Der Code of Conduct on Responsible Fisheries ist ebenfalls auf die Deklaration von Cancun zurückzufUhren. Das Konzept des "verantwortungsvollen Fischens" wie in der Präambel der Cancun Deklaration enthalten, beinhaltet die nachhaltige Nutzung von Fischressourcen in Einklang mit der Umwelt und die Anwendung von Fang- und Zuchttechniken, die keine Schäden bei den Ökosystemen hinterlassen. 425 In dieser Erklärung wurde die FAO dazu aufgerufen, einen Code of Conduct rur dieses" verantwortungsvolle Fischen" zu erarbeiten. 426 Die Verhandlungen zum Code of Conduct, an denen 70 Staaten sowie internationale Organisationen und NGOs teilnahmen, liefen weitgehend parallel zu denen der "Fischkonferenz", so daß beide Konferenzen die Arbeit der jeweils anderen berücksichtigten und verwerteten. 427 Der Code of Conduct wurde im Oktober 1995 von der 28. Sitzung der FAO Konferenz einstimmig angenommen. 428
1. Inhalt
Die Anwendung des zwölf Artikel umfassenden Code of Conduct ist freiwillig. 429 Daher war es auch möglich, seinen Anwendungsbereich weltweit und sowohl auf Staaten als auch auf Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie alle anderen Fischereieinheiten gerichtet zu erklären, gleichgültig ob diese Rechtssubjekte Mitglied der FAO sind oder nicht. 430 Er ist auf alle Arten von Fischerei anwendbar. 431 In Art. 6 Nr. 1 Satz 2 wird festgestellt: The right to fish carries with it the obligation to do so in a responsible manner so as to ensure effective conservation and management ofthe Iiving aquatic resources.
Damit wird die Aussage getroffen, daß dem tradtionellen Recht zu fischen die Verpflichtung zum Erhalt der Bestände entspricht. Zusammenfassend formuliert enthält der Code ferner eine Agenda, anhand derer die nachhaltige Entwicklung des Fischfangs erreicht werden soll. Dabei setzt er Fischerei in Zu-
425 Präambel der Deklaration, Juda, International Law and Ocean Use Management, S. 274, vgl. auch oben, Teil 2, I. Abschnitt, 11. 426 Edeson, Current Legal Developments, Int. Journal of Marine and Coastal Law, 1996, S. 233. 427 Regelmäßige Dokumentationen über den Fortschritt der Code of Conduct Verhandlungen in den Ausgaben des Earth Negotiations Bulletin Vol. 7. 428 Anderson, Current Developments, Int. and Comparative Law Quarterly 1996, S.474. 429 Art. 1.1 Code of Conduct. 430 Art. 1.2. Code of Conduct. 431 Art. 1.3. Code ofConduct.
182
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
sammenhang mit einem breiten sozio-ökonomischen Blickwinkel: Er bezieht sich zum Beispiel auf Arbeitsbedingungen,432 Kleinstfischer,433 Ausbildung434 und anderes. Im übrigen werden die Forderungen aus Kapitel 17 der Agenda 21 weiter ausgebaut. So werden etwa die Bedeutung des Vorsorgeprinzips435 und des Konzepts der biologischen Vielfalt436 bestätigt. Besonderes Gewicht wird hier auch auf die Weiterentwicklung der Aquaculture, Fischzucht, gelegt.437 Der Code ist nicht statisch angelegt, sondern nach Art. 4.3 ist eine Überarbeitung durch die FAO vorgesehen.
2. Bewertung im Verhältnis zum FSA
Während der Verhandlungen fielen Bemerkungen, daß die Debatten um gebietsübergreifende und weit wandernde Fischbestände reine Zeitverschwendung seien, da das Thema der Konferenz bereits umfassend durch die Verhandlungen zum Code of Conduct abgegolten seien. Andere wiederum wiesen auf die Ergänzungsfunktion des einen Dokuments zum jeweils anderen hin. 438 Tatsächlich kann bei der Entwicklung von FSA und Code of Conduct von einem zweigleisigen Weg gesprochen werden, was hauptsächlich auf die unterschiedliche rechtliche Natur der beiden Vertragswerke zurückzufiihren ist. 439 Einerseits war es der internationalen Gemeinschaft mit dem bindenden Vertragswerk des FSA möglich, sich auf vordergründig dringende Hochseefischereiprobleme zu konzentrieren, während andererseits mit dem freiwilligen Code of Conduct ein breit angelegter, zukunftsweisender Weg zu verantwortungsbewußter Fischerei geschaffen wurde. 440 In der Tat enthält der Code ein nahezu perfektes Rezept zur Erreichung nachhaltiger Fischereipraktiken, denn es sind umfassend alle diejenigen Punkte aufgenommen worden, die als die nachhaltige Nutzung geflihrdend angesehen wurden. Dabei werden allerdings alle angesprochenen Punkte als gleichgewichtig bewertet und keine Prioritäten gesetzt. 441 Art. 6.17 Code of Conduct. Art. 6.18 Code of Conduct. 434 Art. 6. 16 Code of Conduct. 435 Art. 6.5. und 7.5. Code ofConduct. 436 Art. 6.6 und 7.2.2 (d) Code ofConduct. 437 Art. 9 Code of Conduct. 438 Vgl. Earth Negotiations Bulletin, Vol. 7, No. 12, S. 1. 439 Vgl. Edeson, Current Legal Developments, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1996, S. 234; Davies/Redgwell, The International Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S. 252. 440 Edeson, Current Legal Developments, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1996, S. 234. 441 Hey, Global Fisheries Regulations in the First Half ofthe 1990's, S. 25. 432
433
D. Beziehung zu anderen Abkommen
183
Dies birgt jedoch den Vorteil, daß durch die FAO im Verlauf der weiteren Arbeit hier Prioritäten flexibel gesetzt werden können. Der Code selbst bezieht sich in seinem Art. 3 auf andere internationale Instrumente zur Regelung der Hochseefischerei: "The Code is to be interpreted and applied in conformity with the relevant rules of international law, as reflected in the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 Relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks". Diese Formulierung wurde gewählt, um auch diejenigen Staaten anzusprechen, die der SRK nicht beitreten wollen. 442 Sie entspricht der Wortwahl in Art. 4 FSA. Nach Art. 3.2. Iit. a soll der Code interpretiert und angewendet werden "in a manner consistent with the relevant provisions ... " des FSA. Diese Formulierung läßt auf eine Hierarchie zwischen den beiden Abkommen deuten. Danach hätte der Code dann im internationalen Gefilge eine niedrigere Position als das FSA. 443 Insgesamt können FSA und Code of Conduct gemeinsam als komplementäre Teile in das Mosaik der Regelungen der Hochseefischerei aufgenommen werden, weil sie sich ergänzen. 444 Eine bindende Einigung über sämtliche im Code enthaltenen Fragen zum jetzigen Zeitpunkt erzielen zu wollen, ist utopisch. Sie wäre mit dem gegenwärtigen Verständnis der Staaten von ihrer eigenen Souveränität und der Freiheit der Meere nicht vereinbar. Insofern wurden generelle Ziele mit dem Status von soft law festgehalten, während die dringenden Probleme der gebietsUbergreifenden und weit wandernden Fischarten bereits konkret bindend aufgenommen wurden. In diesem Zusammenhang ist auch das rechtlich bindende Compliance Agreement zu verstehen: Ein von allen teilnehmenden Staaten als besonders dringend angesehenes Problem wird aus dem Kontext der allgemein nötigen Maßnahmen herausgelöst und durch ein bindendes Vertragswerk geregelt.
III. Zusammenfassung und Ausblick für das FSA Vor allem im Vergleich mit dem Compliance Agreement und dem Code of Conduct läßt sich erklären, daß die Nachteile des FSA gleichzeitig seine Stärken sind. An erster Stelle muß seine auf zwei Fischtypen begrenzte Anwendbarkeit genannt werden. Andere wichtige Probleme der Hochseefischerei, etwa in bezug 442 Edeson, Current Legal Developments, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1996, S. 235. 443 Edeson, Current Legal Developments, Int. Journal of Marine and Coastal Law 1996, S. 236. 444 de Fontaubert, The Politics of Negotiation, Ocean and Coastal Management, Special Issue 1995, S. 84.
184
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
auf die kanadisch-US-amerikanischen Lachsvorkommen, sind als nicht ganz so dringend beurteilt und daher nicht in die schwierigen Verhandlungen aufgenommen worden. Es wäre zwar aus umwelt- und fischereipolitischen Gesichtspunkten möglicherweise wünschenswert gewesen, den Anwendungsbereich auch auf alle anderen Fischarten der Hohen See auszudehnen. 445 Die speziesbezogene Regelung läßt vor allem außer acht, daß die verschiedenen Vorkommen biologisch voneinander abhängig sind. Hätte man aber alle vorhandenen Arten unter ein Regime stellen wollen, wäre es mit Sicherheit noch viel schwieriger gewesen, unter den Verhandlungspartnern eine Einigung zu erzielen. Auch hinsichtlich seiner geographischen Anwendbarkeit ist das FSA begrenzt: es befaßt sich ausschließlich mit der Hohen See bzw. solchen Fischarten, die Grenzen überschreiten. Fischvorkommen, die ausschließlich in der Fischereizone eines einzelnen Staates zur finden sind, werden nicht behandelt. Küstenstaaten wären aber a~ch kaum Willens gewesen, solche Vorkommen unter ein internationales Regime zu stellen, die bis dahin ausschließlich unter ihre Hoheitsrechte fielen. Durch die begrenzte Anwendbarkeit des Abkommens waren die Delegierten in der Lage, sich darauf zu einigen, mehr als nur Prinzipien aufzustellen. Es stand nicht zu befilrchten, daß man sich völlig seiner eigenen Rechte auf der Hohen See entledigen müßte, denn es wurden ja nicht sämtliche lebenden Ressourcen der Hohen See behandelt. Nur gebietsübergreifende und weit wandernde Fische unter das Regime eines internationalen Vertrages bzw. von RFOs zu stellen, ist ein vergleichsweise geringes Opfer. So war es möglich, im FSA Aussagen darüber zu treffen, wie diese allgemeinen Prinzipien praktisch umzusetzen sind. Dabei wurde nicht der Fehler des Teiles XI der SRK wiederholt, in dem sehr detaillierte und im einzelnen bereits bindende Regelungen getroffen worden waren. Vielmehr ist das FSA eher eine Art Werkzeugkasten, der den Staaten eine Anleitung bietet, ihnen bei der Umsetzung aber große Freiheiten läßt. 446 So wird den Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft zum Beispiel erstmals eine Richtlinie dafilr an die Hand gegeben, wie das Prinzip der nachhaltigen Nutzung oder das Vorsorgeprinzip konkret angewendet werden können. Aufgrund der großen AusgestaltungstTeiheit, die den jeweiligen RFOs bezüglich ihrer Aufgaben gelassen wird, ließe sich erwägen, daß die Uneinheitlichkeit in der Anwendung von Rahmenvorschriften neue Probleme entstehen lassen könnte. Insbesondere könnten Unsicherheiten über anwendbares Recht entstehen. Dem ist aber der Vorzug entgegenzuhalten, daß durch einen flexiblen Rahmen die Bedingungen den jeweiligen geographischen und biologischen
445
S.77.
Speer/Chasis, An NGO Perspective, Ocean and Coastal Management 1995,
446 de Fontaubert, Another Step in the Implementation of the Law of the Sea Convention, Ocean Yearbook 12 (\ 996), S. 86.
D. Beziehung zu anderen Abkommen
185
Verhältnissen angepaßt werden können. Unsicherheiten können deswegen nicht entstehen, weil die Zuständigkeit der jeweiligen RFOs geographisch bestimmbar ist und den Fischern die Regeln somit bekannt bzw. problemlos erkennbar sind. Das FSA als Rahmenbestimmung aller RFOs kann im Falle von Streitigkeiten als Auslegungshilfe herangezogen werden. Innerhalb der ersten Jahre seit Zeichnung sind bereits zahlreiche Verhandlungen zur Umsetzung des Abkommens in Nordatlantik, Südatlantik unter Beteiligung vor allem der afrikanischen Staaten sowie im Südpazifik angelaufen. 447 Bemerkenswert ist dabei, daß im Südpazifik mit der FF A bereits eine einigermaßen funktionierende RFO bestand,448 im Südostatlantik vergleichbares jedoch noch nicht existierte. Trotz dieser unterschiedlichen Voraussetzungen wird versucht, das FSA bezogen auf die regionalen Besonderheiten durchzufilhren. Historisch betrachtet spielt sich mit dem Abschluß des FSA durchaus eine Entwicklung ab, die es gut 20 Jahre zuvor schon einmal gegeben hat. In den 70er Jahren ist das Seerechtsabkommen von 1958 weithin als inadäquat angesehen worden. Mit der SRK von 1982 sollte das Recht vertraglich den aktuellen Bedürfnissen angepaßt werden. Die Konvention enthielt zahlreiche Neuerungen, etwa die Einfilhrung der 200-Seemeilen-Zone oder Umweltschutzbestimmungen, weIche damals revolutionär geklungen haben, heute aber bereits gewohnheitsrechtlich anerkannt sind. 449 Viele Staaten haben dabei gar nicht erst das Inkrafttreten der Konvention abgewartet, sondern sofort damit begonnen, nationale Gesetze zu erlassen, die den Normen der Konvention entsprachen. 450 Die Bestimmungen der SRK bezüglich der Hochseefischerei waren dann mit dem Ende der 80er Jahre nicht mehr in der Lage, die auftretenden Probleme zu bewältigen. Es kann nach der Beobachtung dieser Entwicklung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß Neuerungen aus dem FSA, die sich im geltenden Recht revolutionär anhören mögen, innerhalb einiger Jahre weltweite Akzeptanz finden.
447 Diese beschränken sich derzeit zum größten Teil auf das Verhandeln einzelner Regelungen zur Ausfiillung der vom FSA gesteckten Rahmen, Einzelheiten über Verhandlungen im Südostatlantik und Südpazifik berichtete Swan, Implementation of the Law ofthe Sea Convention: Straddling and Highly Migratory Fish Stocks and High Seas Fishing, Rede bei der 31. Konfemez des Law ofthe Sea Institute in Miami, 30.-31. März 1998, noch nicht veröffentlicht. 448 Die allerdings gemäß Artikel III (2) der FF A Convention geradezu darauf wartete, ein internationales Instrument zur Verfügung zu habeen, um effektive Kooperation in bezug auf Erhalt und optimale Nutzung der\ Bestände voranzutreiben, vgl. Aquorau/Bergin, International Cooperation to Conserve Tuna, ODIL 1998, S. 25. 449 Juda, A Critique, ODIL 1997, S. 160. 450 Sohn, The 1994 Seabed Agreement, AJIL 1994, S. 704.
186
2. Teil: Das Fish Stocks Agreement im Verhältnis zur SRK
Neu im internationalen Recht sind vor allem zwei weitere Punkte: zum einen die Behandlung von Nichtmitgliedern, genau gesagt deren möglicher Ausschluß von Fischvorkommen der Hohen See unter bestimmten Voraussetzungen. Zum zweiten ist die Möglichkeit des Ergreifens von Durchsetzungsmaßnahmen gegenüber Schiffen unter fremder Flagge neu. Insbesondere diese beiden Punkte ziehen eine Reihe juristischer Fragen nach sich, denn es geht letztlich um die Geltung eines Vertrages gegenüber Staaten, die weder an seinem Zustandekommen beteiligt waren noch ihm beigetreten sind. Diese Fragen sollen in einem weiteren Teil der Arbeit behandelt werden.
3. Teil
Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung I. Einleitung
Bevor der Frage nach der möglichen Geltung von einzelnen Vertragsvorschriften des FSA gegenüber Drittstaaten nachgegangen wird, ist es angebracht, den Hintergrund dieser Regeln im völkerrechtlichen Zusammenhang zu erläutern.
1. Zwei Aspekte im Hintergrund
Bei der Prüfung einer möglichen Drittwirkung des Abkommens müssen zwei Aspekte stets beachtet werden: zum einen ein umweltrechtlicher Aspekt. Dieser beinhaltet einen Trend zur Institutionalisierung von Mechanismen, mit denen einmal festgelegte Umweltstandards durchgesetzt werden sollen. Diese Mechanismen werden im Verlauf der weiteren Untersuchung näher erläutert. Ziel der Standards ist der Schutz der Umwelt im weitesten Sinne. Solche Umweltstandards entwickelt auch das FSA. Sein Hauptziel ist der Erhalt der lebenden Ressourcen der Hohen See auf einem wirtschaftlich nutzbaren Niveau. Dies impliziert den Schutz der marinen Umwelt. Institutionalisierung liegt beim FSA insofern vor, als Durchsetzungskompetenz über den Weg regionaler Fischereiorganisationen oder -übereinkünfte begründet wird. Zum anderen gibt es einen an den Begriff des souveränen Staates gekoppelten Aspekt. Dieser umfaßt die Einschränkung von souveränen Rechten zugunsten einer Internationalisierung von Interessen. Indem eine wie auch immer geartete internationale Institution bestimmte Befugnisse erhält, verzichten die Staaten in gleichem Maße auf eigene Befugnisse. Beide Aspekte sind miteinander verknüpft. Die Durchsetzung von Umweltstandards auf internationaler Ebene ist ohne Einwirkung auf staatliche Souveränität nicht möglich.
188
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
a) Aspekt der staatlichen Souveränität aa) Traditioneller Grundsatz
Traditionelles internationales Recht ist von der territorialen Souveränität der Staaten gekennzeichnet. Es ist in erster Linie ein Recht der Koexistenz von Staaten. Deren rechtlicher Status beinhaltet die drei Prinzipien von Souveränität, Unabhängigkeit und Gleichheit der Staaten untereinander.· Ausgehend davon gilt traditionelles Völkerrecht als dasjenige Recht, welches das Verhältnis unabhängiger Staaten zueinander regelt. Es ist vor allem geprägt von der Pflicht der Staaten, bestimmte Eingriffe in den Souveränitätsbereich der anderen Staaten zu unterlassen. 2 Korrelat dazu ist das Abwehrrecht des einzelnen Staates gegenüber Eingriffen in seine souveränen Rechte, entsprechend einem status negativus des einzelnen im nationalen Recht. 3 Bestandteil der Souveränität ist auch die Freiheit, durch Vertragsschluß über eigene Rechte zu verfUgen. Unter den Quellen des Völkerrechts nimmt daher das Recht der Verträge eine wichtige Stellung ein. Den Staaten steht es frei, sich durch solche Verträge selbst neue Pflichten aufzuerlegen und dadurch ihre souveränen Recht selbst zu begrenzen. In einer seiner ersten Entscheidungen urteilte der StIGH 1927 diesem Grundsatz entsprechend: "The rules of law binding upon States ... emanate from their own free will as expressed in conventions or by usages generally accepted as expressing principles of law."4
Aus der Prämisse, alle Staaten haben die gleichen Rechte und sind voneinander unabhängig, ergibt sich zwangsläufig, daß internationale Verträge Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Parteien begründen können. Insbesondere setzt die Auferlegung von Pflichten immer auch die ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen voraus, 5 wohingegen die Begünstigung eines
Brown Weiss, Global Environmental Change, S. 3; Kiss, La notion de Patrimoine commun de I'humanite, RdC 198211, S. 109; Überblick über die Entwicklung des Völkerrechts bei Dahm/Delbrück/Woljrum, Völkerrecht I/I, S. 2 ff. 2 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 52. Vgl. Handl, Environmental Security and Global Change, YIEL 1990, S. 32; status negativus wird in der Grundrechtssystematik definiert als der Zustand, in dem der einzelne die Freiheit hat, ohne den Staat individuelle Probleme zu lösen, sein gesellschaftliches Zusammenleben zu regeln und seine Geschäfte abzuwickeln, vgl. PierothiSchlink, Grundrechte, RN 72. 4 "Lotus" (Fr./Turk.), 1927 PCIJ (Ser. A) No. 10 (7. Sept.). Art. 5 WVRK; Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 9; vgl. auch Charney, International Lawmaking - Article 38 of the ICI Statute Reconsidered, S. 177: " ... consent must be given in order to bind states ... "
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
189
Drittstaates auch durch dessen stillschweigende Zustimmung zustande kommen kann. 6 Das Prinzip pacta tertiis nec prosunt nec nocent gilt folglich aufgrund des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten auch im modemen Völkerrecht.? Es ist ohne weiteres anzunehmen, daß fast aUe Staaten der internationalen Gemeinschaft die Aussage bestreiten würden, sie könnten durch eine internationale Rechtsregel gebunden sein, die sie nicht in irgendeiner Form akzeptiert haben. 8 Eine Regel gilt ftlr einen Staat nach dem Prinzip des "consent" nur dann, wenn er sie anerkannt hat. 9 Im Festlandssockelstreit zwischen der Bundesrepublik einerseits und Dänemark und den Niederlanden andererseits steUte der IGH zum Beispiel im Einklang mit dieser Rechtsüberzeugung fest, die Bundesrepublik könne durch die Bestimmungen des Genfer Übereinkommens über den Festlandssockel als solche nicht gebunden sein, weil sie dieses Übereinkommen nicht ratifiziert habe. 10 Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVRK)II geht in den Artikeln 34 bis 38 dann auch kompromißlos vom Konsensualprinzip aus. Wer nicht ausdrücklich zugestimmt hat, ist nach diesen Regeln durch keinen internationalen Vertrag gebunden. Auch Fragen des Umweltschutzes werden traditioneU der Souveränität der einzelnen Staaten zugeordnet. Ebenso verhält es sich mit der Nutzung der natürlichen Ressourcen. Grenzen erfährt die Souveränität des einzelnen erst dort, wo Handlungen auf dem eigenen Staatsgebiet negative Auswirkungen auf das Staatsgebiet eines anderen Staates haben. 12 Diese Grundsätze scheinen eines deutlich zu machen: das FSA kann ihnen zufolge keine Drittwirkung über die Vertragsparteien hinaus haben. Die Institutionalisierung von Regelungs- und Durchsetzungsbefugnissen aus Art. 8 Abs. 4 und Art. 21 kann von diesem Standpunkt aus nur rur solche Staaten gelten, die 6 Chinkin, Third Parties in International Law, S. 135 ff.; Bastid, Les traites dans la vie internationale, S. 145 ff.; dem Wortlaut des Art. 38 IGH Statut folgend läßt sich die Aussage treffen, daß alle Regeln internationalen Rechts durch "consent of states" zustande kommen, Charney/Danilenko, Consent and the Creation of International Law, S. 23. ? Bastid, Les traites dans la vie internationale, S. 143; Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 18. 8 Charney/Danilenko, Consent and the Creation of International Law, S. 24. 9 Vg!. Art. 38 IGH Statut, BGB!. 1973 11 S. 505; zur Entwicklung des Konsensualprinzipes im Völkerrecht vg!. den Überblick bei Wolfrum, Konsens im Völkerrecht, S. 79 ff. 10 Urteil vom 20.2.1969, I.C.J. Reports 1969, S.3, 25-27, auch abgedruckt in: I.L.M. 8 (1969) S. 340. 11 Vom 23.5.1969, BGB!. 198511, S. 927. 12 Vg!. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1029.
190
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Mitglieder des FSA bzw. wenigstens der SRK sind. Erklärte Absicht der Parteien war es aber gerade, insbesondere auch solche Staaten zu erfassen, die sich bislang nicht an die geltenden Fischereiregelungen gehalten haben und nicht Mitglied der Konvention sind. Die traditionellen Grundsätze können daher hier nicht zu einem befriedigenden Ergebnis rur die Vertragsparteien ruhren. Es ist daher zu untersuchen, ob es mögliche Ausnahmen oder Bedingungen gibt.
bb) Interdependenz
Der Grundsatz der absoluten staatlichen Souveränität ist jedoch schon seit einiger Zeit in diversen Bereichen des internationalen Lebens starken Gegenströmungen ausgesetzt, die sich aus zahlreichen grenzüberschreitenden Aktivitäten ergeben. 13 Das traditionelle Völkerrecht hat sich in vielen Teilbereichen von einem Recht der Koordination einzelstaatlicher Interessen hin zu einem Recht der Kooperation entwickelt. 14 Die Entwicklung neuer Waffensysteme und die damit verbundene gestiegene Gefährlichkeit eines Krieges machen deutlich, daß das Überleben nicht mehr durch eine Einzelentscheidung eines Staates gesichert werden kann. 15 Ausgelöst durch das immer engere Zusammenwachsen der Staaten infolge sich ständig verbessernder technischer Möglichkeiten: Transport, Kommunikation, Handel, durch Bevölkerungswachstum sowie letztlich durch die veränderte politische Landschaft werden neben der Friedenssicherung immer neue Problemfelder bewußt. 16 Die fortschreitende wirtschaftliche und soziale Verflechtung der Staaten hat damit zu einer weitgehenden gegenseitigen Interdependenz geruhrt. 17 Die nationalen Problemlösungskapazitäten werden dadurch überstiegen. 18 Mit dem Schlagwort "global change" läßt sich der Hintergrund dieser Entwicklung auf den Punkt bringen.
Tomuschat, Obligations for States, RdC 1993 IV, S. 212. Grundlegend hierzu: Friedmann, The Changing Structure, S. 60 tT.; ders., General Course in Public International Law, RdC 1969 11, S. 91 ff.; vgl. auch Brunnee, Common Interest - Echoes from an Empty Shell?, ZaöRV 1989, S. 795. 15 Dahm/Delbrück/Woljrum, Völkerrecht, Bd. 111, S. 218; Neuhold, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 53. 16 Vgl. etwa Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 32 tT.; Delbrück, The Role of the UN in Dealing with Global Problems, \JGLS 1997, S. 281 tT.; Kiss, La Notion de Patrimoine Commun de I'Humanite, RdC 1982 11, S. 99 f. 17 Verdross/Simma, Universelles Völ~errecht, § 36; ausfUhrlich zu dieser Entwicklung Delbrück, Von der Staatenordnung über die internationale institutionelle Kooperation zur 'supraterritorial or global governance', S. 55 tT, der die nachhaltigen Strukturveränderungen im internationalen System unter dem Stichwort "Globalisierung" darstellt, verstanden als Prozeß der Entstaatlichung. 18 Delbrück, Von der Staatenordnung über die internationale institutionelle Kooperation zur 'supraterritorial or global governance', S. 62 f. 13
14
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
191
Bei dem Recht der Kooperation, wie es zu Zeiten des Völkerbundes und zu Beginn der Geschichte der Vereinten Nationen galt, ging es auf internationaler Ebene zunächst nur um die Zusammenarbeit zur Schaffung einer internationalen Friedensordnung. Völkerrechtliche Verträge wurden nicht mehr nur zwischen zwei Parteien geschlossen, sondern auf multilateraler Ebene. Diese Kooperation hat sich mit Bewußtwerden dieser neuen Problemfelder auf immer mehr Bereiche ausgedehnt, etwa den Schutz der Menschenrechte, Bekämpfung organisierter Kriminalität, die Wirtschaftsordnung, internationale Kommunikation. 19 Diesen Aufgaben ist eines gemein: sie stellen sich allen Staaten auf der Welt gleichermaßen, die Ursachen und Bedingungen der Probleme sind global miteinander verknüpft, sie betreffen jeden einzelnen Menschen auf der Erde. Eine Lösung kann daher sinnvoll nur gemeinsam gefunden werden. Um solche gemeinsamen Lösungen in der Praxis zu finden, gehen die Staaten der internationalen Gemeinschaft mehr und mehr dazu über, die Festlegung und Durchsetzung gemeinsamer Regeln zu institutionalisieren. Angesichts gemeinsamer Anstrengungen vieler Nationen zur Bekämpfung globaler humanitärer Probleme wie weltweitem Hunger und Unterentwicklung oder der gemeinsame Einsatz bei Umweltkatastrophen wie Erdbeben oder Überflutungen, hat sich sogar so etwas wie eine internationale Solidarität entwickelt. 20 Dem traditionellen Konzept der Souveränität und dem das internationale Recht beherrschende Prinzip des "consent" ist damit eine neue Entwicklung entgegengetreten. 21
b) Umweltrechtlicher Aspekt Neben dem Aspekt der staatlichen Souveränität ist ein umweltrechtlicher Aspekt zu beachten. Wichtige Erkenntnisse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind die der Empfindlichkeit der Umwelt gegen äußere Einflüsse und die der Erschöpflichkeit von natürlichen Ressourcen. Massives Roden insbesondere der tropischen Regelwälder, Versalzung ehemals fruchtbarer Felder, die Erkenntnis, daß Rohstoffvorkommen in bereits errechenbarer Zeit erschöpft sein werden, kontinuierliche Immission von Abgasen in die Atmosphäre haben international ein Bewußtsein rur die gemeinsame Umwelt geweckt. 22
Vgl. Reinicke, Die angemessene Nutzung gemeinsamer Naturgüter, S. 1. Kiss, La Notion de Patrimoine Commun de I'Humanite, RdC 198211, S. 111. 21 DahmlDelbrückiWolfrum, Völkerrecht, Bd. I/I, S. 218 ff. 22 Der Klassiker "The Silent Spring" von Rachel Carson, der im Jahr 1969 erschien, wird oft im Zusammenhang mit der Entwicklung eines öffentlichen Umweltbewußtseins genannt, vgl. KisslShelton, International Environmental Law, S. 36. 19
20
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Der Schluß, daß zum Schutze der Umwelt gehandelt werden muß, um das Überleben der Menschheit zu sichern, ist Motor einer neuen Entwicklung des internationalen Umweltrechts. Angetrieben wird er durch ständig neue erschrekkende Meldungen. 1986 explodierte zunächst ein Atomreaktor in Tschernobyl, später wurde mit Löschwasser bei einem Großbrand in einem schweizerischem Warenlager Tonnen von Chemikalien in den Rhein gewaschen und verursachten eine der größten Umweltkatastrophen Europas. Gleichzeitig entwickeln sich immer langfristigere Bedrohungen rur die Menschheit: Klimaveränderungen, Ozonloch, Saurer Regen sind nur Schlagwörter rur komplexe, heute noch nicht absehbare Gefahren. 23 Diese Gefahren haben alle eines gemeinsam: Auch ihnen kann nur durch ein Zusammenarbeiten möglichst vieler Staaten wirksam begegnet werden. Unter dem Eindruck dieser Entwicklungen entstanden immer mehr internationale Verträge und Vereinbarungen zum Schutze der Umwelt, die zwangsläufig die Einschränkung eigener souveräner Rechte der Staaten zugunsten eines gemeinsamen Vertragszieles zur Folge hatten. Um umweltrechtIiche Standards zu erarbeiten, war es vor allem notwendig, neue, interdisziplinäre Methoden zu finden. Denn physikalische Besonderheiten und Naturphänomene, gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit sowie insbesondere auch die öffentliche Meinung spielen im Bereich der Umwelt eine größere Rolle als in klassischen Feldern internationalen Rechts. 24 Noch während der Rio Konferenz 1992 war deutlich geworden, daß die souveränen Staaten sich zwar grundsätzlich zum Umweltschutz verpflichtet sehen, ihr Wille zur Weiterentwicklung des Umweltrechts jedoch trotz allem noch immer deutliche Grenzen hat. Diese liegen dort, wo die Souveränität des einzelnen Staates beginnt. So gab es auf universeller Ebene kein Zugeständnis an irgendweIche Mechanismen, mit denen umweltrechtliche Pflichten überwacht oder durchgesetzt werden können. Ebensowenig waren die Staaten gewillt, ihre Zusammenarbeit im Bereich des Umweltschutzes generell zu institutionalisieren oder gar eine Organisation zu schaffen, die Standards oder Verfahren weiterentwickeln und deren Befolgung überwachen könnte. 25 Die Zuweisung von durchschlagenden Regelungs- und gar Durchsetzungsbefugnissen an eine inter-
23 Trends in International Environmental Law, American Bar Association, S.9 (, Brown Weiss, Environmental Change, S. 4. 24 Vgl. Lang, Diplomacy and International Environmental Law-Making, YIEL, Vol. 3, 1992. 25 Wolfrum, The Protection of the Marine Environment after the Rio Conference, S. 1Ol7.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
193
nationale Institution ist im Völkerrecht noch immer eine Ausnahmeerscheinung. 26 Diese Aussagen könnten unter Umständen durch jüngere Entwicklungen wie etwa den Abschluß des FSA ein Stück weit relativiert werden. Möglicherweise ist inzwischen eine Tendenz festzustellen, nach der dennoch die Notwendigkeit einer Loslösung vom alles beherrschenden Prinzip staatlicher Souveränität deutlich wird. Elemente einer Internationalisierung wie Institutionalisierung bestimmter Bereiche sind tatsächlich im Vordringen begriffen, wie im weiteren Verlauf der Arbeit zu zeigen sein wird. Darunter sind auch immer wieder Fragen des Umweltschutzes zu finden.
c) Niederschlag im FSA Diese Entwicklungen haben sich im FSA deutlich niedergeschlagen. Die Vorkommen der Hohen See sollen nicht weiter durch die Ausdehnung der Hoheitsgewalt auf weitere Seegebiete nationalisiert werden. Vielmehr ist beabsichtigt, sie unter eine internationale Verwaltung in Form regionaler Fischereiorganisationen oder -übereinkünfte zu stellen. Durch die Aufforderung zur Gründung und Stärkung von RFOs findet eine Institutionalisierung von Erhalt und Bewirtschaftung der Fischbestände statt. Wie in Teil 2 der Arbeit gezeigt, weicht das FSA von 1995 in wenigstens zwei Punkten von bislang geltenden, auf der Souveränität der Einzelstaaten begründeten Prinzipien des Seerechts ab: zum einen die Möglichkeit ftlr RFOs, Nichtmitglieder unter Umständen von den Fanggründen der Hohen See auszuschließen bzw. deren Verhalten zu beeinflussen, etwa durch Überwachung ihrer Tätigkeiten und gegenbenenfalls die offizielle Aufforderung, sich an vereinbarte Regeln zu halten. Die andere Abweichung ist die Ausnahme zum Flaggenstaatsprinzip, indem andere als der Flaggenstaat Durchsetzungsmaßnahmen gegenüber einzelnen Schiffen ergreifen können.
aa) Behandlung von Nichtmitgliedern nach Art. 8 Abs. 4 und 17 FSA
Anknüpfungspunkt der weiteren Untersuchung wird zunächst Artikel 8 Absatz 4 FSA sein: "Only those States which are members of such an organization or participants in such an arrangement, or whlch agree to apply the conservation and management measures established by such organization or arrangement, shall have access to the fishery resources to which those measures apply." 26 Vgl. die Untersuchung der einschlägigen Vorschriften der SRK bei König, Durchsetzung, S. 84 ff. 13 Ziemer
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
In Art. 17 werden die Mitgliedstaaten einer RFO in Fortsetzung von Art. 8 Abs. 4 zum Tätigwerden gegenüber den Schiffen von Nichtmitgliedern aufgefordert, um regionale Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durchzusetzen. Mit diesen Vorschriften versuchen die Vertragsparteien eindeutig, das Verhalten von Nichtvertragsparteien zu regulieren. Dem steht auch der Titel des Vertrages als "Durchfiihrungsübereinkommen" nicht entgegen.
bb) Ausnahme zum Flaggenstaatsprinzip
Weiterer Anknüpfungspunkt grundlegender Neuerungen ist Art. 21 FSA. Dieser sieht zur Durchsetzung von Bewirtschaftungs- und Erhaltungsmaßnahmen unter gewissen Umständen Ausnahmen zum Flaggenstaatsprinzip vor. Danach sollen im Rahmen von regionalen oder subregionalen Fischereiorganisationen oder Übereinkünften unter anderem Inspektoren Fischereifahrzeuge unter fremder Flagge kontrollieren und Ermittlungen einleiten dürfen. Auf diese Weise wird vom gewohnheitsrechtlich geltenden Prinzip der Flaggenstaatsjurisdiktion abgewichen. Art. 21 Abs. I bezieht sich jedoch ausdrücklich nur auf Schiffe, die die Flagge "eines anderen Vertragsstaates dieses Übereinkommens" filhren. Bei der Untersuchung des FSA in bezug auf dritte Staaten könnte Art. 21 daher vernachlässigt werden. Allerdings drängt sich auch die Frage auf, ob Art. 21 möglicherweise gegenüber solchen Staaten Wirkung haben kann, die zwar nicht das FSA gezeichnet haben, aber bereits Mitglied der SRK sind. Der Wortlaut von Abs. I spricht dagegen, denn dort ist ausdrücklich nur von Vertragsstaaten des FSA die Rede. Der Titel des Abkommens als "Durchfilhrungsübereinkommen" spricht allerdings dafiir. Dann bleiben jedoch immer noch diejenigen Staaten, die in gar keinem der beiden Vertragswerke Mitglied sind. Um effektive Maßnahmen zu ergreifen, ist es aber absolut notwendig, daß sich alle Staaten an die Spielregeln halten. Es fragt sich daher, ob nicht grundsätzlich eine Drittwirkung eines Vertrages im Wege der Allgemeingültigkeit begrUndbar ist. Dann könnte das FSA Wirkung gegenüber allen Staaten haben, egal ob Partei der SRK oder nicht.
2. Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung
Es ist von der These auszugehen, daß es sich bei Art. 8 Abs. 4, Art. 17 und Art. 21 FSA um eine vertragliche Weiterentwicklung umweltvölkerrechtlicher Prinzipien handelt, die das heutige Verständnis von staatlicher Souveränität zugunsten eines gemeinsamen Zieles einschränken.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
195
Das FSA ist nach der hier vertretenen These Teil eines - noch sehr rudimentären - Mosaiks, das eine globale Umweltordnung darstellt. Eine solche Ordnung müßte aber allgemein gelten, sonst könnte sie von einigen unterlaufen werden und würde wirkungslos. Möglicherweise ist rur die Hochseefischerei nach gebietsübergreifenden und weit wandernden Arten ein eigenes Ordnungssystem geschaffen worden. Es gilt daher herauszuarbeiten, unter welchen Umständen internationale Verträge wie das FSA Allgemeingültigkeit entfalten und damit auch solche Staaten binden können, die selbst gar nicht Partei des Vertrages geworden sind. Der Grundsatz des "consent" als allgemein gültiges Prinzip soll dabei nicht in Frage gestellt werden. Es geht hier um die Untersuchung möglicher Ausnahmen. In Frage steht dabei nur der Status des "consent", der "Anerkennung" als absolute conditio sine qua non rur die Entstehung von Völkerrecht, das rur alle bindend ist. Ausgangspunkt dieses dritten Teiles der Arbeit ist die Aussage der ILC aus dem Jahr 1964 in Vorbereitung der Wiener Vertragsrechtskonvention, mit der der von Wa/dock vorgeschlagene Artikel über objektiver Regime im geltenden Völkerrecht 27 abgelehnt wurde: "As the theory oftreaties creating objetive regimes was controversial and its acceptability to states somewhat doubtful, the Commission concluded that to recognize that such treaties create special legal effects for non-parties would be premature at the present state of the development of international relations. "28 Dieser Aussage folgend soll untersucht werden, ob heute, über 30 Jahre später, doch internationale Verträge geschlossen und durchgesetzt werden, die auch von Nichtmitgliedern zu befolgen sind.
11. Theoretische Begründungen von Drittwirkung internationaler Verträge Erste Voraussetzung einer möglichen Allgemeingültigkeit ist die Feststellung, daß ein multilaterales Vertragswerk überhaupt Drittwirkung entfalten kann. Im Anschluß daran wären die einzelnen Voraussetzungen einer solchen Drittwirkung zu prüfen.
1. Nach der WVRK Grundsatz jeder Art von Vertragsrecht ist, daß eine rechtsgeschäftliehe Willensübereinkunft nur zwischen den beteiligten Parteien im Gegenseitigkeitsver-
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Näher zu diesem Vorschlag später in dieser Untersuchung. YBILC 1964 11, S. 185.
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
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hältnis Rechte und Pflichten entfalten kann. Insbesondere setzt eine Verpflichtung die Zustimmung des jeweiligen Vertragspartner voraus. Die gilt im Völkerrecht ebenso wie im frühen römischen Recht. Dem folgte auch der StIGH in seinem Lotus-Urteil aus dem Jahre 1927: The rules oflaw binding upon States ... emanate from their own free will. 29
In internationalen Schiedssprüchen wurde dieser Grundsatz immer bestätigt. 3o Auch in Art. 34 der WVRK, welcher die grundsätzliche Einstellung der Mehrheit der Staaten zur Frage einer möglichen Drittwirkung wiedergibt,31 ist dies festgehalten: Ein Vertrag begründet rur einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte.
Dieser Pacta-tertiis-Regel entsprechend können Drittstaaten nach Art. 35 WVRK nur durch eine Vertragsbestimmung zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet werden, wenn sie diese Verpflichtung ausdrücklich annehmen. Von den Staaten, die speziell durch Art. 8 Abs. 4 und Art. 17 FSA gebunden werden sollen, ist aber aufgrund ihres bisherigen Verhaltens als "Trittbrettfahrer" eine Zustimmung zu diesen Verpflichtungen gerade nicht zu erwarten. Eine letzte Möglichkeit der Begründung einer Drittwirkung von vertraglichen Pflichten innerhalb der WVRK bietet Art. 36. Nach dessen Nummer 1 werden Drittstaaten durch Vertragsbestimmungen berechtigt, wenn die Vertragsparteien dies beabsichtigen und der Drittstaat (gegebenenfalls stillschweigend) zustimmt. Ist dies geschehen, so hat nach Nummer 2 der Staat, der ein solches Recht ausübt, die rur dieses Recht im Vertrag niedergelegten oder im Einklang mit ihm aufgestellten Bedingungen einzuhalten. Dies ist die Kehrseite der Medaille, denn das Recht kann nicht ausgeübt werden, ohne daß gewisse Bedingungen erflillt werden. Dem Recht entspricht also eine Pflicht. Versuche, dieses Prinzip auf das FSA zu übertragen, könnten folgendermaßen aussehen: a) Durch die SRK wird die Freiheit der Fischerei rur alle Staaten postuliert. Dies ist ein Recht, das auch Drittstaaten zusteht. Diese Freiheit ist durch bestimmte Verpflichtungen wie Kooperation und Erhalt der Arten eingeschränkt. Dabei handelt es sich um die dem Recht entsprechenden Pflichten. Durch das FSA werden diese bereits bestehenden Pflichten lediglich konkretisiert. Staaten, die dem Prinzip der Fischereifreiheit zustimmen, müssen also an die ihr entspre-
Sero A Nr. 10, S. 18. S.o., vgl. Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 10 m. der Rechtsprechung. 31 Neuhold, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 51. 29
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W.
N.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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chenden, im FSA konkretisierten Pflichten gebunden sein. Gegen diese Überlegung spricht allerdings, daß die Freiheit der Fischerei kein vertraglich garantiertes Recht der SRK ist, sondern ein gewohnheitsrechtliches Prinzip, das lediglich durch die SRK eingeschränkt wird. Die SRK selbst ist also schon die Kehrseite des Rechtes. Auf diese Weise läßt sich nicht begründen, daß das Durchfilhrungsabkommen die dem Recht auf Freiheit der Fischerei - wie in der SRK niedergelegt - entsprechende Bedingung ist. b) Durch das FSA werden die Fischvorkommen der Hohen See gesichert. Da aufgrund des Prinzips der Fischereifreiheit der Hohen See alle Staaten gleichermaßen zum Fischfang berechtigt sind, kommen Erhaltungsmaßnahmen allen Staaten gleichermaßen zugute. Davon profitieren auch Staaten, die nicht Parteien des FSA sind. Auf der Kehrseite mUßten sie sich nach diesem Ansatz an die Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände halten. Aber auch diese Überlegung ist systematisch nicht zu halten. Die positiven Effekte von Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen der Vertragsparteien auf der Hohen See filr Drittstaaten sind kein vertraglich vereinbartes Recht. Sie sind lediglich das erhoffte Ergebnis von vertraglichen Verpflichtungen. Auch diese Begründung läßt sich daher nicht unter die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 36 WVRK subsumieren. Über die Grundsätze der WVRK läßt sich daher filr das FSA ebenso wie rur die meisten anderen internationalen Verträge keine Drittwirkung begründen.
2. Andere Ansatzpunkte einer Begründung von Drittwirkung
Die Tatsache, daß es im internationalen Recht kein institutionalisiertes Legislativorgan gibt, ist bereits als strukturelles Defizit des Völkerrechts bezeichnet worden. Es hat seine Wurzeln im Prinzip des souveränen Einzelstaates. 32 Trotzdem gab und gibt es immer wieder Bestrebungen, auch Drittstaaten bestimmte Regime aufzuzwingen. Schon im 19. und 20. Jahrhundert haben beispielsweise mächtige Staaten stets Gebietsabkommen getroffen, die gegenüber den weniger starken Staaten galtenY Ähnlich haben auch in jüngerer Zeit mächtige wie schwache Staaten versucht vorzugehen. So hat 1985 die Vorbereitungskommission der SRK die Auffassung geäußert, daß eine Ausbeutung der Tiefseebodenschätze nur in den vertraglich vorgesehenen Formen zulässig
32 Wolfrum, Purposes and Principles of International Environmental Law, GYIL 1990, S. 324. 33 Vgl. Chinkin, Third Parties in International Law, S. 143.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
sei. 34 Dadurch wurde der Anspruch erhoben, ein multilaterales Vertragswerk noch dazu vor dessen Inkrafttreten auch jenen Staaten aufzuzwingen, die sich durch Nichtzeichung von ihm distanziert haben. 35 Bei Abschluß der SRK haben einige Entwicklungsstaaten folgende Aussage getroffen: Die Konvention "would be law for all states - even those that are outside the framework".36
Oft zitiertes Beispiel ist auch Art. 2 Nr. 6 der Charta der Vereinten Nationen: Die Organisation trägt dafUr Sorge, daß Staaten, die nicht Mitglieder der Vereinten Nationen sind, insoweit nach diesen Grundsätzen handeln, als dies zur Sicherung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich ist. Nach einer Ansicht werden damit Nichtmitglieder gezwungen, sich satzungskonform zu verhalten. Andererseits läßt sich argumentieren, daß damit nur die Mitglieder gehalten werden, mit völkerrechtskonformen Mitteln auf ein entsprechendes Verhalten von Nichtmitgliedern hinzuwirken. 37 Aber selbst wenn man eine Drittbindung der UN-Charta annimmt, so reicht dieses Beispiel allein noch nicht aus um zu schlußfolgern, auch andere multilaterale Verträge könnten grundsätzlich Drittwirkung entfalten. Es sind daher noch weitere BegrUndungsansätze einer Drittwirkung zu untersuchen. In seiner abweichenden Meinung in "International Status ofSouth West Africa" befand zum Beispiel Lord McNair 1950: ,,[f]rom time to time it happens that a group of great powers, or a large number of States both great and smalI, assurne apower to create by a multi partite treaty some new international regime or status, which soon acquires a dregree of acceptance and durability extending beyond the limits of the actual contracting parties, and giving it an objective existence. This power is used when some public interest is involved ..."38 Allerdings bleibt die Frage offen, woher diese Kompetenz der Großmächte oder der Staatengruppe für eine solche Kapazität kommt. Wichtig ist jedoch hier die Feststellung, daß nur ein "Grad" an Anerkennung über die Gruppe der Vertragsparteien hinausgehen muß. Danach wäre also keineswegs Voraussetzung, daß alle Staaten das Regime oder den Status anerkennen. 39
34 Erklärung vom 30.8.1985, UN Doc. LOSIPCNI72, abgedruckt in: IJIL 25 (1985), S.359. 35 Tomusehat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. I\. 36 Zitiert bei Charney/Danilenko, Consent and the Creation of International Law, S. 42, mit FundsteIle. 37 Übersicht über die Argumentation bei Charney/Danilenko, Consent and the Creation ofInternational Law, S. 40 m. w. N. 38 ICJ Reports 1950, S. 146 ff., 153. 39 Vgl. Delbrück, "Laws in the Public Interest" in Liber amicorum Günther Jaenikke, S. 17 fT. nach FN 27.
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199
Bereits 1952 behauptete Hans Kelsen, es gäbe eine Tendenz im internationalen Vertragsrecht, das Prinzip der staatlichen Souveränität zugunsten einer Drittwirkung von Verträgen zu beschränken. "Treaties imposing obligations upon third states have been generally recognized in a steady increasing measure".40
Dies beschränkt er jedoch auf multilaterale Verträge, an deren Abschluß eine überwältigende Mehrheit von Staaten beteiligt ist und die wie die Charta der Vereinten Nationen abzielen auf "an international order ofthe world". Dies sei eine charakteristische Tendenz modemen Völkerrechts. Eine Begründung oder gar Beweise filr eine Akzeptanz dieser These lieferte er jedoch nicht. Sowjetische Autoren argumentierten Anfang der 80er Jahre, generelIe multilaterale Verträge über globale Probleme, die die ganze internationale Gemeinschaft betreffen, können dann Drittstaaten binden, wenn sie von einer Mehrheit von Staaten aus verschiedenen sozio-ökonomischen Systemen geschlossen würden, bzw. wenn sie sich auf fundamentale globale Probleme bezögen. 41 Ein überzeugender Beweis der allgemeinen Akzeptanz solcher Verträge wird nicht angetreten. Alle diese Ansätze erkennen die Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit an, bestimmte Bereiche des internationalen Zusammenlebens allgemeinverbindlich zu regeln, um dessen Zusammenbruch zu vermeiden. Da sie sich nicht haben durchsetzen können, helfen sie aber auch nicht weiter, eine mögliche Drittwirkung des FSA aufNichtvertragsparteien zu begründen.
3. Zwischenergebnis
Anhand der Instrumente der WVRK läßt sich keine Drittwirkung des FSA feststellen. Es hat alIerdings aufgrund der Rechtsetzungsschwächen des Völkerrechtes - in Ermangelung eines verbindlichen Weltgesetzgebers - immer wieder Bemühungen gegeben, auf andere Weise eine Drittwirkung von Verträgen zu begründen, wenn dies filr die Wirksamkeit der Verträge erforderlich war. Diese Begründungen konnten jedoch bislang nicht gehalten werden. Die im ersten Teil der Arbeit ausfilhrlich dargestellte prekäre Situation der Mehrzahl der Fischbestände in der Welt macht aber ein einheitliches Handeln aller Staaten zwingend erforderlich. Es wäre daher unangemessen, die Untersuchung an dieser Stelle bereits abzubrechen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob
Kelsen, Principles ofintemational Law, S. 348. 41 Zitiert bei Charney/Danilenko, Consent and the Creation of International Law, S. 42, mit FundsteIle. 40
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
der bestehende Ordnungsrahmen des Völkerrechts ausreichend ist, um derart dringende Normativbedürfnisse einer internationalen Gemeinschaft zu befriedigen.
111. Vorhandene Drittwirkung internationaler Verträge Um hierauf eine Antwort zu finden, bietet sich nun an zu untersuchen, ob sich die Behauptung der Existenz von Drittwirkung von Verträgen im heute geltenden Recht auf andere Weise stützen läßt. Möglicherweise gibt es Ausnahmen zum Prinzip der Relativität der Verträge. Ansatzpunkt ist zunächst die Forschung nach bereits formulierten oder gar in Kraft befindlichen Verträgen, die tatsächlich Pflichten ftlr nichtbeteiligte Drittstaaten begründen. 42
1. Reflexwirkung völkerrechtlicher Verträge Ansätze einer Drittwirkung könnten in den sogenannten Realverftlgungen zu finden sein, also etwa in Gebietszessionen von zwei oder mehr territorial zuständigen StaatenY Solche Verträge werden auch als Verftlgungsverträge bezeichnet. 44 Sie haben unmittelbare rechtsändernde Wirkung und müssen von dritten Ländern beachtet werden, sofern sie in Einklang mit dem geltenden Völkerrecht, insbesondere dem Gewaltverbot, geschlossen worden sind. 45 Allerdings entstehen ftlr Drittstaaten aus diesem Vertrag keinerlei spezielle neue eigene Pflichten. 46 Die Drittwirkung erfolgt nur aus der Verfiigungsberechtigung der Vertragsparteien aufgrund ihrer territorialen Souveränität. Ebenso verhält es sich mit der Gründung neuer Internationaler Organisationen: 47 Sie entfaltet ftlr Drittstaaten insofern Tatbestandswirkung,48 als die Organisationen gegenüber allen anderen Staaten Rechtspersönlichkeit erhalten. 49 42 Vgl. bereits Kelsen, Principles ofIntemational Law, S. 345 ff.
43 Vgl. Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 12, Bastid, Les traites dans la vie internationale, S. 142. 44 Dahm/DelbrücklWoljrum, Völkerrecht, Bd. 111, S. 53 m. w. N. 45 Dahm, Völkerrecht, Bd. 111, 1961, S. 119; Klein; Statusverträge im Völkerrecht, S. 184-187; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 767. 46 Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 13. 47 Solche Verträge werden auch als institutionelle Verträge bezeichnet, DahmiDelbrücklWoljrum, Völkerrecht, Bd. 111, S. 53. 48 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 767. 49 So der IGH im Reparation for Injuries-Gutachten, ICl Reports 1949, S. 185: "fifty States, representing the vast majority of the members of the international community, had the power, in conforrnity with international law, to bring into being an entity
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
201
Diese Rechtspersönlichkeit ist von Nichtvertragsstaaten zu akzeptieren, verpflichtet aber ft1r sich genommen die Nichtvertragsstaaten nicht automatisch zu einem positiven Tun. Solche Reflexe völkerrechtlicher Verträge sind also keine echte Drittwirkung. Sie können daher hier nicht zur Begründung der Verpflichtung von Nichtvertragsstaaten herangezogen werden. Sie beinhalten aber schon ein Indiz filr das Bestehen eines allgemeinen Interesses an der Beachtung der geschaffenen Regeln und Tatsachen.
2. Qua Gewohnheitsrecht Ein internationaler Vertrag könnte dann Drittwirkung entfalten, wenn die durch ihn festgelegten Normen Völkergewohnheitsrecht entsprechen. Dabei ist einschränkend jedoch schon im Voraus zu bemerken, daß der Vertrag nur bestehendes Gewohnheitsrecht kodifiziert oder durch seinen Abschluß zum Entstehen des Gewohnheitsrechtes beiträgt. so Daher kann in diesem Fall die Drittwirkung nur mittelbar sein. Damit ist strenggenommen die Schublade "Vertragsrecht" schon wieder geschlossen worden. Gewohnheitsrecht wird nämlich gerade nicht vereinbart, sondern ist das Ergebnis von Staatenpraxis und hinzutretender opinio juris. sl Zwar wird auch vertreten, daß dem Gewohnheitsrecht ein stillschweigender Vertrag (pactum tacitum) zugrunde liegt. S2 Dann allerdings mUßte auch filr diesen stillschweigende Vertrag Drittgeltung erst konstruiert werden. In die Einzelheiten der Dogmatik zum völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht soll nicht weiter eingegangen werden. Eine Untersuchung von Gewohnheitsrecht im Zusammenhang mit vertraglicher Drittwirkung ist aber trotz dieser Überlegungen gerechtfertigt: Gemäß Art. 38 des Wiener VertragsrechtsUbereinkommens ist nicht ausgeschlossen, "daß
possessing objective international personality, not merely personality recognized by them". so Der IGH hat in mehreren Fällen internationale Verträge als Indiz filr bestehendes Gewohnheitsrecht gewertet, z. B. in Nottebohm, ICI Reports 4, S. 22 bis 23; Fischereifall 1951, ICI Reports 1951, S. 116, 131; vgl. d'Amato, Manifest Intent, AJIL 1970, S. 899. SI "Lotus" (Fr./furk.), 1927 PCIJ (Ser. A) No. 10 (7. Sept.); "North Sea Continental Shelf', (FRGlDen; FRG/Neth.) 1969 ICI Rep. 3 (20.Feb.); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 551. S2 Ausfilhrlicher Überblick zu den einzelnen Theorien bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 549 ff.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
eine vertragliche Bestimmung als ein Satz des Völkergewohnheitsrechts, der als solcher anerkannt ist, für einen Drittstaat verbindlich wird". Soll eine Drittwirkung des FSA über diese Schiene begründet werden, müßte es sich also bei den fraglichen Bestimmungen um Gewohnheitsrecht handeln.
a) Entstehung Eine Norm wird jedenfalls dann zu Gewohnheitsrecht, wenn die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft sie allgemein als gesetzlich verbindlich ansehen und deswegen auf Dauer befolgen. 53 Es besteht daher aus den zwei Merkmalen der Gewohnheit sowie der rechtlichen Überzeugung. In der Praxis hat sich oft gezeigt, daß bereits geltendes Gewohnheitsrecht erst durch Verträge kodifiziert wurde. Dies gilt etwa für Teile des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge. Nicht erforderlich ist, daß jedes einzelne Völkerrechtssubjekt die Norm anerkennt. 54 Es reicht eine sehr weitreichende, repräsentative Teilnahme der Staaten der Weltgemeinschaft einschließlich derjenigen, die besonders an diesem speziellen Vertrag/der speziellen Norm interessiert sind. 55 Im Rahmen von Gewohnheitsrecht ist es nicht unüblich, daß wenige interessierte Staaten eine Rechtsregel entwickeln, die aufgrund allgemeiner (stillschweigender) Anerkennung Gültigkeit gegenüber allen erwirbt. 56 Insofern werden Staaten, die nicht an der Bildung des mit dem Rang von Gewohnheitsrecht ausgestatteten Vertrages beteiligt waren, dann gebunden, wenn eine breite Mehrheit von Staaten es als Recht akzeptiert. Eine eigene ausdrückliche Zustimmung ist dann nicht nötig. Fraglich ist also, ob die Vorschriften des FSA, insbesondere Art. 8 Abs. 4 und Art. 21, diesen Anforderungen genügen, um als Völkergewohnheitsrecht Drittwirkung zu haben. Es müßten also sowohl eine allgemeine Übung als auch eine rechtliche Überzeugung diesbezüglich bestehen. Aus den Untersuchungen der beiden ersten Teile dieser Arbeit hat sich ergeben, daß es im Rahmen internationaler Fischereiorganisationen immer wieder Bemühungen gegeben hat, Drittstaaten an bestehende Fangquoten und -methoden zu binden. Mit dem Compliance Agreement und dem Code of Conduct sind sogar auf globaler Ebe-
53 Vgl. Art. 38 Abs. I Iit. b IGH Status, Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 552 tT.; Charney, Universal International Law, AJlL 1993, S. 536. 54 Art. 36 Absatz 2 IGH Status; vgl. Charney, Universal International Law, S. 536. 55 ICJ Reports 1969, S. 41; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 553 tT. 56 Charney, Universal International Law, S. 538.
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ne Versuche unternommen worden, gegenüber Drittstaaten aktiv zu werden. AlIen Verträgen ist aber im Gegensatz zum FSA auch gemein, daß sie die Nichtmitglieder nur "einladen" oder "auffordern" können, sich an den Maßnahmen zu beteiligen. Eine zwangsweise Durchsetzung gegenüber fremden Schiffen/Staaten ist gerade nicht vorgesehen. Genau dies ist als Problem erkannt worden, konnte aber bislang nach geltendem Recht nicht gelöst werden. Die Staaten sind bisher nicht bereit gewesen, ihre souveränen Rechte, wie sie sich aus dem Prinzip der Freiheit der Hohen See einschließlich des Flaggenstaatsprinzips ergeben, einzuschränken. Damit sind weder Übung noch Rechtsüberzeugung vor Abschluß des FSA zu belegen. Festzustellen ist jedoch die weitreichende Erkenntnis, daß die geltenden Regeln nicht ausreichend sind, um den Bestand der lebenden Meeresschätze dauerhaft zu sichern. Daraus resultierte allgemein das Bedürfnis, eine neue Regelung zu treffen. 57
b) Instant Customary Law Damit steht in Frage, ob entsprechendes spontanes Gewohnheitsrecht entstanden ist. Nach der Lehre des sog. "instant customary law" könnte nämlich schon durch eine einmalige Manifestation einer Rechtsüberzeugung bereits Gewohnheitsrecht geschaffen werden. Danach ist möglicherweise mit dem bloßen Abschluß des FSA die Möglichkeit des Ausschlusses von Drittstaaten von bestimmten Fanggründen der Hohen See bzw. die Einschränkung des Flaggenstaatsprinzips Gewohnheitsrecht spontan entstanden. Eine opinio iuris ließe sich unter Umständen beweisen. Dazu kann zum Beispiel die große Zahl der Staaten genannt werden, die am Abschluß des FSA beteiligt gewesen sind. Auch ist auf die Agenda 21 sowie den Abschluß von Compliance Agreement und Code of Conduct zu verweisen. Selbst wenn bislang noch nicht viele Staaten das FSA ratifiziert haben, so haben während der Verhandlungen viele die Absicht deutlich werden lassen, dies vornehmen zu wolIen. Fraglich ist jedoch, ob der Konstruktion des instant customary law überhaupt gefolgt werden kann. Richtig ist, daß eine Übung - wie rur die Entstehung von Gewohnheitsrecht traditionell gefordert - über einen "längeren" Zeitraum heute im Rahmen der hochorganisierten und -technisierten internationalen Beziehungen nicht mehr nötig ist. Auch für den IGH ist nicht mehr die Dauer der Praxis entscheidend, sondern der Umstand, daß diese Übung "extensive and virtually uniform" war. 58 Sir Humphrey Wa/dock hat die bereits in den 60er Jahren vor-
57 58
Vgl. dazu die Ergebnisse des ersten Teils der Arbeit. JeJ Reports 1969, S. 43.
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
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herrschende Meinung so formuliert, daß die rur eine Gewohnheit nötige Zeit variiere, abhängig von der "nature ofthe case".59 Dabei stellt er den Vergleich von Luft- und Seerecht her: während das Prinzip der Freiheit der Meere rur seine Anerkennung mehrere Jahrhunderte benötigte, wurde quasi mit Ausbruch des ersten Weltkrieges das Prinzip der nationalen Souveränität über den eigenen Luftraum geboren. 6o Eine genaue Angabe der Dauer, die filr eine Gewohnheit nötig ist, wird aber nirgends geliefert. Begriffslogisch setzt Gewohnheitsrecht jedoch eben eine "Gewohnheit" voraus, also ein bestimmtes Verhalten wenigstens über den Zeitraum hinweg, der nötig ist, eine solche Gewohnheit durch Einzelbeispiele erkennen zu lassen. 61 Es reicht nicht aus, allein die Entstehung einer Regel heranzuziehen, um eine regelmäßige Übung zu belegen, diese Regel muß zumindest einmal auch bewußt in irgendeiner Form befolgt worden sein. Es muß also wenigstens irgendein Indiz im Verhalten der Staaten auf eine Gewohnheit schließen lassen. Ein "plötzliches" Gewohnheitsrecht kann es begriffslogisch einfach nicht geben. Damit kann durch den Abschluß des FSA allein auch bei noch so großer Beteiligung kein spontanes Gewohnheitsrecht entstanden sein.
c) Schaffung von Gewohnheitsrecht durch Verträge Ein Vertrag kann aber die Schaffung von Gewohnheitsrecht zur Folge haben, wenn im Anschluß die in ihm festgelegten Regeln auf Dauer befolgt werden. Im Festlandssockel-Fall 62 hat der IGH zum ersten Mal explizit anerkannt, daß ein Vertrag Gewohnheitsrecht nicht nur kodifizieren, sondern erschaffen kann: 63 ... a norm creating provision which has constituted the foundation of, or has generated a rule which, while only conventional or contractual in its origin, has since passed into the general corpus of international law ... 64 Insbesondere aus generellen, mehrseitigen Verträgen kann sich Völkergewohnheitsrecht entwickeln, indem die darin vereinbarten Normen über den Kreis der Vertragsparteien hinaus anerkannt werden. 65 Dieser Vorgang ist aber
Waldock, General Course ofPublic International Law, 106 RdC 196211, S. 44. Waldock, General Course ofPublic International Law, 106 RdC 196211, S. 43 bis 47; vgl. d'Amato, The Concept ofCustom, S. 58. 61 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 571, § 566 m. w. N. 62 IC] Reports 1969, S. 3. 63 Vgl. d'Amato, Manifest Intent, AJIL 1970, S. 894 f. 64 IC] Reports 1969, S. 42. 65 Vgl. Art. 38 WVRK; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 581 mit Beispielen; Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 155 f. mit zahlreichen w.N. 59
60
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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an bestimmte Bedingungen geknüpft. 66 Voraussetzung ist wenigstens, daß das Vertragsrecht eine bewußte und gewollte Rechtsetzung darstellt, die von einer opinio iuris sive necessitatis begleitet sein muß. 67 Für den Übergang einer vertraglichen in eine gewohnheitsrechtliche Norm soll es nach Ansicht des IGH ausreichend sein können, wenn eine verbreitete und repräsentative Beteiligung vorliegt, vorausgesetzt, daß zu den Vertrags staaten diejenigen Staaten gehören, deren Interessen besonders stark berührt sind. 68 Traditionell ist Gewohnheitsrecht von wenigen besonders interessierten Staaten fiir alle formuliert worden. 69 Für die endgültige Entstehung solchen Rechtes kann der Abschluß des Vertrages allein aber noch nicht ausreichen, zumal wenn der Vertrag noch nicht einmal in Kraft getreten ist. Bezüglich Nichtvertragsstaaten müßte daher zunächst wenigstens eine stillschweigende, protestlose Hinnahme der neuen Regel vorliegen. Eine solche Hinnahme kann man jedoch auch erst nach einer gleichmäßigen, andauernden Übung vermuten. 70 In Anbetracht dessen, daß das FSA erst 1995 abgeschlossen wurde und noch einige Zeit vergehen wird, bis es in Kraft tritt, scheint es zu gewagt, bereits jetzt71 von einer opinio iuris zu sprechen. Zwar mag durch den Abschluß des Abkommens die Überzeugung vieler Staaten zutage getreten sein, daß der Schutz der Ressourcen institutionalisiert und das Flaggenstaatsprinzip eingeschränkt werden müsse. Zu beachten ist dabei zusätzlich, daß das FSA im Wege des Konsenses zustande gekommen ist, das heißt ohne förmliche Abstimmung. 72 Da einem solchen Beschluß normalerweise als solchem keine Rechtsverbindlichkeit zukommt,73 mag es den Staaten leicht gefallen sein, ihre Zustimmung
66 Vier Voraussetzungen nennt Lee, The Law ofthe Sea Convention and Third States, AJIL 1993, auf S. 561 f.: (I) a fundamentally nonn-creating character such as could be regarded as fonning the basis of a general rule of law; (2) a very widespread and representative participation in the convention, incIuding that of States whose interests were specially affected; (3) a general recognition that a rule of law or legal obligation is involved; (4) the passage ofsome time, short though it may be. 67 DahmiDelbrückiWolfrum, Völkerrecht Bd. I/I, S. 59; d'Amato, Manifest Intent, AJIL 1970, S. 894 ff.; ausfllhrlich zu möglichen weiteren Voraussetzungen auch Klein, Statusverträge und Völkerrecht, S. 156 ff. 68 IC] Reports 1969, S. 42. 69 Charney, Universal International Law, AJIL 1993, S. 538. 70 DahmiDelbrückiWolfrum, Völkerrecht Bd. I/I, S. 60 m. w. N. 71 Ende 1998. 72 S. o. "Konsens" steht fllr ein Verfahren, das zum Katalog der bis dahin üblichen diplomatischen Umgangs- und Verhandlungsfonnen eine neue Variante hinzufügt und in voller Konsequenz zum ersten Mal während der Verhandlungen der dritten Seerechtskonvention angewendet wurde. Es beschreibt zum einen das Verhandlungsziel, zum anderen die Methode, das Ziel zu erreichen. Kewenig, Menschheitserbe, Konsens und Völkerrechtsordnung, EA 1981 I, S. I, ausfllhrIich zu den Wirkungen des Verfahrens ab S. 4. 73 Im Falle des FSA handelt es sich allerdings doch um ein bindendes Instrument.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
zum Vertragstext zu geben, ohne konkrete Folgen fUrchten zu müssen. 74 Ein solcher Beschluß mag zwar die Bildung von Gewohnheitsrecht beschleunigen, allein durch ihn aber auf das verbindliche Bestehen einer Norm zu schließen, scheint dagegen zu weitgehend, insofern kann auf die Argumentation beim spontanen Gewohnheitsrecht verwiesen werden.
d) Persistant Objector Rule Fraglich ist weiterhin, wie solche Staaten zu behandeln sein könnten, die sich im Zuge der Herausbildung der Normen von Anfang an ihrer Anwendung beharrlich widersetzt haben. Möglicherweise könnte ein solcher persistant objector75 trotzdem von dieser Norm gebunden werden. Daß er ihre Entstehung nicht verhindern kann, ist anerkannt. 76 Im Fischereifall urteilte der IGH 1951 aber zum Beispiel, daß Norwegen von der Zehn-Meilen-Regel fiir die Breite von Buchten nicht betroffen sein könne, da es sich stets gegen die Anwendung dieser Regel auf seine eigenen Küsten gewandt hatte. 77 Dem folgend könnten Staaten, die gegen die Anwendung des FSA protestieren, von seiner Geltung ausgeschlossen sein. Die tatsächlichen Möglichkeiten, die Rolle eines persistant objector durchzuhalten, sind zwar nicht auszuschließen, in der Praxis jedoch wohl eher gering. 78 Im Ubrigen ist festzustellen, daß es filr Staaten wenig Nutzen hat, sich in die Rolle des persistant objector zu begeben: daß er sich selbst filr nicht gebunden erachtet, schUtzt ihn nicht davor, daß andere Staaten Maßnahmen ergreifen, um ihn zur Befolgung der Norm zu bewegen. 79 Genau dies ist im FSA auch bereits angelegt: nach Art. 33 Abs. 2 ergreifen die Vertragsstaaten Maßnahmen in Einklang mit dem Übereinkommen und dem Völkerrecht, um Schiffe unter der Flagge von Nichtvertragsstaaten davon abzuhalten, Tätigkeiten auszuüben, welche die wirksame Durchführung des Übereinkommens beeinträchtigen. Ein persistant objector wäre danach zwar nicht an das FSA gebunden, könnte aber durch das konzertierte Handeln der Vertragsparteien unter Umständen dazu gezwungen werden, sich zu fügen. Das FSA ist damit bereits dazu angelegt, irgendwann einmal allgemein verbindlich zu werden.
Vgl. Dahm/Delbrück/Woljrum, Völkerrecht Bd. 111, S. 61. Brownlie, Principles ofInternational Law, S. 10. 76 1CJ Reports 1951, S. 131; vgl. Brownlie, Principles oflnternational Law, S. 10; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 558; Rousseau, Droit International Public I (1970), S. 326. 77 ICJ Reports 1951, S. 131. 78 Charney, Universal International Law, S. 538. 79 Charney, Universal International Law, S.539. 74
75
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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Nach alledem kann festgestellt werden, daß das FSA zwar die Voraussetzungen erfiillt, nach denen Gewohnheitsrecht entstehen könnte. Eine Parallele läßt sich dabei zu den entsprechenden Vorschriften der SRK ziehen. 80 Eine unmittelbare Drittwirkung gegen Nichtvertragsstaaten im Wege gewohnheitsrechtlicher Geltung kann aber allein durch die Existenz des Vertrages noch nicht bejaht werden.
e) Ius cogens Eine Ausnahme zur Regel des persistant objector bietet das sogenannte ius cogens, zwingendes Recht. 8 I Als ius cogens wird ein Rechtssatz verstanden, welcher zur Nichtigkeit entgegenstehender Rechtsakte aus inhaltlichen Gründen fiihrt. 82 Über Normen dieser Kategorie kann nicht verfiigt werden. Sie gelten selbst dann, wenn der betroffene Staat ausdrücklich erklärt hat, nicht gebunden sein zu wollen.
aa) Ursprung Ius cogens wird oft in Zusammenhang mit dem Naturrecht gebracht. Vorschriften des ius cogens zeichnen sich dadurch aus, daß sie gleichermaßen für alle Rechtssysteme, alle Einzelpersonen und die Internationale Gemeinschaft als solche gelten. 83 Ius cogens beinhaltet Normen, die im gemeinsamen Interesse aller Staaten gelten und tief im allgemeinen Rechtsbewußtsein verankert sind. 84 Es handelt sich also um gemeinsame Grundwerte und fundamentale Interessen der Staatengemeinschaft. 85 Die daraus resultierenden Rechte und Pflichten bestehen gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft. 86 lus cogens entfaltet da-
80 81 82
Vgl. dazu die Untersuchungen des ersten Teils. Vgl. die Definition in Art. 53 Satz 2 WVRK. Überblick bei Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI,
S. 286 t1
83 Henkin, International Law, S. 60, 62, Kornicker, lus Cogens und Umweltvölkerrecht, S. 10. 84 Vgl. Verdross, Jus Dispositivum and Jus Cogens in International Law, AJIL 1966, S. 55 ff.; vgl. auch BVerfDE 18, 448 f.; Tomuschat, Obligations for States, RdC 1993 IV, S. 306 ff.; bei Delbrück, The Role ofthe UN in Dealing with Global Problems, IJGLS 1997, S. 290 heißt es "international public interest". 85 Neuhold, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 61. 86 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 526, so auch der IGH im Barcelona Traction Urteil, ICJ Reports 1970, S. 32: ,,(A)n essential distinction should be drawn between the obligations of aState towards the international community as a whole, and those arising vis-a-vis another State ... By their very nature the former are the concern of
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
mit universelle Geltung, also auch gegenüber DrittenY Hierbei handelt es sich jedoch um einige wenige Ausnahmefillie. Das Verbot von Völkermord und Sklaverei, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit gelten als solche fundamentalen Normen, gegen die ein persistant objector nicht möglich ist. Bei ihnen allen handelt es sich um das Verbot schwerster Verbrechen. Fischen als solches ist kein Verbrechen. Unter Umständen ließe sich argumentieren, daß das Überfischen zu einer schweren Schädigung der Umwelt filhren kann. Dies könnte als Verbrechen gegenüber der Menschheit oder zukünftigen Generationen gewertet werden. Denn durch die Vernichtung der lebenden Ressourcen der Meere heute wird zukünftigen Generationen eine wichtige Nahrungsquelle verschlossen. Möglicherweise stehen irgendwann nicht mehr genügend Nahrungsmittel zur Verfilgung, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Eine solche Wertung mag zwar umweltpolitisch wünschenswert sein, läßt sich rechtlich jedoch nicht stützen, da die Geflihrdung nach Ansicht vieler Staaten zu wenig konkret und beweisbar ist.
bb) Ausdehnung auf den Bereich des Umweltrechts
Es gibt allerdings bereits heute Thesen, wonach wichtige umweltrechtliche Regelungen unter eine Ausnahmeregelung vergleichbar der des ius cogens fallen könnten. 88 Bereits 1976 prognostizierte die ILC, daß ein großer Bereich des Umweltvölkerrechts in Zukunft zum ius cogens gehören werde: [I]t seems undeniable that the existing rules of general international law on the subject [environmental protection] and those which will of necessity be added to them in the future are bound to be regarded to a great extend as 'peremptory' rules by the international community as a whole. 89
In der Literatur wird ius cogens gelegentlich mit Umweltschutz in Zusammenhang gebracht. Welche konkreten umweltvölkerrechtlichen Normen zwingenden Charakters seien, wird aber meist nicht geklärt. Dies liegt vor allem daran, daß es sich bei umweltrechtlichen Normen mehr um oft allgemeine Prinzipiall States. In view of the importance of rights involved, all States can be held to have a legal interest in their protection, they are obligations erga omnes ... " 87 Vgl. aber die Diskussion bei Charney/Danilenko, Consent and the Creation of International Law, S. 46 ff. 88 Charney, Universal International Law, S. 542; ius cogens und das common heritage principle werden dabei auf eine Ebene gestellt. 89 YBILC 1976 11, S. 109, und weiter: "It seems equally undeniable that the obligations flowing from these rules are intended to safeguard interests so vital to the international community that a serious breach of those obligations cannot fail to be seen by all members of the community as an internationally wrongful act of a particularly serious character, as an 'International Crime'.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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en denn um operative Einzelnormen handelt. 9o Den einzelnen Normen fehlt es an Genauigkeit, eine Abgrenzung einzelner Tatbestandsmerkmale ist schwierig. Auch die völkerrechtliche Judikatur zu umweltrechtlichen Themen ist bislang spärlich, so daß auch sie noch nicht zur Konkretisierung einzelner Pflichten beigetragen hat. Trotzdem ist der Ansatz des ius cogens nicht ganz fernliegend. Denn wie bei allen zwingenden Normen des Völkerrechts liegen auch bei umweltrechtlichen Normen gemeinsame Interessen und Grundwerte der Menschheit zugrunde.
ce) Parallele in den Entwicklungen der Standards
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Parallele, die sich bei der Entwicklung der Rechtsgebiete Umwelt, Menschenrechte und internationaler Verbrechen ziehen läßt. Die natürliche Umwelt samt ihrer Ressourcen wurde traditionell der ausschließlichen Hoheit des jeweiligen Staates unterstellt, auf der sie sich befindet. Eine Einschränkung erfuhr dieses Konzept zunächst dadurch, daß solche Nutzungen von Umwelt und Ressourcen verboten wurden, die negative Auswirkungen auf Nachbarstaaten hatten. Heute wird die Freiheit der Staaten, ihr eigenes Hoheitsgebiet nach Belieben zu nutzen, langsam und Schritt rur Schritt eingeschränkt. Auf dem Gebiet der Menschenrechte 91 bzw. Verbrechensbekämpfung wurden Probleme ursprünglich ebenfalls als ausschließlich staats intern angesehen. Sie rechtlich zu erfassen, war Aufgabe des jeweiligen Souveräns und damit kein Problem internationalen, sondern nur nationalen Rechts. 92 Heute gibt es in bezug auf grundlegende Menschenrechte, Piraterie, Sklaverei oder auch die Auslieferung von Straftätern international gültige Standards, die zu einem beachtlichen Teil den Status von ius cogens haben. 93 Hier ist die Rede von internationalen Regimen, die über verschiedene Phasen hinweg entwickelt wurden. Während bestimmte Tätigkeiten zuerst von allen als rechtens angesehen wurden, wurden sie in einer zweiten Phase zunächst von Rechtsgelehrten oder Organisationen als Problem erkannt und angeprangert. Auf einer dritten Stufe begannen auf diversen Ebenen Aktivitäten, um die als 90
sen.
Kornicker, lus Cogens im Umweltvölkerrecht, S. 158 mit zahlreichen Nachwei-
91 Dazu Delbrück, The Role of the UN in Dealing with Global Problems, I1GLS 1997, S. 287 ff. 92 Lang, Diplomacy and International Environmental Law-Making, YIEL 1992, S.122. 93 S.o.; Überblick über die genannten Beispiele bei Nadelmann, Prohibition Regimes, 10 1990, S. 486 ff. 14 Ziemer
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
problematisch erkannten Tätigkeiten zu ächten und dann zu unterbinden. In einer vierten Phase wurden die Tätigkeiten Objekt straf- oder ordnungsrechtlicher Normen, dies schließlich überall auf der Welt. 94 Diese vierte Phase wurde dadurch erschwert, daß sich einige Staaten weigern, bestimmte Tätigkeiten zu verbieten bzw. nicht in der Lage sind, ein entsprechendes Verbot durchzusetzen. 95 Auf die Hochseefischerei angewendet, paßt dieses vier-Phasen-Schema der Entwicklung eines Regimes genau. Zunächst wurde jede Fischereiaktivität auf der Hohen See von allen Staaten der Welt - zu recht - als völlig legal angesehen. Mit wachsendem Bedarf an Fischprodukten und gleichzeitig schwindenden Ressourcen wurde die Freiheit der Hochseefischerei als ernstes Problem anerkannt. Umweltschutzorganisationen, Fischereivereinigungen und Küstenstaaten wurden aktiv. 96 Heute gibt es bereits zahlreiche, die Hochseefischerei einschränkenden Normen und Standards, deren größte Schwachstelle die Durchsetzung gegenüber Drittstaaten ist. Im Bereich der Menschenrechte und internationaler Verbrechen ist heute ein internationales öffentliches Interesse anerkannt, etwa Massaker und humanitäre Katastrophen zu beenden. 97 Während daher die internationale Gemeinschaft Normen aufgrund ihrer ius cogens-Qualität98 gegenüber Drittstaaten durchsetzen darf, kann diese Aussage rur Fischereistandards noch lange nicht getroffen werden. Die Situationen - schlimmste Menschenrechtsverletzungen und Überfischung - sind nicht konkret vergleichbar. Der Prozeß der Regelung dieser Probleme ist aber durchaus vergleichbar abgelaufen. Beide Bereichen haben auf weite Sicht fundamentale Bedeutung rur das Überleben der Menschheit. Es gibt insoweit eine Entwicklung der Anerkennung überstaatlicher - globaler - Interessen. Auch wenn heute Fischereistandards kaum gegenüber Dritten tatsächlich durchgesetzt werden können, so erscheint es nicht völlig abwegig, von der bisherigen Entwicklung Schlüsse auf eine mögliche - wenn auch feme - Zukunft zu ziehen. Diese Parallele reicht jedoch noch nicht aus, um auch für das FSA eine Geltung ähnlich des ius cogens zu konstruieren. Dafur müßte nämlich vor allem eine besonders schwerwiegende Gefährdung für das Überleben der Menschheit vorliegen. Daher wäre die Frage zu stellen, ob eine Überfischung der weit wan-
94 Nadelmann, Prohibition Regimes, 10 1990, S. 484 f.; in bezug auf Sklaverei kurze Zusammenfassung bei Frowein, Staatengemeinschaftsinteresse, FS Doehring, S. 220 f m. w. N. 95 Nadelmann, Prohibition Regimes, 10 1990, S. 485. 96 S. o. die Entwicklungen in Teil I und 2. 97 Delbrück, The Role of the UN in Dealing with Global Problems, IJGLS 1997, S.290. 98 Mit Wirkung erga omnes.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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dernden und gebietsübergreifenden Fischbestände eine solche schwerwiegende Überlebensgeflihrdung nach sich zieht. Im Falle des Aussterbens einzelner Arten ist mit Problemen zu rechen. Aus ökologischer Perspektive ist Überfischung bereits als eine der größten Bedrohungen für die Biodiversität gesehen worden. 99 In Ermangelung von wissenschaftlichen Beweisen kann eine daraus resultierende, gravierende Gefahr für das Überleben der Menschheit aber nicht ohne weiteres bejaht werden. Es ist nicht einzusehen, warum den Staaten die Nutzungsrechte an den gemeinsamen Vorkommen der Hohen See untersagt werden sollen, solange die Ressourcennutzung noch nicht ein solches Übermaß erreicht, durch das die internationale Gemeinschaft als ganze bedroht ist. An dieser Stelle kann auch das Vorsorgeprinzip nicht weiterhelfen, da sein rechtlicher Gehalt selbst viel zu unbestimmt ist, denn es handelt sich erneut nur um ein Prinzip, nicht um eine operative Norm.
dd) Zwischenergebnis
Die Anhaltspunkte für die Annahme eines ius cogens beim FSA sind zu unbestimmt. Es geht zwar eine Geflihrdung von der Überfischung aus, diese bedroht die Menschheit jedoch noch nicht in ihrer Existenz. Daher können die zu untersuchenden Normen des FSA nicht zum ius cogens gehören.
f) Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, daß es im Völkerrecht eine unmittelbare Bindungswirkung von Verträgen gegenüber Drittstaaten bislang nicht gibt. Um eine Rechtswirkung für am Vertragsschluß nicht beteiligte Staaten herzustellen, bedarf es immer irgendwelcher weiterer Hilfskonstruktionen, wie etwa der stillschweigenden Zustimmung oder der Geltung als Gewohnheitsrecht. Eine Ausnahme bildet nur das ius cogens, um das es hier aber nach bisherigem Stand dieser Lehre nicht geht.
3. Objective Regimes/Statusverträge
Drittwirkung von internationalen Verträgen läßt sich aber möglicherweise auch außerhalb von Gewohnheitsrecht nachweisen. In Frage kommen vor allem die Status verträge (objective regimes).
99 FreestonelMakuch, The New International Environmental Law of Fisheries, YIEL 1996, S. 5.
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
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a) Überblick Territorial bezogene Regelungen wie Statusverträge werden schon seit langem immer wieder im Zusammenhang mit einer Wirkung filr Drittstaaten erwähnt. In seinem 1958 veröffentlichten Lehrbuch zum Völkerrecht defmierte Georg
Dahm Statusverträge als solche multilateralen Abkommen, die "die Rechtsstellung eines Staates, eines Gebietes oder einer internationalen Verkehrs straße als eine für alle verbindliche Ordnung zu definieren vermögen". 100 Es handele sich
um Verträge, die nach der Auffassung der großen Mehrheit unter Einschluß der im internationalen Leben filhrenden Staaten dem Weltinteresse entsprechen. 101 Ihre Effektivität hängt wesentlich davon ab, daß alle Staaten den durch sie geschaffenen Rechtszustand akzeptieren. Daher ließen Statusverträge anders als obligatorische Verträge nicht nur Rechte und Pflichten zwischen den Parteien entstehen, sondern begründeten Ordnungen, die dem allgemeinen Völkerrecht angehörten, und "die aus ihnen entstehenden Normen begründen Rechte und Pflichten fiir alle".102 Auch nach Dahm bedürfen solche Ordnungen jedoch der Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft. 1964 hat Sir Humphrey Waldock als Special Rapporteur der International Law Commission bei der Arbeit an einer Kodifikation des völkerrechtlichen Vertragsrechts einen Artikel 63 vorgeschlagen, der die Überschrift "Treaties providing for objective regimes" trug. 103 Gemeinsames Element solcher Verträ-
100
Dahm, Völkerrecht, Bd. I (1958), S. 24, Hervorhebung durch Verfasserin.
101 Dahm, Völkerrecht, Bd. I (1958), S. 23.
Dahm, Völkerrecht, Bd. I (1958), S. 25. Third Report ot the Law ofTreaties, YBILC 1964 11, S. 5, S. 26 f.: "Article 63. - Treaties providingfor objective regimes I. A treaty establishes an objective regime when it appears from its terms and from the circumstances of its conclusion that the intention of the parties is to create in the general interest general obligations and rights relating to a particular region, State, territory, locality, river, waterway, or to a particular area ofthe sea, sea-bed, or air-space; provided that the parties include among their number any State having territorial competence with reference to the subject-matter of the treaty, or that any such State has consented to the provision in question. 2. (a) AState not a party to the treaty, which expressly or impliedly consents to the creation or to the application of an objective regime, shall be considered to have accepted it. (b) AState not a party to the treaty, which does not protest against or otherwise manifest its opposition to the regime within aperiod ofX years ofthe registration ofthe treaty with the Secretary-General of the United Nations, shall be considered to have impliedly accepted the regime. 102 103
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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ge war, daß die Vertragsparteien beabsichtigen, im allgemeinen Interesse ein Regime zu schaffen, das generelle Rechte und Pflichten filr eine Region, ein Territorium oder eine Örtlichkeit beinhaltete. Dabei mußte diese unter die Vertragsabschlußkompetenz eines oder mehrerer Vertragsparteien fallen. 104 Die Bindungswirkung solcher Verträge ergebe sich durch die (stillschweigende) Akzeptanz dritter Staaten. Nach ihren Beratungen befand die ILC dann aber, daß die Anerkennung der Existenz solcher Verträge einschließlich ihrer Wirkungen filr Dritte "would be premature at the present state of the development of international relations." 105 Cahier kam in einem Aufsatz 1974 zu dem Ergebnis, es könne Situationen geben, in denen einige Staaten Normen festlegen könnten, die Wirkung gegenüber Dritten entfalten. Dies sei aber begrenzt auf Fälle, in denen die Normen Gebiete betreffen, über die diese Staaten territoriale Souveränität ausüben. 106 Insgesamt überwiegt die Ansicht, daß durch Verträge zwar Regime geschaffen werden können, deren Wirksamkeit gegenüber Dritten jedoch im Wesentlichen von einer Anerkennung durch eben diese Dritte abhänge. 107 Diese Akzeptanz wird bei Stillschweigen vermutet. Zudem ist meist ohne weiteres vorausgesetzt, daß solche Rechtsregime an ein bestimmtes Territorium gebunden sein müssen. 108 Die Möglichkeit der Existenz objektiver Regime an sich ist aber nie grundlegend bestritten worden. Lediglich eine allgemein akzeptable normative Begründung ist bislang noch nicht gefunden worden.
3. AState which has accepted the regime ofthe kind referred to in paragraph I shall be (a) bound by any general obligation which it contains, and (b) entitled to invoke the provisions of the regime and to exercise any general right which it may contain subject to the terms and conditions ofthe treaty. 4. Unless the treaty otherwise provides, a regime of the kind referred to in paragraph I may be amended or revoked by the parties to the treaty only with the concurrence of those States which have expressly or impliedly accepted the regime and have a substantial interest in its functioning." 104 Zusammenfassung von Birnie, The Antarctic Regime and Third States, S. 247. 105 S.o., Einleitung YBILC 1964 11, S. 185. 106 Cahier, Le probleme des effets des traites a I'egard des Etats tiers, RdC 1974111, S.660-679. 107 So auch Cahier, Le probleme des effets des traites a I'egard des Etats tiers, RdC 1974 II1, S. 677; Watts, International Law and the Antarctic Treaty System, S. 295. 108 Lang, Diplomacy and International Environmental Law-Making, YIEL 1992, S. 117 f. mit einem Überblick Ober verschiedene neuere Definitionen des Begriffes "Regime".
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
b) Drei klassische Beispiele aus der Praxis Die Existenz von Statusverträgen läßt sich trotz Kritik an der Institution dieser Form des Vertrages in der Praxis belegen. Als Beispiel ist die Aalandinseinkonvention zu nennen, mit der 1856 Frankreich, England und Rußland die Entmilitarisierung dieser finnischen Inseln festiegten. 109 1920 machte Schweden diesen Status geltend, obwohl selbst nicht an dem Vertrag beteiligt. Die Mehrzahl der Nichtvertragsstaaten hatte hierzu keine Erklärung abgegeben. Daher nahm die Expertenkommission des Völkerbundes dahingehend Stellung, daß auch diese Staaten aufgrund positiver Reaktion oder wenigstens stillschweigender Zustimmung durch Zeitablaufan die Normen des Vertrages als droit objectif gebunden seien. 110 Weiteres Beispiel tUr die objektive Wirkung etablierter Ordnungen ist die Entscheidung des StIGH zum Wimbiedon-Fall ill aus dem Jahr 1923 tUr den Kiel-Kanal (Nord-Ostsee-Kanal).112 Nach der Meinung des britischen Vertreters in der Verhandlung Sir Cecil Hurst, der sich der Gerichtshof anschloß, ist Besonderheit des Kiel-Kanals ebenso wie des Suez- und des Panama-Kanals ein Regime, das ihre Öffnung und Offenhaltung rür den internationalen Verkehr vorsieht. 113 Daher urteilte der StlGH, daß durch Art. 380 des Versailler Vertrages alle Staaten in den Genuß des Rechtes der freien Durchfahrt durch den Kieler Kanal kommen, unabhängig davon, ob sie Partei des Vertrages sind oder nicht. Das Regime gelte tUr die gesamte internationale Gemeinschaft. Eine dogmatische Begründung dieses objektiven Regimes der Wasserstraßen wurde jedoch nicht erbracht. Als drittes klassisches Beispiel fiir einen objektiven Status eines Regimes ist das Mandat Südafrikas tUr Südwestafrika bzw. Namibia l14 zu nennen. 1I5 Der Mandatsvertrag war ursprünglich zwischen dem Völkerbund und Südafrika geschlossen worden. Der IGH hatte sich in seinem Rechtsgutachten über die 109 Convention annexee au traite de paix de Paris, in: de Martens, Nouveau Receuil General (N.R.G.), Serie I, 1857, t.15 (1857), S. 788. 110 Stellungnahme der Expertenkommission des Völkerbundes, League of Nations Official Journal (L.N.OJ.), Special Supp\. No. 3, Oktober 1920; vg\. auch Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 210-216; Me Nair, The Law ofTreaties, 1961, S. 259. 111 PCIJ Judgements, 1923, Sero A No. 1, S. 15. 112 Zusammenfassung des Falles und der Entscheidungsgründe bei Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 6 ff. 113 Vg\. Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 8 in FN 43. 114 L.N.OJ. 1921, S. 89. 115 Die verschiedenen Verfahren in: ICJ Reports 1950 (International Status of SouthWest Africa), S. 128 ff.; 1955 (Voting Procedure), S. 67; 1956 (Hearings ofPetitioners), S. 23; 1962 (South West Africa Cases, Preliminary Objections), S. 319; 1966 (South West Africa Cases, Second Phase), S. 5; 1971 (Namibia), S. 16.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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Rechtsstellung von Süd-West-Afrika auf den Standpunkt gestellt, daß die Südafrikanische Union auch nach dem Erlöschen des Völkerbundes denjenigen Verpflichtungen weiter nachkommen müsse, die ihr durch den mit dem Völkerbund abgeschlossenen Mandatsvertrag auferlegt worden waren. Die durch das territoriale Mandat errichtete Ordnung (sacred trust) wird demnach als eine objektive Ordnung betrachtet, die auch nach dem Erlöschen des Vertrages weiterbesteht, unabhängig von der Existenz des Völkerbundes. 1I6 Der Vertrag begründet damit eine Rechtstatsache, die von den ursprünglichen Vertragsparteien unabhängig ist.
c) Gemeinsame Elemente Allen drei Beispielen ist gemein, daß bestimmte Aktivitäten der souveränen Staaten einer internationalen Kontrolle unterworfen werden. Dies geschieht, um den Nutzen aller an dem Gebiet bzw. der Einrichtung zu sichern oder damit bestimmte Aktivitäten einzelner nicht die Staatengemeinschaft schädigen. Der jeweilige Status eines Gebietes oder Wasserweges wird von wenigen Staaten stellvertretend tUr alle festgelegt. Seine Wirkung entfaltet er aber gegenüber allen Staaten. Ebenso sind den Beispielen aber auch weitere Punkte gemein: zum einen handelt es sich um Verträge, deren Wirkung erga omnes auf die Territorialhoheit der am Vertragsschluß beteiligten Staaten zurückzufilhren ist. Daß auch Nutzungsordnungen wie etwa tUr den Tiefseeboden oder die lebenden Ressourcen der Hohen See umfaßt sein könnten, ist daraus allein nicht zu schießen. Auch sind die hier entwickelten Grundsätze nicht ohne weiteres auf Gebiete jenseits territorialer Hoheit auszudehnen. Zum anderen gilt die Einschränkung, daß wenn dieser Status von nur einigen Staaten vertraglich festgelegt wird, er über einen gewissen Zeitraum hinweg von allen anderen stillschweigend anerkannt werden muß bzw. gegen ihn nicht Widerspruch erhoben wird. lI7 Eine Verpflichtung dritter Staaten entgegen ihren ausdrücklichen Willen wird damit nicht
116 ICJ-Reports 1971, S. 32; vgl. auch die separate opinion von Lord McNair in: ICJ Reports 1950, S. 146, 153: "From time to time it happens that a group of great Powers, or a large number of States both great and smalI, assurne apower to create by a multipartite treaty some new international regime or status which soon acquires a degree of acceptance and durability extending beyond the limits ofthe actual contracting parties, and giving it an objective existence. This power is used when some public interest is involved, and ist existence often occurs in the course of peace settlement at the end of a great war." Nicht mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten vereinbar ist hier allerdings die Betonung der Großmächte; siehe auch DahmiDelbrückiWolfrum, Völkerrecht Bd. 111, S.54. 117 Wolfrum, Internationalisierung, S. 407, m. w. N.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
oder nur über die Krücke des Zeitablaufs belegt.118 Insoweit kann auch diese Konstruktion nicht die Begründung einer Drittwirkung des FSA liefern. Eine überzeugende dogmatische Begründung flir die Drittwirkung ist damit über die Statusverträge nicht zu erzielen. Es konnte lediglich festgestellt werden, daß es Drittwirkung gibt. Dies hat letztlich auch dazu getUhrt, daß eine Statusverträge betreffende Sonderbestimmung wie seinerzeit von Waldock vorgeschlagen nicht in die Vertragsrechtskonvention aufgenommen wurde. 1l9 Die Mitglieder der ILC sahen sich nicht in der Lage, einer bestimmten Gruppe oder Konferenz von Staaten Legislativbefugnisse zuzusprechen, da dies ein unannehmbarer Angriff auf das Prinzip der Souveränität sei. 120 Allerdings ist zu bemerken, daß sowohl Völkerbundkommission, StlGH und IGH auf das Interesse der Staatengemeinschaft universal oder regional verwiesen haben.
d) Ergänzung und Ergebnis Als ein Statusvertrag, der ähnlich wie die genannten Beispiele Drittwirkung entfalten könnte, kann das FSA nicht angesehen werden. Als Ergebnis festzuhalten bleibt allerdings die Tatsache, daß multilaterale Verträge wie Statusverträge eine gewisse Drittwirkung entfalten können. Schließlich hat der IGH im Reparations for Injuries-Fall 1949 auch festgestellt, daß der Gründungsvertrag einer großen internationalen Organisation unter Beteiligung einer großen Staatenmehrheit gewisse objektive Wirkung hat. 121 Dies gilt wenigstens insofern, als Drittstaaten mit der Existenz der Organisation als Rechtspersönlichkeit konfrontiert werden und eine Haftung der Organisation geltend gemacht werden kann. 122 Damit ist als Ergebnis festzuhalten, daß eine Drittwirkung internationaler Verträge zwar an Bedingungen geknüpft ist, aber immerhin möglich. Mit der Feststellung, daß es Verträge mit einer Wirkung erga omnes gibt, kann aber auch nicht mehr völlig ausgeschlossen werden, daß eine Nutzungsordnung wie tUr die weit wandernden und gebietsübergreifenden Fischarten ebenfalls Drittwirkung entfalten kann. Zwar können Verträge wie das FSA nicht unter den Begriff Statusvertrag im territorialen Sinne subsumiert werden. Allerdings er118 Vgl. Wolfrum, Internationalisierung, S. 96, FN 253 m. w. N., Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 14, m. w. N. 119 Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 17; Tomuschat, Obligations for States, RdC 1993 IV, S. 245. 120 Vgl. Wolfrum, Legal Order for the Seas and Oceans, S. 170. 121 Delbrück, "Laws in the Public Interest", in: Liber amicorum Günther Iaenicke, S. 17 tf., zu FN 30. 122 ICI Rep. 1949, S. 185.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
217
scheint es nicht ausgeschlossen, daß wenn es bereits eine Ausnahme zur pactatertiis-Regel gibt, es vielleicht noch weitere Ausnahmen gibt. Die Suche nach solchen Ausnahmen ist daher fortzusetzen.
4. Barcelona-Traction: Verpflichtungen erga omnes
Über den Status von bestimmten Gebieten hinaus könnte es weitere Regeln geben, die ohne Mitwirkung eines souveränen Staates an ihrer Entstehung dennoch filr ihn verbindlich werden können. Als Beispiel dafür kann das Urteil des IGH im Barcelona-Traction-Fall 123 herangezogen werden. Hier urteilte der IGH, daß es neben Verpflichtungen gegenüber einem oder mehreren bestimmten Staaten auch solche Obligationen gibt, die gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzes zu erfüllen sind. 124 Die Einhaltung dieser Verpflichtungen liege im Interesse der ganzen Staatengemeinschaft, wobei Staatengemeinschaft mit "allen Staaten" gleichgesetzt wird. 125 Nach Ansicht des Gerichtshofes gibt ein Verstoß gegen eine solche Verpflichtung auch solchen Staaten ein Recht zu juristischen Schritten, die gar nicht selbst materiell von den Folgen betroffen sind. 126 Auf der Passivseite sind damit alle Staaten der internationalen Gemeinschaft "Gläubiger" dieser Pflicht. Damit haben die verpflichteten Staaten mehr Gläubiger, als vertraglich festgehalten. 127 Insgesamt läßt dieses Urteil des IGH folgende Schlußfolgerungen zu: Ergaomnes- Wirkung entfalten vor allem Normen des ius cogens, darunter insbesondere die grundlegenden Menschenrechte. 128 Dabei handelt es sich um überragende gemeinsame Interessen. Daher wird vertreten, daß auch die Probleme des Schutzes gemeinsamer Gebiete wie die Hohe See sowie der Umwelt vergleichbar seien. Denn dort gäbe es genausowenig Mechanismen zur Durchsetzung der
123 Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belg. v. Spain), ICJ Reports 1970, S. 3, 32. 124 Der lOH stellt eine Unterscheidung an zwischen "obligations of aState towards the international community as a whole, and those arising vis-a-vis another State... By their very nature the former are the concern ofall States. In view ofthe importance ofthe rights involved, all States can be held to have a legal interest in their proteetion; they are obligations erga omnes", ICJ Reports 1970, S. 32. 125 Wolfrum, The Legal Order for the Seas and the Ocean, S. 171. 126 Vgl. Frowein, Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, S.243; Wolfrum, Purposes and Principles of International Environmental Law, OYIL 1990, S. 326. 127 Dies beinhaltet jedoch nicht automatisch, daß auch alle Staaten auf der Aktivseite diese Pflichten erfüllen. 128 Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 154 f.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Regeln,129 aber ein umfassendes Interesse an der allgemeinen Befolgung der Nonnen. Auf diese Problematik soll nicht näher eingegangen werden. Jedenfalls kann das Urteil im Barcelona-Traction-Fall als weiteres Indiz für die These herangezogen werden, daß das Prinzip der absoluten Souveränität Einschränkungen erfahren hat. Damit ist der Entstehung von solchen Regimen der Weg eröffnet, an die auch Drittstaaten gebunden werden können. Fraglich ist nach dieser Feststellung, ob die Entstehung internationaler Regime auch eine vertragliche Grundlage haben kann. Über diese Konstruktion könnte die erwünschte Drittwirkung möglicherweise auch für das FSA begründet werden.
IV. Geltende Ordnungssysteme: Internationalisierung und Institutionalisierung gemeinsamer Anliegen Es bietet sich damit an, einen Blick über den Tellerrand der territorial bezogenen Statusverträge hinaus zu werfen und zu untersuchen, welche vertraglich begründeten Regime im heute gültigen Völkerrecht existieren, die ähnlich wie das FSA gemeinsame Anliegen der Staaten verfolgen. Solche Regime können auch als Ordnungssysteme bezeichnet werden. 130 Diese Ordnungssysteme könnten Rückschlüsse darüber geben, ob auch durch das FSA auf ähnliche Weise eine Bindung solcher Staaten erreicht werden kann, die nicht Vertragspartei geworden sind oder werden wollen.
1. Einleitung Im Laufe der Vorbereitung der Genfer Seerechtskonvention 1958 sind bereits konkrete Vorschläge in bezug auf die Erhaltung der lebenden Ressourcen gemacht worden, wobei es vorrangig um die Frage der Bindung VOn Drittstaaten an ErhaItungsmaßnahmen ging. Dazu sollten bereits bestehende Abkommen fUr allgemein gültig erklärt werden und so fUr alle potentiellen Nutzer verbindlich gemacht werden. Das Konzept basierte auf der Überzeugung, daß die Erhaltung der Fischbestände im gemeinsamen Interesse aller Staaten liege und die Hohe See im Gemeineigentum aller Staaten stehe. 131 Dieser Vorschlag wurde aller-
BirnielBoyle, International Law and the Environment, S. 155 m. w. N. Wolfrum, Internationalisierung, S.409: "institutionelle Verträge", Oxman, The International Commons, S. 40 ff.: "Rules ofthe Road"; Zemanek, Diskussionsbeitrag zu TomuschatlNeuholdiKropholler, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 127: "Ordnungsforrnulierung". 131 König, Durchsetzung, S. 84 f. m. w. N.; vgl. auch oben Teil I. 129
130
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dings nicht wieder aufgegriffen. Erst mit den Beratungen der Fischkonferenz wurde die Frage der Bindung von Nichtvertragsstaaten an Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen wieder in ähnlicher Form aktuell. Trotz Bestehen des Flaggenstaatsprinzips hat es in der Zwischenzeit aber Vorschläge gegeben, eine internationale Seepolizei mit umfassenden polizeilichen Befugnissen auf Hoher See zu errichten. \32 Dieser Idee lag ein ähnliches Verständnis von Allgemeininteresse zugrunde: die Überzeugung, daß es im Interesse aller Staaten sei, die auf Hoher See geltende Rechtsordnung mit Hilfe einer internationalen Polizeiflotte aufrechtzuerhalten. Die Freiheit der Meere sollte fiir alle Staaten durch die Errichtung einer Herrschaft der Staatengemeinschaft gesichert werden. 133 Über eine derart weitreichende Übertragung von Hoheitsbefugnissen war jedoch keine Einigung zu erzielen. Solche Bestrebungen hat es auch andernorts gegeben, zum Teil mit anderen Ergebnissen: Es ist daher zunächst zu beweisen, daß das FSA nicht der einzige Vertrag neueren Datums ist, in dem der Versuch unternommen wird, ein auch rur alle und damit auch fiir Nichtvertragsstaaten gültiges Regime zu etablieren (mit Wirkung erga omnes). Dazu ist von folgender These auszugehen: Vor dem Hintergrund zunehmender Interdependenz 134 entwickelt sich das Gemeinschaftsinteresse. Es geht nicht mehr nur darum, partikuläre Interessen zu verfolgen, sondern darum, Ziele zu erreichen, die rur alle wichtig sind. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, neue Ordnungssysteme zu schaffen. Verhältnismäßig neu ist die in diesem Zusammenhang stehende Erkenntnis, daß es umweltrechtliche Probleme von globaler Bedeutung gibt, die nur von der Staatengemeinschaft als Ganzes gelöst werden können. 135 Die Notwendigkeit, Drittstaaten zu verpflichten, wird vor allem dort gesehen, wo internationale Vereinbarungen grundlegende Interessen der Weltgemeinschaft schützen wollen und ein Regime dadurch in in seiner Wirksamkeit gehemmt wird, daß auch nur einzelne es nicht akzeptieren. 136 Hinzu kommt folgende Beobachtung: Multilaterale Verträge enthalten oft Hinweise darauf, daß deren Änderungen von einer Mehrheit der Vertragsstaaten
König, Durchsetzung, S. 95 f. m. w. N. Schücking, Die Freiheit der Meere, in: Bund der Völker (1918), S. 135,149 fT. 134 S.o., Teil 3 Einleitung; a\lgemein vgl. auch Brunnee, Common Interest - Echoes tTom an Empty She\l?, ZaöRV 1989, S. 791 fT. 135 Wolfrum, Purposes and Principles of International Environmental Law, GYIL 1990, S. 326. 136 Charney, Universal International Law, AJlL 1993, S. 529; Wolfrum, Legal Order for the Seas and Oceans, S. 17 I. \32
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
angenommen werden können. 137 Solche Änderungen entfalten dann gegenüber der Abstimmungsminderheit auch Drittwirkung. Dies indiziert, daß die pactatertiis-Regel nicht unantastbar ist. 138 Es bietet sich daher ein genauerer Blick auf einige Beispiele solcher Verträge an. Ziel ist dabei jeweils zu prüfen, wie der Versuch unternommen wird, über eine Koordination der Aktivitäten der Vertragspartner hinaus auch Drittstaaten an Regelungen zu binden. Erster Anhaltspunkt ist die Absicht der Vertragsstaaten, Dritte zu binden. Außerdem soll jeweils die Frage geklärt werden, inwieweit solche Ansätze von der internationalen Gemeinschaft selbst akzeptiert werden und entsprechend gehandelt wird. Die folgende Aufzählung von Beispielen hat keinesfalls den Anspruch abschließend zu sein.
2. Antarktis Die Antarktis-Verträge sind zwar auch territorial bezogen, genauer: auf das südliche Polargebiet. Sie sind in ihrem Regelungsbereich allerdings weit über einen territorialen Status hinausgehend und derart umfassend, daß eine Einordnung an dieser Stelle und nicht bei den territorial bezogenen Statusverträgen angebracht ist.
a) Überblick Die Antarktis galt lange Zeit unbestritten als terra nullius, also als ein staatenloses Gebiet. 139 Für solche Gebiete galt seit alters her, daß sie durch eine mit Gebietserwerb verbundene effektive und dauernde Okkupation einverleibt werden konnten. 140 Inzwischen mehren sich die Ansichten, wonach auch die Antarktis wie die Hohe See als res communis anzusehen sein soll.141 EinzeIstaatliche Aneignung wäre dann unterbunden. Immer wieder gab es auch Stimmen, die die Antarktis rur die gesamte Menschheit schützen wollten, etwa indem man
137 Etwa Art. 108 der UN~~harta, Art. 9 Abs. 3 und 4 des Vertrages zum Schutz der Ozonschicht oder 155 SRK. Ahnliche Beobachtungen bezüglich der Regelung internationaler Beziehungen bei Friedmann, The Changing Structure of International Law, S. 142 ff. 138 Wolfrum, Legal Order for the Seas and Oceans, S. 171. 139 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1144 ff. 140 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1154. 141 Z. B. Charney, The Antarctic System and Custornary International Law, S. 58; Suter, Antarctica - Private Property or Comrnon Heritage, S. 163 f. rn. w. N.; Le/eber, Jurisdiction in the Antarctic Region, Neth. YIL 1990, S. 134 f.; Franck, Fairness in International Law, S. 403.
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sie unter eine Art UN-Mandat stellt. 142 Trotzdem erhoben hier sieben Staaten 143 Souveränitätsansprüche, die sich zum Teil überlappen. Nur ein besonders unwirtlicher Teil ist noch frei von jeglichen Ansprüchen. Durch den Antarktisvertrag, der von den sieben genannten Staaten zuzüglich der USA und der damaligen UdSSR, Belgien, Japan und Südafrika geschlossen wurde, wurden diese Ansprüche allerdings "eingefroren"I44. Auch nach Abschluß des Vertrages gab es immer wieder Ansätze, die Antarktis unter UN-Herrschaft zu stellen. 145 Die völkerrechtliche Einordnung des 1961 in Kraft getretenen Antarktisvertrages 146 bereitet Schwierigkeiten, die nicht zuletzt darauf zurückzufiihren sind, daß parallel einerseits eine Internationalisierung stattfindet, andererseits bestimmte Staaten durch den Vertrag privilegiert werden. 147 Nicht zuletzt wegen dieser Privilegierung wurde den Vertragsparteien - dem Antarktischen Club eine Anmaßung von Legislativbefugnissen zu Lasten Dritter vorgeworfen. 148 In dem Vertrag sind jedoch einige Vorschriften enthalten, die nicht nur der Koordinierung von Ansprüchen der Vertragsparteien dienen, sondern die Interessen der Gesamtheit der internationalen Gemeinschaft berücksichtigen. Dazu zählen zum Beispiel die Vereinbarung, die Antarktis nur zu friedlichen Zwecken zu nutzen und rur den Schutz der antarktischen Umwelt besondere Vorsorge zu treffen. Die Antarktis war bester Kandidat dafiir, entsprechend den Vorstellungen Waldocks unter ein objektives Regime gestellt zu werden. 149 In diesem Zusammenhang ist die Feststellung wichtig, daß die ursprünglichen Vertragsparteien des Antarktisvertrages alle diejenigen Staaten waren, die zur Zeit des Vertragsschlusses überhaupt Aktivitäten in der Antarktis gestartet hatten. Im späteren Verlauf sind alle diejenigen Staaten beigetreten, die auch in diesem Gebiet aktiv
142 Zu Einzelheiten siehe Koroma, Safeguarding the Interests of Mankind, S. 244 f. m.w.N. 143 Australien, Argentinien, Chile, Großbritannien, Frankreich, Neuseeland und Norwegen. 144 Art. 4 Antarktisvertrag, vgl. Neuhold, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S.80. 145 So 1975 von Sri Lanka, 1981 von Indien und 1982 von Malaysien; Beispiele dargestellt bei Suter, Antarctica - Private Property or Public Heritage?, S. 72 ff. 146 UNTS Bd. 402, S. 71; BGBI. 197911, S. 420. 147 Wolfrum, Internationalisierung, S. 92; Stichwort: funktionelle Internationalisierung, vgl. Kiss, La notion de patrimoine commun de I'Humanite, RdC 1982 11, S. 137. 148 Vgl. etwa Simma, The Antarctic Treaty as a Treaty Provoding for an "Objective Regime", CILJ 1986, S. 190 f.; Koroma, Safeguarding the Interest of Mankind, S. 246 f. 149 Birnie, The Antarctic Regime and Third States, S. 243 ff.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
wurden. 150 Damit ist kein in der Antarktis tatsächlich vertretener Staat außerhalb des Vertragssystems l51 geblieben. Eine ausdrückliche schriftliche Anerkennung des Regimes von Nichtvertragsstaaten gegenüber den Vertragsstaaten liegt jedoch nicht vor. Auf eine solche kann aber, wie im weiteren darzustellen ist, bei stillschweigender Hinnnahme verzichtet werden.
b) Intention der Regelung erga omnes Erste Voraussetzung einer möglichen Drittwirkung eines Regimes ist die Absicht der Vertragsstaaten, auch Dritte zu binden. Das ergibt ein Rückschluß aus Art. 35 WVRK. Danach wird ein Drittstaat durch eine Vertragsbestimmung verpflichtet, wenn die Parteien beabsichtigen, durch die Vertragsbestimmung eine Verpflichtung zu begründen, und der Drittstaat dem zustimmt. Eine solche Absicht müßte erst recht vorliegen, wenn keine ausdrückliche Zustimmung von Drittstaaten gegeben ist. Nur dann kann überhaupt eine mögliche Drittwirkung identifiziert werden. Diese Absicht ist offensichtlich, wenn die Drittstaaten im Vertragstext ausdrücklich erwähnt werden. Im übrigen können allgemein gehaltene Formulierungen wie "alle Staaten" oder ,jeder Staat" als Indizien zur Ermittlung einer Intention der Regelung erga omnes herangezogen werden. 152 aa) Wortlaut
Eine Wirkung des Vertrages erga omnes ist von den Vertragsparteien nicht ausdrücklich beansprucht worden. 153 In der Präambel wird lediglich die Überzeugung genannt, daß die grundlegenden Prinzipien des Vertrages den Interessen der Wissenschaft und dem Fortschritt der ganzen Menschheit entsprechen. Unter diesem Aspekt ließe sich argumentieren, daß Intention der Vertragsparteien nur war, ein Regime zu schaffen, das weltweite Akzeptanz finden könnte, nicht aber, dieses Regime anderen aufzuzwingen. 154 150 Walfs, International Law and the Antarctic Treaty System, S. 296; zu zahlreichen internationalen Organisationen werden kooperative Beziehungen gepflegt, vgl. Charney, The Antarctic Treaty System and Customary International Law 1996, S. 72 in FN 45. 151 Neben dem Antarktisvertrag und der bereits untersuchten CCAMLR gilt das Robbenschutzabkommen von 1972, die Convention on the Regulation of Antarctic Mineral Resources von 1988 (I.L.M. 30 1991, S. 190), ein Protokoll zum Umweltschutz von 1991 zum Antarktisvertrag (PEPAT, I.L.M. 30 1991, S. 1455), auch abgedruckt bei Watts, International Law and the Antarctic Treaty System S. 308 tf, S. 344 tf, 406 tf 152 Lee, The Law ofthe Sea Convention and Third States, AJlL 1983, S. 545. 153 Lefeber, Jurisdiction in the Antarctic Region, Neth. YIL 1990, S. 120; Watts, International Law and the Antarctic Treaty System, S. 296. 154 Statement made by G. Tunkin, 8 June 1964, YBILC 1964 I, S. \07 (15).
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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Andererseits zeigt eine genaue Untersuchung der einzelnen Vorschriften, daß ein Regime geschaffen wird, das faktisch Drittstaaten betrifft. Nach dem Vertragssystem "wird" die Antarktis nur zu friedlichen Zwecken genutzt (Art. I Abs. 1), Kernexplosionen und Beseitigung radioaktiven Abfalls sind verboten (Art. 5 Abs. 1). Es besteht Forschungsfreiheit und die Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit bei der wissenschaftlichen Erforschung des Vertragsgebietes (Art. 2 und 3). Ebenso besteht eine Pflicht zu Erhalt und Sicherung der lebenden Ressourcen. Die verschiedenen Verträge zu den unterschiedlichen Bereichen ergänzen sich gegenseitig und schaffen so ein umfassendes System, das bereits als Regime zu bezeichnen iSt. 155 Dabei werden allgemeine Formulierungen verwendet, wie "die Antarktis wird nur filr friedliche Zwecke genutzt" oder "Kernexplosionen sind verboten". Diese Ge- und Verbote sind dem Wortlaut nach nicht nur auf Vertragsparteien bezogen. Sie sind aber auch nicht ausdrücklich auf Dritte bezogen.
bb) Systematik
Die einzelnen Vorschriften des Systems produzieren jedoch auch Effekte gegenüber Nichtvertragsstaaten und deren Angehörigen. Drittwirkung sollen vor allem die Vorschriften der Art. 1 bis 3, sowie 5 und 6 entfalten können. 156 Dazu wird zumeist auf den Zusammenhang mit Art. 10 des Antarktisvertrages 157 verwiesen: Jede Vertragspartei verpflichtet sich, geeignete, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehende Anstrengungen zu unternehmen, um zu verhindern, daß in der Antarktis eine Tätigkeit entgegen den Grundsätzen oder Zielen dieses Vertrages aufgenommen wird.
Der Wortlaut dieser Vorschrift wird sowohl von Berurwortern wie Gegnern einer Drittwirkung der Artikel I und 5 herangezogen. ISS Zum einen wird etwa angefUhrt, Art. 10 sei überflüssig, wenn Art. I und 5 rur sich bereits Drittwirkung haben sollten. Art. 10 gelte nur rur die Vertragsparteien untereinander. Eine Drittwirkung wäre damit abzulehnen.
Vgl. etwa Watts, International Law and the Antarctic Treaty System, S. 292. Charney, The Antarctic System and Customary International Law, S. 66. 157 Entsprechend Art. 22 Abs. 1 CCAMLR; Art. 7.5 CRAMRA; Art. 13.2 Umweltschutz-Protokoll zum Antarktisvertrag. Übersicht zu den Besonderheiten der einzelnen Vorschriften untereinander bei Watts, International Law and the Antarctic Treaty System, S. 188 fr. 15S Übersicht bei Brunner, Article 10 of the Antarctic Treaty Revisited, S. 104 f., vgl. auch Oxman, The International Commons, S. 50. ISS
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
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Dagegen läßt sich aber einwenden, daß nach dem Grundsatz pacta sunt servanda die Parteien ohnehin verpflichtet sind, sich den Vertragszielen gegenüber konform zu verhalten. Art. 10 kann daher nicht überflüssig sein, sondern es muß eine Wirkung über die Vertragsparteien hinaus beabsichtigt gewesen sein. Es macht einen Unterschied, ob eine Reaktion auf einen Vertragsbruch durch Vertragsparteien hin erfolgt, oder ob ein Unterlaufen des Vertrages auch durch Nichtmitglieder von vornherein verhindert werden soll.159 Insofern handelt es sich aber um eine Bestimmung zu Lasten Dritter, als auch Nichtvertragsparteien zu vertragskonformem Verhalten veranlaßt werden sollen. 160
ce) Sinn und Zweck
Wichtiger Zweck des Vertrages war, GebietsansprUche der Parteien "einzufrieren", um Sicherheit und Frieden in der Region zu gewährleisten. 161 Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich die nötige Intention zur Regelung erga omnes noch nicht allein belegen. Andererseits geht es im Antarktisvertrag aber auch um den Schutzes eines besonders sensiblen, größtenteils unerforschten Ökosystems, die wissenschaftliche Forschung und die Demilitarisierung. 162 Bei einem derart sensiblen Ökosystem wie der Antarktis ist es unumgänglich, daß sich alle, die in diesem Gebiet Unternehmungen starten, an ein Regime zu dessen Schutz halten, damit Erhaltungsmaßnahmen nicht unterlaufen werden. Die Natur der Antarktis regeneriert sich nach Eingriffen nur äußerst langsam. Schon die kleinste Verschrnutzung hat nachhaltigen und dauerhaften Einfluß auf die gesamte Umgebung. Eine militärische Nutzung der Antarktis erscheint unter diesem Gesichtspunkt geradezu verheerend. Die Situation der Antarktis hat Einfluß auf das gesamte Weltklima, gibt Rückschlüsse auf die Evolution des Planeten. Seine Erforschung ist damit von Interesse filr die gesamte Menschheit. Um die Ziele des Antarktisvertrages zu erreichen, wurden die bisherigen Gebietsanspüche "eingefroren". Die Effektivität des Regimes erfordert es, daß auch dritte Staaten keine neuen GebietsansprUche erheben. Sinn und Zweck des Antarktisvertrages gebieten es damit, daß auch Drittstaaten sich zumindest in Teilen an die Regelungen aus dem Antarktisvertrag halten.
Brunner, Article \0 ofthe Antarctic Treaty Revisited, S. \05. Neuhold, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 82. 161 Le/eber, Jurisdiction in the Antarctic Region, Neth. YIL 1990, S. 120; Oxman, The International Commons, S. 47. 162 Wolfrum, Internationalisierung, S. 30. 159
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A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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dd) Ergebnis
Die Auslegung des Antarktisvertrages läßt damit den Schluß zu, daß zumindest bezüglich der genannten Vorschriften eine gewisse Drittwirkung des Vertrages beabsichtigt war, auch wenn die Vertragsparteien nie ausdrücklich eine Gültigkeit erga omnes beansprucht haben.
c) Akzeptanz durch die Staatengemeinschaft Wenn auch die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme einer Regelungsbefugnis durch die ursprUnglichen Vertragsparteien weiter angezweifelt wird, so ist inzwischen von einer Anerkennung der Hauptzielsetzung des Vertrages durch die Staatengemeinschaft auszugehen. 163 Dies gilt in bezug auf die hier untersuchten Vorschriften der friedlichen Nutzung, Freiheit der Forschung und Kooperation als sicher. l64 Die UN-Generalversammlung kritisierte zwar in einigen Resolutionen, daß der exklusive Club die Schätze der Antarktis unter Ausschluß der anderen Staaten aufteilen wolle, erkannte aber die genannten Regelungsziele des Vertrages und damit auch insoweit das Regime an. 165 Bislang hat es keinen Drittstaat gegeben, der Verstöße gegen den Vertrag begangen hätte. 166
d) Beitritt offen rur alle Korrelat zu der Anerkennung durch die Staatengemeinschaft ist eine Vertragsvorschrift, die es grundsätzlich allen Staaten ermöglicht, die Vertragsziele durch ihren Beitritt zu unterstützen. Erst wenn ein Ordnungssystem rur alle gleichermaßen zugänglich ist, kann überhaupt erwogen werden, seine Geltung rur allgemeinverbindlich zu erklären. Denn nur etwas, an dem alle wenigstens theo-
163 Zumindest aufgrund mangelnden rechtzeitigen Protestes; eine Übersicht zu den Ansichten der Staaten in: "Question of Antarctica", study requested unter GA ReS. 38177, Report of the Secretary-General, UN Doc. A!39/583, Part 11, Vols. I-IV; Birnie, The Antarctic Regime and Third States, S. 255. 164 Le/eber, Jurisdiction in the Antarctic Region, Neth. YIL 1990, S. 123; Tomuschal, Obligations for States, RdC 1993 IV, S. 246; Charney, The Antarctic System and Customary International Law 1996, S. 68 tf., mit einem ausführlichen Nachweis von entsprechenden Erklärungen zahlreicher Staaten, und S. 84 f. 165 GA ReS. 38177 GAOR 38th session, Suppl. No. 47, UN Doc. A!38/47, S. 69; GA ReS. 39/152, GAOR 39th session, Suppl. No. 53, UN Doc. N40/43, S.94; GA ReS. 40/156, GAOR 40th session, Suppl. No. 53, UN Doc. N40/53, S. 70; GA ReS. 44/124 B, GAOR 44th session, Suppl. No. 49, UN Doc. N44/49, S. 91. 166 Neuhold, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 82. 15 Ziemer
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
retisch teilnehmen dürfen, kann auch für alle verbindlich sein und Pflichten entstehen lassen. 167 Obwohl zwar die ursprünglichen Parteien privilegiert werden, eröffnet Art. 13 Abs. I des Antarktisvertrages allen Staaten, die Mitglieder der UN sind bzw. auf Einladung durch die Vertragsparteien, den Beitritt.
e) Regelungskompetenz Problematisch ist, ob die Vertragsstaaten die Kompetenz zur Erstellung einer solchen Ordnung hatten. Eine Gebietshoheit wie bei den oben beschriebenen territorial bezogenen Statusverträgen bestand in dieser Form nicht. Zwar stellten einige der Vertragsstaaten Gebietsansprüche, diese wurden jedoch nie anerkannt, zumal sich einige der beanspruchten Gebiete überlappten. Vielmehr schließt Art. 4 eine Gebietshoheit gerade aus. 168 Eine territoriale Kompetenz kann daher nicht über eine Gebietshoheit begründet werden. Dies widerspricht dem Prinzip der Staatengleichheit. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die Antarktis lange Zeit unumstritten als terra nullius galt. Zur Zeit, als der Antarktisvertrag geschlossen wurde, waren bis auf die Vertragsstaaten fast alle anderen Staaten der internationalen Gemeinschaft weder willens noch in der Lage, sich an der Erforschung und Nutzung dieses Kontinents zu beteiligen. Erst später wurden sich viele in der Entwicklung begriffene Staaten dessen bewußt, daß hier möglicherweise wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen könnten. Erst dann wurde auf eine stärkere Beteiligung der UN gedrängt.169 Zur Zeit des Vertragsabschlusses entschlossen sich die Vertragsstaaten l70 zu einer Regelung mit Wirksamkeit gegenüber allen. Es ließe sich damit eine Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag ziehen. 171 Die Folge der Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung wäre, daß die "Geschäftsherren" die von den "Geschäftsführern" vereinbarten Regeln gegen sich gelten lassen müssen. Die Anwendbarkeit einer GoA läßt sich aber mit dem Argument bestreiten, daß gerade durch das Drängen auf eine UNHerrschaft die später entwickelten Staaten deutlich gemacht haben, mit der Ge-
167 Vgl. die Erwägungen zum Fairness-Gedanken in umweltrechtlichen Normsystemen bei Franck, Fairness in International Law, S. 381 ff.,412. 168 Vgl. Neuhold, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 82. 169 Lefeber, lurisdiction in the Antarctic Region, Neth. YIL 1990, S. 122. 170 Als die zur Zeit am meisten an einer Regelung interessierten Staaten. 171 Ähnlich Kiss, La Notion de Patrimoine Commun de I'Humanite, RdC 1982 11, S. 138 ("gestion").
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
227
schäftsftlhrung nicht einverstanden zu sein. Hinzu kommt, daß die Vertragsparteien mit Vertragsschluß sich selbst erhebliche Privilegien genehmigt haben. Dies ist jedoch nur eingeschränkt zutreffend: es geht in diesem Zusammenhang vordergründig um die Vertragsziele der Entmilitarisierung und Bannung von Atomwaffen/-müll, Forschungsfreiheit und Schutz und Erhalt der natürlichen Umwelt. Gerade diese Ziele sind später von allen Staaten ausdrücklich anerkannt werden. Insofern kann aus heutiger Sicht die These akzeptiert werden, daß es sich um einen FalI der Geschäftsftlhrung ohne Auftrag handelt. Die Geschäftsftlhrung in bezug auf diese Punkte fand eindeutig im Interesse alIer und damit berechtigt statt. Ferner ist zu vermerken, daß das Vertrags system keine geschlossene Veranstaltung ist, sondern es alIen Staaten freisteht, sich ihm anzuschließen und so ebenfalls in den Genuß der durch ihn begründeten Rechte zu kommen. Damit läßt sich in bezug auf diese im Allgemeininteresse liegenden Fragen eine Regelungsbefugnis der Vertragsstaaten begründen.
t) Praktische Durchsetzung gegenüber Drittstaaten und Institutionalisierung Selbst wenn damit inzwischen (wenn auch nur mangels ausdrücklichen Protestes) von einer alIgemeinen Akzeptanz von Teilen des Systems ausgegangen werden kann,172 bleibt die Frage nach der Möglichkeit der am Vertrag beteiligten Staaten, Vorschriften gegenüber Nichtvertragsstaaten durchzusetzen. Die Praxis hat jedenfalIs gezeigt, daß die Anwendung des Art. 10 des Antarktisvertrages als politisches Instrument durch die Vertragsparteien relativ erfolgreich verlaufen ist. Durch strikte Solidarität untereinander und deutliche Zeichen gegenüber Drittstaaten, die Aktionen in der Antarktis planten, haben die Staaten erreicht, daß die Vertragsziele bislang nicht unterlaufen wurden. 173 Was die lebenden marinen Ressourcen der Antarktis angeht, ist das aktive Einschreiten gegenüber Drittstaaten vor alIem durch die Einrichtung einer Kommission vereinfacht worden. Die Überwachung von Drittstaaten wurde durch die Aufnahme des Art. 10 in die Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources (CCAMLR) genauso institutionalisiert wie die Festlegung von Fangmengen und Quoten. In bezug auf die lebenden Ressourcen übernimmt die Kommission innerhalb des antarktischen Systems gewisse Pol izeifunktionen.
172 So Birnie, The Antarctic Regime and Third States, S. 253. Charney, The Antarctic Treaty System and Customary International Law, S. 83.
173
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten g) Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzustellen, daß bezüglich einiger Hauptzielsetzungen das antarktische Vertrags system allgemeine Akzeptanz gefunden hat und so eine besondere Ordnung in der Antarktis geschaffen hat. In diesen Bereichen entwikkelt das System eine faktische Drittwirkung, deren normative Begründung von verschiedenen Seiten her versucht wird, während ihre Existenz als solche nicht zu bestreiten ist.
3. Tiefseeboden Ebenso wie bei der Hohen See besteht beim Tiefseeboden jenseits der Grenzen der Festlandssockel Staatsfreiheit. Daraus ergibt sich entsprechend dem Prinzip der Freiheit der Meere rur alle Staaten das Recht, den Tiefseeboden zu nutzen; also eine Meeresbergbaufreiheit. 174 Unterliegt der Meeresbergbau einzig der Freiheit der Meere, erfolgt die Regelung der Nutzung der Meeresbodenschätze nur nach dem Prinzip des "reasonable use". Ebenso wie rur die Fischerei ist es rur den Meeresbergbau erforderlich, die Aktivitäten einzelner Staaten an die Belange der Staatengemeinschaft zu binden. 175 Entsprechende Ansätze finden sich in verschiedenen Vertragswerken betreffend den Tiefseeboden.
a) Überblick 1970 beschloß die UN-Generalversammlung die MeeresbodenprinzipienDeklaration,176 in der der Meeresboden und der Meeresuntergrund zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt wurden. Diese Deklaration diente als Beratungs- und Verhandlungsgrundlage rur das Tiefseebergbauregime der SRK. 177 Wichtig ist vor allem, daß der Tiefseeboden nicht mehr als res nullius behandelt wurde, sondern vielmehr als res communis und in Abs. 1 dieser Deklaration zum "Common Heritage of Mankind" erklärt wurdeY8
174 Zur Untersuchung der Frage, ob es entsprechend den Freiheiten der Hohen See aus Art. 2 der Konvention über die Hohe See von 1958 auch eine Bergbaufreiheit gibt: Gaster, Der Meeresbodenbergbau unter der Hohen See, S. 120 ff., mit positivem Ergebnis. 175 Wo/frum, Internationalisierung, S. 331. 176 17.12.1970, AIReS. 2749 (XXV); UN Doc. Al8097, abgedruckt in: I.L.M. 10 1971, S. 220 tT., deutsch in: VN 19 (1971), S. 146 f. 177 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1138. 178 Vgl. Franck, Fairness in International Law, S. 395; zum Konzept des CHOM später in diesem Teil.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
229
Ergebnis der Verhandlungen während der dritten Seerechtskonferenz war die Aufnahme von Teil XI in die SRK. Der Tiefseeboden - das "Gebiet" - und seine Ressourcen sind nach Art. 136 gemeinsames Erbe der Menschheit. An ihnen sollen gemäß Art. 137 weder Souveränität noch souveräne Rechte begründet werden können. Statt dessen stehen alle Rechte der gesamten Menschheit zu, in deren Namen die Internationale Meeresbodenbehörde handelt. Personen oder Staaten können durch Ausbeutung nur dann Rechte an den Rohstoffen erlangen, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Tiefseebergbauregime erworben wurden. Dieses Regime sah vor, daß Tiefseebergbau von der Behörde und den Vertragsstaaten gemeinsam durchgefilhrt werden sollte. Vor allem enthielt es die Möglichkeit von Beschränkungen der Produktion durch die Behörde. 179 Ferner sind diejenigen Staaten, die Tiefseebergbau betreiben, zu Ausgleichszahlungen und anderen Maßnahmen wirtschaftlicher Anpassungshilfe filr Entwicklungsländer verpflichtet. 180 Damit wurde der Versuch unternommen, im Wege der Errichtung einer internationalen Behörde die Bewirtschaftung eines gemeinsamen Gutes zu institutionalisieren. 181 Gleichzeitig entstand ein Teilhabegebot. Danach werden auch diejenigen Staaten am Bergbau finanziell beteiligt, die aktiv gar nicht daran teilnehmen, aber durch die Weitergabe von Know-how dazu beflihigt werden sollen, zu einem späteren Zeitpunkt auch aktiv teilzunehmen. 182 Die Leitsätze filr die Erschließung der Ressourcen in den Art. 150 bis 155 SRK sind Ergebnisse von Kompromissen, die teilweise Forderungen von Entwicklungsländern nach einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung entsprechen. 183 Damit sollte sichergestellt werden, daß die Industriestaaten die Schätze des Meeresbodens nicht schon zu einem Zeitpunkt ausbeuten, in dem weniger entwickelte Staaten zum Mitmachen finanziell und technisch noch nicht in der Lage waren. 184 Bereits während der Verhandlungen war abzusehen, daß mehrere Industriestaaten - neben den USA auch andere - die überhaupt technisch in der Lage waren, die Bodenschätze der Tiefsee auszubeuten, das filr sie unökonomische Regime nicht mittragen würden. 185 Dies war der Hauptgrund dafilr, daß die SRK
Art. 151 SRK. Art. 160 Abs. 11 Iit. f, Art. 14011, Art. 144; Stichwort: Technologietransfer. 181 Dies ist das erste Mal im internationalen Recht, daß eine internationale Instanz zwar nicht mit Rechten eines Souveräns, aber immerhin mit exklusiven Nutzungsrechten betraut wurde, Kewenig, Menschheitserbe, Konsens und Völkerrechtsordnung, EA 1981 I, S. 2. 182 Wolfrum, Internationalisierung, S. 369. 183 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1140 m. w. N.; zu den Einzelheiten des Regimes Wolfrum, Internationalisierung, S. 385 ff. 184 Kewenig, Menschheitserbe, Konsens und Völkerrechtsordnung, EA 19811, S. 2. 179 180
230
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
erst zwölf Jahre nach ihrem Abschluß in Kraft treten konnte. Ende der 80er Jahre schien der Gedanke schon fast aufgegeben, daß die SRK je ein gültiges Vertragswerk darstellen würde. 1990 wurden dann informelle Beratungen aufgenommen, um eine möglichst weitreichende Beteiligung an der SRK zu erreichen. 186 Insgesamt 15 Treffen fanden daraufhin statt. Hauptthemen waren unter anderem: Kosten filr Vertragsstaaten, das Unternehmen, Technologietransfer, Produktionsbegrenzungen, Ausgleichsfond und umweltrechtliche Überlegungen. 187 Das Ergebnis dieser Treffen, das Durchfilhrungsabkommen zu Teil XI der SRK, wurde am 28. Juli 1994 während der 48. Sitzung der UNGeneralversammlung angenommen. 188 Inzwischen war auch in den Ratifizierungsprozeß der SRK wieder Bewegung gekommen.
b) Parallele zum Fish Stocks Agreement Das 1994 geänderte Tiefseebodenregime ist als Parallele zum FSA besonders interessant, da es hier ebenfalls um nachträgliche Bestimmungen zur "Durchfilhrung" der SRK geht. 189 Durch die neuen Vorschriften wird ein wesentlich marktwirtschaftlicheres Konzept verfolgt. Trotzdem wird der Meeresboden kein freies Gut, insoweit behalten die hier zitierten Vorschriften ihre Wirksamkeit. 190 Allerdings wird ebenso wie beim FSA argumentiert, daß das Abkommen über eine bloße Durchfilhrung hinausgehe und eigentlich eher ein Änderungsprotokoll darstelle. 191 SRK und Durchfilhrungsübereinkommen sind nach Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens als gemeinsames Instrument zu interpretieren und anzuwenden, wobei im Falle unterschiedlicher Aussagen der Vorschriften die lex-posterior-Regel gilt. 192
185 So hatten bis zur Wiederaufnahme der Verhandlungen Anfang der 90er Jahre die USA, Deutschland und Großbritannien die SRK nicht einmal gezeichnet. 186 Vgl. den Bericht des Generalsekretärs in UN Doc. A/48/950 vom 9. Juni 1994. 187 Nelson, Some Observations on the Agreement Implementing Part XI, S. 205. 188 UNGA ReS. 48/263, das Übereinkommen wurde veröffentlicht am 15.5.95 in BGBI. II S. 479. 189 Vgl. bereits der Überblick in Teil 2 zum Begriff "Durchführung". 190 Nelson, The New Deep Sea-Bed Mining Regime, Int. Journal of Marine Policy and Coastal Law 1995, S. 203. 191 Nelson, The New Deep Sea-Bed Mining Regime, Int. Journal of Marine Policy and Coasta1 Law 1995, S. 192 mit einem ausführlichen Nachweis darüber, weIche Vorschriften von Teil XI tatsächlich geändert wurden. 192 Vgl. oben.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
231
c) Intention der Regelung erga omnes In den Vorschriften des Tiefseebodenregimes muß die Absicht der Vertragsparteien liegen, auch alle anderen Staaten an das Regime zu binden.
aa) Wortlaut und Systematik
Eine solche Drittbindungsabsicht der Vertragsparteien läßt sich zunächst anhand des Wortlautes des Art. 137 SRK ermitteln, der den Rechtsstatus des Gebietes und seiner Ressourcen bestimmt. Dieser lautet: I.
n.
Kein Staat darf über einen Teil des Gebiets oder seine Ressourcen Souveränität oder souveräne Rechte beanspruchen oder ausüben [... ]. Alle Rechte an den Ressourcen des Gebiets stehen der ganzen Menschheit zu, in deren Namen die Behörde handelt. Die Ressourcen sind unveräußerlich. Die aus dem Gebiet gewonnenen Mineralien dürfen jedoch nur in Übereinstimmung mit diesem Teil und den Regeln, Vorschriften und Verfahren der Behörde veräußert werden.
1II. Ein Staat oder eine natürliche oder juristische Person kann Rechte in bezug auf die aus dem Gebiete gewonnenen Mineralien nur in Übereinstimmung mit diesem Teil beanspruchen, erwerben oder ausüben. Auf andere Weise beanspruchte, erworbene oder ausgeübte Rechte werden nicht anerkannt.
Diese Formulierungen erstrecken sich nicht nur auf Vertragsparteien des Regimes, sondern auf alle Staaten. Ebenso ist die Formulierung in Art. 138 SRK geartet: Das allgemeine Verhalten der Staaten in bezug auf das Gebiet muß im Interesse der Erhaltung von Frieden und Sicherheit sowie der Förderung der internationalen Zusammenarbeit und gegenseitigen Verständigung den Bestimmungen dieses Teils, den in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Grundsätzen und den sonstigen Regeln des Völkerrechts entsprechen.
Die Wortlautauslegung läßt damit einen dahingehenden Schluß zu, daß ausnahmslos alle Staaten, nicht lediglich die Vertragparteien gemeint sind. Dieses Ergebnis läßt sich auch mit einem systematischen Argument bestätigen, welches sich aus einem Vergleich mit Art. 139 ergibt: Die Vertragsparteien sind verpflichtet sicherzustellen, daß die im Gebiet ausgeübten Tätigkeiten in Übereinstimmung mit diesem Teil durchgeführt werden.
Durch die Formulierung "kein Staat", "ein Staat" oder die "Staaten" im Vergleich zu der Bezeichnung "Vertragsstaaten" wird deutlich, daß der Adressatenkreis in Art. 137 und Art. 138 SRK weiter gefaßt ist als der des Art. 139.
232
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
bb) Historische und teleologische Auslegung Aus der Prinzipienerklärung wird deutlich, daß nach der Zielsetzung der Vertragsverhandlungen die Ordnung filr den Tiefseeboden filr alle Nationen verbindlich sein sol1. 193 Der Vertrag kann einem Staat nicht die ausschließliche Nutzung an einem filr eine Mine geeigneten Gebiet garantieren, wenn Nichtvertragsparteien den Tiefseeboden nach ihrem freien Belieben nutzen dürfen. Die Überlegungen, die dem Vertragsabschluß vorausgingen, sprechen daher ebenfalls ftir eine Drittwirkung Unterstützt wird dieses Ergebnis schließlich durch eine teleologische Auslegung. Bei Teil XI der SRK stand - ebenso wie letztlich auch bei den Fischereivorschriften - zu befilrchten, daß Drittstaaten, die dem Vertrag nicht beitreten, sich als Geflilligkeitsflaggen filr solche Unternehmen anbieten würden, die den Vorschriften des Vertrages entgehen wollen}94 So könnten Nichtvertragsstaaten als Trittbrettfahrer ifree rider) das Regime umgehen, dessen Zweck vereiteln und Selbstbeschränkungen der Vertragsstaaten zu ihren eigenen Gunsten ausnutzen. Sinn und Zweck der Regelungen machen es daher erforderlich, das Regime auch auf Drittstaaten auszudehnen.
cc) Ergebnis und Ergänzung Die Absicht der Vertragsparteien zur Regelung des Tiefseebodenregimes mit Wirkung erga omnes ist damit nachgewiesen. Eine kleine Besonderheit enthält Art. 4 des Durchftihrungsabkommens, wonach jede Ratifikations- oder Beitrittsurkunde zur SRK auch die Zustimmung darstellt, durch das Durchftihrungsübereinkommen gebunden zu sein (Abs. 1 und 2). Insoweit enthält dieses Abkommen einen eigenen erga omnes-Effekt.
d) Akzeptanz durch die Staatengemeinschaft Bis zur Unterzeichnung des Durchfilhrungsabkommens war die Frage nach der Akzeptanz des Regimes durch die Staatengemeinschaft eindeutig negativ zu beantworten. Insbesondere diejenigen Staaten, die zu einer Ausbeutung der Meeresbodenschätze technisch und finanziell in der Lage gewesen wären, hatten gerade wegen des Teils XI die SRK nicht unterzeichnet oder ratifiziert. Ande-
193 Vgl. van DykelYven, Common Heritage v. Freedom ofthe High Seas, San Diego Law Review 1982, S. 536 m. w. N. 194 Vgl. van DykelYven, Common Heritage v. Freedom ofthe High Seas, San Diego Law Review 1982, S. 535.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
233
rerseits ist anzuerkennen, daß einzelne Staaten die Entstehung internationalen Rechts nicht blockieren können, selbst die USA als einer der größten und mächtigsten Staaten nicht. 195 Außerdem könnte sich die Lage seit der Unterzeichnung des DurchfUhrungsabkommens geändert haben. Gerade die Staaten, die Teil XI SRK noch abgelehnt hatten, waren maßgeblich am Abschluß dieses Abkommens beteiligt. 196 Auch ist die internationale Beteiligung - anders als beim Antarktisvertrag - sehr groß gewesen. 197 Da Teil XI und das Übereinkommen als Einheit zu betrachten sind, bei der die lex-posterior-Regel gilt, ist davon auszugehen, daß diese Staaten das neue Regime akzeptieren. Ausdrücklicher Protest gegen das neue Regime ist bislang nicht deutlich geworden. Entscheidend wird hier sein, ob diejenigen Staaten, die Tiefseebergbau tatsächlich betreiben können, sich in Zukunft an das neue Regime halten.
e) Beitrittsmöglichkeit Nach Art. 307 S. 1 i. V. m. Art. 305 Abs. 1 lit. a SRK steht allen Staaten der Beitritt zur Konvention offen.
f) Regelungskompetenz Regelungskompetenz kann einerseits auch und gerade wegen der Staatsfreiheit des geregelten Raumes nicht an eine Form von "Territorialhoheit" geknüpft werden. Andererseits ist hier auf die große Zahl der Teilnehmer zu verweisen. Während beim Antarktisvertrag ein "exklusiver Club" die Erstellung einer Ordnung aufgenommen hat, ist die Ordnung fUr die Nutzung des Tiefseebodens unter Beteiligung eines sehr großen Teils der Staatengemeinschaft zustandegekommen. Die Annahme der endgültigen Fassung des Übereinkommens erfolgte in der UN-Generalversammlung mit großer Mehrheit: es gab 121 Stimmen fUr das Abkommen, keine dagegen und 7 Enthaltungen. 198 Eine Regelungskompetenz könnte aus Sicht der Teilnehmer darauf beruhen, daß die Mehrheit der Staaten im Interesse aller gehandelt hat, und damit als Staatenmehrheit ver-
195 van Dy/re/Yven, Common Heritage v. Freedom ofthe High Seas, San Diego Law Review 1982, S. 537. 196 Rechtliche Probleme wirft auch die Frage auf, an welches Regime Staaten, die zuvor die SRK gezeichnet hatten, jetzt aber nicht das Abkommen, eigentlich gebunden sind. Die Untersuchung dieser Frage würde hier den Rahmen sprengen. 197 91 Ratifizierungen zum Durchfiihrungsabkommen lagen am lO.Juli 1998 vor, siehe http://www.un.orgiDepts/los/stat2Ios/txt. 198 Vgl. Report of the Secretary General, 16.10.1994, UN Doc. A/49/63I , S. 9 Nr. 10, bis November 1994 hatten bereits 68 Staaten und die EG gezeichnet.
234
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
bindliches Recht setzen kann. Auch hier bietet sich die Konstruktion einer GeschäftsfUhrung ohne Auftrag an.
g) Durchsetzung gegenüber Drittstaaten und Institutionalisierung Über Art. 139 SRK sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, daß Drittstaaten das Regime nicht unterlaufen. Mangels ausreichender Praxis läßt sich derzeit noch keine Aussage über die Effektivität dieser Regel treffen. Wichtiges Element des Tiefseebodenregimes ist die Kontrolle durch die Meeresbodenbehörde, eine internationale Institution mit gewissen Polizeibefugnissen. Nur durch sie kann nach Ansicht der Verhandlungsparteien gewährleistet werden, daß die Nutzung der Bodenschätze tatsächlich zum Wohle der gesamten Menschheit erfolgt. Die Behörde wird damit Verwalter l99 eines Gutes, das der gesamten Menschheit gehört. Die Übertragung von souveränen Rechten auf eine solche Institution hat auch die Ablösung des bis dato fUr den staats freien Raum geltenden Flaggenstaatsprinzips zu Folge. 2°O Das Konzept der Freiheit der Hohen See ist damit zumindest fUr den Tiefseeboden erheblich in Zweifel gesteilt, vielmehr wurde eine verbindliche internationale Nutzungsordnung geschaffen.
h) Zusammenfassung Damit ist festzustellen, daß durch das Tiefseebodenregime eine Nutzungsordnung geschaffen wurde, die fUr die Mehrheit der Staaten aufgrund ihrer Beteiligung am Ordnungsvertrag verbindlich ist. Die große Staatenmehrheit, die an der Entstehung des Regimes beteiligt war, deutet darauf hin, daß es zunächst zumindest faktisch Drittwirkung entfalten wird. Wenn eine derart große Mehrheit sich an ein Regime gebunden filhlt, wird es filr Nichtmitglieder politisch schwierig, sich außerhalb der Ordnung zu plazieren. Eine rechtliche Wirkung gegenüber Drittstaaten kann damit in der Folge leichter entstehen.
4. Weltraum
Bestes Beispiel fUr ein Ordnungssystem, das von Territorialanspruchen völlig losgelöst ist, ist die Organisation der Nutzung des Weltraumes. Als Weltraum
199 200
DurchfUhrungsübereinkommen, Anlage Abschnitt lAbs. l. Wolfrum, Internationalisierung, S. 359 m. w. N., S. 370.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
235
wird derjenige Raum einschließlich der Himmelskörper definiert, der an die terrestrische Atmosphäre angrenzt. 201 Interessant rur Nutzer wurde dieser Raum erst in den 50er Jahren, als mit dem Start des ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik deutlich wurde, daß der Raum ftlr den Menschen und damit rur die Staaten verfUgbar ist.
a) Kurzer Überblick über das Rechtsregime Obwohl die Definition des Begriffes Weltraum in Abgrenzung zum Luftraum noch immer nicht abschließend geklärt ist, kann vom Weltraum als staatsfreiem Raum gesprochen werden. Weder über die Grundsätze des Luftrechts noch über die traditionellen völkerrechtlichen Grundsätze des Gebietserwerbs ist eine Raumhoheit begründbar. 202 Auch ist die Debatte über die genaue Abgrenzung von Luft- und Weltraum mangels erdenklicher praktischer Nutzbarkeit des in Frage stehenden Grenzraumes zur Zeit eher theoretischer Natur. 203 Die völkerrechtlichen Regeln über Status und Nutzung des Weltraumes fußen auf der Resolution 1962 (XVIII) der UN-Generalversammlung, mit der einstimmig die "Declaration of Legal Principles Goveming the Activities of States in the Exploration and Use of Outer Space"204 angenommen wurde. Darauf aufbauend ist der Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraumes einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" vom 27. Januar 1967205 (WRV) zu sehen. In Art. I WRV werden Erforschung und Nutzung des Weltraums samt der Himmelskörper zur Sache der gesamten Menschheit erklärt. 206 Es besteht gleichberechtigte Forschungs- und Nutzungsfreiheit aller Staaten. Von Bedeutung ist Art. 3, der die Staaten verpflichtet, alle hier stattfindenden Tätigkeiten in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht einschließlich der UN-Charta auszuüben. Damit wird anerkannt, daß der räumliche, persönliche und sachliche Geltungsbereich des Völkerrechtes wörtlich universell geworden ist. 207 Ähnlich wie
201 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1150. 202 Wolfrum, Internationalisierung, S. 271 ff. mit ausfiihrlicher Begründung. Dies entspricht auch Art. 11 des Weltraumvertrages von 1967, der nationale Okkupation ausschließt. 203 Vgl. aber Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums, S. 21 f. 204 Deutsche Übersetzung in VN 12 (1964), S. 34. 205 BGBI. 196911, S. 1967. 206 Zum Streit über die Bedeutung von Art. I Abs. I WRV vgl. Wolfrum, Internationalisierung, S. 284 ff. 207 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1151.
236
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
die Antarktis wird auch dieser Raum der friedlichen, atomwaffenfreien Nutzung verschrieben, Art. 4. Gemäß Art. 8 gilt vergleichbar der Hohen See ein Flaggenstaatsprinzip. Anlagen aller Art sind jedoch nach Art. 12 allen Vertragsstaaten zugänglich. Pflichten zur Hilfeleistung (Art. 5) und Zusammenarbeit (Art. 10 und 11), sowie die Klärung von Haftungsfragen (Art. 6 und 7) sind Ausdruck der Gemeinnützigkeit des Weltraumes. Interessant im Zusammenhang mit einer möglichen Drittwirkung sind Art. I und 2, wonach Erforschung und Nutzung als frei und nationale Okkupation als ausgeschlossen erklärt werden. Dies sind die zwei Hauptaspekte des den Weltraum beherrschenden Grundprinzips der Weltraumfreiheit. 208 Damit drängt sich der Vergleich zum Regime der Hohen See ilirmlich auf. Abgesehen von der Forschung bietet der Weltraum konkrete Nutzungsmöglichkeiten. Beispielhaft soll die Nutzung in bezug auf Satelliten und Mond etwas näher untersucht werden. Bei bei den handelt es sich - ähnlich wie bei den Fischvorkommen der Hohen See - um gemeinsame Ressourcen. 209
aa) Die Nutzung des geostationären Orbits Von großem wirtschaftlichen Nutzungsinteresse sind tUr alle Staaten Kommunikationssatelliten. Diese brauchen einerseits einen Platz im Weltraum auf einer besondere Erdumlaufbahn mit einer Umlaufzeit von 24 Stunden, auf dem sogenannten geostationären Orbit. 210 Andererseits brauchen sie auch Sendeund Empfangsfrequenzen. Beides ist aufgrund der physikalischen Eigenschaften tatsächlich begrenzt. 211 Solange die Technik es nicht möglich macht, bald weitere Plätze zur Verfilgung zu stellen, steht die internationale Gemeinschaft dem ungelosten Problem der Verteilung der begrenzten "Satellitenparkplätze" sowie der Sendefrequenzen gegenüber. 212 Grundsätzlich haben alle Staaten das gleiche Recht auf Nutzung des Orbits. Eine Fortsetzung des Gleichheitsgrundsatzes in der Nutzung des Weltraumes
Pritzsche, Natürliche Ressourcen im Weltraum, S. 32. Vgl. Jakhu, The Evolution ofthe ITU's regulatory Regime, AASL 1983, S. 381 f.; Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums, S. 170 ff. 210 Genauer 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden, entsprechend der Rotation der Erde, Reijnenlde Graaff, The Pollution ofOuter Space, S. 3. 211 Technischer und rechtlicher Überblick bei Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums, S. 36 ff. 212 Detaillierte Darstellung der "Parkplätze" bei Reijnenlde Graaff, The Pollution of Outer Space, S. 3. 208
209
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
237
aus Art. I WRV findet sich dann auch in Art. 33 Abs.2 des Internationalen Fernmeldevertrages von 1982.213 Danach richtet sich der Zugang zum geostationären Orbit nach den Gesichtspunkten der "equity", Gleichheit, wobei besondere geographische Interessen bzw. besondere Bedürfuisse von weniger entwikkelten Ländern zu berücksichtigen sind. 214 Frequenzen und Orbitpositionen werden von der International Telecommunications Union zugeteilt und registriert und damit einer Art internationaler Verwaltung unterstellt. Technische Einzelheiten der Verteilung sollen hier außer acht bleiben. 21S Bei der Zuteilung gab es traditionell ein gewisses Vorrangrecht (Prioritätsprinzip ) der zeitlich früher registrierten Frequenzen und damit im Ergebnis eine Privilegierung der technologisch avancierten Staaten. 216 Dieses wurde 1963 vor allem von Entwicklungsländern zunehmend in Frage gestellt,217 mit dem internationalen Fernmeldevertrag (IFV) schließlich ganz aufgehoben. Problematisch blieb, wie in der Praxis ein gleichberechtigter Zugang zu Orbitpositionen und Frequenzen gewährleistet werden kann, obwohl bereits eine große Anzahl der verfilgbaren Positionen und Frequenzen besetzt ist. Es wurde dazu übergegangen, unabhängig vom konkreten Bedarf langfristige Vorabplanungen zu erstellen. Internationale Zusammenarbeit läßt sich nicht vermeiden; Staaten sind aufgerufen, das Orbit nur für solche Aufgaben zu nutzen, die nicht durch andere Mittel auf der Erde durchgefUhrt werden können. 218 Die bis dahin bestehende Nutzungsfreiheit des Weltraumes wurde damit rur alle Staaten gleichermaßen beschränkt.2\9
213 "In using frequency bands for space radio services Members shall bear in mind that radio frequencies and the geostationary satellite orbit are limited natural ressources and that they must be used efficiently and economically, in comformity with the provisions of the Radio Regulations, so that countries or groups of countries may have equitable access to both, taking into account the special needs of the developing countries and the geographical situation of particular countries." Deutsche Fassung in BGBI. 1985 11, S.433. 214 Näher Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraumes, S. 169 f. 215 Dazu siehe Jakhu, ITU'S Regulatory Regime, AASL 1983, S.381 ff.; Fleming/DuCharme/JakhulLongman, Sovereignity and Radiocommunications, AASL 1985, S. 332 ff., Reijnenlde Graaff, Pollution of Outer Space, S. 83 ff. 216 Vgl. Jakhu, ITU's Regulatory Regime, AASL 1983, S. 397. 217 Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedigungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraumes, S. 174. 218 Reijnenlde Graaff, Pollution ofOuter Space, S. 88. 219 Vgl. Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedigungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraumes, S. 179 ff.
238
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten.
bb) Die Nutzung des Mondes
In Art. 11 Abs. 1 des Mondvertrages 220 wurden der Mond und seine Ressourcen zum "Common Heritage of Mankind" erklärt. 221 Dieses geht noch über das Tiefseebodenregime hinaus, welches nur die Ressourcen, nicht aber den Tiefseeboden selbst als Menschheitserbe nennt. Damit ist nicht nur die Ausbeutung der Ressourcen, sondern jegliche Nutzung des Mondes erfaßt. 222 Nach Abs.5 wird den Vertragsstaaten auferlegt, ein internationales Regime zu entwickeln, nach dem die Ressourcen des Mondes ausgebeutet werden sollen. Anders als beim Tiefseeboden soll ein Regime aber erst entwickelt werden, wenn die Ausbeutung der Ressourcen überhaupt praktisch möglich ist. Als Folge des Status als Common Heritage of Mankind 223 verbietet der Mondvertrag eine völkerrechtliche Okkupation bzw. privatrechtliche Aneignung. 224 Vergleichbar dem inzwischen geänderten internationalen Fernmeldevertrag kann auch der Mondvertrag als eine Ausfiillung und Konkretisierung des in Art. I Abs. I WRV niedergeschlagenen Gemeinnützigkeitsgebots angesehen werden, indem er Pflichten der den Weltraum nutzenden Staaten spezifiziert und insoweit die Freiheit der Weltraumnutzung einschränkt. 225
b) Intention der Regelung erga omnes Erneut ist die Absicht der Vertrags staaten zu prüfen, eine Regelung mit Wirkung gegenüber allen Staaten zu treffen.
aa) Weltraum/geostationäres Orbit
Art. 1 Abs. 1 WRV postuliert eine Nutzung des Weltraumes zum Vorteil und Interesse aller Länder. Nach Abs. 2 steht es allen Staaten frei, den Weltraum zu
220 Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, 12. November 1979, Text abgedruckt in I.L.M. 18 (1979), S. 1434. 221 Die Vorschrift umfaßt wie alle anderen des Vertrages auch neben dem Mond sämtliche Himmelskörper außer der Erde, Art. 1 Mondvertrag, vgl. Galloway, Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, AASL 1980, S.494. 222 Wolfrum, Der Mondvertrag von 1979, EA 1980, S. 666. 223 Näher dazu unten, 3. Teil V. 1. 224 Wolfrum, Internationalisierung, S. 325, dort auch Überblick über Einzelheiten des Mondregimes, Galloway, Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, AASL 1980, S. 498. 225 Wolfrum, Der Mondvertrag von 1979, EA 1980, S. 669.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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erforschen und zu nutzen. Nach Art. 2 unterliegt der Weltraum keiner nationalen Aneignung. Dem Wortlaut nach richten sich diese beiden Vorschriften damit gerade nicht nur an die Vertragsstaaten. Eine Intention zur Regelung mit Wirkung tUr Nichtvertragsstaaten ist indiziert. Diese Interpretation stützt der Wortlaut der Art. 3 bis 12, in denen dagegen nur von den "Vertragsstaaten" die Rede ist. Die Absicht der Vertrags staaten, eine tUr alle verbindliche Regelung der Nutzung des Weltraumes wie der Radiofrequenzen zu treffen, ergibt sich aus der Natur der Sache. Wenn es nur etwa 180 Satellitenparkplätze auf dem geostationären Orbit gibt2 26 , und wenn eine Übemutzung von Frequenzen wegen auftretender Störungen jegliche Nutzung tUr alle erschwert oder unmöglich macht, muß es im Interesse der Vertragsparteien liegen, alle potentiellen Nutzer dauerhaft an gemeinsame "Spielregeln" zu binden. 227
bb) Mond
Daß der Status des Mondes als gemeinsames Erbe der Menschheit für alle Staaten und dessen rechtliche Folgen verbindlich sein soll, könnte ebenfalls aus dem Wortlaut der entsprechenden Vorschrift abgeleitet werden. Während in sämtlichen Artikeln des Mondvertrages ausschließlich von "States Parties" die Rede ist, ist die passive Formulierung des Art. 11 Abs. I und 2 auf die gesamte Staatengemeinschaft zu beziehen. Zwar ist in Abs. I nur von "mankind" und nicht von "all mankind" die Rede. 228 Es erscheint jedoch nicht folgerichtig, hieran festmachen zu wollen, daß der Status als Menschheitserbe nur zwischen den Vertragsparteien Geltung haben soll. Dazu läßt sich vor allem Abs. 3 heranziehen, in dem es heißt: "Neither the surface nor the subface of the rnoon, nor any part thereof or natural ressources in place, shall become property of any State, international intergovernmental
226
S.227.
Theis, The International Legal Code for Geostationary Satellites, GYIL 1986,
227 Entsprechend lauten auch Entschließungen der Weltweiten Funkverwaltungskonferenz der ITU von 1979, z. B. Entschließung Nr. 2, abgedruckt bei von Welck/Platzöder, Weltraumrecht, S. 683 f., vgl. auch die Zutrittsgarantie in Punkt 3.3.5.2. des Anhangs zum Bericht der zweiten Sitzungsperiode der Weltweiten Funkverwaltungskonferenz 1985, abgedruckt bei von Welck/Platzöder, Weltraumrecht, S. 694. 228 So zweifelnd Galloway, Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, AASL 1980, S. 501 f., unter anderem mit der Begründung, daß ja auch nur eine gewisse Anzahl von Staaten überhaupt in der Lage sei, Ressourcen des Mondes auszubeuten. Dies ist jedoch kein Argument gegen die Ausweitung des Status auf alle Staaten.
240
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
or non-governmental organization or non-governmental entity or of any natural person."229
Nach Abs. I findet das CHOM-Konzept ferner Ausdruck in den "provisions of this Agreement". Da in Art. 4 auch von "all mankind" die Rede ist, bezieht sich das Konzept folglich auf alle Menschen. Von den rechtlichen Folgen des Status als Menschheitserbe sollen damit ganz eindeutig nicht nur Vertragsstaaten, sondern alle betroffen sein.
c) Akzeptanz in der Staatengemeinschaft aa) Weltraumvertrag
Mit über 90 Ratifikationen hat der WRV eine weltweit bemerkenswert positive Resonanz gefunden. 230 Mangels substantieller Proteste von Nichtvertragsparteien kann davon ausgegangen werden, daß der freie Zugang zum geostationären Orbit gewohnheitsrechtlich anerkannt ist. 231 Gleichzeitig scheint jedoch festzustehen, daß dessen Nutzung durch die Staaten dem Prinzip des "equitable sharing" unterliegt2 32 sowie einer internationalen Reglementierung zu unterstellen ist. 233 Internationale Kooperation im Bereich des Weltraumrechts im allgemeinen und der Nutzung des Raumes zu Zwecken der Telekommunikation im besonderen findet statt. Daran nehmen auch weniger entwickelte Länder teil. 234 Dennoch bleibt die Frage der Regulierung von Satelliten zur Fernsehübertragung in den Einzelheiten weiterhin kontrovers. 235
bb) Mondregime
Bezüglich des Mondregimes ist es schwierig, eine Aussage über die Akzeptanz innerhalb der Staatengemeinschaft zu treffen. Zur Zeit der Formulierung
229 Hervorhebung durch Verfasserin. Tomuschat, International Law, S. 295, in Teilen wird gerade was das Weltraumregime angeht aufgrund der hohen Akzeptanz sogar von "instant customary law" gesprochen. 231 Hobe, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Nutzung des Weltraums, S. 67, 70, die Bogota-Deklaration von 1976 kann vernachlässigt werden. 232 Theis, The International Legal Code for Geostationary Satellites, GYIL 1986, S. 238 f. m. w. N. 233 Fleming/DuCharme/JakhulLongman, Sovereignity and Radiocommunications, AASL 1985, S. 347 f. 234 Pritsche, Natürliche Ressourcen im Weltraum, S. 168 f. m. w. N. 235 Tomuschat, International Law, S. 295. 230
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des Vertrages erschien eine Ausbeutung lunarer Ressourcen zwar bereits technisch möglich, praktisch aber in sehr weiter Feme. Dies hat sich bis heute nicht maßgeblich geändert, so daß Zuwiderhandlungen gar nicht auftreten konnten. Zudem hat nur eine sehr geringe Anzahl von Staaten den Vertrag überhaupt ratifiziert oder gar gezeichnet,236 darunter keine filhrende Weltraumnation, vor allem nicht die USA und Rußland. Tatsächlich hatten sich gerade die USA und die frühere Sowjetunion während der Vertrags verhandlungen gegen das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit gesträubt. 237 Zwar wurde öffentlich von niemandem ernsthaft bezweifelt, daß der Mond und die anderen Himmelskörper keinem einzelnen gehören können,238 etwas anderes mag hingegen rur deren natürliche Ressourcen gelten. Allerdings hat es bislang auch nur 1969 bemannte Fahrten der USA zum Mond gegeben. In der jüngsten Zeit wird aber öffentlich wieder aktuelles Interesse an diesem natürlichen Erdsatelliten bekundet. Die Rede ist von bemannten Raumstationen auf dem Mond oder gar Pauschalreisen zum Mond und zurück, die in zehn bis 20 Jahren aufgrund dort vorhandener Wasservorräte möglich werden sollen. Inwieweit dies realisierbar ist, ist heute schwer zu beurteilen, eine Rechtsordnung ftlr den Mond ist aber spätestens dann nötig. Insofern erscheint es zu gewagt, eine allgemeinen Akzeptanz des Mondvertrages schlicht zu bejahen, es bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
d) Beitritt offen Nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 Weltraumvertrag kann jeder Staat jederzeit beitreten. 239 Das gleiche gilt nach Art. 19 Abs. 2 S. 2 MV aber auch fiir den Mondvertrag.
236
Tomuschat, International Law, S. 295.
237 Die USA wegen eines damit verbundenen Abbau-Moratoriums; Überblick über
Vertragsvorschläge dieser und anderer Staaten bei Reijnen, The United Nations Space Treaties Analysed, S. 280 ff. 238 Vgl. etwa Art. 8 Abs. 1 eines Vorschlages der UdSSR vom 5.11.1971, "Draft Treaty Concerning the Moon", UN Doc. NAC.105/C.I!L.568, wie zitiert bei Reijnen, The United Nations Space Treaties Analysed, S. 280. 239 Auch zu den Planungen der ITU sollen alle Staaten Zutritt haben, vgl. Guarantee of access and equitability in Punkt 3.2.1. des Anhangs zum Bericht der zweiten Sitzungsperiode der weltweiten Funkverwaltungskonferenz der ITU von 1985, abgedruckt bei von WelckiPlatzöder, Weltraumrecht, S. 689. 16 Ziemer
242
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
e) Regelungskompetenz Eine Regelungskompetenz der Vertragsstaaten kann auch hier gerade wieder nicht an eine territoriale Zuständigkeit geknüpft werden. Ähnlich wie bei der Hohen See gibt es zwar für die einzelnen Weltraumprojekte eine Art Flaggenstaatsprinzip. Dies gilt jedoch nur rur die einzelnen Objekte, aber gerade nicht rur den Raum als ganzes. Tatsächlich handelt es sich bei den Vertragsstaaten des Weltraum vertrages um diejenigen, die ein Interesse an der Nutzung des Weltraumes hatten bzw. haben. Eine Regelungskompetenz kann damit über ein tatsächlich bestehendes Interesse in Kombination mit einer Geschäftsfilhrung filr alle begründet werden. Die tatsächliche Zugangsmöglichkeit zu den geregelten Ressourcen erscheint als alleiniges Kriterium zu eng gefaßt, denn dann wäre eine Regelungskompetenz immer nur bei besonders hoch entwickelten Industriestaaten zu finden. Es ist aber davon auszugehen, daß alle Staaten ein gerechtfertigtes Interesse an dem sie umgebenden Weltraum und damit letztlich an ihren eigenen Lebensbedingungen haben, auf die der umgebende Weltraum Einfluß hat. Etwas anderes kann ftlr den Mondvertrag gelten, denn dieser wurde nun gerade nicht von den beiden filhrenden Weltraumnationen geschlossen. Insofern vermag auch die GoA-Konstruktion nicht recht weiterzuhelfen. Eine Regelungskompetenz kann bezeichnenderweise in diesem Falle nur auf die Annahme eines allgemeinen Interesses an einer Regelung gestützt werden. Dies ist allerdings ohne weiteres begründbar, denn der Mond hat erwiesenermaßen Einfluß auf Klima und Leben auf der Erde. Veränderungen am Erdsatelliten beträfen daher auch alle Staaten der Erde gleichermaßen.
t) Zusammenfassung
Zusammenfassend läßt sich bezüglich des Regimes des Weltraumes eine ähnliche Aussage treffen wie beim Tiefseebodenregime: aufgrund der langjährigen Praxis der interessierten Staaten, sowie der Tatsache, daß die Ressourcen deutlich begrenzt sind und die Nutzung immer Auswirkungen auf andere Nutzer hat, ist es möglich, eine wenigstens faktische Drittwirkung zu begründen. Auch gibt es keine deutlichen Proteste gegen das Regime. Aufgrund des technologischen Standards ist es den meisten Staaten schlichtweg unmöglich zuwiderzuhandeln. Mit dem Weltraumvertrag liegt folglich ein Vertrag vor, der wenigstens faktisch Drittwirkung hat. Bezüglich des Mondvertrages ist eine allgemeine Akzeptanz schwer zu beweisen. Eine Regelungskompetenz der Vertragsstaaten ist nur über das Interesse aller Staaten am Erhalt des Mondes zu begründen. Dennoch ist festzustellen, daß eine Regelung mit Drittwirkung beabsichtigt ist. Auch dieser Vertrag ist da-
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
243
her als Beispiel brauchbar, um darzustellen, auf welchem Wege die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft versuchen, drittverbindliche Vorschriften zu fixieren. Eine faktische wie rechtliche Drittwirkung ist hier zwar nicht zu beweisen, die Intention ist aber deutlich vorhanden.
5. Ozonschicht Als weiteres Beispiel eines zumindest im entstehen begriffenen Regimes ftlr eine gemeinsame, erschöptliche Ressource werden die verschiedenen Instrumente zum Schutz der Ozonschicht in der Stratosphäre der Erde genannt. 240 Charakteristisch ist hier ebenso wie etwa beim Antarktisregime oder dem Weltraumregime die Existenz eines Rahmenvertrages241 und zahlreicher weiterer im Zusammenhang stehender Instrumente, 242 größtenteils Reaktionen auf erschrekkende Meldungen über riesige Löcher in der Ozonschicht. 243
a) Überblick Ziel des Wien er Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht ist der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor schädlichen Auswirkungen, die durch menschliche Tätigkeiten, welche die Ozonschicht verändern oder wahrscheinlich verändern, verursacht werden oder wahrscheinlich verursacht werden, Art. 2 Abs. 1. Zu diesem Zweck sollen Vertragsparteien bei Forschung und Gesetzgebung zusammenarbeiten, sowie gemeinsame Schutzstandards erarbeiten. 244 Durch die Einrichtung einer Konferenz der Vertragsparteien, Art. 6, und eines Sekretariats, Art. 7, findet eine Institutionalisierung der Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht statt.
240 Die Ozonschicht ist keine nutzbare Ressource im herkömmlichen Sinn. Allerdings haben bestimmte Nutzungsformen der Umwelt als solcher Auswirkungen auf die Ozonschicht, die deren Schutzfunktion als UV-Filter für die Erde beeinträchtigen. Näher zum Status der Ozonschicht als Shared Ressource, Common Heritage oder Common Concern: Biermann, Saving the Atmosphere, S. 9 ff. 241 Wiener Konvention von 1985: Convention for the Protection ofthe Ozone Layer, 22. März 1985, abgedruckt in I.L.M. 26 (1987), S. 1529 ff., BGBI. 1988 1/, S. 901. 242 z. B. bei Lang, Auf der Suche nach einem wirksamen Klima-Regime, AVR 1993, S. 14; ausfilhrliche Darstellung der Instrumente bei Schuppert, Neue Steuerungsinstrumente im Umweltvölkerrecht am Beispiel des Montrealer Protokolls und des Klimaschutzrahmenübereinkommens, S. 30 ff. 243 Biermann, Saving the Atmosphere, S. 27. 244 Überblick über die einzelnen Vorschriften bei Brunn/je, Acid Rain and Ozone Layer Depletion, S. 230 ff.
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
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Das Übereinkommen spiegelt die politische Situation zur Zeit der Verhandlungen wieder: zum einen waren alle Parteien sich bewußt, daß eine Gefahr für die Ozonschicht bestand,245 zum anderen bestand erheblicher Forschungsbedarf, um mit genauen Daten arbeiten zu können. 246 Unter diesen Voraussetzungen kann das Wiener Übereinkommen nur als Rahmen filr weitere Abkommen angesehen werden. 247 Ergänzt werden die in diesem Übereinkommen enthaltenen allgemeinen Zielbestimmungen vor allem durch das Montrealer Protokoll von 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht filhren,248 sowie dessen spätere Änderungen. Es verpflichtet in seinem Art. 2 die Vertrags staaten, Maßnahmen zur Verminderung des Ausstoßes verschiedener schädlicher Stoffe zu ergreifen, gestattet hierfilr aber unterschiedliche Zeitpläne. Für Industriestaaten und weniger entwickelte Staaten gelten dabei verschiedene Standards. Hauptziel des Protokolles war kurz gesagt die Reduktion der Emissionen auf 50 Prozent bis 1999.249 Besondere Bedürfnisse weniger entwickelter Staaten werden nach Art. 5 berücksichtigt.
b) Intention der Regelung erga omnes Die einzelnen Bestimmungen zur Verminderung des Ausstoßes schädlicher Stoffe sind nach dem Wortlaut des Montrealer Protokolles ausdrücklich nur auf die Vertragsparteien bezogen. Effektiver Schutz der Erdatmosphäre ist aber nur möglich, wenn eine große Mehrheit von Staaten an gemeinsamen Anstrengungen teilnimmt. Auch hier ist es zur Erreichung des gemeinsamen Zieles nötig, möglichst viele sogenannte free rider zu erfassen. 250 Dafür wurden in den Verträgen zum Schutz der Ozonschicht bestimmte Steuerungsinstrumente entwikkelt, mit denen das Verhalten aller Staaten in gewünschte Bahnen gelenkt werden soll.251
Franc/e, Fairness in International Law, S. 381. Brunmfe, Acid Rain and Ozone Layer Depletion, S. 229. 247 Vg\. Biermann, Saving the Atmosphere, S. 23 f.; Franck, Fairness in International Law, S. 382. 248 Protocol on Substances that Deplete the Ozonlayer, 16. September 1987, abgedruckt in I.L.M. 26 (1987), S. 154; BGB\. 1988 II, S. 1014; Zusammenfassung der kontroversen Verhandlungspunkte bei Brunnee. Acid Rain and Ozone Layer Depletion, S. 236 ff. 249 Überblick über die Verpflichtungen bei Biermann, Saving the Atmosphere, S. 26 ff. 250 Biermann, Saving the Atmosphere, S. 126; Francle, Fairness in International Law, S. 382. 245
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Gefahren filr die Ozonschicht gehen zum größten Teil von einigen wenigen bekannten Chemikalien aus. Eine wichtige Bestimmung enthält daher Art. 4 des Montrealer Protokolls, nach dessen Abs. 1 jeder Vertragspartei verboten wird, die im Protokoll geregelten Stoffe aus einem Staat zu importieren, der nicht Vertragspartei ist. Nach Abs.2 soll auch der Export der geregelten Stoffe in Nichtvertragsstaaten eingestellt werden. Neue Subventionen oder irgendwie geartete Hilfen an Nichtvertragsstaaten zur Herstellung der geregelten Stoffe sollen nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, Abs.6. Damit wird Nichtvertragsstaaten faktisch die Möglichkeit genommen oder zumindest eingeschränkt, schädliche Stoffe herzustellen, zu exportieren oder zu verarbeiten. So sollen auch Nichtvertragsstaaten letztlich gezwungen werden, sich an die Maßnahmen des Protokolles zu halten. Wenn das "Regime" auch nicht ausdrücklich filr auf Drittstaaten anwendbar erklärt wird, so zielt doch die Intention der Vertragsparteien darauf ab, alle Staaten der internationalen Gemeinschaft zum Mitmachen zu zwingen.
c) Akzeptanz in der Staatengemeinschaft Die Teilnahme am 1989 in Kraft getretenen Montrealer Protokoll ist groß: rund 150 Staaten haben bislang ratifiziert. Da die Mehrzahl der Maßnahmen aus dem Montrealer Protokoll zeitlich erst jetzt ergriffen werden müssen, kann noch keine gesicherte Aussage darüber getroffen werden, inwieweit ein Ende des Handels mit den geregelten Stoffen tatsächlich Drittstaaten dazu veranlaßt, sich ebenfalls an die Vorschriften des Protokolls zu halten. Vergleiche mit anderen Verträgen wie CITES252 lassen aber eine positive Prognose ZU. 253 Bedenken lassen sich allerdings in bezug auf solche Staaten anfilhren, die nicht am Vertrag beteiligt sind, aber einen recht großen internen Markt filr die geregelten Stoffe haben bzw. mit anderen Nichtvertragsstaaten Handel treiben.
251 Ausfllhrlich dazu Schuppert, Neue Steuerungsinstrumente im Umweltvölkerrecht am Beispiel des Montrealer Protokolls und des Klimaschutzrahmenübereinkommens, S. 5 f., 259 ff. 252 Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, Washington, 3. März 1973, abgedruckt in I.L.M. 12 (1973), S. 1085. Auf eine Untersuchung der Frage, ob durch CITES ebenfalls ein Regime zum Schutz bedrohter Tierarten etabliert wird, soll hier aus Platzgründen verzichtet werden. 253 Biermann, Saving the Atmosphere, S. 138, was Sanktionen angeht skeptisch Nanda, International Environmental Law and Policy, S. 235.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
d) Beitrittsmöglichkeit Unter den Voraussetzungen des Art. 17 können alle Staaten und Organisationen dem Protokoll beitreten. Die Tatsache, daß es tUr weniger entwickelte Staaten Ausnahmeregelungen gibt, die es ermöglichen, konkrete Maßnahmen erst später zu ergreifen, vereinfacht es solchen Staaten, sich den Verpflichtungen des Montrealer Protokolls zu unterwerfen. 254
e) Regelungskomptenz Eine Regelungskompetenz der beteiligten Staaten ließe sich möglicherweise aus einer "territorialen" Hoheit der Staaten ableiten, denn der Luftraum über dem jeweiligen Hoheitsgebiet untertällt der ausschließlichen Lufthoheit der jeweiligen Staaten. 2S5 Andererseits soll die gesamte Ozonschicht geschützt werden, insbesondere auch die über den staats freien Gebieten wie der Antarktis. Vordergründig sollen die zu ergreifenden Maßnahmen auf nationaler Ebene getroffen werden. Allerdings ist ein gezieltes Verhalten gegenüber Drittstaaten gefordert. Eine Regelungskompetenz diesbezüglich kann sich nur aus der Betroffenheit eines gemeinsamen Interesses, hier gemeinsam mit der Absicht einer GeschäftstUhrung tUr alle, ergeben.
t) Ergebnis
Ob durch den Abschluß des Montrealer Protokolls und seiner Änderungen ein gegenüber Drittstaaten wirksames Regime geschaffen worden ist, kann heute noch nicht abschließend beurteilt werden. Dies hängt von der Effektivität der Durchsetzung gegenüber Nichtvertragsstaaten ab. Die Anlagen fiir ein solches Regime sind jedoch deutlich erkennbar, es mangelt bislang nur noch an Erfahrungswerten in bezug auf die Durchsetzung. Diesbezüglich kann sogar eine positive Prognose abgegeben werden. Auch die große Zahl der beteiligten Staaten spricht tUr sich. Die Bildung eines Regimes zum Schutz der Ozonschicht wird dadurch erleichtert, daß es sich um eine nur begrenzte Anzahl von Stoffen handelt, die es zu beseitigen gilt. Ein möglicher Souveränitäts verlust ist damit tUr Staaten gering und überschaubar. Die Bereitschaft, sich einem solchen Regime zu unterwerfen, ist damit vergleichsweise groß. Ob die ergriffenen Maß-
254 "Peitsche-und-Zuckerbrot-System"; vgl. Biermann, Saving the Atmosphere, S. 134 f. 255 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1050.
A. Völkerrechtliche Möglichkeit von Drittwirkung
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nahmen jedoch tatsächlich ausreichen, um einen effektiven Schutz der Ozonschicht zu bewirken, ist eine andere Frage.
6. Gegenbeispiele: ArtenvielfaltskonventioniMigratory Species
Um die Reihe zu vervollständigen, bietet es sich an, auch einige Gegenbeispiele zu untersuchen, die oft im Zusammenhang mit dem FSA genannt werden, da sie ähnliche Ziele verfolgen. Andere Verträge, die ebenfalls lebende Ressourcen der Erde schützen, können beispielsweise bislang nicht in die Kategorie der Ordnungssysteme aufgenommen werden, obwohl es gerade hier bereits seit langem intensive Bemühungen gibt, internationale Standards festzulegen. Globale Verträge zum Schutz der Artenvielfalt wie die Biodiversity Convention von 1992256 oder bereits die Bonn Convention von 1979257 haben einen breiten Anwendungsbereich bezüglich ihrer Schutzobjekte, und ihr Erfolg hängt im wesentlichen davon ab, daß möglichst viele Staaten die Vorschriften befolgen und durchsetzen. 258 Ein Unterlaufen durch Drittstaaten ist eine der größten Gefahren. Aufgrund ihrer Ziele sind diese Verträge daher potentielle Kandidaten für mögliche Ordnungssysteme. Allerdings errichten diese Verträge kein Regime zum Schutz der Artenvielfalt259 bzw. der Zugtiere, sondern erschöpfen sich lediglich in der Selbstverpflichtung der vertragsschließenden Teile.
a) Artenvielfaltskonvention Abgesehen von den wandernden Tierarten unterfallen die einzelnen Lebewesen der Erde zum größten Teil der ausschließlichen Souveränität eines einzigen Staates. Das Aussterben einer Art im Staatsgebiet eines Landes kann aber durchaus Auswirkungen auf grenzübergreifende Ökosysteme haben. Damit wäre die gesamte Menschheit betroffen. Insofern müßte es im Interesse der Vertragsparteien sowohl der Bonn Convention als auch der Artenvielfaltskonvention liegen, auch andere, am Vertrag nicht beteiligte Staaten zu binden. Dieses findet allerdings keinen Ausdruck in den Vertragswerken. Im Gegenteil wird in
256 Convention on Bilogical Diversity, Rio de Janeiro, 5. Juni 1992, abgedruckt in I.L.M. 31 (1992), S. 822 ff. 257 1979 Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals, abgedruckt in I.L.M. 19 (1979), S. 15 ff. 258 Überblick über Geschichte und Inhalt dieser und weiterer Verträge zum Schutz der Artenvielfalt bei Sands, Principles of International Environmental Law, S. 368--450; rur die Bonn Convention siehe Lyster, International Wildlife Law, S. 278 ff 259 Allerdings als "emerging regime" bezeichnet bei Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 443 ff.
248
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
der Artenvielfaltskonvention das Prinzip der staatlichen Souveränität über die lebenden Ressourcen innerhalb des Staatsgebietes ausdrücklich bestätigt.260 Einzige Neuerung ist die Erwähnung in der Präambel, der Erhalt der Artenvielfalt sei "common concern of humankind",261 rechtliche Konsequenzen werden daraus jedoch nicht gezogen. Ebensowenig werden Schutzmechanismen institutionalisiert. Beachtlich ist an der Artenvielfaltskonvention jedoch, daß grundlegende Prinzipien wie das Vorsorgeprinzip und das Prinzip der guten Nachbarschaft schriftlich fixiert wurden. Diese haben insofern auch Geltung gegenüber Drittstaaten, als sie bestehendes Gewohnheitsrecht wiedergeben. 262 Eine beabsichtigte Drittwirkung bezüglich nicht am Vertrag beteiligter Staaten ist bei der Artenvielfaltskonvention aber nicht auszumachen, hier ergibt sie sich nur bezüglich einiger Punkte, die inzwischen gewohnheitsrechtliche Geltung haben. Diese Konvention ist daher zwar gut heranzuziehen, soweit es um den Beweis gewohnheitsrechtlicher Geltung von Prinzipien geht. Sie beabsichtigt aber im Gegensatz zu anderen oben dargestellten Vertragssystemen keine eigene Drittwirkung.
b) Migratory Species of Wild Animals Auch die Verpflichtungen der Bonn Convention von 1979 beziehen sich ausschließlich auf die Vertragsparteien. Zwar sollen Maßnahmen zum Erhalt der Arten getroffen werden, "for the good ofmankind", ein Regime zum Schutz der Zugtiere wird jedoch nicht errichtet. In dieser Konvention überwiegt das einzeIstaatliche Interesse am Erlaß eigener Maßnahmen innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebietes im Vergleich zum gemeinsamen Interesse am Erhalt der Arten. Die Tatsache allein, daß die Staaten ein gemeinsames Interesse berücksichtigen wollen, reicht nicht aus, um dem Vertrag eine besondere rechtliche, an einem gemeinsamen Interesse orientierte Qualität attestieren zu können. 263 Damit erreichen die beiden angesprochenen Verträge nicht die Qualität eines internationalen Ordnungssystems. Positive Erfolge, die innerhalb der Vertragsparteien erzielt wurden, sollen durch diese Aussage nicht geschmälert werden.
260 Eingeschränkt nur durch bereits geltendes Gewohnheitsrecht, Boyle, The Rio Convention on Biological Diversity, S. 39. 261 Bemerkenswert ist ferner, daß der Ausdruck "common heritage" keinen Eingang in die Konvention gefunden hat, eben um zu vermeiden, daß ein entsprechender rechtlicher Status entstünde, vgl. Boyle, The Rio Convention on Biological Diversity, S. 40. 262 S.o., Teil I. 263 Vgl. Beyerlin, State Community Interests and Institution-Building, ZaöRV 1996, S.609.
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249
7. Zusammenfassende Beurteilung der Problemstrukturen und Vergleich zum FSA
Nach all diesen Beispielen gilt es nun, die allen genannten Systemen zugrundeliegenden, gemeinsamen Problemstrukturen herauszuarbeiten und zu überprüfen, ob die Strukturen des FSA vergleichbar sind. Bei allen genannten Ordnungs systemen ist zentraler Punkt die umstrittene Verteilung bzw. die Nutzung von Gemeinschaftsgütern jenseits der Grenzen staatlicher Jurisdiktion. Diese Güter gehören weder einem Staat noch einer Privatperson. Statt dessen haben, dem Prinzip der Gleichheit aller souveränen Staaten folgend, alle Staaten das gleiche Recht auf Zugang zu den Ressourcen. Da die Güter begrenzt bzw. erschöpflich sind, besteht die absolute Notwendigkeit, eine fllr alle gültige Nutzungsregelung zu finden. Es fehlt jedoch an einer souveränen Autorität, die etwa aufgrund ihrer Territorialhoheit kompetent wäre, allein eine allgemeinverbindliche Entscheidung zu treffen. Daher müssen die an den staatsfreien Ressourcen interessierten Staaten die Nutzungsregeln mit Hilfe eines internationalen Vertrages oder Abkommens vereinbaren. Inzwischen gilt als akzeptiert, daß die internationale Gemeinschaft als ganzes zur Verwaltung dieser Güter befugt ist. 264 Weil es aber praktisch unmöglich ist, sämtliche Staaten der Welt zu einer Übereinkunft über die Bewirtschaftung der Güter in Einzelfragen zu bewegen, werden in der Regel die am meisten interessierten Staaten gemeinsam tätig. Dies ist einer Geschäftsftlhrung ohne Auftrag nicht unähnlich. Staaten, die sich aufgrund mangelnden Interesses nicht an der Ausarbeitung der Regel beteiligen, müssen sie trotzdem unter bestimmten Voraussetzungen gegen sich gelten lassen. Aus rein praktischen Überlegungen wäre es logisch, wenn diejenigen Staaten die Geschäftsftlhrung übernehmen, die technisch zur Nutzung der Ressourcen in der Lage sind. Dann stellt sich aber die Frage der Berechtigung zur Geschäftsftlhrung und insbesondere der Akzeptanz bei den anderen Staaten. Im Falle einer Geschäftsftlhrung durch die technisch avancierten Staaten besteht latent die Gefahr der Regelung zum eigenen Vorteil. Es erscheint daher sehr sinnvoll, auch diejenigen Staaten zur Teilnahme an der Ausarbeitung einer Regelung heranzuziehen, die aus besonderen Gründen ein vorrangiges Interesse an der Ressource haben. Als Gründe kommen zum Beispiel territoriale Besonderheiten, historische Gegebenheiten oder besondere Zukunftsplanung in Betracht. Es ist daher folgerichtig, daß an der Entstehung der bereits existierenden Ordnungssysteme auch solche Staaten beteiligt waren, die noch nicht technisch zur Nutzung des geregelten Gutes in der Lage waren.
264 Wolfrum, Purposes and Principles of International Environmental Law, GYIL 1990, S. 322.
250
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Dem Prinzip der Fischereifreiheit folgend gehören die lebenden Ressourcen der Hohen See niemandem, solange sie noch nicht gefangen sind. Die Angehörigen aller Staaten haben das gleiche Recht, dort Fischfang zu betreiben. Die Vorkommen der gebietsübergreifenden und weit wandernden Arten sind begrenzt. Es gibt keine Autorität mit der Befugnis, die Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Bestände allgemein verbindlich zu regeln. Die Staaten können eine Einigung nur mit Hilfe eines internationalen Abkommens erzielen. An der Ausarbeitung des FSA sind alle interessierten Staaten beteiligt gewesen: die großen Küstenstaaten einerseits sowie die Fernfischerei betreibenden Staaten andererseits waren maßgeblich an der Arbeit der Konferenz beteiligt. Insoweit entspricht das FSA in seiner Problemstruktur den genannten Ordnungssystemen. Zusammenfassend ist bezüglich der dargestellten Ordnungs verträge festzustellen, daß sie alle zur Regelung einer staatsfreien Ressource den Verzicht der Mitgliedstaaten auf Bereiche der eigenen Souveränität erforderlich machen. Um effektiv Resultate erzielen zu können, müssen diese Systeme Anspruch auf AIIgemeinverbindlichkeit erheben. Eine Lösung des Problems rückt nur dann in greifbare Nähe, wenn das System allgemein befolgt wird. Genau diese Problemstrukturen sind ebenfalls Hintergrund des FSA: die Vertragsstaaten sehen die Notwendigkeit der gemeinsamen Bewirtschaftung wertvoller erschöpflicher Meeresressourcen. Diese kann aber nur funktionieren, wenn alle Staaten die gemeinsamen Regeln befolgen. Sie müssen daher ftlr alle Staaten Geltung finden.
B. Elemente der Ordnungssysteme Es gibt damit zahlreiche Beispiele im gegenwärtigen internationalen Recht, anhand derer belegt wurde, daß bestimmte multilaterale Verträge wenigstens faktisch oder auch de iure Drittwirkung entfalten. Da Überlegungen bezüglich des Abschlusses von Verträgen mit Drittwirkung somit bereits vermehrt umgesetzt worden sind, erscheint es zumindest nicht völlig ausgeschlossen, daß universelle Lösungen fundamentaler globaler Probleme auch die Bindung von Drittstaaten bewirken. 265 Individualinteressen von Staaten müssen demgegenüber zurücktreten. 266 Es gilt daher nun, losgelöst vom einzelnen Vertrag die konstituierenden Elemente solcher Verträge genauer zu untersuchen. Dabei ist von der These auszugehen, daß sich alle Elemente auch im FSA wiederfinden lassen. Dem FSA Iie-
265 266
Charney/Danilenko, Consent and Creation of International Law, S. 25. Brown Weiss, Environmental Change and International Law, S. 3.
B. Elemente der Ordnungssysteme
251
gen die gleichen Problemstrukturen zugrunde wie den dargestellten Ordnungssystemen. Es gilt zu zeigen, daß auch die Lösungsansätze sehr ähnlich sind. Die internationale Gemeinschaft hat möglicherweise eine Taktik gefunden, unter dem Deckmantel eines multilateralen Vertrages bei bestimmten Bedingungen Mehrheitsentscheidungen zu treffen und durchzusetzen, die gegenüber allen wirksam sind.
I. Vorerörterung: Prinzip des Common Heritage ofMankind Eine der zahlreiche Gemeinsamkeiten der dargestellten Systeme ist die Verbindung zu oder Einbeziehung von einzelnen oder mehreren Elementen des Konzeptes des gemeinsamen Menschheitserbes, Common Heritage of Mankind. Die Erklärung eines bestimmten Gebietes oder Anliegens zum Common Heritage of Mankind (CHOM) ist bereits mit eigenen, besonderen Rechtsfolgen verbunden. Dem Konzept des Menschheitserbe liegt aIlerdings ein gemeinsames Interesse der Menschheit zugrunde. 267 Es wurde konzipiert und konkretisiert im Hinblick auf nicht-terrestrische, bisher staatsfreie Räume, die ohne CHOM dem Zugriff einzelner Staaten offen gestanden hätten. 268
1. Entwicklung Als offizielle Begründung des Begriffes des Common Heritage wird meist das Konzept Arvid Pardos genannt,269 das er 1967 entwickelte und als Vertreter Maltas während der dritten Seerechtskonferenz vorstellte. 270 Hintergrund ist die
267 Kiss, La notion de Patrimoine Commun de I'humanite, RdC 1982 11, S.228: Materialisierung eines konkreten Interesses in einem weitläufigen Gebiet; "En definitive, le patrimoine commun de I'humanite peut etre considere comme la cristallisation de I'interet commun de I'humanite autour de ces points precis." 268 Kewenig, Common heritage of mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, S. 403. 269 Pardo, First Statement: Ocean Space, Seabed, Common Heritage of Mankind, Nov. I, 1967, in: The Common Heritage, Selected Papers. 270 Z. B. bei Kewenig, Common Heritage of Mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, S. 385. Tatsächlich wurde das Konzept bereits viel früher entwickelt, Kiss, La notion de Patrimoine commun de I'humanite, RdC 198211, S. 113 f., verweist z. B. auf eine Veröffentlichung aus dem Jahre 1898 von de Lapradel/e, außerdem auf die Erklärung des thailändischen Prinzen Wan Waithayakon von 1958 während der ersten Seerechtskonferenz. Wolfrum, The Principle ofthe Common Heritage ofMankind, ZaöRV 1983, S. 312 in FN I, nennt ein Statement Aldo Coccas während der Verhandlungen zur friedlichen Nutzung des Weltraums im Juni 1967 und schreibt daher die Entwicklung des Konzeptes dem Zeitgeist zu.
252
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Überlegung, daß diejenigen, die heute leben, nichts anderes sind als ein Glied einer kontinuierlichen Kette, die nicht unterbrochen werden darf. Es muß damit nicht nur eine Solidarität zwischen den heute Lebenden untereinander geben, sondern auch gegenüber den zukünftigen Generationen. 271 Dies erklärt auch die Verwendung des Begriffes "mankind" anstelle von "all States", was in einer Gesellschaft souveräner Staaten eigentlich zu erwarten gewesen wäre. 272 Nach der Idee Pardos sollte der Tiefseeboden als gemeinsames Menschheitserbe nur zu friedlichen Zwecken und nur zugunsten der Menschheit in ihrer Gesamtheit genutzt werden. Gehalt und Funktion des Konzeptes wurden von Kewenig mit der Formel "Gemeinnützigkeitsvorbehalt" umschrieben. 273 Es beinhaltet nach Pardo ftlnf Elemente: I. Der Meeresboden jenseits nationaler lurisdiktionen ist keiner Aneignung zugänglich. 2. Er soll ausschließlich für friedliche Zwecke reserviert bleiben. 3. Die nicht mit militärischen Zwecken verbundene wissenschaftliche Forschung soll dort frei und allen zugänglich sein. 4. Die Ressourcen des Tiefseebodens sollen im Sinne der gesamten Menschheit ausgebeutet werden unter Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse der ärmeren Länder. 5. Erforschung und Ausbeutung sollen im Einklang mit Zielen und Prinzipien der UN-Charta geschehen, sowie die übrigen Nutzungen der Hohen See nicht behindern und keinen negativen Einfluß auf die marine Umwelt haben. 274 Dazu sollte der Tiefseeboden auf lange Sicht einer Institution zur Ausführung der gemeinsamen Verwaltung übergeben werden (trustltutelle). Natürlich ist dieses Konzept nicht nur auf Begeisterung gestoßen. Als Klischee oder unrealistisches, "nebulöses Konzept" bezeichnet, wurde es als Grund daftlr angeftlhrt, daß die SRK noch vor ihrem Inkrafttreten "kolIabierte".275 Um trotzdem eine Aneignung zu unterbinden wurde vorgeschlagen, den Tiefseebo-
271 Kiss, La notion de Patrimoine commun de I'humanite, RdC 1982 11, S. 1l3, damit wird "Zeit" eine Zielbestimmung, S. 243; vgl. auch Young, International Law ofEnvironmental Protection, S. 82. 272 Vgl. Wolfrum, The Principle of Common Heritage of Mankind. ZaöRV 1983, S.318. 273 Kewenig, Menschheitserbe, Konsens und Völkerrechtsordnung, EA 1981, S. 2. 274 Pardo, The Common Heritages, Selected Papers, S. 40 f.; welche Elemente rur CHOM konstitutiv sind, ist umstritten, vgl. etwa Macdonald, The Common Heritage of Mankind, S. 154 f.; Kewenig, Common heritage of mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, S. 388 ff. 275 Detter, The International Legal Order, S. 490 f.
B. Elemente der Ordnungssysteme
253
den als res communis zu betrachten. Auch danach sei Aneignung ausgeschlossen, Nutzung aber rur jeden möglich. Ferner greife das Prinzip der Staatenverantwortlichkeit ebenfalls ein. Dies Konzept sei daher in einer modemen internationalen Gesellschaft wirtschaftlich realistischer als ein "Erbe". 276 Trotzdem läßt sich nicht leugnen, daß das Konzept eine große Attraktivität auf Staaten ausübt und in gemeinsamen Erklärungen und internationalen Verträgen auftaucht, wann immer es um die Regelung von Problemen außerhalb staatlicher Jurisdiktion geht. 277 Chile hatte sogar vorgeschlagen, es als Teil des ius cogens zu deklarieren. 278 Es kann daher davon ausgegangen werden, daß es heute in seinen Grundsätzen rechtlich anerkannt ist. 279
2. Einzelne Merkmale
Wichtigste Rechtsfolge des Konzeptes ist, daß das jeweils betroffene Objekt nicht aneignungsflihig ist, sondern als gemeinsames Gut der gesamten Menschheit gehört. Dieses Element des Aneignungsverbotes ist unstreitig. 280 Daher darf die Nutzung nur zu friedlichen Zwecken geschehen. Alle militärischen Ziele dienen nur dem nationalen Interesse und sind daher mit dem Interesse der Menschheit als EigentUmerin des Gutes nicht vereinbar. Diese beiden Punkte sind ebenso anerkannt wie die beiden Grundsätze, daß das Objekt wissenschaftlicher Forschung grundsätzlich offensteht und daß alle Aktivitäten möglichst umweltschonend vorzunehmen sind. 281 Aus dem Status als Menschheitserbe ergeben sich aber auch besondere Folgen rur die Nutzung, denn diese muß durch einen Vertreter der Menschheit geregelt werden. Dies könnte durch eine internationale Behörde, Organisation oder die einzelnen, an einer Nutzung interessierten Staaten selbst rur die Menschheit geschehen. 282 Wie dies im Einzelnen abläuft, ist Gegenstand ausgiebiger Kon-
Detter, The International Legal Order, S. 490 f. Kewenig, Common heritage of mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, S. 386. 278 Informal proposal by Chile, UN Doc.AlCONF.62, GP 9, 5. August 1980. 279 Wolfrum, The Principle of Common Heritage of Mankind, ZaöRV 1983, S. 313 m. w. N., zur Frage, ob es sich bereits um Gewohnheitsrecht handelt: S. 333 tf 280 Kewenig, Common heritage of man kind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, S. 389, fllnf Einzelelemente haben sich nach Kewenig durchgesetzt: Eigentum (Souveränität), Nutzung, Demilitarisierung, Wissenschaft und Umwelt. 281 Kewenig, Menschheitserbe, Konsens und Völkerrechtsordnung, EA 1981, S. 2. 282 Vgl. Wolfrum, The Prinicple of Common Heritage of Mankind, ZaöRV 1983, S.317. 276
277
254
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
troversen. 283 Diese sollen nicht im Detail nachgezeichnet werden. Fest steht nur, daß eine Nutzung, von der die Menschheit als Ganzes profitieren soll, ein System erfordert, nach dem auch diejenigen Staaten begünstigt werden können, die nicht die technischen und finanziellen Mittel haben, das jenseits nationaler Hoheitsgewalt liegende (und damit in jedem Falle schwierig zu erreichende) Gut zu nutzen. Das fordert von denjenigen Staaten, die es nutzen können, eine Konzession in irgendeiner Form an die ärmeren Länder zu leisten. 284 Damit beinhaltet das Prinzip des CHOM in seinem Kernbereich die fünf Elemente Eigentum, Demilitarisierung, Nutzung, Wissenschaft und Umwelt. Uneinigkeit besteht hauptsächlich über die Ausgestaltung einer gemeinsamen Nutzung. 285 Ziel des Konzeptes des gemeinsamen Menschheitserbes ist nicht unbedingt vordergründig der Schutz der Umwelt, sondern vor allem die Sicherung einer friedlichen Nutzung und der Ausschluß nationaler Aneignung. 286
3. Bisherige Umsetzung Das Konzept des gemeinsamen Menschheitserbes hat in den oben dargestellten Regimes eindeutigen Niederschlag gefunden. Am stärksten ist es für den Bereich des Tiefseebodens ausgeprägt, indem Art. 136 SRK ihn und seine Ressourcen ausdrücklich zum Menschheitserbe erklärt. Nach Art. 137 Abs. 1 SRK besteht ein Aneignungsverbot, nach Abs. 2 stehen alle Rechte an den Ressourcen des Gebietes der gesamten Menschheit zu, in deren Namen die Behörde handelt. Art. 140 SRK fordert, Tätigkeiten im Gebieten zum Nutzen der gesamten Menschheit auszuüben, 141 sieht die friedliche Nutzung vor, Art. 144 SRK sogar die Weitergabe von Technologien. 287 Was den Weltraum angeht, so sind bereits in der Prinzipienerklärung von 1963 Elemente des CHOM-Prinzips enthalten: das gemeinsame Interesse der Menschheit und die friedliche Nutzung (Präambel), das Verbot nationaler Gebietsaneignung (Art. 3), der gleiche Zugang für alle Staaten (Art. 2), Nutzung im Interesse der Menschheit (Art. 1). Noch deutlicher tritt das Konzept im
283 Ausfllhrliche Darstellung der Argumentation bei Kewenig, Common heritage of mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, S. 388 ff. 284 Zum Streit zwischen Industrienationen und weniger entwickelten Ländern über den Inhalt dieser Vepflichtung genauer: Wolfrum, the Principle of Common Heritage of Mankind, ZaöRV 1983, S. 321. 285 Kewenig, Common heritage of man kind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, S. 393. 286 Beyerlin, State Community Interest and Institution Building, ZaöRV 1996, S. 609. 287 Näher Macdonald, Common Heritage ofMankind, S. 164 ff.
B. Elemente der Ordnungssysteme
255
Mondvertrag zutage, der sich auch mit den Ressourcen der Himmelskörper befaßt. In Art. 11 Abs. 1 Mondvertrag wird der Mond mit seinen Ressourcen zum Menschheitserbe deklariert. Damit ist der Mondvertrag der erste internationale Vertrag, in dem das CHOM-Prinzip schriftlich niedergelegt wurde. 288 Aus dem Status als Menschheitserbe folgt eine ganze Reihe eigener Verpflichtungen. 289 Nach Abs. 3 wird Aneignung durch verschiedenste Akteure verboten. Nach Abs. 5 und 7 ist ein internationales Nutzungsregime tUr die Ausbeutung der Ressourcen zu errichten. Die Erforschung ist frei, Art. 6. In Teilen sind Elemente des Menschheitserbe-Konzeptes auch im System der Antarktis enthalten. 290 So anerkennt der Antarktisvertrag in seiner Präambel das Interesse der ganzen Menschheit an einer friedlichen Nutzung. Nach Art. I Abs. 1 soll die Antarktis dann auch nur fiir friedliche Zwecke genutzt werden. Neue GebietsansprUche sollen gemäß Art. 4 Abs. 2 Antarktisvertrag filr die Zeit des Bestehens des Vertrages nicht erfolgen. Allerdings weist Abs. 1 ausdrücklich darauf hin, daß auf bereits geltend gemachte Ansprüche nicht verzichtet wird. Insofern ist das Element des absoluten Aneignungsverbotes nur tUr solche Staaten enthalten, die nicht zum sogenannten "Club" gehören. Nicht enthalten ist das Prinzip der gemeinsamen Nutzung oder des Teilens von Gewinnen. Auch die Bewirtschaftung der Region bleibt größtenteils dem "Club" vorbehalten. 291
4. Mögliche Ausdehnung des Konzeptes
Auch Fragen bezüglich des Schutzes der Ozonschicht, des globalen Klimas sowie des Funkfrequenzspektrums oder auch Fragen der Weitergabe von Technologien sind im Zusammenhang mit dem Common-Heritage-Prinzip erörtert worden. 292 Eine Aneignung ist hier rein faktisch unmöglich,293 ein Aneignungs-
288 Macdonald, Common Heritage ofMankind, S. 162. 289 Kiss, La notion de Patrimoine commun de I'humanite, RdC 1982 11, S. 162 f. 290 Überblick bei Charney, The Antarctic System and Customary International Law, S. 75 tT., Macdonald, Common Heritage of Mankind, S. 156 tT.; der Begriff selbst konnte gar nicht verwendet werden, da zur Zeit des Vertragsschlusses die Vokabel in der völkerrechtlichen Sprache noch nicht aufgetaucht war, vgl. Francioni, Legal Aspects of Mineral Exploitation in Antarctica, CILJ 1986, S. 171. 291 Macdonald, Common Heritage ofMankind, S. 157. 292 Kiss, La notion de patrimoine commun de I'humanite, RdC 1982 11, S. 188 ff.; Kewenig, Common heritage of mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher SchlüsselbegritT, S. 404. 293 Sie seien daher gemeinsames Erbe "par nature"; Kiss, La notion de patrimoine commun de I'humanite, RdC 198211, S. 225, im Gegensatz zum gemeinsamen Erbe "par atTectation" wie z. B. das Weltkultur- und Naturerbe, weIches sich fast ausschließlich auf Gebieten unter nationaler Hoheit befindet.
256
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
verbot durch den Status als Menschheitserbe herbeiführen zu wollen, ist daher überflüssig. Als Element des Menschheitserbes kann statt dessen diskutiert werden, ein gemeinsames Nutzungsregime aufzubauen. Rein sprachlogisch erscheint es naheliegend, Ozonschicht und Klima als gemeinsames Erbe der Menschheit zu erfassen und damit unter einen besonderen Schutz zum Erhalt für künftige Generationen zu stellen. Einzelheiten zu diesen Gebieten sollen hier nicht weiter vertieft werden. Fraglich ist jedoch, ob auch der Rechtsstatus der Ressourcen der Hohen See (nicht des Tiefseebodens) Elemente enthält, die eine Verbindung zum CHOM ermöglichen. Es ist zu untersuchen, inwieweit einzelne Punkte des CHOMKonzeptes erfüllt sind. Trotz zahlreicher Versuche, nationale Hoheitsgewalt immer weiter auf die Hochseegebiete auszudehnen, gilt weiterhin das Prinzip der Nichtaneignung: nach Art. 87 steht die Hohe See allen offen, nach Art. 116 genießt jeder Staat das Recht, daß seine Angehörigen Fischerei auf Hoher See ausüben können. Dies wurde auch durch das FSA bestätigt, weiteren Nationalisierungstendenzen wurde damit (zunächst) ein Riegel vorgeschoben. Weiterhin ist gemäß Art. 88 die Hohe See friedlichen Zwecken vorbehalten. Gemäß Art. 117 sind die Staaten verpflichtet, den Erhalt der Arten zu gewährleisten, das heißt sie müssen die Ressourcen rationell ausbeuten. Unter dem Regime der SRK fehlte zur Erfllllung der Voraussetzungen des CHOM-Status lediglich eine internationale Verwaltung und die Aufteilung der Nutzungsgewinne. 294 Der internationalen Verwaltung der Hohen See in bezug auf Fischerei ist die internationale Gemeinschaft mit dem FSA einen großen Schritt näher gekommen. Zwar wird nicht eine einzige Hochseefischereibehörde gegründet, mit der Weiterentwicklung bzw. Neugrundung regionaler Fischereiorganisationen ist jedoch eindeutig der Schritt in Richtung einer Institutionalisierung der Fischereiverwaltung getan. Die Aufteilung von Gewinnen ist zwar auch jetzt nicht vorgesehen, besondere Bedürfnisse der Entwicklungsländer und entsprechende Hilfen dagegen schon. Dies läßt erkennen, daß das FSA gemeinsam mit der SRK Elemente des CHOM-Konzeptes enthält.
5. Ergänzende Zusammenfassung
Als Ergebnis bleibt festzustellen, daß es sich bei diesem Konzept um die Materialisierung eines gemeinsamen Interesses mit bestimmten Rechtsfolgen handelt. Elemente des Konzeptes finden sich in zahlreichen internationalen Verträgen, auch wenn der Begriff oft selbst keine Erwähnung findet. Auch im 294
Kiss, La notion de patrimoine commun de I'humanite, RdC 198211, S. 228.
B. Elemente der Ordnungssysteme
257
FSA sind Elemente des CHOM enthalten: die Nutzung ist ausschließlich auf friedliche Zwecke gerichtet, eine Aneignung der gesamten Vorkommen auf der Hohen See ist ausgeschlossen, angeeignet werden können nur die einzelnen Fänge. Die besonderen Bedürfnisse von Entwicklungsstaaten werden anerkannt und sollen speziell gefördert werden. Die Nutzung soll durch internationale Organisationen geregelt werden. Wissenschaft und Forschung sollen frei sein, Belastungen der Meeresumwelt vermieden werden. So attraktiv dies in der Theorie aber sein mag,295 so ernüchternd ist die Realität: Das Konzept wird immer dort angeführt, wo nicht eigene nationale Rohstoffe oder Möglichkeiten betroffen sind. Insofern stellt es oft nur ein Vehikel dar, Eigeninteressen auch dorthin zu befördern, wo die eigenen technischen Möglichkeiten versagen. 296 Das Konzept kann damit nur schwer an Glaubhaftigkeit zulegen. Es kann daher nur wenig dazu beitragen, eine Drittwirkung einzelner Vorschriften glaubhaft zu begründen. Trotzdem kann festgehalten werden, daß die Existenz von Allgemeininteressen immer von verschiedensten Akteuren und auf verschiedensten Ebenen postuliert wird. Diese Existenz solcher Allgemeininteressen ist daher als gemeinsame Basis anzuerkennen.
11. Common Interest: Definition des Allgemeininteresses Leitfaden bei allen genannten Beispielen ist immer wieder die Aussage der an den jeweiligen Verträgen beteiligten Parteien, bei Vertragsschluß im Interesse der gesamten Menschheit bzw. der Staatengemeinschaft zu handeln. 297 Damit behaupten die beteiligten Parteien eine besondere Qualität ihres Vertrages. 298 Konkludent wird unterstellt, daß es unabhängig vom partikulären Willen der Einzelstaaten gewisse Gemeinwohlbelange gibt, die international zu schützen
295 Es ist sogar als Leitmotiv in der progressiven Entwicklung internationalen Rechts der staatsfreien Gebiete bezeichnet worden, Francioni, Legal Aspects of Mineral Exploitation in Antarctica, CILJ 1986, S. 171. 296 Vgl. Kewenig, Common heritage of mankind - politischer Slogan oder Völkerrechtlicher SchlüsselbegrifT, S. 405. 297 So im Antarktisvertrag, Präambel, Abs. 2: "In der Erkenntnis, daß es im Interesse der gesamten Menschheit liegt, ... "; Tiefseebodenregime, Erklärung des Tiefseebodens zum CHOM in Art. 136 SRK, Präambel Abs. 2 Durchfilhrungsabkommen; Mondvertrag, Grundsatzvertrag 1967, Präambel, Abs.2: "In Anerkennung des gemeinsamen Interesses der gesamten Menschheit..."; Ozonschicht: Wiener Übereinkommen von 1985 und Montrealer Protokoll 1987 jeweils die Präambeln postulieren das Bewußtsein möglicher schädlicher Einwirkungen der Veränderungen der Ozonschicht auf die menschliche Gesundheit und Umwelt. 298 Vgl. Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 53. 17 Ziemer
258
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
seien. 299 Diese Gemeinwohlbelange als spezieller Anknüpfungspunkt fallen dann so schwer ins Gewicht, daß sie die pacta-tertiis-Regel aufwiegen. 3OO Das Allgemeininteresse steht zwar im Zusammenhang mit dem CHOM-Konzept, ist von ihm aber zu unterscheiden. Wird ein bestimmtes Gut zum gemeinsamen Menschheitserbe ernannt, so sind daran die konkreten oben beschriebenen Rechtsfolgen geknüpft. Die Feststellung, ein bestimmtes Anliegen stünde im Allgemeininteresse, soll ein gemeinsames, unter Umständen mehrheitliches Vorgehen rechtfertigen, dessen Einzelheiten erst noch festzulegen sind.
1. Vorüberlegung
Die Behauptung, es bestünde ein Allgemeininteresse, ist vergleichbar mit der Behauptung, es gäbe ein ius cogens, das fiir alle Staaten bindend ist. Das Allgemeininteresse in den genannten Beispielen hat aber eine andere Qualität als die anerkannten Normen des ius cogens. Letztere greifen dann ein, wenn globaler Konsens über die Unabdingbarkeit wichtiger Regeln besteht. Dies ist bislang hauptsächlich dann anerkannt, wenn eine schwerwiegende Gefahr fiir die Menschheit besteht bzw. die Verletzung fundamentalster Menschenrechte droht oder eintritt. Die Ordnungssysteme, die im Allgemeininteresse erschaffen wurden, haben zwar ebenfalls zum Ziel, schwerwiegende Folgen rur die Menschheit zu verhindern. Eine derart akute Gefahr wie bei den anerkannten ius cogensVorschriften besteht jedoch nicht. Das bloße Bestehen eines Allgemeininteresses an einer Regelung reicht noch nicht aus, um Konsens über die Unabdingbarkeit der getroffenen Regeln entstehen zu lassen. Zu beobachten ist, daß sich bei den betrachteten Verträgen ftir die Vertragsparteien kein unmittelbarer Vorteil ergibt. Statt dessen entstehen sofort zu errullende Verpflichtungen, wohingegen das anvisierte Ziel eher abstrakt und mehr oder weniger weit von unmittelbaren Effekten entfernt ist. Die Ordnungssysteme versuchen präventiv, Gefahren gar nicht erst eintreten zu lassen. Oft wird auch nur ein Ziel verfolgt, welches eine positive Entwicklung herbeiruhren, nicht aber bloß Schaden abwenden soll. Es geht also nicht um eine konkrete Gefahr, die das Eintreten eines Schadens mit Sicherheit erwarten läßt, sondern um abstrakt geflihrliche Vorgänge, bei denen Schaden nur möglich ist. Nach dieser Überlegung handelt es sich bei den Regeln, bei denen ein solches Allge-
299 300
Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 21. Chinkin, Third Parties in International Law, S. 143.
B. Elemente der Ordnungssysteme
259
meininteresse zugrunde liegt, um Normen einer besonderen Qualität, die in der Rechtsquellenlehre neben dem ius cogens als Sondernormen eingeordnet werden müßten. Die Entwicklungen - sowohl was die Erkenntnis der Erschöpflichkeit der Ressourcen, als auch was die persistant-objector-rule angeht - haben nicht nur im Umweltrecht zu der Einsicht gefUhrt, daß die Einzelinteressen von Staaten dem Interesse der gesamten übrigen internationalen Gemeinschaft unter Umständen genau konträr gegenüberstehen können. 301 So kann ein einzelner "Trittbrettfahrer" kostenintensive Bemühungen aller anderen Staaten zur Erhaltung der Umwelt zunichte machen. 302 Einzelstaatliche Belange können somit Interessen der gesamten Menschheit behindern. Wenn jeder einzelne Mensch aber von globalen Problemen betroffen ist, kann das Konsensualprinzip zu nicht überwindbaren Hindernissen auf dem Weg zu dringend benötigten weltweiten Lösungen fUhren. 303 Letzte Konsequenz dieser Erkenntnis wäre, daß Staaten immer weniger im Mittelpunkt internationalrechtlicher Beziehungen stehen, sondern der Fokus auf die Menschheit gerichtet wird. 304 Dies fUhrt zur Aushöhlung des grundlegenden Prinzips der Souveränität gleichberechtigter Staaten. Sobald einmal anerkannt ist, daß eine Regel des internationalen Rechts verbindlich fUr alle sein kann, selbst wenn rechtzeitig widersprochen wurde, so fUhrt das zu dem unvermeidlichen Schluß, daß die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, gesetzgebend tätig zu werden. Übrig bliebe lediglich die Frage, unter welchen Umständen solche verbindlichen Rechtsregeln entstehen. 305 Daß eine solche Entwicklung bereits ausgelöst wurde, ist anhand der dargestellten Beispiele bewiesen worden. Ursprung jeder Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit erhebenden Regel ist ein behauptetes Allgemeininteresse. Problematisch ist jedoch die Feststellung, wann genau ein das StaateneinzeIinteresse überwiegendes Allgemeininteresse vorliegt. Damit stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer Definition des Allgemeininteresses sowie einer Untersuchung der einzelnen Elemente, die dieses Interesse ausmachen.
Brown Weiss, Environmental Change, S. 3. Charney, Universal International Law, AJIL 1993, S. 530. 303 Charney/Danilenko, Consent and Creation of International Law, S. 25. 304 Brown Weiss, Environmental Change, S. 14. 305 V gl. Charney, International Lawmaking - Article 38 of the ICJ Statute Reconsidered, S. 184. 301
302
260
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
2. Definition des A/lgemeininteresses a) Existenz einer internationalen Gemeinschaft Problematisch ist zunächst, wer Träger dieses Interesses sein muß. Die unter dem Stichwort Allgemeininteresse behandelten Fragen werden immer wieder in Zusammenhang mit der "Staatengemeinschaft" oder der "internationalen Gemeinschaft" gebracht. Sie kommt als Träger eines gemeinsamen Interesses in Frage. Zu klären ist daher, woraus sich diese Gemeinschaft zusammensetzt. Der Begriffkönnte einerseits ein nur rhetorisches Instrument darstellen. Andererseits ist auch in Art. 53 Satz 2 WVRK die Rede von der "internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit". Der theoretische Diskurs zu dem Problem der internationalen Gemeinschaft soll hier nicht nachgezeichnet werden. An dieser Stelle wird lediglich vorausgesetzt, daß der Begriff der internationalen Gemeinschaft über den einer "Gesellschaft" (society) hinausgeht. 306 Im internationalen Geftlge geht es heute um mehr als bloß faktischen Kontakt der Staaten. 307 Die Existenz einer internationalen Rechtsgemeinschaft setzt als Minimum voraus, daß die Beziehungen ihrer Mitglieder zueinander geregelt sind308 und es nicht nur um Eigeninteressen der einzelnen Mitglieder geht. 309 Aufgrund der begrifflichen Problematik findet etwa bei DahmlDelbrücki Wolfrum die weit gefaßte Bezeichnung "internationales System" Verwendung. 3IO Auch ein "System" als vielschichtiges Beziehungsgefiige setzt ein Minimum an Übereinstimmung in einer heterogenen Gruppe voraus. Darauf kommt es an. Es sind nicht nur die Regierungen, die von Erfolg und Mißerfolg der jeweiligen im Allgemeininteresse ergriffen Maßnahme abhängen, sondern jeder einzelne Mensch bzw. die gesamte Menschheit. Während die Staaten einerseits ständig ihre souveräne Selbständigkeit betonen, so handeln sie dennoch oft im Sinne einer bewußten Solidarität, um gemeinsame Ziele ihrer Bevölkerungen zu erreichen. 3Il In diesem Kontext sind daher die Menschen konstituti-
306 Zu den Hintergründen ausfilhrlich Tomuschat, Obligations for States, RdC 1993 IV, S.209 -240; Simma, from Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 235 ff. 307 Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 245, m. w. N. 308 Tomuschat, Obligations for States, RdC 1993 IV, S. 219. 309 Vgl. PardolChristol, The Common Interest, S. 643; Tomusehat, Obligations for States, RdC 1993 VI, S. 227. 310 DahmlDelbrückiWolfrum, Völkerrecht 111, S. 2 ff. 311 Vgl. Kiss, La Notion de Patrimoine Commun de I'Humanite, RdC 1982 11, S. 112, der etwa den gemeinsamen Wunsch nach friedlichem Zusammenleben bzw. humanitäre Solidarität betont.
B. Elemente der Ordnungssysteme
261
ves Element einer internationalen Gemeinschaft. Die Einzelstaaten können nur ihre Vertreter sein. 312 Gemeinsames Ziel aller Akteure ist das Überleben auf der Erde. Die internationale Gemeinschaft ist demnach zusammengesetzt durch die Völker der Erde, vertreten durch die souveränen Staaten.
b) Terminologie Genauso wie bei der "internationalen Gemeinschaft" ist die Terminologie zu den Normen des "Allgemeininteresses" sehr unterschiedlich. Es handelt sich hierbei um eine relativ neue und kontroverse Entwicklung im Völkerrecht. Während einige Autoren - insbesondere in Deutschland und den USA - die Existenz dieser Normen als längst bewiesen oder gar als Voraussetzung von Umweltvölkerrecht ansehen, sind andere in diesem Bereich zurückhaltender und verwenden dementsprechend vorsichtige Formulierungen oder lehnen das Konzept gar gänzlich ab. 313 Es werden dabei neben "common interest"314 Begriffe verwendet wie: "general interest,315 shared interests, common concerns,316 public interest,317 common weal notions, community interest",318 im Deutschen auch Staatengemeinschaftsinteresse319 oder Gemeinwohl. 320 Was eine Untersuchung der Terminologie angeht, kann an beiden Elementen angesetzt werden: "common" und "interest" sind durchaus ersetzbar. Alle diese Begriffe zielen auf die Bezeichnung von Normen im gemeinsamen Interesse der gesamten Menschheit, die auf weltweiter Akzeptanz basieren. 321 In der Literatur werden "common" oder "public interest norms" neben dem Umweltschutz in verschiedenen weiteren Zusammenhängen genannt: dem Friedenssicherungssystem der Vereinten Nationen,m internationalem Menschen-
Tomuscha/, Obligations for States, RdC 1993 IV, S. 234 ff. Weil, Towards Realtive Normativity in International Law, AJIL 1983, S. 417. 314 Z. B. Pardo/Chris/ol, The Common Interest, S. 642 ff.; Brunnee, Comon Interest - Echoes from an Empty Shell?, ZaöRV 1989, S. 791 ff. 315 Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 52. 316 Charney, Universal International Law, AJIL 1993, S. 529. 317 Riedei, International Environmental Law - A Law to Serve the Public Interest?, S. 61 ff. 318 Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 217 ff. 319 Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, S. 219 ff. 320 Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 56. 321 Riedei, International Environmental Law - A Law to Serve the Public Interest'!, S.94. 322 Z. B. Delbrück, Staatliche Souveränität und die neue Rolle des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, in: Recht und Verfassung in Übersee 1993,6 ff.; Dicke, National Interest vs. the Interest ofthe International Community, S. 146 ff. 312
313
262
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
rechtsschutz,323 Kriegsrecht,324 Solidarität zwischen Industrienationen und weniger entwickelten Staaten. 325 Bei allen handelt es sich um Angelegenheiten mit weltweiter vitaler Bedeutung, die unabhängig vom Willen einzelner Staaten existieren. Fest steht eben auch, daß es sich nicht nur um irgendein Interesse handeln kann, sondern es muß gerade ein Interesse von besonderer Bedeutung rur das Überleben der Menschheit sein. 326
c) Verschiedene Ansätze zur Identifizierung eines Allgemeininteresses Gemeinschaftsinteressen entstehen infolge einer Bewußtseinsbildung über gemeinsame Zielvorstellungen. Fraglich ist, wie diese Bewußtseinsbildung vor sich geht und wie damit das Vorliegen eines Allgemeininteresses zu definieren und rechtlich feststellbar ist.
aa) Volonte generale oder objektiver Weltgeist Denkbarer Ansatz wäre eine "volonte generale" im Sinne Rousseaus, wonach von einem präexistenten Gemeinschaftsinteresse auszugehen ist, das sich von der Summe der Individualinteressen unterscheidet. 327 Ebenfalls könnte ein "objektiver Weltgeist" im Sinne Hegels ein Allgemeininteresse ergeben, welcher über den Staaten "schwebe". 328 Dies bedeutete allerdings, einer Person, einer
323 Brunnee, Common Interest - Echoes from an Empty Shell?, in: ZaöRV 1989, S. 791 ff. Riedei, International Environmental Law - A Law to Serve the Public Interest? S.91. 324 Tietje, Die Völkerrechtswidrigkeit des Einsatzes von Atomwaffen im bewaffueten Konflikt unter Umwe1t- und Gesundheitsschutzaspekten - Zur Gutachtenfrage der WHO an den IGH - in AVR 33 (1995), S. 266 (277 f.). 325 Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, S. 223 ff. 326 Vgl. Charney, Universal International Law, AJIL 1993, S. 542 mit dem Beispiel der Verschmutzung der Atmosphäre: solange sie nur als störend empfunden wird, kann eine universell geltende Regelung nicht getroffen werden. Sobald eine Gefahr rur die Menschheit bewiesen ist, nimmt der Wunsch nach einer universellen Regelung Gestalt an. 327 J. J. Rousseau, Du contrat social ou principes du droit politique, Livre 11, eh. III (1762), S. 59: "Oft ist ein großer Unterschied zwischen dem Willen aller und dem allgemeinen Willen, letzterer geht nur auf das allgemeine Beste aus, ersterer auf das Privatinteresse und ist nur eine Summe einzelner Willensmeinungen." In eh. 1 dieses Buches, S. 56, heißt es: " ... seiner Natur nach strebt der Wille des einzelnen nach Vorzügen, der allgemeine dagegen nach Gleichheit." (deutsche Übersetzung von H. Denhardt, Reclam, Leipzig 1927) 328 Vgl. Riedei, International Environmental Law - A Law to Serve the Public Interest?, S. 92, FN 123.
B. Elemente der Ordnungssysteme
263
Organisation oder jemandem Dritten die Kompetenz zuzusprechen, eine solche volonte generale bzw. diesen objektiven Weltgeist zu identifizieren und festzulegen. Dies hat in der Praxis auf staatlicher Ebene bereits nicht funktioniert. Ein fiktiver Weltgesetzgeber wird eine solche - der allgemeinen Anerkennung flihige - Kompetenz erst recht nicht haben.
bb) Parallel gelagerte Staateneinzelinteressen
Genau konträrer Ansatz wäre, Einzelinteressen von Staaten als Ausgangspunkt zu wählen. 329 Die Staaten sind seit jeher treibende Kraft im internationalen Recht gewesen. Sie seien daher auch als Motor der Entwicklung von Allgemeininteressen anzusehen. Solche Interessen entstehen, wenn viele Einzelinteressen der Staaten kollektiv dasselbe Ziel verfolgen. 330 Um ein Allgemeininteresse festzustellen, muß daher eine Summe der Staateneinzelinteressen gebildet werden. Wird diese gebildet, so ist festzustellen, daß ein Kollektivinteresse nur in der Aufrechterhaltung der internationalen Rechtsordnung als solcher besteht. 331 Dieser Ansatz läßt unberücksichtigt, daß über die Fortdauer der Rechtsordnung hinaus materielle Interessen in allen Teilen der Weltbevölkerung vorhanden sind. Das Völkerrecht ist über das Stadium der bloßen Koexistenz souveräner Staaten längst hinausgewachsen. Gerade Bereiche wie der Umweltschutz im weitesten Sinne, Kommunikation oder die Beachtung humanitärer Grundsätze betreffen auch weniger die Regierungen als vielmehr die Menschheit. 332 Ein Allgemeininteresse kann zwar möglicherweise von Staateneinzelinteressen ausgehen, allerdings auch sehr viel mehr umfassen. Dieser Ansatz allein kann daher auch nicht ausreichen, um Allgemein interessen zu identifizieren.
ce) Consensus
Ein Allgemeininteresse könnte eventuell in Form eines "consensus" zwischen den souveränen Einzelstaaten in Erscheinung treten. Dazu wird vertreten, daß ein solcher Konsens beinhalte, daß die Respektierung gewisser fundamentaler Normen nicht mehr der Disposition der einzelnen Staaten überlassen bliebe.
329 330
S.793.
Vgl. Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 53 ff. BrunmJe, Common Interest - Echoes from an Empty Shell?, ZaöRV 1989,
Klein, Satusverträge im Völkerrecht, S. 54 ( Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 56 ( spricht in diesem Zusammenhang von einem völkerrechtlichen ordre public. 331
332
264
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Statt dessen seien diese Normen als alle Staaten betreffend anerkannt und sanktioniert. 333 Es gehe dabei um die Übereinstimmung bezüglich bestimmter Werte, die nur durch Kooperation oder zumindest Koordination realisiert werden können. 334 Das Vorliegen eines solchen Konsenses müßte allerdings im konkreten Einzelfall nachgewiesen werden, kann daher auch nicht als abstrakte Definition von common interest oder Allgemeininteresse weiterhelfen.
dd) Public Interestlöffentliches Interesse Ein anderer Identifizierungsversuch eines Allgemeininteresses setzt bei der Gegenüberstellung von sogenannten "public interest norms" und "private interest" der individuellen Staaten an. Dieser Versuch basiert auf der im nationalen Recht üblichen Unterscheidung zwischen öffentlichem und Privatrecht. 335 Eine ausdrückliche Unterscheidung von privatem und öffentlichem Völkerrecht gibt es jedoch nicht. Wenn "public interest" als staatliches Interesse definiert wird, dient ihm das Völkerrecht bereits per se. 336 Allerdings wird im internationalen Recht sehr wohl unterschieden, ob es sich um Angelegenheiten handelt, die die partikulären Beziehungen von zwei Staaten untereinander betreffen, oder um solche, die die gesamte internationale Gemeinschaft betreffen. 337 Bei einer Definition von Allgemeininteresse im Sinne von "public interest norms" wird vor allem betont, daß es sich um "public", also "öffentliche", die gesamte Gemeinschaft betreffende Interessen handelt. 338 Dies hat zur Konsequenz, daß eine hierarchische Beziehung zwischen verschiedenen internationalen Verpflichtungen hergestellt wird. 339 Es wird eine Ordnungsbehauptung aufgestellt, mit der die beteiligten Parteien die von ihnen getroffene Regelung im allgemeinen Interesse gegenüber Dritten wirksam werden lassen
334
Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 233. Annacker, Die Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen vor dem IGH,
335
Riedei, International Environmental Law - A Law to Serve the Public Interest?,
333
S.31.
S. 92 f.
336 "The public interest may be defined as the interests of state, which is the public in public international law." Charney, International Lawmaking - Article 38 of the ICI Statute Reconsidered, S. 171 in FN 2. 337 Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, S. 223 ff. m. w. N.; Kiss, La notion de patrimoine commun de I'humanite, RdC 198211, S. 124 f. 338 Delbrück, The Impact of the Allocation of International Law Enforcement Authority on the International Legal Order, S. 148. 339 Oxman, The International Commons, S. 21, Charney, International LawmakingArt. 38 ofthe ICI Statute Reconsidered, S. 172.
B. Elemente der Ordnungssysteme
265
wollen. Darin enthalten ist die Behauptung, zur Regelung der betroffenen Frage zuständig zu sein. 340 Es geht also letztlich um eine Verwaltung oder Geschäftsfiihrung ohne Auftrag im Interesse der Staatengemeinschaft:,34\ Dies bedeutet aber auch, daß bei der Entwicklung dieser Interessen eine umfassende Beteiligung erforderlich ist. Daher sind nicht mehr nur Staaten als Akteure vertreten, sondern auch Individuen, Gruppen, NGOs oder internationale Organisationen. 342 Auch solche "public interest norms" können nicht abstrakt definiert werden, sondern müssen im konkreten Einzelfall festgestellt werden. Zur Identifizierung von solchen "public interest norms" könnte hilfreich sein, auf die Regeln der Feststellung eines Öffentlichen Interesses bzw. Gemeinwohls im nationalen Recht zurückzugreifen. Zwar ist das Völkerrecht in bezug auf Rechtserzeugung und Rechtsdurchsetzung nur schwer mit dem staatlichen Recht zu vergleichen. 343 Trotzdem muß zur Feststellung einer Rechtsüberzeugung immer wieder auch auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen werden. Ein solcher Rückgriff kann daher bei der Feststellung eines Allgemeininteresses wenigstens Indizwirkung haben. Öffentliche Interessen im staatlichen Recht liegen allerdings nie endgültig fest, sondern sind dem Wandel der Zeit unterworfen und selbst in ihrer Zeit oft kontrovers. Das öffentliche Interesse im deutschen Recht wird daher auch als unbestimmter Rechtsbegriff bezeichnet. 344 Es kann folglich nicht abstrakt, sondern immer nur im konkreten Einzelfall bestimmt werden. 345 Eine solche Überlegung kann daher auch im Völkerrecht angestellt werden: Ein Allgemeininteresse kann nie generell-abstrakt, sondern immer nur im konkreten Einzelfall festgestellt werden.
ee) Ergebnis
Insgesamt ist festzustellen, daß es zahlreiche Versuche gegeben hat, eine generelle und abstrakte Definitionsformel fiir ein Allgemeininteresse herauszuarbeiten. Keiner der Versuche ruhrt zu einer rundum befriedigenden, abstraktgenerellen Definition. Gemeinsame Interessen sind nicht durch wissenschaftliche Abstraktion zu gewinnen, sondern entstehen durch das Erkennen konkreter
340
Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 69 ff., S. 75.
34\ Vgl. die Zusammenfassung verschiedener Theorien bei Simma, The Antarctic
Treaty as a Treaty Providing for an "Objective Regime", elLJ 1986, S. 198. 342 Riedei, International Environmental Law - A Law to Serve the Public Interest?, S.93. 343 Frowein, Staatengemeinschaftsinteresse, S. 219. 344 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § I Rn \0; § 7 Rn 28. 345 Delbrück, The Role of the UN in Dealing with Global Problems, IJGLS 1997, S.293.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Probleme. 346 Trotzdem kann das Phänomen "Allgemeininteresse" im internationalen Recht nicht mehr geleugnet werden, zu oft beziehen sich Staaten in multilateralen Instrumenten ebenso wie die Völkerrechtsliteratur auf diese Interessen. Festzustellen ist auch, daß das Allgemeininteresse über die staatlichen Interessen als solche hinausgeht. Vielmehr sind auch Bedürfnisse, Hoffnungen und Ängste aller Menschen zu berücksichtigen. 347 Einzige Lösung des Dilemmas kann es daher nur sein - selbst wenn man die Unterscheidung von öffentlichem und (nicht-öffentlichem) internationalem Recht ablehnt - anstelle einer abstrakten wissenschaftlichen Definition einen jeweils konkreten Nachweis im Einzelfall zu liefern. 348 Es kann nicht generell festgelegt werden, nach welchen Regeln ein Allgemeininteresse entsteht oder definiert wird. Statt dessen ist immer dann, wenn das Bestehen eines solchen Interesses von irgendeiner Seite behauptet wird, dieses im konkreten Fall zu prüfen. Dann ist allerdings erforderlich, daß diese Prüfung nachvollziehbar, aber auch bereits vorhersehbar ist. Nur dann kann ein Allgemeininteresse gegenüber allen begründet werden. Dieser Nachweis eines solchen Interesses müßte aus Gründen der Rechtssicherheit also anhand von anerkannten Verfahrensregeln geschehen.
d) Element Zeit Nicht zu vergessen bei der Feststellung eines Allgemeininteresses ist das Element der Zeit. Während Ressourcen aktuell noch vorhanden sind, bzw. heute die Belastung der Umwelt noch nicht so groß ist, als daß der Mensch nicht mehr leben könnte, zielen alle genannten Systeme auf den Erhalt der Umwelt filr die Zukunft ab. Der Schutz der Umwelt rechtfertigt sich nur im Zusammenhang mit der Zukunft. Jegliches Allgemeininteresse ist daher in einer dynamischen Perspektive zu erblicken. 349
3. Verfahrensregeln bei der Festlegung von Allgemeininteressen
Festzustellen ist, daß bei allen geprüften Systemen drei Elemente konstitutiv rur das Allgemeininteresse sind: zuerst die Behauptung der Handelnden, im In-
346
347 348
S.293.
Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 235. Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 235 f. Delbrück, The Role of the UN in Dealing with Global Problems, IJGLS 1997,
349 Kiss, Nouvelles tendances en droit international de l'environnement, GYIL 1989, S. 262 f.
B. Elemente der Ordnungssysteme
267
teresse der und mit Wirkung gegen die Allgemeinheit vorgehen zu wollen. Um wirksam werden zu können muß die Regelung im Interesse der Allgemeinheit in irgendeiner Form akzeptiert werden. Drittes Element ist die Durchsetzung des Interesses.
a) Behauptung/Intention der Regelung für alle Als erstes stellt sich die Frage, wer beurteilen kann, daß die dringende Notwendigkeit einer gemeinsamen Regelung besteht. 35o Einen Weltgesetzgeber gibt es nicht. Die Formulierung von Gemeinschaftsinteressen kann daher nur durch die Gemeinschaft selbst geschehen. 351 Als Ausgangspunkt einer Identifizierung von Gemeinschaftsinteressen können grundsätzlich die individuellen Interessen der Völkerrechtssubjekte dienen. Dabei soll hier nicht im einzelnen darauf eingegangen werden, welche Personen, Gruppierungen und Organisationen neben den souveränen Staaten als Völkerrechtssubjekte zu bezeichnen sind. Treibende Kraft des Völkerrechtes sind in erster Linie die Einzelinteressen der Staaten. 352 Ein einzelner Staat oder auch eine Staatengruppe kann nicht allein die Macht haben, Gemeinschaftsinteressen zu definieren. Verfolgt aber eine große Mehrheit von Staaten ein und dasselbe Ziel für die Zukunft, so ist dies ein Indiz für das Bestehen eines Allgemeininteresses. Dies gilt insbesondere dann, wenn jedes Gemeinschaftsmitglied ein Interesse an der Erfüllung des in Rede stehenden Abkommens durch alle anderen Mitgliedstaaten hat. 353 Zur Erreichung eines gemeinsamen, Ubergeordneten Zieles ist es in diesen letztgenannten Fällen notwendig, daß sich alle an die vereinbarten Regeln halten. Sonst kann kein einziger Staat sein Ziel erreichen. 354 Der einzelne Staat ist dann machtlos oder zumindest in seinen eigenen Möglichkeiten begrenzt. 355 Dazu zählen neben der Friedenssicherung und dem Schutz der Menschenrechte auch Ziele im Bereich des Umweltschutzes. Eindeutig gehört zum Beispiel die Konvention zum Schutz der Ozonschicht zu diesen Zielen. Jeder einzelne Staat hat ein ausgeprägtes Interesse daran, daß sich alle anderen auch an die verein-
350 Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 331: "who will be the ultimate judge of such necessity and urgency?". 351 Wolfrum, Purposes and Principles of International Environmental Law, GYIL 1990, S. 328. 352 Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 53, mit zahlreichen Nachweisen in FN 4. 353 Annacker, Die Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen vor dem IGH, S.32. 354 Vgl. Simma, Das Reziprozitätselement im Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge, S. 196 f. 355 Vgl. Hobe, Global Challenges to Statehood, IJGLS 1997, S. 192.
268
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
barten Regeln halten, denn sonst werden die eigenen Maßnahmen nutzlos. Von dieser Überlegung ausgehend kommen mehrere Quellen zur Identifikation eines Gemeinschaftsinteresse in Frage.
aa) Multilaterale Verträge Völkerrechtliche Verträge sind oft ein Ordnungsentwurf, den die beteiligten Staaten bewußt an dem orientieren, was nach ihrer Meinung allgemeine Geltung haben sollte. 356 Interessen werden zu Sollens-Sätzen und enthalten die Chance der Verwirklichung, indem sie vertraglich verbindlich festgelegt werden. 357 Je mehr Staaten sich dem Vertrag anschießen, desto deutlicher wird, daß die Norm insoweit ein Interesse der Staatengemeinschaft schützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligung an dem Vertrag repräsentativ für die internationale Gemeinschaft ist. 358 Multilaterale Verträge sind damit eines der besten Mittel, gemeinsame Interessen zu formulieren. 359 Bezeichnend ist dabei der Wandel, dem Verträge im internationalen Gefüge unterworfen waren. Zunächst waren völkerrechtliche Übereinkünfte fast ausschließlich bilaterale Abkommen nach dem Austauschprinzip des do ut des. Jeder konkreten Pflicht stand ein konkretes Recht gegenüber. Heute werden immer mehr multilaterale Übereinkommen mit weltweiter Beteiligung geschlossen. Immer dann, wenn ein gemeinsames Gut Vertragsobjekt ist, sind die Staaten durch den Vertrag nicht sofort begünstigt. Einer oft sehr konkreten, sofort einforderbaren Verpflichtung steht eine eher unsichere Begünstigung in möglicherweise ferner Zukunft gegenüber. Die Vertragspartner vereinbaren dabei in der Regel ein Ziel, das sie allein nicht erfüllen, das sie aber durch ihr eigenes Verhalten fördern können. 360 Bei solchen Verträgen muß daher eine übergeordnete Motivation der Staaten entscheidend sein. Dies kann nur die Anerkennung eines gemeinsamen Interesses sein. 361 Ein in Vertragsform zutage getretener Rechtsbindungswille unterstreicht ferner die Dringlichkeit des verfolgten Anliegens und hebt dieses von unbestimmten politischen Wünschen ab. 362
Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, S. 222. Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 53. 358 Simma, The Antarctic Treaty as a Treaty Providing for an "Objective Regime", CILJ 1986, S. 202. 359 Vgl. Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC \994 VI, S. 323. 360 Vgl. Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, S. 220. 36\ Kiss, La notion de patrimoine commun de \'humanite, RdC 198211, S. 231. 362 Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 22. 356
357
B. Elemente der Ordnungssysteme
269
bb) Resolutionen der Generalversammlung
Die Diskussion um die rechtliche Bedeutung von Resolutionen der Generalversammlung ist hier nicht zu wiederholen. Es geht allein um die Feststellung der Tatsache, daß internationale Foren wie die UN-Generalversammlung eine nicht unwichtige Rolle bei der Feststellung eines internationalen Interesses in speziellen Situationen spielen. Solche Foren bieten eine Bühne für internationale Diskussionen, in denen das gemeinsame internationale Interesse an Themen wie Umweltschutz oder Menschenrechte herausgearbeitet werden können. 363 Resolutionen der Generalversammlung, in der fast sämtliche Staaten der Erde vertreten sind, können daher ein sehr guter Hinweis auf ein gemeinsames Interesse sein. 364 Überall dort, wo sich in der Generalversammlung rechtliche Auseinandersetzungen ergeben, spielen im Konsens angenommene Resolutionen und Deklarationen eine wichtige Rolle. 365 Soweit die Übereinstimmung reicht, sind diese Äußerungen Ausdruck eines gemeinsamen Interesses der Staatengemeinschaft. 366 Es ist auch davon auszugehen, daß Resolutionen solch großer Foren eine gewisse Erwartungshaltung in zukünftiges Verhalten begründen. 367
ce) Andere Akteure
Allerdings reicht es nicht aus, allein den Willen der Staaten zu betrachten. Denn auch Einzelpersonen oder internationale Organisationen können zur Entstehung und Interpretation gemeinsamer Interessen beitragen. 368 Heute treten auf dem internationalen Plan vermehrt andere Subjekte als nur die Staaten auf. NGOs, wie Greenpeace oder WWF im Umweltbereich oder amnesty international im Bereich der Menschenrechte haben einen nicht zu verachtenden Einfluß auf die öffentliche Meinung und damit das Handeln von Politikern und Diplomaten. 369
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S.294.
Delbrück, The Role of the UN in Dealing with Global Problems, IJGLS 1997,
364 Sie werden teils bereits als "opinio juris nascendi" bezeichnet, Kiss, La notion de patrimoine commun de l'humanite, RdC 1982 11, S. 235. 365 Die Betonung liegt auf dem Konsens, denn Mehrheitsentscheidungen haben nicht diese Universalität, vgl. Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 21. 366 Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, S. 223. 367 Chinkin, Third Parties in International Law, S. 144. 368 Pardo/Christol, The Common Interest, S. 644; unter Bezugnahme auf den Brent Spar-Vorfall Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 235 ( 369 Vgl. Habe, Global Challenges to Statehood, IJGLS 1997, S. 192.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Daher ist es ebenso möglich, auch NGOs zur al1gemeinen Bewußtseinsbildung heranzuziehen: nur durch den Einsatz von Greenpeace beispielsweise ist 1995 in Sachen Brent Spar das öffentliche Bewußtsein derart aufgerüttelt worden, daß von den ursprünglichen Plänen der britischen Regierung, die ausgediente Ölplattfonn im Atlantik zu versenken, abgesehen wurde. 370 Gleiches gilt rur die Versuche von NGOs, die französischen Atomversuche im Südpazifik 1995 zu stoppen. Denkbar ist es ebenfalls, auch Veröffentlichungen unabhängiger Wissenschaftler oder Journalisten heranzuziehen, um ein allgemeines Interesse zu belegen.
dd) Ergebnis
Es gibt folglich mehrere Indizien, die bei der konkreten Identifikation eines Al1gemeininteresses zu berücksichtigen sind. Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine Gruppe von Akteuren im internationalen Geruge zu irgendeinem Zeitpunkt zunächst behauptet, im al1gemeinen Interesse tätig zu werden und sich an bestimmte selbstauferlegte Regeln hält. Hinzu kommt die Aufforderung gegenüber Dritten, sich ebenfal1s an diese Regeln zu halten.
b) Doppelte "Akzeptanz" des besonderen Interesses Allein der subjektive Wille ist im Hinblick auf die Al1gemeinverbindlichkeit der Regelung eines Al1gemeininteresses nicht ausreichend, um eine Drittwirkung gegenüber nicht beteiligten Staaten zu begründen.37\ Es müssen weitere Umstände hinzukommen.
aa) "Akzeptanz" gleich Nicht-Ablehnung
Zur Entstehung von völkerrechtlichen Nonnen kann generel1 auf den Katalog des Art. 38 IGH Statut372 zurückgegriffen werden. In dessen Abs. I lit a, bund c sind als anzuwendendes Recht genannt: die ausdrücklich anerkannten Regeln internationaler Übereinkünfte, die als Recht anerkannte Übung sowie die aner370 Vgl. Riedei, International Environmental Law - A Law to Serve the Public Interest?, S. 93. 371 Vgl. Doehring, Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV 1976, S.80; Mosler, The International Society as a Legal Community, RdC 1974 IV, S. 236. 372 BGBI. 1973 11, S. 505.
B. Elemente der Ordnungssysteme
271
kannten allgemeinen Rechtsgrundsätze. 373 Allen ist das Element des "Anerkanntseins" gemeinsam. In Fortsetzung dieses Art. 38 liegt daher der Schluß nahe, auch ein Allgemeininteresse an einer globalen Regelung eines bestimmten Problems müsse positiv von der internationalen Gemeinschaft als Ganzes anerkannt werden. Damit würde jedoch diese Regelung bereits auf die Ebene von Gewohnheitsrecht gestellt. Um solches handelt es sich aber gerade nicht, denn es beruht eben nicht auf einer von Rechtsüberzeugung getragenen Übung. Vielmehr sollen gerade konträre Handlungen einzelner (möglicherweise auch präventiv) durch die neue Regelung unterbunden werden, bevor überhaupt von einer "Übung" zu sprechen ist. Die Besonderheit der genannten Ordnungssysteme ist gerade, daß sie und das ihnen zugrundeliegende Allgemeininteresse nicht auf einer positiven Anerkennung durch alle oder fast alle Staaten der internationalen Gemeinschaft beruhen. Sie beanspruchen einfach eine allgemeine Geltung, die dann von niemandem explizit abgelehnt wird. 374 Eine Anerkennung im Sinne der Bildung von Gewohnheitsrecht könnte erst später entstehen, und zwar dann, wenn die Regel tatsächlich befolgt wird. Um eine Differenzierung deutlich zu machen, soll hier die Rede von "Akzeptanz" im Gegensatz zu "Anerkennung" sein. Eine Regel wird in diesen Fällen nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert. Eine "Akzeptanz" im Sinne der hier vertretenen These ist die Abwesenheit von ausdrücklichem Protest bei bzw. unmittelbar nach Entstehen des Ordnungssystems.
Dieser Theorie von der "Akzeptanz" des Systems kann folgendes entgegengehalten werden: im Falle des Abschlusses eines Vertrages durch Staaten, die behaupten, im Allgemeininteresse tätig zu werden, ist die Reaktion der nicht beteiligten Staaten erfahrungsgemäß eine abwartende, beobachtende Haltung. Die Notwendigkeit des eigenen Einschreitens bei Entstehen eines Ordnungssystems besteht oft mangels aktuellen Interesses nicht. 375 Solchen Staaten würde das Recht genommen, sich noch effektiv an der Ausgestaltung eines Ordnungssystems zu beteiligen, sobald ihr eigenes Interesse dringender wird. Andererseits steht den Staaten während der Entstehung der Regelung im Allgemeininteresse die Beteiligung jederzeit frei. Sie sind nicht zur Passivität gezwungen. Ein später auftretendes gegenläufiges Eigeninteresse einbringen zu wollen, also die Passivität plötzlich aufzugeben, stünde möglicherweise dem Prinzip des Estoppel entgegen. Nach diesem Prinzip ist ein Staat durch sein bis-
Hervorhebung durch Verfasserin. Im Antarktisvertrag allerdings nur bezüglich einiger Elemente des Ordnungssysterns, s. o. 375 Simma, The Antarctic Treaty as a Treaty Providing for an "Objective Regime", eILJ 1986, S. 204. 373
374
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
heriges Verhalten gebunden, wenn er nach Treu und Glauben die Erwartung geweckt hat, sich weiterhin genauso zu verhalten. 376 Dem Einzelinteresse der Staaten, sich möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt nicht an eine internationale Regel gebunden sehen zu wollen, steht aber vor allem die praktische Notwendigkeit einer verbindlichen Regelung entgegen. Es ist nicht einzusehen, weshalb sich Außenseiter durch schiere Passivität notwendigen Ordnungen zu ihrem eigenen Vorteil entziehen können sollen. 377 Die Konstruktion einer "Akzeptanz" kann daher mit ihrer praktischen Notwendigkeit begründet werden. Dem positiven Element der Behauptung eines Allgemeininteresses auf der einen Seite steht damit also das negative Element der Abwesenheit ausdrücklicher Ablehnung auf der anderen Seite gegenüber. 378 Die bloße Herausbildung eines Allgemeininteresses durch wiederholte Behauptung verschiedenster Akteure auf dem internationalen Plan begrUndet seine Existenz, die NichtAblehnung (Akzeptanz im hier verwendeten Sinne) rechtfertigt sie. Diese NichtAblehnung ist folglich als ein qualifiziertes Stillschweigen zu definieren (acquiescence).379
Daß es grundsätzlich möglich ist, aufgrund langen Schweigens gebunden zu werden, hat der IGH bereits 1951 im Fisheries Case festgestellt. 380 Am 18. Dezember 1951 schloß der IGH aus dem langen Schweigen aller Staaten zu einer von Norwegen einseitig vorgenommenen Regelung der Innengrenze seines Küstenmeeres, daß diese Regelung dem Völkerrecht nicht widerspricht. Ausdrücklich hatte kein Staat dieser eigenmächtigen Regelung zugestimmt. Weil aber auch niemand widersprach, war das Gericht aufgrund konstanter und ausreichend langer Praxis von der Rechtmäßigkeit dieser Begrenzung gegenüber anderen Staaten ausgegangen. Dieser Grundsatz des Gebundenseins aufgrund lan-
376 Simma, The Antarctic Treaty as a Treaty Providing for an "Objective Regime", CILJ 1986, S. 205; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 615. 377 Vgl. Tomuschat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 20. 378 Dies entspricht dem Vorschlag Waldocks von 1964 in seinem Art. 63 Abs.2 b, vgl. YBILC 1964 11, S. 185. 379 Vgl. die Definition bei Müller/Cottier in Bernhardt, EPIL 7, S. 5 f.: binding effect resulting from passivity and inaction. Es kann erwartet werden, daß ein Staat, der nicht gebunden sein will, ausdrücklich protestiert. 380 Aus dem langen Schweigen der Staaten zu der von Norwegen einseitig vorgenommenen Regelung der Innengrenze seines Küstenmeeres zog der lOH den Schluß, daß diese Regelung dem Völkerrecht nicht widerspricht. Damit waren die anderen Staaten an sie gebunden, ICJ Reports 1951, S. 139.
B. Elemente der Ordnungssysteme
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gen Schweigens müßte auf die Akzeptanz von Ordnungssystemen ausgedehnt werden können. Wenn diesen über einen gewissen Zeitraum hinweg nicht widersprochen wird, so müßten auch sie gegenüber denjenigen gelten, die geschwiegen haben. Anknüpfungspunkt fUr die praktische Notwendigkeit einer allgemeinverbindlichen Regelung ist eine besondere Interessenlage. Eine solche ist anzunehmen, wenn die Nichtausdehnung der im Allgemeininteresse getroffenen Regelung den gemeinsamen Interessen der Mitglieder der internationalen Gemeinschaft unerträglich widersprechen bzw. eine unerträgliche Lücke lassen würde. Das Rechtsinteresse der Mitglieder der Staatengemeinschaft an der Befolgung einer zunächst möglicherweise vertraglich entstandenen Lösung muß so intensiv sein, daß die Nichtbefolgung auch durch Nichtvertragsstaaten als deliktisches Verhalten empfunden wird. 38l Damit sind diese Ordnungssysteme im Allgemein interesse in ihrer Drittwirkung auf einer ähnlichen Schiene angelangt wie internationale Verträge zugunsten Dritter. Sie verlangen von den Staaten nicht mehr eine ausdrückliche Zustimmung, sondern eine ausdrückliche Ablehnung. Ansonsten wird eine Duldung bzw. stillschweigende Akzeptanz des Bestehens eines Allgemeininteresses unterstellt.
bb) Durch die große Mehrheit
Entscheidend ist ferner, daß es ausreichen muß, wenn fast alle Völkerrechtssubjekte die getroffene Regelung stillschweigend akzeptieren. Selbst die ausdrückliche Ablehnung eines einzelnen Staates kann die Herausbildung eines Allgemeininteresses nicht verhindern. Hier ist eine Parallele zu den ius cogens Normen zu ziehen. Die aufgelisteten Ordnungssysteme beanspruchen eine Allgemeingültigkeit aufgrund der Tatsache, daß eine große Mehrheit - aber eben nicht alle - der Staaten an ihrer Entstehung beteiligt waren. Konträres Verhalten eines einzelnen ist bereits in der Lage, daß Vertragsziel zu vereiteln und fiir alle ins Unerreichbare zu rücken. Es muß daher ausreichen, daß eben nur fast alle dasselbe Ziel anstreben. Dabei ist genauso wie bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht entscheidend, daß eine repräsentative und überwiegende Mehrheit der Staatengemeinschaft an der Entstehung des Ordnungssystems beteiligt ist. 382
Vgl. Doehring, Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV 1976, S. 93. Vgl. den Verweis auf eine Veröffentlichung von W. M. Bush bei Simma, The Antarctic Treaty as a Treaty Providing for an "Objective Regime", elLJ 1986, S. 202. 38l
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18 Ziemer
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
ce) Doppelte "Akzeptanz" Das charakteristische Element des Bestehens eines abstrakten Allgemeininteresses allein ist für Ordnungsverträge wie auch für Statusverträge aber nicht ausreichend. Bei der Schaffung eines Ordnungssystems geht es nämlich bereits um die konkrete Regelung bestimmter Situationen. Die konkrete Regelung muß daher ebenfalls dem Allgemeininteresse entsprechen. Klein nennt dafür das Paradebeispiel: das bloße Bestehen eines abstrakten Allgemeininteresses an der Nutzung einer Ressource genügt nicht, wenn die konkrete Regelung der Ausbeute einer Ressource einem geschlossenen Kreis von Staaten vorbehalten ist. 383 Dann werden in Wahrheit nur partikuläre Interessen verfolgt. Daher ist eine doppelte Akzeptanz nötig. Zum einen darf das behauptete Allgemeininteresse nicht explizit abgelehnt werden, zum anderen muß auch die getroffene Regelung von allen protestlos "geschluckt" werden. Problematisch mag erscheinen, daß diejenigen, die ihr Interesse nicht berührt sehen und daher an der Formulierung eines Allgemeininteresses nicht aktiv beteiligt waren, sich auch an der konkreten Lösung nicht beteiligen werden. Darin liegt im Ergebnis eine Bevorzugung der aktiven Staaten, die ein auf sie selbst zugeschnittenes System erarbeiten können. Dies kann aber mit demselben Argument wie oben entkräftet werden: Es ist nicht einzusehen, daß einige wenige Staaten durch schiere Passivität die Festlegung notwendiger Normen blockieren. Sollten sie mit der konkreten Regelung nicht einverstanden sein, können sie aktiv dagegen vorgehen. Technische Voraussetzung dafür ist wiederum, daß allen Staaten gleichermaßen die Möglichkeit zur Teilnahme an der Entwicklung des Ordnungssystems gegeben wird. 384 Außerdem muß ihnen auch die Möglichkeit der Teilnahme an der Durchführung der konkreten Regeln des Ordnungssystems gegeben werden. Dies kann geschehen, indem etwa der Beitritt zu den entsprechenden internationalen bzw. regionalen Organisationen für alle Interessierten zu jeder Zeit offen ist. Im Zusammenhang mit der Begründung einer Regelungsbefugnis über die Konstruktion einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist die Teilnahmemöglichkeit aller Staaten unverzichtbar. Nur so kann gewährleistet werden, daß auch wirklich die Interessen aller Berücksichtigung finden. 385
Vgl. Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 62. Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 325: "principle ofuniversal admission". 385 Ähnlich der Fairness-Gedanke bei Franck, Fairness in International Law and Institutions, S. 26 ff. und 412. 383
384
B. Elemente der Ordnungssysteme
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c) DurchsetzunglErga-omnes-Wirkung Die genannten Ordnungssysteme enthalten Durchsetzungsmechanismen, mit denen alle Staaten zur Einhaltung der neuen Regeln gezwungen werden sollen. Traditionell wurde die Durchsetzung von internationalem Recht als zweiseitige Angelegenheit angesehen. Daher können grundsätzlich nur die jeweils in ihren Rechten verletzten Völkerrechtssubjekte gegenüber dem Verletzenden tätig werden. 386 Anders in den Fällen, in denen Gemeinschaftsinteressen betroffen sind. 387 Im internationalen Recht gibt es keine Autorität, die über die Kompetenz verfllgt, Regeln durchzusetzen, die gegenüber allen wirksam sind. 388 Auch dieses strukturelle Defizit des Völkerrechts beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten. Seit dem Barcelona Traction Urteil ist es allerdings nicht mehr ausgeschlossen, Gemeinschaftsinteressen auch dann durchzusetzen, wenn keine konkrete Betroffenheit eines einzelnen Staates vorliegt. 389 Nach Ansicht des IGH sei jeder einzelne Staat selbst als verletzt anzusehen, wenn ein Gemeinschaftsinteresse verletzt sei. 390 In den oben dargestellten Systemen wurde die Möglichkeit der Durchsetzung von Normen auf weitere Interessen der Menschheit ausgedehnt. Deutlichstes Beispiel ist die Durchsetzung von marinen Umweltschutzvorschriften im Interesse der Staatengemeinschaft durch den Hafenstaat im Sinne von Artikel 218 und 219 SRK.391 Gemäß Art. 218 Abs. 1 SRK hat der Hafenstaat das Recht, auf Schiffen unter fremder Flagge, die freiwillig seinen Hafen angelaufen haben, Untersuchungen vorzunehmen und bei hinreichendem Tatverdacht Verstöße gegen internationale Vorschriften über das Einleiten von Schadstoffen selbst zu verfolgen und zu bestrafen. Art. 218 bezieht sich auch auf Verstöße auf Hoher See. Gemäß Art. 219 kann er bei mangelnder Seetüchtigkeit der Schiffe Maßnahmen ergreifen, um Meeresverschmutzungen zu verhindern. Rechtsfolge eines bestehenden Allgemeininteresses soll nach den dargestellten Ordnungssystemen sein, daß die fllr alle getroffene und nicht abgelehnte Regelung gegenüber allen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft gilt. Die Nichtvertragsparteien sind dann nicht durch den Vertrag direkt gebunden,
386 Charney, International Lawmaking - Article 38 ofthe ICl Statute Reconsidered, S.185. 387 Case concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, (Belgium v. Spain), Second Phase, ICl Reports 1970, S. 33, para. 32. 388 Wolfrum, Purposes and Principles of International Environmental Law, GYIL 1990, S. 324. 389 S. o. die Erörterungen zum ius cogens, vgl. auch Wolfrum, Purposes and Principles ofinternational Environmental Law, GYIL 1990, S. 325. 390 ILC Yearbook 1985 11, S. 6. 391 Ausfllhrlich dazu König, Durchsetzung, S. 194 tT.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
sondern durch das Allgemeininteresse, das einige Staaten rur alle definiert haben. 392 Die Mitgliedstaaten sind ausdrücklich aufgefordert, einzeln oder kollektiv mit völkerrechtskonformen Mitteln Völkerrechtssubjekte, die Nichtvertragsparteien sind, zu vertragsgemäßem Verhalten zu bewegen. Damit muß es diesen Systemen folgend auch möglich sein, selbst solchen einzelnen Staaten gegenüber tätig zu werden, die dem System ausdrücklich widersprochen haben. Ein gemeinsames Handeln einer großen Mehrheit von Staaten kann dann in der Praxis eine verschwindend kleine Minderheit zum Mitmachen zwingen, wenn ihr Verhalten die Vereitelung des Vertragszieles bewirken könnte. So haben die Industriestaaten zum Schutz der Ozonschicht bereits zu Restriktionen im internationalen Handel mit Staaten gegriffen, die sich nicht an die Schutzübereinkommen halten. 393 Die Vertragsparteien sind nicht nur verpflichtet, schädliche Stoffe nicht mehr zu produzieren, sondern die Ausfuhr solcher Produkte in Nichtvertragsparteien ebenso wie den Import aus Nichtvertragsstaaten von Produkten, die schädliche Stoffe enthalten oder unter Einsatz solcher Stoffe hergestellt wurden, zu verbieten.
4. Argumente gegen die Existenz von Normen des A/lgemeininteresses
Es gibt aber auch Stimmen gegen die Existenz von Normen des Allgemeininteresses. Der Begriff der internationalen Gemeinschaft sei sehr ungenau und alles andere als eine anerkannte Ordnung. Hauptakteure im internationalen System seien nun einmal souveräne Staaten. Das Konzept der souveränen Gleichheit der Staaten würde aufgehoben, wenn es einigen Staaten gestattet würde, Regeln zu formulieren, die gegenüber Unbeteiligten wirksam werden sollen. Es entwickelten sich Staaten, die gleicher wären als andere und damit Legislativbefugnisse an sich ziehen könnten, die gegenüber allen wirken. 394 Diese Argumente lassen aber außer acht, daß sich die Situation, in der sich jeder einzelne souveräne Staat heute befindet hat, gewandelt hat im Vergleich zu der Zeit der Entstehung des Völkerrechts. Die tatsächlichen Möglichkeiten in bezug auf Technologie, Transport, Ressourcennutzung, Kommunikation usw. haben sich enorm geändert. Ein Staat kann heute kaum noch Tätigkeiten ausüben, ohne in irgendeiner Form in Berührung mit den Interessen eines anderen Staates zu kommen. Neue Handlungs- und Nutzungsformen machen aber auch neue Regeln erforderlich. Das alte System der gleichen souveränen Staaten reicht nicht
392 Ähnlich Simma, The Antarctic Treaty as a Treaty Providing for an "Objective Regime", eILJ 1986, S. 198. 393 Wolfrum, Purposes and Principles of International Environmental Law, GYIL 1990, S. 329. 394 Vgl. Weil, Towards Relative Nonnativity, AJIL 1983, S. 441.
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mehr aus, um nach einer Globalisierung dieser gesamten Problemkette alle Situationen zufriedenstellend zu lösen. Im übrigen ist es ja gerade auch Ausdruck der Souveränität, Ressourcen zu eigenen Zwecken nutzen zu können. Sind die Ressourcen erschöpft, ist die souveräne Herrschaft über sie beendet. Das Prinzip der Gleichheit der Staaten beinhaltet dagegen die Chance, sich an der Bildung eines Allgemeininteresses ebenso zu beteiligen wie jeder andere Staat. Diese Argumentation mag einen Grund in der Nationalität der Verfasser haben: als Deutscher ist man möglicherweise eher bereit anzuerkennen, daß der souveräne Staat nicht das Maß aller Dinge sein kann. 395 Jedenfalls vermag das Beharren auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit in seiner herkömmlichen Form heute nicht mehr so zu überzeugen, als daß einzig mit diesem Argument die absolute Notwendigkeit allgemeinverbindlicher Lösungen aufgehoben werden könnte.
5. Zusammenfassung
Es gibt eine internationale Gemeinschaft mit gemeinsamen Interessen. Ein Allgemeininteresse kann sich zu einer internationalrechtlichen Regelung herauskristallisieren. 396 Diese vermag aufgrund des hinter ihr bestehenden Allgemeininteresses besondere Folgen auszulösen, nämlich die Bindung aller. Dieser Vorgang ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Die Identifizierung eines Allgemeininteresses geschieht nämlich nicht anhand abstraktgenereller Prüfungsschemata, sondern jeweils im konkreten Einzelfall. Zur Identifizierung einer Regelung im Allgemeininteresse gehören drei Elemente, wobei das dritte Element bereits die Rechtsfolge darstellt: 1. Das Bestehen eines Allgemeininteresses muß behauptet werden. Anhaltspunkte rur die Behauptung können zum Beispiel multilaterale Verträge, gleich gelagerte bilaterale Verträge, Resolutionen der UN-Generalversammlung oder Handlungen anderer internationaler Akteure (IGOs, NGOs) geben. 2. Das Allgemeininteresse muß "doppelt akzeptiert" sein: Die Existenz des gemeinsamen Interesses muß von der großen Mehrheit akzeptiert bzw. nicht ausdrücklich abgelehnt worden sein. Die Akzeptanz muß sich sowohl auf das Bestehen des Allgemeininteresses als auch auf die konkret getroffene Regelung beziehen.
395
396
S.807.
Tomusehat, Völkerrechtlicher Vertrag und Drittstaaten, S. 21. Brunmfe, "Common Interest" - Echoes from an Empty SheIl, ZaöRV 1989,
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
3. Die Regelung sieht eine Gültigkeit und damit auch die Durchsetzung erga omnes vor.
111. Weitere Elemente J. Universelle Konferenzen
Die Definition eines Allgemeininteresse oder gar die Qualifizierung eines bestimmten Gutes als Menschheitserbe hat tUr alle souveränen Staaten beachtliche Folgen. Denn damit sind bestimmte Tätigkeiten oder staats freie GUter nationaler Alleinregelung entzogen. Ein Allgemeininteresse kann daher nicht von irgendjemandem einfach behauptet werden. Vielmehr ist es notwendig, daß alle Staaten oder wenigstens die große Mehrheit der Staaten am Prozeß der Entwicklung eines solchen Prinzips beteiligt werden. Die Entwicklung von Ordnungssystemen erfordert ein globales Tätigwerden. Dieser Komplex ist bereits während der Verhandlungen zur Wiener Vertragsrechtskonvention unter dem Stichwort der "general multilateral treaties" behandelt worden,397 hat aber in das Vertragswerk selbst damals keinen Eingang gefunden. Trotzdem wird heute vielfach der Weg des gemeinsamen Tätigwerdens eingeschlagen. Dazu wählt die internationale Gemeinschaft ein besonderes Verfahren: es werden universelle Konferenzen zu solchen Problemen einberufen, die von einer großen Anzahl von Staaten als besonders dringend oder wichtig empfunden werden. Diese Konferenzen finden oft auf UN-Ebene statt. 398 Was immer Ergebnis solcher Konferenzen ist, ob gemeinsame Erklärungen oder ein Vertragswerk, bezüglich des Bestehens eines gemeinsamen Interesses besteht eine große Einigkeit. Uneinigkeit liegt dann nur noch bezüglich des" Wie" der Lösung vor. Das gemeinsame Interesse ist anhand der bloßen Zahl der Konferenzteilnehmer zu belegen. Um etwaiges Gewohnheitsrecht bezüglich einzelner Punkte nachzuweisen, wird die nötige Staatenpraxis oft anhand multilateraler Entscheidungen und Erklärungen in solchen Foren belegt. Wenn aber bereits Gewohnheitsrecht anhand solcher Konferenzen nachgewiesen werden kann, dann muß das erst recht filr ein bloßes "gemeinsames" oder ,,Allgemeininteresse" gelten. Eine weitere Besonderheit der multilateralen Konferenzen ist die Entscheidung im Wege des Konsenses, also ohne expliziten Widerspruch. Deutlich wird dies vor allem in Fällen, in denen nicht Staaten oder Staatengruppen zur Ausar-
Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 325 m. w. N. Vgl. Charney, International Lawmaking - Article 38 ofthe ICJ Statute Reconsidered, S. 180 f. 397
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beitung von Verhandlungstexten befugt werden, sondern einzelne Personen, etwa ein Konferenzvorsitzender. 399 Die Annahme eines Textes im Wege des Konsenses ruhrt zur stillschweigenden Zustimmung solcher Staaten, die einzelne Regeln nicht unbedingt explizit unterstützen. 4OO Widerspruch muß dagegen deutlich gemacht werden. Vor allem muß im Einzelfall festgestellt werden, gegen welche einzelne Norm sich der Widerspruch genau richtet. Durch diese Notwendigkeit der Einzelfallfeststellung wird die Möglichkeit des Widerspruches erschwert. Wenn es nicht um vitale Belange geht, ist es vermutlich einfacher oder bequemer zu schweigen, so daß die jeweiligen Regeln als akzeptiert gelten müssen. Diese Taktik bei der Definition eines Allgemeininteresses wird dann wie demonstriert auf die Zeit nach der Konferenz übertragen: wer nicht ausdrücklich widerspricht, der "akzeptiert".401 Was die genannten Beispiele der Ordnungssysteme angeht, so wurden die zugrundeliegenden Vertragswerke im Wege großer internationaler Konferenzen angenommen. Eine Ausnahme bildet das Antarktisregime, dessen Ursprung auf einen Vertrag zwischen denjenigen wenigen Staaten zurückgeht, die GebietsansprUche gestellt hatten. Dies mag einer der GrUnde sein, weswegen nicht das ganze Regime anerkannt ist, sondern nur einige seiner Prinzipien. Es verwundert nicht weiter, daß die ursprUnglichen Vertragsparteien ein wenig abflillig als "Club" bezeichnet werden. Dies ist Ausdruck der Nicht-Akzeptanz der Regelung als ganzer. Auch die Seerechtskonvention ist im Wege einer großen Konferenz erarbeitet worden. Hier hat die internationale Gemeinschaft später anerkannt, daß die Vertragsregeln allgemeine Bindung entfalten. 402 Prinzipien, die auf den großen Umweltkonferenzen von Stockholm 1972 und Rio 1992 festgelegt wurden, sind heute zu einem beachtlichen Teil immerhin gewohnheitsrechtlich anerkannt. 403 Ein gemeinsames Interesse ist viel einfacher zu belegen, wenn an der Meinungsbildung nicht nur einige wenige, sondern die überwiegende Mehrheit der Staaten beteiligt wird. Diesen Weg sind die UN auch in bezug auf das FSA gegangen: die Einigung wurde im Wege einer universellen Konferenz erzielt, an der Staaten aller Kontinente, aller sozio-ökonomischen Systeme und aller Entwicklungsstadien teilnahmen. Auch nach Inkrafttreten wird der Vertrag weiterhin zum Beitritt offen stehen.
399 400
401 402 403
Simma, From Bilateralism to Community Interest, RdC 1994 VI, S. 326. Charney, Universal International Law, AJlL 1993, S. 544. Vgl. die Ausftlhrungen oben zum Allgemeininteresse. Charney/Danilenko, Consent and the Creation oflntemational Law, S. 43. S.o., Teil 1.
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3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Im Hinblick auf diese Vorgehensweise ließe sich eine Regel etablieren, nach der zur Feststellung eines Allgemeininteresses grundsätzlich eine weltweite, öffentliche Konferenz zuständig sein müßte. Denn dann könnte kein Staat die Geltung eines daraus resultierenden Ordnungssystems mit der Begründung bestreiten, er habe von seiner Entwicklung keine Kenntnis gehabt.
2. Einschaltung einer internationalen Institution
Zur Verwirklichung zwischenstaatlicher Kooperation sind die Staaten der internationalen Gemeinschaft im Rahmen solcher Ordnungsverträge ferner dazu übergegangen, die Kooperation der beteiligten Staaten durch die Bildung internationaler Organisationen oder Verwaltungseinheiten zu institutionalisieren. 404 Sie wird damit auf eine Verwaltungsebene verlagert. Die Aufgaben dieser Institutionen bleiben jedoch meist eher technischer Natur. So geht es oft nur darum, Informationen zu sammeln und auszutauschen, Beratungen durchzuführen und Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu koordinieren. 405 Dabei gilt allerdings wieder: Je spezialisierter die Organisation bzw. das Ordnungssystem auf ganz bestimmte Bereiche ist, um so kleiner ist der durch das System betroffene Teil der Souveränität der einzelnen Staaten. Um so eher mag ein Staat auch gewillt sein, diesen kleinen Teil seiner Souveränität in die Hände einer Organisation zu geben. In diesem Falle ist es sogar möglich, daß die Organisation die Kompetenz erhält, verbindliche Regeln fiir alle Mitglieder auch ohne deren ausdrückliche Zustimmung auf der Basis von Mehrheitsentscheidungen zu treffen. 406 Ein Beispiel dafür findet sich in Ordnungssystem für die Ozonschicht. Nach dem Montrealer Protokoll kann eine Tagung der Vertragsparteien mit der bloßen Mehrheit der Konferenzmitglieder unmittelbar verbindliche, substantielle Änderungen des Protokolls vornehmen. 407 Damit haben die Staaten bezüglich des Schutzes der Ozonschicht zugunsten der Konferenz auf Bereiche ihrer Souveränität verzichtet. Dieser Souveränitätsverzicht war aber durchaus überschaubar, denn bei den gefährlichen Stoffen handelt es sich wie gezeigt nur um einige wenige Chemikalien. Im FSA läßt sich auch in dieser Hinsicht eine Parallele ziehen. Dessen Bestimmungen werden wie dargestellt von RFOs umgesetzt. Insoweit sind die Einzelheiten auf die Ebene einer regionalen Verwaltung verlagert. Die RFOs er404 405
623.
Wolfrum, Internationalisierung, S. 681. Beyerlin, State Community Interests and Institution-Building, ZaöRV 1996, S.
Charney/Danilenko, Consent and the Creation of International Law, S. 43. Z. B. Art. 11 Abs. 3 b) i. V. m. Art. 2 Abs. 9 oder Art. 11 Abs. 3 c) i. V. m. Art. 2 Abs. IO Montrealer Protokoll. 406
407
B. Elemente der Ordnungssysteme
281
halten relativ weitreichende Kompetenzen zum Erlaß von Bewirtschaftungsmaßnahmen. Der Verzicht auf die eigene Souveränität wurde den Vertragsparteien aber dadurch vereinfacht, daß es sich um eine begrenzte Menge Fisch handelt, nämlich nur ganz bestimmte Fischarten. Die geographische Begrenzung der Zuständigkeiten der RFOs erleichtert die Zustimmung der einzelnen Staaten zu Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen weiterhin. In diesem Zusammenhang läßt sich sogar folgende Hypothese aufstellen: haben diese Institutionen erst einmal eigene sachliche Kompetenzen, so erscheint es nicht ausgeschlossen, daß eine Art spill over effect eintreten könnte. Das bedeutet, daß die Institutionen zur Erfüllung ihrer Aufgabe bestimmte Bereiche ebenfalls erfassen müssen, die nach dem ursprünglichen Vertrag eigentlich nicht in ihre Kompetenz fallen (implied powers). Setzt sich dies fort, könnte sich bloße Erfüllung der technischen Aufgaben einer Institution zu einer echten Regelungskompetenz verselbständigen. 408 Denkbar ist dies im Bereich der Fischerei zum Beispiel unter dem Stichwort ecosystem approach. Danach sind die weit wandernden und gebietsübergreifenden Arten im Zusammenspiel mit ihrer natürlichen Umgebung zu sehen. Dazu gehören auch deren Beutetiere - insofern wären unter logischen Gesichtspunkten auch andere marine Lebewesen in Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen einzubeziehen.
3. Wandel der Funktionen internationaler Organisationen Kennzeichen rur die neuen Ordnungssysteme ist ein weiterer Faktor: es treten nicht mehr nur souveräne Staaten als alleinige Akteure im internationalen GetUge auf. Internationale Organisationen haben inzwischen erreicht, an Verhandlungen auf nahezu allen Ebenen teilnehmen zu können. Teilweise haben sie bereits wichtige Funktionen übernommen, die die Staaten gar nicht selbst hätten ausüben können. Diese Organisationen haben damit rechtlich und tatsächlich die Reichweite der Souveränität der einzelnen Staaten begrenzt. 409
a) Organisationen auf Regierungsebene Internationale Organisationen wie etwa die Vereinten Nationen und ihre Unterorganisationen haben in allen Verhandlungen eine große Rolle gespielt. Seit
408 Ähnliche Überlegung bei Lang, Diplomacy and International Law-Making, YIEL 1992, S. 120, der Rahmenverträgen und Protokollen ein "Iife of their own" bescheinigt, das sich allerdings im vorgegebenen Rahmen der Zustimmung der Vertragsparteien zu dem Ursprungsvertrag halten müsse. 409 Mosler, The International Society as a Legal Community, RdC 1974 IV, S. 234.
282
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Jahren schon nehmen die UN die Aufgabe wahr, internationale Konferenzen zu veranstalten und zu betreuen. Immer mehr gehen sie und ihre Unterorganisationen dazu über, die Funktion eines Sekretariats filr globale Unternehmungen auszuüben. 4lO Dies bietet sich aus praktischen GrUnden an, da international geschultes Personal und die logistischen Voraussetzungen vorhanden sind. Regionale internationale Organisationen bieten sich als technische Basis filr die Herausarbeitung von regionalspezifischen oder sektorspezifischen Normen an. 411 Die souveränen Staaten als Hauptakteure im Völkerrecht sind damit auf die Hilfe von Organisationen angewiesen. Die einst von ihnen selbst ins Leben gerufenen Institutionen haben damit Aufgaben übernommen, die über ihren ursprUnglieh einmal gesetzten Zweck hinausgehen. 412 Ergänzend ist ein Hinweis auf die Rolle der EG anzufügen, die bis in die 70er Jahre noch nicht als Verhandlungspartner anerkannt war. Bei den Debatten zum Montrealer Protokoll war sie aber bereits wie ein Staat in den Reihen der Delegationen vertreten. 413 Solche Beobachtungen sind auch bei der Konferenz über gebietsübergreifende und weit wandernde Fischarten zu machen. Nicht nur, daß die Konferenz im Rahmen der UN stattfand, wichtige Hilfestellung bei den Verhandlungen im Detail kam vor allem von der FAO. Die Staaten waren zum Beispiel auf die Verwendung der von der FAO gelieferten wissenschaftlichen Daten und HintergrUnde angewiesen.
b)NGOs Ähnlich haben sich die Aufgaben und Befugnisse von NGOs entwickelt. Sie haben beachtlichen Effekt auf umweltrechtliche Verhandlungen, und zwar sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. 414 Nach Regel 65 bekamen NGOs nicht nur Beobachterstatus bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio, sondern auch die Möglichkeit, dort mündliche Stellungnahmen abzugeben. 415 Sie haben oft sehr guten Zugang zu Medien und damit zur öffentlichen Meinung. Sie verfügen über ausgebildete Experten in ihren eigenen Reihen und können so nicht nur der Konferenz, sondern vor allem auch einzelnen
Lang, Diplomacy and International Law Making, YIEL 1992, S. 113. Kimball, Whither International Arrangements, Col. Journal of Transnational Law Vol. 36 (\997), S. 335. 412 Entsprechend den oben angestellten Überlegungen zum spill over effect von implied powers. 413 Lang, Diplomacy and International Law Making, YIEL 1992, S. 114. 414 Hobe, Global Challenges to Statehood, IJGLS 1997, S. 205. 415 Adoption ofthe Rules ofProcedure, UN Conference on Environment and Development, Agenda (tem 3, Rute 65, at 18, UN Doc. AlCONF.17 \;2. 410
411
B. Elemente der Ordnungssysteme
283
Delegationen Fakten und Rat verschaffen. So sind etwa die Verhandlungen bezüglich des Schutzes der Ozonschicht stark von NGOs beeinflußt worden. 416 Schließlich haben NGOs heute auch in bezug auf die Durchsetzung von internationalen Maßnahmen Aufgaben übernommen. Hauptsächlich als Beobachter werden sie immer wieder herangezogen. 417 Auch bei den Verhandlungen zum FSA haben NGOs wie im zweiten Teil dargestellt erheblichen Einfluß ausüben können.
c) Zwischenergebnis Die verstärkte Beteiligung von internationalen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie auch der EG als supranationaler Organisation drängt den Schluß auf, daß souveräne Staaten heute nicht mehr die einzigen Akteure auf der internationalen Bühne sind. Daher wird auch in regelmäßigen Abständen die Diskussion darüber aufgeworfen, ob diesen Organisationen auch der Status von Völkerrechtssubjekten zukommen soll.418 Die Organisationen übernehmen zwar in allen Bereichen internationalen Handeins verstärkt Funktionen. Sie haben aber keine eigene, sondern höchstens abgeleitete Rechtssubjektivität. Die Diskussion über deren eigene Völkerrechtssubjektivität soll nicht nachgezeichnet werden. Wenn solchen Einheiten aber vermehrt eigenständige Aufgaben und Befugnisse zukommen, so kann das nur bedeuten, daß das Prinzip staatlicher Souveränität im internationalen Gefilge nicht mehr alleinbeherrschend ist. Es sind nicht mehr nur Staaten, die maßgebliche Rollen spielen. Vielmehr sind die internationalen Beziehungen auf diverse Weise von verschiedensten Organisationen nachhaltig beeinflußt. Diesen Organisationen kommen Handlungsbefugnisse zu, die bislang souveränen Staaten reserviert waren.
4. Mosaik verschiedener Verträge
AuffiUlig ist weiterhin, daß sich die dargestellten Ordnungssysteme aus mehr als einem Vertrag zusammensetzen. Dazu wurde in der internationalen Gemeinschaft eine ganz besondere Methode gewählt: zum einen die Verwendung von Rahmen- und Durchfilhrungsverträgen, zum anderen die Kombination von bloßen Absichtserklärungen mit verbindlichen Regelungen.
Lang, Diplomacy and International Law Making, YIEL 1992, S. 113. Vgl. Hobe, Global Challenges to Statehood, IJGLS 1997, S. 206 m. w. N. 418 Z. B. bereits bei Mosler, Die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte, ZaöRV 1962, S. 45. 416
417
284
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
a) Verwendung von Rahmenverträgen Die Staaten vereinbaren zunächst auf diplomatisch höchster Ebene einen Grundsatz- oder Rahmenvertrag, in dem das Ziel und die generellen Leitlinien festgelegt werden. 419 Einzelfragen werden aus dem großen Zusammenhang herausgenommen und an Unterebenen übertragen, in denen oft Fachleute oder aber die Einzelstaaten selbst mit der Ausfilllung der vorgegebenen Rahmen betraut werden. 420 Dies kann die Entscheidungsfindung vereinfachen, indem Verhandlungen möglicherweise auf einer diplomatisch tieferen Ebene stattfinden. Diese können spannungs- und wertungsfreier arbeiten als die unter politischem Druck stehenden Regierungschefs. 42 \ Ferner bietet die Verwendung von Rahmenverträgen die nicht zu unterschätzende Möglichkeit, mit Durchfilhrungsabkommen rasch auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können, ohne das gesamte Ordnungssystem neu zu verhandeln. Diese Abkommen wiederum beinhalten oft eine Klausel, die ÜberprUfungskonferenzen in regelmäßigem Abstand fordert. Auch dies vereinfacht eine Reaktion auf neue Probleme. Schließlich erlauben diese Verträge, auf geographische Besonderheiten in Regionen einzugehen. 422 Dabei spielt außerdem eine bestimmte Taktik im Hinblick auf das Kostenargument eine große Rolle: das Problem der Trittbrettfahrer kann reduziert werden, indem diese Staaten zunächst mit einem bloßen Rahmenabkommen an ein relativ kostengünstiges Übereinkommen gebunden werden und damit problemlos guten Willen demonstrieren können. Diesem Rahmenabkommen folgen dann erst später die kostenträchtigen Abkommen in der Form von Protokollen oder Durchfilhrungsabkommen. Es ist anzunehmen, daß Staaten, die bereits Parteien des Rahmenvertrages sind, unter größerem außen- wie innenpolitischen Druck stehen, sich auch an den späteren Protokollen zu beteiligen. 423 Die Teilnahme an den Rahmenverträgen veraniaßt oft internationaler Druck und das Bemühen um das eigene gute Ansehen bei Partnerländern. Insgesamt ist diese Art des Verwendens von Rahmenabkommen dem Zusammenspiel von Bundund Ländergesetzgebung, sowie der Verwaltung im deutschen nationalen Recht nicht unähnlich. Einen vergleichbaren Weg hat die internationale Gemeinschaft in bezug auf die weit wandernden und gebietsübergreifenden Fischarten gewählt. In der SRK als dem äußeren Rahmen sind Leitlinien zum Fischfang festgelegt, die mit dem 4\9 Kiss, Nouvelles tendances en droit international de I'environnement, GYIL 1989, S. 257 f. 420 Young, International Law of Environmental Protection, S. 76, er spricht auch von ,,'umbrella' -treaties". 42\ Handl, Environmental Security and Global Change, YIEL 1990, S. 5. 422 Young, International Law ofEnvironmental Protection, S. 76. 423 Trends in International Environmental Law, Harvard Law Review 1992, S. 69.
B. Elemente der Ordnungssysteme
285
DurchfUhrungsabkommen konkretisiert werden. 424 Dieses sieht auch eine Überprüfungskonferenz vor. 425 Auch hier sind also wieder para11el gelagerte Strukturen zu finden. Richtig kosten- und arbeitsintensiv wird aber erst die kommende Ebene werden, wenn im Rahmen von RFOs konkrete Maßnahmen zu vereinbaren sind. Wer aber auch zukünftig noch ein Stück vom Kuchen "Fischfang auf Hoher See" abbekommen möchte, muß an diesen Verhandlungen teilnehmen.
b) Zusammenspiel von "hard law" und "soft law" In der Entwicklung von Ordnungssystemen ist schließlich festzustellen, daß mit einem Minimum an Übereinstimmung - dem kleinsten gemeinsamen Nenner - begonnen wird, die zu einem Instrument des sogenannten "soft law" filhrt. 426 Seine Definition findet sich in der Gegenüberstellung zum "hard law", welches das traditionelle Verständnis von Recht ausdrückt. Die Verwendung des Begriffes "Iaw" ist insofern irrefilhrend, als es sich nicht um durchsetzbare rechtliche Normen mit eigenen Rechtsfolgen handelt, sondern um bloße Absichtserklärungen, die Formulierung von gemeinsamen Standpunkten, Empfehlungen oder Richtlinien. 427 Ein politischer Wille, rechtliche Bindungen einzugehen, fehlt bei diesen Instrumenten. 428 Deswegen ist der Begriff nicht unumstritten; er verwische die Grenze zwischen Recht und Nicht-Recht. 429 Er bietet allerdings Vorzüge gerade im Verhältnis zum traditione11en Verständnis des Rechts, denn eine Einigung über bindende Normen setzt einen Hohen Grad an Übereinstimmung bezüglich der zu verwendenden wissenschaftlichen Daten voraus. Dies gilt insbesondere im Bereich des Umweltschutzes, wo Grenzwerte filr eine Gefahr oft sehr unterschiedlich angesetzt werden. Mit dem "soft law" können die Staaten das Problem bereits zu taktieren beginnen, ohne sich konkret zu verpflichten. So kann zum in-
424 Welches wiederum in den jeweiligen RFOs weiter konkretisiert wird, vgl. Davies/Redgwell, The International Regulation of Straddling Fish Stocks, BYIL 1996, S.270. 425 Art. 36 FSA. 426 Lang, Diplomacy and International Environmental Law-Making, YIEL 1992, S. 119; im französischen wird "soft law" interessanterweise oft auch unter dem Stichwort "droit vert" - grünes Recht - genannt, vgl. Handl, Environmental Security and Global Change, YIEL 1990, S. 7 in FN 25. 427 Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 16. 428 Lang, Verrechtlichung des internationalen Umweltschutzes, Archiv des Völkerrechts 1984, S. 285. 429 Vgl. etwa Weil, Towards Relative Normativity in International Law, AJIL 1983, S.417.
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
286
dest schon das konkrete Problem formuliert und so eine spätere Regelung beschleunigt werden. 430 Ein Überblick über die bestehenden Systeme fUhrt zu der Überlegung, daß die effektivste Vorgehensweise bei der Behandlung eines Allgemeininteresses schrittweise vonstatten geht. Ein Minimum an politischer Übereinstimmung filhrt zu einem "soft law instrument", dem ein internationaler Vertrag in Form eines Rahmenabkommens folgt, welcher wiederum durch verschiedene Verträge oder Durchführungsübereinkommen vervollständigt wird. 431
5. Compliance Control
Schließlich ist noch eine letzte Tendenz in diesen Ordnungssystemen auszumachen. Bezüglich der Durchsetzung scheint es, als bewegten sich die an internationalen Übereinkommen beteiligten Parteien vom traditionellen Konzept der Staaten verantwortlichkeit weg. Es bleibt nicht mehr jedem Staat rur sich selbst überlassen, vereinbarte Standards und Maßnahmen auf seinem Gebiet und gegenüber seinen Staatsbürgern durchzusetzen. Statt dessen wird die Kontrolle der Einhaltung dieser Normen entweder gleichermaßen auf alle anderen beteiligte Staaten oder ebenfalls auf eine Staatenkonferenz oder die jeweilige Institution übertragen. 432 Im FSA könnte eine solche Entwicklung zum Beispiel an der beginnenden Abkehr vom Flaggenstaatsprinzip festgemacht werden. Es sind nicht mehr nur die Flaggenstaaten zuständig dafilr, bei Schiffen unter ihrer Flagge die Einhaltung der beschlossenen Maßnahmen durchzusetzen, sondern die Kontrolle kann auch vom Hafenstaat ausgeübt werden. Der Hafenstaat kann selbst einschreiten oder effektiv Druck auf den Flaggenstaat ausüben, damit dieser einschreitet.
6. Zusammenfassung
Diejenigen internationalen Verträge, mit denen die Vertragsparteien versucht haben, eine allgemeinverbindliche Regelung rur ein gemeinsames Gut zu treffen, weisen zahlreiche Besonderheiten auf. Wichtig ist zunächst die Feststellung, daß Ordnungssysteme im Wege großer universaler Konferenzen ausgearbeitet werden. Dabei ist vor allem zu bemerken, daß sich die Rolle des souverä-
Handl, Environmental Security and Global Change, YIEL 1990, S. 8. Lang, Diplomacy and International Law Making, YIEL 1992, S. 119. 432 Beyerlin, State Community 1nterests and 1nstitution-Building, ZaöRV 1996, S. 623: compliance control and assistance. 430 431
C. Versuch der Begründung von Regelungsbefugnis
287
nen Staates gewandelt hat. Er ist bei weitem nicht mehr der einzige Akteur im internationalen Feld. Es gibt Probleme, die ein einzelner Staat nicht allein lösen kann - und sei es nur aufgrund territorialer Unzuständigkeit, weil das zu erfassende Gut nicht gebietsmäßig fixiert werden kann. Verträge werden in unterschiedlichster Intensität und Beteiligung geschlossen, um "häppchenweise" den SouveränitätsverIust zugunsten einer internationalen Institution schmackhaft zu machen. Institutionen werden schließlich gar mit Aufgaben betraut, die traditionell nur dem Einzelstaat vorbehalten waren, wie etwa die Durchsetzung von Verträgen. Nach alledem bleibt als Ergebnis festzuhalten, daß der Fokus vom souveränen Einzelstaat weg auf die Gemeinschaft der Staaten und deren gemeinsame Interessen zu richten ist. Dieses Ergebnis spiegelt sich in aller Deutlichkeit im Abschluß des FSA wider.
c. Versuch der Begründung von Regelungsbefugnis Nach alledem stellt sich schließlich die Frage, worauf die an der Ausarbeitung eines solchen Ordnungssystems beteiligten Staaten eine Regelungsbefugnis begrUnden können. Denkbar wäre zunächst einmal die Konstruktion einer Art Geschäftsftlhrung ohne Auftrag im öffentlichen Interesse der Staatengemeinschaft433 oder einer Treuhand (trust), wie es von den Vertragsparteien des Antarktisvertrages erwogen wurde. Dabei besteht jedoch jederzeit die Möglichkeit einer Polarisierung der Interessen zungunsten den großen und mächtigen Staaten. Kommen aber zu dem Element der Geschäftsfiihrung die oben skizzierten Verfahrensweisen hinzu, die allen Staaten gleichberechtigte Teilnahme an der Geschäftsftlhrung ermöglichen, könnten diese Bedenken zerstreut werden. Wichtig ist dabei auch, daß nicht nur diejenigen Staaten beteiligt werden, die technisch in der Lage sind, die vom Vertrag geregelten gemeinsamen Güter auch zu nutzen oder zu schützen. Unentbehrlich ist eine Teilnahme aller interessierten Staaten, wobei sich ein Interesse aus verschiedensten Gründen ergeben kann. Das bloße Vorhandensein eines Interesses, gleichgültig aus welchem Grund, muß zur Teilnahme an der Ausarbeitung eines Ordnungssystems berechtigen. Insoweit ließe sich ein Vergleich zu einem volkswirtschaftlichen Begriff ziehen: die Allmendewirtschaft bzw. den common pool. Auch hier muß eine ge-
433 S.o., vgl. die Zusammenfassung bei Simma, The Antarctic Treaty as a Treaty Providing for an "Objective Regime", CILJ 1986, S. 198.
288
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
meinsame Lösung ftlr ein gemeinsames Gut gefunden werden. Es findet ansonsten eine Übernutzung statt, da jeder versucht, ftlr sich selbst soviel wie möglich zu erlangen. Dieses hat negative Auswirkungen auf alle. Wird aber eine Regelung getroffen, die die optimale Nutzung des gemeinsamen Gutes erreicht, so ist das gut ftlr alle, denn alle profitieren auf mittelfristige Sicht vom Erhalt des Gutes. Daher gehen Regelungen, die eine gemeinsame Organisation ftlr ein bestimmtes Gebiet trifft, auch nicht zu lasten von irgend jemandem, sondern gereichen allen zum Vorteil. Dieser Vergleich läßt sich mühelos auf den Sachverhalt der Fischvorkommen der Hohen See anwenden. Das Treffen einer nötigen Regelung kann mit diesem Hintergrund auf den Gedanken der Geschäftsftlhrung ohne Auftrag gestützt werden. Es muß der Wille der nicht an der Ausarbeitung des Ordnungs systems beteiligten Staaten zur Übertragung ihrer höchsteigenen Befugnisse in irgendeiner Form nachgewiesen werden. Dies kann aber schon dann der Fall sein, wenn die Akzeptanz geschaffener Tatsachen belegt wird. Eine automatische Übertragung von Kompetenzen zur Regelung an die interessierten Staaten kann dagegen nicht einfach angenommen werden. Deswegen paßt nach der hier vertretenen Auffassung auch das Konzept eines "trust" nicht ganz so gut wie der Gedanke der Geschäftsftlhrung ohne Auftrag. Denn auch ein Treuhänder oder Verwalter muß von irgend jemandem zur treuhänderischen Verwaltung eines Gutes beauftragt sein. Im Ergebnis setzt sich nach der vorangegangenen Untersuchung die Begründung einer Regelungsbefugnis immer aus den folgenden Punkten zusammen, die auch als gemeinsame Elemente der Ordnungssysteme genannt wurden.
I. Praktische Notwendigkeit einer Regelung
Anlaß der Entwicklung eines drittverbindlichen Ordnungssystems ist, daß eine große Zahl von Staaten und anderen Akteuren im internationalen Recht die dringende Notwendigkeit einer Regelung sieht. Das Bestehen dieser Notwendigkeit ist anhand mehrerer Indizien nachzuweisen, dazu zählen unter anderem die Ergebnisse großer Konferenzen, Resolutionen der UN-Generalversammlung, parallel gelagerte internationale Abkommen, nationale Gesetzgebungen, Veröffentlichungen von Organisationen, Wissenschaftlern, Journalisten usw. Ähnlich dem Konzept der Geschäftsftlhrung ohne Auftrag (bzw. als Treuhand) übernehmen einige der Staaten es, ftlr ein bestimmtes Gut ein verbindliches System oder Regime auszuarbeiten. Diese absolute Notwendigkeit, eine rechtliche Regelung zu treffen, dominiert die Begründung einer Regelungskompetenz.
c. Versuch der Begründung von Regelungsbefugnis
289
11. Gleiches Teilnahmerecht für alle
Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten erfordert, daß alle an einer entsprechenden Regelung interessierten Staaten zu beteiligen sind. Solange allen gleichermaßen die Möglichkeit der Teilnahme gegeben ist, kann sich ein einzelner Staat nicht mehr auf seine souveräne Gleichheit gegenüber den anderen berufen. Das würde nämlich bedeuten, den free rider gleicher zu machen als die anderen. Denn dann würde einem einzelnen die Möglichkeit des Boykottes aller anderen eingeräumt werden. Unter diesem Aspekt ist die Pacta-tertiis-Regel sogar dazu geeignet, eine souveräne Ungleichheit zwischen den Staaten herzustellen. 434 Damit würde demfree rider eine allen anderen gegenüber überlegene Stellung eingeräumt. Allerdings muß gewährleistet werden, daß alle mit einem echten Interesse auch wirklich teilnehmen können. Dies geht am besten, indem eine Regelung im Rahmen großer Konferenzen unter weltweiter Beteiligung erzielt wird, an denen alle Staaten teilnehmen können. Als Indizien filr echtes Interesse können gelten: das bisherige Verhalten der Staaten, ihre geographische Lage oder wirtschaftliche Notwendigkeiten sowie politische Ziele, aber auch andere Interessen. Ebenfalls trägt die Teilnahme von NGOs an der Ausarbeitung von Regeln dazu bei, diesen einen objektiven, von Großmächten unabhängigen Charakter zu verleihen.
111. Wahrnehmung einer Ausgleichs- oder Distributionsfunktion
Bei den Verträgen im Allgemeininteresse geht es immer um die Verteilung bzw. Nutzung gemeinsamer Güter oder die Regelung von Verhalten, das einen Einfluß auf die gesamte Menschheit haben kann. Dem internationalen Recht kommt somit nicht mehr nur die reine Koordination von Staateneinzelinteressen zu, sondern vielmehr eine Ausgleichs- bzw. Distributionsfunktion im Rahmen von gleichberechtigten Interessen aller. Somit gibt es auch im Völkerrecht zwei Kategorien von Recht: erstens das Recht, das den Staaten zur Regelung ihrer jeweiligen Partikulärinteressen zur freien Disposition steht. Zweitens das Recht, das die Gemeinschaft insgesamt schützt und ihre Ordnung gewährleistet. 43S Indem internationale Verträge eine Gemeinwohlfunktion beanspruchen, allen Staaten gleichermaßen die Gelegenheit der Teilnahme gegeben wird und Kooperations- und Solidarpflichten begründet werden, ordnen die Vertragsparteien sie offenkundig dieser zweiten
434 435
Vgl. Chinkin, Third Parties and International Law, S. 143. Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, FS Doehring, S. 223.
290
3. Teil: Das Fish Stocks Agreement und Drittstaaten
Kategorie ZU. 436 Das Völkerrecht kennt zwar keine derart deutliche Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht wie das nationale Recht. Eine Differenzierung der beiden Kategorien in der Sache wird wie bisher gezeigt aber auch im Völkerrecht vorgenommen. 437 In dieser zweiten Kategorie internationalen Rechts garantiert die Souveränität des einzelnen Staates ihm keinen uneingeschränkten status negativus im Sinne einer Abwehr von Eingriffen in eigene Rechte mehr. Was international gemeinsame Güter angeht, verleiht die staatliche Souveränität dem einzelnen Staat vielmehr nur noch ein Teilhaberecht. Dieses Teilhaberecht verpflichtet den einzelnen, seine Rechte im Sinne der internationalen Gemeinschaft auszuüben. Die Souveränität verpflichtet damit ihren Träger zur Kooperation und Solidarität mit den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft. 438
IV. Konsequenz: Keine einseitige Rücknahme möglich Die Konsequenz aus dem Vorangegangenen ist zwingend: Ist einmal eine Regelungsbefugnis im Interesse aller anerkannt oder wenigstens akzeptiert worden, so ist die getroffene Regelung nicht frei widerruflich. Drittstaaten können nicht dazu gezwungen werden, ein von anderen Staaten erschaffenes Ordnungssystem anzuerkennen, ohne daß sie auf seinen Fortbestand vertrauen dürfen. 439 Eine Regelung, die eine bestimmte Staatengruppe im Interesse aller getroffen hat und die von der überwiegenden Mehrheit akzeptiert worden ist, kann damit nicht mehr nur von den ursprünglichen Vertragsparteien allein mit Wirkung gegenüber allen zurückgenommen werden.
V. Ergebnis zur Drittwirkung des FSA Nach alledem ist bewiesen, daß es faktisch bereits eine tatsächliche Drittwirkung von Ordnungs verträgen gibt. Eine Tendenz zur allgemein verbindlichen Regelung ist im internationalen Recht deutlich auszumachen. Voraussetzung ist die Addition folgender Faktoren:
Vgl. Klein, Satusverträge, S. 53. Vgl. auch Frowein, Das Staatengemeinschaftsinteresse, FS Doehring, S. 223. 438 Handl, Environmental Security and Global Change, YIEL 1990, S. 32: ,,souverainete oblige". 439 Mosler, The International Society as a Legal Community, RdC 1974 IV, S. 236. 436 437
c. Versuch der Begründung von Regelungsbefugnis
291
I. Es besteht die Notwendigkeit, daß alle an einem Strang ziehen, sonst werden auf lange Sicht fatale Folgen rur alle eintreten. Es muß also ein Allgemeininteresse bestehen. 2. Es werden bestimmte Verfahrensvoraussetzungen bei der Festlegung von Regeln beachtet. 3. Das Bestehen des Allgemeininteresses und die im einzelnen getroffenen Regeln werden im großen und ganzen von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert. Das FSA hat, wie im einzelnen zu den jeweiligen Punkten dargelegt, die Anlagen, zu einem solchen Vertrag mit Drittwirkung zu werden. Die von den Vertragsparteien über die SRK hinausgehende angestrebte Drittwirkung des Abkommens ist bei allgemeiner Akzeptanz des Allgemeininteresses und der speziellen Regelungen begrUndbar.
Abschlußbemerkung Es gibt heute Situationen in internationalen Beziehungen, in denen die absolute Anwendung der Pacta-tertiis-Regel eine Lösung blockiert.) Daher sei am Ende der Untersuchung noch einmal auf den Anfang zurückgegriffen: In Vorbereitung der Verhandlungen zur WVRK stellte die ILC bezüglich der von Wa/dock vorgeschlagenen objective regimes fest: die "recognition that such treaties create special legal effects for non-parties would be premature". 2 Seitdem sind neue Entwicklungen zu verzeichnen gewesen, die damals noch nicht absehbar waren. Es gibt immer mehr Probleme, die nur noch auf globaler Ebene überhaupt lösbar sind und das Mitmachen aller erfordern. Kommt dann noch das Element hinzu, nach dem alle gleichberechtigt an einer Entscheidungsfindung beteiligt werden, so können die Bedenken der ILC von damals heute ausgeräumt werden. Auf diese Weise werden nicht nur die Probleme, sondern auch ihre notwendigen Lösungen globalisiert. Die Struktur der internationalen Gemeinschaft verschafft damit den gemeinsam handelnden Staaten3 eine quasi-legislative Rolle. 4 Dies fUhrt zu beinahe "demokratischen" Entscheidungen im internationalen Recht. Als Mehrheit gilt dann diejenige Menge Staaten, die am Vertragsschluß beteiligt ist. Diejenigen, die sich nicht beteiligen, müssen sich der Entscheidung beugen. Voraussetzung ist allerdings, daß allen Staaten gleichermaßen die Möglichkeit gegeben wird, an der Entscheidungsfmdung teilzunehmen und sie mit eigenen Stellungnahmen zu beeinflussen. Das wiederum fUhrt zu dem Ergebnis, daß die staatliche Souveränität durch zwei Faktoren begrenzt ist: die souveräne Gleichheit aller Staaten sowie gemeinsame Werte als fundamentale Prinzipien.
Chinkin, Third Parties in International Law, S. 144. YBILC 1964 11, S. 185, Hervorhebung durch Verfasserin. Und weiteren Trägem von Völkerrechtssubjektivität, soweit sie an der Herausarbeitung eines Allgemeininteresses beteiligt sind. 4 V gl. das Zitat aus einem Kurs von Suzanne Bastid, abgedruckt bei Kiss, La notion patrimoine commun de I'humanite, RdC 198211, S. 233. 2
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