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German Pages 946 Year 2019
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Köller | Hasselhorn | Hesse | Maaz Schrader | Solga | Spieß | Zimmer (Hrsg.)
Das Bildungswesen in Deutschland Bestand und Potenziale
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utb 4785
Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld
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Das Werk ist im Rahmen der Aktivitäten des Leibniz-Forschungsverbunds Bildungspotenziale (LERN) entstanden. Die Leibniz-Gemeinschaft unterstützt den Forschungsverbund mit Mitteln der Förderlinie strategische Vernetzung des Leibniz-Wettbewerbs.
Herausgeberteam: Prof. Dr. Olaf Köller (1), Prof. Dr. Marcus Hasselhorn (2), Prof. Dr. Dr. Friedrich W. Hesse (3), Prof. Dr. Kai Maaz (2), Prof. Dr. Josef Schrader (4), Prof. Dr. Heike Solga (5), Prof. Dr. C. Katharina Spieß (6), Prof. Dr. Karin Zimmer (7) (1) IPN – Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel, Olshausenstr. 62, 24118 Kiel (2) DIPF | Leibniz-Institut für Bildungforschung und Bildungsinformation, Rostocker Str. 6, 60323 Frankfurt/Main (3) Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM), Schleichstr. 6, 72076 Tübingen (4) Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE), Heinemannstr. 12-14, 53175 Bonn (5) Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Reichpietschufer 50, 10785 Berlin (6) Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW Berlin), Mohrenstr. 58, 10117 Berlin (7) Universität Vechta, Driverstraße 22, 49377 Vechta
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Olaf Köller | Marcus Hasselhorn Friedrich W. Hesse | Kai Maaz Josef Schrader | Heike Solga C. Katharina Spieß | Karin Zimmer
Das Bildungswesen in Deutschland Bestand und Potenziale
Verlag Julius Klinkhardt Bad Heilbrunn • 2019
Online-Angebote oder elektronische Ausgaben zu diesem Buch sind erhältlich unter www.utb-shop.de
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Bitte beachten Sie auch unsere Webseite: www.bildungswesen-deutschland.de
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2019.Ik. © by Julius Klinkhardt. Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Elske Körber, München. Abbildung auf Umschlagseite 1: © by Fotorismus für IDeA. Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart. Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg. Printed in Germany 2019. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem alterungsbeständigem Papier. utb-Band-Nr.: 4785 ISBN 978-3-8252-4785-0
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Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis ...............................................................................................7 Glossar ..............................................................................................................23 Vorwort .............................................................................................................37 I Bildungsstrukturen und Bildungsorte..........................................................43 II Aufgaben und Herausforderungen im Bildungswesen .............................227 III Frühe Bildung – Kindertageseinrichtungen und Grundschule ..............403 IV Der Sekundarschulbereich .......................................................................503 V Hochschulbildung......................................................................................595 VI Erwachsenen- und Weiterbildung, Bildung im höheren und hohen Alter .....................................................697 VII Bildungsmedien und digitale Informationsumwelten ...........................835 Autorinnen und Autoren ................................................................................917 Abkürzungsverzeichnis...................................................................................929 Register ...........................................................................................................935
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Inhaltsverzeichnis
Glossar ..............................................................................................................23
Vorwort .............................................................................................................37
I Bildungsstrukturen und Bildungsorte..........................................................43 Einführung zu I: Bildungsstrukturen und Bildungsorte.................................45 Olaf Köller und Karin Zimmer
1
„Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten. Aspekte ihrer Struktur und Dynamik am deutschen Exempel .................49 Heinz-Elmar Tenorth 1.1 1.2
1.3
Dimensionen von Bildung – Ausgangspunkte der Analyse ..................49 Die erste „Bildungsrevolution“ – die Erfindung der Bildung im modernen Verstande ............................52 1.2.1 Die Erfindung der Bildung als Form von Individuum und Nation um 1800 ......................53 1.2.2 Das moderne Bildungssystem als Schule der Gebildeten und des Volkes .................................................56 1.2.3 Neue Bildung, neue Lebensformen ..........................................57 Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft ....61 1.3.1 Segmentierung der Bildungsreflexion – Kritik, Analyse, Konstruktion ..................................................62 1.3.2 Der Ursprung der modernen Bildungsverfassung in Deutschland – vom Zweisäulen-System der Klassengesellschaft zum gegliederten Schulsystem der Demokratie ......68
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8 Inhaltsverzeichnis
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1.4
1.5 2
Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens ......................................85 Hans-Peter Füssel 2.1 2.2
2.3
2.4
2.5 3
Das moderne System der Bildung – Pädagogisierung der Gesellschaft .........................................................72 1.4.1 Bildungsforschung und Bildungssystem, Erwartungen und Diskurse ......................................................73 1.4.2 Die Konstitution des gegenwärtigen Bildungssystems .............75 Bilanz von 200 Jahren deutscher Bildungsgeschichte ...........................79
Kennzeichnende Merkmale des deutschen Rahmengefüges .................87 Festlegungen auf Weltebene ................................................................89 2.2.1 Vereinte Nationen (UN) ..........................................................89 2.2.2 Welthandelsorganisation (WTO) .............................................92 2.2.3 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ......................................................93 Europäische Entwicklungen ................................................................93 2.3.1 Europarat.................................................................................94 2.3.2 Bologna-Prozess .......................................................................96 2.3.3 Europäische Union (EU) .........................................................98 Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System ......................................................102 2.4.1 Verflechtungen im föderativen System zwischen Bund und Ländern .................................................103 2.4.2 Zur Rolle der Gemeinden im Bildungssystem ........................106 2.4.3 Kooperation und Koordination im föderativen Bildungssystem ..............................................109 Ausblick ............................................................................................128
Non-formale und informelle Bildungsangebote ......................................131 Stephan Schwan und Annette Noschka-Roos 3.1 3.2 3.3
3.4
Einführung .......................................................................................132 Charakteristika non-formalen und informellen Lernens ....................134 Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote in Deutschland ...........................137 3.3.1 Allgemeine Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote....................137 3.3.2 Massenmedien .......................................................................140 3.3.3 Non-formale und informelle Lernorte ...................................141 Initiativen zur Förderung des non-formalen und informellen Lernens.............................................145
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Inhaltsverzeichnis 9
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3.5 4
Bildungsort Familie ..................................................................................161 Sabine Walper und Mariana Grgic 4.1
4.2
4.3
4.4 5
3.4.1 Museumsbezogene Bildungs-Vermittlungsinitiativen .............146 3.4.2 Wissenschafts- und Öffentlichkeitsinitiativen ........................148 3.4.3 Kulturelle Bildungsinitiativen ................................................150 Ausblick und Zukunftsperspektiven ..................................................152
Zur Einführung: Familien in Deutschland .......................................162 4.1.1 Vielfalt und Wandel von Familien..........................................163 4.1.2 Trends in den Lebenslagen von Familien................................165 Theoretische Perspektiven auf Familie als Bildungsort .......................166 4.2.1 Eine bereichsspezifische Perspektive auf familiale Sozialisation ......................................................166 4.2.2 Die entwicklungsbezogene Perspektive ..................................169 4.2.3 Bildungsrelevante Ressourcen von Familien ..........................170 4.2.4 Familien als Türöffner und Kooperationspartner für andere Bildungsorte ........................................................173 Bildungsort Familie im Entwicklungsverlauf ....................................177 4.3.1 Säuglings- und Kleinkindalter ...............................................177 4.3.2 Kindergarten- und Vorschulalter ...........................................179 4.3.3 Einschulung, Grundschulalter und Übertritt in die Sekundarstufe .......................................182 4.3.4 Familien mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen ............185 Fazit und Ausblick ............................................................................187
Bildungsausgaben.....................................................................................195 C. Katharina Spieß, Johanna Storck und Vaishali Zambre 5.1
5.2
Einführung .......................................................................................197 5.1.1 Das nationale Bildungsbudget ...............................................198 5.1.2 Volumen und Struktur von Bildungsausgaben ......................201 5.1.3 Zeitliche Entwicklung ..........................................................204 5.1.4 Bildungsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt ....................................................205 5.1.5 Bildungsökonomische Begründungen für Bildungsausgaben ............................................................206 Öffentliche Bildungsausgaben ...........................................................208 5.2.1 Finanzierungsanteile nach Bildungsbereichen, zeitliche Entwicklung und Ausgaben pro Schüler*in ..............210 5.2.2 Öffentliche Bildungsausgaben nach Gebietskörperschaften ...212
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10 Inhaltsverzeichnis
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5.3
5.4 5.5
Private Bildungsausgaben ..................................................................213 5.3.1 Private Bildungsausgaben im Bildungsbudget ........................213 5.3.2 Datengrundlage zur Erfassung privater Ausgaben ..................214 5.3.3 Bildungsausgaben von privaten Haushalten ...........................215 5.3.4 Bildungsausgaben von Betrieben............................................219 Die Bildungsausgaben Deutschlands im internationalen Vergleich ....220 Schlussbemerkungen .........................................................................222
II Aufgaben und Herausforderungen im Bildungswesen .............................227 Einführung zu II: Aufgaben und Herausforderungen im Bildungswesen ....229 Olaf Köller und Karin Zimmer
6
Bildungserträge ........................................................................................231 Franziska Kugler und Ludger Wößmann 6.1 6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
Einführung ......................................................................................232 Theoretischer Hintergrund: Bildung und Wohlstand .......................233 6.2.1 Bildung und individuelle Produktivität .................................233 6.2.2 Bildung und makroökonomische Entwicklung .....................235 6.2.3 Nicht-monetäre Erträge der Bildung .....................................236 Wachstum: Bildungsleistungen und gesellschaftlicher Wohlstand ......238 6.3.1 Die zentrale Rolle von Bildungsleistungen für langfristiges Wirtschaftswachstum ....................................239 6.3.2 Folgekosten unzureichender Bildung: Simulationen zukünftiger Wachstumspfade ..........................241 Beschäftigung: Bildung und Arbeitslosigkeit ....................................244 6.4.1 Arbeitslosigkeit und Beschäftigung nach Bildungsabschluss ..........................................................244 6.4.2 Erwerbslebenszyklus bei allgemeiner und berufsspezifischer Bildung ..............................................247 Einkommen: Bildung und individueller Wohlstand .........................248 6.5.1 Bildungsertragsraten .............................................................249 6.5.2 Erträge auf Kompetenzen .....................................................252 Nicht-monetäre Erträge der Bildung ................................................253 6.6.1 Gesundheit ...........................................................................254 6.6.2 Staatsbürgerliches Verhalten ..................................................255 6.6.3 Kriminalität ..........................................................................256 Schlussbemerkungen ........................................................................257
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Inhaltsverzeichnis 11 7
Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung .........................................263 Juliane Grünkorn, Eckhard Klieme und Petra Stanat
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7.1
7.2
7.3 7.4
8
Bildungsqualität und Qualitätssicherung...........................................264 7.1.1 Qualitätskonzepte im Bildungsbereich ...................................265 7.1.2 Von der Inputorientierung zur verstärkten Outputorientierung .......................................266 7.1.3 Qualitätsmanagement, -entwicklung und -sicherung .............267 Bildungsmonitoring ..........................................................................269 7.2.1 Ebenen des Bildungsmonitorings ...........................................270 7.2.2 Konzeption und Entwicklung des Bildungsmonitorings in Deutschland...............................273 7.2.3 Bildungsstandards als Grundlage für Systemmonitoring (IQB-Bildungstrend) und Schulevaluation (VERA) ...............277 7.2.4 Überarbeitung der KMK-Gesamtstrategie im Jahr 2015 ........280 Exemplarische Befunde des Bildungsmonitorings am Beginn des 21. Jahrhunderts........................................................282 Bildungsmonitoring in der Diskussion .............................................286 7.4.1 Was bringt das Bildungsmonitoring für die Qualitätssicherung auf der Ebene des Systems? .....................287 7.4.2 Was bringt das Bildungsmonitoring für die Qualitätssicherung auf der Ebene der einzelnen Schule und Klasse? .....289 7.4.3 Was sind zentrale Herausforderungen des Bildungsmonitorings in Deutschland? .............................291
Bildungserwerb nach sozialer Herkunft, Migrationshintergrund und Geschlecht ..................................................299 Kai Maaz und Hanna Dumont 8.1 8.2
8.3
8.4 8.5
Einführung .......................................................................................300 Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft.................................301 8.2.1 Definition und Erfassung von sozialer Herkunft ....................302 8.2.2 Herkunftsbedingte Bildungsungleichheiten über den Lebensverlauf .........................................................303 Bildungsungleichheiten nach Migrationshintergrund ........................316 8.3.1 Definition und Erfassung des Migrationshintergrunds ...........316 8.3.2 Theoretische Bezüge und empirische Befunde ........................318 Bildungsungleichheiten nach Geschlecht ..........................................321 Zukünftige Herausforderungen und Ansatzpunkte für den Abbau von Ungleichheiten des Bildungserwerbs ...................323
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12 Inhaltsverzeichnis 9
Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich ...........................333 Rolf Werning
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9.1 9.2 9.3
9.4
9.5
9.6
Einführung .......................................................................................334 Inklusion als globaler Diskurs ...........................................................335 Inklusion im sonderpädagogischen Diskurs.......................................338 9.3.1 Inklusive Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf im Spiegel der Statistik............339 9.3.2 Forschung zu Effekten der inklusiven Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf .................................343 Inklusion im Kontext von allgemeiner Unterrichtsentwicklung ..................................................349 9.4.1 Leistungsentwicklung in inklusiven Lerngruppen ..................351 9.4.2 Merkmale inklusiven Unterrichts ...........................................352 9.4.3 Kooperation von Fachkräften im inklusiven Unterricht .........354 Inklusion als Entwicklungsprozess der allgemeinen Bildungseinrichtungen ......................................................................358 9.5.1 Mehrebenenmodelle der inklusiven Institutionsentwicklung .........................................................358 9.5.2 Qualität und Qualitätssicherung ............................................362 9.5.3 Einstellungen und Überzeugungen ........................................363 Ausblick ............................................................................................364
10 Individuelle Förderung ...........................................................................375 Marcus Hasselhorn, Jasmin Decristan und Eckhard Klieme 10.1 Individuelle Förderung als Grundlage pädagogischen Handelns.............................................376 10.2 Vorbehalte gegenüber individueller Förderung im Elementarbereich .........................................................................379 10.3 Unterrichtsstrategien zur individuellen Förderung im Grundschul- und Sekundarbereich .............................................380 10.3.1 Mastery Learning ...................................................................380 10.3.2 Adaptive Teaching .................................................................381 10.3.3 Scaffolding.............................................................................384 10.4 Förderunterricht ..............................................................................385 10.5 Elemente professioneller individueller Förderung .............................386 10.5.1 Diagnostik .............................................................................387 10.5.2 Fördermaßnahmen und -programme .....................................389 10.5.3 Pädagogische Überzeugung bzw. Haltung ..............................390
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Inhaltsverzeichnis 13 10.6 Institutionelle Strategien für individuelle Förderung .........................391 10.6.1 Förderpläne ...........................................................................391 10.6.2 Kollegiale Fallbesprechung .....................................................392 10.6.3 Elternberatung .......................................................................393 10.7 Individuelle Förderung und Inklusion ...............................................394 10.8 Ausblick: Potenziale für das Bildungswesen .......................................396
III Frühe Bildung – Kindertageseinrichtungen und Grundschule ..............403 Einführung zu III: Frühe Bildung – Kindertageseinrichtungen und Grundschule ................................................405 Marcus Hasselhorn und C. Katharina Spieß
11 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen: Rahmenbedingungen und Entwicklungen ..............................................409 Hans-Günther Roßbach und C. Katharina Spieß 11.1 Historische Entwicklung ...................................................................411 11.1.1 Entwicklung bis zur deutschen Wiedervereinigung ................411 11.1.2 Entwicklung seit der Wiedervereinigung................................414 11.2 Wirkung von Kindertageseinrichtungen – Hinweise aus der Forschung ..............................................................414 11.3 Rahmenbedingungen für Kindertageseinrichtungen in Deutschland .................................................................................417 11.3.1 Verantwortungsebenen ..........................................................418 11.3.2 Die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen ...................420 11.4 Nachfrager und Anbieter von Kindertageseinrichtungen ..................421 11.4.1 Nachfrageseite: Kinder unter drei Jahren ...............................421 11.4.2 Nachfrageseite: Kinder ab drei Jahren ....................................425 11.4.3 Angebotsseite .........................................................................427 11.5 Pädagogisches Personal ......................................................................428 11.6 Internationale Einordnung ...............................................................429 11.7 Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule .......................433 11.8 Abschließende Bewertungen – Handlungsempfehlungen für die Zukunft .........................................434
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14 Inhaltsverzeichnis
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12 Qualität in der Kindertagesbetreuung .....................................................441 Yvonne Anders und Hans-Günther Roßbach 12.1 Einführung .......................................................................................442 12.2 Frühpädagogische Qualitätskonzepte ................................................443 12.2.1 Komponenten der pädagogischen Qualität von Kindertageseinrichtungen ...............................................443 12.2.2 Instrumente zur Messung der pädagogischen Qualität von Kindertageseinrichtungen ...............................................445 12.3 Steuerung der Qualität in der Kindertagesbetreuung .........................446 12.3.1 Allgemeine pädagogische/curriculare Orientierungen ............447 12.3.2 Bildungspläne ........................................................................449 12.3.3 Weitere Ansätze der Qualitätssteuerung .................................451 12.4 Aktuelle empirische Befunde zur Höhe der pädagogischen Qualität in der Kindertagesbetreuung in Deutschland ......................452 12.5 Gleiche Qualität in der Kindertagesbetreuung für alle? .....................457 12.6 Auswirkungen der Qualität der Kindertagesbetreuung ......................459 12.6.1 Welchen Einfluss hat die Qualität regulärer Kindertagesbetreuung auf die kindliche Entwicklung? ...........461 12.6.2 Welchen Einfluss haben spezifische qualitativ hochwertige Modellprogramme auf die kindliche Entwicklung? ................461 12.6.3 Profitieren Kinder, die in bildungsbenachteiligten Kontexten aufwachsen, in besonderer Weise von einer hohen Qualität vorschulischer Bildungsprogramme?..............463 12.7 Aktuelle Herausforderungen .............................................................463 13 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule........471 Sabine Martschinke 13.1 Erwartungen an die Grundschule ......................................................472 13.1.1 Der Bildungsauftrag der Grundschule....................................473 13.1.2 Bildung nach PISA und IGLU...............................................473 13.1.3 Bildung zwischen Kindertagesstätte und weiterführender Schule ...................................................474 13.1.4 Bildung für (fast) alle Kinder .................................................474 13.1.5 Grundschule als Teil der Bildungslandschaft ..........................474 13.2 Heterogenität der Schülerinnen und Schüler als Herausforderung ..........................................................................475 13.2.1 Heterogenität als „schwieriger“ Begriff ...................................475 13.2.2 Differenzlinien und ihre Bedeutung .......................................476 13.2.3 Behinderung als besondere Differenzlinie ..............................477
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Inhaltsverzeichnis 15 13.3 Individuelle Förderung .....................................................................480 13.3.1 Grundschulpädagogischer Umgang mit Heterogenität ...........480 13.3.2 Adaptivität als Qualitätskriterium für individuelle Förderung .....................................................481 13.3.3 Die Lehrkraft als wichtiger Gelingensfaktor ...........................482 13.3.4 Verbreitung individueller und adaptiver Förderung................485 13.4 Übergänge zu und von der Grundschule als Herausforderung ...........485 13.4.1 Der Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule ................................................................485 13.4.2 Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule..................................................488 13.5 Strukturelle Entwicklungen in der Grundschule................................489 13.5.1 Jahrgangsmischung ................................................................489 13.5.2 Ganztagsschule ......................................................................491 13.6 Herausforderungen für die Zukunft ..................................................494
IV Der Sekundarschulbereich .......................................................................503 Einführung zu IV: Der Sekundarschulbereich ..............................................505 Kai Maaz und Olaf Köller
14 Bildungsgänge im Sekundarbereich I ......................................................507 Olaf Köller 14.1 Frühe Differenzierung in der Sekundarstufe I und Bildungsexpansion .....................................................................508 14.2 Zunehmende Zweigliedrigkeit und Inklusion in der Sekundarstufe I .......................................................................512 14.3 Schulische Leistungen am Ende der Sekundarstufe I .........................515 14.3.1 Befunde aus PISA ..................................................................516 14.3.2 Nationale Schulleistungsvergleiche auf der Basis von Bildungsstandards.......................................520 14.3.3 Schulformunterschiede in den Leistungen .............................523 14.4 Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und in Leistungen ...............524 14.4.1 Soziale Disparitäten ...............................................................524 14.4.2 Migrationsbedingte Disparitäten ...........................................526 14.4.3 Geschlechtsdifferenzen...........................................................527 14.5 Fazit und Ausblick ............................................................................528
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16 Inhaltsverzeichnis
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15 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung ........................................................533 Marko Neumann und Ulrich Trautwein 15.1 Einführung .......................................................................................534 15.2 Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Sekundarbereich II.......................................................................535 15.3 Expansion und Öffnung der Wege zur Hochschulreife ......................536 15.4 Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe ......................540 15.4.1 Zielsetzungen und inhaltlich-organisatorische Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe ..............................541 15.4.2 12 und/oder 13 Jahre zum Abitur?.........................................548 15.4.3 Einheitliche Leistungsanforderungen beim Abitur – zentrale Abiturprüfungen und länderübergreifende Bildungsstandards ..................................................................550 15.4.4 Vergleichbarkeit von Abschlusszertifikaten und Noten ...........553 15.5 Herausforderungen und Bildungspotenziale beim Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung .............................557 16 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland ......................................565 Paula Protsch und Heike Solga 16.1 Einführung .......................................................................................566 16.2 Institutionelle Strukturen des Berufsbildungssystems ........................567 16.3 Zugang zu Ausbildungsplätzen und Berufen .....................................572 16.3.1 Zugangschancen und Marktverhältnisse ................................573 16.3.2 Segmentation der voll qualifizierenden Sektoren des Berufsbildungssystems .....................................................574 16.3.3 Betriebliche Auswahlprozesse .................................................577 16.4 Entwicklungen seit den 1970er Jahren ..............................................579 16.4.1 Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen .....................579 16.4.2 Die Bildungsexpansion und Berufsbildung ............................581 16.4.3 Transformation der Berufsbildung in Ostdeutschland ............583 16.5 Potenziale und Herausforderungen des Berufsbildungssystems ..........584 16.5.1 Kompetenzerwerb in der Berufsausbildung ............................584 16.5.2 Übergänge von der Schule in den Arbeitsmarkt .....................585 16.5.3 Berufliche Integration von Jugendlichen mit niedrigen Schulleistungen................................................587 16.5.4 Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung ..........................................................589
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Inhaltsverzeichnis 17 V Hochschulbildung......................................................................................595
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Einführung zu V: Hochschulbildung .............................................................597 Heike Solga 17 Institutionen der Hochschulbildung .......................................................599 Uta Liebeskind 17.1 Einführung .......................................................................................600 17.2 Hochschulisches Bildungsangebot .....................................................601 17.2.1 Das Spektrum hochschulischer Bildungseinrichtungen ..........601 17.2.2 Das Spektrum hochschulischer Ausbildungsangebote ............602 17.2.3 Zur Steuerung des Hochschulsystems ....................................606 17.3 Aktuelle Veränderungen in der Hochschulbildung ...........................609 17.3.1 Anhaltende Expansion ...........................................................609 17.3.2 Vielschichtige Differenzierung ...............................................612 17.3.3 „Gute Lehre“ im Fokus .........................................................614 17.3.4 Internationalisierung .............................................................618 17.4 Entwicklung von Bildungspotenzialen durch Hochschulbildung – zusammenfassende Betrachtungen ....................619 18 Bildungsverläufe im Hochschulbereich ...................................................629 Kathrin Leuze und Markus Lörz 18.1 Einführung .......................................................................................630 18.2 Übergänge in die Hochschule ...........................................................631 18.2.1 Studienentscheidung..............................................................632 18.2.2 Studienfachwahl ....................................................................635 18.2.3 Hochschulwahl ......................................................................637 18.3 Übergänge im Studium und Studienverlauf ......................................638 18.3.1 Auslandsmobilität ..................................................................639 18.3.2 Übergang Bachelor-Master ....................................................641 18.3.3 Studiendauer und Abbruch des Studiums ..............................642 18.4 Übergänge von der Hochschule in den Arbeitsmarkt ........................645 18.4.1 Arbeitsmarkterträge von Hochschulabsolventinnen und -absolventen ..........................647 18.4.2 Beschäftigungsadäquanz von Hochschulabsolventinnen und -absolventen ..........................649 18.4.3 Geschlechterungleichheiten im Arbeitsmarkt von Hochqualifizierten ..........................................................652 18.5 Künftige Herausforderungen für die Bildungspotenziale der Hochschulbildung .............................654
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18 Inhaltsverzeichnis
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19 Lehrerbildung ...........................................................................................663 Sigrid Blömeke 19.1 Einführung .......................................................................................664 19.2 Theoretischer Rahmen ......................................................................665 19.2.1 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften ............................665 19.2.2 Wirkungen der Lehrerbildung ...............................................666 19.3 Geschichte der Lehrerbildung in Deutschland ..................................667 19.3.1 Geschichte der Gymnasiallehrerausbildung vor 1945 .............667 19.3.2 Geschichte der Volksschullehrerausbildung ............................668 19.3.3 Lehrerausbildung nach 1945..................................................668 19.4 Struktur der Lehrerbildung ...............................................................669 19.4.1 Grundmerkmale der Lehrerbildung .......................................670 19.4.2 Spezielle Merkmale der ersten Ausbildungsphase ...................672 19.4.3 Spezielle Merkmale der zweiten Ausbildungsphase .................673 19.4.4 Offene Fragen und Herausforderungen..................................674 19.4.5 Zusammenfassung .................................................................677 19.5 Empirische Erkenntnisse zur Lehrerausbildung in Deutschland ........677 19.5.1 Deskriptive Merkmale angehender Grund- und Sekundarstufenlehrkräfte ................678 19.5.2 Qualität der deutschen Lehrerbildung im internationalen Vergleich ..................................................680 19.5.3 Entwicklung und Prädiktoren des fachbezogenen Wissens .....682 19.5.4 Pädagogisches Wissen angehender Lehrkräfte ........................683 19.6 Übergang von der Erstausbildung in den Beruf .................................685 19.6.1 Konzepte ...............................................................................685 19.6.2 Empirische Erkenntnisse zur Kompetenzentwicklung im Berufseinstieg........................686 19.7 Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen ..............................687 19.8 Schlussfolgerungen: Bildungspotenziale der Lehrerbildung ...............689
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Inhaltsverzeichnis 19 VI Erwachsenen- und Weiterbildung, Bildung im höheren und hohen Alter .....................................................697
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Einführung zu VI: Erwachsenen- und Weiterbildung, Bildung im höheren und hohen Alter ............................................................699 Josef Schrader
20 Institutionelle Rahmenbedingungen, Anbieter, Angebote und Lehr-Lernprozesse der Erwachsenen- und Weiterbildung ...............701 Josef Schrader 20.1 Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland.............................702 20.2 Volks-, Erwachsenen- und Weiterbildung: Institutionalisierung des lebenslangen Lernens ..................................705 20.3 Anbieter der Erwachsenen- und Weiterbildung .................................710 20.4 Angebote und Lehr-Lernprozesse in der Erwachsenen- und Weiterbildung ...........................................718 20.5 Potenziale der Erwachsenen- und Weiterbildung ...............................724 21 Bildungsbeteiligung Erwachsener unter besonderer Berücksichtigung individueller und sozialer Bedingungen ...................731 Harm Kuper 21.1 Anfänge und Entwicklung der Forschung zur Weiterbildungsbeteiligung ...........................................................732 21.2 Deskriptive Befunde zur Bildungsbeteiligung Erwachsener in der Bildungsberichterstattung ...................................734 21.3 Individuelle und soziale Bedingungen der Bildungsbeteiligung Erwachsener ...............................................742 21.4 Potenziale ..........................................................................................752 22 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung ............................................................757 Harm Kuper und Josef Schrader 22.1 Wirkungen der Weiterbildung ..........................................................758 22.1.1 Bewertung der Erträge von Weiterbildung in der Berichterstattung (AES) .................759 22.1.2 Monetäre und Arbeitsmarkterträge nach der Humankapitaltheorie .............................................................760 22.1.3 Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen ....................763 22.1.4 Wider Benefits of Learning (BeLL-Projekt) ............................764
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20 Inhaltsverzeichnis 22.2 Wirkungen der Steuerung von Weiterbildung ...................................765 22.2.1 Der (National-)Staat als zentraler und modernisierter Steuerungsakteur.....................................767 22.2.2 Steuerung durch inter- und supranationale Organisationen ..............................................767 22.2.3 Steuerung in und durch Organisationen und ihre Umwelten ................................................................769 22.3 Potenziale der Weiterbildung und ihrer Steuerung ............................769 23 Fortbildung des pädagogischen Personals in der frühen Bildung, der Schule und der Erwachsenen- und Weiterbildung ............................775 Josef Schrader, Yvonne Anders und Dirk Richter 23.1 Fortbildung des pädagogischen Personals ..........................................776 23.2 Frühe Bildung ...................................................................................780 23.2.1 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen und Angebote der Fortbildung ..............................................783 23.2.2 Adressaten und Nutzung von Fortbildungen .........................785 23.2.3 Effekte der Fortbildungsteilnahme ........................................786 23.3 Schule ...............................................................................................788 23.3.1 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen und Angebote der Fortbildung...............................................789 23.3.2 Adressaten und Nutzung von Fortbildungen..........................791 23.3.3 Effekte der Fortbildungsteilnahme .........................................793 23.4 Erwachsenen- und Weiterbildung .....................................................795 23.4.1 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen und Angebote .......................................................................796 23.4.2 Adressaten und Nutzung von Fortbildungen..........................798 23.4.3 Effekte der Teilnahme an Fortbildungen ................................801 23.5 Herausforderungen und Potenziale der Fortbildung ..........................802 24 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter .................................809 Bernhard Schmidt-Hertha und Rudolf Tippelt 24.1 Alter als Lebensphase ........................................................................810 24.2 Individuelle Voraussetzungen für Bildung im Alter ...........................812 24.2.1 Kognitive Entwicklung .........................................................812 24.2.2 Kompetenzen im Alter ..........................................................813 24.2.3 (Bildungs-)Biografische Bedingungen ...................................815
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Inhaltsverzeichnis 21 24.3 Strukturelle Voraussetzungen für Bildung im Alter: Anbieter und Angebote .....................................................................817 24.3.1 Anbieter.................................................................................818 24.3.2 Angebotsstrukturen und -formate .........................................819 24.4 Bildungsbeteiligung, Bildungsinteressen und Bildungsbarrieren im höheren und hohen Erwachsenenalter .............821 24.4.1 Bildungsbeteiligung und -interessen ......................................822 24.4.2 Bildungsbarrieren .................................................................825 24.5 Wirkungen von Bildung ...................................................................826 24.6 Potenziale einer Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter ............................................................828
VII Bildungsmedien und digitale Informationsumwelten ............................835 Einführung zu VII: Bildungsmedien und digitale Informationsumwelten ..............................................................837 Friedrich W. Hesse
25 Klassische Printmedien: Das Schulbuch..................................................839 Eckhardt Fuchs und Kathrin Henne 25.1 25.2 25.3 25.4 25.5 25.6 25.7 25.8 25.9 25.10 25.11
Gegenstand ......................................................................................840 Bildungspolitik ................................................................................841 Produktion ......................................................................................843 Zulassung und Evaluation ...............................................................845 Gestaltung .......................................................................................847 Nutzung ..........................................................................................849 Wirkung ..........................................................................................851 Berufliche Bildung ...........................................................................853 Öffentlichkeit ..................................................................................853 Schulbuchrevision ............................................................................854 Ausblick ...........................................................................................857
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22 Inhaltsverzeichnis
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26 Digitale Medien in Unterrichtskontexten ...............................................865 Peter Gerjets und Katharina Scheiter 26.1 Effektivität digitaler Medien in Unterrichtskontexten: Wirkt der Computer per se oder wirkt die spezifische Art und Weise seines Einsatzes? ...............................................................866 26.2 Instruktionale Potenziale digitaler Medien ........................................868 26.2.1 Information und Interaktion .................................................868 26.2.2 Individualisierung ..................................................................872 26.2.3 Instruktionale Vielfalt ............................................................875 26.3 Barrieren für die Potenzialrealisierung: Kompetenzen, digitale Lernmaterialien und Technologien ................878 26.3.1 Kompetenzen ........................................................................879 26.3.2 Digitale Lernmaterialien und Technologien ..........................884 26.4 Zusammenfassung und Ausblick ......................................................887 27 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung ..........................................................................895 Ulrike Cress, Joachim Kimmerle und Friedrich W. Hesse 27.1 27.2 27.3 27.4 27.5 27.6 27.7
Verbreitung und Nutzung des Internets und sozialer Medien ............896 Verfügbarkeit und Zugriff auf externes Wissen .................................899 Vernetzung und Partizipation als Bildungsziele..................................903 Potenziale sozialer Medien für Vernetzung und Partizipation.............904 Barrieren für Vernetzung und Partizipation ......................................906 Herausforderungen und Chancen für formale Bildungskontexte .......908 Ausblick ............................................................................................912
Autorinnen und Autoren ................................................................................917
Abkürzungsverzeichnis...................................................................................929
Register ...........................................................................................................935
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Glossar
21st Century Learning Skills (Kompetenzen und Fertigkeiten für das 21. Jahrhundert): Kompetenzen und Fertigkeiten, die Menschen im 21. Jahrhundert benötigen und die deswegen an Schulen vermittelt werden sollten: Neben grundlegenden Kompetenzen in klassischen Disziplinen (z. B. Mathematik, Kunst) und Kenntnissen über gesellschaftlich relevante Themen (z. B. Gesundheit, Umwelt) gehört dazu die Kompetenz, sicher mit neuen Informationstechnologien umzugehen, Informationen kritisch zu prüfen und zu teilen sowie mit anderen zu kooperieren. ► Kap. 27 Absolventenquote: Prozentualer Anteil der Personen an der gesamten altersgleichen Bevölkerung, die einen Hochschulabschluss erworben haben. ► Kap. 18 Accountability: Prinzip, einer Institution oder auch einer einzelnen (Lehr-)Person für Erfolge und Misserfolge Verantwortung zuzuschreiben, die anhand von standardisierten Kriterien evaluiert und offen gelegt werden. Im Fall von high-stakes accountability ist die Evaluation mit ernsthaften Konsequenzen verbunden, während sich low-stakes accountability auf Verfahren bezieht, die keine Sanktionierungen beinhalten. Accountability wird zumeist als Rechenschaftslegung übersetzt. ► Kap. 7 Adaptivität im Unterricht: Orientiert sich an den Lernvoraussetzungen der Schüler und Schülerinnen und zeigt sich in einer Passung des Unterrichts für alle Lernenden (z. B. offener Unterricht, Differenzierung) und in der spezifischen Förderung einzelner Lernender (z. B. spezifische Zusatzangebote). ► Kap. 13 Adäquate Beschäftigung: Übereinstimmung von erworbenen Qualifikationen und beruflichen Arbeitsanforderungen. Vertikale Adäquanz ist die Übereinstimmung zwischen formalem Ausbildungsniveau und beruflicher Stellung; horizontale Adäquanz ist die Passung von Ausbildungsinhalten und ausgeübter Tätigkeit. ► Kap. 18 Adult Education Survey (AES): Europäische Erhebung über die Teilnahme Erwachsener am lebenslangen Lernen. Das seit 1979 in Deutschland regelmäßig im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführte „Berichtssystem Weiterbildung“ ist weitgehend in den AES integriert. ► Kap. 21
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24 Glossar
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Akademische Sozialisation: Teilaspekt der elterlichen Involviertheit in die Bildung der Kinder, der v. a. die Vermittlung des Werts von Bildung durch die Eltern, die elterlichen Bildungsaspirationen sowie auch die Planung bildungsbiografisch relevanter Schritte und Übergänge umfasst. ► Kap. 4 Allgemeine Hochschulreife (Abitur): Berechtigt formal zum Studium aller Studiengänge an allen Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland. ► Kap. 15 Angebots-Nutzungs-Modell: Wird zur Beschreibung und Erklärung von Wirkungen von Bildungsmaßnahmen wie etwa einer Fortbildung genutzt. Das Modell beschreibt zum Beispiel Kontextbedingungen wie finanzielle Rahmenbedingungen, Regelungen oder Kompetenzen von Lehrkräften als Angebote, deren Nutzung unter anderem von den Zielen und dem Vorwissen der Lernenden beeinflusst wird. Das Modell erlaubt es, die Wirkungen der Bildungsmaßnahmen als Ergebnis des Zusammenspiels von Angebots- und Nutzungsfaktoren zu analysieren. ► Kap. 23 Ausbildungsordnung: In Deutschland werden alle Ausbildungsberufe des dualen Systems über Ausbildungsordnungen geregelt, die auf Basis des Berufsbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung erlassen werden. Bestandteile sind Berufsbezeichnung, Ausbildungsdauer, Berufsbild, Rahmenplan und Prüfungsanforderungen. ► Kap. 16 Behinderung: Neben einem auf das Individuum bezogenen Verständnis, das Menschen als behindert definiert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit deutlich beeinträchtigt sind und damit auch ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist, existiert ein soziales Modell von Behinderung. Behinderung wird hier als gesellschaftliche Barriere verstanden, die Individuen aufgrund von Normabweichungen benachteiligt. Behinderung ist damit eine soziale Konstruktion innerhalb konkreter gesellschaftlicher und historischer Bedingungen. ► Kap. 9 Berufsbildungsgesetz (BBiG): Regelt in Deutschland bundesweit die duale Berufsausbildung, berufsvorbereitende Maßnahmen sowie Fortbildungen und Umschulungen. Davon getrennt werden die schulischen Ausbildungsberufe sowie Studiengänge geregelt, meist auf Landesebene. ► Kap. 16 Beschäftigungsfähigkeit (employability): Soll mit Abschluss eines Ausbildungsabschlusses oder eines Hochschulstudiums (auch bereits nach dem Bachelorstudium) erreicht sein: Die Vermittlung der entsprechenden Kompetenzen ist in der Ausbildungs- bzw. Studiengangkonzeption vorzusehen. Absolventinnen und Absolventen sollen direkt in ein einschlägiges Beschäftigungsfeld einsteigen können. ► Kap. 17 Bildungsausgaben: Umfassen sämtliche von den öffentlichen Haushalten, privaten Akteuren und dem Ausland getätigte Ausgaben, die in den Bildungsbereich fließen. Dabei unterscheiden sich die Bildungsausgaben in internationaler und nationaler Abgrenzung. ► Kap. 5
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Glossar 25 Bildungsberichterstattung: Bildungsberichte dienen der Rechenschaftslegung über das Gesamtsystem oder einzelne Stufen (z. B. Berufsbildung) auf nationaler, Länder- oder kommunaler Ebene. Kern einer Bildungsberichterstattung ist ein überschaubarer, systematischer, regelmäßig aktualisierbarer Satz von Indikatoren, die jeweils einen Aspekt der Rahmenbedingungen, Prozesse oder Erträge im Bildungssystem anhand von Daten und statistischen Kennziffern abbilden. ► Kap. 7 Bildungsbiografie: Beschreibt die im Laufe eines Lebens angehäuften subjektiven Bildungserfahrungen einer Person, die sich zu bestimmten Mustern ausbilden. ► Kap. 24 Bildungsbudget: Teil des Budgets für Bildung, Forschung und Wissenschaft. In dem Budget werden die gesamten Bildungsausgaben eines Jahres zusammengefasst. ► Kap. 5 Bildungsertragsrate: Der prozentuale Anstieg des durchschnittlichen Arbeitseinkommens durch ein zusätzliches Bildungsjahr. Für Deutschland werden zumeist Renditen zwischen sieben und zehn Prozent geschätzt. ► Kap. 6 Bildungsexpansion: Steigende Beteiligung in weiterführenden Bildungsgängen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den elf Bundesländern Westdeutschlands eingesetzt hat. Indikatoren für die Bildungsexpansion sind, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler nach der Grundschule auf das Gymnasium wechseln und ein Studium aufnehmen. ► Kap. 1 und 14 Bildungsföderalismus (◄► Kulturhoheit): System der Aufgabenteilung im Bereich von Bildung zwischen dem Zentralstaat (Bund) und den Bundesländern (oder auch Kantonen, Provinzen); die konkrete Ausgestaltung kann dabei unterschiedlich erfolgen, sie kann auch Formen gemeinsamer Zuständigkeiten umfassen. ► Kap. 2 Bildungsinvestition: Bildung kann als Investitionsentscheidung verstanden werden, bei der die Kosten der Bildung damit verbundenen (zukünftigen) Erträgen gegenüberstehen. Zu den Kosten zählt neben den direkten Bildungskosten das während der Bildungsphase entgangene Erwerbseinkommen. Die Erträge können zum Beispiel in höheren Erwerbseinkommen, verringerter Arbeitslosigkeit und in nicht-monetärer Form anfallen. ► Kap. 6 Bildungsmonitoring: Laufende Beobachtung der Rahmenbedingungen, Verlaufsmerkmale, Ergebnisse und Erträge von Bildungsprozessen mit Hilfe empirischwissenschaftlicher Methoden. Dieser kontinuierliche Beobachtungs- und Analyseprozess kann sich auf die Ebene des Systems (Monitoring im engeren Sinne, Systemmonitoring) und auf die Ebene einzelner Schulen und Klassen (Monitoring im weiteren Sinne, Schulevaluation) beziehen. ► Kap. 7
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26 Glossar Bildungsplan: Im Zeitraum von Ende 2002 bis Frühling 2006 wurden in Deutschland Bildungspläne für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen entwickelt. Bildungspläne verstehen sich als verbindliche Orientierungshilfen für die Praxis. Die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer unterscheiden sich in ihrem Umfang und ihrer inhaltlichen Ausrichtung (zum Beispiel im Hinblick auf die Zielgruppe). Im Zentrum stehen die Inhalte der Bildungsarbeit. Alle Bildungspläne machen Angaben zu verschiedenen Inhalts-, Förder- oder Bildungsbereichen. Zentral werden zum Beispiel genannt: Sprache, Naturbegegnung, Sachwissen, Umgang mit Zahlen und Persönlichkeitsentwicklung. Betont wird in der Regel, dass es sich hier nicht um Fächer im Sinne von „Schulfächern“ handelt bzw. handeln soll. ► Kap. 12 Bildungsstandards: Länderübergreifende abschlussbezogene Leistungserwartungen (Lernziele) in ausgewählten Fächern. Für die Sekundarstufe I liegen Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik und die erste Fremdsprache (Englisch oder Französisch) vor. Sie definieren, was Schülerinnen und Schüler mindestens können sollten, wenn sie den Hauptschulabschluss oder Mittleren Schulabschluss anstreben. Das Erreichen der Leistungserwartungen wird mit Hilfe von standardisierten Leistungstests in regelmäßig stattfindenden Ländervergleichen festgestellt. ► Kap. 7 und 14 Chancenungleichheit: Ungleiche Bildungsmöglichkeiten von Personen mit unterschiedlichen zugeschriebenen (von ihnen nicht veränderbaren) Merkmalen wie soziale Herkunft, Migrationshintergrund oder Geschlecht. ► Kap. 8 Clark-Kozma-Debatte: Kern der Debatte zwischen dem Psychologen Richard Clark und dem Medientheoretiker Robert Kozma war die Frage: Hängen Lernerfolge von digitalen Medien per se oder vor allem von Lernmethoden und -materialien ab? Clark sieht in Medien lediglich vermittelnde Informationsträger. Kozma betont hingegen spezifische Potenziale digitaler Medien für die Realisierung neuer Lernformen. ► Kap. 26 Computer- und informationsbezogene Kompetenzen: Kompetenzen zum Sammeln, Bewerten, Zugreifen und Organisieren digitaler Information sowie zum Erzeugen, Kommunizieren und Austauschen von Information. ► Kap. 27 Concerted cultivation: Gesamtheit inner- und außerfamilialer bildungsbezogener Praxen, die (un)bewusst zur Förderung der kindlichen Bildung eingesetzt werden. ► Kap. 4 „Cyberbalkanization“: Im Internet können sich Menschen mit ähnlichen Interessen besonders gut vernetzen und Informationen austauschen. Das birgt die Gefahr, dass sich Menschen in viele kleine Gruppen aufteilen, die sich in ihren jeweiligen Meinungen bestätigen und verstärkt von den anderen Gruppen abgrenzen. ► Kap. 27
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Glossar 27
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Demografischer Wandel: Beschreibt den Zusammenhang von durchschnittlicher Lebenserwartung und Fertilitätsrate, die einen bestimmten Altersaufbau einer Gesellschaft zur Folge hat. In nahezu allen Industrienationen zeigt sich der demografische Wandel in einem deutlich wachsenden Anteil älterer Menschen. ► Kap. 24 Differenzielle Lern- und Entwicklungsmilieus: Darunter versteht man, dass junge Menschen unabhängig von und zusätzlich zu ihren individuellen Ressourcen je nach besuchter Institution (etwa der Schulform) unterschiedliche Entwicklungschancen erhalten, die sowohl durch den Zugang zu den unterschiedlichen Bildungsinstitutionen als auch durch die institutionellen Lernbedingungen und die schulformspezifischen pädagogisch-didaktischen Traditionen erzeugt werden. ► Kap. 8 Digitale Medienkompetenz: Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien beinhaltet neben technischen Fertigkeiten und einer verantwortlichen Nutzung digitaler Medien vor allem Informationskompetenz im Zusammenhang mit digital verfügbaren Informationen. Letztere stellt eine wichtige Rahmenbedingung für eine erfolgreiche Mediennutzung dar. ► Kap. 26 Duales Studium: Umfasst Studienmöglichkeiten, in denen theoretische Ausbildungsphasen an der Hochschule mit praktischen Ausbildungsphasen in Betrieben oder mit Berufsausbildungen kombiniert sind. ► Kap. 17 Eingliederungshilfe: Sozialleistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Ihr Ziel ist es, behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen zu helfen, die Folgen der Behinderung zu mildern und sich in die Gesellschaft einzugliedern. ► Kap. 7 Erwachsenen- und Weiterbildung (◄► Fortbildung): Weiterbildung meint zumeist die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase. Der Begriff Erwachsenenbildung wird als Spezifizierung allgemeiner und politischer Bildung im Gegensatz zu beruflicher Weiterbildung genutzt. Beides kann als organisiertes, formales und non-formales, sowie auch als informelles Lernen erfolgen. ► Kap. 20 Evaluation: Beurteilung des Erfolgs einer bestimmten Maßnahme oder eines Programms (z. B. eines bestimmten Ansatzes der Sprachförderung), der Leistungsfähigkeit einer einzelnen Institution (z. B. einer Schule), unter Umständen auch einzelner professionell arbeitender Personen (z. B. Lehrpersonal) mit Hilfe wissenschaftlich fundierter Verfahren. Evaluation setzt eine Klärung der jeweils zu beurteilenden Ziele voraus. ► Kap. 7 Externe und Binnendifferenzierung: Unterschiedliche Strategien der Leistungshomogenisierung von Lerngruppen. Im Falle der externen Differenzierung werden Schülerinnen und Schüler in Abhängigkeit von ihren erreichten Leistungsstärken unterschiedlichen Schulformen zugewiesen (in Deutschland beispielsweise dem Gymnasium oder einer nichtgymnasialen Schulform). Bei der Binnendifferenzie-
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28 Glossar
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rung werden leistungsheterogene Gruppen im Klassenverband zusammengehalten, und je nach Leistungsstärke der Schülerinnen und Schüler werden Aufgabenschwierigkeiten variiert. Beide Formen der Differenzierung können auch kombiniert werden, indem im Modell der Binnendifferenzierung der Klassenverband zeitweise aufgelöst wird und homogene Gruppen dann getrennt unterrichtet werden. ► Kap. 14 Fachhochschulreife: Berechtigt zum Studium an einer Fachhochschule und umfasst einen schulischen und einen praktischen Teil (berufliche Ausbildung oder Praktikum). ► Kap. 15 Förderplan: Instrument für die innerschulische individuelle Förderung von integrativ beschulten Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und allgemeinen Lernschwierigkeiten – also eine Art Lernentwicklungsplan. ► Kap. 10 Formative Assessment: Ein diagnostisches Vorgehen, bei dem durch regelmäßig wiederholte Lernstanderfassung mit einem hinreichend objektiven und zuverlässigen Instrument Informationen über den Lernverlauf einzelner Lernender gewonnen und an die Lehrenden und Lernenden weiter gegeben werden. ► Kap. 10 Fortbildung (◄► Erwachsenen- und Weiterbildung): Beschreibt alle formalen, non-formalen und informellen Lernaktivitäten der beruflichen Bildung, teils können darüber neue, sogenannte Fortbildungsberufe erlernt werden. Aufgrund der heterogenen beruflichen Voraussetzungen kann häufig nicht zwischen Weiter- und Fortbildung unterschieden werden. ► Kap. 23 Free-choice learning: Interessengeleiteter und selbst gesteuerter Erwerb von Wissen, wobei das lernende Individuum jeweils frei über Inhalt, Zeit, Ort und Modus der Aneignung entscheidet. Der Begriff von John Falk, dem Direktor des Institute for Learning Innovation, gilt als zentral für die Besucherforschung in Museen und Ausstellungen. ► Kap. 3 Frühe Bildung: Frühe Bildung bezieht sich auf Bildungsaktivitäten von Geburt an bis zum Ende des Schulanfangsunterrichts (Ende Klasse 2). Vorrangig wird der Begriff im Zusammenhang mit Bildung in Kindertageseinrichtungen benutzt. Der gesetzliche Auftrag von Kindertageseinrichtungen umfasst nach dem bundesweit gültigen Kinder- und Jugendhilfegesetz Erziehung, Bildung und Betreuung. Erziehung und Bildung beziehen sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und die Ausbildung von Werthaltungen. Sie umfassen die Bereitstellung eines den kindlichen Bedürfnissen entsprechenden, die Entwicklung herausfordernden sozialen und räumlich-materiell angemessenen Erfahrungsraums. Fokussiert werden didaktisch-methodische Vorgehensweisen, die dem Alter und dem Entwicklungsstand der Kinder angemessen sind. ► Kap. 11 G8/G9: Steht für die Zeit am Gymnasium, in der man zum Abitur geführt wird: achtjährig (Abitur nach acht Sekundarschuljahren bzw. zwölf Schuljahren) oder neunjährig (Abitur nach neun Sekundarschuljahren bzw. 13 Schuljahren). ► Kap. 15
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Glossar 29
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Ganztagsgrundschule: Grundschulen mit Ganztagsangebot haben das Ziel, ihre Schülerinnen und Schüler bis in den Nachmittag hinein zu betreuen. Dabei gibt es offene und (teil-)gebundene Formen mit unterschiedlichem Verpflichtungsgrad. Eine politische Motivation der Einrichtung von Ganztagsschulen ist die Hoffnung, in solchen Schulangeboten mehr Chancengleichheit realisieren zu können. ► Kap. 13 (Educational) Governance: Oberbegriff zur Analyse der Koordination sozialer Handlungen im Mehrebenensystem der (Weiter-)Bildung. Im Gegensatz zu Konzepten hierarchischer Steuerung betont der Governance-Begriff die kollektive Regelung von Sachverhalten durch verschiedene Akteure und Akteurskonstellationen mit unterschiedlichen Medien der Handlungskoordination. ► Kap. 17 und 22 Gymnasiale Oberstufe: Bezeichnet den schulischen Schlussabschnitt nach der Sekundarstufe I auf dem Weg zum Abitur. Die gymnasiale Oberstufe umfasst in der Regel drei Jahre und führt zur Hochschulzugangsberechtigung. ► Kap. 15 Heterogenität der Lernvoraussetzungen: Wird entlang verschiedener sozialer und biologischer Differenzmerkmale (z. B. Migrationshintergrund, Geschlecht, Behinderung) sichtbar. Die Merkmale beeinflussen das Leistungsverhalten und die Persönlichkeit und sind individuell unterschiedlich kombiniert. ► Kap. 8 und 13 High-Stakes Testing (◄► Low-Stakes Testing): Einsatz von Leistungstests, deren Ergebnis mit Konsequenzen für die entsprechende Person verbunden ist, also beispielsweise die Entscheidung über einen Hochschulzugang, die Versetzung in das nächste Schuljahr für Lernende oder das Gehalt einer Lehrkraft in Abhängigkeit von der Leistungsentwicklung ihrer Klasse. Im weiteren Sinne wird auch von high-stakes testing gesprochen, wenn die Konsequenzen nicht die getestete Person betreffen, sondern die Institution. ► Kap. 7 Hochschulpakt 2020: Ein im Jahr 2007 gestartetes Kooperationsprojekt des Bundes und der Länder, das bis 2023 vor allem die erhöhten Kosten für Lehre und Studium durch die angewachsenen Studierendenzahlen decken soll. ► Kap. 17 Home-Literacy Environment: Familiale Ressourcen und Gelegenheiten, die Kindern bezüglich des Schriftsprach- und mündlichen Spracherwerbs zur Verfügung stehen, v. a. gemeinsame Leseaktivitäten in der Familie und mehr oder weniger intentionale Praktiken der Einübung schriftsprachlicher (Vorläufer-)Fertigkeiten. ► Kap. 4 Humankapital: Umfasst Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen einer Person, mit denen sie auf dem Arbeitsmarkt Einkommen erzielen kann. Das Humankapital ist (neben dem Sachkapital wie Gebäuden, Maschinen oder technischen Anlagen) produktionstheoretisch der Inputfaktor zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen. ► Kap. 6 Informelles Lernen: Erwerb von Wissen oder Fertigkeiten ohne explizite Lernintention, typischerweise im Rahmen von Alltagsaktivitäten im Beruf, in der Familie
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oder in der Freizeit. In Kindheit und Jugend bilden die Familie und die Gruppe der Gleichaltrigen wichtige Einflussgrößen des informellen Lernens. ► Kap. 3 und 4 Involviertheit (von Eltern) in die Bildung der Kinder: Die Interaktion von Eltern mit Bildungsinstitutionen (Kindertageseinrichtung, Schule) und ihren Kindern zur Förderung des Bildungserfolgs der Kinder umfasst elterliche Aktivitäten zur Unterstützung des häuslichen Lernens (home-based involvement) und des Lernens in der Schule (school-based involvement). ► Kap. 4 ISCED O: Die International Standard Classification of Education (ISCED) der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) klassifiziert länderübergreifend unterschiedliche Ebenen von Bildungssystemen. Nach der ISCED-Klassifizierung von 1997 umfasst die erste ISCED Stufe (ISCED 0) die vorschulische Bildung und Erziehung für Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt. Seit der ISCED Klassifikation von 2011 werden zwei ISCED 0 Gruppen unterschieden: die Bildungsangebote für Kinder von 0 bis 2 Jahren und für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt. ► Kap. 11 Jahrgangsmischung in der Grundschule: Jahrgangsmischung, d. h. der gemeinsame Unterricht für Kinder unterschiedlicher Jahrgänge, ist eine strukturelle Maßnahme, die besonders in der Grundschule in der 1./2. Klasse, mittlerweile aber auch vermehrt in der 3./4. Klasse eingesetzt wird. Schülerinnen und Schüler aus mindestens zwei Jahrgängen werden dabei gemeinsam in einem Klassenverband unterrichtet. ► Kap. 13 Jugendarbeitslosenquote: Anteil aller arbeitslos gemeldeten jungen Erwachsenen (in der Regel 15- bis 24-Jährige) an allen jungen Erwerbspersonen (Erwerbstätigen, einschließlich betrieblichen Auszubildenden, sowie Arbeitslosen und Arbeitssuchenden). ► Kap. 16 Kausalanalysen: Dienen der Überprüfung ursächlicher Zusammenhänge. Die Frage nach kausalen Beziehungen zwischen Bildungsbeteiligung und ihren Erträgen stellt Forschungsvorhaben vor besondere theoretische und methodische Herausforderungen, die zum Beispiel in Längsschnittstudien oder mit Verfahren des propensity-score-matching angegangen werden. ► Kap. 6 und 22 Kindertageseinrichtungen: Der Begriff Kindertageseinrichtungen umfasst institutionelle Angebote für Kinder ab der Geburt. Darunter fallen Krippen, Kindergärten, Kindertagesstätten und andere Einrichtungen für Kinder bis zur Einschulung sowie Horte für Kinder im Grundschulalter. ► Kap. 11 Kompensatorische Effekte frühkindlicher Bildung und Betreuung: Der quantitative und qualitative Ausbau frühkindlicher Bildungs- und Betreuungssysteme ist auch von der Hoffnung getragen, dass Kinder, die in benachteiligten Kontexten aufwachsen, von frühkindlicher Bildung profitieren (dazu gehören z. B. Kinder aus
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Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status oder Kinder, die mit einer anderen Familiensprache als Deutsch aufwachsen). Die Frage der kompensatorischen Effekte bezieht sich daher auf die Frage, ob frühkindliche Bildung sozial- und bildungsbedingte Nachteile dieser Kinder ausgleichen kann. ► Kap. 12 Kompetenzen und Kompetenzmodelle: Kompetenzen beschreiben die kognitiven Fähigkeiten sowie die motivationalen und volitionalen (d. h. die Verwirklichung von Zielen unterstützenden) Voraussetzungen von Individuen zur Lösung alltäglicher Aufgaben. Kompetenzmodelle liegen als Komponenten- oder Strukturmodelle, als Niveau- oder Stufenmodelle sowie als Entwicklungsmodelle vor. ► Kap. 6 und 23; ► Kap. 13 und 19 (Kompetenzen und Kompetenzmodelle bei Lehrkräften); ► Kap. 26 (mediale Kompetenzen) Korporativer Pluralismus: Ordnungsprinzip in der Erwachsenen- und Weiterbildung, das in den Weiterbildungsgesetzen der Bundesländer verankert ist. Danach werden Weiterbildungsanbieter von Kommunen und Korporationen (Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände usw.) vor allem durch öffentliche Zuschüsse zu Personal- und Programmkosten subsidiär gefördert. ► Kap. 20 Kulturhoheit (◄► Bildungsföderalismus): Bezeichnet den Gestaltungsvorrang der Bundesländer im Bildungswesen; ergibt sich aus Art.30 GG, da das Grundgesetz dem Bund im Bildungswesen nur geringe Kompetenzen einräumt. ► Kap. 2 Kulturelle Bildung: Erwerb von Wissen und Fertigkeiten in Bezug auf das Gestalten, Verstehen, Wertschätzen und kritische Reflektieren von musischen und ästhetischen Inhalten und Produkten. ► Kap. 3 Kultusministerkonferenz: In Bildungsfragen haben in Deutschland die Bundesländer eine prioritäre Zuständigkeit (die sogenannte Kulturhoheit). Die Aufgabe einer Abstimmung der jeweiligen Landespolitiken, z. B. um Mobilität von Lernenden über Landesgrenzen zu sichern, obliegt der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, kurz Kultusministerkonferenz (KMK). ► Kap. 2 Large-Scale Assessments: Testreihen, die an großen, repräsentativen Stichproben oder sogar flächendeckend in standardisierter Form eingesetzt werden, um den erreichten Leistungsstand zu erfassen und zu dokumentieren. ► Kap. 7, 14 und 20 Lerngelegenheiten (Opportunities To Learn, OTL): Intendierte und implementierte Lehrangebote. Hierzu gehören z. B. fachspezifische Inhalte, ihr kognitives Anspruchsniveau, Lehrmethoden oder die Beratung und Unterstützung von Lernenden. ► Kap. 8, 19 und 23 Literacy: Traditionelle internationale Bezeichnung für schriftsprachliche Kompetenzen. In jüngerer Zeit wurde der Begriff auf andere zentrale Zielkompetenzbereiche von Bildung ausgeweitet und umfasst mittlerweile auch die Bereiche Sprache,
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Arithmetik sowie alle basalen Kompetenzen zum Verstehen, Kommunizieren und Erweitern nützlichen Wissens. ► Kap. 4; ► Kap. 26 und 27 (ICT Literacy) Low-Stakes Testing (◄► High-Stakes Testing): Einsatz von Leistungstests, die im Gegensatz zum high-stakes testing primär der Förderung oder Qualitätsentwicklung dienen. Ob ein bestimmtes Verfahren als high-stakes oder low-stakes eingeschätzt wird, hängt nicht von der Form oder Art des Testens ab, sondern von der Verwendung der Testergebnisse. So kann ein Test, der Lehrkräften als Feedbackinstrument über den Leistungsstand ihrer Klasse dienen soll, um Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung des Unterrichts zu liefern, zu einem high-stakes Test werden, wenn die Ergebnisse aller Klassen und Schulen veröffentlicht werden. ► Kap. 7 Medienwirkungsforschung: Beschreibt Effekte spezifischer Medien (wie Computer, Fernseher oder Bücher) auf die Mediennutzer. Die Frage, ob diese Medien Lerneffekte haben, die von der verwendeten Instruktionsmethode unabhängig sind, ist Gegenstand einer viel beachteten Debatte in der Pädagogischen Psychologie. ► Kap. 26 Mehrebenenmodell der Erwachsenen- und Weiterbildung: Verbindet die verbreitete Unterscheidung von Input-, Prozess- und Produktmerkmalen mit der Unterscheidung einer Mikro-, Meso- und Makroebene der Weiterbildung. Das Modell richtet den Blick der Forschung auf die individuellen Lehr-Lernprozesse, die organisationalen Strukturen und die institutionellen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie auf die Wechselbeziehungen zwischen ihnen. ► Kap. 20 Migrationshintergrund: Als Personen mit Migrationshintergrund werden in der Bildungsforschung zumeist jene Personen bezeichnet, die selbst oder deren Eltern oder Großeltern nach Deutschland zugewandert sind, ungeachtet ihrer gegenwärtigen Staatsangehörigkeit. ► Kap. 4, 8, 12, 13 und 14 Museumspädagogik: Zu den zentralen Aufgaben von Museen zählt neben Sammeln, Bewahren, Forschen auch die angemessene Vermittlung von Ausstellungsthemen und -inhalten an das Besuchspublikum und die interessierte Öffentlichkeit. Die Museumspädagogik ist insbesondere seit den 1970er Jahren personell wie konzeptionell verstärkt ausgebaut worden. ► Kap. 3 NEET: Personen, die sich nicht in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung befinden (Not in Employment, Education, or Training). ► Kap. 16 Nicht-monetäre Bildungserträge: Bildungserträge, die über monetäre Erträge der Bildung – Einkommen und Wirtschaftswachstum – hinausgehen. Diese umfassen etwa eine längere Lebenserwartung, bessere Gesundheit, höhere Arbeitszufriedenheit, geringere Kriminalität und vermehrtes staatsbürgerliches Engagement. ► Kap. 6
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Non-formales Lernen: Intentionaler Prozess des Erwerbs von Wissen oder Fertigkeiten, der außerhalb formaler Bildungsinstitutionen in didaktisch strukturierten Kontexten (zum Beispiel Volkshochschulen, Museen) erfolgt. ► Kap. 3 Pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen: Das in Kindertageseinrichtungen beschäftigte pädagogische Personal. Die Hauptgruppe sind Erzieherinnen und Erzieher (Ausbildung an Fachschulen, Fachakademien für Sozialpädagogik oder Hochschulen) sowie Kinderpflegerinnen und -pfleger (Ausbildung an Berufsfachschulen). Nur ein geringer Teil des pädagogischen Personals hat einen Hochschulabschluss (z. B. Diplom-Sozialpädagoginnen und -pädagogen oder Kindheitspädagoginnen und -pädagogen). ► Kap. 11 Pädagogische Qualität von Kindertageseinrichtungen: Eine hohe pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen liegt vor, wenn die Lern- und Entwicklungsumgebung die Kinder in einem ganzheitlichen Sinne fördert, so dass unterschiedliche Entwicklungsbereiche (körperlich, emotional, sozial, kognitiv, musisch) angesprochen sind, und wenn die Eltern in ihrer Erziehungsarbeit unterstützt werden. Es werden unterschiedliche Komponenten der Qualität unterschieden: die Strukturqualität, Orientierungsqualität, Prozessqualität und Öffnung nach außen. Von besonderer Relevanz für die Förderung der kindlichen Entwicklung ist die Prozessqualität. Sie beinhaltet sowohl globale Aspekte, wie ein für den kindlichen Entwicklungsstand angemessenes Verhalten und ein warmes Klima, als auch die Qualität der bereichsspezifischen Anregung in Bereichen wie Sprache, Schrift, frühe Mathematik sowie Naturwissenschaften. ► Kap. 12 Partizipation: Teilhabe an sozialen und gesellschaftlichen Prozessen. In Bezug auf das Internet wird der Begriff der Partizipation häufig in dem Sinne verwendet, dass Personen niedrigschwellig eigene Inhalte veröffentlichen und sich z. B. durch Blogs, Wikis oder auch „Likes“ in sozialen Netzwerken öffentlich äußern können. ► Kap. 27 P-I-D: Beschreibt die Prozesse der Wahrnehmung (P=perception), Interpretation (I=interpretation) und Entscheidungsfindung (D=decision-making), die die Transformation von Lehrkraftkompetenzen in unterrichtliches Handeln vermitteln. ► Kap. 19 Prävention: Maßnahmen zur Abwendung von unerwünschten Ereignissen oder Zuständen; wird unterschieden danach, ob sie für alle (primäre bzw. universelle Prävention), für indizierte Risikogruppen (sekundäre bzw. selektive Prävention) oder für bereits auffällig gewordene Personen (tertiäre bzw. indizierte Prävention) umgesetzt werden. ► Kap. 4 Primäre und sekundäre Herkunftseffekte: Als primäre Herkunftseffekte werden Einflüsse der sozialen Herkunft bezeichnet, die in unterschiedlichen Schulleistungen und Kompetenzen von Kindern resultieren. Sekundäre Herkunftseffekte bezeichnen unterschiedliche Bildungsentscheidungen nach sozialer Herkunft. ► Kap. 8
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Produktivität: Bezeichnet das Verhältnis zwischen der produzierten Menge an Gütern und Dienstleistungen (Output) und den eingesetzten Ressourcen (Produktionsfaktoren) in einem Produktionsprozess. Produktivität misst, wie viel an Gütern pro Produktionsfaktor erwirtschaftet wird. ► Kap. 6 Professionelle Kompetenzen von Lehrpersonen: Sind die kognitiven Leistungsdispositionen und die damit verbundene affektiv-motivational-soziale Bereitschaft und Fähigkeit von Lehrkräften, die zu einer erfolgreichen Bewältigung von beruflichen Anforderungssituationen führen. ► Kap. 19 Qualitätsentwicklung: Maßnahmen und Strategien zur Verbesserung der Qualität von Bildungssystemen, Bildungseinrichtungen oder Lehrkräften. ► Kap. 7 Qualitätssicherung: Gesamtheit formalisierter und institutionalisierter Verfahren, mit denen die Qualität von Organisationen im Bildungssystem, insbesondere deren Prozess- und Ergebnisqualität, beschrieben und bewertet wird. ► Kap. 7 Quereinsteiger (Lehrkräfte) (◄► Seiteneinsteiger): Personen, die nur den ersten Teil der zweiphasigen Lehrerausbildung absolviert haben. Die Bundesländer haben die Regelung des Quereinstiegs in die zweite Phase – den Vorbereitungsdienst – mit einem fachnahen Diplom- oder Masterabschluss für Unterrichtsfächer mit starkem Lehrermangel eingeführt. ► Kap. 19 Reproduktionskontexte: Das Modell der Reproduktionskontexte ordnet die heterogene institutionelle Struktur der Erwachsenen- und Weiterbildung in Abhängigkeit von der Frage, wie sich Organisationen Ressourcen (durch Verträge oder Aufträge) und Legitimationen (durch den Verweis auf öffentliche oder private Interessen) beschaffen. Die Kombination beider Merkmale führt zur Unterscheidung der vier Reproduktionskontexte der Gemeinschaften, des Staates, der Unternehmen und des Marktes, in denen je unterschiedliche Typen von Weiterbildungseinrichtungen agieren. ► Kap. 20 Response-to-Intervention-Ansatz (RTI): Diagnostisches Vorgehen, bei dem in einer Abfolge aufeinander bezogener Stufen geprüft wird, ob die Lernschwierigkeiten von Kindern bereits durch normalen Unterricht, eine Zusatzförderung in Kleingruppen oder erst durch intensive Einzelförderung überwunden werden können. ► Kap. 10 Schülerlabore: In der Regel außerschulische Räume, die so ausgestattet sind, dass Kinder und Jugendliche eigenständige wissenschaftliche Projekte durchführen können, die das Verständnis für den Forschungsprozess sowie die Arbeitsmethoden fördern. ► Kap. 3 Schulische Disparitäten: Ungleichheit zwischen verschiedenen sozialen Gruppen in der Bildungsbeteiligung und den erworbenen schulischen Kompetenzen. Gegenstand empirischer Untersuchungen sind vor allem Geschlechterdisparitäten
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(Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen), migrationsbedingte Disparitäten (Unterschiede zwischen Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund) und soziale Disparitäten (Unterschiede zwischen Schüler*innen, die aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammen). ► Kap. 8 und 14 Seiteneinsteiger (Lehrkräfte) (◄► Quereinsteiger): Personen, die in einzelnen Bundesländern ohne jede Form formaler Lehrerausbildung in den Schuldienst eintreten können. Allerdings muss sich diese Personengruppe in der Regel einer Schnellausbildung parallel zum Schuldienst unterziehen, wenn ein Dauerarbeitsvertrag abgeschlossen werden soll. ► Kap. 19 Sonderpädagogischer Förderbedarf: Liegt vor, wenn die allgemeine Schule trotz zusätzlicher unterstützender und differenzierender Maßnahmen nicht in der Lage ist, auf spezifische Bildungs-, Entwicklungs- und Lernbedürfnisse von Schülerinnen und Schülern einzugehen und deshalb zusätzlich gezielte Maßnahmen zur Diagnostik, Förderung und Evaluation erforderlich sind. Es werden in Deutschland acht Förderschwerpunkte unterschieden: Lernen, Sprache, Emotionale und soziale Entwicklung, Geistige Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung, Hören, Sehen, Chronische Erkrankung. ► Kap. 9 Soziale Medien: Digitale Webtechnologien, die es ermöglichen, dass sich Menschen miteinander vernetzen, miteinander kooperieren und gemeinsam digitale Inhalte erstellen. Typische soziale Medien sind Wikis, Blogs, Twitter oder soziale Netzwerke wie Facebook. ► Kap. 27 Studienabbruch: Liegt vor, wenn Studierende das Hochschulsystem ohne einen ersten Abschluss vorzeitig verlassen. Im Gegensatz dazu stellen Fach- oder Hochschulwechsel, bei denen das Studium im weiteren Verlauf erfolgreich abgeschlossen werden kann, keinen Studienabbruch dar. ► Kap. 18 Studienanfängerquote: Prozentualer Anteil der Personen an der altersgleichen Bevölkerung, die erstmals ein Hochschulstudium aufgenommen haben. ► Kap. 18 Studienberechtigtenquote: Prozentualer Anteil der Personen an der altersgleichen Bevölkerung, die eine Studienberechtigung, z. B. das Abitur oder Fachabitur, erworben haben. ► Kap. 18 Studienstrukturreform: Umstellung der Studienabschlüsse auf eine gestufte Struktur: der erste Abschluss (Bachelor) wird bereits nach sechs oder sieben Semestern Regelstudienzeit erreicht, optional schließt sich ein zwei- bis viersemestriges Masterstudium an. ► Kap. 17 Studierendenzentrierung: Hochschuldidaktisches Prinzip, Studium und Lehre von den Studierenden ausgehend (statt von den zu vermittelnden Inhalten her) zu konzipieren. Studierendenzentrierung ermöglicht, in der Lehre Lernprozesse in den Fokus zu rücken und zu optimieren. ► Kap. 17
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Teilnehmerforschung: Die Teilnehmerforschung ist ein Bereich der Forschung zur Erwachsenen- und Weiterbildung. Untersucht wird das Teilnahme- und Lernverhalten Erwachsener, die Häufigkeit und das Volumen, die Inhalte und Themen, die soziodemografischen Merkmale, die Interessen und Motive oder die finanziellen Voraussetzungen einer Teilnahme. ► Kap. 21 „U3-Ausbau“: Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren, der seinen Anfang mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) im Jahr 2005 nahm und mit dem seit Mitte 2013 gültigen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr eine weitere Zäsur erfährt. ► Kap. 11 Übergangssystem: Zusammenfassender Begriff für alle berufsvorbereitenden Maßnahmen des Berufsbildungssystems, die nicht zu einem vollwertigen Ausbildungsabschluss führen. ► Kap. 16 Zentralabitur: Steht für ländereinheitliche Abiturprüfungsaufgaben und Korrekturvorgaben. Das Zentralabitur existiert in Deutschland aktuell nur auf Ebene der einzelnen Bundesländer. ► Kap. 15 Zwei-Säulen-Modell: Zunehmende Form im deutschen allgemeinbildenden Schulsystem in der Sekundarstufe I. Die eine Säule stellt das traditionelle Gymnasium dar, das nach Klasse 4 (in Berlin und Brandenburg nach Klasse 6) die Schülerinnen und Schüler zur Hochschulzugangsberechtigung führt. Die zweite, nichtgymnasiale Säule bietet je nach Leistungsstärke der Schülerinnen und Schüler Wege zu allen drei allgemeinbildenden Schulabschlüssen (Hauptschulabschluss, Mittlerer Schulabschluss und Hochschulzugangsberechtigung). ► Kap. 14
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Vorwort
1979 erschien erstmals der Band „Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Strukturen und Entwicklungen im Überblick“. Dieser Band war als Handbuch konzipiert und sollte umfassend und systematisch einen Überblick über das gesamte Bildungswesen in Deutschland geben und dabei über seine institutionelle Struktur, langfristige Entwicklungslinien und aktuelle Problemlagen informieren. Die Herausgeberschaft und Verantwortung der Inhalte übernahm eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und verband dies mit dem Anspruch einer unabhängigen und aktuelle Forschungsergebnisse berücksichtigenden Bildungsberichterstattung. Durch vollständig bearbeitete Neuauflagen des Bandes entstand eine Tradition der Bildungsberichte des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Dabei wurde 1994 eine Neuausgabe veröffentlicht, in der aufgrund der Vereinigung der beiden vormals bestehenden deutschen Staaten auch die Entwicklungen im Bildungssystem der DDR integriert wurden. 2003 erschien eine weitere Neuauflage vor dem Hintergrund der damals anhaltenden Wirtschaftsschwäche und der zunehmend spürbar werdenden Folgen des demografischen Wandels. Die letzte Neuauflage des Max-Planck-Berichtes wurde schließlich 2008 vorgelegt, motiviert durch eine Vielzahl von Modernisierungsbestrebungen im deutschen Bildungssystem. Mittlerweile haben sich weite Teile der Bildungsforschung in Deutschland in der Leibniz-Gemeinschaft organisiert. So entstand 2012 der Leibniz-Forschungsverbund Bildungspotenziale – auch mittlerweile bekannt als Leibniz Education Research Network (LERN). Diesem Forschungsverbund gehören 16 Institute der Leibniz-Gemeinschaft an. Ergänzt wird der Verbund durch sieben weitere universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Deutschland und Luxemburg. In den Mitgliedsinstitutionen arbeiten Forscherinnen und Forscher aus der Erziehungswissenschaft, den Fachdidaktiken, der Linguistik, den Medien- und Kulturwissenschaften, den Neurowissenschaften, der Ökonomie, der Politikwissenschaft, der Psychologie, der Soziologie sowie der Informationswissenschaft und der Informatik. Aufgabe des Verbundes ist es, die Fachkenntnisse der einzelnen Institute
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38 Vorwort und ihrer Forschungsfelder im Hinblick auf Bildungsfragen zusammenzuführen und auszubauen. Ein Hauptziel besteht darin, Potenziale von und für Bildung zu identifizieren und sie für eine bessere Nutzung zur Bewältigung von individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen im Kontext von Bildung zu erschließen. Als die Frage an die Sprechergruppe von LERN herangetragen wurde, ob der Leibniz-Forschungsverbund die Tradition des Berichtes des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung weiterführen wolle, haben wir ohne Zögern zugesagt und uns an eine Neukonzeption gemacht. Das Produkt halten Sie nun in den Händen. Auch wenn sich der Kreis der Verantwortlichen, der Titel des Bandes („Das Bildungswesen in Deutschland – Bestand und Potenziale“) und der Verlag (utb/Klinkhardt) geändert haben, haben wir uns darum bemüht, die Tradition der unabhängigen forschungsbasierten Berichterstattung weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Dabei haben wir grundlegende Entwicklungen und Strukturprobleme im deutschen Bildungswesen aufgenommen und beschreiben für die verschiedenen Bildungsetappen, welche generellen Trends im deutschen Bildungssystem zu welchen strukturellen und inhaltlichen Reformen geführt haben. Zu diesen Trends zählen: • Demografische Herausforderungen: - Sinkende Geburtenzahlen bei gleichzeitig ansteigenden prozentualen Anteilen der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen nicht-deutscher Herkunft. - Vielfältige Initiativen zur Reduzierung von Ungleichheit, hier vor allem zur Beseitigung von sozialen, migrationsbedingten Disparitäten und Geschlechterdisparitäten im Bildungsbereich. • Folgen der digitalen Durchdringung der Lebens-, Arbeits- und Bildungswelten: - Die Rolle digitaler Medien in informellen und formalen Bildungsangeboten. - Sicherung einer informationstechnologischen Grundbildung als Aufgabe aller Fächer in der Schule. - Fragen der Sicherung nachhaltiger digitaler Bildungsinfrastrukturen in allen Bildungskontexten. • Stärkung der frühen Bildung: - Erhebliche Bemühungen, Bildungsangebote im vorschulischen Bereich – auch bei den unter Dreijährigen – auszubauen, um auf diese Weise mehr Chancengleichheit zum Zeitpunkt der Einschulung herzustellen, aber auch, um dem gesetzlich verankerten Betreuungsanspruch von Eltern nachzukommen. - Damit verbunden der Ausbau der Sprachförderung im Elementar- und Primarbereich. - Vermehrt auch frühe Angebote im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich.
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Vorwort 39 • Veränderungen im allgemeinbildenden Schulsystem: - Reduzierung verzögerter Schulkarrieren durch eine Vorverlegung des Einschulungsalters, eine flexible Eingangsphase zu Beginn der Grundschule und Veränderungen in der Versetzungspraxis von Schülerinnen und Schülern. - Das Streben nach höherer Bildung verbunden mit der Expansion des Gymnasiums und der Verlängerung der Schulzeit. - Transformation des differenzierten Schulsystems in der Sekundarstufe I: Von einem viergliedrigen System mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Integrierter Gesamtschule hin zu einem Zwei-Säulen-Modell mit dem Gymnasium und einem nichtgymnasialen Zweig, der für Teile der Schülerinnen und Schüler auch zur Hochschulzugangsberechtigung führt. - Reformen in der gymnasialen Oberstufe, die eine höhere Verbindlichkeit des Unterrichts in den Kernfächern (Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache) sichern. - Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre, gefolgt von starken Bestrebungen wieder zu neun Jahren zurückzukehren. - Der Ausbau von Ganztagesangeboten im Schulsystem, zum einen, um benachteiligten Schülerinnen und Schülern zusätzliche Förderangebote zu machen, zum anderen, um mehr Betreuungsangebote für berufstätige Eltern zu bieten. - Gesteigerte Anstrengungen, um die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf voranzutreiben. • Weiterentwicklungen im Hochschulbereich, konkret: - Fortlaufender Anstieg der Studierendenzahlen an deutschen Hochschulen und damit insgesamt eine Schwächung des dualen beruflichen Ausbildungssystems. - Förderung des Wettbewerbs zwischen Hochschulen (Exzellenzinitiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft). - Umstellung auf Bachelor-/Masterstudiengänge als Folge der EU-Beschlüsse von Bologna. - Stärkung dualer Studiengänge, in denen neben hochschulischen Lehrangeboten gleichberechtigt praktische Anteile in Unternehmen stehen. - Öffnung der Hochschulen für Studierende ohne traditionelle Hochschulreife (Abitur). • Reformen in der Lehramtsausbildung, konkret: - Umstellung von Staatsexamensstudiengängen hin zu Bachelor-/Masterstudiengängen. - Etablierung von Schools of Education in Universitäten, in denen eigene, für die Lehramtsausbildung zuständige universitäre Strukturen geschaffen werden. - Erhöhung der Praxisanteile.
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40 Vorwort - Bereitstellung von erheblichen finanziellen Mitteln für eine Verbesserung der universitären Lehre im Bereich der Lehramtsausbildung (Beispiel: Qualitätsoffensive Lehrerbildung der Bundesregierung). - Der Trend weg von der schulformbezogenen zur schulstufenbezogenen Lehramtsausbildung, bei der Studiengänge zum Grundschullehramt, zum Lehramt in der Sekundarstufe I und zum Lehramt in der Sekundarstufe II angeboten werden. - Erhöhung des Anteils von Studienmodulen in den Bereichen Inklusion, Deutsch als Zweitsprache und Sonderpädagogik. - Zunehmende Forschungsbemühungen zur Wirksamkeit der Lehramtsausbildung. • Modernisierung des beruflichen Aus- und Weiterbildungssystems: - Anpassung an die zunehmende Automatisierung von Fertigungsprozessen. - Von dualen Ausbildungsberufen zu dualen Studiengängen. • Fortschreitende Institutionalisierung der Erwachsenen- und Weiterbildung: - Steigende Beteiligungsquoten und anhaltende soziale Ungleichheiten. - Flächendeckende Einführung von Systemen des Qualitätsmanagements in Organisationen dieses vierten Bildungsbereichs. - Zunehmendes Interesse an den monetären und nicht-monetären Erträgen des lebenslangen Lernens und an der Zertifizierung non-formalen und informellen Lernens. - Wachsende Aufmerksamkeit für die Beschäftigungsbedingungen, die Qualifikationen und die Kompetenzen des Personals. • Bildungsmonitoring – Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungssystems: - Große nationale und internationale Schulleistungsstudien im Grundschulbereich und am Ende der Sekundarstufe I. - Flächendeckende Vergleichsarbeiten in der Grundschule und in der Sekundarstufe I. - Internationale Studien zur Feststellung von Basiskompetenzen (in den Bereichen Verkehrssprache, Mathematik und Computer-bezogene Kompetenzen). - Einführung von Schulinspektionen/externen Evaluationen von Schulen. - Bildungsberichterstattung auf nationaler Ebene und in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Der Band gliedert sich entlang dieser Trends in sieben Teilbereiche. Der Teilbereich I beschäftigt sich mit Bildungsstrukturen und Bildungsorten. Teilbereich II ist den Aufgaben und Herausforderungen im Bildungswesen gewidmet. Es folgen vier Teilbereiche, die den Fokus auf Bildungsetappen entlang der Bildungsbiografie im Lebenslauf legen: III. Frühe Bildung: Kindertageseinrichtungen und Grundschule; IV. Der Sekundarschulbereich; V. Hochschulbildung;
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Vorwort 41 VI. Erwachsenen- und Weiterbildung, Bildung im höheren und hohen Alter. Schließlich beschäftigt sich der Teilbereich VII mit Bildungsmedien und digitalen Informationsumwelten, einem Megathema der kommenden Jahre. In jedem dieser Teilbereiche werden zentrale Themen, relevante Hintergründe und aktuelle Entwicklungen dargestellt, ohne dies mit dem Anspruch auf Vollständigkeit zu verbinden. Über die Akzente und Schwerpunkte informiert eine kurze Einführung. Für den Band konnten wir eine Vielzahl der führenden Expertinnen und Experten im Feld gewinnen. Ganz gemäß den Zielen des Leibniz-Forschungsverbundes haben wir sie ermutigt, in den einzelnen Kapiteln nicht nur den aktuellen wissenschaftlich fundierten Sachstand darzustellen, sondern auch Einschätzungen zu wagen, welche Potenziale sie in den jeweiligen Themen und Feldern sehen. Der fertig gestellte Band hat einen stolzen Umfang. Auch wenn er nicht als Lehrbuch für alle Studien- und Ausbildungsgänge im Bildungsbereich konzipiert ist, so haben wir doch darauf geachtet, dass in den einzelnen Kapiteln jeweils eine Darstellungsform gewählt wurde, die es erlaubt, die Texte auch als Grundlage in entsprechenden Lehrveranstaltungen zu verwenden. Die Beiträge bieten vielfältige Informationsquellen nicht nur für Studierende; der Band ist auch ein nützliches Nachschlagewerk für Expertinnen und Experten in Bildungspraxis, Bildungsverwaltung, Bildungspolitik und Bildungsforschung. Bis zur Fertigstellung eines solchen Werkes müssen viele Zwischenschritte durchlaufen werden, bei denen es mitunter zu zeitlichen Verzögerungen kommt. So wurden einige Beiträge bereits im Jahr 2016 abgeschlossen, wenige andere erst im Jahr 2018. Wir danken an dieser Stelle Herrn Sven Zedlitz sowie Frau Sabine Eyert-Kobler und Frau Zahide Marquardt-Gültepe aus der Koordinationsstelle des LERN-Verbundes. Unser Dank geht zudem an die Leibniz-Gemeinschaft, die den Forschungsverbund mit Mitteln in der Förderlinie Strategische Vernetzung des Leibniz-Wettbewerbs unterstützt. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viele anregende und inspirierende Einsichten.
Olaf Köller Marcus Hasselhorn Friedrich W. Hesse Kai Maaz Josef Schrader Heike Solga C. Katharina Spieß Karin Zimmer
Frankfurt, 22. Oktober 2019
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I Bildungsstrukturen und Bildungsorte
Einführung zu I Olaf Köller (IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik) und Karin Zimmer (Universität Vechta) „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten. Aspekte ihrer Struktur und Dynamik am deutschen Exempel Heinz-Elmar Tenorth (Humboldt-Universität zu Berlin) Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Hans-Peter Füssel (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) Non-formale und informelle Bildungsangebote Stephan Schwan (Leibniz-Institut für Wissensmedien) und Annette Noschka-Roos (Deutsches Museum) Bildungsort Familie Sabine Walper und Mariana Grgic (Deutsches Jugendinstitut) Bildungsausgaben C. Katharina Spieß, Johanna Storck und Vaishali Zambre (DIW Berlin)
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| 45 Einführung zu I
Bildungsstrukturen und Bildungsorte Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:39 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Olaf Köller und Karin Zimmer
Die Anbahnung und der Vollzug gelingender Bildungsprozesse über die Lebensspanne stellen die zentralen Existenzgrundlagen moderner Gesellschaften in einer zunehmend globalisierten Welt dar. Die Bereitstellung von Lerngelegenheiten in institutionellen Settings (Kindergarten, Schule, berufliche Bildung, Hochschule), in non-formalen bzw. informellen Lernumwelten (u. a. Museen, naturwissenschaftliche Labore, Internet) und in der Familie bieten die Grundlagen für kognitive und sozial-emotionale Lernprozesse auf Seiten der Lernenden. Unbestritten ist dabei, dass unterschiedliche Lernkontexte bzw. Entwicklungsmilieus in unterschiedlichen Lebensabschnitten in ihrer Bedeutung für die individuelle Lernerin oder den individuellen Lerner von unterschiedlicher Bedeutung sind. So sind die ersten Lebensmonate beinahe ausschließlich durch die Eltern-Kind-Interaktionen dominiert, Anfänge kognitiver Entwicklung – beispielsweise des Spracherwerbs – sind die Konsequenz elterlicher Angebote und der Nutzung dieser Angebote durch den Säugling. Mit zunehmendem Alter – durch den Ausbau der Unter-DreijährigenBetreuung bereits nach dem ersten Lebensjahr – steigt die Bedeutung der Institutionen, bis die Kinder dann im Alter von sechs Jahren in stark formalisierte Angebote der Grundschule einsteigen. Das institutionelle Setting der allgemeinbildenden Schule übernimmt dabei explizit die Aufgabe, den Kindern bzw. Jugendlichen bis zum Übertritt in die berufliche Erstausbildung oder in das Studium vertiefte Allgemeinbildung zu vermitteln und sie auf die berufliche bzw. akademische Welt, in die sie anschließend eintreten, vorzubereiten. Dabei ist unbestritten, dass Eltern wie auch Peers und vor allem das Internet der Dinge parallele Lern- und Entwicklungskontexte darstellen, die teilweise schulisches Lernen unterstützen, teilweise aber auch in Konkurrenz treten können, beispielsweise wenn Eltern aufgrund ihrer kulturellen und sozialen Lage keine außerschulische Stützfunktion für ihre Kinder übernehmen können. Mit dem Abschluss der beruflichen bzw. akademischen Ausbildung brechen klar strukturierte, institutionelle Lernumwelten zugunsten informeller Lernorte weitgehend weg, vor allem netzbasierte und non-formale Angebote spielen dann eine
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46 Einführung zu I große Rolle für weitere Bildungsprozesse der Erwachsenen, selbstredend natürlich auch die berufliche Weiterbildung. Der vorliegende Buchteil unternimmt den Versuch, (1) das sperrige Konzept der „Bildung“ in seiner Genese und Tradition zu fassen und besser zu verstehen, (2) Rahmenbedingungen zu beschreiben, unter denen Bildungsinstitutionen entstehen und sich konsolidieren, sowie (3) die vielfältigen Lernumwelten zu beschreiben, in denen Bildungsprozesse angebahnt werden. Für alle Bildungsorte gilt dabei, dass Lernen umso besser gelingt, je höher die Interaktionsqualität zwischen Lehrenden und Lernenden ist. Lehrende können dabei Eltern, Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte, Erwachsenenbildner*innen, aber auch Medien wie interaktive webbasierte Plattformen oder Ausstellungen in Museen sein. Kapitel 1 beschreibt die Entstehung des deutschen Bildungsbegriffs seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert und darauf aufbauend die Etablierung des Bildungssystems in Deutschland in mehreren Etappen bis hin zum heutigen System. Dabei wird ein deutlicher Schwerpunkt auf die Bedeutung von Schule und ihre Modernisierungsprozesse gelegt. Kapitel 2 legt ebenso wie das erste einen Schwerpunkt auf Schule und setzt sich mit rechtlichen Rahmenbedingungen des Bildungssystems in Deutschland auseinander. Dabei wird die Besonderheit des föderalen Systems, in dem die Länder der Bundesrepublik Deutschland die politische Hoheit bzw. Verantwortung in Bildungsfragen haben, ebenso beleuchtet wie internationale Einflüsse, die von großen Organisationen wie den Vereinten Nationen (UN), der Welthandelsorganisation (WTO), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder den europäischen Organen ausgehen. Kapitel 3 führt in non-formales und informelles Lernen außerhalb der formalen Bildungsinstitutionen ein. Derartige Lernprozesse spielen eine wichtige Rolle für den Erwerb und die Aktualisierung der Wissensbestände breiter Bevölkerungsschichten. Dabei wird argumentiert, dass non-formale und informelle Lernorte Funktionen übernehmen, die von den formalen Bildungsinstitutionen nur partiell abgedeckt werden: So können Inhalte thematisiert werden, die noch nicht kanonisiert sind; es können vor allem aber auch Angebote gemacht werden, die in einem stärker unterhaltenden Setting stärker motivieren als dies im schulischen Setting der Fall ist. Das Kapitel zählt dabei auch die breite Zahl der non-formalen und informellen Lernorte in ihrer Bedeutung für Bildungsprozesse auf. Kapitel 4 befasst sich mit der Rolle der Eltern für kindliche Bildungsprozesse. Dabei wird beleuchtet, wie sich die Bedeutung des elterlichen Einflusses auf die Kinder bzw. Jugendlichen mit zunehmendem Alter verändert, welche Rolle Ressourcen in der Familie und die Interaktionsqualität für kindliche Bildung spielen. Eine ergänzende Rolle spielt dabei die Kooperation von Eltern mit Bildungseinrichtungen. Bildungsprozesse gelingen in der Familie und in der Bildungsinstitution umso besser, je besser beide Lernorte kooperieren.
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Einführung zu I 47 Abschließend befasst sich das Kapitel 5 mit Bildungsausgaben in Deutschland. Unterschieden wird dabei zwischen öffentlichen und privaten Ausgaben. Während sich die öffentlichen Ausgaben aufgrund existierender Statistiken vergleichsweise präzise beziffern lassen, ist dies für private deutlich schwerer, da sie der öffentlichen Statistik nicht zugänglich sind. Obwohl in Deutschland insgesamt über 250 Mrd. Euro per anno für Bildung, Forschung und Wissenschaft ausgegeben werden, wird argumentiert, dass Deutschland mit seinen finanziellen Anstrengungen im Bildungsbereich im internationalen Vergleich – beispielsweise mit den OECDMitgliedsstaaten – im unterdurchschnittlichen Bereich liegt.
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| 49 1 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten. Aspekte ihrer Struktur und Dynamik am deutschen Exempel Heinz-Elmar Tenorth
Zusammenfassung Der Beitrag skizziert am deutschen Fall, wie seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in drei Etappen „Bildung“ als eine bis heute höchst wirksame soziale Tatsache etabliert wird, sichtbar und bedeutsam in zumindest drei unterscheidbaren, aber miteinander vernetzten Dimensionen: diskursiv zuerst, weil die Rede von Bildung die reflexiven, normativen und programmatischen Referenzen stiftet, in denen über die Ordnung der sozialen Reproduktion gesprochen wird; ferner institutionell, weil sich ein weit über das öffentliche Bildungswesen hinausreichendes System von Organisationen und Professionen, Normen und Erwartungen ausbildet, das in eigener Logik in der Konstruktion eines gesellschaftlichen Curriculums die Prozesse des Aufwachsens formiert; schließlich als kulturelle Praxis, die zunächst vom Leitbild des Gebildeten aus, dann in großer Vielfalt die individuell gesuchten Lebensformen prägt. Semantisch und im Reflexionsstil vielleicht noch spezifisch deutsch, ist diese historisch entstandene Bildungswirklichkeit in ihrer Leistungsfähigkeit und inneren Ambivalenz als ein Modell der Generationsordnung moderner Gesellschaften überhaupt identifizierbar.
1.1 Dimensionen von Bildung – Ausgangspunkte der Analyse Die Rede von Bildung, so urteilt ein ideengeschichtlicher Beobachter, hat eine paradoxe Funktion im kulturellen Gedächtnis der Moderne in Deutschland. Einerseits stelle sie „ein semantisches Gefängnis“ dar, „dem das Bildungsbürgertum und seine Denker … nicht entkommen“ (Bollenbeck 1994, 27); denn hier präsentiere sich ein handlungsleitendes „Deutungsmuster“, mit dem in Deutschland die Möglichkeiten der Reflexion der kulturellen und sozialen Reproduktion durch unreflektiertes Fortschreiben einer problematischen Tradition systematisch begrenzt werden. Im Diskurs über Bildung finde man deswegen zuerst und zumeist „die
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50 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten typisch deutsche Dialektik von normativer Höhe und tiefem Fall, von Emanzipationsanspruch und politischer Unmündigkeit, von Modernisierungsleistung und Modernisierungskrise“ (ebd., 30). Gleichzeitig liefert dieses Deutungsmuster aber immer neu auch Argumente, die Realität von Bildung kritisch zu sehen, sie aus der Distanz zu betrachten und in der Differenz von Realität und Ambition an die uneingelösten Versprechen der Moderne für die Zukunft der Individuen und der Gattung zu erinnern. Für eine Betrachtung von Bildung in ihren unterschiedlichen Dimensionen, wie sie im Folgenden versucht wird, ist dieser Status der Rede von Bildung wenig hilfreich. Beide Aspekte, die nationale Fixierung und Begrenzung der Analyse einerseits, die Vorliebe für Bildungs-, Gesellschafts- und Kulturkritik andererseits, haben den wertthematischen Blick gemeinsam; sie sind primär dem Engagement verhaftet, nicht der Distanzierung auch gegenüber eigenen Denkmustern. Damit sind sie für einen analytischen, an aktuelle Forschung anschließbaren Blick wenig hilfreich. Das Ausgangsverständnis des Themas, wie es im Folgenden behandelt werden soll, ist deshalb auch nüchterner, realitätsbezogen, historisch und empirisch auch dann, wenn es sich auf Programme und Konzepte von Bildung bezieht. Bildung wird dabei in drei Dimensionen thematisiert, in der Theorie von Bildung zuerst (i), weil hier die reflexiven, normativen und programmatischen Referenzen eröffnet und tradiert werden, in denen seit der klassischen Moderne über die Ordnung der sozialen Reproduktion gesprochen wird; ferner institutionell (ii), weil Bildung in einem weit über das öffentliche Bildungswesen hinausreichenden System von Organisationen und Professionen, Normen und Erwartungen eine Realität gefunden hat, mit denen die Prozesse des Aufwachsens formiert werden; schließlich als kulturelle Praxis (iii), die zunächst vom Leitbild des Gebildeten aus, dann in großer Vielfalt unsere Lebensformen prägt. Bildung ist in dieser Dimensionalität, spätestens seit der Einführung der Unterrichtspflicht, eine unausweichliche „Welt“ für die Konstruktion der Lebensläufe eines jeden geworden, diejenige Praxis, in der sich die Individuen in Wechselwirkung mit der Welt in ihrer je konkreten Individualität konstruieren. Diese Dimensionen von Bildung, zwar unterscheidbar, aber im historischen Prozess miteinander vernetzt, sind in zwei Modi der Überlieferung präsent. Der erste Modus ist der diskursive. Hier hat Bildung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, zuerst programmatisch in der deutschen idealistischen Philosophie und Erziehungsphilosophie, aber auch in der schönen Literatur sowie in staatlichen Verfassungen und in der Gesetzgebung, dann, beobachtend, in den Humanwissenschaften ihren bis heute fortwirkenden Ausdruck gefunden. Bildung wird dabei zum Thema, wenn – abstrakt gesprochen – über die Ordnung der sozialen Reproduktion in der Zeit gesprochen wird. Diese Ordnung hat sich inzwischen zu einer eigenen institutionellen Form verfestigt, deren Realität ebenfalls in einer eigenen Überlieferung – dem zweiten Modus – präsent ist. Er manifestiert sich einerseits in den Biografien der Individuen und wird dort z. T. auch
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Dimensionen von Bildung – Ausgangspunkte der Analyse 51 explizit erinnert, er spiegelt sich andererseits material und in Beobachterdaten, wie sie für Schulen und Schulstrukturen, ihre Gestalt und ihre Lehrer, ihre Realität in Lehrplan und Unterricht, in den Mustern der Bildungsbeteiligung und in individuellen und kollektiven Lebensformen in großer Varianz reichhaltig vorliegen. Bildung hat sich mithin als soziale Tatsache in eigener Logik in diesen Dimensionen formiert, sie bestimmt die Prozesse des Aufwachsens in unserer Gesellschaft und damit die Möglichkeiten der Selbstkonstruktion und der Selbstwahrnehmung. Nicht zufällig ist Bildung explizit zum Thema eigener Forschung geworden. Vornehmlich von den Ergebnissen der historischen Bildungsforschung, sowohl von den Handbüchern, die für das deutsche Sprachgebiet vorliegen (Berg et al. 19872006; Liedtke 1991-1997; Engelbrecht 1982-1988), als auch von der breiten Spezialliteratur zur Bildungsgeschichte generell (Tenorth 2018) und zur Geschichte der Schule (Geißler 2013) gehen deshalb auch die folgenden Beobachtungen und Analysen aus. Die Dynamik von Bildung in der Moderne wird allerdings – schon aus Umfangsgründen, aber auch wegen der Anschließbarkeit an die weiteren Analysen in diesem Band – konzentriert auf das deutsche Sprachgebiet dargestellt. Ausgehend vom späten 18. Jahrhundert werden drei Etappen der Entwicklung unterschieden: die Ursprungsphase von ca. 1780 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Bildung im spezifischen Verständnis der Moderne erfunden, entworfen und begründet wird; die zweite Phase, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzt, in Deutschland bis in das frühe 20. Jahrhundert reicht und den Abschluss der Systembildung markiert, sowie die dritte, bis heute andauernde Phase, in der sich dieses System ausdifferenziert und die umfassende Bedeutung für die Individuen sowie für Staat und Gesellschaft, Kultur und Ökonomie erhält, die man heute beobachten kann. Die leitende These ist, dass man in den drei Etappen, idealtypisch unterschieden, zunächst die Durchsetzung der umfassenden, in sich differenzierten Beschulung der heranwachsenden Generation, dann die Scholarisierung von Lebenslauf und Lebensform, schließlich die über eine umfassende Bildungsinfrastruktur intendierte und z. T. auch erfolgreich organisierte Pädagogisierung gesellschaftlicher Probleme beobachten kann. Die öffentliche Wahrnehmung und die kritische Diskussion von Bildung verändern sich in diesem Prozess von den zum Ideal stilisierten Formen der Individualität zu Bildung als Besitz und zu Bildung als einer Praxis, der die Lösung aller Probleme der Gesellschaft zugeschrieben und als möglich unterstellt wird. Ihre historischen Formen und Leistungen und ihre gesellschaftliche Funktion bleiben aber jenseits solcher Stilisierung ambivalent und vielgestaltig, die Ergebnisse in diesem Prozess lassen sich zwischen Qualifizierung und Sozialisation, Individualisierung und Enkulturation, gesellschaftlicher Integration und der Konstruktion und Legitimation von Differenz und sozialer Distinktion beschreiben, auch historisch zunehmend nur noch in der großen Varianz, wie sie heute in der empirischen Bildungsforschung dargestellt wird.
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52 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten
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1.2 Die erste „Bildungsrevolution“ – die Erfindung der Bildung im modernen Verstande „Bildung“ wird nicht erst im ausgehenden 18. Jahrhundert zum Thema, wie schon die Begriffsgeschichte zeigt (Rauhut und Schaarschmidt 1965; Vierhaus 1972; Benner und Brüggen 2004). Sie war im philosophischen Kontext seit der Antike präsent, bezeichnete dort als paideia die soziale Form und den Prozess der Konstruktion des Mensch-Welt-Verhältnisses sowie die Reflexion der Kriterien, denen Form und Prozess gehorchen sollten. Im religiösen Kontext wird unter „Bildung“ noch im 18. Jahrhundert im protestantisch-pietistischen Milieu thematisiert, wie sich der Mensch zu seiner „Bestimmung“ entwickeln, d. h. zum Ebenbild Gottes werden kann. Im ausgehenden 18. Jahrhundert, das markiert die signifikante Zäsur, wird der Begriff der Bildung und mit ihm die Frage nach der „Bestimmung“ des Menschen aber aus dem religiösen Kontext abgelöst, philosophisch und humanwissenschaftlich sowohl subjekt- wie gesellschaftsbezogen neu und innerweltlich bestimmt. Die Bestimmung des Menschen wird im westlichen Kontext jetzt in Freiheit und Selbstbestimmung gesehen, Bildung zu einer Formel sowohl für den Prozess, in dem sich der Mensch zu seiner Individualität als auch die „Nation“ zu ihrer eigenen Identität entwickeln. Die Referenzen der Rede von Bildung in der Moderne erstrecken sich also über das Individuum hinaus auf kollektive Phänomene, letztlich auf die Verfassung von Staat und Gesellschaft. Aus der historischen Distanz zeigt sich die epochale Relevanz dieser Zäsur schon im Kontext, der sie produziert und forciert: Als Epoche der „Aufklärung“ ideengeschichtlich präsent, charakterisieren die Historiker das ausgehende 18., frühe 19. Jahrhundert als eine „Sattelzeit“ (Koselleck 1979, XV), die den Übergang von der „alteuropäischen“ Welt zur „klassischen“ Moderne markiert, die sich hier in ihren neuen historisch-gesellschaftlichen Anschauungen über die Welt und den Menschen ebenso wie in den Formen und Bildern der politischen und gesellschaftlichen Verfassung manifestiert, wie sie die Französische Revolution signalhaft darstellt. Bildung ist eine der Chiffren, in denen sich – neben Freiheit und Gleichheit, Demokratie und Selbstbestimmung – die Individuen und die Gesellschaft selbst beobachten, die Ideale ihrer Zeit diskutieren und die Möglichkeiten der Realisierung ihrer Erwartungen in der geschichtlich-gesellschaftlichen Welt. In der jüngeren Forschung wird diese Zäsur noch heute als „Bildungsrevolution“ bezeichnet, vor allem von den Praktiken des „Selbstlernens“ und „Selbstdenkens“ aus, bezogen auf das Individuum und die Entfaltung seiner Möglichkeiten (Bosse 2012). Die Institutionalisierung von Bildung, die sich um 1800 in folgenreichen Versuchen der Gestaltung des modernen Erziehungswesens ebenfalls anbahnt, wird dabei in der Tradition bildungskritischer Reflexion als „Verstaatlichung“ (Bosse 2012, 351ff) abgewertet und als Abfall von der wahren Idee der Bildung beurteilt. Damit wird aber, das ist die These der hier folgenden Darstellung, die historische
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Die erste „Bildungsrevolution“ 53 Zäsur verzeichnet, die sich in der Bildungsrevolution um 1800 ereignet. Sie kann erst deshalb als Revolution markiert werden, weil sie neben der individuellen Praktik des Selbstlernens auch die Ordnung der Generationen und die reflexive und politische Antizipation eines Systems der Bildung betrifft, das sich zu seiner vollen Gestalt dann in der Folgezeit entwickelt. Eine Konzentration auf Kritik an der Rolle des Staates und der Funktion des Bildungssystems aus der Perspektive des Individuums verkennt den umfassenden Modernisierungsschub, der sich hier ereignet, und auch die Varianten der Konzepte von Individualität selbst, die sich reflexiv und praktisch manifestieren. 1.2.1 Die Erfindung der Bildung als Form von Individuum und Nation um 1800 Die neue Auffassung von Bildung wird zunächst in anthropologischen Argumenten sichtbar, vor allem in der Klärung der „Bestimmung des Menschen“. Er wird jetzt als der „erste Freigelassene der Schöpfung“ (Herder 1784/1989, 145-146) bezeichnet, frei von ständischen und religiösen Bindungen oder der Determination durch die Natur. Freiheit und Selbstbestimmung werden zu seinen Charakteristika, der Mensch sei „sein eigener letzter Zweck“, sagt die Vorrede zu Kants Anthropologie; er sei „selbst der letzte Grund seiner Bestimmungen“ definiert Fichte in seinem Versuch, die „Bestimmung des Menschen“ (1800) zu klären. Die moralisch verantwortliche, handlungs- und zurechnungsfähige „Person“, Leitbild bis in Art. 1 des Grundgesetzes, wird Hegels Bildungsideal, der die Schule als den Ort sieht, der den Heranwachsenden aus der „bloßen Subjektivität“ und Privatheit seiner Existenz zur „substantiellen Allgemeinheit“ der Sittlichkeit führt, denn für ihn ist „der Mensch …, das was er sein soll, nur durch Bildung“, wie er in der „Rechtsphilosophie“ schreibt. Herders klassische Formel steht also nicht allein. Das gilt auch für die Verbindung dieser basalen anthropologischen Bestimmungsstücke mit pädagogischen Argumenten, d. h. mit der Annahme der Erziehungsbedürftigkeit und dem Vertrauen auf Erziehung. Gesamteuropäisch wird sogar die These vertreten, die exemplarisch Kant formuliert: „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung, er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.“ (Kant 1803, 699/A 8) Die Frage nach der Bestimmung des Menschen findet aber erst in Bildung als Form der Wechselwirkung mit der Welt eine theoretisch eigene Antwort. Wilhelm von Humboldt nennt Bildung selbst den „wahren Zwek des Menschen“ (Humboldt 1792/1960b, 64) und die „letzte Aufgabe unsres Daseyns“. Die Praxis der Individuen wie der Gattung wird insofern mit der Erwartung konfrontiert, „dem Begrif der Menschheit in unsrer Person, sowohl während der Zeit unsres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so grossen Inhalt als möglich zu verschaffen“ (Humboldt o. J./1960a, 235). Nicht nur das Individuum ist mit diesem Handlungsimperativ gemeint, die „Höherbildung der Menschheit“ (Kant) insgesamt wird hier erwartet. Aber der Mut
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54 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten des Menschen zu den eigenen Möglichkeiten, d. h. die „Befreiung aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ ist dafür erforderlich, „sapere aude“ ist der Leitspruch der Aufklärung (Kant 1784), Selbstdenken und Selbstbildung werden der Anspruch, damit die Moralisierung des Menschen gelingt. „Bildung“ gilt als die Form einer Praxis, die solchen Erwartungen zur Wirklichkeit verhelfen soll und kann. Das Bildungsdenken bezieht sich damit unmittelbar auf die gesellschaftliche Wirklichkeit; denn sie muss die Bedingungen der freien Entfaltung der Persönlichkeit bereitstellen. Wilhelm von Humboldt verbindet deshalb seine Idee der Bildung mit einem liberalen Modell des Staates. Für die Realisierung von Bildung sei nämlich „Freiheit die erste, und unerlässliche Bedingung“ sowie „ausser der Freiheit … Mannigfaltigkeit der Situationen.“ (Humboldt 1792/1960b, 64) Die „Gränzen der Wirksamkeit des Staates“ bestimmt er von daher, reduziert seine Aufgaben auf die Rolle des Garanten der öffentlichen Sicherheit und spricht ihm jede Legitimation zur Erziehung des Bürgers ab. Damit macht er Bildung zum konstitutiven Prinzip der „Nation“, die er deutlich vom Staat und auch von den konfligierenden, z. B. ökonomischen Interessen der „Gesellschaft“ abgrenzt (Humboldt 1792/1960b). In der Nation dagegen versammeln sich die mündigen Bürger zur gemeinsamen Bearbeitung der moralisch relevanten Angelegenheiten – und das ist nicht nur ein deutsches Thema. Bildung gilt bei Akteuren und in der Öffentlichkeit europaweit als Voraussetzung zur Teilhabe an der Gestaltung der „civil society“. Wenn z. B. Adam Fergusons einschlägiger Essay angeeignet wird, dann wird seine Annahme über den Fortschritt zur Zivilisierung („from rudeness to civilization“) bildungstheoretisch eingemeindet; denn die Übersetzung sagt, dass „die ganze Gattung selbst von dem rohen Zustande zu einer sittlichen Bildung“ fortschreitet. (Ferguson 1767/1768, 2) Humboldts Bildungstheorie stiftet aber auch eine unmittelbare Verbindung der je individuellen Praxis von Bildung mit dem Bildungssystem der Nation. Wenn Bildung generell das Wechselverhältnis von Mensch und Welt bezeichnet, dann bedarf es der Klärung dessen, was „Welt“ bedeutet. Für Humboldt ist dabei – anders als für Fichte, der allein an die Sozialwelt denkt, an die anderen Menschen – wesentlich, dass Welt als „Nicht-Mensch“ präsent ist, als Herausforderung einer zu gestaltenden Wirklichkeit, um sich in der Arbeit an dieser Praxis zu bilden. Das provoziert die Frage, wie denn nichts Geringeres als „Welt“ je individuell präsent sein kann. Seine Lösung des „Welt“-Problems lautet: „Was also der Mensch nothwendig braucht, ist bloss ein Gegenstand, der die Wechselwirkung seiner Empfänglichkeit mit seiner Selbstthätigkeit möglich mache. Allein wenn dieser Gegenstand genügen soll, sein ganzes Wesen in seiner vollen Stärke und seiner Einheit zu beschäftigen; so muss er der Gegenstand schlechthin, die Welt seyn“,
und er präzisiert, gegen eine mögliche „Überspanntheit“, die man ihm vorwerfen könnte, „oder doch (denn diess ist eigentlich allein richtig) als solcher betrachtet werden“ (Humboldt o. J./1960a, 237f )
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Die erste „Bildungsrevolution“ 55 Vor allem die Sprache, aber auch das Bildungswesen, Unterricht, gilt ihm als ein solcher „Gegenstand“, der als Welt betrachtet werden kann, mit seinen Lehrinhalten, in denen sich die notwendigen „Kenntnisse“ präsentieren, kanonisch geordnet in den Modi des Weltzugangs, die in der modernen Schule klassisch geworden sind: linguistisch, historisch, mathematisch, ästhetisch (Humboldt 1809/1960c, 170, 189), und die sich in der Stundentafel der Schule in interner Ausdifferenzierung zeigen. Humboldt selbst hatte noch eine Vorliebe für das Griechische, das für ihn, soweit denkt er „Sprache“, alle Modi des Weltzugangs in sich vereint, wie er unterstellte, und insofern eine exemplarische Bildungswelt zeigt – aber das bleibt Programm. Die Schule, die er entwirft, ist intern gegliedert in Stufen des „Unterrichts“, ausgehend vom „Elementarunterricht“, der den Lehrer und das Lernen möglich macht, über den „Schulunterricht“, der „Kenntnisse“ vermittelt und das „Lernen des Lernens“ eröffnet, bis zum „Universitätsunterricht“, der „Reife“ voraussetzt und die gemeinsame Teilhabe von Professoren und Studenten an „Forschung“ ermöglicht (Humboldt 1809/1960c, 170f ).
Gymnasium
Elementarunterricht (Elementar-Schule)
Schulunterricht
Universitätsunterricht
Stadtschule
Abb. 1.1: Struktur eines gestuften, allgemeinen, gleichen Bildungssystems – in den schultheoretischen Überlegungen Wilhelm von Humboldts
Dieses Bildungswesen soll „allgemein“ und „gleich“ sein, also alle Heranwachsenden rekrutieren und allen die gleiche schulische Bildung eröffnen, Differenzen der Bildungswege aber allein nach individueller Leistung und Fähigkeit, nicht nach Herkunft anbahnen. Aber, und das nimmt eine folgenreiche Unterscheidung von Bildungsgängen vorweg (Greinert 2013), das „allgemeine“ Bildungswesen, die Universitäten eingeschlossen, ist bei ihm strikt unterschieden vom „speciellen“, dem fachlichen und beruflichen Bildungswesen, das Humboldt zwar nicht abwertet, wie Kritiker gelegentlich fälschlich unterstellen (davor hätte ihn schon sein Bruder Alexander bewahrt), aber nicht eigens thematisiert. Bildungstheoretisch werden um 1800 also nicht allein Visionen von Individualität entworfen, sondern auch die Reflexionen über das moderne Bildungssystem und seine innere Ordnung bereits zu einer Zeit eröffnet, bevor es dieses Bildungssystem überhaupt gab.
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56 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten 1.2.2 Das moderne Bildungssystem als Schule der Gebildeten und des Volkes Die „Entstehung des modernen Erziehungswesens“ (Roeßler 1961) war ein langwieriger Prozess, der nicht erst, wie gelegentlich suggeriert wird, mit den sog. „Humboldtschen Reformen“ in Preußen nach 1809 einsetzte. Selbst das waren keine „Humboldtschen“ Reformen, und das moderne Bildungswesen, auch das Gymnasium und die Universität, entwickeln sich in eigener, primär politisch geprägter Gestalt, nicht als Abbild der Bildungs-Philosophie. Schon in den Kirchen- und Schulordnungen der Frühen Neuzeit finden sich, sehr viel früher, die ersten Versuche, neben dem schon älteren gelehrten auch ein allgemeines Schulwesen einzurichten und die Beschulung der gesamten Bevölkerung zu realisieren. Auch diese Bemühungen sind mit den Interessen der Landesherren verbunden, mit der Durchsetzung der eigenen Religion und Landesherrschaft auch die eigenen Untertanen zu bilden und zu disziplinieren. Umfassend wirksam waren solche Bestrebungen allerdings nicht. In Preußen z. B. müssen noch im frühen 18. Jahrhundert erneut Versuche unternommen werden, die Beschulung zumal der Bevölkerung auf dem Lande auch nur basal zu sichern. Aber sowohl die Verordnung vom 28.09.1717 über die Einführung des allgemeinen Schulzwangs als auch das vielzitierte Generallandschulreglement von 1763, das neben der Ordnung von Schulen und Schulbesuch wesentlich auf die Bildung der Lehrer als Mittel der Qualitätsverbesserung setzte – und politisch die Integration der neu eroberten schlesischen, und d. h. katholischen Gebiete in den protestantischen preußischen Staatsverband anzielte –, blieb ohne weitgehende Folgen. Die „Schulwirklichkeit in Brandenburg-Preußen“ (Neugebauer 1985) wie in anderen Staaten wurde nicht zentral und gesamtstaatlich geordnet, sondern blieb abhängig von den Interessen und Aktivitäten der jeweiligen Grundherren, die Bildungslandschaft war deshalb insgesamt sehr disparat ausgebildet. Neue, umfassende und erstmals auch folgenreiche Neuansätze, die Rolle der Bildung im Prozess der Nationenbildung (oder im Prozess ihrer revolutionären Transformation, wie in Frankreich) wirklich zur Geltung zu bringen, zeigen sich im ausgehenden 18., frühen 19. Jahrhundert. Das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (ALR), die von Montgelas nach 1804 angestoßene Modernisierung Bayerns ebenso wie die Bildungspolitik in Österreich um 1800 erweisen sich dabei als Vorgaben, die wirklich eine Zäsur markieren, politisch wie gesellschaftlich und bildungspolitisch. Das viel diskutierte Modell Preußen steht also nicht singulär. Es belegt allerdings nachdrücklich, dass und wie die politischen Impulse dieser „Modernisierung von oben“ (Wehler 1987), die mit dem ALR eröffnet und mit den sog. preußischen Reformen nach 1806 weitergeführt wird, mit den Bildungsideen der Aufklärung und der idealistischen Bildungsphilosophie, auch Humboldts, nach 1809 zusammenwirken und Volksbildung und Gelehrtenbildung in den Grundzügen eines modernen Bildungssystems separiert, aber systemisch geordnet zusammenführen. Das Gymnasium war in diesem Prozess von Beginn an, auch bei Humboldt, immer eine Schule des Staates und der Gebildeten zugleich (Jeismann 1996). Die schuli-
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Die erste „Bildungsrevolution“ 57 schen Prüfungen, wie das Abiturientenexamen, waren auch nicht einer politischen Verirrung oder bildungsfremden Ambitionen der Verstaatlichung entsprungen, sondern als Maßnahme der Qualitätskontrolle der künftigen Beamten und Regierenden eindeutig und konstant in das umfassende Bildungsprogramm integriert, als Schutz von Staat und Nation vor Inkompetenz, wie Humboldt sagte. Die Volksbildung war ein selbstständiges Thema, von der „höheren“ Bildung deutlich abgesetzt, eher vom unterstellten Bedarf an Erziehung und Kontrolle des Volkes als von der Befreiung durch Bildung bestimmt. Der Neuhumanismus und die Ideen klassischer Bildung liefern auch den Reformern in Bayern von Thiersch bis Niethammer primär eine Begründung für die Gestaltung der höheren Schulen. Noch in seiner scharfen Kritik an der Pädagogik der Aufklärung und dem dort unterstellten Primat der Brauchbarkeit geht Niethammer 1808 wie selbstverständlich davon aus, dass Bildung allein ein Privileg weniger, geistig herausragender oder, kompensatorisch, vermögender Bürger sein wird (Tenorth 2009) – und natürlich immer nur den männlichen Teil der Bevölkerung meint. Dennoch bleibt die Zäsur trotz solcher Fortdauer vormoderner Markierung von sozialer und geschlechtlicher Differenz bemerkenswert in ihrer Modernität. Sie entfaltet ihre Wirkung für die gesamte Nation. Mit der Einrichtung und allmählichen, nicht vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzogenen Durchsetzung von Volksbildung auch in ländlichen Regionen wird Beschulung auch für diejenigen Kinder zum Alltag, deren Eltern die „Unterrichtspflicht“ nicht realisieren konnten, so dass der Staat ersatzweise eingreifen muss. „Schulpflicht“ dagegen, als institutionelle Prämisse gilt zwar in Bayern seit 1802, wird gesamtdeutsch aber erst 1919 eingeführt (s. u.), gegen die bis dahin bestehenden Privilegien und Pflichten der Eltern, denen primär die Realisierung des Unterrichts oblag. Durch und für dieses neue Bildungssystem wird auch ein neuer, differenzierter, aber sowohl in der Volks- wie in der Gelehrtenbildung sich professionalisierender Lehrerstand konstruiert (Kemnitz 2014), der es möglich macht, dass im Bildungswesen Beschulung realisiert und Bildung ermöglicht werden kann. 1.2.3 Neue Bildung, neue Lebensformen In der Konsequenz dieser neuen Realität des Aufwachsens in Gesellschaft und der erstmals umfassend institutionell gesicherten Bildungsbeteiligung verändern sich die alteuropäischen Lebensformen, und nicht nur für die Gebildeten, sondern zunehmend auch für das Volk (Dittmann 1993). Zur Mitte des Jahrhunderts ist jedenfalls Schule Teil des Alltags der Heranwachsenden geworden, sowohl begrüßt wie abgewehrt, wenn auch in großer Differenz, nach Stadt und Land, nach der Volks- und der Gelehrtenbildung, und hier auch nach dem Geschlecht. Die Differenzen betreffen nicht nur die Schuldauer – zwischen vier und sechs Jahren in der Volksbildung (und nicht immer ganzjährig) und etwa acht bis zwölf Jahren in der höheren Bildung –, sondern auch die Inhalte, Ziele und Ansprüche der Bildungs-
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58 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten
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gänge, die Kompetenz und den sozialen Status der Lehrkräfte wie die Praktiken ihrer Arbeit oder die Abhängigkeit in den Finanzen vom jeweiligen lokalen oder gesamtstaatlichen Schulträger. Tab. 1.1: Soziales Klassenschulsystem: Merkmale des Bildungswesens in Preußen/ Deutschland bis 1918 (Diedrich und Tenorth 1997, 57) Struktur
Niederes Schulwesen Elementarschule (erst 6, dann 8 Jahre) Pflichtfortbildungsschule (2 bis 3 Jahre, seit etwa 1890, zuerst in den Städten) systemeigene Lehrerbildung
Träger
Gemeinden
Finanzen
anfangs Schulgeld, später Besuch kostenfrei Lehr- und Lernmittel zu zahlen „Religion“ Kulturtechniken, Realien Funktion: Klassenlehrer, für alle Fächer, Erziehungsprimat
Lehrplan Lehrer
Ausbildung
Lehr- und Lernziel
Ergebnis
Adressat
Elementar-Lehrer – Ausbildung im niederen System, d. h.: Präparandenanstalt, Seminar Gemeindebeamter – „subaltern“ „Gesinnung“ volkstümliche Bildung nationale Bildung Disziplinierung Abgang berechtigungslos, nur Sockelqualifikation
Höheres Schulwesen Vorschulen (3 Jahre) Gymnasien (9 Jahre bis zum Abitur) Universitäten und Technische Hochschulen, akademische Lehrerbildung, Staatsprüfungen („Schulunternehmer“) Kirchen, Gemeinden, Staat für den Besuch Schulgeld Lehr- und Lernmittel zu zahlen Fachunterricht Wissenschafts-Propädeutik Funktion: Fachlehrer, Mehrzahl von Lehrern, Primat der Wissenschaft und Bildung wissenschaftlich gebildeter Lehrer – Ausbildung an der Universität Staatsbeamter – höherer Dienst
„Studierfähigkeit“ wissenschaftliche Bildung klassische Bildung Lernfähigkeit Übergang • Berechtigungen • „Einjährigen“-Privileg • Abitur: Universität Staaatsexamen: akad. Berufe Mädchen und Jungen, koedukativ Knabenschulen (bis 1908) „erziehungsbedürftig“ „bildungsfähig“ das zu kontrollierende „Volk“ das gebildete „Bürgertum“ (arm und aufsässig) („Bildung und Besitz“)
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Die erste „Bildungsrevolution“ 59 Bildung für die Eliten einerseits – kaum mehr als 5 % der Alterskohorten besuchen höhere Schulen, weniger als 2 % erwerben bis 1870 das Abitur –, grundlegende Qualifizierung und Indoktrination für das Volk zum andern, das markiert die Differenz dieser beiden, separiert nebeneinander existierenden Schulsysteme. Alphabetisierung des größten Teils der Bevölkerung ist dennoch schon um 1870 in Preußen-Deutschland zu einer erwartbaren Tatsache geworden, auch hier mit Differenzen nach Stadt und Land und zwischen West und Ost, aber deutlich früher als in anderen europäischen Staaten (Francois 1983). Zugleich wird die Propädeutik der universitären Bildung modellhaft mit Gymnasium und Abitur gestaltet. Man erkennt die nationale Bedeutung der Elitenrekrutierung daran, dass allein das Abitur bereits 1872 trotz des Bildungsföderalismus der damals noch mehr als 20 Länder des Deutschen Reiches Gegenstand einer gesamtstaatlichen Vereinbarung wird, seit 1875 in der „Reichschulkommission“ überwacht und als Verfahren der wechselseitigen Anerkennung der Reifezeugnisse beim Hochschulzugang konkretisiert und in den Verfahren und Anforderungen einheitlich (letztlich nach dem Vorbild der preußischen Abitur-Reglements von 1882) geregelt. Das gelingt auch, weil die Militärprüfungen im Deutschen Reich und die damit verbundenen Berechtigungen gesamtstaatliche Bedeutung gewonnen hatten. Mit diesem Bildungssystem verändern sich schon bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Kommunikationsbedingungen in der Gesellschaft. Sie kann tatsächlich universell auf Schriftlichkeit setzen und gewinnt damit in den Individuen die kognitiven Voraussetzungen, motivationalen Bereitschaften und konkreten Qualifikationen, die für die neuen Formen der industriellen Produktion notwendig waren, aber auch das Medium, mit dem pädagogisch-gesellschaftliche Mobilisierung und bildungspolitisch kontrollierte Disziplinierung zugleich gesteuert werden sollten (Kuhlemann 1992). Tendenziell wird die Verallgemeinerung schulischer Bildung aller Klassentrennung zum Trotz nämlich von den autoritär-traditionalen Staaten auch als Bedrohung wahrgenommen. Offenbar nutzen die Individuen nämlich ihre schulisch erworbenen Kompetenzen, z. B. des Lesens, auch dazu, sich kommunikativ – etwa in der Arbeiterbildung – mit neuen Ideen vertraut zu machen, wie sie seit der Französischen Revolution präsent waren und in den demokratischen und sozialistischen Bewegungen des Vormärz und 1848/49 und danach erneut bekräftigt wurden. Bildung wird als Voraussetzung für die Teilhabe am politischen Prozess erkannt und gesucht und zugleich staatlich gefürchtet und konservativ bekämpft, z. B. in Preußen oder in der bayrischen Volksschulpolitik (Blessing 1982, 212ff; Caruso 2003). Die Bildungspolitik der Staaten wird entsprechend im 19. Jahrhundert zur Begrenzungs- und Kontrollpolitik, u. a. in den europaweit wirksamen Karlsbader Beschlüssen nach 1819 gegen die „Demagogen“ oder in der rigiden Politik der „Regulative“, mit denen der preußische Geheimrat Stiehl nach 1850 dem erneuten Ausbrechen der Revolution vorbeugen will, deren Folgen die Obrigkeit 1848/49 mit Angst und Sorge erlebt und erlitten hatte. Aber Stiehls Kon-
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60 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten trollpolitik sorgt zugleich für die landesweite Einrichtung von Schulen und Lehrerseminaren auch dort, wo es sie vorher noch nicht gab, damit zugleich, und eher ungewollt, für Modernisierung in der konstanten Spannung von Freisetzung und Kontrolle. Die gelehrte Bildung in Gymnasium und Universität, ihr Publikum und ihre Absolventen, gehörten zwar auch zu den Adressaten der Kontrolle, die Karlsbader Beschlüsse wirken z. B. direkt in die Universitäten hinein, aber sie repräsentieren ansonsten nicht nur die intellektuelle, sondern auch die soziale Privilegierung, die mit Bildung seit der Zäsur um 1800 ebenfalls verbunden ist, wie es besonders der Nachweis des „Einjährigen“, also der Übergangsberechtigung in die Oberstufe der Gymnasien belegt, die einen verkürzten Militärdienst (ein Jahr statt drei) und den Zugang zu den oberen Schichten eröffnet. Der „Gebildete“ wird gleichzeitig zu einer Sozialfigur, die sich als „Nebenoben“ der Gesellschaft (Weil 1930/1967, IX), d. h. neben Adel, Beamtenschaft, Militär und Kirche etabliert, eigene Reputation gewinnt, aber auch für die Konstruktion einer neuen Differenz sorgt, die ihn vom „Ungebildeten“ trennt. Der Gebildete kann sich jedenfalls von Begrenzungen der Herkunft in seiner intellektuellen Praxis, als Autor seiner selbst, nicht nur alphabetisiert, sondern schreibend und lesend anerkannt, in der Kultur seiner Zeit verwirklichen. Die neue Gattung der „Bildungsromane“, exemplarisch in Goethes „Wilhelm Meister“, autobiografisch in „Dichtung und Wahrheit“ präsent, beschreibt solche Prozesse der Selbstkonstruktion. Anders als beim Frankfurter Großbürger gelingt diese Selbstkonstruktion oft nur in schmerzhaften biografischen Ablöse-Prozessen, z. B. aus engen konfessionellen Milieus, wie sie im „Anton Reiser“ von Karl Ph. Moritz (1788) beschrieben werden. Eine zentrale Gelenkstelle in diesen Prozessen bilden als Ermöglichungsform und Formierungspraxis der Welt der Bildung die Institutionen der höheren Bildung, Gymnasium und Universität. Gemeinsam mit dem Theater und der schönen Literatur, den bildenden Künsten und Museen, der Musik und der gebildeten Selbstdarstellung in den Enzyklopädien bilden sie das kommunikative Fundament der Kultur, den „Bildungskanon des bürgerlichen Zeitalters“ (Fuhrmann 1999). Das Individuum wie die Nation sind hier zugleich Thema. Relativ distanziert von der Macht und insofern für Deutschland typisch, aber nicht nur auf Innerlichkeit bezogen, bildet sich dabei die reflexive Identität der Nation als Kulturnation (Langewiesche 2008), vor der politisch-nationalistischen Überformung (Assmann 1993). Das hat auch nicht allein reflexive Realität. In Verbindung mit den schulischen Zertifikaten, vor allem mit dem Abitur, das seit 1834 auch in Preußen, parallel zu früheren Regelungen in anderen deutschen Staaten, als verbindliches Kriterium des Zugangs zu den Hochschulen verankert wird (Wolter 1987), während es vorher nur für die Vergabe von Stipendien oder für Gebührenbefreiung, also nur für die nichtvermögenden Studenten, und für die Zulassung zu Staatsexamina relevant war, konstituiert sich eine eigene soziale Formation, die man später als „Bildungsbürger-
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Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft 61 tum“ bezeichnen wird (Kocka 2009). Bildung, manifestiert im Zertifikat, wird hier als Besitz erfahren und genutzt. Soziale Stellung, berufliche Laufbahn, Reputation und Handlungsmöglichkeiten in der Gesellschaft, commercium und connubium, so Max Weber (1985, 22), beruhen nicht auf ererbten Privilegien des Standes, wie beim Adel, oder auf materiellem Besitz, wie beim Wirtschaftsbürgertum, sondern auf je individuellen Anstrengungen. Letztlich wird dadurch das moderne Prinzip der Leistung erstmals durchgesetzt, das mit den Prüfungen unabhängig von der Herkunft zur Geltung kommt. Die Klagen des Adels, dass ihre Söhne jetzt auch beim Zugang in die Universität nach Leistung beurteilt werden, verdeutlichen diese historische Zäsur. Die Verbindung von Leistung und Zertifizierung nutzt dann nicht nur der Staat, sondern auch die Industrie, die einen Teil ihrer Angestellten selbst als „Beamte“ bezeichnet und innerbetriebliche Personalhierarchie bis heute über Bildungszertifikate ordnet. Man darf zwar nicht übersehen, dass z. B. der Zugang in den Staatsdienst neben den Zertifikaten selbst noch materielle Ressourcen erfordert; denn schon die Ausbildung im Referendariat war bis ins 20. Jahrhundert bei höheren Beamten, Juristen oder Lehrern nicht bezahlt. Der Staat setzte voraus, dass sich die Bewerber bis zum Zugang auf eine ordentliche Stelle selbst unterhalten konnten. Aber die Zäsur war gemacht, von der aus Bildung zu einem zentralen und wirksamen Hebel nicht nur der Reproduktion der gebildeten Eliten und der Erziehung und Qualifizierung der Massen, sondern auch, im 20. Jahrhundert, des Aufstiegs der bis dato Ausgeschlossenen werden konnte. Das wird aber erst in einem vollständig ausgebildeten und in sich weiter ausdifferenzierten Bildungssystem breit versucht, das sich erst mit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts bilden wird. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sind aber in Schulen und Bildungsgängen, Zertifikaten und dem Berechtigungssystem sowie in Kriterien des Berufszugangs die Ordnungsformen gefunden, die Schule mit Arbeitsmarkt und Gesellschaft verbinden und der Systembildung in der Phase der danach einsetzenden Bildungsexpansion Form und Richtung geben.
1.3 Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft Der Soziologe Talcott Parsons hat die Ausdifferenzierung und umfassende Ausbildung des öffentlichen Bildungswesens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zuerst als „Bildungsrevolution“ charakterisiert (Parsons 1972, 218). Er hat mit diesem Begriff also nicht auf frühe Formen individueller Bildungspraxis geschaut, wie das für die Phase seit 1780 jetzt betont wird, sondern auf die Ausdifferenzierung eines eigenen Sozialsystems, das auf Bildung und Erziehung funktional ausgerichtet war.
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62 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten In den Analysen der Bildungshistoriker ist dieser Prozess für Deutschland intensiv analysiert worden (schon Müller 1977), auch im Vergleich zu anderen Formen der Durchsetzung moderner Massen-Schulsysteme, die sich in Westeuropa, den USA oder Japan in unterschiedlichem Tempo in der Zeit bis 1930 ebenfalls ausprägen (Müller et al. 1987; Brockliss und Sheldon 2012). Verantwortlich für diesen Wandel und den gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Bedarf an einem neuen, umfassenden Bildungssystem sind starke demografische Veränderungen, u. a. der eminente Bevölkerungszuwachs im Deutschen Reich (von 41 Mio. 1871 auf mehr als 65 Mio. 1911), u. a. wegen der starken Reduktion der Kindersterblichkeit, die Binnenmigration und Urbanisierung in Deutschland, die von Ost nach West, vom Land in die Städte von der beginnenden zweiten Phase der Industrialisierung ebenso forciert wird wie von der Suche nach besserer und besser bezahlter Arbeit und der Freisetzung von ländlicher Kontrolle. Bildung wird in diesem Prozess zu einem Medium der sozialen Integration und politischen Kontrolle, der breiten Qualifizierung und sozialen Emanzipation zugleich und zu einem zentralen Thema sowohl in Öffentlichkeit und Politik als auch bei kritischen Beobachtern. Bildungsreflexion, die Dynamik im Bildungssystem und die Veränderung der Lebensformen spiegeln diesen umfassenden Transformationsprozess in je eigener Weise. Sie prägen damit die systematischen Referenzen, die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, durch die Weimarer Republik an einigen Stellen modifiziert, bestimmend bleiben werden. 1.3.1 Segmentierung der Bildungsreflexion – Kritik, Analyse, Konstruktion Im ausgehenden 19. Jahrhundert sind die Ideen über Bildung, wie sie in der idealistischen Philosophie um 1800 entworfen worden waren, schon zur Klassizität geronnen. Vielfach ist Bildungsphilosophie schon jetzt nichts anderes als Exegese der Klassiker, gelegentlich bis zur emphatischen Überhöhung gesteigert, wie das im Falle Humboldts z. B. bei Eduard Spranger geschieht. Der epochal neue Ansatz der Reflexion ist gleichzeitig unverkennbar, er hat zumindest drei unterscheidbare, bei manchen Autoren gelegentlich zugleich präsente, aber nicht aufeinander reduzierbare Formen der Argumentation ausgebildet: Neu ist zuerst eine scharfe Bildungskritik, neu ist auch eine sozialwissenschaftlich gewendete, aus der Perspektive der Beobachtung gewonnene Analyse von Bildung, die um 1900 einsetzt und dann folgenreich bis in die Gegenwart in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften entfaltet wird; schließlich beteiligt sich die Bildungsreflexion auch in eigenständiger Konstruktion an der Klärung der Möglichkeiten, wie Bildungsideal und Bildungsorganisation auf die Herausforderungen der neuen Zeit antworten können. Bildungskritik Für die Schärfe der Bildungskritik stehen bis heute vor allem die Basler Vorträge „Ueber die Zukunft unsrer Bildungsanstalten“, die Friedrich Nietzsche 1872 gehalten hat. Er diagnostiziert im Blick auf das zeitgenössische Bildungssystem,
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Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft 63 angesichts des Kampfes um Zertifikate und den damit verbundenen sozialen Status, den systematischen Widerspruch von individueller, für ihn einzig wahrer Bildung und ihre Unterwerfung und gesellschaftliche Funktionalisierung. Schulen, die allein „versprechen Beamte oder Kaufleute oder Offiziere oder Großhändler oder Landwirthe oder Ärzte oder Techniker zu bilden“, sind für ihn keine Stätten der „Bildung“ mehr, sondern eher „Abirrungen von der ursprünglichen erhabenen Tendenz ihrer Gründung“ (Nietzsche 1872, 645). Der „wahre Gegensatz“ bestehe jetzt zwischen den „Anstalten der Bildung und Anstalten der Lebensnoth“ (ebd., 717). Allein wegen der „nationalökonomischen Dogmen der Gegenwart“ (ebd., 667) und wegen des volkswirtschaftlichen Bedarfs werde eine Expansion der Bildung betrieben, der jede Rechtfertigung fehle, denn es gehe nur um „den Nutzen als Ziel und Zweck der Bildung, noch genauer den Erwerb, den möglichst großen Geldgewinn“ (ebd., 667). Nietzsches Verdikt erinnert daran, dass die Situation des Bildungssystems schon früher unter dem Titel der „Halbbildung“ oder „Verbildung“ scharf kritisiert worden war (Wagenmann 1859), eine Diagnose, die Nietzsches Berliner Philosophiekollege Friedrich Paulsen erneut bekräftigt (Paulsen 1903). Er versteht darunter ein Verständnis von Bildung als Besitz, also „die falschen Bildungsbestrebungen der guten Gesellschaft“ (ebd., 669). Das ist für Paulsen im Blick auf das Subjekt eine Wertfrage, Indiz für „innerlich unvollendete Bildung“ und im Ergebnis für ihren Träger und in den gesellschaftlichen Konsequenzen „ein Unglück“: „Ist ihre Erwerbung eine Plage, so ist ihr Besitz ein Unsegen … Bildungsflitter“, mit den schlimmsten Folgen: Sie „macht hochmütig und herrisch … unduldsam und brutal … unzufrieden und unglücklich“. Und auch für ihn gilt: „Wahre Bildung ist von dem allen das Gegenteil. … innerlich bescheiden … duldsam gegen das Andersartige … sie macht reich, zufrieden und glücklich, sie ist ein Schatz, der, einmal erworben, nicht verloren geht, denn er hat keinen Marktwert.“ (ebd., 669) Paulsens Modell des Gebildeten geht auch nicht vom Zertifikat aus, sondern von einer selbstverantwortlichen, nach allgemeinen Prinzipien handelnden Person, die er in allen Schichten und Lebenslagen finden kann. Paulsens nüchterner Blick bleibt aber relativ singulär. Der radikale Wandel der wilhelminischen Gesellschaft und des frühen 20. Jahrhunderts wird zumeist doch als Krise wahrgenommen. Die Texte der schönen Literatur beschreiben keine gelingenden Prozesse der Selbstkonstruktion, sondern das Scheitern, die Allgegenwart von „Neurasthenie“ oder den Untergang des Bürgertums, wie in den „Buddenbrooks“; die Bildungsromane deuten Gymnasien als Orte, in denen der Lernende „Unterm Rad“ (H. Hesse) um seine wahre Begabung gebracht und der Schülerselbstmord systematisch provoziert wird; Internate und peer groups werden als Orte der Gewalt erlebt, wie vom „Jungen Törless“, die Sexualität der Heranwachsenden, keineswegs ein idyllisches „Frühlings Erwachen“ (F. Wedekind), als Bedrohung ihrer selbst und der gesellschaftlichen Ordnung gezeichnet (Mix 1995).
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64 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten Die etablierte bürgerliche Lebensform sieht sich durch künstlerische Avantgarden und eine selbstbewusste Bohème in ihrer Selbstverständlichkeit bedroht, neue soziale Bewegungen entwickeln alternative Lebensformen, die weder die Klassizität noch die Tradition mehr anerkennen (Mommsen 1994; Buchholz 2001). Neue „Ordnungen in der Krise“ (Hardtwig 2007), die allgemeine Anerkennung finden, werden jedenfalls bis 1933 nicht gefunden, und dann wird jede Ordnung zerstört. Aber Bildungskritik ist in dieser Zeit kein Privileg des bildungsbürgerlichen, philosophischen oder kulturkritischen Räsonnements. Im selben Jahr wie Nietzsches Rede erscheint auch Wilhelm Liebknechts Pamphlet über „Wissen ist Macht – Macht ist Wissen“ (Liebknecht 1872/1919). Er belegt den politischen und gesellschaftlichen „Marktwert“ von Bildung, wenn er zeigt, wie in der gesellschaftlichen „Ordnung der Bildung“ (Ricken 2006) der enge Zusammenhang von Macht und Bildung in der Moderne konstruiert wird. Liebknecht wiederholt damit nicht nur die seit Francis Bacon bekannte Formel, sondern bekräftigt sie, unter der emphatischen Losung „Bildung macht frei!“. Liebknecht transformiert diese Losung zugleich in seinen eigenen Kampfruf: „Durch Freiheit zur Bildung!“ Bildungspolitik wird damit zu einem zentralen Thema der Sozialdemokratie, auch wenn es bis zum Mannheimer Parteitag 1906 dauert, bis sie sich ein eigenes bildungspolitisches Programm schreibt. Liebknecht konstruiert aber nicht nur ein Ziel, er kritisiert vor allem scharf die vom Ideal der Bildung abweichende Realität der bürgerlichen Gesellschaft („O diese Bourgeoislüge von Bildung!“). Aber er fordert, im strikten Gegensatz zu Nietzsche, nicht die Rückkehr in alte Zeiten, sondern die gleiche Teilhabe aller an Wissen und Macht. Die Demokratisierung von Bildung wird zum Ziel, wobei er freilich unterstellt, dass erst ein anderer Staat und eine andere Gesellschaft solche Ziele realisieren können. Bildungskritik ist im ausgehenden 19. Jahrhundert deshalb immer auch Kritik des aktuellen Staates, begleitet von systematischer „Bürokratiekritik“ aus der Perspektive der Schule. Solche Kritik formuliert in konservativer Wendung der evangelische Schulmann Wilhelm Dörpfeld, wenn er die „drei Grundgebrechen der hergebrachten Schulverfassung“ darstellt und die (Kirchen-)Gemeinde schulisch wieder ins Recht setzen will. Staatskritik artikulieren als Teil einer umfassenden Kritik des Obrigkeitsstaates aber auch linksliberale und sozialistische Lehrer, wenn sie Freiheit für Schule und Lehrer einklagen (z. B. Sack 1961). Analyse der Bildung in der Moderne Sowohl die Bürokratiekritik als auch der Gedanke der „Demokratisierung“ von und durch Bildung gehen aus der Emphase der Kritik auch in die Analyse des Bildungssystems und der Lage von Bildung und Kultur über und bleiben hier bis heute bedeutsam. „Demokratisierung“ als notwendiges Ziel propagiert auch Friedrich Paulsen, wenn er die soziale Funktion von Bildung in der modernen Gesellschaft diskutiert und die Legitimität der Bildungsexpansion und der breiteren Beteiligung
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Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft 65 aller Volksschichten begründet (Paulsen 1912, 171). Die neue und unersetzliche Funktion des Bildungssystems für „Wirtschaft und Gesellschaft“ analysiert daneben die neu entstehende Wissenschaft von der Gesellschaft, die Soziologie. Max Weber sieht im Bildungssystem eines der „Gehäuse der Hörigkeit“, von denen die neue Welt bestimmt ist. Hier, im Bereich der Bildung, zeige die Systembildung an, wie soziale Reproduktion, Statuszuteilung und gesellschaftliche Ordnung künftig konstruiert werden; denn Bildung ist für ihn „zweifellos der wichtigste eigentlich ständebildende Unterschied“ (Weber 1988b, 247). Zugleich sind diese Prozesse für ihn Indiz für die Ablösung des „Kulturmenschen“ zugunsten des „Fachmenschen“ (Weber 1985, 578), jetzt doch verbunden mit dem kulturkritischen Ton der Zeit. Als Ergebnis der „Kulturentwicklung“ und der damit einhergehenden Rationalisierung der Weltbeherrschung befürchtet er für die Zukunft der „letzten Menschen“, man finde künftig nichts anderes mehr als „Fachmenschen ohne Geist, Genußmenschen ohne Herz“, verschärft durch die nur als Täuschung qualifizierbare Selbstwahrnehmung des Menschen: „dieses Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des Menschentums erstiegen zu haben“(Weber 1988a, 204). Webers Antwort auf diese Situation, unverkennbar eine Krisendiagnose, besteht aber nicht in Träumen von Rückkehr oder Revision, sondern im Plädoyer für das „Aushalten“ der Situation. In der Diagnose einer Krise der Kultur mit Nietzsche vielleicht noch verwandt, sieht er doch primär „eine unentrinnbare Gegebenheit unserer historischen Situation, aus der wir, wenn wir uns selbst treu bleiben, nicht herauskommen können“ (Weber 1988b, 560). Auch Georg Simmel diagnostiziert eine „Tragödie der Kultur“ (Simmel 1911/1983), wenn er die Situation der Individuen betrachtet, deren Eigenrecht durch die Macht der „Dinge“ überwältigt werde. Aber in seiner „Soziologie“ (Simmel 1908) liefert Simmel im Kontext der neuen Kultursoziologie (Lichtblau 1996) das Denkmodell, von dem aus zeitgenössische Bildungstheoretiker, Theodor Litt zumal, das Verhältnis von „Individuum und Gemeinschaft“ (Litt 1924) in kühlen Strukturanalysen untersuchen können. Litt erörtert hier, wie in der Wechselwirkung von Mensch und Welt Individualität so konstituiert wird, dass gleichzeitig Gesellschaft möglich ist, weil die Individuen lernen, die Perspektive des anderen in ihr eigenes Handeln zu übernehmen und sich moralisch und reflexiv zu verhalten. Litt betont dabei explizit, dass er bestrebt sei, seine Analyse „reinlich herauszulösen aus jeder Verflechtung mit solchen Ausführungen, die dem Tag, seinen unmittelbaren Nöten und seinen praktischen Forderungen gehören“ (Litt 1924, VI), und auch, dass er „die Struktur der sich in organisatorischen Formen zusammenfassenden Verbände“ (ebd., VII), also Staat, soziale Klassen und Parteien, nicht thematisiere. Im Anschluss an Litt können daher die Erziehungstheoretiker der sog. Geisteswissenschaftlichen Pädagogik nicht nur die Legitimität von Schule denken, sondern sie auch als Teil des individuellen Bildungsprozesses interpretieren, als die wesentliche Form, in der Bildung als „die subjektive Seinsweise der Kultur, die innere Form
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66 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten und geistige Haltung der Seele“ (Nohl) prägt. Das gelingt, weil dank der Arbeit der Lehrer, deren Aufgabe es ist, gesellschaftlichen Erwartungen pädagogisch zu transformieren, die Lernenden „alles, was von draußen an sie herankommt, mit eigenen Kräften zu einheitlichem Leben in sich aufzunehmen und jede Äußerung und Handlung aus diesem einheitlichen Leben zu gestalten“ vermögen. Hier findet sich auch „der tiefe Sinn des Humanitätsideals unserer klassischen Zeit und der echt pädagogische Kern des Gymnasiums“ (Nohl 1933/1978, 140ff) Die bildungskritisch unterstellten Widersprüche werden damit zwar nicht ignoriert, vielmehr als „Grundantinomie“ der Erziehung durchaus gesehen, aber in der pädagogischen Arbeit aufgehoben, weil sich dort zeigt, dass sie allein als „Polaritäten“ (ebd., 128) die zweifache Referenz aller pädagogischen Praxis und den Kern ihrer Aufgabe ausmachen, aber in der professionellen Praxis selbst entparadoxiert werden. Theoretische Konstruktion der neuen Bildungsorganisation Grundsätzlich ist damit die Schule als gesellschaftliche Einrichtung auch pädagogisch legitimiert, im Blick auf ihre Struktur stellen sich angesichts der historischen Situation und der Herausforderung durch Migration, umfassende Beschulungserwartung und die Notwendigkeit gesellschaftlicher und ökonomischer Modernisierung und der politischen Demokratisierung aber viele offene Konstruktionsprobleme. Parallel zu den politischen Interventionen im Bildungswesen entwickelt sich nicht zufällig eine umfassende Reflexion dieser Politik, auch begleitend und legitimierend, nicht allein kritisch. Die dabei versuchte neue Konstruktion ist selbst kontrovers, das verwundert angesichts der Kritik nicht, aber die Modernisierung im Bildungssystem, die seine Differenzierung eröffnet und damit Expansion der Bildungsbeteiligung in erstaunlichem Maße mobilisiert hat, wird damit reflexiv vorbereitet. Umstritten sind bereits die Prinzipien der Gestaltung. In der Bildungsprogrammatik der Sozialdemokratie gelten Einheitlichkeit, Weltlichkeit, Staatlichkeit und Unentgeltlichkeit als Prinzipien, die Einheitsschule, die Möglichkeit des „Aufstiegs der Begabten“ (Petersen 1916) und die Garantie des Bildungsminimums als konkrete Konsequenzen. „Einheitsschule“ ist zwar auch eine Programmformel bürgerlicher Bildungsreformer, aber sie verstehen darunter eher eine gegliederte Schulorganisation, die von der Einheit des Geistes und von der Verpflichtung auf die Nation getragen, sonst aber sehr differenziert organisiert ist und weiterhin die höhere Schule von der Volksschule deutlich trennt. Entschieden innovativer ist die Bildungsreflexion in der Diskussion der curricularen Fragen der höheren Schule. Nicht zuletzt veranlasst durch heftige öffentliche Kämpfe zwischen den Vertretern der klassischen, auf die alten Sprachen verpflichteten Humanisten hier, und den Modernisierern, die als „Realisten“ für die Gleichwertung der neueren Sprachen und von Mathematik und Naturwissenschaften streiten, ist die Frage nach dem Curriculum auch ein Kampf um die Anerkennung von Kulturen und um die Pri-
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Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft 67 vilegierung oder Benachteiligung beim Hochschulstudium. Nach mehreren erfolglosen Anläufen bringt eine preußische Schulkonferenz 1900 schließlich die Gleichstellung beim Zugang in die Universität (Albisetti 1983), auch wenn in manchen Studiengängen, u. a. der Theologie oder in den Geisteswissenschaften, Kenntnisse der alten Sprachen, zumal des Lateinischen, beim Zugang oder in Examina noch gefordert werden. Seit 1900 gewinnt die Reform der Sekundarbildung damit an Tempo, hochmodern vor allem im Mädchenschulwesen. Dort stehen in der „höheren Mädchenschule“ unterschiedliche Bildungsgänge flexibel und durchlässig nebeneinander: studienbezogen, berufsbezogen oder bezogen auf den Lehrerberuf im Volksschulwesen (Kraul 1991). Die höhere Schule wiederum differenziert sich curricular aus, nimmt jetzt bildungstheoretisch legitimiert Rücksicht auf ein neues Publikum, wird in der Typenbildung zumal der Oberstufe offen für neue Inhalte, z. B. die neueren Sprachen („Realgymnasien“) oder die Naturwissenschaften („Oberrealschulen“), und sie bleibt bis zum Ende des 20. Jahrhunderts offen, dann auch sozialwissenschaftlich oder musisch oder wirtschaftswissenschaftlich. Das klassische altsprachliche Gymnasium wird zu einer Schule von ambitionierten Minderheiten, die Bildungstheorie der wissenschaftlichen Grundbildung liefert dafür die Rechtfertigung. Auch organisatorisch entstehen neue Ideen, u. a. die freie Organisation der Oberstufe, d. h. Kursbildung als Lernorganisation, wie Friedrich Paulsen schon 1906 vorschlägt. „Reformpädagogik“ ist, historisch betrachtet, insofern auch zuerst eine Reform der Gymnasien, wie noch 1930 zu Recht gesagt wird (Tenorth 2013); denn auch die berühmten Landerziehungsheime sind der Schulform nach Gymnasien und das Versprechen des sicheren Erwerbs des Abiturs lockt die Eltern primär. Im niederen Schulwesen kommen erste „mittlere“ Schulen hinzu, Vorläufer der späteren Realschulen, um die jetzt neu gesuchten Qualifikationen, etwa moderner Fremdsprachen, oberhalb der Volksbildung und unterhalb gymnasialer und akademischer Studien zu sichern. Das niedere Schulwesen wird nach 1880/90 zuerst in den Städten ebenfalls stärker nach fachlich gegliederten Curricula und jahrgangsförmig umgestellt, gleichzeitig wird es lokal ergänzt um Hilfsschulen und Hilfsschulklassen. Hier werden Schüler beschult, die von der Regelschule wegen Lernschwierigkeiten ausgegrenzt werden, zugleich in Förderungsabsicht und zur Entlastung der Regelschule und ihrer Lehrer (Ellger-Rüttgardt 2008, 131-172). Diese Schulen treten neben die bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert bestehenden Einrichtungen für Blinde oder Gehörlose. Die Schüler der Hilfsschulen gelten, gestützt auf die Diagnosen der zeitgenössischen Pädagogischen Psychologie und Psychopathologie, als „mindersinnig“. Es wird bis in die Inklusionsdebatten des ausgehenden 20., frühen 21. Jahrhunderts dauern, bis das unselige Zusammenwirken von Wissenschaft, Schule und Lehrprofession zu Lasten der Lernenden nicht nur als individuelle Hilfe gesehen, sondern umfassend problematisiert wird.
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68 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten 1.3.2 Der Ursprung der modernen Bildungsverfassung in Deutschland – vom Zweisäulen-System der Klassengesellschaft zum gegliederten Schulsystem der Demokratie Das Bildungswesen selbst ist in seiner Struktur bis 1914/18 aber noch wesentlich von den alten Vorgaben bestimmt, trotz aller organisatorischen Differenzierung. Erst mit der Weimarer Republik, in den Beratungen der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (Richter 1996) und in der darauf folgenden Gesetzgebung sowie in der – durchaus unterschiedlich akzentuierten – Bildungspolitik der Länder, beginnt der auch rechtlich fixierte Strukturwandel, dessen Ergebnis die Bildungsgeschichte im 20. Jahrhundert und das deutsche Bildungssystem in Grundzügen bis in die Gegenwart bestimmt. Mit der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft treten die grundsätzlichen und alternativen Optionen in der Gestaltung der Schulverfassung auf den Plan. Bildungspolitik wird zu einem offen ausgetragenen Konfliktfeld der Gesellschaftspolitik, die reichseinheitliche Bildung der Nation eine der Kernfragen der letztlich bis 1933 nicht gelungenen Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, dann auch auf die nachschulische Volks- und Erwachsenenbildung ausgedehnt (Becker und Kluchert 1993). Die dabei manifest werdenden strukturellen Konflikte werden allerdings schon in den Schulartikeln der Verfassung, im 4. Abschnitt, „Bildung und Schule“, beginnend mit Art. 142, nur in „dilatorischen Formelkompromissen“ (C. Schmitt) gelöst. Aber die Grundlagen der dort fixierten Schulverfassung werden im Grundgesetz von 1949 erneuert, sogar in den Grundrechtsartikeln prominent nach vorne gerückt und bleiben nahezu unverändert und strukturbildend erhalten. Den Zielen der Reformer innerhalb der Sozialdemokratie sowie der liberalen Lehrerbewegung, also der Einheitlichkeit, Staatlichkeit, Weltlichkeit, Fachlichkeit und Unentgeltlichkeit, entsprechen nur wenige Artikel. Zuerst gilt das für die Neuordnung der Lehrerbildung und des Lehrerberufs, mit dem Abitur als Zugangsvoraussetzung und der Anerkennung der Lehrer als Staatsbeamte (Art. 143) sowie mit der Aufhebung aller Reste der kirchlichen Schulaufsicht auch im Volksschulwesen zu Gunsten einer „Schulaufsicht … durch hauptamtlich tätige, fachmännisch vorgebildete Beamte“ (Art. 144). Reformaffin ist auch, dass statt der alten Unterrichtspflicht die Schulpflicht durchgesetzt wird (Art. 145), die „grundsätzlich“ – bei unentgeltlichem Schulbesuch in Volksschulen – acht Jahre in öffentlichen Schulen und anschließend bis zum 18. Lebensjahr in der Fortbildungsschule realisiert werden soll. Reformerisch und sozialegalisierend ist auch die Abschaffung der „privaten Vorschulen“ vor den Gymnasien (Art. 147 Abs. 3) und, schulstrukturell sowie als eine Dimension einheitlicher Beschulung, die Einrichtung „einer für alle gemeinsamen Grundschule“ (Art. 146 Abs. 1) – über deren Dauer und Gestalt dann nach 1919 und bis in die Gegenwart scharf gestritten wird – sowie curricular die (nicht umfassend eingelöste) reformpädagogisch und politisch begründete Erwartung,
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Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft 69 dass „Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht … Lehrfächer der Schulen“ werden (Art. 148 Abs. 3). Verbleibende Privilegien der bildungsbürgerlichen Eltern zeigen sich vor allem im Privatschulartikel (147) und im Artikel zur Schulstruktur (146); denn das „öffentliche Schulwesen“ (Art. 146) kennt weiterhin staatliche und private Träger. Diese bedürfen zwar der staatlichen Genehmigung, sie dürfen auch in der Qualität „nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen“ sowie in ihrer Praxis nicht „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern“ (Art. 147 Abs. 1) zur Folge haben, aber die Elternrechte bleiben erhalten. Zum Konfliktanlass werden sie vor allem in der Konfessionsfrage, d. h. im Zugeständnis, dass in den Gemeinden „auf Antrag von Erziehungsberechtigten Volksschulen ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung“ eingerichtet werden können (Art. 146 Abs. 2) – und höhere Schulen sowieso (denn die wurden wesentlich z. B. von katholischen Orden getragen), sowie in der Fortdauer der staatlichen Finanzierung der theologischen Fakultäten (Art. 149 Abs. 3). Zu diesen verbliebenen Rücksichten auf die Konfessionalität und die Eltern gehört auch, dass „der Religionsunterricht“ als „ordentliches Lehrfach der Schulen“ (Art. 149) eingerichtet und in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften gestaltet wird. Die „bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen“ werden erwähnt, bleiben aber bedeutungslos. Bis weit nach 1960 dominieren in der Volksschule in der BRD, anders als in der DDR, Konfessionsschulen, die Rechte der Kirchen in den Universitäten werden durch neue Konkordate (Verträge mit dem Vatikan) noch nach 1965 bekräftigt und z. T. erweitert; nur Berlin und Bremen nehmen sich explizit von der Vorgabe von Religionsunterricht als obligatorisches Fach aus. Auch die starke Rolle des Staates in der Verwaltung des Schulwesens und der Bildungsföderalismus bleiben erhalten, bis in das Grundgesetz hinein. Weitergehende Reformen, z. B. die Einrichtung der Deutschen Oberschule oder die Lehrplanreform in Preußen, sind deshalb auch nur länderspezifische Ereignisse. Eine Konsequenz des Föderalismus ist es ebenfalls, dass ein in Art. 146 Abs. 2 angekündigtes „Reichsgesetz“ für das Schulwesen nicht zustande kommt, so wenig wie ein Gesetz über die berufliche Bildung. Sowohl über die Konfessions- oder Simultanschule als auch über die Ausgestaltung der Lehrerbildung entzünden sich dauerhafte und ergebnislose Kontroversen. Das Reichsgrundschulgesetz vom 28. April 1920 bleibt insofern als gesamtstaatliche Vorgabe singulär. Es legt die vierjährige Grundschulzeit fest und die Pflicht, die Grundschule im Wohnbezirk zu besuchen (Sprengel-Prinzip), verhindert aber z. B. nicht, dass in Preußen mit dem sog. „Springer-Erlass“ vom 18. April 1925 vielen Kindern bildungsbürgerlicher Eltern die Option eröffnet wird, eine Klasse zu überspringen, früher in die Gymnasien und in das vertraute Milieu einzutreten und die Schuldauer bis zum Abitur in der alten Zeit von 12 (3+9), nicht wie jetzt nach 13 Jahren (4+9) zu erreichen. Auch die Lehrerbildung zeigt je nach den Ländern eine sehr differente Gestalt. Zwar
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70 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten wird das Abitur jetzt die Zugangshürde, der alte, nicht-akademische Weg über die Volksschule, die Präparandenanstalt und das Lehrerseminar wird aufgehoben, aber die Lehrerbildung nach dem Abitur wird nicht insgesamt universitär und damit den höheren Lehrern gleichgestellt, sondern in pädagogischen Akademien, selbst noch in Seminaren (wie in Bayern) oder in separaten Abteilungen an Universitäten, wie in Sachsen, Thüringen und Hamburg, eingerichtet. Der Beruf des Volksschullehrers bleibt in der Hierarchie der Pädagogen unterhalb der „Studienräte“, wie die alten Oberlehrer der höheren Schulen in der Republik dann heißen. Mit diesem Bildungssystem verändern sich nach 1920 dennoch die Formen der Bildungsbeteiligung, die Demokratisierung der Bildung beginnt. Der relative Schulbesuch der 13-Jährigen in den Höheren Schulen nimmt von 9,4 % der Alterskohorte (1921) auf 15,4 % (1931) zu, der Erwerb der Hochschulreife steigt von 2,0 % der männlichen und 0,09 % der weiblichen Alterskohorten (19- bis unter 26-Jährige) noch 1913 auf 2,9 % bzw. 0,9 % 1921, bzw. – als Rückgang im Effekt der „Überfüllungskrise“ – auf 2,7 % bzw. 0,5 % 1931, die Studierenden in absoluten Zahlen von 77.297 (1913) auf 138.010 (1931) (Lundgreen 2000, 148150). Auch die soziale Rekrutierung verändert sich, wenn auch nicht stürmisch. Aufstieg durch Bildung bleibt eine Perspektive für einzelne Hochbegabte, sie ist auch in der Sozialdemokratie noch kein Programm kollektiver Statusveränderung. Stipendiensysteme für die Hochbegabten, wie die „Studienstiftung des deutschen Volkes“ (1925) werden deshalb eingerichtet; der seinen Unterhalt selbst verdienende „Werkstudent“ bleibt dennoch als prominente Sozialfigur erhalten, signifikant für die Mühen des Aufstiegs durch Bildung, aber auch für die allmähliche Ausweitung des Zugangs in höhere Schulen und Universitäten. In der kurzen Phase der Weimarer Republik zeigt sich noch nicht die Dynamik, die dieses Bildungssystem entfalten und gestalten kann, im Gegenteil. In den Folgen der ökonomischen Krise am Ende der Weimarer Republik wird auch die Umsetzung von Zertifikaten im Arbeitsmarkt zum Problem. Das Land diskutiert – gegen die langfristig schon absehbaren demografischen Fakten – erneut über die „Überfüllung“ der akademischen Berufe (Titze 1990), die Studierenden sehen ihre Lebens- und Berufsperspektiven schwinden und sind schon um 1930 bei den ersten, die sich den Nationalsozialisten anschließen und von deren antisemitischer Propaganda eine Rettung ihrer Statuswünsche erwarten (Grüttner 1995). Die Schulpolitik der Nationalsozialisten in ihren verschiedenen Phasen (Horn und Link 2011) nimmt solche protektionistischen Erwartungen auf, setzt sie in einem reichseinheitlichen Zugriff auf das gesamte Bildungswesen um und zeigt dabei schon früh die Praktiken der Begrenzung der weiblichen Bildung und die systematische Strategie des Ausschlusses der jüdischen Bevölkerung, die, nach 1938 verschärft, ihre gesamte Bildungspolitik bestimmen werden. 1933 schlägt sich dieser Zugriff auf das Bildungswesen in mehreren Gesetzen nieder: Das seit dem
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Die zweite „Bildungsrevolution“ – Scholarisierung der Gesellschaft 71 7. April 1933 geltende „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ hat zur Folge, dass neben politisch unliebsamen vor allem jüdische Beamte entlassen werden, in Massen auch aus dem Bildungssystem, Lehrer, Hochschullehrer und Schulverwaltungsbeamte. Das „Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933 begrenzt die Zahl der weiblichen Abiturienten beim Hochschulzugang auf 15 %, die der jüdischen auf 1,5 %, scheinrational dem Anteil an der Bevölkerung abgelesen, und das Abitur eröffnet erst mit einem zusätzlichen Vermerk den Hochschulzugang, der auf 15.000 Neuzugänge begrenzt, aber 1935 wieder unbegrenzt wird, weil die Überfüllung gar nicht existierte. Mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das am 1. Januar 1934 in Kraft tritt, beginnt die Verfolgung, Sterilisierung und Ermordung von Behinderten, die Kinder in Hilfsschulen gelten gesetzlich als Objekte dieses Gesetzes. Die Lehrer der Hilfsschulen beteiligen sich, freiwillig und gelegentlich sogar engagiert, nur selten distanziert, an der Diagnose der „Brauchbarkeit“ der ihnen anvertrauten Kinder und geben damit bei fehlender Brauchbarkeit der drohenden Sterilisierung die pädagogisch scheinbar begründbare Legitimation (Brill 2011). Bildungspolitisch wird nach 1933 das gegebene Bildungssystem zunächst eher von außen NS-spezifisch umrahmt, als sogleich intern, abgesehen von curricularen Umstellungen auf rassistisch-biologistische Inhalte, radikal neu strukturiert. Seit 1933 baut der NS-Staat neben den staatlichen, in die Schule hineinwirkenden Organisationen für die Jugend – Hitler-Jugend (HJ) für die männliche, Bund deutscher Mädel (BDM) für die weibliche Jugend – ein eigenes Schulsystem zur Rekrutierung seiner NS-Eliten auf, die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten als höhere Schulen, sowie die Adolf-Hitler-Schulen parallel zu den Volksschulen. Erst 1938 wird eine umfassendere Schulstrukturveränderung eingeleitet, indem die höheren Schulen auf acht Jahre verkürzt und ihre Schultypen reduziert werden; nach Protesten wird die Aufhebung der altsprachlichen Gymnasien revidiert. In dem 1938 ebenfalls erlassenen Reichschulpflichtgesetz werden die Schulzeitdauer und die Grundstruktur des Schulwesens fixiert und jetzt auch das Berufliche Schulwesen integriert. Nahezu zeitgleich wird 1938 die jüdische Bevölkerung vom Besuch deutscher Schulen ausgeschlossen und auf das jüdische Schulwesen verwiesen, 1942 wird ihr dann vollständig der Schulbesuch verboten. Im Weltkrieg wird die Schule zumal in den besetzten osteuropäischen Gebieten als Instrument der Unterwerfung der Bevölkerung und der Begrenzung ihrer Bildung missbraucht, im Reichsgebiet dagegen die „Hauptschule“ (nach österreichischem Vorbild) als leistungsbezogene Variante der Volksschuloberstufe erfunden, nur für die deutsche Bevölkerung, weil die allein als erziehungs- und bildungsfähig galt. Das setzte selbst die Gesetzgebung im Jugendrecht voraus, das die Gewähr von Erziehung statt Strafe nur den „arischen“ Jugendlichen zubilligte, weil allein die ihrer Natur nach als besserungsfähig galten.
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72 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten
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1.4 Das moderne System der Bildung – Pädagogisierung der Gesellschaft Nach 1945 nimmt die Bildungspolitik einen neuen Anfang, im Rückgriff auf die bis 1933 ausgebildeten Strukturen und zugleich, dokumentiert in Verfassungen und Schulgesetzen, als Versuch der Demokratisierung und der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Unter dem Etikett der „Restauration“ eher verdeckt, entwickelt sich dabei schon in den 1950er Jahren eine innere Reform der Schulen, auch der Gymnasien (Gass-Bolm 2005), so dass eine allmähliche Humanisierung der Schulkultur nicht mehr zu leugnen ist (Fend und Berger 2016). Gleichzeitig gibt es eine rapide Ausweitung der Bildungsbeteiligung, ablesbar am relativen Schulbesuch der 13-Jährigen, die zunehmend das Gymnasium besuchen. Aufstieg durch Bildung bleibt ein leitendes Motiv der Bildungs- und Gesellschaftspolitik, anfangs noch in der Einheit von „Auslese und Förderung“ und der Annahme begrenzter Begabungsreserven, nach 1969 im Zeichen eines neuen Verständnisses von „Begabung“ als Aufgabe der Schule dann als umfassende Erwartung der Sicherung der Gleichheit der Bildungschancen. „Bildung für alle“ ist heute als politische Losung (in der CDU) sogar an die Stelle des alten Programms des „Wohlstands für alle“ getreten. Der Ausgleich aller Bildungsbenachteiligungen, die man nach sozialer Herkunft und Geschlecht oder nach Konfession und Region, Migration und Ethnizität beobachtet hat, gilt seit dem Ende der 1970er Jahre unbestritten als Ziel. Nach 1955 wird eine erste Gesamtrevision des Bildungswesens vom „Deutschen Ausschuss für Erziehung und Unterricht“ mit seinem „Rahmenplan“ von 1959 versucht, in der Begründung noch vom überlieferten Bildungsdenken geprägt, aber schon unter Einbeziehung von beruflicher und Erwachsenenbildung, parallel zu einer neuen Wissenschaftspolitik und verbunden mit ersten Ansätzen der Bildungsplanung. In gesamtstaatlichen Regelungen, wie in Düsseldorf 1955 und noch im Hamburger Abkommen von 1964 wird aber eher die Grundstruktur des gegebenen Bildungssystems festgeschrieben als mutige Innovation geplant. Die versucht, gesamtstaatlich und erschreckt durch die Diagnose der „Bildungskatastrophe“ (Picht 1965), erst der 1965 gegründete Deutsche Bildungsrat, auch im engen Anschluss an Bildungsplanung und Bildungsforschung und inspiriert von Reformen in Ländern wie Hessen unter dem Minister Ernst Schütte, oder Baden-Württemberg unter Wilhelm Hahn. Der 1969 vorgelegte Strukturplan des Deutschen Bildungsrates stößt aber eher Reformdebatten an, als dass er wirkliche Strukturveränderungen bringt, weil schon der Föderalismus Konflikte, z. B. über Gesamtschulen, mehr verschärft als auflöst. Die Bildungsbewegungen im Schulsystem, Muster der Expansion, Differenzierung und neuer Bildungsbeteiligung entwickeln sich relativ unabhängig davon weiter. Bis 1989/90 muss man schließlich die Differenzen beachten, die sich aus der Existenz zweier deutscher Staaten ergeben.
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Das moderne System der Bildung – Pädagogisierung der Gesellschaft 73 1.4.1 Bildungsforschung und Bildungssystem, Erwartungen und Diskurse Die Reflexion und Beobachtung des Bildungssystems nach 1950 unterscheidet sich bis 1990 in beiden deutschen Staaten eindeutig. In SBZ und DDR sind Bildungsund Gesellschaftspolitik und die Erziehungsforschung im breit ausdifferenzierten „System der Erziehungswissenschaften“ in ihren Praktiken und politisch-ideologischen Prämissen eng aneinander gebunden. In der staatlichen Forschungsplanung, koordiniert über die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, seit 1970 Nachfolgeeinrichtung des Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts, wird die Erziehungsforschung an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen strikt auf die bildungspolitischen Ziele und die Ideologie der DDR verpflichtet (Häder und Wiegmann 2007) und mit der Sozialpädagogik auch eng in die Praxis sozialer Kontrolle eingebunden. Das vollzieht sich, ungeachtet der Varianz an einzelnen Hochschulstandorten und in manchen Wissenschaftsdisziplinen, z. B. der Allgemeinen Didaktik, sehr deutlich zum Schaden der theoretischen und methodischen Leistungsfähigkeit der Pädagogik der DDR, wie auch in der DDR selbst konstatiert wird. Der zunehmend realistische Blick, der z. B. in der Arbeit des „Zentralinstituts für Jugendforschung“ oder bei universitären Bildungssoziologen auf das Bildungssystem der DDR geworfen wird, gewinnt allerdings nach 1975/80 sogar in der Forschungspraxis der APW die Oberhand über die vorher dominierende ideologische Zentrierung (Tenorth 2017). Aber die ernüchternde „Bilanz“, von der APW 1988/89 im Vorfeld des XI. Pädagogischen Kongresses von 1989 über die Wirkungen der Bildungspolitik vorgelegt, wird von Margot Honecker unterdrückt (Hoffmann et al. 1999). Sie lässt sich gegen alle Erfahrung ihre alten politischpädagogischen Erwartungen nicht rauben, dass man in einem Erziehungsstaat auch die Neue Sozialistische Gesellschaft pädagogisch erzeugen kann. Die Beobachtung des Bildungssystems setzt in der Bundesrepublik zunächst konventionell ein, mit den bekannten bildungsphilosophischen Referenzen, die in der Weimarer Republik ausgebildet worden waren, mit praxisbezogener allgemeinund fachdidaktischer Reflexion und im politischen Kontext der konkurrierenden Parteien und Lehrerorganisationen. Noch in den Planungen des „Deutschen Ausschusses“ regiert eine traditionale, bildungsbürgerliche Denkform, auch wenn der Soziologe Helmut Schelsky seine These von der Schule als der „zentralen sozialen Dirigierungsstätte“ zuerst in einem Gutachten für den DA vorgelegt hatte. Solche Fragestellungen werden erst in den bildungssoziologischen Analysen seit Mitte der 1960er Jahren stark beachtet. Sie verändern das Denken im politischgesellschaftlichen Feld, in den Gutachten und Studien sowie in den Empfehlungen des „Deutschen Bildungsrates“ dominieren sie schließlich. Die aktuelle empirische Bildungsforschung, inzwischen breit abgesichert in universitären und außeruniversitären Forschungsinstituten, ist zwar immer noch von Bildungsreflexion, zumal kritischer Provenienz, begleitet (Baumert und Tillmann 2016), sie bestimmt aber
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74 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten hier wie weltweit die Beobachtung des Bildungssystems, jetzt auch in der Nutzung für eine „empirisch“ orientierte Bildungspolitik (Aljets 2015). In diesem Prozess veränderten sich auch die Gewichte, die bestimmte theoretische Fragen gewinnen konnten. Nach der um 1960 propagierten „realistischen Wendung in der pädagogischen Forschung“ (Roth 1963) gab es erste Ansätze der Bildungssoziologie und der Bildungsökonomie, eine starke Rolle der Pädagogischen Psychologie, zumal in der Diskussion von „Begabung und Lernen“ (Roth 1969), dann, reformbegleitend, intensive Anstrengungen in der Curriculumforschung (Hameyer et al. 1983) sowie in prozessbezogenen Analysen der Qualität und Wirkung von Unterricht (Weinert und Helmke 1997). In vergleichenden Studien über die Leistung des Schulsystems und die Untersuchung der Frage, ob Gesamtschulen eher als andere zur Egalisierung von Bildungschancen beitragen, entwickelte sich nach 1970/80 bereits eine an den Ergebnissen der Leistung von Schulsystemen, ihrem outcome, und an den Bedingungen und Formen der Leistungserbringung orientierte Forschung. Sie hat ihre Leistungsfähigkeit in Studien zur Lernausgangslage von Schülern gezeigt (Lehmann und Peek 1997) oder in den auf die Naturwissenschaften bezogenen IEA-Studien (z. B. Baumert et al. 1997). Seit 2000 und kontinuierlich im Kontext von PISA und in den Studien über die Realisierung von Bildungsstandards, die vom IQB ausgehen und die Leistungen der Bundesländer vergleichen (jüngst Stanat et al. 2016), bestimmen die Ergebnisse dieser Forschung die gesellschaftliche Wahrnehmung des Bildungssystems, d. h. der Leistungen, die es erzeugt, und der sozialen Disparitäten, die es offenbar nicht hinreichend abbaut. In der Öffentlichkeit werden die Ergebnisse dieser Studien intensiv, vereinfachend, auf Leistung und Chancengleichheit relativ global zugespitzt und als Krisenindikatoren im Blick auf Chancengleichheit und -gerechtigkeit interpretiert. In der bildungstheoretischen und -philosophischen Diskussion wird wegen solcher Engführung auf Statusfragen erneut kritisch gefragt, ob man damit den Sinn von Bildung und die Möglichkeiten der Entfaltung der je individuellen Fähigkeiten wirklich angemessen versteht und politisch gestaltet. Erneut wird „Halbbildung“ (T. W. Adorno) und „Unbildung“ (K. P. Liessmann) diagnostiziert, wahre Bildung als Selbstbildung des urteilsfähigen, kritischen Subjekts gegen die Produktion von „kulturellem Kapital“ (Bourdieu) im Bildungssystem aufgerechnet, das nur soziale Distinktion erzeuge und legitimiere. Solche kritischen Diagnosen belegen zunächst aber nur, dass es eine unbestrittene Geltung der alten, „hohen“ Kultur nicht mehr gibt, sich vielmehr eine Vielfalt unterschiedlicher Milieus und von Formen der Individualität ausgebildet hat, die ihre eigene Geltung haben. Zugleich hat Kulturkritik selbst ihre Geltung verloren, denn die Attitüde einer „Kritik, die sich als Inhaberin des überlegenen Standpunktes wähnte – eines Standpunktes, der sich klassischerweise auf Mastersubjekte wie die Wahrheit, die Vernunft und die Geschichte berief“ gilt nicht mehr unbestritten: „Mit dieser Art der Kritik und dem Gestus der starken
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Das moderne System der Bildung – Pädagogisierung der Gesellschaft 75 Behauptung, der Einschüchterung und der Unterwerfung, ist es nun vorbei.“ (Konersmann 2008, 7). Aber die Konsequenzen für die Gestaltung des Bildungssystems, die man aus der Bildungsforschung oder der kritischen Bildungstheorie meint ableiten zu können, sind nicht so eindeutig, wie die Lage des Bildungssystems politisch oder reflexiv charakterisiert wird. „Bildung“, als Menschenrecht von der UN geadelt, wird in der öffentlichen Diskussion inzwischen zu einer Formel, die man – nicht nur in Deutschland – primär an der Hochschulzugangsberechtigung misst und zugleich für die Lösung aller gesellschaftlichen Probleme einsetzt, von der Sicherung der je individuellen Kompetenz und die Herstellung von Gleichheit und sozialem Aufstieg über die ökonomische Leistungs- und Modernisierungsfähigkeit der Gesellschaft bis zur normativen und sozialen Integration der Nation, die angesichts von Migration und Binnenwanderung wie selbstverständlich vom Bildungssystem erwartet werden. Diese Diagnosen über die Pädagogisierung oder, in der internationalen Debatte, der „educationalization“ moderner Gesellschaften (Smeyers und Depaepe 2008) haben insofern ihre eigene Rationalität, als inzwischen über das klassische allgemeine und berufliche Bildungswesen hinaus eine breite Bildungsinfrastruktur der Gesellschaft entstanden ist. Bildung wird in der gesamten Biografie wissenschaftlich beobachtet und zum Objekt der pädagogisch-politischen Intervention. Mit der frühkindlichen Bildung einsetzend, in der Altenbildung vollendet, wird die individuelle Praxis lebenslang, institutionell abgesichert pädagogisch-professionell begleitet, in der besten Absicht und zugleich doch mit der Überforderung der beteiligten Akteure und mit der Überfrachtung des Systems mit Erwartungen. Reflexive Individualisierung, Bildung im klassischen Verstande, wird in dieser kritischen Perspektive zu einer Praxis, die das selbstverantwortliche Subjekt – wenn man es denn überhaupt noch für denkmöglich hält – nur noch außerhalb des Bildungssystems finden kann. 1.4.2 Die Konstitution des gegenwärtigen Bildungssystems Im zweigeteilten Deutschland existieren bis 1990 zunächst sehr disparate Schulstrukturen. Die Einführung eines einheitlichen Bildungssystems in der SBZ/DDR, beginnend mit der Schulgesetzgebung in den Ländern der SBZ von 1946, fortgesetzt mit den Bildungsgesetzen der DDR von 1959 und 1965 führte schließlich zum „Einheitlichen sozialistischen Bildungssystem“ (Geißler 2013, bes. 748ff, 823ff, 964ff). Seinen Kern bildete die „zehnklassige Polytechnische Oberschule“ (POS), intern in eine je dreijährige Unter- und Mittelstufe sowie eine vierjährige Oberstufe gegliedert, der einerseits die berufliche Bildung in einem Dualen System von Schule und Betrieb, andererseits die zweijährige „Erweiterte Oberschule“ (EOS) folgte, in der man die Berechtigung zum Hochschulstudium erwarb. Curricular u. a. mit der polytechnischen Bildung und in den Lernformen durch die Kooperation von Schulen
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76 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten
18 17
12
10 9
14
8
13
7
12
6
9 8 7
Erweiterte OS (Abitur)
11
15
10
Weiterbildung der Erwachsenen in staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen (inkl. Volkshochschulen)
13
16
11
Ingenieur- und Fachschulen einschließlich Fern- und Abendstudium
5 4
Spezialschulen und -klassen
19
Schuljahre
Universität und Hochschule einschließlich Fernstudium
Lebensjahre
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und Betrieben, aber auch um ein Fach wie Wehrkunde einheitlich erweitert, gab es innerhalb dieses Bildungssystems trotz der Einheitsformel auch Differenzierung.
Berufsausbildung mit Abitur
Berufsausbildung
Oberstufe
Zehnklassige Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule
Mittelstufe
3 2
Unterstufe
1
6 5
Kindergarten/Vorschulerziehung
4 3 2
Kinderkrippe
1 Weg von Schule zu Schule
Weg zum Berufsleben
Abb. 1.2: Die Schulstruktur in der DDR, nach dem Gesetz von 1965
Sie betraf zunächst die Lehrkräfte; denn die Grundschullehrkräfte wurden in Fachschulen, die Diplom-Lehrkräfte universitär bzw. in pädagogischen Hochschulen ausgebildet. Differenzen zeigen sich aber auch in der Schulstruktur. Hier gab es
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Das moderne System der Bildung – Pädagogisierung der Gesellschaft 77 Spezialschulen und -klassen, u. a. für Sprachen (z. B. Russisch), musische Fächer, Mathematik oder Sport. Es gab aber auch interne Differenzierung von Bildungskarrieren, etwa seit der 7./8. Klasse in Vorauswahlen für die EOS, wobei der Zugang zur Abiturbildung nicht allein von Leistungskriterien, sondern auch vom gesellschaftlich als wünschenswert bezeichneten Verhalten abhängig war und z. B. beim Fernbleiben von den innerschulisch hoch präsenten Organisationen der Jungen Pioniere und der FDJ, bei strikt kirchlicher Bindung oder oppositionellem Verhalten versperrt war. Aber die Abiturientenquote war in der DDR bis 1990 mit ca. 14 % der Alterskohorte überhaupt und im Vergleich zu anderen Industriestaaten relativ gering. Gleichzeitig war die soziale Reproduktion über das Bildungswesen nach frühen Maßnahmen zur „Brechung des Bildungsmonopols“, wie sie in „Arbeiter- und Bauernfakultäten“ und Vorstudienanstalten eingerichtet waren, später wieder sehr traditionell und nicht egalitär. Bildungssoziologen aus der DDR haben von einer „Refeudalisierung“ (A. Meier) gesprochen, um die nach 1961 beginnende starke Praxis der Selbstreproduktion der akademischen Eliten zu bezeichnen. In der Bundesrepublik differenzierte sich das in Weimar vorgebildete Schulsystem bis heute weiter aus, wenn auch ohne radikale strukturelle Veränderung. Die stattfindenden Veränderungen betrafen nicht so sehr die Schulstruktur, sondern die Qualität der Bildungswege, ihre interne Vernetzung und die Bedeutungszunahme individuell konstruierter Bildungsgänge. Struktureller Wandel gilt v. a. für die Ausdehnung der Schulbesuchsdauer auf zuerst neun, dann zehn Jahre, die Umstellung der Curricula auch der Volksschulen auf wissenschaftsorientierte Lehrpläne, die Einführung einer obligatorischen Fremdsprache im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, die Einführung eines Mittleren Schulabschlusses, den man in allen Sekundarschulen erwerben kann, sowie die Verlagerung der Lehrerbildung, auch der Volksschullehrkräfte nach 1970 an die Universitäten (nur in Baden-Württemberg bestehen Pädagogische Hochschulen fort) und die Einführung eines landesweiten Stipendiensystems (BAFÖG). Bei relativer Kontinuität der gegliederten Schulstruktur veränderte sich in den höheren Schulen dennoch die Bildungsbeteiligung radikal: Besuchten noch 1952 erst 12,9 % der männlichen und 10,1 % der weiblichen 13-Jährigen gymnasiale Bildungswege (79,3 % noch die Volkschuloberstufe) und begannen 7 % der männlichen und 1,8 % der weiblichen Alterskohorte ein Hochschulstudium, so waren das bei den 13-Jährigen 1990 32,2 % bei den weiblichen und 29,4 % bei den männlichen Jugendlichen (und nur noch 29,7 % in den Schulen der alten Volksschuloberstufe), bei den Studienanfängern stiegen die Zahlen auf 26,6 % der männlichen und 19,7 % der weiblichen Jugendlichen, aber schon 1995 hatten die weiblichen mit 23,5 % die männlichen mit 22,6 % überholt (Lundgreen 2000, 148-150). Aktuell sind es bundesweit schon mehr als 50 % der Alterskohorte (58 % bei den Frauen), die eine Berechtigung zum Hochschulstudium erwerben, davon ca. 40 % mit Berechtigungen, die sie im beruflichen Teil der Sekundarstufe II erworben haben.
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Weiterbildung (allgemeine, berufliche und wissenschaftliche Weiterbildung in vielfältiger Form)
Lebensalter
Bildungsbereich
78 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten
Tertiärer Bereich
21 19 18
Fachgymnasien
Sekundarbereich II
Fachoberschulen
22
Gymnasien Klassenstufe 11 bis 12/13
17 16 15
Realschulen Mittelschulen Sekundarschulen Regelschulen
Gymnasien Klassenstufe 5 bis 10
14 Sekundarbereich I
Berufsfachschulen
Fachhochschulen Gesamthochschulen Verwaltungsfachhochschulen
Universitäten Theologische Hochschulen Pädagogische Hochschulen Kunsthochschulen Gesamthochschulen
Gesamtschulen
Hauptschulen
Berufsaufbauschulen
Duales System (Betriebliche Ausbildung und Berufsschulen) Berufsgrundbildungsjahr
Schulen des Gesundheitswesens
Fachschulen
Abendschulen und Kollegs
Betriebliche Weiterbildung
Zwischenzeitliche Berufstätigkeit
13 12 11
Orientierungsstufe (schulformabhängig oder schulformunabhängig)
10 9
Grundschulen
Primarbereich
Sonderschulen
8 7 6
Kindergärten
Elementarbereich
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Abb. 1.3: Die Schulstruktur in der Bundesrepublik, bis 1990
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Bilanz von 200 Jahren deutscher Bildungsgeschichte 79 Das bis heute relativ stabile „duale“, in Betrieb und Schule praktizierte System der beruflichen Bildung zumal unterhalb akademischer Qualifizierung ist nicht nur eine deutsche Besonderheit, sondern offenbar auch ein Garant für Berufs- und Lebenschancen. Formen der Bildungsungleichheit, die in den 1960er Jahren noch eine große Rolle spielten, z. B. nach Konfession („das katholische Bildungsdefizit“), nach Geschlecht oder regional, haben ihre Bedeutung verloren, neue Formen der Ungleichheit, u. a. wegen Migration und Ethnizität sind (in großer Varianz) hinzugekommen, die soziale Lage allerdings, Armut und die Zugehörigkeit zu Unterschichten, ist nach wie vor mit Bildungsungleichheit verbunden. Nach 2000 erlebte das Bildungswesen, nicht zuletzt ausgelöst durch die vom OECD-Programm PISA erhobenen alarmierenden Daten über seine mangelnde Leistungsfähigkeit und die Produktion von Bildungsungleichheit, auch angesichts der immer neuen Konstruktion von „Risikogruppen“, auch strukturelle Veränderungen, z. T. vom Bildungssystem der „neuen Länder“ nach der Vereinigung von 1991 inspiriert. Die wesentliche strukturelle Zäsur ist nämlich mit der weitgehenden Durchsetzung der Zweigliederung im Bildungswesen gegeben. Nach der Grundschule existieren jetzt in den meisten Bundesländern zwei allgemeinbildende Bildungswege in unterschiedlich bezeichneten Schulformen neben den Gymnasien von der „Sekundar“- bis zur „Stadtteilschule“, die beide gleichberechtigt, wenn auch in unterschiedlicher Dauer, bei z. T. achtjährigen Gymnasien und gestützt auf variierende Curricula bis zum Abitur führen. Erstmals in der deutschen Bildungsgeschichte gibt es damit eine einheitliche Wertigkeit der Bildungswege; denn sie eröffnen alle den Weg zum Hochschulzugang und heben damit den alten Unterschied von „höherer“ und „niederer“ Bildung schulstrukturell auf.
1.5 Bilanz von 200 Jahren deutscher Bildungsgeschichte Im Rückblick auf die lange Dauer der Genese, Ausgestaltung und Differenzierung des modernen Schulsystems in Deutschland erkennt man deutlich eine Kontinuität seiner Funktionen, seit 1918 bei weitreichender interner Modernisierung eine relative Stabilität der Schulstruktur und gleichzeitig in der Praxis der Bildungsbeteiligung und in den Wirkungen der Schule umfassende Prozesse der Mobilisierung und Expansion. Das gelingt in einem Bildungssystem, das einerseits als traditional und immobil kritisiert wird, in dem sich andererseits eindeutige Prozesse der strukturellen Angleichung der Bildungsgänge und der Erhöhung von Bildungschancen vollziehen. Nach wie vor geht es im Bildungswesen um Qualifizierung und Sozialisation, um Integration, Enkulturation und Allokation, bildungstheoretisch immer noch um die Generalisierung von je individuell habitualisierten Prämissen für die Teilhabe an Politik, Kultur und Gesellschaft und um den Aufbau von Kompeten-
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80 „Bildung“ – Reflexionen, Systeme, Welten zen, die es gestatten, den Lebenslauf als Bildungsgang wahrzunehmen, beruflich erfolgreich zu sein und die eigene Lebenssituation selbstbestimmt zu gestalten. Die Beobachter des Bildungssystems und der Bildungsbiografien in ihrer individuellen und kollektiven Entwicklung sind sich allerdings nicht einig in der Bewertung ihrer Befunde. Biografisch gesehen sind offenbar Bildungsprozesse nicht nur differenziert, sondern – unter Egalitätserwartungen – strukturell ungleich. Bildungschancen sind vor allem unter Bedingungen von Armut und Ethnizität ungleich verteilt und die Nachteile der Herkunft werden im Bildungssystem nicht hinreichend kompensiert; auch die gesundheitlichen, monetären und immateriellen Erträge von akademischer Bildung sind deutlich höher als die der schulischen und beruflichen Grundbildung; Arbeitsplatzrisiken oder politisches Interesse und Engagement korrelieren ebenfalls mit der Dauer von Bildungsgängen und der Qualität der Abschlüsse. Nicht zufällig erneuert eine kritische Bildungstheorie von solchen Befunden aus ihre Diagnose, dass die Gleichheits-Versprechen der Bildungspolitik immer noch nicht eingelöst sind. Andererseits ist die Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich dank des dualen Systems und der Wirtschaftsstruktur auffällig gering und auch das Privatschulwesen hat nicht die große sozialdistinktive und selektive Bedeutung, die man aus anderen westlichen Gesellschaften kennt. Eine Attribuierung der Ursachen solcher Disparitäten allein auf das Bildungssystem greift aber wohl zu kurz. Schon die Differenz von pädagogischer Gleichheit einerseits, die man im organisatorischen, curricularen und pädagogisch-professionellen Angebot der Lernmöglichkeiten und der Förderung der Lernenden identifizieren kann, und gesellschaftlicher Gleichheit andererseits, wie sich nach Status, Einkommen und Prestige darstellt, wird nicht selten konfundiert. Die klassische Bildungstheorie hatte nicht gesellschaftliche Gleichheit, sondern nach der Sicherung der Grundbildung nur die Individualisierung von Bildungsprozessen nach Fähigkeiten und je subjektiven Anstrengungen versprochen, Differenz im Ergebnis der Bildungsprozesse also ausdrücklich akzeptiert. Gemessen an der aktuellen Erwartung, im Lebenslauf durch pädagogische Praxis die Gleichheit der Chancen und der Ergebnisse von Bildung zu sichern, treffen Bildungstheorie und Bildungssystem deshalb auch eher auf die übersteigerten Erwartungen, die im Bündnis mit Reformversprechen pädagogischer und sozialer Bewegungen und der Bildungspolitik erst im 20. Jahrhundert erzeugt worden sind. Aber das sind Versprechen, die pädagogische Arbeit nach aller historischen Erfahrung nicht einlösen kann. Diese Erfahrung zeigt allerdings schon im radikalen Wandel der Bildungsbeteiligung und in der individuellen und kollektiven Attribuierung auf Bildung als Ursache von Erfolg und Misserfolg im Lebenslauf, dass Bildung als eine soziale Tatsache im Verhalten der Individuen gesehen und für das eigene Verhalten als zentrales Regulativ akzeptiert ist. Darin ist Bildung alltäglich geworden, auch wenn hohe Leitbilder des Gebildeten die Praxis allenfalls noch als Kriterium, nicht real bestimmen.
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| 85 2 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:39 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Hans-Peter Füssel
Zusammenfassung Ziel der Darstellung ist es, einerseits zu verdeutlichen, dass und wie sich Einflüsse von außen auf das deutsche Bildungssystem entwickelt haben und wie stark diese wirken. Als Akteure für derartige Einflüsse von außen sind dabei internationale Organisationen zu nennen, wie die Vereinten Nationen (UN) oder auch die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), zunehmend aber auch europäische Organe wie der Europarat und insbesondere die Europäische Union. Die dabei aufgelegten Programme und Initiativen stützen sich nicht immer auf ausdrückliche Zuständigkeitsregelungen, ihr Einfluss durch die Auslobung von Finanzmitteln darf aber bei der faktischen Wirksamkeit entsprechender Initiativen nicht unterschätzt werden. Innerhalb Deutschlands gilt andererseits nach der Verfassungsordnung ein deutlicher Vorrang der Länder in allen Bildungsfragen. Auch wenn das Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Fragen des Bildungsföderalismus seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland durchaus unterschiedlich ausgestaltet wurde, so führten doch alle Formen gemeinsamer Aktivitäten von Bund und Ländern, etwa über Gemeinschaftsaufgaben, zu Unklarheiten und Arten der Verflechtung, die durch komplizierte Abstimmungsprozesse nur schwer aufgefangen werden konnten. Zugleich bestimmte die unterschiedliche Finanzkraft von Bund und Ländern das Verhältnis jenseits aller verfassungsrechtlichen Festlegungen in Vergangenheit und Gegenwart mit. Dabei spielten und spielen auch die Kommunen eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung der Bildungsinfrastruktur. Mit den auf Weltniveau und auf europäischer Ebene agierenden Institutionen, mit den innerhalb Deutschlands Zuständigen im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden sind aber letztlich nicht alle Akteure genannt, die auf Struktur und Inhalte des Bildungssystems in Deutschland Einfluss nehmen bzw. dies versuchen. Im Bildungsbereich tätige „Think Tanks“ spielen auch in Deutschland eine zunehmend wichtige Rolle, so dass in diesem Kapitel auch auf deren Bedeutung eingegangen werden wird.
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86 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Bildung und Erziehung des Menschen werden nicht nur durch das geprägt, was im unmittelbaren persönlichen Kontakt, z. B. zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern geschieht. Für die Begegnung eines Kindes und Jugendlichen mit Erwachsenen und deren gezielte pädagogische Einwirkung auf Kinder und Jugendliche gilt, was allgemein soziale Tatbestände charakterisiert: das Handeln und die Kommunikation der Menschen stehen unter dem Einfluss natürlicher sowie sozialer Rahmenbedingungen, die direkter individueller Verfügung zumeist weitgehend entzogen sind. Wenn man dabei die Perspektive wechselt, also statt des Interesses der Beteiligten das der Gesellschaft in den Blick nimmt, kann man diesem Sachverhalt eine gewisse Rationalität zuerkennen. Die Ausprägung von Bildungsprozessen wird nicht individueller Beliebigkeit ausgeliefert, vielmehr folgt ihre Gestaltung bestimmten äußeren Vorgaben und Regelungen, über die gesellschaftlich und politisch entschieden wird. Es besteht deswegen ein ausgeprägtes gesellschaftliches Interesse an der Organisation und dauerhaften Sicherung solcher (Rahmen-)Bedingungen, die das Erreichen der gesteckten Ziele begünstigen bzw. die kollektive Definition dieser Zielsetzungen selbst zu regulieren erlauben. Sicher ist die Funktionsweise gesellschaftlicher Institutionen nur zu einem Teil das Ergebnis bewusster Steuerungsabsichten. Gesellschaftliche Institutionen – und das gilt für das Bildungssystem in besonderer Weise – sind historisch gewachsen, haben sich verändert, und immer sind verschiedene, auch konträre Interessen dabei am Werk, so dass es an klaren und eindeutigen Zielperspektiven mangeln kann. Zudem entwickeln Institutionen ihr eigenes Leben, das sich gegen die zugedachten Zwecke verselbstständigen kann. Gerade beim institutionellen Rahmen des Bildungswesens, an dem sich viele unterschiedliche Erwartungen, Interessen und Funktionen festmachen, sind besonders sorgsam latente, oft unbeabsichtigte oder nicht berücksichtigte Wirkungen zu beachten. Mit der Einrichtung eines eigenständigen Bildungssystems ist eine besondere Stufe in der gesellschaftlichen Entwicklung erreicht, weil damit die systematische Gestaltung bestimmter Sozialisations- und Lernprozesse für die nachwachsende Generation ermöglicht und gestaltet wird. Umgekehrt muss sich das Bildungswesen in seiner jeweiligen Gestalt und Ausprägung an dem Anspruch messen lassen, die jeweils optimalen Bedingungen für die einzelnen, in diesem System Lernenden bereitzustellen. Das folgende Kapitel stellt das institutionelle Rahmengefüge des deutschen Bildungssystems in den Mittelpunkt und benennt seine charakteristischen Eigenheiten. Weil soziale Festlegungen sowie die Regelungen für den Ausgleich von Interessen in modernen Gesellschaften typischerweise rechtsförmig erfolgen, wird dabei den rechtlichen Rahmenbedingungen des deutschen Bildungssystems ein breiterer Raum eingeräumt. Die Darstellung ist wie folgt gegliedert: nach einem einführenden Abschnitt zu den Strukturmerkmalen des Bildungssystems (► 2.1) werden in zwei folgenden Abschnitten jene Rahmenbedingungen näher aufgezeigt, denen sich das deutsche
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Kennzeichnende Merkmale des deutschen Rahmengefüges 87
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Bildungssystem gegenübersieht: Einflüsse auf Weltniveau (► 2.2) und solche der europäischen Ebenen (► 2.3). Bund und Länder sowie die Gemeinden sind die staatlichen Instanzen, die das deutsche Bildungssystem prägen, gestalten und sich dabei untereinander abstimmen (► 2.4).
2.1 Kennzeichnende Merkmale des deutschen Rahmengefüges Ohne Zweifel weist das deutsche Bildungssystem, trotz vieler struktureller Gemeinsamkeiten mit den Bildungsstrukturen in anderen Staaten, auch eine Fülle von sehr spezifischen Besonderheiten auf, die beispielsweise auch mithilfe von internationalen vergleichenden Untersuchungen (wie derjenigen der OECD; dazu ausführlich ► Kap. 7) deutlich hervortreten. Zunächst ist es Bestandteil der nationalstaatlichen Zuständigkeit aller Staaten, das eigene Bildungssystem nach den jeweiligen historischen, gesellschaftlichen, ökonomischen, bildungspolitischen und bildungstheoretischen Vorstellungen und Werthaltungen zu entwickeln und zu gestalten. Hier sind innerhalb Deutschlands verschiedene Akteure auf der staatlichen Ebene zu unterscheiden, die nach den insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben Regelungen treffen – wobei die bisherige Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auch gerade durch Verschiebungen im Gefüge der jeweiligen Entscheidungsbereiche gekennzeichnet ist: die Regelungsbereiche des Bundes, der Bundesländer und auch der Gemeinden müssen unterschieden und voneinander abgegrenzt werden; ebenso müssen auch die innerstaatlichen Verflechtungen und Abstimmungsverfahren zwischen den staatlichen Ebenen einbezogen werden, die ihrerseits auf die Gestaltung des Bildungssystems in Deutschland einwirken. Hinzu tritt die Eingebundenheit der Nationalstaaten in internationale Regelwerke, Konventionen und Absprachen. Dabei können diese internationalen Bestimmungen einerseits (einschränkende) Rahmenvorgaben für die Ausgestaltung nationaler Bildungssysteme enthalten, sie können aber andererseits auch – dann eher mittelbar – auf Strukturen und Inhalte der nationalstaatlichen Bildungssysteme einwirken, etwa durch die Setzung von Standards. So lassen sich als Beispiele für innerstaatliche Rahmensetzungen Konventionen der Vereinten Nationen verstehen (wie das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“), andererseits erheben jene von der OECD angeregten und durchgeführten Studien zum Bildungsstand der Bevölkerung (etwa bei Schülerinnen und Schülern PISA, bei Erwachsenen PIAAC) nicht den Anspruch, verbindliche Vorgaben für die einzelnen Nationalstaaten zu entwickeln – auch wenn die politischen Folgen erheblich sein mögen, wie dies für Deutschland ein Begriff wie der „PISA-Schock“ nach 20011 hinreichend verdeut1 Sprachlich angelehnt an jenen „Sputnik-Schock“, der als Reaktion auf den Start der ersten sowje-
tischen Raumstation im Oktober 1957 zur Auflegung von Bildungsprogrammen in den westlichen
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88 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens licht. Neben den weltweit geltenden Regelwerken kommen für Deutschland aber insbesondere denjenigen eine herausragende Bedeutung zu, die in den unterschiedlichen europäischen Zusammenhängen entwickelt wurden und werden. Wenn also Deutschland – wie andere Staaten auch – letztlich keine völlig freie Hand bei der Gestaltung seines Bildungssystems hat, so bleibt es zwingend, bei einer auf die rechtlichen Rahmenbedingungen hin orientierten Betrachtungsweise sehr genau zu unterscheiden, in welchem Maße internationalen Bestimmungen eine (lediglich) politische Bedeutung zukommt oder in welchem Maße sich Verpflichtungen ergeben, die innerstaatlich umzusetzen sind; dabei sind diese dann ihrerseits nach dem Grad ihrer rechtlichen Verbindlichkeit zu unterscheiden. Dabei lassen sich verschiedene Dimensionen rechtlicher Einwirkungen unterscheiden. Die erste Dimension, die sich insoweit benennen lässt, ist die Ebene weltweit geltender Regelungen zum Bildungsbereich, die sich ihrerseits auf die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 zurückführen lassen. Diese Erklärungen, Beschlüsse und Konventionen entfalten ihre Wirkung auch für die innerdeutschen Festlegungen (► 2.2). Auf europäischer Ebene sind Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft, solche des Europarats sowie diejenigen von eigens dafür geschaffenen „Netzwerken“ zu unterscheiden; diese wirken höchst unterschiedlich auf das deutsche Bildungssystem ein (► 2.3). Schließlich ist auf der deutschen nationalen Ebene zwischen denjenigen Bestimmungen und rechtlichen Vorgaben zu differenzieren, die auf Bundesebene durch die jeweils dort zuständigen Organe (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung/ Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft) erlassen werden; demgegenüber abzugrenzen sind jene Regelungsbereiche, in denen die Bundesländer selbst Regelungen erlassen, deren Umfang im Rahmen der verschiedenen „Föderalismusreformen“ unterschiedlich bestimmt und letztmalig durch die im September 2006 in Kraft getretene Fassung ausgeweitet wurde. Schließlich haben innerhalb des deutschen Bildungssystems auch die Gemeinden wichtige Aufgaben und Funktionen, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Die Institutionen und Formen der jeweiligen Kompetenzen, aber auch der Kooperationen zwischen Bund und Ländern auf der einen, der Bundesländer untereinander auf der anderen Seite sind in diesem Zusammenhang näher darzustellen; dabei lassen sich die verschiedenen Formen und auch Institutionen der Zusammenarbeit auch als Spiegelbild der Entwicklungen im deutschen Bildungsföderalismus verstehen (► 2.4). Nicht verkannt werden darf, dass diese primär rechtlich orientierten Regelungsebenen zu unterscheiden sind von jenen sozialen Prozessen, die ihrerseits im Schulsystem eine gewisse Gleichförmigkeit herstellen. Es ist bemerkenswert, dass Schulen international und über Ländergrenzen hinweg bei allen spezifischen Unterschieden eine Staaten führte, um im Rahmen des Wettstreits im „Kalten Krieg“ die vermeintliche Überlegenheit der Sowjetunion zu beenden; zum „PISA-Schock“ siehe nur statt vieler Kerstan 2016.
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Festlegungen auf Weltebene 89 Vielzahl grundlegender organisatorischer Merkmale gemeinsam haben. Diese Eigenschaften beziehen sich beispielsweise auf die Standardisierung der Unterrichtssituation, in der meist eine einzelne, speziell ausgebildete Lehrkraft einer (unterschiedlich großen) Schülergruppe gegenübersteht. Letztere hat, auch wenn sich dabei historisch und auf Grund der Entwicklung im Bildungsbereich vielfach Abweichungen beobachten lassen, in der Mehrzahl nach wie vor die Form einer Jahrgangsklasse; diese wird mit Rücksicht auf unterschiedliche Lernvoraussetzungen und auch Leistungsziele gegebenenfalls durch weitere Differenzierungsformen untergliedert, aber nicht durchgreifend ersetzt. Sieht man von der ersten Zeit des Schulkurses ab, die im Zeichen eines gleitenden Überganges der Kinder aus der bisherigen Familien- und Lebenswelt steht, vollzieht sich der schulische Unterricht an (akademischen) Disziplinen orientiert; der fachlich spezifizierte Unterricht ist in der Regel im Wechsel des Stundentags über den Unterricht verteilt, auch wenn gerade an dieser Stelle neue Entwicklungen zu beobachten sind. Die Normierung der Institution Schule schließt bei näherem Hinsehen auch Inhalte und Methoden ein; dies bedeutet, dass der zeitliche Aufwand für die verschiedenen Fächer – wenigstens im Grundschulbereich – international annähernd gleich bestimmt ist, die vorherrschende Kommunikation faktisch nach wie vor verbal-abstrahierend und lehrerzentriert ist. Gerade gegenüber dieser Dominanz der Buch- und Lernschule gibt es in verschiedenen Ländern seit langem ausgeprägte Reformbestrebungen. Aber ihr nach wie vor vergleichsweise nur allmählicher und partieller Erfolg enthüllt unfreiwillig die Stärke der sozialen Standardisierung des Schulsystems, auch wenn diese offenbar nicht generell aus Sachzwängen abgeleitet werden kann. Wo immer es gelingt, den mit diesen Merkmalen bezeichneten Rahmen zu modifizieren und zu erweitern, bietet die Lernumwelt der Schule ihren Schülerinnen und Schülern andere Sozialerfahrungen.
2.2 Festlegungen auf Weltebene 2.2.1 Vereinte Nationen (UN) Hinsichtlich bestimmter Systemmerkmale des Bildungswesens und Gestaltungsprinzipien des Erziehungsprozesses herrscht weltweit ein breiter Konsens. Sein programmatischer Gehalt wird in jüngerer Zeit in verschiedenen internationalen Vereinbarungen artikuliert, die auf der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen (UN-MRK) aus dem Jahre 1948 aufbauen. In dieser Menschenrechts-Deklaration ist das Recht jedes Menschen auf Bildung proklamiert worden (Art. 26 Abs. 1): „Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.“
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90 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens
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Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass bereits diese grundlegende, weltweit gültige Menschenrechtserklärung den Inhalt von Bildung näher spezifiziert, indem festgelegt wird (Art. 26 Abs. 2): „Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.“
Wegen ihres Charakters als Resolution kommt der UN-MRK bereits nach ihrem Selbstverständnis keine unmittelbare rechtliche Bedeutung zu, eine einzelne Person kann sich auf eine Verletzung der Vorgaben nicht unmittelbar berufen. Da aber in Deutschland der Grundsatz gilt, dass „die allgemeinen Regeln des Völkerrechts … Bestandteil des Bundesrechts“ sind (Art. 25 Satz 1 GG) hat dies zur Folge, dass innerdeutsches Recht im Sinne einer Anerkennung der entsprechenden völkerrechtlichen Vorgaben zu verstehen und anzuwenden ist. Diese universelle Menschenrechtserklärung stellt zugleich ihrerseits die Grundlage einer Reihe von weiteren internationalen Akten und Konventionen dar, die sich als Umsetzung und Konkretisierung dieser Menschenrechtserklärung verstehen – so namentlich der „Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ von 1966, das „Internationale Abkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ von 1966 (das in seinem Art. 5 die Gleichheit vor dem Gesetz auch gerade für den Bereich von Erziehung und Ausbildung festlegt). Gekennzeichnet sind diese internationalen Abkommen durch ihren Charakter als die Unterzeichnerstaaten bindende völkerrechtliche Verträge, was beinhaltet, dass diese Staaten sich ihrerseits verpflichten, die völkerrechtlichen Bindungen in ihre nationalen Rechtsordnungen umzusetzen und entsprechend anzuwenden. Die weitergehenden „UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ von 1989 (UN-Kinderrechtskonvention, dort besonders Art. 28f ) sowie schließlich die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 2006 angenommene „Internationale Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (dort Art. 24) sind in Deutschland von noch weitergehender Bedeutung, als sie durch Ratifizierung (nach Art. 59 Abs. 2 GG) zu deutschem Bundesrecht geworden sind2; insbesondere die Notwendigkeit der Umsetzung der in der UN-Behindertenrechtskonvention enthaltenen Verpflichtung, „ein integratives/inklusives Bildungssystem“3 „zu gewährleisten“, ist in Deutschland unbestritten, in ihren praktischen Folgen zugleich allerdings nachdrücklich umstritten (► Kap. 9 und 10). 2 In Deutschland geschehen durch Bundesgesetze vom Februar 1992/2010 und Dezember 2008. 3 Der im offiziellen englischen Text enthaltene Begriff „inclusive“ wurde in der deutschen Fassung mit
„integrativ“ übersetzt.
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Festlegungen auf Weltebene 91 Trotz der (rechtlichen) Debatten um die Umsetzung rechtlicher Bindungen darf in diesem Zusammenhang nicht die faktische Wirkung aller entsprechenden Pakte und Erklärungen unterschätzt werden. Neben der weltweiten Verständigung4, z. B. auf die Orientierung am Kindeswohl oder das Ziel der Schaffung eines obligatorischen Schulunterrichts im Elementar- bzw. Sekundarbereich, die Orientierung des Unterrichts auf die Ziele von Pluralismus und Toleranz, wirken diese internationalen Festlegungen im Rahmen der politischen und gesellschaftlichen Debatten als „Leitgedanke“ und entfalten zugleich über eine entsprechende Auslegung und Interpretation des nationalen Rechts eine zumindest mittelbare Wirkung. Auch wenn von einer weltweiten und umfassenden Realisierung der in den entsprechenden Konventionen genannten Prinzipien zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich nicht geredet werden kann, so sind dennoch die politisch-praktischen Wirkungen derartiger internationaler Vorgaben nicht als gering anzusehen. Denn sie bezeugen und verstärken die Ausbreitung von Vorstellungen über die universale Gleichberechtigung der Menschen, die in Anerkennung ihrer quasi-natürlichen Rechte als Individuum unter anderem auch Ansprüche an ein modernes Bildungssystem haben. Dessen strukturelle Kennzeichen haben sich somit zu einer weltweit verbreiteten Normgestalt verdichtet, die mit den genannten allgemeinen Menschenrechten verknüpft wird. Der Prozess der weltweiten, praktischen Umsetzung von Menschenrechten stößt auf eine Vielzahl von Schwierigkeiten, die wiederum nicht zuletzt in dem Reichtums- und Machtgefälle zwischen Industrienationen und Staaten der Dritten Welt begründet sind. Gerade in den Ländern der Dritten Welt kann ein modernes, den Anforderungen der internationalen Pakte entsprechendes Bildungswesen häufig nicht entstehen, ohne dass sich auch die (reichen) Industrienationen die entsprechenden Verbindlichkeiten zu eigen machen und über ihren eigenen Rahmen hinaus aktive Unterstützung leisten. Solche Aufgaben gehören in den Zusammenhang der Auseinandersetzungen um das Programm der „Neuen Weltordnung“. Bislang bedeutet der Beitritt der einzelnen Staaten zu den genannten bildungsbezogenen Abkommen, dass diese die deklarierten Rechte als bereits in ihrer eigenen Ordnung bestehende oder möglichst zu verwirklichende, mindestens aber als zu erstrebende Regelung anerkennen. Ein weiteres kommt hinzu: wenn die verschiedenen völkerrechtlich geschlossenen Vereinbarungen in Teilen der Welt gegenwärtig mehr von symbolisch-politischer Bedeutung sind, so ist doch auch diese Wirkung nicht zu unterschätzen. Dies lässt sich für Deutschland auch am Beispiel der Vergangenheit exemplifizieren, in dem sowohl die DDR als auch die BRD jeweils ihrerseits den erwähnten internationalen Verträgen beigetreten waren und auf diese Weise – nolens volens – eine partiell gemeinsame Bildungsverfassung besessen haben. Gleichzeitig kann an diesem Bei4 So ist die UN-Kinderrechtskonvention von faktisch allen Staaten unterzeichnet worden – bisher mit
Ausnahme der USA.
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92 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens spiel der Einbindung beider deutschen Staaten gezeigt werden, dass die angedeutete universale Normierung des Schul- und Bildungssystems erst im Rahmen der jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Ordnung konkrete Bedeutung erhält: Die Unterschiede in der Funktionsweise der beiden Systeme in der DDR und der BRD waren erheblich, auch wenn sich die Erscheinungsbilder von Schule (und Hochschule) auf einer formalen Ebene gleichen mochten. Die Tatsache, dass sich die höchst unterschiedlichen Verhältnisse im Bildungsbereich der beiden deutschen Staaten durch einen vergleichenden Blick auf bestimmte zentrale Merkmale des jeweiligen Bildungssystems und der rechtlichen Bestimmungen nur begrenzt erschließen, zeigt die eingeschränkte Aussagekraft von Ausführungen, die den institutionellen Rahmen des Bildungssystems betreffen. Auch wenn z. B. Bildungs- und Erziehungsziele oft erst bei der Umsetzung in ein bestimmtes institutionelles Gefüge ihre Färbung erhalten, so sind diese Rahmenbedingungen im Regelfall allgemein gefasst und damit auslegungsbedürftig, so dass erst die genauere Betrachtung die wirklichen Verhältnisse erschließt. Eine solche, weiter ausgreifende Einordnung und Würdigung kann in der vorliegenden Darstellung nicht geleistet werden, die auf die Darstellung des gegenwärtigen, allgemeinen institutionellen Bedingungsgefüges für das Bildungswesen in Deutschland ausgerichtet ist. 2.2.2 Welthandelsorganisation (WTO) Von gegenwärtig noch schwer abschätzbarer, zumindest mittelbarer Wirkung sind schließlich Einflüsse auf das (deutsche) Bildungssystem, die sich aus anderweitigen internationalen Vereinbarungen ergeben. Dabei ist in letzter Zeit die WTO in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Das dort bereits im Jahre 1994 abgeschlossene „General Agreement on Trade in Services“ (GATS) zielt darauf ab, Handelshemmnisse für den Bereich von Dienstleistungen weltweit abzubauen. Zu den vom GATS eingeschlossenen Dienstleistungen zählen grundsätzlich auch „Bildungsdienstleistungen“ dann, wenn sie nicht „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbracht werden – dies gilt zumindest für Testverfahren oder Bildungsberatung; umstritten ist, ob diese Ausnahmeklausel auch dann keine Wirksamkeit entfaltet, wenn entsprechende Dienstleistungen sowohl privat als auch „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbracht werden, wie dies zum Beispiel im Bereich der vorschulischen Erziehung in Deutschland der Fall ist, aber mit Schulen und Hochschulen in freier Trägerschaft auch anderweitig zu beobachten ist. Das Besondere an diesem Welthandelsabkommen besteht darin, dass weitgehende Gleichbehandlungsklauseln für in- und für ausländische Anbieter vorgesehen sind, soweit und sofern keine ausdrücklichen Ausnahmen vereinbart werden. Hierüber wird bereits seit mehreren Jahren verhandelt5. Es besteht dabei die Sorge, dass auf Grund des Regelwerks des GATS ausländischen Bildungsanbietern Zugangsmöglichkeiten zu deutschen 5 Wobei in Anbetracht der Übertragung der entsprechenden Kompetenzen der Mitgliedsstaaten auf die
Europäische Union diese Verhandlungen zentral von der Europäischen Kommission geführt werden.
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Europäische Entwicklungen 93
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Bildungseinrichtungen eingeräumt werden müssen, sofern die generelle Ausnahme der Zuordnung zur „Ausübung hoheitlicher Gewalt“ keine Anerkennung findet oder aber ausdrückliche Ausnahmen für bestimmte Bereiche – wie Bildung – nicht durchgesetzt werden können. In Anbetracht des noch offenen Ergebnisses der Verhandlungen ist schwerlich einzuschätzen, ob diese Sorge berechtigt ist. 2.2.3 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 1961 von 18 europäischen Staaten sowie den Vereinigten Staaten und Kanada gegründet umfasst die OECD heute insgesamt 35 Mitgliedsstaaten; die OECD hat ihren Sitz in Paris und unterhält dort ein Generalsekretariat. Nach Art. 1 des Gründungsübereinkommens ist es das Ziel der OECD, „eine Politik zu fördern, die darauf gerichtet ist, in den Mitgliedstaaten unter Wahrung der finanziellen Stabilität eine optimale Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung sowie einen steigenden Lebensstandard zu erreichen und dadurch zur Entwicklung der Weltwirtschaft beizutragen.“
Die Umsetzung der übergreifenden Ziele schließt dabei (Art. 2 des Gründungsübereinkommens) u. a. ein, „auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet die Entwicklung ihrer Hilfsmittel, die Forschung und die Berufsausbildung zu fördern.“
Die OECD versteht das ihr übertragene Mandat weit und widmet sich neben Untersuchungen zu Fragen der Wirtschafts- und Steuerpolitik (bis hin zur Korruptionsbekämpfung und zu Regeln guter Unternehmensführung) zunehmend auch Themen der Sozial- und Bildungspolitik. In diesem Zusammenhang sind insbesondere in der Öffentlichkeit jene Publikationen bekannt geworden, die – jährlich erscheinend – als „Bildung auf einen Blick“6 regelmäßig statische, an Indikatoren orientierte Daten zum Bildungsstand sowie zur Personal- und Finanzausstattung der Bildungssysteme der Mitgliedstaaten liefern; ebenfalls von der OECD initiiert und koordiniert sind Studien über den Bildungsstand der Bevölkerung, die unter Kürzeln wie PISA oder PIAAC bekannt geworden sind.
2.3 Europäische Entwicklungen Für den Bildungsbereich sind neben den Organen der Europäischen Union (EU) auch die Vorgaben des – gegenüber der EU älteren – Europarats von erheblicher Relevanz und Bedeutung; die Unterscheidung dieser beiden institutionellen Zusammenhänge ist und bleibt wichtig. 6 „Education at a Glance“, so der Originaltitel.
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94 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens 2.3.1 Europarat Der Europarat, der unabhängig von der Europäischen Gemeinschaft und neben ihr besteht und agiert, hat seinen Sitz in Straßburg. Er ist 1949 als ein Forum für Debatten über allgemeine europäische Fragen gegründet worden; an seiner Gründung waren zehn Mitgliedstaaten beteiligt, zu denen noch nicht die Bundesrepublik Deutschland gehörte (sie trat erst 1950 bei). Heute umfasst der Europarat mit insgesamt 47 Mitgliedstaaten einen geografisch weiteren Raum als die Europäische Gemeinschaft: so zählen zu den Mitgliedsländern des Europarats u. a. auch die Türkei, die schon Ende der 1940er Jahre beigetreten ist, und die Staaten auf dem Territorium der früheren Sowjetunion, so dass sich die Zone der Mitgliedsländer des Europarats im Grunde bis weit nach Asien erstreckt. Zu den Aufgaben des Europarats gehört heute insbesondere die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, wozu auch kulturelle und wissenschaftliche Angelegenheiten gezählt werden. Insofern sind die Beschlüsse des Europarats auch für den Bildungsbereich einflussreich. Die Beratungen des Europarats, der zweimal im Jahr zu gemeinsamen Beratungen der Außenminister der Mitgliedsländer zusammentritt, führen letztendlich zu zwischenstaatlichen, völkerrechtlich verbindlichen Abkommen (Europarats-Konventionen). Die parlamentarische Vertretung wird beim Europarat von Abgeordneten der nationalen Parlamente gebildet, wobei die Sitze nach der Bevölkerungszahl der Mitgliedsländer vergeben werden; Deutschland hat dabei gegenwärtig von den insgesamt 318 Abgeordnetenplätzen 18 inne. Von besonderer praktischer Bedeutung sind dabei eine Reihe von zwischenstaatlichen Konventionen und Empfehlungen, die im Rahmen der Beratungen des Europarates abgeschlossen worden sind. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die „Europäische Konvention über die Gleichwertigkeit von Reifezeugnissen“ aus dem Jahre 1953 (mit Zusatzprotokoll von 1964), das „Europäische Übereinkommen über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen“ von 1959 oder auch die sog. Lissabon-Erklärung aus dem Jahre 1997 über die „Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“. Deutschland ist diesen Vereinbarungen in den Jahren 1955, 1969 und 2007 durch Ratifizierung beigetreten, sie haben damit auch innerstaatlich rechtliche Bedeutung erlangt. Zu den wichtigen Organen des Europarats gehört der „Europäische Gerichtshof für Menschenrechte“ (EGMR), bei dem jährlich etwa 50.000 Individualbeschwerden wegen der Verletzung von Menschenrechten eingehen. Die über die Nationalstaaten hinausgehende Rechtsprechung verdeutlicht dabei, wie sehr die Beachtung und Wahrung der Menschenrechte die Aufgaben des Europarats und seiner Organe seit Anbeginn und nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus prägt. Bereits unmittelbar nach der Gründung des Europarats verabschiedete dieser im November 1950 seine bis heute wohl wichtigste Vereinbarung, die „Konvention
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Europäische Entwicklungen 95 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ (Europäische Menschrechtskonvention/EMRK). Von besonderer Bedeutung für die deutsche Rechtsordnung im Bildungsbereich ist die Tatsache, dass im „Ersten Zusatzprotokoll“ zu dieser EMRK ein „Recht auf Bildung“ konstatiert ist; dieses Zusatzprotokoll vom März 1952 wurde von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und trat im September 1958 als deutsches Bundesrecht in Kraft. Art. 2 dieses „Ersten Zusatzprotokolls“ lautet: „Das Recht auf Bildung darf niemandem verwehrt werden. Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.“
Die Besonderheit des Rechtsystems der EMRK ist die erwähnte Tatsache, dass wegen Verletzung der in der Menschenrechtskonvention beschriebenen Individualrechte Bürger und Bürgerinnen das Recht haben, sich unmittelbar an den EGMR zu wenden. Auch das „Recht auf Bildung“ und die Bedeutung des Elternrechts waren Gegenstand der EGMR-Rechtsprechung, so im Zusammenhang mit einer Entscheidung des EGMR (vom 11. September 2006 – Fall „Conrad“). Dabei hat – unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung – der Gerichtshof klargestellt, dass das im Art. 2 des „Ersten Zusatzprotokolls“ beschriebene Elternrecht so zu verstehen ist, dass nur diejenigen elterlichen Überzeugungen Anerkennung finden können, die nicht im Widerspruch zu dem Recht des Kindes auf Bildung stehen. Ziel sei es, Pluralismus in der Erziehung zu gewährleisten, der für den Erhalt einer „demokratischen Gesellschaft“ im Sinne der EMRK wesentlich sei. Dieses Ziel, so der Gerichtshof, muss in erster Linie durch den staatlichen Unterricht erreicht werden, der seinerseits je nach den Bedürfnissen und Ressourcen der jeweiligen staatlichen Gemeinschaft und der Einzelnen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Von daher stellt es nach der Auffassung des Gerichtshofs keinen Verstoß gegen das Recht auf Bildung und das Elternrecht dar, wenn einzelne Staaten beispielsweise eine Schulpflicht einführen, Heimunterricht aber nicht gestatten. Im Ergebnis bestätigt diese Rechtsprechung zugleich auch die durch die innerstaatliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts untermauerte Einschätzung, dass das im „Ersten Zusatzprotokoll“ niedergelegte „Recht auf Bildung“ nicht über das hinausgeht, was in Deutschland innerstaatlich garantiert ist. In der zitierten Rechtssache hat dies der Gerichtshof noch einmal ausdrücklich bestätigt. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 (vom 13. November 2007 – D. H. u. a. vs. Tschechische Republik) kam der EGMR zu dem Ergebnis, dass es sich bei der statistisch deutlich überproportionalen Beteiligung von Roma-Kindern in Sonderschulen für geistig behinderte Kinder in der Tschechischen Republik um eine unzulässige Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe und Verkürzung deren Rechts auf Bildung handele.
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96 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens 2.3.2 Bologna-Prozess Das als Bologna-Prozess beschriebene gemeinsame Vorgehen der europäischer Staaten bei der Neustrukturierung von Hochschulstudiengängen und der gegenseitigen Anerkennung von Studienleistungen stellt einen politischen Prozess dar, der in seinen Ursprüngen unabhängig von den institutionellen Verknüpfungen auf der Ebene des Europarats bzw. der Europäischen Union zustande kam. Hervorgegangen ist der Bologna-Prozess aus einer „Gemeinsamen Erklärung über die Harmonisierung der Architektur des Europäischen Hochschulsystems“, die am Rande der 800-JahrFeier der Pariser Universität Sorbonne im Mai 1998 von den Wissenschaftsministern Deutschlands, Italiens, Großbritanniens und Frankreichs unterzeichnet wurde. Diese „Sorbonne-Deklaration“ bildete die Grundlage für die im Juni 1999 von insgesamt 29 Staaten unterzeichnete „Bologna-Erklärung“ zur Schaffung eines „Europäischen Hochschulraums“ bis zum Jahre 2010. Die Erklärung sah mit dem Ziel einer Stärkung der Mobilität der Hochschulabsolventen und einer verstärkten Strukturierung der Studiengänge eine Reihe von Maßnahmen vor: die Einführung eines Zusatzzeugnisses zum Diplom, in dem arbeitsmarktrelevante Qualifikationen näher beschrieben werden sollten, um so Mobilität zu fördern („Diploma Supplement“); die Einführung eines zweigestuften Systems mit einem ersten Abschluss für Undergraduates („Bachelor“) und einem zweiten Zyklus für Graduates („Master“); die Einführung eines Leistungspunktsystems („European Credit Transfer System“/ ECTS) und die Förderung spezifischer Qualitätssicherungssysteme durch Akkreditierungsverfahren. Diese politische Erklärung der zuständigen Minister hatte als solche zunächst keinerlei rechtliche Verbindlichkeit. In Deutschland erfolgte die Umsetzung der politischen Ziele durch eine Änderung des entsprechenden rechtlichen Instrumentariums7 mit der Möglichkeit, gestufte Studiengänge (Bachelor/BA und Master/MA) und ein System der Anerkennung von Studienleistungen zu schaffen. Die rechtliche Situation in Deutschland zur Umsetzung dieses Bologna-Prozesses war zunächst durch ein optionales Vorgehen gekennzeichnet, der Prozess selber stellt die Verkörperung einer politischen Idee dar. Auch wenn im weiteren Verlauf die Institutionen der Europäischen Union in besonderer Weise sich aktiv für die Fortführung dieses Prozesses eingesetzt haben, so bleibt doch festzuhalten, dass in Anbetracht der inzwischen auf 48 Staaten angewachsenen Teilnehmer der Bologna-Prozess regional weitergreifend ist als der geografische Raum der Europäischen Union8. Die Organisation des Bologna-Prozesses erfolgt durch regelmäßige Treffen der zuständigen Minister*innen, die über den Stand der Umsetzung und weitere Schritte 7 Zunächst im Jahre 1998 durch Aufnahme einer entsprechenden Erprobungsregelung im § 19 des
Hochschulrahmengesetzes. 8 Der Parallelprozess auf dem Feld der beruflichen Bildung, der „Kopenhagen-Brügge-Prozess“, ist
demgegenüber eine Initiative der Europäischen Union.
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Europäische Entwicklungen 97 zur Erreichung der Ziele des Prozesses beraten. Für die unmittelbare Arbeit am Umsetzungsprozess und zur Lösung praktischer Probleme ist eine „Bologna-Follow-Up“-Gruppe aus leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Mitgliedstaaten eingerichtet worden. Auf innerdeutscher Ebene besteht zur Koordinierung eine entsprechende Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder, an der u. a. auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) sowie Vertreter*innen von Arbeitgebern und Gewerkschaften beteiligt sind. Der gesamte Bologna-Prozess ist in den beteiligten Ländern nicht gleichmäßig verlaufen. Die Gründe dafür liegen u. a. darin, dass die Zustimmung zu dieser Veränderung nicht allein von den politisch Verantwortlichen der Mitgliedsländer ausgehen kann. Gefordert ist vielmehr die Beteiligung und aktive Ausgestaltung durch verschiedene Instanzen; dies reicht von den zuständigen Ministerien, in Deutschland auf Bundes- und auf Bundesländerseite, bis hin zu den Institutionen, die weitgehend autonom sind, wie z. B. bei den bundesdeutschen Hochschulen und ihrem Personal. Darüber hinaus widerspricht der eingeleitete Prozess zum Teil, auch wenn die genannten Ziele allgemein akzeptiert sind, den bis dahin bestehenden Traditionen und Strukturen. Diese sind gerade im bundesdeutschen Hochschulrahmen von dem Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG) bestimmt, das nach dem Ende des Nationalsozialismus mühsam wieder gewonnen worden ist. Allerdings hat diese Freiheit abgesehen davon, dass man sich über den radikalen Wandel der Lebensverhältnisse bzw. Lehr- und Studienbedingungen oft keine Rechenschaft abgelegt hat, höchst ambivalente Folgen für die Beteiligten: Der Unverfügbarkeit und Autonomie der Hochschulangehörigen steht im extremen Fall die weitgehende Unverbindlichkeit, z. T. sogar Verantwortungslosigkeit bei den Lehrenden und Studierenden gegenüber. Inzwischen beginnt sich in der Öffentlichkeit und an den Hochschulen aber auch Widerstand gegen den Prozess zu formieren. Das „Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen“, das Spranger 1962 näher beschrieben hat (Spranger 1963), zeigt sich auch bei dieser Reform. Denn ohne Zweifel hat sich der Leistungsdruck auf die Studierenden erheblich verstärkt, weil die neue Ordnung des Studiums zu einer häufigeren Überprüfung der Studierendenleistungen führt. Auch vermehrt sich die Arbeitsbelastung für die Lehrenden durch die Umstellung und die damit verbundenen Aufgaben. Inzwischen lässt sich sogar beobachten, dass im neuen Gewande letztendlich die alten Strukturen durchzuschimmern beginnen. Das weitere Ziel einer Angleichung zwischen den verschiedenen Hochschultypen ist bisher kaum erreicht worden; allein die Namensbezeichnungen mancher (Fach-)Hochschulen als „University of Applied Sciences“ hat zu Irritationen geführt; zaghafte Versuche, etwa den Fachhochschulen das Promotionsrecht zuzugestehen, werden von Seiten der Universitäten nach wie vor argwöhnisch beobachtet. Die Schwierigkeiten werden dadurch vermehrt, dass das System der gestuften BA- und MA-Studiengänge
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98 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens letztlich aus dem US-amerikanischen Hochschulsystem, also aus einer anderen Hochschulkultur, übertragen wird. Die neuen Abschlüsse der gestuften Studiengänge werden in der bundesdeutschen Landschaft bisher nicht durchgängig akzeptiert, was sich nicht zuletzt an den Initiativen der Technischen Universitäten beim Erhalt des „Deutschen Diplom-Ingenieurs“ zeigte. Während in den USA der BA-Abschluss als Studienabschluss und zugleich Berufsqualifikation durchaus allgemein akzeptiert ist, muss in Deutschland erst eine durchaus komplizierte Neufassung eines Berufsbildes entwickelt werden; dieser Prozess ist trotz des inzwischen vergangenen Zeitraumes seit Beginn des „Bologna-Prozesses“ keineswegs abgeschlossen. Darüber hinaus ist eine Abstimmung mit dem bestehenden deutschen sog. Berechtigungswesen erforderlich, wie etwa die Diskussion um die Einstufung eines wirtschaftswissenschaftlichen BA-Abschlusses im Verhältnis zu einer abgeschlossenen dualen Ausbildung als z. B. Kaufmann/-frau zeigt. Hinzu kommt, dass im weiten Umfang unter den Studiengängen nach wie vor die andere Abschlussform des Staatsexamens gilt, sei es bei den Medizinern, bei den Juristen und nicht zuletzt auch bei den Lehramtsstudiengängen; bei letzteren haben die Bundesländer differenzierte und durchaus auch landesspezifische Formen der Zusammenführung einer gestuften Studienstruktur mit den dabei üblichen Prüfungsformen und den nach wie vor praktizierten Staatsexamina entwickelt. 2.3.3 Europäische Union (EU) Deutschland ist durch seinen Beitritt zur EU in eine supranationale Organisation eingebunden, die zwar im Bildungsbereich nur über begrenzte Kompetenzen verfügt, aber gleichzeitig dieses Feld in den zurückliegenden Jahren mit großer Dynamik ausgefüllt hat. Die Bemühungen der EU zur Entwicklung einer eigenen Verfassung waren zwar vorübergehend gescheitert, sind aber letztlich durch die Einbeziehung der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ von 2000/2007 in den „Vertrag über die Europäische Union“ von 2007 (EUV) doch wirksam geworden9. Historisch baut die Europäische Union ihrerseits auf der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf, die im Jahre 1958 in Rom („Römische Verträge“) mit der Zielrichtung der Schaffung eines gemeinsamen Marktes begründet worden ist. Inzwischen gehören der von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union fortentwickelten politischen Gemeinschaft neben den sechs Gründungsnationen des Jahres 1958 insgesamt weitere 22 Staaten an. Deutschland hat mit der Zustimmung zu den Verträgen der EU eigene staatliche Regelungskompetenzen übertragen (siehe Art. 23 GG). Dies bedeutet, dass in bestimmten, durch die EU-Verträge festgelegten Bereichen anstelle der deutschen innerstaatlichen Organe europäische Institutionen die Möglichkeit zur verbindlichen Rechtsetzung haben. 9 Siehe Art. 6 EUV.
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Europäische Entwicklungen 99
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Für den Bildungsbereich ist insoweit von besonderer Bedeutung der „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (AEUV), der Bestandteil des EUV ist und gegenwärtig in seiner letzten Fassung des Vertrages von Lissabon aus dem Jahre 2007 gilt. Dabei sind ausweislich der grundlegenden Festlegung in Art. 5 Abs. 1 EUV die der Europäischen Union übertragenen Kompetenzen beschränkt: „Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union gilt der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.“
Und konkretisierend heißt es dann zum „Grundsatz der Subsidiarität“ in Art. 5 Abs. 4 EUV: „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließlichen Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betrachtung gezogen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“
Für den Bildungsbereich wird in den Art. 165 und 166 AEUV dieser Grundsatz für den Bereich der allgemeinen (Art. 165) sowie der beruflichen Bildung (Art. 166) in der Weise aufgenommen, dass einerseits die „strikte Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems“ betont und andererseits der „Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ auf diesem Felde bestimmt wird. Art. 165 AEUV enthält die Bestimmung, dass es Ziel der EU (nur) ist, „zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung“ beizutragen, indem entsprechende Unterstützungs- und Ergänzungsmaßnahmen ermöglicht werden. Diese erstrecken sich ausweislich des Art. 165 Abs. 2 AEUV primär auf die Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen, insbesondere durch Sprachförderung, durch Förderung der Mobilität, auch durch die akademische Anerkennung von Diplomen und Studienzeiten, sowie durch Förderung von Zusammenarbeit und den Informations- und Erfahrungsaustausch. Auf dem Gebiet der beruflichen Bildung (Art. 166 AEUV) sind die Kompetenzen weiter gefasst, indem dort Maßnahmen zugelassen sind, die auf die Erleichterung der Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse durch berufliche Bildung und Umschulung gerichtet sind, die der Verbesserung der beruflichen Erstausbildung und der Weiterbildung dienen oder der Förderung der Mobilität von Ausbildern und Auszubildenden. Außerhalb des Bildungsfragen betreffenden Teils des AEUV ist die im Rahmen der Personenfreizügigkeit grundlegende Klausel des Art. 53 Abs. 1 (und Art. 62) von Bedeutung, dass es auch zu den Zuständigkeiten der Organe der Europäischen Union gehört „Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise“ zu erlassen. In Umsetzung
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100 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens dieser Zielvorgabe ist so die „Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen“ vom September 2005 ergangen, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, die entsprechenden Vorgaben des EU-Rechts in ihr nationales Recht zu überführen (siehe Art. 288 Abs. 3 AEUV) und so wirksam werden zu lassen; in Deutschland ist dies schließlich mit dem Berufsqualifikationsgesetz des Bundes vom Dezember 2011 geschehen, alle Bundesländer haben für die von ihnen zu regelnden Bereiche entsprechende Gesetze in den Jahren 2012 bis 2014 erlassen. Trotz dieser formal eher restriktiv gefassten Vorgaben in den EU-Verträgen hat namentlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) dazu geführt, die entsprechenden Kompetenzen der Organe der EU extensiv auszulegen. Eine Reihe von grundlegenden Entscheidungen haben hierfür den Weg geebnet, etwa die „Gravier-Entscheidung“ aus dem Jahre 1985, durch die der allgemeine Freizügigkeitsgrundsatz der Arbeitnehmer*innen – der heute in Art. 45 AEUV verankert ist – auch auf zukünftige Arbeitnehmer*innen ausgedehnt worden ist, hier auf Studierende. Die Folge einer solchen die Rechtsnormen der EU-Verträge extensiv auslegenden Rechtsprechung ist, dass Maßnahmen der Europäischen Organe im Bildungsbereich zunehmend weniger die Restriktionen der Art. 165 und 166 AEUV in den Blick nehmen, als vielmehr dem Ziel der Verbesserung der innereuropäischen Mobilität zugerechnet werden (wie etwa Art. 53 Abs. 1 AEUV, siehe auch Art. 26 AEUV) – und damit einem Bereich, in dem die Kompetenzen der EU-Organe deutlich breiter und weiterführend sind als im Bildungsbereich. Durch die Verknüpfung verschiedenster derartiger Bereiche und die damit einhergehende Ausdehnung der Kompetenz gelingt im Ergebnis den EU-Organen eine Einflussnahme auf die Mitgliedstaaten auch im Bildungsbereich, die die ursprünglichen einschränkenden Vorgaben überwindet. Der EuGH unterstützt diese Kompetenzausdehnungen in der Weise, dass er einer Nutzung von vertraglichen Kompetenzen durch die EU-Organe unter dem Aspekt einer Stärkung der Effektivität europäischer Bestimmungen im Regelfall zustimmt. Auf der Grundlage der in den Art. 165 und 166 AEUV beschriebenen Kompetenzen sind auf EU-Ebene eine Reihe von Austauschprogrammen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung aufgelegt worden, die nunmehr unter dem Dach von „Erasmus+“ zusammengeführt worden sind. Diesen inzwischen 30 Jahre alten Programmen kommt wegen der großen Zahl der von ihnen Profitierenden nicht nur eine hohe praktische Bedeutung zu, bemerkenswert ist auch, dass die für diesen Bereich bereitgestellten Mittel in der Vergangenheit regelmäßig aufgestockt werden konnten. Um eine Vorstellung von dem Volumen dieser europäischen Förderprogramme zu geben, sei auf die Ziele des Programms für die Jahre 2014 bis 2020 hingewiesen: mit einem Gesamtvolumen von 14,8 Mrd. Euro sollen u. a. 2 Mio. Studierende im Ausland vorübergehend studieren können; 200.000 Studierende, die einen kompletten Masterstudiengang in einem anderen Land absolvieren, sollen ein Studiendarlehen erhalten; 650.000 Berufsschülerinnen und
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Europäische Entwicklungen 101 -schüler sowie Auszubildende sollen im Ausland lernen und sich fortbilden können; 800.000 Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen, Ausbilderinnen und Ausbilder, Jugendbetreuerinnen und Jugendbetreuer können im Ausland unterrichten oder sich fortbilden; mehr als 500.000 junge Menschen sollen im Ausland Freiwilligendienst leisten oder an einem Jugendaustausch teilnehmen können. Zunehmend gewinnen „weiche“ Formen der Einflussnahme10 durch die EU-Organe an Bedeutung. So ist als Beispiel der „Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen“ (EQR) zu nennen, der im Sinne einer Erhöhung der Transparenz und damit der Förderung der Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten darauf abzielt, durch die abstrakte Beschreibung von erworbenen Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen eine niveaumäßige Skala zur Unterscheidung von Lernergebnissen des akademischen wie auch des beruflichen Bereichs zu ermöglichen. Auch wenn dieser EQR im Jahre 2008 lediglich als – rechtlich unverbindliche – „Empfehlung“ an die Mitgliedstaaten erging, so haben diese sich gleichwohl bemüht, diese Rahmenvorgaben in nationale Regelungen umzusetzen; in Deutschland ist so der „Deutsche Qualifikationsrahmen“ (DQR) im Jahre 2012 verabschiedet worden, er findet seit dem Jahre 2013 Anwendung. So sehr der Qualifikationsrahmen die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung betont, so (politisch) schwierig ist die Umsetzung im Einzelfall: so hat es in Deutschland keine Verständigung über die Frage der Zuordnung der Abschlüsse der allgemeinbildenden Schulen gegeben, die Frage der Einbeziehung wurde im Rahmen eines fünfjährigen Moratoriums nicht entschieden. Auch durch Nutzung der sogenannten „Methode der offenen Koordinierung“ werden von den EU-Organen die – im Zweifel engeren – Grenzen der formalen Kompetenzordnung überwunden und neue Instrumente europäischer Vereinheitlichung entwickelt. Diese von den Mitgliedstaaten gebilligte Methode ist dadurch gekennzeichnet, dass seitens der EU keine Rechtsakte gesetzt werden, sondern lediglich zur freiwilligen Teilnahme an entsprechenden Koordinierungsverfahren aufgerufen wird. Das Besondere an diesem Verfahren besteht darin, dass seitens der Europäischen Organe (im Regelfall der Kommission mit Zustimmung des Europäischen Rates/Ministerrates) für bestimmte Politikbereiche lediglich Zielzahlen („Bench Marks“) gesetzt werden. Im Regelfall wird mit einer solchen Zielvorgabe – beispielsweise im Zusammenhang mit der sog. „Lissabon-Strategie“11 der EU die Vorgabe, die Zahl der Schulabbrecher*innen in den Mitgliedstaaten zu halbieren – zugleich ein europäisches Förderprogramm aufgelegt, um dessen finanzielle Unterstützung sich Einrichtungen aus den Mitgliedstaaten unmittelbar bewerben 10 Hier von „soft law“ zu sprechen erscheint nicht unangemessen. 11 Gemeint ist die im Jahre 2000 von der EU in Lissabon verabschiedete Zielvorstellung, die EU binnen
zehn Jahren zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen; auch wenn die vereinbarten Ziele bis zum Jahre 2010 nicht erreicht wurden, so werden sie als „Europa 2020“ weiterverfolgt.
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102 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens können. Die Teilnahme an den entsprechenden Programmen bleibt freiwillig, die Ergebnisse eines an Zielmarken ausgerichteten Programms werden in einem Bericht zusammengefasst, mit dem die Europäische Kommission besonders gelungene und erfolgreiche Beispiele öffentlich präsentiert („Best Practice“) Diese Berichte über entsprechende Programme haben zwar mangels entsprechender Kompetenzen in den EU-Verträgen keinerlei rechtliche Bedeutung; umso größer ist jedoch die politische Wirkung, weil naheliegenderweise in den Mitgliedstaaten damit eine Debatte über die Orientierung an den besonders erfolgreichen Modellen ausgelöst wird. Beabsichtigt ist nunmehr, durch die Begründung eines „Europäischen Bildungsraumes“ eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten zu schaffen, die sich auf die Anerkennung von Schul- und Hochschulabschlüssen ebenso erstrecken soll wie auch etwa die Ausarbeitung von Lehrplänen.
2.4 Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System Als eines der wichtigsten Strukturmerkmale für die Bundesrepublik Deutschland legt das Grundgesetz (GG) den bundesstaatlichen Föderalismus fest: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt“ (Art. 30 GG).
Diese den Bundesländern übertragene prioritäre Aufgabenzuweisung wird jedoch, wie der Katalog über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in den Art. 70ff GG zeigt, nachdrücklich zu Gunsten des Bundes durchbrochen: er ist der eigentliche und wichtigere Gesetzgeber. Die Überschneidung der Aufgabenbereiche, die dem Bund oder die den Ländern zugewiesen sind, führt zu mannigfachen Formen der Verschränkung und Verflechtung; dies gilt insbesondere für Fragen des Bildungssystems, bei dem je nach Bereich der Bund (mit-)zuständig ist, bei dem aber auch Bereiche der alleinigen Verantwortung der Länder unterfallen (► 2.4.1). Die Darstellung wäre allerdings verkürzt, wenn nicht auch die Gemeinden als wichtiger Akteur in den Fragen der Ausgestaltung des Bildungssystems Erwähnung finden würden (► 2.4.2). Die Mitwirkung der unterschiedlichen innerstaatlichen Ebenen – Bund, Länder, Gemeinden – bei der Ausgestaltung des Bildungssystems und seiner Teilbereiche verlangt notwendig nach Abstimmung und Kooperation, die in mannigfachen Formen und verschiedensten institutionellen Zusammenhängen stattfindet; dabei ist es Aufgabe der Länder, die Interessen der Gemeinden im Rahmen der Kooperationsbeziehungen zum Bund mit wahrzunehmen (► 2.4.3).
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 103 2.4.1 Verflechtungen im föderativen System zwischen Bund und Ländern Betrachtet man die Entwicklung des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahre 1949, so lassen sich als Grundtendenz die Zunahme der Bundeskompetenz sowie eine immer stärkere Verflechtung zwischen Bund und Ländern markieren. Die grundlegende Grundgesetzänderung des Jahres 1969 hatte dabei zu einer deutlichen Verstärkung der Bund-Länder-Zusammenarbeit geführt, die Zeiten des „kooperativen Föderalismus“ wurden eingeleitet. Zugleich aber führte diese verstärkte Zusammenarbeit zu einer Vermischung politischer Verantwortlichkeiten, zu Unklarheiten in der politischen Zuordnung und auch Blockaden zwischen den großen politischen Lagern. Wenn schon keine Auflösung, dann doch zumindest eine klarere Strukturierung der jeweiligen Kompetenzen von Bund und Länder waren Grundlage der Grundgesetzreform des Jahres 2006, die auf eine stärkere Abgrenzung und der Begründung eines „Wettbewerbsföderalismus“ hin orientiert war. Hieran haben die Verfassungsänderungen der Jahre 2014 und 2017 keine grundlegenden Änderungen erbracht. Eine besondere Rolle bei den Diskussionen um die bundesstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern spielte immer das Bildungswesen. Gerade hier hatte das Grundgesetz seit Anbeginn dem Bund nur wenige Zuständigkeiten verschafft. In Fragen der Kulturpolitik und Kulturverwaltung – vom Rundfunk über die staatlichen Bibliotheken und Theater bis zur Schule und Hochschule – steht grundsätzlich den Ländern die gesetzgebende und administrative Kompetenz zu. Diese als „Kulturhoheit der Länder“ bezeichnete Kompetenzverteilung hatte das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Entscheidung aus dem Jahre 1958 einmal als das „Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder“ bezeichnet12. Unabhängig von der grundsätzlichen Zuordnung der Regelungskompetenz für Fragen des Bildungswesens zu den Ländern gab es bereits seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland für einige bestimmte Bereiche ausdrückliche Bundeskompetenzen. So war der Bund immer für die außerschulische berufliche Bildung ebenso zuständig wie für die Forschungsförderung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und Nr. 13 GG). Durch die vom Bundesverfassungsgericht gebilligte Zuordnung der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung zur „öffentlichen Fürsorge“ besteht auch für diesen Bereich eine Kompetenz zur Bundesgesetzgebung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG). Des Weiteren sind gegenwärtig dem Bund Regelungskompetenzen für das Recht der Ausbildungsbeihilfen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG), zu Fragen der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heil- und Heilhilfsberufen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) sowie für die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse übertragen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG). 12 BVerfGE 6, 309, 346/347; seitdem mehrfach wiederholt.
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104 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens
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Von diesen Gesetzgebungskompetenzen hat der Bund weitgehend Gebrauch gemacht, zumal die Grundvoraussetzungen für die entsprechende Gesetzgebung gegeben waren, nämlich dass die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesstaatliche Regelung erforderlich“
machte (Art. 72 Abs. 2 GG). So hat der Bund etwa das Berufsbildungsgesetz (BBiG), das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), Regelungen für die ärztliche und nichtärztlichen Berufsausbildungen und auch zur Studienförderung erlassen. Die früher bestehende Vereinheitlichungskompetenz des Bundes für das Recht der Beamtinnen und Beamten ist nach der Grundgesetznovelle des Jahres 2006 insoweit verändert worden, als nunmehr der Bund für die Beamten aller Ebenen staatlicher Einrichtungen nur noch deren Status, deren Rechte und Pflichten regeln kann, nicht jedoch Fragen der Ausbildung, der Zuordnung zu Laufbahnen, der Besoldung oder der Versorgung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG). Für seinen Bereich der Zuständigkeiten hat der Bund das Beamtenstatusgesetz erlassen, die Länder sind demgegenüber bei der Ausgestaltung der Laufbahnen und bei der Festlegung der Besoldung eigene Wege gegangen. Dies hat zur Folge, dass insbesondere die Besoldung der Landesbeamtinnen und -beamten zunehmende Unterschiede aufweist, die sich inzwischen nach Gewerkschaftsangaben auf Differenzen von bis zu 18 % entwickelt haben. Auch diese Tatsache wird die bereits bemerkbare stärkere Konkurrenz zwischen den Ländern um das geeignete und qualifizierte Personal mit bestimmen, wie sich am Beispiel der Neueinstellung von Lehrkräften aktuell schon zeigt. Die im Jahre 1969 quasi als Inbegriff des „kooperativen Föderalismus“ eingeführten „Gemeinschaftsaufgaben“ sind mit der Föderalismusreform des Jahres 2006 im Bildungsbereich nachdrücklich verändert worden. So wird die bis dahin vorgesehene gemeinsame Förderung des Hochschulbaus durch Bund und Länder über einen längeren Zeitraum zwar noch abgewickelt, neue Projekte werden aber in diesem Zusammenhang nicht mehr gefördert. Als eine Entwicklung zurück zu verstärkter Kooperation lässt sich die Verfassungsreform vom Sommer 2017 verstehen, nach der nun der Bund den Ländern Finanzhilfen „für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen“ gewähren kann, die darauf abzielen, finanzschwachen Gemeinden bei der Sanierung und Modernisierung ihrer Bildungsinfrastruktur zu helfen (Art.104c GG), insgesamt 3,5 Mrd. Euro sollen für diesen Zweck an Bundesmitteln bereit gestellt werden. Im Rahmen der Grundgesetzänderung des Jahres 2006 kam es zu einer Neufassung des Art. 91b GG. Damit wurden die früheren Aufgaben einer zwischen Bund und Ländern abzustimmenden Bildungsplanung sowie der Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung des Bildungswesens abgeschafft; erhalten geblie-
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 105
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ben war (so Art. 91b Abs. 1 GG in der Fassung von 2006) als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern die Förderung von Wissenschaft und Forschung bei der „1. Einrichtung und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung außerhalb von Hochschulen; 2. Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen; 3. Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten.“
Durch die erneute Änderung dieser Regelung im Dezember 2014 ist nunmehr für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern vorgesehen: „Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken. Vereinbarungen, die im Schwerpunkt Hochschulen betreffen, bedürfen der Zustimmung aller Länder. Dies gilt nicht für Vereinbarungen über Forschungsbauten einschließlich Großgeräten.“
Neu ins Grundgesetz aufgenommen wurde im Jahre 2006 eine weitere Aufgabe gemeinsamen Zusammenwirkens von Bund und Ländern, die sich auf die „Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen“
bezieht (Art. 91b Abs. 2 GG). Im Ergebnis bedeutet diese Bestimmung, dass im Zusammenhang mit großen internationalen Leistungsstudien (wie z. B. PISA) Bund und Länder gemeinsam diese Studien durchführen und auch bei daraus abzuleitenden Empfehlungen zusammenwirken (auch wenn Bund und Länder seit der Verfassungsreform des Jahres 2006 von der Möglichkeit, gemeinsam „Empfehlungen“ zu verabschieden, noch keinen Gebrauch gemacht haben!). Berichte wie der zweijährig erscheinende nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland“, der über den Stand des gesamten Bildungswesens Auskunft gibt, unterfallen ebenfalls dieser Verfassungsklausel. Mit der erwähnten Ergänzung des Grundgesetzes vom Sommer 2017 kann der Bund nunmehr kommunale Bildungsinfrastrukturaufgaben (mit-)finanzieren, insbesondere im Bereich des Schulbaus, und nach der erneuten Ergänzung vom März 2019 auch in die digitale Infrastruktur. Dabei wird entsprechend der in Art. 104 GG getroffenen Regelung dem Bund ein Überprüfungsrecht eingeräumt werden, ob und inwieweit diese Mittel zweckentsprechend eingesetzt wurden – ein Kontrollrecht gegenüber den Bundländern, das in dieser Form neu ist. Die Bewertung insbesondere der durch die Verfassungsänderung des Jahres 2006 eingeführten und im Jahre 2014 nur leicht modifizierten Neuregelungen ist politisch nach wie vor umstritten. Sicherlich ist das Ziel einer klareren Verantwortungszuweisung und -aufteilung zwischen Bund und Ländern politisch sinnvoll, zugleich bedeutet aber der Wegfall der anteiligen finanziellen Bundesbeteiligung beispielsweise beim Hochschulbau, dass es nunmehr allein in der Kompetenz (und
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106 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Macht) der einzelnen Bundesländer liegt, über Investitionen im Hochschulbau zu entscheiden. Der „kooperative Föderalismus“ hatte – zumindest aus dem Blickwinkel der Bildungspolitiker in den Ländern – immer den „Hebel“ der erwartbaren Bundeszuschüsse ermöglicht: durch die im Regelfall vorgesehene hälftige Ausgabenteilung bedeutete der Verzicht des Länderanteils auch zugleich den Verzicht auf den Bundesanteil. Zugleich konnte sich die Forderung einer Aufhebung des „Kooperationsverbots“ nicht durchsetzen, obwohl erkennbar ist, dass Bund und Länder gemeinsam nach Wegen suchen, die verfassungsrechtlich erwünschte, klare Trennung zu durchbrechen, wie etwa die Bemühungen im Zusammenhang mit der Errichtung eines aus Bundes- und Ländermitteln gespeisten Fonds zum Ausbau der frühkindlichen Erziehungseinrichtungen und -maßnahmen in der zweiten Jahreshälfte 2007 zeigen; ebenso ist auffällig, wie sehr der Bund unter Nutzung seiner finanziellen Möglichkeiten in Bereiche klarer Länderzuständigkeiten eindringt, wenn etwa Bundesmittel für eine „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ an die Bedingung einer Einigung der Länder über die gegenseitige Anerkennung von Lehramtsabschlüssen geknüpft werden. Dass Fragen einer finanziellen Beteiligung des Bundes auch in Bereichen klarer Länderzuständigkeiten, wie etwa dem Schulbau, zugunsten der Länder geklärt werden, zeigen jene Grundgesetzänderungen zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern vom Juli 2017, für deren Erweiterung im Sommer 2018 Vorschläge des Bundes eingebracht wurden. Dabei scheinen die Länder durchaus bereit zu sein, in Anbetracht ihrer bestehenden Finanzsituation Bundesfinanzbeteiligungen auch dann zu akzeptieren, wenn dabei die Grundsätze der „Kulturhoheit der Länder“ Einschränkungen erfahren. 2.4.2 Zur Rolle der Gemeinden im Bildungssystem „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“, so lautet Art. 7 Abs. 1 GG. Da das Schulwesen unter die „Kulturhoheit“ der Bundesländer fällt, heißt das zunächst, dass das gesamte Schulwesen – unter Einschluss des Privatschulwesens – der Aufsicht durch die Länder untersteht. Als historischer Sammelbegriff umfasst dieser (weite) Begriff der „Schulaufsicht“ die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Staates zur Planung, Organisation, Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens, wie die schon in der Weimarer Zeit und bis heute geltende Definition der Rechtsprechung es formuliert hat. Dies schließt die Festlegung der Ausbildungsgänge, Unterrichtsziele und Unterrichtsstoffe ein. Beteiligt an der Aufgabe der Wahrnehmung dieser Form der „Schulaufsicht“ sind zunächst die Landesparlamente, insofern sie für Gesetzgebung und Haushaltsplanung zuständig sind: sie müssen die grundlegenden Entscheidungen zum Bildungsund Schulsystem gesetzlich regeln. Aufgabe der Kultusministerien ist dann, auf der Grundlage der in den Gesetzen bestimmten Vorgaben präzisierende Bestimmungen zu erlassen, als Rechtsverordnungen oder in Anweisungsform. Die gesetzgebenden
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 107 und die eher verwaltungsmäßigen Formen der Umsetzung und Konkretisierung als Funktionen von Landesparlamenten und Landeskultusministerien hat man als „Schulhoheit“ bezeichnet – im Unterschied zum Begriff der „Schulaufsicht“, der in einem engeren Verständnis als die unterrichtsbezogene Kontrolle und Beratung der Schulen, der Schulleitungen und der Lehrkräfte durch Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamte („Schulräte“) verstanden wird. Die umfassende Zuständigkeit des Staates für das Schulwesen bezieht sich nicht nur auf die organisatorische und inhaltliche Gestaltung von Bildungsgängen, sondern auch auf die Regelung der Lehrerbildung und die Verwaltung des Lehrpersonals in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Die Länder sind für die Regelungen der Ausbildung an den Universitäten (bzw. in einigen Ländern an den Pädagogischen Hochschulen) und die Lehrerprüfungen ebenso zuständig wie für die Personalverwaltung, das heißt für die Anstellung und Beförderung, Verteilung und Versetzung von Lehrkräften und sonstigen pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Den Gemeinden steht nach dem Grundgesetz das Recht zu, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (Art. 28 Abs. 2 GG).
Notwendigerweise gehört die frühkindliche Bildung und auch die Schule zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Als Teil der Kinder- und Jugendhilfe findet die frühkindliche Bildung in der Verantwortung des kommunalen Jugendamtes statt, was aber nicht heißt, dass der kommunale Jugendhilfeträger diese Aufgabe durch eigene Einrichtungen mit eigenem Personal erbringen muss. Im Bereich der Schule kommen der Gemeinde (bzw. den Gemeindeverbänden) ein Recht der Beteiligung zu, das im Verhältnis zur staatlichen (d. h. vom Bundesland organisierten) Schulaufsicht in einer komplizierten (und in den Bundesländern unterschiedlichen) Kompetenz- und Lastenverteilung austariert ist, die auf der Trennung von „inneren Schulangelegenheiten“ und „äußeren Schulangelegenheiten“ beruht – einer Unterscheidung, die auf historische Wurzeln zurückgeht und Ausdruck einer Stärkung gemeindlicher Zuständigkeiten ist. Fragen des Unterrichts – seiner Ziele, Inhalte und Organisation – (als „innere Schulangelegenheiten“) werden danach von Fragen der Finanzierung und Ausstattung von Schulen („äußere Schulangelegenheiten“) getrennt, die Verantwortlichkeiten und ebenso die Finanzierungszuständigkeiten unterschieden. Danach ist die staatliche Schulbehörde als nachgeordnete Behörde des Kultusministeriums („Staatliches Schulamt“) für den inneren Schulbetrieb (Lehrpläne, Stundentafeln, Lehrerzuweisungen usw.) zuständig, während in der Regel die kommunalen Einrichtungen („Stadtschulamt“ o. ä.) für die Grundstücke, die Gebäude (Errichtung, Unterhaltung) sowie die Sachausstattung der Schulen zu sorgen haben; Gemeinden (oder, je nach Landesrecht, auch Gemeindeverbände) sind insoweit „Schulträger“. In Flächenstaaten hat sich das
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108 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Prinzip durchgesetzt, dass die Personalkosten des lehrenden und unterrichtenden Personals vom Land, die Sachkosten der Schulen sowie die Kosten für das Verwaltungspersonal an den Schulen vom kommunalen Schulträger aufgebracht werden. Die Unterscheidung von „inneren“ und „äußeren Schulangelegenheiten“ bietet allerdings nur einen Anhaltspunkt für die jeweilige Zuständigkeit. In der Praxis ist die Zuständigkeitsverteilung – etwa durch Genehmigungsvorbehalte zu Gunsten des Landes oder durch besondere Finanzierungsformen – variabel. Gelegentlich gibt es auch Ausnahmen: So ist in einzelnen Bundesländern der Staat verpflichtet oder berechtigt, die Trägerschaft für (manche) Gymnasien zu übernehmen, sofern die Gemeinde oder der Gemeindeverband von ihrem Recht auf die Trägerschaft keinen Gebrauch macht, damit wird dann das Land auch für „äußere Schulangelegenheiten“ zuständig. Dennoch bleibt – verfassungsrechtlich betrachtet – der Grundsatz richtig: „Die Gemeinde baut … der Schule das Haus; Herr im Haus aber ist der Staat.“ (so schon Anschütz 1933, 668)
In Anbetracht der in manchen Bereichen als besonders abstimmungsbedürftig empfundenen Trennung von „inneren“ und „äußeren Schulangelegenheiten“ und den damit einhergehenden (Finanzierungs-)Verantwortlichkeiten gibt es Bestrebungen, durch Formen gemeinsamer Abstimmung diese Trennung zu überwinden, z. B. über Fondslösungen oder eigens geschaffene Gremien; Hintergrund ist die Tatsache, dass notwendigerweise auch die von den Gemeinden erbrachten Aufwendungen im Bereich der Ausstattung und Einrichtung der Schulen eines diese begründenden pädagogischen Konzeptes bedürfen – und dies gilt nicht nur, aber besonders auch etwa für Fragen der Computerbeschaffung und -wartung an Schulen als Aufgabe der Schulträger; dass dann aber für den Einsatz und die Nutzung allein das vom Land bezahlte Lehrpersonal zuständig ist, erscheint fast widersinnig. Ebenso ist erkennbar, dass auch Schulbauten die Umsetzung von pädagogischen Grundsätzen ermöglichen, dass also Gemeinden als (Bau-)Träger diese mit einbeziehen müssen (auch „Beton erzieht“, wie eine klassische Aussage von Architekten lautet). Deshalb entstehen vielfältige Bemühungen, gerade auch die Vertreter*innen der kommunalen Schulverwaltungen stärker mit in die Aufgabenwahrnehmung der staatlichen Schulverwaltung, also bei den „inneren Schulangelegenheiten“ einzubeziehen. Auch wenn Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG für die Gemeinden formuliert: „Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle“,
so weist diese Klausel auf ein Dilemma der Gemeinden hin: ihre unterschiedliche Finanzkraft, die nur schwer die Gemeinden selbst stärken können; die Abhängigkeit von (Ausgleichs-)Zahlungen des Landes erhöht die Möglichkeiten, gemeindli-
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 109 che Selbstverwaltung im Sinne eigener Profilierung und Akzentsetzung (beispielsweise durch Investitionen in Bildungseinrichtungen) eher nicht. Nur wenige eigene Finanzquellen stehen den Gemeinden zur Verfügung, so dass zunehmend die Einbeziehung von Finanzzuweisungen Dritter auch dann akzeptiert wird, wenn an diese Bedingungen geknüpft sind, die an sich den gemeindlichen Vorstellungen nicht entsprechen13. Dies gilt für Förderprogramme der EU oder auch des Bundes, die den Gemeinden direkt zugute kommen, aber auch Formen der Zusammenarbeit mit Privaten, die als Projekte einer „Public-Private-Partnership“ die Durchsetzung gemeindlicher Interessen nicht immer vollständig garantieren. Im Bildungssystem sind aber die Gemeinden nicht nur im Rahmen der Schulträgerschaft verantwortlich, sondern – über die frühkindliche Bildung hinaus – unterfallen eine ganze Reihe anderer Bildungseinrichtungen ebenso dem Verantwortungsbereich der Gemeinden: etwa Musik- und Kunstschulen, öffentliche Bibliotheken und Einrichtungen der Weiterbildung, wie etwa die örtlichen Volkshochschulen. Dies zeigt, dass die Gemeinden, wenn auch eher im „Windschatten“ der öffentlichen Aufmerksamkeit stehend, ein wichtiger Bildungsträger im lokalen Umfeld sind – ein Gedanke, der in Vorstellungen eines konzeptionell anders und herkömmliche Zuordnungs- und Verantwortungsregelungen überwindenden Modells von Bildung innerhalb der Kommune sich niederschlägt, sei es unter dem Titel der „Lernenden Region“ oder auch der „Kommunalen Bildungslandschaft“. Neue Kooperationsund Abstimmungsformen werden auf der lokalen Ebene entwickelt und praktiziert, den jeweiligen Bedingungen und Bedarfen angepasst, Zuständigkeitsfragen werden daher eher pragmatisch behandelt und so auch überspielt – im Sinne eines lokalen Bildungskonzeptes. In Anbetracht der Vielzahl von Anregungen und Modellen bleibt abzuwarten, wie sich entsprechende Initiativen weiter entwickeln. 2.4.3 Kooperation und Koordination im föderativen Bildungssystem Nicht nur auf der lokalen Ebene ist die Frage von Koordination und Kooperation insbesondere in jüngster Zeit virulent geworden, sondern auch im Zusammenwirken von Bund und Ländern haben sich im Verlauf der Geschichte der BRD verschiedenste Formen und Institutionen für die Abklärung und Abstimmung entwickelt; fast lässt sich die Geschichte des deutschen „Bildungsföderalismus“ seit 1949 auch als Geschichte der beteiligten koordinierenden Institutionen darstellen, sei es, dass sie entscheidende, sei es, dass sie vorbereitende, sei es, dass sie beratende Funktionen ausübten – in jedem Falle war und ist allein schon der Aufwand der Abstimmung zwischen dem Bund und zunächst elf, seit 1990 dann 16 Bundesländern erheblich. Da Fragen des Bildungswesens zunächst und teilweise auch ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Länder fallen, kommt der Abklärung und Abstimmung 13 Insoweit bleibt abzuwarten, wie die aufgrund der Verfassungsänderung vom Sommer 2017 mögli-
chen, zusätzlichen Bundesmittel sich konkret auswirken werden.
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110 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens der Länder untereinander eine besondere Bedeutung zu. Diese Aufgabe der Koordinierung der Länder untereinander wird von der Kultusministerkonferenz (KMK) wahrgenommen – einer Einrichtung der Länder, die schon im Jahre 1948 erstmalig und damals noch unter Beteiligung von Vertretern der Länder der „Ostzone“, der späteren DDR, tagte. Die Bedeutung der KMK ist auch infolge der vorstehend beschriebenen Föderalismusreform des Jahres 2006 eher gewachsen. Als gemeinsames Gremium von Bund und Ländern bestand seit 1970 eine „BundLänder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung“ (BLK), nach ihrer Auflösung mit Ablauf des Jahres 2007 ist an ihre Stelle für die Umsetzung der Aufgaben nach Art. 91b Abs. 1 GG, der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre, die begründete „Gemeinsame Wissenschaftskonferenz“ (GWK) getreten. Für Fragen einzelner Bereiche des Bildungssystems haben in der Vergangenheit eine ganze Reihe von überregionalen Einrichtungen der Beratung und Abstimmung bestanden, die im Laufe der Zeit entweder ersetzt oder aufgelöst wurden; dazu zählen neben dem „Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen“ besonders der „Deutsche Bildungsrat“. Zugleich bestehen aber auch Gremien, die nach wie vor wirksam sind und eine wichtige Funktion erfüllen, wie der „Wissenschaftsrat“. Es wäre verkürzt, wenn man bei den Akteuren mit Einfluss auf die Bildungspolitik nicht auch jene Einrichtungen nennen würde, die, wenn auch ohne politisches Mandat, durch Gutachten und Stellungnahmen Vorstellungen artikulieren, die im politischen Raum wahrgenommen werden: es sind jene privatrechtlich organisierten Stiftungen und Verbände, die mit durchaus wissenschaftlich profunden Positionspapieren bestimmte bildungspolitische Entwicklungen vorantreiben wollen. Kultusministerkonferenz (KMK) Das wichtigste Gremium zur Koordination der Bildungs- und Kulturpolitik zwischen den einzelnen Bundesländern ist die KMK. Ihre hohe Bedeutung folgt aus der oben beschriebenen, grundsätzlichen Kompetenz der Bundesländer für dieses Politikfeld („Kulturhoheit“). Sie sichert der KMK zugleich jenes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit, das bisweilen bis in den Bereich des allgemeinen Sprachgebrauchs Einzug gehalten hat, wenn etwa Schülerinnen und Schüler oder ihre Eltern wie selbstverständlich bei den Vorgaben zur Erreichung der Hochschulreife von „KMK-Auflagen“ sprechen. Die „Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland“ (so ihr offizieller Titel) wurde im Oktober 1949 als freiwillige Arbeitsgemeinschaft der Kultusminister*innen aller Länder der Bundesrepublik gegründet, nachdem bereits im Februar 1948 eine „Konferenz der deutschen Erziehungsminister“ stattgefunden hatte, an der sich auch noch die Kultusminister von Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligten; auf den Folgekonferenzen waren diese allerdings dann nicht mehr anwesend. Auf
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 111 der noch „gesamtdeutschen“ ersten Sitzung im Juni 1948 – inzwischen hatten die Westalliierten durch die Währungsreform den Grundstein für eine separatstaatliche Entwicklung der Westzonen gelegt – wurde von den Teilnehmern der Länder der Trizone beschlossen, eine Ständige Ministerkonferenz mit einem gemeinsamen Sekretariat zu schaffen. Die konstituierende Sitzung fand im Oktober 1949, nach der Verabschiedung des Grundgesetzes, mit Vertretern aus den elf westdeutschen Bundesländern statt. Nach dem Beitritt der DDR tagten am 6. Dezember 1990 auf der 251. Plenarsitzung der KMK erstmals wieder 16 deutsche Landeskultusministerinnen und -minister zusammen. Nach der Präambel ihrer Geschäftsordnung hat die KMK die Aufgabe, „Angelegenheiten der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer gemeinsamen Willensbildung und zur Vertretung gemeinsamer Anliegen“ zu behandeln. Mit der KMK haben sich die Länder im kulturellen Bereich ein überregionales, aber kein übergeordnetes Instrumentarium wechselseitiger Abstimmung geschaffen. Organe der KMK sind das Plenum (d. h. die Versammlung der Kultusminister und Kultusministerinnen sowie -senatoren und -senatorinnen aller Bundesländer), das von diesem gewählte Präsidium und der oder die jährlich wechselnde Präsident oder Präsidentin. Vorbereitet werden, sofern keine Entscheidungsübertragung an andere Gremien erfolgt ist, die Plenarbeschlüsse der KMK durch eine Amtschefkonferenz, für Einzelfragen oder auf Dauer eingerichtete Amtschefkommissionen, für Fragen der Schule, der Beruflichen Bildung, der Hochschule, des Auslandsschulwesens und der Kultur zuständige Hauptausschüsse und wechselnde Unterausschüsse, die für einzelne Sachfragen zuständig sind. So wurde dem wachsenden Gewicht der EU im Bildungsbereich und der in diesem Zusammenhang herausragenden Funktion der Bundesländer im Rahmen der innerdeutschen Abstimmungsprozesse (vgl. Art. 23 Abs. 6 GG), seitens der KMK durch die Einrichtung einer „Kommission für Europäische und Internationale Angelegenheiten“ Rechnung getragen; den zunehmend wichtiger werdenden Fragen der Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungssystems widmen sich zwei „Amtschefkommissionen für Qualitätssicherung“ in Schulen bzw. in Hochschulen; daneben sind eigene Amtschefkommissionen für Statistik für Lehrerbildung und für Sport eingerichtet worden. Alle diese Kommissionen werden von Amtschefs einzelner Bundesländer geleitet, was die jeweils als politisch hoch eingeschätzte Bedeutung dieser Aufgaben unterstreicht. Die KMK unterhält in Berlin (als Hauptsitz) und in Bonn ein Sekretariat, das sich zu einem wichtigen überregionalen Planungs- und Abstimmungsapparat entwickelt hat; geleitet wird das Sekretariat von einem Generalsekretär bzw. einer Generalsekretärin. Die KMK ist zusammen mit den zuständigen Bundesministerien ferner regelmäßig an den Arbeiten einer Reihe wichtiger kulturpolitischer Einrichtungen auf nationaler und internationaler Ebene beteiligt. Dazu gehören etwa der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die UNESCO und verschiede-
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112 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens ne bilaterale Kommissionen, die etwa aufgrund von Kulturabkommen zwischen Deutschland und anderen Staaten geschaffen wurden. Im Plenum und in den Ausschüssen der KMK hat jedes Land eine Stimme, sofern es sich um solche Beschlüsse handelt, die der „Herstellung der notwendigen Einheitlichkeit und Mobilität im Bildungswesen“ dienen oder die finanzielle Auswirkungen in den Ländern nach sich ziehen. Auch wenn damit nicht mehr durchgängig das Prinzip der Einstimmigkeit in der KMK gilt und die KMK sich so ein größeres Maß an Beweglichkeit geschaffen hat, so bleibt aber weiterhin der strukturell bedingte und häufig kritisierte, aber auch als heilsam bezeichnete Zwang zum Konsens erhalten. Als Nachteile stellten sich gelegentlich zeitraubende Verhandlungen, die Gefahr der Vertagung von umstrittenen Themen oder eines hohen Allgemeinheitsgrads der Vereinbarungen ebenso ein wie der Versuch, Nichteinigungen über Formelkompromisse zu verschleiern. Wichtig ist, dass auch einstimmig gefasste KMK-Beschlüsse rechtlich nur den Charakter von (politischen) Empfehlungen besitzen, die erst dann verbindliches Landesrecht werden, wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber eines Bundeslandes die Entschließungen übernimmt. Die Tatsache, dass in der KMK als einem Koordinationsgremium der Landeskultusverwaltungen die Landesparlamente nicht vertreten sind (und aus strukturellen Gründen auch nicht vertreten sein können), ist verfassungspolitisch nicht unbedenklich: KMK-Beschlüsse zeichnen faktisch die Entscheidungen der Länderparlamente vor, denn unabhängig von den politischen Mehrheitsverhältnissen in den Ländern hat die Gesamtheit aller ebenfalls politisch gewählten und unterschiedlich orientierten Minister*innen zugestimmt; Länderparlamentarier*innen, insbesondere aus der jeweiligen Opposition, die andere Positionen als die den jeweiligen Kultusminister bzw. die jeweilige Kultusministerin unterstützendende Parlamentsmehrheit vertreten wollen, sehen sich regelmäßig mit dem Argument konfrontiert, dass doch der Kultusminister bzw. die Kultusministerin eines anderen Bundeslandes, der bzw. die jener Opposition in einem anderen Land politisch nahe steht, ebenfalls der entsprechenden KMKEntscheidung zugestimmt habe. Es ist insoweit insgesamt erstaunlich, in welchem Ausmaß die Landtage die tatsächliche Präjudizierung ihrer Entscheidungen hingenommen und auf jeweils mögliche, länderpolitische Akzentsetzungen zugunsten der über die KMK-Beschlüsse vorgegebenen Einheitlichkeit verzichtet haben. Die Grundstruktur der organisatorischen und curricularen Ausgestaltung des Bildungssystems aller Bundesländer beruht im Wesentlichen auf entsprechenden Empfehlungen der KMK. Sie bereitete seinerzeit die beiden grundlegenden Abkommen der Ministerpräsidenten der Bundesländer zur Vereinheitlichung des Bildungswesens der Bundesrepublik Deutschland vor: das „Düsseldorfer Abkommen“ aus dem Jahre 1955 und die Fortentwicklung im „Hamburger Abkommen“ von 1964 sowie dessen Novellierung im Jahre 1971. Die damals gefundenen Regelungen steckten auch den Rahmen für die Angleichung des Schulsystems der neuen
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 113 Bundesländer ab, obwohl die dabei auftretenden Anpassungsschwierigkeiten den Ruf nach einer erneuten Revision des „Hamburger Abkommens“ verstärkt hatten; dem ist die KMK bisher nicht nachgekommen. So wurde etwa in Abweichung von den im „Hamburger Abkommen“ festgelegten 13 Schuljahren bis zum Erwerb der Hochschulreife zunächst in vielen der neuen Bundesländern nach 1990 eine abweichende Regelung von nur zwölf Schuljahren akzeptiert, indem durch einen gesonderten Beschluss nicht die Schuljahre, sondern ein Gesamtstundenvolumen von 265 Unterrichtsstunden in der Sekundarstufe zum Maßstab erhoben wurde; auf der Grundlage dieses Beschlusses haben dann auch westdeutsche Länder Formen einer Verkürzung der Schulzeit bis zum Erwerb der Hochschulreife auf zwölf Schuljahre entwickelt und eingeführt – auch wenn gegenwärtig eine Tendenz der Rückkehr zu 13 Schuljahren erkennbar ist, zumindest bei den Schulformen außerhalb des Gymnasiums. Auf die Weiterführung von regelmäßigen international vergleichenden Erhebungen zur Qualität des Schulwesens hatte sich die KMK in der Umsetzung ihrer sog. Konstanzer Beschlüsse vom Oktober 1997 (zur „Qualitätssicherung im deutschen Schulwesen“) verständigt und diese schließlich im Juni 2006 in eine „Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring“ eingebunden. Als Teil der Maßnahmen zur Qualitätssteigerung und zur Qualitätssicherung im Bereich der Schulen ist auch die im Rahmen der KMK im Jahre 2004 erfolgte Gründung des als Verein organisierten „Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ (IQB) als wissenschaftliche Einrichtung der Länder an der Humboldt-Universität zu Berlin zu sehen; dessen Aufgabe besteht darin, länderübergreifende Bildungsstandards durch geeignete Testaufgaben für Lernstandserhebungen in den Ländern zu entwickeln und diese für regelmäßig vorzulegende Ländervergleichsstudien („IQB-Bildungstrend“) zu nutzen. Insbesondere durch die Entwicklung von Bildungsstandards für alle Schulstufen – einschließlich der zur Feststellung benötigten Instrumente, wie etwa einem Aufgabenpool für die Abiturprüfung – sollen sowohl die Qualität der Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern als auch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse über Ländergrenzen hinaus gesichert werden. Diese „Gesamtstrategie“ ist seitens der KMK im Juni 2015 mit dem Ziel fortgeschrieben worden, „auf der Grundlage abgesicherter Ergebnisse von Bildungsprozessen die Qualität des Bildungssystems auf allen Ebenen weiter zu erhöhen“, indem die weitere Teilnahme an internationalen Schulleistungsstudien (wie PISA) ebenso festgeschrieben wurde wie die Überprüfung und Umsetzung von Bildungsstandards für die Primarstufe, die Sekundarstufe I und die Allgemeine Hochschulreife, die Fortführung der nationalen Bildungsberichterstattung und die andauernde Mitwirkung an Schritten zur Qualitätssicherung in den Schulen. Unabhängig von diesen neueren Entwicklungen, die insbesondere auch durch das schlechte Abschneiden Deutschlands in den internationalen Schulvergleichsstudien seit 1997 in TIMSS und seit 2001 in PISA ausgelöst wurden, hat die KMK in der
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114 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Vergangenheit und durch Revision bis heute eine ganze Reihe von grundlegenden Beschlüssen zu Fragen des Schul- und Hochschulwesens gefasst, die maßgeblich Strukturen, aber auch Inhalte beeinflusst haben. Ein Feld der nachhaltigen Strukturentscheidungen, das im Rahmen der KMK gestaltet wurde, war die Gestaltung des Gymnasiums und insbesondere der gymnasialen Oberstufe. Angefangen von der Saarbrücker „Vereinbarung zur Oberstufe des Gymnasiums“ von 1960 bis hin zu der Bonner „Vereinbarung zur Reform der gymnasialen Oberstufe“ vom Juli 1972 hat hier die KMK prägend gewirkt, auch wenn in der Folgezeit die entsprechenden Beschlüsse mehrfach, zuletzt 2013, ergänzt (etwa durch die „Vereinbarung zur Ausarbeitung von Einheitlichen Prüfungsanforderungen für das Abitur“ seit 1989) und auch revidiert worden sind. Sehr zügig und zugleich auch höchst pragmatisch hatte im Prozess der deutschen Vereinigung die KMK im Jahre 1990 eine Anerkennungsregelung für das in der DDR erworbene Abitur verabschiedet. Politisch umstrittener war demgegenüber in der KMK das Feld der Gestaltung der Sekundarstufe I. Zwar konnte sich die KMK im Jahre 1969 auf eine „Vereinbarung über ein Experimentalprogramm mit Gesamtschulen“ verständigen, die bundesweite Anerkennung der Abschlüsse dieser Schulform blieb aber politisch umkämpft, bis es schließlich gelang, mit der Bremerhavener „Vereinbarung zur wechselseitigen Anerkennung von Gesamtschulabschlüssen“ im Jahre 1982 zu einer Klärung zu kommen, die dann – nach dem Beitritt der ostdeutschen Länder zur KMK – im Jahre 1993 in der „Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge in der Sekundarstufe I“ (zuletzt geändert 2014) aufging. Nicht gelungen ist es der KMK bisher, die Kreativität der Länder in der Entwicklung, Ausgestaltung und insbesondere der Bezeichnung von Schulformen in der Sekundarstufe I zu bremsen – lediglich eine schematische Übersicht mit den in den einzelnen Ländern gebräuchlichen Schulbezeichnungen vermag einen Einblick zu geben. Fragen der Entwicklung des Sonderschulwesens haben die KMK regelmäßig beschäftigt. So hat, nach der Vorlage eines „Gutachtens zur Ordnung des Sonderschulwesens“ im Jahre 1960, dann die „Empfehlung zur Ordnung des Sonderschulwesens“ von 1972 nachdrücklich zum deutlichen Ausbau dieser Schulen beigetragen; deren Fortführung durch die „Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland“ von 1994 haben sich einer veränderten Betrachtungsweise in der Sonderpädagogik und einer weiteren Differenzierung (durch die sich daran anschließenden Empfehlungen zu einzelnen Förderschwerpunkten ab 1996) geöffnet. Mit dem Beschluss „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ aus dem November 2011 hat sich die KMK schließlich, nicht zuletzt unter dem Einfluss der UN-Behindertenrechtskonvention, mit den Möglichkeiten von inklusiven Bildungsangeboten im Schulbereich näher befasst und Vorschläge zur Umsetzung entwickelt.
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 115 Im Hochschulbereich kam es im Jahre 1972 zur Regelung der mit der Einführung von Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen („numerus clausus“) eingetretenen Probleme zu einer ersten „Vereinbarung zur Vergabe von Studienplätzen“, der dann eine ganze Vielzahl weiterer folgten – bis hin zur Gründung der „Stiftung für Hochschulzulassung“ im Jahre 2008 (als Rechtsnachfolgerin der früheren „Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen“ – ZVS), die dann im Jahre 2010 ihre Tätigkeit bei der Durchführung des „Dialogorientierten Serviceverfahrens“ zur Vergabe von Studienplätzen im Zusammenwirken mit den Hochschulen aufnahm. Das Länderabkommen „Zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Fachhochschulwesens“ aus dem Jahre 1968, das die Fachschul- und Fachhochschulausbildung neu ordnete, kam zwar wohl nur durch den starken Druck der Regierungschefs der Länder zustande, schaffte aber gleichwohl Klarheit und Entwicklungsperspektiven für den damals neuen Hochschultyp der Fachhochschulen. Die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben zur Anerkennung von Hochschuldiplomen führte im Jahre 1990 zu einem entsprechenden KMK-Beschluss. Schließlich beanspruchten die Einführung und Umsetzung der gestuften Studiengänge (BA/MA) zunehmend die Aufmerksamkeit der KMK und führten zu einer Vielzahl, immer wieder auch ergänzter oder neugefasster Beschlüsse (z. B. die „Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen“ von 2003/2010 oder der Beschluss zur „Stiftung: Akkreditierung von Studiengängen“ von 2004). Insgesamt ist das von der KMK entwickelte System von länderübergreifenden Strukturvorgaben beachtlich; manche Bereiche (wie das Auslandschulwesen) gewinnen erst durch die entsprechenden KMK-Beschlüsse Anerkennung und Bedeutung. Gleichwohl bleibt es ein Dilemma der KMK, dass aufgrund der nach wie vor bestehenden parteipolitischen Polarisierung in einen sozialdemokratisch geprägten Flügel (sog. A-Länder) (Füssel 2012) und einen christdemokratisch orientierten (sog. B-Länder) nicht nur die Gremien jeweils nach dem Grundsatz eines parteipolitischen Proporzes besetzt werden, sondern auch Vereinbarungen erst nach einem mitunter mühsamen Prozess von der primär fachlich orientierten Ebene der Hauptsauschüsse über die politisch agierenden Gremien von Amtschefkonferenz und Plenum zustande kommen. Neben dem immensen Aufwand der Beteiligung von 16 Kultusverwaltungen der Länder und der Entwicklung von Lösungsvorschlägen unter Einbeziehung der höchst unterschiedlichen Länderinteressen und -bedarfe verlaufen Entscheidungsprozesse in der KMK nicht immer in der von der Öffentlichkeit erwarteten Schnelligkeit. Durch das Verhandeln innerhalb der nicht öffentlich tagenden KMK-Gremien entstehen in der Öffentlichkeit Unklarheiten und Unsicherheiten, die leicht und gern auch politisch (aus-)genutzt werden. Hinzu kommt die durch die unterschiedlichen, auch politischen Interessenlagen bedingte Form von Verständigungen, die oft Formelcharakter haben oder auch die eigentlichen Probleme nicht ansprechen oder Lösungen anbieten.
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116 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Zwar prägen gegenwärtig grundsätzliche Blockadehaltungen einzelner Länder oder Ländergruppen, die durch das grundsätzliche Eistimmigkeitsprinzip in der KMK ermöglicht und begünstigt werden, die Arbeit in der KMK allem Anschein nach nicht – auszuschließen aber ist nicht, dass es zu einer „Neuentdeckung“ dieser Form von politischer Taktik kommen kann. Die in der Öffentlichkeit nach wie vor bestehenden Vorurteile gegenüber der KMK, die mehr aus der Vergangenheit als aus der aktuellen Arbeit resultieren, könnten aber bei einer Veränderung des „Stils“ der Zusammenarbeit in der KMK so jederzeit neue Nahrung erhalten und damit die Akzeptanz von KMK-Beschlüssen in Frage stellen. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) und Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) Als ein Modell für Formen der Bund-Länder-Zusammenarbeit und auch zugleich Verflechtung kann die BLK bezeichnet werden; ihr wurden zunächst Aufgaben der Bildungsplanung, später auch der Forschungsförderung als zu jener Zeit in der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern stehende Aufgaben übertragen. Wie die KMK diente auch die BLK der Koordinierung der Bildungspolitik zwischen den Ländern, unterschied sich aber maßgeblich durch die gleichberechtigte Mitwirkung des Bundes. Nach dem ursprünglichen Bund-Länder-Abkommen hatte die BLK die Aufgabe, einen langfristigen Rahmenplan für das gesamte Bildungswesen vorzulegen, Teilpläne zu entwerfen und Vorschläge zur Finanzierung zu erarbeiten. 1973 konnte ein einziges Mal ein „Bildungsgesamtplan“ vorgelegt werden, der normative Vorgaben für Entwicklungen im Bildungssystem bis 1985 enthielt, zugleich aber unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Bundesländern deutlich werden ließ. Die darauf folgenden Arbeiten der BLK wurden deshalb durch lähmende Polarisierung zwischen den parteipolitischen Lagern blockiert. Umstritten ist die Wirksamkeit des damals über die BLK abgewickelten Modellversuchsprogramms. Ursprünglich vorgesehen, um aufgrund entsprechender Modellvorhaben zu Einzelproblemen im Bildungssystem neue Wege zu probieren und durch eine wissenschaftliche Begleitung absichern zu lassen, ließ sich erkennen, dass trotz des Einsatzes erheblicher Finanzmittel auf Seiten des Bundes und der Länder die Bereitschaft zur Übertragung entsprechender Ergebnisse aus den Modellversuchen eher gering war. Dies gilt in weitaus geringerem Maße für diejenigen Modellversuche, die der Qualitätsverbesserung in Schulen und Schulsystemen sowie die Steigerung der Effizienz im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht (SINUS-Programm – auch in der Folge der Ergebnisse der TIMMS-Studie) dienten. Als spezifische Form einer Mischkompetenz und Mischfinanzierung zwischen Bund und Ländern fiel diese Aufgabe der Föderalismusreform des Jahres 2006 zum Opfer, auslaufende Modellversuche wurden zwar beendet, sie sollten in alleiniger Länderkompetenz fortgeführt werden. Die Koordination der Forschungsförderung, primär die Entscheidung über die Finanzierung der gemeinsam von Bund und Ländern getragenen außeruniversitären
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 117 Forschungseinrichtungen Max-Plank-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und Leibniz-Gemeinschaft, wurde zu einem immer wichtigeren und unverzichtbaren Teil der Aufgaben der BLK, so dass diese Aufgabenstellung auch nach der Föderalismusreform des Jahres 2006 übereinstimmend als erhaltenswert angesehen wurde. Die neu gegründete GWK übernahm ab 2008 diesen Teil der Aufgaben der BLK. Die GWK ist aufgrund eines Verwaltungsabkommens aus dem Jahre 2007, geändert im Jahre 2015, zwischen dem Bund und allen Bundesländern begründet worden. Mitglieder der GWK sind alle Wissenschaftsminister und -ministerinnen von Bund und Ländern, die im Regelfall halbjährlich zusammenkommen, um unter einem jährlich wechselnden Vorsitz der Bundes- und der Länderseite „alle Bund und Länder gemeinsam berührenden Fragen der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre, der wissenschafts- und forschungspolitischen Strategien und des Wissenschaftssystems“ zu behandeln. Vorbereitet werden die Beratungen der GWK durch einen Ausschuss und unterstützt durch ein in Bonn eingerichtetes Büro, das unter der Leitung der Generalsekretärin steht. Bezüglich des Abstimmungsmodus kennt die GWK Mehrheitsentscheidungen, die aber so ausgestaltet sind, dass sie weder gegen die Auffassung des Bundes noch gegen die deutliche Mehrheit der Länder durchgesetzt werden können; eine Ausnahme gilt für Projekte mit dem Schwerpunkt Hochschulen, bei denen alle Länder und der Bund zustimmen müssen. Die GWK hat sich seit ihrer Gründung neben ihrer ursprünglichen Aufgabe bei der Forschungsförderung zunehmend zu demjenigen Gremium entwickelt, über das jene nach wie vor verfassungsrechtlich nach Art. 91b Abs. 1 GG möglichen Unterstützungsprogramme im Gesamtbereich von Wissenschaft zwischen Bund und Ländern abgestimmt werden. Zu nennen sind dabei die verschiedenen Hochschulpakte zwischen Bund und Ländern, wie der „Hochschulpakt 2020“ aus dem Jahre 2014, mit dem Mittel für die Einrichtung zusätzlicher Studienplätze bereitgestellt werden, aber auch der „Qualitätspakt Lehre“ aus dem Jahre 2010, für den der Bund bis zum Jahr 2020 rund 2 Mrd. Euro bereitstellen wird; aber auch die „Exzellenzinitiative“ der Jahre 2005 bis 2017 (mit einem Gesamtvolumen von 4,6 Mrd. Euro) und die im Juni 2016 beschlossene zukünftig unbefristete „Exzellenzstrategie“ (mit einem jährlichen Volumen von 533 Mio. Euro) wurden in der GWK behandelt und zwischen Bund und Ländern abgestimmt. Gemeinsame Programme, wie etwa dasjenige zur „Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“, die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, das „Professorinnenprogramm“ oder auch die Unterstützung der Akademien der Wissenschaft oder Fragen der Errichtung von Forschungsbauten an Hochschulen (einschließlich von Großgeräten) werden ebenfalls in der GWK zwischen Bund und Ländern abgestimmt und beschlossen. Da die GWK in erheblichem Maße die Einrichtung ist, bei der mit erheblichen Mitteln auch gerade des Bundes Programme und Projekte im Wissenschaftsbereich beschlossen werden, ist es bisher weitgehend gelungen, zu einvernehmlichen Lö-
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118 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens sungen zu kommen – wenn auch nach teilweise schwierigen Verhandlungen und im Zweifel über eine entsprechende Auf- und Verteilung der bereitgestellten Finanzmittel. Mit der seit Beginn des Jahres 2015 neu eingeführten Regelung, dass bei Maßnahmen mit Schwerpunkt bei den Hochschulen alle Länder (und der Bund) zustimmen müssen, ist auch innerhalb der GWK eine Struktur geschaffen worden, die es jedem Land erlaubt, bei einer (vermeintlich) nicht angemessenen Berücksichtigung durch Nichtzustimmung eine Gesamtvereinbarung zu stören bzw. auch zu verhindern. Ob und inwieweit einzelne Länder hiervon, vielleicht auch nur vorübergehend, Gebrauch machen werden, bleibt abzuwarten; strukturell jedenfalls kann ein solches Vorgehen nicht ausgeschlossen werden, obwohl wegen der nichtöffentlichen Beratungen in der GWK ein derartiges Verhalten nicht in jedem Falle nach außen dringen dürfte. Frühere Formen der Koordinierung im deutschen föderativen Bildungssystem: Deutscher Bildungsrat (1965-1975) Gegenwärtig wird, in Umsetzung der Regierungserklärung von März 2018, über die Neuerrichtung eines Bildungsrats gerungen – der alte „Deutsche Bildungsrat“ bestand für insgesamt zehn Jahre und in einer Zeit, in der das Thema „Bildungsreform“ als Folge nicht zuletzt des „Sputnik-Schocks“ auf der politischen Agenda einen hohen Stellenwert genoss. Nicht historische Rückbetrachtungen sind Anlass, Funktion und Arbeitsweise des Deutschen Bildungsrates hier noch einmal darzustellen, sondern die in der Öffentlichkeit auch in diesen Tagen geäußerten Vorschläge, erneut einen Bildungsrat zu gründen, um an die Erfahrungen der Vergangenheit anzuschließen und neue Impulse für grundlegende strukturelle Veränderungen im Bildungswesen zu setzen. Der Vorläufer des Deutschen Bildungsrates, der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen, der 1959 mit seinem „Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinen öffentlichen Schulwesens“ eine veränderte Grundstruktur für das deutsche Schulsystem vorgeschlagen hatte und 1964 seine „Empfehlung zum Aufbau der Hauptschule“ veröffentlichte, hatte sich im Jahre 1965 selbst aufgelöst, weil er als Zusammenkunft zwar angesehener, aber politisch gänzlich unabhängiger Persönlichkeiten gewissermaßen in der Luft hing und keinen Ansprechpartner hatte. Als Nachfolgeorgan wurde durch ein Abkommen zwischen Bund und Ländern 1965 der Deutsche Bildungsrat errichtet. Dieser wurde als Zweikammersystem organisiert, in dem eine beratende „Bildungskommission“ einer „Regierungskommission“ Vorschläge vorlegte. In der „Regierungskommission“ waren die Kultusminister, die Bundesregierung sowie die kommunalen Spitzenverbände vertreten. In die „Bildungskommission“ wurden in einem komplizierten Berufungsverfahren Wissenschaftler*innen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens berufen. Ihre Amtszeit betrug zunächst fünf Jahre. Der „Bildungskommission“ oblagen die eigentlichen Beratungsaufgaben, ihr wurde der Auftrag erteilt, Bedarfs- und Ent-
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 119 wicklungspläne zu entwerfen, Vorschläge für die Struktur des Bildungssystems zu machen und Kostenberechnungen vorzulegen. Die Vorschläge sollten mit der „Regierungskommission“ beraten werden, bevor sie als Empfehlungen des Rates den Vertragspartnern, also Bund und Ländern, offiziell vorgelegt wurden. Da der Deutsche Bildungsrat nur über einen relativ kleinen ständigen Apparat verfügte, schuf er sich als Ergänzung ein Geflecht von Unterausschüssen, in denen er seine Empfehlungen und Gutachten vorbereitete. In den Unterausschüssen, mit deren Konstituierung der Bildungsrat faktisch auch bedeutsame Entwicklungsaufgaben für die Disziplin der Erziehungswissenschaft übernahm, gelang es zumindest in der ersten Amtsperiode bis 1970, für einzelne Sachfragen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von Rang als Sachverständige zu gewinnen und zugleich die Bildungsverwaltungen der Länder von Anfang an in die Beratungen einzubinden. So wurden prospektive Entwürfe immer auch unter den Gesichtspunkten politischer Durchsetzbarkeit und praktischer Realisierbarkeit diskutiert. Auf diese Weise wurde das System zweier separater Kammern informell in eine Variante der wahrscheinlich effektiveren Mischform überführt, nach der der – schon vor dem Bildungsrat eingerichtete – Wissenschaftsrat arbeitet. In seinen beiden fünfjährigen Amtsperioden veröffentlichte der Bildungsrat 18 Empfehlungen und über 50 Gutachten. Die wirkungsvollsten Veröffentlichungen waren die „Empfehlung zur Einrichtung eines Experimentalprogramms mit Gesamtschulen“, die den beginnenden Gesamtschulreformen einen programmatischen Halt gab, und der 1970 veröffentlichte „Strukturplan für das Bildungswesen“, der eine Gesamtperspektive für die langfristige Veränderung des Bildungssystems entwarf. Auch wenn der im „Strukturplan“ erreichte politische Konsens in den Folgejahren zerbrach, zeichnete der Entwurf wichtige Entwicklungslinien vor. Nahezu alle bildungspolitischen Themen der beiden folgenden Dekaden waren hier bereits genannt, auch wenn es charakteristische Ausnahmen gibt, die die Grenzen der damaligen Aufmerksamkeit sichtbar machen. Dazu gehören Fragen internationaler bildungspolitischer Kooperation oder auch der Integration von Ausländerkindern. Einzelempfehlungen, die in der zweiten Amtsperiode des Bildungsrats vorbereitet wurden, gerieten zunehmend in politische, aber auch wissenschaftliche Kontroversen. Diese spitzten sich bei der Verabschiedung der Empfehlung „Zur Reform von Organisation und Verwaltung im Bildungswesen, Teil I. Verstärkte Selbständigkeit der Schule und Partizipation der Lehrer, Schüler und Eltern“ (1973) so zu, dass es zum ersten Mal zu Minderheitsvoten kam. Der zweite Teil dieses Textes konnte schon nicht mehr als Empfehlung verabschiedet werden: Die Arbeitsfähigkeit der „Bildungskommission“ wurde dabei grundsätzlich infrage gestellt. Damit war auch das Ende des Deutschen Bildungsrats in der Konfrontation zwischen damaliger sozialliberaler Mehrheit („A-Länder“) und christlich-demokratischer Opposition („B-Länder“) politisch vorgezeichnet. Das Mandat des Deutschen Bildungsrats wurde 1975 nicht mehr verlängert.
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120 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Rückblickend fällt es schwer, Gründe für das Scheitern des Deutschen Bildungsrates klar und eindeutig zu benennen. Sicherlich spielte das Gefühl der in der „Regierungskommission“ versammelten politisch verantwortlichen Personen, von der „Bildungskommission“ zu Beschlüssen „getrieben“ zu werden, eine Rolle; die zunehmende Härte der politischen Auseinandersetzungen, die sich auch in den Beratungen in der KMK und BLK niederschlugen, hatte sicherlich auch einen gehörigen Anteil an dem schwindenden Interesse, sich von der Wissenschaft Vorschläge unterbreiten zu lassen, die den jeweiligen politischen Vorstellungen wiedersprachen. Versuche, im Vorfeld zu Abklärungen strittiger Positionen zwischen Vertretern der „Bildungskommission“ und der „Regierungskommission“ zu kommen, scheiterten zunehmend, nicht zuletzt auch an parteipolitischen Zuschreibungen und Zuordnungen, denen sich auch die Mitglieder der „Bildungskommission“ ausgesetzt sahen. Wissenschaftsrat Der „Wissenschaftsrat“ wurde 1957, also noch vor dem Deutschen Bildungsrat, durch ein Verwaltungsabkommen von Bund und Ländern mit dem Ziel geschaffen, einen „Gesamtplan für die Förderung der Wissenschaften zu erarbeiten und hierbei die Pläne des Bundes und der Länder aufeinander abzustimmen“. Im Verlängerungsabkommen von 1975 und dann noch einmal in der Ergänzung von 2008 wurde der Auftrag präzisiert. Danach soll der Wissenschaftsrat „Empfehlungen zur inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung erarbeiten sowie zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der Wissenschaft in Deutschland im nationalen und europäischen Wissenschaftssystem beitragen“; die Empfehlungen sollen „Überlegungen zu den quantitativen und finanziellen Auswirkungen“ bei ihrer Verwirklichung einschließen, zugleich sollen sie den „Erfordernissen des sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens entsprechen“. Zusätzlich wird der Wissenschaftsrat in Fragen der Entwicklung von Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung gutachterlich tätig, wenn ein Land, der Bund, die GWK oder die KMK dies erbitten; ebenso begutachtet der Wissenschaftsrat einzelne Forschungseinrichtungen und einzelne nichtstaatliche Hochschulen, bevor diese akkreditiert werden. Organisatorisch besteht der Wissenschaftsrat aus einer „Wissenschaftskommission“ und einer „Verwaltungskommission“, die Beschlüsse einer gemeinsamen Vollversammlung vorbereiten. Die Organisationsstruktur des Wissenschaftsrats stellt also eine Mischung aus Ein- und Zweikammerprinzip dar. Die 22 Mitglieder der „Verwaltungskommission“ werden von den Regierungen des Bundes und der Länder entsandt. Die 32 Mitglieder der „Wissenschaftskommission“ werden vom Bundespräsidenten bzw. von der Bundespräsidentin berufen – teils aufgrund eines gemeinsamen Vorschlags der wichtigsten Wissenschaftsorganisationen, teils aufgrund der gemeinsamen Benennung durch Bundes- und Landesregierungen. In dieser Berufungspraxis ist schon im Vorfeld der Personal-
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 121 auswahl ein struktureller Zwang zum Kompromiss angelegt, der sich langfristig in der Akzeptanz des Wissenschaftsrats ausgezahlt hat. In der Vollversammlung haben beide Kommissionen ein gleiches Stimmengewicht, Entscheidungen werden mit einer Zweidrittelmehrheit getroffen. Geleitet wird der Wissenschaftsrat von einem Vorsitzenden, der für jeweils ein Jahr gewählt wird; unterstützt wird die Arbeit von einer Geschäftsstelle in Köln, die ihrerseits unter der Leitung des Generalsekretärs steht. In der praktischen Arbeit hat sich eine Entscheidungsvorbereitung in Sachausschüssen durchgesetzt, die zunehmend mit Vertretern beider Kommissionen sowie externen Sachverständigen besetzt werden. Daraus ergibt sich schon in sehr frühen Planungsphasen eine enge Verzahnung von Beratung und Entscheidung. Auf die Vorarbeiten der Ausschüsse folgen getrennte Beratungen in beiden Kommissionen und die Abstimmung in der Vollversammlung. Dort hat die „Wissenschaftskommission“ immer versucht, für eine Empfehlung die große Mehrheit aller Regierungsvertreter zu gewinnen. Dieses Verfahren drückt den Empfehlungen des Wissenschaftsrats auch seinen Stempel auf. Der Wissenschaftsrat hatte bis zum Ende der 1970er Jahre keinen perspektivischen Gesamtentwurf für das Wissenschaftssystem, sondern eine Vielzahl pragmatischer und in der Regel auf Effizienz bedachter Empfehlungen zu wichtigen Teilbereichen des Hochschulwesens vorgelegt. Dem Wissenschaftsrat wird oftmals vorgehalten, eine konservative Wissenschaftspolitik zu betreiben. Insgesamt gesehen trifft dies zu; es ist jedoch die unmittelbare Folge einer Beratungskonzeption, die auf weitgehende Übereinstimmung aller Beteiligten zielt. Dies sind Stärke und Schwäche des Wissenschaftsrats zugleich. Kritische und innovative wissenschaftspolitische Positionen müssen also – obwohl sie in aller Regel im Wissenschaftssystem ihre Ursprünge bzw. Stützpunkte haben – im diffusen Raum der politisch-journalistischen Öffentlichkeit ein kritisches Mindestmaß an Unterstützung erreichen, bevor sie Auswirkungen auf die Wissenschaftspolitik der Regierungen, Parlamente oder des Wissenschaftsrats haben. Der Wissenschaftsrat war und ist mit seinen Empfehlungen zum Aus- und Neubau von Hochschulen, zur Forschungsorganisation und Forschungsfinanzierung sowie mit seinen Vorschlägen für finanzielle und personelle Sonderprogramme im Rahmen der jeweiligen politischen Großwetterlage außerordentlich einflussreich. Für den Erfolg der Ausbauempfehlungen war nicht zuletzt die enge Verzahnung mit dem Planungsausschuss für den Hochschulbau verantwortlich, dem der Wissenschaftsrat nach dem Hochschulbauförderungsgesetz Beratungsvorlagen lieferte. Diese Aufgabe ist infolge der Grundgesetzreform des Jahres 2006 entfallen. Den Ausbau des Hochschulsystems hat der Wissenschaftsrat durch zahlreiche Detailempfehlungen begleitet, die häufig auf ganz spezifische Einrichtungen bezogen waren. Mit seinen Strukturempfehlungen hat er sich seit seiner Gründung immer wieder an der Diskussion heikler und umstrittener Themen der Hochschulentwick-
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122 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens lung beteiligt. Dazu gehören die Empfehlungen zur Neuordnung des Studiums aus dem Jahre 1966 ebenso wie diejenige zum Wettbewerb im Hochschulsystem, erstmalig schon im Jahre 1985. Vielfältige Empfehlungen zu strukturellen Fragen prägen die Arbeit des Wissenschaftsrats, von Aussagen zu Strukturfragen neuer Hochschulen über strukturelle Bedingungen einzelner Hochschultypen (wie der Fachhochschulen in den Empfehlungen aus dem Jahre 2002 und deren Fortschreibung im Jahre 2010) bis hin zur Personalstruktur an Hochschulen. Die meisten Vorschläge des Wissenschaftsrats zeichnen sich durch gründliche quantitative Analysen faktischer Entwicklungsprozesse aus. Als nützliches Nebenprodukt der Beratertätigkeit des Wissenschaftsrats hat sich eine regelmäßige quantitative Berichterstattung über Entwicklungen im Wissenschaftssystem herausgebildet. In ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen sind die vom Wissenschaftsrat durchgeführten Evaluationen einzelner Forschungsinstitute, sei es etwa der den einzelnen Bundesministerien nachgeordneten Institute der Ressortforschung, sei es von außerhalb der großen Wissenschaftsorganisationen stehenden Forschungseinrichtungen; auch bei der Aufnahme neuer Institute in die Leibniz-Gemeinschaft (und damit in die gemeinsame Bund-Länder-Finanzierung) wirkt der Wissenschaftsrat gutachterlich mit. Über die Bedeutsamkeit des Wissenschaftsrats gab unter anderem auch seine Bestandsaufnahme des Hochschulwesens und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen der DDR nach 1990 Auskunft. Die vom Wissenschaftsrat (mit einer Vielzahl von beauftragten Experten) in den Jahren 1990 und 1991 vorgenommene Evaluierung wurde zur Orientierungsgrundlage auch für die „Abwicklung“ eines Teils des Wissenschafts- und Forschungsbestandes der DDR, die nicht administrativ diktiert, sondern unter Beachtung wissenschaftlicher Leistungskriterien vorgenommen werden sollte. Abgesehen von der enormen Arbeitslast musste die Aufgabenstellung dieses Evaluationsprogramms den Wissenschaftsrat vor eine Zerreißprobe stellen: Die Politik- und Verwaltungsnähe dieses Gremiums konnte leicht zur Gefährdung seiner Unabhängigkeit werden, letztere wiederum die faktische Verbindlichkeit der ausgesprochenen Empfehlungen infrage stellen. Der Wissenschaftsrat hat sich beiden Gefahren nur unter Schwierigkeiten entziehen können; eine Konsequenz war das (vielfach und nicht zuletzt von Mitgliedern des Wissenschaftsrats selbst ausgesprochene) Verlangen, auch die wissenschaftlichen Einrichtungen der alten Bundesländer zu evaluieren. Dieser Aufgabe hat sich der Wissenschaftsrat, wie seine Berichte über einzelne Hochschulen bzw. Hochschulregionen zeigen, neben allgemeinen bildungspolitischen Belangen (künftige Entwicklung des Wissenschaftssystems, Personalstruktur und Qualifizierung, Einführung neuer Studienstrukturen und -abschlüsse) nur schrittweise angenommen, eine umfassende Evaluierung des deutschen Wissenschaftssystem wird inzwischen weder verlangt noch ist sie beabsichtigt.
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 123 Die aktuelle Befassung des Wissenschaftsrats etwa mit Fragen des Franchising an und durch Hochschulen, den Folgen des demografischen Wandels für Hochschulen, der Bedeutung der Region für Hochschulen oder der angemessenen Steuerung und Governance im Hochschulbereich zeigen eine Orientierung hin auf Themenfelder, die sich als zukünftige Problemlagen erweisen und bei denen frühzeitige Empfehlungen auch Vorschläge zum Umgang enthalten können. Zweifel an einer Verlängerung des Mandats des Wissenschaftsrats für die Zukunft bestehen deshalb zumindest gegenwärtig nicht, seine Arbeit und seine Strukturen werden als vorbildlich wahrgenommen; entsprechend hoch ist auch die Akzeptanz seiner Beschlüsse. Beratung im deutschen Bildungssystem Die Zahl derjenigen, die auf das Bildungssystem, seine Strukturen und auch seine Veränderungen Einfluss nehmen wollen, ist unüberschaubar und höchst diversifiziert; sie reichen von den institutionalisierten Institutionen, von der internationalen über die europäische Ebene bis hin zu regionalen Akteuren, schließen die Nutzer von Bildungseinrichtungen ebenso ein wie die dort Beschäftigten sowie deren jeweilige Organisationen und Verbände. Allein dies macht bereits deutlich, dass und wie das Bildungssystem nicht nur Gegenstand intensiver politischer Debatten – besonders auf der Ebene des Bundes und der Bundesländer – ist, sondern darüber hinaus es auch einer Abstimmung und Abklärung bedarf, allein schon, um von Gesellschaft und Öffentlichkeit Akzeptanz zu erfahren. Hierfür sind, wie oben dargestellt, seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland verschiedenste Einrichtungen der Beratung und Abstimmung eingerichtet worden, die in durchaus unterschiedlicher Weise agiert haben und zugleich auch ebenso geschaffen wie aufgelöst worden sind. Typischerweise geht den in Parlamenten und Verwaltungen getroffenen Entscheidungen ein Beratungsprozess voraus, an dem eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist, die durch Meinungskundgabe oder wissenschaftliche Expertise sich einbringen und auf die Entscheidungsfindung Einfluss nehmen. In Zeiten einer „Evidence Based Policy“ kommt der Beratung durch Wissenschaft und die in ihr tätigen Personen eine besondere Bedeutung zu: wenn gegenwärtig beispielsweise, wie dargestellt, Bund und Länder auch im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems gemeinsame Empfehlungen aussprechen können (so Art. 91b Abs. 2 GG), so bedienen sie sich dabei eines „Wissenschaftlichen Beirats“, um unter Einbeziehung dessen Sachverstandes zu angemessenen Beratungsergebnissen zu kommen. Vergleicht man in einer historischen Perspektive die Formen der institutionalisierten überregionalen Politikberatung im Vorfeld von Entscheidungen im Bildungsbereich, so lassen sich diese folgendermaßen unterscheiden: • institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Regierungen des Bundes und der Länder sowie der Wissenschaft in einem Beratungssystem mit zwei „Kammern“, in dem Verwaltung und Wissenschaft unterschiedlich eng kooperieren können; der „Wissenschaftsrat“ und der frühere „Deutsche Bildungsrat“ reprä-
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124 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens sentieren zwei Spielarten dieses Beratungstyps, der auch bei der Neuerrichtung eines „Bildungsrats“ aktuell wieder eine Rolle spielt; • dauerhafte Beratung durch ein Honoratiorengremium ohne institutionellen Dialogpartner in Politik und Verwaltung; für diese Beratungsform steht der „Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen“, der bis 1965 tätig war; • punktuelle Beratung durch Heranziehung einzelner Sachverständiger, seien es Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, seien es herausragende Persönlichkeiten, vor der Entscheidung von Einzelfragen oder Strukturentscheidungen; diese Beratungsform wird insbesondere bei Hearings der unterschiedlichsten Art vor Parlamenten, Parlamentsausschüssen oder bei Kultusverwaltungen gepflegt. Neben diese Formen gemeinsamer Politikberatung für Bund und Länder treten vor dem Hintergrund der prioritären Länderkompetenzen im Bildungsbereich auch weitere Arten von Beratung, die sich in besonderer Weise der Wissenschaft bedienen, sei es bei der Durchführung von Reformprojekten, sei es durch die unmittelbare Einbeziehung in entsprechende Beratungsgremien. Insbesondere durch die Beteiligung Deutschlands an OECD-Untersuchungen zur Qualität des Bildungswesens, die nach der Entscheidung der Länder in der KMK auch in der Zukunft weitergeführt und durch bundesdeutsche Untersuchungen ergänzt werden sollen, hat sich ein neues Verhältnis von Wissenschaft und Politik entwickelt. Da, wie eingangs dieses Abschnitts erwähnt, bildungspolitische Diskussionen nicht erst seit PISA von besonderem Interesse (und umstritten!) sind, gleichzeitig aber notwendig für die Umsetzung von Reformen einer möglichst breiten Akzeptanz bedürfen, sind eine ganze Reihe von Ländern dazu übergegangen, durch eigens geschaffene Beratungsgremien Vorschläge erarbeiten zu lassen, die dann zur Grundlage für anschließende politische Entscheidungen wurden. Hierbei waren regelmäßig ebenfalls Wissenschaftler*innen zumindest beteiligt (z. B. in entsprechenden Enquete-Kommissionen von Landtagen), sofern nicht gleich nur aus Wissenschaftler*innen bestehende Kommissionen berufen wurden. Dabei gibt es verschiedene Formen, wie auf der Länderebene die Wissenschaft für eine Beratertätigkeit herangezogen wurde und wird. Sie lassen sich danach unterscheiden und gewissermaßen abstufen, inwieweit die Wissenschaftler*innen, die für die Beratung herangezogen werden, selbst Entwicklungslinien für die Bildungspolitik entwerfen können und sollen;. dabei besteht die Gefahr, dass sich der Ruf des betreffenden Wissenschaftlers bzw. Wissenschaftlerin als namhafter Experte bzw. Expertin und das Verhältnis zur Linie der Landesbildungspolitik nicht immer klar trennen lassen – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Die einfachste Form der Heranziehung der Wissenschaft auf Landesebene ist gewissermaßen eine Beauftragung zur „wissenschaftlichen Begleitung“ eines bestimmten Reformprojektes im Bildungsbereich oder einer besonderen Institution bzw. Einrichtung; eine solche Vorgehensweise war etwa prägend für die Modellversuche im Rahmen der BLK. Die wissenschaftliche Instanz wahrt dabei strengste Neutralität
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 125 und unterwirft den untersuchten Gegenstand gewissermaßen einer Zweck-MittelUntersuchung, aus der sich Schlussfolgerungen für eine Optimierung ergeben, die der oder die Wissenschaftler*innen den Beteiligten und vor allem der beauftragenden Landesregierung mitteilen. Zweck und Mittel des untersuchten Projektes oder der Institution werden zu Grunde gelegt und nur knapp auf ihre Legitimität geprüft, aber nicht eigens thematisiert. Ungleich mehr nimmt die Beteiligung bzw. Identifikation der Wissenschaftler*innen mit dem spezifischen Reformprojekt zu, wenn sie den Auftrag erhalten, ein bestimmtes Reformvorhaben zu beraten und zu fördern. In diesem Falle agieren sie nicht mehr nur als neutrale Sachverständige, sondern übernehmen die definierten Handlungsziele des untersuchten und zu beratenden Reformvorhabens. Um zu einer Optimierung des Projekts beizutragen, bemühen sich die beauftragten Wissenschaftler*innen z. T. um eine genauere Klärung der angestrebten Ziele, z. T. unterwerfen sie auch die eingeleiteten Reformschritte sowie insgesamt die praktische Umsetzung einer Kritik. Auch am Ende einer solchen Beratertätigkeit stehen Empfehlungen, die sich an die Praktiker in der Landesregierung richten. Beispiel für diese beiden Formen der wissenschaftlichen Beratung ist die Einführung des Faches „Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde (LER)“ in Brandenburg gewesen. Einen weiteren Weg, der für die Wissenschaft selbst noch mehr Einflussmöglichkeiten auf die Bildungspolitik eröffnete, hatte beispielsweise die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen mit der Einsetzung eines Gremiums von Wissenschaftlern eingeschlagen, das das Gutachten „Bildung der Zukunft, Zukunft der Bildung“ (1995) erstellt hatte. Dieses Gutachten steckte gewissermaßen bildungspolitische Linien für das Land Nordrhein-Westfalen ab, die von dem wissenschaftlichen Beratungsgremium selbst verantwortet werden und auf Landesebene umgesetzt werden sollten; die nordrhein-westfälische Landesregierung sah sich genötigt, kritisch Stellung zu nehmen, da nicht alle in dem Gutachten ausgesprochenen Ziele akzeptiert und die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht rasch umzusetzen wären. Es war damals offensichtlich, dass in dieses Beratungsgremium gewissermaßen nur politisch handverlesene Wissenschaftler*innen berufen worden waren, so dass die Auseinandersetzung um politisch konträre und die politische Grundeinstellung der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen von vornherein in Frage stellende Empfehlungen eigentlich hätte entfallen müssen; dass dies nicht der Fall war, sondern die Landesregierung sich zu einer teilweise ablehnenden Stellungnahme veranlasst sah, zeigt, dass sich offenbar Eigendynamiken, die sich im Beratungsverlauf entwickeln können, zu nicht planbaren und auch politisch nicht genehmen Ergebnissen führen können. Ähnlich einzuschätzen sind die von anderen Landesregierungen bzw. Landeskultusministerien in späteren Jahren eingesetzten Kommissionen, die, zusammengesetzt aus ebenfalls von Regierungen bzw. Ministerien berufenen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen und unterstützt von den zuständigen Fachleuten der Landesverwaltungen, zu Einzelfragen oder zum regionalen Bildungssystem insgesamt
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126 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Stellungnahmen und/oder Empfehlungen abgeben sollten. Als Beispiele möge die „Bildungskommission Berlin-Brandenburg“ dienen, die in den Jahren von 1999 bis 2003 tagte und dann ihren Abschlussbericht „Bildung und Schule in Berlin und Brandenburg: Herausforderungen und gemeinsame Entwicklungsperspektiven“ vorlegte. Trotz einer öffentlichen Debatte blieben die Vorschläge letztlich ohne Relevanz. Ähnlich arbeitete der im Jahre 2010 in Baden-Württemberg eingesetzte Expertenrat „Herkunft und Bildungserfolg“, dessen „Empfehlungen für bildungspolitische Weichenstellungen in der Perspektive auf das Jahr 2020“ im April 2011 vorgelegt wurden, dann aber nach einer Veränderung der politischen Ausrichtung der neu gewählten Landesregierung nur wenig Aufmerksamkeit fand. Eine andere Form der wissenschaftlichen Beratung wird bei den Evaluationen eingeschlagen, mit denen bestimmte Institutionen oder auch etwa Studiengänge überprüft werden und wozu eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Landesregierungen bzw. von Akkreditierungsagenturen bestellt werden. Aufgabe der Wissenschaftlergruppe ist es, die Effektivität und Qualität der untersuchten Einrichtungen durch Befragungen und Daten, die die Hochschulen ihnen selbst zur Verfügung stellen, einzuschätzen; dabei richtet sich das Interesse auch auf die vorgenommene selbstkritische Evaluation der betreffenden Einrichtung. Bei solchen Evaluationsverfahren, die im Prinzip den Arbeiten des Wissenschaftsrates folgen, macht sich die beauftragende Landesregierung die selbstkritische Haltung der Wissenschaft selbst zunutze. In Öffentlichkeit und (Bildungs-)Politik wird zunehmend eine Form der Einflussnahme wahrgenommen, die man vielleicht mit dem Begriff der „ungefragten Beratung“ beschreiben könnte: Interessengruppen, Verbände und andere Organisationen (wie private Stiftungen) legen (im Zweifel wissenschaftlich gestützte) Sachstandsberichte, Memoranden oder auch konkrete Vorschläge zur Gestaltung des Bildungssystems vor und versuchen damit, öffentliche Debatten und Diskussionen anzustoßen („agenda setting“) oder in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Das Phänomen ist nicht neu, denn schon immer haben Interessenverbände innerhalb der demokratischen Entscheidungsprozesse versucht, ihre Vorstellungen einzubringen und wirksam werden zu lassen: Lobbyismus ist keine Erfahrung allein der jüngsten Zeit, wie schon die Herkunft des Begriffes zeigt. In der aktuellen deutschen Bildungspolitik neu ist allerdings die zunehmende Zahl der entsprechenden Akteure und damit auch der Memoranden, die regelmäßige Einbeziehung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und auch die Qualität der vorgelegten Studien. Als Akteure fungieren dabei weiterhin Interessenverbände, die ihrerseits eigene Institutionen geschaffen haben und diese auch mit Unabhängigkeit von den Auftraggebern – und Finanziers – ausstatten; zu nennen sind dabei etwa die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM)14 oder die „Verei14 Zuletzt mit einer Studie von Wößmann, L. Ein wettbewerblicher Entwurf für das deutsche Schulsys-
tem, Ms. Köln Juni 2016.
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Bund, Länder und Gemeinden im deutschen föderativen System 127 nigung der Bayerischen Wirtschaft“, die im Jahre 2005 einen „Aktionsrat Bildung“ ins Leben rief, der, mit anerkannten Bildungsforscherinnen und Bildungsforschern besetzt, jährlich Gutachten zu bildungspolitischen Themen vorlegt15. Eine besondere Aufmerksamkeit erreichen Veröffentlichungen von privatrechtlichen Stiftungen, die sich gezielt bildungspolitischen Fragen widmen und hierbei eigene Untersuchungen und Expertisen erstellen oder erstellen lassen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die „Bertelsmann Stiftung“, die „Robert Bosch Stiftung“, die „Deutsche Telekom Stiftung“ oder auch die „Stiftung Mercator“, aber auch etwa die gewerkschaftsnahen Einrichtungen „Hans-BöcklerStiftung“ und „Max-Traeger-Stiftung“; auch die den politischen Parteien nahestehenden Stiftungen („Konrad-Adenauer-Stiftung“, „Friedrich-Ebert-Stiftung“, „Heinrich-Böll-Stiftung“ etc.) sind in diesem Zusammenhang aktiv und unterhalten teilweise eigene, auf Dauer angelegte bildungspolitische Arbeitskreise. Insbesondere der „Bertelsmann Stiftung“ ist es beispielsweise gelungen, mit jährlich fortgeschriebenen, statistisch fundierten Berichten zu Einzelfragen des Bildungssystems16 Grundlagen auch für politische und öffentliche Debatten zu schaffen. Mit dem hoch anerkannten „Deutschen Schulpreis“, den die „Robert Bosch Stiftung“ seit 2006 jährlich auslobt, werden nicht nur besonders herausragende, „gute Schulen“ prämiert, sondern der dabei zu Anwendung kommende Kriterienkatalog gewinnt auch bei anderen Debatten um „Schulqualität“ eine Bedeutung; durch die im Jahre 2015 erfolgte Errichtung einer eigenen „Deutschen Schulakademie“ in Berlin sollen Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Preisträgerschulen des „Deutschen Schulpreises“ systematisiert und aufbereitet werden; die Unterstützung des im Jahre 2014 gegründeten „United World Colleges“ in Freiburg/Breisgau, einer internationalen Schule für rund 200 Schülerinnen und Schüler; zeigt einen weiteren Aspekt des bildungspolitischen Engagements der „Robert Bosch Stiftung“. Die „Deutsche Telekom Stiftung“ versteht sich u. a. als Befürworterin eines Ausbaus der mathematisch-naturwissenschaftlichen (MINT) sowie der digitalen Bildung; sie fördert im Rahmen dessen Projekte wie das „Haus der kleinen Forscher“. Bei der „Stiftung Mercator“ stehen neben der kulturellen Bildung insbesondere Fragen der Integration durch Bildung im Vordergrund der geförderten Aktivitäten, die sich beispielsweise in der aktiven Unterstützung des „Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache“ an der Universität zu Köln niederschlagen. So sehr die vielfältigen Projekte und Unterstützungsmaßnahmen dieser im Zweifel auch finanzstarken Institutionen und Stiftungen in vielen Einzelfällen helfen, so sehr die zusätzlichen Informationen das Wissen um das Bildungssystem in 15 Zuletzt zu „Integration durch Bildung. Migranten und Flüchtlinge in Deutschland“ (2016). Müns-
ter: Waxmann-Verlag. 16 Etwa „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“, zuletzt 2016, „Inklusion in Deutschland“,
zuletzt 2015, oder „Nachhilfeunterricht in Deutschland“, zuletzt 2016, „Demographische Rendite adé – Aktuelle Bevölkerungsentwicklung und Folgen für die allgemeinbildenden Schulen“ (2017).
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128 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens Deutschland bereichern und so zu qualifizierteren Formen der Entscheidungsfindung beitragen können, so sehr bleibt das Problem, dass die Stiftungen bei der Auswahl ihrer Projekte nicht völlig selbstlos und unabhängig von den dahinter stehenden wirtschaftlichen Interessen handeln. Transparenz über die entsprechenden Interessen herzustellen, bei den Untersuchungen die üblichen und strengen wissenschaftlichen Standards anzuwenden, Unabhängigkeit der an der Studien Beteiligten zu gewährleisten – all dies sind Mindestbedingungen, um Misstrauen gegenüber der Arbeit und den Vorschlägen dieser Institutionen zu vermindern.
2.5 Ausblick Für die deutsche Bildungsverfassung haben zunehmend Rahmenbedingungen Bedeutung erlangt, die auf zunächst politische Initiativen zurückgingen und entsprechende Billigung fanden, dann aber durch die Umsetzung in praxisbezogene Programme (mit oder ohne finanzielle Unterstützung) auch rechtliche und damit verbindliche Wirkungen entwickelten. Die Implementierungsschritte dieser Programme innerhalb des deutschen Bildungssystems haben dann zu deutlich veränderten und auch mit einer je eigenen Dynamiken versehenen Debatten geführt, wie sich aktuell an den Diskussionen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zeigen lässt; mit (gegenwärtig!) weniger öffentlicher Aufmerksamkeit wird, um ein weiteres Beispiel zu nennen, die UN-Kinderrechtskonvention in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen. Und auch innerstaatlich lässt sich zeigen, dass der deutsche Bildungsföderalismus sich nicht nur historisch in einem Prozess des ständigen Wandels befunden hat, sondern auch aktuell: als im Juli 2017 eine Einigung über die zukünftige Struktur des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems verabschiedet wurde, so wurden auch hier erneut Veränderungen bei der Umverteilung von Bundesgeldern auf die Länder festgelegt, verbunden mit einer Stärkung der Einflussmöglichkeiten des Bundes auf die Länder auch im Bereich von Bildung; und im Sommer 2018 liegen erneut weitergehende Vorschläge vor, die eine neuerliche Grundgesetzänderung notwendig machen werden. Zugleich werden neue Formen von Bundeszuweisungen an einzelne Länder im Rahmen der Forschungsförderung ebenso eingeführt wie eine „Mitfinanzierungskompetenz“ des Bundes zugunsten von Ländern und Kommunen bei Maßnahmen im Rahmen der „kommunalen Bildungsinfrastruktur“, d. h. bei Schulbau und Schulbausanierung; im Gegenzug erhält, so das Modell, der Bund zukünftig mehr Steuerungseinfluss bei den Finanzhilfen an die Länder. Diese neuerlichen Grundgesetzänderungen werden voraussichtlich zu einer erneuten Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen Bund und Ländern, aber auch im Verhältnis des Bundes zu den Kommunen im Rahmen der föderalen Grundstruktur führen.
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Ausblick 129 Daneben nimmt der Einfluss des Bundes auf die Bildungsstrukturen in den Ländern auch dadurch zu, dass der Bund – nicht nur bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen – erklärt, etwa für aus seiner Sicht notwendige Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der digitalen Ausstattung und Bildung hohe Geldsummen bereitstellen zu wollen17; ähnlich ist es mit der „Gemeinsamen Initiative von Bund und Ländern zur Förderung leistungsstarker und potenziell besonders leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler“, die auch gemeinsam von Bund und Ländern finanziert wird18. Die Beispiele der jüngsten Zeit zeigen, dass in Zeiten von unterschiedlichen Finanzsituationen beim Bund und in den Ländern Fragen der Struktur des Föderalismus in Bildungsfragen auch maßgeblich vom Geld abhängen – trotz aller Bekenntnisse zu „Kulturhoheit“ und zu prioritären Länderzuständigkeiten. Deshalb wird es auch zukünftig darum gehen, neben der verfassungsrechtlichen Grundstruktur jene Faktoren mit zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus der Finanzverteilung ergeben, da nur so ein insgesamt zutreffendes Bild der Lage des deutschen Bildungsföderalismus gezeichnet werden kann. Dieser Beitrag ist eine bearbeitete Fassung des ursprünglich mit Achim Leschinsky † gemeinsam verfassten Textes.
Kernreferenzen • Baumert, J. & Füssel, H. P. (2012). Kooperation im föderalen Bildungssystem – zwischen Wettbewerb und Qualitätssicherung. In I. Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus – Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt, Band III: Entfaltungsbereiche des Föderalismus, 247-273. Berlin u. a.: Springer. • Heinz, D. (2016). Horizontale Verflechtung in der Schulpolitik. In A. Benz, L. Detemple & D. Heinz (Hrsg.), Varianten und Dynamiken der Politikverflechtung im deutschen Bundesstaat, 195-245. Baden-Baden: Nomos. • Odendahl, K. (Hrsg.) (2011). Europäische (Bildungs-)Union? Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag.
17 Für das Programm „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ sollen rund 5 Mrd. Euro
in fünf Jahren für die Schulen allein aus Bundesmitteln bereitgestellt werden. 18 Für dieses zehnjährige Programm vom November 2016 sollen insgesamt 125 Mio. Euro zur Verfü-
gung stehen.
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130 Der institutionelle Rahmen des Bildungswesens
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| 131 3 Non-formale und informelle Bildungsangebote Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:39 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Stephan Schwan und Annette Noschka-Roos
Zusammenfassung Non-formales und informelles Lernen spielt eine wichtige Rolle für den Erwerb und die Aktualisierung der Wissensbestände breiter Bevölkerungsschichten. Während formales Lernen an die formalen Bildungssysteme gebunden ist, finden nonformales und informelles Lernen außerhalb dieser Institutionen statt. Non-formales Lernen bezieht sich hierbei auf didaktisch strukturierte Bildungskontexte und -angebote, während informelles Lernen meist ohne explizites Lernziel in Situationen erfolgt, die nicht explizit didaktisch strukturiert sind. Weitere Unterschiede finden sich auch in Lerninhalten und Lernprozessen. Auf Seiten der Anbieter bilden Anzahl, der Umfang der getätigten Investitionen sowie die thematische Breite und die Menge der verfügbaren Informationen und Materialien Erfolgsindikatoren non-formaler und informeller Bildungsangebote. Dem korrespondiert auf Seiten der Lernenden die Anzahl der Teilnehmenden an spezifischen non-formalen und informellen Bildungsangeboten, deren Nutzungshäufigkeit und der damit verbundene durchschnittliche Zeitaufwand sowie die erforderlichen monetären Investitionen. In den vergangenen Jahren hat eine Vielzahl an Initiativen die Förderung des Interesses an und des Wissenserwerbs in unterschiedlichen Wissensbereichen aufgegriffen. Im Folgenden sollen exemplarisch Initiativen des non-formalen und informellen Lernens vorgestellt werden, die auf unterschiedliche und durchaus aufeinander zu beziehende Felder verweisen, mit einer insgesamt nicht erfassten Teilnehmerzahl, die sich aber auf mehrere Millionen schätzen lässt: Museumsbezogene Bildungsinitiativen, die die Vermittlungs- und Lernpotenziale der Museen, seien es Kunst-, Geschichts- oder Technikmuseen für die allgemeine Öffentlichkeit auszuloten suchen. Diese Initiativen dokumentieren exemplarisch den Öffnungsprozess der Museen, der vor dem Hintergrund der Bildungsoffensive in den 1960/70er Jahren begann und zu erstmals institutionalisierten museumspädagogischen Angeboten führte, die nach wie vor stärker im freiberuflichen Feld und mit neuen Konzepten verankert sind (Institut für Museumsforschung 2008).
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132 Non-formale und informelle Bildungsangebote Wissenschaft- und Öffentlichkeitsinitiativen, die eine Brücke zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit bauen möchten: Für diese, vor allem in den 1990er Jahren beginnenden Initiativen zählt als Hintergrund der wirtschaftlich erwünschte Zuwachs an Studierenden in naturwissenschaftlich-technischen Fächern einerseits sowie die zunehmende Komplexität und der wachsende Einfluss der Wissenschaft in unserem Alltag andererseits mit dem Ziel gesellschaftlich verunsichernde Effekte konstruktiv aufzugreifen. Jüngste Initiativen firmieren unter dem Begriff der Kulturellen Bildung, die mit Mitteln ästhetischer und künstlerischer Erfahrung personenbezogene Merkmale wie Kreativität und Selbstbestimmung zu fördern wünschen; gegenwärtig geschieht dies vor dem Hintergrund, den die Enquetekommission (2007) skizzierte, die zur Bewältigung der Transformationsprozesse in unserer Gesellschaft die kulturelle Bildung für die Einzelnen wie für die Gesellschaft als einen zentralen Schlüssel erachtet. Derzeit lassen sich Forschungsvorhaben in allen Feldern mit unterschiedlichen theoretischen Rahmungen, Zielsetzungen und Methoden feststellen, aber mit der gemeinsamen Frage, welche lernförderliche Faktoren eine Rolle spielen, insbesondere mit dem Ziel einer kreativen, Interesse weckenden und selbstbestimmten Auseinandersetzung. Stark schematisiert sind dabei zwei, oft ineinander greifende Forschungsperspektiven erkennbar: Der analytische Fokus richtet sich entweder vorwiegend auf die lernförderlichen Merkmale der Umgebung oder aber stärker auf die Analyse der Lernvoraussetzungen bei den Beteiligten selbst.
3.1 Einführung In modernen Industriegesellschaften, mit der Bundesrepublik Deutschland als einem ihrer prototypischen Vertreter, beschränkt sich Bildung und Wissensvermittlung nicht auf das formale Bildungssystem des ersten Lebensviertels – Kindergarten, Schulen und Hochschulen –, sondern erstreckt sich auch auf breite gesellschaftliche Felder außerhalb dieser Institutionen. Die Gründe hierfür sind vielfältiger Art und lassen sich unter dem Stichwort „Wissensgesellschaft“ subsumieren (Kübler 2005). Aus ökonomischer Sicht beruht der Erfolg des Standorts Deutschland maßgeblich auf einer kontinuierlichen Weiterentwicklung innovativer Technologien, Produkte und Konzepte. Dies setzt voraus, dass sich eine hinreichende Zahl von Kindern und Jugendlichen für die zugrundeliegenden Themenfelder interessiert und entsprechende Ausbildungs- und Berufsentscheidungen trifft. Zudem lässt sich ein exponentielles Wachstum neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse beobachten. Daraus ergibt sich für die Einzelnen die Erfordernis, der kontinuierlichen, dichten Akkumulation von wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Entwicklungen auch über das erste Lebensviertel hinaus Rechnung zu tragen. Die Notwendigkeit
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Einführung 133 eines lebenslangen Lernens (L3 – Lifelong Learning), das die Nutzung formaler ebenso wie non-formaler Bildungsangebote und informeller Lernanlässe umfasst, ist aber nicht nur aus einer ökonomischen, sondern gleichermaßen aus einer gesellschaftlichen Perspektive indiziert, denn Meinungsbildung und Beteiligung der Bürger an sozialen und politischen Entscheidungsprozessen setzen ein angemessenes Informiertsein über die jeweiligen Sachverhalte voraus, insbesondere bei in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Themen wie Kernkraft, Gentechnologie, Migration oder Sterbehilfe. Und schließlich können die formalen allgemeinbildenden Institutionen wie Kindergarten und Schule nur eine grundlegende Bildung anstreben, während das potenziell Wissbare weit über das hinausgeht, was diese Bildungssysteme zu vermitteln imstande sind. Non-formales und informelles Lernen außerhalb der formalen Bildungsinstitutionen spielt demnach eine wichtige Rolle für den Erwerb und die Aktualisierung der Wissensbestände breiter Bevölkerungsschichten. Neben unmittelbar berufsbezogenen (Weiter-)Bildungsangeboten, auf die etwa drei Viertel der Zeit entfallen, die mit non-formalem oder informellem Wissenserwerb verbracht wird, entfällt ein weiteres Viertel auf die privat motivierte Nutzung von Bildungsangeboten (BMBF 2015). Dieses „allgemeinbildende“ Nutzungssegment non-formaler und informeller Bildungsangebote steht im Zentrum des folgenden Themenüberblicks, der damit als komplementär zu Teil VI des vorliegenden Buches zur Erwachsenen- und Weiterbildung zu sehen ist. In diesem Rahmen übernimmt non-formale und informelle Wissensvermittlung eine Vielzahl von Funktionen, die von den formalen Bildungsinstitutionen nur partiell abgedeckt werden: Beispielsweise kann Wissen auf unterhaltsame Weise vermittelt und erfahrbar gemacht werden und dadurch Interesse an bestimmten Themen geweckt werden; es können aktuelle, noch nicht kanonisierte Erkenntnisse thematisiert werden; es können aber auch tiefer gehende Informationen zu speziellen Themen verfügbar gemacht werden. So vielfältig wie die Funktionen sind auch die Kanäle der non-formalen Bildung. Zum einen findet sich ein breites Spektrum lokaler Settings, das von Volkshochschulen, Musikschulen, Konzertreihen und Theatern über Zoos, Aquarien, botanische Gärten und Science Center bis zu historischen Stätten, Museen und Ausstellungen reicht. Zum anderen bilden aber auch ortsunabhängige Bildungsangebote in den Printmedien, in Radio und Fernsehen sowie in den vielfältigen digitalen Spielarten des Internets zentrale Plattformen informeller Bildung, die neben kognitiven auch emotionale oder wertbezogene Merkmale implizieren. In den nachfolgenden Abschnitten soll ein kurz gefasster Überblick über das Themenfeld „non-formale und informelle Bildung in Deutschland“ im Hinblick auf nicht berufsbezogene Wissensprozesse gegeben werden. Im zweiten Abschnitt werden nach einer Begriffsbestimmung die lernbezogenen Besonderheiten nonformaler und informeller Bildungsangebote dargestellt (► 3.2) Es folgen Daten zur Nutzung der verschiedenen Bildungsangebote (► 3.3) sowie ein chronologischer
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134 Non-formale und informelle Bildungsangebote
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Überblick über Initiativen zur Förderung des non-formalen Lernens: im Museumsbereich (► 3.4.1), im naturwissenschaftlich-technischen (► 3.4.2) und im Bereich der kulturellen Bildung (► 3.4.3). Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen.
3.2 Charakteristika non-formalen und informellen Lernens Auch außerhalb des formalen Bildungssystems von Kindergarten, Schule und Berufsausbildung bzw. Hochschule findet Lernen in unterschiedlichsten Formen statt. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen zwischen formalem, non-formalem und informellem Lernen (Dohmen 2001; Werquin 2016). Nach Werquin (2010, 21) spricht man von formellem Lernen, wenn „… it occurs in an organised and structured environment and is explicitly designated as learning (in terms of objectives, time or resources). It is intentional from the learner’s point of view and typically leads to validation and certification.“ Ähnlich definiert Dohmen (2001, 18) formales Lernen als das „planmäßig organisierte, gesellschaftlich anerkannte Lernen im Rahmen eines von der übrigen Umwelt abgegrenzten öffentlichen Bildungssystems.“ Manche Autor*innen bezeichnen alle Formen des Lernens außerhalb des öffentlichen Bildungssystems als informelles Lernen: „Informal learning is any activity involving the pursuit of understanding, knowledge or skill which occurs without the presence of externally imposed curricular criteria. Informal learning may occur in any context outside the pre-established curricula of educative institutions“ (Livingstone 2001, 4). Dagegen hat sich in der neueren Forschung eine Differenzierung in non-formales und informelles Lernen etabliert (eurostat 2016; UNESCO Institute for Statistics 2011). Werquin (2010, 22) definiert non-formales Lernen als „… learning which is embedded in planned activities not explicitly designated as learning (in terms of learning objectives, learning time or learning support). It is intentional from the learner’s point of view.“ Davon grenzt sich informelles Lernen ab als „… learning that results from daily activities related to work, family or leisure. It is not organised or structured in terms of objectives, time or learning support. It is in most cases unintentional from the learner’s perspective.“ (Werquin 2010, 22). Entsprechend dieser Definitionen ordnet Eshach das non-formale Lernen Bildungsorten zu, die mehr oder weniger stark didaktisch strukturiert sind und in der Freizeit intentional aufgesucht werden (Eshach 2007). Dazu gehören beispielsweise Museen, Botanische Gärten und Zoos. Dagegen tritt informelles Lernen ungeplant und spontan auf und ist deshalb vorwiegend mit Orten verbunden, an denen die alltäglichen Handlungsroutinen erfolgen, beispielsweise in der eigenen Wohnung oder bei der Fahrt zur Arbeit. Informelles Lernen kann dabei auf unmittelbaren, nicht explizit lernbezogenen Handlungen und Erfahrungen beruhen, beispielsweise bei der Aus-
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Charakteristika non-formalen und informellen Lernens 135 übung eines Hobbys oder der Reparatur eines defekten Geräts. Aber auch die Freizeitnutzung von Massenmedien, beispielsweise das Lesen eines Buchs oder einer Zeitschrift, das Anschauen einer Informationssendung im Fernsehen oder eine wissensbezogene Recherche im Internet lassen sich als informelles Lernen beschreiben. Formales, non-formales und informelles Lernen unterscheiden sich somit nicht nur in den jeweiligen Lernorten, sondern gleichermaßen in den Lernzielen, Lerninhalten und Lernprozessen (Eshach 2007; Hodkinson et al. 2003; Schwan 2015). Neben der Institution, an der das Lernen stattfindet, umfasst der Begriff des Lernorts auch die spezifischen Eigenschaften des Lernsettings, beispielsweise dessen architektonische Gestaltung oder die zeitliche Strukturierung der Lernabläufe. Während informelles Lernen häufig in Situationen auftritt, die in ihrer raumzeitlichen Organisation nicht speziell für Lernvorgänge ausgelegt sind, findet non-formales Lernen typischerweise in eigens dafür gestalteten Settings – beispielsweise Ausstellungsräumen, Konzerthallen oder Vortragssälen – statt. Während die zeitliche Organisation beim informellen Lernen weitgehend frei gestaltet ist, reicht ihr Spektrum beim non-formalen Lernen von den festen Zeitabläufen eines Vortrags oder einer Theateraufführung bis zur freien Zeitgestaltung bei der Besichtigung einer historischen Stätte oder bei einem Museumsbesuch. Hinsichtlich der Lernziele findet sich ebenfalls eine Reihe von Unterschieden zwischen formalem, non-formalem und informellem Lernen. Während in formalen Bildungsinstitutionen Lernen und Wissenserwerb typischerweise als Hauptaktivität im Vordergrund stehen, ist dies bei non-formalen Settings nicht notwendigerweise der Fall. Non-formales Lernen findet oft in Rahmen von Freizeitaktivitäten statt, bei denen nicht nur Wissenserwerb, sondern gleichzeitig auch Unterhaltungsmotive und das Bedürfnis nach sozialen Interaktionen eine wichtige Rolle spielen (Falk, Moussori et al. 1998; Pekarik et al. 1999; Packer und Ballantyne 2002). Zudem sind Lernziele beim formalen Lernen vergleichsweise spezifisch formuliert und werden durch die beteiligten pädagogischen Instanzen explizit vorgegeben, während beim non-formalen Lernen individuelle, selbst gesetzte Lernziele eine wichtige Rolle spielen. Schließlich unterliegt das Erreichen der vorgegebenen Lernziele in formalen Lernszenarien einer Beurteilung, die nach Abschluss umfangreicherer Lerneinheiten auch zertifiziert wird. Die Frage der Feststellung und gegebenenfalls angemessenen Zertifizierung durch non-formale bzw. informelle Angebote erworbener Kompetenzen ist mittlerweile als ein wichtiger Aufgabenbereich der non-formalen Bildung erkannt worden (Münchhausen und Seidel 2016; Werquin 2010). Von besonderer Bedeutung sind hierbei Portfolio-Konzepte, in denen die Lernenden ihre informellen Lernaktivitäten dokumentieren (Neß 2016). Hierbei spielt zunehmend auch die digitale Erfassung über Online-Plattformen eine wichtige Rolle (Galanis et al. 2016). Vielversprechend ist hierfür beispielsweise das Konzept der sogenannten „digital badges“, mit denen das Absolvieren vorab definierter non-formaler Lernaktivitäten zertifiziert wird. Im Gegensatz zu formalen Abschlussprüfungen und
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136 Non-formale und informelle Bildungsangebote -zertifikaten im Anschluss an umfangreiche Kurse werden Badges auch für Lernepisoden deutlich kleineren Umfangs vergeben. In der Summe dokumentieren sie das individuelle Kompetenz- und Fertigkeitsprofil, das sich eine Lernerin oder ein Lerner über einen längeren Zeitraum durch unterschiedliche non-formale Lernaktivitäten erworben hat (Davis und Singh 2015). Bei non-formalen und informellen Bildungsanlässen hat die Mischung von (intrinsisch generierten) Lernzielen mit Bedürfnissen zur Unterhaltung und Kommunikation weitere Konsequenzen für Strategien zur Vermittlung der Lerninhalte und die damit verbundenen Aneignungsprozesse durch die Lernenden. Häufig werden wissensbezogene und unterhaltende Angebote in Form von „Edutainment“ miteinander verbunden, beispielsweise in Science Centern oder bei Wissenschaftsformaten im Fernsehen (Glaser et al. 2012). Damit einher geht auch ein hoher Stellenwert verschiedener Spielarten des erlebnis- bzw. erfahrungsorientierten Lernens. Das Spektrum reicht von aktivem Experimentieren und Ausprobieren (beispielsweise interaktive Stationen in Science Centern oder „Mitmachangebote“ bei museumspädagogischen Programmen) und aktives Üben (z. B. Musikschulen, Mal- oder Zeichenkurse) über die Beobachtung realer Forschungsabläufe in gläsernen Labors und den Besuch von Inszenierungen (beispielsweise Theater- oder Konzertaufführungen) bis hin zum Aufsuchen authentischer Orte und Gegenstände (beispielsweise historische Gebäude oder Gedenkstätten). Flankiert werden solche Angebote durch mehr oder weniger umfangreiche Begleitmedien, die den Lernenden vertiefende Informationen und Erläuterungen zur Verfügung stellen, sei es in Form von Text- und Schautafeln, Begleitheften und Katalogen oder in digitaler Form durch Informationsbildschirme, Audioguides oder Multimedia-Führer (Scholze 2004; Schwan, Zahn et al. 2008; Eghbal-Azar et al. 2016). Die Lernprozesse in non-formalen und informellen Settings sind als „free choice learning“ beschrieben worden (Falk und Dierking 2002). Damit ist ein interessegeleiteter und selbst gesteuerter Erwerb von Wissen gemeint, wobei das lernende Individuum jeweils frei über Inhalt, Zeit, Ort und Modus der Aneignung entscheidet. So verfügen Besucher*innen eines Museums, eines Zoos oder einer historischen Stätte über einen großen Spielraum, welche Exponate sie genauer betrachten (Inhalt), wie lange sie sich ihnen widmen (Zeit) und ob sie sich darüber hinaus auch mit den begleitenden Informationsmaterialien beschäftigen (Modus). Diese Beschreibung ist allerdings idealtypisch zu verstehen, denn non-formale Lernsettings können in unterschiedlichem Maß didaktisch strukturiert sein, die von free choice über restricted choice bis zu no choice reichen (Bamberger und Tal 2007). Beispielhaft seien personale Vermittlungsangebote genannt, bei denen die Besucher*innen eine historische Stätte entlang einer durch die Führungsperson vorgegebenen Route mit weitgehend festgelegten Erläuterungen besichtigen. Zusammenfassend impliziert die Mehrdimensionalität des Konstrukts eine Vielzahl von Mischformen, bei denen Elemente des formalen und des non-formalen Ler-
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Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote 137 nens miteinander kombiniert werden (Hodkinson et al. 2003). So finden sich auch in formalen Lernsettings Formen des selbst gesteuerten Lernens, beispielsweise im projektorientierten Unterricht. Ebenso haben in vielen Schulfächern Erfahrungslernen und Experimente einen hohen Stellenwert, beispielsweise im Physik- und Chemieunterricht oder im Kunstunterricht. Und umgekehrt kann der Besuch nonformaler Settings in hoch strukturierter Weise in formale Lernvorgänge eingebunden werden, beispielsweise bei Exkursionen oder Schulklassenausflügen.
3.3 Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote in Deutschland 3.3.1 Allgemeine Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote Während zu formalen Bildungsmaßnahmen umfangreiche Daten zu Wirkungsund Erfolgsindikatoren vorliegen, stehen entsprechende Daten für non-formale und informelle Bildungsangebote in deutlich eingeschränkterem Maß zur Verfügung. Die Gründe hierfür sind vielfältig und umfassen die Verteiltheit der Angebote auf eine Vielzahl nur locker miteinander vernetzter Anbieter und Institutionen, die große Unterschiedlichkeit der Nutzung, die von umfassenden Kursen, die sich über mehrere Monate erstrecken bis zur kleinteiligen, nur wenige Minuten bis Stunden dauernden Inanspruchnahme von informellen Lernangeboten reicht, und das Fehlen von standardisierten Messungen zur lernbezogenen Effektivität und Effizienz der Maßnahmen. Grundsätzlich lassen sich mehrere Erfolgsindikatoren non-formaler und informeller Bildungsangebote unterscheiden (Hörner 2001). Auf Seiten der Anbieter bilden deren Anzahl, der Umfang der getätigten Investitionen sowie die thematische Breite und die Menge der verfügbaren Informationen und Materialien das für bestimmte Themenbereiche verfügbare Angebot ab. Für den Museumsbereich umfasst dies beispielsweise die Zahl der Museen, deren Budget sowie die Zahl und den Umfang von Sonder- und Dauerausstellungen, für den Fernsehbereich den Programmanteil an Informations- und Bildungssendungen und deren Budgetierung. Dem korrespondiert auf Seiten der Lernenden die Anzahl der Teilnehmenden an spezifischen non-formalen und informellen Bildungsangeboten, deren Nutzungshäufigkeit und der damit verbundene durchschnittliche Zeitaufwand und die erforderlichen monetären Investitionen (Hörner 2001). Diese Daten werden typischerweise nach soziodemografischen Parametern wie Alter, Geschlecht und Bildungsstand differenziert. Einerseits können entsprechende Erhebungen durch den jeweiligen Anbieter erfolgen und damit das jeweilige Zielpublikum abbilden. Andererseits können diese Indikatoren durch direkte Befragung oder durch Tagebucherhebungen auf individueller Ebene in einer anbieterübergreifenden Weise
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138 Non-formale und informelle Bildungsangebote erfasst und somit individuelle, angebotsübergreifende Muster der Nutzung nonformaler und informeller Bildungsangebote identifiziert werden. Beide Erhebungsmethoden kommen allerdings typischerweise zu unterschiedlichen Schätzungen, wobei die Zeitbudgetwerte bei summativer Einschätzung mittels Personenfragebogen deutlich höher ausfallen als bei der Tagebucherfassung (Wingerter 2004; Wilhelm und Wingerter 2004). Dies zeigt, wie schwierig es ist, informelle Lernaktivitäten, die häufig nur kurz dauern, zeitlich stark verteilt sind und in unregelmäßiger Häufigkeit auftreten, zuverlässig zu schätzen. Mittlerweile liegen umfassende Erhebungen zum informellen Lernen aus einer Reihe von Ländern vor, beispielsweise Kanada (Livingston 2012) oder Österreich (Salfinger-Pilz 2013). In einer Übersicht zu entsprechenden Studien aus den Jahren 1975 bis 1998 aus den USA, Kanada und Großbritannien berichtet Livingston (2001) von durchschnittlich 4,5 bis 14,5 Stunden informeller Lernaktivitäten pro Woche, wobei diese Zeitbudgets die Inanspruchnahme sowohl non-formaler Angebote der ausbildungs- und berufsbezogenen Weiterbildung (die im vorliegenden Artikel nicht behandelt sind) als auch solche der allgemeinen Weiterbildung umfassen (bei teilweise divergierenden Operationalisierungen der Begriffe). Die diesbezüglich umfassendste bundesdeutsche Studie ist die Zeitbudgetstudie des Statistischen Bundesamts, die 2001/02 (Statistisches Bundesamt 2004) und 2012/13 (Statistisches Bundesamt 2015) durchgeführt wurde, wobei eine Analyse der Datenerhebung 2012/13 bezüglich des informellen Lernens noch aussteht, so dass im Folgenden die Befunde des Erhebungszeitpunkts 2002 dargestellt werden (Wingerter 2004; Wilhelm und Wingerter 2004). Basierend auf einer summativen Einschätzung via Personenfragebogen (vgl. oben) fand sich im Gesamtdurchschnitt ein Zeitaufwand von ungefähr 1,75 Stunden pro Woche für das non-formale und informelle Lernen im Bereich der allgemeinen (d. h. nicht unmittelbar ausbildungs- oder berufsbezogenen) Bildung. Dabei wurden unterschiedliche Formen der Wissensvermittlung genutzt, die sich zu 34 % auf Bücher und Fachzeitschriften, zu 20 % auf Fernsehen, Video, Radio, zu 19 % auf Computer und Internet, zu 16 % auf Unterricht und Informationsveranstaltungen sowie zu 11 % auf selbstorganisierte Gruppen und sonstiges Selbstlernen verteilten (Wilhelm und Wingerter 2004). Dabei fanden sich deutliche Geschlechtsunterschiede. Frauen nahmen eher an organisierten Unterrichtsveranstaltungen und selbst organisierten informellen Lerngruppen teil, während Männer häufiger Computer als Instrument des Selbstlernens nutzten. Desgleichen fand sich ein starker Einfluss des Bildungsniveaus. Generell beteiligte sich bei höherem Bildungsstand eine größere Personengruppe an informellen und non-formalen Bildungsangeboten und nutzte diese intensiver. Darüber hinaus fanden sich auch Unterschiede in der Art der genutzten Angebote: Im unteren Bildungsbereich war ein höherer Anteil von Unterricht und Informationsveranstaltungen sowie der Nutzung von Fernsehen, Video und Radio als Medien des informellen Lernens zu beobachten. Und schließlich nahm im Altersverlauf der absolute Zeitaufwand für informelles Lernen
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Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote 139 beim Übergang von den unter 30-Jährigen zu den über 30-Jährigen substanziell ab, der relative Anteil der allgemeinen Weiterbildung stieg dabei gegenüber der ausbildungs- und berufsbezogenen Weiterbildung aber deutlich an (► Abb. 3.1 und 3.2).
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Stunden pro Woche [Stunden Minuten]
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7 6 5 4 3 2 1 0 10-15
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Alter in Jahren
65 und älter
Selbstorganisierte Gruppen und sonstiges Selbstlernen Fernsehen, Video, Radio Computer und Internet Bücher, Fachzeitschriften (Printmedien)
Abb. 3.1: Zeitaufwand für informelles Lernen (Std./Woche) im Altersverlauf (nach Wilhelm und Wingerter 2004, 443) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 10-15
15-18
18-20
20-25
25-30
30-35 35-40 Alter in Jahren
40-45
45-50
50-55
55-60
60-65
65 und älter
Anteil Informelles Lernen in Prozent
Abb. 3.2: Prozentualer Anteil des informellen Lernens im Altersverlauf (nach Wilhelm und Wingerter 2004, 443)
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140 Non-formale und informelle Bildungsangebote
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Bei einer ähnlichen Fragebogenerhebung im Rahmen des Adult Education Survey (BMBF 2015) fand sich für das Jahr 2014 ebenfalls ein Primat von Büchern und Fachzeitschriften als Lernquelle (37 %), gefolgt von computer- bzw. internetbasierten Angeboten (29 %), Lernen mit Familienmitgliedern, Freund*innen oder Kolleg*innen (19 %) und der Rezeption von massenmedialen Angeboten (10 %). 3.3.2 Massenmedien Die Befunde der Studie verdeutlichen auch die Breite der Anlässe und Orte, an denen informelles und non-formales Lernen stattfindet. Einen Schwerpunkt bilden Massenmedien in ihren unterschiedlichen Ausprägungen, insbesondere Printmedien, Fernsehen, Radio und das Internet. Sie sind im Alltag flexibel nutzbar, da sie im Falle von Printmedien leicht zu transportieren und im Falle elektronischer Medien ebenfalls auf mobilen Endgeräten abgerufen werden können. Als ständige Begleiter helfen sie deshalb, Warte- oder Transportzeiten (beispielsweise bei Pendler*innen auf dem Weg zur Arbeitsstätte) zu füllen, spielen gleichzeitig aber auch im heimischen Wohnbereich eine zentrale Rolle für die Freizeitgestaltung. Dies liegt unter anderem auch darin begründet, dass insbesondere Radio- und Fernsehangebote einerseits gezielt mit fokussierter Aufmerksamkeit verfolgt werden können, andererseits aber auch einen beiläufigen, andere Tätigkeiten (z. B. im Haushalt) begleitenden Rezeptionsmodus erlauben. Dementsprechend belegen die Ergebnisse einer repräsentativen ARD/ZDF-Langzeiterhebung zur Massenkommunikation, dass sich bei den über 14-Jährigen die durchschnittliche tägliche Nutzung dieser Medienpalette zu insgesamt ungefähr 9,5 Stunden kumuliert (wobei auch Parallelnutzungen in der Analyse aufsummiert wurden). Bezogen auf TV als Quelle informellen Lernens zeigt die Analyse von Angebotsstruktur und Angebotsnutzung im deutschen Fernsehen für das Jahr 2013, dass sich ungefähr die Hälfte (46 %) der Sendezeit als Informationssendungen (im Gegensatz zu Unterhaltung, Fiction, Sport und Werbung) klassifizieren lässt. Das Spektrum der Vermittlungsformen ist breit und reicht von klassischen Nachrichtensendungen und Reportagen über Diskussionsrunden und Dokumentationen bis zu Doku-Soaps, wobei inhaltlich politische Themen (51 %) sowie Themen aus Kultur, Wissenschaft und Natur (13 %) im Vordergrund stehen (Krüger 2015). Das Schauen von Informationssendungen nimmt bei den Zuschauer*innen allerdings nur ungefähr ein Drittel ihrer durchschnittlichen TV-Sehzeit ein (Media Perspektiven Basisdaten 2013). Legt man wiederum eine durchschnittliche tägliche Sehzeit von 208 Minuten (Engel und Breunig 2015) zugrunde, macht das im Durchschnitt täglich immerhin über eine Stunde der Rezeption von Informationssendungen, wobei diese Daten in den Jahren 2011 bis 2013 weitgehend stabil geblieben sind.
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Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote 141 Gegenüber den klassischen Massenmedien spielt das Internet eine zunehmend wichtigere Rolle für das informelle Lernen. So hat sich in den letzten Jahren die Vermittlung tagesaktueller Nachrichten und Informationen in großem Umfang von Printmedien, Radio und Fernsehen zu journalistischen Online-Angeboten (häufig als Ableger etablierter Tageszeitungen oder TV-Nachrichtenredaktionen), zu Blogs und zu Foren des Informationsaustauschs (z. B. Twitter) verlagert. So wurden 2013 neben durchschnittlich 23 Minuten täglicher Zeitungslektüre bereits täglich 14 Minuten mit der Lektüre von Online-Nachrichten im Internet verbracht (Engel und Breunig 2015). Es ist zu erwarten, dass der internet-bezogene Anteil an der Rezeption aktueller Nachrichten in den kommenden Jahren noch deutlich steigen wird, da beispielsweise die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen nur noch neun Minuten täglich Zeitung liest, dafür aber bereits 22 Minuten der Online-Berichterstattung widmet (Engel und Breuning 2015). Zudem haben sich Wikipedia und weitere internet-basierte Nachschlagewerke als umfassende und aktuelle netzbasierte Informationsplattformen etabliert. Gemeinsam mit der zunehmenden Verbreitung von e-books sind sie indikativ für eine Verlagerung von gedruckten Lexika und Büchern als primären Informationsmedien hin zu entsprechenden digitalen Angeboten (Rahlf 2015). Darüber hinaus gewinnen gegenwärtig gratis verfügbare Lerneinheiten, die in Form von kurzen Erklärvideos (z. B. Khan Academy oder YouTube-Portale) oder als umfangreiche Kursmaterialien in Form von MOOCs (Massive Open Online Course) netzbasiert angeboten werden, eine zunehmende Bedeutung (de Freitas et al. 2015; ► Kap. 27). Je nach Nutzung lassen sich MOOCs dem formalen oder non-formalen Lernen zuordnen, da die Kurse zwar häufig von etablierten Bildungsinstitutionen (insbesondere Universitäten) entwickelt und angeboten werden, die Teilnahme andererseits aber oft aus privaten Interessen motiviert ist, die Kursangebote häufig nicht vollständig, sondern selektiv bearbeitet werden und in der überwiegenden Zahl der Fälle auch keine Zertifizierung eines erfolgreichen Kursbesuchs erfolgt. Mit MOOCs als frei im Internet verfügbaren Bildungsressourcen verbindet sich auch die Hoffnung einer stärkeren Nivellierung von ungleichen Bildungsvoraussetzungen. Allerdings hat sich gezeigt, dass eine erfolgreiche Nutzung von MOOCs eine ausgeprägte Lernmotivation, Kompetenzen im Bereich von selbstgesteuertem Lernen und Metakognition sowie eine Reihe computerbezogener Fertigkeiten erfordert (Terras und Ramsay 2015). Während für den deutschsprachigen Bereich noch keine empirischen Daten vorliegen, deuten aktuelle Analysen in den USA darauf hin, dass MOOCs gegenwärtig vorwiegend von akademisch vorgebildeten, internet-kompetenten Lernenden in Anspruch genommen werden (Hansen und Reich 2015). 3.3.3 Non-formale und informelle Lernorte Neben den Massenmedien spielen die Angebote besonderer Lernorte außerhalb von Schule und Hochschule eine wichtige Rolle. Sie umfassen Kursangebote an Volkshochschulen und Musikschulen, kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte,
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142 Non-formale und informelle Bildungsangebote Opern und Theateraufführungen sowie den Besuch von Museen, Ausstellungen, Zoos oder historischen Stätten. Die im folgenden beschriebenen Daten zeigen, dass Deutschland aktuell über ein dichtes Netz non-formaler Lernorte verfügt, die in vielfältiger Weise kulturelle, wissenschaftliche und naturbezogene Lernangebote bereitstellen und die vom einheimischen Publikum auch in hohem Umfang nachgefragt werden. Das Kursangebot der Volkshochschulen bildet einen Schwerpunkt des nonformalen Lernens Erwachsener (im Überblick Huntemann und Reichart 2015; ► Kap. 20). Es umfasst ein breites Themenspektrum, wobei etwa 45 % der Kursstunden auf Sprachen, 20 % auf Gesundheitsthemen, 11 % auf Kultur und Gestalten, 11 % auf Arbeit und Beruf und 4 % auf Politik, Gesellschaft und Umwelt entfallen. Formale Grundbildung und Schulabschlüsse machen dagegen nur 10 % des Angebots aus. Diese primär non-formale Ausrichtung spiegelt sich auch in den Abschlüssen und Zertifizierungen, bei denen es sich in 93 % der Fälle um nichtschulische Prüfungen handelt. Trotz zunehmender digitaler Lernangebote ist die Nachfrage nach Volkshochschulkursen unverändert hoch. Deutschlandweit wurden 2014 ca. 590.000 Kurse mit insgesamt 15 Mio. Unterrichtsstunden angeboten, die 6,4 Mio. Kursteilnehmende zählten (Huntemann und Reichart 2015). Darüber hinaus wurden 2013 an den über 900 Musikschulen etwa 1 Mio. Schülerinnen und Schüler unterrichtet (Statistisches Bundesamt 2014). Ähnlich hohe Zahlen finden sich auch für andere non-formale Lernorte – sowohl im kulturellen als auch im naturbezogenen Bereich. Exemplarisch sei dies an Theaterbesuchen einerseits und dem Besuch von zoologischen Gärten andererseits verdeutlicht. An den insgesamt 839 öffentlichen Theatern in Deutschland wurden in der Spielsaison 2011/2012 ca. 75.000 Aufführungen mit über 18 Mio. Besucher*innen durchgeführt (Statistisches Bundesamt 2014). Nach einer repräsentativen Umfrage von IfD Allensbach im Rahmen der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse gab es im Jahr 2015 in der deutschsprachigen bundesdeutschen Bevölkerung ca. 2,6 Mio. Personen, die regelmäßig, und 27 Mio. Personen, die gelegentlich ins Theater, die Oper oder ins Schauspielhaus gehen, wobei diese Werte in den vergangenen vier Jahren weitgehend stabil geblieben sind. Für den naturkundlichen Bereich verzeichneten die ca. 400 zoologischen Gärten im Jahr 2014 ungefähr 65 Mio. Besucher*innen mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 2 % (Verband der Zoologischen Gärten 2015). Exemplarisch soll im Folgenden die Situation bei den Museen in etwas detaillierterer Form beschrieben werden. In der aktuell vorliegenden Erhebung des Instituts für Museumsforschung (IfM; bis 2006 Institut für Museumskunde) (2016) für das Jahr 2015, in der etwas über 6.710 Museen einbezogen waren, stellten nahezu 4.932 Museen Angaben zu ihren Besuchszahlen bereit. Die Summe aller Angaben zu den Besuchszahlen verzeichnet wiederum einen leichten Anstieg gegenüber dem Vorjahr: 114.423.192 Besuche gegenüber 111.984.066 Besuche in 2014. Dieser
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Daten zur Nutzung non-formaler und informeller Bildungsangebote 143
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Anstieg steht bis zu einem gewissen Grad im Zusammenhang mit dem Museumsboom (Graf 2003): Der seit 1990 wachsende Trend mit gelegentlichen Einbrüchen ist zu einem großen Teil auf zusätzlich neu in die Erhebung hinzugekommene Museen zurückzuführen, zum andern zeichnet er sich ebenso bei den bereits erfassten Institutionen ab.
Abb. 3.3: Besuchszahlenentwicklung seit 1990 (nach Institut für Museumsforschung 2016, 19)
Seit Anfang der 1980er Jahre erfasst das IfM mit einer jährlichen statistischen Gesamterhebung die bundesweit vorliegenden Besuchszahlen und ergänzt diese Erhebung mit wechselnden Zusatzfragen wie beispielsweise zu Ausstattung, Trägerschaft, Forschung, Dokumentation oder Vermittlung. Mit dieser Museumsstatistik kann die Entwicklung der Museen und Besuchszahlen dokumentiert werden, und es lassen sich Zahlen nennen, die dem so genannten Museumsboom zu Grunde liegen (Graf 2003): So schrieb das IfM 1981, vor der Wiedervereinigung, über 2.000 Museen an, in 1990 waren es über 4.000, in 2000 mit 5.807 nahezu 6.000 Museen. Die äußerst heterogene Museumslandschaft mit derzeit über 6.700 erfassten Museen wird auf der Basis der ICOM-Definition nach Museumsgattungen oder -arten gegliedert und ergibt aktuell in 2015 folgendes Bild (mit Angaben von 4.932 der 6.710 für diese Erhebung angeschriebenen Museen):
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144 Non-formale und informelle Bildungsangebote Anzahl der Museumsarten 2015 Mus eumskomplexe;
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1,3%
Volkskunde- und Heimatkundemuseen; 43,5%
Kulturgeschichtliche Spezialmuseen; 15,5%
Sammelmuseen; 0,4% Historische und archäologische Museen; 7,5%
Naturwissenschaftliche und technische Museen; 12,4% Naturkundliche Museen; 4,7% Kunstmuseen; 10,5%
Schloß- und Burgmuseen; 4,2%
Abb. 3.4: Verteilung der Museen nach Museumsarten (nach Institut für Museumsforschung 2016, 19)
Nicht enthalten sind in dieser Grafik nahezu 470 Ausstellungshäuser, die das IfM getrennt analysiert; von ihnen beteiligten sich 325 an der Erhebung: Die meisten von ihnen zeigen Kunstausstellungen und erzielen zusätzlich nahezu 5.750 Mio. Besuche (die in der Gesamtbesuchszahl nicht enthalten sind). Neben den Ausstellungshäusern geben zusätzlich die Museen über 9.000 Sonderausstellungen an, insbesondere Volkskunde- und Heimatmuseen (worunter auch Stadtmuseen zählen): Diese rund 2.900 Museen melden nahezu 4.000 Sonderausstellungen, gefolgt von über 700 Kunstmuseen mit etwas über 1.900 Sonderausstellungen Die Verteilung der Besuchszahlen an den insgesamt neun verschiedenen Museumsarten zeigt weiter, dass in der stärksten Gruppe der fast 2.900 Volks- und heimatkundlichen Museen nahezu 15.210 Mio. Besuche gemeldet werden; demgegenüber nennen 500 historische und archäologische Museen die höchste Besuchszahl (ca. 21,7 Mio.). Etwas über 700 Kunstmuseen folgen mit nahezu 20 Mio. Besuchen, und die Gruppe der 835 naturwissenschaftlichen und technischen Museen meldeten ebenfalls mehr Besuche (18,5 Mio.). Was verbirgt sich hinter den Zahlen, die die Entwicklung der Nutzungsdaten, das heißt die Besuche und nicht Besucherinnen und Besucher, wiedergeben? Mit der vom IfM beauftragten Studie von Klein (1990) lag die erste umfassende Untersuchung an über 40 Museen in Nordrhein-Westfalen und Berlin vor, die u. a. über soziodemografische Daten oder über Besuchsmotive detaillierte Auskunft gab. Viele der damals gewonnenen Befunde spiegeln auch neuere Studien (Graf 2003) wider,
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Initiativen zur Förderung des non-formalen und informellen Lernens 145 wie beispielsweise den engen Zusammenhang von Museumsgattung und Besucherstruktur: Demnach werden Museen mit Sammlungen moderner Kunst dominant von einem Publikum mit höherem Bildungsniveau besucht; naturkundliche Museen hingegen werden überwiegend von Familien oder Gruppen aufgesucht, ohne dass sich ein Zusammenhang zu bestimmten soziodemografischen Merkmalen wie Bildung oder Alter feststellen lässt. Eher ungefähre Angaben liegen darüber vor, wie hoch der Anteil der Museumsbesucher*innen in der Bevölkerung liegt, der auf etwa die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung geschätzt wird, von denen etwa ein Drittel zu den regelmäßigen Museumsbesucher*innen zählt (Wersig und Graf 2000).
3.4 Initiativen zur Förderung des non-formalen und informellen Lernens Die zunehmende Erkenntnis über die Bedeutung von Bildung als zentraler Ressource von Wissensgesellschaften sowie die Rolle des lebenslangen und damit in weiten Teilen nicht institutionalisierten Lernens hat in den vergangenen Jahren zu einer Vielzahl an Initiativen zur Förderung des Interesses an und des Wissenserwerbs in unterschiedlichen Wissensbereichen geführt. Im Folgenden sollen exemplarisch Initiativen des non-formalen und informellen Lernens vorgestellt werden, die auf unterschiedliche und durchaus aufeinander zu beziehende Felder verweisen, mit einer insgesamt nicht erfassten Teilnehmerzahl, die sich aber auf mehrere Millionen schätzen lässt: Museumsbezogene Bildungsinitiativen (► 3.4.1), die die Vermittlungs- und Lernpotenziale der Museen, seien es Kunst-, Geschichts- oder Technikmuseen für die allgemeine Öffentlichkeit auszuloten suchen. Diese Initiativen dokumentieren exemplarisch den Öffnungsprozess der Museen, der vor dem Hintergrund der Bildungsoffensive in den 1960/70er Jahren begann und zu erstmals institutionalisierten museumspädagogischen Angeboten führte, die nach wie vor stärker im freiberuflichen Feld und mit neuen Konzepten verankert sind (Institut für Museumsforschung 2008). Wissenschaft- und Öffentlichkeitsinitiativen (► 3.4.2), die eine Brücke zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit bauen möchten: Für diese vor allem in den 1990er Jahren beginnenden Initiativen zählt als Hintergrund der wirtschaftlich erwünschte Zuwachs an Studierenden in naturwissenschaftlich-technischen Fächern einerseits sowie die zunehmende Komplexität und der wachsende Einfluss der Wissenschaft in unserem Alltag andererseits mit dem Ziel, gesellschaftlich verunsichernde Effekte konstruktiv aufzugreifen. Jüngste Initiativen firmieren unter dem Begriff der Kulturellen Bildung (► 3.4.3), die, allgemein formuliert, mit Mitteln ästhetischer und künstlerischer Erfahrung personenbezogene Merkmale wie Kreativität und Selbstbestimmung zu fördern
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146 Non-formale und informelle Bildungsangebote wünschen; gegenwärtig geschieht dies vor dem Hintergrund, den die Enquetekommission (2007) skizzierte, die zur Bewältigung der Transformationsprozesse in unserer Gesellschaft die kulturelle Bildung für die Einzelnen wie für die Gesellschaft als einen zentralen Schlüssel erachtet. Diese vielfältigen, außerschulisch non-formalen wie informellen Initiativen weisen inhaltliche, methodische wie institutionelle Querbezüge auf, wenn beispielsweise naturwissenschaftliche Themen mit kulturpädagogischen Methoden in Museen präsentiert werden, wie es beispielsweise mit den Science Slams der Fall ist. Derzeit lassen sich Forschungsvorhaben in allen Feldern mit unterschiedlichen theoretischen Rahmungen, Zielsetzungen und Methoden feststellen, aber mit der gemeinsamen Frage, welche lernförderliche Faktoren eine Rolle spielen, insbesondere mit dem Ziel einer kreativen, Interesse weckenden und selbstbestimmten Auseinandersetzung. Stark schematisiert sind dabei zwei, oft ineinandergreifende Forschungsperspektiven erkennbar: Der analytische Fokus richtet sich entweder vorwiegend auf die lernförderlichen Merkmale der Umgebung oder aber stärker auf die Analyse der Lernvoraussetzungen bei den Beteiligten selbst. Im Folgenden werden alle Initiativen in einem ersten Schritt jeweils näher skizziert, dabei liegen insbesondere im Museumsfeld Daten über das Wachstum der Bildungspotenziale in Form von Personal und Ausbau der Angebote vor. Mit einer Auswahl an Beispielen werden im zweiten Schritt die jeweiligen Formate in den Feldern knapp vorgestellt; im abschließend dritten Schritt wird auf bisher vorliegende Statistiken, Forschungsansätze und Evaluationsprojekte mit einem methodisch breiten Spektrum zwischen Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Kulturwissenschaften hingewiesen. 3.4.1 Museumsbezogene Bildungs-Vermittlungsinitiativen Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gegenwärtige Ausstellungen als Bildungsund Vermittlungsformate per se gelten (Lepp 2012); vor dem Hintergrund des erwähnten Öffnungsprozesses bieten Museen zudem weitere Vermittlungsangebote an, die insgesamt ein buntes Bild an Organisations-, Vermittlungs- und Kommunikationsformen, an Zielgruppen und Absichten zeigen, verankert in einer ebenso heterogenen Museumslandschaft. Auch auf diesem Feld verfolgt das IfM im Rahmen seiner jährlichen Gesamterhebung die Entwicklung in Form eines alle zehn Jahre ergänzenden Zusatzfragenkatalogs (Noschka-Roos und Hagedorn-Saupe 1987). Das Leitziel der Besucherorientierung (Graf 2000), dem sich viele Museen verschrieben haben, spiegelt sich u. a. an dem starken Zuwachs des dafür zuständigen Personals: Wurden 1997 über 3.500 Honorarkräfte und nahezu 1.200 Ehrenamtliche von über 3.800 Museen genannt, stieg die Zahl der Angaben in 2007 bei etwas über 4.100 Museen auf nahezu 7.000 Honorarkräfte und 9.650 Ehrenamtliche. Ebenso war ein Anstieg der hauptamtlich Tätigen zu verzeichnen, von denen nahezu 600 ganztags und fast 400 halbtags arbeiteten, wobei in dieser Gruppe 1997 nur zehn gemeldet worden sind (Noschka-Roos und Hagedorn-Saupe 2009).
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Initiativen zur Förderung des non-formalen und informellen Lernens 147 Fragen zur Vermittlungsarbeit an Museen mit Blick auf Art der Angebote und Zielgruppen wurden für die Gesamterhebung in den Kategorien sehr allgemein und in geschlossener Form erstellt. Bemerkenswert ist, welche Änderungen sich damit zwischen 1997 und 2007 nachzeichnen lassen: Sei es in der Ausdifferenzierung stärker erlebnisorientierter Formate, die zum großen Teil nicht nur erstmals erfasst, sondern in dem Zeitraum entwickelt worden sind, wie die Lange Nacht der Museen; sei es mit Blick auf die Zielgruppendifferenzierung, da korrespondierend zu den Formaten stärker Familien oder die lokale Bevölkerung genannt werden, wenn auch Schulen sowie Kinder und Jugendliche nach wie vor die Hauptgruppe bilden. Bei der in 2017 geplanten Erhebung ist vermutlich eine konzeptionelle Differenzierung zu erwarten: So wurden beispielsweise inzwischen in jüngster Zeit verstärkt dialogische, interaktive oder partizipative Veranstaltungsformate entwickelt (Gesser et al. 2012; Kamel und Gerbich 2014). Eine solche Ausdifferenzierung unterschiedlichster und erst vorläufig systematisierter Formen (Mörsch 2009) im Bereich personaler Vermittlungsangebote ist ebenso parallel in Ausstellungen zu beobachten, mit Inszenierungen und anderen Dialogformaten, auf die an dieser Stelle lediglich hingewiesen werden kann (Korff 2008; Kilger 2004f ). Diese Ausdifferenzierung spiegelt sich in exemplarischer Form bei den in den 1970ern gegründeten museumspädagogischen Zentren in Berlin, Hamburg, Köln, München und Nürnberg, deren Programme sich einst vorwiegend an Schulen richteten und die gegenwärtig für die Freizeit konzeptionell mit einem breiten Fächer zusätzlicher Angebote und Formate für ebenso zahlreiche Zielgruppen arbeiten, sich insgesamt durch dezidierte Teilnehmerorientierung auszeichnen, weniger lehr- und stärker erlebnisorientiert sowie in vielen Fällen partizipativ konzipiert sind. Dieser Ausbau des Repertoires gründet sich zum einen auf den museumspädagogischen Diskurs und ist zum andern auf Impuls gebende Förderprogramme zurückzuführen, die im Rahmen von „Kultur macht stark“ (► 3.4.3) initiiert werden konnten, und die dezidiert bestimmte Zielgruppen (ausländische Mitbürger), Methoden (PeerGroup-Ansatz) oder die lokale Zusammenarbeit mit anderen Institutionen fördern. Dieses BMBF-Programm sowie andere förderpolitische Maßnahmen (wie die vom BKM seit 2009 unterstützte Plattform „Museum bildet“) führen in dem extrem heterogenen Feld zu einem Erfahrungsaustausch und einem Systematisierungsprozess, wenn beispielsweise zur Beschreibung der Projekte zentrale Dimensionen der Vermittlungspraxis, wie Thema, Methode, Zielgruppe erforderlich sind. Das breite Themenspektrum, die vielseitigen Aufgaben, Funktionen, Ziele, Organisationsformen wurden bereits in den 1990er Jahren dokumentiert (Nuissl et al. 1987; Noschka-Roos und Hagedorn-Saupe 1988). Dem entspricht eine ebenso große Vielfalt an Forschungsperspektiven und -methoden: Zahlreiche Evaluationsprojekte (Hagedorn-Saupe et al. 2003), Museumsstrategien, um Nicht-Besucher*innen zu gewinnen (Reussner 2010), Audience-Development-Strategien (Mandel 2008) oder kulturanalytische Analysen zur wachsenden Bedeutung der Museen im Frei-
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148 Non-formale und informelle Bildungsangebote zeittourismus (Mandel 2015), sind beispielsweise ebenso Gegenstand gegenwärtiger Forschungsliteratur wie Untersuchungen und Konzeptionen zu den speziellen Lernformen in Museen (Paris 2000; Lepenies 2003; Packer 2006; Prenzel 2009; Staupe 2012) und der pädagogischen Psychologie (Schwan, Grajal et al. 2014). Sie spiegeln das aktuelle Forschungsziel wider, non-formale und informelle Bildungspotenziale institutionell, strukturell wie pädagogisch-psychologisch zu untersuchen und zu entwickeln. Und sie bauen auf der ersten Phase der Besucherforschung auf, die insbesondere aus soziologischer Perspektive die Strukturdaten analysierte und die Instrumente dazu entwickelte (vgl. Graf und Treinen 1983; Klein 1990; Treinen und Kromrey 1992; Kirchberg 2005). Insgesamt repräsentieren sie einen Forschungszweig, der interdisziplinäre Fragestellungen sowie ein breites Methodenrepertoire integriert, und nicht zuletzt das Museum selbst zum Forschungsgegenstand hat (Baur 2009). 3.4.2 Wissenschafts- und Öffentlichkeitsinitiativen Ähnlich wie für die Museen ist auf dem Feld der Wissenschafts- und Öffentlichkeitsinitiativen eine vielgestaltige Angebotspalette zu beobachten: Abhängig von den jeweils lokalen Ressourcen zeigen sich konzeptionell, personell, strukturell oder auch finanziell ganz unterschiedliche Organisationsformen – ein Merkmal, das wohl für alle drei beschriebenen Initiativen gilt. In diesem Fall zählt als impulsgebend die 1999 gegründete „Wissenschaft im Dialog“ (WiD), die im Anschluss eines Symposiums führender Wissenschaftsorganisationen und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft gegründet wurde (Weitze 2001). Ihr Ziel besteht darin, das Ungleichgewicht zwischen der gesellschaftlichen Bedeutung und der öffentlichen Wahrnehmung von Wissenschaft und Forschung durch Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation zu beheben (Weitze und Heckl 2015). Diese Bewegung manifestiert sich architektonisch in den seit den 1990er Jahren gegründeten Science Centern, von denen das IfM gegenwärtig 17 zählt, die in 2014 von über 1,2 Mio. besucht wurden (bei Angaben von 13 Häusern). Ähnlich wie in der Wissenschaftskommunikation insgesamt unterscheiden sie sich konzeptionell in ihren Ansätzen, je nach Modellierung von Wissenschaft, Öffentlichkeit sowie der Vermittlung (vgl. Conein et al. 2004; Faulstich 2006). Hauptsächlich in Kooperation mit dem WiD richtet das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2000 Wissenschaftsjahre aus und unterstützt die dezentrale Organisation von Veranstaltungen sowie – als mobiles Format – das jeweilig zum Themenjahr konzipierte Ausstellungsschiff. Die Evaluation der Wissenschaftsjahre, wie beispielsweise ihre Reichweite, ihre Akzeptanz oder die Optimierung einzelner Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit dokumentieren insgesamt eine wachsende Resonanz der Wissenschaftsjahre (https://www.bmbf. de/files/Begleitforschung%20Wissenschaftsjahr%202015%20-%20Zentrale% 20Ergebnisse.pdf ). Für die unterschiedlichen Formate der Wissenschaftskommuni-
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Initiativen zur Förderung des non-formalen und informellen Lernens 149 kation, für die Universitäten ebenso wie Stiftungen eine Wettbewerbskultur entwickelt haben, zeigt sich in jüngster Zeit ein qualitativ neues Charakteristikum: Neben Dialogveranstaltungen, Ausstellungen oder Informationsbörsen, die beispielsweise in der „Langen der Nacht der Wissenschaft“ oder an „Wissenschaftstagen“ gebündelt werden, sind in jüngster Zeit in dem ohnehin vielfältigen Repertoire Formate vertreten, die von den Beteiligten selbst entwickelt worden sind und die aufgegriffen und systematisch gefördert werden. Seien es Science Slams Festivals – initiiert an Hochschulen – oder Citizen Science bzw. „Bürger schaffen Wissen“ – initiiert u. a. durch Hobby-Wissenschaftler, insbesondere an Naturkundemuseen. Ähnlich wie bei den Museen werden zunächst informelle Veranstaltungen mit stark rezeptivem Charakter zunehmend durch Formate ergänzt, die die aktive und partizipative Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger durch Wettbewerbsprogramme fördern. Als ein wichtiger Akteur ist in diesem Feld die Bundesstiftung Umweltbildung (DBU) zu nennen, die seit ihrer Gründung (1991) bereits 9.000 Projekte zur Umweltbildung mit knapp 1,6 Mrd. Euro förderte, darunter lassen sich zahlreiche an der Schnittstelle von technischer Entwicklung und gesellschaftlicher Partizipation verorten; eine Projektdatenbank mit den von der DBU geförderten und evaluierten Projekte ist unter https://www.dbu.de/ zu finden. Als letztes Beispiel im oft fließenden Übergang von eher non-formalen und informellen Angeboten sind als eher formale Angebote die Schülerlabore zu nennen. Diese wurden in den letzten 15 Jahren aus unterschiedlichen und durchaus ineinander greifenden Motiven gegründet, sei es (a) vor dem Hintergrund der Förderung einer partizipativen Teilhabe an der gesellschaftlich-technischen Entwicklung, (b) als Reaktion auf das schlechte Abschneiden bei internationalen Vergleichsstudien wie PISA und TIMSS, (c) zur Behebung des vorherrschenden Fachkräftemangels oder (d) aus Rekrutierungsgründen für die so genannten MINT-Fächer an den Universitäten (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) (Euler 2005). Entsprechend werden die inzwischen über 300 Schülerlabore als klassische Schülerlabore, Schülerforschungszentren, Lehr-Lern-Labore, Schülerlabore zur Wissenskommunikation, Schülerlabore mit Bezug zum Unternehmertum und Schülerlabore mit Berufsorientierung unterschieden, deren Gründung im Wesentlichen von Forschungseinrichtungen, Universitäten und der Industrie initiiert worden ist (Haupt et al. 2013). Das vielen Schülerlaboren gemeinsame didaktische Konzept des Forschenden Lernens (inquiry-based learning) (Messner 2009) wird neben fachdidaktischen Forschungsfragen auf der theoretischen Basis der Entwicklung des Interesses, des Selbstkonzepts oder anderer pädagogisch-psychologischer Konstrukte untersucht (Brandt 2005; Engeln 2004; Glowinski 2007; Guderian und Primer 2008; Pawek 2012; Vorst et al. 2015). Zu den zahlreichen Initiativen der Wissenschaftskommunikation und gesellschaftlicher Partizipationsmodelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, der sich in jüngster Zeit die „Maker“-Szene hinzugesellte (http://maker-faire.de), liegen ins-
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150 Non-formale und informelle Bildungsangebote gesamt für deren Einschätzung zum Bildungspotenzial nur vereinzelte Studien mit kaum generalisierbaren Ergebnissen vor. Ergänzend zu den evaluierten Projekten der DBU, den fachdidaktischen oder pädagogisch-psychologischen Forschungsvorhaben der Schülerlabore, sei abschließend noch das WiD-Barometer erwähnt, das jährlich mit repräsentativ ausgewählten Telefoninterviews das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit sondiert: In 2015 wünschen sich beispielsweise 40 % der Befragten, die Öffentlichkeit stärker in Entscheidungen über Wissenschaft und Forschung einzubeziehen. In 2014 antworteten immerhin 21 % der Befragten, die neuen Formate der Wissenschaftskommunikation genutzt zu haben, und gaben 40 % der Befragten an, mindestens einmal in Wissenschafts- und Technikmuseen gewesen zu sein (https://www.wissenschaft-im-dialog.de/medien/publikationenfotos-videos/wissenschaftsbarometer-2014/). 3.4.3 Kulturelle Bildungsinitiativen Im Vergleich zu den museumspädagogischen Initiativen und den MINT-Initiativen, die bereits eine extrem heterogene Landschaft mit ihren Bildungspotenzialen sichtbar werden ließen, ist das Feld der kulturellen Bildung, das in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen ist (und wohl weiter wächst), in seiner Vielgestaltigkeit und Vielfalt kaum zu (v)ermessen, jedoch in seinen wesentlichen Prinzipien für die Vermittlungspraxis formuliert (Schorn 2009). Ohne die geschichtlichen, gesellschaftsund kulturpolitischen Linien in diesem Beitrag nachzeichnen zu können, wie sie beispielsweise für die Erwachsenenbildung vorliegt (Fleige et al. 2015), soll folgend hauptsächlich das Förderengagement in den Fokus genommen werden, um dieses Feld grob zu skizzieren. Neben privaten Förderern tritt im öffentlichen Bereich die Bundesregierung mit jugend-, kultur- und bildungspolitischen Projekten hervor, die unter Wahrung der kulturhoheitlichen Rechte der Länder im Feld der kulturellen Bildung tätig ist. So geschieht das beispielsweise ressortübergreifend, wenn das erstmals alle Aspekte umfassende „Handbuch Kulturelle Bildung“ (Bockhorst et al. 2012) von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) mit Unterstützung des BKM (Beauftragte*r für Kultur und Medien) herausgegeben wird, wobei die BKJ, als ein vom Bundesministerium für Familie, Soziales, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderter Dachverband, länderübergreifend die Interessen zahlreicher Verbände oder Vereinigungen aus den Sparten Tanz, Spiel, Theater, Musik, Medien, Museum, Bildende Kunst oder Zirkus vertritt (Wolf 2014). Die BKJ und einige ihrer Mitglieder werden wiederum im Rahmen des BMBF-Programms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ gefördert, das 2013 bis 2017 Mittel von über 230 Mio. Euro bereitstellt, und die insgesamt darauf abzielen, durch kulturelle Bildungsmaßnahmen im Rahmen von Bildungsbündnissen die Bildungsgerechtigkeit zu fördern (http://www.buendnisse-fuer-bildung.de/). Im bundesweiten Förderspektrum sind des weiteren Wettbewerbsprojekte vertreten, wie beispielsweise der 2009 erstmalig vergebene „BKM-Preis kulturelle Bil-
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Initiativen zur Förderung des non-formalen und informellen Lernens 151 dung“ oder der von der Bundesstiftung der Länder vergebene Preis im Rahmen des 2005 gestarteten, jährlich stattfindenden Wettbewerbsprogramms „Kinder zum Olymp“. Allen diesen Programmen ist gemeinsam, die föderal komplexe Bildungslandschaft so zu gestalten, dass an den Schnittstellen von formalen, non-formalen und informellen Lernwelten konstruktive Übergänge mit neuen Bildungspotenzialen entstehen. Die zahlreichen Projekte von Bund, Land, Kommunen sind horizontal oder vertikal unterschiedlich organisiert, ihre Impulse sowie bildungspolitischen Ziele und Programme sowie teilweise damit verbundenen Forschungs- oder Evaluationsprojekte sind u. a. auf der bundesweiten Plattform „Kultur macht Schule“ einsehbar (http://old.kultur-macht-schule.de/index.php?id=743; siehe z. B. Keuchel und Keller 2011; Keuchel und Hill 2013). Informationen über das boomende Forschungsfeld mit seinen bisher vorliegenden Statistiken, seinen Forschungsansätzen und Evaluationsprojekten sowie seinem methodisch breiten Spektrum zwischen Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Kulturwissenschaften bieten weitere, miteinander vernetzte Portale: Hervorzuheben sind dabei die redaktionell begleitete Wissensplattform https://www.kubi-online.de/, auf der u. a. die Beiträge des erwähnten Handbuchs abrufbar sind; die Datenbank des Deutschen Kulturrats https://www.kulturrat.de/publikationen/, die u. a. Publikationen über BMBF-geförderte Studien als Download zur Verfügung stellt; die Homepage des auf eine Stiftungsinitiative zurückgehenden „Rat für Kulturelle Bildung“ http://www.rat-kulturelle-bildung.de/. Darüber hinaus ist das an der Universität Hildesheim lokalisierte „Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung“, http://forschung-kulturelle-bildung.de/ zu erwähnen, das mit verantwortlich zeichnet für die seit 2012 jährlich stattfindenden Netzwerktagungen. Zur Orientierung in der Forschungslandschaft wird an der gleichen Hochschule (http://www. kulturvermittlung-online.de/?navid) eine Datenbank gepflegt mit strukturierten Informationen über zahlreiche Forschungsprojekte durch Stichwortangaben zum Ziel, den zentralen Fragestellungen sowie zum Forschungsdesign. Ergänzend zu den grob skizzierten Netz(werk)aktivitäten liegen Veröffentlichungen vor, die insgesamt den Forschungsboom in diesem Feld spiegeln (z. B. Fuchs et al. 2005; Liebau et al. 2014; Fink et al. 2015). Gegenwärtig zeichnet sich ab, dass sich dieses jüngste Feld mit seinen non-formalen und informellen Bildungspotenzialen in einer sich aktuell formierenden Forschungslandschaft theoretisch wie konzeptionell neu verortet, empirisch-analytisch die Bildungspotenziale stärker auslotet, um insgesamt für die kulturelle Praxis wie für die Politik evidenzbasierte Kenntnisse zur Verfügung stellen zu können. Zusammengefasst zeigt sich mit Blick auf die Merkmale des non-formalen und informellen Lernens, dass die Angebote im Rahmen von Freizeitaktivitäten ein inhaltliches Angebotsspektrum abdecken, dass in formalen Institutionen nicht in dem Maße abgebildet ist und u. a. vor dem Hintergrund der Dynamisierung des Wissens ein Erklärungsmotiv findet; dies gilt insbesondere für den Abschnitt 3.4.2.
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152 Non-formale und informelle Bildungsangebote Darüber hinaus zeigt sich in allen drei Feldern, dass gegenwärtig Bildungs- wie Unterhaltungsmotive sowie das Bedürfnis nach sozialer Interaktion die didaktische Struktur der Settings prägen. Edutainmentelemente werden entweder seitens der Anbieter berücksichtigt oder sie finden sich in Angeboten, in denen Teilnehmende selbst Akteure sind: Sei es, indem das Interesse niedrigschwellig und humorvoll angesprochen wird wie bei den „Ich-kann-nicht-singen-Chören“; sei es in den Formaten von Citizen Science, der Maker-Szene oder an Museen mit selbst konzipierten Führungen in zwanglos organisierten Gesprächskreisen, die autonom und in Absprache mit dem Museum durchgeführt werden. Dabei ist entscheidend, dass die Teilnehmenden freiwillig und interessegeleitet diese Angebote nutzen – sei es aus Neugierde, mit dem Wunsch nach Austausch oder zur Ausübung eines Hobbys usw. – und den Grad ihrer Mitwirkung selbst festlegen können. Neben diesen besonderen Merkmalen des free choice sind auch die anderen Merkmale des restricted choice (bei Übungen) oder no choice (bei Führungen) vorzufinden (Bamberger und Tal 2007). In der komplexen Infrastruktur der non-formalen Angebote zeichnen Firmen, Vereine, kommunale Träger, Museen, Universitäten, private Träger oder Stiftungen für die Angebote verantwortlich. Als roter Faden zieht sich durch alle beschriebenen Initiativen das Ziel der Bildungsgerechtigkeit und Partizipation, das jeweils spezifisch als Gründungsmotiv ausformuliert vorliegt; die jüngsten bundespolitischen Programme sowie die Forschungsinitiativen im Feld der kulturellen Bildung geben Hinweise darauf, dass dieses Ziel noch nicht eingelöst ist (http://www.gbv.de/dms/ weimar/toc/777402270_toc.pdf ). Insbesondere für die Felder der Wissenschaftskommunikation und der kulturellen Bildung sind Stiftungen nicht nur impulsgebend, sondern sie versuchen darüber hinaus sie zu konsolidieren, wie jüngste Initiativen zeigen: Neben dem Stiftungsverbund, der seit 2012 den Rat für Kulturelle Bildung fördert mit dem Ziel, die kulturelle Bildung durch wissenschaftliche Begleitprogramme gesellschaftlich breit zu verankern, ist die Tschira-Stiftung zu nennen, mit deren Mitteln 2013 ein nationales Institut für Wissenschaftskommunikation gegründet werden konnte.
3.5 Ausblick und Zukunftsperspektiven Die vorliegende Bestandsaufnahme belegt das dichte und vielschichtige Netz nonformaler und informeller Angebote, die in Deutschland zur Verfügung stehen, um Wissen und Kompetenzen auch außerhalb von Schule und Hochschule zu erwerben und zu vertiefen. Viele Träger dieser Angebote sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Bildungslandschaft. Dies gilt für außerschulische Lernorte wie Volkshochschulen und Musikschulen, Museen, Zoos oder Theaterhäuser ebenso wie für etablierte Formen der Massenkommunikation, insbesondere Radio und Fernsehen
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Ausblick und Zukunftsperspektiven 153 sowie Printmedien. Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren neue Orte oder auch Bündnisse zur Wissensvermittlung hinzugekommen, beispielsweise Science Center oder neue Initiativen zur kulturellen Bildung. Eine fundamentale Transformation der informellen Bildungslandschaft ergibt sich zudem aus der mittlerweile flächendeckenden Verfügbarkeit des Internets. Hier haben sich neue Formen non-formaler und informeller Bildungsangebote etabliert, unter anderem Wikipedia, Online-Zeitschriften oder MOOCs, die die traditionellen Formen teilweise ergänzen, teilweise aber auch in Konkurrenz zu ihnen stehen. Der mit der Digitalisierung verbundene Transformationsprozess ist bei weitem noch nicht abgeschlossen, sondern wird durch zunehmend höhere Speicherkapazitäten und schnellere Rechnerleistung ebenso befördert wie durch die Entwicklung innovativer Eingabe- und Ausgabetechnologien. Delphi-Studien wie der jährlich erscheinende Horizon-Report des New Media Consortium (http://www.nmc.org/nmchorizon/) oder die im Auftrag des BMBF erstellte Foresight-Studie „Gesellschaftliche Veränderungen 2030“ (Zweck et al. 2015) prognostizieren deshalb für den nonformalen und informellen Lernbereich die zunehmende Verbreitung fortgeschrittener digitaler Technologien wie Augmented Realities (d. h. die Überlagerung des realen Sichtfelds mit zusätzlichen grafischen Einblendungen), gestische Steuerung, 3D-Druck oder „intelligente Dinge“. Begleitet werden diese Entwicklungen durch eine Vielzahl von Initiativen zur Förderung des informellen Lernens sowohl im naturwissenschaftlich-technischen als auch im kulturellen Bereich. Sie sollen nicht nur die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen und kulturellen Themen stimulieren, sondern dienen gleichzeitig auch als Experimentierfeld für innovative didaktische Konzepte mit dem Ziel einer zeitgemäßen und zielgruppenspezifischen (insbesondere auch bildungsferne Bevölkerungsgruppen ansprechenden) Wissensvermittlung. Eines dieser Experimentierfelder betrifft die Verknüpfung von Unterhaltungs- und Lernangeboten, beispielsweise durch Einbettung von Lerninhalten in unterhaltsame „stories“ oder durch den Einbezug von spielerischen Elementen (gamification) bzw. (zumeist digitalen) umfassenden Lernspielen (game-based learning) (Glaser et al. 2012). Ein zweiter Bereich betrifft die Förderung einer aktiven Auseinandersetzung mit Lernthemen durch Verknüpfung von Wissenserwerb und Wissensgenerierung. Prototypisch sei hierfür das Konzept von Citizen Science genannt, bei dem sich interessierte Laien mittels Feldbeobachtung oder Datensammlung und -analyse an wissenschaftlichen Forschungsprojekten beteiligen und damit gleichzeitig ein tieferes Verständnis für die Forschungsmethoden und -inhalte erwerben (► Kap. 27). Vergleichbare Ansätze werden im Bereich von Museen und Ausstellungen unter der Rubrik des „partizipativen Museums“ diskutiert (Gesser et al. 2012; Simon 2010). Ein dritter Bereich betrifft schließlich die Frage der Individualisierung und Personalisierung von Lernangeboten, um die im informellen Bereich weitgehend selbst gesteuerten Lernprozesse angemessen zu unterstützen. Beispiele sind digitale Führer in Museen,
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154 Non-formale und informelle Bildungsangebote die Besucher*innen auf ihre spezifischen Interessen zugeschnittene Informationen zu einzelnen Exponaten präsentieren oder ihnen aufgrund ihres bisherigen Gangs durch eine Ausstellung weitere Exponate vorschlagen, die sie interessieren könnten (Kuflik et al. 2011; Li und Liew 2015). Insbesondere in ihren Anforderungen an metakognitive Fertigkeiten und motivationale und volitionale Aspekte unterscheiden sich informelle Lernangebote stark von formellen Lernsettings. Fragen des informellen Lernens sind deshalb in den letzten Jahren zunehmend in den exemplarisch skizzierten Feldern (► 3.4.1 bis 3.4.3) in den Fokus pädagogisch-psychologischer Forschung geraten (Bell et al. 2009; Falk und Dierking 2012; Schwan, Grajal et al. 2014). Dabei geht es einerseits darum, inwieweit sich etablierte, zumeist am formalen Lernen orientierte Modelle der Informationsverarbeitung und des Wissenserwerbs auf informelle Lernsettings übertragen lassen, andererseits um die Identifikation neuer, von traditionellen Ansätzen vernachlässigter Forschungsfragen, die spezifisch für informelle Lernsettings sind (Lewalter und Schwan 2017). Gefördert wird dies auch durch die Entwicklung neuer methodischer Verfahren, die es erlauben, Daten zu Verhalten, Kognitionen und Affekten unter ökologisch validen Bedingungen an informellen Lernorten zu erheben (Eghbal-Azar und Widlok 2013; Tröndle et al. 2014). Für die Zukunft ist deshalb eine stärkere Integration pädagogisch-psychologischer Ansätze zum formalen und informellen Lernen zu erwarten.
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| 161 4 Bildungsort Familie Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:39 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Sabine Walper und Mariana Grgic
Zusammenfassung Trotz ihres merklichen Strukturwandels ist die Familie als Ort des informellen Lernens nicht nur der früheste Bildungsort, sondern auch derjenige, der Kinder und Jugendliche am dauerhaftesten und umfassendsten beeinflusst. Bildungsrelevante Einflüsse der Familie sind eingebettet in vielfältige Prozesse familialer Sozialisation, die hier zunächst aus einer bereichsspezifischen und entwicklungsbezogenen Perspektive beleuchtet werden. So vollzieht sich der Kompetenzerwerb von Kindern im Kontext familialer Bindungs- und Kooperationsbeziehungen, die Schutz vermitteln, Spielräume für Exploration eröffnen und die Kooperationsbereitschaft von Kindern stärken. Die Kompetenzentwicklung wird gefördert durch (alters-)angemessene Verhaltensanforderungen im Kontext elterlicher Lenkung und Kontrolle, die im Verbund mit hoher Responsivität bzw. Wärme den besonders entwicklungsförderlichen autoritativen Erziehungsstil charakterisiert. Nicht zuletzt profitiert die Kompetenzentwicklung von elterlichem Instruktionsverhalten, das sich dem Entwicklungsstand und den Verstehensmöglichkeiten der Kinder anpasst. Auch die Teilhabe von Kindern an familialen Routinen und Ritualen, die das Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl stärken, bietet Gelegenheitsstrukturen zur Vermittlung bildungsrelevanter Erfahrungen. Die Ausgestaltung dieser Prozesse wird beeinflusst durch familiale Ressourcen, die von den sozioökonomischen Lebensbedingungen über familienstrukturelle Merkmale bis zur Gesundheit der Eltern reichen. Vor allem die Bedeutung sozioökonomischer und damit verbundener kultureller Ressourcen für die Kompetenzentwicklung von Kindern und Jugendlichen wird in zahlreichen Studien hervorgehoben. Entsprechende Einflüsse der sozialen Herkunft zeigen sich in den Kompetenzen, die in der Familie vermittelt werden (primäre Herkunftseffekte), darüber hinaus aber auch in den Bildungsentscheidungen, durch die Eltern ihren Kindern den Zugang zu außerfamilialen Bildungsangeboten eröffnen (sekundäre Herkunftseffekte). Unterschiedlich verlaufende Bildungsbiografien sind demnach sowohl ein Ergebnis von kompetenzbedingten Herkunftseffekten als auch von unterschiedlichen Bildungsentscheidungen der Familie.
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162 Bildungsort Familie Bezüge der Familie zu anderen Bildungsinstitutionen manifestieren sich zunächst in diesen Bildungsentscheidungen, etwa bei der Schulwahl am Übertritt in die Sekundarstufe, mit der die intergenerationale Kontinuität von Bildungsabschlüssen verstärkt wird. Direktere Formen der Elternbeteiligung werden im Zuge der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Bildungseinrichtung und Elternhaus eröffnet. Kennzeichnend für die elterliche Involviertheit in schulische Belange der Kinder ist sowohl das Engagement von Eltern im Kontext der Schule (school-based involvement) als auch die Lernförderung durch die Eltern im häuslichen Kontext (home-based involvement). Entsprechende Programme zur Stärkung der elterlichen Involviertheit scheinen auch dazu beizutragen, schulische Leistungen der Kinder zu fördern. Im Entwicklungsverlauf der Kinder kommen vielfältige Aspekte der direkten und indirekten Kompetenzförderung durch die Eltern zum Tragen. Wie die ausführliche Darstellung aufzeigt, reichen diese von der frühen Sprachförderung im reziproken Austausch mit dem Säugling über die Vermittlung von schulischen Vorläuferfähigkeiten im Kindergartenalter, die Begleitung und Unterstützung des schulischen Lernens bis hin zur Beratung bei Berufswahl-Entscheidungen. Hierbei können Eltern auf vielfältige Beratungsangebote zurückgreifen, die sie in ihrer Rolle als Bildungsbegleiter ihrer Kinder unterstützen. Wesentliche Bemühungen sind hierbei auf die Reduktion sozialer Disparitäten ausgerichtet.
4.1 Zur Einführung: Familien in Deutschland Die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen sowie bildungsrelevanten Einstellungen, Interessen und Motiven beginnt früh im Verlauf der menschlichen Entwicklung und vollzieht sich zunächst in aller Regel im Kontext der Familie, jenem primären Entwicklungskontext, dem eine paradigmatische Bedeutung als Sozialisations- und mithin auch Bildungskontext zukommt, stellt die Familie doch einen zentralen Ort für den lebenslangen Prozess der Entwicklung personaler Kompetenzen und sozialer Handlungsfähigkeit dar (Walper, Langmeyer et al. 2015). Auch wenn sich dieser „Ort“ nicht per se auf den gemeinsamen Haushalt reduzieren lässt und entsprechend nur bedingt raum-zeitlich eingrenzen lässt, bietet er dennoch wie kaum ein anderer über die Lebensspanne hinweg den Rahmen und Kontext für wechselseitige Einflüsse und Lernprozesse zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln, Geschwistern und weiteren Angehörigen der Familie. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen Einflüsse der Familie, insbesondere der Eltern, auf Bildungsprozesse im Kindes- und Jugendalter. Hierbei legen wir einen breiten Bildungsbegriff zugrunde, der neben dem Erfolg im Bereich formaler und zertifizierter Bildung auch informelle Lernprozesse im Kontext der Familie in den Blick nimmt. Besonderes Augenmerk gilt dem Einfluss der Familie auf die schuli-
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Zur Einführung: Familien in Deutschland 163 sche Entwicklung von Kindern, aber auch frühere Entwicklungsphasen sowie der Übergang in Ausbildung und Beruf werden berücksichtigt (► 4.3). Während die Frage nach Einflüssen der Familie auf die Kompetenzentwicklung von Kindern und Jugendlichen eine traditionsreiche Geschichte innerhalb der Entwicklungspsychologie hat und auch in der Soziologie vielfach aufgegriffen wurde, ist sie in der pädagogischen Forschung erst in jüngerer Vergangenheit in den Mittelpunkt gerückt worden. Wesentlichen Anstoß für ein vermehrtes Interesse an Bildungsprozessen in der Familie hat die PISA-Studie gegeben, die im internationalen Vergleich außergewöhnlich starke Einflüsse der sozialen Herkunft auf die Kompetenzentwicklung von Jugendlichen in Deutschland aufgezeigt hat (Baumert und Schümer 2001). Seither wurde die Bedeutung sozialer Disparitäten für Bildungsverläufe in unserem Bildungssystem intensiv diskutiert, um entsprechende Einflüsse innerhalb der Familien, aber auch den Beitrag der Bildungsinstitutionen auszuloten (Baumert et al. 2003; Ditton et al. 2005; Müller und Ehmke 2013). Allerdings ist mit der sozialen Herkunft nur ein – wenngleich wesentlicher – Aspekt familialer Ressourcen angesprochen. Bevor wir in Abschnitt 4.2 relevante theoretische Perspektiven für eine differenzierte Betrachtung familialer Einflüsse auf Bildungsprozesse im Kindes- und Jugendalter diskutieren und in Abschnitt 4.3 entsprechende empirische Befunde zu familialen Einflüssen auf Bildungsprozesse in unterschiedlichen Entwicklungsphasen vorstellen, soll zunächst auf den Wandel von Familienformen in Deutschland eingegangen werden. Der letzte Abschnitt zieht ein abschließendes Fazit, wobei auch auf Angebote zur Stärkung des Bildungspotenzials von Familien eingegangen wird. 4.1.1 Vielfalt und Wandel von Familien Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte hat sich ein beträchtlicher Wandel privater Lebensformen vollzogen, der sowohl am Rückgang von Familienhaushalten als auch an deren Strukturwandel abzulesen ist. Als Folge der demografischen Entwicklung lebt seit dem Jahr 2012 erstmals weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Familien mit Kindern, wobei der Anteil von Familien mit Kindern in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund deutlich höher ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Gleichzeitig ist die Diversität von Familien gestiegen. War in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts die eheliche Kernfamilie mit gemeinsamen leiblichen Kindern der zentrale Bezugspunkt der Familienforschung, so hat sich dieser Fokus schon zwei Jahrzehnte später als deutlich zu eng erwiesen. Viele Familienformen, die vom „Normalitätsentwurf“ der verheirateten Kernfamilie abweichen, haben zahlenmäßig an Gewicht gewonnen (Peuckert 2012). Im Zuge steigender Scheidungsraten ist insbesondere die Zahl Alleinerziehender merklich gestiegen. Im Jahr 2014 waren immerhin 1,64 Mio. bzw. 20 % aller Haushalte mit minderjährigen Kindern in Deutschland Ein-Eltern-Haushalte (Statistisches Bundesamt 2015). Ebenfalls zugenommen hat ledige Elternschaft – ein typischer Ent-
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164 Bildungsort Familie stehungshintergrund für Ein-Eltern-Familien. So hat sich zwischen 1995 und 2010 der Prozentsatz nicht-ehelich geborener Kinder mehr als verdoppelt. Allerdings werden heute Kinder unverheirateter Eltern mit 80 % weit überwiegend in einem Paarhaushalt geboren (vgl. Walper, Langmeyer et al. 2015). Zudem sind nicht alle Zwei-Eltern-Familien Kernfamilien. Nach Daten des Gender and Generations Survey (GGS) aus dem Jahr 2005 sind in Deutschland 13,6 % aller Haushalte mit minderjährigen Kindern primäre Stieffamilien, d. h. mindestens ein Kind lebt in einer zwei-Eltern-Konstellation, bei der nur ein Elternteil leibliche Mutter oder leiblicher Vater ist, während der andere als neuer Partner des leiblichen Elternteils hinzugekommen ist (Steinbach 2008). Hinzu kommen sekundäre Stieffamilien, bei denen mindestens ein Partner weitere Kinder außerhalb des Haushalts hat. Insgesamt variieren die Schätzungen zur Zahl von Stieffamilien in Deutschland und liegen zwischen 10 und 13 % in den alten Bundesländern sowie 12 und 18 % in den neuen Bundesländern (BMFSFJ 2013). Auch die Reproduktionsmedizin trägt zu Veränderungen bei. Kinder, die durch eine Fremdsamenspende gezeugt und in einer Ehe geboren wurden (letzteres ist in Deutschland die Voraussetzung für eine Samenspende), finden sich – genetisch betrachtet – in einer ähnlichen Konstellation wie Stiefkinder. Allerdings ist in diesem Fall – anders als in Stieffamilien – der nicht-leibliche Vater durch die Ehe mit der Mutter des Kindes auch rechtskräftiger Elternteil. Leibliche, soziale und rechtliche Elternschaft müssen also keinesfalls übereinstimmen. Entsprechend komplex und wandelbar ist die Bestimmung von „Familie“. Die Haushaltszusammensetzung, die der amtlichen Statistik als Kriterium dient, reflektiert nur bedingt die rechtlichen, ökonomischen und alltagspraktischen Verflechtungen von Familien. Vor allem bei einer Trennung der Eltern, aber auch z. B. bei berufsbedingter separater Haushaltsführung der Partner spannt sich das Familienleben über mehrere Haushalte auf. Selbst die psychologische Familie, die durch das subjektive Gefühl der Zugehörigkeit konstituiert wird, ist kein eindeutiges Kriterium, da sie nicht für alle Familienmitglieder identisch sein muss. Dass das Verständnis dessen, was eine Familie ist, einem merklichen Wandel unterliegt und damit veränderte Perspektiven und Normen reflektiert, zeigt sich nicht nur in wissenschaftlichen Definitionen, sondern auch in Bevölkerungsumfragen. Nach Daten des Instituts für Demoskopie Allensbach waren Alleinerziehende mit ihren Kindern im Jahr 2000 nur für 40 % der Befragten eine Familie, wurden aber zwölf Jahre später schon von knapp 60 % der Befragten so eingestuft. Für unverheiratet zusammenlebende Paare mit Kindern stieg die Zuschreibung, eine Familie zu sein, von 53 % auf 71 %. Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern wurden im Jahr 2012 von über 40 % der Befragten als Familie eingestuft (Institut für Demoskopie Allensbach 2012). Während in der Bevölkerung auch der Bestand einer Partnerschaft noch höheres Gewicht hat, besteht in wissenschaftlichen Definitionen Konsens hinsichtlich des Strukturmerkmals, dass eine Familie zwei oder
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Zur Einführung: Familien in Deutschland 165 mehr Generationen umfasst. Aber auch auf die Qualität der Beziehungen und die Leistungen von Familien wird Bezug genommen. So bestimmt Hofer (2002, 6) Familien als „eine Gruppe von Menschen, die durch nahe und dauerhafte Beziehungen miteinander verbunden sind, die sich auf eine nachfolgende Generation hin orientiert und die einen erzieherischen und sozialisatorischen Kontext für die Entwicklung der Mitglieder bereitstellt.“ 4.1.2 Trends in den Lebenslagen von Familien Während die Rezession um 2008 in vielen europäischen Ländern hohe Arbeitslosenquoten zur Folge hatte, zeigte sich in Deutschland ein gegenläufiger Trend. Nach Spitzenwerten in den Jahren 1995 und 2005 ist die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2012 auf einen Tiefstwert von 6,8 % gesunken (BMAS 2013, V). Zudem sank der Anteil derer, die auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (Hartz IV) angewiesen waren, in Deutschland von 9,7 % in 2007 auf 8,2 % im Jahr 2012 (BMAS 2013, VII). Auch für Kinder unter 15 Jahren sank die Abhängigkeit von Sozialhilfe leicht, blieb aber mit rund 16 % deutlich über der Sozialhilfeabhängigkeit unter Erwachsenen (ebd., XXIX). Insbesondere junge Kinder sind häufiger von Armut betroffen. Trotz der insgesamt günstigen Entwicklung erweisen sich die Lebenslagen in Deutschland also als durchaus heterogen, umso mehr, wenn man nicht nur die Einkommenslagen, sondern auch die Vermögen betrachtet (BMAS 2013). Nimmt man das Aufwachsen von Kindern hinsichtlich spezifischer Risikolagen in den Blick, so wuchsen im Jahr 2014 19 % der unter 18-Jährigen in einer finanziellen Risikolage auf, d. h. in armutsgefährdeten Familien. 11 % lebten in einem bildungsfernen Elternhaus, d. h. beide Elternteile verfügten nicht über einen beruflichen bzw. höheren schulischen Abschluss. Knapp 10 % der unter 18-Jährigen waren einer sozialen Risikolage ausgesetzt, da kein Elternteil Zugang zum Arbeitsmarkt und damit zu entsprechenden Ressourcen gesellschaftlichen Lebens hatte. Während seit 2005 das Aufwachsen in sozialen und bildungsbezogenen Risikolagen seltener geworden ist, hat sich die Armutsgefährdung bei Kindern kaum verringert. Trotz dieser Veränderungen sind verschiedene Gruppen von Kindern immer noch deutlich häufiger von Risikolagen betroffen. Kinder von Alleinerziehenden (60 %), Kinder mit Migrationshintergrund (44 %), insbesondere jene türkischer (62 %) oder asiatischer Herkunft (69 %), sind deutlich häufiger von mindestens einer Risikolage betroffen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 27ff). Gleichzeitig variieren die wirtschaftlichen Bedingungen und damit die Lebenslagen von Familien deutlich zwischen unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Trotz des wirtschaftlichen Wachstums in Ostdeutschland seit der Vereinigung ist Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland noch weiter verbreitet. Zwischen 1997 und 2005 lagen die Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland zwischen 18 und 20 %, und im Jahr 2012 übertraf sie mit 11,9 % immer noch merklich den Bundesdurchschnitt
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166 Bildungsort Familie (Bundeszentrale für politische Bildung 2013, 124). Während in den ostdeutschen Ländern unter 18-jährige Kinder dementsprechend überdurchschnittlich häufig in armutsgefährdeten Familien aufwachsen, leben dort (mit Ausnahme Berlins) unterdurchschnittlich wenige Kinder in bildungsfernen Elternhäusern. Dieser OstWest-Vergleich gibt nur einen groben Einblick in regionale Unterschiede, denn selbst innerhalb ressourcenstarker Bundesländer wie Bayern finden sich noch starke regionale Disparitäten in der ökonomischen Situation von Familien (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016).
4.2 Theoretische Perspektiven auf Familie als Bildungsort Theoretische Perspektiven auf Familien als Kontext von Bildungsprozessen lassen sich in unterschiedlichen Disziplinen verorten, insbesondere in der Psychologie und Soziologie, aber auch in den Erziehungswissenschaften oder der Bildungsökonomie. Eine integrierte Sichtweise erfordert somit einen interdisziplinären Zugang, der die Vielfalt unterschiedlicher Prozesse und Faktoren berücksichtigt und einordnet. Zu Beginn dieses Abschnitts soll eine solche breit angelegte Perspektive vorgestellt werden, die sich um eine Systematisierung unterschiedlicher Perspektiven auf Prozesse und Faktoren familialer Sozialisation bemüht. Während hierbei das Hauptaugenmerk auf die Ausgestaltung bildungsrelevanter Prozesse im Kontext der Familie gerichtet ist, werden anschließend relevante Ressourcen von Familien diskutiert und Wechselbezüge zwischen Familien und anderen Bildungsinstitutionen aufgezeigt. 4.2.1 Eine bereichsspezifische Perspektive auf familiale Sozialisation Eltern übernehmen im Verlauf der kindlichen Entwicklung unterschiedliche Funktionen und gestalten eine Vielzahl von Prozessen, die direkt oder indirekt der kindlichen Kompetenzentwicklung dienen (vgl. Walper, Langmeyer et al. 2015). Mit Blick auf Bildungsprozesse der Kinder gilt dies besonders deutlich für Bemühungen der Eltern in der Anleitung und Instruktion ihrer Kinder bei der Bewältigung mehr oder minder alltäglicher Aufgaben, etwa beim Laufenlernen, beim Klettern auf dem Spielplatz oder bei ersten Schreibübungen (Hood et al. 2008; vgl. auch Bornstein 2002). Sehr intensiv wurde dies in Bezug auf den Schriftspracherwerb und die Bewältigung schulischer Aufgaben untersucht, wobei die Wirkung unterschiedlicher Strategien der Eltern in der Anleitung und Lernbegleitung ihrer Kinder im Mittelpunkt der Fragestellungen stehen (► 4.3.2 und 4.3.3). Darüber hinaus fungieren Eltern aber auch als Erzieher, die sich vor dem Hintergrund ihrer Erziehungsziele darum bemühen, Einfluss auf das Verhalten und die Einstellungen ihrer Kinder zu nehmen. In langer Tradition hat die Erziehungsforschung den Fokus auf Erziehungsstile gerichtet, also auf Muster elterlicher Ver-
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Theoretische Perspektiven auf Familie als Bildungsort 167 haltensweisen und Einstellungen in der Erziehung ihrer Kinder (Baumrind 1991; Steinberg 2001). Zwei grundlegende Dimensionen des elterlichen Verhaltens haben sich hierbei als relevant erwiesen: Zum einen Wärme bzw. Responsivität gegenüber Bedürfnissen des Kindes, zum anderen Lenkung bzw. Kontrolle des kindlichen Verhaltens (vgl. Walper, Langmeyer et al. 2015). Ein hohes Maß an Responsivität bei klaren Regeln und Anforderungen an kompetentes Verhalten der Kinder charakterisieren den autoritativen Erziehungsstil, der sich im Vergleich zu den drei anderen Erziehungsstilen, insbesondere einem autoritären oder vernachlässigenden, aber auch einem verwöhnenden Erziehungsstil, als besonders entwicklungsförderlich erwiesen hat (Baumrind 1991; Steinberg 2001). Autoritativ erzogene Kinder und Jugendliche zeigen eine positivere Verhaltensentwicklung, sind emotional stabiler, bei Gleichaltrigen beliebter und erbringen bessere Leistungen in der Schule als nicht autoritativ erzogene Kinder und Jugendliche (Hoeve et al. 2009; Lee et al. 2006; Steinberg 2001). Längsschnittliche Befunde verweisen allerdings auf die wechselseitige Dynamik zwischen Erziehungsverhalten und Verhaltensentwicklung der Kinder (Noack und Kracke 2003). So finden sich nicht nur positive Effekte autoritativer Erziehung auf eine geringere Delinquenz und Gewaltbereitschaft Jugendlicher, sondern auch Rückwirkungen eines erhöhten Problemverhaltens der Jugendlichen auf weniger autoritatives Erziehungsverhalten der Eltern. Nicht zuletzt fungieren Eltern als primäre Bindungspersonen, die auf Bindungsbedürfnisse ihrer Kinder eingehen, indem sie Schutz und Unterstützung gewähren. Die Qualität dieser Bindungsbeziehungen stellt eine zentrale Ressource für die Emotionsregulation der Kinder in belastenden Situationen und darüber hinaus für deren sozioemotionale Entwicklung dar (Grossmann und Grossmann 2012; Weinfield et al. 2008). Ab dem zweiten Lebensjahr bis ins Jugend- und Erwachsenenalter lassen sich drei Bindungstypen differenzieren, die zwar durchaus stabil, aber auch erfahrungsbedingt veränderbar sind: eine sichere Bindung, die für ein hohes Maß kindlichen Vertrauens in Schutz und Unterstützung durch die Bindungsperson spricht, eine unsicher-vermeidende Bindung und eine unsicher-ambivalente Bindung. Zusätzlich finden sich desorganisierte Bindungsmuster, die sich als besonders nachteilig erweisen, während eine sichere Bindung vielfältige Vorteile für die Emotionsregulation und Sozialentwicklung der Kinder mit sich bringt (z. B. Grossmann und Grossmann 2012). Zahlreiche Studien zeigen, dass eine sichere Bindung vor allem durch eine hohe Feinfühligkeit der Eltern gegenüber den vom Kind signalisierten Bedürfnissen in bindungsrelevanten Situationen begünstigt wird (De Woolff und van Ijzendoorn 1997; Grossmann und Grossmann 2012). Wenngleich das Hauptaugenmerk der Bindungsforschung den Einflüssen der Bindungsqualität auf die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern gilt, wurde auch deren Bedeutung für die Sprachentwicklung aufgezeigt (Korntheuer et al. 2007). In der aktuellen Diskussion um die frühkindliche Bildung spielen bindungstheoretische Überlegungen eine zentrale Rolle (Becker-Stoll et al. 2009).
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168 Bildungsort Familie Mit noch breiterem Blick auf Prozesse familialer Sozialisation haben sich Grusec und Davidov (2010) um eine Differenzierung und Systematisierung unterschiedlicher sozialisatorischer Prozesse bemüht und hierbei eine bereichsspezifische Sichtweise vorgeschlagen. Vor dem Hintergrund evolutionspsychologischer Überlegungen und mit Bezug auf bewährte theoretische Perspektiven in der Sozialisationsforschung haben sie eine Systematik herausgearbeitet, die zentrale Bereiche elterlichen Handelns umfasst. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sehen sie fünf Sozialisationsbereiche als universelle Bestandteile elterlicher Aufgaben, die mit je spezifischen Arten der Eltern-Kind-Beziehung, spezifischen Zielen des entsprechenden Elternverhaltens und unterschiedlichen Sozialisationsmechanismen verbunden sind (vgl. auch Walper, Langmeyer et al. 2015). Vier dieser Bereiche wurden schon angesprochen, zwei im Kontext der Erziehungsforschung. Als erstes im Entwicklungsverlauf der Kinder wird die Gewährung von Schutz relevant, wie sie im Kontext der Bindungstheorie thematisiert wird. Entsprechendes Elternverhalten dient dazu, Stress des Kindes in belastenden Situationen zu verringern und trägt so dazu bei, kindliches Vertrauen in die Verfügbarkeit von Schutz vor Gefahr und Überlastung aufzubauen. Der zweite Bereich knüpft an die angeborene Tendenz zum wechselseitigen Austausch im Geben und Nehmen an und bezieht sich auf die Einübung von Reziprozität und Kooperation in einer eher gleichberechtigten Austauschbeziehung. Indem Eltern responsiv auf Bitten des Kindes und dessen Versuche der Einflussnahme eingehen und diese aufgreifen, wird Reziprozität im Interaktionsgeschehen etabliert und die Kooperationsbereitschaft der Kinder gefördert. Mit Blick auf die Responsivität von Eltern wird dieser Bereich auch in der Erziehungsforschung thematisiert und erweist sich auch hierfür als relevant. So zeigt sich etwa, dass Kinder mit größerer Bereitschaft den Aufforderungen ihrer Mütter folgen, wenn die Mütter ihrerseits im Alltag häufiger auf die Aufmerksamkeitssuche und Bitten der Kinder eingehen (Davidov und Grusec 2006). Der dritte Bereich, der mit der Rolle von Eltern als Erzieher ebenfalls zuvor schon angesprochen wurde, betrifft die elterliche Kontrolle, die der Sicherung von kulturell und sozial angemessenem Verhalten der Kinder dient und auf den Erwerb von Selbstkontrolle der Kinder durch die Internalisierung elterlicher Verhaltensanforderungen abzielt. Anders als Reziprozität vollzieht sich Kontrolle im Kontext einer hierarchischen Beziehung zwischen Eltern und Kind, muss aber, um erfolgreich zu sein, ebenfalls Dispositionen der Kinder und deren Bereitschaft zur Einwilligung (compliance) berücksichtigen, damit der Internalisierungsprozess nicht durch übermäßige Bedrohung kindlicher Autonomiebedürfnisse gefährdet wird. So zeigt sich etwa, dass Mütter eher in der Lage sind, anfängliche Widerstände des Kindes erfolgreich zu überwinden und die Kooperation des Kindes zu gewinnen, wenn sie sich der wahrscheinlichen Reaktionen ihrer Kinder auf Disziplinierungsversuche bewusst sind (Davidov und Grusec 2006). Der vierte Bereich bezieht sich auf die eingangs erwähnte Anleitung von Lernprozessen, die der gezielten Vermittlung von Kompetenzen dient und sich im Rahmen
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Theoretische Perspektiven auf Familie als Bildungsort 169 einer Art Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Eltern und Kind vollzieht. Um eine Internalisierung der vermittelten Lerninhalte und Verfahrensweisen zu erreichen, sind Eltern darauf angewiesen, ihre Anleitung beziehungsweise ihr Instruktionsverhalten den jeweiligen Verstehensmöglichkeiten des Kindes im Kontext seines gegenwärtigen Entwicklungsniveaus und seiner aktuellen Verfassung anzupassen. Schließlich stellt der fünfte Bereich die Teilhabe des Kindes am Gruppengeschehen in der Familie in den Vordergrund, die es den Kindern ermöglicht, durch Beobachtung und Partizipation in die Gemeinschaft hinein zu wachsen. Eltern fördern diesen Prozess, indem sie ihren Kindern Möglichkeiten der Teilhabe an gemeinschaftlichen Praktiken wie Familienmahlzeiten oder alltäglichen wie auch festlichen Ritualen eröffnen (Fiese et al. 2002). Im Sozialisationsverlauf dient dies dem Aufbau einer zunehmend gefestigten Identität als Mitglied dieser Gruppe. Wenngleich Grusec und Davidov (2010) den Fokus auf den Beitrag der Eltern im Sozialisationsprozess richten, betonen sie doch durchgängig die aktive Rolle der Kinder beziehungsweise Heranwachsenden am Sozialisationsgeschehen, die Eltern angemessen aufgreifen und einbeziehen müssen. Vor allem gelte es, im Blick zu behalten, welcher Sozialisationsbereich in der gegebenen Situation thematisch angesprochen ist. Entsprechend dysfunktional dürfte es sein, wenn Eltern auf Bemühungen des Kindes um einen reziproken Austausch in einer Spielsituation direktiv mit didaktischer Anleitung reagieren. Dieser Ansatz bietet eine integrative Perspektive, die unterschiedliche Aspekte familialer Sozialisation systematisiert und ein besseres Verständnis der Spezifität relevanter Prozesse ermöglicht. Mit breitem Blick auf die kindliche Kompetenzentwicklung lassen sich alle genannten Facetten familialer Sozialisation als bildungsrelevant ausmachen. 4.2.2 Die entwicklungsbezogene Perspektive Schon die bisherigen Ausführungen verweisen darauf, dass Verhaltensweisen und Strategien der Eltern in der Regel vom Entwicklungsstand der Kinder abhängig sind. Während der Aufbau der Bindungsbeziehung ab Geburt des Kindes beginnt, kommen Bemühungen der erzieherischen Einflussnahme in der Regel erst später ins Spiel. Als grober Schrittmacher lassen sich Entwicklungsaufgaben ausmachen, die sich aus dem Zusammenspiel kultureller Normen für altersgradierte Entwicklungsschritte und dem jeweiligen Entwicklungsstand des individuellen Kindes ergeben. So stellen sich im Jugendalter mit zunehmender Autonomiegewinnung und steigender Orientierung an Gleichaltrigen andere Entwicklungsaufgaben als in der frühen Kindheit, in der die Einübung grundlegender Fertigkeiten im Vordergrund steht. Ähnlich geht das Konzept der „Familienkarriere“ oder des „Familienzyklus“ davon aus, dass der Lebenszyklus einer Familie – wie der eines Menschen – einer typischen Entwicklungssequenz folgt (vgl. auch Kreppner und Lerner 1989/2016). Der Übergang von einer Phase in die nächstfolgende wird ausgelöst durch Veränderungen in den kindlichen Bedürfnissen und Kompetenzen, in den elterlichen
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170 Bildungsort Familie Rollenvorstellungen und Selbstbildern sowie in den wechselseitigen Erwartungen von Eltern und Kindern an die Beziehung(spartner). Auch wenn nicht alle Familien sämtliche Etappen des Familienzyklus (geradlinig) durchlaufen – etwa, wenn nach einer Trennung der Eltern eine Patchwork-Familie gegründet wird – ist die Vorstellung aufeinanderfolgender Phasen des Familienzyklus mit je eigenen Anforderungen theoretisch sinnvoll und praktisch hilfreich. Sie erlaubt eine Beschreibung von erwartbaren Anforderungen und Verantwortlichkeiten, die Familienmitglieder in einer gegebenen Entwicklungsstufe meistern müssen, um den Bedürfnissen ihrer Mitglieder gerecht zu werden und kulturelle Erfordernisse zu meistern. Auch auf der Mikro-Ebene von Eltern-Kind-Interaktionen sind Anpassungsleistungen erforderlich, wenn Anregungen der Eltern zur Förderung kindlicher Kompetenzen beitragen sollen. Besonders hervorgehoben hat dies Vygotsky (1979) in seinem Konzept der „Zone proximaler Entwicklung“. Ebenso wie Piaget (1967) hat er hervorgehoben, dass es günstige Diskrepanzen zwischen den aktuellen Kompetenzen eines Kindes und den situativen Anforderungen gibt, die ein kompetenteres Gegenüber – etwa die Eltern – in der gemeinsamen Interaktion stellt, vorausgesetzt, dass die Anforderungen in einem für das Kind erreichbaren Bereich liegen. Tatsächlich stellen sich Eltern mehr oder minder auf die Fähigkeiten ihres Kindes ein und leisten so eine Feinabstimmung, die es dem Kind erlaubt, anspruchsvollere Aufgaben zu meistern (DeBaryshe et al. 1996). Wie gut es Eltern gelingt, den jeweiligen entwicklungsbedingten Bedürfnissen und Lernmöglichkeiten ihrer Kinder gerecht zu werden, hängt nicht zuletzt von den personalen, sozialen und sozioökonomischen Ressourcen der Eltern ab. Hierbei spielt das Wissen der Eltern um kindliche Entwicklungsprozesse eine bedeutsame Rolle (Pickett et al. 2003), umso mehr, wenn es sich um Kinder mit besonderen Entwicklungsrisiken handelt (Dichtelmiller et al. 1992). Aber auch die sozioökonomischen Lebensumstände nehmen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeiten, die Eltern in der Förderung ihrer Kinder haben. 4.2.3 Bildungsrelevante Ressourcen von Familien In unterschiedlichen Disziplinen existieren vielfältige theoretische Ansätze und Systematisierungen, die die Wirksamkeit familialer Ressourcen für die Bildungserfahrungen und -biografien junger Menschen in den Blick nehmen und dabei die Bedeutsamkeit der physikalischen Umwelt der Familie sowie der elterlichen Merkmale und Einstellungen hervorheben. Besonders intensiv untersucht wurden Bildungsdisparitäten, die sich an der sozialen Herkunft, insbesondere der Schichtzugehörigkeit der Familie, festmachen lassen. Auch wenn Boudon (1974) den Entscheidungsprozessen von Eltern eine große Bedeutung für die Entstehung von Bildungsungleichheit zumisst (► 4.2.4), geht er in seinem Erklärungsschema zunächst vom Vorhandensein eines primären Herkunftseffekts aus, der sich aus der sozialen Schichtung der Gesellschaft und den daraus
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Theoretische Perspektiven auf Familie als Bildungsort 171 ergebenen ungleichen kulturellen Ressourcen von Eltern ergibt. Durch geringere Möglichkeiten der Förderung im Elternhaus gehören Kinder aus unteren Schichten mit größerer Wahrscheinlichkeit zu den Schülern mit schwächeren Schulleistungen, wodurch sie seltener höhere Abschlüsse erlangen (vgl. Boudon 1974, 29ff). Dieser Zusammenhang wird nicht zuletzt durch die regelmäßigen Schulleistungsuntersuchungen seit Jahren für Deutschland bestätigt (vgl. u. a. Müller und Ehmke 2013; ► Kap. 8). Auch Bourdieu (1998) betont die Bedeutsamkeit der Familie für die individuellen Positionierungschancen und sieht sie als Ort an, an dem verschiedene Sorten von Kapital akkumuliert und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Damit tragen Familien zur Reproduktion sozialer Ordnungen bei. Mit seiner Differenzierung der Kapitalarten in ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital zeigt er die unterschiedlichen Facetten und Wirkmechanismen familialer Ressourcen auf. Zentral ist dabei seine Unterscheidung zwischen dem objektivierten Kulturkapital in Form von kulturellen Gütern (z. B. Bücher, Gemälde), dem institutionalisierten Kulturkapital in Form von Bildungstiteln und dem inkorporierten Kulturkapital in Form von dauerhaften Dispositionen (Denk- und Handlungsschemata, Wertorientierungen) (Bourdieu 1983). Bourdieu rückt im Prozess der Reproduktion sozialer Ungleichheit insbesondere das inkorporierte, kulturelle Kapital ins Blickfeld, da in der Familie vermittelte Denk- und Handlungsweisen sowie Präferenzen nur in einem langfristigen, nicht unbedingt intentionalen Prozess verinnerlicht werden und diese Teil des (Familien-)Habitus sind. Er geht davon aus, dass dieser Habitus auch die bildungsbezogenen Einstellungen und Handlungen in der Familie strukturiert und limitiert sowie ihre alltagskulturellen Praxen beeinflusst, innerhalb derer insbesondere das kulturelle Kapital weitergegeben wird (Bourdieu 1998; Büchner 2006; Ecarius und Wahl 2009). Dies unterstreicht die Bedeutung der in der Familie gemeinsam verbrachten Zeit, die Brake und Büchner (2003) in ihrem Modell familialer Bildungsleistungen als Gelegenheitsstrukturen für bildungs- und kulturbezogene Austauschprozesse in der Familie ansehen. Anknüpfend an Bourdieus Überlegungen spricht Lareau (2003) auch von der „concerted cultivation“ und kann in ihren Studien zeigen, dass in den unterschiedlichen Schichten spezifische Vorstellungen über die Entwicklung von Kindern herrschen, was sich in entsprechenden inner- und außerfamilialen bildungsbezogenen Praxen niederschlägt. Die Ansätze von Boudon und Bourdieu und darauf aufbauende Indikatoren haben sich in der empirischen Bildungs- und Ungleichheitsforschung etabliert. Daneben sind aber auch weitere Konzepte zur Operationalisierung sozialer Herkunft verbreitet (► Tafel 4.1). Neben den Ansätzen, die über das Wirken innerfamilialer Mechanismen und Strategien vor allem die Aufrechterhaltung sozialer Schichtung in der Gesellschaft erklären möchten, wird in der pädagogischen Forschung der familiale Einfluss auf die kindliche Entwicklung häufig unter dem Aspekt von Anregungsqualität diskutiert. In Anlehnung an Qualitätsdefinitionen für die Lernumwelt in Kindertageseinrich-
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172 Bildungsort Familie tungen (► Kap. 12) wird unter der Perspektive von Familie als Lernumwelt zwischen der Struktur-, Orientierungs- und Prozessqualität in der Familie unterschieden (vgl. Tietze 1998, 123).
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Tafel 4.1: Indikatoren sozialer Herkunft Neben den Kapitalsorten von Bourdieu (► 4.2.3) haben sich in der Bildungsforschung weitere Indikatoren sozialer Herkunft etabliert, die unter anderem in den internationalen PISA-Studien regelmäßig verwendet werden (vgl. Baumert und Schümer 2001). EGP-Klassen: Auf Basis der Annahmen von Karl Marx und Max Weber zur Differenzierung von Klassen entwickelten Erikson, Goldthorpe und Portocarero (1979) ein Klassenschema, das die Berufe hinsichtlich der Art der Tätigkeit (manuell, nicht-manuell, landwirtschaftlich), der Stellung im Beruf (selbstständig, abhängig beschäftigt), den Weisungsbefugnissen (keine, geringe, große) sowie den erforderlichen Qualifikationen (keine, niedrige, hohe) kategorisiert. Das Schema umfasst 11 EGP-Klassen, die häufig zu 7 Kategorien zusammengefasst werden (vgl. ausführlich Erikson und Goldthorpe 1993, 35ff; Baumert und Schümer 2001, 339): I. Obere Dienstklasse, II. Untere Dienstklasse, IIIa und b. Routinedienstleistungen in Handel und Verwaltung, IVa, b und c. Selbstständige („Kleinbürgertum“) und selbstständige Landwirte, V. Facharbeiter, Arbeiter mit Leitungsfunktionen, VI. Angestellte in manuellen Berufen, VIIa und b. Un- und angelernte Arbeiter, Landarbeiter. ISEI: Der von Ganzeboom, De Graaf und Treiman (1992) entwickelte International Socio-Economic Index of Occupational Status (ISEI) bildet den sozioökonomischen Hintergrund von Personen auf Basis einer hierarchischen Skala ab, die nicht nur die Berufsangaben, sondern auch den Bildungsstand und das Einkommen berücksichtigt. Dahinter steht die Annahme, dass die schulische und berufliche Ausbildung über den Zugang zu bestimmten Berufen entscheidet und dass es einen starken Zusammenhang zwischen dem Beruf und dem erzielbaren Einkommen gibt. SINUS-Milieus: Insbesondere in der Ungleichheitsforschung werden auch Milieukonzepte verwendet. Besonders verbreitet ist das SINUS-Modell, das Anfang der 80er Jahre entwickelt wurde. Grundidee der Betrachtung sozialer Milieus ist es, neben objektiven Bedingungen sozialer Lage auch die Lebensstile, Wertorientierungen, Alltagspraxen und kulturellen Präferenzen zu betrachten. Das SINUS-Modell umfasst aktuell zehn Milieus, von denen einige beispielsweise ausschließlich der unteren Mitte bzw. Unterschicht zuzuordnen sind (Konsum-Materialisten, Hedonisten), während traditionsorientierte Milieus in allen gesellschaftlichen Schichten zu finden sind (Barz und Liebenwein 2010). Die Studie von Liebenwein (2008) zeigt den Zusammenhang von Milieuzugehörigkeit und elterlichen Erziehungsstilen auf.
Innerhalb der Strukturqualität, die situationsunabhängige, zeitlich stabile Rahmenbedingungen umfasst, lassen sich drei Bedingungen identifizieren. Die personalen Bedingungen umfassen Merkmale der Eltern, darunter vor allem die elterliche Bildung und Erwerbstätigkeit, woraus sich auch die ökonomische Situation der Familie ableitet (ebd.). Teilweise werden darunter auch Persönlichkeitsmerkmale
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Theoretische Perspektiven auf Familie als Bildungsort 173 der Mutter sowie ihr aktuelles Befinden (Depressivität) gefasst (Tietze et al. 2013). Die sozialen Bedingungen von Strukturqualität umfassen Familienmerkmale wie die Familienform. Als dritter Aspekt der Strukturqualität sind die materiellen und finanziellen Bedingungen innerhalb der Familie zu differenzieren, beispielsweise die ökonomischen Ressourcen, die Anzahl der (Kinder-)Zimmer oder das Vorhandensein von Spielmaterialien (vgl. Tietze 1998, 123). Die als zeitlich stabil angenommenen Werte, Vorstellungen und Überzeugungen von Eltern hinsichtlich Bildung und Erziehung werden als Teil der Orientierungsqualität gefasst (ebd.). Dagegen wird dem Aspekt von familialer Prozessqualität potenziell mehr Dynamik unterstellt. Hierunter werden vor allem pädagogische Interaktionen, entwicklungsfördernde Eltern-Kind-Aktivitäten und die Eltern-Kind-Beziehung subsumiert (► 4.2.1). Befunde der Studie „Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ NUBBEK konnten bestätigen, dass die strukturellen Rahmenbedingungen in der Familie Einfluss auf die Prozessqualität nehmen. Insbesondere die mütterliche Bildung sowie die Depressivität von Müttern leisteten den größten Beitrag zur Erklärung des häuslichen Entwicklungsumfeldes von Zwei- und Vierjährigen sowie für die beobachtete Mutter-Kind-Interaktion. Zudem verweisen die Ergebnisse auch auf sozio-kulturelle Unterschiede in den Orientierungen der Eltern. Familien mit russischem und türkischem Migrationshintergrund stimmen eher traditionellen Rollenverteilungen sowie verbundenheitsorientierten Erziehungszielen zu, die sich auf prosoziales Verhalten und Gehorsam beziehen. Diese Merkmale hängen allerdings mit niedrigeren Werten in der Prozessqualität zusammen (vgl. Tietze et al. 2013, 89ff). Für die kognitive Kompetenzentwicklung der Kinder hat sich vor allem die Prozessqualität der Familie als maßgeblich erweisen (► 4.3.2). Mit Blick auf ökonomische Ressourcen in der Familie wurde vielfach gezeigt – meist unter Bezug auf ein erweitertes Family Stress Model –, dass sich die stärkeren Belastungen in von Armut betroffenen Familien auch nachteilig auf das Erziehungsverhalten der Eltern auswirken und auf diesem Weg indirekt – beispielsweise vermittelt über eine geringere Involviertheit der Eltern und weniger konsistente Erziehung – zu Belastungen der Kinder beitragen (Conger et al. 2010). Das Erziehungsmilieu kann dabei auch als Kontext für familiale Alltagspraktiken angesehen werden, über den Einflüsse der elterlichen Herkunft vermittelt werden (Walper und Grgic 2013). Die Befundlage zum Einfluss der Familienstruktur auf die kindliche Entwicklung und den Schulerfolg ist nicht eindeutig. Häufig zeigen sich keine eigenständigen Effekte der Familienform (vgl. ausführlich ebd.). 4.2.4 Familien als Türöffner und Kooperationspartner für andere Bildungsorte Systemische Ansätze wie die ökologische Perspektive der Entwicklungspsychologie (Bronfenbrenner 1981) heben hervor, dass Familien im Kontext anderer Entwicklungs- bzw. Bildungsorte agieren. So nimmt auch das Verhältnis zwischen Familie und anderen Bildungsorten Einfluss auf die Bildungschancen von Kindern. Dies betrifft sowohl Entscheidungen der Eltern über die Nutzung von Bildungsange-
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174 Bildungsort Familie boten für ihre Kinder als auch die Gestaltung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften zwischen Familien und Bildungsinstitutionen, über die Eltern mehr oder minder eng in die außerfamilial geförderten Bildungsprozesse ihrer Kinder einbezogen sein können. Boudon (1974) setzte sich insbesondere mit den Bildungsentscheidungen von Familien auseinander. Eine zentrale Grundannahme seines Ansatzes ist, dass elterliche Bildungsentscheidungen Ergebnis von Kosten-Nutzen-Abwägungen sind und dass sich sowohl die antizipierten Kosten als auch der antizipierte Nutzen höherer Bildung in Abhängigkeit der Schichtzugehörigkeit unterscheiden, was zu herkunftsspezifischen Bildungsentscheidungen von Eltern führt. Boudon argumentiert, dass Entscheidungen für bestimmte Schulzweige oder für die Fortsetzung bzw. das Beenden der Schullaufbahn nicht nur mit monetären Kosten verbunden sind, die Familien unterschiedlich stark belasten, sondern auch mit sozialen Kosten. Diese sind beispielsweise besonders hoch, wenn der Großteil der Freunde des Kindes eine andere Bildungsentscheidung trifft und dadurch das Risiko besteht, dass sich das soziale Umfeld der Familie verändert, oder wenn eine Bildungsentscheidung den familialen Zusammenhalt gefährden könnte. Familien aus unterschiedlichen sozialen Schichten haben zur Erreichung gleicher Bildungsziele eine unterschiedliche soziale Distanz zu überwinden. Die sozialschichtabhängige Nutzenbewertung im Rahmen von Bildungsentscheidungen ergibt sich aus dem Umstand, dass das Erreichen eines niedrigen Schulabschlusses für Kinder aus oberen sozialen Schichten höchstwahrscheinlich mit einem Statusverlust verbunden ist, wodurch für sie der antizipierte Nutzen eines höheren Abschlusses höher wird als für Kinder unterer sozialer Schichten. Bei gleichen schulischen Leistungen treffen daher Familien unterschiedlicher Schichten andere Bildungsentscheidungen. Boudon spricht in diesem Kontext von sekundären Herkunftseffekten (vgl. Boudon 1974, 29ff). Neben den häufig stellvertretenden Bildungsentscheidungen von Eltern für ihre Kinder, die sich überwiegend auf die Nutzung von formalen und non-formalen Bildungsangeboten beziehen, sind Eltern gleichsam Kooperationspartner von Bildungseinrichtungen und auf verschiedenen Ebenen an den außerfamilialen Erziehungs- und Bildungsprozessen beteiligt. Grundsätzlich haben alle Institutionen die Aufgabe der Gestaltung einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern (BMFSFJ 2013). „Nur in einem Dialog, bei dem die Partner gleichberechtigt sind und einander als Person akzeptieren, können beide Seiten erfahren, wie sich das Kind in der jeweils anderen Lebenswelt verhält. Dieser Gesprächsaustausch ist die Grundlage für eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erzieherinnen, d. h. für eine offene, vertrauensvolle und intensive Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten beim gemeinsamen ‚Geschäft‘ der Erziehung und Bildung von Kindern“ (Textor 1998, 188).
Dementsprechend ist die Zusammenarbeit mit Eltern im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert:
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Theoretische Perspektiven auf Familie als Bildungsort 175 • „Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen […] die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen“ (SGB VIII § 22 Abs. 2). • „Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren Einrichtungen zusammenarbeiten […] mit den Erziehungsberechtigten und Tagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses. […] Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen“ (SGB VIII § 22a Abs. 2). Anliegen der Zusammenarbeit im Elementarbereich ist zunächst, eine Kontinuität der Bildung und Erziehung zum Wohl des Kindes zu schaffen, aber auch die Stärkung der Erziehungskompetenzen von Eltern sowie deren Beteiligung innerhalb von Kindertageseinrichtungen (Friederich 2011). Für den Bereich der Schule sind die Mitwirkungsrechte von Eltern in den jeweiligen Schulgesetzen der Länder festgehalten. Häufig wird jedoch angemerkt, dass die Schule in der Regel eine überlegene Position in der Zusammenarbeit mit Eltern einnimmt (vgl. Walper und Wild 2014; BMFSFJ 2013). Zur Verbesserung der Erziehungspartnerschaft zwischen Familie und Schule wurden daher in Anlehnung an internationale Entwicklungen Qualitätsmerkale für die Zusammenarbeit von Eltern und Schulen entwickelt, die eine positive Willkommenskultur, einen respektvollen Informationsaustausch, strukturell verankerte Austauschprozesse und die Partizipation von Eltern umfassen (vgl. Walper und Wild 2014). Aktuelle Befunde zeigen, dass etwas mehr als die Hälfte der Eltern von Schulkindern manchmal oder häufiger unsicher in Erziehungsfragen ist (Vodafone Stiftung 2015). Unsicherheit in Bildungsfragen berichten insbesondere Eltern mit niedriger Schulbildung. Diese beziehen sich vor allem auf die elterliche Aufgabe, Kinder zur gewissenhaften Erledigung ihrer Pflichten zu motivieren, auf die elterliche Unterstützung bei den Hausaufgaben, auf die Vermittlung von Lernfreude und die Organisation des Alltags im Hinblick auf die Schule. Etwa 70 % der Eltern wenden sich bei Erziehungs- und Bildungsfragen an die Lehrer des Kindes, die damit neben anderen Eltern die häufigsten Ansprechpartner darstellen. Vor allem Eltern mit niedriger Schulbildung wünschen sich ein größeres Beratungsangebot an Schulen (ebd.). Ähnliche Befunde zeigen sich auch für den Elementarbereich hinsichtlich der Ratgeberfunktion von Erzieherinnen und Erziehern (Friederich 2011). Neben der elterlichen Beratung gilt die Partizipation von Eltern in Bildungsinstitutionen als ein wichtiger Aspekt der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Auch aus der Perspektive der Forschung zur elterlichen Involviertheit in schulische Belange wird zwischen der Unterstützung innerhalb der Lernumwelt Familie unterschieden (home-based parental involvement) und dem elterlichen Engagement innerhalb der Schule (school-based) (Epstein und Sanders 2002; ► Tafel 4.2). Ersteres bezieht sich beispielsweise auf die Hilfe der Eltern beim Lernen und den Hausaufgaben, aber auch auf das elterliche Interesse für schulische Themen, ihre Leistungserwartungen und die Motivation bei Erfolgen und Misserfolgen. Das organisationsbezogene
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176 Bildungsort Familie Engagement umfasst neben dem Besuch von Elternabenden auch die Mitwirkung bei Festen sowie das freiwillige Engagement in Elternbeiräten oder Fördervereinen von Kindertageseinrichtungen und Schulen. Besonders starke Formen elterlichen Engagements können auch dazu führen, dass allein aufgrund der Interessen von Elterngruppen (im Rahmen von Elterninitiativen) Bildungsorte geschaffen werden, die die staatlichen Angebote ergänzen und in denen Eltern auch die Gestaltung der pädagogischen Arbeit mitbestimmen können (Grgic et al. 2014). Im Jahr 2016 wurden knapp 4.400 Kindertageseinrichtungen von Elterninitiativen in der amtlichen Statistik erfasst (vgl. Kinder- und Jugendhilfestatistik 2016). Tafel 4.2: Meta-Analyse zur Wirkung von Parental Involvement Programs (Jeynes 2012) William Jeynes (2012) hat im Rahmen einer Meta-Analyse von 51 amerikanischen Studien untersucht, welche Wirkung spezifische Programme der Elternbeteiligung an Schulen auf die Kompetenzen von Kindern haben. Er konnte aufzeigen, dass das Vorhandensein von Programmen zur Elternbeteiligung an Schulen sowohl bei Kindern im Vorschulalter als auch bei Schülerinnen und Schülern im Primar- und Sekundarbereich mit höheren Kompetenzen in Zusammenhang steht. Die größte Effektstärke weisen dabei Programme auf, die Eltern zum gemeinsamen Lesen mit ihren Kindern ermutigen, gefolgt von Programmen, die eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Eltern und Fachkräften fördern sollen, beispielsweise durch die gemeinsame Entwicklung von Strategien und Regeln. Weiterhin konnte Jeynes einen Einfluss für Programme aufzeigen, die eine häufige Kommunikation von Eltern und Fachkräften fördern. Programme, die das Kontrollieren von Hausaufgaben durch die Eltern fördern, haben einen signifikanten, aber vergleichsweise niedrigeren Effekt auf die schulischen Kompetenzen der Kinder. Im Vergleich mit den Ergebnissen von Meta-Analysen zu „freiwilligem“ elterlichen Engagement (► 4.3) resümiert Jeynes, dass derartige Programme zur Förderung der Elternbeteiligung zwar einen Einfluss auf die Kompetenzentwicklung der Kinder haben, dass dieser aber im Falle einer nicht von der Schule initiierten Elternbeteiligung noch größer ausfällt.
Empirische Befunde zum organisationsbezogenen Engagement von Eltern machen deutlich, dass Eltern eine große Bereitschaft zur Partizipation in Kindertageseinrichtungen zeigen (vgl. zusammenfassend Friederich 2011). Im Schulbereich bieten vor allem Ganztagsschulen Eltern zusätzliche Engagementmöglichkeiten, beispielsweise durch die Mitarbeit oder eigene Durchführung eines Angebots. Eltern nutzen allerdings selten derartige Beteiligungsmöglichkeiten (Züchner 2009). Sie wirken stattdessen häufiger im Rahmen der Interessensvertretung an Schulen mit, im Management von Veranstaltungen und Projekten oder engagieren sich in Fördervereinen, wo sich das Engagement eher auf die infrastrukturelle Unterstützung der Bildungseinrichtung bezieht (Grgic et al. 2014).
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Bildungsort Familie im Entwicklungsverlauf 177
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4.3 Bildungsort Familie im Entwicklungsverlauf Im Folgenden wird die Bedeutung der Familie als Bildungsort im Entwicklungsverlauf der Kinder beleuchtet. Hierbei nehmen wir vier größere Phasen in den Blick, die sich an wesentlichen Schritten der Kompetenzentwicklung, aber auch an der Einbindung in unterschiedliche Bildungskontexte festmachen lassen: das Säuglings- und Kleinkindalter, das Kindergarten- und Vorschulalter, die Phase zwischen Einschulung und dem Übertritt in die Sekundarstufe, sowie das Jugend- und frühe Erwachsenenalter, in dem der Übergang in Ausbildung bzw. Studium und in den Beruf im Vordergrund steht. 4.3.1 Säuglings- und Kleinkindalter Im Säuglings- und Kleinkindalter sind Eltern in besonderer Weise gefordert, um die körperlichen Bedürfnisse ihrer Kinder zu befriedigen und jene Stimulation zu gewährleisten, die für den enormen Kompetenzzuwachs in dieser Entwicklungsphase unabdingbar ist (Bornstein 2002). Entwicklungs- und Bildungsprozesse im Säuglingsalter sind erst in jüngster Vergangenheit zum Gegenstand der Bildungsforschung gemacht worden, die Kinder typischerweise erst ab dem Kindergartenalter in den Blick genommen hat (z. B. Liegle 2006). Demgegenüber hat die Frage nach dem Kompetenzaufbau im Säuglings- und Kleinkindalter in der Entwicklungspsychologie eine lange Tradition (Elsner und Pauen 2012; Walper und Vavrova 2010). Aktuell sind die ersten Lebensjahre vermehrt in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, denn hier verdichtet sich die Frage nach dem Zusammenspiel von Anlage und Umwelt, nach der Bedeutung früher Erfahrungen für die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes und – damit verbunden – auch nach den Chancen früher Prävention und Intervention zur nachhaltigen Förderung der kindlichen Entwicklung (Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina et al. 2014). Schon weit vor Beginn der Sprachbeherrschung verfügen Kinder über beachtliche soziale, kommunikative und kognitive Fähigkeiten. Teilweise werden diese durch vorgeburtliche Lernprozesse gefördert, die sich etwa in der Ausrichtung auf die mütterliche Stimme und in sprachrelevantem Lernen zeigen (Grimm und Weinert 2002). Selbst die hirnphysiologischen Entwicklungen während der Schwangerschaft sind nicht nur Resultat von Reifungsprozessen, sondern spielen mit Erfahrungen zusammen, die in der späten vorgeburtlichen Phase zunehmend auch externen Ursprungs sind (Elsner und Pauen 2012). Im Verlauf der erweiterten Neugeborenenzeit stabilisiert sich das Verhaltensrepertoire des Kindes und liefert damit die Grundlage für die enormen Lernleistungen der folgenden Monate und Jahre. Ab rund drei Monaten bilden Säuglinge grundlegende Kompetenzen in allen bedeutenden Lebensfunktionen aus. Bis Ende des ersten Lebensjahres entwickeln sie motorische Funktionen wie blickkontrolliertes Greifen, Sitzen, Krabbeln, Aufstellen, etc. (Elsner und Pauen 2012). Die Wach-
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178 Bildungsort Familie phasen werden länger, und die Interaktion mit den Eltern gewinnt zunehmend den Charakter eines gesprächsähnlichen Austauschs (Reddy et al. 1997). Mit der neurologischen Reifung erweitern sich gegen Ende des ersten Lebensjahres auch die Gedächtnisleistungen und die Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung (Diamond 2006). Insgesamt weiten sich die kognitiven Fähigkeiten der Kinder im Säuglingsalter bedeutend aus. Hierbei kommt der sensitiven Kooperation seitens der Eltern eine zentrale Bedeutung zu. Babys lernen vor allem „interaktiv“, etwa durch wechselseitige Nachahmung, die schon bei Neugeborenen beobachtbar ist (Bornstein 2002). Zunächst ist es vor allem die Mutter, die das Verhalten des Kindes nachahmt (spiegelt), während Säuglinge erst zunehmend in der Lage sind, auch umgekehrt das Verhalten der Mutter nachzuahmen. Die Synchronizität und Kontingenz im Interaktionsverhalten mit der Betreuungsperson ist besonders wichtig. Reagiert die Mutter prompt und responsiv auf das Verhalten des Kindes, so investiert es beträchtliche Aufmerksamkeit und zeigt positives Interesse, während asynchrones Verhalten der Mutter deutliches Unwohlsein bei den Kindern auslöst (Nadel und Tremblay-Leveau 1999). Insbesondere bei belasteten Müttern mit hohem Risiko für inadäquates Elternverhalten ist die Synchronizität beeinträchtigt (Cerezo et al. 2008). Kommunikation und Spracherwerb sind deutlich von der Eltern-Kind-Interaktion und den Erfahrungen im familiären Umfeld in den ersten Lebensjahren abhängig (Roskos und Neumann 1993). So steigt mit den Bildungsressourcen der Eltern auch die sprachliche Stimulation, die Säuglinge erfahren (Walper und Vavrova 2010). Intuitiv greifen Eltern zunächst auf ein spezielles Register der kindgerichteten Sprechweise zurück (Ammensprache oder „motherese“; vgl. Bornstein 2002) und passen sich den sprachlichen Fortschritten des Kindes an (Grimm und Weinert 2002). In der Eltern-Kind-Interaktion schaffen Eltern die Grundstruktur und den Rahmen für den wechselseitigen Austausch und ermöglichen so den Kindern, ihren Beitrag zum Zwiegespräch im Rahmen des „Gerüsts“ zu leisten, das die Eltern bereitstellen („scaffolding“). Diese Art der Strukturierung, die Raum für Eigenleistungen des Kindes lässt, unterstützt Lernfortschritte der Kinder in vielfältigen Entwicklungsbereichen. Im Kleinkindalter erweitert sich der Aktionsradius des Kindes, und es entdeckt seinen eigenen Willen. Durch die erweiterten Möglichkeiten der mentalen Repräsentation verändert sich sein Erleben: Vorstellungen, Phantasie und die innere psychische Welt anderer eröffnen sich ebenso wie Möglichkeiten der Symbolisierung und Abstraktion durch Sprache (vgl. Elsner und Pauen 2012). Diese Entwicklungen lassen sich entlang sechs zentraler Entwicklungsaufgaben beschreiben (Edwards und Liu 2002): 1) die Entwicklung von Autonomie und Unabhängigkeit 2) die Fähigkeit, sich selbst zu erkennen, und damit verbundene Entwicklungen des Selbstkonzeptes und der Selbstreflexion
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Bildungsort Familie im Entwicklungsverlauf 179 3) die Entwicklung von Fähigkeiten der Emotions- und Impulskontrolle 4) die Entwicklung von Empathie, Moral und Verhaltensstandards 5) Geschlechtsrollenidentität und -identifikation 6) das Hineinwachsen in die Gemeinschaft Nicht nur die Sicherung des kindlichen Bedürfnisses nach sozialer Eingebundenheit, sondern auch die Orientierung an dem Grundbedürfnis von Kindern nach Autonomie und Kompetenzerleben stellen wesentliche Leitprinzipien für die Förderung einer anhaltenden Lernmotivation dar (Becker-Stoll et al. 2009). So entdecken sich Kinder im Verlauf des zweiten Lebensjahres zunehmend als Handlungsträger mit eigenem Willen und streben nach Eigenständigkeit in der Ausführung ihrer Handlungen. Wenn die Kinder etwa zwei Jahre alt sind, haben Widerstand und negatives Verhalten ihren Höhepunkt („Trotzphase“). In den meisten Kulturen setzen dann die ersten erzieherischen Bemühungen der Eltern ein (Edwards und Liu 2002). Gleichzeitig entwickeln Kinder in dieser Phase eine deutliche Sozialisationsbereitschaft (Elsner und Pauen 2012) und sind zunehmend gewillt, die eigenen Handlungen in die Ziele und Vorgaben der Eltern einzufügen („compliance“). Hierbei sind jedoch die Lenkungs- und Kontrollstrategien der Eltern entscheidend. Während Anleitung, Scaffolding und Kontrolle, die auf Machtausübung verzichtet, mit einer höheren Kooperationsbereitschaft einhergeht, zeigen körperliche Strafen, Liebesentzug etc. negative Effekte. Allerdings sollte Kontrolle im Kleinkindalter nicht überbetont werden (Edwards und Liu 2002). In dieser Phase scheinen eher die Eröffnung von Handlungsspielräumen und die Anleitung kindlicher Aktivitäten hilfreich zu sein. 4.3.2 Kindergarten- und Vorschulalter Im vorschulischen Alter umfasst die Alltagsgestaltung in Familien auch zunehmend Eltern-Kind-Aktivitäten, die die Entwicklung von schulischen Vorläuferfähigkeiten fördern. Zu nennen ist insbesondere das Vorlesen von Büchern, das Spielen erster Spiele, die Kinder mit dem Zählen, mit Farben und Formen oder mit bestimmten Themen in Berührung bringen, aber auch das Singen, Basteln oder Malen, das frühe ästhetische und musikalische Erfahrungen ermöglicht. Derartige Bildungsaktivitäten sind üblicherweise in den Familienalltag eingebettet, ritualisiert und dienen oft anderen Zwecken als der bewussten Bildungs- und Entwicklungsförderung, was an die Grundgedanken von Bourdieu und das Konzept des Familienhabitus anschließt (Büchner 2006). Auf Basis der nationalen Elternbefragung „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) wird deutlich, dass 46 % der Eltern mit ihren unter sechsjährigen Kindern häufig jenen Aktivitäten nachgehen, die als entwicklungsförderlich anzusehen sind. Nur 8 % der Eltern berichten über seltene Bildungsaktivitäten. Während ein Großteil der Eltern ihren Kindern regelmäßig vorliest, ist auch das Singen, Basteln und Malen in Familien mit Kindern im Vorschulalter nennenswert verbreitet (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012).
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180 Bildungsort Familie Zahlreiche Untersuchungen konnten jedoch zeigen, dass der elterliche Bildungsstand einen Einfluss auf das Ausmaß von Bildungsaktivitäten in der Familie hat (vgl. u. a. ebd.; Grgic und Alt 2014; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Auch wird deutlich, dass Mädchen häufiger innerhalb der Familie gefördert werden als Jungen. Zudem erfahren Kinder von zwei im Ausland geborenen Elternteilen eine etwas seltenere Förderung. Die mütterliche Erwerbstätigkeit nimmt dagegen keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Bildungsaktivitäten in der Familie (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012, 2014). Deutlich häufiger in Bildungsaktivitäten eingebunden sind Kinder bei einem kindzentrierten Erziehungsmilieu, das durch hohe Wärme und kindzentrierte Kommunikation charakterisiert ist. Es hat neben der elterlichen Bildung und unter Kontrolle weiterer Merkmale einen eigenständigen Effekt auf die familiale Alltagsgestaltung (Grgic und Alt 2014). In Untersuchungen, die sich mit der Frage befassen, welche Wirkung die Lernumwelt Familie auf die kindliche Entwicklung hat, wird der häusliche Anregungsgehalt häufig anhand des von Caldwell und Bradley entwickelten HOME-Index (Home Observation for Measurement of the Environment) erhoben. Dieser fasst sowohl materielle als auch sozial-interaktionale Anregungsfaktoren in der Familie zusammen. Mehrere internationale Studien konnten auf dieser Basis den Einfluss der familialen Anregung auf die kognitive Entwicklung von Kindern aufzeigen (vgl. zusammenfassend Totsika und Sylva 2004). Die Forschung zur Home Literacy Environment (HLE) befasst sich insbesondere mit jenen Ressourcen in der Familie, die den (Schrift-)Spracherwerb der Kinder unterstützen (Leseman et al. 2007). In diesem Kontext wird dem elterlichen Vorlesen, also der frühzeitigen Sensibilisierung für Mündlichkeit und Schriftsprache, für narrative Strukturmuster, für Genres und Themen, eine große Bedeutung beigemessen. Auf diese Weise wird dialogisch und spielerisch die Wortschatzentwicklung, aber auch die Entwicklung phonologischer Bewusstheit angeregt, und damit werden bereits erste Vorläuferfähigkeiten für den späteren Schriftspracherwerb und den Erwerb von Lesekompetenz erworben (Emergent Literacy). Längsschnittliche Analysen der BiKS-Studie arbeiten die Bedeutung des Vorlesens für unterschiedliche Vorläufer des Schriftspracherwerbs heraus, kommen aber in Einklang mit internationalen Studien auch zu dem Ergebnis, dass die Qualität der Interaktion in der Vorlesesituation entscheidend für die Wirkung innerfamilialer Förderung ist. Formelle Instruktion von Schriftsprache (parental teaching of literacy), also das bewusste Einüben von Buchstaben und Wörtern, steht nicht im Zusammenhang mit der Wortschatz- und Grammatikentwicklung der Kinder (Lehrl et al. 2012). Analysen auf Basis des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zeigen allerdings auf, dass die formelle Instruktion insbesondere bei Eltern mit niedrigem Bildungsstand stärker verbreitet ist, während Eltern mit hohem Bildungsstand häufiger vorlesen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014).
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Bildungsort Familie im Entwicklungsverlauf 181 Innerfamiliale Ressourcen, die für den Erwerb mathematischer Kompetenzen ausschlaggebend sind, werden unter den Begriff Home Numeracy Environment (HNE) gefasst. Auch an dieser Stelle kamen mehrere längsschnittliche Studien zu dem Ergebnis, dass eine anregungsreiche mathematikbezogene innerfamiliale Förderung durch die spielerische Beschäftigung mit Zahlen, Würfeln oder Formen einen positiven und langfristigen Einfluss auf die Herausbildung mathematischer Kompetenzen bis ins Grundschulalter hat (Anders et al. 2012; Niklas und Schneider 2012). Insgesamt konnte gezeigt werden, dass weniger die allgemeinen Anregungsprozesse in der Familie (z. B. die sozio-emotionale Interaktion) durch die soziale Herkunft beeinflusst sind als die bereichsspezifische Anregung hinsichtlich Literacy und Numeracy. Zudem konnte ein Einfluss der pädagogischen Einstellungen der Eltern auf diese spezifischen Anregungen nachgewiesen werden (Kluczniok et al. 2013). Die Befunde bestätigen insgesamt die Bedeutung der Eltern-Kind-Aktivitäten sowie der familialen Anregung für die kindliche Entwicklung. Bereits kurz vor der Einschulung bestehen im Sinne primärer Herkunftseffekte Ungleichheiten in Bezug auf die Wortschatz- und Grammatikkompetenzen von Fünfjährigen, die besonders für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern und Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache sichtbar werden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Darüber hinaus nimmt die Familie aber auch Einfluss auf die allgemeine kognitive und sozio-emotionale Entwicklung von Kindern im Vorschulalter (vgl. u. a. Tietze et al. 2013; Biedinger 2011; Kaiser und Diewald 2014). In der frühen Kindheit haben zudem elterliche Bildungsentscheidungen ein besonderes Gewicht, da sie stellvertretend für die Kinder getroffen werden und da die Nutzung von Bildungs- und Betreuungsangeboten in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege im Gegensatz zu schulischen Angeboten freiwillig erfolgt. So weisen Kinder bereits im Alter von fünf Jahren sehr heterogene Bildungs- und Betreuungsbiografien auf. Während für 84 % der Fünfjährigen aus bildungsfernen Elternhäusern, in denen die Eltern höchstens über einen Hauptschulabschluss verfügen, der Besuch einer Kindertageseinrichtung die erste außerfamiliale Betreuungserfahrung war, trifft dies nur für 54 % der Kinder von bildungsnaher Eltern mit (Fach-)Hochschulreife zu, die häufiger bereits vorab in der Tagespflege oder in Spielgruppen betreut wurden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Es gibt zudem Hinweise darauf, dass vor allem besser informierte Eltern Einrichtungen mit geringem Migrantenanteil wählen und Eltern, die Restriktionen in Bezug auf räumliche Nähe und Öffnungszeiten haben sowie weniger deutsche Kontakte unterhalten, eher stärker segregierte Kindertageseinrichtungen für die Betreuung ihrer Kinder wählen (Becker 2010). Sekundäre Herkunftseffekte finden sich allerdings auch bei der Nutzung nonformaler Bildungsangebote, wie z. B. der frühkindlichen Musikerziehung oder des Sports, die in den letzten Jahren zunehmend auch für die Altersgruppe der Vor-
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182 Bildungsort Familie schulkinder ausgebaut wurden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012). Eltern aus bildungsfernen Familien und Eltern mit Migrationshintergrund entscheiden sich allerdings deutlich seltener für die Nutzung solcher Bildungsangebote (► Abb. 4.1), was auf Basis verschiedenster Studien bestätigt werden konnte (vgl. ebd.; Eckhardt und Riedel 2012; Mudiappa und Kluczniok 2012; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 2016; Schmiade und Spieß 2010). Auch wurde deutlich, dass bildungsnahe Familien, die ihr Kind selbst häufig fördern, verschiedenste formale und non-formale Bildungsangebote gleichzeitig nutzen, wodurch sich Effekte sozialer Ungleichheit schon in der frühen Kindheit kumulieren können (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). 90
84
80 70 70 60
52
50
43
40 30 26
30
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20 8
10
7
9
13
0 in %
Sportangebote
Musikschule/ frühkindliche Musikerziehung
Sprachkurs zum Erlernen einer Fremdsprache
Höchs ter allgemeinbildender Schulabschluss der El tern: Niedrig (Ohne Abschluss/Hauptschulabschluss) Mittel (Mittlerer Abschluss)
Sonstige Angebote
Hoch ((Fach-)Hochschulreife)
Abb. 4.1: Anteil der Sechsjährigen*, die zusätzliche Bildungsangebote nutzen, 2012 nach höchstem allgemeinbildenden Schulabschluss der Eltern (in %) (Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 49; Berechnungen basieren auf NEPS, Startkohorte 2, 2012, Welle 2, doi: 10.5157/NEPS:SC2:2.0.0) * Hierbei handelt es sich um Kinder der Welle 2 von Startkohorte 2 des NEPS, die zum Befragungszeitpunkt im Durchschnitt sechs Jahre alt, aber zu 99 % noch nicht eingeschult waren.
4.3.3 Einschulung, Grundschulalter und Übertritt in die Sekundarstufe Die ungleiche Förderung in der frühen Kindheit in und außerhalb der Familie wirkt sich auch mit Blick auf die Einschulung aus. Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern und Kinder mit Migrationshintergrund zeigen zum Zeitpunkt der Einschulung häufiger eine weniger weit fortgeschrittene Entwicklung, weshalb sie eher von Zurückstellungen betroffen sind (Kratzmann und Schneider 2009; Biedinger und Becker 2010). Trotz der Änderung der Stichtage zur Einschulung in den letzten Jahren in acht Bundesländen (vgl. Autorengruppe Bildungsbericht 2012,
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Bildungsort Familie im Entwicklungsverlauf 183 249) haben Eltern immer noch unter gewissen Voraussetzungen ein Mitspracherecht bei der Entscheidung über einen frühen oder späteren Einschulungszeitpunkt (Berthold 2008). Daher müssen Familien nicht nur den Übergang bewältigen, der für die Kinder mit sozio-emotionalen Belastungen einhergehen kann (► Kap. 13), sondern auch Entscheidungen über den Zeitpunkt des Übergangs treffen, die sich langfristig auf das Wohlergehen und den Bildungserfolg der Kinder auswirken können. Die Mannheimer Risikokinderstudie kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass relativ älter eingeschulte Kinder eine höhere Persistenz, eine seltenere Hyperaktivität und langfristig auch eine höhere Anpassungsfähigkeit aufweisen (Mühlenweg et al. 2011). Mit Blick auf das Selbstkonzept von Schulanfängern zeigen Ehm et al. (2011) auf, dass Kinder mit Migrationshintergrund trotz schlechterer Lese- und Mathematikleistungen ein höheres Selbstkonzept in diesen Domänen aufweisen als jene ohne Migrationshintergrund, was unter Umständen durch die hohe Bildungsaspiration von Eltern mit Migrationshintergrund und eine entsprechende Lernmotivation bei den Kindern erklärt werden kann. Eltern können ihre Kinder im Schulalter auf vielfältige Weise unterstützen. Die allgemeine Entwicklungsförderung innerhalb von familialen Alltagspraxen – das Vorlesen verliert auch im Grundschulalter nicht an Relevanz – wird dabei ergänzt um das sogenannte home-based involvement (► 4.2.4), also um bewusste Bildungsbemühungen im Sinne einer concerted cultivation. Ein Aspekt der häuslichen Unterstützung bezieht sich dabei auf die direkte familiale Unterstützung in Form von Hausaufgabenhilfe, Unterstützung beim Lernen sowie bei der Vorbereitung von Prüfungen. Bisherige Forschungsarbeiten machen deutlich, dass ein Großteil der Eltern – unabhängig von ihrer Herkunft – ihre Kinder in schulischen Belangen unterstützt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 84f ). Demnach sind viele Eltern bemüht, ihren Kindern bei Lern- und Leistungsproblemen zu helfen. Allerdings sind fast die Hälfte der Eltern mit niedrigem Bildungsstand selbstkritisch der Meinung, dass diese Unterstützung nicht ausreichend ist, während nur ein Fünftel der Eltern mit hoher Bildung entsprechende Unsicherheiten äußert (Vodafone Stiftung 2015). Interessant scheint in diesem Zusammenhang zu sein, dass Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern sowie Kinder mit Migrationshintergrund häufiger auf die Lernunterstützung von (älteren) Geschwistern und Freunden zurückgreifen und daher bereits im späten Kindesalter informelle Nachhilfenetzwerke die elterliche Unterstützung ergänzen oder ersetzen (► Abb. 4.2). Neben der direkten elterlichen Unterstützung fördern Eltern über verschiedene innerfamiliale Prozesse auch die Lernmotivation ihrer Kinder und nehmen so indirekt Einfluss auf die schulische Leistungsentwicklung. Hill und Tyson (2009) verweisen in ihrer Metaanalyse auf die prädiktive Wirkung einer „akademischen Sozialisation“ für den Schulerfolg. Elterliche Bildungserwartungen, die Wertigkeit von Bildung in der Familie und die Planung der kindlichen Bildungsbiografie stehen in starkem Zusammenhang mit den schulischen Leistungen des Kindes.
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184 Bildungsort Familie
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Ha usaufgabenhilfe durch El tern
Ha usaufgabenhilfe durch Geschwister
Ha usaufgabenhilfe durch Freunde
Ohne Migrationshintergrund
27
Mit Migrationshintergrund
23
Ohne Migrationshintergrund
4
Mit Migrationshintergrund
11
16
Ohne Migrationshintergrund
3 6
21
Mit Migrationshintergrund
6 0
Immer
Oft
10
20
Manchmal
12
21 18
13
37 27
40
Selten
7
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34
30
4
48
23
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9
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28
18
8
30
31
50
33 60
70
80
90
100
Nie
Abb. 4.2: Unterstützung der Fünftklässler bei den Hausaufgaben durch Familie und Freunde, 2010 nach Migrationshintergrund* (in %) (Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014; Berechnungen basieren auf: NEPS, Startkohorte 3, 2010, Welle 1, doi: 10.5157/NEPS: SC3:2.0.0) *Schülerinnen und Schüler mit mindestens einem im Ausland geborenen Elternteil
Auch Längsschnittdaten bestätigen den positiven Einfluss einer hohen Bildungsorientierung in den Erziehungszielen von Eltern auf die schulischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen, vor allem im Kontext einer hohen Verbundenheit mit den Eltern (Walper, Thönnissen et al. 2015). Darüber hinaus stehen insbesondere eine vermehrte schulbezogene Unterstützung durch die Eltern und Bildungserfolge älterer Geschwister mit einem stärker ausgeprägten allgemeinen Selbstkonzept und höheren Bildungsaspirationen bei Schülerinnen und Schülern der 5. Klasse in Zusammenhang (Grgic und Bayer 2015). Diese Ergebnisse stützen Bourdieus Annahme von klassenspezifischen Denk- und Handlungsschemata in Familien, innerhalb derer kulturelle Kapitalien weitergegeben werden, die die kindlichen Einstellungen und damit die individuellen Positionierungschancen junger Menschen langfristig beeinflussen (► 4.2.3). Eine längsschnittliche Untersuchung mit Grundschulkindern konnte zeigen, dass sich elterliche und kindliche Bildungsaspirationen im Zeitverlauf angleichen (Wohlkinger und Ditton 2012). Während es in der direkten Lernunterstützung kaum Herkunftseffekte gibt, führen deutlich mehr Eltern mit hohem Bildungsstand regelmäßige Gespräche über den Schulalltag mit dem Kind und haben höhere Bildungsaspirationen für ihr Kind (Vodafone Stiftung 2015). In der Forschung zum Wert-Erwartungs-Konzept der Leistungsmotivation wurde zugleich der Einfluss des elterlichen Vertrauens in die Leistungsfähigkeit des Kindes auf die Entwicklung von kindlichen Wert- und Valenzüberzeugungen herausgear-
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Bildungsort Familie im Entwicklungsverlauf 185 beitet (Eccles 2007). Lernbezogene Austauschprozesse in der Familie können daher ebenso wie die direkte Unterstützung dazu beitragen, die Lernmotivation sowie die Entwicklung von Selbstregulations- und Lernstrategien zu fördern (Hoover-Dempsey, Battiato et al. 2001). Nach dem Scaffolding-Prinzip sollte die elterliche Unterstützung auch die Selbstständigkeit des Kindes fördern, wenn sie sich am jeweiligen Lernstand des Kindes ausrichtet und nicht zu viel Hilfestellung anbietet (vgl. Walper und Wild 2014). Die Wirkung einer „akademischen Sozialisation“ zeigt sich dann vor allem im späteren Jugendalter, wenn Eltern immer weniger direkt in die schulischen Belange ihrer Kinder eingebunden sind (Hill und Tyson 2009). Daneben geben einige Studien Hinweise darauf, dass neben den elterlichen Aspirationen und den schulischen Austauschprozessen mit dem Kind auch organisationsbezogene Bildungsbemühungen der Eltern, d. h. der regelmäßige Kontakt zur Schule, mit besseren Schulleistungen einhergehen (vgl. zusammenfassend Fan und Chen 2001). Das Ausmaß des schulischen Engagements von Eltern wird dabei durch elterliche Überzeugungen und die antizipierte Wirksamkeit ihrer Bildungsbemühungen beeinflusst (Hoover-Dempsey, Walker et al. 2005). Elterliche Bildungsentscheidungen sind nicht nur hinsichtlich des Übertritts in die Grundschule bzw. hinsichtlich der Schulformwahl in der Sekundarstufe relevant (► Kap. 14), sondern betreffen auch die Organisation zusätzlicher Lernunterstützung in Form von Nachhilfe (vgl. für einen Überblick Dohmen et al. 2008) oder wie in der frühen Kindheit den Zugang zu non-formalen Bildungsangeboten der Musikschulen und Sportvereine. Während Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit hoher Bildung, vor allem in jüngerem Alter, häufig organisierte nonformale Angebote nutzen, sind jene aus bildungsfernen Elternhäusern insgesamt seltener musikalisch oder sportlich aktiv. Zudem üben die aktiven Jugendlichen unter ihnen ihren Sport oder ihre Musik häufiger in (selbstorganisierten) informellen Kontexten aus, d. h. alleine, mit der Familie oder mit Freunden. Eltern von im kulturellen oder sportlichen Bereich aktiven Kindern unterstützen diese dabei allerdings gleichermaßen unabhängig von ihrem Bildungsstand, beispielsweise durch das Hinbringen und Abholen, das Achten auf regelmäßiges Üben, das Begleiten zu Wettbewerben oder Aufführungen oder Engagement in der Gruppe des Kindes (vgl. ausführlich Grgic und Züchner 2016). 4.3.4 Familien mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen Mit zunehmendem Alter entwickeln Jugendliche ein größeres Streben nach Unabhängigkeit von ihren Eltern, intensivieren und vertiefen ihre Beziehungen zu Gleichaltrigen, die als Bezugsgruppe an Bedeutung gewinnen und nehmen erste Liebesbeziehungen auf (Silbereisen und Weichold 2012). Fragen der Lebensplanung gewinnen an Bedeutung, und vor allem gegen Ende der Schulzeit rücken mit der Ausbildungs- oder Studienwahl berufsbezogene Bildungsentscheidungen stärker in den Mittelpunkt (Kracke und Heckhausen 2008).
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186 Bildungsort Familie Die mit diesen Entwicklungen einhergehende Umstrukturierung der Beziehung zu den Eltern wurde vielfach als Ablösungsprozess verstanden. Tatsächlich verringert sich in vielen Bereichen der direkte Einfluss von Eltern, etwa auf die Wahl der Freundinnen und Freunde (Walper 2008). Die Präsenz der Eltern im schulischen Kontext ist weniger erwünscht, und auch die innerfamiliäre Begleitung des schulischen Lernens verlagert sich von der praktischen Hilfe auf indirekte Formen der Beratung und des Austauschs über Bildungsziele im Sinne akademischer Sozialisation (► 4.3.3). Wenn Eltern sich über Angelegenheiten der Jugendlichen informieren wollen, um möglichen problematischen Entwicklungen zuvor zu kommen (Monitoring), so gelingt dies doch nicht ohne eine entsprechende Selbstöffnungsbereitschaft der Jugendlichen (Kerr et al. 2010). Privatheit und Selbstbestimmung gewinnen an Gewicht. Allerdings vollzieht sich die zunehmende Autonomiegewinnung und Verselbstständigung von Jugendlichen keineswegs durchgängig zu Lasten der Verbundenheit mit den Eltern. Verfügbare Jugendsurveys bestätigen eine weit überwiegend positive Beziehung der Jugendlichen zu ihren Eltern (Silbereisen und Weichold 2012; Walper 2008). Insbesondere die Individuationstheorie hebt die Vorzüge einer gleichermaßen hohen Autonomie wie auch Verbundenheit hervor, die keineswegs als gegensätzliche Pole einer Dimension zu sehen sind, sondern weitgehend unabhängige Facetten der Beziehung zwischen Jugendlichen und ihren Eltern darstellen (Walper 2008). So bleiben Eltern auch im Jugend- und frühen Erwachsenenalter eine wichtige Ressource für die Bewältigung von alterstypischen Entwicklungsaufgaben. Mitunter mag die Unterstützung durch die Eltern überengagiert und wenig altersangemessen sein, wie es die Diskussion um „HelikopterEltern“ oder „Schneepflug-Eltern“ nahelegt, die ihre Kinder auch im frühen Erwachsenenalter noch wachsam begleiten und jegliche Schwierigkeiten von ihnen fernhalten. Insgesamt scheint dies jedoch ein eher randständiges Phänomen zu sein (vgl. Walper und Wild 2014). Nicht zuletzt bei Entscheidungen über die Berufswahl haben Eltern – neben weiteren wichtigen Akteuren und Angeboten der Berufsorientierung durch die Schule, Arbeitsagenturen und Berufsinformationszentren, Betriebe und Jugendhilfe – einen großen Stellenwert. Die Rolle der Eltern in dieser wichtigen Phase der Bildungsbiografie umfasst nicht nur die Informations- und Ratgeberfunktion, sondern in vielen Studien wird auch deren Bedeutung für die soziale und emotionale Unterstützung der Jugendlichen hervorgehoben (vgl. zusammenfassend Wood und Lauterbach 2013; Neuenschwander 2013; Steiner et al. 2017). Auch in dieser Lebensphase werden vor allem Jugendliche ohne Migrationshintergrund, Jugendliche aus bildungsnahen Elternhäusern und jene mit guter Beziehung zu den Eltern häufiger unterstützt, beispielsweise bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen, der Suche von Adressen, der Kontaktherstellung oder durch Begleitung zu Vorstellungsgesprächen (Gaupp und Geier 2014). Aus diesem Grund wird auch die Rolle der Eltern als sogenannte „Gatekeeper“ betont, insbesondere im Prozess der Meinungsbildung
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Fazit und Ausblick 187 über die Bewerbung auf konkrete Stellen und deren Passung zu Eigenschaften und Interessen der Jugendlichen (Behrens und Rabe-Kleberg 2000). Insofern erweist es sich im Prozess der Berufsorientierung als vorteilhaft, wenn Eltern seitens der Lehrkräfte einbezogen werden. Eine entsprechende Studie zeigt, dass die Heranwachsenden mehr explorieren, besser planen und sich als selbstwirksamer erleben, wenn sie sich von ihren Eltern und Lehrkräften unterstützt fühlen und ihre Eltern von den Lehrkräften einbezogen wurden (Mayhack und Kracke 2010).
4.4 Fazit und Ausblick Die dargestellten Befunde sprechen für beträchtliche Einflüsse der Familie auf den Kompetenzerwerb und die Bildungslaufbahn ihrer Kinder, die in unterschiedlichen Bereichen der familialen Sozialisation verankert sind und auf breiter Ebene im Alltag der Familie zum Tragen kommen. In allen Phasen von der frühen Kindheit bis zum Jugend- und frühen Erwachsenenalter lassen sich relevante Prozesse ausmachen, durch die Eltern ihre Kinder fördern können. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass Eltern nicht nur Bildungsziele für ihre Kinder im Blick haben, sondern auch andere, möglicherweise konfligierende Erziehungsziele verfolgen und im Familienalltag wie auch darüber hinaus mit einer Vielzahl an Aufgaben konfrontiert sind. Zudem bestehen beträchtliche Unterschiede in den Ressourcen, über die Familien zur erfolgreichen Begleitung von Bildungsprozessen ihrer Kinder verfügen. Vor allem sozioökonomische Faktoren wie die eigene Bildung der Eltern und deren finanzielle Ressourcen erweisen sich als maßgeblich und tragen zur Verfestigung von Bildungsdisparitäten in der Generationenfolge bei. Angesichts der Veränderungen im Bildungssystem ist es nicht verwunderlich, dass viele Eltern Unsicherheiten in Bildungsfragen erleben, insbesondere Eltern mit geringen Bildungsressourcen. Mittlerweile können Eltern auf eine große Bandbreite von Bildungs- und Beratungsangeboten zurückgreifen, die sie in ihrer Rolle als Erzieher und Bildungsbegleiter ihrer Kinder unterstützen. Hierunter fallen auch schulische Angebote (z. B. schulpsychologischer Dienst, Beratungslehrer), vor allem aber familienunterstützende Leistungen im Rahmen der öffentlichen Kinderund Jugendhilfe. Deren Spektrum ist breit und umfasst familienunterstützende und -ergänzende Maßnahmen, die verschiedene Formen der Familienbildung und Beratung einschließen. Wenngleich sich Familienbildung und -beratung vielfach überlappen, unterscheiden sie sich doch sehr in ihrer Form (im Gruppen- versus Einzelsetting) und in der Ausrichtung auf unterschiedliche Zielgruppen bzw. dem Fokus der Prävention. Während Familienbildung in der Regel die Gesamtheit der Bevölkerung bzw. aller Eltern anspricht (universelle Prävention) und allenfalls bestimmte Risikogruppen in den Blick nimmt (selektive Prävention), richten sich Beratungsangebote auch vermehrt an problembelastete Familien (z. B.
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188 Bildungsort Familie Eltern mit verhaltensauffälligem Kind), fallen also in den Bereich der indizierten Prävention. Insbesondere im Bereich der „Frühen Hilfen“ wurden beträchtliche Anstrengungen unternommen, um Familien möglichst früh im Verlauf der Familienentwicklung durch bessere Kooperationen zwischen den sozialen Diensten und dem Gesundheitswesen zu erreichen und wirkungsvoll zu unterstützen, wobei die Angebote in besonderem Maße auf Familien in Risikolagen abzielen, also der selektiven Prävention dienen (Sann 2012; vgl. auch www.fruehehilfen.de). Auch für Familien mit älteren Kindern wurden im Zuge der Kampagne „Mehr Respekt vor Kindern“ mehr Angebote zur Förderung gewaltfreier Erziehung auf den Weg gebracht. Zahlreiche Elterntrainings und Interventionsprogramme zielen mittlerweile darauf ab, die Erziehungskompetenz von Eltern zu stärken (Petermann et al. 2010). Wenngleich Fragen der gezielten Förderung kindlicher Kompetenzen mitunter nur randständig behandelt werden, vermitteln diese Programme doch Elternkompetenzen, die der kindlichen Selbstregulation dienen und damit auch Bildungsprozesse erleichtern. Vor dem Hintergrund der beträchtlichen sozialen Disparitäten in den Bildungschancen von Kindern liegt es nahe, vor allem das Bildungspotenzial von benachteiligten Familien zu stärken. Zahlreiche Präventionsprogramme bemühen sich darum, speziell sozial benachteiligte Familien mit Kindern im Kleinkind- bis Vorschulalter zu erreichen, um in dieser sensiblen Phase der Familienentwicklung Anregungen zur Stärkung der Erziehungskompetenzen zu bieten, darunter Programme zur breit angelegten Entwicklungsförderung wie auch spezifischere Programme zur Förderung der sprachlichen und kognitiven Entwicklung (Sterzing 2011). Vielen Angeboten der Familienbildung gelingt es jedoch besser, Eltern der bildungsorientierten Mittelschicht zu erreichen. Diese sind nicht nur aufgeschlossener für entsprechende Angebote und können finanzielle oder organisatorische Hürden leichter überwinden; sie scheinen auch eher von solchen Programmen zu profitieren als Eltern der unteren Schichten (vgl. Walper und Wild 2014). Mit dem Bundesprogramm „Elternchance ist Kinderchance“ wurde seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine vielversprechende Initiative gestartet, die Eltern in ihrer Rolle als Bildungsbegleiter der Kinder stärken will und hierbei speziell sozial benachteiligten Eltern sowie Familien mit Migrationshintergrund Elternbegleiter zur Seite stellt, die in Kitas, Familienzentren und an Orten der Familienbildung kompetente Ansprechpartner für die Eltern sind, sie also „vor Ort“ erreichen (siehe www.elternchance.de). Die Evaluation spricht für den Erfolg der Qualifikation und Elternarbeit seitens der Fachkräfte (Müller et al. 2015). Entsprechende Bemühungen zur qualifizierten Stärkung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern sollten auch auf den schulischen Bereich ausgeweitet werden.
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C. Katharina Spieß, Johanna Storck und Vaishali Zambre
Zusammenfassung Bildungsausgaben stellen die finanziellen Ressourcen dar, die den unterschiedlichen Bereichen des Bildungssystems zukommen. Sie umfassen reale Zahlungsströme von privaten und öffentlichen Akteuren und sind abzugrenzen von Bildungsinvestitionen und Bildungskosten. Es können öffentliche und private Bildungsausgaben unterschieden werden, wobei erstere von öffentlichen Gebietskörperschaften und letztere von privaten Akteuren wie privaten Haushalten und Betrieben getätigt werden. Im sogenannten nationalen Bildungsbudget werden sowohl öffentliche als auch private Bildungsausgaben abgebildet. Die Bildungsausgaben betrugen in Deutschland im Jahr 2013 insgesamt 186,5 Mrd. Euro. Die Höhe der Bildungsausgaben variiert stark zwischen den einzelnen Bildungsbereichen: Die Ausgaben für allgemeinbildende Bildungsgänge an Schulen betrugen 34 % des Gesamtbudgets, die Ausgaben für den Tertiärbereich 19 %. Weit weniger wurde für die übrigen formalen Bildungseinrichtungen aufgewendet. Für den Elementarbereich etwa 13 % und für betriebliche Ausbildung 6 %. In den letzten Jahren sind die Bildungsausgaben in Deutschland gestiegen, wobei ein Teil des Anstiegs pro Bildungsteilnehmer auch durch die demografische Entwicklung begünstigt wurde. Auch gemessen an der Wirtschaftskraft, d. h. dem Bruttoinlandsprodukt, ist ein leichter Anstieg der Bildungsausgaben zu verzeichnen: Im Jahr 2005 wurden 6,2 % des BIP für Bildung ausgegeben, während es im Jahr 2013 6,6 % des BIP waren. Insgesamt wurden vier Fünftel der Bildungsausgaben vom öffentlichen Bereich getragen, während der private Bereich das übrige Fünftel aufbrachte. Dabei sind in den einzelnen Bildungsbereichen größere Unterschiede festzustellen: So ist der öffentliche Finanzierungsanteil im schulischen Bereich am höchsten, während er im Bereich der Elementarbildung vergleichsweise gering ist. Ein Vergleich der öffentlichen Ausgaben mit anderen öffentlichen Ausgabenbereichen macht deutlich, dass in den letzten Jahren die Bedeutung von Bildungsausgaben relativ betrachtet zugenommen hat. Eine Differenzierung der Lastenverteilung nach Gebietskörperschaften zeigt, dass die Länder mit 67 % den höchsten Anteil der Bildungsausgaben
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196 Bildungsausgaben bestreiten, während sich der Bund mit 13 % und die Kommunen mit 20 % an den Ausgaben beteiligen. Die Ausgaben privater Akteure werden im Gegensatz zu den öffentlichen Bildungsausgaben nur eingeschränkt erfasst. Sie umfassen insbesondere Ausgaben für die berufliche Bildung und die berufliche Weiterbildung, welche von den Betrieben getätigt werden. Die Ausgaben der privaten Haushalte beinhalten hauptsächlich Ausgaben für die Kindertagesbetreuung, Privatschulen und zunehmend private Hochschulen. Im internationalen Vergleich gibt Deutschland etwas weniger als andere OECD-Länder für Bildung aus, wenn man den Anteil gemessen am BIP festmacht. Zieht man hingegen eine Pro-Kopf-Betrachtung heran, so zeigt sich, dass die Höhe der Bildungsausgaben in Deutschland über dem OECD-Durchschnitt liegt. Dies gilt jedoch nicht für alle Bildungsbereiche: Insbesondere im Primarbereich sind im Vergleich zum OECD- und EU-Durchschnitt geringere Ausgaben pro Bildungsteilnehmer zu verzeichnen, während dies im Sekundarstufenbereich II und im Tertiärbereich und in den letzten Jahren auch im Elementarbereich nicht der Fall ist. Die Betrachtung von Bildungsausgaben per se sagt jedoch noch nichts über deren Wirkung aus. Höhere Bildungsausgaben sind nicht gleichzusetzen mit besseren Bildungsergebnissen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die künftigen Herausforderungen für das Bildungssystem höhere Bildungsausgaben mit sich bringen werden.
Deutschland investiert zu wenig in Bildung – diese und ähnliche Aussagen finden sich häufig sowohl in Politik und Medien sowie als Ergebnis internationaler Vergleichsstudien. Damit einher geht die Forderung nach höheren Bildungsinvestitionen, um auf gesamtwirtschaftlicher Ebene die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, mehr Bildungsgerechtigkeit zu erreichen und auf individueller Ebene erfolgreiche Bildungsbiografien zu ermöglichen. Diese Forderung beruht in der Regel auf einer Betrachtung von Bildungsausgaben, anhand derer die Höhe der Bildungsinvestitionen quantifiziert werden. Empirische Hinweise darauf, dass höhere Bildungsausgaben tatsächlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigern sowie zur Erreichung anderer bildungs- und gesellschaftspolitischer Ziele beitragen, liegen allerdings nur sehr eingeschränkt vor (► 5.5). Unabhängig davon gibt die Höhe der Bildungsausgaben Auskunft darüber, wie viel finanzielle Mittel dem Bildungsbereich zukommen. Dies wiederum erlaubt Hinweise darauf, welche Bedeutung dem Bildungssystem in einer Gesellschaft zukommt; gleichwohl sind hierfür auch noch andere Faktoren relevant. Insgesamt wurden in Deutschland 2013 186,5 Mrd. Euro für Bildung ausgegeben. Dieser Wert ist nach vorläufigen Berechnungen für 2014 auf 190,7 Mrd. Euro gestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt 2016a, Tab. A1). Von wem werden diese Ausgaben aufgebracht und wofür werden sie verwendet? Wie haben sie sich über die Zeit verändert und was zeigt ein internationaler Ver-
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Einführung 197
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gleich von Bildungsausgaben? Dieser Beitrag soll einen Überblick über diese und angrenzende Fragen geben, wobei auch auf bestehende Unterschiede und Probleme bei der Erfassung von Bildungsausgaben durch unterschiedliche nationale und internationale Akteure eingegangen wird.
5.1 Einführung In der öffentlichen Wahrnehmung werden Bildungsausgaben sehr häufig mit den Kosten von Bildung gleichgesetzt, obgleich zentrale Unterschiede vorliegen. Bildungsausgaben erfassen lediglich die tatsächlichen Zahlungen (öffentlicher und privater Akteure), die innerhalb einer definierten Periode getätigt werden, d. h. es stehen reale Zahlungsströme im Vordergrund. Eine Kostenbetrachtung geht hingegen über eine Betrachtung der Ausgaben hinaus. Zum einen wird bei einer Kostenbetrachtung die Nutzungsdauer einer Investition berücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass eine Investition über die Nutzungsdauer verteilt in verschiedenen Perioden als Kosten (in Form von Abschreibungen) betrachtet wird. Im Sinne einer Ausgabenbetrachtung erscheinen Investitionen einmalig in der Periode, in der sie getätigt werden. Entsprechend sollten jährliche Veränderungen der Ausgaben vorsichtig interpretiert werden und eine zeitliche Betrachtung über einen längeren Zeitraum erfolgen, bei der sich die Unterschiede zwischen einer Ausgaben- und Kostenbetrachtung relativieren. Zum anderen beinhaltet der Kostenbegriff in der Ökonomie neben direkten Kosten, wie beispielsweise Betriebs- und Personalkosten, auch indirekte Kosten. Hierzu zählen u. a. die so genannten Opportunitätskosten. Opportunitätskosten bezeichnen entgangene Einnahmen einer alternativen Ressourcenverwendung.1 In der Bildungsökonomie wird das Konzept der Opportunitätskosten verwendet um Handlungsalternativen zu bewerten und auf diese Weise zu einer optimalen Entscheidung zu gelangen. In diesem Sinne sind Opportunitätskosten Teil der investierten Ressourcen und sollten entsprechend bei der Quantifizierung von Bildungsinvestitionen berücksichtigt werden. Bei einer Betrachtung von Bildungsausgaben haben derartige Kosten jedoch keine Bedeutung, da ihnen keine realen Zahlungsströme gegenüber stehen. Insofern können Bildungsausgaben nicht mit Bildungsinvestitionen gleichgesetzt werden. Die Erfassung der Kosten von Bildung ist jedoch mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden, sodass Bildungsausgaben als Approximation der Kosten bzw. Bildungsinvestition dienen können. Eine detaillierte Darstellung von Bildungsausgaben ist im Wesentlichen auf Basis der Daten möglich, die im Rahmen der nationalen und internationalen Bildungs1 Opportunitätskosten entstehen dadurch, dass eine alternative Handlungsmöglichkeit nicht gewählt
wurde. Die Opportunitätskosten eines Bildungsteilnehmers bestehen beispielsweise aus dem entgangenen Erwerbseinkommen, welches er hätte erzielen können, wenn er nicht an Bildungsmaßnahmen teilgenommen hätte.
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198 Bildungsausgaben berichterstattung im regelmäßigen Turnus erfasst werden. Wichtige nationale Quellen sind: (1) Die vom Statistischen Bundesamt jährlich herausgegebene Veröffentlichung „Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft“. Obgleich darin nicht alle Bildungsausgaben erfasst werden (können) (vgl. Barz 2010, 20ff; Dohmen und Hoi 2004), bilden die darin zusammengetragenen Daten die umfassendste Darstellung der Bildungsausgaben in Deutschland und zeigen neben einer Gliederung der Bildungsausgaben nach Bildungsbereichen auch die Finanzierungsbeiträge der öffentlichen Haushalte, des privaten Bereichs sowie des Auslands. (2) Der „Bildungsfinanzbericht“, der ebenfalls jährlich vom Statistischen Bundesamt herausgegeben wird. Im Mittelpunkt dieses Berichts stehen die Bildungsausgaben der öffentlichen Haushalte, deren Volumen, Struktur und Entwicklung über die Zeit. Zudem werden darin auch die öffentlichen Bildungsausgaben der einzelnen Bundesländer verglichen. (3) Auch in dem alle zwei Jahre erscheinenden nationalen Bildungsbericht (Bildung in Deutschland) werden Grundinformationen zu den deutschen Bildungsausgaben berichtet. Darüber hinaus existieren Quellen, auf deren Basis private Bildungsausgaben erfasst werden, die als Aggregat in Berechnungen für die beiden oben genannten Berichte eingehen (► 5.3). Ein regelmäßiges Berichtssystem zu privaten Bildungsausgaben ist nicht vorhanden. Die Verortung der Bildungsausgaben Deutschlands im internationalen Vergleich wird durch internationale Vergleichsstudien ermöglicht. Hierzu zählt (1) der von der OECD jährlich publizierte Band „Bildung auf einen Blick – OECD Indikatoren“, in dem ein gesamtes Kapitel dem Vergleich der in Bildung investierten Finanz- und Humanressourcen gewidmet ist. In unregelmäßigen Abständen werden (2) auch vom Eurydice-Netzwerk (Informationsnetz der Europäischen Kommission zum Bildungswesen in Europa) Vergleiche der Bildungsausgaben auf europäischer Ebene veröffentlicht. Häufig widmen sich diese Berichte jedoch nur einzelnen Bildungsbereichen und sind daher für einen Gesamtüberblick weniger geeignet. 5.1.1 Das nationale Bildungsbudget Im nationalen Bildungsbudget werden alle Bildungsausgaben zusammengefasst, welche in Deutschland durch die öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Gemeinden), durch private Akteure (Unternehmen, private Haushalte, private Organisationen ohne Erwerbszweck) und das Ausland getätigt werden. Die Ausgaben des Auslands beschränken sich allerdings auf die Förderung von Forschung und Entwicklung an Hochschulen und werden nachfolgend aufgrund ihres geringen Gewichts (das Ausland erbrachte lediglich 0,4 % der gesamten Bildungsausgaben) und ihres Forschungsschwerpunktes nicht weiter betrachtet. Das Bildungsbudget ist Teil des Budgets für Bildung, Forschung und Wissenschaft, das jährlich vom Statistischen Bundesamt erstellt wird (► Abb. 5.1).
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Einführung 199
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Abb. 5.1: Bildungsbudget im Überblick (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistisches Bundesamt 2015)
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200 Bildungsausgaben Neben dem Bildungsbudget werden darin auch das Budget für Forschung und Entwicklung (darunter die Ausgaben der Hochschulen2 und staatlichen Forschungseinrichtungen sowie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von Unternehmen und privaten Forschungseinrichtungen ohne Erwerbszweck) und das Budget für sonstige Bildungs- und Wissenschaftsinfrastruktur (Ausgaben für Bibliotheken, Fachinformationszentren und Messen) erfasst. Das Gesamtbudget für Bildung, Forschung und Wissenschaft betrug in Deutschland 2013 257,4 Mrd. Euro. Dies entspricht etwa 9,1 % des Bruttoinlandsprodukts. Über zwei Drittel dieser Ausgaben entfielen dabei auf Bildung. Abbildung 5.1 gibt einen Überblick über die Gliederung des Bildungsbudgets. Im Bildungsbudget werden die Ausgaben für formale und non-formale Bildungseinrichtungen, die Ausgaben für die Förderung von Teilnehmern und Teilnehmerinnen dieser Bildungseinrichtungen und die Ausgaben privater Haushalte für Bildungsgüter und -dienste außerhalb von Bildungseinrichtungen subsumiert. Um eine stärkere Kompatibilität der nationalen Berichterstattung mit internationalen Daten3 zu erreichen, wurde das Bildungsbudget im Jahr 2007 konzeptionell weiterentwickelt (vgl. Baumann 2008). Seitdem wird zwischen den Bildungsausgaben in internationaler Abgrenzung nach der International Standard Classification for Education (ISCED) (Modul A) und zusätzlichen Ausgaben in nationaler Abgrenzung (Modul B) unterschieden. Bereits hier wird deutlich, dass Aussagen über die Höhe der finanziellen Ressourcen, die in den Bildungsbereich fließen, stark von der angewandten Definition der Bildungsausgaben abhängen. In der internationalen Abgrenzung werden Ausgaben für formale Bildungseinrichtungen (Kindertageseinrichtungen4, Schulen, Berufsbildung und Hochschulen), die Ausgaben der privaten Haushalte für Bildungsdienste und Güter außerhalb von Bildungseinrichtungen (wie z. B. Lernmittel, Nachhilfe) sowie die Ausgaben für die Förderung von Teilnehmern formaler Bildungseinrichtungen (wie z. B. die BAföGAusgaben) erfasst. Hingegen werden nach der nationalen Abgrenzung zusätzlich auch Ausgaben für bestimmte non-formale Bildungsangebote miteinbezogen, um entsprechend dem Konzept des lebenslangen Lernens ein möglichst umfassendes Gesamtbild der getätigten Bildungsausgaben zu erlangen. Zu den non-formalen 2 Die Ausgaben der Hochschulen für Forschung und Entwicklung sind gemäß der internationalen Ab-
grenzung auch im ersten Teilbereich (Ausgaben für das Bildungsbudget in internationaler Abgrenzung) des Budgets für Bildung, Forschung und Wissenschaft enthalten. 3 Die internationale Bildungsberichterstattung beruht auf den so genannten bildungsstatistischen UOE-Meldungen. Diese werden in harmonisierter Form von der UNESCO, der OECD und Eurostat jährlich erhoben und als einheitliche Bezugsquelle für die jeweiligen Bildungsberichte der Organisationen genutzt. Die Basisdaten für Deutschland werden vom Statistischen Bundesamt geliefert. 4 Dies umfasst Krippen, Kindergärten, Vorschulklassen und Schulkindergärten. Bis zum Berichtsjahr 2012 umfasste der Elementarbereich nur die Angebote für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt, während die Bildungsangebote von Kleinkindern unter drei Jahren bei den zusätzlichen bildungsrelevanten Ausgaben in nationaler Abgrenzung aufgeführt wurden. Mit der Einführung der ISCED-2011 wurden diese Bildungsangebote als formale Bildungseinrichtungen eingestuft.
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Einführung 201 Bildungsangeboten werden Ausgaben für Horte, die betriebliche Weiterbildung, Volkshochschulen, Einrichtungen der Jugendarbeit sowie Ausgaben für sonstige Bildungsangebote (z. B. Ausgaben für Bildungseinrichtungen der Kammern, Lehrerfortbildung) gerechnet. Analog zu den Ausgaben für formale Bildungseinrichtungen werden im Modul B auch die Ausgaben für die Förderungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern non-formaler Bildungseinrichtungen ausgewiesen, wie beispielsweise die Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit, mit denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der beruflichen Weiterbildung gefördert werden. Eine differenzierte Betrachtung der Bildungsausgaben kann aus zwei verschiedenen Blickwinkeln erfolgen. In der Durchführungsbetrachtung wird die Höhe der Ausgaben, die in den einzelnen Bildungsbereichen getätigt werden, analysiert. In der Finanzierungsbetrachtung wird hingegen untersucht, wer diese Ausgaben finanziert bzw. in welchem Umfang Bund, Länder und Gemeinden sowie Unternehmen und private Haushalte sich an der Bildungsfinanzierung beteiligen. Damit gibt die Finanzierungsbetrachtung insbesondere Auskunft über die finanzielle Lastenverteilung sowohl zwischen dem öffentlichen und privaten Bereich als auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die Durchführungsbetrachtung hingegen zeigt auf, welche finanziellen Mittel den einzelnen Bildungsbereichen zur Verfügung stehen und bietet somit ein Maß für die jeweilige Ressourcenausstattung. 5.1.2 Volumen und Struktur von Bildungsausgaben Die Bildungsausgaben betrugen in Deutschland im Jahr 2013 insgesamt 186,5 Mrd. Euro und sind in Tabelle 5.1 differenzierter dargestellt. Vier Fünftel dieser Ausgaben wurden vom öffentlichen Bereich getragen, während der private Bereich das übrige Fünftel aufbrachte. In der Durchführungsbetrachtung entfiel der höchste Anteil der Ausgaben mit 79,4 % (148,1 Mrd. Euro) auf formale Bildungseinrichtungen (Kindertageseinrichtungen, Vorschulen, Schulen, Berufsbildung und Hochschulen). Zu diesen Ausgaben zählen neben den Personalausgaben auch investive Ausgaben.5 Die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel variiert stark zwischen den einzelnen Bildungsbereichen. Den allgemeinbildenden Bildungsgängen an Schulen standen finanzielle Mittel in Höhe von 63,9 Mrd. Euro zu Verfügung, was einem Anteil am Bildungsbudget von 34 % entspricht. Die Ausgaben für den Tertiärbereich, der überwiegend die Hochschulen umfasst, beliefen sich mit einem Anteil von 19 % auf 34,4 Mrd. Euro, wovon 14,3 Mrd. auf die Hochschulforschung entfielen. Weit weniger wurde für die übrigen formalen Bildungseinrichtungen aufgewendet. Für den Elementarbereich (ISCED 0) wurden 23,9 Mrd. Euro ausgegeben und für die betriebliche Ausbildung sowie für berufliche Bildungsgänge jeweils 10,7 Mrd. Euro. 5 Diese umfassen die Ausgaben für Lehr- und Lernmittel, Kosten für Heizung, Elektrizität, die Reini-
gung und Erhaltung von Schulgebäuden sowie Ausgaben für Investitionsgüter, wie beispielsweise der Bau von neuen Bildungseinrichtungen.
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202 Bildungsausgaben Tab. 5.1: Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft 2013* (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016a)
Kommunen
Insgesamt
in Mrd. Euro**
Anteil am Bildungsbudget (in %)
Anteil am BIP (in %)
Insgesamt
Länder
Ausgaben in Mrd. EUR
Bund
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Bereich
A
Bildungsbudget in internationaler Abgrenzung gemäß ISCED-Gliederung1)
16,0
96,4
27,0
139,5
28,0
168,2
90,2
6,0
A30
Ausgaben für Bildungseinrichtungen in öffentlicher und privater Trägerschaft
10,4
89,2
25,7
125,3
22,1
148,1
79,4
5,3
A31
ISCED 0 – Elementarbereich2)
0,4
6,1
11,7
18,2
5,6
23,9
12,8
0,8
• Kinder unter 3 Jahren
0,5
2,5
2,8
5,7
2,4
8,1
4,3
0,3
• Kinder ab 3 Jahren bis Schuleintritt
0,0
3,7
8,9
12,5
3,3
15,8
8,5
0,6
ISCED 1-4 – Schulen und schulnaher Bereich
3,1
59,2
13,7
76,1
11,6
87,6
47,0
3,1
• Allgemeinbildende Bildungsgänge
0,4
52,6
8,8
61,8
2,1
63,9
34,3
2,3
• Berufliche Bildungsgänge3)
0,7
6,2
2,4
9,4
1,3
10,7
5,7
0,4
• Betriebliche Ausbildung im dualen System4)
2,0
0,3
0,3
2,5
8,2
10,7
5,8
0,4
ISCED 5-8 – Tertiärbereich
Öffentlicher Bereich
A32
A33
5)
Privater Bereich
6,7
22,0
0,1
28,8
4,8
34,4
18,5
1,2
• Berufsorientierte Bildungsgänge
0,1
0,8
0,0
0,8
0,2
1,0
0,6
0,0
• Akademische Bildungsgänge (Bildungsgänge an Hochschulen)
6,6
20,8
0,0
27,5
3,6
31,8
17,0
1,1
– Forschung und Entwicklung an Hochschulen
3,6
7,9
0,0
11,5
2,0
14,3
7,7
0,5
A34
Sonstige (keiner ISCED-Stufe zugeordnet) 6)
0,1
1,9
0,2
2,2
0,0
2,2
1,2
0,1
A40
Ausgaben privater Haushalte für Bildungsgüter und -dienste außerhalb von Bildungseinrichtungen
0,0
0,0
0,0
0,0
5,9
5,9
3,2
0,2
A50
Ausgaben für die Förderung von Bildungsteilnehmenden in ISCED-Bildungsgängen
5,6
7,3
1,3
14,2
0,0
14,2
7,6
0,5
B
Zusätzliche bildungsrelevante Ausgaben in nationaler Abgrenzung
3,0
2,9
2,0
8,0
10,3
18,3
9,8
0,6
B10
Betriebliche Weiterbildung
0,4
0,8
0,5
1,7
9,3
10,9
5,9
0,4
B20
Ausgaben für weitere Bildungsangebote
1,7
2,1
1,5
5,4
1,0
6,4
3,5
0,2
B21
Horte in öffentlicher und privater Trägerschaft***
0,0
1,9
-0,1
1,7
0,4
2,1
1,1
0,1
B22
Einrichtungen der Jugendarbeit
0,2
0,0
1,5
1,7
0,1
1,7
0,9
0,1
B23
Volkshochschulen
0,1
0,1
0,2
0,4
0,6
1,0
0,6
0,0
7)
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Einführung 203
Kommunen
Insgesamt
in Mrd. Euro**
Anteil am Bildungsbudget (in %)
Anteil am BIP (in %)
Insgesamt
Länder
Ausgaben in Mrd. EUR
Bund
Bereich
B24
Sonstige Bildungsangebote (z. B. Bildungseinrichtungen der Kammern, Lehrerfortbildung)
1,5
0,1
0,0
1,6
0,0
1,6
0,9
0,1
B30
Förderung von Teilnehmenden an Weiterbildung8)
0,9
0,0
0,0
0,9
0,0
0,9
0,5
0,0
A+B
Bildungsbudget insgesamt
19,0
99,4
29,0
147,4
38,3
186,5
100,0
6,6
C
Forschung und Entwicklung9)
12,1
10,8
0,2
23,1
52,5
79,7
-
2,8
D
Sonstige Bildungs- und Wissenschaftsinfrastruktur
2,2
1,3
1,3
4,8
0,6
5,5
-
0,2
A+B+C+D
Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft (konsolidiert um Forschung und Entwicklung an Hochschulen)10)
29,7
103,6
30,5
163,8
89,4
257,4
-
9,1
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Öffentlicher Bereich Privater Bereich
*Finanzierungsrechnung mit Berücksichtigung des Zahlungsverkehrs zwischen Gebietskörperschaften (Initial Funds), Abgrenzung nach dem Konzept 2012. Bei den Summen kann es auf Grund von Rundungen in den Zwischensummen zu Abweichungen kommen. **Die Ausgaben insgesamt enthalten auch die 0,8 Mrd. Euro, die vom Ausland für Forschung und Entwicklung an Hochschulen erbracht werden. Diese sind in der Tabelle jedoch nicht separat aufgeführt. ***Die Ausgaben der Kommunen für Horte lagen unter den finanziellen Mitteln, die sie von Bund und Ländern zur Finanzierung der Horte erhalten haben. Daher ergeben sich für die Kommunen an dieser Stelle negative Ausgaben. 1) Abgegrenzt nach der ISCED-Gliederung: International Standard Classification of Education 2011. 2) Krippen, Kindergärten, Vorschulklassen, Schulkindergärten. 3) Einschl. Schulen des Gesundheitswesens, ohne Fachschulen, Fachakademien, Berufsakademien. 4) Ausgaben der betrieblichen, überbetrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildung im dualen System ohne Berufsschulen, einschl. ausbildungsrelevanter Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. 5) Ohne Ausgaben für die Krankenbehandlung, einschl. Ausgaben für Fachschulen, Fachakademien, Berufsakademien, Forschung und Entwicklung an Hochschulen, Studentenwerke. 6) Ausgaben sind den einzelnen ISCED-Stufen nicht zuzuordnen (einschl. geschätzten Ausgaben für die Beamtenausbildung, Serviceleistungen der öffentlichen Verwaltung sowie Studienseminaren). 7) Schätzung der Kosten für interne und externe Weiterbildung (ohne Personalkosten der Teilnehmenden) auf der Basis der Erwerbstätigen (ohne Auszubildende) laut Mikrozensus und der durchschnittlichen Weiterbildungskosten je Beschäftigten laut der Europäischen Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (CVTS). Eventuelle Doppelzählungen bei externen Weiterbildungsmaßnahmen (z. B. in Hochschulen) konnten nicht bereinigt werden. 8) Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit an Teilnehmende an beruflicher Weiterbildung; eventuelle Doppelzählungen (duale Ausbildung, Weiterbildung) konnten nicht bereinigt werden. 9) Berechnet nach den Methoden der FuE-Statistik (gemäß OECD-Meldung/Frascati-Handbuch). 10) Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft wurde konsolidiert um die Ausgaben für „Forschung und Entwicklung an Hochschulen“, da diese Position sowohl in A als auch C enthalten ist.
Für die Förderung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern in formalen Bildungseinrichtungen (hierzu zählen beispielsweise BAföG und Kindergeld für volljährige Bildungsteilnehmer) wurden 8 % des Bildungsbudgets bzw. 14,2 Mrd. Euro aufgewendet. Es folgen die Ausgaben für weitere Bildungsangebote mit 4 %
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204 Bildungsausgaben (6,4 Mrd. Euro), wozu beispielsweise die Ausgaben für Volkshochschulen, Horte oder die Lehrerbildung zählen. Der betrieblichen Weiterbildung standen mit 10,9 Mrd. Euro 6 % des Bildungsbudgets zur Verfügung. Am geringsten ist mit 3 % (5,9 Mrd. Euro) der Anteil der Ausgaben der privaten Haushalte für Bildungsgüter und -dienste außerhalb von Bildungseinrichtungen (darunter beispielsweise die Ausgaben für Nachhilfeunterricht und Lernmittel) sowie die öffentlichen Ausgaben für die Förderung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Weiterbildung mit knapp einem halben Prozent (0,9 Mrd. Euro). 5.1.3 Zeitliche Entwicklung Eine Betrachtung der zeitlichen Entwicklung von Bildungsausgaben bietet die Möglichkeit Trends und Verschiebungen in der Bedeutung von Bildung insgesamt, gemessen an Ausgabenströmen, als auch Strukturveränderungen in den einzelnen Bildungsbereichen zu verdeutlichen. Die Frage der zeitlichen Entwicklung kann allerdings nur sehr eingeschränkt beantwortet werden, da über die Zeit Veränderungen im unterstellten Abgrenzungskonzept vorgenommen wurden, d. h. welche Ausgaben zu den Bildungsausgaben gezählt werden. Das aktuelle Abgrenzungskonzept findet erst seit dem Berichtsjahr 2012 Anwendung. Für das Jahr 2005 hat das Statistische Bundesamt die Bildungsausgaben allerdings erneut nach dem aktuellen Abgrenzungskonzept erfasst, sodass zumindest ab diesem Zeitpunkt konsistente zeitliche Vergleiche möglich sind. Tab. 5.2: Vergleich der Bildungsausgaben (in Euro): 2005 und 2013 (Quelle: eigene Berechnung auf Basis von BMBF 2016 und Statistisches Bundesamt 2016a, 2016b) 2005 Bildungsausgaben insgesamt Bildungsausgaben in Relation zur Bevölkerung Bildungsausgaben in Relation zur Bevölkerung unter 30 Jahren
143,3 1.737,9 5.470,2
2013 nominal real* 186,5 152,1 2.308,9 1.883,3 7.646,3 6.236,9
*inflationsbereinigt; in Preisen von 2005; Bildungsausgaben in Abgrenzung des Bildungsbudgets
Im Vergleich zu 2005 sind die gesamten Bildungsausgaben (nominal) von 143,3 Mrd. Euro auf 186,5 Mrd. Euro gestiegen, was einem Anstieg von 30 % entspricht. Diese Zahlen sind jedoch wenig aussagekräftig, da sie in jeweilig aktuellen Preisen, d. h. nicht inflationsbereinigt angegeben sind. Werden diese Ausgaben mit Hilfe des BIP-Deflators inflationsbereinigt (siehe dazu auch Statistisches Bundesamt 2015, A5.3), so reduziert sich der Anstieg der Bildungsausgaben von
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Einführung 205 30 auf 6 % (von 143,3 Mrd. Euro in 2005 auf 152,1 Mrd. Euro in 2013 in Preisen von 2005). Die Höhe der Bildungsausgaben ist dabei maßgeblich von der Bevölkerungsentwicklung abhängig. Da der größte Teil der Bildungsausgaben auf Bildungseinrichtungen entfällt, die überwiegend von jungen Menschen besucht werden, ist es sinnvoll die Bildungsausgaben auch auf die Zahl der Personen unter 30 Jahren zu beziehen. Bei dieser Altersgruppe ist im Zeitraum von 2005 bis 2013 ein Bevölkerungsrückgang von 7 % zu konstatieren (vgl. BMBF 2016). Zieht man als Vergleichsgröße diese Bevölkerungsgruppe heran, so sind die realen Ausgaben pro Kopf von 5470 Euro auf 5770 Euro um 14 % gestiegen. Die finanziellen Ressourcen, die je Bildungsteilnehmer*in im Mittel ausgegeben wurden, sind folglich nicht nur auf eine reale Erhöhung der Bildungsausgaben, sondern insbesondere auf einen relativ starken Bevölkerungsrückgang bei jüngeren Altersgruppen zurückzuführen. 5.1.4 Bildungsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt Als Maß für die Bedeutung von Bildung in einer Volkswirtschaft kann die Höhe der Bildungsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) herangezogen werden. In 2013 machten die gesamten Bildungsausgaben 6,6 % des BIP aus. Im Vergleich zu 2005 hat sich der Anteil der Bildungsausgaben am BIP mit 0,4 Prozentpunkten leicht erhöht, während nach vorläufigen Berechnungen für das Jahr 2014 ein leichter Rückgang auf 6,5 % festzustellen ist. Insgesamt hat sich die relative Bedeutung der Bildungsausgaben für formale Bildungseinrichtungen gegenüber 2005 von 5,0 auf 5,3 % des BIP leicht erhöht, während die Ausgaben für non-formale Bildungsangebote weiterhin bei 0,6 % des BIP liegen. Betrachtet man die Entwicklung im Bereich der formalen Bildung, so lässt sich eine Verschiebung hin zur Elementarbildung und in geringerem Maße zur Tertiärbildung konstatieren. Die Anteile der Bildungsausgaben am BIP stiegen im Elementarbereich um 0,3 Prozentpunkte und im Tertiärbereich um 0,2 Prozentpunkte. Diese Entwicklung ging zu Lasten des Schul- und schulnahen Bereichs, dessen Anteil von 3,3 auf 3,1 % zurückging. Bei der Interpretation sollte allerdings berücksichtigt werden, dass sich die Zahl der Bildungsteilnehmenden in den verschiedenen Bereichen auch unterschiedlich entwickelt hat. Während der Zugang zur Hochschul- und Elementarbildung ausgeweitet wurde, sodass immer mehr junge Menschen ein Hochschulstudium aufnehmen bzw. Kinder zunehmend früher eine Kindertageseinrichtung besuchen, sind die Schülerzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung rückläufig (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 41). Zusammenfassend zeigt sich, dass in Deutschland die Bildungsausgaben im betrachteten Zeitraum gestiegen sind. Dies gilt sowohl für die Bildungsausgaben insgesamt und in verstärktem Maße für die Bildungsausgaben in Relation zur relevanten Bevölkerung, wobei letzterer Anstieg zusätzlich durch die demografische Entwicklung begünstigt wurde. Auch gemessen an der Wirtschaftskraft ist eine Erhöhung der Bildungsausgaben festzustellen.
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206 Bildungsausgaben
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5.1.5 Bildungsökonomische Begründungen für Bildungsausgaben Innerhalb der Bildungswissenschaften befasst sich vor allem die Ökonomie mit Bildungsausgaben und insbesondere der Frage, warum der Staat und private Akteure in Bildung investieren. Öffentliche Bildungsausgaben Aus ökonomischer Perspektive sind öffentliche Bildungsausgaben vorrangig notwendig, um den Auswirkungen von Marktversagen6 im Bildungsbereich entgegenzuwirken (z. B. Plank und Davis 2010). Zum einen hat Bildung für die Gesamtgesellschaft einen hohen Nutzen, der über den Nutzen von Individuen hinausgeht. So geht beispielsweise ein höheres Bildungsniveau u. a. mit einem höheren Wirtschaftswachstum, einem besseren Gesundheitszustand und einer geringeren Delinquenzrate einher (► Kap. 6). Der damit verbundene gesamtwirtschaftliche Nutzen wird jedoch bei individuellen Bildungsentscheidungen nicht mitberücksichtigt, was insgesamt zu einer zu geringen Nachfrage nach Bildung führt. Durch eine staatliche Finanzierung von Bildungsausgaben wird diesem Aspekt Rechnung getragen. Doch auch andere Faktoren bewirken, dass Individuen zu wenig in Bildung investieren: Das zeitliche Auseinanderfallen von Kosten und Erträgen von Bildung führt dazu, dass Bildungsinvestitionen mit einem hohen Risiko behaftet sind. Es besteht nicht nur Unsicherheit über zukünftige Erträge, sondern auch Unsicherheit über die eigenen Fähigkeiten, welche die Erträge beeinflussen. Entsprechend wären Bildungsentscheidungen allein vom Risikoverhalten der Eltern und Schüler*innen abhängig, wenn nicht der Staat über öffentliche Bildungsausgaben das Risiko von Fehlinvestitionen für den Einzelnen verringert. Hinzu kommt, dass häufig relevante Informationen über die Kosten und die zukünftigen Erträge fehlen, sodass Bildungsentscheidungen auf Grundlage unvollständiger Informationen getroffen werden. Nicht zuletzt verfügen Individuen über sehr unterschiedliche finanzielle Ressourcen, die ihnen unterschiedliche Investitionen in Bildung ermöglichen. Hier sind auch private Kreditmärkte, die nur in einem begrenzten Umfang günstige Bildungskredite vergeben, von Bedeutung. All dies wird in der Bildungsökonomie als Begründung für öffentliche Investitionen in Bildung gesehen. Private Bildungsausgaben Neben der öffentlichen Hand tragen auch private Akteure in nicht unerheblichem Ausmaß zur Finanzierung von Bildung bei. Bildungsökonomische Überlegungen liefern unterschiedliche Erklärungen dafür, warum private Akteure Bildungsausgaben tätigen. Beispielsweise wird davon ausgegangen, dass Unternehmen in die berufliche Bildung oder Weiterbildung ihrer Mitarbeiter*innen investieren, wenn dies dem Aufbau betriebsspezifischer Qualifikationen und Kompetenzen dient (vgl. Becker 1993, 30-51). Sie versprechen sich davon eine Produktivitätssteigerung ih6 In der Ökonomie wird von Marktversagen gesprochen, wenn die Koordination von Angebot und
Nachfrage über den Marktmechanismus nicht zu gesamtgesellschaftlich optimalen Ergebnissen führt.
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Einführung 207 rer Mitarbeiter*innen und damit eine Steigerung des Unternehmenserfolgs. Private Haushalte tätigen aus ähnlichen Überlegungen heraus Bildungsausgaben. Die bildungsökonomische Theorie unterstellt, dass Individuen mit Investitionen in die Ausund Weiterbildung ihre Produktivität steigern (für diese humankapitaltheoretische Sichtweise vgl. z. B. Becker 1993) oder mit Zeugnissen und Zertifikaten Signale am Arbeitsmarkt setzen möchten (für diese signaltheoretische Sichtweise vgl. z. B. Spence 1973). Sie investieren in Bildung, um dadurch ihre Position am Arbeitsmarkt zu verbessern – in diesem Sinne wird Bildung als Investivgut betrachtet. Private Haushalte tätigen Bildungsausgaben aber auch aus rein konsumtiven Überlegungen heraus – in diesem Sinne werden Bildungsausgaben als Konsumausgaben betrachtet. Eltern investieren darüber hinaus in die Bildung ihrer Kinder – auch hier kommen investive und konsumtive Überlegungen zum Tragen (vgl. Becker 1993; Mincer 1974). Wohlfahrtsverbände und andere „Non-Profit-Einrichtungen“ beteiligen sich ebenfalls an Bildungsausgaben, indem sie z. B. im frühen Bildungsbereich Betreuungs- und Bildungsangebote mitfinanzieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund des deutschen Subsidiaritätsprinzips und dem Ziel von „Non-Profit-Einrichtungen“, sich an gesamtgesellschaftlichen Aufgaben zu beteiligen (vgl. z. B. Hansmann 1987). Lebensverlaufs- und Querschnittsperspektive Die Notwendigkeit von Bildungsausgaben kann darüber hinaus aus einer lebensverlaufsorientierten oder einer Querschnittsperspektive betrachtet werden. Dabei geht es um die Frage in welchem Lebensabschnitt Bildungsausgaben getätigt werden sollen. Im Sinne einer Lebensverlaufsperspektive wird argumentiert, dass Bildungsinvestitionen und in diesem Sinne auch Bildungsausgaben dann besonders effektiv sind, wenn sie in früher Kindheit getätigt werden. Bildungsökonomisch betrachtet erzielen frühkindliche Bildungsinvestitionen (bei zunächst gleichmäßiger Verteilung der Investitionen über den Lebensverlauf ) eine höhere Rendite als Investitionen im späteren Lebensverlauf (vgl. z. B. Cunha et al. 2006). Dies wird zum einen damit begründet, dass die Erträge früher Investitionen über einen längeren Zeithorizont hinweg anfallen können. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass es sich bei Bildungsprozessen um multiplikative Prozesse handelt, d. h. einmal erlernte Fähigkeiten wirken sich positiv auf das Erlernen weiterer Fähigkeiten aus. Diese Betrachtung sagt allerdings nicht aus, dass Bildungsinvestitionen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr notwendig oder effektiv sein können. Gleichzeitig ist es aus einer Querschnittsperspektive heraus, welche z. B. an potenziellen Bildungsungleichheiten in einer Gesellschaft ansetzt, besonders effektiv in bildungsbenachteiligte Gruppen zu investieren, wenn es darum geht, ein höheres Maß an Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Dies kann durchaus auch in späteren Lebensphasen zielführend sein. In diesem Sinne können Investitionen in die Bildung bildungsbenachteiligter Jugendlicher oder auch die Weiterbildung niedrigqualifizierter Arbeitnehmender sehr effektiv sein.
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208 Bildungsausgaben
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5.2 Öffentliche Bildungsausgaben Bildungsausgaben werden in Deutschland schwerpunktmäßig von öffentlichen Akteuren getätigt. Das Volumen dieser Ausgaben sowie die Verteilung dieser Ausgaben zwischen Bund, Ländern und Kommunen kann entweder auf Basis der im Bildungsbudget erfassten Ausgaben erfolgen oder aber auf Grundlage der in den Finanzstatistiken nachgewiesenen Grundmittel. Zu beachten ist, dass sich je nach Ansatz sowohl die Höhe als auch die Ausgabenverteilung unterscheidet. So betrugen die öffentlichen Bildungsausgaben im Jahr 2013 in Abgrenzung des Bildungsbudgets 147,4 Mrd. Euro, laut Finanzstatistiken jedoch lediglich 116,3 Mrd. Euro (vorläufige Berechnung). In der Abgrenzung des Bildungsbudgets beteiligte sich der Bund 2013 mit 13 % an der öffentlichen Bildungsfinanzierung, während dieser Finanzierungsanteil auf Basis der Finanzstatistiken lediglich bei 7 % lag. Diese Unterschiede sind vorrangig damit zu erklären, dass in der Finanzstatistik Bildungsausgaben entsprechend der Haushaltssystematik nach Funktionen bzw. Aufgabenbereichen gegliedert werden, während im Bildungsbudget auch solche Ausgaben erfasst werden, die in der Haushaltssystematik anderen Bereichen zugeordnet werden (► Abb. 5.1). So werden beispielsweise die Kindergeldzahlungen für volljährige Bildungsteilnehmende in der Finanzstatistik nicht dem Bildungsbereich zugeordnet.7 Allerdings gibt es auch solche Ausgaben, die zwar in der Finanzstatistik dem Bildungsbereich zugeordnet werden, im Rahmen des Bildungsbudgets jedoch herausgerechnet werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, 36f ). Aufgrund dieser und weiterer Unterschiede in der Erfassung von Bildungsausgaben sind die Angaben in den jeweiligen Statistiken nicht direkt vergleichbar. Bei einer Bewertung der unterschiedlichen Abgrenzungen muss außerdem bedacht werden, dass zur Erfassung der Bildungsausgaben in Abgrenzung des Bildungsbudgets zahlreiche amtliche und nicht-amtliche Datenquellen genutzt werden und einige Angaben des Bildungsbudgets auf Schätzungen und Fortschreibungen von Datenreihen beruhen. Im Vergleich dazu werden in der Finanzstatistik nur die tatsächlich im Haushalt nachgewiesenen Ausgaben betrachtet. Die Daten der Finanzstatistik werden darüber hinaus zeitnah veröffentlicht, während die Bildungsausgaben nach Bildungsbereichen in Abgrenzung des Bildungsbudgets erst mit einem dreijährigen Zeitverzug verfügbar sind. Für eine Betrachtung der öffentlichen Bildungsausgaben im Zeitverlauf ist die Finanzstatistik besser geeignet, da die Veränderungen in der Haushaltssystematik in den vergangenen Jahren geringfügiger waren als die Änderungen in der Erfassung der Bildungsausgaben in Abgrenzung des Bildungsbudgets. Hier erschwert insbesondere die Veränderung der internatio7 Ebensowenig sind die unterstellten Sozialbeiträge und Beihilfezahlungen für die im Bildungsbereich
tätigen Beamt*innen sowie die Bildungsausgaben der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und weitere Ausgaben in den Bildungsausgaben der Finanzstatistik enthalten.
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Öffentliche Bildungsausgaben 209 nalen Klassifizierung von Bildungsprogrammen (Umstellung von ISCED-97 auf ISCED-2011) eine Betrachtung der Ausgabenveränderungen über einen längeren Zeitraum. Darüber hinaus bietet die Finanzstatistik die Möglichkeit die Bildungsausgaben auch zwischen den einzelnen Bundesländern zu vergleichen, um länderspezifische Besonderheiten aufzudecken.8 Für eine Darstellung der finanziellen Ressourcenausstattung insgesamt sowie in den verschiedenen Bildungsbereichen sollte jedoch auf die Daten des Bildungsbudgets zurückgegriffen werden, da die Bildungsausgaben darin umfassender dargestellt werden als bei einer Abgrenzung entlang der Finanzstatistik. Auch für eine Betrachtung der Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie zur Beurteilung des Ausmaßes, in welchem sich die Gebietskörperschaften innerhalb der einzelnen Bildungsbereichen engagieren, ist das Bildungsbudget eher geeignet. Diese Lastenverteilung wird durch die Nichterfassung einiger Bildungsausgaben in den Finanzstatistiken verzerrt. Daher beziehen sich die nachfolgenden Angaben vorrangig auf die öffentlichen Bildungsausgaben in Abgrenzung des Bildungsbudgets. Für eine Darstellung der zeitlichen Entwicklung der öffentlichen Bildungsausgaben wird aus den genannten Gründen auf die Daten der Finanzstatistiken zurückgegriffen. Unabhängig von den beiden Erfassungskonzepten wird bei der Abgrenzung der öffentlichen Bildungsausgaben häufig darauf verwiesen, dass zahlreiche Leistungen der öffentlichen Hand nicht erfasst oder aber unterzeichnet werden. Von Seiten der Finanzministerkonferenz wird z. B. immer wieder betont, dass insbesondere die Pensions- und Versorgungsaufwendungen der im Bildungsbereich ehemals tätigen Beamt*innen nicht korrekt erfasst werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, A6.1). Internationalen Vorgaben sowie der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entsprechend werden zu den Personalausgaben im Bildungsbudget nicht die aktuell tatsächlich geleisteten Pensions- und Versorgungszahlungen an die ehemals im Bildungsbereich beschäftigten Beamt*innen erfasst, sondern nur die in Zukunft anfallenden Zahlungen für die aktuell im Bildungsbereich beschäftigten Beamt*innen. Im Bildungsbudget werden darüber hinaus lediglich die direkten Ausgaben erfasst, d. h. nur Zahlungen, die direkt von der öffentlichen Hand an die Bildungseinrichtungen oder die Bildungsteilnehmenden dieser Einrichtungen geleistet werden. Sämtliche indirekte Ausgaben, wie beispielsweise gewährte Steuervergünstigungen für bildungsmotivierte Tatbestände können aufgrund sehr eingeschränkter Informationen über die fiskalische Wirkung nicht kohärent abgebildet werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, 119f ). Würden beispielsweise die Berücksichtigung der Ausbildungskosten in der Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen oder die steuerliche Absetzbarkeit von Ausbildungskosten von Privathaushalten Eingang in 8 Neben dem vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Bildungsfinanzbericht veröffentlichen die
Statistischen Ämter des Bundes und der Länder auch einige ausgewählte Indikatoren der OECDPublikation „Bildung auf einen Blick“ auf Bundesländerebene (siehe: https://www.destatis.de/DE/ Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Internationales/Bildungsindikatoren.html).
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210 Bildungsausgaben
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die Erfassung der Bildungsausgaben finden, so würden sich die öffentlichen Ausgaben erhöhen und die privaten Finanzierungsanteile entsprechend sinken (vgl. Baum 2010; Dohmen 2010, 37). Die gesamten Bildungsausgaben blieben davon allerdings unberührt. 5.2.1 Finanzierungsanteile nach Bildungsbereichen, zeitliche Entwicklung und Ausgaben pro Schüler*in Wie aus Abbildung 5.2 ersichtlich, werden vier Fünftel der Bildungsausgaben von öffentlichen Akteuren getragen, allerdings ergeben sich hier je nach Bildungsbereich größere Unterschiede. Während allgemeinbildende und berufliche Bildungsgänge an Schulen zu 95 % vom öffentlichen Bereich finanziert werden, beträgt der öffentliche Finanzierungsanteil im Bereich der Kindertageseinrichtungen lediglich 76 %. In der tertiären Bildung betragen die öffentlichen Ausgaben 28,6 Mrd. Euro, was einem Finanzierungsanteil von 84 % entspricht. Der öffentliche Finanzierungsanteil in der betrieblichen Ausbildung im dualen System ist mit 24 % deutlich geringer und umfasst vor allem die Ausgaben für öffentliche Berufsschulen.
Insgesamt Elementarbereich Allg.bildende und berufl. Bildungsgänge an Schulen Betriebl. Ausb. im dualen System Tertiärbereich** Betriebliche Weiterbildung Förderung von Bildungsteilnehmenden* Weitere Bildungsangebote* 0%
10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Öffentlicher Anteil
Privater Anteil
Abb. 5.2: Finanzierungsanteile nach Bildungsbereichen – Bildungsausgaben in Abgrenzung des Bildungsbudgets (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Statistisches Bundesamt 2016a) (Anmerkungen: *Im formalen und non-formalen Bereich; Ausgaben für weitere Bildungsangebote enthält auch Ausgaben für Schülerbeförderung ISCED 1-4 und sonstige Ausgaben, die keiner ISCED-Stufe zugeordnet werden. // **Im Tertiärbereich enthält der private Anteil auch die Ausgaben des Auslands für Forschung und Entwicklung an Hochschulen.)
Als eine Kennzahl, die Aufschluss über die Entwicklung der öffentlichen Bildungsausgaben gibt, kann der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am Gesamthaushalt herangezogen werden. Dieser Anteil gibt Auskunft über den Stellenwert von Bildung in Relation zu anderen öffentlichen Ausgaben. Für diese Kennzahl wird auf
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Öffentliche Bildungsausgaben 211
20
Insgesamt
18 16
Prozent
14
allg.bildende und berufl. Schulen
12
Hochschulen
10 Kindertageseinrichtungen und Jugendarbeit
8 6
Förderung des Bildungswesens
4 2
sonstiges Bildungswesen
0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
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die Daten der Finanzstatistik zurückgegriffen.9 Abbildung 5.3 zeigt einen kontinuierlichen Anstieg der gesamten Bildungsausgaben am Gesamthaushalt. Während der Anteil der Bildungsausgaben am Gesamthaushalt 1995 noch bei 14 % lag, ist er 2005 auf 17 % und 2014 nach vorläufigen Ergebnissen auf 20 % gestiegen. Im Vergleich zu 1995 entspricht dies einer prozentualen Steigerung von über 40 %.
Abb. 5.3: Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am öffentlichen Gesamthaushalt nach Bildungsbereichen – Bildungsausgaben in Abgrenzung der Finanzstatistik (die Angaben für 2013 und 2014 beziehen sich auf vorläufige Ergebnisse)(Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Statistisches Bundesamt 2015)
Betrachtet man die Entwicklung der Anteile der Bildungsausgaben am Gesamthaushalt nach Bildungsbereichen (► Abb. 5.3), so lässt sich zunächst festhalten, dass die Anteile für alle Bildungsbereiche gestiegen sind. Besonders auffällig ist die starke Steigerung im Bereich der Kindertageseinrichtungen/Jugendarbeit. Hier haben sich die Anteile am Gesamthaushalt über den betrachteten Zeitraum fast verdoppelt. Die starke Steigerung, die seit 2007 zu beobachten ist, geht dabei allein auf Ausgabensteigerungen für Kindertageseinrichtungen zurück und hängt mit dem Ausbau der Kindertageseinrichtungen für unter Dreijährige zusammen (► Kap. 11). Aber auch in den übrigen Bildungsbereichen sind die Anstiege nicht zu vernachlässigen. So ist der Anteil der Ausgaben für die Förderung des Bildungswesens am Gesamthaushalt seit 1995 um über zwei Drittel gestiegen und für die Hochschulen um über die Hälfte. Auch der Anteil der Ausgaben für das Schulwesen ist um 28 % gestiegen. Sofern man berücksichtigt, dass öffentliche Ausgaben für Bildung stets in Konkurrenz zu den Ausgaben für andere öffentliche Aufgaben 9 Es ist zu berücksichtigen, dass der öffentliche Gesamthaushalt hier, wie im Bildungsfinanzbericht,
ohne die Ausgaben für das Sozialversicherungssystem dargestellt wird.
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212 Bildungsausgaben stehen, so zeigt Abbildung 5.3 insgesamt, dass die Bedeutung von Bildung, im Vergleich zu anderen öffentlichen Ausgaben, zugenommen hat. Auf Basis der Finanz- und Schulstatistik berechnet das Statistische Bundesamt für den Schulbereich jährlich auch die Ausgaben je Schüler*in (vgl. Statistisches Bundesamt 2016c; Hetmeier et al. 2007). Fasst man die Ausgaben für Schüler*innen an öffentlichen Schulen zusammen, so haben die öffentlichen Haushalte in 2013 im Durchschnitt 6.500 Euro je Schüler*in aufgebracht. Dabei entfallen 7.100 Euro je Schüler*in auf allgemeinbildende Schulen. Werden diese weiter unterteilt so zeigt sich, dass die Ausgaben je Schüler*in insbesondere an Hauptschulen (8.200 Euro) und an Gymnasien (7.500 Euro) vergleichsweise hoch sind. An Grund- und Realschulen lagen die Ausgaben je Schüler*in hingegen mit 5.600 bzw. 5.900 Euro deutlich darunter. Am geringsten sind die Ausgaben je Schüler*in an den beruflichen Schulen (4.500 Euro).10 5.2.2 Öffentliche Bildungsausgaben nach Gebietskörperschaften Hinsichtlich der Finanzierungsbeiträge von Bund, Ländern und Kommunen lässt sich im Bildungsbudget zwischen den so genannten „Initial Funds“ und den „Final Funds“ unterscheiden. Dabei wird bei dem Konzept der „Initial Funds“ der Zahlungsverkehr zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften berücksichtigt, d. h. wenn Länder einen Teil ihrer finanziellen Mittel an die Kommunen geben, so werden diese Mittel nach dem Konzept der „Initial Funds“ bei den Ländern gezählt. Im Gegensatz dazu fokussiert die Analyse der „Final Funds“ allein die direkten Ausgaben einer Haushaltsebene, ungeachtet dessen, ob diese Ausgaben durch Zuweisungen von einer anderen Haushaltsebene finanziert werden, d. h. Mittel, die z. B. die Kommunen von den Ländern erhalten haben, werden bei den Kommunen gezählt, da diese letztlich die Ausgaben tätigen (vgl. Statistisches Bundesamt 2015, 35). Im Folgenden werden die Finanzierungsbeiträge der verschiedenen Haushaltsebenen nach dem Konzept der „Initial Funds“ dargestellt, da nur diese die Lastenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften korrekt abbilden. Betrachtet man die Lastenverteilung der öffentlichen Ausgaben zwischen den Gebietskörperschaften (► Abb. 5.4), so tragen die Länder mit 67 % die Hauptlast der Bildungsausgaben, der Bund beteiligt sich mit 13 % und die Kommunen mit 20 % an den gesamten öffentlichen Bildungsausgaben. Bei einer Unterscheidung nach Bildungsbereichen zeigt sich hier – entsprechend der Kulturhoheit der Länder –, dass die Länder mit Ausnahme des Elementarbereichs, der betrieblichen Ausbildung im dualen System sowie der weiteren Bildungsangebote für alle der in Abbildung 5.4 dargestellten Bildungsbereiche die höchsten Finanzierungsanteile aufweisen. Hingegen übernehmen die Kommunen knapp zwei Drittel der Bildungsausgaben im Bereich der Kindertageseinrichtun10 Hierzu zählen jedoch auch die Berufsschulen, die im Rahmen der dualen Ausbildung nur in Teilzeit
besucht werden, sodass die Ausgaben pro Schüler*in geringer sind.
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Private Bildungsausgaben 213 gen. Der Bund trägt 78 % der öffentlichen Ausgaben im Bereich der betrieblichen Ausbildung. Für den Bereich der Förderung von Bildungsteilnehmenden in formalen und ausgewählten non-formalen Bildungseinrichtungen, in dem sich der Bund bereits mit 43 % an der Finanzierung beteiligt, wird sich dieser Anteil durch das 25. BAföG-Änderungsgesetz in den kommenden Jahren weiter erhöhen. Demnach übernimmt der Bund ab 2015 die gesamte Finanzierung der BAföG-Leistungen, was die Länderhaushalte jährlich um 1,2 Mrd. Euro entlasten soll. Die frei werdenden Mittel auf Länderebene sollen im Bildungsbereich verbleiben. Zudem werden durch die Erhöhung der Bedarfssätze sowie der Ausweitung des Empfängerkreises ab dem Wintersemester 2016/17 zusätzliche finanzielle Mittel im BAföG-Bereich vom Bund bereitgestellt (BMBF 2014).
Insgesamt Weitere Bildungsangebote* Förderung von Bildungsteilnehmenden* Betriebliche Weiterbildung Teritärbereich** Betriebl. Ausb. im dualen System Allg.bildende und berufl. Bildungsgänge an Schulen Elementarbereich 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Bund
Länder
Kommunen
Abb. 5.4: Finanzierungsanteile der Gebietskörperschaften nach Bildungsbereichen – Bildungsausgaben in Abgrenzung des Bildungsbudgets (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Statistisches Bundesamt 2016a) (Anmerkungen: *Im formalen und non-formalen Bereich; Ausgaben für weitere Bildungsangebote enthält Ausgaben für Schülerbeförderung ISCED 1-4 // **Ohne Ausgaben für Forschung und Entwicklung an Hochschulen)
5.3 Private Bildungsausgaben 5.3.1 Private Bildungsausgaben im Bildungsbudget Zu den privaten Akteuren, die im Sinne der Bildungsberichterstattung Bildungsausgaben tätigen, zählen private Haushalte, Betriebe sowie Kirchen und Verbände. Ihre Ausgaben sind Teil der finanziellen Ressourcen, die Erwachsene in ihre Aus- und Weiterbildung, Eltern in die Bildung ihrer Kinder, Unternehmen in ihre Mitarbeiter*innen und Kirchen, Wohlfahrtsverbände oder Gewerkschaften in die Bildung von Individuen investieren. Neben den Ausgaben der öffentlichen Haus-
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214 Bildungsausgaben halte, ist auch die Höhe dieser Ressourcen entscheidend für individuelle Lebensverläufe. Im deutschen Bildungsbudget beträgt das Volumen privater Bildungsausgaben im Jahr 2013 38,3 Mrd. Euro (► Tab. 5.1). 20 % der Bildungsausgaben werden somit von privaten Akteuren finanziert. Neben den Ausgabenanteilen von öffentlichen und privaten Akteuren an den Bildungsausgaben (► Abb. 5.2), ist ein Vergleich der Höhe der im Bildungsbudget dargestellten privaten Bildungsausgaben nach Bildungsbereichen interessant. Knapp 46 % aller im Bildungsbudget des Jahres 2013 erfassten privaten Ausgaben entstehen durch die duale berufliche Bildung (8,2 Mrd. Euro) und die betriebliche Weiterbildung (9,3 Mrd. Euro). Private Ausgaben für den Tertiärbereich betrugen im selben Jahr 4,8 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Anteil an den gesamten privaten Ausgaben von 13 %. Davon flossen knapp 42 % in die Bereiche Forschung und Entwicklung an Hochschulen. Der relativ hohe Anteil der privaten Ausgaben für den Tertiärbereich lässt sich unter anderem durch einen steigenden Anteil Studierender an privaten Hochschulen erklären.11 Mit einem Volumen von 5,6 Mrd. Euro entfällt ein Anteil von knapp 15 % auf den Bereich der Kindertagesbetreuung. Der private Anteil an den Ausgaben für den verpflichtenden Teil des Bildungssystems, die allgemeine Schulbildung, ist deutlich geringer als für die anderen Angebote. Mit 3,4 Mrd. Euro beläuft sich der private Anteil an den Ausgaben für allgemeine Schulbildung (2,1 Mrd. Euro) und schulische Berufsbildungsgänge (1,3 Mrd. Euro) auf knapp 9 %. Hinzu kommen 15 % der privaten Ausgaben in Höhe von 5,9 Mrd. Euro, welche auf Ausgaben privater Haushalte für Bildungsgüter und -dienste außerhalb von Bildungseinrichtungen entfallen. Darunter fallen hauptsächlich Ausgaben für Nachhilfeunterricht und Lernmittel (► Tab. 5.1). 5.3.2 Datengrundlage zur Erfassung privater Ausgaben Die im Bildungsbudget ausgewiesenen privaten Bildungsausgaben beruhen im Gegensatz zu den öffentlichen Ausgaben auf keiner einheitlichen Datengrundlage. Ausgaben von privaten Akteuren gehen vielmehr auf unterschiedliche, auch nichtamtliche Datenquellen zurück. Wie auch die Angaben zu öffentlichen Ausgaben beruhen sie teilweise auf Schätzungen und Fortschreibungen. Neben Daten der amtlichen Statistik werden Surveydaten hinzugezogen, um die privaten Ausgaben zu erfassen (vgl. Baumann 2008). Dennoch werden private Ausgaben in einigen Bildungsbereichen nicht oder nur unzureichend in das Bildungsbudget aufgenommen. So werden zum Beispiel bisher zwar die Ausgaben von Unternehmen für Weiterbildung erfasst, jedoch nicht die von Privatpersonen. Auch Ausgaben für die Nutzung einiger non-formaler Bildungsangebote wie z. B. Sprach- oder Musikkurse fließen nicht in das Budget ein (vgl. Dohmen 2010, 29). Die Angaben zu den 11 6,7 % der Studierenden (Wintersemester 2014/15) studieren an privaten Hochschulen (Statistisches
Bundesamt 2016d).
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Private Bildungsausgaben 215 privaten Bildungsausgaben im Bildungsbudget stellen daher allenfalls eine Untergrenze der gesamten privat getätigten Bildungsausgaben dar. Außerdem ist im Bildungsbudget eine Unterscheidung der einzelnen Akteure, welche private Bildungsausgaben tätigen, nur sehr eingeschränkt möglich: Eine Abgrenzung der Ausgaben, die von Bildungsteilnehmenden und ihren Familien – also privaten Haushalten – und Ausgaben, die von Unternehmen und Verbänden getätigt werden, gelingt zurzeit nur in Teilbereichen. Um mehr Klarheit über die Höhe der privaten Bildungsaufgaben nach Akteuren zu gewinnen und um ein umfassenderes Bild von privaten Bildungsausgaben zu bekommen, müssen neben dem Bildungsbudget weitere Quellen herangezogen werden. 5.3.3 Bildungsausgaben von privaten Haushalten Im Folgenden werden verfügbare Informationen zu den privaten Bildungsausgaben nach Bildungsbereichen zusammengeführt und diskutiert. Ausgaben auf der Basis amtlicher Daten und Zusatzerhebungen des Statistischen Bundesamts Ausgaben für Kindertageseinrichtungen: Die Darstellung der Ausgaben für Kindertageseinrichtungen, seien es private oder öffentliche Ausgaben, ist nicht unproblematisch, da die verfügbaren Statistiken unterschiedliche Erhebungssystematiken aufweisen (Bock-Famulla 2010). Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik liefert z. B. exakte Daten über die Einnahmen der Kindertageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft durch Gebühren (Statistisches Bundesamt 2014a). Dies gilt jedoch nicht für die Gebühren, die an die Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft gezahlt werden – diese werden nicht im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst. Im Jahr 2011 erfolgte deshalb durch das Statistische Bundesamt eine Zusatzerhebung zu den Einnahmen und Ausgaben bei den Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft. Laut dieser Erhebung wurden im Jahr 2010 insgesamt 2,3 Mrd. Euro von privaten Haushalten zur Finanzierung von Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft beigesteuert. Das ist etwas mehr als ein Viertel dessen, was die öffentliche Hand pro Kind in einer Einrichtung dieser Trägergruppe ausgibt (vgl. Statistisches Bundesamt 2012a). Ausgaben für allgemeinbildende Schulen: Ausgaben von privaten Akteuren für den Schulbesuch im allgemeinbildenden Bereich entstehen hauptsächlich durch Gebühren für Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen). Im Bericht des Statistischen Bundesamts zu den Finanzen dieser Schulen und den Schulen des Gesundheitswesens (vgl. Statistisches Bundesamt 2012b) werden die Ausgaben privater Haushalte in Form von Beiträgen der Eltern für Schulgebühren und sonstige Zahlungen wie beispielsweise Spenden ausgewiesen. Die gesamten öffentlichen und privaten Ausgaben von Schulen in freier Trägerschaft beliefen sich im Jahr 2009 auf 4,9 Mrd. Euro. 15 % dieser Ausgaben wurden von privaten Akteuren getätigt.
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216 Bildungsausgaben Ausgaben im Hochschulbereich: Private Ausgaben für den Hochschulbereich in Form von Gebühren der Studierenden werden in der amtlichen Hochschulfinanzstatistik unter Einnahmen der Hochschulen verbucht und können daher eindeutig den privaten Ausgaben zugeordnet werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2014b). Im Jahr 2012 nahmen Hochschulen 1,1 Mrd. Euro durch Gebühren von Studierenden ein. In sechs westdeutschen Bundesländern wurden in diesem Jahr allgemeine Studiengebühren an öffentlichen Hochschulen erhoben. Dazu kommen Ausgaben der Studierenden für Prüfungs- und Rückmeldegebühren. Etwa die Hälfte der gesamten Gebühren fiel allerdings für den Besuch von privaten Hochschulen an. Durch den relativ hohen Anteil an Gebühren für private Hochschulen und den Einbezug von Verwaltungsgebühren werden private Ausgaben auch nach Abschaffung der Studiengebühren für den tertiären Bereich relevant bleiben. Ausgaben für Weiterbildung: Individuelle Ausgaben und Ausgaben von Verbänden für Weiterbildung können bisher keiner umfassenden Quelle entnommen werden. Im Bereich der Weiterbildung durch Verbände stellt die Verbundstatistik des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) Ausgaben und Einnahmen von fünf bundesweit arbeitenden Verbänden der Erwachsenenbildung zusammen (vgl. Horn und Ambos 2014). Das Finanzvolumen der fünf Verbände betrug im Jahr 2011 1,6 Mrd. Euro. Die Teilnehmenden trugen durch Ausgaben für Gebühren 35 % dieses Volumens, während die restlichen Ausgaben von Trägern der Einrichtungen durch öffentliche Mittel und Drittmittel erbracht wurden. Ausgaben privater Haushalte auf der Basis von Surveydaten Ausgaben privater Haushalte für Bildungsangebote im weiteren Sinne, welche zum Beispiel weitere non-formale Bildungsangebote einbeziehen, werden im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS, vgl. Statistisches Bundesamt 2013a) sowie in einigen Haushalts- oder Personenbefragungen, wie z. B. dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP, vgl. Wagner et al. 2007) und der Zusatzbefragung Familien in Deutschland (FiD, vgl. Schröder, Siegers et al. 2013) erfasst. Einnahmen und Ausgaben von Studierenden werden vom Deutschen Studentenwerk (vgl. Middendorff et al. 2013) erhoben. In der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe werden private Haushalte alle fünf Jahre u. a. zu ihrem Konsumverhalten befragt. Im Rahmen der EVS werden unter der Kategorie „Bildungswesen“ Ausgaben privater Haushalte für die Nutzung einer Kindertagesbetreuung bis hin zu den Ausgaben für Weiterbildungen zusammengefasst aufgeführt. Analysen dieser Daten des Statistischen Bundesamtes (2014c) zeigen, dass Paarhaushalte mit einem Kind unter sechs Jahren im Jahr 2008 monatlich durchschnittlich 46 Euro für Bildung ausgegeben haben, während es bei der gleichen Gruppe mit einem Kind von sechs bis zwölf Jahren 29 Euro waren. In beiden Gruppen entfiel ein erheblicher Anteil dieser Ausgaben auf die Kindertagesbetreuung. Im SOEP werden Informationen über die Ausgaben von Eltern für die formale und non-formale Bildung ihrer Kinder erhoben. Es werden sowohl Ausgaben in Form
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Private Bildungsausgaben 217 von Gebühren für die Nutzung einer Kindertagesbetreuung oder einer Privatschule erfasst, als auch Ausgaben für Nachhilfe, die Nutzung außerhäusiger Bildungs- und Freizeitangebote und z. B. die Nutzung einer Tagespflegeperson. Kosten für Schulgebühren im Rahmen einer schulischen beruflichen Ausbildung werden im SOEP nur zu einem kleinen Teil erfasst, da nur die Ausgaben für Kinder unter 16 Jahren betrachtet werden (vgl. Schröder, Spieß et al. 2015). Tab. 5.3: Monatliche Ausgaben von Familien für die Nutzung formaler, non-formaler und informeller Bildungsangebote 2012 (Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis von Schröder, Spieß et al. 2015) Familien mit Kindern unter 16 Jahren Ausgaben Familien mit in Euro Bildungsausgaben (Ausgaben>0) (Anteil in %) Ausgaben für die Nutzung von Bildungsangeboten insgesamt Alle 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder und mehr Ausgaben für informelle Bildung und Betreuung Alle 1 Kind 2 Kinder 3 und mehr Kinder Ausgaben für non-formale Bildung Alle 1 Kind 2 Kinder 3 und mehr Kinder Ausgaben für Nachhilfe Alle 1 schulpflichtiges Kind 2 schulpflichtige Kinder 3 und mehr schulpflichtige Kinder
120,26 93,50 141,23 173,61
77,19 70,96 84,74 84,43
180,39 140,93 184,24 252,28
3,98 3,35 4,59 3,89
51,15 37,34 47,07 82,90
56,65 44,26 62,77 70,45
57,53 52,85 62,58 60,32
12,71 10,45 15,41 18,14
Nicht dargestellt, aber in den Ausgaben für Bildungsangebote insgesamt enthalten, sind Ausgaben für formale frühe Bildung und Betreuung (Kita-Nutzung) und Ausgaben für den kostenpflichtigen Schulbesuch (für eine detaillierte Aufgliederung siehe Schröder, Spieß et al. 2015)
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218 Bildungsausgaben Die in Tabelle 5.3 dargestellten Auswertungen auf der Basis der SOEP- und FiDDaten geben Ausgaben für formale, non-formale und informelle Bildungsangebote von Familien mit mindestens einem Kind im Alter von bis zu 16 Jahren wieder (vgl. dazu Schröder, Spieß et al. 2015). Familien, die Ausgaben für Bildung tätigen, wenden im Mittel pro Monat etwa 120 Euro für die Nutzung von Bildungsangeboten im weiteren Sinne auf. Allerdings haben 23 % der Familien keine Bildungsausgaben. Fallen in einer Familie Ausgaben für informelle Bildung und Betreuung (z. B. Kindertagespflege) an, werden dafür im Schnitt 180 Euro aufgewandt. Allerdings hat nur ein kleiner Anteil an Familien (4 %) Ausgaben in diesem Bereich. Etwa die Hälfte aller Familien mit Kindern unter 16 Jahren gibt einen Teil ihres Einkommens für non-formale Bildungsangebote („außerhäusige Freizeitaktivitäten“) aus. Fallen Ausgaben in diesem Bereich an, so sind es im Schnitt 51 Euro im Monat. Für Nachhilfe, welche von knapp 13 % der Familien genutzt wird, zahlen diese Familien durchschnittlich 58 Euro pro Monat. Je nach Höhe des Einkommens wenden Familien im Mittel bis zu 3,5 % ihres Einkommens für die Bildung ihrer Kinder auf (nicht in der Tabelle dargestellt). Ausgaben von Studierenden für ihren Lebensunterhalt können, analog zu den im Bildungsbudget erfassten Ausgaben für die öffentliche Förderung von Bildungsteilnehmern und -teilnehmerinnen (u. a. BAföG), als private Bildungsausgaben betrachtet werden. Diese Ausgaben machen einen weiteren großen Teil an den Bildungsausgaben von Haushalten aus. Auf der Basis der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW) können diese Ausgaben geschätzt werden. So gab im Jahr 2012 eine Studentin oder ein Student im Durchschnitt insgesamt knapp 800 Euro im Monat für Lebenshaltungskosten aus. Knapp 300 Euro wurden darunter für Miete aufgewendet, weitere 30 Euro monatlich für Lernmittel und 68 Euro für Freizeit, Kultur und Sport (► Tab. 5.4). Tab. 5.4: Lebenshaltungs- und Studienkosten – ausgewählte Ausgabenpositionen (Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis von Middendorff et al. 2013) Monatliche Ausgaben für… (arithm. Mittelwerte in Euro) Bezugsgruppe „Normalstudierende“ Miete einschließlich Nebenkosten Ernährung Kleidung Lernmittel Auto und/oder öffentliche Verkehrsmittel Krankenversicherung, Arztkosten, Medikamente Telefon, Internet, Rundfunk- und Fernsehgebühren, Porto Freizeit, Kultur und Sport
2006 266 147 50 35 82 54 43 62
Jahre 2009 281 159 51 33 76 59 35 63
2012 298 165 52 30 82 66 33 68
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Private Bildungsausgaben 219
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5.3.4 Bildungsausgaben von Betrieben Ausgaben von Unternehmen für Bildung fallen hauptsächlich im Bereich der betrieblichen Ausbildung im dualen System, aber auch bei der beruflichen Weiterbildung an. Ausgaben für die duale Ausbildung: Betriebliche Ausgaben für die duale Ausbildung werden im Rahmen einer in unregelmäßigen Abständen erfolgenden Befragung von Unternehmen durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) erfasst. Die letzte Erhebung fand für das Ausbildungsjahr 2012/2013 statt (vgl. Jansen et al. 2015). Die Daten der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung werden auch im Bildungsbudget als Datengrundlage für die privaten Ausgaben im Bereich der betrieblichen Ausbildung genutzt. Aus betrieblicher Perspektive sind Bildungsausgaben als Investitionen in die Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu betrachten. In der betriebswirtschaftlichen Rechnungslegung wird, im Gegensatz zur Verwendung des Ausgabenbegriffs, der Kostenbegriff verwendet (► 5.1). Daher wird hier von durchschnittlichen Kosten pro Jahr gesprochen. Die Kosten der Betriebe, die im Bildungsbudget aufgeführt werden, setzen sich aus den Personalkosten der Ausbilder*innen, den Anlageund Sachkosten (z. B. Lehrwerkstätten, Werkzeug oder Übungsmaterialien) und den sonstigen Kosten (z. B. Kammergebühren, externe Ausbildung oder Rekrutierungskosten) zusammen. Die Personalkosten der Auszubildenden werden im Bildungsbudget nicht berücksichtigt, da sie als Kompensation für die geleistete produktive Arbeit der Auszubildenden verstanden werden. Jedoch könnten diese auch als Sicherung des Lebensunterhalts während der Bildungsteilnahme als private Ausgabe angerechnet werden. Nach Ausgabenabgrenzung des Bildungsbudgets tätigten Betriebe im Erhebungsjahr 2012/2013 durchschnittliche jährliche Ausgaben in Höhe von 5.398 Euro je Auszubildenden bzw. Auszubildender. Damit liegen die für das Bildungsbudget relevanten Ausgaben aufgrund der nicht einbezogenen Personalkosten deutlich unter den Bruttokosten der BIBB-Erhebung, welche die Personalkosten in ihre Berechnungen der „Bildungskosten“ einbeziehen (17.933 Euro) (vgl. Jansen et al. 2015). Die Ausgaben der Betriebe für die berufliche Ausbildung unterscheiden sich deutlich nach Ausbildungsbereich und Größe des Unternehmens. Im Bericht des Statistischen Bundesamts „Berufsbildung auf einen Blick“ (Statistisches Bundesamt 2013b) werden die Bruttokosten in Anlehnung an die Abgrenzung der BiBB-Erhebung (inklusive Ausbildungskosten) nach Ausbildungsbereich unterschieden: Die höchsten Bruttokosten pro Auszubildenden fallen im öffentlichen Dienst an. Diese Ausgaben werden im Bildungsbudget den öffentlichen Ausgaben zugeordnet. Im privaten Bereich fallen die höchsten Bruttokosten pro Auszubildenden im Bereich Industrie und Handel an, gefolgt vom Handwerk und den freien Berufen. Die geringsten Pro-Kopf-Bruttokosten weisen Betriebe in der Landwirtschaft auf. Die Unterschiede sind zum großen Teil auf die Personalkosten des Ausbildungspersonals zurückzuführen. Eine weitere disaggregierte Betrachtung nach Betriebsgröße ergibt, dass die Bruttokosten mit der Betriebsgröße ansteigen.
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220 Bildungsausgaben Ausgaben für die betriebliche Weiterbildung: Im Bildungsbudget werden Ausgaben für die Nutzung non-formaler Bildungsangebote wie z. B. die Nutzung von Weiterbildungsangeboten nur erfasst, wenn diese von Unternehmen getätigt werden. Hinzu kommt, dass die Ausgaben für die betriebliche Weiterbildung nur in der nationalen Abgrenzung des Bildungsbudgets enthalten sind. Die von den Unternehmen finanzierten Ausgaben für Weiterbildung werden durch die europäische Weiterbildungserhebung „Continuing Vocational Training Survey“ (CVTS) alle fünf Jahre erhoben – zuletzt im Jahr 2011 für das Geschäftsjahr 2010 (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2013). Im Jahr 2010 gaben Unternehmen im Durchschnitt für Lehrveranstaltungen 1.563 Euro je Teilnehmer aus. Im Wirtschaftsbereich „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ waren die Ausgaben für die betriebliche Weiterbildung am höchsten. Im Mittel hatte ein Unternehmen dieses Bereichs Kosten in Höhe von 2.733 Euro je teilnehmender Person. Deutlich geringere Ausgaben für Weiterbildung fielen in Unternehmen des Gastgewerbes an. Hier beliefen sich die Kosten auf 538 Euro je Teilnehmer*in. Die Variation der Ausgaben nach Betriebsgröße ähnelt den Ausgaben für betriebliche Aufwendungen im Rahmen der dualen Ausbildung. Kleinere Betriebe investieren weniger in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter*innen als größere Betriebe. Das Statistische Bundesamt berechnet für das Jahr 2010, dass Unternehmen im Durchschnitt 1,5 % ihrer Personalaufwendungen für Weiterbildungsveranstaltungen aufgewendet haben (vgl. Vollmar 2013).
5.4 Die Bildungsausgaben Deutschlands im internationalen Vergleich In Abschnitt 5.1 wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich die internationale Abgrenzung von Bildungsausgaben von der nationalen unterscheidet. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Bildungsausgaben in internationaler Abgrenzung und darunter auf die Ausgaben für formale Bildungseinrichtungen. Als zentrale Quelle für einen internationalen Vergleich von Bildungsausgaben kann die jährlich erscheinende OECD-Publikation „Bildung auf einen Blick“ herangezogen werden. In dieser Zusammenstellung werden die Bildungssysteme der Mitglieds- und Partnerländer der OECD anhand zahlreicher Indikatoren verglichen. Im Folgenden beziehen wir uns auf diesen Bericht. Im Durchschnitt12 investieren OECD-Länder 6,2 % ihres BIP in formale Bildungseinrichtungen. Deutschland lag im Jahr 2012 mit 5,3 % unter diesem Ver12 Zur Berechnung der OECD-Durchschnitte werden lediglich die Mitgliedsländer herangezogen, für
die entsprechende Daten verfügbar sind. Die berücksichtigten Länder variieren demnach für die verschiedenen Indikatoren und können den Originaltabellen der OECD entnommen werden.
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Die Bildungsausgaben Deutschlands im internationalen Vergleich 221 gleichswert. Dieser Abstand wird noch größer, wenn als Referenzgruppe nur andere europäische Länder wie Frankreich (6,0 %), Großbritannien (6,8 %) oder die skandinavischen Länder (7,6 %) herangezogen werden. Gemessen an der Wirtschaftskraft liegen die Bildungsausgaben in Deutschland deutlich unter den Ausgaben vergleichbarer Länder (vgl. OECD 2015, Indikator B2.1). Während der Anteil der Bildungsausgaben für formale Bildungseinrichtungen (ohne Bildungsangebote für Kinder unter drei Jahren) am BIP in Deutschland 2011 auf demselben Niveau wie 1995 lag, steigerten die OECD-Länder diesen Anteil im gleichen Zeitraum im Durchschnitt um 15 % und die EU-21-Länder im Mittel um 10 % (vgl. OECD 2014a, Indikator B2.2).13 Bei der Interpretation dieser Kennzahl sollte jedoch auch die unterschiedliche demografische Entwicklung in den Ländern berücksichtigt werden bzw. Beachtung finden, dass diesen Ausgaben sehr divergierende Gruppengrößen von Bildungsteilnehmenden gegenüberstehen. So ist in Deutschland der Anteil der Bevölkerung, der formale Bildungseinrichtungen besucht, geringer als in anderen Ländern (vgl. OECD 2014b, 9). Daher ist eine Pro-Kopf-Betrachtung von Bildungsausgaben auch im internationalen Kontext einer bloßen Betrachtung der Anteile am BIP überlegen. Bei einer solchen Betrachtung zeigt sich – gemessen an den Pro-Kopf-Ausgaben vom Primar- bis zum Tertiärbereich –, dass Deutschland 2012 insgesamt 11 % über dem OECD-Durchschnitt lag.14 Dies gilt jedoch nicht für alle Bildungsbereiche: Die absoluten Ausgaben pro Schüler*in bzw. Student*in (gemessen in USDollar und um Kaufkraftunterschiede bereinigt) sind in Deutschland insbesondere im Primarbereich unterdurchschnittlich. Hier liegen die Ausgaben 6 % unter dem OECD-Durchschnitt. In der Sekundarstufe I unterscheiden sich die Ausgaben in Deutschland pro Schüler*in kaum vom OECD-Durchschnitt (1 % darunter), liegen aber 5 % unter dem Vergleichswert für die EU-21. In der Sekundarstufe II, dem postsekundaren nicht-tertiären Bereich sowie im Tertiärbereich liegen die Ausgaben pro Schüler*in bzw. Student*in hingegen über dem OECD- als auch über dem EU-21-Durchschnitt. Besonders hoch sind dabei die Ausgaben in der Sekundarstufe II, in der die Ausgaben in Deutschland über ein Viertel höher sind als im Durchschnitt der OECD- und EU-21-Länder. Die postsekundare nicht-tertiäre Bildung, zu der die berufliche Ausbildung zählt, ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern weit verbreitet, sodass die Ausgaben hier knapp 50 % über dem OECD-Durchschnitt liegen. Der Ausgabenvorsprung von 14 % pro Student*in im Tertiärbereich ist sehr stark mit der vergleichsweise hohen Forschungsintensi13 Aufgrund der ISCED-Umstellung zum Berichtsjahr 2012 ist ein zeitlicher Vergleich nur zwischen
1995 und 2011 auf Basis der ISCED-97 konsistent möglich. 14 Die Ausgaben für den Elementarbereich liegen nicht auf Basis von kaufkraftbereinigten Daten vor.
Aber gemessen in US-Dollar liegen die Ausgaben in Deutschland auch in diesem Bereich knapp 24 % über dem OECD-Durchschnitt (vgl. OECD 2015, Indikator C2.3).
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222 Bildungsausgaben tät deutscher Hochschulen verbunden, die nicht direkt den Bildungsteilnehmenden zugute kommt. Wenn man die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) an Hochschulen herausrechnet, so liegen die Ausgaben pro Student*in im Tertiärbereich knapp 3 % unter dem OECD-Durchschnitt (vgl. OECD 2015, Indikator B1.1a). Obgleich die Bildungsausgaben pro Kopf teilweise über dem OECD-Durchschnitt liegen, bleibt festzuhalten, dass Deutschland gemessen an der Wirtschaftskraft den formalen Bildungseinrichtungen vergleichsweise wenig Ressourcen zur Verfügung stellt. Über die verschiedenen Bildungsbereiche hinweg liegt der öffentliche Finanzierungsanteil der Ausgaben für formale Bildungseinrichtungen vom Primar- bis zum Tertiärbereich mit 87 % leicht über dem OECD-Durchschnitt von 84 % (vgl. OECD 2015, Indikator B3.1). Zieht man als Vergleichsgröße hingegen die EU-21 heran, da das staatliche Engagement in Europa traditionell eine weit wichtigere Rolle spielt als in anderen OECD-Mitgliedsländern wie beispielsweise den USA oder Chile, so liegt der öffentliche Anteil zwei Prozentpunkte unter dem Durchschnitt (vgl. OECD 2015, Indikator B3.1). Die Anteile, die der öffentliche Bereich in Deutschland in den einzelnen Bildungsbereichen an der Bildungsfinanzierung trägt, heben sich deutlich von den öffentlichen Anteilen anderer OECD-Länder ab. Während sich die öffentliche Hand in Deutschland im Elementarbereich mit 76 % und vom Primar- bis zum nicht-tertiären Bildungsbereich mit 88 % leicht unterdurchschnittlich beteiligt (OECDDurchschnitt liegt bei 78 % bzw. 91 %), liegt der öffentliche Finanzierungsanteil im Tertiärbereich 16 Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt von 70 % (vgl. OECD 2015, Indikator C2.3 und B3.1). Andere Länder greifen folglich bei der Hochschulbildung verstärkt auf private Quellen zur Bildungsfinanzierung zurück.
5.5 Schlussbemerkungen Eine Analyse von Bildungsausgaben in all ihrer Vielfalt ermöglicht es die Bedeutung von monetären Ressourcen, welche für Bildungsprozesse aufgewendet werden, darzustellen. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass die Höhe dieser Ausgaben maßgeblich von dem unterstellten Abgrenzungskonzept abhängt, d. h. welche Ausgaben zu den Bildungsausgaben gezählt werden und welche Datengrundlage vorhanden ist. Darüber hinaus sagt eine Ausgabenbetrachtung noch nichts darüber aus, welche Bildungsergebnisse erzielt werden. Per se ist es keinesfalls so, dass höhere Ausgaben mit besseren Bildungsergebnissen im Bildungsbereich bzw. mit höheren Bildungserträgen einhergehen. Eine Ausgabenbetrachtung ist immer eine reine Betrachtung von Inputgrößen. Dabei bleibt die Frage nach der Effektivität, also der Zielerreichung im Hinblick auf ein zuvor definiertes Ziel, unberücksichtigt.
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Schlussbemerkungen 223 Empirische Studien, welche sich mit der kausalen Beziehung von Bildungsausgaben und Bildungsergebnissen befassen, sind vorrangig im bildungsökonomischen Bereich zu finden. Werden die existierenden empirischen Studien zusammengefasst, so kann allenfalls von einer schwach positiven Wirkung von höheren Bildungsausgaben auf Bildungsergebnisse ausgegangen werden (für einen Überblick siehe z. B. Hanushek 2003). Dies bedeutet jedoch nicht, dass höhere finanzielle Ressourcen keinen Einfluss auf Bildungsergebnisse haben, sondern deutet vielmehr darauf hin, dass diese teilweise nicht zielgerichtet eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Identifikation entsprechender Ausgabeneffekte im engeren Sinne sehr anspruchsvoll ist – und das nicht nur hinsichtlich der benötigten Daten, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die Anwendung adäquater Methoden (► Kap. 6). Neben der Frage der eindeutigen Identifikation von Ausgabenwirkungen bzw. den Effekten von Ausgaben stellt sich insbesondere die Frage nach der Effizienz von Bildungsausgaben. In diesem Sinne ist zu fragen, ob bei gegebenem Ausgabenvolumen ein höherer Zielerreichungsgrad möglich ist bzw. ob eine gegebene Zielerreichung mit einem geringen Ausgabenvolumen möglich ist. Eine bloße Ausgabenbetrachtung lässt auch solche Fragen der Effizienz außen vor. Aus der Perspektive einer wissenschaftlich fundierten Politikberatung sind entsprechende Effektivitäts- und Effizienzanalysen notwendig, um fundierte Bewertungen über die Höhe von öffentlichen und privaten Bildungsausgaben leisten zu können. Entsprechende Analysen setzen idealerweise auch eine Verständigung auf konkrete bildungspolitische Ziele voraus. Insgesamt kann aus wissenschaftlicher Perspektive jedoch keine abstrakte Aussage darüber getroffen werden wie hoch die Bildungsausgaben eines Landes per se sein sollten – vielmehr sind Bewertungen über ein Ausgabenvolumen nur in Hinblick auf die Erreichung bestimmter Ziele wissenschaftlich fundiert möglich. Unabhängig davon steht das deutsche Bildungssystem in den nächsten Jahren unterschiedlichen Herausforderungen gegenüber, die mit der Erreichung bildungspolitischer Ziele verbunden sind. Im Bereich der frühen Bildung soll es nach einem massiven quantitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren darum gehen, die Qualität dieser Bildungs- und Betreuungsangebote zu verbessern (► Kap. 11). Dies wird ohne einen Anstieg in den öffentlichen Bildungsausgaben nur bedingt möglich sein – wenn Eltern, die in diesem Bereich ohnehin schon relativ hohe private Ausgaben haben, nicht noch stärker belastet werden sollen. Im schulischen Bereich ist ein weiterer Ausbau ganztägiger Schulangebote geplant – auch dies wird ohne eine Steigerung der öffentlichen Bildungsausgaben kaum gelingen, wenn auch hier die Qualität gesichert werden soll (► Kap. 13). Darüber hinaus wird die Umsetzung der Inklusion im Schulbereich mit kurz- bis mittelfristigen Ausgabensteigerungen im öffentlichen Bereich verbunden sein (► Kap. 9). Auch in nachschulischen Bildungsbereichen sieht sich das deutsche Bildungssystem größeren Herausforderungen gegenüber, wenn beispielsweise der nach wie vor hohe
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224 Bildungsausgaben Anteil von Jugendlichen betrachtet wird, die ohne Schulabschluss nur sehr bedingt den Übergang in eine Erwerbstätigkeit realisieren, die ihnen ein lebensstandsicherndes Einkommen ermöglicht. Darüber hinaus wird die Integration der in 2015 und 2016 nach Deutschland geflüchteten Menschen in das deutsche Bildungssystem ohne eine Steigerung der Bildungsausgaben nicht möglich sein. Letztlich muss es in all diesen Bereichen darum gehen pädagogische Fachkräfte auszubilden, welche den künftigen Herausforderungen gerecht werden können – nur dann können alle Bildungspotenziale genutzt und entwickelt werden. Kurz- und mittelfristig kann damit ceteris paribus eine Steigerung der öffentlichen Bildungsausgaben verbunden sein – langfristig kann damit aber auch eine Reduktion von öffentlichen und privaten Ausgaben einhergehen. Eine solche längerfristige Reduktion der Ausgaben ist in unterschiedlichen Bereichen des Bildungssystems selbst, aber auch in anderen Bereichen möglich: Ausgaben in früheren Bildungsphasen, welche zu einer Verbesserung von Bildungsergebnissen in nachfolgenden Bildungsphasen oder z. B. auch zu einem verbesserten Gesundheitsverhalten führen, können mit dazu beitragen, dass Ausgaben in diesen nachfolgenden Bildungsbereichen und im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder auch im Gesundheitssektor sinken. Neben einer Reduktion der Ausgaben in späteren Perioden können Ausgabensteigerungen früherer Perioden auch mit einer Steigerung öffentlicher Einnahmen in späteren Perioden einhergehen – dies ist z. B. dann der Fall, wenn höhere Bildungserträge über damit verbundene höhere Erwerbseinkommen mit einem vermehrten Steueraufkommen verbunden sind. Bildungsausgaben einer früheren Periode sind dementsprechend als Ausgaben im Sinne einer präventiven Sozialpolitik, aber auch einer Investition in das Bildungspotenzial einer Volkswirtschaft zu verstehen.
Kernreferenzen • Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft. Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Wiesbaden, erscheint jährlich. • Bildungsfinanzbericht. Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Wiesbaden, erscheint jährlich. • Heiner Barz (Hrsg.) (2010). Handbuch Bildungsfinanzierung (1. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. • Bildung auf einen Blick: OECD-Indikatoren. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, erscheint jährlich (die englische und die französische Originalfassung werden von der OECD unter dem Titel Education at a Glance: OECD Indicators veröffentlicht).
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Literatur 225
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Literatur Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016). Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Barz, H. (2010). Bildungsfinanzierung: Aktualität, Grundlagen, Unschärfen. In H. Barz (Hrsg.), Handbuch Bildungsfinanzierung, 15-27. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Baum, K. (2010). Steuerrecht und Bildungsfinanzierung. In H. Barz (Hrsg.), Handbuch Bildungsfinanzierung, 501-514. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Baumann, T. (2008). Bildungsausgaben in Deutschland. Wirtschaft und Statistik, 11, 993-1000. Becker, G. S. (1993). Human capital. A theoretical and empirical analysis, with special reference to education (3. Aufl.). Chicago: University of Chicago Press. BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (2014). BAföG-Reform schafft finanzielle Spielräume für die Länder. Bundeskabinett verabschiedet Gesetzesnovelle zur Ausbildungsförderung/ Wanka: „Großer Beitrag des Bundes für Hochschulen und Schulen“. Bundesministerium für Bildung und Forschung. Pressemitteilung 077/2014. Berlin. BMBF (2016). Gesamtübersichten und Strukturdaten. Daten-Portal des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Tab.0.14: Bevölkerung in Deutschland nach Alter und Geschlecht. Berlin. Bock-Famulla, K. (2010). Finanzierung in der Elementarbildung. In H. Barz (Hrsg.), Handbuch Bildungsfinanzierung, 191-200. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Bundesinstitut für Berufsbildung (2013). Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2013. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung. Verfügbar unter https://datenreport.bibb.de/media2013/BIBB_Datenreport_2013.pdf (Zugriff am 04.12.2018). Cunha, F., Heckman, J. J., Lochner, L. & Masterov, D. (2006). Interpreting the evidence on life cycle skill formation. In E. A. Hanushek & F. Welch (Hrsg.), Handbook of the Economics of Education. Vol. 1, 697-812. Amsterdam: North-Holland/Elsevier. Dohmen, D. (2010). Das deutsche Bildungsbudget: Grundbegriffe, Eckdaten und Erweiterungen. In H. Barz (Hrsg.), Handbuch Bildungsfinanzierung, 15-27. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dohmen, D. & Hoi, M. (2004). Bildungsausgaben in Deutschland – eine erweiterte Konzeption des Bildungsbudgets. Studie zur Technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands Nr. 3-2004 im Auftrag des Bildungsministeriums für Bildung und Forschung. FiBS-Forum Nr. 20. Köln: Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie. Verfügbar unter https://www.fibs.eu/referenzen/publikationen/ publikation/bildungsausgaben-in-deutschland/ (Zugriff am 04.12.2018). Hansmann, H. (1987). Economic theories of nonprofit organizations. In W. W. Powell (Hrsg.), The nonprofit sector, 27-42. New Haven u. a.: Yale University Press. Hanushek, E. A. (2003). The failure of input-based schooling policies. The Economic Journal, 113, F64F98. Hetmeier, H-W., Wilhelm, R. & Baumann, T. (2007). Methodik zur Gewinnung der Kennzahl „Ausgaben öffentlicher Schulen je Schülerin und Schüler“. Wirtschaft und Statistik, 01, 68-76. Horn, I. & Ambos, I. (2014). Weiterbildungsstatistik im Verbund 2012 – Kompakt. Bonn. Verfügbar unter http://www.die-bonn.de/id/30959 (Zugriff am 08.07.2015). Jansen, A., Pfeifer H., Schönfeld G. & Wenzelmann F. (2015). Ausbildung in Deutschland weiterhin investitionsorientiert. Ergebnisse der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2012/13. BIBB Report, 9(1). Verfügbar unter https://www.bibb.de/de/25852.php (Zugriff am 04.12.2018). Middendorff, E., Apolinarski B., Poskowsky J., Kandulla M. & Netz N. (2013). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Berlin: BMBF. Mincer, J. (1974). Schooling, experience and earnings. New York: Columbia University Press. OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) (2014a). Education at a Glance 2015: OECD Indicators. Paris: OECD Publishing.
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Onlinequellen https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Internationales/ Bildungsindikatoren.html (Zugriff am 12.12.2018)
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II Aufgaben und Herausforderungen im Bildungswesen
Einführung zu II Olaf Köller (IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik) und Karin Zimmer (Universität Vechta) Bildungserträge Franziska Kugler und Ludger Wößmann (ifo Institut) Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung Juliane Grünkorn und Eckhard Klieme (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) und Petra Stanat (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) Bildungserwerb nach sozialer Herkunft, Migrationshintergrund und Geschlecht Kai Maaz und Hanna Dumont (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich Rolf Werning (Leibniz Universität Hannover) Individuelle Förderung Marcus Hasselhorn (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation), Jasmin Decristan (Bergische Universität Wuppertal) und Eckhard Klieme
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| 229 Einführung zu II
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Aufgaben und Herausforderungen im Bildungswesen Olaf Köller und Karin Zimmer
Non scholae, sed vitae discimus – diese Umkehrung des berühmten Seneca-Zitats (Non vitae, sed scholae discimus) betont die Rolle schulischen Lernens für den Lebensverlauf von Menschen. In Bildungseinrichtungen erworbene Kompetenzen bilden das Fundament, auf dem berufliche, gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe jeder einzelnen und jedes einzelnen über die Lebensspanne fußen. Auch lässt sich zeigen, dass das Bildungsniveau einer Gesellschaft entscheidend zu ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft beiträgt. Aufgabe eines jeden Bildungssystems muss es daher sein, die Begabungsreserven der Kinder und Jugendlichen auszuschöpfen. In diesem Sinne beginnt dieser Teil II mit einem Kapitel über Bildungserträge (► Kap. 6). Es wird eindrucksvoll das Zusammenspiel von Bildungsbeteiligung, schulischen Kompetenzen und wirtschaftlicher Stärke in Gesellschaften herausgearbeitet. Das siebte Kapitel (Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung) beschreibt das inzwischen in Deutschland etablierte Beobachtungssystem des Bildungswesens. Bildungsstandards, Bildungsberichterstattung und regelmäßige nationale Schulleistungsvergleiche geben Auskunft über die Leistungsfähigkeit von Bildungseinrichtungen. Das achte Kapitel widmet sich einer weltweit zentralen Thematik: Disparitäten im Bildungssystem, hier in Form von sozialen, migrationsbedingten und geschlechtsbedingten Disparitäten. Hier Ungleichheiten zu reduzieren bleibt eine Daueraufgabe des Bildungssystems. Das Kapitel zur Inklusion (► Kap. 9) setzt sich mit den Folgen der UN-Behindertenrechtskonvention auseinander und beschreibt welche Veränderungen es im Bildungssystem als Folge der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bereits gegeben hat und welche weiteren Anstrengungen nötig sind um den Erfolg inklusiver Bildungsprozesse zu sichern. Das abschließende Kapitel 10 knüpft hier an und beschreibt, wie individuelle Förderung über die Lebensspanne aussehen kann.
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| 231 6 Bildungserträge Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:39 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Franziska Kugler und Ludger Wößmann
Zusammenfassung In diesem Kapitel wird die Bedeutung des Bildungswesens für die Volkswirtschaft in Form von Erträgen der Bildung beleuchtet. Bildung kann aus ökonomischer Sicht als eine Investition in Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen der Menschen verstanden werden, die zukünftige Erträge erwarten lässt. Diese Bildungserträge werden im vorliegenden Kapitel in vier Gruppen aufgeteilt: Wachstum, Beschäftigung, Einkommen und nicht-monetäre Bildungserträge. Aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive werden zunächst theoretische Ansätze vorgestellt, die die verschiedenen Bildungserträge erklären. Auf individueller Ebene wird in der Humankapitaltheorie angenommen, dass besser gebildete Individuen in dem Ausmaß, wie Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen die individuelle Produktivität erhöhen, höhere Einkommen erzielen können und weniger von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Auf Ebene der gesamten Volkswirtschaft wird davon ausgegangen, dass Bildung die gesamtwirtschaftliche Produktivität anhebt sowie Innovationen und deren Verbreitung beflügelt, was das langfristige Wirtschaftswachstum antreibt. Darüber hinaus werden aus theoretischer Sicht Mechanismen identifiziert, wie und warum Bildung auch nicht-monetäre Erträge in den Bereichen Gesundheit, staatsbürgerliches Verhalten und Kriminalität mit sich bringt. Vor diesem Hintergrund wird in den darauffolgenden Abschnitten empirische Evidenz für die vier Gruppen der Bildungserträge dargelegt. Empirische Studien zeigen, dass die Bildung der Bevölkerung Erträge in Form von volkswirtschaftlichem Wachstum generiert. Insbesondere die tatsächlich erworbenen Fähigkeiten der Bevölkerung – in Abgrenzung zur Anzahl der Bildungsjahre – sind ein zentraler Bestimmungsfaktor für langfristiges Wirtschaftswachstum. Aufgrund dieser Befunde kommen Projektionen des zukünftigen Wachstums für Deutschland bis in das Jahr 2090 zu dem Schluss, dass die Erträge verbesserter Bildungsleistungen im Bereich mehrerer Billionen Euro liegen können. Im Anschluss wird die empirische Evidenz der Bildungserträge für den Einzelnen dargestellt. Europaweite Statistiken zeigen, dass die Arbeitsmarktchancen umso
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232 Bildungserträge besser sind, je höher das Bildungsniveau ist. Geringgebildete haben das höchste Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Darüber hinaus wird aus einer den gesamten Erwerbslebenszyklus umfassenden Perspektive beleuchtet, dass es für die Beschäftigungschancen ebenfalls relevant ist, ob die erworbene Bildung eher allgemeiner oder berufsspezifischer Natur ist. Die individuellen Bildungserträge spiegeln sich auch in höheren Erwerbseinkommen wider. Dies belegen Studien, die für die sogenannte Bildungsertragsrate Werte von etwa sieben bis zehn Prozent berechnen. Auch für Kompetenzen, über die Individuen tatsächlich verfügen, werden hohe Ertragsraten festgestellt. Empirische Studien liefern auch Evidenz für positive nicht-monetäre Bildungserträge in Bezug auf verschiedene Gesundheitsaspekte, staatsbürgerliches Verhalten und verringerte Kriminalität.
6.1 Einführung Das Bildungswesen ist für die Volkswirtschaft von großer Bedeutung. Dabei hat die wirtschaftliche Rolle der Bildung zwei Seiten. Die eine Seite sind die sind die in Kapitel 5 behandelten Ausgaben, die für das Bildungssystem aufgewendet werden müssen. Die Bildung der Bevölkerung kann in der Tat teuer sein. Aber, wie John F. Kennedy bekanntermaßen festgestellt hat: „Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung“ (Köhler 2008, 31). Denn die andere Seite der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Bildung sind ihre Erträge: Eine gute Bildung vermittelt den Menschen Wissen, Kompetenzen und Fähigkeiten, die große Potenziale eröffnen können. Um diese Bildungserträge soll es im vorliegenden Kapitel gehen. In den vergangenen 50 Jahren ist in der Wirtschaftswissenschaft die Erkenntnis gereift, welch zentrale Rolle Bildung für den wirtschaftlichen Wohlstand spielt – für den einzelnen Menschen wie für die Gesellschaft insgesamt. Seit den grundlegenden Arbeiten von Theodore Schultz (1961), Gary Becker (1964) und Jacob Mincer (1974) über die Bildung als Investitionsentscheidung ist es schwer, sich fundamentale Theorien des individuellen Erfolges am Arbeitsmarkt oder der makroökonomischen Entwicklung von Volkswirtschaften vorzustellen, die der Bildung keine maßgebliche Rolle zuschreiben. So ist die Bildungsökonomik in das Zentrum der Erklärung langfristigen wirtschaftlichen Wohlstands gerückt. Dabei kann Bildung aus ökonomischer Sicht als eine Investition verstanden werden. Sie stattet die Menschen mit Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen aus, die die Arbeitsproduktivität erhöhen und Innovation und technologischen Fortschritt begünstigen. So wirft Bildung verschiedene Erträge in Form von höheren Einkommen, verringerter Arbeitslosigkeit, höherem Wirtschaftswachstum und nicht-monetären Verbesserungen ab. Der Charakter von Bildung als Investition wird durch die gemeinsame Betrachtung von Bildungsausgaben und -erträgen verdeutlicht: Aus ökonomischer Sicht
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Theoretischer Hintergrund: Bildung und Wohlstand 233 verursacht sie zunächst Kosten – in der Hoffnung auf zukünftige Erträge. Heutige Ausgaben mit zukünftigen Erträgen abzuwägen, ist eine Investitionsentscheidung. Diese Investitionen in menschliche Kompetenzen sind von der Wissenschaft als „Humankapital“ bezeichnet worden. Man mag diesen Begriff aus semantischer Sicht mögen oder nicht. Aber der inhaltliche Aspekt ist entscheidend: Seit der „Produktionsfaktor Arbeit“ in den Wirtschaftswissenschaften durch eine heterogene Bevölkerung mit vielseitigen und unterschiedlichen Kompetenzen ersetzt wurde, hat der Faktor Mensch den Faktor Kapital als zentrale Wohlstandsdeterminante in der Ökonomik abgelöst. Insofern ist auch der Begriff „Humankapital“ in seiner ganzen Genese auf eine erhöhte Wertschätzung des Menschen angelegt – eben auch im Verständnis wirtschaftlicher Prozesse. Um diese zentrale Rolle von Bildung für den wirtschaftlichen Wohlstand soll es in diesem Kapitel gehen.1 Im Folgenden diskutiert Abschnitt 6.2 theoretische Grundlagen möglicher Bildungserträge im Bereich der individuellen Produktivität, der makroökonomischen Entwicklung sowie in nicht-monetären Bereichen. Auf dieser Grundlage berichtet Abschnitt 6.3 die existierende empirische Evidenz zu Wachstumserträgen von Bildung, Abschnitt 6.4 zu Beschäftigungserträgen, Abschnitt 6.5 zu Einkommenserträgen und Abschnitt 6.6 zu nicht-monetären Erträgen.2
6.2 Theoretischer Hintergrund: Bildung und Wohlstand Wir beginnen mit einem Überblick über theoretische Modelle, die einen Zusammenhang zwischen Bildung und wirtschaftlichem Wohlstand herstellen. Zunächst wird die Humankapitaltheorie dargestellt, die die theoretischen Erträge von Bildungsinvestitionen auf individueller Ebene betrachtet. Danach folgen makroökonomische Modelle, die die Effekte der Bildung auf das Wirtschaftswachstum beschreiben. Zum Abschluss werden Mechanismen erläutert, über die Bildung nicht-monetäre Erträge haben kann. 6.2.1 Bildung und individuelle Produktivität Die grundlegende Erkenntnis der Humankapitaltheorie ist, dass Bildung als Investition in Wissen und Fähigkeiten der Bevölkerung betrachtet werden kann. Ähnlich wie bei Investitionen in Maschinen nehmen diejenigen, die in ihre Bildung investieren, anfänglich Kosten auf sich, in der Hoffnung zukünftig davon zu profitieren. Bei dieser Investitionsentscheidung umfassen die Kosten sowohl direkte Kosten wie Ausgaben für Lehrmaterial oder Studiengebühren, als auch Opportunitätskosten 1 Generelle Einführungen in die bildungsökonomische Analyse von Bildungserträgen geben beispiels-
weise Brewer und McEwan (2010), Hanushek und Wößmann (2008) und Hanushek, Machin und Wößmann (2011). 2 Die Darstellung lehnt sich in einigen Teilen direkt an Wößmann (2014) an.
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234 Bildungserträge in dem Sinne, dass die Menschen ihre Zeit auch anderweitig nutzen könnten, beispielsweise für eine Erwerbstätigkeit. Die Erträge von Bildungsinvestitionen können viele Formen annehmen (► 6.2.3), aber aus einer rein ökonomischen Perspektive ist der hauptsächlich erwartete Ertrag die erhöhte Produktivität, die mit mehr Wissen und Fähigkeiten einhergeht: Bildung stattet die Individuen mit den Fähigkeiten aus, die sie bei der Ausübung ihrer Arbeitsaufgaben produktiver machen. Zudem vermittelt Bildung das Wissen und die Kompetenzen, die die Menschen dazu befähigen neue Ideen hervorzubringen und anzuwenden, die wiederum Innovationen und technologischen Fortschritt befördern. Wenn eine besser gebildete Person ein höheres Grenzprodukt zum Produktionsprozess eines Unternehmens beiträgt – wenn das Unternehmen durch ihren Einsatz also mehr produzieren kann –, wird das Unternehmen dieser Person in einer Marktwirtschaft einen entsprechend höheren Lohn zahlen. Wenn schließlich der Anstieg der zukünftigen Einkommensströme höher bewertet wird als die anfänglichen Kosten, wird die Investition in Bildung aus einer ökonomischen Perspektive als lohnend eingeschätzt. Diese grundlegende Erkenntnis geht mindestens bis zu Adam Smith (1776/1979) zurück, der in seinem Werk „Der Wohlstand der Nationen“ (ebd., 118; eigene Übersetzung) schrieb: „Einen Menschen, der mit großem Aufwand an Mühe und Zeit für eine Beschäftigung ausgebildet wurde, die außergewöhnliches Geschick und Fachkenntnis erfordert, kann man mit einer aufwendigen Maschine vergleichen. Man sollte erwarten, dass er aus seinem erlernten Beruf einen Ertrag erzielen kann, der so weit über dem üblichen Lohn für einfache Arbeit liegt, dass er ihm den gesamten Ausbildungsaufwand ersetzt, mit zumindest dem normalen Gewinn für ein gleichwertiges Kapital.“
Im Allgemeinen werden diese Erträge in Form höherer individueller Einkommen auftreten. Wenn das Grenzprodukt eines niedrig qualifizierten Arbeitnehmers jedoch unter dem effektiven Mindestlohn einer Gesellschaft liegt (festgelegt durch den gesetzlichen Mindestlohn oder auch durch das Alternativeinkommen, das er vom Wohlfahrtsstaat erhalten könnte), könnte es sein, dass er gar keine Arbeit findet. In diesem Fall könnte der Anstieg der individuellen Produktivität durch bessere Bildung auch einen Effekt auf die Beschäftigung haben. Bildung kann es Menschen ermöglichen, die Arbeitslosigkeit zu verlassen und einen Arbeitsplatz zu finden.3 Darüber hinaus kann Bildung die Fähigkeit der Individuen fördern, mit veränderten Rahmenbedingungen zurechtzukommen, und somit die Beschäftigungsfähigkeit in Zeiten schneller technologischer Veränderungen erhöhen (Schultz 1975). Folglich kann das Investieren in die Bildung und Fähigkeiten der Bevölkerung dadurch, dass so Arbeitslosigkeit reduziert und Einkommen erhöht werden, letztlich 3 Eine tiefergehende Diskussion, wie technologischer Wandel und Globalisierung die Einkommens-
und Beschäftigungsrenditen auf unterschiedliche Niveaus und Arten von Fähigkeiten beeinflussen, liefern Acemoglu und Autor (2011). Goldin und Katz (2008) stellen das fortwährende Wettrennen zwischen Bildung und Technologie in der langen Frist dar.
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Theoretischer Hintergrund: Bildung und Wohlstand 235 dazu beitragen Armut zu vermeiden, soziale Ausgrenzung zu vermindern und soziale Ungleichheit abzuschwächen. Zu den produktivitätsfördernden Eigenschaften der Bildung gehören sicherlich höhere kognitive Fähigkeiten – sowohl in Bezug auf allgemeine als auch auf berufsspezifische Fähigkeiten –, die es den Menschen ermöglichen Zusammenhänge besser zu erkennen, höhere Leistungen zu erbringen und ökonomische Prozesse zu verbessern (Hanushek und Wößmann 2015). Zudem kann Bildung auch nichtkognitive Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen, die mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden sind (vgl. z. B. Heckman, Stixrud et al. 2006; Almlund et al. 2011; Lindqvist und Vestman 2011). In empirischen Studien ist es oft schwierig zwischen den verschiedenen Arten von Fähigkeiten zu unterscheiden, nicht zuletzt weil viele sogenannte nicht-kognitive Fähigkeiten wie Beharrlichkeit, Geduld, Kontrollüberzeugung, Selbstwertgefühl oder Charakterstärke eine wichtige kognitive Komponente enthalten. Allerdings deutet die verfügbare Evidenz darauf hin, dass die meisten Bildungsprozesse in der Realität tendenziell mehrere produktivitätsrelevante Fähigkeiten gleichzeitig stärken und nicht eine Dimension der Fähigkeiten zu Lasten einer anderen. 6.2.2 Bildung und makroökonomische Entwicklung Neben dem Einfluss der Bildung auf individuelle Erträge ist Bildung auch Bestandteil von makroökonomischen Wachstumstheorien (vgl. z. B. Aghion und Howitt 2009; Jones und Vollrath 2013). Es gibt zwei generelle Klassen an Modellen über die spezifischen Mechanismen, durch die Bildung die langfristige wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft beeinflussen kann. Die erste Modellklasse baut direkt auf der gerade beschriebenen mikroökonomischen Humankapitaltheorie auf. Einfach ausgedrückt wird die makroökonomische Produktion als Funktion der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit angesehen. Wenn Bildung als eine Investition dient, die die individuelle Produktivität erhöht, ist Bildung auch in der Makroökonomie ein Produktionsfaktor, der akkumuliert werden kann. Die erhöhte individuelle Produktivität aggregiert sich also in der gesamten Volkswirtschaft. Dadurch steigt die Wachstumsrate der Volkswirtschaft beim Übergang vom alten Gleichgewichtszustand der wirtschaftlichen Leistung zum neuen höheren Gleichgewichtszustand. In solchen erweiterten neoklassischen Wachstumsmodellen hebt Bildung die gesamtwirtschaftliche Produktivität an, indem Humankapital akkumuliert wird (Mankiw et al. 1992). Die zweite Modellklasse betrachtet die Rolle der Bildung in dem Sinne, dass sie neue Technologien generiert und deren Verbreitung erleichtert. Letztendlich hängt die langfristige Wachstumsrate einer Volkswirtschaft vom technologischen Fortschritt oder von Verbesserungen in der Technologie ab, die Produktionsfaktoren in Output umwandelt. Solche Verbesserungen der totalen Faktorproduktivität beruhen auf Produkt- und Prozessinnovationen. In sogenannten endogenen Wachstumsmodellen gehen Innovationen aus gezielten Investitionen in Forschung und
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236 Bildungserträge Entwicklung hervor. Dieser Vorgang wird entscheidend durch die zugrunde liegenden Erfindungen der Menschen gesteuert, die aus deren Wissen und Fähigkeiten entstehen. Hier wird also durch Bildung ein kontinuierlicher Strom an neuen Ideen und Technologien erzeugt. Bildung übernimmt die wichtige Rolle, die Innovationskapazität der Volkswirtschaft zu erhöhen. In diesen Modellen lösen also besser gebildete Menschen dadurch, dass sie neue Ideen und neue Technologien hervorbringen und vermarkten, nachhaltige Wachstumsdynamiken aus (vgl. Lucas 1988; Romer 1990; Aghion und Howitt 1998). Aus theoretischer Sicht können die makroökonomischen (sozialen) Erträge von Bildung höher oder niedriger sein als die bereits diskutierten individuellen (privaten) Erträge. Einerseits können die makroökonomischen Erträge über den individuellen Erträgen liegen, wenn es externe Effekte gibt. Beispielsweise können im Sinne der Innovationseffekte in den endogenen Wachstumsmodellen hoch gebildete Erfinder*innen Innovationen hervorbringen, die auch die Produktivität anderer Arbeiter*innen und letztendlich der ganzen Volkswirtschaft erhöhen, ohne dass all diese Erträge dem Erfinder bzw. der Erfinderin zugutekommen (vgl. Acemoglu und Angrist 2000; Moretti 2004; Iranzo und Peri 2009). Andererseits können die sozialen Erträge auch niedriger als die privaten Erträge ausfallen, wenn ein Teil der privaten Erträge in unproduktiven Signal- und Selektionseffekten besteht (vgl. Spence 1973; Riley 2001; Arcidiacono et al. 2010). Damit ist gemeint, dass Individuen auch deshalb ein höheres Bildungsniveau erlangen könnten, um dem Arbeitsmarkt damit ihre (auch ohne die Bildung bestehende) hohe Produktivität signalisieren zu können. In diesem Fall würden Bildungseinrichtungen vor allem als Mittel dienen, ohnehin schon fähigere Schülerinnen und Schüler und Studierende zu selektieren anstatt ihnen neues Wissen und Fähigkeiten beizubringen. Die verfügbare Evidenz, die im Folgenden vorgestellt wird, deutet jedoch stark darauf hin, dass sich die mikroökonomischen Erträge der Bildung keineswegs auf rein private Erträge beschränken. 6.2.3 Nicht-monetäre Erträge der Bildung Aus theoretischer Sicht gehen die Erträge von Bildung über wirtschaftliche Erträge wie Einkommen, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum hinaus, denn sie umfassen auch nicht-monetäre Erträge (vgl. Lochner 2011; Oreopoulos und Salvanes 2011). Im Folgenden sollen mögliche Mechanismen beschrieben werden, wie und warum Bildung nicht-monetäre Erträge haben kann. Allgemein kann festgehalten werden, dass sich Bildung sowohl direkt als auch indirekt – über die Beeinflussung dritter Größen – auf nicht-monetäre Erträge auswirken kann. In diesem Kapitel sollen beispielhaft nicht-monetäre Bildungserträge in den drei Bereichen Gesundheit, staatsbürgerliches Verhalten und Kriminalität vorgestellt werden, zu denen es umfangreiche Forschung gibt. Darüber hinaus lassen sich auch weitere Bereiche nicht-monetärer Erträge vorstellen; so lassen sich etwa auch die zuvor angesprochenen nicht-kognitiven Fähigkeiten zum Teil als nicht-monetäre Erträge der Bildung verstehen.
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Theoretischer Hintergrund: Bildung und Wohlstand 237 In theoretischen Ansätzen werden viele Gründe diskutiert, warum Bildung die Gesundheit verbessern und die Lebenserwartung erhöhen kann. Allgemein wird angenommen, dass Individuen ihren Nutzen über die gesamte Lebensspanne durch Konsum maximieren wollen. Deswegen streben die Individuen ein gesünderes und längeres Leben an. Wie schon beim Humankapital können Individuen auch in ihre Gesundheit investieren und als Ertrag erhöhte Gesundheit bzw. eine längere Lebenserwartung erzielen. Bildung kann diesen Ertrag auf mindestens drei Weisen erhöhen. Beim ersten Mechanismus wirkt sich Bildung direkt auf Gesundheit und Lebenserwartung aus. Es wird angenommen, dass ein höheres Bildungsniveau zu höheren Investitionen in die Gesundheit – in Form von jeglichem gesundheitsförderlichem Verhalten – führt. Dadurch, dass Bildung also ein gesundes und langes Leben wahrscheinlicher macht, erhöhen sich die zukünftigen Erträge heutiger Gesundheitsinvestitionen. Der zweite Mechanismus besteht darin, dass Bildung die Fähigkeiten erhöht Gesundheitsinformationen zu erfassen, sich Gesundheitswissen anzueignen und komplizierte Behandlungen einzuhalten. Es wird angenommen, dass ein höherer Bildungsstand der Individuen beispielsweise mit einem höheren Bewusstsein für ausgewogene Ernährung, einem gesunden Lebensstil und der Einhaltung wichtiger Vorsorgeuntersuchungen verbunden ist. In der Folge können besser Gebildete mehr von Gesundheitsinvestitionen profitieren, weil sie die richtigen Gesundheitsentscheidungen treffen. Beim dritten Mechanismus wirkt Bildung indirekt auf die Gesundheit. In dem Maße, wie ein höheres Bildungsniveau zu höherem individuellem Einkommen führt, können sich höher gebildete Personen teure medizinische Versorgung eher leisten. Da ein Anstieg des Einkommens auch die Konsummöglichkeiten der Individuen erhöht, streben insbesondere höher Gebildete ein gesundes und langes Leben an, in dem sie viel konsumieren können, und verhalten sich entsprechend gesundheitsförderlich. So kann Bildung die Lebenserwartung indirekt erhöhen. In der Literatur werden darüber hinaus Mechanismen identifiziert, über die Bildung gesellschaftliche Teilhabe und politisches Engagement beeinflussen kann (Lochner 2011). Bereits Aristoteles ging davon aus, dass Bildung die Entstehung demokratischer Strukturen bestärkt. Denn gebildete Bürger sind informierter und können durchdachte Entscheidungen bei politischen Wahlen treffen. Bildung kann auch Einfluss darauf haben, ob es Individuen als vorteilhaft einschätzen, sich an politischen Wahlen zu beteiligen oder sich anderweitig politisch und gesellschaftlich zu engagieren. Bildung kann – entweder direkt durch das Schulsystem oder indirekt durch das Vermitteln analytischer Fähigkeiten und eines Bewusstseins für historische Entwicklungen und Meinungsvielfalt – die Präferenz für demokratische und bürgerliche Werte erhöhen und so das politische Interesse der Menschen bestärken. Bildung kann auch indirekt auf gesellschaftliche Teilhabe und politisches Engagement wirken, indem das individuelle Bildungsniveau Einfluss auf das soziale Netzwerk und die Freunde und Kollegen der betreffenden Person hat. Es ist aber auch denkbar, dass Bildung politisches Engagement verhindert. Da die Ver-
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238 Bildungserträge dienstmöglichkeiten höher gebildeter Personen höher sind, sind deren Opportunitätskosten, Zeit für politisches und gesellschaftliches Engagement aufzuwenden, besonders hoch. In der politischen Ökonomie wird der Effekt von Bildung auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene betrachtet. Hier wird angenommen, dass die Verteilung der Bildung in einer Gesellschaft Einfluss auf Demokratisierungsprozesse und letztendlich wiederum auf das Wirtschaftswachstum hat. In einem mit der ökonomischen Theorie der Kriminalität verknüpften Humankapitalmodell können mehrere Mechanismen identifiziert werden, durch die Bildung Kriminalität reduzieren kann (Lochner 2004, 2011). In diesem Modell stehen Individuen nach ihrer Bildungsphase der Entscheidung gegenüber, ob sie durch legale Erwerbstätigkeit Geld verdienen oder durch kriminelle Handlungen. Beides ist mit Erträgen verbunden, wobei bei der Kriminalität die Wahrscheinlichkeit, mit der man erwischt wird und ins Gefängnis muss, in das Kalkül einbezogen werden muss. Sind die auf heute abgezinsten zukünftigen Erträge der legalen Erwerbstätigkeit größer als die abgezinsten zukünftigen Erträge der Kriminalität (das Haftrisiko einbezogen), entscheidet sich das Individuum für die Erwerbstätigkeit. Sind die Kriminalitätserträge höher, fällt die Entscheidung zugunsten der Kriminalität aus. Bildung ist hier im Sinne der oben genannten Humankapitaltheorie entscheidend: Je höher eine Person gebildet ist, desto höher sind die potenziellen zukünftigen Erträge aus einer legalen Erwerbstätigkeit, weil die höhere Produktivität entlohnt wird. Dementsprechend ist mit höherer Bildung die Wahrscheinlichkeit kriminell zu sein geringer. Hinzu kommt, dass die Opportunitätskosten einer kriminellen Tätigkeit bzw. eines Gefängnisaufenthaltes, in dem keine Erträge erwirtschaftet werden können, bei besser Gebildeten höher ausfallen, weil deren Löhne höher sind, was die Kriminalität unattraktiver macht. In der Literatur werden weitere, indirekte Mechanismen für eine kriminalitätsreduzierende Wirkung der Bildung genannt wie etwa Zeit- und Risikopräferenzen, das soziale Umfeld oder die zeitgleiche kriminalitätsreduzierte Wirkung in der Bildungsphase. Für bestimmte Straftaten, z. B. im Bereich der Wirtschaftskriminalität – im Gegensatz zu Straßenverbrechen, die Schulbildung nicht erfordern –, könnte anhand des Modells jedoch auch ein positiver Zusammenhang zwischen Bildung und Kriminalität vorausgesagt werden (vgl. Lochner 2011).
6.3 Wachstum: Bildungsleistungen und gesellschaftlicher Wohlstand Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Wirkung von Bildung in makroökonomischen Wachstumstheorien stellt dieser Abschnitt die bestehende empirische Evidenz zu den Erträgen von Bildung in Form von volkswirtschaftlichem Wachstum vor. Zunächst werden Studien zur Rolle von Bildungsleistungen für langfristiges Wachstum dargestellt. Darauf aufbauend werden Simulationen der
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Wachstum: Bildungsleistungen und gesellschaftlicher Wohlstand 239
6.3.1 Die zentrale Rolle von Bildungsleistungen für langfristiges Wirtschaftswachstum Empirische Studien haben für die jüngere Vergangenheit gezeigt, dass Bildung tatsächlich ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Bestimmungsfaktor für langfristiges Wirtschaftswachstum ist – d. h. für Wachstum jenseits von konjunkturellen Schwankungen und zeitlich begrenzten Krisen. Wird Bildung durch die Fähigkeiten gemessen, die tatsächlich erlernt wurden – insbesondere durch das Abschneiden der Bevölkerung bei Leistungstests in Mathematik und Naturwissenschaften –, hängt das Bildungsniveau eines Landes sehr eng mit der langfristigen nationalen Wachstumsrate zusammen.
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Kosten unzureichender Bildung in Form von entgangenem Wirtschaftswachstum betrachtet.
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Testpunktzahl
Abb. 6.1: Bildungsleistungen und volkswirtschaftliches Wachstum (Anmerkung: Zusammenhang zwischen schulischen Leistungen (äquivalent zu PISA-Testpunkten) und jährlicher Pro-KopfWachstumsrate (1960-2009, in %) nach Herausrechnung weiterer Einflussfaktoren.) (Quelle: eigene Berechnung in Anknüpfung an Hanushek und Wößmann 2015)
Dies wird in Abbildung 6.1 deutlich, die den Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts pro Kopf eines Landes über den Zeitraum von 1960 bis 2009 und der durchschnittlich erreich-
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240 Bildungserträge ten Punktzahl der Bevölkerung des jeweiligen Landes in zahlreichen Bildungsleistungsvergleichstests darstellt, nach Herausrechnung von Effekten des Anfangsniveaus der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist unmittelbar zu erkennen, dass es einen starken Zusammenhang zwischen den beiden Größen gibt: Länder, die hohe Punktzahlen in den Bildungsvergleichstests erreichen, haben systematisch höhere langfristige Wachstumsraten als Länder mit schlechten Bildungsleistungen. In der Tat lassen sich drei Viertel der gesamten Variation des Wirtschaftswachstums zwischen den Ländern über das letzte halbe Jahrhundert mit einem so einfachen Modell abbilden. Darüber hinaus zeigt Abbildung 6.1 eine beachtliche Effektstärke: Mit jeder Erhöhung der Bildungsleistungen eines Landes um eine halbe Standardabweichung – das entspricht 50 Punkten im PISA-Test – ist das langfristige Wachstum des Landes einen Prozentpunkt höher (Hanushek und Wößmann 2008, 2012a, 2015). Zu beachten ist, dass Bildung in dieser Analyse anhand der tatsächlichen Leistungen gemessen wird, nämlich den durchschnittlich erreichten Punktzahlen in allen internationalen Schülerleistungsvergleichstests in Mathematik und Naturwissenschaften, die zwischen 1964 und 2003 durchgeführt wurden, also PISA und dessen Vorgängerstudien. Wird Bildung stattdessen durch die durchschnittliche Anzahl der Bildungsjahre der Bevölkerung gemessen, ist der Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum viel schwächer. Das Modell kann dann nur ein Viertel der Variation des langfristigen Wachstums zwischen den Ländern erklären. Der Zusammenhang zwischen Bildungsjahren und Wirtschaftswachstum verschwindet sogar ganz, wenn Unterschiede in Bildungsleistungen im Modell berücksichtigt werden. Das heißt, dass die quantitative Dimension der Bildung (die durchschnittliche Anzahl an Bildungsjahren) für das Wirtschaftswachstum nur insoweit relevant ist, wie sie tatsächlich zu besserem Wissen und Fähigkeiten der Bevölkerung führt. Für Wirtschaftswachstum zählt, was die Menschen gelernt haben – nicht, wie lange es gedauert hat, um diese Bildungsleistungen zu erzielen. Dieses Ergebnis zeigt, dass ein Fokus auf die tatsächlich erworbenen Bildungsleistungen wichtig ist, nicht nur auf Bildungsdauer und -abschlüsse. Mehrere detaillierte Analysen zeigen, dass es sich bei dem gezeigten Zusammenhang zwischen Bildungsleistungen und Wirtschaftswachstum tatsächlich um einen ursächlichen (kausalen) Effekt der besseren Bildungsleistungen auf das Wirtschaftswachstum handelt (Hanushek und Wößmann 2012a, 2015). Ein kausaler Effekt liegt – im Gegensatz zu einer bloßen Korrelation – dann vor, wenn eine Veränderung in der einen Größe tatsächlich eine Veränderung in der anderen Größe verursacht. So ist der Effekt unter anderem sogar größer, wenn frühe Testleistungen (bis Mitte der 1980er Jahre) mit späterem Wirtschaftswachstum (seit Mitte der 1980er Jahre) in Zusammenhang gebracht werden. Dieses Vorgehen schließt aus, dass der gefundene Zusammenhang lediglich einen umgekehrten kausalen Effekt von Wachstum auf Bildungsleistungen abbildet. Dieser Einwand wird auch durch den wiederholt belegten Befund abgeschwächt, dass im Ländervergleich höhere Bildungsausgaben, die durch höheres Wirtschaftswachstum finanziert werden könnten, eben nicht systematisch
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Wachstum: Bildungsleistungen und gesellschaftlicher Wohlstand 241 mit besserem Bildungsergebnissen einhergehen. Weitere Untersuchungen bekräftigen mit verschiedenen statistischen Verfahren, dass der gefundene Zusammenhang nicht andere unbeobachtete Faktoren wie Wirtschaftsinstitutionen, die Struktur der Wirtschaft oder kulturelle Unterschiede, sondern einen kausalen Effekt abbildet (Hanushek und Wößmann 2012a, 2015; Ciccone und Papaioannou 2009). Zahlreiche weitere Studien belegen die Bedeutung von Bildung sowohl in Form von Fähigkeiten als auch von quantitativen Bildungsmaßen für das Wirtschaftswachstum.4 Eine umfassende Überprüfung der Robustheit dieser Ergebnisse kommt zu dem Ergebnis, dass Grundschulbildung auf einer langen Liste untersuchter Faktoren der maßgebliche Einflussfaktor für langfristiges Wachstum ist (Sala-i-Martin et al. 2004). Gleichwohl belegt die zuvor dargestellte Evidenz, dass die tatsächlich erworbenen Fähigkeiten in Wachstumsregressionen eine dominierende Rolle spielen. 6.3.2 Folgekosten unzureichender Bildung: Simulationen zukünftiger Wachstumspfade Unter Verwendung der gerade berichteten Schätzungen, wie Bildungsleistungen mit dem Wirtschaftswachstum im letzten halben Jahrhundert zusammenhingen, lässt sich auch der zukünftige ökonomische Wert besserer Bildung simulieren. Dieser Wert wird in Form des zukünftigen Wirtschaftswachstums ermittelt, das aufgrund von verbesserten Schülerleistungen – etwa aufgrund erfolgreicher Reformen im Bildungssystem – entsteht. Als andere Seite derselben Medaille spiegeln diese Bildungserträge auch die ökonomischen Kosten wider, die durch unzureichende Bildungsleistungen in Form von verlorenem zukünftigem Wachstum entstehen. Diese Simulationen vergleichen den vorhergesagten zukünftigen Wachstumspfad eines Landes mit und ohne verbesserte Bildungsleistungen seiner Arbeitskräfte. Die aufsummierten zukünftigen Erträge werden dann auf ihren Gegenwartswert abgezinst. Bei diesem Vorgehen wird angenommen, dass Fähigkeiten in der Zukunft die gleiche Rolle spielen werden wie in der Vergangenheit und dass die Erfahrungen anderer Länder mit höheren Fähigkeiten Einblick darin gewähren, wie verbesserte Fähigkeiten von einer Volkswirtschaft aufgenommen werden. Wichtig ist zudem, dass in den Simulationen berücksichtigt wird, dass Bildungsreformen ihre volle Wirkung nicht unverzüglich zeigen und dass der Einfluss besserer Bildungsleistungen erst dann zutage tritt, wenn die vormaligen Schülerinnen und Schüler voll im Erwerbsleben integriert sind. Aber wenn man eine ausreichend langfristige Perspektive wie die erwartete Lebensdauer eines heute geborenen Kindes (also 80 Jahre) einnimmt, ist das Ausmaß der wirtschaftlichen Effekte von verbesserten Fähigkeiten, die mit der zuvor beschriebenen historischen Leistungs-Wachstums-Beziehung einhergehen, enorm groß (Hanushek und Wößmann 2011b, 2012b). 4 Als wichtige Beiträge und Überblicksartikel seien hier Barro (1991, 2001), Mankiw et al. (1992), Ha-
nushek und Kimko (2000), Bils und Klenow (2000), Krueger und Lindahl (2001), Wößmann (2003), Hanushek und Wößmann (2011a), Schoellman (2012) und Gennaioli et al. (2013) genannt.
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242 Bildungserträge Beispielsweise wurden die zukünftigen Erträge einer Verbesserung der Schülerleistungen um 25 PISA-Punkte simuliert. Eine solche Verbesserung ist nicht unplausibel und z. B. Deutschland, Polen und der Türkei im letzten Jahrzehnt sowie Kanada und Finnland in den zwei bis drei Jahrzehnten davor gelungen (Hanushek und Wößmann 2015). Laut den Projektionen bis in das Jahr 2090 betragen die zukünftigen Erträge für um 25 PISA-Punkte verbesserte Schülerleistungen für Deutschland rund 8,8 Bio. Euro. Dies entspricht 288 % des gesamten heutigen BIP. In Relation zum Wert des abgezinsten zukünftigen BIP über denselben Zeitraum entspricht der Effekt einem Anstieg des abgezinsten zukünftigen BIP um gut 6 %. Eine weitere Simulation zeigt, dass sich die zukünftigen Erträge bis 2090 zu sage und schreibe über 17 Bio. Euro aufsummieren würden, wenn die deutschen Bildungsleistungen auf das Niveau des (vormaligen) europäischen PISA-Spitzenreiters Finnland gebracht würden. Diese Erträge sind mehr als fünfmal so groß wie das gesamte heutige BIP. Anders ausgedrückt sind die Kosten in Form des verlorenen zukünftigen Wirtschaftswachstums, die durch unzureichende Bildungsleistungen verursacht werden, gewaltig. Der Großteil der volkswirtschaftlichen Erträge eines verbesserten Schulsystems fällt erst weit in der Zukunft an, da die besser ausgebildeten Schülerkohorten erst in den Arbeitsmarkt eingetreten sein müssen, um mit ihrer höheren Produktivität zur Gesamtleistung der Volkswirtschaft beizutragen. Gleichwohl zeigen weitere Befunde, dass wirksame Bildungsreformen auch schon in der kurzen und mittleren Frist deutliche volkswirtschaftliche Erträge generieren würden. In einer Studie werden die Auswirkungen von heutigen Bildungsinvestitionen, die die Anzahl der Risikoschülerinnen und -schüler, die nur über äußerst mangelhafte Mathematikkompetenzen verfügen, wirksam und deutlich senken würden, für einen kürzeren Zeithorizont bis 2030 und 2050 projiziert (Piopiunik und Wößmann 2014). Abbildung 6.2 stellt das Ergebnis einzeln für die deutschen Bundesländer dar. Es wird deutlich, dass Bildungsreformen auch schon mittelfristig deutliche Erträge mit sich bringen. So würde in nahezu allen Bundesländern das zusätzliche BIP, das bis zum Jahr 2030 entsteht, in etwa den gesamten jährlichen Ausgaben für allgemeinbildende und berufliche Schulen entsprechen. Und das bis 2050 zusätzlich generierte BIP würde in fast allen Bundesländern das gesamte derzeitige Haushaltsbudget übersteigen. Solche Wachstumsprojektionen schließen alle Effekte von verbesserten Bildungsleistungen auf den gesellschaftlichen Wohlstand ein, soweit sie durch das BIP eines Landes gemessen werden. Zu diesen gehören direkt oder indirekt sowohl die privaten Erträge auf dem Arbeitsmarkt in Form von Beschäftigung und Einkommen (s. u.) als auch jegliche weitere Erträge, die der ganzen Gesellschaft zugutekommen. In diesem Sinn enthalten die prognostizierten Kosten unzureichender Bildung auch Kosten aus der Perspektive der öffentlichen Finanzen wie entgangene Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge sowie zusätzlich erforderliche Sozialleistungen (de la Fuente und Jimeno 2009).
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Wachstum: Bildungsleistungen und gesellschaftlicher Wohlstand 243 70 60 50
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40 30 20 10 0
bis 2030
bis 2050
Abb. 6.2: Kurz- und mittelfristige Erträge einer Reduktion der Anzahl der Risikoschülerinnen und -schüler (Anmerkung: Durch eine Bildungsreform, die die Anzahl der Risikoschülerinnen und -schüler weitestgehend senkt, erzeugtes zusätzliches BIP in deutschen Bundesländern, für die Zeithorizonte bis 2030 und 2050, in Mrd. Euro. Der Wert für Nordrhein-Westfalen bis 2050 ist aus Gründen der besseren Darstellbarkeit abgeschnitten; er beträgt 148 Mrd. Euro.) (Quelle: eigene Darstellung auf Basis von Piopiunik und Wößmann 2014)
Tafel 6.1: Die Rolle von Bildung in der Wirtschaftsgeschichte In den letzten Jahren hat die wirtschaftshistorische Forschung auch die wichtige Rolle von Bildung in der Wirtschaftsgeschichte entdeckt. Empirische Studien können zeigen, dass Bildung nicht nur heute mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erträgen verbunden ist, sondern mindestens schon seit dem 19. Jahrhundert entscheidenden Einfluss auf den Wohlstand hatte. Bildung fördert also vermutlich schon spätestens seit der Industrialisierung die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands (vgl. Wößmann 2011). So wird beispielsweise untersucht, wie die Ausbreitung von Bildung in preußischen Kreisen vor und während der Industrialisierung die historische Entwicklung veränderte und den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand beeinflusste (Becker et al. 2011). Die Ergebnisse belegen, dass der hohe Bildungsstand der preußischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle für den Industrialisierungsprozess spielte (im Gegensatz zur herrschenden Meinung zum britischen Industrialisierungsprozess). In Preußen scheint Schulbildung eine Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung neuer Technologien im Rahmen der Industriellen Revolution gewesen zu sein. Deswegen konnte Preußen, dessen Schulbesuchsquoten im Vergleich zu anderen Ländern überdurchschnittlich hoch waren, besonders schnell zu dem damals aktuellen britischen Stand der Technik aufschließen und von guter wirtschaftlicher Entwicklung profitieren.
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244 Bildungserträge
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In weiteren Studien wird unter anderem gezeigt, dass höhere Schulbesuchsquoten unter Protestanten für deren wirtschaftlichen Erfolg im 19. Jahrhundert verantwortlich sein dürften (Becker und Wößmann 2009) und dass die Ansiedlung hochqualifizierter Hugenotten eine Verbesserung der preußischen Wirtschaftsleistung im Textilsektor im 18. Jahrhundert bewirkt hat (Hornung 2014).
6.4 Beschäftigung: Bildung und Arbeitslosigkeit Nachdem der vorangegangene Abschnitt die beachtliche Bedeutung der Bildung für den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand belegt hat, werden im Folgenden die Bildungserträge für den Einzelnen aufgezeigt. In diesem Abschnitt wird der Einfluss von Bildung auf Arbeitsmarktchancen – in Form von Arbeitslosigkeit bzw. Beschäftigung und bezogen auf den Erwerbslebenszyklus – dargestellt.5 6.4.1 Arbeitslosigkeit und Beschäftigung nach Bildungsabschluss Betrachtet man, wer von Arbeitslosigkeit betroffen ist, werden erhebliche Unterschiede zwischen Personen mit niedrigem und hohem Bildungsstand deutlich. Abbildung 6.3 zeigt Arbeitslosenquoten nach der Höhe des Bildungsabschlusses in den Mitgliedsstaaten der EU. Die Arbeitslosenquoten geben den Anteil der Arbeitslosen an der gesamten Erwerbsbevölkerung an. Die drei in jedem Land betrachteten Bildungsniveaus sind weniger als ein Sekundarabschluss (in Deutschland Lehre oder Abitur), höchstens ein Sekundarabschluss und Hochschulabschluss.6 Die Abbildung 6.3 verdeutlicht einen starken Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquoten und Bildungsabschlüssen. Im Durchschnitt aller betrachteten Länder liegt die Arbeitslosigkeit von Personen mit niedriger Bildung bei 17,4 %, mit einem mittleren Bildungsniveau bei 8,1 % und mit hoher Bildung bei 5,7 %. Das heißt also, dass die Arbeitslosigkeit unter den Personen mit niedrigem Bildungsstand 9,3 Prozentpunkte höher ist als unter den mittleren Qualifizierten. Deren Arbeitslosigkeit ist wiederum 2,4 Prozentpunkte höher als die der Hochqualifizierten. Dieses Muster – je höher der Bildungsstand, desto geringer die Wahrscheinlichkeit arbeitslos zu sein – lässt sich auch in quasi jedem einzelnen Land identifizieren. In elf Ländern übersteigt der Unterschied zwischen den Arbeitslosenquoten von Gering5 Neben den wirtschaftlichen Aspekten kann eine Erhöhung der Beschäftigung auch diverse Erträge im
nicht-monetären Bereich beinhalten (Oreopoulos und Salvanes 2011). 6 In dieser Aufschlüsselung enthält die Kategorie „weniger als Sekundarabschluss“ primäre und nied-
rige sekundäre Bildung (ISCED 0-2), die Kategorie „höchstens Sekundarabschluss“ höhere sekundäre Bildung und nicht-tertiäre Bildung nach der Sekundarstufe II (ISCED 3-4) und die Kategorie „Hochschulabschluss“ tertiäre Bildung, also Abschlüsse auf Bachelor- oder Masterniveau bzw. eine Promotion (ISCED 5-8).
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Beschäftigung: Bildung und Arbeitslosigkeit 245 und Hochqualifizierten zehn Prozentpunkte, wobei die Unterschiede in der Arbeitslosenquote besonders zwischen den zwei unteren Bildungsniveaus ausgeprägt sind.
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45,% 40,% 35,% 30,% 25,% 20,% 15,% 10,% 5,% 0,%
weniger als Sekundarabschluss
höchstens Sekundarabschluss
Hochschulabschluss
Abb. 6.3: Arbeitslosenquoten nach Bildungsabschluss (Anteil der Arbeitslosen im Alter von 25 bis 64 Jahren an der gleichaltrigen Erwerbsbevölkerung, in %, nach Bildungsabschluss, im Jahr 2014) (Quelle: Eurostat 2015a)
In einer leicht anderen Abgrenzung, die in Ausbildung befindliche Personen nicht berücksichtigt, kommt die deutsche Statistik für 2013 zu folgenden Arbeitslosenquoten nach höchstem Bildungsabschluss (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2015): Bei den Erwerbspersonen ohne Berufsabschluss sind 20 %, also jeder Fünfte, von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Arbeitslosenquote der Personen mit einer abgeschlossenen beruflichen Ausbildung (einschließlich Meister- und Technikerausbildung) ist mit 5 % schon deutlich geringer. Die Arbeitsmarktsituation der Personen mit akademischem Abschluss stellt sich mit 2,5 % Arbeitslosigkeit – was de facto einer Vollbeschäftigung nahe kommt – nochmals besser dar. Bildung scheint also vor Arbeitslosigkeit schützen zu können. Ein ähnliches Bild der verbesserten Arbeitsmarktchancen durch Bildung zeigen Daten zur Beschäftigungsquote, also der Anteil der Erwerbstätigen an der gesamten Bevölkerung (► Abb. 6.4). Im Durchschnitt der EU-Länder sind von den Personen mit niedrigem Bildungsstand nur 51,8 % beschäftigt, von den Personen mit mittleren Bildungsstand 70,1 % und von den Personen mit hohem Bildungsstand 82,1 %. Die Beschäftigungsrate der Hochqualifizierten ist also um mehr als zehn
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246 Bildungserträge
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Prozentpunkte höher als die der mittleren Qualifizierten, die noch einmal knapp 20 Prozentpunkte höher ist als die der Geringqualifizierten. Insgesamt besteht also ein Abstand von über 30 Prozentpunkten zwischen der Beschäftigung der Hoch- und Geringgebildeten. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
weniger als Sekundarabschluss
höchstens Sekundarabschluss
Hochschulabschluss
Abb. 6.4: Beschäftigungsquoten nach Bildungsabschluss (Anteil der erwerbstätigen Personen im Alter von 20 bis 64 Jahren an der gleichaltrigen gesamten Bevölkerung, in %, nach Bildungsabschluss, im Jahr 2014) (Quelle: Eurostat 2015b)
In Deutschland liegen die Erwerbstätigenquoten allgemein etwas höher als im europäischen Durchschnitt. Das Bildungsmuster ist jedoch entsprechend: Laut der deutschen Statistik für das Jahr 2012 lag die Erwerbstätigenquote der Personen ohne beruflichen Abschluss bei 58 %, bei den Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung bei 79 % und bei Personen mit akademischem Abschluss bei rund 88 % (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, insbesondere Tabelle I1-1A). Insgesamt belegen die Zahlen, dass die Wahrscheinlichkeit, beschäftigt zu sein, sehr stark mit dem Bildungsniveau zusammenhängt und dass Geringgebildete das höchste Risiko haben, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Obwohl tiefergehende Forschung über den Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitslosigkeit eher selten ist, deuten die verfügbaren Studien – meist für die USA, aber auch für Norwegen – darauf hin, dass Bildung wohl tatsächlich einen kausalen Effekt auf die Reduzierung der Arbeitslosigkeit und den Anstieg der Wiederbeschäftigung nach Arbeitslosigkeit hat (Li 2006; Riddell und Song 2011; Oreopoulos und Salvanes 2011).
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Beschäftigung: Bildung und Arbeitslosigkeit 247 In den zuvor dargestellten Wachstumsanalysen stellten sich die gemessenen Fähigkeiten und nicht die formal erreichten Bildungsabschlüsse als ausschlaggebend für das langfristige Wachstum eines Landes heraus. Ähnlich, jedoch sehr viel weniger untersucht, sind die Niveaus der tatsächlichen Fähigkeiten bzw. Kompetenzen, die im Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) erhoben wurden, sehr stark mit der Beschäftigungswahrscheinlichkeit verbunden (vgl. Klaukien et al. 2013; Hanushek et al. 2015, Abschnitt 4.7). 6.4.2 Erwerbslebenszyklus bei allgemeiner und berufsspezifischer Bildung Ein besonderer Aspekt der Beschäftigungseffekte von Bildung bezieht sich auf den gesamten Erwerbslebenszyklus und berücksichtigt, ob die Fähigkeiten, die durch die jeweilige Bildung erworben wurden, spezifisch für einen bestimmten Beruf oder bezogen auf ihre Anwendbarkeit eher allgemeiner Natur sind. Einige – insbesondere deutschsprachige – Länder legen besonderen Wert auf berufliche (Aus-) Bildungsprogramme, die vorrangig berufsspezifische Fähigkeiten vermitteln und die Auszubildenden darauf vorbereiten in bestimmten Berufen zu arbeiten. Andere Länder – vor allem die USA – betonen stattdessen allgemeine Bildungsprogramme, die die jungen Leute mit breitem Wissen und mathematischen und kommunikativen Basisfähigkeiten ausstatten und somit als Grundlage für weiteres Lernen am Arbeitsplatz dienen. Der Vorteil der beruflichen Ausbildungsprogramme wird im Allgemeinen darin gesehen, dass sie den jungen Leuten den Übergang von der Ausbildung in die Arbeitswelt erleichtern, wobei die Evidenz hierzu nicht eindeutig ist (vgl. Müller 2009; Malamud und Pop-Eleches 2010; Wolter und Ryan 2011; Biavaschi et al. 2012). Andererseits ist es aus einer Perspektive, die den gesamten Erwerbslebenszyklus im Blick hat, jedoch wahrscheinlich, dass sich die Wirtschaft über die Zeit verändert. Ein schlechteres Anpassungsvermögen berufsspezifischer Fähigkeiten bei technologischen und strukturellen Veränderungen könnte diese Fähigkeiten dann schneller unbrauchbar werden lassen. In einer sich verändernden Wirtschaft kann es älteren Arbeitskräften schwerer fallen beschäftigt zu bleiben oder wiederbeschäftigt zu werden, wenn sich ihre einst erworbenen Fähigkeiten auf Berufe konzentrieren, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragt werden. Obwohl kontinuierliche Erwachsenenbildung und Weiterbildung dazu beitragen können, den Wissensstand auf stärker nachgefragte Fähigkeiten zu bringen, wird es diesen Arbeitskräften schwerer fallen sich in dieser späteren Erwerbsphase wieder Fähigkeiten anzueignen. Dies liegt auch daran, dass ihnen einige allgemeine Basisfähigkeiten fehlen, die nachträgliches lebenslanges Lernen unterstützen. Der Vorteil berufsspezifischer Ausbildungen in der frühen Erwerbsphase kann also zu dem Nachteil umschlagen, dass sich die Erwerbstätigen in der späteren Erwerbsphase dem Risiko geringerer Beschäftigungschancen gegenüber sehen.
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Beschäftigungsquote .6 .8 .4 .2
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1
248 Bildungserträge
20
30
40 Alter
Allgemeine Ausbildung
50
60
Berufliche Ausbildung
Abb. 6.5: Beschäftigung nach Art der Bildung über den Erwerbslebenszyklus (Beschäftigungsquote von Männern, nach Alter und Art der Bildung. Stichprobe: Länder mit strukturiertem beruflichem Ausbildungssystem – Dänemark, Deutschland und die Schweiz. Geglättete Scatterplots aus regional gewichteten Regressionen, basierend auf den Daten des International Adult Literacy Survey/IALS) (Quelle: Hanushek et al. 2017)
In Abbildung 6.5 wird deutlich, dass dieser Ausgleich der anfänglichen Vorteile mit den späteren Nachteilen von berufsspezifischen Ausbildungsprogrammen in Bezug auf die Beschäftigung auch in den Daten sichtbar ist – insbesondere in Ländern, die strukturierte duale Berufsausbildungen haben (Hanushek et al. 2017). In den frühen Erwerbsphasen sind die Beschäftigungsquoten bei den Erwerbstätigen mit einer beruflichen Ausbildung höher als bei jenen mit einer allgemeinen Ausbildung. Dies dreht sich allerdings in den späteren Erwerbsphasen um. Dann sind die Beschäftigungsquoten derjenigen mit allgemeinen Bildungsabschlüssen höher. Möchte man also die relativen Vorzüge von allgemeinen und berufsspezifischen Ausbildungsgängen bewerten, ist es wichtig sich dieses Muster im Erwerbslebenszyklus bewusst zu machen (vgl. auch Cörvers et al. 2011; Weber 2014; Golsteyn und Stenberg 2014).
6.5 Einkommen: Bildung und individueller Wohlstand In diesem Abschnitt wird empirische Evidenz zu den ökonomischen Effekten von Bildung auf das individuelle Einkommen vorgestellt. Dabei wird Bildung zunächst anhand von Bildungsabschlüssen, später anhand von erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen gemessen.
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Einkommen: Bildung und individueller Wohlstand 249 6.5.1 Bildungsertragsraten Wie in Abschnitt 6.2.1 erläutert, erhöht Bildung die individuelle Produktivität auf dem Arbeitsmarkt. Dementsprechend sollten Personen mit höherer Bildung auch höhere Erwerbseinkommen erzielen. Ein Blick auf Abbildung 6.6 zeigt, dass das für Deutschland zutrifft. Betrachtet man die durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen der Deutschen, sind deutliche Unterschiede zwischen Erwerbstätigen mit unterschiedlichen Schul- und Berufsabschlüssen zu erkennen. Je höher der Abschluss ist, desto höher das Einkommen. Männer mit Hochschulabschluss verdienen beispielsweise fast doppelt so viel wie Männer ohne Hauptschulabschluss und ohne beruflichen Abschluss; bei Frauen ist es deutlich mehr als das Doppelte. Auch schon der Einkommenssprung von Personen ohne zu Personen mit Hauptschul- und Berufsabschluss ist beachtlich. Dieser beträgt bei Frauen monatlich 600 Euro, was einem durchschnittlichen Einkommensanstieg von 40 % entspricht. Auf der anderen Seite der Einkommensverteilung hängt der Bildungsstand auch deutlich mit dem Risiko, von Armut betroffen zu sein, zusammen. Personen mit niedrigem Bildungsstand haben in Deutschland ein sehr viel höheres Armutsgefährdungsrisiko als Personen mit mittlerem Bildungsstand, die aber auch noch ein höheres Armutsrisiko haben als Personen mit hohem Bildungsstand. Hinzu kommt, dass das Armutsrisiko der Niedriggebildeten im Verlauf der letzten zehn Jahre zugenommen hat, während es für Personen mit mittlerem Bildungsstand konstant geblieben ist und für Hochgebildete sogar zurückgegangen ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tabelle I1-10web). In vielen empirischen Studien wird der Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen genauer beleuchtet und die Rendite von verschiedenen Bildungsabschlüssen geschätzt (vgl. z. B. Card 1999; Heckman, Lochner et al. 2006; ► 22.1 für empirische Evidenz zur Rendite auf Weiterbildung). Der einfachste Weg, um diesen Zusammenhang darzustellen, ist zu schätzen, um wie viel Prozent der Lohn mit jedem weiteren Bildungsjahr steigt. Der Bildungsabschluss der betrachteten Personen wird also pauschal durch die Anzahl der Schul- bzw. Bildungsjahre dargestellt, die zur Erlangung des jeweiligen Abschlusses üblicherweise nötig sind. Der geschätzte Einkommenseffekt bildet dann den Durchschnitt der Renditen auf ein zusätzliches Bildungsjahr auf verschiedenen Bildungsstufen (sekundärer oder tertiärer Bildungsbereich) ab. Unter speziellen Annahmen kann dieser Lohneffekt eines weiteren Bildungsjahres als die Bildungsertragsrate interpretiert werden in dem Sinn einer Rendite einer Investition, die mit der Rendite von alternativen Investitionen verglichen werden kann (Chiswick 1998). Dabei kann es durchaus Unterschiede zwischen den Erträgen auf ein weiteres Pflichtschuljahr und ein Jahr Bildung in einem Masterstudium geben. Die Bildungsrenditen werden ebenfalls von den Besonderheiten jedes Landes und jedes Bildungsabschlusses abhängen. Empirische Studien, die die Rendite auf ein zusätzliches Bildungsjahr – ausgedrückt durch den prozentualen Anstieg des Erwerbseinkommens –
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250 Bildungserträge
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analysieren, kommen jedoch zu dem Schluss, dass die Rendite bei den verschiedenen Bildungsstufen zumeist bemerkenswert ähnlich ist. Demzufolge scheint das erläuterte Vorgehen einen sinnvollen ersten Eindruck der Bildungserträge zu geben.
Frauen
Männer Ohne Hauptschulabschluss und ohne beruflichen Abschluss
2300
Ohne Hauptschulabschluss und ohne beruflichen Abschluss
Mit Mittlerem Schulabschluss
2320
Mit Mittlerem Schulabschluss
Mit Hauptschulabschluss und beruflichem Abschluss
2600
Mit Mittlerem Schulabschluss und beruflichem Abschluss
2700
Mit (Fach-)Hochschulreife
2500
Mit (Fach-)Hochschulreife und beruflichem Abschluss
3870
Mit Hochschulabschluss
4500 0
1000 2000 3000 4000
1643
Mit Hauptschulabschluss und beruflichem Abschluss
2100
Mit Mittlerem Schulabschluss und beruflichem Abschluss
2138
Mit (Fach-)Hochschulreife
2185
Mit (Fach-)Hochschulreife und beruflichem Abschluss
3200
Mit Fachhochschulabschluss
1500
2400
Mit Fachhochschulabschluss
3000
Mit Hochschulabschluss
3211 0
1000
2000
3000
4000
Abb. 6.6: Einkommen nach Bildungsabschluss (Mittleres monatliches Bruttoeinkommen vollzeitbeschäftigter Erwerbstätiger im Alter von 26 bis unter 65 Jahren nach allgemein bildendem und beruflichem Abschluss und Geschlecht, im Jahr 2010; Median in Euro) (Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tabelle I2-1a)
In Abbildung 6.7 werden solche Schätzungen der Bildungsertragsraten für alle Länder, die am Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) teilgenommen haben, dargestellt. Werden alle Länder zusammen betrachtet, steigt der Bruttostundenlohn mit jedem zusätzlichen Bildungsjahr durchschnittlich um 7,5 %. Anders ausgedrückt geht ein fünfjähriger Bildungsabschluss im Durchschnitt mit einem um 37,5 % höheren Verdienst einher. Die Abbildung 6.7 bezieht sich auf die Bevölkerung im Haupterwerbsalter (35 bis 54 Jahre). Dies lässt die betrachteten Schätzungen zu einer guten Annäherung an die Erträge werden, die sich auf das gesamte Lebenseinkommen beziehen.
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Einkommen: Bildung und individueller Wohlstand 251 USA Polen Slowakei Deutschland Südkorea Zypern Japan Großbritannien Irland Niederlande Spanien Kanada Österreich Int. Durchschnitt Estland Finnland Belgien Tschechien Norwegen Frankreich Dänemark Italien Schweden
11,1% 10,1% 9,5% 9,5% 9,3% 8,9% 8,8% 8,5% 8,5% 8,2% 7,9% 7,8% 7,7% 7,5% 7,4% 6,8% 6,2% 5,9% 5,6% 5,5% 5,5% 5,3% 4,2%
0%
5%
10%
Abb. 6.7: Einkommensrendite für ein Bildungsjahr im internationalen Vergleich (Durchschnittlicher Anstieg des Bruttoerwerbseinkommens je Arbeitsstunde in % pro Anstieg der Bildungsdauer um ein Jahr, nach Berücksichtigung des Einflusses von Berufserfahrung und Geschlecht, 35bis 54-jährige abhängig Beschäftigte in Vollzeit. Berechnungen auf Basis der PIAAC Daten) (Quelle: eigene Darstellung auf Basis von Hanushek et al. 2015)
Bildung ist also in jedem Land mit höherem Einkommen verbunden. Die Stärke dieses Zusammenhangs variiert jedoch zwischen den Ländern: Die höchsten Bildungsrenditen in der betrachteten Länderauswahl werden in den USA (11,1 %), Polen (10,1 %), Deutschland (9,5 %) und der Slowakei (9,5 %) beobachtet. Die geringsten Bildungsrenditen finden sich in Schweden (4,2 %) und Italien (5,3 %). Viele Forschungsarbeiten gehen der Frage nach, ob dieser Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen tatsächlich einen kausalen Effekt der Bildung auf die Einkommen darstellt (vgl. z. B. Card 1999; Carneiro et al. 2011). Man könnte etwa einwenden, dass fähigere Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit zusätzliche Bildung erlangen und unabhängig davon aufgrund ihrer besseren Fähigkeiten auch höhere Löhne bekommen. Dies würde die geschätzte Bildungsrendite verzerren, sie würde in diesem Fall als zu hoch ausgewiesen. In der Forschung finden mehrere Methoden Anwendung, um diese Verzerrung zu umgehen. Dazu gehört die Verwendung von Variation in Bildung, die aus Gesetzesänderungen zur Pflichtschulzeit rührt, durch unterschiedliche Entfernungen zur nächstgelegen Bildungseinrichtung entsteht oder zwischen Geschwistern oder Zwillingen auftritt. Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass der kausale Effekt eines zusätzlichen Bildungsjahres zumeist mindestens so hoch ist wie die oben berichteten Zusammenhänge. Neuere
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252 Bildungserträge
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Studien deuten allerdings darauf hin, dass Schätzungen, die auf einer Veränderung der Pflichtschulzeit basieren, in der Tat kleiner sind (u. a. Stephens und Yang 2014). 6.5.2 Erträge auf Kompetenzen Mit dem Aufkommen internationaler Kompetenzvergleichstests in repräsentativen Stichproben der erwachsenen Bevölkerung ist es nun möglich auch direkt die Erträge von Kompetenzen zu schätzen. Mit den PIAAC Daten können Kompetenzen, über die Erwachsene aktuell verfügen, beobachtet werden und nicht nur deren formale Qualifikation, die sie einst erlangt haben. Somit ist die Schätzung von Bildungsertragsraten nicht mehr nur auf Bildungsabschlüsse beschränkt, sondern auch das Niveau der Kompetenzen kann für eine hohe Anzahl an Ländern berücksichtigt werden. Bei PIAAC werden zentrale kognitive Kompetenzen gemessen, die Individuen benötigen, um in ihrer Arbeit erfolgreich zu sein und an der Gesellschaft teilhaben zu können. Die Kompetenzen werden in drei Kategorien erhoben: Lesekompetenzen, alltagsmathematische Kompetenzen und technologiebasierte Problemlösekompetenzen. Angesichts der enormen Bedeutung von direkten Leistungsmaßen im Vergleich zu bloßen Bildungsabschluss-Kennzahlen in der oben genannten makroökonomischen Wachstumsanalyse ist es von besonderem Interesse zu untersuchen, ob sich Kompetenzen auch auf individueller Ebene auszahlen. Die Ergebnisse in Abbildung 6.8 zeigen in der Tat, dass höhere alltagsmathematische Kompetenzen in allen Ländern systematisch und stark mit höherem Einkommen einhergehen (Hanushek et al. 2015). Bei PIAAC werden die mathematischen Kompetenzen in fünf Kompetenzstufen gemessen. Die Betrachtung aller Länder zeigt, dass das Erreichen einer höheren Kompetenzstufe auf der fünfstufigen Skala mit einem Anstieg des Bruttostundenlohnes um 17,8 % einhergeht. Die Kompetenzertragsraten unterscheiden sich aber erheblich zwischen den Ländern. Die Länder mit den höchsten geschätzten Kompetenzertragsraten sind die USA (27,9 %), Irland (24,1 %) und Deutschland (23,5 %). Am unteren Ende der Ertragsraten stehen Schweden (12,1 %) und die Tschechische Republik (12,4 %). Weitere Untersuchungen von Hanushek et al. (2015), die sich diese Länderunterschiede zunutze machen, kommen zu dem Schluss, dass Kompetenzertragsraten systematisch in solchen Ländern niedriger sind, die einen höheren Organisationsgrad der Gewerkschaften, strengeren Kündigungsschutz und einen anteilig größeren öffentlichen Sektor haben. Neben den Erträgen auf mathematische Kompetenzen zeigen die Daten auch beachtliche Ertragsraten bei den Lese- und den Problemlösekompetenzen auf. Die geschätzten Ertragsraten scheinen jedoch am größten für Mathematik- und Lesekompetenzen und geringer für Problemlösekompetenzen. Zusammengenommen weisen die PIAAC-Analysen darauf hin, dass sich Bildung im internationalen Vergleich gerade in Deutschland auszahlt. Sowohl bei den Erträgen auf ein zusätzliches Bildungsjahr als auch bei den Kompetenzerträgen be-
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Nicht-monetäre Erträge der Bildung 253
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legt Deutschland einen der ersten Plätze. Die Tatsache, dass hierzulande jede der fünf Kompetenzstufen mit einem durchschnittlichen Mehrverdienst von fast einem Viertel einhergeht, bedeutet im Durchschnitt pro Stufe einen Mehrverdienst von über 650 Euro im Monat.7 USA Irland Deutschland Spanien Großbritannien Südkorea Kanada Polen Japan Niederlande Slowakei Österreich Estland Int. Durchschnitt Frankreich Belgien Finnland Zypern Dänemark Italien Norwegen Tschechien Schweden
27,9% 24,1% 23,5% 22,8% 22,5% 21,7% 19,3% 19,1% 18,4% 18,3% 17,9% 17,9% 17,9% 17,8% 17,4% 14,9% 14,2% 13,8% 13,7% 13,2% 12,7% 12,4% 12,1%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
Abb. 6.8: Kompetenzertragsraten im internationalen Vergleich (Durchschnittlicher Anstieg des Bruttoerwerbseinkommens je Arbeitsstunde in % pro Anstieg der alltagsmathematischen PIAAC-Kompetenz um eine Standardabweichung – entspricht ungefähr einer Kompetenzstufe –, nach Berücksichtigung des Einflusses von Berufserfahrung und Geschlecht, 35- bis 54-jährige abhängig Beschäftigte in Vollzeit) (Quelle: eigene Darstellung auf Basis von Hanushek et al. 2015)
6.6 Nicht-monetäre Erträge der Bildung In diesem Abschnitt werden empirische Studien zu nicht-monetären Auswirkungen von Bildung betrachtet, wobei aufgrund der verfügbaren Literatur beispielhaft auf die drei Bereiche Gesundheit, staatsbürgerliches Verhalten und Kriminalität eingegangen wird (vgl. Lochner 2011; Oreopoulos und Salvanes 2011; ► 22.3 für nicht-monetäre Erträge von Weiterbildung). Verschiedene Studien zeigen, dass sich Bildung vorteilhaft auf das Gesundheitsverhalten des Einzelnen, aber auch 7 Einen Überblick über die Evidenz zu Einkommenserträgen auf kognitive Fähigkeiten liefern Hanu-
shek und Wößmann (2008, 2011a) und Hanushek und Rivkin (2012).
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254 Bildungserträge auf die soziale Teilhabe und das Auftreten von Kriminalität auswirken kann, was der gesamten Gesellschaft zugutekommen kann. Zudem begünstigt Bildung, beispielsweise im frühkindlichen Bereich, den Bildungserfolg im weiteren Verlauf der Bildungskarriere und den späteren Erwerb von kognitiven und nicht-kognitiven Fähigkeiten. Dieser Aspekt der nicht-monetären Bildungserträge wird im Abschnitt 11.2 genauer beleuchtet. 6.6.1 Gesundheit Die empirische Evidenz über den Zusammenhang von Bildung und Gesundheit ist nicht ganz eindeutig. Es gibt jedoch Hinweise, dass erhöhte Gesundheit ein nicht-monetärer Bildungsertrag sein kann. In den empirischen Studien werden verschiedene Größen verwendet, um den Gesundheitszustand abzubilden. Ein erster deskriptiver Blick auf diese Statistiken zeigt, dass höher gebildete Personen gesünder sind und gesünder leben. In Deutschland sind beispielsweise bei der Teilnahme an Zahnvorsorgeuntersuchungen deutliche Unterschiede nach dem Bildungsstand zu sehen. Für Frauen und Männer in allen Altersgruppen gilt, dass Personen mit hohem Bildungsstand eher an der Zahnvorsorge teilnehmen als Personen mit mittlerem Bildungsstand, die wiederum häufiger als Personen auf niedrigem Bildungsstand teilnehmen. Das Gleiche gilt für sportliche Aktivität. Je höher der Bildungsstand, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute sportlich aktiv sind. Beim Tabakkonsum – ein Risikofaktor für die Gesundheit – zeigt sich das gleiche Bild. Mit höherer Bildung sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Personen rauchen. Zudem fühlen sich höher Gebildete gesünder. Je höher der Bildungsstand ist, desto eher schätzen Befragte ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tabellen I2-11web und I2-12web). Aus wissenschaftlicher Sicht ist jedoch interessant, ob dieser positive Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit tatsächlich einen kausalen Effekt abbildet. Es könnte beispielsweise sein, dass Personen, die eine Präferenz für höhere Bildung haben, auch eine Präferenz für bessere Gesundheit haben. Da diese Präferenz in den empirischen Analysen unbeobachtet bleibt, ist es möglich, dass der Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit darauf zurückzuführen ist und nicht auf einen tatsächlichen kausalen Effekt der Bildung auf Gesundheit. Um wirklich kausale Effekte abzubilden, werden deswegen verschiedene ökonometrische Verfahren angewendet, die Variation in der Bildung nutzen, die nicht mit der Gesundheit zusammenhängt. Häufig wird hierfür auf Änderungen in der Pflichtschulzeit zurückgegriffen. So können unverzerrte, kausale Effekte identifiziert werden. Diese tiefergehenden Analysen finden teilweise positive Effekte der Bildung auf Gesundheit; die Größe dieser Bildungserträge ist jedoch relativ gering. Einige Studien finden, dass ein zusätzliches Bildungsjahr die Mortalitätsrate senkt, den sub-
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Nicht-monetäre Erträge der Bildung 255 jektiv selbsteingeschätzten Gesundheitszustand verbessert und Bluthochdruck vermindert. Andere Studien finden für diese Gesundheitsmaße jedoch insignifikante oder vernachlässigbar kleine Effekte der Bildung. Bei den beiden Risikofaktoren Rauchen und Übergewicht ist die Evidenz dagegen eindeutiger: Bildung reduziert Tabakkonsum, hat jedoch keinen signifikanten Effekt auf Übergewicht.8 Ein anderer Forschungsstrang beschäftigt sich mit dem Einfluss der Bildung der Eltern auf die Gesundheit ihrer Kinder. Die empirischen Befunde sind hier unterschiedlich. Einige Studien finden, dass ein zusätzliches Bildungsjahr der Mutter bzw. der Eltern die Wahrscheinlichkeit von Frühgeburten, Untergewicht des Kindes bei der Geburt und Tabakkonsum während der Schwangerschaft senkt. In anderen Studien werden dagegen insignifikante Effekte der Bildung der Eltern auf die Gesundheit der Kinder geschätzt. Neben direkten Effekten von Bildung sind hier auch indirekte Effekte über Fertilitätsentscheidungen und Heiratsverhalten möglich. Wie in Abschnitt 6.2.3 erläutert wurde, kann Bildung auch über weitere indirekte Mechanismen auf die Gesundheit wirken. Zu diesen indirekten Einflussgrößen zählen u. a. höheres Einkommen, eine weniger umweltbelastete Wohngegend, weniger belastende Arbeitsbedingungen, verringerter Stress, besserer sozialer Umgang und mehr Wissen über einen gesünderen Lebensstil. All diese Faktoren werden durch Bildung begünstigt und wirken wiederum vorteilhaft auf die Gesundheit. Viele empirische Studien untersuchen, welche dieser indirekten Größen relevant für den Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit sind. Dabei erweisen sich insbesondere Einkommen und kognitive Fähigkeiten als wichtig. 6.6.2 Staatsbürgerliches Verhalten Bildungserträge können auch in Form von bürgerschaftlichem und politischem Engagement auftreten. Statistiken für Deutschland zeigen, dass staatsbürgerliches Verhalten bei höher Gebildeten stärker ausgeprägt ist. Sie sind eher in politischen Parteien und nicht-politischen Organisationen aktiv als niedriger Gebildete, haben stärkeres politisches Interesse und beteiligen sich stärker an politischen Wahlen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tabellen I2-2A, I2-4web, I25web, I2-6web und I2-8web). Hier stellt sich wiederum die Frage, ob diese Zusammenhänge einen kausalen Effekt der Bildung auf staatsbürgerliches Verhalten darstellen. Deswegen verwenden empirische Studien auch hier ökonometrische Methoden, um kausale Effekte zu identifizieren. Studien für verschiedene Länder zeigen, dass Bildung in Form zusätzlicher Bildungsjahre länderspezifisch auf unterschiedliche Formen des staatsbürgerlichen Verhaltens wirkt. In den USA erhöht ein zusätzliches Jahr Schulbildung 8 Ein Überblick zu den empirischen Studien, die überzeugend kausale Effekte der Bildung auf Gesund-
heit schätzen, wird in Lochner (2011) gegeben, deutsche Evidenz in Reinhold und Jürges (2010) sowie Kemptner et al. (2011).
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256 Bildungserträge signifikant die Wahlbeteiligung der Personen, in Großbritannien und Deutschland jedoch nicht. In den USA erhöht Bildung auch signifikant das politische Interesse der betrachteten Individuen. Für Großbritannien gibt es Hinweise, dass ein zusätzliches Bildungsjahr dazu führt, dass sich die Individuen durch Diskussionen mit anderen stärker politisch engagieren. Für Deutschland können solche Effekte auf dem bisherigen Kenntnisstand jedoch nicht identifiziert werden (vgl. Lochner 2011; Siedler 2010). 6.6.3 Kriminalität Anhand der im Abschnitt 6.2.3 vorgestellten Mechanismen wird aus theoretischer Sicht ein kriminalitätsreduzierender Effekt von Bildung angenommen. Die empirische Evidenz deutet ebenfalls auf eine starke Bedeutung der Bildung für Straffälligkeiten hin. Die Datenverfügbarkeit schränkt empirische Untersuchungen jedoch insofern ein, als Kriminalität in den wenigen verfügbaren Datensätzen meist nur durch Gefängnisaufenthalte, selten durch Verurteilungen abgebildet wird. Teilweise stehen selbst berichtete Kriminalitätsvorkommnisse zur Verfügung. Diese Daten bieten nicht notwendigerweise ein vollständiges Abbild der tatsächlich begangenen Straftaten. Ein erster deskriptiver Blick zeigt zumeist, dass Bildung und Kriminalität negativ zusammenhängen. Personen mit Schulabschluss oder längerer Bildungsdauer weisen eine geringere Wahrscheinlichkeit auf, inhaftiert zu sein oder jemals strafrechtlich verurteilt zu werden. Anders ausgedrückt, Kriminelle sind im Durchschnitt weniger gebildet als Nicht-Kriminelle. Dies geht aus Studien für verschiedenste Länder hervor (Lochner und Moretti 2004 für die USA; Buonanno und Leonida 2006 für Italien; Machin et al. 2011 für Großbritannien). Auch für Deutschland weist eine Auswertung einer Insassenbefragung auf diesen negativen Zusammenhang hin. Hier hatten weit über die Hälfte der Gefängnisinsassen (60 %) einen Hauptschulabschluss oder gar keinen Schulabschluss, nur 40 % einen mittleren oder höheren Schulabschluss (Entorf 2009). Gegen diese eher deskriptiven Betrachtungen lässt sich jedoch einwenden, dass sie nicht unbedingt einen kausalen Effekt von Bildung auf Kriminalität abbilden und somit verzerrte Ergebnisse liefern können. Um solche möglichen Verzerrungen der Ergebnisse zu umgehen, werden in der neueren empirischen Forschung wiederum verschiedene ökonometrische Methoden angewendet, die unter anderem gesetzliche Änderungen der Pflichtschulzeit ausnutzen. Die Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Bildung tatsächlich einen kausalen kriminalitätsreduzierenden Effekt hat. In Regionen mit einem durchschnittlich höheren Bildungsniveau ist die anhand der Inhaftierungsquote gemessene Kriminalitätsrate geringer (z. B. Lochner und Moretti 2004; Machin et al. 2011). Eine Betrachtung der deutschen Bundesländer zeigt beispielsweise, dass der Anteil an Tötungs- und Eigentumsdelikten umso niedriger ist, je geringer der Anteil der Schulabgänger*innen ohne Hauptschulabschluss an allen Schulabsolvent*innen
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Schlussbemerkungen 257 ist. In dieser Studie werden ganz ähnlich zu den Folgekosten unzureichender Bildung in Form von entgangenem Wirtschaftswachstum (► 6.3.2) die möglichen gesamtgesellschaftlichen Einsparungen, wenn der Anteil der Schulabgänger*innen ohne Hauptschulabschluss halbiert würde, auf 1,4 Mrd. Euro geschätzt (Entorf und Sieger 2010). Auch mit Individualdaten wird der Zusammenhang zwischen Bildung und Kriminalität belegt. Höhere Bildung der einzelnen Personen senkt deren Wahrscheinlichkeit strafrechtlich verurteilt oder inhaftiert zu werden. Umgekehrt ausgedrückt ergibt die empirische Evidenz für Deutschland, dass eine Person mit höherer Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Straftat verurteilt wird, wenn sie ihre Ausbildung abgebrochen bzw. keinen oder einen Hauptschulabschluss hat.
6.7 Schlussbemerkungen Die empirische Evidenz belegt deutlich, dass gute Bildung hohe Erträge abwirft – in wirtschaftlicher Hinsicht ebenso wie darüber hinaus. Wirtschaftliches Wachstum, Erwerbstätigkeit, zufriedenstellendes Einkommen und Armutsverhinderung – und damit auch die Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme und die Errungenschaften der Sozialen Marktwirtschaft – hängen in erheblichem Maße von Wissen und Kompetenzen der Bevölkerung ab. Gleiches gilt etwa für Gesundheit sowie Teilhabe am und Funktionieren des gesellschaftlichen Zusammenlebens, zumindest in Form verringerter Kriminalität. Einige Schlaglichter können dies belegen: Ein Anstieg der Bildungsleistungen der Bevölkerung um 50 PISA-Punkte geht in der langen Frist mit einer um einen Prozentpunkt höheren Wachstumsrate der Volkswirtschaft einher. In Deutschland beträgt die Arbeitslosigkeit unter Personen mit Hochschulabschluss gut 2 %, bei Personen mit abgeschlossener Ausbildung 5 % und bei Personen ohne Berufsbildungsabschluss 20 %. Und jede der fünf in PIAAC gemessenen Kompetenzstufen geht hierzulande mit einen durchschnittlichen Mehrverdienst von knapp einem Viertel einher. Zusammen mit der Bedeutung für Gesundheit, verringerte Kriminalität und möglicherweise staatsbürgerliches Bewusstsein zeigt sich also eine entscheidende Rolle von Bildung für individuellen und gesellschaftlichen Wohlstand. Die Bildungserträge und gerade auch die volkswirtschaftliche Dimension von Bildung zu ignorieren würde deshalb den Wohlstand zukünftiger Generationen gefährden, mit weitreichenden Folgen für Armut, soziale Ausgrenzung und finanzielle Nachhaltigkeit der sozialen Sicherungssysteme.
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| 263 7 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:39 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Juliane Grünkorn, Eckhard Klieme und Petra Stanat
Zusammenfassung In Deutschland werden seit einigen Jahrzehnten sowohl wissenschaftliche als auch öffentliche und politische Debatten über Bildungsqualität und deren Sicherung und Entwicklung geführt. In Reaktion auf die zunächst unbefriedigenden Ergebnisse von Lernenden an deutschen Schulen in internationalen Schulleistungsstudien wie TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study) und PISA (Programme for International Student Assessment) und dem Informationsdefizit über die Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems erfolgte eine Verschiebung von einer Input-Steuerung hin zu einer stärkeren Output-Steuerung im deutschen Bildungswesen. Die stärkere Output-Orientierung beinhaltet eine kontinuierliche Beobachtung von kurzfristigen (Output) und langfristigen (Outcome) Wirkungen und Ergebnissen von Bildungseinrichtungen, um durch zielgerichtete Veränderungen von Rahmenbedingungen und Prozessfaktoren bessere Ergebnisse zu erreichen. Ausdruck findet sie in einer Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring, die von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) im Jahr 2006 veröffentlicht und im Jahr 2015 überarbeitet wurde. Ziel ist, regelmäßig Informationen über das deutsche Bildungssystem auf der Systemebene (Monitoring im engeren Sinne) und auf der Schul- und Klassenebene (Monitoring im weiteren Sinne) zu gewinnen, aufzubereiten und bereitzustellen. Dafür sind laufende Beobachtungen der Rahmenbedingungen, Prozessmerkmale, Ergebnisse und Erträge von Bildungsprozessen mit Hilfe empirisch-wissenschaftlicher Methoden notwendig. Vor diesem Hintergrund beschreibt die KMK vier konzeptionell miteinander verbundene Bereiche: (i) die Teilnahme an internationalen Schulleistungsstudien wie PISA, TIMSS und PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study)/IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung), (ii) die Verabschiedung und Umsetzung von länderübergreifenden Bildungsstandards für die Primar- und Sekundarstufe I und die Allgemeine Hochschulreife, (iii) den Einsatz von Verfahren zur Qualitätssicherung auf Schulebene (z. B. Vergleichsarbeiten) und (iv) die gemeinsame Bildungsberichterstattung von Bund und Ländern.
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264 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung Seit der Einführung des Bildungsmonitorings in Deutschland intensivierte sich die fachliche und bildungspolitische Diskussion. Im Fokus steht die Frage, ob die mit dem Bildungsmonitoring verknüpften Ziele erreicht werden beziehungsweise inwieweit die Rückmeldung von Daten aus dem Bildungsmonitoring für eine Verbesserung von Bildungsqualität nützlich ist. Die derzeitig durchgeführten Studien liefern vor allem beschreibendes Wissen, anhand dessen Stärken und Handlungsbedarfe eines Systems identifiziert werden können. Inwieweit die Bildungspolitik dieses Wissen nutzt, wurde bislang kaum systematisch analysiert und kann daher nur ansatzweise beantwortet werden. Dagegen ist der empirische Forschungsstand zur Frage, inwiefern das Lehrpersonal das Wissen aus den Vergleichsarbeiten zur Unterrichts- und Schulentwicklung nutzt, deutlich umfangreicher; die Befundlage ist aber uneinheitlich. Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass sich das Bildungsmonitoring in Deutschland etabliert hat – was auch die Fortführung der KMK-Gesamtstrategie zeigt. Zentrale Herausforderungen bestehen darin, anwendungsbezogenes Wissen für Bildungspolitik und pädagogische Praxis bereitzustellen und die Nutzung datengestützter Rückmeldungen auf Schul- und Klassenebene, wie Vergleichsarbeiten oder Schulinspektionen, zu optimieren und solche Rückmeldesysteme in ein kohärentes System der Qualitätsentwicklung einzubetten.
7.1 Bildungsqualität und Qualitätssicherung Begriffe wie Qualität und Qualitätssicherung (auch: accountability oder quality management) haben in den letzten Jahrzehnten in der Bildungspolitik, im Alltag der verschiedenen Bildungseinrichtungen sowie in bildungswissenschaftlichen Untersuchungen und Diskursen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Qualität von Bildungs- und Schulsystemen wird international (z. B. OECD 1991) und national (z. B. Fend 1998) wissenschaftlich untersucht und unter anderem anhand von Indikatoren (z. B. Schulabbrecherquote) für Politik und Öffentlichkeit dokumentiert (z. B. UNESCO-Weltbildungsbericht „Bildung für alle“, OECD-Bildungsbericht „Bildung auf einen Blick“, Deutscher Bildungsbericht „Bildung in Deutschland“). Insbesondere die ersten Ergebnisse internationaler Schulleistungsstudien wie TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study) und PISA (Programme for International Student Assessment), die darauf abzielen, Stärken und Schwächen nationaler Bildungssysteme aufzuzeigen, lösten im Jahr 1997 kontroverse fachliche und bildungspolitische Diskussionen aus. Da Bildungsqualität nahezu jeden betrifft, ist es nicht überraschend, dass sie auch in der breiteren Öffentlichkeit zu einem prominenten Thema geworden ist.
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Bildungsqualität und Qualitätssicherung 265 7.1.1 Qualitätskonzepte im Bildungsbereich Bildungsqualität ist heutzutage als Begriff weit verbreitet, wird aber durchaus unterschiedlich interpretiert (zu unterschiedlichen Wurzeln der Qualitätsdebatte vgl. Klieme und Tippelt 2008; Harvey und Green 2000; Heid 2000; Sauerwein und Klieme 2016; Terhart 2000). Dies liegt zum Teil daran, dass unterschiedliche Kriterien beziehungsweise Indikatoren herangezogen werden, um die Qualität von etwas (z. B. Bildungssystemen, Unterricht, extracurricularen Bildungsangeboten) zu bestimmen. In der Wissenschaft werden beschreibende (deskriptive) und bewertende (normative) Qualitätsaussagen unterschieden. Allerdings ist die Frage offen, • ob Qualität als ein „Resultat einer Bewertung der Beschaffenheit eines Objektes“ (Heid 2000, 41) zu verstehen ist oder • ob Qualitäten zunächst als Eigenschaften beschrieben werden (Klieme und Tippelt 2008) und der „wertend-normative Aspekt […] erst ins Spiel [kommt], wenn eine bestimmte Eigenschaft […] als Gütekriterium (Standard) ausgewählt wird“ (Klieme 2013, 438). Einig ist man sich darüber, dass es für den Begriff Bildungsqualität „nicht die eine Skala […] geben kann, sondern bereichs- und zielabhängig unterschiedliche Kriterien und Indikatoren benannt werden müssen“ (Klieme und Tippelt 2008, 9). Für eine Beschreibung von Qualität im Bildungswesen liegen mehrere theoretische Modelle vor. Das Kontext-Input-Prozess-Output/Outcome-Modell (auch: CIPOModell; Purves 1987 zit. n. Klieme und Vieluf 2013, 232) hat sich als Rahmen – auch in Arbeiten der empirischen Bildungsforschung – bewährt, um Bildungssysteme analysieren und untereinander vergleichen zu können. Es wurde in den 1960er Jahren von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) entwickelt und grenzt verschiedene Dimensionen der Bildungsqualität voneinander ab (► Abb. 7.1). Das Modell unterscheidet zwischen Ausgangsbedingungen wie etwa den verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen (Inputfaktoren), der Gestaltung von Prozessen und Maßnahmen wie zum Beispiel Lehrkräftekooperation, Schulleitungshandeln, Evaluierungsverfahren, Ganztagsangebote sowie Merkmale des Unterrichts (Prozessfaktoren), und Ergebnissen und Erträgen im Bildungssystem, das heißt unmittelbaren (Output) und langfristigen (Outcome) Wirkungen. Das Zusammenwirken der drei Faktorenbündel – Input, Prozess und Output/Outcome – wird vom jeweiligen Kontext beeinflusst, der auch strukturelle und rechtliche Setzungen, ökonomische Rahmenbedingungen sowie Normen und Werte der Akteurinnen und Akteure umfasst. Hinter dem Modell steht die Annahme, dass der Output durch Input- und Prozessfaktoren erklärt und somit auch durch deren Veränderung optimiert werden kann (vgl. Asbrand et al. 2012). Differenziertere Darstellungen verbinden dieses Modell mit einem Mehr-Ebenen-Modell, unterscheiden also verschiedene Handlungsebenen, auf denen jeweils Input, Prozesse, Outcome/Output und auch Kontextmerkmale berücksichtigt werden müssen – die Systemebene (Makroebene), die
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266 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung Schulebene (Mesoebene) und die Ebene der Lehr-Lerninteraktion (Mikroebene) (Klieme und Vieluf 2013; Pfeiffer 2015; Plomp et al. 1992). Den Übergang von Prozessen zu Ergebnissen beschreibt man heute nicht mehr – wie in früheren, aus der Ökonomie abgeleiteten Ansätzen – als Produktion des Outputs unter Einsatz von Input- und Prozessfaktoren. Bildung ist vielmehr als ein Vorgang zu sehen, den lernende Personen selbsttätig vollziehen müssen, wobei sie Lerngelegenheiten, die Bildungsinstitutionen und Lehrpersonen für sie bereitstellen (anbieten), je individuell aufgreifen und verarbeiten (nutzen). Damit wird das beschriebene Modell zu dem in der deutschsprachigen Fachliteratur weit verbreiteten Angebots-NutzungsModell (z. B. Helmke 2009).
Abb. 7.1: Beschreibung der Faktoren Kontext, Input, Prozess und Output/Outcome (Grafik mod. nach Plomp et al. 1992, 66)
7.1.2 Von der Inputorientierung zur verstärkten Outputorientierung Mit den Diskursen über Bildungsqualität sind international und national Prozesse angestoßen worden, die das Bildungswesen nachhaltig verändert haben. Diese zeichnen sich nicht zuletzt durch einen Perspektivenwechsel von einer Fokussierung auf Ressourcen und Regelungen (Input) hin zu einer stärkeren Berücksichtigung des Outputs aus, wie sie auch im Gesundheitswesen und anderen Bereichen staatlichen Handelns Einzug gehalten hat („New Public Management“). Zugleich wird den Organisationseinheiten (z. B. Schulen) in der Regel mehr Entscheidungsspielraum gegeben, wobei im Gegenzug Wirkungen und Ergebnisse von Bildungseinrichtungen kontinuierlich beobachtet werden, um durch zielgerichtete Veränderungen von Ausgangsbedingungen und Prozessfaktoren bessere Ergebnisse zu erreichen (Diemer et al. 2013; Galle 2015; Klieme und Tippelt 2008). Während die auf den Output bezogene Sicherung von Bildungsqualität in den angelsächsischen Ländern und den Niederlanden eine lange Tradition aufweist, herrschte bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts in den deutschsprachigen Ländern noch eine InputSteuerung vor, gekennzeichnet durch enge Vorgaben (z. B. detaillierte Lehrpläne, Ressourcenzuweisung), geringe Transparenz und niedrigen Rechtfertigungsdruck
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Bildungsqualität und Qualitätssicherung 267 (vgl. Klieme 2004). Dies änderte sich deutlich, als Deutschland bei internationalen Schulleistungsstudien wie TIMSS (Baumert et al. 2000; Baumert et al. 1997) und PISA (Baumert et al. 2001) entgegen den Erwartungen nur mittelmäßig abschnitt. Als Folge setzte in Deutschland, aber auch in anderen deutschsprachigen Ländern wie Österreich und Schweiz, ein Reformprozess ein, der auf eine stärkere OutputOrientierung des Bildungssystems abzielt und den Blick auf die Wirkung und die Ergebnisse von Bildungsprozessen stärkt (Bayer et al. 2016; Stanat et al. 2013). Die auf den Output bezogene Steuerungspolitik hat dort, wo sie schon länger angewendet wird, wie etwa den USA und England, erhebliche Folgen (für einen Überblick über den Wandel der Bildungspolitik in diesen Ländern vgl. Oelkers und Reusser 2008). Beispielsweise werden in England Rankings von Schulen veröffentlicht, die es Eltern erlauben sollen, die Output-Qualität von Schulen anhand von Testresultaten zu vergleichen. Auf diese Weise wird die Schulwahl immens beeinflusst. In bestimmten Schuldistrikten in den USA richtet sich ein Teil des Gehalts von Lehrkräften nach den Resultaten ihrer Schülerinnen und Schüler in nationalen und bundesstaatlichen Tests (vgl. Oelkers und Reusser 2008). Ein solches System, in dem Testergebnisse mit Sanktionen verknüpft werden, wird als high-stakes testing bezeichnet. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, Administration, Lehrpersonal und Lernende durch Belohnung oder Sanktionen zu motivieren, um dadurch die Qualität der jeweiligen Schule bzw. des Unterrichts zu erhöhen. In den USA hat dieser Ansatz unter anderem zu Betrugsversuchen und dem Phänomen des teaching to the test geführt (Green et al. 2003), bei dem der Unterricht eng an den Inhalten der Testungen ausgerichtet wird. Teaching to the test kann allerdings neben dem eher primitiven „mechanische(n) Üben von Aufgaben“ auch positive Effekte auf den Unterricht haben, wenn „ausreichende Gelegenheiten für horizontalen (andere Kontexte) und vertikalen (höhere Komplexität, neue Fragestellungen) Transfer gegeben werden“ (Helmke 2007, 63). Welche Konsequenzen eine Ausrichtung von Unterricht an den getesteten Inhalten für die Lernentwicklung von Schülerinnen und Schüler haben kann, hängt unter anderem davon ab, inwieweit die Tests eng umgrenzte Wissensbestände abfragen oder eher breiter definierte Kompetenzen erfassen. 7.1.3 Qualitätsmanagement, -entwicklung und -sicherung Die Veränderung der politischen Strategie hin zu einer stärkeren Orientierung am Output führte auch dazu, dass Qualitätsmanagement zu einem zentralen Orientierungsrahmen der Bildungspolitik wurde. Qualitätsmanagement schließt dabei Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungsvorhaben ein und fokussiert auf deren organisatorische Verankerung und Implementierung (Klieme 2013; Klieme und Tippelt 2008). Während sich Qualitätsentwicklung auf Maßnahmen und Strategien einer „kontinuierlichen Reflexion der Bedingungen für Qualität und deren ständigen Verbesserung“ (Meisel 2008, 108) auf der Ebene von Bildungssystemen
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268 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung oder Bildungseinrichtungen bezieht, wird unter dem Begriff Qualitätssicherung die Gesamtheit formalisierter und institutionalisierter Verfahren zur Beschreibung und vergleichenden Bewertung bereits vorhandener Bildungsqualität zusammengefasst (Klieme et al. 2005; Meisel 2008). Der Begriff Qualitätssicherung ist in Deutschland umstritten und zum Teil negativ konnotiert, wird er doch oftmals mit Kontrolle, Zwang und Deprofessionalisierung verbunden und als Gegensatz zur Professionalität von Lehrkräften gesehen, die im Kern darin besteht, „professionelles Wissen in eigener Verantwortung zur Lösung konkreter pädagogischer Probleme und zur Gestaltung pädagogischer Prozesse einzusetzen“ (Klieme und Tippelt 2008, 12). Dabei wird übersehen, dass die kontinuierliche Reflexion von Qualität und ihre systematische Verbesserung ein zentraler Aspekt professionellen Handelns ist, der durch gut durchdachte Systeme der Qualitätssicherung gestärkt werden kann (s. u.). Die Verfahren zur Qualitätssicherung und -entwicklung im Bildungswesen sind vielfältig und lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien strukturieren: Nach dem Stadium beziehungsweise Zweck der zu evaluierenden Aktivität (prospektiv, formativ oder summativ), nach der Perspektive derjenigen, die Qualität beurteilen (intern oder extern) oder nach der Richtung von Entscheidungen (Top-downoder Bottom-Up-Ansatz). Die verschiedenen Sektoren im Bildungswesen nutzen unterschiedliche Verfahren. So spielen beispielsweise im Hochschulsektor Verfahren wie die Akkreditierung von Studiengängen, Hochschulrankings und Lehrveranstaltungsbeurteilungen eine große Rolle. In betrieblichen Weiterbildungen zeigt sich die Nähe zur Arbeitswelt, weshalb vor allem die DIN EN ISO 9000ff, ein Verfahren zur Sicherung von festgelegten Qualitätsstandards, und das QualitätsmanagementModell der European Foundation for Quality Management (EFQM) von Bedeutung sind (vgl. Hippel und Grimm 2010). Die in Deutschland eingesetzten Verfahren zur Qualitätssicherung und -entwicklung an Schulen, welche dieser Beitrag fokussiert, erstrecken sich von Initiativen einzelner Schulen bis hin zu landesweiten und länderübergreifenden Vorhaben (vgl. Ditton 2008). Sie umfassen neben externen Verfahren wie der Teilnahme an internationalen Schulleistungsstudien, der Überprüfung des Erreichens von Bildungsstandards, den Vergleichsarbeiten, der Bildungsberichterstattung, den zentralen Abschlussprüfungen und den Schulinspektionen auch Verfahren zur schulinternen Selbstevaluation. Die internen Verfahren beziehen sich dabei auf unterschiedliche Anwendungsfelder wie beispielsweise Bestandsaufnahmen über Stärken und Schwächen, Feedback zum Unterricht oder zum Schulmanagement oder schulinternes Qualitätsmanagement (Gärtner 2013; Maag-Merki 2009). Innerhalb der föderalen Struktur des deutschen Bildungswesens werden einige Maßnahmen der Qualitätssicherung länderübergreifend, andere hingegen länderspezifisch umgesetzt. Dabei ist es wichtig, die Verfahren zur Qualitätssicherung und -entwicklung aufeinander abzustimmen, um ein kohärentes und stimmiges System der Qualitätssicherung und -entwicklung zu bilden (auch: alignment).
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Bildungsmonitoring 269 Auf nationaler Ebene spielt die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (kurz: Kultusministerkonferenz, KMK) für die Qualitätssicherung im Bildungswesen eine zentrale Rolle. Im Jahr 2006 veröffentlichte sie eine Gesamtstrategie (KMK 2006), die nach einem längeren Beratungsprozess im Jahr 2015 (KMK 2015) überarbeitet wurde. Mit dieser Gesamtstrategie wird das Ziel verfolgt, abgesicherte Ergebnisse bereitzustellen, um Steuerungshandeln stärker auch datengestützt beziehungsweise evidenzbasiert gestalten zu können (Döbert und Weishaupt 2012; John 2015; Maritzen und Tränkmann 2015). Dafür ist ein kontinuierlicher Beobachtungs- und Analyseprozess Voraussetzung (vgl. Döbert und Avenarius 2007; Döbert 2009; Klieme et al. 2003). Da sich hierfür der Begriff des Monitorings eingebürgert hat, hat die KMK ihre Strategie als „Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring“ bezeichnet.
7.2 Bildungsmonitoring Bildungsmonitoring ist Teil von Qualitätssicherung und dient dieser. Ähnlich wie der Begriff Qualitätssicherung hat der Begriff Bildungsmonitoring durchaus Konfliktpotenzial, ist er doch aus zwei Wörtern zusammengesetzt, die unterschiedlichen Traditionslinien entstammen. Während der Teilbegriff Bildung eine geisteswissenschaftliche Herkunft hat und eine subjektive Perspektive beinhaltet (Bildung als Aneignungsprozess des Subjekts), steht der Teilbegriff Monitoring für eine technische und „objektive Wirklichkeitsüberwachung“ (für eine vertiefte Ausführung vgl. Maritzen und Tränkmann 2015, 233). Neben dieser semantischen Eigenheit ist Bildungsmonitoring auch ein Sammelbegriff für eine Reihe von systematischen und kontinuierlichen Datenerhebungsprozessen und systematischen Evaluationsverfahren wie beispielsweise groß angelegten Schulleistungsstudien (Large Scale Assessments, LSA) (John 2015; vgl. Maritzen und Tränkmann 2015). Bildungsmonitoring informiert Bildungsakteurinnen und Bildungsakteure und soll damit zu einer stärker empirisch orientierten Handlungssteuerung auf allen Ebenen des Bildungswesens beitragen, vor allem aber in der Bildungspolitik und -administration. Ist Bildungsmonitoring in den Verwaltungsstrukturen verankert, kann es als Ausgangspunkt für bildungspolitische Entscheidungen dienen. Daher nimmt das Bildungsmonitoring eine prominente Stellung in aktuellen Konzepten für die Steuerung des Bildungssystems ein (vgl. Döbert und Avenarius 2007). Dementsprechend definieren Maritzen und Tränkmann (2015, 233) Bildungsmonitoring als „die laufende Beobachtung der Rahmenbedingungen, Verlaufsmerkmale, Ergebnisse und Erträge von Bildungsprozessen mit Hilfe empirisch-wissenschaftlicher Methoden (empirische Wissenschaften, Statistik) mit dem Ziel, administrative und politische Handlungsbedarfe und Interventionsmöglichkeiten aktuell und prospektiv zu erkennen“ (für eine ähnliche Definition vgl. Döbert und Weishaupt 2012).
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270 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung Das Ziel eines Bildungsmonitorings ist somit eine an empirischen Erkenntnissen orientierte (datengestützte) Planung und Gestaltung des Bildungswesens (Bildungsmanagement). Es sollen für Steuerung relevante Daten generiert werden, um auf diese Weise Steuerungshandeln begründbarer und zielgerichteter gestalten zu können (Döbert und Weishaupt 2012). Dem dienen beispielsweise Berichte über die Ergebnisse von Large Scale Assessments, Bildungsberichte oder vertiefte Analysen vorhandener Daten (Döbert 2015; Döbert und Weishaupt 2012; John 2015). Im Gegensatz zur Definition bei Maritzen und Tränkmann (2015) wird im vorliegenden Text Bildungsmonitoring weiter gefasst und neben dem Monitoring auf Systemebene auch das Monitoring auf der Ebene einzelner Schulen/Klassen mit einbezogen. Grundsätzlich sind für das Bildungsmonitoring mehrere Faktoren charakteristisch. Zunächst werden die Informationen nicht einmalig, sondern wiederholt, wenn möglich kontinuierlich erhoben, um Entwicklungen zu erkennen. Des Weiteren beziehen sich die empirischen Daten auf für Analysen von Qualität wichtige Rahmenbedingungen, Verlaufsmerkmale, Ergebnisse und Erträge (► Abb. 7.1), die mit wissenschaftlichen Methoden erhoben und analysiert werden. Wichtig ist zudem, dass Bildungsmonitoring nicht der reinen Anhäufung von Daten dient, sondern nutzbar sein soll, um aktuelle Zustände und zukünftige Herausforderungen zu erkennen und fundierte Entscheidungen treffen zu können (John 2015; Klieme et al. 2003). 7.2.1 Ebenen des Bildungsmonitorings Nach der in diesem Beitrag verwendeten Definition bezieht sich Bildungsmonitoring auf zwei Aggregatebenen (► Tab. 7.1): die Ebene des Systems (Systemmonitoring) und die Ebene einzelner Schulen/Klassen (Schulevaluation) (Klieme et al. 2003). Ein Monitoring auf Systemebene zielt darauf ab, administrative und politische Handlungsbedarfe zu identifizieren. Das Ziel eines Monitorings auf Schul-/Klassenebene liegt in der Bereitstellung von Informationen, die für organisatorische, pädagogischdidaktische und/oder curriculare Entscheidungen in Schule und Unterricht genutzt werden können (vgl. Leutner et al. 2007). Davon abzugrenzen ist das individuelle Bildungsgangmonitoring (Individualdiagnostik), dessen Ziel darin liegt, Informationen für pädagogische Entscheidungen für den Einzelnen zu liefern. Monitoring schließt fast immer den Einsatz von Tests ein. Mit der Wahl des Einsatzbereichs – System-, Schul-/Klassen- oder Individualebene – sind an das Testverfahren unterschiedliche Anforderungen geknüpft (Jonkisz et al. 2012; Kauertz 2014; Klieme et al. 2003; Leutner et al. 2007). Daten von Untersuchungen zum Systemmonitoring erlauben in der Regel keine Aussagen auf Schul-/Klassen-Ebene, diese wiederum lassen keine Aussagen auf Individualebene zu. Demzufolge können die Ergebnisse nur auf der jeweils im Fokus stehenden Ebene interpretiert werden. Beispielsweise sind die PISA-Tests so angelegt, dass nach Zufall mehr als 200 Schulen pro Bildungssystem (Staat) und 30 Schülerinnen und Schüler pro Schule
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Bildungsmonitoring 271 ausgewählt werden, denen ebenfalls nach Zufall ein Teil aller Testaufgaben vorgelegt wird. Insgesamt decken die Aufgaben ein breites Spektrum der erfassten Kompetenzen ab. Fasst man die Ergebnisse aller getesteten Schülerinnen und Schüler zusammen, kann PISA für das jeweilige System zuverlässige und valide Aussagen machen, für einzelne Lernende oder eine einzelne Schule hingegen nicht; dafür braucht man, wie in Tabelle 7.1 dargestellt, andere Messungen. Die Testergebnisse und andere Kennziffern aus dem Monitoring können anhand unterschiedlicher Vergleichsmaßstäbe beurteilt werden. Dabei lassen sich auf allen Ebenen soziale, kriteriale und ipsative Bezugsnormen unterscheiden (Rheinberg 2001; Stanat et al. 2013). Während bei der sozialen Bezugsnorm die aktuelle Leistung mit der Leistung einer Bezugsgruppe verglichen wird (z. B. Vergleich des Leistungsmittelwerte einer einzelnen Schule mit dem Leistungsmittelwert für die betreffende Schulart), wird die Leistung bei einem kriterialen (auch: sachlichen) Vergleichsmaßstab auf ein Kriterium bezogen (z. B. Erreichen der Bildungsstandards). Bei der ipsativen (auch: individuellen) Bezugsnorm wird die aktuelle Leistung mit früheren Leistungen verglichen (z. B. Trendaussagen auf der Ebene einzelner Bundesländer). Auf der Systemebene haben sich mit zunehmender Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen unterschiedliche Ansätze eines Systemmonitorings entwickelt, die sich je nach den Verantwortlichkeiten für die Steuerung und Verwaltung des Bildungssystems wiederum auf verschiedene Ebenen beziehen: international, national, Land oder Kommune (Döbert und Weishaupt 2012; John 2015). Die Teilnahme an internationalen Schulleistungsuntersuchungen wie PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) beziehungsweise IGLU (Internationale Grundschul-LeseUntersuchung, international unter dem Namen PIRLS – Progress in International Reading Literacy Study – bekannt), TIMSS-Grundschule und PISA ermöglichen es, Erträge des deutschen Bildungswesens im internationalen Vergleich festzustellen. Für die Untersuchungen von Kompetenzen Erwachsener nimmt Deutschland an internationalen Erhebungen teil wie dem europaweiten Adult Education Survey oder dem Programme for International Assessment of Adult Competencies (PIAAC). Während PISA und PIAAC von der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) verantwortet werden, ist für TIMSS und IGLU/PIRLS die IEA zuständig. Die IEA entwickelt als unabhängige Gemeinschaft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seit etwa 60 Jahren Konzepte und Methoden für einen theoretisch reflektierten internationalen Vergleich. Die OECD hat diese Ideen seit den 1990er Jahren aufgegriffen und in ein systematisches Konzept von Sozial-Indikatoren eingebettet. Jährlich veröffentlicht sie den Bericht „Bildung auf einen Blick“ (zuletzt OECD 2018), der einen Überblick über die Bildungssysteme in den 34 Mitgliedsstaaten der OECD und einer Reihe von Partnerländern bietet. Mehr als 150 Indikatoren ermöglichen den internationalen Vergleich in Bezug auf Bildungsbeteiligung und -verlauf, Finanzierung von Bildung sowie Organisation von Schulen und deren Ergebnisse.
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272 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung Tab. 7.1: Charakteristika der Ebenen des Bildungsmonitorings und des individuellen Bildungsgangmonitorings (vgl. Leutner et al. 2007)
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Ebene
Ziel
Individualdiagnostik
Schulevaluation
Schülerin/Schüler
Klasse/Schule
Bereitstellung von Informationen für pädagogische Entscheidungen im Einzelfall
Bereitstellung von Informationen für pädagogisch-didaktische und/oder curriculare Entscheidungen auf der Schul- und Unterrichtsebene (Unterrichts- und Schulentwicklung)
Messung
z. B. Klassenarbeiten, Tests (z. B. Lesegeschwindigkeitstest, Intelligenztests)
Adressat
Schülerin/Schüler, Eltern
Systemmonitoring Bildungssystem International/National/ Land/Kommune Identifikation von administrativen und politischen Handlungsbedarfen auf der Ebene des Schulsystems
z. B. Daten der z. B. Vergleichsarbeiten/ amtlichen Statistik (z. B. Lernstandserhebungen/ Mikrozensus) sowie LSA: PISA, TIMSS, IQB-LänKompetenztests/ dervergleichsstudien bzw. KERMIT IQB-Bildungstrends Schulleitung, Bildungspolitik, Lehrpersonal Bildungsadministration
Die nationalen Schulleistungsstudien werden in Deutschland vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) e. V. an der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt, das die KMK im Jahr 2004 gegründet hat. Auf nationaler Ebene haben Bund und Länder ferner eine regelmäßige gemeinsame Bildungsberichterstattung etabliert, deren zentrales Produkt der alle zwei Jahre erscheinende Bericht „Bildung in Deutschland“ ist (zuletzt Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Diese Bildungsberichterstattung ist unter der Leitidee „Bildung im Lebenslauf“ bildungsbereichsübergreifend angelegt, das heißt, es werden alle Sektoren und Stufen des Bildungssystem in den Blick genommen und eine Vielzahl von Datenquellen ausgewertet (Klieme et al. 2006). Die verwendeten Daten und Ergebnisse stammen etwa aus der amtlichen Statistik, aus nationalen (z. B. HIS-Studierendenbefragung) und internationalen (z. B. Adult Education Survey) Befragungen, aus internationalen und nationalen Schulleistungsuntersuchungen sowie aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS). Auch auf Ebene der Länder und auf kommunaler Ebene werden Bildungsberichte erstellt (John 2015). So erarbeiteten acht der 16 Bundesländer sogenannte Landesbildungsberichte, nämlich Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein (Egger 2015). Auf Ebene einzel-
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Bildungsmonitoring 273
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ner Bildungseinrichtungen sind ebenfalls Verfahren für ein regelmäßiges Bildungsmonitoring entwickelt worden. Hierzu gehören insbesondere interne sowie externe Evaluationen (z. B. Schulinspektionen), Berichtslegungen sowie – wenn man den Begriff des Bildungsmonitorings breit fasst – auch die Vergleichsarbeiten (Döbert und Weishaupt 2012; Döbert 2009; Döbert et al. 2008; ► 7.2.3). 7.2.2 Konzeption und Entwicklung des Bildungsmonitorings in Deutschland Die Diskussion über Qualität im Bildungswesen und das Bildungsmonitoring sind auch in Deutschland nicht erst durch TIMSS und PISA oder gar auf Druck der OECD entstanden. Bereits in den 1960er und 1970er Jahren wurden in (West-) Deutschland im Rahmen von Curriculumentwicklung, Lehr-Lern-Forschung und Evaluationsforschung Maßnahmen diskutiert, die auf eine Erhöhung der Bildungsgerechtigkeit und eine Anhebung der Bildungsqualität abzielten. Unterschiede zwischen den damaligen Konzepten und dem heutigen Ansatz der Qualitätssicherung liegen darin, dass damals zum einen die mit der Implementation von Reformen verbundenen Herausforderungen unterschätzt wurden und zum anderen die Methodik für Leistungsmessung und Evaluation weniger weit entwickelt war (vgl. Klieme und Tippelt 2008). Die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern, die um die 1960er Jahre begann, war vornehmlich an „der Entwicklung und Erprobung von Modellen zur Optimierung der Arbeit in Einzelschulen (Prozesssteuerung) und dem Entwurf didaktischer Modelle (Inputsteuerung) sowie deren Einführung in die Unterrichtspraxis (Prozessorientierung)“ interessiert (Köller 2010, 532), wobei das Erreichte, der sogenannte Output/Outcome, zunächst in den Hintergrund trat. Der Deutsche Bildungsrat veröffentlichte zahlreiche Expertisen, unter anderem im Jahr 1970 den „Strukturplan für das Bildungswesen“, der auch heute noch aktuelle Themen wie zum Beispiel Integration und Inklusion und individuelle Förderung behandelte. Im Jahr 1975 erschien mit dem „Bericht ’75 – Entwicklungen im Bildungswesen“ eine erste empirische Bestandsaufnahme des deutschen Bildungssystems. Manche Empfehlungen dieses aus Politik und Wissenschaft besetzten Gremiums – etwa seine Vorschläge zu einer Verlagerung von Entscheidungen auf die lokale und regionale Ebene – führten jedoch zu Konflikten mit den Bundesländern und schließlich zur Auflösung des Deutschen Bildungsrats, wodurch auch das Vorhaben, ein Bildungsmonitoring zu etablieren, nicht weiter fortgesetzt wurde (Döbert und Weishaupt 2012). In den darauf folgenden Jahren gab es in der Bundesrepublik Deutschland praktisch keine Strategie für Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung, in der DDR ebenso wenig. Nach der deutschen Wiedervereinigung wuchs jedoch das Interesse der Politik an Daten und wissenschaftlichen Studien. Die TIMSS-Studie aus den Jahren 1995/96 leitete schließlich die sogenannte „empirische Wende der Bildungspolitik“ (Lange 2008, 7) ein. Im Konstanzer Beschluss der KMK vom 24. Oktober 1997 (KMK
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274 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung 1997) wurde die Grundlage für eine langfristige Beteiligung an internationalen Schulleistungsstudien gelegt (Maritzen 2014). Der Beschluss bezieht sich auch auf Leistungsvergleiche innerhalb Deutschlands in der Sekundarstufe I, wobei solche grundlegenden Kompetenzen wie muttersprachliche, mathematische, naturwissenschaftlich-technische und fremdsprachliche Kompetenzen sowie arbeits- und berufsweltübergreifende personale und soziale Kompetenzen (z. B. Kooperationsund Kommunikationsfähigkeit) in den Blick genommen werden sollten. Keine der internationalen Schulleistungsstudien beschäftigte sich allerdings mit fremdsprachlichen Kompetenzen. Zudem blieben wichtige Kompetenzbereiche im Deutschen, wie etwa Rechtschreibung und grammatikalisches Wissen, ausgeblendet. Aus diesem Grund initiierte die KMK eine eigene Studie mit dem Namen „Deutsch Englisch Schülerleistungen International“ (DESI), die zwei Testzeitpunkte umfasste, um die Leistungsentwicklung im Verlauf eines Schuljahres beschreiben zu können, jedoch auf Deutschland begrenzt blieb (Klieme et al. 2008). Während in den ersten Jahren nach TIMSS auch die Bundesregierung bildungspolitische Reformen aktiv mitgestaltete – etwa mit dem SINUS-Programm zur Weiterentwicklung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts oder durch den Ausbau von Ganztagsschulen –, versuchten bald schon die Länder ihre Hoheit in Bildungsfragen durchzusetzen, ähnlich wie in den 1970er Jahren. Im Zuge der Föderalismusreform, die am 1. September 2006 in Kraft trat, wurde die gemeinsame Bildungsplanung und die hierfür zuständige Bund-Länder-Kommission (BLK) abgeschafft. Das Zusammenwirken von Bund und Ländern wird allerdings auf Basis des neuen Artikels 91b, Absatz 2 des Grundgesetzes fortgesetzt und in einem Verwaltungsabkommen vom 21. Mai 2007 (BMBF 2007) geregelt. Darin wird die „Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich“ zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern erklärt und die Einrichtung einer Steuerungsgruppe vorgesehen. Um ihre Arbeiten zu bündeln und die Länder-Hoheit zu unterstreichen, fasste die KMK mit den Plöner Beschlüssen vom 2. Juni 2006 Testverfahren und Instrumente zur Qualitätssicherung in Deutschland in einer „Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring“ zusammen. Sie umfasst vier Elemente (► Abb. 7.2; KMK 2006): a) Teilnahme an internationalen Schulleistungsuntersuchungen, b) Einführung von länderübergreifenden Bildungsstandards und zentrale Überprüfung des Erreichens der Bildungsstandards im Ländervergleich (IQB-Ländervergleich, seit dem Jahr 2015 als IQB-Bildungstrend bezeichnet), c) Durchführung von Vergleichsarbeiten (VERA) zur Qualitätssicherung auf Ebene der Schulen, d) gemeinsame nationale Bildungsberichterstattung von Bund und Ländern. Während die Verfahren a) und d) Gemeinschaftsaufgaben darstellen, sind die Verfahren b) und c) ausschließlich Aufgaben der Länder (► Abb. 7.2). Zur Bewältigung und Koordination dieser Aufgaben wurden auf Länderebene und auf
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Bildungsmonitoring 275 nationaler Ebene Infrastrukturen geschaffen. Auf Länderebene sind verschiedene Einrichtungen beziehungsweise Abteilungen entstanden, die für Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung zuständig sind (für eine Übersicht der Qualitätsagenturen, externen Evaluationen und Vergleichsarbeiten der Länder vgl. Ditton 2008, 52-58; für eine Übersicht über Qualitätsagenturen der Länder vgl. Rürup 2014, 208). Länderübergreifend wurden das IQB und das Zentrum für Internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) e. V. eingerichtet. Das IQB ist eine wissenschaftliche Einrichtung der Länder, die bei der Umsetzung der Gesamtstrategie der KMK zum Bildungsmonitoring eine zentrale Rolle spielt. Es entwickelt die Bildungsstandards der KMK weiter und operationalisiert diese mit Testaufgaben, es überprüft auf Systemebene, inwieweit die Bildungsstandards erreicht werden und es entwickelt Testaufgaben für die Vergleichsarbeiten, die ebenfalls auf den Bildungsstandards basieren (Stanat et al. 2013). Das ZIB wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Ländern im Jahr 2010 gegründet, um die Teilnahme an internationalen Schulleistungsuntersuchungen, speziell PISA, zu organisieren und wissenschaftlich zu stützen. Unter seinem Dach arbeiten die Technische Universität München, das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main sowie das IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel zusammen (vgl. http://zib.education/de). Schließlich wurde ein Verbund geschaffen, der seit dem Jahr 2006 alle zwei Jahre unter Federführung des DIPF den daten- und indikatorengestützten nationalen Bildungsbericht veröffentlicht. Verschiedene Institute der Bildungsforschung und die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sind in der Autorengruppe des Bildungsberichts vertreten (vgl. zuletzt Autorengruppe Bildungsbericht 2018). Die Grundkonzeption der Bildungsberichterstattung orientiert sich an dem Kontext-Input-Prozess-Output/Outcome-Modell (► 7.1.1) und zeichnet sich durch folgende Merkmale aus (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016): Erstens bietet der Bericht eine Gesamtschau über verschiedene Teilbereiche des Bildungssystems – angefangen vom Elementarbereich über den Schulbereich, die berufliche Ausbildung, die Hochschule bis hin zur Weiterbildung. Somit ist die Bildungsberichterstattung als einzige bildungspolitische Aktivität in Deutschland bildungsbereichsübergreifend angelegt. Alle anderen Maßnahmen der KMK beziehen sich auf die Schule (vgl. John 2015), während die Bundesregierung unter anderem für den Berufsbildungsbericht (zuletzt: BMBF 2018) zuständig ist. Zweitens orientiert sich der gemeinsame Bericht an einem Bildungsverständnis mit drei Zieldimensionen – (i) individuelle Regulationsfähigkeit, (ii) gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit sowie (iii) Humanressourcen. Und drittens zeichnet sich der Bildungsbericht durch eine auf Dauer angelegte indikatorengestützte Darstellung aus. Im Vergleich zu anderen Berichtssystemen ähnelt er mit seiner Leitidee der Bildung im Lebenslauf dem US-Bildungsbericht „Conditions of Education“, unterscheidet
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276 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung sich allerdings von anderen Berichtssystemen in Deutschland, die einzelne Sektoren (z. B. Berufsbildungsbericht) oder Themen (z. B. Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes) fokussieren (Klieme et al. 2006). Die Internationalen Schulleistungsstudien, der IQB-Ländervergleich (der ab dem Jahr 2015 als IQB-Bildungstrend bezeichnet wird) und die gemeinsame nationale Bildungsberichterstattung liefern auf der Ebene des Systems Erkenntnisse, die dazu dienen, administrative und politische Handlungsbedarfe zu identifizieren. Die jährlich flächendeckend durchgeführten Vergleichsarbeiten (VERA) liefern dagegen Informationen für die Unterrichts- und Schulentwicklung auf der Ebene einzelner Schulen und Klassen (► Abb. 7.2). Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass es sich bei den in Deutschland durchgeführten standardisierten Leistungstests des Bildungsmonitorings um sogenanntes low-stake testing handelt (KMK 2012b), da an die Ergebnisse in der Regel keinerlei Sanktionen geknüpft sind. Die national entwickelten Testverfahren – der IQB-Ländervergleich/IQB-Bildungstrend wie auch VERA – basieren auf den Bildungsstandards, die seit dem Jahr 2003 den wichtigsten Orientierungspunkt für Qualitätssicherung und Bildungsmonitoring im deutschen Schulsystem bilden.
Abb. 7.2: Verfahren der KMK-Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring (Grafik mod. nach Spoden und Leutner 2011, 3; KMK 2006). Hellgrau markierte Boxen kennzeichnen Monitoringverfahren auf der Systemebene, die dunkelgrau markierte Box kennzeichnet Monitoringverfahren auf Schul-/Klassenebene
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Bildungsmonitoring 277 7.2.3 Bildungsstandards als Grundlage für Systemmonitoring (IQB-Bildungstrend) und Schulevaluation (VERA) Als Grundlage für die Sicherung von Bildungsqualität in Deutschland führte die KMK schrittweise bundesweit geltende Bildungsstandards ein, die für den Primarbereich und die Sekundarstufe I in den Jahren 2003 und 2004 verabschiedet wurden. Diese beziehen sich auf Kernfächer (Deutsch, Mathematik, Englisch sowie Französisch als erste Fremdsprache, Biologie, Chemie und Physik) und dabei jeweils auf abschlussbezogene Schnittstellen in der Bildungslaufbahn (Ende der 4. Jahrgangsstufe, Hauptschulabschluss, Mittlerer Schulabschluss, Allgemeine Hochschulreife). Für die Allgemeine Hochschulreife wurden Bildungsstandards in den Fächern Deutsch, fortgeführte Fremdsprache (Englisch, Französisch) und Mathematik im Jahr 2013 verabschiedet. Da jedoch in der Sekundarstufe II kein Bildungsmonitoring erfolgt, wird auf diese Vorgaben im Folgenden nicht weiter eingegangen. Die Bildungsstandards der KMK legen fest, welche Kompetenzen Lernende bis zu der jeweiligen Schnittstelle in zentralen Bereichen schulischen Lernens entwickeln sollen (für einen Überblick über verschiedene Kompetenzkonzepte vgl. Klieme und Hartig 2007; vgl. auch Klieme et al. 2003; Stanat et al. 2013). Unter Kompetenz wird dabei „die Fähigkeit verstanden, Wissen und Können in den jeweiligen Fächern zur Lösung von Problemen anzuwenden.“ (KMK 2012a, 5). Mit der Orientierung auf Kompetenzen wird betont, dass Unterricht nicht nur Fachkenntnisse vermitteln, sondern vernetztes Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln soll, die Schülerinnen und Schüler flexibel zur Bewältigung von fachlichen und fächerübergreifenden Anforderungen nutzen können. Die von der KMK verabschiedeten, länderübergreifend verbindlichen Bildungsstandards benennen Ziele für die pädagogische Arbeit in den jeweiligen Fächern und konkretisieren damit den fachbezogenen Bildungsauftrag. Sie dienen den Ländern ferner dazu, ihre Strategien und Maßnahmen der Qualitätssicherung und -entwicklung im deutschen Bildungssystem an einem gemeinsamen Maßstab auszurichten (KMK 2005a; vgl. https://www.kmk.org/themen/qualitaetssicherung-in-schulen/bildungsstandards.html). Die Bildungsstandards wurden von der KMK als sogenannte Regelstandards konzipiert, d. h. die beschriebenen Kompetenzen sollen in der Regel oder im Durchschnitt entwickelt worden sein, wenn die Schülerinnen und Schüler den jeweiligen Abschluss erreichen (KMK 2005a). Zum Beispiel enthalten die Standards für das Fach Biologie folgende Erwartung für den Mittleren Schulabschluss: „Schülerinnen und Schüler wenden Modelle zur Veranschaulichung von Struktur und Funktion an“ (KMK 2005b, 14). Damit handelt es sich um sogenannte Leistungsstandards (Performance Standards; KMK 2005a), die festlegen, welche Anforderungen Schülerinnen und Schüler bewältigen sollen, wenn sie den jeweiligen Bildungsabschnitt abschließen. Leistungsstandards sind abzugrenzen von reinen Inhaltsstandards (Content Standards), die für jedes Schulfach die stofflich-curricularen Vorgaben definieren, sowie von Unterrichtsstandards (Opportunity-to-learn Standards), die
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278 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung sich auf eine für günstig erachtete Ausgestaltung von Lehr-Lern-Arrangements beziehen. Die Bildungsstandards der KMK sind fachspezifisch, als Kompetenzbeschreibungen aber zumeist recht allgemein formuliert. So geht es bei der oben zitierten Erwartung um den Umgang mit Modellen – eine Teilkompetenz, die sowohl in Biologie und anderen Naturwissenschaften als auch in der Mathematik eine Rolle spielt. Ihre Konkretisierung und die Festlegung der Unterrichtsinhalte erfolgt in den Rahmenlehrplänen der Länder beziehungsweise den Curricula der Einzelschulen (Stanat et al. 2013). Letztendlich dienen Bildungsstandards der Schul- und Unterrichtsentwicklung; sie haben eine Orientierungs-, Klärungs-, Überprüfungs- und Entwicklungsfunktion (Pant 2014): • Orientierungsfunktion: Auf allen Ebenen und für alle Akteurinnen und Akteure im Schulsystem bilden Bildungsstandards einen zentralen Bezugspunkt. In ihrer Orientierungsfunktion dienen sie den Lehrkräften, den Lernenden, den Eltern, der Bildungspolitik, der Bildungsadministration (z. B. Schulaufsicht), den Einrichtungen der Lehrkräftebildung und der Öffentlichkeit als Referenzrahmen, der für die professionelle Arbeit im Bildungssystem handlungsleitend sein soll, und „schaffen so mehr Klarheit, größere Objektivität und höhere Verbindlichkeit als bisher“ (Blum et al. 2010, 16). • Klärungsfunktion: Bildungsstandards dienen der Verständigung darüber, was unter zeitgemäßen Bildungszielen in den entsprechenden Fächern zu verstehen ist. • Überprüfungsfunktion: Bildungsstandards bilden die Grundlage für externe und interne Evaluationen an Schulen. Insbesondere ist es möglich, mit geeigneten Tests regelmäßig zu überprüfen, inwieweit die definierten Kompetenzziele erreicht werden. In Deutschland werden dafür auf Systemebene die IQB-Ländervergleichsstudien beziehungsweise IQB-Bildungstrends in den entsprechenden Fächern durchgeführt; auf Schulebene erhalten die Lehrenden mit den Vergleichsarbeiten eine Rückmeldung über ihre Klassen. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler sogenannten Kompetenzstufen zugeordnet, die beschreiben, welche Anforderungen sie bereits bewältigen können. Die hierfür verwendeten Testverfahren und Kompetenzstufenmodelle werden in enger Zusammenarbeit zwischen Fachdidaktik und pädagogisch-psychologischer Diagnostik beziehungsweise empirischer Bildungsforschung entwickelt. • Entwicklungsfunktion: Bildungsstandards sollen dazu beitragen, die Qualität schulischer Arbeit kontinuierlich zu verbessern (Stanat et al. 2013; Wernstedt und John-Ohnesorg 2009). Die Zielvorgaben selbst und die darauf bezogenen Ergebnisrückmeldungen liefern Orientierungspunkte für die Weiterentwicklung des Unterrichts. Dabei sollen Instruktionsprozesse gestärkt werden, die sich nicht auf die Vermittlung von Fachkenntnissen beschränken, sondern eine systematische Entwicklung fachbezogener Kompetenzen fokussieren. Rückmeldungen darüber, welche Kompetenzen die Lernenden bereits entwickelt haben, sollen Lehrkräfte
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Bildungsmonitoring 279 dabei unterstützen, ihren Unterricht in diesem Sinne zu optimieren. Mit dem Aufbau einer an Kompetenzen ausgerichteten Lernkultur ist die Zielvorstellung verbunden, dass „keine ‚trägen‘ und isolierten Kenntnisse und Fähigkeiten entstehen, sondern anwendungsfähiges Wissen und ganzheitliches Können, das z. B. reflektive und selbstregulative Prozesse einschließt“ (Klieme und Hartig 2007, 13) und somit dem humanistischen Bildungsideal näher kommt als die Abarbeitung eines Inhaltskanons. Auf der Systemebene sollen die Bildungsstandards die Gleichwertigkeit schulischer Bildungsergebnisse, die Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse und die Durchlässigkeit des Bildungssystems innerhalb Deutschlands sicherstellen (KMK 2005a). Dazu wird – im Sinne der Überprüfungsfunktion von Bildungsstandards – das Erreichen der Kompetenzziele in den 16 Bundesländern regelmäßig überprüft, um möglichen Handlungsbedarf zu identifizieren. Das IQB führt in Abständen von fünf Jahren (4. Jahrgangsstufe) beziehungsweise drei Jahren (9. Jahrgangsstufe) umfangreiche Erhebungen in Schülerstichproben durch, die für die 16 Länder jeweils repräsentativ sind. Der erste Zyklus der zunächst als IQB-Ländervergleich bezeichneten Studien wurde mit der im Jahr 2012 durchgeführten Erhebung abgeschlossen, so dass ab dem Jahr 2015 auch Trendschätzungen berichtet werden können, die sich auf das Erreichen der Bildungsstandards beziehen. Entsprechend werden die Untersuchungen ab diesem Zeitpunkt als IQB-Bildungstrend bezeichnet1 (Stanat et al. 2013). Die Ergebnisse dieser Studien werden auf der Ebene der Schulsysteme der Länder ausgewertet, die Ebenen einzelner Schulen, Klassen oder des Individuums sind nicht Gegenstand der Berichte (weitere Informationen vgl. https://www.iqb. hu-berlin.de/laendervergleich). Auf der Schul- und Klassenebene wird das Erreichen der Bildungsstandards mit den Vergleichsarbeiten (VERA) überprüft und an die Akteurinnen und Akteure zurückgemeldet. Die Bundesländer führen die Tests zum Teil unter unterschiedlichen Bezeichnungen durch. So heißen sie in Hessen und Nordrhein-Westfalen (nur für die 8. Jahrgangsstufe) Lernstandserhebungen, in Hamburg KERMIT – Kompetenzen ermitteln, und in Sachsen und Thüringen Kompetenztests (Stanat et al. 2013). Im Unterschied zu den internationalen Schulleistungsstudien und den IQB-Ländervergleichsstudien/IQB-Bildungstrends werden die Vergleichsarbeiten nicht nur in Stichproben, sondern in allen Schulen durchgeführt, d. h. es handelt sich um eine landesweite Untersuchung der erreichten Kompetenzen in praktisch allen Klassen der Jahrgangsstufen 3 und 8 (VERA-3 und VERA-8). Dabei erfolgt die Testdurchführung nicht durch externe Testleitungen, sondern durch Lehrkräfte. Die Vergleichsarbeiten finden mehr als ein Jahr vor dem Ende der Primarstufe beziehungsweise der Sekundarstufe I statt, um es Lehrkräften zu ermöglichen, frühzeitig 1 Trenderhebung heißt, dass dieselben Merkmale zu mehreren Zeitpunkten erfasst und die Ergebnisse
dieser Erhebungswellen miteinander verglichen werden, wobei zu jedem Messzeitpunkt unterschiedliche Stichproben untersucht werden.
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280 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung möglichen Handlungsbedarf zu identifizieren und gezielt darauf zu reagieren. Im Sinne der Orientierungs- und Entwicklungsfunktion der Bildungsstandards sollen die Vergleichsarbeiten damit Informationen liefern, die zur Vorbereitung von curricularen beziehungsweise didaktischen Entscheidungen und Fördermaßnahmen nutzbar sind. Die Lehrkräfte erhalten zeitnah nach Durchführung der Vergleichsarbeiten von den jeweiligen Einrichtungen der Länder, die für die Auswertung der Ergebnisse zuständig sind, eine differenzierte Rückmeldung, welche in der Regel Angaben umfasst zu (i) Leistungen des einzelnen Lernenden, (ii) mittleren Leistungen der eigenen Klasse, (iii) mittleren Leistungen der Parallelklassen an der eigenen Schule und (iv) mittleren Leistungen der eigenen Schule. Ferner enthalten die Rückmeldungen in der Regel auch Angaben zu den Ergebnissen, die Schulen im jeweiligen Bundesland insgesamt erzielt haben. Einige Länder verwenden dabei adjustierte Vergleichswerte, die Hintergrundmerkmale der Schülerinnen und Schüler (v. a. sozioökonomischer Status, Zuwanderungshintergrund) berücksichtigen. Damit soll es den Schulen ermöglicht werden, ihre Ergebnisse mit anderen Schulen zu vergleichen, die über eine ähnliche Schülerschaft verfügen. Mit den regelmäßigen Ergebnisrückmeldungen erhalten Lehrkräfte im Rahmen der Vergleichsarbeiten zudem ausführliche fachdidaktische Kommentare, die die VERAAufgaben hinsichtlich der zur ihrer Bearbeitung erforderlichen Kompetenzen einordnen, typische Fehler und deren mögliche Ursachen beschreiben sowie Hinweise zur Weiterarbeit im Unterricht geben. Dies soll die Orientierungs- und Entwicklungsfunktion der Bildungsstandards zusätzlich unterstützen (für weitere Informationen zu VERA vgl. https://www.iqb.hu-berlin.de/vera; KMK 2013). Um zu unterstreichen, dass die Vergleichsarbeiten primär der Schul- und Unterrichtsentwicklung dienen sollen, hat die KMK vereinbart, dass die Ergebnisse weder benotet werden noch als Grundlage für Übergangsempfehlungen verwendet werden sollen (vgl. KMK 2012b). Auch eine Veröffentlichung der Ergebnisse auf Schul- oder Klassenebene wird in der Vereinbarung ausgeschlossen. Ein solches Vorgehen würde das Instrument zu einem high-stakes Test machen, was zu Verfälschungen der Ergebnisse führen könnte und einer konstruktiven Nutzung der Rückmeldungen durch Lehrkräfte zuwiderliefe. 7.2.4 Überarbeitung der KMK-Gesamtstrategie im Jahr 2015 Die KMK selbst zog im Jahr 2015 die Bilanz, dass ihre „Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring“ in Deutschland für eine Sicherung und Entwicklung der Bildungsqualität unverzichtbar sei und daher der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden solle. Neben unumstrittenen Erfolgen brachte die im Jahr 2006 formulierte Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring aber auch Herausforderungen mit sich, die zur Überarbeitung der Gesamtstrategie führten (KMK 2015). Einige dieser Erfolge und Herausforderungen sollen an dieser Stelle skizziert werden. Zu den Erfolgen gehört, dass überhaupt ein Konsens über ein länderübergreifendes Programm zur Evaluation von Bildungsqualität erreicht wurde und sich alle
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Bildungsmonitoring 281 Länder daran beteiligen. Ferner wurde die Erklärungskraft der internationalen Schulleistungsstudien durch strategische Erweiterungen (z. B. die Ergänzung von Erhebungsinstrumenten mit zusätzlichen nationalen Aufgaben und Fragen), durch die Entwicklung innovativer Testformate und durch die Erweiterung der Stichproben (z. B. Einbeziehung einer größeren Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund) gestärkt. Durch die Gründung des IQB und des ZIB erfolgte die infrastrukturelle Absicherung von groß angelegten Schulleistungsstudien. Des Weiteren wurden nach der Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse sieben Handlungsfelder (KMK 2002) definiert, in denen die Länder und die KMK vorrangig tätig werden wollten, woran auch weitere Schlussfolgerungen aus späteren Schulleistungsstudien anknüpften. Schließlich hat das Bildungsmonitoring breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und den Medien gefunden und dadurch bildungspolitische Debatten gestärkt (vgl. Maritzen 2014, 2016). Mit fortschreitender Umsetzung des recht komplexen Programms zum Monitoring zeigen sich aber auch diverse Herausforderungen. Diese sind zum einen konzeptioneller und technischer Art (z. B. der Umgang mit der zunehmenden Anzahl Lernender mit sonderpädagogischem Förderbedarf bei Testungen in allgemeinen Schulen) und beziehen sich zum anderen auf Grenzen der Koordination zwischen den 16 Bundesländern (vgl. Maritzen 2014, 2016). Darüber hinaus zeigt sich ein Missverhältnis zwischen der Art des Wissens, das durch Schulleistungsstudien generiert wird, und der Art des Wissens, das von Bildungsakteurinnen und -akteuren (Bildungspolitik, Bildungsadministration und Bildungspraxis) zusätzlich gefordert wird. In der überarbeiteten Fassung der Gesamtstrategie wird daher der erhöhte Bedarf an anwendungsbezogenem Wissen für die Bildungspolitik und die pädagogische Praxis angesprochen. Neben Beschreibungen des jeweiligen Entwicklungsstands im Bildungswesen sollen auch mögliche Ursachen identifiziert und Wissen für die Weiterentwicklung von Qualität bereitgestellt werden. Die Forschungserkenntnisse sollen dabei adressatengerecht aufbereitet und verbreitet werden (vgl. KMK 2015, 15). Handlungsbedarf zeigt sich auch bei der Datenrückmeldung aus den Vergleichsarbeiten (► 7.4.2). Damit das Feedback für die Unterrichtsentwicklung genutzt wird, müssen unter anderem die Rückmeldungen adressatengerecht aufbereitet werden sowie das Lehrpersonal und die Schulleitungen Kompetenzen im Umgang mit Rückmeldungen aufbauen (vgl. Merkens 2016). Vor diesem Hintergrund wird in der Überarbeitung der Gesamtstrategie betont, dass die Länder entsprechende Rückmeldeformate weiterentwickeln und dem Lehrpersonal geeignete Unterstützungs- und Fortbildungsangebote bereitstellen sollen. Zudem wird herausgestellt, dass die Vergleichsarbeiten „Teil eines Bündels von Maßnahmen [sind], mit denen die Länder eine evidenzbasierte Qualitätsentwicklung und -sicherung auf Ebene der einzelnen Schule gewährleisten“ (vgl. KMK 2015, 13) und zu denen zusätzliche externe und interne Evaluationen einzelner Schulen gehören. Zusätzlich wird in der Überarbeitung der Gesamtstrategie stärker als zuvor
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282 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung
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die Umsetzung (Implementation) der Bildungsstandards für den Primarbereich, die Sekundarstufe I und die Allgemeine Hochschulreife betont – letzteres verbunden mit der Entwicklung und Nutzung eines Pools von Abiturprüfungsaufgaben – und damit ein weiterer Handlungsbedarf benannt.
7.3 Exemplarische Befunde des Bildungsmonitorings am Beginn des 21. Jahrhunderts Im Folgenden werden an drei Themen beispielhaft Ergebnisse des Bildungsmonitorings vorgestellt und damit zugleich Datenquellen und die Bildung statistischer Indikatoren illustriert. Die Datenbasis bilden einerseits LSA, und zwar die PISAStudie, die IGLU-Studie sowie der IQB-Ländervergleich/IQB-Bildungstrend, andererseits die Daten der amtlichen Statistik. Im ersten Beispiel wurden PISA-Daten neu ausgewertet; im zweiten Beispiel wird auf Auswertungen aus dem Bildungsbericht für Deutschland 2016 und im dritten Beispiel auf Auswertungen aus dem IQB-Ländervergleich 2012 und den IQB-Bildungstrend 2015 zurückgegriffen. Eine der vielleicht interessantesten Verwendungen solcher Daten besteht darin, das Bildungsmonitoring selbst zu beschreiben, so wie es Abbildung 7.3 anhand von Daten aus der PISA Erhebung 2015 zeigt. Im internationalen Fragebogen für Schulleitungen wurde damals erfragt, ob die Schule Daten aus standardisierten Tests (a) im Sinne der Rechenschaftslegung veröffentlicht und (b) nutzt, um Lehrpersonal individuell zu evaluieren. Auch wenn hier Schulleitungen befragt wurden ist anzunehmen, dass eine entsprechende Datennutzung letztlich auf Systemebene vorgegeben wird. Die Angaben der Schulleitungen wurden daher mit der Größe der jeweiligen Schule gewichtet, und für jeden PISA-Teilnehmerstaat wurde ein Mittelwert berechnet. Die Angaben für die USA sagen somit aus, dass 83 % der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in den USA eine Schule besuchen, die Testergebnisse veröffentlicht. In Deutschland sind es lediglich 11 %. Nur 6 % der 15-Jährigen in Deutschland besuchen eine Schule, die Testergebnisse ihrer Schülerinnen und Schüler verwendet, um Lehrpersonal zu evaluieren; in den USA liegt der Anteil zwölfmal so hoch, nämlich bei 71 %. Diese Zahlen belegen, dass Verfahren der Rechenschaftslegung (auch: accountability) an deutschen Schulen im Vergleich zu den USA sehr schwach entwickelt sind. Ein ähnliches Profil wie Deutschland zeigen in Abbildung 7.3 unter anderem Österreich und die Schweiz. Offensichtlich bilden die deutschsprachigen Staaten eine Gruppe, die eine ähnliche Kultur der (schwachen) Rechenschaftslegung und Evaluierung besitzt. Die Gruppe der angelsächsischen Staaten lässt sich davon abgrenzen, weil hier ausgeprägtere Accountability-Praktiken berichtet werden, vor allem hinsichtlich der Veröffentlichung von Testergebnissen. Gleichzeitig gibt es Abstufungen bei der Nutzung von Tests zur Evaluation der Lehrkräfte: Im Vereinigten Königreich und in den USA
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Exemplarische Befunde 283 findet auch dies sehr häufig statt, während Kanada und Australien ihre Lehrkräfte annähernd so selten anhand von Testergebnissen ihrer Schülerinnen und Schüler bewerten wie die deutschsprachigen Staaten. Offensichtlich sind für die Verbreitung dieser Arten des Bildungsmonitorings nicht allein kulturelle Hintergründe entscheidend, sondern auch spezifische Setzungen der Bildungspolitik. Dass selbst Nachbarländer sehr unterschiedliche Praktiken besitzen, zeigt unter anderem der Vergleich zwischen den Niederlanden und Belgien sowie zwischen Schweden und Finnland. Die oft zitierte nordische Schulkultur ist nicht so einheitlich, wie sie nach der ersten PISA-Studie in Deutschland wahrgenommen wurde. 90 Verei nigtes Königreich 80
Verei nigte Staaten
Neus eeland
Ni ederlande Sl owakei
70 Aus tra lien
Portuga l
60
Schweden
Norwegen
Sl owenien Fra nkreich
50
Korea
Pol en
Türkei
Chi l e
Dä nemark Ca na da
40 Luxemburg
Ita lien 30
Unga rn Irl a nd
Ts chechien
Is ra el Lettl a nd
Is land Spa nien
Gri echenland
20
Mexi co
Es tl and
Deutschland
10
Ös terreich Bel gien
Fi nnland Schweiz
0 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Abb. 7.3: Häufigkeit des Einsatzes von Testdaten für die öffentliche Rechenschaftslegung der Einzelschulen (vertikale Achse) und die Verwendung von Testergebnisse für die Evaluation von Lehrkräften (horizontale Achse) in den OECD-Staaten (eigene Berechnungen auf der Basis von Schulleitungsangaben bei PISA 2015, gewichtet durch die jeweilige Anzahl von 15-jährigen Lernenden in der jeweiligen Schule)
Das für die öffentliche Diskussion wichtigste Produkt der PISA- und IGLU-Studien sind sicherlich die Daten zum erreichten Kompetenzstand der Schülerinnen und Schüler (► Abb. 7.4; entnommen dem Bildungsbericht für Deutschland 2016, Indikator D 6 „Kognitive Kompetenzen“). Da PISA in dreijährigem Abstand die Leistungen 15-Jähriger und IGLU in fünfjährigem Rhythmus die Leistungen von Viertklässlerinnen und Viertklässlern immer wieder neu misst, können Trends untersucht beziehungsweise, wie in der Abbildung 7.4, Vergleiche zwischen den Befunden der PISA-Studie 2000 und 2012 sowie Vergleiche zwischen den Befunden der IGLU-Studie 2001 und 2011 gezogen werden. Die Grafik illustriert, dass sich
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284 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung die Leseleistung im Grundschulbereich (linker Teil der ► Abb. 7.4: IGLU) innerhalb dieses Jahrzehnts nur geringfügig verbessert hat. Anzumerken ist allerdings, dass verglichen mit unseren Nachbarstaaten die deutschen Ergebnisse im Primarbereich zur Jahrtausendwende bereits besser waren, während der Sekundarbereich nach dem „PISA-Schock“ erst aufholen musste. Tatsächlich hat sich in der Gesamtgruppe aller 15-Jährigen (rechter Teil der ► Abb. 7.4: PISA) die Leseleistung um 24 Punkte verbessert, was fast dem Gewinn eines Schuljahres entspricht. In der Teilgruppe der Jugendlichen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status beträgt die Verbesserung sogar 44 Punkte. Somit hat sich der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischen Kompetenzen nach dem ersten PISA-Schock deutlich abgeschwächt.
Abb. 7.4: Veränderung der Leseleistung der Viertklässlerinnen und Viertklässler (2001 bis 2011) sowie der 15-Jährigen (2000 bis 2012) nach sozioökonomischem Status (in Kompetenzpunkten) (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 92)
Das dritte Beispiel beruht auf Daten der nationalen Schulleistungsstudien, die vom IQB durchgeführt und berichtet werden (vgl. Pant et al. 2013; Stanat et al. 2016). Abbildung 7.5 zeigt für die Sekundarstufe I (9. Jahrgangsstufe) einerseits auf der vertikalen Achse die im Jahr 2012 erzielten Ländermittelwerte im Fach Mathematik, andererseits auf der horizontalen Achse die im Jahr 2009 erzielten Ländermittelwerte im Fach Englisch. Anhand dieses Beispiels werden die unterschiedlichen fachlichen Profile der Bundesländer deutlich. Während die Stärke der fünf ostdeutschen Flächenländer – Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – vor allem im Bereich Mathematik zu liegen scheint, bestand dort im Jahr 2009 in der Fremdsprache Englisch deutlicher Optimierungsbedarf. Für die westdeutschen Flächenländer und Berlin hingegen
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wurden unterschiedliche, insgesamt weniger markant fächerspezifische Profile identifiziert. Lediglich Bayern erzielt Spitzenwerte in beiden Fächern, wohingegen insbesondere in den Stadtstaaten Berlin und Bremen der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die unterdurchschnittliche Kompetenzstände erreichen, in beiden Fächern vergleichsweise hoch ist (vgl. Roppelt et al. 2013). Eine wichtige Schlussfolgerung der Autorengruppe des IQB war, dass in Ostdeutschland die Qualität des Englischunterrichts weiterentwickelt werden sollte. Die Ergebnisse des Bildungstrends 2015, in dem die sprachlichen Fächern erneut getestet wurden, zeigte schließlich (hierzu liegt keine Abbildung vor), dass die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Fach Englisch in fast allen Flächenländern seit dem Jahr 2009 deutlich gestiegen waren, und dies vor allem auch in den ostdeutschen Flächenländern. Im Leseverstehen entsprachen die im Jahr 2015 in diesen Ländern erreichten Kompetenzmittelwerte dem bundesdeutschen Durchschnitt, waren nunmehr also unauffällig. Das Hörverstehen im Fach Englisch erwies sich hingegen – trotz des auch in diesem Kompetenzbereich positiven Trends – in ganz Ostdeutschland weiterhin als besondere Herausforderung (vgl. Stanat et al. 2016). Globalskala Hörverstehen
540
SN
530 Mathematik Global im Ländervergleich 2012
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Exemplarische Befunde 285
TH
BB
BY
520 ST 510 RP
MV
440
450
460
470
480
NI
490
SL
BE
signifikant verschieden vom dt. Mittelwert im Ländervergleich 2012
signifikant verschieden vom dt. Mittelwert im Ländervergleich 2012 und 2009
BW 510
520
530
HH
490
keine signifikanten Unterschiede
signifikant verschieden vom dt. Mittelwert im Ländervergleich 2009
SH 500 HE 500
NW 480
HB 470
460
Englisch Hörverstehen im Ländervergleich 2009 Anmerkung. BB = Brandenburg, BE = Berlin, BW = Baden-Württemberg, BY = Bayern, HB = Bremen, HE = Hessen, HH = Hamburg, MV = Mecklenburg-Vorpommern, NI = Niedersachsen, NW = Nordrhein-Westfalen, RP = RheinlandPfalz, SH = Schleswig-Holstein, SL = Saarland, SN = Sachsen, ST = Sachsen-Anhalt, TH = Thüringen.
Abb. 7.5: Mittelwerte der Bundesländer im Fach Mathematik (Globalskala) im IQB-Ländervergleich 2012 und im Fach Englisch (Kompetenzbereich Hörverstehen) im IQB-Ländervergleich 2009 (Roppelt et al. 2013, 139)
139
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286 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung
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7.4 Bildungsmonitoring in der Diskussion So interessant Befunde wie die in Abschnitt 7.3 dargestellten auch sein mögen – nutzen sie tatsächlich der Politik und der Bildungspraxis? Helfen sie bei der Qualitätsentwicklung, oder beschreibt die vorgebliche Bauernweisheit „Vom Wiegen wird die Sau nicht fetter“ doch die Grenzen der Verfahren, wie es die Lehrergewerkschaft GEW ausdrückte (Magere Ergebnisse für die „Bildungsrepublik“ 2010)? Die GEW meinte im Sommer 2010 feststellen zu können: „Auch zehn Jahre nach der ersten PISA-Studie gibt es keine substanziellen Verbesserungen im deutschen Schulsystem“. Die PISA-Ergebnisse, die kurz darauf veröffentlicht wurden, belegten hingegen einen im internationalen Vergleich beachtlichen Anstieg des Leistungsniveaus und eine Verringerung sozialer Disparitäten zwischen den Jahren 2000 und 2009 (Klieme et al. 2010; ► Abb. 7.4). Der Kontrast illustriert, dass Bildungsmonitoring dazu beitragen kann, Vorurteile über das Bildungssystem zu korrigieren. Die Frage, inwieweit die mit Bildungsmonitoring verfolgten Ziele tatsächlich erreicht werden und welche unerwünschten Nebenfolgen mit einem solchen Beobachtungssystem möglicherweise verbunden sind, wird indes sowohl international als auch national kritisch diskutiert. Insbesondere in Deutschland sind Teile dieser Diskussion wenig differenziert, gelegentlich auch unsachlich und polemisch. Einzelne Autorinnen und Autoren halten die Erfassung von Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit Tests grundsätzlich für den falschen Weg und betrachten die Einführung von Maßnahmen des Bildungsmonitorings als Baustein einer allgemeinen Ökonomisierung des Bildungssystems und der erziehungswissenschaftlichen Forschung (z. B. Radtke 2015, 2016). Ausgehend von den Aktivitäten der OECD im Bildungsbereich hätten demzufolge die Bildungspolitik, die Empirische Bildungsforschung sowie einzelne Stiftungen in Deutschland eine Allianz gebildet, die mit ihrer neo-liberalen Orientierung die Ziele und Steuerung schulischer Systeme an der Logik des Marktes ausrichtet. Es ginge dabei nicht mehr um Bildung, sondern um ökonomisch verwertbare Kompetenzen. Ferner würde die Allianz dafür sorgen, dass andere Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft verdrängt und Kritikerinnen und Kritiker der aktuellen Entwicklungen marginalisiert werden, wie es etwa Radtke (2015, 14) pointiert formuliert: „Abweichler oder Opponenten, die in der alten Rolle der intellektuellen Kritik an den Universitäten verharren, werden wo möglich disziplinär als Häretiker marginalisiert und medial ignoriert.“ Solche Globalkritiken (vgl. z. B. auch Casale et al. 2010; Jahnke und Meyerhöfer 2006; Klein 2016) schreiben dem Bildungsmonitoring in der Regel schwerwiegende Folgen zu, zum Beispiel, dass das Bildungsmonitoring zu einer Ökonomisierung und Entdemokratisierung von Bildungssystemen führe oder die pädagogische Arbeit durch eine „Testeritis“ unmöglich gemacht werde. Zur Stützung dieser Kritik wird eine Vielzahl von Beobachtungen aus Politik, Presse und Schulalltag angeführt. Eine wissenschaftliche oder zumindest systematisch abwägende Auseinander-
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Bildungsmonitoring in der Diskussion 287 setzung mit dem Gegenstand, die auch andere Positionen einbezieht, findet nicht statt. Mit wissenschaftlichen Methoden erhobene Belege für Behauptungen fehlen meist vollständig. Zudem kommt es nicht selten vor, dass der Gegenstand der Kritik, um den es geht, in irreführender Weise verkürzt oder gar falsch dargestellt wird. Beispielsweise widersprechen die in Abbildung 7.3 dargestellten Ergebnisse der Behauptung, in Deutschland sei eine Testeritis ausgebrochen. Ein weiteres Beispiel für eine unangemessene Pauschalabrechnung ist die breit rezipierte Kritik der PISAStudie und ihrer vermeintlichen Folgen von Münch (2009), deren Mängel in der sachlichen Fundierung und Argumentation Klieme (2011) ausführlicher diskutiert. Dass die Art der Auseinandersetzung einzelner Autorinnen und Autoren mit dem Bildungsmonitoring aus wissenschaftlicher Sicht fragwürdig ist, bedeutet freilich nicht, dass keiner der vorgebrachten Kritikpunkte diskussionswürdig wäre. Im Folgenden wird auf die Frage eingegangen, inwieweit die Rückmeldung von Daten, die das Bildungsmonitoring liefert, für die Weiterentwicklung von Bildungsqualität nützlich ist. Jenseits der Polemiken und Pauschalkritik liegen zu dieser Frage differenzierte Analysen vor, die im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden sollen. Dabei wird wiederum zwischen der Ebene des Systems und der Ebene der einzelnen Schule beziehungsweise Klasse unterschieden. Es werden jeweils der aktuelle Forschungsstand und offene Fragen skizziert. Der Abschnitt schließt ab mit zentralen Herausforderungen des Bildungsmonitorings in Deutschland. 7.4.1 Was bringt das Bildungsmonitoring für die Qualitätssicherung auf der Ebene des Systems? Zur Frage, inwieweit das Bildungsmonitoring tatsächlich zur Sicherung und Steigerung der Qualität von Schule beiträgt, liegen einige Analysen vor, die sich theoretisch und empirisch mit möglichen Wirkungen und Nebenwirkungen der Rückmeldung von Leistungsmessungen auseinandersetzen. Auf der Ebene des Systems wurde in der öffentlichen Diskussion der Ergebnisse von PISA, IGLU und TIMSS sowie der IQB-Ländervergleichsstudien beziehungsweise IQB-Bildungstrends in den letzten Jahren zunehmend die Frage aufgeworfen, ob diese Studien tatsächlich Informationen liefern können, die für die Bildungspolitik relevant sind. So wird etwa argumentiert, die Untersuchungen würden keine neuen Erkenntnisse erbringen, sondern lediglich die bereits bekannten Rangfolgen der Staaten beziehungsweise Bundesländer replizieren. Dies geschehe, ohne gesicherte Aussagen darüber treffen zu können, worauf die beobachteten Unterschiede zwischen Staaten oder Bundesländern zurückzuführen sind und wie die Bildungsqualität verbessert werden könnte (vgl. z. B. Kerstan und Spiewak 2013; GEW 2012). Diese Kritik ist durchaus berechtigt, lässt allerdings außer Acht, dass Studien zum Systemmonitoring primär beschreibende Funktion haben. Ihre Daten liefern regelmäßige Bestandsaufnahmen, die durch die Identifizierung von Stärken und Schwächen Hinweise auf Problemfelder geben können, in denen Handlungsbedarf besteht. Diese Art von Beschreibungswissen gibt
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288 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung zunächst keinen Aufschluss darüber, worauf die zwischen Bildungssystemen beobachteten Unterschiede und Veränderungen über die Zeit zurückzuführen sind (Erklärungswissen) und welche Schritte unternommen werden sollten, um angestrebte Optimierungen herbeizuführen (Handlungswissen) (vgl. Bromme et al. 2014; Prenzel 2010). So können die Daten zwar mittels fortgeschrittener statistischer Verfahren genutzt werden, um mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren (vgl. z. B. Ehmke et al. 2013; Hanushek et al. 2013; Mildner et al. 2013; Richter et al. 2014). Aufgrund der Komplexität von Bildungssystemen und des Querschnittsdesigns2 der Studien ist es jedoch kaum möglich, die Effekte einzelner Faktoren auf die beobachteten Erträge beziehungsweise deren Veränderungen über die Zeit zu isolieren und zu beziffern (Stanat und Lüdtke 2008). Das über die Beschreibung hinausgehende Erkenntnispotenzial im Sinne eines Erklärungswissens kann man allerdings durch Erweiterungen der Untersuchungsdesigns, wie etwa Längsschnittkomponenten oder Videoanalysen, erhöhen. Gute Beispiele hierfür sind die im Zusammenhang mit TIMSS 1995 durchgeführten Videostudien (Klieme et al. 2001) oder die an PISA 2003 in Deutschland angeschlossene Längsschnittuntersuchung3 COACTIV. Letztere beschäftigte sich mit der Bedeutung des Professionswissens von Lehrkräften in Mathematik für Unterrichtsqualität und mathematische Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern (vgl. Kunter et al. 2011). Dass Studien zum Bildungsmonitoring primär Beschreibungswissen liefern, wirft die Frage auf, inwieweit dieses Wissen tatsächlich genutzt wird, um bildungspolitische Entscheidungen zu optimieren, etwa indem die Bildungspolitik gezielt in den identifizierten Problemfeldern aktiv wird, um Verbesserungen zu erreichen. Hierzu liegen bislang kaum systematische Analysen vor. Eine Ausnahme bilden die Fallstudien, die Tillmann et al. (2008) zu vier Bundesländern (Brandenburg, Bremen, RheinlandPfalz und Thüringen) durchgeführt haben, um zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Ergebnisse von PISA 2000 politische Entscheidungsprozesse beeinflusst haben. In den Fallstudien wurde anhand von Presseveröffentlichungen, relevanten Dokumenten (z. B. parlamentarische Anfragen, Ministerreden) und Experteninterviews (z. B. mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Bildungsministerien) analysiert, wie sich die Diskussion bestimmter bildungspolitischer Themen in den Ländern im Zusammenhang mit PISA 2000 entwickelt hat. Der Beobachtungszeitraum begann im August 2001, also mehrere Monate vor Veröffentlichung des Berichts über die PISA-Ergebnisse, und endete im Dezember 2002. Das Hauptergebnis der Studie bestand darin, dass die bildungspolitischen Entwicklungen, die ohnehin schon in den jeweiligen Ländern angebahnt worden waren – z. B. die Einführung beziehungsweise Ausweitung zentraler Prüfungen, der Ausbau von Ganztagsschulen oder Veränderun2 Querschnitterhebung heißt, dass an einem Zeitpunkt bzw. innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine
Stichprobe einmalig untersucht wird. 3 Längsschnitterhebung heißt, dass dieselbe Stichprobe zu mehreren Zeitpunkten untersucht wird und
die Ergebnisse der einzelnen Erhebungswellen miteinander verglichen werden können.
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Bildungsmonitoring in der Diskussion 289 gen in der Schulstruktur – nach der Veröffentlichung des PISA-Berichts weitergeführt und nunmehr zusätzlich mit Ergebnissen aus PISA legitimiert wurden. Die Analyse von Tillmann et al. (2008) bezog sich auf die Ergebnisse im Umfeld der ersten PISA-Studie und damit auf eine Zeit, in der das Bildungsmonitoring in Deutschland noch recht neu war. Inwieweit sich die Nutzung von Ergebnissen aus den großen Schulleistungsstudien auf der Systemebene im Laufe der Zeit gewandelt hat, wurde nicht systematisch untersucht. Dabei wäre vor allem die Frage interessant, ob und in welcher Weise Bildungspolitik auf nachgewiesene Problemlagen in ihrem jeweiligen Bundesland reagiert: Was genau wurde zum Beispiel in Reaktion auf die vergleichsweise geringen Leistungen von Schülerinnen und Schüler im Fach Englisch unternommen, die im IQB-Ländervergleich 2009 für die ostdeutschen Ländern identifiziert wurden (Köller et al. 2010; ► Abb. 7.5)? Oder wie wird aufseiten der Bildungspolitik auf den insgesamt hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern im Primarbereich reagiert, die im IQB-Ländervergleich 2011 in den Stadtstaaten die Mindeststandards verfehlt haben (Stanat et al. 2012)? Die Trendschätzungen, die internationale Studien (► Abb. 7.4) und seit dem Jahr 2015 auch die Ländervergleichsstudien des IQB liefern, können Anhaltspunkte dafür geben, inwieweit die jeweiligen Maßnahmen zu Veränderungen geführt haben. Kausalaussagen darüber, was genau zu den beobachteten Veränderungen, z. B. den im IQB-Bildungstrend identifizierten positiven Trend im Fach Englisch, geführt hat, werden aber anhand von Ergebnissen aus Studien zum Bildungsmonitoring nicht möglich sein. 7.4.2 Was bringt das Bildungsmonitoring für die Qualitätssicherung auf der Ebene der einzelnen Schule und Klasse? Für die Ebene von Schulen und Klassen ist der empirische Forschungsstand zur Frage, wie Rückmeldungen von Leistungsergebnissen wahrgenommen und genutzt werden, deutlich umfangreicher als für die Ebene der Bildungspolitik und -administration. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist es allerdings wichtig, zwischen Analysen zu unterscheiden, die sich auf high-stakes testing einerseits und auf lowstakes testing andererseits beziehen. Wie in Abschnitt 7.2.2 bereits erwähnt, handelt es sich bei den Vergleichsarbeiten in Deutschland um low-stakes Tests, deren Funktion gemäß Vereinbarung der KMK (2012b) primär in der Unterrichts- und Schulentwicklung besteht. Die Ergebnisse der einzelnen Schulen werden weder veröffentlicht noch müssen Schulleitungen oder Lehrkräfte mit Sanktionen rechnen, wenn ihre Schülerinnen und Schüler schwache Leistungen erzielen. Der sehr umfangreiche Forschungsstand aus den USA zu Effekten von Leistungsmessungen, deren Ergebnisse für Schulen und Lehrkräfte erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen können, lässt sich daher nicht direkt auf die deutsche Situation übertragen. Dieser grundlegende Unterschied in der Anlage von high-stakes und low-stakes Tests wird in der deutschsprachigen Literatur nicht selten außer Acht gelassen, vermutlich auch deshalb, weil zu Wirkungen von Bildungsmonitoring mit low-stakes testing bislang kaum Studien vorliegen (vgl. Maier und Kuper 2012).
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290 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung Dass die Vergleichsarbeiten primär der Unterrichts- und Schulentwicklung und nicht als Kontrollinstrument dienen sollen, bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass Lehrkräfte die Tests auch entsprechend wahrnehmen. Um dies zu prüfen, wurden im Rahmen des IQB-Ländervergleichs 2011 Grundschullehrkräfte zu den von ihnen wahrgenommenen Funktionen von VERA befragt. Ein Teil der Fragen bezog sich dabei auf die wahrgenommene Funktion der Unterrichtsentwicklung, ein anderer Teil auf die wahrgenommene Funktion der Kontrolle (vgl. Richter und Böhme 2014; Richter et al. 2014). Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass zwar ein Großteil (ca. zwei Drittel) der Lehrkräfte VERA als Diagnoseinstrument nutzt, um Aufschluss über die Stärken und Schwächen ihrer Schülerinnen und Schüler zu erhalten, und etwas mehr als die Hälfte der Lehrkräfte der Auffassung ist, dass die Vergleichsarbeiten Anregungen zum pädagogischen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen geben. Allerdings scheint nicht einmal ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer den Eindruck zu haben, dass die Ergebnisse aus VERA wichtige Hinweise darauf geben, wie Unterricht optimiert werden kann (vgl. Richter und Böhme 2014). Dies unterstreicht erneut die Annahme, dass die Rückmeldung von Ergebnissen aus Leistungstests allein nicht ausreicht, um Prozesse der Unterrichtsentwicklung auszulösen (z. B. vgl. Dedering 2011; Hellrung und Hartig 2013; Oelkers und Reusser 2008). Als Kontrollinstrument scheinen Lehrkräfte die Vergleichsarbeiten allerdings auch nicht allgemein wahrzunehmen. Zwar gaben im IQB-Ländervergleich 2011 mehr als die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer an, dass die VERA-Ergebnisse von der Schulaufsicht verwendet werden, um sich ein Bild darüber zu verschaffen, welche Leistungen in den Schulen jeweils erreicht werden. Der Aussage, die Vergleichsarbeiten würden zur Kontrolle der Arbeit von Lehrkräften oder zur Einschätzung der Unterrichtsqualität einzelner Lehrkräfte durch die Schulleitung dienen, stimmte jedoch nur ein Drittel beziehungsweise ein Fünftel der Lehrerinnen und Lehrer zu (vgl. Richter und Böhme 2014). Lehrkräfte scheinen also den potenziellen Nutzen von Vergleichsarbeiten unterschiedlich einzuschätzen (vgl. für einen Überblick Altrichter 2010), wobei die Einstellungen zu VERA zwischen den Ländern erheblich variieren. So stimmten im IQB-Ländervergleich 2011 innerhalb der Bundesländer zwischen lediglich 20 % und mehr als 80 % der Lehrkräfte der Aussage zu, Vergleichsarbeiten in der 3. Jahrgangsstufe sollten regelmäßig durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die Befundlage zur Frage, inwieweit standardbasierte Tests zu Leistungssteigerungen bei Schülerinnen und Schülern führen, uneinheitlich ist (vgl. für einen Überblick Maag Merki 2010). Ob und in welcher Weise Feedback aus Leistungserhebungen für die Unterrichtsentwicklung genutzt wird, hängt unter anderem von den Einstellungen der Akteurinnen und Akteure zu datengestützten Rückmeldungen ab und von ihren Kompetenzen im Umgang mit solchen Rückmeldungen, wobei Ergebnisse internationaler Studien darauf hinweisen, dass den Schulleitungen dabei eine zentrale Rolle zukommt (vgl. Bayer et al. 2016; Levin und Datnow 2012).
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Bildungsmonitoring in der Diskussion 291 7.4.3 Was sind zentrale Herausforderungen des Bildungsmonitorings in Deutschland? Grundsätzlich haben sich Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung in Deutschland etabliert, wobei das Bildungssystem in Deutschland von high-stakes-Varianten der Rechenschaftslegung (auch: accountability), wie sie vor allem in angelsächsischen Ländern üblich sind, weit entfernt ist. Wenn es in Deutschland um Maßnahmen und Institutionen des Bildungsmonitorings geht, wird häufig von Qualitätsentwicklung gesprochen. Dabei ist intendiert, dass Qualitätssicherung so gestaltet werden soll, dass sie tatsächlich nachhaltig mit Qualitätsentwicklung einhergeht. Eingelöst ist diese Absicht bislang noch nicht. Insgesamt stellen sich folgende Herausforderungen: Beschreibungs-, Erklärungs- und Handlungswissen: Wie in Abschnitt 7.4.1 diskutiert, liefert Bildungsmonitoring in erster Linie Beschreibungswissen. Sowohl die Bildungspraxis als auch zunehmend die Bildungspolitik fordern jedoch belastbares Erklärungs- und Handlungswissen ein. Dies erfordert zum einen, die Designs der Studien zu ergänzen oder zu variieren, um sie aussagefähiger zu machen, vor allem um Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen des Systems analysieren zu können: individuelle Lernentwicklungen und Bildungsverläufe, Schulentwicklung sowie Trends auf der Systemebene. Zum anderen müssen aber auch die Grenzen groß angelegter repräsentativer Studien beachtet werden: sie bedürfen einer Ergänzung durch vertiefende (auch qualitative) Beobachtung und systematische (auch experimentelle) Interventionen. Datengestütztes und evidenzbasiertes Handeln: Die Verfahren der Qualitätssicherung, speziell das Bildungsmonitoring, dienen der Systemsteuerung und dem professionellen pädagogischen Handeln, indem sie Daten bereitstellen, die Ausgangspunkt von Reflexion und Veränderung sein können. Zentrale Voraussetzung hierfür ist die Wahrnehmung und Nutzung von Feedback durch alle Beteiligten – auch hier besteht Optimierungsbedarf (► 7.4.2). Von diesem datengestützten Handeln ist evidenzbasiertes Handeln zu unterscheiden, etwa eine evidenzbasierte Schul- und Unterrichtsentwicklung, wie sie die KMK fordert (vgl. KMK 2015, 13). Die bezieht sich darauf, dass Praxis (Lehrkräfte und Schulen), Politik und Verantwortliche der Bildungsadministration ihr Handeln danach ausrichten, was sich beispielsweise in experimentellen oder quasi-experimentellen Studien als besonders wirkungsstark erwiesen hat. Voraussetzung für evidenzbasiertes Handeln ist also vor allem eine systematische, mit Experimental- und Kontrollgruppen versehene Evaluation von Programmen und Maßnahmen. Meta-Analysen und Systematic Reviews fassen dann Einzelbefunde zusammen und helfen dabei, erfolgversprechende Strategien auszuwählen, die anhand einer breiteren empirischen Basis als bewährt erachtet werden können. Doch auch wenn solche Designs als Goldstandard gelten, um die Wirksamkeit von Maßnahmen zu belegen, lassen sie in der Regel offen, welche Wirkmechanismen im Einzelnen zum Erfolg geführt haben (vgl. Wolff 2016), und für jede neue Anwendung gilt es,
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292 Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung die Maßnahmen an die jeweiligen Rahmenbedingungen anzupassen. Somit ist Evidenzbasierung kein Ersatz für die fortlaufende Auseinandersetzung mit der jeweils spezifischen eigenen Lehr-Lern-Situation. Dennoch wäre es notwendig, dass sich datengestütztes Monitoring und Evidenzbasierung im Bildungswesen ergänzen. Fortlaufende, integrierte Prozessbegleitung: Schulentwicklung ist ein langjähriger Prozess, der Monitoring- beziehungsweise Evaluationsbefunde nutzen und von Unterstützungs- und Fortbildungsangeboten begleitet werden sollte. Aus der Schulentwicklungsforschung ist bekannt, dass es auf die kohärente Abstimmung (auch: alignment) der verschiedenen Maßnahmen und ihrer Rückmeldesysteme ankommt. Leider stehen in Deutschland die Daten der amtlichen Statistik, das Systemmonitoring, die Schulinspektion und die Schulaufsicht eher unverbunden nebeneinander. Jungkamp (2016, 66) fordert daher, dass „Schulaufsicht und Schulen bei der Nutzung von Leistungsrückmeldungen aus Schulleistungsstudien und Vergleichsarbeiten nach wie vor unterstützt werden [müssen]. Aus Evaluationsbefunden Schritte zur Schul- und Unterrichtsentwicklung abzuleiten, ist keineswegs trivial.“ Ziel der Politik muss es allerdings sein, für eine Einbettung von Rückmeldesystemen in ein kohärentes System der Qualitätsentwicklung zu sorgen (vgl. Jungkamp und John-Ohnesorg 2016; Klieme et al. 2005; Merkens 2016).
Kernreferenzen • Ackeren, I. van, Klemm, K. & Kühn, S. M. (2015). Entstehung, Struktur und Steuerung des deutschen Schulsystems. Eine Einführung. (3., überarb. u. akt. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. • Altrichter, H. & Maag Merki, K. (Hrsg.) (2010). Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. • Maritzen, N. (2011). On the advantage and disadvantage of educational monitoring in a federal system. In I. Gogolin, J. Baumert & A. Scheunpflug (Hrsg.), Transforming education. Large-scale reform projects in education systems and their effects [Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 13], 117135. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Literatur Ackeren, I. van, Klemm, K. & Kühn, S. M. (2015). Entstehung, Struktur und Steuerung des deutschen Schulsystems. Eine Einführung. (3., überarb. u. akt. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS. Altrichter, H. (2010). Schul- und Unterrichtsentwicklung durch Datenrückmeldung. In H. Altrichter & K. Maag Merki (Hrsg.), Handbuch neue Steuerung im Schulsystem, 219-254. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Altrichter, H. & Maag Merki, K. (Hrsg.) (2010). Handbuch neue Steuerung im Schulsystem. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
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Literatur 293 Asbrand, B., Heller, N. & Zeitler, S. (2012). Die Einführung von Bildungsstandards in das deutsche Bildungssystem. In S. Zeitler, N. Heller & B. Asbrand (Hrsg.), Bildungsstandards in der Schule. Eine rekonstruktive Studie zur Implementation der Bildungsstandards, 11-22. Münster u. a.: Waxmann. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016). Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bielefeld: Bertelsmann. Verfügbar unter http:// www.bildungsbericht.de (Zugriff am 04.12.2018). Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2018). Bildung in Deutschland 2018. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Wirkungen und Erträgen von Bildung. Bielefeld: Bertelsmann. Verfügbar unter http://www.bildungsbericht.de (Zugriff am 04.12.2018). Baumert, J., Bos, W. & Lehmann, R. H. (Hrsg.) (2000). TIMSS/III: Dritte Internationale Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie – Mathematische und naturwissenschaftliche Bildung am Ende der Schullaufbahn. Band I: Mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung am Ende der Pflichtschulzeit. Opladen: Leske + Budrich. Baumert, J., Lehmann, R. H., Lehrke, M., Schmitz, B., Clausen, M., Hosenfeld, I., Köller, O. & Neubrand, J. (1997). TIMSS – Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht im internationalen Vergleich. Deskriptive Befunde. Opladen: Leske + Budrich. Baumert, J., Klieme, E., Neubrand, M., Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W., Stanat, P., Tillmann, K. J. & Weiß, M. (2001). PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich. Bayer, S., Klieme, E. & Jude, N. (2016). Assessment and evaluation in educational contexts. In S. Kuger, E. Klieme, N. Jude & D. Kaplan (Hrsg.), Assessing contexts of learning: An international perspective, 471-490. Heidelberg: Springer. Blum, W., Drüke-Noe, C., Hartung, R. & Köller, O. (2010). Bildungsstandards Mathematik: Konkret. Sekundarstufe I: Aufgabenbeispiele, Unterrichtsanregungen, Fortbildungsideen. Berlin: Cornelsen. BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (Hrsg.) (2007). Bekanntmachung des Verwaltungsabkommens über das Zusammenwirken von Bund und Ländern gemäß Artikel 91b Abs. 2 des Grundgesetzes (Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich). Vom 04.06.2007. Verfügbar unter http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Bildung/AllgBildung/ Verwaltungsabkommen-2007-06-13-Bundesanzeiger.pdf (Zugriff am 11.07.2017). BMBF (Hrsg.) (2018). Berufsbildungsbericht 2018. Paderborn. Verfügbar unter https://www.bmbf.de/ pub/Berufsbildungsbericht_2018.pdf (Zugriff am 11.12.2018). Bromme, R., Prenzel, M. & Jäger, M. (2014). Empirische Bildungsforschung und evidenzbasierte Bildungspolitik. Eine Analyse von Anforderungen an die Darstellung, Interpretation und Rezeption empirischer Befunde. In R. Bromme & M. Prenzel (Hrsg.), Von der Forschung zur evidenzbasierten Entscheidung: Die Darstellung und das öffentliche Verständnis der empirischen Bildungsforschung [Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 27], 3-54. Wiesbaden: Springer VS. Casale, R., Röhner, C., Schaarschuch, A. & Sünker, A. (2010). Entkoppelung von Lehrerbildung und Erziehungswissenschaft: Von der Erziehungswissenschaft zur Bildungswissenschaft. Erziehungswissenschaft, 21(41), 43-66. Dedering, K. (2011). Hat Feedback eine positive Wirkung? Zur Verarbeitung extern erhobener Leistungsdaten in Schulen. Unterrichtswissenschaft, 39(1), 61-81. Deutscher Bildungsrat (Hrsg.) (1975). Bericht ´75 – Entwicklungen im Bildungswesen. Bonn: Bundesdruckerei. Deutscher Bildungsrat (Hrsg.) (1970). Empfehlungen der Bildungskommission. Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart: Klett. Diemer, T., Hartung-Beck, V. & Kuper, H. (2013). Die Abnehmerperspektive: Rückmeldeforschung im Kontext schulischer Evaluation mittels zentraler Lernstandserhebungen. In M. Rürup & I. Bormann (Hrsg.), Innovationen im Bildungswesen: Analytische Zugänge und empirische Befunde, 173-188. Wiesbaden: Springer VS. Ditton, H. (2008). Qualitätssicherung in Schulen. In E. Klieme & R. Tippelt (Hrsg.), Qualitätssicherung im Bildungswesen. Eine aktuelle Zwischenbilanz [Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 53], 36-58. Weinheim: Beltz.
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8 Bildungserwerb nach sozialer Herkunft, Migrationshintergrund und Geschlecht Kai Maaz und Hanna Dumont
Zusammenfassung Ein zentrales Ziel moderner Bildungssysteme ist es, jeder Person unabhängig von zugeschriebenen (von der Person nicht beeinflussbaren) Merkmalen wie der sozialen Herkunft, dem Migrationshintergrund und dem Geschlecht die gleichen Bildungschancen zu ermöglichen. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass der Zugang zu Bildung sowie der Bildungserfolg in Form von Bildungsabschlüssen und Kompetenzen nicht unabhängig von diesen Merkmalen sind. Soziale Bildungsungleichheiten erweisen sich dabei als außerordentlich beständig. Die großen internationalen Schulleistungsuntersuchungen der IEA und der OECD haben dies seit Ende der 1990er Jahre deutlich gezeigt und dem deutschen Bildungssystem ein beträchtliches Gerechtigkeitsdefizit attestiert. Auch im vorschulischen und nachschulischen Bereich gibt es ausgeprägte soziale Bildungsungleichheiten. Trotz positiver Veränderungen sind soziale Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung und im Kompetenzerwerb in allen Bildungsbereichen nach wie vor stark ausgeprägt, insbesondere weil von der anhaltenden Bildungsexpansion nicht nur benachteiligte Gruppen, sondern alle sozialen Herkunftsgruppen profitieren. Große Bildungsungleichheiten bestehen ebenfalls nach Migrationshintergrund in allen Bildungsbereichen fort: Trotz positiver Entwicklungen ist die Distanz in der Bildungsbeteiligung und den Bildungsergebnissen zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund in allen Bildungsbereichen nahezu stabil geblieben. Ein Teil der Benachteiligung aufgrund des Migrationshintergrunds resultiert aus dem starken Zusammenhang von sozialer Herkunft und Migrationshintergrund. In einigen Bildungsbereichen – wie beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I – können Ungleichheiten nach Migrationshintergrund vollständig durch die soziale Herkunft erklärt werden. Das bedeutet, dass die beobachtbaren Unterschiede keine Form institutionalisierter Diskriminierung sind, sondern hier Bildungsungleichheiten insbesondere aufgrund von Leistungsdifferenzen nach sozialer Herkunft verursacht werden.
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300 Bildungserwerb Schließlich lassen sich in allen Bildungsbereichen Ungleichheiten nach dem Geschlecht beobachten. Das Bild für Bildungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen ist jedoch weniger einheitlich als bei den Ungleichheiten nach sozialer Herkunft und Migrationshintergrund. Dies bezieht sich sowohl auf die verschiedenen Indikatoren des Bildungserfolgs (Kompetenzen und Bildungsabschlüsse) als auch auf die verschiedenen Bildungsbereiche. Während in den frühen Bildungsbereichen Mädchen in Bezug auf die Beteiligung an institutionalisierter Bildung Jungen gegenüber im Vorteil sind, kehrt sich dies ab der postsekundaren Bildung um. Im Studium finden sich sowohl in der Beteiligung insgesamt als auch in der Wahl des Studienfachs Ungleichheiten zuungunsten der Frauen. Bei den Kompetenzen lässt sich ebenfalls kein einheitliches Bild zeichnen: Hier variieren die Vorteile von Mädchen versus Jungen in Abhängigkeit der Wissensdomäne. So haben Mädchen Vorteile in sprachlichen Domänen und Jungen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Domänen.
8.1 Einführung Bildung ist aus individueller wie gesellschaftlicher Sicht ein wertvolles Gut, da sie die Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben ermöglicht und langfristige Auswirkungen auf individuelle Lebenschancen hat. Dies zeigt sich insbesondere in postindustriellen Gesellschaften, in denen durch den Anstieg der Qualifikationsanforderungen die Nachfrage an höherer Bildung deutlich gestiegen ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Über den Zugang zu Bildung und den daraus resultierenden Kompetenzen und Bildungsabschlüssen (auch Zertifikate genannt) wird entscheidend mitbestimmt, wo sich Menschen im sozialstrukturellen Gefüge der Gesellschaft etablieren können. Nicht ausschließlich, aber doch wesentlich über Bildung wird der Zugang zu beruflichen Positionen, Einkommen, Prestige und Macht als den Basisdimensionen sozialer Ungleichheit mitbestimmt (vgl. Hradil 2001). Ungeachtet dieser Statuszuweisungsfunktion ist Bildung auch aus gesellschaftlicher Sicht ein wertvolles Gut. Die Möglichkeit, eine gute Bildung zu erhalten, sollte allen offen stehen – ohne Vor- oder Nachteile für bestimmte Personengruppen. Dies wird auch im Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes von Deutschland (Art. 3 GG) formuliert. Gefordert wird ein gleichberechtigter Zugang zu Bildungsinstitutionen, unabhängig von sozialer, ethnischer oder regionaler Herkunft, Geschlecht, Glauben, religiösen oder politischen Anschauungen. Diese Merkmale werden auch als askriptive oder zugeschriebene Merkmale bezeichnet, da sie – im Unterschied zu erworbenen Merkmalen (wie beispielsweise Arbeitserfahrungen) – von Individuen nicht veränderbar sind. Die Bildungs- und Sozialstrukturforschung hat jedoch gezeigt, dass dieser Grundsatz nicht der sozialen Wirklichkeit in Deutschland entspricht und sich in allen Bildungsbereichen Ungleichheiten
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 301 nach sozialer Herkunft, Migrationshintergrund und Geschlecht finden lassen, wie im vorliegenden Beitrag dargestellt wird. Bei der Analyse von Bildungsungleichheiten wird der Zusammenhang zwischen Bildungserwerb und solchen zugeschriebenen Merkmalen von Individuen untersucht. Während Bildungsungleichheiten auch als Ergebnisungleichheiten verstanden werden können, werden im vorliegenden Beitrag Bildungsungleichheiten als Chancenungleichheiten verstanden, d. h. als ungleiche Bildungschancen von Personen mit unterschiedlichen zugeschriebenen Merkmalen. Häufig wird dabei das Leistungsprinzip, welches als zentrales Element des deutschen Bildungssystems gilt, herangezogen (siehe Hradil 2001). Das heißt, Unterschiede in Kompetenzen und Bildungsabschlüssen sollten nur aufgrund unterschiedlicher Leistungen bestehen und nicht wegen zugeschriebener Merkmale. Problematisch hieran ist jedoch, dass Leistungen und erworbene Kompetenzen häufig von zugeschriebenen Merkmalen wie der sozialen Herkunft von Personen abhängig sind. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über Bildungsungleichheiten in Abhängigkeit von drei zentralen zugeschriebenen Merkmalen: soziale Herkunft, Migrationshintergrund und Geschlecht. Es werden empirische Befunde sowie theoretische Erklärungen für die vorgefundenen Ungleichheiten dargestellt. Trotz der Tatsache, dass diese drei Merkmale häufig stark miteinander zusammenhängen, werden die Merkmale einzeln dargestellt, um die spezifischen Wirkmechanismen besser beleuchten zu können. Aufgrund der besonderen Bedeutung von Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft wird diesem Merkmal ein größeres Gewicht beigemessen (► 8.2 und 8.5). Ungleichheiten nach Migrationshintergrund werden in Abschnitt 8.3 thematisiert und Ungleichheiten nach Geschlecht in Abschnitt 8.4. Abschließend werden in Abschnitt 8.5 zukünftige Herausforderungen und Ansatzpunkte für den Abbau von Bildungsungleichheiten und damit für die Ausschöpfung der individuellen Bildungspotenziale unabhängig von seinen zugeschriebenen Merkmalen diskutiert. In den Darstellungen werden verschiedene Indikatoren des Bildungserwerbs verwendet: die erworbenen Kompetenzen und die Bildungsbeteiligung, d. h. die Partizipation an unterschiedlichen institutionalisierten Bildungsangeboten und die daraus resultierenden Bildungsabschlüsse. Die Betrachtung beider Dimensionen ist für einen genaueren Blick auf Ungleichheiten des Bildungserwerbs notwendig, auch wenn diese eng miteinander zusammenhängen.
8.2 Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft Die Auseinandersetzung mit Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft als sozial- und bildungspolitisches Problem ist verstärkt seit den 1960er Jahren zu beobachten (vgl. Maaz, Baumert und Cortina 2008). Während zu dieser Zeit Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung im Vordergrund standen – so zeigten
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302 Bildungserwerb beispielsweise verschiedene Studien dieser Zeit, dass der Besuch weiterführender Schulen abhängig von der sozialen Schicht ist (vgl. Dahrendorf 1965) –, wurden im Rahmen der großen internationalen Leistungsvergleichsstudien der jüngeren Zeit (z. B. Programme for International Student Assessment PISA, Trends in International Mathematics and Science Study TIMSS, Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung/Progress in International Reading Literacy Study IGLU/PIRLS, Programme for the International Assessment of Adult Competencies PIAAC) verstärkt Ungleichheiten im Kompetenzerwerb in den Blick genommen. Bevor empirische Befunde zu diesen beiden Dimensionen des Bildungserwerbs dargestellt werden, soll zunächst auf die Definition und Erfassung des Merkmals der sozialen Herkunft eingegangen werden. 8.2.1 Definition und Erfassung von sozialer Herkunft Lange Zeit wurde in der Bildungsforschung die soziale Herkunft über die berufliche oder sozioökonomische Stellung der Eltern definiert, d. h. über deren Position in der gesellschaftlichen Hierarchie, basierend auf den verfügbaren finanziellen Mitteln, Macht oder Prestige. Während damit vor allem das „ökonomische Kapital“ im Elternhaus im Vordergrund stand, besteht aufgrund der Arbeiten von Bourdieu (1983) und Coleman (1988, 1996) mittlerweile Einigkeit darüber, dass das „kulturelle“ und „soziale Kapital“ gleichfalls wichtige Aspekte der sozialen Herkunft darstellen. Sie umfassen alle kulturellen bzw. sozialen Ressourcen, die die Handlungsmöglichkeiten von Personen erweitern und folglich auch ihre sozioökonomische Stellung positiv beeinflussen können. Nach Bourdieu kann kulturelles Kapital in drei Formen auftreten: (1) als verinnerlichtes (auch bezeichnet als inkorporiertes) Kapital in Form von Kompetenzen, Wertorientierungen und Einstellungen, (2) als Besitztum von kulturellen Gütern wie z. B. Bücher und (3) in institutionalisiertem Zustand z. B. in Form von Bildungsabschlüssen. Nach Bourdieu und Coleman lässt sich das soziale Kapital als dauerhaftes Netzwerk mehr oder weniger institutionalisierter sozialer Beziehungen verstehen. Es wird in der Familie, in Verwandtschaftsund Nachbarschaftsgruppen, in religiösen oder ethnischen Gruppen, in Vereinen, Betrieben oder politischen Parteien gebildet. Ähnlich wie diese theoretischen Konzepte hat auch die empirische Forschung darauf hingewiesen, dass die soziale Herkunft ein mehrdimensionales Merkmal ist. Dabei werden in der Regel mindestens die sozioökonomische Stellung und das Bildungsniveau der Eltern unterschieden (Cirino et al. 2002; Murdock 2000). Maße zur Erfassung der sozioökonomischen Stellung basieren auf Angaben über den Beruf, da dieser relativ verlässliche Informationen über Einkommensverhältnisse, Macht und soziale Anerkennung liefert (siehe Baumert und Maaz 2006; für einen Überblick zu verschiedenen Maßen der sozioökonomischen Stellung). Neben der Erfassung der sozioökonomischen Stellung werden als weiterer Indikator für das ökonomische Kapital häufig auch das Einkommen von Personen herangezogen oder die Auskunft darüber, ob eine Erwerbsbeteiligung vorliegt. Für die Erfassung
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 303 des Bildungsniveaus wird in der Regel der höchste erreichte Schulabschluss oder berufliche Abschluss verwendet. Sie gelten als wichtigste Indikatoren für das kulturelle Kapital. Als weitere Indikatoren für das kulturelle Kapital wird in der deutschen Bildungsforschung häufig die Anzahl der Bücher im Haushalt wie auch die kulturelle Praxis (Besuch von Theateraufführungen etc.) herangezogen (Baumert und Maaz 2006). Beispiele für bisher verwendete Indikatoren des sozialen Kapitals sind die Familienstruktur, die Eltern-Kind-Kommunikation oder elterliche Bildungsaspirationen (Dika und Singh 2002). Zur Strukturierung der verschiedenen Dimensionen der sozialen Herkunft haben Baumert, Watermann und Schümer (2003) die Unterscheidung zwischen familiären Struktur- und Prozessmerkmalen vorgeschlagen, die sich in vielen Arbeiten der deutschen Bildungsforschung inzwischen etabliert hat. Strukturmerkmale, wie beispielweise die sozioökonomische Stellung, wirken demzufolge nicht nur direkt auf den Bildungserwerb, sondern auch indirekt über familiäre Prozessmerkmale, wie die kulturelle und kommunikative Praxis in der Familie. Abbildung 8.1 stellt den Zusammenhang von Struktur- und Prozessmerkmalen in Bezug auf verschiedene Indikatoren des Bildungserwerbs dar.
Abb. 8.1: Struktur- und Prozessmerkmale der sozialen Herkunft (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Baumert, Watermann und Schümer 2003, 56)
8.2.2 Herkunftsbedingte Bildungsungleichheiten über den Lebensverlauf Da sich Bildungserwerbsprozesse je nach Altersstufe und institutioneller Einbindung unterscheiden und somit auch unterschiedliche Wirkmechanismen für die Erklärung von sozialen Disparitäten greifen, werden die verschiedenen Phasen des Lebensverlaufs getrennt voneinander dargestellt.
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304 Bildungserwerb Frühe Kindheit und vorschulischer Bereich Im frühkindlichen und vorschulischen Bereich werden zentrale Weichen für den Erwerb von kognitiven Kompetenzen gestellt (► Kap. 11). Dies ist einer der Gründe, warum die Lebensjahre vor dem Beginn der Schulpflicht hinsichtlich sozialer Ungleichheiten im Bildungserwerb von großer Bedeutung sind. In erster Linie spielen hier die unterschiedlichen Anregungsmilieus von Familien eine Rolle, da sie nach sozialer Herkunft variieren können und so die Entwicklung von kognitiven und nicht kognitiven Kompetenzen beeinflussen (► Kap. 4). Daher entwickeln sich in der frühkindlichen und vorschulischen Lebensphase eine Reihe von herkunftsbedingten Unterschieden in sogenannten „Vorläuferkompetenzen“, die für den späteren schulischen Kompetenzerwerb zentral sind. Beispielsweise konnte anhand von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) gezeigt werden, dass es bereits bei Fünfjährigen deutliche Unterschiede beim rezeptiven Wortschatz und dem Beherrschen der Grammatik in der deutschen Sprache – beides Vorläuferkompetenzen für späteren Schriftspracherwerb – zugunsten von Kindern aus Familien mit hohem allgemeinbildenden Schulabschluss gibt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 2016). Diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen äußern sich auch in den obligatorischen Feststellungen des Sprachstands von Kindern am Ende der Vorschulzeit. Auch hier finden sich auf der Grundlage der NEPS-Daten deutliche Unterschiede beim Anteil der in einem Sprachtest als sprachförderbedürftig diagnostizierten Fünfjährigen nach dem elterlichen Bildungsstand. Herkunftsbedingte Ungleichheiten des Kompetenzerwerbs, wie sie in den großen internationalen Grundschulstudien IGLU und PIRLS schon seit mehr als zehn Jahren gut dokumentiert sind, entstehen damit nicht erst in der Grundschule, sondern bestehen zu großen Teilen schon am Anfang der Schulzeit. Neben Unterschieden in familiären Anregungsmilieus ist auch die Partizipation an institutionalisierten Bildungs- und Betreuungsangeboten zu nennen – wenn man davon ausgeht, dass die professionelle Kindertagesbetreuung förderlich für die Entwicklung eines Kindes ist (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 2016; ► Kap. 11 und 12). Durch eine institutionalisierte Kindertagesbetreuung können familiär bedingte Kompetenzunterschiede von Kindern sowohl verstärkt als auch abgeschwächt werden. Zu einer Verstärkung der Unterschiede würde es kommen, wenn Kinder aus sozial privilegierten Familien, die häufiger in anregenden und fördernden Familienarrangements aufwachsen, zusätzlich an der Kindertagesbetreuung teilnehmen und Kinder aus sozial weniger privilegierten Familien, die zu Hause weniger gefördert werden, auch seltener an der Kindertagesbetreuung partizipieren. Ein ähnlicher Effekt würde eintreten, wenn Kinder aus sozial privilegierten Familien eine qualitativ höherwertige Kindertagesbetreuung erfahren als Kinder aus sozial schwachen Familien. Eine Verringerung von Kompetenzunterschieden wäre zum Beispiel dann zu erwarten, wenn Kinder aus weniger privilegierten Familien durch die Kindertagesbetreuung eine bessere Förderung erhalten würden als in ihrer Familie.
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 305 Die bisherigen Forschungsbefunde deuten insgesamt darauf hin, dass die Teilnahme an qualitativ hochwertigen Angeboten der Kindertagesbetreuung dazu beitragen kann, alle Kinder zu fördern und gleichzeitig herkunftsbedingte Unterschiede zu verringern (Rauschenbach und Züchner 2008). Allerdings unterscheiden sich die Beteiligungsquoten an Kindertagesbetreuung je nach sozialer Herkunft. Dabei müssen jedoch zwei Dinge unterschieden werden: zum einen die Beteiligung von unter dreijährigen Kindern und drei- bis unter sechsjährige Kindern und zum anderen die regionale Differenzierung in ost- und westdeutsche Bundesländer. Die Bildungsbeteiligung der drei- bis unter sechsjährigen Kinder liegt unabhängig von der betrachteten Region bei deutlich über 90 %. Für diese Altersgruppe kann demnach eine Vollbeteiligung konstatiert werden. Demnach besteht in Bezug auf die Beteiligung selbst auch keine soziale Benachteiligung mehr. Aussagen über Unterschiede in der Qualität sind damit noch nicht getroffen. Anders sieht es bei den unter dreijährigen Kindern aus. Hier variieren die Beteiligungsquoten sowohl zwischen den Regionen als auch zwischen den Altersgruppen (unter Einjährige, Einjährige und Zweijährige). Während von den Zweijährigen in Ostdeutschland im Jahr 2013 ca. 83 % eine Kindertageseinrichtung besuchten, waren es in Westdeutschland 47 %. Für diese Altersgruppe zeigt sich ein robuster und substanzieller Einfluss der sozialen Herkunft: Kinder aus sozial privilegierten Elternhäusern besuchen häufiger Kindertageseinrichtungen als Kinder aus sozial weniger privilegierten Familien (Fuchs-Rechlin und Bergmann 2014). Neben den institutionalisierten Angeboten der Kindertagesbetreuung gibt es weitere, sogenannte non-formale Bildungsangebote, die die Entwicklung von Kindern positiv beeinflussen können. Hierzu zählen sowohl hochkulturelle Aktivitäten wie die musikalische Früherziehung als auch alltagskulturelle Aktivitäten wie die Mitgliedschaft in einem Sportverein. Auch hier lassen sich anhand der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) Vorteile von Kindern aus Familien mit hohem allgemeinbildenden Bildungsstand feststellen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Zusammenfassend zeigen sich bereits im frühkindlichen Bereich zum Teil deutlich ausgeprägte Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft hinsichtlich des Erwerbs von Vorläuferkompetenzen, die Partizipation an Angeboten der Kindertagesbetreuung sowie an non-formalen Bildungsangeboten. Grundschulbereich Abgesehen von privaten Grundschulen (ca. 6 % der Grundschulen sind in privater Trägerschaft bei deutlichen Unterschieden zwischen den Bundesländern), besteht im Grundschulbereich keine ausgeprägte externe Differenzierung des Schulangebots. Aus diesem Grund stehen hier die bestehenden Unterschiede nach sozialer Herkunft im Kompetenzerwerb und nicht in der Bildungsbeteiligung im Vordergrund. Auch im Grundschulbereich ist der Kompetenzerwerb nicht unabhängig von der sozialen Herkunft. Kinder aus sozial begünstigten Familien erreichen am Ende der Grundschulzeit im Durchschnitt höhere Kompetenzen als Kinder aus
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306 Bildungserwerb
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sozial weniger begünstigten Familien, wie die Grundschul-Schulleistungsstudien TIMSS und IGLU/PIRLS eindrücklich zeigen. In Abbildung 8.2 ist dies am Beispiel der Lesekompetenz dargestellt) (Stubbe, Tarelli et al. 2012; Wendt et al. 2012).
Quelle: Wendt, Stubbe und Schwippert 2012, 186
I Obere Dienstklasse Zur oberen Dienstklasse gehören die Angehörigen von freien akademischen Berufen, führende Angestellte und höhere Beamtinnen und Beamte, selbstständige Unternehmer*innen mit mehr als zehn Mitarbeiter*innen und alle Hochschul- und Gymnasiallehrerinnen und -lehrer. II Untere Dienstklasse Zu dieser Klasse gehören Angehörige von Semiprofessionen, Angehörige des mittleren Managements, Beamtinnen und Beamte im mittleren und gehobenen Dienst und technische Angestellte mit nicht manueller Tätigkeit. III Routinedienstleistungen in Handel und Verwaltung Zu dieser zählen klassische Büro- und Verwaltungsberufe mit Routinetätigkeiten sowie Berufe mit niedrig qualifizierten, nicht manuellen Tätigkeit wie zum Beispiel Verkaufs- und Servicetätigkeiten. Diese Tätigkeiten erfordern oftmals keine Ausbildung. IV Selbstständige und selbstständige Landwirte Zur Klasse der Selbstständigen zählen alle Selbstständigen aus manuellen Berufen mit und ohne Mitarbeiter. Freiberufler werden dieser Klasse zugeordnet, wenn sie keinen hoch qualifizierten Beruf ausüben. V-VI Facharbeiter und Arbeiter mit Leitungsfunktionen sowie Angestellte in manuellen Berufen In der Klasse V werden untere technische Berufe zusammengefasst. Dazu gehören Vorarbeiter*innen, Meister*innen, Techniker*innen, die in manuelle Arbeitsprozesse eingebunden sind, sowie Aufsichtskräfte im manuellen Bereich. Zur Klasse VI gehören abhängig Beschäftigte mit manueller Tätigkeit und abgeschlossener Berufsausbildung oder vergleichbarer Qualifikationen. VII Un- und angelernte Arbeiter sowie Landarbeiter Klasse VII fasst alle un- und angelernten Berufe aus dem manuellen Bereich sowie einige Dienstleistungsberufe mit weitgehend manuellem Charakter und geringem Anforderungsniveau zusammen. Des Weiteren zählen alle gelernten und ungelernten Arbeiter*innen in der Land-, Forst- und Fischwirtschaft sowie der Jagd zu dieser Klasse.
Abb. 8.2: Mittlere Lesekompetenz nach sozioökonomischem Status (EGP-Klasse) in Deutschland bei IGLU 2001, 2006 und 2011
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 307 Wie bereits erläutert, unterscheiden sich die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher sozialer Herkunft jedoch bereits erheblich bei Eintritt in die Grundschule. Insofern gilt es für den Grundschulbereich in erster Linie zu fragen, ob sich diese Unterschiede im Laufe der Grundschulzeit verringern, stabil bleiben oder weiter vergrößern. Die Mehrzahl der internationalen und nationalen Längsschnittstudien zur Kompetenzentwicklung in der Grundschule findet Hinweise dafür, dass sich diese Unterschiede eher vergrößern: Kinder aus sozial privilegierten Elternhäusern haben größere Lernzuwächse als Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern (im Überblick siehe Neumann et al. 2014). Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen. Generell kann die Kompetenzentwicklung als ein Entwicklungsprozess verstanden werden, bei dem individuelle Lernvoraussetzungen (wie z. B. kognitive Grundfähigkeiten oder das Vorwissen), die Quantität und die Qualität innerschulischer und außerschulischer Lerngelegenheiten sowie deren Nutzungen durch die Schülerinnen und Schüler ineinandergreifen (Helmke und Weinert 1997). Daher können die Unterschiede in den individuellen Lernvoraussetzungen, die bereits zu Beginn der Schulzeit zwischen Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher sozialer Herkunft existieren, zu den unterschiedlichen Kompetenzentwicklungen führen. Das heißt, Schülerinnen und Schüler mit mehr Vorwissen oder höheren kognitiven Grundfähigkeiten können die ihnen gebotenen Lerngelegenheiten besser nutzen und haben dadurch höhere Kompetenzzuwächse. In der Tat lassen sich empirische Hinweise für solche „individuelle Matthäuseffekte“ (im Sinne von „wer hat, dem wird gegeben“) finden (Baumert, Nagy et al. 2012). Darüber hinaus können jedoch auch unterschiedliche innerschulische und außerschulische Lernbedingungen für Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft zu Unterschieden in den Kompetenzentwicklungen führen. Auf Seiten der innerschulischen Faktoren gibt es zum einen die Annahme, dass sich die Schule mit ihren Verhaltensnormen und Sprachcodes vor allem an den Normen der Mittelschicht orientieren und dadurch Schülerinnen und Schülern aus weniger begünstigten sozialen Schichten benachteiligt (Bourdieu und Passeron 1977). Obgleich es empirische Hinweise für solche „Passungsprobleme“ gibt (Helsper et al. 2009), existieren bisher keine empirischen Studien darüber, inwiefern dies tatsächlich zu unterschiedlichen Kompetenzentwicklungen führt. Des Weiteren können unterschiedliche stereotype Erwartungshaltungen von Lehrkräften bezüglich der Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher sozialer Herkunft eine Ursache für unterschiedliche Kompetenzentwicklungen sein. Im Sinne des bekannten „Pygmalion-Effekts“ (Rosenthal und Jacobsen 1968) wird davon ausgegangen, dass diese unterschiedlichen Erwartungen tatsächlich zu unterschiedlichen Kompetenzentwicklungen bei Schülerinnen und Schülern führen. In quantitativen und zum Teil experimentell angelegten Untersuchungen lassen sich eine Vielzahl von empirischen Belegen für solche Erwartungseffekte finden (im Überblick siehe
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308 Bildungserwerb Jussim und Harber 2005). Zudem gibt es empirische Befunde dafür, dass Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler aus sozial besser gestellten Familien selbst bei gleichen Kompetenzen besser benoten als Schülerinnen und Schüler aus sozial weniger begünstigten Familien (Maaz, Trautwein et al. 2011). Während diese Erklärungen die Ursachen für soziale Ungleichheiten innerhalb von Schulen thematisieren, können die Ursachen auch in Unterschieden zwischen Schulen liegen – wenn beispielsweise Lerngelegenheiten nach Schulen variieren und Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren individuellen Lernvoraussetzungen, jedoch in Abhängigkeit ihrer sozialen Herkunft Schulen mit unterschiedlichen Lerngelegenheiten besuchen. Hier ist insbesondere die Zusammensetzung der Schule von Bedeutung. So ist mittlerweile empirisch gut belegt, dass die Kompetenzentwicklungen von Schülerinnen und Schülern auch davon abhängen, mit welchen anderen Schülerinnen und Schülern sie gemeinsam unterrichtet werden. Die höchsten Kompetenzzuwächse sind an Schulen mit hohem mittleren sozioökonomischen Status und einer höheren mittleren Leistung zu verzeichnen (siehe Dumont, Neumann, Maaz und Trautwein 2013). Da die Grundschulen in der Regel die soziale Zusammensetzung der Nachbarschaft abbilden, lassen sich die dort bestehenden sozialen Unterschiede auch in der Schule wiederfinden und tragen somit zu sozialen Ungleichheiten der Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern bei. Eine naheliegende Schlussfolgerung aus diesen Befunden wäre, dass die Grundschule bestehende Unterschiede zwischen sozialen Herkunftsgruppen ausschließlich verstärkt. Doch wie sähe die Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Herkunft aus, wenn sie nicht zur Schule gehen würden, wenn also ausschließlich außerschulische Lerngelegenheiten die Kompetenzentwicklung beeinflussen würden? Zur Beantwortung dieser Frage liefern vor allem US-amerikanische Studien zum sogenannten „Sommer- oder Ferienloch“ (das allerdings, anders als in Deutschland, drei Monate lang ist) interessante Befunde. Sie zeigen eindeutig, dass sich die Kompetenzentwicklungen von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher sozialer Herkunft während der Sommerferien stärker unterscheiden als während des Schuljahres (im Überblick siehe Cooper et al. 1996). In anderen Worten: die außerschulischen Lerngelegenheiten, d. h. die Lerngelegenheiten in der Familie, im nachbarschaftsbezogenen Wohnumfeld oder in der Freizeit, führen zu größeren Unterschieden zwischen Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Herkunft als die schulischen Lerngelegenheiten. Insofern wirkt die Schule durchaus auch kompensatorisch, d. h. ausgleichend, auf soziale Ungleichheiten. Allerdings können Ungleichheiten in den erworbenen Kompetenzen zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft nicht vollständig abgebaut werden (Downey et al. 2004). Als eine Möglichkeit der Verringerung herkunftsbedingter Ungleichheiten wird daher der Ausbau der schulischen Ganztagsbetreuung gesehen. Die bislang existie-
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 309
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renden empirischen Befunde zum Ausbau der schulischen Ganztagsbetreuung sind allerdings nicht eindeutig (siehe z. B. Strietholt et al. 2015; Züchner und Fischer 2014). Eine Verringerung von herkunftsbedingten Ungleichheiten findet durch schulische Ganztagsbetreuung nur dann statt, wenn sie gleichzeitig mit einer hohen Qualität der Lernangebote einhergeht. Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I Der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I stellt in Deutschland eine bedeutsame Weichenstellung für die Bildungsbiografien von Kindern dar. Obwohl es in den letzten Jahren eine zunehmende Entkopplung von besuchter Schulform und erreichtem Schulabschluss gegeben hat und die unterschiedlichen Schulabschlüsse auch an unterschiedlichen Schultypen erworben werden können, ist mit dem besuchten Sekundarschultyp nach wie vor in vielen Fällen der spätere Bildungsabschluss und damit auch die spätere sozioökonomische Stellung als Erwachsener in der Gesellschaft verknüpft. Auch hier gibt es erhebliche Ungleichheiten nach sozialer Herkunft. So ist die Wahrscheinlichkeit, das Gymnasium zu besuchen, selbst bei gleichen Schulleistungen für Kinder aus sozial privilegierten Familien höher als für Kinder aus sozial weniger begünstigten Familien (siehe Dumont, Maaz et al. 2014). Daher ist der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I eine zentrale Ursache für Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft (Maaz, Baumert und Trautwein 2009). Zur Erklärung dieser Ungleichheiten wird in der Bildungsforschung der mikrosoziologische Ansatz zu Bildungsentscheidungen von Boudon (1974) verwendet. Boudon zufolge lassen sich Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung als Ergebnis individueller Entscheidungen verstehen, die in einem institutionellen Kontext des Bildungssystems getroffen werden. Diese Bildungsentscheidungen sind wiederum durch verschiedene Faktoren bedingt. Bei der Entscheidung bezüglich des Übergangs von der Grundschule in die Sekundarstufe I sind dies vor allem die institutionellen Rahmenbedingungen des Schulsystems (wie die Struktur des Sekundarschulsystems und die spezifischen Übergangsregelungen), die schulischen Leistungen der Kinder sowie die familiäre Bewertung von Bildung in Abhängigkeit von der sozialen Position der Eltern. Für die Erklärung unterschiedlicher Bildungsentscheidungen nach sozialer Herkunft unterscheidet Boudon zwischen primären und sekundären Herkunftseffekten. Als primäre Herkunftseffekte werden Einflüsse der familiären Herkunft bezeichnet, die in unterschiedlichen Leistungen und Kompetenzen resultieren. Solche primären Herkunftseffekte lassen sich als Folge eines unterschiedlichen Anregungsmilieus in Familien, Nachbarschaften sowie auch durch den Besuch unterschiedlicher Schulen aufgrund der sozialen Herkunft verstehen. Sekundäre Herkunftseffekte bestehen hingegen dann, wenn trotz gleicher Leistung unterschiedliche Bildungsaspirationen und ein unterschiedliches Entscheidungsverhalten von Eltern hinsichtlich der Bildung ihrer Kinder existieren. Dabei geht Boudon davon aus,
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310 Bildungserwerb dass dem Entscheidungsverhalten von Eltern einerseits unterschiedliche KostenNutzen-Kalkulationen in Abhängigkeit der eigenen sozialen Schicht zugrunde liegen und andererseits unterschiedliche Bildungswege erforderlich sind, damit der soziale Status der Familie (mindestens) reproduziert wird. Das heißt, im Fall der Übergangsentscheidung in die Sekundarstufe I wägen Eltern ab, welcher Nutzen sich aus dem Besuch einer bestimmten Schulform ergibt, welche Kosten damit verbunden sind und wählen dann diejenige Schulform für ihr Kind, die den größten Nutzen (auch im Sinne des Statuserhalts) verspricht, deren Kosten sie tragen können und die die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit hat. Zusammenfassend können herkunftsbedingte Ungleichheiten beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I demnach als Ergebnis des Zusammenspiels von primären und sekundären Effekten der sozialen Herkunft betrachtet werden. Maaz und Nagy (2009) haben dieses Konzept der sekundären Herkunftseffekte für den Übergang nach der Grundschule erweitert. Sie gehen davon aus, dass das Übergangsverhalten nicht nur durch die Schulleistungen und das kosten-nutzengestützte Entscheidungsverhalten der Eltern bestimmt wird, sondern auch die Übergangsempfehlungen der Lehrkräfte, mit ihrer handlungsleitenden Funktion für Eltern, das Entscheidungsverhalten beeinflusst. Dabei basieren die Schullaufbahnempfehlungen wiederum größtenteils auf den Noten der Schülerinnen und Schüler. Folglich unterscheiden sie zwischen drei Arten von sekundären Herkunftseffekten: (a) Sekundäre Herkunftseffekte der Leistungsbeurteilung liegen vor, wenn Schülerinnen und Schüler aus niedrigeren sozialen Schichten trotz gleicher Testleistungen schlechtere Noten erhalten als Schülerinnen und Schüler aus höheren Schichten. (b) Von sekundären Herkunftseffekten der Schullaufbahnempfehlung wird gesprochen, wenn bei gleicher Leistung Schülerinnen und Schüler aus höheren sozialen Schichten eher eine Gymnasialempfehlung bekommen als Schülerinnen und Schüler aus sozial niedrigeren Schichten. (c) Sekundäre Herkunftseffekte der letztlichen Übergangsentscheidung entsprechen den „klassischen“ sekundären Herkunftseffekten nach Boudon. Primäre Herkunftseffekte erklären einen großen Teil der Herkunftsunterschiede in den Besuchsquoten der verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe I: Kinder aus höheren sozialen Schichten besuchen zu einem großen Teil deswegen häufiger das Gymnasium als Kinder aus niedrigeren sozialen Schichten, weil sie bessere Schulleistungen haben (Ditton und Krüsken 2006; Maaz und Nagy 2009; Neugebauer 2010; Stubbe, Bos et al. 2012; Wagner et al. 2009). Gleichwohl spielen auch sekundäre Herkunftseffekte eine wichtige Rolle. So werden Kinder aus sozial privilegierten Familien bei gleichen Testleistungen besser benotet als Kinder aus sozial schwachen Familien (Arnold et al. 2007; Maaz und Nagy 2009; Stubbe und Bos 2008). Ferner gibt es sekundäre Herkunftseffekte der Schullaufbahnempfehlung: Bei gleichen Testleistungen und gleichen Schulnoten haben deutschlandweit Kinder aus sozial schwächeren Familien eine signifikant ge-
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 311 ringere Chance, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen als Kinder aus sozial privilegierten Familien (Arnold et al. 2007; Ditton und Krüsken 2006; Maaz und Nagy 2009; Stubbe und Bos 2008). Schließlich gibt es sekundäre Herkunftseffekte in den letztlichen Übergangsentscheidungen im Sinne der Kosten-Nutzen-Abwägung (R. Becker 2000; Ditton und Krüsken 2006; Dumont et al. 2013; Maaz und Nagy 2009; Wagner et al. 2009). Obgleich die Mehrzahl der Eltern der Schulformempfehlung der Lehrkräfte folgt, weichen Eltern je nach sozialer Herkunft in unterschiedlicher Weise von dieser Empfehlung ab: Eltern aus höheren sozialen Schichten entscheiden sich häufiger für eine höhere Schulform als die empfohlene, während Eltern aus niedrigen sozialen Schichten eher zu Abweichungen nach unten neigen, d. h. sie entscheiden sich beispielsweise gegen ein Gymnasium, obwohl eine entsprechende Empfehlung von Seiten der Grundschule vorliegt (Harazd und Ophuysen 2008). Zusammenfassend lässt sich eine dreifache Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Familien beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I feststellen: Diese Kinder haben bereits aufgrund ihrer Sozialisationskontexte schlechtere Schulleistungen, erhalten darüber hinaus bei gleichen Testleistungen schlechtere Beurteilungen durch die Lehrkräfte (Noten und Schullaufbahnempfehlungen) und gehen bei gleichen Testleistungen, Schulnoten und Empfehlungen häufiger auf niedrigere Schulformen über (siehe Pietsch und Stubbe 2007). Sekundarschulbereich Der Sekundarschulbereich besteht in Deutschland aus unterschiedlichen Schulformen (► Kap. 14). Die Verteilung von Schülerinnen und Schülern auf diese verschiedenen Schulformen erfolgt, wie eben beschrieben, auf Basis unterschiedlicher Leistungs- und Fähigkeitsniveaus sowie unterschiedlicher Bildungsentscheidungen. Der Praxis der Sortierung nach Leistung liegt die Annahme zugrunde, dass Schülerinnen und Schüler in leistungshomogenen Lerngruppen besser gefördert werden können als in leistungsheterogenen Lerngruppen (Hattie 2002). Allerdings lässt sich die Frage stellen, ob Schülerinnen und Schüler an unterschiedlichen Schulformen tatsächlich die gleichen Entwicklungsbedingungen erhalten oder ob sich in Abhängigkeit der besuchten Schule oder Schulform unterschiedliche Kompetenzentwicklungen beobachten lassen. Es liegen sowohl Ergebnisse vor, die für unterschiedliche Entwicklungen sprechen (diese werden auch mit dem Bild einer sich öffnenden Schere der Entwicklung von zwei Gruppen als „Schereneffekte“ bezeichnet), als auch solche, die keine oder nur für einzelne Fächer Schereneffekte berichten (im Überblick siehe M. Becker 2009). Als Ursachen von Schereneffekten gelten unterschiedliche Lernraten einzelner Schüler in Abhängigkeit ihres Fähigkeitsniveaus, Kompositionseffekte und institutionelle Unterschiede (► Abb. 8.3). Allerdings lassen nur letztere beide auf unterschiedliche schulische Entwicklungsbedingungen und damit differenzielle Lern- und Entwicklungsmilieus schließen. Diese beschreiben den Tatbestand,
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312 Bildungserwerb
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„dass junge Menschen unabhängig von und zusätzlich zu ihren unterschiedlichen persönlichen, intellektuellen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Ressourcen je nach besuchter Schulform differenzielle Entwicklungschancen erhalten, die schulmilieubedingt sind und sowohl durch den Verteilungsprozess als auch durch die institutionellen Arbeitsund Lernbedingungen und die schulformspezifischen pädagogisch-didaktischen Traditionen erzeugt werden“ (Baumert, Stanat et al. 2006, 99).
Sowohl Institutions- als auch Kompositionseffekte konnten in der empirischen Forschung nachgewiesen werden (vgl. Baumert, Stanat et al. 2006). Institutionelle Unterschiede bestehen vor allem zwischen dem Gymnasium und den anderen Schulformen – zugunsten des Gymnasiums. In Bezug auf Kompositionseffekte gibt es sowohl begünstigende als auch hemmende Zusammensetzungen der Schülerschaft. So sind die Lernzuwächse an einer Schule, die durch viele leistungsstarke Schülerinnen und Schüler und solche aus sozial privilegiertem Elternhaus besucht werden, größer (siehe im Überblick Dumont et al. 2014). Unterschiede in der Schülerschaft lassen sich dabei nicht nur zwischen verschiedenen institutionellen Bildungsangeboten wie den Schulformen finden, da die Schülerzusammensetzung zum Teil auch erheblich innerhalb von Schulen einer Schulform variiert.
Ursachen des Schereneffektes • Differentielle Lernraten: Unterschiede im Vorwissen, familiäre Unterstützungsmöglichkeiten und in der sozialen Umwelt in Peergroups führen zu unterschiedlich großen Lernfortschritten. • Kompositionseffekte: Die unterschiedliche Zusammensetzung einer Klasse nach Leistung, sozialen, kulturellen und lernbiographischen Aspekten kann sich auf die Interaktionsprozesse zwischen Schülern*in – Lehrer*in und Schüler*in – Schüler*in auswirken und damit auf den Unterricht und die Lernkultur. • Institutionelle Unterschiede: Unterschiedliche Lehrpläne, Stundentafeln, Lehrerkompetenzen und Unterrichtskulturen haben einen Relevanten Einfluss auf die Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler.
Kompositionseffekte und institutionelle Unterschiede führen zu differentiellen Lern- und Entwicklungsmilieus.
Abb. 8.3: Schereneffekte im viergliedrigen Sekundarschulsystem
Aufgrund der existierenden Unterschiede zwischen den Schulformen ist die Durchlässigkeit des Sekundarschulsystems besonders bedeutsam, weil dort Abschlüsse erworben werden oder der Übergang in die Oberstufe ansteht. Einmal getroffene Bildungsentscheidungen sollen zu jedem Zeitpunkt korrigiert werden können, ohne dass dadurch für die Schülerinnen und Schüler zusätzlich soziale oder finanzielle Kosten entstehen. Das heißt Bildungsentscheidungen sollten aus Gründen der Chancenungleichheit und der optimalen individuellen Entwicklung revidierbar sein. Dies betrifft insbesondere die Entscheidung zum Besuch des Sekundarschul-
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 313 typs. Für die Erhöhung der Durchlässigkeit lassen sich im Wesentlichen drei Strategien benennen: (1) Besteht der Sekundarschulbereich aus mehreren Schulformen oder Bildungsgängen, sollte ein Wechsel zwischen den Schulformen bzw. Bildungsgängen möglich sein. In Deutschland geschieht solch ein Wechsel bislang eher selten (vgl. Baumert, Cortina et al. 2008) – und wenn, dann lässt sich Durchlässigkeit überwiegend in der Form von Abwärtsmobilität (Wechsel auf einen niedrigeren Schultyp) beobachten (Bellenberg 2012). (2) Eine weitere Strategie besteht in der systemischen Verbindung zwischen Bildungsbereichen, insbesondere beim Übergang in die Sekundarstufe II. Baden-Württemberg geht beispielsweise diesen Weg mit dem Ausbau der beruflichen Gymnasien, die im Anschluss an eine Realschule bei entsprechenden Leistungen besucht werden können. Untersuchungen zeigen, dass dadurch Herkunftsunterschiede im Erwerb des Abiturs verringert werden können (Maaz, Watermann et al. 2013). (3) Schließlich sind Strukturen zu nennen, in denen eine Entkopplung von Schulform und Schulabschluss angestrebt wird. So zeigt sich, dass in den letzten Jahren der Anteil der an Hauptschulen erworbenen Mittleren Schulabschlüsse gestiegen ist. An Schulen mit mehreren Bildungsgängen und beruflichen Schulen kann für die letzten Jahre ein Anstieg der dort erworbenen allgemeinen Hochschulreife festgestellt werden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Übergang in eine berufliche Ausbildung Die berufliche Ausbildung in Deutschland ist institutionell in drei große Sektoren gegliedert, die in dieser Form erstmals vom nationalen Bildungsbericht (2006) systematisiert worden sind: (a) das duale System der Berufsausbildung, (b) das Schulberufssystem und (c) das Übergangssystem (► Kap. 16). Die drei Sektoren haben in den Bundesländern jeweils ein unterschiedliches Gewicht und differieren in der Angebotsstruktur – z. B. nach Berufen und Schultypen – erheblich. In allen Ländern führen nur Ausbildungen im dualen System und im Schulberufssystem zu einem vollqualifizierenden beruflichen Abschluss, nicht jedoch die Angebote und Maßnahmen des Übergangssektors. Das Fehlen differenzierter Angaben zur sozialen Herkunft sowie zum Migrationshintergrund der Jugendlichen in vorhandenen Datensätzen schränkt das Wissen zu herkunftsbedingten Ungleichheiten für diesen Bildungsbereich erheblich ein. Bezogen auf die soziale Herkunft liegen vergleichsweise wenige große längsschnittliche Studien vor. Die beste Datenbasis hierfür ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), mit dem durch standardisierte Leistungstests und detaillierte Informationen zu Bildungsentscheidungen primäre und sekundäre Herkunftseffekte differenziert werden können. Auf der Basis der Berufsbildungsstatistik kann nur die schulische Vorbildung (Art des allgemeinbildenden Schulabschlusses) untersucht werden. Diese lässt sich allerdings angesichts des in zahlreichen Studien belegten starken Zusammenhangs zwischen sozioökonomischem Status und erreichtem Schulab-
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314 Bildungserwerb schluss als Näherungswert für herkunftsbedingte Ungleichheiten beim Übergang in die Berufsausbildung verwenden. Der Zugang zum Ausbildungs-Bildungssystem wird in entscheidender Weise von der schulischen Vorbildung der Heranwachsenden beeinflusst. Betrachtet man die Neuzugänge der letzten zehn Jahre, so erhalten fast alle Jugendlichen mit (Fach-) Hochschulreife einen Ausbildungsplatz im dualen oder im Schulberufssystem. Anders sieht die Situation für diejenigen mit maximal Hauptschulabschluss und mit Mittlerem Schulabschluss aus. So gelingt der Übergang ins vollqualifizierende Ausbildungssystem ca. 85 % der Neuzugänge von Jugendlichen mit einem Mittlerem Abschluss, bei jenen mit maximal einen Hauptschulabschluss ist es nur noch jeder zweite, und jene ohne Schulabschluss münden fast vollständig in das Übergangssystem ein (Baethge et al. 2016). Der wahrscheinlich stärkste Prädiktor für einen erfolgreichen Übergang in eine vollqualifizierende Ausbildung ist die schulische Vorbildung. Aufgrund des starken Zusammenhangs der sozialen Herkunft und der schulischen Vorbildung – sowohl bezogen auf die erworbenen Kompetenzen als auch auf die Bildungsabschlüsse – werden soziale Ungleichheiten beim Zugang zu einer vollqualifizierenden Ausbildung damit maßgeblich im allgemeinbildenden Schulsystem verursacht. Übergang in den Hochschulsektor Ein zentraler Auslöser für die Auseinandersetzung mit sozialen Ungleichheiten des Bildungserwerbs war das von Dahrendorf in den 1960er Jahren beschriebene Missverhältnis zwischen dem Anteil an Akademiker*innen in der erwerbstätigen Bevölkerung mit 1 bis 2 % und dem Anteil der Akademikerkinder an den Studierenden, der bei einem Drittel lag (Dahrendorf 1965). Die Beteiligung an tertiärer Bildung ist insgesamt gestiegen, und auch mehr Kinder ohne akademischen Bildungshintergrund studieren heute. Gleichwohl bestehen nach wie vor soziale Ungleichheiten beim Hochschulzugang. Entsprechend der Daten der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks studieren 77 von 100 Kindern aus Akademikerfamilien, aber nur 23 von 100 Kindern aus Familien, in denen kein Elternteil einen Hochschulabschluss besitzt (► Abb. 8.4; Middendorff et al. 2013). Als Erklärung dieser Ungleichheiten im Hochschulzugang hat sich, wie für den Schulbereich, vor allem das Modell der primären und sekundären Herkunftseffekte von Boudon (1974) bewährt (► 8.2.2, dort unter „Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I“). Eine Reihe von Studien konnten deutliche sekundäre Herkunftseffekte bei der Entscheidung für postsekundäre Bildungsgänge nachweisen (Becker und Hecken 2009; Lörz und Schindler 2009; Maaz 2006; Mayer et al. 2007; Reimer und Pollak 2010; Watermann und Maaz 2004). Das heißt, bei gleichen Leistungsmerkmalen am Ende der Oberstufe besteht weiterhin ein Effekt der sozialen Herkunft auf die Studienentscheidung. Gleichwohl sind Kompetenzen und Bildungsabschlüsse, die nach sozialer Herkunft variieren, zentrale Ressourcen und Voraussetzungen für den Übergang in die Hochschule.
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Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft 315 Kinder von Nicht-Akademiker*innen
100 Kinder
100 Kinder
berufl. Schule1 21 Kinder
52 %
11
gymnasiale Oberstufe2 79 Kinder
Übergangsquoten 84 %
66 Kinder 77 Kinder
Sek. II
Kinder von Akademiker*innen
gymnasiale Oberstufe2 43 Kinder
berufliche Schule1 57 Kinder
12 % Übergangsquoten 37 %
Hochschulzugang
7 16 Kinder 23 Kinder
1 Fachoberschule, Berufsoberschule, technische Oberschule, Berufs(fach)schule, Fachakademie (Bayern), Berufsakademie, Schule des Gesundheitswesens, Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr 2 Allgemeinbildende Gymnasien, Gesamtschulen, Fachgymnasien Datengrundlage: StBA, Sonderauswertungen des Mikrozensus 1999 und 2009, HIS-Studienanfängerbefragung 2009, eigene Berechnungen von HIS-HF
Abb. 8.4: Der Bildungstrichter: Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungsbeteiligung (in Anlehnung an Middendorff et al. 2013, 112)
Allerdings stellt die Analyse primärer und sekundärer Herkunftseffekte beim Hochschulzugang eine besondere Herausforderung dar, da diese Effekte bereits an früheren Bildungsübergängen wirken und bis zum Hochschulzugang weitertransportiert werden. R. Becker (2009) und Neugebauer und Schindler (2012) haben daher mithilfe von Simulationen die relative Bedeutung primärer und sekundärer Effekte an den drei Gelenkstellen „Übergang in die Sekundarstufe I nach der Grundschule“, „Übergang in die Sekundarstufe II“ und „Hochschulzugang“ geschätzt. Ihre Ergebnisse deuten auf die besonders hohe Bedeutung des Übergangs nach der Grundschule für Herkunftsunterschiede im Hochschulzugang hin. Beide Studien zeigen, dass für soziale Ungleichheiten des Hochschulzugangs die soziale Selektivität an früheren Übergängen, vor allem beim Übergang in die Sekundarstufe I, besonders bedeutsam ist und sich so anteilsmäßig sekundäre Herkunftseffekte am Hochschulzugang verstärken. Primäre Herkunftseffekte des Hochschulzugangs sind demnach auch bereits ein Ergebnis der Wirkung sekundärer Herkunftseffekte an vorgelagerten Bildungsentscheidungen. Das heißt, im individuellen Bildungsverlauf gewinnen aufgrund von leistungsbezogenen Selektionsprozessen sekundäre Effekte anteilsmäßig an Bedeutung. Über den generellen Zugang zu einem Hochschulstudium hinaus bestehen weitere Herkunftsunterschiede, beispielsweise hinsichtlich der Art des Hochschultyps und der gewählten Fachrichtung sowie schließlich des Studienerfolgs (► Kap. 18).
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316 Bildungserwerb
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8.3 Bildungsungleichheiten nach Migrationshintergrund Eng verbunden mit den Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft sind Ungleichheiten nach dem Migrationshintergrund. Migration kann als Wanderungsbewegung von Personen über Staatsgrenzen hinweg verstanden werden und ist kein Phänomen der Gegenwart – Migration hat es schon immer gegeben. Für das heutige Bildungssystem ist die Zuwanderung seit Ende des zweiten Weltkriegs besonders bedeutsam. Bereits in den 1950er Jahren erfolgte mit dem Anwerbeabkommen mit Italien der erste Zuwanderungszuwachs, dem im Anschluss an den Anwerbestopp in den 1970er Jahren vor allem ein Familiennachzug in substanzieller Weise folgte. Anfang der 1990er Jahre stieg die Zahl der Zugewanderten infolge der Auflösung des sozialistischen Staatenverbunds und der Kriege im früheren Jugoslawien. Zu- und Abwanderung hat damit in unterschiedlicher Intensität seit Bestehen der Bundesrepublik stattgefunden, wobei in den letzten 15 Jahren mehr Personen nach Deutschland zugewandert als abgewandert sind. Aufgrund der seit nunmehr einigen Jahren anhaltenden Zuwanderungsdynamik unter anderem von Geflüchteten erfährt dieses Thema eine immer stärkere Bedeutung. Mittlerweile leben mehr als 16 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. In der Altersgruppe der unter 21-Jährigen, die sich zumeist noch im Bildungssystem befinden, sind es knapp fünf Mio. Menschen und damit 32 % der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). In fast allen Bildungsbereichen und in allen betrachteten Indikatoren des Bildungserfolgs lassen sich Unterschiede zuungunsten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu jenen ohne Migrationshintergrund finden. 8.3.1 Definition und Erfassung des Migrationshintergrunds Lange Zeit wurde Zuwanderung nach Deutschland über das an der Staatsangehörigkeit orientierte Ausländerkonzept erhoben. Dies erfasst jedoch nur eine Dimension von Migration und damit nur einen Teil der zugewanderten Population. Seit dem Mikrozensus 2005 wird Migration breiter sowie differenzierter erfasst. Neben der Staatsangehörigkeit werden auch das Geburtsland, das Zuzugsjahr und Informationen zur Einbürgerung erfasst. Darüber hinaus werden Staatsangehörigkeit, Einbürgerung und Geburtsland beider Eltern für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erhoben, die mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben. Analoge Erfassungen gibt es auch zu den Großeltern. Damit war es mit dem Mikrozensus 2005 erstmals möglich, sowohl die Differenzierung der Zuwanderungskonstellationen nach der individuellen und familialen Migrationserfahrung (erste oder zweite bzw. dritte Generation) sowie nach dem rechtlichen Status (deutsch vs. nichtdeutsch) vorzunehmen (► Abb. 8.5). Diese differenzierte Erfassung des Merkmals Migration wird in der Bildungsforschung durch weitere Merkmale, die für Lernprozesse relevant sind, ergänzt. Wichtig ist hier die in der Familie gesprochene Sprache.
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Bildungsungleichheiten nach Migrationshintergrund 317 Migrationshintergrund Personen mit Migrationshintergrund (auch als Zuwanderungshintergrund bezeichnet) sind jene, die selbst oder deren Eltern oder Großeltern nach Deutschland zugewandert sind, ungeachtet ihrer gegenwärtigen Staatsangehörigkeit Es wird also die Migrationsgeschichte der Generationen berücksichtigt. So werden als 1. Generation mit Migrationshintergrund all jene Menschen bezeichnet, die selbst zugewandert sind. Bei der 2. Generation sind die Eltern, bei der 3. die Großeltern nach Deutschland gekommen. Dabei kann noch danach unterschieden werden, wie viele Elternteile oder Großeltern zugewandert sind. In der Forschung wird der Generationsstatus noch weiter differenziert (siehe unten). Migrationshintergrund ist nicht zu verwechseln mit „Ausländerinnen und Ausländer“. Der Ausländerstatus bezieht sich auf Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Personen mit Migrationshintergrund können Deutsche oder Ausländerinnen und Ausländer sein. Generationsbezeichnung
Generationsbeschreibung
Kein Zuwanderungshintergrund
Zielperson und Eltern in Deutschland geboren; kein oder maximal ein Großelternteil im Ausland geboren
1. Generation
Zielperson im Ausland geboren und nach dem 6. Lebensjahr eingereist
1,5. Generation
Zielperson im Ausland geboren und vor dem 6. Lebensjahr eingereist
2. Generation
Zielperson in Deutschland und beide Elternteile im Ausland geboren
2,25. Generation
Zielperson in Deutschland und ein Elternteil im Ausland geboren, anderes Elternteil in Deutschland und von diesem beide Eltern im Ausland geboren
2,5. Generation
Zielperson in Deutschland geboren, ein Elternteil im Ausland, anderes Elternteil in Deutschland und von diesem ein Elternteil im Ausland geboren
2,75. Generation
Zielperson in Deutschland geboren, ein Elternteil im Ausland, anderes Elternteil in Deutschland und von diesem kein Elternteil im Ausland geboren
3. Generation
Zielperson und Eltern in Deutschland geboren, alle (vier) Großeltern im Ausland geboren
3,25. Generation
Zielperson und Eltern in Deutschland geboren, drei Großeltern im Ausland geboren
3,5. Generation
Zielperson und Eltern in Deutschland geboren, zwei Großeltern im Ausland geboren
Abb. 8.5: Migration und Generation (eigene Darstellung in Anlehnung an Olczyk et al. 2014, 8)
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318 Bildungserwerb In den amtlichen Statistiken wird bis auf den Mikrozensus (der allerdings das differenzierte Migrationskonzept nur alle vier Jahre erfasst) häufig nur nach der Staatsangehörigkeit differenziert. Stichprobenbasierte Daten der Bildungsforschung haben auch bei großen Stichproben, wie zum Beispiel dem Ländervergleich des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), das Problem, dass die Kombination von mehreren Migrationsmerkmalen (zum Beispiel Generation und Herkunftsland) schnell zu sehr kleinen Gruppengrößen führt. Daher beschränken sich viele Studien in Hinblick auf das Herkunftsland auf ausgewählte Migrationsgruppen. Insgesamt ist die Datenlage für eine detaillierte wie angemessene Beschreibung von Bildungsungleichheiten nach Migrationshintergrund unbefriedigend. 8.3.2 Theoretische Bezüge und empirische Befunde Zunächst ist festzuhalten, dass in allen Bereichen des Schulwesens Bildungsunterschiede zuungunsten von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund bestehen. Allerdings ist dies nicht automatisch gleichzusetzen mit Benachteiligungen aufgrund des Migrationshintergrunds, da es in Deutschland einen starken Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Migrationshintergrund gibt. Die Analyse von Ungleichheiten nach Migrationshintergrund muss also immer auch mit einer gleichzeitigen Betrachtung der sozialen Herkunft der Personen mit Migrationshintergrund einhergehen. Daher wurde das Modell von Boudon (1974) im nationalen und internationalen Kontext auch auf die Analyse von Bildungsungleichheiten nach Migrationshintergrund übertragen (vgl. Gresch 2012; Gresch und Becker 2010; Heath und Brinbaum 2007; Heath et al. 2008; Hustinx 2002; Kristen und Dollmann 2009; von Tubergen und van de Werfhorst 2007). Dadurch wird es möglich zu untersuchen, welche Ungleichheiten durch die soziale Herkunft und welche darüber hinaus spezifisch durch den Migrationshintergrund verursacht werden. So können primäre Effekte auch zusätzlich durch Prozesse entstehen, die mit migrationsspezifischen Merkmalen verbunden sind. Führen zum Beispiel sprachliche Schwierigkeiten dazu, dass Kinder mit Migrationshintergrund auch bei Kontrolle der sozialen Herkunft geringere schulische Leistungen erzielen als Kinder ohne Migrationshintergrund, liegt ein migrationsspezifischer (negativer) primärer Effekt vor (Gresch 2012; Gresch und Becker 2010). Darüber hinaus sind migrationsspezifische sekundäre Effekte möglich. Im Unterschied zur sozialen Herkunft lässt sich hier häufig ein positiver sekundärer Effekt finden: Bei gleicher Leistung und sozialer Herkunft gehen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger in eine höhere Bildungsoption über als jene ohne Migrationshintergrund. Ursache dafür sind vor allem die höheren Bildungsaspirationen von Personen mit Migrationshintergrund (vgl. Ditton et al. 2005; Gresch 2012; Gresch und Becker 2010; Kao und Tienda 1998; Ogbu 1991). Insgesamt liegen mittlerweile – insbesondere für den Schulbereich – zahlreiche empirische Studien vor, die migrationsspezifische und soziale Effekte parallel betrach-
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Bildungsungleichheiten nach Migrationshintergrund 319 ten (vgl. M. Becker 2011). Für den vorschulischen Bereich zeigen sich Unterschiede bei der Nutzung institutionalisierter Bildungs- und Betreuungsangebote zuungunsten von Kindern mit Migrationshintergrund (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Unterschiede lassen sich auch bei den Vorläuferkompetenzen in Wortschatz und Grammatik zuungunsten von Kindern mit Migrationshintergrund feststellen. Schließlich ist der Anteil bei den Fünfjährigen mit Migrationshintergrund mit diagnostiziertem Sprachförderbedarf deutlich höher als bei jenen ohne Migrationshintergrund (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Inwieweit im vorschulischen Bereich primäre und sekundäre Effekte zusammenwirken, lässt sich bei der aktuellen Forschungslage nur schwer beschreiben. Unterschiede im vorschulischen Bereich werden auch in der Grundschule in den Leseleistungen sichtbar. Mit den Daten der Internationalen Grundschul-LeseUntersuchung (IGLU-Studie) von 2011 konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Lesekompetenz und dem Migrationshintergrund nachgewiesen werden. Kinder mit zwei im Ausland geborenen Elternteilen hatten einen Nachteil von rund einem Schuljahr gegenüber Kindern ohne Migrationshintergrund. Ursache dieser Unterschiede sind jedoch vor allem die soziale Herkunft und weniger migrationsspezifische Faktoren wie die Familiensprache oder das Geburtsland der Eltern (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016; Schwippert et al. 2012). Deutliche Unterschiede lassen sich auch in den erreichten Kompetenzständen in der Sekundarstufe I feststellen. Im Mittel erzielen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund geringere Kompetenzen als Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund. Diese variieren jedoch stark je nach betrachteter Generation und Herkunftsland. Auf Grundlage der PISA-Daten zeigt sich, dass sich 15-Jährige, die ein im Ausland geborenes Elternteil haben, in ihren Kompetenzen nicht von den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Schülerinnen und Schüler der ersten und zweiten Generation hingegen erzielen geringere Kompetenzen als jene ohne Migrationshintergrund. Während es bei den 15-Jährigen mit Migrationshintergrund, die selbst zugewandert sind (erste Generation), deutliche Benachteiligungen unabhängig vom Herkunftsland gibt, unterscheiden sich die aus der ehemaligen UdSSR Zugewanderten der zweiten Generation nicht mehr von den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Besonders benachteiligt sind Jugendliche mit türkischer Herkunft der ersten und zweiten Generation (vgl. Stanat et al. 2010). Zwar reduzieren sich die Unterschiede nach Kontrolle der sozialen Herkunft, sie bleiben aber weiterhin bedeutsam (Stanat et al. 2010). Zwischen 2000 und 2009 haben sich die Ungleichheiten zum Beispiel in den Lesekompetenzen für die Jugendlichen der ersten Generation leicht verbessert, während sie für Jugendliche der zweiten Generation unverändert geblieben sind. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch beim Zugang zum Gymnasium. Von den Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund geht im Durchschnitt je-
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320 Bildungserwerb des zweite Kind auf ein Gymnasium über, bei jenen mit Migrationshintergrund ist es jedes dritte Kind (Gresch und Becker 2010). Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen Bundesländern und auch Differenzen zwischen weiteren migrationsspezifischen Differenzierungsmerkmalen (u. a. das Herkunftsland). Bei gleichen schulischen Leistungen und gleicher sozialer Herkunft kann kein negativer Migrationseffekt mehr nachgewiesen werden – vielmehr kehrt er sich in einen positiven Effekt um (Gresch und Becker 2010). Das heißt jedoch nicht, dass Ungleichheiten nach Migrationshintergrund im Schulsystem überwunden sind. Vielmehr bedeutet dieser Befund, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund vor vergleichbaren Herausforderungen stehen wie Kinder ohne Migrationshintergrund, wenn sie aus vergleichbaren sozialen Herkunftsfamilien stammen. Darüber hinaus scheinen insbesondere sprachliche Defizite den primären Effekt zu verursachen (Esser 2006). Beim Übergang in eine vollqualifizierende Ausbildung wird die Verzahnung zwischen den Bildungsbereichen besonders deutlich. Hier zeigt sich ein eindeutiger Befund, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund deutlich geringere Chancen haben, eine vollqualifizierende Ausbildung aufzunehmen als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Betrachtet man die Einmündung in das berufliche Bildungssystem insgesamt, stellt man fest, dass insbesondere Jugendliche ohne oder mit Hauptschulabschluss Probleme bei Aufnahme einer Ausbildung haben. Hier ist der Anteil unter den Jugendlichen mit Migrationshintergrund wiederum überdurchschnittlich hoch. Das heißt, Probleme, die insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund haben, sind zu großen Teilen auf unzureichende schulische Qualifikationen zurückzuführen. Das bedeutet nicht, dass es keine spezifischen Benachteiligungen bei der Auswahl von Bewerbern gibt (► Kap. 16). Insgesamt zeigen sich über alle Bildungsbereiche hinweg Ungleichheiten nach Migrationshintergrund zuungunsten von Personen mit Migrationshintergrund. Migration ist ein multidimensionales Merkmal, sodass es den Migrationseffekt nicht gibt. So finden sich zum Teil deutliche Unterschiede innerhalb der Personengruppe mit Migrationshintergrund nach weiteren Differenzierungsmerkmalen wie dem Generationsstatus, dem Herkunftsland oder der Familiensprache. Dass die Befunde zuungunsten der Personen mit Migrationshintergrund nicht zwingend als Benachteiligung durch das Bildungssystem zu interpretieren sind, zeigen die differenzierteren Analysen unter anderem für den Schulbereich. Ungleichheiten in der Beteiligung sind zu einem Großteil auf Leistungsunterschiede zurückzuführen, Leistungsnachteile in den Basiskompetenzen werden in substanzieller Weise durch sprachliche Unterschiede strukturiert. Beide, Leistungsnachteile und Defizite in der deutschen Sprache, sind für den Abbau von Ungleichheiten nach Migrationshintergrund verstärkt in den Blick zu nehmen.
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Bildungsungleichheiten nach Geschlecht 321
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8.4 Bildungsungleichheiten nach Geschlecht Mädchen werden nicht häufiger in sozial privilegierte oder in sozial benachteiligte Familien geboren als Jungen, sie werden auch nicht zu ungleichen Anteilen in Familien mit und ohne Migrationshintergrund geboren, sie unterscheiden sich ferner nicht in ihren kognitiven Anlagen. Trotzdem kommt neben Bildungsungleichheiten nach sozialer Herkunft und Migrationshintergrund auch den Ungleichheiten nach Geschlecht eine bedeutsame Rolle zu. Dabei ist das Bild geschlechterspezifischer Unterschiede jedoch weniger einheitlich als bei den Ungleichheiten nach sozialer Herkunft und Migrationshintergrund. Dies bezieht sich sowohl auf die verschiedenen Indikatoren des Bildungserfolgs als auch auf die verschiedenen Bildungsbereiche. Im Folgenden sollen ausgewählte, in der Forschung bereits gut dokumentierte Bildungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen im Überblick beschrieben werden. In der Schulstatistik gut dokumentiert sind Unterschiede bereits beim Übergang in das Schulsystem: Mädchen werden im Durchschnitt früher eingeschult als Jungen und Jungen sind bei den verspäteten Einschulungen überrepräsentiert (Statistisches Bundesamt 2016). Unterschiede finden sich auch im Sekundarschulsystem. So besuchen Mädchen etwas häufiger das Gymnasium, während Jungen an den Hauptschulen und Förderschulen überrepräsentiert sind (Statistisches Bundesamt 2016). Des Weiteren gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Wahl von Leistungskursen: In der gymnasialen Oberstufe wählen Jungen häufiger naturwissenschaftliche Fächer wie Mathematik und Physik und Mädchen häufiger sprachliche Fächer wie Deutsch oder Französisch (vgl. Baumert und Köller 2000). Schließlich ist der Anteil an Klassenwiederholungen bei Jungen höher als bei Mädchen (Statistisches Bundesamt 2016). Für den Hochschulbereich zeigt sich, dass knapp 48 % der Studierenden an deutschen Hochschulen im Wintersemester 2014/15 weiblich waren. Damit gibt es nur einen leichten Unterschied zugunsten der männlichen Heranwachsenden. Berücksichtigt man aber, dass Mädchen am Gymnasium leicht stärker vertreten sind als Jungen, deutet dieser kleine Unterschied bei der Studienaufnahme darauf hin, dass es mehr Mädchen als Jungen gibt, die trotz Hochschulzugangsberechtigung kein Studium aufnehmen. In Bezug auf die Geschlechterverteilung nach Studienfächern spiegeln sich die bereits in der Schule aufgezeigten Unterschiede in Kompetenzen und Kurswahlverhalten wider: In den Sprach- und Kulturwissenschaften sind die Frauen deutlich überrepräsentiert und in der Mathematik und den Naturwissenschaften sowie den Ingenieurwissenschaften deutlich unterrepräsentiert (Statistisches Bundesamt 2016). In Bezug auf Kompetenzunterschiede zwischen Mädchen und Jungen zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Im Durchschnitt lernen Mädchen früher sprechen, Jungen sind häufiger von Störungen im verbalen Bereich wie Stottern oder LRS betroffen (Halpern 2000). Zudem lernen Mädchen im muttersprachlichen Bereich schnel-
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322 Bildungserwerb ler und besser Lesen (Bos et al. 2003; Lehmann und Nikolova 2005) und sind auch im Bereich der Orthografie Jungen überlegen (Valtin et al. 2003). Die großen internationalen Schulleistungsstudien dokumentieren die sich früh anbahnenden Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen – sowohl im Grundschulbereich im Rahmen der TIMSS- und IGLU-Studien (Brehl et al. 2012; Stanat und Bergann 2009) als auch in den PISA-Studien für den Sekundarschulbereich (Stanat und Kunter 2003). Der Vergleich der Unterschiede zwischen beiden Studien deutet darauf hin, dass sich Unterschiede in den Lesekompetenzen mit zunehmendem Alter verstärken (Stanat und Bergann 2009). Insbesondere bei den mathematischen Kompetenzen kehrt sich das Bild um. Die zentralen Befunde der meisten Studien zeigen, dass Jungen ab dem Zeitpunkt der Einschulung höhere Leistungen in Mathematik erzielen als Mädchen (Mullis et al. 2007; Pietsch und Krauthausen 2006; Walther et al. 2003). Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass Mädchen zu Beginn der Schulzeit einen Vorsprung in den mathematischen Kompetenzen haben (Tiedemann und Faber 1994). Für das Ende der Grundschule deuten die Befunde der IGLU-Studien auf substanzielle Unterschiede zugunsten der Mädchen hin (Stanat und Bergann 2009) Allerdings kommen einige Studien auch zu dem Ergebnis, dass sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede am Ende der Grundschulzeit identifizieren lassen (Kuhl und Hannover 2012). Die geschlechtsspezifischen Analysen der PISA-Studien belegen wiederum eindrucksvoll, dass Unterschiede am Ende der Vollzeitschulpflicht vorhanden sind (Stanat und Bergann 2009). Für den Bereich der Oberstufe liegen vergleichsweise wenige belastbare Befunde vor. Die beste Datenbasis für Gesamtdeutschland stellt hierfür immer noch die nicht mehr ganz aktuelle Studie TIMSS/III dar (Baumert, Boss und Lehmann 2000a, 2000b). Da Jungen häufiger Mathematik als Leistungskurs wählen als Mädchen, muss für die Beschreibung von geschlechterspezifischen Unterschieden die Unterscheidung zwischen Grund- und Leistungskurs berücksichtigt werden. Dabei zeigt sich, dass es in den Grundkursen nur sehr kleine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gibt, aber in den Leistungskursen deutliche Unterschiede in den Mathematikleistungen zugunsten der Mädchen identifiziert werden können (Stanat und Bergann 2009). Neben den Unterschieden in den fachlichen Kompetenzen lassen sich auch Unterschiede in Verhaltensweisen und Motivationen zugunsten der Mädchen beobachten. Jungen werden in für den Lernerfolg wichtigen überfachlichen Kompetenzen wie Selbstdisziplin, Gewissenhaftigkeit oder Sozialverhalten von Lehrkräften negativer als Mädchen eingeschätzt und schätzen sich auch selbst schlechter ein als Mädchen (Duckworth und Seligman 2006; Hannover und Kessels 2011). Für die Ursachen der dargestellten Bildungsungleichheiten nach Geschlecht werden in der Literatur eine Vielzahl von theoretischen Erklärungsansätzen diskutiert, die sich nach Stanat und Bergmann (2009) in drei große Gruppen einteilen lassen: kognitive, biologische und psychosoziale Ansätze. Da weder die kognitiven noch
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Zukünftige Herausforderungen 323 die biologischen Ansätze in der Forschung empirische Evidenz finden, soll im Folgenden nur auf die psychosoziale Perspektive eingegangen werden. Geschlechterunterschiede in Leistungen, Verhalten, Motivation und Interesse können sich im Rahmen geschlechtsspezifischer Sozialisation ausprägen. Nach dem Modell der Interessenentwicklung als Ausdruck der Identitätsregulation von Kessels und Hannover (2004) engagieren sich Schülerinnen und Schüler bevorzugt und erfolgreicher in jenen Leistungsbereichen, die sie als kongruent mit ihrer eigenen Geschlechteridentität wahrnehmen. Eine besondere Bedeutung bekommen dabei sozial geteilte Annahmen über das Image, das mit einem Fach verbunden ist. Auf diese greifen sie zurück, um die dem Fach anhaftende Bedeutung in ihre eigene Identität zu integrieren und ihre eigene Identität als männlich oder weiblich betonen zu können. Für die Erklärung unterschiedlicher Bildungsentscheidungen in Abhängigkeit des Geschlechts kann unter anderem das von Eccles und Kollegen entwickelte erweiterte Wert-Erwartungs-Modell herangezogen werden (Eccles 1983; Eccles et al. 1999; Jacobs und Eccles 2000; Wigfield und Eccles 2000). Als zentrale Determinanten einer Bildungsentscheidung werden dabei der relative Wert und die wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit jeder verfügbaren Entscheidungsoption erachtet. Die Entwicklung unterschiedlicher Erfolgserwartungen und Werthaltungen wird auf ein komplexes Zusammenspiel psychologischer Konstrukte zurückgeführt, die den Einfluss etwa von sozialen Hintergrundmerkmalen oder früheren Lernerfahrungen vermitteln sollen. Theoretisch werden Werte und Erwartungen auf aufgabenspezifische Überzeugungen wie Selbstkonzepte der eigenen Kompetenz, Wahrnehmungen der Aufgabenanforderungen, kurz- und langfristige Ziele und Selbstschemata zurückgeführt. Die Ausprägungen dieser sozialkognitiven Variablen unterliegen wiederum der subjektiven Sicht des Entscheiders auf seine vorherigen Leistungen sowie seiner Wahrnehmung von Geschlechtsrollen, Aktivitätsstereotypen und der Erwartungen und Einstellungen wichtiger Bezugspersonen. Diese subjektiven Interpretationen und Wahrnehmungen werden letztlich bestimmt durch das weitere soziokulturelle Umfeld, die tatsächlichen Überzeugungen und Handlungen wichtiger Sozialisatoren wie Eltern oder Peers, die eigenen Talente und Fähigkeiten und die früheren Leistungen (vgl. Maaz et al. 2006).
8.5 Zukünftige Herausforderungen und Ansatzpunkte für den Abbau von Ungleichheiten des Bildungserwerbs Ungleichheiten des Bildungserwerbs sind in Deutschland trotz positiver Entwicklungen nach wie vor stark ausgeprägt. Sie bestehen in Bezug auf den Zugang zu Bildungseinrichtungen, den Kompetenzständen und den Bildungsabschlüssen. Auch wenn soziale Ungleichheiten nicht in Gänze beseitigt werden können, ist ihr Abbau nicht nur wünschenswert, sondern vielmehr eine notwendige Voraussetzung
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324 Bildungserwerb für die Zukunftssicherung der Gesellschaft. Durch den Abbau von Ungleichheiten des Bildungserwerbs können bislang nicht genutzte Leistungspotenziale erschlossen und genutzt werden. Maßnahmen zum Abbau von Bildungsungleichheiten sind in besonderer Weise an die Rahmenbedingungen des institutionalisierten Lernens gebunden, aber auch nicht unabhängig von allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen. Daher sollen abschließend die aus unserer Sicht zentralen Herausforderungen des Bildungssystems der zukünftigen Jahre dargestellt werden, die Fragen nach sozialen Ungleichheiten aufwerfen. Dabei handelt es sich zum einen um generelle gesellschaftliche Entwicklungen, die sich direkt auf das Bildungssystem auswirken, zum anderen um Entwicklungen innerhalb des Bildungssystems selbst. Darauf aufbauend werden anschließend Ansatzpunkte für den Abbau von sozialen Ungleichheiten skizziert. Eine seit Jahren zu beobachtende gesellschaftliche Entwicklung sind die veränderten demografischen Verhältnisse infolge des starken Geburtenrückgangs. Dies wirkt sich je nach Region in unterschiedlicher Art und Weise auf das Bildungssystem aus: In den Flächenländern führt dies insgesamt zu einer Abnahme der Bildungsteilnehmer, was einen Abbau von Bildungseinrichtungen im Allgemeinen und die Zusammenlegung von Schulformen im Sekundarschulwesen im Spezifischen zur Folge hat. In den Stadtstaaten ist ein gegenläufiger Trend zu verzeichnen, hier wird sich die Zahl in den nächsten Jahren sogar noch erhöhen (u. a. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010, 2016), so dass hier sichergestellt werden muss, dass allen Bildungsteilnehmern ausreichend Bildungsangebote zur Verfügung stehen. Neben diesen Unterschieden zwischen Flächenländern und Stadtstaaten lassen sich auch weitere regionale Unterschiede im Angebot institutionalisierter Bildung ausmachen, die Ungleichheiten im Bildungssystem verstärken können. So gibt es beispielsweise im Vorschulbereich deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, im Ausbildungsbereich hängt das Angebot an Ausbildungsplätzen deutlich mit der wirtschaftlichen Stärke einer Region zusammen. Für den nachhaltigen Abbau von sozialen Ungleichheiten müssen Bildungsangebote unabhängig von der Region in gleicher Weise verfügbar sein. Eine weitere zu beobachtende Entwicklung ist der zunehmende Trend nach höherer Bildung. So ist der Bildungsstand der Bevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Dies betrifft den Bereich der schulischen Abschlüsse und den der beruflichen Qualifikationen gleichermaßen. Die Nachfrage nach höherer Bildung wird auch in der Zukunft weiter steigen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 2016). Neben dieser positiven Entwicklung fällt jedoch auch auf, dass der Anteil derjenigen ohne Schulabschluss und Ausbildungsabschluss in den letzten Jahren erstaunlich stabil geblieben ist. Von der Expansion profitieren demnach nicht alle Personengruppen in gleicher Weise. Das Bildungssystem steht damit vor einer besonderen Herausforderung, einerseits auf die insgesamt steigenden Bildungsbemühungen der Bevölkerung zu reagieren und andererseits die Gruppe der nicht oder nur sehr gering Qualifizierten in den Blick zu nehmen.
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Zukünftige Herausforderungen 325 Der Trend zu höherer Bildung, gepaart mit der demografischen Entwicklung hat insbesondere Auswirkungen auf die Schulstruktur im Sekundarschulsystem. Gegenwärtig deutet sich hier in fast allen Bundesländern eine Entwicklung an, die neben dem Gymnasium nur noch eine nichtgymnasiale Schulform vorsieht. Das Entscheidende an solch einem Zwei-Säulen-Modell ist, dass beide Schulformen gleichgestellt sind und zu allen allgemeinbildenden Abschlüssen qualifizieren. Ein Einheitsschulsystem, das das gemeinsame Lernen von Klasse 1 bis 10 vorsieht, hat zurzeit lediglich Pilotcharakter in einigen Bundesländern. Aus der Ungleichheitsperspektive sind Modelle des längeren gemeinsamen Lernens sowie die Entkopplung von Schulform und Schulabschluss positiv zu bewerten, da dadurch eine Öffnung des Systems erfolgt und Schülerinnen und Schülern, die aufgrund ihrer Herkunft in das Schulsystem mit niedrigeren Leistungen eintreten, mehr Möglichkeiten gegeben werden, ihr Leistungspotenzial zu entfalten. Die verstärkte Nachfrage nach höherer Bildung stellt darüber hinaus die berufliche Ausbildung und die Hochschulbildung vor ein neues Spannungsverhältnis, das gerade in Hinblick auf die Attraktivität nichtakademischer Berufe eine Umorientierung in der Organisation beruflicher Ausbildungsberufe erfordert. Eine weitere zentrale Entwicklung des Bildungssystems stellt der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems dar. Mit der Ratifizierung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat sich Deutschland dazu verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu entwickeln (► Kap. 9). Vor dem Hintergrund sozialer Ungleichheiten ist dies ein richtiger und wichtiger Schritt, da Kinder und Jugendliche aus sozial weniger begünstigten Familien häufiger an Sonderschulen lernen als Kinder sozial privilegierter Familien. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass allein das Überwinden der historisch gewachsenen Differenzierung nicht zu einem inklusiven Bildungssystem führt und die Systemveränderungen auch mit einer pädagogischen Wende einhergehen müssen. Das wiederum setzt Veränderungen in der Lehramtsausbildung voraus und erfordert kontinuierliche Fort- und Weiterbildungen der Lehrkräfte. Damit eine optimale Entfaltung der Leistungsfähigkeit aller Schülerinnen und Schüler ermöglicht wird, muss die frühzeitige Diagnose von Leistungsdefiziten und deren individuelle Förderung fester Bestandteil des Unterrichtsalltags werden. Denn in einem Bildungssystem, das dem Leistungsprinzip folgt, nehmen die erbrachten Leistungen der Schülerinnen und Schüler eine Schlüsselrolle ein, so dass über herkunftsbedingte Leistungsunterschiede ein entscheidender Teil sozialer Herkunftseffekte erklärt werden kann. Gelingt es alle Kinder unabhängig ihrer Herkunft und individuellen Möglichkeiten optimal zu fördern, würde dies, anders als dies gemeinhin behauptet wird, in der Konsequenz nicht zu einem Abbau sozialer Ungleichheiten führen, sondern Ungleichheiten könnten sich sogar vergrößern. Das Bestreben soziale Ungleichheiten vollständig abzubauen, käme einer nicht endenden Sisyphos-Aufgabe gleich. Vielmehr sollten Mindeststandards für Kompetenzstände und zu erwerbende Bildungs-
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326 Bildungserwerb abschlüsse festgelegt und dann versucht werden, dass möglichst alle diese erreichen. Ein nachhaltiger Abbau von sozialen Ungleichheiten wäre nur durch eine gezielte und kontinuierliche Förderung von Kindern möglich, die Unterschiede in ihrer sozialen Herkunft ausgleicht, und die Bedarfe der jeweils individuellen Förderung berücksichtigt (► Kap. 10). Je früher diese Förderung einsetzt, desto wirksamer ist sie und desto besser lassen sich später eintretende sekundäre Herkunftseffekte vermeiden. In diesem Zusammenhang sind daher der Ausbau qualitativ hochwertiger frühkindlicher Bildungsund Betreuungsangebote und die pädagogische Qualifikation des Personals von entscheidender Bedeutung. Auch stellt der Ausbau des Ganztagsbetriebs eine Ressource dar, die für die Identifizierung von Leistungsdefiziten und deren Kompensation künftig viel stärker bedacht werden muss. Diese Entwicklungen sollten durch entsprechende Ressourcenvergabe unterstützt werden. Mit einer bedarfsgerechten Mittelzuweisung ist es beispielsweise möglich, auf besondere Bedarfe einer Bildungseinrichtung, vor allem Kindertageseinrichtungen und Schulen, zu reagieren. Die Einrichtungen bekommen so finanziellen Spielraum, um adressatengerechte Angebote für ihre Kinder und Jugendlichen anzubieten. Auf der anderen Seite ist jedoch auch die Frage nach der generellen Schwerpunktsetzung bei der Ressourcenvergabe zu stellen. Aus der Perspektive sozialer Ungleichheiten ist es beispielweise verwunderlich, dass eine Gebührenfreiheit im tertiären Bereich existiert, während der Vorschulbereich gebührenpflichtig ist.
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9 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich Rolf Werning
Zusammenfassung Seit 2009 ist die inklusive Bildung auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland rechtsgültig. Damit haben sich der Bund und die Länder zur Einführung eines inklusiven Bildungssystems auf allen Ebenen verpflichtet. Inklusion stellt dabei ein komplexes Konzept dar. Bisher fehlt eine allgemein akzeptierte Definition genauso wie klare Zielvorgaben zur Umsetzung. Neben einem engen Inklusionskonzept, das sich auf die gemeinsame Bildung von Menschen mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Bildungsinstitutionen bezieht, steht ein weites Inklusionsverständnis. Dies umfasst die generelle Minimierung von Diskriminierung und (Bildungs-)Benachteiligungen von Menschen, sei es aufgrund von Behinderung, Leistung, Geschlecht oder sozialer und/oder kultureller Herkunft und die Maximierung von sozialer Teilhabe. Inklusive Bildung, ob in einem engen oder weiten Verständnis, umfasst dabei den Zugang zu Bildung, die Akzeptanz von allen Menschen (und damit auch jenen mit besonderen Förderbedürfnissen) in den allgemeinen Bildungseinrichtungen, die Maximierung der sozialen Partizipation in curricularen und außercurricularen Aktivitäten und die Verbesserung der Persönlichkeits-, Lern- und Leistungsentwicklung aller Personen. Um dies zu erreichen, bedarf es umfassender Anstrengungen im Rahmen von frühkindlicher, schulischer und nachschulischer Bildung. Dies betrifft Organisationsentwicklungsmaßnahmen, Unterrichtsentwicklung und die Kooperation von pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen.
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334 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich
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9.1 Einführung Inklusion hat im Bildungsbereich in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erzeugt und zu vielfältigen Debatten sowohl in der Bildungspolitik, der Bildungsadministration, der Bildungsforschung als auch bei Erzieherinnen und Erziehern, Lehrkräften, Eltern, Kindern und Jugendlichen geführt. Inklusion wird dabei auf sehr unterschiedlichen Ebenen diskutiert. Dazu gehört einerseits der globale Diskurs, der auf der Ebene der Vereinten Nationen und der UNESCO lokalisiert ist und Auswirkungen auf nationale Entwicklungen – z. B. auf die Kultusministerkonferenz und auf die Bildungspolitik der Bundesländer – hat. Andererseits gehören dazu die konkreten Diskussionen auf der Ebene von Schulen und Bildungsregionen. Inklusion wird zudem einerseits auf den Aspekt der Förderung von Menschen mit Behinderungen bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf (sog. enger Inklusionsbegriff) und andererseits – allgemeiner – auf die Entwicklung inklusiver Bildungsinstitutionen und inklusiver Lehr-Lern-Situationen für alle Personen (sog. weiter Inklusionsbegriff) bezogen (vgl. Werning 2014). Dabei changiert die Debatte zwischen hohen normativen Ansprüchen und sehr pragmatischen Überlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen der konkreten Umsetzung. Eine besondere Schwierigkeit der Diskussion liegt ferner in der Komplexität (vgl. Booth 1995; Mitchell 2009) und in der unterschiedlichen Verwendung des Inklusionsbegriffs (vgl. Göransson und Nilholm 2015; Grosche 2015). Eine hohe Zustimmung findet dabei die Perspektive, dass inklusive Bildung aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert werden sollte (vgl. Booth et al. 2000; Kalambouka et al. 2005; Artiles et al. 2006). Dazu gehören: 1. Zugang zu Bildung, 2. Akzeptanz von allen Menschen (und damit auch jenen mit besonderen Förderbedürfnissen) in den allgemeinen Bildungseinrichtungen, 3. Maximierung der sozialen Partizipation in curricularen und außercurricularen Aktivitäten und 4. die Verbesserung der Persönlichkeits-, Lern- und Leistungsentwicklung aller Personen. Diese vier Bereiche können sowohl aus einer engen Inklusionsperspektive (für Menschen mit Behinderungen/Benachteiligungen) oder aus einer weiten Inklusionsperspektive betrachtet werden (für alle Menschen mit und ohne Behinderungen/Benachteiligungen): „Zugang“ bezieht sich grundlegend auf den Zugang zu Bildung überhaupt, aber auch auf den Zugang zu unterschiedlichen Bildungsformen mit unterschiedlich anspruchsvollen Bildungsgängen in differenzierten Systemen. Hier ist zu analysieren, welche Gruppen keinen oder einen erschwerten Zugang haben und inwieweit hier Prozesse direkter oder indirekter Diskriminierung vorliegen. „Akzeptanz“ bezieht sich auf die Einstellungen und Haltungen von Erzieherinnen und Erziehern, Lehrkräften, Schulleitungen, Eltern und Peers gegenüber Personen von Minderheitengruppen. Wer wird akzeptiert, wer wird nicht akzeptiert? Welche Prozesse der Ausgrenzung bzw. Marginalisierung sind nachweisbar?
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Inklusion als globaler Diskurs 335 „Soziale Partizipation“ geht über die Frage der Akzeptanz hinaus. Hier ist zu untersuchen, wieviel Zeit die Personen gemeinsam in sozialen Kontexten miteinander verbringen. Infrage steht, unter welchen Bedingungen Bildungssituationen stattfinden: gemeinsam oder für bestimmte Kinder häufig in externen Fördergruppen; gibt es strukturelle Trennungen z. B. in Form von Kooperationsklassen etc.? „Leistungsverbesserung“ macht deutlich, dass es bei der Inklusion nicht allein um Platzierung, sondern auch um die Optimierung der Lern- und Leistungsentwicklung für alle Personen geht. Dabei stehen die Fragen nach der optimalen Entwicklung der menschlichen Möglichkeiten, die Entfaltung der Würde und des Selbstwertgefühls und die Befähigung zu einer wirksamen gesellschaftlichen Teilhabe aller Personen im Mittelpunkt (vgl. Werning und Baumert 2013, 39). Der Inklusionsdiskurs umfasst zudem auch unterschiedliche Ebenen. Dazu gehören die individuelle, die interaktionale, die institutionelle und die gesellschaftliche, mit ihren je spezifischen Rahmensetzungen. Nach dieser ersten Annäherung an den Inklusionsbegriff soll im Folgenden die globale Diskussion skizziert werden. Daran anschließend wird der Argumentationsstrang nachgezeichnet, in dem es vorrangig um die Frage nach der Platzierung und Förderung von Menschen mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf geht. Im dritten Abschnitt sollen aufbauend auf einem weiten Inklusionsverständnis, das die möglichst optimale Förderung Aller umfasst, die Bereiche der Institutions- und der Unterrichtsentwicklung diskutiert werden.
9.2 Inklusion als globaler Diskurs Inklusion als globales Phänomen wurde insbesondere durch die Vereinten Nationen vorangetrieben (vgl. Mittler 2009). Auch hier zeigen sich unterschiedliche Fokussierungen, die einerseits auf einem weiten, aber andererseits auch auf einem engeren Inklusionsverständnis aufbauen. Ein zentrales Dokument des globalen Diskurses stellt die „World Declaration on Education for All“ von Jomtien/Thailand aus dem Jahre 1990 dar (UNESCO 1990). Hier wurde u. a. die Partizipation von grundständiger Bildung für alle Kinder gefordert, wobei die besonderen Problemlagen von Kindern mit Behinderungen nicht explizit thematisiert wurden. Dies geschah auf der Weltkonferenz „Pädagogik für besondere Bedürfnisse: Zugang und Qualität“ der UNESCO im Jahr 1994 in Salamanca, in dem ein explizit weites Inklusionsverständnis grundgelegt wurde. In dem dort verabschiedeten „Framework for action on special educational needs“ heißt es: „Das Leitprinzip, das diesem Rahmen zugrunde liegt, besagt, dass Schulen alle Kinder, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen oder anderen Fähigkeiten aufnehmen sollen. Das soll behinderte und begabte Kinder einschließen, Straßen- ebenso wie arbeitende Kinder, Kinder von entlegenen oder nomadischen
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336 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich Völkern, von sprachlichen, kulturellen oder ethnischen Minoritäten sowie Kinder von anders benachteiligten Randgruppen oder -gebieten. Diese Bestimmungen schaffen eine Reihe von Herausforderungen an Schulsysteme. Im Zusammenhang mit diesem Aktionsrahmen bezieht sich der Begriff ‚besondere pädagogische Bedürfnisse‘ auf all jene Kinder und Jugendliche, deren Bedürfnisse von Behinderungen oder Lernschwierigkeiten herrühren. Viele Kinder stoßen auf Lernschwierigkeiten und haben daher im Laufe ihrer Schulbahn besondere pädagogische Bedürfnisse. Schulen müssen Wege finden, alle Kinder erfolgreich zu unterrichten, auch jene, die massive Benachteiligungen und Behinderungen haben. Es besteht wachsende Übereinstimmung darüber, dass Kinder und Jugendliche mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen in jene Unterrichtsabläufe integriert werden sollen, die für den Großteil aller Kinder eingerichtet werden. Das hat zum Konzept inklusiver Schulen geführt“ (Österreichische UNESCO-Kommission 1996, 4).
In Deutschland hat die Salamanca-Erklärung zu einer Diskussion über die Einführung des Inklusionsbegriffs geführt (vgl. Feyerer und Prammer 2003; Hinz 2002, 2003; Reiser 2003; Sander 1995, 2004). Das bisherige Konzept der Integration, das eng mit der Frage der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und Benachteiligungen verbunden war, wurde durch die – nicht mehr auf spezifische Gruppen ausgerichtete – Perspektive einer inklusiven Bildung für Alle hinterfragt. Insgesamt hatte die Salamanca-Erklärung hierzulande jedoch nur geringe Auswirkungen auf die bildungswissenschaftlichen und bildungspolitischen Diskurse außerhalb der Sonder-/Integrationspädagogik. Dies änderte sich erst durch das 2006 von den Vereinten Nationen verabschiedete „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (Convention on the Rights of Persons with Disabilities — CRPD). Diese Konvention ist in Deutschland seit März 2009 rechtsgültig und verpflichtet somit den Bund und die Länder zur Umsetzung. In Artikel 24, Abs. 1 werden die Anforderungen an die nationalen Bildungssysteme folgendermaßen formuliert: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht von Menschen mit Behinderung auf Bildung an. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem (im rechtsgültigen englischen Text: ‚an inclusive education system‘) auf allen Ebenen (…) mit dem Ziel, a) die menschlichen Möglichkeiten (…) voll zur Entfaltung zu bringen (…); und c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen“ (BGBl 2008, 1436-1437; vgl. United Nations 2006).
In Abs. 2 wird die Umsetzung des Rechts auf diskriminierungsfreie Bildung präzisiert: „Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragspartner sicher, dass a) Menschen mit Behinderung nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden (…); b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen (engl.: inclusive) (…) Unterricht (engl.: education) (…) haben (…) und d) Menschen mit Behinderung inner-
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Inklusion als globaler Diskurs 337
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halb des allgemein Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern“ (BGBl 2008, 1436-1437; vgl. United Nations 2006).
Auch wenn die Konvention im Besonderen die Situation von Menschen mit Behinderungen thematisiert, wird ein weites Inklusionsverständnis zugrunde gelegt. Dies wird 2009 in den UNESCO Leitlinien für die inklusive Bildungspolitik noch einmal präzisiert: „(T)he requirement for inclusive schools to educate all children together means that they have to develop ways of teaching that respond to individual differences and that therefore benefit all children.“ (Unesco 2009, 9) In diesem Dokument wird Inklusion auf drei Ebenen (normativ) begründet: Zunächst besteht eine pädagogische Begründung: Da inklusive Schulen alle Kinder gemeinsam unterrichten, müssen sie Mittel und Wege finden, beim Unterrichten auf individuelle Unterschiede einzugehen. Davon profitieren alle Kinder. Zweitens gibt es eine soziale Begründung: Inklusive Schulen können Einstellungen zu Vielfalt verändern, wenn alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Sie bilden damit die Basis für eine gerechte und diskriminierungsfreie Gesellschaft. Drittens gibt es eine ökonomische Begründung: Es ist weniger kostenintensiv, Schulen einzuführen und zu erhalten, die alle Kinder gemeinsam unterrichten, als ein komplexes System unterschiedlicher Schultypen zu errichten, die jeweils auf verschiedene Gruppen spezialisiert sind (vgl. ebd., 9). Im deutschen Kontext hat die Kultusministerkonferenz am 20.10.2011 (KMK 2011) einen Beschluss zur inklusiven Bildung von Kindern und Jugendlichen in Schulen verabschiedet. Hier zeigt sich die Diffusität zwischen einem weiten und engen Inklusionsverständnis. Zunächst wird Inklusion als „umfassendes Konzept des menschlichen Zusammenlebens“ (ebd., 3) verstanden. Im Folgenden wird dann jedoch insbesondere die gemeinsame Erziehung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen thematisiert: „Grundlage inklusiver Bildung sind das gemeinsame Lernen und die gemeinsame Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen“ (ebd., 7). Die inklusive Schule wird dann als „Zielvorstellung“ beschrieben, „die in einem längerfristigen Prozess zu verwirklichen ist“ (ebd., 16). Der Beschluss der Kultusministerkonferenz ist beispielhaft für die nationale Diskussion. Auf theoretischer Ebene wird der weite Inklusionsbegriff unterstützt, gleichwohl sieht man bei der konkreten Umsetzung inklusiver Orientierungen und auch im Forschungsbereich weiterhin eine enge Verknüpfung zwischen Inklusion und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die gemeinsame Empfehlung von Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz vom 12.03. bzw. 18.03.2015 bezieht sich hingegen explizit auf ein weites Verständnis von Inklusion, das neben Behinderungen auch besondere Ausgangsbedingungen z. B. in den Bereichen Sprache, soziale Lebensbedingungen, kulturelle und religiöse Orientierungen, Geschlecht sowie besondere Begabungen und Talente umfasst.
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338 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich
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Deutlich wird die unklare Bestimmung von inklusiver Bildung auch durch die sehr unterschiedliche Umsetzung in den Bundesländern. Unterschiedliche Anteile von Schülerinnen und Schülern in Förderschulen, aber auch sehr divergente Perspektiven bezüglich der zukünftigen Rolle von Förderschulen zeigen dies auf (► 9.3.1). Fazit: Insgesamt zeigt sich somit auf globaler wie auch nationaler Ebene eine deutliche Unschärfe im Inklusionsverständnis, was dann auch auf der Ebene der Bundesländer deutlich wird. Hier wird noch überwiegend ein enges Inklusionsverständnis bei der Umsetzung der UN-BRK zugrunde gelegt, wobei jedoch gravierende Unterschiede deutlich werden. So haben einige Bundesländer spezifische Förderschulen schon abgeschafft, während in anderen Bundesländern ihr Bestand explizit gewährleistet wird (vgl. Werning und Thoms 2015).
9.3 Inklusion im sonderpädagogischen Diskurs Die Frage nach der Bildung von Menschen mit Behinderungen ist eng verbunden mit der Frage nach der Inklusion bzw. Exklusion in bzw. aus Bildungsinstitutionen. Lange Zeit wurde Menschen mit Behinderungen ihre Bildungsfähigkeit abgesprochen. So zeigt die Geschichte der Behindertenpädagogik, dass z. B. erst mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert gehörlose Menschen als bildungsfähig angesehen und Schulen für sie gegründet wurden. Auch der Gedanke der Bildung für alle Kinder – eben auch der ärmsten – wie er bei Pestalozzi zu finden ist, beschreibt die Einbeziehung dieser Kinder, die bisher kaum die Chance auf schulische Bildung bekamen. Hier ging es somit um die Ausweitung von Bildungsmöglichkeiten und um die Inklusion bisher Ausgeschlossener. Menschen mit geistigen Behinderungen wurden sehr viel länger als bildungsunfähig bezeichnet und nicht an Bildungsinstitutionen aufgenommen. So wurde z. B. erst 1965 in der Bundesrepublik Deutschland in Frankfurt die erste Schule für Geistigbehinderte gegründet; in der DDR galten Kinder mit geistigen Behinderungen bis zuletzt als bildungsunfähig. Auch Menschen mit Lernbeeinträchtigungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch als schwachsinnig bezeichnet wurden, gestand man nur eine eingeschränkte Bildungsfähigkeit zu (vgl. Werning und Lütje-Klose 2016, 25ff). Ihre Herausnahme aus der Volksschule und Einweisung in die Hilfsschule, die mit einem „wesensmäßigen Unterschied“ zu dem „Volksschulkind“ begründet wurde, zeigt hier exkludierende Prozesse für Personen mit Benachteiligungen im Bildungssystem auf. Im 20. Jahrhundert war die Diskussion um die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen durch die Gründung von Sondereinrichtungen geprägt. Seit der Weimarer Republik gab es einen enormen Ausbau von Hilfsschulen. Im frühkindlichen Bereich wurden Anfang der 1960er Jahre die ersten Sonderkindergärten gegründet, die insbesondere Kinder mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen aufnahmen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Ausgliede-
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Inklusion im sonderpädagogischen Diskurs 339
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rung von Menschen mit Behinderungen aus allgemeinen Bildungseinrichtungen in der Bundesrepublik begann Anfang der 1970er Jahre. Eine besondere Bedeutung hatten hier die Empfehlungen des deutschen Bildungsrates von 1973: „Sie [die Bildungsratskommission, Anm. d. Autors] legt in der vorliegenden Empfehlung eine neue Konzeption zur pädagogischen Förderung Behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher vor, die eine weit mögliche gemeinsame Unterrichtung von Behinderten und Nichtbehinderten vorsieht und selbst für behinderte Kinder, für die eine gemeinsame Unterrichtung mit Nichtbehinderten nicht sinnvoll erscheint, soziale Kontakte mit Nichtbehinderten ermöglicht. Damit stellt sie der bisher vorherrschenden schulischen Isolation Behinderter ihre schulische Integration entgegen.“ (Deutscher Bildungsrat 1973, 15f )
Eine durchgreifende Veränderung der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen konnte jedoch hierdurch nicht eingeleitet werden. Vielmehr stiegen die Anteile der Schülerinnen und Schüler in Förder-/Sonderschulen von 1970 bis 2003 kontinuierlich von 3,6 auf 4,8 % an (vgl. Werning und Reiser 2008, 519ff). Integrative Konzepte sind zunächst nur vereinzelt, oft aufgrund der guten Erfahrungen mit gemeinsamer Erziehung in Tageseinrichtungen für Kinder, durch das Engagement von Eltern, Lehrerkollegien und Wissenschaftler*innen – zunächst als Schulversuche – durchgesetzt worden. Dies geschah z. B. in Berlin an der Fläming-Schule ab 1975 (Projektgruppe Integrationsversuch 1988) und an der Uckermark-Schule ab 1982 (vgl. Heyer et al. 1990). Die positiven Erfahrungen mit diesen und anderen integrativen Schulversuchen führten in einigen Bundesländern zu einer Ausweitung der Integration, was dann auch zu einer Diskussion über die schulrechtlichen Voraussetzungen führte. In der DDR war eine vergleichbare Entwicklung nicht vorhanden. Vielmehr geriet hier das Sonderschulwesen in den späten 1970er Jahren unter erhöhten Leistungsdruck, „was sich in der Ausschulung schwer schwachsinniger Kinder aus der Hilfsschule und deren Funktionsbestimmung als einer Leistungsschule niederschlug“ (Ellger-Rüttgardt 1998, 249). Integrative Orientierungen setzten somit erst nach 1989 ein (vgl. auch Heimlich 2000). 9.3.1 Inklusive Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf im Spiegel der Statistik Auch aktuell wird teilweise die seit den 1970er Jahren geführte Diskussion um die Frage nach der richtigen Platzierung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf weitergeführt. Dabei zeigt sich, dass die gemeinsame Bildung im frühkindlichen Bereich deutlich stärker ausgebaut ist als im schulischen Bereich. Das achte Sozialgesetzbuch ermöglicht für Kindertagesstätten grundsätzlich die inklusive Gestaltung: „Kinder mit und ohne Behinderungen sollen, sofern der Hilfebedarf dies zulässt, in Gruppen gemeinsam gefördert werden“ (SGB VIII § 22 Abs. 4). Die Deutsche UNESCO-Kommission (2009, 27) beschrieb 2009 inklusive Bildung für diesen Bereich als Zielperspektive:
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340 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich „1. Die frühkindliche Bildung soll ausgebaut und verbessert werden, insbesondere für die am stärksten gefährdeten und benachteiligten Kinder.“ Im Bildungsbericht 2014 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 169) wird für die frühkindliche Bildung konstatiert, dass „Inklusion in heterogenen Gruppen (…) eine Zusammensetzung der Kinder voraussetzt, die im Idealfall der Zusammensetzung der gleichaltrigen Bevölkerung ähnelt.“ 2013 gingen 38 % der Kinder mit Eingliederungshilfen in solche Gruppen; 67 % befanden sich in Settings, in denen bis zu 50 % Kinder mit Eingliederungshilfen gefördert wurden und 1 % besuchten Einrichtungen mit mehr als 90 % Kindern mit Wiedereingliederungshilfen (vgl. ebd., 169). Insgesamt zeigt sich, dass im Bereich der Kindertagesstätten eine deutliche Orientierung weg von separierenden Einrichtungen hin zu inklusiven Settings erkennbar ist. Bisherige Sondereinrichtungen nehmen Kinder ohne Behinderungen auf und sog. Regeleinrichtungen öffnen sich für Kinder mit Förderbedarf. Auch die Transition von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule ist aus inklusionspädagogischer Sicht sehr bedeutsam. Auffällig ist, dass der Anteil der Kinder, die eine einrichtungsgebundene Eingliederungshilfe in Kindertagesstätten erhalten, mit zunehmendem Alter deutlich ansteigt. Sind es bei den Dreijährigen noch 1,7 % steigt dies bei den Sechsjährigen (die noch nicht eingeschult sind) auf 5,4 % (vgl. Autorengruppen Bildungsberichterstattung 2014, 176). Der Anteil der direkten Einschulung in Förderschulen liegt seit Jahren bei 3,3 % (ebd., 178). Im schulischen Bereich gelingt die Umsetzung der Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf deutlich verhaltener. Für die Beschreibung der Entwicklung werden unterschiedliche Fachtermini verwendet, die hier zunächst erklärt werden sollen: Tafel 9.1: Begriffsklärung zu Quoten in der Inklusionsdebatte Förderquoten
erfassen den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allen vollzeitschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern unabhängig davon, ob sie in Förderschulen oder allgemeinen Schulen unterrichtet werden. Exklusionsquoten erfassen den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allen vollzeitschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern, die an Förder- bzw. Sonderschulen unterrichtet werden. Inklusionsquoten erfassen den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die an allgemeinen Schulen integrativ unterrichtet werden, an allen vollzeitschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern. Inklusionsanteile erfassen den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die an allgemeinen Schulen unterrichtet werden, an allen Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
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Inklusion im sonderpädagogischen Diskurs 341 Bei der Betrachtung der statistischen Daten zeigt sich, dass die Exklusionsquote 1961 noch bei 2,4 % lag. 1975 betrug sie schon 4,1 % und stieg dann bis 2012 auf 4,8 %. 2014 zeigt sich erstmals ein leichter Rückgang auf 4,6 % (vgl. Werning und Reiser 2008; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 178f; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 81). Dabei zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede bei der Exklusionsquote zwischen den Bundesländern (► Abb. 9.1). Die höchsten Anteile findet man in den ostdeutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Thüringen hat die ehemals auch sehr hohe Exklusionsquote in den letzten Jahren deutlich reduziert. 2000/01
2014/15
0,7 0,4 0,1 0,2 0,9 0,9 1,2 1,6 0,4 0,4 2,6 0,4 0,5 1,4 0,6 1,3 0,1
-10 10
-8 8
-66
An Förderschulen
-4 4
-2 2
4,6
5,3
6,7 7,0 5,4 4,9 3,3 5,3 4,1 4,6 7,0 4,1 3,7 3,6 4,3 4,7 4,1 4,1
5,7 5,3 5,4 4,2 0
D
7,0
4,6
7,1 MV 7,1 ST 5,7 SN 5,8 HH 4,2 SL 6,5 BB 5,7 BE 5,0 NW 7,4 TH 6,7 HB 4,1 HE 4,1 RP
10,6 9,2 8,6 8,3 8,3 7,7 7,5 7,4 6,6 6,5 5,7 5,6
6,6 6,4 6,0 3,4 4,5 4,2 3,2 4,9 4,4 1,5 4,4 4,0
BW BY SH NI
7,3 6,4 6,2 5,7
5,2 4,7 2,3 3,9
in %
0
2,4 4,0 2,8 2,6 5,0 3,8 3,5 4,3 2,5 2,2 5,0 1,3 1,6 2,1 1,7 4,0 1,8
2
An sonstigen allgemeinbildenden Schulen
4
6
8
10
X Zusammen (Förderquote)
Abb. 9.1: Sonderpädagogische Förderquoten 2000/01 und 2014/15 nach Ländern und Förderort in % (Quellen: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 179; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 81) (BB = Brandenburg, BE = Berlin, BW = Baden-Württemberg, BY = Bayern, D = Deutschland, HB = Bremen, HE = Hessen, HH = Hamburg, MV = MecklenburgVorpommern, NI = Niedersachsen, NW = Nordrhein-Westfalen, RP = Rheinland-Pfalz, SH = Schleswig-Holstein, SL = Saarland, SN = Sachsen, ST = Sachsen-Anhalt, TH = Thüringen)
Die konstant niedrigsten Anteile von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen gibt es in Bremen und Schleswig-Holstein. In Sachsen, im Saarland, in NordrheinWestfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz sind die Exklusionsquoten in den letzten 15 Jahren sogar angestiegen. Die Zahlen machen insgesamt deutlich, dass in der Mehrzahl der Bundesländer der Anteil der Förderschülerinnen und Förderschüler nicht substantiell reduziert wurde.
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Gleichzeitig sind fast überall (Ausnahmen bilden Thüringen und Bremen) die Förderquoten deutlich gestiegen: bundesweit von 5,3 auf 7 %. Den höchsten Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf findet man in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland. Auch die Inklusionsquoten sind bundesweit im gleichen Zeitraum von 0,7 auf 2,4 % angestiegen, wobei auch hier erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern deutlich werden. Fazit: In den letzten 15 Jahren bekommen immer mehr Schülerinnen und Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf zugewiesen. In vielen Bundesländern entwickelt sich dabei ein „Zwei-Säulen-Modell“. Neben einem relativ konstanten Anteil von Förderschülerinnen und Förderschülern entwickelt sich eine langsam größer werdende Säule von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in Regelschulen unterrichtet werden. Die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern in den Exklusions-, Inklusions- und Förderquoten machen deutlich, dass von einer einheitlichen Umsetzung der inklusiven Bildung in Deutschland nicht gesprochen werden kann. Ein weiterer Aspekt, der in der Statistik deutlich wird, ist die große Varianz der integrativen Beschulung zwischen den Förderschwerpunkten (► Abb. 9.2). Während im Förderbereich „Emotionale und soziale Entwicklung“ fast 50 % der Schülerinnen und Schüler in allgemeinen Schulen unterrichtet werden, sind es im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ lediglich 7 %. Im quantitativ größten Förderschwerpunkt „Lernen“ werden 31 % der Schülerinnen und Schüler integrativ beschult (vgl. Autorengruppen Bildungsberichterstattung 2014, 178f ).
Hören
Sehen
Körperliche und motorische Entwicklung
Geistige Entwicklung
Emotionale und soziale Entwicklung
Sprache
Lernen
50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
alle Förderschwerpunkte
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342 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich
Abb. 9.2: Anteile der sonderpädagogischen Förderung an allgemeinbildenden Schulen 2012/13 nach Förderschwerpunkten (Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tabelle H3-17web)
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Inklusion im sonderpädagogischen Diskurs 343 Die Umsetzung der Inklusion gelingt auch in den verschiedenen Schulstufen und den unterschiedlichen Schulformen sehr unterschiedlich. Während 2013/14 bundesweit im Grundschulbereich der Anteil der Kinder mit Förderbedarf bei 46,9 % lag, waren es nur 29 % in der Sekundarstufe I (vgl. Klemm 2015, 35). Von den integrativ unterrichteten Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Sekundarstufe besuchten 33,4 % Integrierte Gesamtschulen, 22,6 % Hauptschulen und 22,4 % Schulen mit mehreren Bildungsgängen. An Gymnasien wurden lediglich 5,6 % und an Realschulen nur 4,9 % gemeinsam beschult (vgl. Klemm 2015, 54). Fazit: Die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Eingliederungshilfe bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf gelingt mit zunehmendem Alter von den Kindertagesstätten bis zur Sekundarstufe I deutlich schlechter. Im Sekundarbereich beteiligen sich die Realschulen und Gymnasien zudem nur in sehr geringem Umfang an der Umsetzung der inklusiven Bildung. 9.3.2 Forschung zu Effekten der inklusiven Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Die Frage nach den Auswirkungen des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderungen bzw. mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf wurde auch in der Integrationspädagogik seit den 1980er Jahren immer wieder untersucht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Mehrzahl internationaler Befunde leichte Vorteile hinsichtlich der Schulleistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf (special needs) in der integrativen Unterrichtung in Regelschulen aufweist. So stellen die älteren, in den USA durchgeführten Metaanalysen zum Einfluss der Art der Beschulung auf Schulleistungen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne spezifischem Förderbedarf kleine bis moderat positive Befunde zugunsten der gemeinsamen Unterrichtung in Regelschulen fest (vgl. Carlberg und Kavele 1980; Wang und Baker 1985/86; Baker et al. 1995). Die durchschnittlichen Effektstärken für die schulische Leistungsentwicklung lagen hier zwischen 0.08 und 0.44. In der Folge des „No Child Left Behind Acts“ von 2002 (vgl. PUBLIC LAW 107–110—JAN. 8, 2002, 107th Congress) sind aktuellere Daten aus den verpflichtenden Durchführungen von vergleichenden Leistungserhebungen in den USA verfügbar. Die „Special Education Elementary Longitudinal Study“ (SEELS) umfasst Daten eines für die USA repräsentativen Samples von über 11.000 Schülerinnen und Schülern im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Die Befunde zeigen hier Vorteile für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen, die häufiger in Regelklassen unterrichtet werden (vgl. Blackorby et al. 2007). Auch Studien im deutschsprachigen Raum weisen vergleichbare Ergebnisse aus (vgl. Haeberlin et al. 1991; Kronig et al. 2000; Kronig 2003). Die Übersichten nationaler wie internationaler Studien (z. B. Katz und Mirenda 2002; Ruijs und Peetsma 2009; Hildeschmidt und Sander 1996; Möller 2013) kommen
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344 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich überwiegend neutrale oder positive Effekte für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zeigen, die integrativ beschult werden. In einer aktuellen Studie von Kocaj et al. (2014), die auf den Daten des IQB-Ländervergleichs 2011 für die Primarstufe beruht (vgl. Stanat et al. 2012), zeigen sich ebenfalls geringe bis mittlere positive Effekte für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Sprache, die in Regelklassen unterrichtet werden. Bei der Kontrolle von sozioökonomischem Status, kognitiven Grundfähigkeiten und Bildungsaspiration entsprechen die Leistungsrückstände der Schülerinnen und Schüler in Förderschulen dem Lernzuwachs von etwa einem halben Schuljahr in Mathematik, einem halben Schuljahr im Lesen und fast einem Schuljahr im Zuhören. Besonders deutlich sind die Leistungsvorsprünge von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt Lernen. Hier liegen die Unterschiede im Kompetenzbereich Lesen und Mathematik bei annähernd einem Schuljahr, im Kompetenzbereich Zuhören gar bei mehr als einem Schuljahr zugunsten der Kinder in Regelschulen. Die Studien von Wocken und Mitarbeitern machen zudem für den Bereich des Förderschwerpunkts Lernen deutlich, dass der Förderschulbesuch keine entwicklungsoptimierende Wirkung zeigt (vgl. Wocken 2007; Wocken und Gröhlich 2009). Zu den Effekten der schulischen Integration von Kindern mit einer geistigen Behinderung liegt für den deutschsprachigen Raum eine schweizerische Studie vor (Sermier Dessemontet et al. 2011). Hier zeigt sich, dass die Lernfortschritte der integrierten Kinder mit geistiger Behinderung mindestens genau so groß sind wie die vergleichbarer Schülerinnen und Schülern in Förderschulen. Dies entspricht den bisherigen internationalen Forschungsergebnissen in diesem Bereich. Vorteile für die integrierten Kinder fanden sich im Bereich Sprache, was auf die stimulierende Lernumgebung in inklusiven Klassen im sprachlichen und kommunikativen Bereich zurückgeführt wird (vgl. ebd., 303). Auch bezüglich der Entwicklung der adaptiven Fähigkeiten der Kinder mit geistiger Behinderung (u. a. Selbstständigkeit, Selbstfürsorge, zwischenmenschliche Kompetenzen) zeigten sich zwischen integrativ und segregativ unterrichteten Kindern keine Unterschiede. Über die Befunde zum gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Körperbehinderungen hat Walter-Klose (2013) eine Literaturrecherche über 81 nationale und internationale Studien der letzten 40 Jahre zusammengestellt und systematisch ausgewertet. Die Befunde zu den Ergebnissen schulischer Bildung zeigen hier, dass sich – wie auch in den anderen Förderschwerpunkten – die Kinder und Jugendlichen mit Körperbehinderungen im gemeinsamen Unterricht gleich oder besser entwickeln als vergleichbare Mitschüler mit Körperbehinderungen, die eine Förderschule besuchen. Fazit: Bezüglich der Lern- und Leistungsentwicklung zeigt sich, dass aufgrund der vorliegenden empirischen bildungswissenschaftlichen Befunde nichts gegen die integrative Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem
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Inklusion im sonderpädagogischen Diskurs 345
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Förderbedarf spricht. Vielmehr wird deutlich, dass die Lern- und Leistungsentwicklung durch den gemeinsamen Unterricht in allgemeinen Schulen eher positiv beeinflusst wird. Insbesondere lernschwächere Schülerinnen und Schüler profitieren deutlich von der gemeinsamen Förderung an allgemeinen Schulen. Bei den vorliegenden Untersuchungen zu sozialen und emotionalen Effekten liegen uneinheitliche Befunde vor. Zum einen zeigt sich, dass der Besuch von Sonderbzw. Förderschulen stigmatisierend wirkt (vgl. Homfeld 1996). In einer Untersuchung bei Schülerinnen und Schülern des Förderschwerpunktes Lernen kommt Schumann (2007, 159) zu dem Ergebnis, dass auch heute der Sonderschulstatus stigmabehaftet ist und „bei den meisten Schülerinnen und Schülern aller untersuchten Schülergruppen Schamgefühle aus(löst), die sie als Belastung wahrnehmen. Das Verschweigen und Verleugnen des Sonderschulstatus in sozialen Alltagssituationen ist die vorherrschende Form der Schambewältigung und ein Hinweis auf ein gemindertes Selbstwertgefühl“. Andererseits weisen einige Befunde zu Wirkungen inklusiver schulischer Bildung auf psychosoziale Variablen der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf negative Aspekte auf. Für die leistungsbezogene Dimension des Selbstkonzepts zeigen sich in der Studie von Sauer et al. (2007) schlechtere Werte bei integrativ beschulten Kindern mit Lernbeeinträchtigungen im Vergleich zu Förderschülerinnen und Förderschülern. Auch in der Untersuchung von Haeberlin et al. (1991) zeigten die integrierten Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen ein niedrigeres Selbstkonzept im Bereich der eigenen Begabung als Schülerinnen und Schüler an Sonder- bzw. Förderschulen. Spörer et al. (2015) haben in ihrer Studie positive Zusammenhänge zwischen dem fachlichen Selbstkonzept und den korrespondierenden Leistungen gefunden. Sie konnten jedoch auch zeigen, dass sich keine Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf bei vergleichbaren soziodemografischen Merkmalen sowie bei vergleichbarer Leistung in ihren akademischen Selbstkonzepten nachweisen ließen. Dies deutet darauf hin, dass nicht der sonderpädagogische Förderbedarf, sondern vielmehr die jeweiligen wahrgenommenen Leistungen und spezifischen sozialen Merkmale das leistungsbezogene Selbstkonzept beeinflussen. Auch die soziale Integration wird in einigen Studien als Problem identifiziert. So findet Bless (2000), dass Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf Lernen in Regelklassen ungünstigere Beliebtheitswerte aufweisen als SchülerInnen in Förderschulen. Studien zeigen ein insgesamt höheres Ausgrenzungsrisiko für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf gegenüber Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in integrativen Klassen (vgl. Bakker und Bosmann 2003; Bless 2007; Huber 2009; Kavale und Forness 1996). Jepma (2003) und Peetsma et al. (2001) konnten jedoch keine relevanten Unterschiede im Bereich der psychosozialen Integration bei Schülern und Schülerinnen in den Niederlanden finden. In den Befunden zum BiLieF-Projekt (Wild et al. 2015) zei-
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346 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich gen sich hinsichtlich des Erlebens von Grundschülerinnen und Grundschülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lernen in den Fördersettings „Förderschule“, „integrative Förderung im Rahmen der Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung“ oder im „Gemeinsamen Unterricht“ in Nordrhein-Westfalen „keine markanten Differenzen im psychosozialen Erleben von Schülerinnen und Schülern mit SFB-L in den drei Schulsettings“ (ebd., 19). Spörer et al. (2015) konnten in ihrer Studie an inklusiven Grundschulen in allen 61 untersuchten Klassen einen hohen Zusammenhang zwischen dem sozialen Selbstkonzept und dem subjektiv erlebten Sozialklima nachweisen, was auf pädagogische Interventionsmöglichkeiten auf das soziale Selbstkonzept in Lerngruppen hindeutet. Auch in einer Untersuchung von Huber und Wilbert (2012) mit 463 Schülerinnen und Schülern der 3. und 4. Klassen in inklusiv arbeitenden Grundschulen in Nordrhein-Westfalen zeigte sich, dass sich Kinder mit schlechten Schulnoten und erhöhtem Förderbedarf signifikant schlechter in die Klassengemeinschaft integriert und von ihrer Lehrkraft akzeptiert fühlten. Gleichwohl konstatieren die Autoren (ebd., 162), „dass die Zusammenhänge zwischen Schulleistung, Förderbedarf und sozialer Integration nicht einer stabilen Gesetzmäßigkeit folgen, sondern zum Teil erheblichen Schwankungen unterliegen könnten. So war bei 9 der Klassen soziale Ausgrenzung stark mit Förderbedarf und Schulleistung assoziiert, während in 11 der Klassen solche Zusammenhänge nicht feststellbar waren.“
Dies lässt vermuten, dass spezifische pädagogische Konzepte, wozu auch die LehrerSchüler-Interaktion wie auch Formen der Leistungsrückmeldung und -bewertung zählen können, entscheidenden Einfluss auf die soziale Integration von Kindern haben. Dass sich die Formen der sozialen Integration in verschiedenen Entwicklungsphasen unterscheiden, macht Köbberling (1998) in ihrer qualitativen Analyse von 17 integrativen Abschlussklassen (10. Jahrgang) an Hamburger Sekundarschulen deutlich. Sie verweist darauf, dass im 5. und 6. Jahrgang, an die Erfahrungen der Primarstufe anknüpfend, offene, differenzierte Unterrichtsformen sowie das soziale Lernen einen hohen Stellenwert haben. Demgegenüber setzt im 7. und 8. Jahrgang ein deutlicher Differenzierungsprozess ein, „der über spannungsvolle Abgrenzungsprozesse Unterschiede sichtbar werden lässt und Individuation ermöglicht“ (ebd., 272). In dieser Phase werden die Kontakte zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen seltener. „Die ‚Schere der Entwicklung‘ geht weit auseinander, und die verunsichernde und anstrengende Suche nach der eigenen Identität macht die Jugendlichen zeitweise ungeduldig und abweisend im Umgang miteinander“ (ebd., 259). Demgegenüber findet in den Jahrgängen 9 und 10 wieder eine Annäherung, eine erneute soziale Zuwendung und auch Kooperation statt. „Nach den schwierigen Auseinandersetzungen in der Phase der Pubertät können wieder Prozesse der Beruhigung und Annäherung eintreten, mit dem Ergebnis, dass sich die Schülerinnen und Schüler zum Abschluss ihrer Schulzeit deutlich in ihrer Unterschiedlichkeit sehen und zugleich anerkennend als zusammengehörig erleben“ (Köbberling 1998, 271).
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Inklusion im sonderpädagogischen Diskurs 347 Fazit: Die Befunde zu psychosozialen Effekten der inklusiven Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zeigen, dass hier deutliche Risiken bestehen. Negative Werte beim leistungsbezogenen Selbstkonzept scheinen dabei weniger vom Status „sonderpädagogischer Förderbedarf“, sondern allgemein von der subjektiv eingeschätzten Leistungsfähigkeit abzuhängen. Die soziale Integration stellt sich ebenso nicht von selbst ein, sondern bedarf besonderer pädagogischer Unterstützung, um Ablehnung und Ausgrenzung zu vermeiden. Forschungsbefunde liegen auch zu den nachschulischen Entwicklungen von Menschen mit Behinderungen/sonderpädagogischem Förderbedarf vor, die in allgemeinen Schulen oder in Förderschulen unterrichtet worden sind. Myklebust (2006) hat in Norwegen in einer Langzeitstudie Daten erhoben, wie sich Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die inklusiv bzw. separativ unterrichtet wurden, bezüglich Ausbildung und Persönlichkeit entwickelt haben. Er kommt zu dem Schluss, dass Schülerinnen und Schüler, die ausschließlich inklusiv unterrichtet wurden, in einem deutlich größeren Ausmaß erfolgreich waren als die anderen. Fast 60 % von ihnen erreichten das (erwartete) Kompetenzniveau der Sekundarstufe II, gegenüber 35 % der separativ beschulten Kinder und Jugendlichen (vgl. Myklebust 2006, 78; vgl. auch Markussen 2004). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Studie von Haeberlin et al. (2011) aus der Schweiz, in der die nachschulische Entwicklung von Menschen mit Lernbeeinträchtigungen untersucht wurde. Befragt wurden 452 junge Erwachsene, die auch schon in der 2. und 6. Klasse untersucht worden waren und entweder die Regelschule (im gemeinsamen Unterricht) oder Kleinklassen für Lernbehinderte besuchten. Als Ergebnis stellen die Forscher fest: „Junge Erwachsene, die ehemals eine Regelklasse besucht haben, können einen deutlich höheren Ausbildungszugang realisieren als junge Erwachsene aus Sonderklassen für Lernbehinderte. (…) Für junge Erwachsene, die ehemals eine Regelklasse besucht haben, steigt das Chancenverhältnis, einen höheren Ausbildungszugang zu realisieren gegenüber sonst vergleichbaren ehemaligen Sonderklassenschülerinnen und -schülern um den Faktor 2.5 an. (…) Selbst unter Kontrolle von Geschlecht, Nationalität, sozioökonomischem Status, Intelligenz und sprachlicher Schulleistung wirkt sich der Besuch einer Sonderklasse für Lernbehinderte auf die berufliche Integration negativ aus“ (Haeberlin et al. 2011, 63ff).
Tafel 9.2: Rügener Inklusionsmodell Einen aktuellen Ansatz mit dem Anspruch, Inklusion für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Schule umzusetzen, stellt das sogenannte Rügener Inklusionsmodell dar (vgl. http://www.rim.uni-rostock.de/). Dieses Konzept ist auf der Grundlage des US-amerikanischen Präventionsprogramms „Response to Intervention“ (RTI) (► Kap. 10) entwickelt und auf der Insel Rügen seit dem Schuljahr 2010/2011 umgesetzt und wissenschaftlich begleitet worden. Bei dem RTI-Ansatz (vgl. Vaughn und Fuchs 2003; Fuchs et al. 2012; Limbach-Reich 2015) wird ein gestuftes Fördersystem,
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348 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich meist auf drei Ebenen, mit dem Ziel eingeführt, frühzeitig Lernschwierigkeiten zu diagnostizieren und Fördermaßnahmen einzuleiten, um Manifestierungen zu verhindern. Ebene 1 umfasst den allgemeinen Klassenunterricht mit allen Schülerinnen und Schülern. Ca. dreimal pro Jahr werden alle Kinder getestet, um ihren Lernfortschritt zu diagnostizieren. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 20 % der Grundschulkinder nicht den erwarteten Lernerfolg aufweisen. Diese sogenannten „Nonresponder“ sollen dann auf Stufe 2 eine „Intensivierung der Förderung“ und eine „engmaschigere Lernverlaufsdiagnostik (bis zu ein- bis zweimal pro Woche)“ (Huber und Grosche 2012, 315) erhalten. Die Wirkung von eingeleiteten evidenzbasierten Förder- bzw. Trainingsprogrammen, die allein oder in Kleingruppen von der Klassenlehrkraft oder der sonderpädagogischen Lehrkraft innerhalb oder außerhalb des Klassenunterrichts eingesetzt werden, wird direkt überprüft. Bei den Schülerinnen und Schülern, die auf Stufe 2 keine hinreichenden Lernfortschritte machen (sog. Nonresponder der Förderebene 2), wird auf der Basis umfassender sonderpädagogischer Diagnostik auf Stufe 3 eine spezifische Förderung eingeleitet. „Diagnostik und Förderung können an der Allgemeinen Schule oder an einer Förderschule stattfinden, werden aber grundsätzlich von spezialisierten Fachkräften (Förderschullehrkräfte, Schulpsycholog*innen, Ergotherapeut*innen, Motopädagog*innen, Logopäd*innen, Sozialpädagog*innen) durchgeführt. Gleichzeitig wird in Stufe 3 die hohe Frequenz von curriculumbasierten Messungen aufrechterhalten, um eine effektive formative Evaluation der Fördermaßnahmen erreichen zu können“ (Huber und Grosche 2012, 316). Die Protagonist*innen des Ansatzes gehen hier etwa von einem Anteil von 5 % der Schülerinnen und Schüler auf Stufe 3 aus. Das Ziel des Ansatzes liegt in einer engen Verknüpfung zwischen allgemeiner und sonderpädagogischer Förderung insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen in den Bereichen Lernen, sozial-emotionale Entwicklung und Sprache. Auf der Grundlage eines individuumzentrierten, lern- und verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Modells von (sonder-)pädagogischer Intervention soll eine frühzeitige und effektive (weil evidenzbasierte) Förderung auf unterschiedlichen Intensitätsebenen realisiert werden. In Rügen wurde dieses Modell des Response-to-Interventionsansatzes erprobt und untersucht (vgl. Malau et al. 2016; Voß et al. 2014; Voß et al. 2016). Bezogen auf die Gesamtgruppenergebnisse zeigten sich im sogenannten Rügener Inklusionsmodell keine positiven Effekte auf die Schulleistungen der Schülerinnen und Schüler (Voß et al. 2016, 147). Die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sehr ungünstigen Voraussetzungen für schulisches Lernen gelingt im Rügener Inklusionsmodell besser als in den Förderklassen und -schulen in Stralsund (Kontrollgruppe). Dies kann als erwartungskonform eingestuft werden, da die vorliegenden Studien zur Platzierung von Schülerinnen und Schülern mit Lernbeeinträchtigungen in Grundschulen (auch ohne RTI) deutlich positive Effekte zeigen (► 9.3.2.). Im Bereich der emotional-sozialen Entwicklung zeigen sich kleine Vorteile für das Rügener Modell. „Zwischen den Zwillingsgruppen beider Regionen zeigen sich signifikante Unterschiede in der Lehrereinschätzung zur emotionalen und sozialen Entwicklung. Der Gesamtproblemwert auf Rügen fällt bei einer geringen Effektstärke niedriger aus als in Stralsund, das prosoziale Verhalten ist auf Rügen signifikant besser ausgeprägt.“ (Voß et al. 2016, 140.) Bezogen auf die sprachliche Entwicklung ergeben sich zwischen den Rügener und den Stralsunder Schülerinnen und Schüler keine Unterschiede.
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Inklusion im Kontext von allgemeiner Unterrichtsentwicklung 349 Aus inklusionspädagogischer Perspektive erfährt der RTI-Ansatz teilweise deutliche Kritik. So wird die Kategorisierung von „respondern“ und „non-respondern“ und die damit einhergehende mögliche Defizitorientierung, Etikettierung und Stigmatisierung, die NichtBerücksichtigung schwerer Formen kognitiver und sozial-emotionaler Beeinträchtigungen und die starke Ausweitung der Anwendung sonderpädagogisch-psychologischer Test- und Interventionsverfahren, die mit einer tendenziell separierenden Unterrichtsgestaltung einher gehen, kritisiert (vgl. Hinz 2013; Limbach-Reich 2015, 489f ). Auch in den USA gibt es seit längerem eine kritische Auseinandersetzung mit dem RTI-Ansatz. So konstatiert Ferri (2012, 863): „RTI is not so much a reform but a tactic, aimed at returning to the status quo of segregated special education and reinvigorating many of the foundational assumptions of traditional special education practice.“ (vgl. auch Artiles 2014; Artiles und Kozleski 2010; Reynolds und Shaywitz 2009). Anzumerken ist, dass das sogenannte Rügener Inklusionsmodell auf der Basis des RTI-Ansatzes auf Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in den Bereichen Lernen, sozial-emotionale Entwicklung und Sprache in der Grundschule bezogen ist und vorrangig ein sonderpädagogisch-psychologisches Präventions- und Interventionskonzept für diese Bereiche umfasst. Es beinhaltet kein umfassendes Konzept von inklusiver schulischer Bildung, das konsequent die Ziele der Minimierung von Diskriminierung und der Maximierung von sozialer Partizipation sowie von Lernchancen für alle Schülerinnen und Schüler im Zusammenspiel von Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung an Schulen verfolgt.
Auf diese Nachzeichnung einiger spezifisch auf die Förderung von Personen mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf ausgerichteten Inklusionsdiskurse soll nun der Fokus auf ein erweitertes Inklusionsverständnis gelegt werden. Inklusion wird hier als Konzept der Minimierung von Diskriminierung und Bildungsbenachteiligungen und der Maximierung von sozialer Teilhabe verstanden. Diese erweiterte Perspektive stellt damit nicht mehr die Frage nach dem „richtigen Förderort“ für spezifische Gruppen in den Mittelpunkt. Vielmehr werden die Entwicklungsvoraussetzungen und Entwicklungsprozesse von Bildungsinstitutionen auf verschiedenen Ebenen thematisiert, die notwendig sind, um Inklusion zu realisieren. Dies soll im Folgenden für die Bereiche der Unterrichts- und Schulentwicklung diskutiert werden.
9.4 Inklusion im Kontext von allgemeiner Unterrichtsentwicklung Inklusion im Kontext der allgemeinen Unterrichtsentwicklung ist direkt mit der grundlegenden Frage des Umgangs mit Heterogenität in Lerngruppen verbunden. Dabei wird meist gefordert, dass der Unterricht auf die unterschiedlichen Lernund Leistungsstände und auf die unterschiedlichen sprachlichen, sozialen und kulturellen Ausgangsbedingungen der Schülerinnen und Schüler – insbesondere durch
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350 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich Binnendifferenzierung und Individualisierung – einzugehen habe. Gleichwohl zeigen verschiedene Untersuchungen, dass dies häufig nicht stattfindet (vgl. im Überblick Trautmann und Wischer 2011, 122ff). In der IGLU-Studie 2001 (vgl. Bos et al. 2003, 257f ) kommen die Autoren zu folgender Einschätzung: „Die Tatsache, dass zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler einen Unterricht erfahren, in dem mit den gleichen Übungsaufgaben und dem gleichen Material gearbeitet wird, lässt vermuten, dass eine individuelle, auf Fehlerschwerpunkte abzielende Förderung im Rechtschreibunterricht keine Selbstverständlichkeit ist“. Helmke (2014, 261) weist auf die Ergebnisse zur Differenzierung im Englischunterricht von 9. Klassen in der DESI-Studie der KMK hin, die zeigen, „dass sich die am häufigsten vorkommenden Differenzierungen im Unterricht insbesondere auf die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler beziehen (…). Am ausgeprägtesten wird in der Realschule leistungsdifferenziert und am wenigsten in Hauptschulen und Integrierten Gesamtschulen; das Gymnasium befindet sich in der Mitte.“ (Helmke et al., 2008)
Vorliegende Befunde weisen zudem auf eine sehr kritische Haltung von Lehrkräften gegenüber Leistungsheterogenität hin. Im Rahmen der TIMSS-Studie (vgl. Baumert und Lehmann 1997) wurden Lehrkräfte der Sekundarstufe I in Deutschland, Japan und den USA nach Berufserschwernissen gefragt. Dabei gaben 63 % der japanischen, 55 % der deutschen und 44 % der amerikanischen Lehrkräfte „Begabungsunterschiede“ als starke Berufserschwernisse an. Im Rahmen der PISA Studie (vgl. Baumert und Schümer 2001, 454) zeigten sich gehäufte Klagen von Sekundarstufenlehrpersonen über die zu große Leistungsheterogenität der Schülerinnen und Schüler. Gebauer, McElvany und Klukas (2013) kommen bei der Untersuchung zur Erfassung der Einstellungen von 235 Lehramtsstudierenden an der Technischen Universität Dortmund zu anderen Ergebnissen. Die angehenden Lehrkräfte sahen in heterogenen Lerngruppen überwiegend einen positiven Mehrwert und trauten sich selbst einen kompetenten Umgang zu. Ebenfalls gingen viele Lehramtsstudierende von einem erhöhten Aufwand aus und sahen das Ziel einer optimalen Förderung der Lernenden durch die Heterogenität erschwert. „Während die kulturelle Heterogenität bezüglich Wert und intrinsische motivationale Orientierung die positivsten Werte erhielt, wurden leistungsheterogene Lerngruppen (…) als am problematischsten bezüglich der Kosten für Lehrkräfte, Lernende und Bildungssystem eingeschätzt.“ (ebd., 210) Lehrkräfte können durch längere Erfahrung mit heterogenen Lerngruppen auch zu einer Veränderung ihrer Einstellungen kommen. In der Studie von Kopp (2007) wird deutlich, dass das inklusive Denken im Laufe des Umgangs mit dem Phänomen der Heterogenität zunimmt. Auch in der schriftlichen Befragung von Klassenleiterinnen in jahrgangsgemischten Eingangsstufen in Bayern (Lang et al. 2009) zeigen die Befunde, dass die bewusste Erhöhung von Heterogenität durch die Ein-
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Inklusion im Kontext von allgemeiner Unterrichtsentwicklung 351
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führung der Jahrgangsmischung dazu führen kann, dass sich bei den Lehrkräften die Einstellung zu Heterogenität verändern und eine Abwendung vom „Homogenisierungsdenken“ erreicht werden kann. 9.4.1 Leistungsentwicklung in inklusiven Lerngruppen Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, welche Auswirkungen Unterricht in eher homogeneren oder heterogeneren Lerngruppen zeigt. In der Studie von Geiling und Thiel (2007) wurden Lehrkräfte zur Einschätzung des jahrgangsübergreifenden Unterrichts, in dem die Heterogenität bewusst erweitert ist, befragt. Die Befunde zeigten, dass insbesondere die Chancen für soziales Lernen positiv beurteilt wurden. Die Leistungsentwicklung wurde hingegen weniger positiv eingeschätzt. In der Zusammenfassung des Forschungsstands zum jahrgangsübergreifenden Lernen von Eckerth und Hanke (2009) zeigten sich ebenfalls im sozial-emotionalen Bereich positive Effekte, während im Bereich der Schulleistungen keine bedeutsamen Vor- oder Nachteile deutlich wurden. Hattie (2009) hat die Effekte des Trackings, also der Zusammenfassung von leistungsähnlichen Schülern in Lerngruppen, untersucht. Dabei unterscheidet er zwischen Leistungseffekten und Gerechtigkeitseffekten: „The results show that tracking has minimal effects on learning outcomes and profound negative equity effects. The overall effects on mathematics and reading were similarly low (…), the effects on self-concept were close to zero, and effects on attitudes towards subject matter slightly higher (…).“ (Hattie 2009, 90)
Weder leistungsstarke noch leistungsschwache Schülerinnen und Schüler profitieren hiernach von einer nach Leistung vorgenommenen Lerngruppenzusammensetzung. Die Auswirkungen auf die Bildungsgerechtigkeit sind ebenfalls intensiv untersucht worden. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob durch die Sortierung nach Leistung spezifische Gruppen von Schülerinnen und Schülern benachteiligt werden. Hattie (2009) gibt einen Überblick über die Forschungslage wobei er u. a. auf die Studien von Oakes (1992, 2005) verweist. Oakes hat in ihrer Untersuchung 25 junior und senior high schools untersucht. „Her major finding was that many lowtrack classes are deadening, non-educational environments. Oakes (…) concluded that ‚the best evidence suggests that, in most cases, tracking fails to foster the outcomes schools value‘“ (Hattie 2009, 90f ). Auch die Mehrebenenanalysen von Schümer (2004) zeigen, dass im Fall von sehr ungünstig zusammengesetzten Schülerpopulationen, d. h. Gruppen, die mehrheitlich aus Schülerinnen und Schülern zusammengesetzt sind, die überwiegend aus bildungsfernen Elternhäusern stammen, deren Familiensprache nicht Deutsch ist, deren Väter nicht Vollzeit beschäftigt sind und die geringere kognitive Fähigkeiten mitbringen, beträchtliche negative Effekte auf die individuellen Lernleistun-
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352 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich gen festzustellen sind. Im Gegensatz dazu führt eine soziale Durchmischung in Lerngruppen zu einer Verbesserung der Lernleistungen (vgl. Schümer 2004, 96ff). Dies zeigt, dass insbesondere die Zusammenfassung von benachteiligten und leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern – wie dies in Haupt- und auch in Förderschulen geschehen kann – zu einer direkten Bildungsbenachteiligung führt. Gemeinsames Lernen in heterogenen Lerngruppen scheint hingegen keine negativen Effekte auf die Lernentwicklung leistungsstärkerer Schülerinnen und Schüler zu haben. So kommt Möller (2013, 27) in seinem Überblicksartikel zu dem Ergebnis, „dass die inklusive Beschulung sich eher nicht generell negativ auf die Leistungen der Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf auswirkt“. In der Studie von Kopp, Martschinke und Ratz (2013) zur Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung in einem inklusiven Grundschulsetting, in dem auch Kinder mit Förderbedarf „Geistige Entwicklung“ gemeinsam unterrichtet wurden, konnte in den ersten beiden Schuljahren kein Bremseffekt für die Kinder ohne Förderbedarf nachgewiesen werden. Wichtig sind hier aber auch die Ergebnisse des Hamburger Schulversuchs „Integrative Regelklassen“, die aufzeigen, dass Heterogenität, insbesondere unter belasteten Rahmenbedingungen, durchaus Risiken mit sich bringt. Dies gilt in besonderer Weise, wenn bei zunehmender Heterogenität die Leistungsspitze in den Lerngruppen ausgedünnt wird und damit gerade für die verbliebenen leistungsstarken Schülerinnen und Schüler die förderlichen Lernbedingungen reduziert werden (vgl. Hinz et al. 1998). Fazit: Heterogene Lerngruppen haben prinzipiell Vorteile für lernschwächere Schülerinnen und Schüler und benachteiligen leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler nicht. Dazu ist es aber notwendig, auf die richtige Zusammensetzung zu achten. Heterogenität scheint dann lernförderlich zu wirken, wenn auch genügend lernmotivierte und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler in den Gruppen sind. So kann ein lernförderliches Milieu für alle Schülerinnen und Schüler unterstützt werden. 9.4.2 Merkmale inklusiven Unterrichts Inklusiver Unterricht unterscheidet sich nicht prinzipiell von gutem Unterricht an herkömmlichen Schulen (vgl. u. a. Davis und Florian 2004; Korff 2014; Kullmann et al. 2014). Lewis und Norwich (2005) kommen auf Basis der Auseinandersetzung mit dem Thema „Special teaching for special children? A pedagogy for inclusion“ zu dem Schluss: „Practical pedagogies for those with special educational needs might look different from dominant mainstream pedagogies, but these are differences […] at the level of concrete programmes, materials and perhaps settings. They are not differences in the principles of curriculum design and pedagogy strategy.“ (ebd., 220)
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Inklusion im Kontext von allgemeiner Unterrichtsentwicklung 353 Somit stellen auch für einen inklusiven Unterricht die Allgemeine Didaktik und die Fachdidaktiken einen wesentlichen Bezugspunkt dar. Insgesamt kann gegenwärtig konstatiert werden, dass die Auseinandersetzung mit gutem Unterricht auch für die inklusive Unterrichtsentwicklung grundlegend ist. Entsprechend werden die Merkmale bzw. Qualitätsbereiche guten Unterrichts (vgl. u. a. Helmke 2014, 168ff) auch in der Diskussion zum inklusiven Unterricht herangezogen (vgl. z. B. Moser und Redlich 2011; Arndt und Werning 2015). Das Merkmal „Umgang mit Heterogenität“ (Helmke 2014, 248ff) kann hierbei als zentraler Fokus inklusiver Unterrichtsentwicklung betrachtet werden. Inklusiver Unterricht ist in hohem Maße ein adaptiver Unterricht, der an den individuellen Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen ansetzt (vgl. Kullmann et al. 2014, 97). Angesichts der hohen Relevanz der Adaptivität rücken damit spezifische Qualitätskriterien und Gestaltungsmerkmale in inklusiven Lerngruppen in den Blick. Dazu gehören curriculums- und systembezogene Diagnostik, formatives Assessment, kooperative Lernformen, informationshaltiges Feedback und Kommunikation der Unterrichtsziele sowie der Erfolgskriterien (vgl. Moser und Redlich 2011; Werning und Baumert 2013). Zugleich verdeutlichen beispielhaft die Bereiche der Unterstützten Kommunikation, Gebärdensprache oder Brailleschrift, dass es spezifischer Anpassungen für einzelne Schülerinnen und Schüler im inklusiven Unterricht bedarf (vgl. Meister und Schnell 2012). Methodenvielfalt, bedarfsgerechte Unterstützung und unterschiedliche Erklärungszugänge werden ebenfalls als Merkmale inklusiven Unterrichts herausgestellt. So formulieren Ainscow et al. (2012, 203): „If teachers favour one style it will tend to suit most of those students who are comfortable with that style. In effect, strong teaching orthodoxies can disenfranchise students who are less confident with or less engaged by that approach. Equity, therefore, requires practitioners who understand the importance of teaching the same thing in different ways to different students, and of teaching different things in different ways to the same students“.
Mitchell (2014) beschreibt insgesamt 27 erfolgreiche (evidenzbasierte) Strategien für inklusiven Unterricht und macht damit die didaktische Bandbreite des Umgang mit Heterogenität in inklusiven Lerngruppen deutlich. Dazu gehören u. a.: Kooperatives Lernen, Peer Tutoring, Elterneinbindung, direkte Instruktion, Formatives Assessment, informationshaltiges Feedback, gutes Klassenklima, Wiederholung und Übung. Insgesamt zeigt sich auch, dass bei der Umsetzung inklusiver Bildung im Primar- und im Sekundarbereich deutliche Unterschiede bestehen. Smith (2009, 9) beschreibt inklusive Klassen in der Primarstufe folgendermaßen: „Inclusive primary classes are those in which the curriculum is differentiated to meet the complex individual needs of all students in their educational environment, including students with special needs and those with gifts or with other diverse backgrounds.“ Shippen et al. (2011, 38) sehen die Primarstufe als „ideal place“ für inklusive Prozesse.
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354 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich Die spezifischen Probleme der Fortführung von Integration in der Sekundarstufe I haben Sander und Christ (1994) schon vor längerer Zeit beschrieben. Sie problematisieren u. a., dass der gefächerte Unterricht verbunden mit einer starken Orientierung am Unterrichtsstoff sowie die vorgegebenen Leistungsmessungen eine Orientierung hin zu einer stärkeren Individualisierung und inneren Differenzierung (s. u.) erschweren. Zudem fehlen Fortbildungsangebote für die Lehrkräfte. Das Fachlehrersystem und die damit verbundene hohe Anzahl an Lehrkräften pro Klasse erschwert die Problematik der fehlenden Zeit für einen Austausch unter den Lehrkräften (vgl. ebd., 350ff). Meijer (2005, 6) benennt in diesem Zusammenhang „Stammklassen“ als einen wesentlichen Gelingensfaktor für Inklusion im Sekundarbereich: Mehrere Klassen (mit zusammenliegenden Klassenräumen) kooperieren eng miteinander, so dass „ein überschaubares Team von Lehrkräften“ für alle Schülerinnen und Schüler zuständig ist. Als eine weitere Herausforderung für eine inklusive Unterrichtsgestaltung kann die hohe Relevanz von Fachbegriffen sowie der Umgang mit abstrakten Inhalten gesehen werden. Hier wird deutlich, wie wichtig für inklusive Bildung die Förderung der Bildungssprache (Deutsch als Zweitsprache) auch im Sekundarbereich ist (siehe hierzu u. a. Gogolin et al. 2011). 9.4.3 Kooperation von Fachkräften im inklusiven Unterricht Ein zentrales Element zur Gestaltung und Entwicklung inklusiver Lehr-Lernsituationen ist die Zusammenarbeit von Professionellen mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen. Dies gilt für den frühkindlichen genauso wie für den schulischen Bereich und insbesondere an der Schnittstelle beider Bereiche im Kontext der Gestaltung einer inklusiven Transition vom Elementar- zum Primarbereich (vgl. Albers und Lichtblau 2014). Für den frühkindlichen Bereich wird zur Umsetzung von Inklusion die Kooperation zwischen den frühpädagogischen Fachkräften, externen Expertinnen und Experten (Therapeut*innen, Pädagog*innen etc.) in multiprofessionellen Teams (vgl. Heimlich 2013, 46; Leu und Schelle 2013, 111) und die enge Zusammenarbeit mit Familien häufig eingefordert. Kron (2013) beschreibt die Kooperation von frühpädagogischen Fachkräften und Lehrkräften der Primarstufe unter Einbeziehung der Familien als wesentliche Gelingensbedingung für den Übergang vom frühpädagogischen Bereich in die Primarstufe. Dabei geht es in der Zusammenarbeit um eine gemeinsame pädagogisch-konzeptionelle Grundlage zur Gestaltung des Übergangsprozesses (vgl. Diehm 2008; König 2014, Petriwskyj 2014). Befunde aus längsschnittlich angelegten qualitativen Studien zeigen, dass sich gelingende Kooperation gerade auch bei sozioökonomisch benachteiligten Familien und den beteiligten Bildungseinrichtungen unterstützend auf den Transitionsprozess auswirkt (Lichtblau et al. 2013; Lichtblau 2013, 2014a, 2014b; Arndt et al. 2013a, 2013b). Die Bedeutung der Kooperation von Lehrkräften für die Umsetzung von gutem Unterricht wird seit vielen Jahren intensiv diskutiert (vgl. Fend 1998; McLaughlin 1993;
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Inklusion im Kontext von allgemeiner Unterrichtsentwicklung 355 Rosenholtz et al. 1986; Mitchell und Sackney 2000; Toole und Louis 2002; Terhart und Klieme 2006; Lütje-Klose und Urban 2014; Arndt und Werning 2016a). Die Entwicklung kooperativer Strukturen an Schulen ist ebenso ein wichtiger Bestandteil zur erfolgreichen Umsetzung von Inklusion. So stellt Reh (2008) in ihrer Studie die Relevanz von „institutionalisierten Kooperationsformen“ für eine zielgerichtete Schulentwicklung für inklusive Schulen heraus. Arndt und Werning (2013) verdeutlichen in ihrer qualitativen Studie zur Lehrerkooperation an inklusiven Schulen, dass eine gelingende Kooperation von Förder- und Regelschullehrkräften im Unterricht stark von den zur Verfügung stehenden Kooperationsmöglichkeiten außerhalb der Unterrichtszeit, insbesondere von gemeinsamer Unterrichtsvorbereitung, abhängig ist. Dass hierfür oft nicht genügend Zeit zur Verfügung gestellt wird, wird in vielen nationalen und internationalen Studien und Texten kritisiert (vgl. z. B. ebd.; Fennick und Liddy 2001; Friend et al. 2010; Scruggs et al. 2007). Tafel 9.3: Praxisbeispiel: Projekt Schul-In – Unterrichtsentwicklung in Unterrichtsteams Im Rahmen des Projektes „Schul-In IS UE“ (2008-2012) wurde die Einführung der sogenannten integrativen Beschulung im Kanton Aargau durch das Institut für Weiterbildung und Beratung der Pädagogischen Hochschule und Fachhochschule Nordwestschweiz begleitet. Neben weiteren Unterstützungsangeboten wurde hierbei die „Unterrichtsentwicklung mit Unterrichtsteams“ fokussiert. Unterrichtsteams sind eine Form von professionellen Lerngemeinschaften, welche jedoch im Gegensatz zu anderen Modellen nicht das ganze Kollegium umfassen. Unterrichtsteams sind klassenübergreifend angelegt und arbeiten langfristig zusammen. Zielsetzung ist, dass in den Unterrichtsteams „Unterrichtsalltag und Unterrichtsentwicklung“ verbunden werden. In Unterrichtsteams können beispielsweise Lehrkräfte aus Parallelklassen eines Jahrgangs- oder Stufenteams zusammenarbeiten oder aber Lehrkräfte, welche die gleichen Fächer/Fachbereiche unterrichten. Die Arbeit im Unterrichtsteam setzt regelmäßige, zeitliche Ressourcen voraus. So sollten „mind. zwei Stunden pro Woche“ eingeplant werden, um „eine ertragreiche Arbeit“ zu ermöglichen. Zudem wird empfohlen, eine Leitung der Unterrichtsteams zu bestimmen, die insbesondere die „Planung, Moderation, Koordination und Dokumentation der Arbeit“ übernimmt. Die Leitungen können in einer Steuergruppe zusammenarbeiten, um den „Überblick über die verschiedenen Entwicklungsvorhaben der einzelnen Unterrichtsteams“ zu ermöglichen. Für die Unterrichtsteams werden vier Funktionen beschrieben: Arbeitsteam: Neue Unterrichtsteams beginnen als Arbeitsteam. Die „gegenseitige zeitliche Entlastung“ und das Schaffen von Synergien stehen im Vordergrund. Zum Beispiel kann die Wochenplan-Arbeit gemeinsam organisiert werden, indem u. a. Materialien ausgetauscht werden. Lernteam: Hier steht die Entwicklung der Kompetenzen der einzelnen Lehrkräfte und des Unterrichts im Vordergrund. Für den Zeitraum von ein bis zwei Schuljahren werden Entwicklungsvorhaben geplant, durchgeführt und ausgewertet. Hierbei wird u. a. Intervision genutzt.
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356 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich
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Qualitätsteam: Als Qualitätsteam fokussieren die Lehrkräfte insbesondere „die Wirkungen ihrer Arbeit“, indem sie gegenseitig im Unterricht hospitieren, die Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern einholen und „Optimierungsschritte“ entwickeln. Organisationseinheit: Unterrichtsteams sind „kleine teilautonome Organisationseinheiten in einer Schule“, die eine höheren Identifikation der Lehrkräfte im Vergleich zur „Gesamtorganisation“ bieten können. Mit der Arbeit im Unterrichtsteam wird eine Form der Zusammenarbeit von Regelschullehrkräften und Lehrkräften für Sonderpädagogik beschrieben. (Eschelmüller 2013; Windlinger et al. 2010; siehe auch: http://www.schul-in.ch/ unterrichtsteams.cfm)
In verschiedenen Untersuchungen wird die Kooperation zwischen Lehrpersonen (Regelschullehrkräften und Sonderpädagogen) im Primarbereich leichter als im Sekundarbereich beschrieben, was unter anderem auf den Fachunterricht im Sekundarbereich zurückgeführt wird (vgl. Amrhein 2011; Arndt und Werning 2013; Wessel 2005). Häufig wird der Kooperation zwischen Förder- und Regelschullehrkräften eine Entlastungsfunktion zugeschrieben (vgl. Reh 2008; Scruggs et al. 2007; Stein 2007). Dennoch funktioniert die Kooperation von Förder- und Regelschullehrkräften nicht von vornherein selbstverständlich gut (vgl. Scruggs et al. 2007). „When professionals from different disciplines with different frames of reference make decisions about student needs, they are likely to disagree about desired outcomes […].“ (Conderman 2011, 222). Shippen et al. (2011, 42) stellen in ihrer Studie Unterschiede im Unterrichten zwischen Regel- und Förderschullehrkräften fest: „(…) special educators individualize instruction for students with disabilities to a much greater extent than do general educators“. Gleichzeitig wird die enge Zusammenarbeit zwischen Förder- und Regelschullehrkräften als wichtiger Gelingensfaktor für die Förderung aller Schülerinnen und Schüler hervorgehoben. Die geteilte Verantwortung für alle Schülerinnen und Schüler – unabhängig vom Förderbedarf – wird in der nationalen und internationalen Literatur als äußerst relevant herausgestellt (vgl. z. B. Löser 2013; Perner und Porter 2008; Werning 2012). Obwohl das gemeinsame Unterrichten zweier Lehrpersonen verschiedene Formen annehmen kann, zeigt sich, dass vielfach aufgrund fehlender zeitlicher Ressourcen äußere Differenzierungsformen umgesetzt werden, also Kinder aus dem Regelunterricht herausgenommen und in einem segregierenden Setting gefördert werden (vgl. u. a. Arndt und Werning 2013; Lütje-Klose et al. 2005, 85; Anliker et al. 2008, 227). Wenn sich Lehrkräfte jedoch entscheiden, im Unterricht zu zweit zu unterrichten, ist eine große Bandbreite an Möglichkeiten der Zusammenarbeit gegeben.
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Inklusion im Kontext von allgemeiner Unterrichtsentwicklung 357
One teach, one observe
Station Teaching
Parallel Teaching
Alternative Teaching
Teaming
One teach, one assist
Teacher
Student
Desk/Table
Abb. 9.3: Sechs Formen der Zusammenarbeit im Unterricht nach Friend et al. (2010, 115)
Friend et al. (2010) (► Abb. 9.3) unterteilen die unterschiedlichen Formen folgendermaßen: Während in der Kooperationsform „One teach, one assist“ eine Lehrkraft die Hauptverantwortung hat und die andere Lehrperson einigen Schülerinnen und Schülern individuell zur Seite steht, befindet sich in der Kooperationsform „One teach, one observe“ eine Lehrkraft ausschließlich in der Beobachterfunktion. Das hat zum Vorteil, dass sich eine Lehrkraft ganz aus dem Unterrichtsgeschehen herausziehen und einen neuen Einblick in die Interaktionen erhalten kann. Konträr dazu ermöglicht das „Alternative Teaching“ auch während des Klassengeschehens die Förderung einer kleinen Gruppe. Beim „Station Teaching“ wird der Unterrichtsinhalt auf verschiedene Stationen verteilt. Darüber hinaus kann der
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358 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich Unterrichtsinhalt von den Lehrpersonen arbeitsteilig vorbereitet werden und dann an der jeweiligen Station zum Einsatz kommen. Das „Parallel Teaching“ teilt die Klasse in zwei Hälften. Beide Lehrpersonen unterrichten je eine Hälfte der Klasse innerhalb des Klassenraums. Beim „Team Teaching“ sind beide Lehrpersonen aktiv in die Vermittlung des Unterrichtsinhalts eingebunden. Diese Form stellt besonders hohe Anforderungen an die Kooperationskompetenzen, da eine Gleichberechtigung beider Lehrkräfte im Unterrichtsgeschehen vorausgesetzt wird. Fazit: Guter inklusiver Unterricht knüpft nahtlos an die Erkenntnisse zu gutem Unterricht allgemein an. Dabei spielt der lern- und entwicklungsförderliche Umgang mit Heterogenität eine herausgehobene Rolle. Um die positiven Ressourcen von heterogenen Lerngruppen zur Entfaltung zu bringen, ist auf die Zusammensetzung der Lerngruppe zu achten. Hier gilt es, der Entstehung von „Problemkonstellationen“ durch die Zusammenfassung von benachteiligten und leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern in Lerngruppen vorzubeugen. Die Herausforderungen die sich aus einer heterogenitätssensiblen Unterrichtsplanung und -durchführung ergeben, können insbesondere durch eine qualitativ hochwertige Kooperation von Lehrkräften mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen gemeistert werden.
9.5 Inklusion als Entwicklungsprozess der allgemeinen Bildungseinrichtungen Im Kontext der Schulentwicklungsforschung wurde in den 1990er Jahren die Bedeutung der Einzelschule als pädagogische Handlungseinheit herausgestellt (vgl. Fend 2008, 146). Entwicklungsprozesse vollziehen sich dabei auf unterschiedlichen Ebenen, folgen unterschiedlichen Qualitätsmaßstäben und werden durch die Einstellungen und Haltungen der Akteure beeinflusst. Dies soll im Folgenden für ausgewählte Bereiche der inklusiven Institutionsentwicklung dargestellt werden. 9.5.1 Mehrebenenmodelle der inklusiven Institutionsentwicklung Die Entwicklung von gemeinsamer Förderung im frühkindlichen Bereich wurde bereits in den 1980er Jahren thematisiert. In der Forschergruppe um Helmut Reiser wurde in drei integrativen hessischen Kindergärten eine qualitative Studie durchgeführt (vgl. Reiser et al. 1986; Klein et al. 1987). Auf der Grundlage ihrer Befunde beschreiben die Forscher*innen integrative Prozesse auf unterschiedlichen Ebenen, die miteinander in einem dynamischen Wechselspiel stehen. Sie differenzieren zwischen der innerpsychischen, der interaktionellen, der institutionellen und der gesellschaftlichen Ebene. Die besondere Leistung dieses Modells liegt darin, die wechselseitige Verknüpfung der Ebenen für die erfolgreiche Umsetzung von Integration zu beschreiben.
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Inklusion als Entwicklungsprozess der allgemeinen Bildungseinrichtungen 359 Die innerpsychische Ebene stellt in diesem Ansatz die Grundlage dar. Hier besteht gelingende Integration in der Leistung, innere Widersprüche der Person zu vereinigen. Dabei geht es auch im Besonderen um die Akzeptanz von Behinderung. Akzeptanz wird dann möglich, wenn die Person ihre widersprüchlichen Empfindungen und Impulse zueinander in Beziehung bringt, ohne eigene Anteile verdrängen oder verleugnen zu müssen. Die interaktionelle Ebene baut auf der innerpsychischen Ebene auf und beschreibt die Möglichkeiten, miteinander in Beziehung zu treten und miteinander tätig zu werden. Sie stellt damit die Grundlage aller integrativen Prozesse dar. Die innerpsychische Ebene wird direkt durch die Interaktionsprozesse beeinflusst. Im Prozess der Interaktion sind die Personen aufgefordert, sich selbst einzubringen und zugleich ihr Gegenüber in seiner Eigenart zu respektieren. Die interaktionelle Ebene umfasst dabei den Aspekt der Gruppenbeziehung und den Aspekt des gemeinsamen Handelns an einer Sache. Die institutionelle Ebene beschreibt institutionelle bzw. organisatorische Aspekte der Integration. Formen der Integration oder der Segregation bestimmen auf institutioneller Ebene Möglichkeiten von Interaktionsbeziehungen und beeinflussen so wiederum innerpsychische Verarbeitungsprozesse. Personelle und materielle Rahmenbedingungen wirken sich ferner auf die konkreten Umsetzungsformen der Integration aus. Auf institutioneller Ebene sind Prozesse der Personalentwicklung, der Teamentwicklung, der Leitbildentwicklung zu verorten. Die gesellschaftliche Ebene umfasst die normativen Grundlagen und gesellschaftlichen Wertorientierungen bezüglich des Zusammenlebens im sozialen Bereich. Hier werden Widersprüche zwischen pädagogischen Zielsetzungen nach Integration und gesellschaftlichen Prozessen der Segregation fokussiert. Die Berücksichtigung dieser Makroperspektive zeigt dabei immer wieder auch die Grenzen pädagogischen Handelns auf und kann so die Gefahr der Selbstüberforderung der pädagogischen Fachkräfte verringern, „wenn sie sich zur Aufgabe setzen, einen Lern- und Lebensraum herzustellen, in dem der Widerspruch zwischen ungleichen Voraussetzungen und gleichen Bedürfnissen und Rechten – bei Kindern wie bei Erwachsenen – aufgehoben ist“ (ebd., 121). Dieses Verständnis von Integration als Prozess verweist auf die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Ebenen. Es wird deutlich, dass Entscheidungen auf jeder Ebene Auswirkungen auf die anderen Ebenen haben. Institutionelle Vorgaben bleiben unwirksam, wenn sie sich nicht im interaktionellen Handeln widerspiegeln. Genauso können spezifische Interaktionserfahrungen Norm- und Werteüberzeugungen verändern und zu einer Veränderung der institutionellen Ebene oder der gesellschaftlichen Zielperspektiven führen. Auch Heimlich (2013) spricht von einem Mehrebenenmodell zur Entwicklung inklusiver Kindertageseinrichtungen, mit dem ein Veränderungsprozess der gesamten Einrichtung unterstützt wird (vgl. ebd., 21). Er nennt hierzu:
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360 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich 1) Die Ebene der Kinder mit individuellen Bedürfnissen: Hier geht es um alle Kinder, deren individuelle Bedürfnisse wahrgenommen und darauf bezogene pädagogische sowie angemessene Angebote und spezifische Unterstützung vorgehalten werden sollen. 2) Die Ebene der inklusiven Spiel- und Lernsituationen: Sie beschreibt die Herausforderung für pädagogische Fachkräfte, geeignete Rahmenbedingungen (wie Spielmaterial, Raumgestaltung) zur Verfügung zu stellen, um das gemeinsame Spiel zu fördern und zu intensivieren: „Frühpädagogische Fachkräfte sollten die Möglichkeit haben, über die konkreten Spiel- und Lernangebote hinaus Lern- und Entwicklungsrisiken zu erkennen und gegebenenfalls fachliche Unterstützung in Ergänzung zur Arbeit in der inklusiven Gruppe zu akquirieren.“ (ebd., 26ff) 3) Die Ebene der interdisziplinären Teamkooperation: Hier sollen die pädagogischen Fachkräfte für einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch sorgen, der auf die Arbeit in den verschiedenen Gruppen und auf die gruppenübergreifende Koordination bezogen ist. 4) Die Ebene der inklusiven Einrichtungskonzeption: Hier findet – auf der Grundlage eines inklusiven Leitbildes – ein kontinuierlicher Prozess der Konzeptionsentwicklung statt. 5) Die Ebene der externen Unterstützungssysteme: Sie beschreibt die Kooperation mit und die Einbindung von externen Fachkräften in die Arbeit der Einrichtung. Deutlich wird an dem Konzept von Heimlich, dass Inklusion kein Additum für Kindertagesstätten darstellt, sondern eine umfassende Entwicklung der Institution auf den verschiedenen Ebenen umfasst. Die Befunde der qualitativen Studie zur inklusiven Schulentwicklung von JakobMuth-Preisträgerschulen (vgl. Arndt und Werning 2016b) zeigen hier für den Schulbereich ähnlichen Perspektiven: Inklusion wird auch hier nicht als Additum gesehen, sondern betrifft die gesamte Schule und stellt eine Querschnittsaufgabe dar. Dabei wird ein Zusammenspiel von verlässlichen Strukturen und kontinuierlicher Reflexion deutlich. Die Strukturen umfassen schulinterne Absprachen, die Verbindlichkeit ermöglichen. Gleichzeitig ist es wesentlich, die eigene Praxis regelmäßig kritisch zu hinterfragen und ggf. anzupassen. Beides basiert auf einer engen Kooperation zwischen Leitung und Kollegium. Funktionierende inklusive Schulen sind lernende Organisationen. In Verbindung mit einer Partizipation an Entscheidungsprozessen kennzeichnet die Schulen eine intensive Zusammenarbeit in – multiprofessionellen – Teams (Arndt und Werning 2016a) sowie darüber hinaus mit den Familien der Schülerinnen und Schüler. Die Schulen zeigen eine große Offenheit für externe, z. B. therapeutische Fachkräfte sowie die Vernetzung v. a. an den Übergängen. Insgesamt stellen eine „inklusive Haltung“, die Kompetenz und das Engagement der einzelnen Professionellen die Basis für eine gelingende inklusive schulische Bildung dar. Während die genannten Aspekte von den beteiligten Personen beeinflusst werden können, gilt dies für die Ressourcenausstattung nur sehr begrenzt, jedoch hat diese
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Inklusion als Entwicklungsprozess der allgemeinen Bildungseinrichtungen 361 ebenso einen zentralen Stellenwert. (Schrittweise) Kürzungen sowie eine Unsicherheit über zukünftige Ressourcen werden an den Schulen problematisiert. Auch in dem systematischen Forschungsüberblick von Dyson et al. (2002, 2004) über Studien zu inklusiven Schulen in England konnten vier Aspekte an erfolgreichen inklusiven Schulen identifiziert werden (vgl. auch Dyson 2010): 1) Die Bedeutung von Schulkultur: Hierzu gehört eine Kultur, die durch Anerkennung und Wertschätzung von Unterschiedlichkeit, durch die Bereitstellung von Bildungsangeboten für alle Schülerinnen und Schüler auf ihren jeweiligen Entwicklungsständen, durch eine ausgeprägte Kooperation zwischen den Lehrkräften sowie durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Schülerinnen und Schülern und die konstruktive Einbeziehung von Eltern geprägt ist. 2) Leitung und Mitbestimmung: Hierzu gehört eine kompetente und starke Schulleitung, die sich zu inklusiven Prinzipien bekennt, dabei auf Partizipation und Verantwortung im Umgang mit dem Kollegium setzt und eine unterstützende und wegbereitende Funktion im Entwicklungsprozess übernimmt. 3) Strukturen und Praktiken: Inklusive Schulen haben kein einheitliches organisatorisches Modell. Sie tendieren jedoch zu flexibleren und weniger segregierenden Unterrichtsformen und mehr pädagogischer Flexibilität was individuelle Lernpläne, Individualisierung und Differenzierung im Unterricht und den Einsatz von Sozialformen etc. betrifft. 4) Unterstützung durch Bildungspolitik und Schulverwaltung: Eine inklusionsförderliche und unterstützende Bildungspolitik und Schulverwaltung erleichtert die Entwicklung inklusiver Schulen deutlich. In einer weiteren Studie aus England, „Inklusive Praxen in Schulen verstehen und entwickeln“, in der Entwicklungsprozesse ganz normaler englischer Schulen begleitet wurden, wird u. a. der Frage nachgegangen, ob inklusive Schulen nur dann entstehen, wenn optimale Bedingungen vorliegen (vgl. Ainscow, Booth und Dyson 2004, 2006; Dyson und Gallannaugh 2007): Nämlich dann, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen, die Schulleitung und die Lehrkräfte explizit an der Entwicklung einer inklusiven Schule arbeiten und mit tiefer Überzeugung inklusive Werte vertreten. In dieser Untersuchung wurde deutlich, dass sich Schulen auch auf den Weg machen können, Benachteiligung und Diskriminierung zu minimieren, ohne Inklusion explizit anzustreben. Bei diesem Entwicklungsprozess waren zwei Aspekte besonders bedeutsam: „Erstens war der Motor, der die Entwicklung der Schulen vorantrieb, nicht das Auftreten einer charismatischen Leitungsperson oder eine plötzliche Bekehrung zu inklusiven Prinzipien, sondern es war die Herausforderung, sich mit Befunden über die aktuellen Praxen der Schule und deren Auswirkungen auf die vorhandenen Schüler/innen auseinanderzusetzen. Gewiss brachten die Lehrkräfte Prinzipien mit, die für dieses Engagement nötig waren, aber es handelte sich dabei um Werte wie ‚das Beste für alle Schüler/innen zu wollen‘ (…). Doch was das Denken und die Praxen veränderte, war nicht die Hinwendung zu
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362 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich
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einem Strauß neuer Werte, sondern gemeinsames Engagement angesichts von Befunden über reale Kinder in realen Klassen, durch die die bisherigen Annahmen der Lehrkräfte über sich selbst und die Schüler/innen ins Wanken geraten waren.“ (Dyson 2010, 125)
Die Befunde machen deutlich, dass inklusive Schulentwicklungsprozesse an konkreten Problemstellungen im pädagogischen Alltag ansetzen können, ohne dass „optimale“ Entwicklungsbedingungen vorliegen müssen. 9.5.2 Qualität und Qualitätssicherung Im Kontext inklusiver Schulentwicklung erhält auch das Thema Qualität und Qualitätssicherung erneute Aufmerksamkeit (vgl. Boban und Hinz 2012, 71). Dabei kann konstatiert werden, dass Qualitätsanspruch und Qualitätsdruck insgesamt zwar steigen, die Antworten auf die Frage, was Qualität im pädagogischen Feld genau beinhalten soll, aber sehr unterschiedlich ausfallen. Einerseits rücken Bildungsstandards und eine „‚empirische Verobjektivierung‘ der Leistungen“ (Heinrich 2010, 129) in den Vordergrund, anderseits wird „die Qualität von Schule an einer inklusiven Orientierung gemessen“ (ebd.). Die Frage, was unter pädagogischer Qualität zu verstehen ist, bedarf in jedem Fall einer grundlegenden Klärung. Qualität von Bildung und Erziehung ist dabei immer auch eine Angelegenheit der ganzen Gesellschaft (vgl. Kempfert und Rolff 1999, 16). Die Beziehung zwischen der „Standardagenda“ und der „Inklusionsagenda“ wird dabei durchaus kritisch beschrieben. Boban und Hinz (2012, 71) verweisen auf die Kontroverse um die Vereinbarkeit von Standards und Inklusion und beziehen sich auf eine „vermittelnde Position“, indem sie hervorheben, „dass es eher darauf ankommt, wie Standards definiert werden“. Auch ist der Bezug zu den (aus inklusiver Perspektive zu problematisierenden) Erfahrungen in den USA und Großbritannien, insbesondere den sanktionsbewehrten Leistungstests (HighStakes-Testing), wesentlich. So formulieren Ainscow et al. (2006, 12): „On the face of it, inclusion and the standard agenda are in conflict because they imply different views of what makes an improved school, different ways of thinking about achievements and different routes for raising them.“ Aus Sicht von Fend (2008, 14) muss das Bildungssystem als „sehr fein gesponnenes Regelwerk […] mehreren Qualitätskriterien entsprechen: Es muss Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit ebenso verbinden wie Humanität und Fürsorge (caring)“. Diese Sicht ermöglicht die Zusammenführung der Diskurse der allgemeinen und inklusiven Pädagogik. Zukünftig wird somit zu klären sein, wie die Standardagenda mit ihrer Output-Steuerung und ihrer Betonung von Leistungskennziffern mit einer Inklusionsagenda verbunden werden kann, die die Minimierung von Diskriminierung und Maximierung von sozialer Teilhabe, und damit die Umsetzung von Humanität und Fürsorge anstrebt. Dass inklusive Schulentwicklungsprozesse dabei über die Einzelschule hinausgehen und sich bestimmten Werten verpflichtet fühlen, beschreiben Ainscow et al.
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Inklusion als Entwicklungsprozess der allgemeinen Bildungseinrichtungen 363 (2012). Sie plädieren für „school improvement with attitude“ (ebd., 1) und heben mit Blick auf Bildungsgerechtigkeit als grundlegendem Prinzip die Berücksichtigung von drei miteinander verbundenen Ebenen für die Weiterentwicklung von Schulen hervor: 1) Einzelschule: auf dieser Ebene liegt der Fokus auf den Strukturen und Praktiken sowie der Frage, wie auf Heterogenität eingegangen wird. Neben dem Unterricht als „Kerngeschäft“ sind z. B. auch die Zusammenarbeit mit Familien und dem lokalen Umfeld der Schule relevant. 2) Zwischen Schulen: auf dieser Ebene rückt u. a. die Position im lokalen Kontext und damit auch Fragen des Status in das Blickfeld und damit sowohl Konkurrenz als auch Kooperation zwischen Schulen. 3) Über die Schule hinaus: rücken die weiter reichenden Kontexte und damit insbesondere der lokale, nationale und globale politische Kontext der Schule ebenso wie die Ressourcen der Familien oder die Interessen und (Selbst-)Verständnisse der beteiligten Fachkräfte in den Vordergrund. Über die Entwicklung der Einzelschule als zentraler Ausgangspunkt der Schulentwicklung sind damit Bedingungen des lokalen wie übergeordneten politischen Kontextes angesprochen. Auch in Deutschland entwickeln sich auf regionaler Ebene inklusive Bildungsregionen (vgl. Deutsche UNESCO-Kommission e. V. 2012; Mack 2012) und auch auf der Ebene der Einzelschule gibt es spezifische inklusive Schulprofilierungen (vgl. Arndt und Werning 2016b; Soukup-Altrichter et al. 2007). 9.5.3 Einstellungen und Überzeugungen Für die Umsetzung inklusiver Bildung im Rahmen von Organisationsentwicklungsprozessen kommt der Einstellung von Professionellen eine wichtige Rolle zu. Einstellungen und Überzeugungen sind zentrale Säulen in der aktuellen Professionsforschung. Überzeugungen der Lehrkräfte bezüglich des Unterrichtsgegenstandes, der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen und der Funktion von Schule haben signifikante Auswirkungen auf die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern (vgl. Blömeke et al. 2008, 18f; Baumert und Kunter 2006). Die Auswirkungen einer positiven Einstellung von Lehrkräften gegenüber Inklusion für die gemeinsame Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf ist in einigen Studien untersucht worden (vgl. Sharma et al. 2008; Sze 2009; Beacham und Rouse 2012). Die Befunde von Jordan et al. (2009, 536) machen deutlich, dass die Einstellungen und „beliefs“ der Lehrkräfte das Lernen in inklusiven Settings beeinflussen: „Elementary classroom teachers who believe students with special needs are their responsibility tend to be more effective overall with all their students“. Florian (2012, 277) verweist auf Untersuchungen, in denen analysiert wurde, was Lehrkräfte auszeichnet, die in inklusiven Settings arbeiten und anspruchsvolle Unterrichtsziele verfolgen: „These studies had shown that teachers who are able to do this have changed the way they think about the concept of inclusive education. Rather
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364 Inklusion im frühkindlichen und schulischen Bereich
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than only accommodating learner differences, they focus on extending what is available to everybody.“ Der systematische Literaturüberblick von Rix et al. (2006) legt nahe, dass Lehrkräfte, die die Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf als Teil ihrer professionellen Rolle ansehen, qualitativ höherwertigen und effektiveren Unterricht in inklusiven Lerngruppen realisieren können: „It is evident that positive teacher attitudes towards the inclusion of children with special educational needs are reflected in the quality of their interactional patterns with all pupils and, in turn, to their pupils’ self-concept. Those teachers who see themselves responsible for fostering the learning of all promoted higher order interaction and engaged in prolonged interactions with pupils with special educational needs, while teachers who see others (e. g. specialist teachers or special education teachers) as primarily responsible for these pupils engaged in interactions that were of a non-academic and low level nature.“ (Rix et al. 2006, 4)
Fazit: Inklusion führt zu institutionellen Entwicklungsprozessen auf verschiedenen Ebenen. Dabei wird deutlich, dass es sich nicht um ein Additum handelt, das bestehenden Strukturen in Bildungsinstitutionen lediglich hinzugefügt werden kann. Inklusion erfordert vielmehr die konsequente Verfolgung des Ziels der Minimierung von Diskriminierung und der Maximierung von sozialer Partizipation sowie von Lernchancen für alle Schülerinnen und Schüler im Zusammenspiel von Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung.
9.6 Ausblick Inklusion ist ein umfassendes und komplexes Konzept. Internationale Diskurse wirken auf nationale Kontexte ein. Dies führt in der Folge zu regional unterschiedlichen Entwicklungsprozessen, die auf sehr unterschiedlichen Ebenen des Bildungssystems greifen. Inklusion ist dabei ein Mehrebenenkonzept. Bildungspolitische Vorgaben, ressourcielle Rahmenbedingungen, Organisations- und Unterrichtsentwicklung, die Qualifikation von Professionellen sowie die Einbindung in einen größeren Diskurs zum Umgang mit Heterogenität und Differenzlinien in der Gesellschaft müssen in ihrer wechselseitigen Verbundenheit gesehen werden, will man inklusive Bildung nachhaltig entwickeln. Auch die weitere Forschung zu Inklusion sollte sich der Herausforderung stellen, die Komplexität des Bereiches und damit die Verknüpfung unterschiedlicher Ebenen zu berücksichtigen. Dabei wird es zukünftig von besonderer Bedeutung sein, Qualitätskriterien für die Umsetzung inklusiver Bildung zu identifizieren. Aufgrund der rechtlichen Rahmenvorgaben ist nicht mehr die Frage ob Inklusion, sondern wie Inklusion umgesetzt wird, relevant. Hier gibt es erheblichen weiteren Forschungsbedarf im Bereich der Schul- und Unterrichtsentwicklung wie auch im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Professionellen (Heinrich et al. 2013).
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| 375 10 Individuelle Förderung Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:39 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Marcus Hasselhorn, Jasmin Decristan und Eckhard Klieme
Zusammenfassung Spätestens seit den 1970er Jahren wird „individuelle Förderung“ als Ziel oder zumindest Weg schulischer Bildung reklamiert. Individuelle Förderung wird dabei als pädagogisches Handeln mit der Absicht aufgefasst, die Kompetenzentwicklung jedes einzelnen Lernenden unter konsequenter Berücksichtigung individueller Voraussetzungen zu unterstützen. Als Unterrichtsstrategien zur Realisierung individueller Förderung in heterogenen Lerngruppen wurde das zielerreichende Lernen („Mastery Learning“), adaptives Unterrichten („Adaptive Teaching“) und die kognitive Strukturierung („Scaffolding“) entwickelt. Ergänzt werden diese durch das Instrument des Förderunterrichts als kleinschrittige Form des Unterrichtens mit vielen Übungsphasen und unmittelbaren Rückmeldungen. Die Qualität individueller Förderung entscheidet sich an der Passgenauigkeit von pädagogischem Handeln und dem Lern- und Entwicklungsstand der jeweiligen Lernenden. Um diese zu erreichen, bedarf es einer entsprechenden Diagnostik sowie eines Repertoires an wirksamen Fördermaßnahmen. Zusätzlich scheint eine entsprechende professionelle pädagogische Haltung ein wichtiges Element erfolgreicher individueller Förderung zu sein. Im internationalen Vergleich ist die Nutzung diagnostischer Instrumente zur Erfassung individueller Lernverläufe im Schulalltag in Deutschland wenig verbreitet. So geben Lehrkräfte aller Schulformen an, erheblichen Fortbildungsbedarf in Diagnostik und Förderung zu haben. Zur Umsetzung der gesetzlich verankerten Förderpflicht in der Schule stehen im Wesentlichen drei institutionelle Strategien zur Unterstützung individueller Förderung zur Verfügung. Die prominenteste Strategie dieser Art sind die sogenannten Förderpläne. Sie dienen der individuellen Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und allgemeinen Lernschwierigkeiten. Sie sollen Aussagen zum aktuellen Entwicklungsstand der betroffenen Kinder enthalten sowie eine Dokumentation der festgelegten Maßnahmen. In der Regel sind die Klassenlehrerin bzw. der Klassenlehrer für die Erstellung der Förderpläne verantwortlich. Bei krisenhaften Verläufen der Förderung bieten sich als Instrumente die kollegiale
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376 Individuelle Förderung Fallberatung an sowie die Einbindung der Eltern über regelmäßige Eltern-LehrerGespräche. Die Forderung nach Inklusion in der Schule zeigt auch Auswirkungen auf den Diskurs zur Frage der Angemessenheit individueller Förderung. So steht die aus dem Inklusionsziel abgeleitete Forderung „keine Sonderstellung für Einzelne!“ in einer gewissen Spannung zum Konzept der Individuellen Förderung. Das mag mit ein Grund für die verbreitete Skepsis gegenüber individueller Förderung im Bereich der vorschulischen frühen Bildung sein. Die Skepsis vieler Fachkräfte im Elementarbereich bezieht sich darüber hinaus auf den Einsatz diagnostischer Instrumente und den Anspruch, auch in der frühen Bildung gezielt schulrelevante Kompetenzen vor allem im sprachlichen und mathematischen Bereich zu fördern. Man sieht darin einen Gegensatz zum kindzentrierten, situativen Ansatz, der die Elementarpädagogik im deutschsprachigen Bereich bis heute prägt. Daher wird in der Elementarpädagogik der Förderbegriff oftmals abgelehnt und stattdessen die Umsetzung alltagsintegrierter Bildung gefordert.
10.1 Individuelle Förderung als Grundlage pädagogischen Handelns Die Publikation der Abschlussempfehlungen des von Bund und Ländern getragenen „Forum Bildung“ unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten PISA-Ergebnisse Anfang 2002 hat wesentlich dazu beigetragen, dass das Thema „Individuelle Förderung“ in den letzten Jahren ganz oben auf der Agenda des öffentlichen Bildungsdiskurses in Deutschland stand. Das Forum Bildung stellte den Versuch dar, Bund und Länder in eine übergreifende bildungspolitische Strategie einzubinden. Erklärtermaßen wollte man auch Visionen für das Schulsystem entwickeln, die helfen sollten, jahrzehntelang festgefahrene Strukturdiskussionen zu überwinden. Die Forderung nach individueller Förderung, verstanden als „konsequente Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen“ (Forum Bildung 2002, 23), stand dabei im Mittelpunkt. Der Grad ihrer Umsetzung „entscheidet darüber, ob Menschen sich nach ihren Fähigkeiten und Interessen entwickeln können“ (ebd.). Den Empfehlungen zufolge ist sie durch „differenzierte Lernangebote, neue Formen des Lehrens und eine zunehmende Selbststeuerung von Lernprozessen durch die Lernenden“ (ebd.) realisierbar. Dies – so das Credo – ließe sich besonders gut in der Ganztagsschule umsetzen: „Ganztagsschulen bieten zumindest für jüngere Kinder bessere Bedingungen für eine individuelle Förderung“ (ebd.). Individuelle Förderung und Ganztagsschulen gelten seitdem in der öffentlichen Diskussion nahezu unhinterfragt als Schlüssel zur Qualitätssicherung unseres Schulsystems. In allen Bundesländern ist sie verpflichtend.
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Individuelle Förderung als Grundlage pädagogischen Handelns 377 Individuelle Förderung wird paradoxerweise von einem Schulsystem erwartet, in dem Lernende mit heterogenen Lernvoraussetzungen innerhalb von Klassen unterrichtet werden, deren Lehrkräfte eher auf gruppenbezogene Ereignisse als auf die einzelnen Lernenden ausgerichtet sind (vgl. Bromme 1992). In der Praxis scheint dagegen die Diskrepanz zwischen der bildungspolitischen Forderung nach individueller Förderung und fehlenden Spezifikationen ihrer Umsetzung eher zu verunsichern. So befragte etwa Abs (2005) im Rahmen einer Evaluierung der zweiten Phase der Lehrer*innenausbildung in Hessen Ausbilder*innen an Studienseminaren und Referendar*innen. Von den Ausbilder*innen wurden die Module „Diagnostik/Fördern“ und „Planung/Durchführung des Unterrichts“ gleichermaßen als „sehr wichtig“ eingestuft. In der Selbsteinschätzung der Referendar*innen zeigte sich, dass diese sich im Bereich Unterrichtsplanung/-durchführung als recht kompetent erleben, allerdings ihre Kompetenz im Bereich Diagnostik/Fördern als unzureichend einschätzen. Auch Online-Befragungen von Lehrkräften im Grundschul- und im Sekundarbereich in Niedersachen (Kunze und Solzbacher 2008; Solzbacher et al. 2012) kommen zu dem Ergebnis, dass zwar individuelle Förderung in den meisten Schulprogrammen verankert wurde, aber ein Großteil der Befragten einen erheblichen eigenen Fortbildungsbedarf sieht – insbesondere hinsichtlich der Diagnostik von Lernschwierigkeiten (Grundschule: 64 %; Sekundarstufe: 70 %) sowie Begabungen und Lernpotenzialen (Grundschule: 55 %, Sekundarstufe: 70 %) und hinsichtlich der Anwendung von Methoden und Instrumenten der individuellen Förderung (Grundschule: 60 %, Sekundarstufe: 85 %). Mittlerweile liegen praktisch erprobte Konzepte für die Qualifizierung von Lehrkräften zur förder- und kompetenzorientierten Unterrichts- und Schulentwicklung vor, die geeignet wären, diesen Bedarf zu decken (z. B. Krug 2013). In der Pädagogik hat das Thema durchaus eine längere Tradition, wenn auch Förderung erziehungswissenschaftlich gar nicht anders als individuell zu denken ist. So ist „Förderung“ zentraler Gegenstand der Sonderpädagogik (z. B. Ricken 2008), aber auch der Integrationspädagogik sowie der pädagogischen Konzeptionen der Gesamtschule, der Grundschule und der Berufsschule. Speziell die „individuelle Förderung“ wird mindestens seit den 1970er Reformjahren als Ziel und/oder als Weg der Erziehung und Bildung reklamiert. Auch im Sekundarbereich sollte individuelle Förderung auf der Basis von Diagnostik, passgenauen Trainingsmaßnahmen und flexiblen Bildungsverläufen eine zentrale Rolle spielen. Die Zahl der einschlägigen Publikationen blieb allerdings lange Zeit sehr niedrig, sie ist erst nach 2002 parallel zur politischen Debatte wieder angestiegen. So finden sich in der zentralen deutschen erziehungswissenschaftlichen Literaturdatenbank, dem Fachinformationssystem Bildung mehr als 850 Einträge mit dem Schlagwort „individuelle Förderung“ (abgerufen am 07.02.2017), von denen lediglich 31 bis 2005 erschienen, 186 zwischen 2006 und 2011 sowie 552 zwischen 2012 und 2016.
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378 Individuelle Förderung Im Theoriediskurs der Erziehungswissenschaft hat der Terminus „individuelle Förderung“ keinen besonderen Stellenwert. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass es sich dabei um eine im wissenschaftslogischen Sinne überflüssige Kategorie handelt, weil sie keinen spezifischen Begriffsinhalt hat. Erziehung selbst „meint im Allgemeinen (entwicklungs-)fördernde Akte“ (Miller-Kipp und Oelkers 2007, 205). In der analytischen Erziehungsphilosophie gilt Erziehung generell „vom Pädagogen aus als Versuchshandeln mit Förderabsicht“ (Tenorth und Tippelt 2007, 549). Andere Traditionen der Allgemeinen Erziehungswissenschaft würden den Begriff „Versuchshandeln“ vermeiden, aber dennoch darin übereinstimmen, dass Erziehung danach strebt, die Edukanden im Blick auf Erziehungsziele „voranzubringen“, und zwar in einer fokussierten und beschleunigten Weise, dass also Erziehung im weitesten Sinne immer „Förderung“ ist. Als weiteres Grundprinzip der Erziehungstheorie gilt seit Herbart, dass Erziehung bzw. Förderung auf die „Individualität des Zöglings“ als „Inzidenzpunkt der Erziehung“ bezogen sein muss (hier zit. n. Oelkers 2004, 337) – ein Prinzip, das im 20. Jahrhundert u. a. in der Reformpädagogik „in nie zuvor gekannter Weise gesteigert“ wurde (vgl. Meyer-Drawe 2004, 478). Versteht man Bildung als einen Vorgang, in dem Menschen ihre Persönlichkeit entfalten und eine eigene Identität ausbilden sowie sich zugleich kulturelle Normen, Kompetenzen und Wissensinhalte aneignen, so lässt sich Bildung nur als „individueller“ Prozess und Erziehung nur als „individuelle Förderung“ denken. Dementsprechend versteht Müller (2008) individuelle Förderung als weitgehend deckungsgleich mit dem Begriff Individualpädagogik, nämlich „als die Vermittlung von ‚speziellen‘ (gesellschaftlich erforderten) und ‚allgemeinen‘ (Vernunft bestimmten) Erziehungszielen mit den ‚Eigenheiten individueller‘ Menschen“ (ebd., 85). Stoff für Debatten liefert allerdings die Frage, was individuelle Förderung leisten soll. Wenn etwa die Idee der Förderung eine gegenüber pädagogischen Bildungskonzepten eingeschränkte, auf kognitive Kompetenzen fokussierte Perspektive einnimmt, wie im Lexikon Pädagogik geschehen, wo Förderung als ein „Sammelbegriff für […] Maßnahmen zur Ausbildung und Verbesserung ausgewählter Fähigkeiten“ (Tenorth und Tippelt 2007, 251) definiert wird, wäre eine kritische Diskussion des Begriffs „individuelle Förderung“ mit Blick auf die „Finalisierung“ von Bildungsprozessen zu erwarten. Anzeichen einer ähnlich kritischen Diskussion wie bei „Bildungsstandards“ und „Kompetenzorientierung“ sind bisher – zumindest in der Schulpädagogik – nicht zu erkennen. Möglicherweise spielt hier eine zweite, wertende Konnotation eine Rolle: Individuelle Förderung ist, eindeutiger noch als der Erziehungsbegriff als solcher (Miller-Kipp und Oelkers 2007, 205), positiv kodiert. Lediglich im Elementarbereich findet sich eine etwas distanziertere Haltung zum Begriff der individuellen Förderung (s. u.). Zusammenfassend lässt sich „individuelle Förderung“ als pädagogisches Handeln unter konsequenter Berücksichtigung personaler Lern- und Bildungsvorausset-
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Vorbehalte gegenüber individueller Förderung im Elementarbereich 379 zungen definieren (vgl. Klieme und Warwas 2011, 808) oder auch als „pädagogische Handlungen, die mit der Intention erfolgen, die Begabungsentwicklung und das Lernen jedes einzelnen Kindes zu unterstützen, unter Aufdeckung und Berücksichtigung seines je spezifischen Potenzials“ (Solzbacher und Behrensen 2014, 566). In der konkreten Umsetzung werden teils Strategien der inneren Differenzierung genutzt, bei denen individuelle Lernvoraussetzungen innerhalb einer heterogenen Lerngruppe berücksichtigt werden (► 10.3), teils Strategien der äußeren innerinstitutionellen Differenzierung, bei der Lernende zumindest zeitweise in leistungshomogenen Gruppen unterrichtet werden (► 10.4). Das Verhältnis von innerer und äußerer Differenzierung wird aktuell nicht zuletzt durch die Forderung nach Inklusion neu diskutiert (► 10.7). Wie auch immer man sie realisiert, setzt individuelle Förderung bestimmte professionelle Haltungen und Arbeitsweisen (► 10.5) und systematische Strategien auf institutioneller Ebene (► 10.6) voraus.
10.2 Vorbehalte gegenüber individueller Förderung im Elementarbereich Eine Online-Befragung zum Verständnis des Begriffes „Individuelle Förderung“, ähnlich der oben erwähnten Erhebung bei Grundschullehrkräften und Lehrkräften der Sekundarstufe, führten Behrensen, Sauerhering, Solzbacher und Warnecke (2011) mit 563 Erzieher*innen durch. Zusätzlich befragten die Autorinnen 36 Erzieher*innen im persönlichen Interview. Trotz der in den meisten Bundesländern explizit (z. B. in den Bildungsplänen) empfohlenen Nutzung systematischer Beobachtungsinstrumente zur Entwicklungsdokumentation von Kindern, um individuelle Förderbedarfe zu erkennen, zeigte sich, dass solche diagnostische Zwecke bedienenden Beobachtungsinstrumente in der Fläche kaum verbreitet sind. Am häufigsten gaben die Befragten an, offene bzw. intuitive Beobachtung zu betreiben. Die Skepsis vieler Fachkräfte im Elementarbereich bezieht sich nicht allein auf den Einsatz diagnostischer Instrumente, sondern auf den politisch gesetzten Anspruch, auch in der frühen Bildung gezielt kognitive Kompetenzen vor allem im sprachlichen und mathematischen Bereich zu fördern (KMK/JMK 2004). Diese Forderung wird als Absage an einen kindzentrierten, situativen pädagogischen Ansatz erlebt, wie er die Elementarpädagogik im deutschsprachigen Bereich bis heute prägt (z. B. Krenz 2010). Daher wird in weiten Teilen der Elementarpädagogik der Förderbegriff abgelehnt und stattdessen die Umsetzung alltagsintegrierter Bildung gefordert.
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380 Individuelle Förderung
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10.3 Unterrichtsstrategien zur individuellen Förderung im Grundschul- und Sekundarbereich Der Umgang mit individuellen Unterschieden der Lernenden hat zwischen 1960 und 1980 zu einer Umorientierung unterrichtlicher Strategien geführt, indem nicht mehr ausschließlich die Sachlogik der Lehrinhalte, sondern auch die individuellen Voraussetzungen der Lernenden handlungsleitend wurden. In der Pädagogischen Psychologie hat man dies als den Perspektivenwechsel von der direkten zur adaptiven Instruktion bezeichnet (vgl. Hasselhorn und Gold 2013, 277). Drei wesentliche Unterrichtsstrategien bzw. -prinzipien der adaptiven Instruktion sind das Prinzip des zielerreichenden Lernens („Mastery Learning“) sowie die Strategien des adaptiven Unterrichts („Adaptive Teaching“) und der kognitiven Strukturierung („Scaffolding“). 10.3.1 Mastery Learning Mit der These, dass der wichtigste Faktor für Schulerfolg die aktive Lernzeit der Lernenden sei, hat Carroll (1963) die von Bloom (1968) vorgeschlagene Unterrichtsstrategie des zielerreichenden Lernens („Mastery Learning“) vorbereitet. Unter den Bedingungen des Unterrichts in Schulklassen ist das zielerreichende ein individualisiertes, an die Lernvoraussetzungen angepasstes Lernen, etwa durch das Gewähren unterschiedlicher Lernzeiten. Lernfähigkeitsunterschiede zwischen Lernenden führen dazu, dass sie unterschiedlich viel Zeit benötigen, um ein bestimmtes Lernziel zu erreichen (► Abb. 10.1). Für diejenigen mit geringeren Lernfähigkeiten muss daher über die zugestandene Lernzeit ein Zeitausgleich erfolgen, um ihren besonderen Bedürfnissen zu entsprechen. Bei sehr schwierigen Aufgaben allerdings – das hat Carroll (1963) eingeräumt – wird auch ein solcher Zeitausgleich nicht genügen.
Inhalt 1
Formatives Assessment A
Enrichment
Inhalt 2
weitere Lernhilfen
Formatives Assessment B
Lernziel erreicht?
Abb. 10.1: Blooms Skizze des Unterrichtsablaufs beim Mastery Learning, adaptiert von Guskey (2007)
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Unterrichtsstrategien zur individuellen Förderung 381 Der innerhalb der Begabungsdiskussion (vgl. Roth 1969) innovative Perspektivenwechsel des Ansatzes bestand darin, dass die zeitlich eher stabilen Parameter der individuellen Begabung und der Lernfähigkeit in variable (und daher beeinflussbare) Parameter der aufzubringenden Anstrengung und des zu investierenden Zeitaufwands umdefiniert wurden. Bloom (1968) kritisiert die Zieladaptivität der damals vorherrschenden Unterrichtsstrategien, in deren Konsequenz Lernfähigkeitsunterschiede dazu führen müssen, dass nicht alle das Lernziel erreichen. Er setzt dem das Instrument der Lernzeitadaptivität entgegen, um möglichst alle Lernenden zum verbindlichen Lernziel („Mastery“) zu führen. Die fixierten Lernzeiten des herkömmlichen Unterrichts werden deshalb je nach Bedürfnissen der Lernenden durch adaptiv-variable Lernzeiten ersetzt. Zeitadaptive Maßnahmen des zielerreichenden Lernens sind prinzipiell wirksam (Kulik et al. 1990). Hattie (2009) berichtet Effektstärken mittlerer Größenordnung. Allerdings profitieren vornehmlich die Lernschwachen von den zeitausgleichenden Maßnahmen (Arlin 1984). Die schneller Lernenden werden in ihrer Leistungsentwicklung eher gebremst, weil insgesamt langsamer vorgegangen wird. Daran ändern in aller Regel auch die vielfältigen Zusatzaktivitäten nichts, die man ihnen anbietet, indem man sie etwa als Tutor*innen einsetzt, ihnen ergänzendes Lernmaterial vorlegt, oder sie mit extracurricularen Arbeiten ihrer Wahl beschäftigt. Bei aller Plausibilität birgt das Lernzeitkonzept jedoch ein fundamentales Problem: Ein beliebig vermehrbares Zeitbudget gibt es im schulischen Alltag nicht. Jede erbrachte Lernleistung ist immer auch eine Leistung in Relation zu einer Zeiteinheit. Nur wenn unbegrenzt Unterrichtszeit zur Verfügung stünde und wenn die schneller Lernenden während des langsameren Vorgehens eine Auszeit nähmen, könnte sich der „hypertrophe Anspruch“ (Weinert 1998, 206) erfüllen, dass das zielerreichende Lernen – wie in sogenannten „Optimalklassen“ nach Helmke (1988) – zu einer Verringerung der Leistungsvarianz in einer Lerngruppe führt, bei gleichzeitigem Niveauanstieg der durchschnittlichen Leistung. Dass solche „Optimalklassen“ (Helmke 1988) nur sehr selten zu finden sind und individuelle Förderung nicht unbedingt die Leistungsvarianz innerhalb von Klassen reduziert, ist inzwischen Erkenntnisstand der Schulforschung. 10.3.2 Adaptive Teaching Im anglo-amerikanischen Raum wurde in den 1980er Jahren der Begriff „Adaptive Teaching“ populär, der auf Glasers (1972) Konzept des adaptiven Unterrichtens als ein aktives Bereitstellen verschiedener Instruktionen und Lerngelegenheiten durch die Lehrkraft zurückzuführen ist (vgl. Klieme und Warwas 2011). Erforderlich ist dabei eine gezielte Steuerung durch die Lehrkraft, die für die Lernenden jeweils angemessene Variante auszuwählen. Corno und Snow (1986) definierten „adaptive teaching“ als „teaching that arranges environmental conditions to fit learner individual differences“ (ebd., 621). Es geht also um eine Passung zwischen Lern-
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382 Individuelle Förderung angebot und diagnostizierten Lernvoraussetzungen der Lernenden. Sofern dies auf Klassenebene geschieht, nämlich durch eine Anpassung des Curriculums mit seinen Zielen, Inhalten, Methoden, Medien und Materialien, Sozialformen und Lernzeiten an die Voraussetzungen der Lernenden, sprechen die Autor*innen von „Makroadaptation“. Sofern die Abstimmung auf der Prozessebene im Verlauf der Interaktion zwischen Lehrkraft und Lernenden hergestellt wird, beispielsweise durch individuell abgestimmte Rückmeldungen und Fragen, handelte es sich um „Mikroadaptation“. Die Wirkungen adaptiven Unterrichtens im Kontext heterogener Gruppen ist insbesondere im Hinblick auf die schulischen Leistungen der Unterrichteten untersucht worden. In Metaanalysen wurden Varianten der Fähigkeitsgruppierung von Lernenden mit dem Unterricht ohne Binnendifferenzierung verglichen (z. B. Kulik 1992; Lou et al. 1996; Slavin 1987). Dabei zeigte sich, dass leistungsschwache Lernende in leistungsheterogenen Gruppen, Lernende mit mittleren Leistungen dagegen in leistungshomogenen Gruppen die vergleichsweise besten Lernergebnisse aufweisen. Die Lernergebnisse der leistungsstarken Lernenden erwiesen sich als unabhängig davon, ob sie in leistungshomogenen oder -heterogenen Gruppen unterrichtet wurden. Die positiven Wirkungen des Unterrichtens in leistungsheterogenen Gruppen scheint für schwache Lernende auch mit günstigen Veränderungen der Lern- und Leistungsmotivation einherzugehen (Saleh et al. 2005). Eng verbunden mit der fähigkeitsbezogenen Binnendifferenzierung ist eine Differenzierung nach Aufgabenmaterial. Diese in deutschen Schulklassen vergleichsweise häufig beobachtbare Variante besteht in der Individualisierung von Aufgabenstellungen durch Nutzung unterschiedlicher Arbeitsblätter oder Aufgabenstellungen für unterschiedliche Lernende. Hattie (2009) führt jedoch dazu an, dass für die klassische individualisierte Instruktion, vor allem die Zuweisung individueller Arbeitsblätter, keine nennenswert großen Effektstärken nachweisbar sind. Die Spezifikation und empirische Prüfung des Konzepts des adaptiven Unterrichts erfolgte im Wesentlichen über das Paradigma der „Aptitude-Treatment-Interaction“ (ATI) (vgl. Cronbach und Snow 1977; Snow 1989). Erfolgreiche ATI-Nachweise belegen die differenzielle Wirksamkeit pädagogischer Interventionen. Als Aptitudes bezeichnet man die Eigenschaften oder Merkmale (wörtlich: die Eignungen) der Lernenden, als Treatment die unterrichtlichen Maßnahmen (wörtlich: die Behandlung) durch die Lehrenden, also in der Regel die Lehrmethode. Die Interaction ist im Sinne eines statistischen Wechselwirkungseffektes gemeint, der zum Ausdruck bringt, dass Lernende mit einer Eigenschaft X besser bei Methode A lernen und solche mit der Eigenschaft Y besser bei Methode B (► Abb. 10.2). Offenbar hilft nicht jede instruktionale Maßnahme allen Lernenden in gleicher Weise. Trifft die richtige Maßnahme jedoch den richtigen Adressaten, so tritt der angestrebte Effekt auf. Tausch, Barthel, Fittkau, Langer und Theunißen (1969) haben das etwa in einer Studie zum Sportunterricht bei Zwölfjährigen illustriert. Sie untersuchten die
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Unterrichtsstrategien zur individuellen Förderung 383 Wirksamkeit ermutigender Lehreräußerungen wie „Weiter so“, „Gut“ oder „Bravo“ nach guten Leistungen, aber auch „Wird schon noch“ oder „Schon besser“ nach suboptimalen Trainingsversuchen. Es zeigte sich, dass vor allem hochängstliche Lernende von den ermutigenden Verstärkungen profitierten. Für die weniger ängstlichen Lernenden waren die Ermutigungen wie auch deren Ausbleiben weniger wichtig – wenn auch nicht schädlich. Lernende mit bestimmten Eignungen und Voraussetzungen lernen also offensichtlich besser, wenn sie nach einer bestimmten Methode unterrichtet werden; für andere ist wiederum eine andere Methode günstiger. Der tatsächliche Erkenntnisstand eröffnet allerdings auf der Theorie- wie auf der Praxisebene weit mehr Probleme, als die Theorie zu lösen vorgibt. So wissen wir weiterhin recht wenig darüber, welche Methoden bei welchen Schülermerkmalen für welche Lernziele besonders geeignet sind.
Abb. 10.2: Prototypischer (disordinaler) Wechselwirkungseffekt zwischen Methode (A vs. B) und relevanter Eigenschaft (X vs. Y) der Lernenden auf die Lernleistung
Auch wenn ihr unmittelbarer unterrichtsmethodischer Nutzen äußerst eingeschränkt ist, kommt der ATI-Forschung eine wichtige Bedeutung zu. Sie hat, wie Terhart (2000, 84) treffend formuliert, „die Möglichkeit des einfachen Methodenvergleichs endgültig sabotiert“. Denn die naive Suche nach der besten Lehrmethode, dem besten Unterrichtsmedium, dem erfolgreichsten Lehrerverhalten war damit in ihrer Ausschnitthaftigkeit als zu kurz gegriffen entlarvt. Was neben dieser ernüchternden Erkenntnis bleibt, sind die vielfältigen, aber uneinheitlichen ATI-Befunde
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384 Individuelle Förderung zur Wirksamkeit instruktionaler Medien in Abhängigkeit von spezifischen individuellen Lernvoraussetzungen (z. B. Plass et al. 1998; Tuovinen und Sweller 1999). Auch gibt es ganz offensichtlich Interaktionen der Ängstlichkeit, der Intelligenz oder des Vorkenntnisniveaus der Lernenden mit der Wirksamkeit von Instruktionsmethoden: Ängstlichere und Leistungsschwächere scheinen von hochstrukturierten Unterrichtsumgebungen mit klar definierten Aufgabenstellungen, von einer schrittweisen Stoffpräsentation und einer stärkeren Lenkung vergleichsweise mehr zu profitieren (Snow und Swanson 1992; Swanson 1999). Das scheint plausibel, weil die leistungsschwächeren Lernenden mit ihren defizitären kognitiven oder motivationalen Lernvoraussetzungen durch äußere Vorgaben, zusätzliche Hilfen und klarere Strukturen in ihrer Informationsverarbeitung besser unterstützt werden und weil ängstliche Lernende fehlende Strukturen und eine hohe Eigenverantwortung als Belastung empfinden. Lernende hingegen, die aufgrund ihrer günstigeren Lernvoraussetzungen zu selbstregulativem Lernen in der Lage sind, profitierten offenbar eher von offenen und entdeckenlassenden Unterrichtsverfahren, die ihnen mehr Freiräume lassen. Ungeklärt ist bislang auch die Frage, in welchem Zusammenhang adaptiver Unterricht mit allgemeinen Merkmalen guten Unterrichts steht. Meyer (2004) nennt „individuelle Förderung“, Helmke (2009) „Passung“ als spezielles Qualitätsmerkmal. Klieme, Pauli und Reusser (2009) hingegen spezifizieren drei Basisdimensionen von Unterrichtsqualität: strukturierte Klassenführung, unterstützendes Klassenklima und kognitive Aktivierung (vgl. auch Kunter und Baumert 2006; Pianta und Hamre 2009). Adaptivität besteht nicht zuletzt in einem ausbalancierten Zusammenspiel dieser Qualitätsdimensionen. 10.3.3 Scaffolding Das Konzept des Scaffolding geht zurück auf Wood, Bruner und Ross (1976), die dieses als eine adaptive Unterstützung beschreiben, mit der die Lernenden zu selbstständigem Problemlösen befähigt werden. Scaffolding beginnt idealtypisch damit, dass Lehrkräfte das Verständnis der einzelnen Lernenden eines bestimmten Sachverhalts durch gezieltes Nachfragen und spezifische Aufgabenstellungen diagnostizieren und ein gemeinsames Verständnis herstellen, so dass die Lehrkraft darauf abgestimmte Strukturierungen anbieten oder im Sinne eines kognitiven Modells weitere Lösungsschritte ausführen kann (vgl. Puntambekar und Hübscher 2005). Mit Hilfe eines sichernden „Lerngerüsts“ erleichtert die Lehrperson den individuellen Wissensaufbau der Lernenden. Zur Strukturierung können die Lehrkräfte verschiedene Elemente einsetzen, etwa Impulse, Fragen und Gegenüberstellungen. Dabei ist ein schrittweiser Übergang vom fremd- zum selbstgesteuerten Lernen vorgesehen, indem die Strukturierungen langsam ausgeblendet werden, sobald die Lernenden die entsprechenden Fähigkeiten erworben haben (sogenanntes „fading“ nach Collins et al. 1989). Forschungsergebnisse zeigen, dass Scaffolding sowohl das verständnisorientierte Lernen als auch das Kompetenzerleben der Lernenden fördert (z. B. Blumberg et al. 2004).
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Förderunterricht 385 Das Konzept des Scaffolding weist dabei enge Überschneidungen mit dem fachdidaktischen Begriff der kognitiven Strukturierung auf (vgl. Einsiedler und Hardy 2010) und bedient sich vor allem der folgenden sechs Techniken: Rückmeldungen, Hinweise, Instruieren, Erklären, Modellieren und Fragen stellen (vgl. van de Pol et al. 2010). Die pädagogische Herausforderung bei der Nutzung dieser Techniken besteht auch darin, bei fortschreitendem Lernprozess die Unterstützung wieder zurückzunehmen und damit dem Lernenden mehr und mehr die Verantwortung für das eigene Lernen zu übergeben. Empirisch belegt ist, dass Scaffolding positive Effekte auf Lernleistungen und Lernmotivation hat (Decristan et al. 2015a; van de Pol et al. 2010). Als Unterrichtsstrategie kann Scaffolding mit unterschiedlichen Werkzeugen erreicht werden, zu denen neben Aufgabenstrukturierungen auch didaktische Mittel gehören, mit denen Lernende dazu gebracht werden, ihre Aufmerksamkeit auf die zentralen Elemente des curricularen Inhalts zu richten (etwa durch die Aufforderung, Konzepte auf ihre Gleichheit und Verschiedenheit hin zu überprüfen), oder empirische Evidenz zu nutzen, Strategien aufzuzeigen und wissenschaftlich fundierte Argumentationsketten zu unterstützen (vgl. Davis und Myake 2004). Ebenso wie Mastery Learning und Adaptive Teaching kann kognitive Strukturierung sinnvollerweis durch eine gezielte Diagnose von Lernstand und Lernvoraussetzungen vorbereitet werden (► 10.5.1). In der Bildungsforschung wird dies als lernbegleitende Diagnostik oder Formatives Assessment bezeichnet. Dieses kann in einem regelmäßigen Einsatz von standardisierten „curriculum-embedded tests“ bestehen, oder auch in einem diskursiven Unterrichtsgespräch, in dessen Verlauf die Lehrkraft spontan Verständnislücken feststellt („on-the-fly-assessment“) und im Dialog mit den Lernenden bearbeitet (Heritage 2007; Klieme, Bürgermeister et al. 2010; Shavelson et al. 2008). Die dialogorientierte Form des Formativen Assessments ist dem Scaffolding sehr verwandt und beruht auf denselben konstruktivistischen Annahmen über Lernprozesse.
10.4 Förderunterricht In den Schulgesetzen aller Bundesländer finden sich Aussagen zur Förderpflicht der Schule. Die damit begründeten vorgesehenen Fördermaßnahmen sind keineswegs einheitlich, beziehen sich aber schwerpunktmäßig auf die Grundschule und auf die Förderung von lernschwachen Kindern (z. B. Braun und Schmischke 2008). Das traditionelle Instrument dazu ist der Förderunterricht. So findet sich z. B. in der Verordnung über den Bildungsgang der Grundschule vom 23. März 2005 in NRW die Vorgabe: „Der Förderunterricht soll allen Schülerinnen und Schülern zugute kommen. Er trägt dazu bei, dass auch bei Lernschwierigkeiten die grundlegenden Ziele erreicht werden“ (§ 3 Abs. 2). In der schulpädagogischen Literatur wird För-
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386 Individuelle Förderung derunterricht unterschiedlich diskutiert. Sandfuchs (2009, 273) definiert ihn als „eine Form äußerer Differenzierung, in der langfristig mehrere Schüler meist fachlich gebundene Hilfen erhalten, die ihre Leistungsrückstände verringern und ihnen auf Dauer wieder die erfolgreiche Teilnahme am Regelunterricht ermöglichen sollen“. Er weist allerdings auch darauf hin, dass in der (Grundschul-)Pädagogik binnendifferenzierender Unterricht (s. o.) als angemessener eingestuft wird. Ein Hauptgrund für die distanzierte Haltung gegenüber äußeren Differenzierungsmaßnahmen wie dem Förderunterricht ist das Argument, dass diese stigmatisierend wirken könnten. Obwohl ungünstige Effekte dieser Art im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden können, gibt es kaum empirische Belege für die befürchteten Stigmatisierungen. Außerdem dürften schwerwiegende Lernrückstände, z. B. in Folge von Lernstörungen oder zuwanderungsbedingten sprachlichen Mängeln, kaum durch innere Differenzierungsmaßnahmen im Regelunterricht zu beseitigen sein. Sandfuchs (2009) unterscheidet verschiedene Formen des Förderunterrichts. Zu den eher an den Inhalten des Regelunterrichts orientierten Formen gehören: (a) der nacharbeitende Förderunterricht, bei dem Schwierigkeiten aufgearbeitet werden, die im Regelunterricht aufgetreten sind; (b) der im Voraus arbeitende Förderunterricht, bei dem zu erwartende Lernschwierigkeiten antizipiert werden und präventiv anforderungsrelevante Vorkenntnisse vermittelt werden; (c) die Doppelbesetzung im Unterricht, bei der zwei Lehrkräfte gleichzeitig in einer Klasse arbeiten und eine sich vorwiegend mit den Lernschwachen beschäftigt; und (d) die Hausaufgabenhilfe als schulergänzende Maßnahme. Über die Wirksamkeit und Wirkungen der verschiedenen Formen des Förderunterrichts liegt erstaunlicherweise kaum empirisch belastbares Material vor. Die wenigen Hinweise sprechen aber eher dafür, dass vor allem die verwendeten Methoden und die Qualität ihrer Umsetzung durch die Lehrkräfte für den Fördererfolg der Schülerinnen und Schüler verantwortlich sind (May 2000). Zur Frage, welche Methoden hier die höchste Wirksamkeit versprechen, ist die Befundlage sehr eindeutig. Forness, Kavale, Blum und Lloyd (1997) haben hierzu 18 Metaanalysen identifiziert und gemeinsam neu analysiert mit dem Resultat eines großen mittleren Effektes (d = .84) der Prinzipien der sog. direkten Instruktion im Vergleich zu verschiedensten anderen Unterrichtsstrategien. Besonders wirksam sind demnach eher anleitungsorientierte, expositorische, strukturierte und kleinschrittige Formen des Unterrichtens mit vielen Übungsphasen, unmittelbaren Rückmeldungen und der Sicherstellung einer möglichst vollständigen Zielerreichung bei jedem Lernschritt.
10.5 Elemente professioneller individueller Förderung Oelkers (2006) beklagt, dass die Schule in Deutschland über keine institutionelle Förderkultur verfüge und macht dafür vor allem die mangelnde diagnostische
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Elemente professioneller individueller Förderung 387 Kompetenz der Lehrkräfte und ein Fehlen oder Nichtnutzen von Förderprogrammen verantwortlich. Trifft diese Einschätzung zu, dann wäre in der Tat der Erfolg individueller Förderung in Deutschland gefährdet. Die Qualität individueller Förderung entscheidet sich nämlich an der Passgenauigkeit von pädagogischem Handeln und dem Lern- und Entwicklungsstand der jeweiligen Lernenden. Um diese zu erreichen, bedarf es einer möglichst genauen Kenntnis des Lern- und Entwicklungsstandes der Lernenden sowie eines Repertoires an wirksamen Fördermaßnahmen (vgl. Arnold et al. 2008). Darüber hinaus wird immer wieder darauf hingewiesen, dass zusätzlich zur fachlichen Expertise eine entsprechende professionelle pädagogische Haltung ein wichtiges Element erfolgreicher individueller Förderung ist (z. B. Schwer und Solzbacher 2014). 10.5.1 Diagnostik Die differenzierte Diagnostik von Lernausgangslagen sowie individuellen Stärken und Schwächen ist eine notwendige Voraussetzung für eine passgenaue Förderung. Damit ist zum einen die sogenannte Statusdiagnostik angesprochen, die traditionell den für Übergangs- und Laufbahnentscheidungen relevanten Leistungsstand erfasst, aber auch auf eine präzise Identifikation von Teilleistungs- und Entwicklungsstörungen oder individueller Lernpotenziale (z. B. Funktionstüchtigkeit des Arbeitsgedächtnisses) abzielt, die unmittelbar mit den entsprechenden Trainingsmaßnahmen beeinflusst werden sollen. Vor allem in den USA schaut man auf eine lange Tradition zurück, den schulischen Lernerfolg in einzelnen Fächern durch standardisierte Schulleistungstests zu dokumentieren. Auch in Deutschland liegen bereits seit langem für unterschiedliche schulische Leistungsbereiche standardisierte und normierte Testverfahren vor, allerdings haben diese nie eine so dominierende Rolle gespielt wie etwa in den USA oder in anderen englischsprachigen Ländern. Erst im Zuge einer Neuorientierung des deutschen Schulsystems an Bildungsstandards und mit der Einführung von Jahrgangsvergleichsarbeiten in allen Kernfächern und Bundesländern sind standardisierte und normierte Schulleistungstests vermehrt in den Fokus des bildungsöffentlichen und fachwissenschaftlichen Interesses geraten. In zentralen Inhaltsbereichen – insbesondere gilt dies für die Bereiche der Schriftsprache (vgl. Lenhard und Schneider 2009; Schneider et al. 2008; Hasselhorn et al. 2000) und der Mathematik (vgl. Hasselhorn et al. 2013) – steht mittlerweile eine breite Sammlung qualitativ hochwertiger diagnostischer Verfahren für die Schulleistungserfassung und -beurteilung zur Verfügung. In jüngster Zeit wird die herkömmliche Schulleistungsdiagnostik zwar bisweilen als „veraltet“ eingestuft, da eine Kompetenzorientierung Einzug in die Zielvorstellungen schulischen Unterrichts genommen hat. Allerdings sind die neueren deutschsprachigen Schulleistungstests mehrheitlich durchaus auch zur Diagnostik fachspezifischer Kompetenzen geeignet.
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388 Individuelle Förderung Ein zweiter für die individuelle Förderung relevanter diagnostischer Schwerpunkt bezieht sich auf eine den individuellen Lernprozess begleitende Diagnostik mit dem Ziel, fortwährend die Diskrepanz zwischen Lernstand und Lernziel zu bestimmen. Eine solche unterrichtsintegrierte Diagnostik wird als formative Diagnostik (s. o., „formative assessment“) oder Lernverlaufsdiagnostik bezeichnet. Durch Formen der Leistungsbeurteilung und -rückmeldung sollen die Lernenden in die Lage versetzt werden, ihre Lernprozesse so weit wie möglich selbst zu gestalten (vgl. Black und Wiliam 1998; Sadler 1989). Nach Hattie und Timperley (2007) sollten in dieser Rückmeldung konkrete Aussagen darüber gemacht werden, wie einzelne Lernende dem Lernziel näherkommen können, indem Fehlkonzepte und Wissenslücken identifiziert werden und die Lernenden Hilfen oder Strategien erhalten, die das Erreichen des Lernziels ermöglichen (► Abb. 10.3). Positive Auswirkungen der Nutzung formativer Diagnostik im Regelunterricht auf die individuellen Lernverläufe der Lernenden sind empirisch belegt (z. B. Decristan et al. 2015b; Kingston und Nash 2011).
Abb. 10.3: Diagnostik als Element professioneller individueller Förderung durch aktive Nutzung der diagnostischen Information für Rückmeldung und Differenzierung
In Deutschland wurde die formative Diagnostik erst in jüngster Zeit in einer Weise aufgegriffen, die zu diagnostischen Verfahren geführt hat, die den testpsychologischen Gütekriterien genügen (vgl. Klauer 2014). Mittlerweile existiert bereits eine Reihe von entsprechenden Verfahren für den Primar- und den Sekundarschulbereich, vornehmlich für die Inhaltsbereiche des Lesens und des Rechnens. Und es gibt Belege dafür, dass es durch die Verfügbarkeit von Lernverlaufsinformationen zu günstigeren individuellen Lernverläufen kommt (vgl. Hasselhorn et al. 2014). Das
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Elemente professioneller individueller Förderung 389 Konzept der Lernverlaufsdiagnostik ist vor allem in sonderpädagogischen Zusammenhängen bekannt geworden und gilt als wichtiger Bestandteil des so genannten „Response to Intervention“(RTI)-Ansatzes (Maier 2010; Voß und Hartke 2014). Bezeichnet wird damit ein diagnostisches Vorgehen, bei dem in einer Abfolge aufeinander bezogener Stufen geprüft wird, wie gut Kinder mit Lernschwierigkeiten auf normalen Unterricht, auf eine Zusatzförderung in Kleingruppen oder auf Zusatzmaßnahmen intensiver Einzelförderung ansprechen. Für die Lernenden, die auf den jeweiligen Unterricht und die jeweilige Förderung nicht ansprechen, wird die Förderintensität gesteigert. Der RTI-Ansatz gilt als vielversprechend (wenn auch nicht unumstritten; vgl. Ferri 2012), weil er auf die Bedeutsamkeit von pädagogischen Interventionen für die Lernentwicklung verweist, sowie explizit förder- und nicht platzierungs- bzw. selektionsdiagnostisch ausgerichtet ist. 10.5.2 Fördermaßnahmen und -programme Einem sonderpädagogisch-psychologischen Modell folgend setzt individuelle Förderung an einer ausführlichen Differenzialdiagnostik an, auf deren Basis spezifische Förder- und Trainingsmaßnahmen indiziert werden. Dazu stehen eine ganze Reihe nachweislich wirksamer Trainings zur Verfügung, angefangen von Trainings sich früh entwickelnder Grundfähigkeiten der Motorik, der Kognition und der sprachlichen Fähigkeiten, bis hin zu Trainings schulfachlicher und sozialer Fähigkeiten sowie Trainings der Motivation und der Selbstwahrnehmung (vgl. Arnold et al. 2008; Büttner 2016). Fördermaßnahmen im Lern- und Leistungsbereich lassen sich nach dem Grad ihrer Domänenspezifität unterscheiden. Domänenübergreifende Ansätze haben zum Ziel, kognitive Funktionen zu trainieren, die in verschiedenen schulischen Bereichen leistungsförderlich wirksam werden. Domänenspezifische Ansätze zielen demgegenüber darauf ab, Fertigkeiten in einem umschriebenen schulischen Leistungsbereich zu fördern. Einschlägige Förderprogramme liegen für den Schriftsprachbereich und den mathematischen Bereich vor (vgl. Büttner 2016). Das Leitprinzip ist die Bereitstellung kompensatorischer Zusatzangebote, die einzeln oder in kleinen Gruppen durchgeführt werden. Individuelle Förderung bezieht sich aber nicht nur auf kognitive Funktionen und domänenspezifische Fertigkeiten, auch sozial-emotionale Kompetenzen können Gegenstand individueller Fördermaßnahmen sein. Hier stehen insbesondere bewährte Programme zum Abbau von Aggression und Gewalt sowie zum Abbau sozialer Unsicherheit zur Verfügung (vgl. Büttner 2016; Fingerle und Grumm 2012). Kaum evaluiert ist das weit verbreitete Zusatzangebot „Nachhilfe“. In einem kontrollierten Design konnte Haag (2001) Verbesserungen in den Schulleistungen und in der Motivation der Lernenden nachweisen. Insgesamt ist die Forschungslage zur Wirksamkeit von Nachhilfe jedoch noch unbefriedigend (vgl. Dohmen et al. 2008). Als oftmals genannte Motive für die Inanspruchnahme von Trainings- und Zusatzangeboten lassen sich die Verbesserung der schulischen Leistungen sowie ein
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390 Individuelle Förderung
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Ausgleich definierter Defizite, die mit schulischen Leistungen verzahnt sind, anführen. Dementsprechend sind Trainings- und Zusatzangebote nicht auf den außerschulischen Bereich beschränkt, vielmehr sind auch in Schule und Unterricht zahlreiche Förderstrukturen etabliert worden, wie etwa der in Stundentafeln verankerte Förderunterricht (zur kritischen Auseinandersetzung dazu vgl. Arnold et al. 2008). 10.5.3 Pädagogische Überzeugung bzw. Haltung Neben entsprechenden Kompetenzen in Diagnostik und Förderung werden auch pädagogische Überzeugungen bzw. Haltungen als konstitutives Element professioneller und erfolgreicher individueller Förderung eingestuft. Im Rahmen der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (wiff) haben Nentwig-Gesemann, Fröhlich-Gildhoff, Harms und Richter (2011) eine Expertise zur professionellen Haltung von pädagogischen Fachkräften im Elementarbereich (mit Schwerpunkt auf dem U3-Bereich) vorgelegt. Diese Haltung wird als „generatives Prinzip“ (ebd., 10) aufgefasst, das das eigene pädagogische Handeln der Fachkraft strukturiert. Sie „beinhaltet die grundlegende Anerkennung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Kindern“ (ebd., 29) und bietet entsprechende Orientierungsmuster, Wertorientierungen und Einstellungen. Kuhl, Schwer und Solzbacher (2014a, 2014b) haben den Versuch unternommen, dem diffusen Begriff der professionellen pädagogischen Haltung eine an der Persönlichkeits- und Motivationspsychologie orientierte theoretische Fundierung zu geben, um damit eine empirische Überprüfung der Wirkungen pädagogischer Haltungen auf die Lern- und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern zu ermöglichen. Ausgehend von der Überlegung, dass der Begriff der Haltung im Deklamatorischen und Normativen verhaftet bleibt, wenn er sich auf das beschränkt, was pädagogische Fachkräfte denken und glauben sollen, unternehmen Kuhl et al. (2014a, 2014b) unter Rückgriff auf die vom Erstautor entwickelte Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen den Versuch, verhaltensrelevante „Selbstkompetenz“ (statt mentaler Inhalte) zum Definitionskern für professionelle pädagogische Haltung zu machen. Die Selbstkompetenz dient der Selbstregulation, zu der wiederum Kompetenzen wie Intentionsausführung, Selbstmotivierung, Selbstentwicklung und Selbstberuhigung gehören (Kuhl et al. 2014a). So vielversprechend dieser Ansatz auch sein mag – wie weit er empirisch trägt und es ermöglicht, zu prüfen, welche Selbstkompetenzen die Wirksamkeit individuell förderlichen pädagogischen Verhaltens bestimmen und wie diese vermittelbar sind, ist derzeit nur ansatzweise abschätzbar. Immerhin liegen erste empirische Belege für die Wirkungsrelevanz zu den Teilbereichen der pädagogischen Überzeugungen, motivationalen Orientierungen und selbstregulativen Fähigkeiten vor, die von Baumert und Kunter (2006) als Komponenten professioneller Kompetenz von Lehrkräften vorgeschlagen worden sind. Relevante Überzeugungen beziehen sich auf das Lernen und Lehren insgesamt (subjektive Theorien), auf die Ziele eigenen pä-
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Institutionelle Strategien für individuelle Förderung 391 dagogischen Handelns, das eigene Rollenverständnis und die eigenen Fähigkeiten als Lehrerin oder Lehrer (Berufsethik) oder auf die Funktion von Schule und das Bildungssystem insgesamt (Voss et al. 2011). In allen beruflichen Tätigkeitsfeldern sind die dort Handelnden von Wertvorstellungen und Normen motiviert und geprägt, die jenseits des Fachlichen mehr oder weniger stark ihr professionelles Handeln beeinflussen. In der COACTIV-Studie wurde hinsichtlich der lerntheoretischen Überzeugungen zum Lehren und Lernen im Fach Mathematik zwischen zwei grundlegenden Perspektiven unterschieden: (1) der Auffassung, dass Lernen vorwiegend im Sinne einer Wissensvermittlung durch die Lehrperson (transmissiv) stattfinde, und (2) der Auffassung, dass Lernen als ein individueller Vorgang der aktiven Bedeutungskonstruktion (konstruktivistisch) zu betrachten sei. Über einen Fragebogen wurden die individuellen Überzeugungen gemessen. Transmissive Überzeugungen waren negativ, konstruktivistische Orientierungen positiv mit den mittleren Lernfortschritten assoziiert (Dubberke et al. 2008; vgl. für einen ähnlichen Befund Staub und Stern 2002). Es zeigte sich nämlich, dass von den konstruktivistisch geprägten Lehrpersonen ein höheres Maß an kognitiver Aktivierung und konstruktiver Unterstützung ausging, was sich als leistungsförderlich erwies, und dass Lehrkräfte mit transmissiven Überzeugungen in geringerem Maße kognitiv aktivierend vorgingen, was sich für die Lernentwicklung als nachteilig herausstellte. Mittlerweile gibt es erste Hinweise darauf, wie Lehrkräften Überzeugungen vermittelt werden können, die sich auch günstig auf die Wirksamkeit individueller Förderung auswirken (Decker et al. 2014).
10.6 Institutionelle Strategien für individuelle Förderung Die Bildungsinstitution Schule hat Strategien entwickelt, um die in den Schulgesetzen der Länder verankerte Förderpflicht umzusetzen. Dazu gehören die in den meisten Bundesländern zumindest in der Grundschule für Lernende mit gravierenden Lernschwierigkeiten verpflichtend vorgesehenen Lernentwicklungs- oder Förderpläne, die kollegiale Fallberatung sowie die Elternberatung. 10.6.1 Förderpläne Förderpläne sind das zentrale institutionelle Instrument für die innerschulische individuelle Förderung von integrativ beschulten Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und allgemeinen Lernschwierigkeiten. Verantwortlich für die Erstellung von Förderplänen ist die Schule bzw. der/die Klassenlehrer*in. In den meisten Bundesländern wird empfohlen, die Beratungskompetenzen der Förderschule oder sonstiger sonderpädagogischer Einrichtungen mit einzubeziehen. In der Regel sollen Förderpläne halbjährlich im Voraus erstellt werden mit Aussagen zum
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392 Individuelle Förderung aktuellen Entwicklungsstand des betroffenen Schulkindes und zum individuellen Förderbedarf. Dabei sind Maßnahmen festzulegen, begleitend zur Umsetzung zu dokumentieren und zu evaluieren. Sie dienen als Grundlage für schulische Gespräche (z. B. im Jahrgangsteam, mit Beratungslehrkräften oder sonderpädagogischen Fachkräften, mit dem Kind und den Eltern) und für Berichte oder Gutachten. Sie bilden zudem Gerüst und Leitfaden für die Planung individuell förderlicher Differenzierungen im Unterricht. Braun und Schmischke (2008) empfehlen, Förderpläne entlang eines Regelkreises mit fünf Bausteinen zu schreiben: • Beobachtung und Beschreibung eines für den jeweiligen individuellen Förderbedarf relevanten konkreten Verhaltens oder Lernprozesses, • fachlich begründete Ursachenvermutung und Formulierung des Förderbedarfs, • Beschreibung konkret umsetzbarer und überprüfbarer Förderziele, • Ableitung unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten der Förderung, • regelmäßige Überprüfung des Förderplans. Ein praktikabler Einsatz benötigt nach Braun und Schmischke (2008) folgende Elemente: Adressat*in (Für wen wird der Förderplan erstellt?), Verfasser*in (Wer hat die Hypothesen erstellt?), Zeitraum (Wann erfolgt nächste Überprüfung?), Fokussierung auf einen Fach- bzw. Entwicklungsaspekt (Welche Fertigkeit, welches Verhalten ist genau gemeint?), Ausgangslage (Wo genau steht das Kind im relevanten Lernprozess?), Förderziel (Welchen nächsten Entwicklungsschritt soll das Kind gehen?), Angebote (Wie genau sehen die Hilfen für das Kind aus?), getroffene Vereinbarungen mit allen Beteiligten. 10.6.2 Kollegiale Fallbesprechung Die Kollegiale Fallbesprechung (auch: Intervision; siehe Lippmann 2005) ist ein strukturiertes Gruppenverfahren zur Problemlösung in pädagogischen Teams. Die Teammitglieder suchen dabei – nach einer vereinbarten Methodik – eine Lösung für ein bestimmtes Problem. Im Rahmen individueller Förderung bieten sich Fallbesprechungen insbesondere bei krisenhaften Verläufen der Förderung an oder wenn Rahmenbedingungen verändert werden müssen. In Ansätzen zur kollegialen Fallberatung werden spezifische Rollen vergeben: der/die Fallgeber*in (Person, die die Problemstellung einbringt), die Beratenden (Kolleg*innen) und der/die Moderator*in/Zeitwächter*in. Einen Ablauf einer kollegialen Fallberatung stellen Schmid, Veith und Weidner (2010) vor (► Tab. 10.1). Für eine gelingende kollegiale Beratung führen Kopp und Vonesch (2003) zehn Regeln an, von denen Durchführbarkeit, Qualität und Nachhaltigkeit abhängen (zit. n. Brandenburg 2012, 97). Die Regeln zielen im Wesentlichen auf einen vertrauens- und respektvollen Umgang mit den Fällen sowie auf das Einhalten der strukturierten Abläufe.
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Institutionelle Strategien für individuelle Förderung 393
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Tab. 10.1: Allgemeiner kollegialer Beratungsprozess (modifiziert nach Schmid et al. 2010, 46) Kollegialer Beratungsprozess (allgemein) Phasen (Dauer: 45–120 Min.) Fallgeber*in
Aufgaben
Beratungsgruppe Rollenverteilung, 1. Vorbereitung Festlegen von Moderator*in, Fallgeber*in und Beratungsgruppe hört Fallgeber*in ohne schildert Anliegen und Unterbrechung zu, achtet 2. Anliegenschilderung versucht, Problem/ Fragestellung zu definieren auch auf Stimme und Tonfall stellt Fragen zur Klärung der versucht, alle gestellten Fragen Sachlage, noch ohne 3. Befragung zu beantworten Bewertungen, Diskussionen und Lösungsvorschläge berät den Fall, sammelt hört kommentarlos zu, Hypothesen und Erklärungs4. Anliegenanalyse abschließend können ansätze, aber noch keine Hypothesen priorisiert werden Lösungsvorschläge berät und entwickelt Lösungs5. Lösungsarbeit bewertet oder kritisiert nicht vorschläge ohne Bewertung oder Kritik nimmt zu Lösungsvorschlägen 6. Lösungsfeedback Stellung, entscheidet sich für hört Stellungnahme zu einen Weg 7. Austausch beide tauschen sich aus Ergebnis, Gruppenprozess und Methode(n) werden von 8. Prozessreflexion beiden reflektiert, Moderator*in erhält Feedback
10.6.3 Elternberatung Die Beratung von Eltern durch Lehrkräfte kann auch zu Zwecken der individuellen Förderung genutzt werden. Insbesondere regelmäßige Eltern-Lehrer-Gespräche zum Leistungsstand des Kindes und zu Möglichkeiten der Leistungsverbesserung bieten sich hier an. Die Bedeutung der Beteiligung der Eltern an den schulischen Bildungsprozessen ihrer Kinder ist empirisch gut belegt. Durch Beratung von Eltern durch Lehrkräfte wird oftmals elterliche Motivation und Engagement in schulischen Angelegenheiten erhöht, was sich positiv auf Leistungen und Verhalten der Lernenden auswirkt (vgl. Hoover-Dempsey et al. 2010). Die Forschung zur elterlichen Beteiligung an Bildungsprozessen beschränkte sich lange Zeit auf den Elementar- und Grundschulbereich. Mittlerweile liegen aber auch Untersuchungen
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394 Individuelle Förderung zur Elternberatung im Sekundarbereich vor (z. B. Jeynes 2007), die zu weniger Verhaltensproblemen und besseren Leistungen der Lernenden führen. Im deutschen Sprachraum werden Beratungskompetenzen in der Lehrerbildung bisher kaum systematisch vermittelt (Hertel 2009). Es liegen jedoch erste vielversprechende Analysen über die Beratungskompetenzen von Lehrkräften vor, die im Rahmen von Lernschwierigkeiten bei Lernenden erfolgreich sind (Gerich et al. 2015).
10.7 Individuelle Förderung und Inklusion Debatten zu den Themen individuelle Förderung, Heterogenität und Inklusion sind wechselseitig anschlussfähig; sie fordern im Kern einen Wechsel von Erziehung und Unterricht für homogene Lerngruppen hin zu Erziehung und Unterricht für heterogene Lerngruppen. Im Nachgang zur Ratifizierung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2009 sind die programmatischen Forderungen nach inklusiver Bildung, individueller Förderung und einem produktiven Umgang mit Heterogenität wieder stärker in den Fokus der öffentlichen und bildungspolitischen Debatte gerückt. Worin aber unterscheiden sich die Forderung nach individueller Förderung und die nach Inklusion? Inklusion wird auf die integrierte Bildung von Menschen mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im allgemeinen Bildungs- und Schulsystem bezogen und betrifft damit die Frage nach dem angemessenen und geeigneten Förderort für diese Gruppen (vgl. Füssel et al. 2014; Hasselhorn und Maaz 2015; ► Kap. 9). In Bezug auf die Schule und andere Institutionen, in denen Bildungsabschlüsse erworben werden können, zielt die Forderung nach Inklusion darüber hinaus auf den gemeinsamen Unterricht aller Lernenden unabhängig vom Vorhandensein einer Behinderung und zeichnet sich inhaltlich durch ein Gesamtkonzept für den Unterricht in heterogenen Lerngruppen aus, anstatt Sonderbehandlungen für Einzelne zu geben. Die in der Elementarpädagogik oftmals mit Verweis auf die Inklusionsforderung anzutreffende Konnotation „keine Sonderbehandlung für Einzelne“ steht in einer gewissen Spannung zum Konzept der Individuellen Förderung, da man hier einen Gegensatz zum Gleichbehandlungsanspruch der Inklusion sieht (s. o. die Vorbehalte in der Elementarpädagogik gegenüber individueller Förderung). Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive berührt dies Auseinandersetzungen mit dem pädagogischen Dilemma zwischen dem Anerkennen von Differenz und der damit verbundenen (Re-)Produktion derselben (Mecheril und Plößer 2009). Der weit verbreitete und in über 20 Sprachen übersetzte „Index for inclusion“ von Booth und Ainscow (übersetzt und für deutschsprachige Verhältnisse überarbeitet durch Boban und Hinz 2003) enthält mehr als 500 Items zu relativ unspezifischen
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Individuelle Förderung und Inklusion 395 Maßnahmen auf Schulebene (Dimension A: Inklusive Kulturen schaffen; Dimension B: Inklusive Strukturen etablieren) bis hin zu globalen Unterrichtspraktiken (Dimension C: Inklusive Praktiken entwickeln, z. B. „Erklären die Lehrkräfte den Zweck einer Stunde oder einer Unterrichtseinheit?“). Der Index mag als Leitfaden für interne Schulentwicklung herangezogen werden, allerdings ist er nicht wirklich inklusionsspezifisch. Auch mangelt es an über pädagogische Leitideen hinausgehenden konkreten Begründungen für die Empfehlungen. Auch empirische Beiträge können bislang nur Hinweise zu inklusiver Unterrichtsgestaltung geben. Zum einen lassen sich Meta-Analysen heranziehen, in denen geprüft wurde, welche spezifischen Instruktionsmethoden für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf besonders lernförderlich sind. Für den Förderschwerpunkt Lernen weisen Swanson und Kollegen in einer Reihe von Meta-Analysen (z. B. Swanson und Hoskyn 1998) direkte Instruktionsstrategien (gezielte Sequenzierung von Lerninhalten und Aufgaben, lernbegleitende Diagnostik und Feedback) mit einem hohen Anteil an Struktur sowie die Instruktion von Lernstrategien als besonders effektiv aus. Weitaus weniger empirische Forschung gibt es zu den anderen Förderschwerpunkten. Für den Schwerpunkt Geistige Entwicklung haben sich direkte Instruktionsmethoden sowie ein hoher Anteil an Übungen und Wiederholungen als lernförderlich erwiesen (Butler et al. 2001). Und zum Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung verweisen die Befunde auf Merkmale der Klassenführung mit etablierten Routinen, klaren Verhaltensregeln und effektiver Lernzeitnutzung sowie wiederum direkte Instruktion (z. B. Gunter et al. 2002). Diese Forschungstradition fokussiert jedoch auf vergleichsweise homogene Gruppen mit nachgewiesenem Förderbedarf und in der Regel auf spezifische außerunterrichtliche Trainings. Ein weiterer empirischer Zugang zu gelungenem Unterricht in inklusiven Klassen sind interviewbasierte Fallstudien. Diese kommen zu ähnlichen Ergebnissen darüber, welche Unterrichtsstrategien sich aus Perspektive von Lehrkräften in inklusiven Klassen bewährt haben (Flem und Keller 2000, 198; Flem et al. 2004, 93-95; Nilholm und Alm 2010, 246f ). Im Wesentlichen werden genannt: klare Strukturierungen und Regeln, ein positives Klassenklima und konstruktiv-wertschätzende Unterstützung, kooperative Lernarrangements sowie individuelle Lernunterstützung und Anpassungen des Unterrichts an die individuellen Bedürfnisse der Lernenden. Für die Debatte um inklusiven Unterricht lässt sich hieraus ein Spannungsfeld erschließen, weil programmatische Empfehlungen, wie beispielsweise die oben zitierten KMK-Anregungen, häufig von Vorstellungen eines eher offenen und handlungsorientierten Unterrichts ausgehen, während die Forschungsergebnisse für die Zielgruppe der Lernenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine stärkere Steuerung durch die Lehrkraft empfehlen.
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396 Individuelle Förderung
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10.8 Ausblick: Potenziale für das Bildungswesen Die Potenziale, die sich aus erfolgreicher Umsetzung individueller Förderung für das Bildungswesen ergeben, liegen auf der Hand. Je besser es gelingt, jedem einzelnen Kind und Jugendlichen mit entsprechenden Maßnahmen zu einem individuell maximalen Erwerb von bildungsrelevanten Kompetenzen zu verhelfen, desto höher wird das durchschnittliche Kompetenzniveau der Bildungsteilnehmenden ausfallen. Insofern ist die Qualität individueller Förderung ein Schlüssel zur Erreichung von Kompetenzzielen in jedem Bildungswesen. Darüber hinaus ist es notwendig, die verschiedenen unterrichtlichen und institutionellen Strategien nicht nebeneinander stehen zu lassen. Vielmehr müssen die an individueller Förderung beteiligten Akteure ihre Förderstrategien aufeinander abstimmen. Insbesondere in einem inklusiven Bildungssystem bekommt individuelle Förderung neue Dringlichkeit. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass das Ausmaß an interindividuellen Unterschieden in den Kompetenzen der Teilnehmenden in einem Ausschnitt des Bildungssystems durch optimale individuelle Förderung nicht unbedingt abnehmen wird. In vielen Kompetenzbereichen wird es im Gegenteil eher zu einer Zunahme an interindividuellen Unterschieden kommen.
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III Frühe Bildung Kindertageseinrichtungen und Grundschule
Einführung zu III Marcus Hasselhorn (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) und C. Katharina Spieß (DIW Berlin) Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen: Rahmenbedingungen und Entwicklungen Hans-Günther Roßbach (Leibniz-Institut für Bildungsverläufe) und C. Katharina Spieß Qualität in der Kindertagesbetreuung Yvonne Anders (Otto-Friedrich-Universität Bamberg) und Hans-Günther Roßbach Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule Sabine Martschinke (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
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| 405 Einführung zu III
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Frühe Bildung – Kindertageseinrichtungen und Grundschule Marcus Hasselhorn und C. Katharina Spieß
Bildungsbiografien von Kindern beginnen nicht erst mit der Einschulung. Wesentliche, für die eigene Bildungskarriere und auch die Gesellschaft relevante Kompetenzen werden schon in den sechs Jahren vor Erreichen der gesetzlichen Schulpflicht erworben. In der Grundschulzeit, die in den meisten Bundesländern vierjährig ist, werden weitere grundlegende Fertigkeiten angeeignet, die die Grundlage für spätere Lernprozesse und damit das Niveau der einmal von der oder dem Einzelnen erreichbaren Bildungsniveaus und vieles mehr bilden: Lesen, Schreiben, Rechnen. Aber nicht nur für die Qualität der sich herausbildenden schulrelevanten Fertigkeiten im engeren Sinne sind die Bildungsetappen bis zum Ende der Grundschulzeit von entscheidender Bedeutung. Auch die für den mittel- bis langfristigen Bildungserfolg ebenso bedeutsamen motivationalen und volitionalen (d. h. auf Selbstdisziplin und Hartnäckigkeit der Zielverfolgung bezogene) Kompetenzen werden bereits in dieser Phase individueller Bildungsverläufe konturiert. Der damit verbundene Prozess der Persönlichkeitsentwicklung wird zusätzlich durch sozioemotionale Voraussetzungen der Kinder beeinflusst und führt selbst wiederum zur Ausbildung sozio-emotionaler Kompetenzen. Gelingt es bereits in dieser Phase, die Entwicklung von Kindern gemäß ihren Fähigkeiten optimal zu begleiten, so werden auch nachfolgende Bildungsprozesse erfolgreicher. Aus diesem Grunde haben die Rahmenbedingungen, die Qualität und die Prozesse der Bildung im ersten Lebensjahrzehnt in jüngerer Zeit das Interesse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Auch wenn dies dazu beigetragen hat, dass mancherorts Realisierungsmöglichkeiten verzahnter und eng aufeinander abgestimmter Bildungsarbeit im ersten Lebensjahrzehnt umzusetzen versucht werden (z. B. die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen), ist die Bildungsrealität von sehr unterschiedlichen Grundüberzeugungen der Verantwortlichen geprägt. Dabei treffen sich Eltern, als ein zentraler Akteur der frühen Bildung, mit anderen zentralen Akteuren in der Kindertagesbetreuung und den Grundschulen. Bis heute sind die Konsequenzen aus den daraus resultierenden höchst unterschiedlichen Logiken
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406 Einführung zu III der Bildungsprozesse in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen und letztlich auch Familien weitgehend ungeklärt. Im vorliegenden dritten Buchteil des Bandes wird der aktuelle Erkenntnisstand über formale Bildungsangebote in der frühen Kindheit dargestellt – die Bildung in Kindertageseinrichtungen und in Grundschulen. Informelle Bildungsangebote der Familien oder auch non-formale Bildungsangebote, wie frühkindliche Förderangebote im Bereich des Sports oder der Musik, werden dabei nicht systematisch betrachtet (► Kap. 4 und 3) – gleichwohl sie für eine Gesamtbetrachtung aller frühen Bildungsprozesse ebenfalls von Relevanz sind und alle Angebote letztlich in ihrer gemeinsamen Wirkung betrachtet werden müssen. In Kapitel 11 skizzieren Hans-Günther Roßbach und C. Katharina Spieß die Geschichte von Kindertageseinrichtungen als erste Stufe des deutschen Bildungssystems. Dabei wird bereits auf die Besonderheiten dieses Systems eingegangen, das sich auf der einen Seite durch seine Bildungsfunktion definiert, auf der anderen Seite durch seine Einheit von Erziehung, Bildung und Betreuung sehr viel breiter ausgerichtet ist. Basierend auf Forschungsarbeiten werden die potenziellen Wirkungen dieser Bildungsangebote resümiert. Außerdem werden die Rahmenbedingungen der heutigen Situation, die verschiedenen Verantwortungsebenen und Finanzierungsstrukturen von Kindertageseinrichtungen diskutiert. Es wird sowohl die Seite der Anbieter beschrieben als auch Nutzungsunterschiede zwischen sozioökonomischen Gruppen dargestellt. Ein besonderer Fokus wird auf die in den Kindertageseinrichtungen beschäftigten pädagogischen Fachkräfte gelegt. Der Beitrag stellt die deutsche Situation aber auch in einen europäischen Kontext und beleuchtet spezifische Aspekte des Übergangs von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule. In den letzten Jahren ist vermehrt die Qualität von Bildungsprozessen als entscheidender Faktor für Bildungserträge auf sehr unterschiedlichen Ebenen zum Gegenstand von Forschungsbemühungen geworden. Mittlerweile gibt es eine Reihe belastbarer Befunde zur pädagogischen Qualität in der Kindertagesbetreuung. Das Kapitel 12 von Yvonne Anders und Hans-Günther Roßbach zeigt auf, welche Dimensionen der pädagogischen Qualität sich theoretisch und empirisch voneinander abgrenzen lassen und welche Auswirkungen sie auf die Entwicklung der Kinder in diesen Einrichtungen haben. Der Beitrag beschreibt zum einen unterschiedliche Konzepte pädagogischer Qualität und auch unterschiedliche Ansätze diese zu messen, um Qualität empirisch erfassen zu können. Die Frage der Steuerung von Qualität ist ein weiterer zentraler Bestandteil des Beitrags – dabei wird auf eine curriculare Steuerung (z. B. in Form von Bildungsplänen) ebenso eingegangen wie auf eine Steuerung über eine Qualifizierung des pädagogischen Personals. Die Befundlage zur Struktur, dem Niveau und der Wirkung der pädagogischen Qualität in Deutschland wird ebenfalls zusammenfassend dargestellt. Der Beitrag schließt mit aktuellen Herausforderungen der Qualitätssicherung und -entwicklung im deutschen System.
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Einführung zu III 407 In Kapitel 13 geht Sabine Martschinke auf die Erwartungen an die Grundschule und die zentralen Herausforderungen ein, die die Grundschule heute zu bewältigen hat. Ausgehend von einer Skizze der Erwartungen wird die Heterogenität der Schülerschaft als Herausforderung thematisiert. Der Umgang mit dieser Heterogenität führt zu der Notwendigkeit, adaptive individuelle Förderung zum Qualitätskriterium von Unterricht und Merkmal von Professionalität von Grundschullehrkräften zu machen. Schließlich werden die Herausforderungen an die Grundschule in ihrer Funktion als Bildungskette von Kindertageseinrichtungen bis hin zu weiterführenden Schulen (dem Sekundarschulbereich) beschrieben. Es wird auf aktuelle strukturelle Veränderungen in der Grundschule und auf zukünftige Herausforderungen eingegangen.
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11 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen: Rahmenbedingungen und Entwicklungen Hans-Günther Roßbach und C. Katharina Spieß
Zusammenfassung Das System der frühen Bildung in Kindertageseinrichtungen in Deutschland verändert sich seit einigen Jahren in erheblichem Umfang. Dieser bezieht sich primär auf eine historisch einmalige Ausweitung des Angebots und der Nutzung von Kindertageseinrichtungen – begleitet durch einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung in einer Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr –, eine stärkere Betonung der Bildungsfunktion in der „Einheit“ von Erziehung, Bildung und Betreuung, die Einführung von Bildungsplänen, die auf eine stärkere domänenspezifische Förderung als bisher ausgerichtet sind, sowie die geforderte Veränderung der Ausbildung des Fachpersonals, einschließlich der Diskussion um eine Akademisierung des Fachpersonals. Die Diskussion um solche Veränderungen findet in einem differenzierten Feld von Verantwortlichkeiten von Eltern, kommunalen und freien Trägern, Gemeinden, dem jeweiligen Bundesland und der Bundesebene statt. Zum einen führt dies zu großen regionalen Differenzen im System der Kindertageseinrichtungen, und zum anderen wird dadurch eine gezielte Steuerung von Veränderungsprozessen erschwert. In dem folgenden Kapitel wird dieses sehr heterogene System der Kindertageseinrichtungen beschrieben. Zunächst wird ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts gegeben. Danach wird sehr kurz die Forschung zu den Wirkungen von Kindertageseinrichtungen skizziert, wobei Studien aus unterschiedlichen Disziplinen beispielhaft erwähnt werden. Die Rahmenbedingungen der heutigen Situation, die verschiedenen Verantwortungsebenen und Finanzierungsstrukturen von Kindertageseinrichtungen werden anschließend diskutiert. Es folgt ein differenzierter Überblick über Anbieter von Kindertageseinrichtungen und deren Nutzer, wobei verschiedenen Hinweisen auf Nutzungsdisparitäten nachgegangen wird. Insbesondere im Bereich der Kinder unter drei Jahren sind größere Unterschiede festzumachen: Kinder aus bildungsferneren Elternhäusern oder auch Kinder, deren Eltern beide einen Migrationshintergrund haben, sind in Kindertageseinrichtungen unterrepräsentiert. Eine besondere Rolle für eine
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410 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen hochwertige Kindertagesbetreuung spielt das Fachpersonal und seine Ausbildung, die kurz skizziert wird. Um die Besonderheiten des deutschen Früherziehungssystems besser einschätzen zu können, wird es anschließend kurz in internationale Entwicklungen eingeordnet – dies betrifft die Nutzungsquoten, sozioökonomische Unterschiede bei der Nutzung als auch die öffentlichen Ausgaben für diesen Bildungsbereich. Bildungsetappen stehen nicht unverbunden nebeneinander, und auf den Besuch einer Kindertageseinrichtung erfolgt der Übertritt in die Grundschule. Dieser stellt viel weniger als oftmals beschrieben eine Problemzone in der Kindheit dar, vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der vorgängige Besuch einer Kindertageseinrichtung auf vielfältige Art und Weise zu einem erfolgreichen Beginn der Schulzeit beiträgt. Das Kapitel schließt mit Handlungsempfehlungen, die auf eine effektive Weiterentwicklung des deutschen Früherziehungssystems ausgerichtet sind.
Kindertageseinrichtungen sind über den Lebensverlauf betrachtet das erste formale Bildungsangebot, welches Kinder in Anspruch nehmen. Erstmalig in ihrem Leben kommen sie in diesen Einrichtungen in einem institutionellen Kontext mit anderen Kindern und pädagogischen Fachkräften zusammen. Mit dem Begriff der Kindertageseinrichtungen werden Angebote für Kinder ab der Geburt bezeichnet. Der Begriff subsumiert Krippen, Kindergärten, Kindertagesstätten und andere Einrichtungen für Kinder von der Geburt an bis zur Einschulung. Im Sinne der Kinder- und Jugendhilfe umfasst der Begriff der Kindertageseinrichtungen auch Horte für Kinder im Schulalter – in diesem Beitrag werden allerdings ausschließlich Bildungsangebote für nicht schulpflichtige Kinder betrachtet. Kindertageseinrichtungen werden seit dem Jahr 2005 gemeinsam mit der öffentlich geförderten Kindertagespflege in der Kinder- und Jugendhilfe unter dem Begriff der „Kindertagesbetreuung“ geführt. In diesem Beitrag beschränken wir uns allerdings ausschließlich auf Kindertageseinrichtungen. Auch wenn die Bedeutung der öffentlich geförderten Kindertagespflege in den letzten Jahren insbesondere bei jungen Kindern zugenommen hat, wird sie gegenüber Kindertageseinrichtungen in einem sehr viel geringeren Ausmaß in Anspruch genommen: Im Jahr 2015 nutzten nur knapp 5 % aller Kinder unter drei Jahren diese Betreuungsform (Statistisches Bundesamt 2016a). Weiterhin grenzen wir unseren Beitrag insofern ein, als wir Kindertageseinrichtungen als erstes formales Bildungsangebot betrachten und andere Funktionen von Kindertageseinrichtungen nicht detaillierter diskutieren, gleichwohl die einzelnen Funktionen in der Praxis von Einrichtungen nicht zu trennen sind und es eine Besonderheit dieser Bildungsangebote ist, dass ihr gesetzlicher Auftrag explizit mehrere Dimensionen umfasst. So sollen Tageseinrichtungen für Kinder (1) die Entwicklung von Kindern zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen
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Historische Entwicklung 411 Persönlichkeit fördern, (2) die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen und (3) den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können (KJHG § 22 Abs. 2 und 3). Insbesondere auf diese dritte Zielsetzung von Kindertageseinrichtungen gehen wir in diesem Beitrag nicht weiter ein. An dieser Stelle sei lediglich darauf verwiesen, dass empirische Untersuchungen durchaus belegen, dass Kindertageseinrichtungen einen signifikanten Effekt auf die Erwerbstätigkeit und auch das Erwerbsvolumen insbesondere von Müttern mit sehr jungen Kindern haben (für aktuelle Analysen vgl. z. B. Müller et al. 2013; Rainer et al. 2013).
11.1 Historische Entwicklung Die Erziehung, Bildung und Betreuung von noch nicht schulpflichtigen Kindern in Kindertageseinrichtungen kann historisch durch zwei übergreifende Tendenzen charakterisiert werden: • Zum einen durch eine Ausweitung in dem Sinne, dass immer mehr Kinder eines Altersjahrgangs eine Kindertageseinrichtung besuchen, der Besuch in einem immer früheren Alter beginnt und zunehmend eine Halbtagsbetreuung durch eine Ganztagsbetreuung abgelöst wird. • Zum anderen durch ein Oszillieren zwischen „Betreuung/Erziehung“ auf der einen und „Bildung“ auf der anderen Seite, wobei gegenwärtig (wieder) die Bildungsfunktion und die Bildungspotenziale des Besuchs einer Kindertageseinrichtung betont werden. 11.1.1 Entwicklung bis zur deutschen Wiedervereinigung In Deutschland haben sich außerfamiliale institutionelle Betreuungs- und Erziehungsformen für Kinder vor dem Schulbeginn in den letzten 200 Jahren entwickelt (vgl. zur historischen Entwicklung ausführlicher Aden-Grossmann 2014; Reyer 2013). Etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich drei Typen von institutionellen Betreuungsformen herausgebildet, von denen sich zwei Typen, die Bewahranstalten (Johann Georg Wirth, 1807-1851) und die christlichen Kleinkinderschulen (Theodor Fliedner, 1800-1884), vorwiegend an Kinder aus den Unterschichten mit den Zielsetzungen wandten, den Müttern eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen und die Kinder nach bürgerlichen Ordnungsvorstellungen zu erziehen. Der dritte Typ, der Kindergarten (Friedrich Fröbel, 1782-1852), unterschied sich deutlich von den beiden ersten Typen. Im Kindergarten stand die Bildung des kleinen Kindes im Mittelpunkt (vgl. Grell 2013). Das Konzept des Kindergartens war aber nicht am schulischen Vorbild orientiert. Vielmehr wurde ein eigenständiger Bildungsauftrag formuliert. Fröbel gründete als Schulpädagoge den Kindergarten für alle Kinder als damals fehlendes Fundament für die Schule. Für Fröbel gibt es zwar für
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412 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen den Kindergarten eine Eigenständigkeit in der Methode – dem Spiel –, gleichzeitig aber eine Orientierung auf die Gesamtentwicklung des Menschen, wie sie anschließend in der Schule fortgeführt wird. Im Gegensatz zur ganztägigen Öffnung der Kleinkinderschulen waren die fröbelschen Kindergärten nur halbtags geöffnet. Dies hatte eine soziale Selektion zur Folge. Da die Mütter der Unterschichtkinder in der Regel ganztägig erwerbstätig waren, konnten sie ihre Kinder nicht in die nur halbtags geöffneten Kindergärten geben. Dies war aber den Müttern aus bürgerlichen Schichten möglich, unter denen Erwerbstätigkeit eine seltene Ausnahme war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit dem Konzept des Volkskindergartens versucht, die Methode der fröbelschen Arbeitsweisen auch für Kinder der Unterschichten fruchtbar zu machen. Volkskindergärten waren wie die Kleinkinderschulen ganztägig geöffnet. Die Herausbildung kindbezogener Motive als Legitimation für eine außerfamiliale institutionelle Betreuung und Erziehung von Kindern vor Schulbeginn war zugleich mit einer Altersdifferenzierung verbunden. In den meisten Einrichtungen wurde das Eintrittsalter auf drei Jahre angehoben. Dadurch fanden die ein- bis zweijährigen Kinder keine Aufnahme in den Kindergärten und wurden – ohne eigentliche pädagogische Legitimation – in den Krippen mitbetreut. Bei den Krippen stand die „Aufbewahrung“ der Kinder im Vordergrund, und ihr Besuch wurde nur in solchen Fällen als gerechtfertigt angesehen, in denen die Mütter aufgrund ihrer sozialen Lage (z. B. Fabrikarbeit) auf diese Betreuung angewiesen waren. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es zwar Bestrebungen, den Kindergarten dem Bildungssystem zuzuordnen und zur untersten Stufe der Volksschule zu erklären und damit den Besuch für alle Kinder verbindlich zu machen, das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) von 1922 beließ es allerdings bei der Freiwilligkeit des Kindergartenbesuchs (vgl. Roßbach und Erning 2008). Das RJWG sprach jedem deutschen Kind ein Recht auf Erziehung zu, für das öffentliche Einrichtungen einzutreten hatten, wenn dieser Anspruch nicht durch die Familie erfüllt werden konnte. Nach diesem Subsidiaritätsprinzip kam den Trägern der freien Wohlfahrtspflege bei der Errichtung und Betreibung von Kindergärten ein Vorrang zu, das heißt, erst wenn sich kein freier Träger zur Errichtung und Betreibung finden lässt, können die Jugendämter bzw. Kommunen Kindergärten einrichten. Die skizzierten Entwicklungen bedeuten aber nicht, dass die Mehrheit der Kinder institutionelle Betreuungen erfahren hat. 1910, im deutschen Kaiserreich, betrug die Versorgungsquote ebenso wie 1930 in der Weimarer Republik rund 13 %. In der Zeit des Nationalsozialismus stieg sie bis etwa 1940 auf 31 %. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag sie zunächst etwa in gleicher Höhe, stieg aber dann in beiden Teilen Deutschlands – zeitverschoben – stark an. Während in der Bundesrepublik die Versorgungsquote bei den unter dreijährigen Kindern bis 1989 unter 2 % lag, stieg sie in der DDR von 6 % (1955) auf 55 % (1989) an. Auch im Kindergartenbereich (also bei den Kindertageseinrichtungen für Kinder ab drei Jahren) verliefen die Entwicklungen unterschiedlich. In der DDR stieg die Versorgungsquote in diesem
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Historische Entwicklung 413 Zeitraum von 37 auf 97 %, während sie in der Bundesrepublik von 29 auf 68 % stieg (Tietze 1993). Nicht nur im Hinblick auf die Versorgungsquoten verliefen die Entwicklungen in der Bundesrepublik und in der DDR unterschiedlich. In Westdeutschland wurde an die vor dem Krieg bestehenden Verhältnisse angeknüpft. Der Kindergarten blieb im administrativen Bereich der Kinder- und Jugendhilfe verankert, und sein pädagogisches Programm war auf Bewahrung und Schutz des Kindes vor Reizüberflutungen durch die Umwelt gerichtet (Schonraum). Mitte der 1960er Jahre setzte allerdings im westdeutschen Bildungssystem ein beachtlicher Reformprozess ein (vgl. Tietze 1993). Der Kindergartenbereich wurde prominent in diesen Reformprozess einbezogen. Es kam zu einer Umorientierung, die zwar nicht Betreuung und Erziehung verneinte, wohl aber gezielter Schulvorbereitung ein stärkeres Gewicht zukommen ließ. Der Kindergarten sollte zu einer besseren Ausschöpfung der sogenannten Bildungsreserven und zu einer allgemeinen Niveauanhebung des Bildungsstandes aller Schülerinnen und Schüler beitragen. Zugleich wurde von ihm ein besonderer Beitrag zur Kompensation von Sozialisationsdefiziten von Kindern aus benachteiligten Familien erwartet. Aber auch unter dieser besonderen Betonung der Bildungspotenziale des Kindergartens änderte sich nichts an der administrativen Zuordnung zur Jugendhilfe; eine Kindergartenbesuchspflicht war nicht vorgesehen. Für den Krippenbereich blieb es bei dem „Nothilfecharakter“ und einer äußerst niedrigen Versorgungsquote (auch im Hinblick auf Tagespflegestellen). Allerdings war die Aufbruchstimmung im Kindergartenbereich bereits in den 1970er Jahren deutlich abgeflaut. Gesellschaftliche Veränderungen (u. a. sich verändernde Familienstrukturen, die wachsende Zahl alleinerziehender Eltern, Veränderungen in der mütterlichen Erwerbstätigkeit und im Leitbild von Frauen) führten ab Mitte der 1980er Jahre zu einem neuen Reformschub, der sich auf eine Ausweitung des Platzangebots in Kindergärten und eine Ausweitung/Flexibilisierung der Öffnungszeiten wie auch auf eine Verbesserung des öffentlich finanzierten Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren richtete. Bildung wurde zwar weiterhin als ein Ziel betrachtet, allerdings wurde eine Eigenständigkeit des Kindergartens betont, und die direkt für die spätere Schule verwendbare Förderung wurde skeptisch betrachtet und vielerorts abgelehnt. In Ostdeutschland und der späteren DDR kam dem Kindergarten schon in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle im Bildungswesen mit einer doppelten Orientierung zu: Er sollte einen Beitrag zu einer verbesserten Volksbildung leisten und so viele Mütter wie möglich für den Arbeitsprozess freistellen. Bereits 1946 wurde der Kindergarten im „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ als Teil des einheitlichen Bildungswesens bestimmt und administrativ dem Ministerium für Volksbildung unterstellt. Das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ von 1965 ordnete die Krippe dem Bildungssystem und der Krippe einen eigenständigen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu; für den Krippenbereich zeichnete aber nicht das Ministerium für Volksbildung, sondern jenes für das Gesundheitswesen verantwortlich (vgl. Boeckmann 1993).
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414 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen 11.1.2 Entwicklung seit der Wiedervereinigung Mit der Wende 1989 begann ein Prozess, in dessen Verlauf die in der DDR bestehenden Strukturen und pädagogischen Orientierungen im Früherziehungssystem durch jene der Bundesrepublik ersetzt wurden (vgl. Engelhardt und Michel 1993). Ab dem 3. Oktober 1990 galt in den ostdeutschen Bundesländern das Kinder- und Jugendhilfegesetz vom 26. Juni 1990 (KJHG), das in den westlichen Bundesländern erst Anfang 1991 in Kraft trat. Organisatorisch wurden die Kindergärten der DDR aus dem Bildungssystem herausgenommen und in die Jugendhilfe mit ihrer charakteristischen pluralen Trägerstruktur überführt. 1992 wurde das KJHG in Zusammenhang mit den sozialen Begleitmaßnahmen zur Reform des Abtreibungsrechts novelliert. Es wurde festgesetzt, dass ab 1996 jedes Kind im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt einen einklagbaren Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hat. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten PISA-Studie brachte in der Öffentlichkeit einen neuen Schub für die Diskussion um Bildung und gezielter Schulvorbereitung in Kindertageseinrichtungen. Es wurden Stimmen (wieder) gehört und beachtet, die schon deutlich früher auf die Notwendigkeit einer stärkeren Beachtung von Bildungsbemühungen hingewiesen hatten. Eine breite Palette von Reformnotwendigkeiten und -maßnahmen wurde diskutiert (vgl. Roßbach 2004); viele der Diskussionen erinnern an die Betonung der Bildungsfunktion und der Bildungspotenziale von Kindertageseinrichtungen in den 1960er/70er Jahren. Dabei zeigte sich aber ein neuer Aspekt: Während in der Bildungsreform der 1960er/70er Jahre die Bildungserwartungen nur für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr formuliert wurden, werden sie nunmehr für die gesamte Altersgruppe vor dem Schulstart formuliert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es zwar in der historischen Entwicklung von Kindertageseinrichtungen ein Pendeln zwischen verschiedenen Funktionszuschreibungen gegeben hat, gegenwärtig aber (wieder) deutlich die Bildungsfunktion in der Einheit von Erziehung, Bildung und Betreuung ein stärkeres Gewicht bekommen hat. Die Bildungspotenziale von Kindertageseinrichtungen werden breit anerkannt und in der Perspektive auf die weitere Bildungs- und Schulkarriere hin betrachtet. Die zentrale pädagogische Aufgabe und Herausforderung besteht darin, entwicklungs-, lern- und bildungsförderliche Hilfen auf dieser frühen Bildungsstufe so zu gestalten, dass die Gesamtentwicklung eines Heranwachsenden nicht aus dem Auge verloren wird.
11.2 Wirkung von Kindertageseinrichtungen – Hinweise aus der Forschung Inwiefern Kindertageseinrichtungen die Gesamtentwicklung von Kindern tatsächlich positiv beeinflussen bzw. welche Parameter dabei eine besondere Bedeutung haben, wird in der empirischen Bildungsforschung in Abhängigkeit des disziplinären Zugangs sehr unterschiedlich erforscht. Neben zahlreichen internationalen Studien
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Wirkung von Kindertageseinrichtungen – Hinweise aus der Forschung 415 unterschiedlicher Disziplinen hat die Wirkungsforschung auf der Basis deutscher Mikrodaten erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Dies hängt auch damit zusammen, dass nur sehr wenige Längsschnittuntersuchungen vorliegen, welche eine entsprechende Wirkungsforschung ermöglichen. Die Ergebnisse internationaler Studien können Hinweise auf mögliche Effekte geben, sind in vielen Fällen jedoch nicht 1:1 auf Kindertageseinrichtungen in Deutschland zu übertragen. Traditionell beschäftigt sich die erziehungswissenschaftlich-psychologische Forschung mit den Wirkungen einer frühkindlichen institutionellen Bildung auf die Entwicklung der Kinder. Während erste Untersuchungen auch im deutschen Forschungsraum nach schädigenden Auswirkungen (z. B. auf die Mutter-Kind-Bindung) suchten und in einer danach folgenden Forschungsphase familiale Merkmale als Kontrollvariablen fungierten, wurde in neueren Untersuchungen auch das Wechselspiel der Qualität von familialen Anregungen und solchen in den Kindertageseinrichtungen erfasst (vgl. ausführlicher Anders 2013; ► Kap. 12). Nachdem ältere Längsschnittuntersuchungen feststellen konnten, dass eine höhere Kindergartenqualität den passiven Sprachstand von Schulkindern beeinflussen kann (vgl. Tietze et al. 2005), findet sich dies in neueren Längsschnittstudien so nicht wieder. In einer neueren Längsschnittstudie, die Mitte der 2000er Jahre startete, findet sich dagegen eine positive Beziehung zwischen der von den Kindern im Kindergarten erfahrenen Prozessqualität und der Entwicklung früher mathematischer Fähigkeiten über die Kindergartenzeit bis in die Grundschule hinein (vgl. Anders et al. 2013). Es zeigte sich auch, dass die Kinder, die in ihrer vorschulischen Zeit einen Kindergarten mit einer höheren allgemeinen Qualität besuchten, in der zweiten Grundschulklasse von einer höheren Lernfreude und einer größeren Anstrengungsbereitschaft berichten (vgl. Lehrl und Richter 2012). Die bildungssoziologische Forschung in Deutschland beschäftigt sich vorrangig mit den Effekten der Nutzung von Kindertageseinrichtungen durch unterschiedliche Gruppen: Auf der Basis repräsentativer Daten untersuchen beispielsweise Kratzmann und Schneider (2009), inwiefern ein früher Eintritt in den Kindergarten das Risiko der Rückstellung bei der Einschulung reduziert. Ihre Ergebnisse stützen die Annahmen zur kompensatorischen Wirkung eines Kindergartenbesuchs: Bei Kindern aus bildungsfernen Haushalten reduziert ein frühzeitiger Eintritt in den Kindergarten das Risiko einer späteren Rückstellung vom Schulbesuch. Becker und Biedinger (2006) zeigten für Kinder mit Migrationshintergrund, dass der Kindergartenbesuch sowohl direkt als auch indirekt (über die kognitiven und sprachlichen Kompetenzen) positiv auf die Schulfähigkeit wirkt. Die Studie von Becker (2010) weist darauf hin, dass ein längerer Kindergartenbesuch bei türkischen Kindern zu einer signifikanten Verbesserung ihres deutschen Wortschatzes beiträgt und dass alle Kinder von einer besseren Qualität der Kindergartenausstattung profitieren können. Auch in der bildungsökonomischen Literatur finden sich in den letzten Jahren einige wenige Forschungsarbeiten auf der Basis deutscher Daten, die den Effekten der Nutzung von Kindertageseinrichtungen auf die kindliche Entwicklung nachgehen – al-
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416 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen lerdings werden dabei qualitative Dimensionen von Kindertageseinrichtungen nicht sehr differenziert erfasst. Für diese Studien lässt sich zusammenfassend festhalten, dass durchaus Effekte der Nutzung von Kindertageseinrichtungen vor dem dritten Lebensjahr zu finden sind und zwar insbesondere für Kinder aus grundsätzlich eher benachteiligten Familien. Erfasst werden Effekte auf kognitive und nicht-kognitive Fähigkeiten von Kindern (vgl. dazu z. B. Cornelissen et al. 2015; Felfe und Lalive 2013; Müller et al. 2013; Schlotter 2012). Die wenigen bildungsökonomischen Wirkungsstudien auf der Basis deutscher Daten liefern allerdings keine Erkenntnisse über die langfristigen Effekte des Besuchs von Kindertageseinrichtungen. Entsprechende Analysen stellen hohe Ansprüche an die Datenbasis; von daher ist es wenig überraschend, dass es auch international nur wenige fundierte Forschungsarbeiten gibt, die sich mit den langfristigen Wirkungen von universellen Systemen einer außerfamilialen frühkindlichen Bildung und Betreuung befassen. Eine der wenigen Arbeiten in diesem Kontext ist eine Studie von Havnes und Mogstad (2011), welche für Norwegen zeigen kann, dass ein Ausbau von Kindertageseinrichtungen langfristig zu höheren Erwerbseinkommen, einem höheren Bildungsniveau und auch einer höheren Einkommensgleichverteilung beigetragen hat. Neben diesen Effektivitätsstudien befasst sich die Bildungsökonomie allerdings auch mit der Effizienz von Investitionen in Kindertageseinrichtungen (► Tafel 11.1), d. h., es wird untersucht, in welchem Verhältnis die erzielten Wirkungen und die damit verbundenen Kosten stehen. Tafel 11.1: Effizienzstudien zur Bedeutung von Kindertageseinrichtungen Effizienzstudien zielen darauf ab, die Effekte von Kindertageseinrichtungen im Verhältnis zu den damit verbundenen Kosten in einer mittel- bis langfristigen Perspektive zu betrachten, idealerweise über den Lebensverlauf von Individuen (vgl. Spieß 2013a). Solche Effizienzstudien stellen hohe Anforderungen an die Datenbasis, insbesondere wenn umfassende Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt werden sollen. Darüber hinaus sind andere Effizienzstudien, wie z. B. Kosten-Effektivitäts-Studien möglich, die aber keine absolute, sondern nur eine relative Bewertung ermöglichen. Kosten-Nutzen-Analysen nehmen eine Monetarisierung von Effekten vor, indem sie diese als Nutzen und unter Verwendung von ökonomischen Verfahren bewerten und den Kosten gegenüberstellen. Für Deutschland existieren fundiertere Analysen nur im Hinblick auf die Arbeitsmarkteffekte von Kindertageseinrichtungen (vgl. Spieß et al. 2002; Rainer et al. 2013). Fundierte Kosten-Nutzen-Analysen im Hinblick auf die bildungsbezogenen Effekte und damit die Entwicklung von Kindern in deutschen Kindertageseinrichtungen existieren vorrangig auf der Basis regional begrenzter Studien im anglo-amerikanischen Kontext. Dabei handelt es sich vielfach um die Evaluation von sehr spezifischen Programmen, welche auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet sind und sich durch eine überdurchschnittlich hohe Bildungs- und Betreuungsqualität auszeichnen (vgl. dazu z. B. die wohl bekanntesten Effizienzanalysen des „Perry Preschool Programs“, Belfield et al. 2006; Heckman et al. 2013,
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Rahmenbedingungen für Kindertageseinrichtungen in Deutschland 417 des „Abecedarian Programs“, Barnett und Masse 2007 und des „Chicago-Child-ParentsPrograms“, Reynolds et al. 2011; vgl. zusammenfassend Karoly 2012; für den deutschen Kontext Spieß 2013a). Dabei werden typischerweise folgende Nutzenkomponenten erfasst: Gesellschaftliche Einsparungen im Bildungsbereich, im Bereich öffentlicher Fürsorgeleistungen, der Delinquenzbekämpfung oder auch von öffentlich finanzierten Gesundheitsleistungen. Darüber hinaus werden Steuermehreinnahmen geschätzt, welche sich auf höhere Erwerbseinkommen zurückführen lassen, die wiederum auf die Nutzung frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsprogramme zurückzuführen sind. Zentral ist, dass Nutzenströme, welche über den Lebensverlauf von Individuen anfallen, auf den Zeitpunkt des Kostenanfalls diskontiert werden, um eine Vergleichbarkeit über die Zeit zu gewährleisten. In Abhängigkeit der bewerteten Programme und methodischer Ansätze ergeben sich Kosten-Nutzen-Verhältnisse von 1:2 bzw. 1:17. Insgesamt geht die bildungsökonomische Literatur von einer hohen Rendite frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsprogramme außerhalb der Familie aus.
11.3 Rahmenbedingungen für Kindertageseinrichtungen in Deutschland Gesetzliche Grundlage für Kindertageseinrichtungen ist in Deutschland auf nationaler Ebene das Achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII), das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), das die Tagesbetreuung von Kindern rechtssystematisch der Kinder- und Jugendhilfe zuordnet (vgl. Rauschenbach und Schilling 2013). Für diesen Bereich hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Zielsetzung des Gesetzes ist – wie eingangs dargestellt – die Förderung der Entwicklung von Kindern und die Unterstützung der Eltern dabei. „Die allgemeine Förderung der Kinder erfolgt allerdings nicht auf Grundlage eines Rechtsanspruchs des Kindes auf Förderung, sondern eines Rechtsanspruchs der Eltern auf Unterstützung bei der Erziehung der Kinder.“ (ebd., 46) Dies hat zur Folge, dass es auf der Basis dieses Gesetzes keine Verpflichtung zum Besuch einer Kindertageseinrichtung wie bei der Schulpflicht geben kann. Es sollte eine Vielfalt von Anbietern und Angeboten erreicht werden, um den Wünschen und Lebenslagen von Eltern und Kindern entsprechen zu können. Verschiedene Änderungen des KJHG (Tagesbetreuungsausbaugesetz TAG von 2004, Kinder- und Jugendhilfeentwicklungsgesetz KICK von 2005 und Kinderförderungsgesetz KiföG von 2008) hatten zum Ziel, den Umfang von Plätzen in Kindertageseinrichtungen zu erhöhen und die Qualität der Angebote zu verbessern – sie sind die gesetzliche Grundlage für den massiven „U3-Ausbau“ (► Glossar) der letzten Jahre. Im KiföG wurde der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab drei Jahren erweitert: Seit dem 1. August 2013 haben Eltern einen
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418 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen
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uneingeschränkten Rechtsanspruch auf die Betreuung ihrer ein- und zweijährigen Kinder in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Ferner wurde im TAG festgelegt, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen weiterentwickeln sollen. 11.3.1 Verantwortungsebenen Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen sind verschiedene Verantwortungsebenen zu unterscheiden (vgl. z. B. Diskowski 2009): • Im gesamten frühpädagogischen Bereich kommt den Eltern grundsätzlich eine starke Rechtsposition zu. Durch den Betreuungsvertrag mit dem Träger einer Kindertageseinrichtung übertragen sie zeitlich befristet ihre gemäß Art. 6 GG verbrieften Erziehungsaufgaben. Einen eigenständigen Bildungsauftrag von Trägern, Kommunen oder Staat – unabhängig von den Eltern – gibt es somit nicht. Wenn also der frühpädagogische Bereich seinen eigenen Bildungsauftrag verteidigt, so ist das nur bedingt korrekt, denn er „leiht“ sich diesen Auftrag rechtlich von den Eltern. Allerdings ist fraglich, ob faktisch der Einfluss der Eltern ihrer Rechtsposition entspricht. • Die kommunalen und freien sowie in sehr viel geringerem Umfang die betrieblichen und privat-gemeinnützigen Träger von Kindertageseinrichtungen bilden die nächste Ebene (► 11.4). Nach dem so genannten Subsidiaritätsprinzip kann eine Kommune selbst erst dann als Träger auftreten und Einrichtungen bereitstellen, wenn die freien Träger nicht die erforderlichen Einrichtungen anbieten. Der Vorrang der freien Träger nach dem Subsidiaritätsprinzip führt dazu, dass in Deutschland freie Träger überwiegen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Die pädagogischen Zielsetzungen und Konzeptionen für die Einrichtungen werden von den Trägern weitgehend autonom bestimmt. Die Träger stellen auch das Personal an und üben die Dienstaufsicht aus. In den vergangenen Jahren streben die Träger stärker eine pädagogische Profilbildung an. • Als eine weitere Ebene folgen die Gemeinden, die nach allen Ländergesetzen an der Finanzierung von Kindertageseinrichtungen beteiligt sind und damit auch einen faktischen Einfluss auf die Gestaltung des Angebots ausüben. Die Gesamtzuständigkeit der Jugendhilfe liegt bei den so genannten örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe – d. h. den Landkreisen bzw. den kreisfreien Städten – und den für diese Aufgaben eingerichteten Jugendämtern. Die Aufgabe der Jugendämter ist es, die Schaffung der erforderlichen Einrichtungen nach Maßgabe der jeweiligen Länderregelungen anzuregen und zu fördern. Den Jugendämtern obliegt zwar keine fachliche Aufsichtsfunktion über die Einrichtungen der freien Träger; gleichwohl zeigen sich Steuerungswirkungen in Verbindung mit der Finanzierung der Einrichtungen und eine Einflussnahme über Beratung, Information und Fortbildungsangebote.
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Rahmenbedingungen für Kindertageseinrichtungen in Deutschland 419 • Das jeweilige Bundesland setzt wesentliche Strukturen der öffentlich geförderten Kinderbetreuung, indem es durch Landesgesetze das „Nähere“ des Bundesgesetzes KJHG ausführt und auf den gleichmäßigen Ausbau von Einrichtungen und Angeboten hinwirkt. Weiterhin nehmen die Länder durch Förderung von Modellprojekten, Veröffentlichungen, Fortbildungsmaßnahmen und seit wenigen Jahren durch Bildungs-, Erziehungs- oder Orientierungspläne fachlichen Einfluss. In einigen wenigen Bundesländern ist das Kultus-/Schulministerium für den Kindergarten zuständig, in der Mehrheit der Länder das Sozialministerium, wobei es Unterschiede in Abhängigkeit des Alters der betreuten Kinder gibt.1 • Auf Bundesebene sind gemäß SGB VIII die Leistungen im Rahmen der frühpädagogischen Einrichtungen als zum System der Kinder- und Jugendhilfe gehörig definiert. Die Kompetenzen des Bundes sind allerdings gering. Der Bund hat weitgehend nur Anregungs- und Informationsaufgaben. Neben dieser rechtlich eingeschränkten Rolle des Bundes hat seine faktische Bedeutung allerdings zugenommen. Mit dem Sondervermögen „Kinderbetreuungsfinanzierung“ hat der Bund die Länder bei der Finanzierung des Ausbaus von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren unterstützt. Ab 2015 beteiligt sich der Bund dauerhaft an den Betriebskosten in diesem Bereich. Weitere Entlastungen der Länder und Kommunen wurden 2014 beschlossen. Dazu ist eine Erhöhung des Festbetrags an der Umsatzsteuer zugunsten der Länder vorgesehen. Allerdings besteht für die Länder keine Pflicht, die höheren Umsatzsteueranteile in den Bereich der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren zu investieren, gleichwohl sie sich dazu politisch verpflichtet haben. Im Jahr 2014 erfolgte eine weitere Aufstockung des Sondervermögens. Fachlichen Einfluss nimmt der Bund auch durch die Förderung von Bundesinitiativen wie z. B. der „Nationalen Qualitätsinitiative im System der Tageseinrichtungen für Kinder“ (BMFSFJ 2003) oder den Programmen „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ und „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ sowie die Förderung von Modellprojekten. Im Hinblick auf die Gesamtausgaben für den Bereich der Kindertagesbetreuung kommt – wie in vielen westlichen Industrienationen – diesem Bereich im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen eher ein geringer Stellenwert zu (► 11.6). Wie beschrieben teilen sich in Deutschland primär die Länder und Kommunen die Finanzierungsverantwortung für den Bereich der Kindertagesbetreuung (► Kap. 5). Je nach Abgrenzung der öffentlichen Ausgaben beläuft sich der Anteil der Gemeinden an den Gesamtausgaben auf 46 bzw. 65 % und der Länderanteil entsprechend auf 28 bzw. 11 % (vgl. Statistisches Bundesamt 2015). Typisch für diesen Bildungsbereich ist darüber hinaus der relativ hohe Anteil von privaten Bildungsausgaben in Höhe von 24 % (vgl. Statistisches Bundesamt 2015). Größtenteils handelt es sich 1 Beispielsweise ist im Jahr 2015 in den Bundesländern Berlin, Niedersachsen und dem Saarland der
Bereich der Kindertagesbetreuung – wie der Schulbereich – dem Kultusministerium zugeordnet. Der Zuschnitt der entsprechenden Ressorts kann sich allerdings mit einem Regierungswechsel ändern.
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420 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen
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dabei um die Gebühren, welche Eltern für die Nutzung von Kindertageseinrichtungen entrichten und in einem geringeren Umfang um die Eigenanteile der freien Träger (vgl. Schilling 2008). Darüber hinaus sind zwischen den Ländern und auch Gemeinden erhebliche Unterschiede im Ausgabenniveau festzumachen. 11.3.2 Die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen Die Finanzierung der öffentlichen Gebietskörperschaften erfolgt in Deutschland mehrheitlich über eine subjektbezogene Objektförderung, d. h., den freien und öffentlichen Trägern (Objekte) kommen öffentliche Fördermittel in Abhängigkeit belegter Betreuungsplätze (Subjekte) bzw. anderer subjektbezogener Merkmale zu. Gegenwärtig findet in zwei Bundesländern (Berlin und Hamburg) eine direkte Subjektförderung statt, d. h., die öffentliche Förderung erfolgt über zweckgebundene Transfers direkt an die Familien (vgl. Spieß 2010b). Aus steuerungspolitischer Perspektive können subjektorientierte Finanzierungsansätze eher dazu genutzt werden, eine Bedarfssteuerung entlang bestimmter politisch festgesetzten Bedarfskriterien durchzuführen. Einem eher objektorientierten Finanzierungs- und Steuerungsansatz wird eine größere Planbarkeit auf Seiten der Träger zugesprochen. In Abhängigkeit von bundesland- oder auch kommunal- und trägerspezifischen Regelungen variieren die Elternbeiträge sehr stark zwischen den Regionen. Mehrheitlich liegt eine Staffelung der Elternbeiträge nach dem Haushaltseinkommen vor, mit entsprechenden weiteren Beitragsreduktionen für Geschwisterkinder.2 Üblicherweise unterscheiden sich die Beiträge auch nach dem Alter des Kindes – in vielen Bundesländern ist der Besuch von Kindertageseinrichtungen im letzten Jahr oder auch in den letzten Jahren vor der Schulpflicht gebührenfrei (vgl. Bertelsmann Stiftung 2013). Im Kontext von Steuerungsfragen wird im politischen Raum immer wieder diskutiert, Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen noch weiter abzuschaffen, um mehr Kindern insbesondere aus sozioökonomisch benachteiligten Gruppen den Zugang zu Kindertageseinrichtungen zu ermöglichen. Empirische Befunde sprechen allerdings eher gegen eine solche Forderung. Zum einen besuchen im letzten Vorschuljahr ohnehin fast alle Kinder in nahezu allen Bundesländern eine Kindertageseinrichtung (► 11.4). Zum anderen zahlen Familien mit geringem Einkommen in der Regel keine oder nur geringe Beiträge. In Härtefällen entfallen die Gebühren häufig oder werden von anderen öffentlichen Stellen übernommen. Insgesamt zahlen nach Berechnungen von Schröder et al. (2015) 18 % der Familien keine Beiträge. Es ist somit nicht zu erwarten, dass insbesondere die Nutzungsquoten von sozioökonomisch benachteiligten Gruppen durch die Abschaffung von Gebühren insbesondere in den letzten Jahren vor der Einschulung weiter ansteigen würden. Aus konzeptionellen Überlegungen heraus, welche den Bildungsauftrag von Kin2 Lediglich in vier Bundesländern wird nur eine Empfehlung zur Staffelung der Elternbeiträge gegeben,
d. h., dort ist eine Staffelung nicht verpflichtend (vgl. Deutsches Jugendinstitut/Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik 2008, Tabelle 10.3).
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Nachfrager und Anbieter von Kindertageseinrichtungen 421 dertageseinrichtungen hervorheben, spricht allerdings einiges für eine gebührenfreie frühe Bildung für alle Kinder, analog der Argumentation für eine gebührenfreie Schulbildung. Dies würde allerdings eine bundesweit andere Zuordnung der Kindertagesbetreuung zum Bildungsbereich beinhalten und mit entsprechenden Veränderungen bei der Zuständigkeit der Länder und Gemeinden einhergehen. Hinzu kommt, dass eine Betreuung von Schulkindern am Nachmittag – beispielsweise in Horten, welche den Schulen angegliedert sind – nach wie vor sehr häufig auch mit Gebühren verbunden ist und damit auch im Schulbereich bisher keine flächendeckende kostenfreie Bildung und Betreuung an Vor- und Nachmittagen vorherrscht.
11.4 Nachfrager und Anbieter von Kindertageseinrichtungen Sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite von Kindertageseinrichtungen haben in den letzten Jahren vielfältige Veränderungen erfahren. Insgesamt kann von einem Bedeutungszuwachs dieses Bereichs ausgegangen werden. Gleichwohl existieren (immer noch) starke regionale Unterschiede. Dabei sind zum einen die großen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland festzuhalten und zum anderen die Differenzen zwischen den Angeboten für Kinder unter drei Jahren und älteren Kindern. 11.4.1 Nachfrageseite: Kinder unter drei Jahren Für die Altersgruppe der Kinder unter drei Jahren lässt sich, ausgehend von einer relativ geringen Nutzung noch am Ende des letzten Jahrhunderts insbesondere in den westlichen Flächenländern, ein deutlicher Nutzungsanstieg vermerken (► Abb. 11.1). Kurz nach der Wiedervereinigung im Jahr 1991 besuchten in den westlichen Flächenländern 1 % aller Kinder eine Kindertageseinrichtung, während es im Jahr 2015 bereits 28 % waren – die steigenden Nutzungsquoten sind vor allem auf den „U3-Ausbau“ der letzten Jahre zurückzuführen. In den Stadtstaaten waren es mit 26 % bereits 1990 mehr Kinder und auch im Jahr 2015 haben die Stadtstaaten mit gut 43 % eine deutlich höhere Nutzungsquote aufzuweisen. In den ostdeutschen Flächenländern besuchte 1991 jedes zweite Kind eine Kindertageseinrichtung. Im Jahr 2015 betrug der Anteil 54 % (Statistisches Bundesamt 2016a; Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2016). Darüber hinaus sind große altersabhängige Unterschiede in den ersten drei Lebensjahren festzumachen. In Westdeutschland besuchten 2015 2 %, in Ostdeutschland 4 % der Kinder im ersten Lebensjahr eine Kindertageseinrichtung oder Tagespflege (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator C3-2A). Im zweiten Lebensjahr waren dies in West-(Ost-) Deutschland bereits 28 % (66 %) und im dritten Lebensjahr 55 % (86 %) (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator C3-2A).
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40 30 20 10 0
Westliche Flächenländer ab 1990
Östliche Flächenländer ab 1991
Stadtstaaten ab 1990/91
Abb. 11.1: Nutzung von Kindertageseinrichtungen für Kinder im Krippenalter nach Regionen und zeitlicher Entwicklung, in Prozent (Anmerkung: Ab 2006 sind jährliche Angaben ausgewiesen, davor handelt es sich um größere Jahresabstände; Quelle: Statistisches Bundesamt, Kinder- und Jugendhilfestatistik, diverse Jahre)
Außerdem bestehen große regionale Unterschiede, die sich nicht nur auf Länderebene, sondern auch auf der Ebene der Kreise festmachen lassen. Die höchsten Betreuungsquoten für Kinder unter drei Jahren gab es 2015 in einem sachsen-anhaltischen Landkreis (63 %). Die höchsten Werte bei der Betreuung der unter Dreijährigen wurden in Westdeutschland mit 47 % in einer baden-württembergischen Universitätsstadt und mit 43 % in Hamburg und einer bayerischen Großstadt gemessen. Die niedrigste Betreuungsquote wies ein Landkreis in Bayern mit 13 % auf (Statistisches Bundesamt 2016b). Darüber hinaus zeigen sich Unterschiede im Betreuungsumfang, d. h., in einigen Bundesländern wird die Mehrheit der Kinder fünf Stunden oder weniger pro Tag betreut, während in anderen Regionen, insbesondere in Ostdeutschland, die Mehrheit der Kinder mehr als sieben Stunden eine Kindertagesbetreuung besucht bzw. die Eltern entsprechende Nutzungsverträge haben. Je nach regionaler Zuordnung wachsen Kinder in Deutschland somit in sehr unterschiedlichen frühen institutionellen Betreuungs- und Bildungsumwelten auf. Sozioökonomische Nutzungsunterschiede Neben regionalen Unterschieden sind insbesondere bei Kindern unter drei Jahren auch große sozioökonomische Nutzungsunterschiede festzumachen. Diese können zum einen darin begründet liegen, dass in diesem Bildungsbereich bis zur
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Nachfrager und Anbieter von Kindertageseinrichtungen 423 Einführung des Rechtsanspruchs ab dem vollendeten ersten Lebensjahr im August 2013 häufig eine Nutzung von bestimmten Bedarfskriterien abhängig war: Im Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) wurde geregelt, dass allen 0- bis unter 3-jährigen Kindern eine Förderung in einer Kindertagesbetreuung zusteht, wenn erstens das Wohl des Kindes ohne eine entsprechende Förderung nicht gewährleistet werden kann und/oder zweitens beide Eltern erwerbstätig sind oder sich in einer Bildungsmaßnahme befinden bzw. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des SGB II erhalten. Neben gesetzlich festgelegten Bedarfskriterien ist es die Entscheidung der Eltern, welche Bildungs- und Betreuungsorte sie für ihre Kinder in den ersten Lebensjahren wählen. Grundsätzlich ist der Entscheidungsprozess von Eltern für oder gegen die Nutzung einer Kindertagesbetreuung bestimmt durch den sozioökonomischen und kulturellen Hintergrund von Eltern und deren Präferenzen, die wiederum durch Erziehungsvorstellungen, Erziehungsziele, die Persönlichkeit der Eltern und auch kindbezogene Merkmale geprägt sind. Insgesamt geben die Mehrheit der Eltern mit Kindern unter drei Jahren, die keine außerfamiliale Betreuung nutzen, an, dass sie dies aufgrund des noch jungen Alters des Kindes tun. Darüber hinaus haben andere familiale Gründe eine wichtige Bedeutung. Zudem erhalten nicht alle Eltern einen Platz in einer Einrichtung, obwohl sie eine entsprechende Einrichtung nutzen möchten, und knapp ein Drittel sieht in den Kosten einen Grund für die Nichtnutzung (vgl. Müller et al. 2013). Elternbefragungen geben Hinweise darauf, dass auch mit dem Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren noch kein bedarfsdeckendes Angebot erreicht ist. So wird davon ausgegangen, dass für 42 % der unter dreijährigen Kinder in Deutschland eine außerfamiliale Betreuung gewünscht wird (Schilling 2014). Im Hinblick auf sozioökonomische Kriterien haben einschlägige empirische Studien gezeigt, dass in den ersten drei Lebensjahren insbesondere die Erwerbstätigkeit der Mütter wesentlich über die Inanspruchnahme einer Kindertagesbetreuung entscheidet. Dies korrespondierte mit den gesetzlich verankerten Bedarfskriterien, welche auch eine Erwerbstätigkeit beider Eltern umfasst haben. Aufgrund von spezifischen Regelungen einzelner Kommunen und Träger ist es plausibel, dass darüber hinaus Kinder alleinerziehender Eltern – unabhängig vom Erwerbsstatus – eher Kindertageseinrichtungen besuchen als Kinder von Paarhaushalten. Dieser Zusammenhang kann allerdings nur für Westdeutschland und nicht für Ostdeutschland gefunden werden. Empirische Studien belegen außerdem, dass Kinder, deren Mütter oder Eltern einen höheren Bildungsstand aufweisen, Kindertageseinrichtungen eher nutzen als Kinder aus bildungsferneren Familien. Einige Autoren finden einen Zusammenhang mit dem Einkommen dahingehend, dass mit steigendem Haushaltseinkommen die Wahrscheinlichkeit der Nutzung eines Betreuungsplatzes zunimmt. Kinder aus einkommensarmen Haushalten sind mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit in Kindertageseinrichtungen vertreten. Auch Kinder, die einen
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424 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen Migrationshintergrund aufweisen, nutzen in einem geringeren Ausmaß die Kindertagesbetreuung als Kinder ohne Migrationshintergrund.3 Daten der amtlichen Statistik zeigen, dass im Jahr 2011 die gesamtdeutsche Nutzungsquote bei Kindern mit Migrationshintergrund nur 14 % betrug, während sie bei Kindern ohne Migrationshintergrund bei einem Drittel lag (BMFSFJ 2013). Dabei sind jedoch große Unterschiede zwischen den Gruppen von Familien mit Migrationshintergrund festzumachen (Peter und Spieß 2015). Weitere Untersuchungen zeigen allerdings, dass Migrationsunterschiede teilweise verschwinden, wenn andere sozioökonomische Faktoren berücksichtigt werden (vgl. z. B. Tietze et al. 2013; Schober und Spieß 2013; Peter und Spieß 2015). Eine Betrachtung der zeitlichen Entwicklung von sozioökonomisch bedingten Nutzungsunterschieden für Kinder unter drei Jahren zeigt, dass seit 2006 in Westdeutschland die Wahrscheinlichkeit eines Kita-Besuchs für Kinder von Müttern mit Hochschul- oder Berufsabschluss und für alleinerziehende Mütter deutlich stieg. Unter Kindern, deren Mütter niedrige Bildung haben oder deren Eltern von Armut bedroht sind, war der Zuwachs geringer. In Ostdeutschland hat insbesondere die Einrichtungsnutzung von Kindern mit hochgebildeten Müttern, Alleinerziehenden und auch von armutsgefährdeten Kindern signifikant zugenommen. Insgesamt zeigt sich für Kinder unter drei Jahren, dass insbesondere Kinder von einkommensstärkeren Haushalten und bildungsnahen Müttern von dem Betreuungsausbau profitiert haben, in dem Sinne, dass ihre Nutzungsquoten überproportional angestiegen sind (Schober und Stahl 2014; ► Abb. 11.2). 80%
30% 25%
60%
20%
40%
15% 10%
20%
5%
0%
0% 1991-1995 1996-2000 2001-2005 2006-2012
1991-1995 1996-2000 2001-2005 2006-2012
Bildung hoch
Bildung mittel
Bildung hoch
Bildung mittel
Bildung niedrig
Alle
Bildung niedrig
Alle
Abb. 11.2: Veränderungen in der Nutzungswahrscheinlichkeit einer Kindertagesbetreuung nach Bildung der Mutter in Westdeutschland, 1991-2012 (links) und Ostdeutschland, 1991-2012 (rechts) – Wahrscheinlichkeiten in % (Quelle: Schober und Stahl 2014)
3 Es existieren zahlreiche empirische Untersuchungen, die sich mit sozioökonomischen Unterschieden
in der Nutzung von Kindertageseinrichtungen von Kindern unter drei Jahren befassen, vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung in BMFSFJ (2013) und z. B. Schober und Spieß (2013).
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Nachfrager und Anbieter von Kindertageseinrichtungen 425 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass empirische Studien viele Hinweise auf regionale, sozioökonomisch und kulturell bedingte Unterschiede in der Nutzung von Kindertageseinrichtungen geben. Kinder aus potenziell benachteiligten Familien sind in Kindertageseinrichtungen, insbesondere in den ersten Lebensjahren unterrepräsentiert. Diese Unterschiede sind bemerkenswert, da sie bereits in der frühen Kindheit Ungleichheiten hervorrufen können, die sich in späteren Lebensphasen grundsätzlich verstärken können. Bildungspolitische Maßnahmen, die auf eine Reduktion dieser Ungleichheiten ausgerichtet sind, setzen ein fundiertes Wissen der Gründe für die unterschiedliche Inanspruchnahme voraus. Hier liegen allerdings bisher nur wenige systematische repräsentative empirische Untersuchungen für Deutschland vor. Neben den gesetzlich festgesetzten Bedarfskriterien, zu hoch empfundenen Kosten und einer als zu gering bewerteten Qualität dürften dabei auch Informationsdefizite über die Bedeutung einer pädagogisch hochwertigen Kindertagesbetreuung von Relevanz sein. Einige Befunde weisen darauf hin, dass Eltern mit Migrationshintergrund häufiger angeben, keinen freien Platz gefunden zu haben, als Eltern ohne Migrationshintergrund (Schober und Spieß 2013; Müller et al. 2013). In solchen Fällen liegt die Vermutung nahe, dass eventuell vorhandene sprachliche Barrieren die Suche nach freien Plätzen erschweren. Eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration zeigt, dass die geringere Krippennutzung bei Eltern der ersten Zuwanderergeneration vor allem mit der als gering wahrgenommenen Qualität der Betreuung und einer von den Betroffenen als unzureichend eingeschätzten interkulturellen Öffnung zusammenhängt. Bemerkenswert ist außerdem, dass Eltern mit Migrationshintergrund seltener als Eltern ohne Migrationshintergrund angeben, dass sie ihre noch sehr jungen Kinder lieber selbst erziehen möchten und deshalb keine Krippenbetreuung für ihre Kinder wählen (SVR 2013). Nutzungsunterschiede hinsichtlich pädagogischer Qualität Neben den Unterschieden in der bloßen altersspezifischen Nutzung geben empirische Studien auch Hinweise darauf, dass sozioökonomisch bedingte Unterschiede bei der Inanspruchnahme bestimmter pädagogischer Qualitäten festzumachen sind. Dies ist insofern von Relevanz, als große Divergenzen in den pädagogischen Qualitäten zwischen den Einrichtungen zu beobachten sind (► Kap. 12). Es zeigt sich, dass bestimmte Gruppen, die ohnehin in einem geringeren Umfang in Kindertageseinrichtungen vertreten sind, tendenziell eher in Einrichtungen mit relativ schlechteren Qualitäten sind – dies kann zu einer doppelten Benachteiligung führen (vgl. Lehrl et al. 2014; Tietze et al. 2013). Allerdings liegen für diese Unterschiede bisher nur sehr wenige empirische repräsentative Untersuchungen vor. 11.4.2 Nachfrageseite: Kinder ab drei Jahren Bei Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt liegen viel geringere Nutzungsunterschiede vor. Mit dem seit 1996 existierenden Rechtsanspruch wurde grundsätzlich allen Kindern dieser Altersgruppe die Möglichkeit geschaffen, Kinder-
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426 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen tageseinrichtungen zu nutzen. Dieser nach und nach umgesetzte Rechtsanspruch hat erheblich zur Etablierung der Kindertageseinrichtungen für Kinder im sogenannten „Kindergartenalter“ beigetragen (► Abb. 11.3): Im Jahr 2015 nutzten ab dem sechsten Lebensjahr nahezu alle Kinder eine Kindertagesbetreuung. Insgesamt nahmen 2015 in West- und Ostdeutschland 98 % dieser Altersgruppe eine Kindertagesbetreuung in Anspruch (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator Tab. C3-2A). 120,0 110,0 100,0 90,0 80,0 70,0 60,0
Westliche Flächenländer ab 1990
Östliche Flächenländer ab 1991
Stadtstaaten ab 1990/91
Abb. 11.3: Nutzung von Kindertageseinrichtungen für Kinder im Kindergartenalter nach Regionen und zeitlicher Entwicklung, in Prozent (Anmerkung: Ab 2006 sind jährliche Angaben ausgewiesen, davor handelt es sich um größere Jahresabstände; Quelle: Statistisches Bundesamt, Kinder- und Jugendhilfestatistik, diverse Jahre)
Allerdings sind hier Unterschiede im Nutzungsumfang und bei der Nutzung unterschiedlicher pädagogischer Qualitäten festzumachen. Bei der Nutzung einer Ganztagsbetreuung (mehr als sieben Stunden täglich) reicht die Spannbreite bei Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt von 24 % in Baden-Württemberg bis zu 94 % in Thüringen. Bei einer vertraglich vereinbarten Betreuungszeit von wöchentlich bis zu 25 Stunden in einer Kindertagesbetreuung zeigen sich ebenfalls deutliche Differenzen. In Brandenburg nutzt von den Kindern ab drei Jahren 1 % diese Betreuungszeit, während in Niedersachsen 44 % der Kinder dieser Altersgruppe bis zu 25 Stunden wöchentlich in eine Kindertagesbetreuung gehen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator C3-9web). Wie auch bei jüngeren Kindern ist in den letzten Jahren ein deutlicher Trend zur Vereinbarung längerer Betreuungszeiten zu beobachten. Entsprechend nahmen auch die Anteile
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Nachfrager und Anbieter von Kindertageseinrichtungen 427 der ganztägig betreuten Kinder an der Gesamtzahl der betreuten Kinder insbesondere in den westdeutschen Bundesländern in erheblichem Umfang zu. Auch diese Unterschiede sind zum einen angebotsbedingt und entsprechen unterschiedlichen Regelungen auf Landes- und kommunaler Ebene. So umfasst der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz in den Ländern unterschiedliche Betreuungszeiten. Darüber hinaus sind hier aber auch nachfragebedingte Unterschiede festzumachen. Im Hinblick auf die Nutzung einer Ganztagsbetreuung lässt sich festhalten, dass insbesondere Kinder mit weniger Geschwistern oder auch Kinder einkommensstärkerer Familien eher ganztägige Angebote nutzen (BMFSFJ 2013). Darüber hinaus trifft auch auf diese Kindheitsphase zu, dass qualitative Unterschiede bzw. selektive Zugänge zu pädagogischen Qualitäten in außerfamilialen Betreuungssettings nur sehr wenig erforscht sind, obwohl nach einer quantitativen Etablierung des Kindergartens dessen qualitative Etablierung für alle Gruppen ein zentraler Aspekt öffentlicher Verantwortung darstellen sollte. In einer größeren aktuellen Untersuchung der pädagogischen Qualität von Kindertageseinrichtungen, der NUBBEKStudie, finden sich durchaus Hinweise für sozioökonomische Unterschiede in der Nutzung pädagogischer Qualitäten. Gruppen mit einem geringen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund kennzeichnen sich durch bessere qualitative Bildungs- und Betreuungsqualitäten als Gruppen mit einem höheren Migrationsanteil (Tietze et al. 2013). Nach Ergebnissen von Lehr et al. (2014) finden sich dagegen für Hessen und Bayern wenig Hinweise für selektive Zugänge zu unterschiedlichen Qualitäten von Kindertageseinrichtungen für Kinder im Kindergartenalter. 11.4.3 Angebotsseite Kindertageseinrichtungen werden in Deutschland von freien, öffentlichen Trägern und in einem geringeren Ausmaß von Wirtschaftsunternehmen angeboten. Als öffentliche Träger agieren mehrheitlich die Gemeinden. Als freie Träger sind insbesondere der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, das Diakonische Werk oder andere evangelische Träger und der Caritasverband bzw. andere katholische Träger aktiv. Die Träger, welche der Gruppe der Wirtschaftsunternehmen zuzuordnen sind, umfassen betriebliche Angebote und privat-gewerbliche Angebote. Vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips (► 11.3) ist es nicht überraschend, dass die Mehrheit aller Kinder in einer Kindertageseinrichtung eines freien Trägers betreut wird. Bei Kindern bis zu drei Jahren sind dies 69 % im Vergleich zu 31 % der Kinder, die in einer Einrichtung eines öffentlichen Trägers betreut werden. Bei den Kindern im Alter von fünf bis sechs Jahren entspricht der Anteil öffentlicher Träger 35 % und der freien Träger 65 % (Statistisches Bundesamt 2016a). Insgesamt hat sich die Trägerlandschaft in den letzten Jahren nicht sehr stark verändert. Wenn z. B. der Anteil des Personals in Einrichtungen nach Trägergruppen betrachtet wird, kann ein leichter Rückgang des öffentlichen Bereichs festgestellt werden. Die Bedeutung konfessioneller Träger veränderte sich kaum, während die nichtkonfessionellen Träger und auch „sonstige Träger“ seit 1998 leichte Zuwächse zu ver-
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428 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen zeichnen haben. Bei privat-gewerblichen Trägern ist auf sehr geringem Niveau eine leicht steigende Tendenz zu beobachten, insgesamt waren knapp 2 % der Personen in Kindertageseinrichtungen bei privat-gewerblichen Trägern beschäftigt, bzw. bei 2 % der Einrichtungen handelt es sich um Einrichtungen privat-gewerblicher Träger (Mühlmann und Pothmann 2014). Allerdings sind insbesondere bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren regionale Unterschiede festzumachen. Der geringe Anteil privat-gewerblicher Träger lässt sich dadurch erklären, dass nur einige Bundesländer, wie z. B. Hamburg, privat-gewerblichen Trägern öffentliche Fördermittel zukommen lassen, während in vielen Bundesländern privat-gewerblichen Trägern keine öffentlichen Zuschüsse zukommen. In den Regionen, in denen privat-gewerblichen Trägern eine öffentliche Förderung fehlt, müssen diese grundsätzlich ihre Kosten über sehr hohe Elternbeiträge abdecken (vgl. Spieß 2010a). Die unterschiedliche Förderpraxis der Länder ist unabhängig davon, dass alle Einrichtungen eine Betriebserlaubnis benötigen und sich an Mindeststandards halten müssen, sofern diese auf Landes- oder kommunaler Ebene festgelegt sind.
11.5 Pädagogisches Personal 2015 waren in Kindertageseinrichtungen fast 515.000 Personen als pädagogisches Personal beschäftigt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator C4-1, C4-6web). Damit hat die Anzahl des pädagogischen Personals in dem relativ kurzen Zeitraum von 2006 bis 2015 um etwa 197.000 Personen zugenommen. Diese Ausweitung ist auf drei „Wachstumsmotoren“ zurückzuführen (ebd. 57): den Ausbau der Einrichtungen für unter dreijährige Kinder, die Ausweitung der Betreuungszeiten sowie eine generelle Verbesserung des Personalschlüssels. Die Beschäftigten sind fast ausschließlich weiblich (95 %) (Statistisches Bundesamt 2016a). Nur 42 % arbeiten Vollzeit (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator C4-4A). Nach ihren Abschlüssen sind 70 % der Beschäftigten Erzieher*innen, 13 % Kinderpfleger*innen und 5 % Diplom-Sozialpädagog*innen und staatlich anerkannte Kindheitspädagog*innen (Hochschulabschluss) (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator C4-20web). Der Anteil der Erzieher*innen unterscheidet sich zwischen den Bundesländern sehr stark (► Kap. 23). Der größte Teil des Personals hat somit eine Ausbildung mit dem Abschluss als staatlich anerkannte Erzieherin bzw. Erzieher (vgl. Blossfeld et al. 2012; im Hinblick auf die internationale Einbettung Oberhuemer 2013). Die Ausbildung findet an Fachschulen (Bayern: Fachakademie) für Sozialpädagogik statt. Sie dauert in der Regel drei Jahre und besteht aus einer zweijährigen schulischen Ausbildung und einem einjährigen begleiteten Berufspraktikum. Neben Erzieher*innen besteht ein größerer Teil des Personals aus staatlich anerkannten Kinderpfleger*innen. Deren Ausbildung findet an Berufsfachschulen für Kinderpflege statt und dauert in der Regel zwei Jahre. Trotz
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Internationale Einordnung 429 einer intensiven Diskussion um eine Akademisierung des frühpädagogischen Personals (vgl. weiter unten) kann gegenwärtig nur ein geringer Teil (4 %) des pädagogischen Personals auf eine fachlich einschlägige Hochschulausbildung verweisen (hier die Abschlüsse Dipl.-Sozialpädagog*in, Dipl.-Pädagog*in, Dipl.-Sozialarbeiter*in, Dipl.-Heilpädagog*in und Diplom-Erziehungswissenschaftler*in) (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Indikator C4-20web). Fachpolitisch wird dieser geringe Anteil an Personal mit einer akademischen Ausbildung kritisiert und als Anlass für weitergehende Ausbildungsreformen betrachtet. Vor dem Hintergrund, dass in der Fachöffentlichkeit gegenwärtig die Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen stark betont wird, wird auch gefragt, ob die bisherige Ausbildung des frühpädagogischen Fachpersonals hinreichend auf die geforderte fachliche Arbeit in Kindertageseinrichtungen, speziell im Hinblick auf die Bildungsförderung der Kinder, vorbereitet. Vor diesem Hintergrund werden zum einen die Chancen einer reformierten fachschulischen Ausbildung betont, zum anderen eine Akademisierung der Ausbildung gefordert (zur Fortbildung des pädagogischen Personals vgl. ► Kap. 23). Neben Überlegungen zur Reform der bisherigen Erzieher*innenausbildung wird gegenwärtig eine breite Diskussion um eine Anhebung der Ausbildung auf Hochschulniveau geführt. Empirische Absicherungen, die die Notwendigkeit einer Ausbildung auf Hochschulniveau unterstützen könnten, werden seltener ins Feld geführt, obwohl es durchaus dafür einige Hinweise gibt (vgl. hierzu Blossfeld et al. 2012). Allerdings ist weitgehend noch unklar, welche Kompetenzen des Fachpersonals sich wie auf die pädagogische Arbeit und die Entwicklung der Kinder auswirken. Im Hinblick auf eine formale Anhebung der Erzieher*innenausbildung werden verschiedene Modellvarianten diskutiert, die von einem vollwertigen Bachelorstudiengang über einen (fach-)hochschulischen Aufbaustudiengang bis hin zur kompletten Überführung der Fachschulen in das Fachhochschulwesen reichen. Seit 2004 hat es eine rasante Entwicklung bei den einschlägigen Bachelor-Studiengängen gegeben. Allerdings erfolgte die Entwicklung von frühpädagogischen Studiengängen an zumeist sozialpädagogisch orientierten Hochschulen, an Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg sowie an einzelnen Universitäten weitgehend unkoordiniert, so dass ein deutlicher Vereinheitlichungsbedarf besteht (vgl. Blossfeld et al. 2012).
11.6 Internationale Einordnung In Abhängigkeit des Verständnisses früher Bildung unterscheiden sich die Angebote von Kindertageseinrichtungen und auch deren Nutzung im internationalen Vergleich (► 11.2). Für internationale bzw. europäische Vergleiche ist es von besonderer Bedeutung, zwischen der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern unter drei Jahren und Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt zu
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430 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen unterscheiden. Internationale Bildungsvergleiche ließen viele Jahre nur Analysen für Kinder ab dem vierten Lebensjahr zu (vgl. die „Education at a Glance“-Berichte der OECD bis 20144). Dies hängt damit zusammen, dass die langjährig angewandte International Standard Classification of Education (ISCED 1997; ► Glossar) mit dem sogenannten Elementarbereich ab dem vierten Lebensjahr von Kindern beginnt. Allerdings wurde diese Klassifizierung im Jahr 2011 erweitert (ISCED 2011; vgl. UNESCO 2012). Demnach besteht die erste Stufe, also ISCED 0, aus zwei Unterkategorien, wobei die erste Bildungsangebote für Kinder von 0 bis 2 Jahren umfasst, und die zweite Unterkategorie Angebote für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt. Internationale Vergleichsdaten zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern ab dem ersten Lebensjahr finden sich jedoch auch im Kontext internationaler familienpolitischer Vergleiche (z. B. OECD 2015a). Gleichwohl die Bildungs- als auch die Familienpolitik nationalstaatliche Angelegenheiten sind, haben sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame Zielsetzung verständigt, was die anvisierten Versorgungsquoten von Kindern in Kindertageseinrichtungen angeht. Auf dem EU-Gipfel in Barcelona wurde im Jahr 2002 festgelegt, dass bis 2010 für ein Drittel aller unter dreijährigen Kinder (33 %) und für 90 % aller Kinder im Alter von drei bis zum Pflichtschulalter ausreichend Betreuungsangebote zur Verfügung zu stellen sind. Diese Ziele sind Bestandteil der Europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie. Sie sollen die Beschäftigungsrate junger Eltern erhöhen und zur Geschlechtergleichstellung beitragen. Auch die Europäische Kommission bestätigte im Rahmen ihrer Gleichstellungsbemühungen, dass sie die Erreichung der Barcelona-Ziele unterstützt. In einem Bericht vom 3. Oktober 2008 kritisierte die Kommission den hohen Preis der Kindertagesbetreuung und ihre fehlende Anpassung an die Bedürfnisse von Eltern, die in Vollzeit arbeiteten oder atypische Arbeitszeiten hatten. Die Kommission betonte zugleich, dass die Qualität der Einrichtungen erhöht werden müsse. Hierzu gehöre auch eine verbesserte Ausbildung, höhere gesellschaftliche Wertschätzung und besseres Entgelt für das Betreuungspersonal (Rat der Europäischen Union 2008). Neuere Daten der OECD zeigen, dass im Jahr 2013 das EU-Ziel einer 33 %-Nutzungsquote für Kinder unter drei Jahren im gesamteuropäischen Durchschnitt fast – aber noch nicht vollständig erreicht wurde: 31 % der Kinder unter drei Jahren nutzten formale Bildungs- und Betreuungsangebote. Deutschland lag mit 29 % in diesem Jahr unter dem EU27-Durchschnitt, obwohl die Nutzungsquote noch weiter angestiegen ist. Besonders hohe Nutzungsquoten von Kindern in dieser Altersgruppe weisen Dänemark mit 67 %, Schweden mit 47 %, Frankreich mit 50 % oder auch Belgien mit 49 % auf, während Italien mit 23 % und Griechenland mit 17 % unter dem deutschen Mittel liegen (OECD 2015a; ► Abb. 11.4). 4 Ab dem Jahr 2015 umfasst auch der „Education at a Glance-Bericht“ der OECD Bildungsangebote für Kinder unter drei Jahren (OECD 2015b).
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Internationale Einordnung 431
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Anteile betreuter Kinder in Prozent
Vollzeitäquivalent
Abb. 11.4: Nutzungsquoten in Prozent und Vollzeitäquivalente – Kinder im Alter zwischen 0-2 Jahre in Kindertageseinrichtungen 2013 (Quelle: OECD 2015a) (Anmerkung: *Daten für Deutschland beziehen sich auf 2012)
Bei der Betreuung von Kindern im sogenannten Kindergartenalter liegt Deutschland mit 94,6 % über dem EU-Mittel von 85,3 % – hier hat der Durchschnitt der EU-Staaten nicht die anvisierte Versorgungsquote von 90 % erreicht (OECD 2015a; ► Abb. 11.5). 100,0
90,0
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40,0
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Abb. 11.5: Nutzungsquoten in Prozent – Kinder im Alter zwischen 3-5 Jahren in Kindertageseinrichtungen 2012 (Quelle: OECD 2015a)
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432 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen Ein weiterer zentraler Indikator für die Bedeutung, die dem Bereich der frühen Bildung im internationalen Vergleich zukommt, sind die Ausgaben, welche gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes diesem Bereich zukommen. Insgesamt gab Deutschland mit 0,8 % am BIP für diesen Bereich 2012 so viel wie der Durchschnitt der OECD-Länder aus – wobei hier Länder wie Schweden und Dänemark mit 1,8 bzw. 1,4 % den höchsten Ausgabenanteil aufweisen (Statistisches Bundesamt 2015; OECD 2015b). Bei einer Betrachtung der Ausgaben pro Kind relativiert sich dieser Ausgabenvergleich insofern, als Deutschland im Bereich der unter Dreijährigen viele Jahre weit unterdurchschnittliche Ausgaben aufwies, bei den Kindern im Kindergartenalter die Ausgaben pro Kind allerdings weitgehend dem OECD-Durchschnitt entsprechen. Diese Ausgabenbetrachtung umfasst öffentliche und private Ausgaben (► Kap. 5). Eine Differenzierung der Pro-KopfAusgaben nach diesen beiden Ausgabenkategorien zeigt, dass Deutschland einen überdurchschnittlich hohen Anteil privater Ausgaben pro Kind im Elementarbereich aufweist, der weit über dem OECD-Durchschnitt liegt (vgl. Spieß 2013b). Eine Bewertung privater Ausgaben in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit von Familienhaushalten zeigt ein etwas anderes Bild: Wenn die privaten Ausgaben für die Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen, d. h. die Elternbeiträge, in Relation zu den Löhnen von Familienhaushalten eines bestimmten Typs gesetzt werden, zeigt sich, dass insgesamt der Anteil der Elterngebühren am Lohn einer durchschnittlichen Paarfamilie in Deutschland mit 21,5 % etwas geringer als im EU-Mittel mit 23,8 % ist. Allerdings zeigt sich auch, dass in zahlreichen Ländern, wie z. B. in Schweden, dieser Anteil mit 6,5 % sehr viel geringer ist, während er mit 53 % im Vereinigten Königreich deutlich höher liegt (OECD 2015a). Eltern tragen in den EU-Mitgliedsstaaten demnach in sehr unterschiedlichem Maße zur Finanzierung von Kindertageseinrichtungen bei. Insofern ist zu erwarten, dass sich in den unterschiedlichen Ländern auch größere Unterschiede hinsichtlich sozialer Disparitäten ergeben, wobei dazu neben unterschiedlichen finanziellen Belastungen der Eltern auch andere Bedarfskriterien, wie z. B. die Erwerbstätigkeit beider Elternteile als Voraussetzung für die Aufnahme in eine Kindertageseinrichtung, eine Bedeutung haben können. Ohne im Detail auf die unterschiedlichen Zugangsbedingungen und Rahmenbedingungen in den unterschiedlichen EU-Staaten eingehen zu können5, zeigen sich auch in anderen EULändern soziale Disparitäten in der Nutzung von Kindertageseinrichtungen. Dies belegen einschlägige Untersuchungen auf der Basis von EU-weiten Surveys. Beispielsweise zeigen Auswertungen auf Basis der EU-SILC-Daten (vgl. Wirth 2013), dass Dänemark und Schweden hier jedoch Ausnahmen darstellen. Dänemark ist eines der wenigen Länder, in denen der Erwerbsstatus der Mutter keine Rolle für die Nutzungsquote formaler Betreuungsangebote auch bei Kindern unter drei Jah5 Vergleiche dazu z. B. https://eacea.ec.europa.eu/national-policies/eurydice/home_de (Zugriff am 17.01.
2015).
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Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule 433 ren spielt. Abgesehen davon bestimmt der soziale Hintergrund in allen Ländern die Nutzung außerfamilialer Bildungs- und Betreuungsangebote – wenn auch in unterschiedlichen Ausmaßen. Im europäischen Vergleich sind sozioökonomische Differenzen bei der Nutzung von Kindertageseinrichtungen durch Drei- bis Sechsjährige in Deutschland allerdings sehr gering. Daher wird von Experten in diesem Bereich Deutschland ein „überdurchschnittliches Maß“ bei der Erreichung aller Gruppen bescheinigt (vgl. z. B. Bennett 2013; für eine ausführlichere Zusammenfassung sozialer Disparitäten im EU-Vergleich vgl. BMFSFJ 2013).
11.7 Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule Im Aufbau des deutschen Bildungssystems stellen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen getrennte Bildungsbereiche dar – mit eigenständigen Bildungsaufträgen, verschiedenartigen Erwartungen an die Kinder, spezifischen curricularen und pädagogischen Orientierungen sowie unterschiedlichen administrativen Zuordnungen zum Kinder- und Jugendhilfe- bzw. Schulbereich. Das Verhältnis von Kindergarten und Schule in der Bundesrepublik Deutschland war lange Zeit von Abgrenzung geprägt (vgl. Roßbach und Erning 2008). In jüngster Zeit sind die Debatten zum Verhältnis von Kindergarten und Schule neu entbrannt. Dabei zeigen sich zwei Argumentationsmuster: Zum einen halten zahlreiche Repräsentantinnen und Repräsentanten einer Pädagogik der frühen Kindheit nach wie vor am „eigenständigen Bildungsauftrag“ fest (vgl. etwa Liegle 2007). Andere wiederum treten nachdrücklich dafür ein, die traditionellen Vorstellungen fallen zu lassen, die Fixierung auf die (vermeintliche) Eigenständigkeit des Bildungsauftrages des Kindergartens aufzugeben und durch die Sicherstellung „anschlussfähiger Bildungsprozesse“ als Kernaufgabe des Elementarbereichs zu ersetzen (vgl. etwa Faust et al. 2004). Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule wird oftmals als Problemzone betrachtet. In der Fachliteratur finden sich verschiedentlich Aussagen, dass ein Drittel bis die Hälfte der Kinder Probleme durch den Übergang hätten (vgl. z. B. Griebel und Niesel 2004). Empirische Belege für diese Aussagen sind allerdings selten. Kinder, die problematisches Verhalten im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule zeigen, haben – so das Ergebnis von mehreren Studien – diese Probleme in der Regel schon früher während der Kindergartenzeit (vgl. Faust et al. 2013a; Kluczniok und Roßbach 2014). Die Probleme waren somit nicht durch den Übergang erzeugt, sondern traten bestenfalls in einer Übergangszeit etwas mehr in den Vordergrund. Anstatt Maßnahmen in der Übergangszeit durchzuführen, sollte mehr Wert auf die Unterstützung dieser Kinder schon früher beim Besuch von Kindertageseinrichtungen gelegt werden. Auf der Seite des Kindergartens können unterschiedliche Ebenen unterschieden werden, die den Kindern den Übergang in die Grundschule erleichtern können (vgl.
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434 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen ausführlicher Roßbach und Erning 2008). Hier soll nur auf zwei Aspekte hingewiesen werden: spezielle Kooperationsmaßnahmen in der Phase des Übergangs und curriculare Abstimmungen zwischen den beiden Bildungsbereichen. In allen Bundesländern wird in einschlägigen Gesetzen, Verwaltungsvorschriften usw. auf Maßnahmen der (freiwilligen) Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule (unter Einschluss der Eltern) eingegangen. Thematisiert wurden und werden zum Beispiel: Treffen zwischen Kindergartenleitungen und Schulleitungen in der Schule oder im Kindergarten, wechselseitiger Austausch von Informationen über die Arbeit etc. Allerdings werden Zweifel geäußert, ob diese Kooperationsformen geeignet sind, die Problematik des Übergangs zwischen Kindergarten und Grundschule zu reduzieren (vgl. Faust et al. 2013a; Faust et al. 2013b). In internationalen Untersuchungen haben sich positive Auswirkungen bei zwei auf das Lernen der Kinder bezogenen Kooperationsmaßnahmen gezeigt: gegenseitige Abstimmungen der Curricula sowie Austausch bzw. Weitergabe von Entwicklungsdokumentationen der Kinder vom Kindergarten an die nachfolgende Institution. Diese beiden Kooperationsmaßnahmen sind in Deutschland aber selten (vgl. Kluczniok und Roßbach 2014). Im Hinblick auf curriculare Abstimmungen zwischen den beiden Bildungsbereichen geht es weniger um die unmittelbare Übergangsphase als vielmehr um die allgemeine Orientierung des Kindergartencurriculums (wie auch jenes der Grundschule). Die Aufgabe des Kindergartens, eine „Schulvorbereitung“ zu leisten, wird von Vertreterinnen und Vertretern des Kindergartenbereichs skeptisch betrachtet, mitunter auch vehement abgelehnt. Eine derart pointierte Abgrenzung von der Grundschule dürfte die für jedes Kind notwendige Anschlussfähigkeit von Bildung und Lernen im Kindergarten mit den Lernverhältnissen in der Grundschule beeinträchtigen. Dabei muss die Bereichsspezifität des kindlichen Kompetenzerwerbs berücksichtigt werden. Das heißt, der Kompetenzerwerb vollzieht sich in mehr oder weniger engen „Fachgrenzen“. Der frühe Beginn der Entwicklung von Kompetenzen weit vor Schulbeginn, die Bindung an bestimmte Lernbereiche und die besondere Bedeutung des (frühen) Vorwissens bzw. der früheren Kompetenzen legen nahe, bereits im Kindergarten stärker als bisher bereichsspezifisch zu fördern (vgl. Roßbach 2005). Spezifische Inhaltsbereiche, in denen Kinder im Kindergarten gefördert werden sollen, werden auch in den Bildungsplänen der Länder genannt.
11.8 Abschließende Bewertungen – Handlungsempfehlungen für die Zukunft Kindertageseinrichtungen als erster Ort, an dem Kinder in Deutschland institutionellen Bildungsangeboten begegnen, unterlagen in den letzten Jahren vielfältigen Veränderungen. Dies betrifft primär den quantitativen Ausbau der Angebote für Kinder unter drei Jahren, aber auch qualitative Aspekte, wenn z. B. die Implemen-
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Abschließende Bewertungen – Handlungsempfehlungen für die Zukunft 435 tierung von Bildungsplänen auf der Ebene der Bundesländer bedacht wird. Das System der Kindertageseinrichtungen unterscheidet sich von schulischen Angeboten oder auch dem Hochschulbereich insofern erheblich, als es auf Landesebene mehrheitlich nicht dem Kultusbereich, sondern dem Sozialbereich zugeordnet ist. Damit einher geht eine andere Verteilung von Zuständigkeiten und die hohe Beteiligung der Kommunen an der Finanzierung dieser Angebote. Als Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung des Systems identifizieren wir die folgenden Punkte: • Insgesamt ist ein weiterer quantitativer und insbesondere qualitativer Ausbau des Systems der öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung notwendig, wenn Deutschland seine Bildungspotenziale voll ausschöpfen will. Dabei steht die Überwindung von regionalen und vor allem sozialen Disparitäten beim Besuch von Kindertageseinrichtungen, insbesondere in den ersten Jahren, im Vordergrund. • Dies bedeutet, dass alle Gebietskörperschaften vermehrt finanzielle Anstrengungen unternehmen müssen, um dem Nachholbedarf im frühen Bereich zu begegnen. Insbesondere sind jene Länder und Gemeinden gefragt, die im bundesdeutschen Vergleich bisher vergleichsweise wenig in diesen Bereich investieren. Die großen regionalen Differenzen im Hinblick auf Quantität und Qualität lassen sich weder aus pädagogischer noch aus ökonomischer Sicht rechtfertigen. • Da der Bund einen erheblichen Nutzen aus der öffentlich geförderten Kinderbetreuung zieht, sollte zum einen seine finanzielle Beteiligung im Bereich der Bildung, Erziehung und Betreuung der unter Dreijährigen nachhaltig gesichert werden. Zum anderen sollte auch über eine Bundesbeteiligung bei der öffentlich finanzierten Kinderbetreuung von Kindern über drei Jahren nachgedacht werden. Es ist auch weiter zu diskutieren, inwiefern eine Zweckbindung der Bundesmittel erfolgen kann (vgl. z. B. Spieß 2010a). • Im Sinne einer größeren Zielgruppenorientierung sollten zusätzliche finanzielle Mittel gezielter als bisher eingesetzt werden. Dabei muss es das Ziel sein, frühe Selektionsprozesse in das deutsche Bildungssystem zu vermeiden. Durch unterschiedliche Maßnahmen sollten insbesondere Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien und Kinder mit Migrationshintergrund früher in die Kindertagesbetreuung integriert werden, sofern dies noch nicht erfolgt ist. Es bleibt abzuwarten, inwiefern der Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr hier signifikante Änderungen bringt. Unabhängig davon sollten Familien über die Fördermöglichkeiten einer pädagogisch guten Kindertagesbetreuung besser informiert werden. • Mehr finanzielle Mittel und ein gezielterer Einsatz derselben können zwar Defizite im Bereich pädagogischer Qualität mit verringern, wenn z. B. an bessere Personalschlüssel oder auch an eine bessere Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern gedacht wird. Allerdings bedarf es weiterer und zusätzlicher Re-Regulierungen im Bereich der Qualitätssteuerung, um die Funktionen der öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung optimal zu erfüllen. Bund und Länder sollten
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436 Frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen
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zunächst noch mehr Anstrengungen unternehmen, um einheitliche Mindeststandards zu erreichen. Eine wichtige zukünftige Aufgabe ist die Umsetzung und Weiterentwicklung der Bildungspläne der Länder als Steuerungsmechanismen der pädagogischen Praxis. Dabei sollte vor allem auch daran gearbeitet werden, im Rahmen eines allgemeinen pädagogischen Angebots für alle Kinder spezifische Ergänzungen für Kinder aus benachteiligten Familien und/oder mit Migrationshintergrund zu entwickeln. Eine ausschließliche Beschränkung auf spezifische Fördermaßnahmen in der deutschen Sprache sollte dabei vermieden werden. Vielmehr muss eine breiter angelegte Förderung dieser Zielgruppen angestrebt werden. Eine effektive Umsetzung der Bildungspläne setzt Fortbildungsmaßnahmen für das Fachpersonal voraus. Ebenso dürfte die Steuerungsfunktion von Bildungsplänen dann erheblich eingeschränkt sein, wenn ihre Umsetzung nicht durch systematische Evaluationsuntersuchungen begleitet wird. Ein längerfristiges Ziel sollte die Entwicklung von einheitlichen Outcome-Standards zur Abbildung der kindlichen Entwicklung sein, z. B. im Hinblick auf für die folgende Schulkarriere förderliche Kenntnisse in der deutschen Sprache. Allerdings sind hier kurzschlüssige Maßnahmen wenig zielführend. Vielmehr ist damit ein umfangreiches Forschungsprogramm angesprochen. Ad-hoc entwickelte und kaum überprüfte Sprachscreenings oder Checklisten dürften kontraproduktiv sein. Die Akademisierung des frühpädagogischen Personals sollte weiter vorangetrieben werden. Zumindest sollten die Leitungspositionen in den Einrichtungen akademisch ausgebildet sein. Es bedarf fachlich fundierter Verständigungen darüber, was die notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen des frühpädagogischen Personals sein müssen, die in allen Studiengängen, die auf die Arbeit in frühpädagogischen Einrichtungen vorbereiten, unumgänglich sind. Darüber hinaus sollte die öffentlich verantwortete Kindertagesbetreuung in Deutschland sich weiter öffnen und breite Förderangebote integrieren, die bisher eher eine geringe Bedeutung haben. Eine Entwicklung hin zu Eltern-KindZentren oder Familienzentren (vgl. Stöbe-Blossey et al. 2008) kann Investitionen in die frühkindliche Bildung noch rentabler und nachhaltiger machen, da die Familien und nicht das Kind alleine als Adressat des Bildungsauftrags gelten. Damit können Kindertageseinrichtungen auch zu einer offensiven Kinder- und Jugendhilfe im sozialen Nahraum beitragen, um alle dort vorhandenen Bildungspotenziale zu fördern (vgl. dazu auch die entsprechende Empfehlung des Bundesjugendkuratoriums 2008 oder Stock et al. 2012). Abstimmungen und Verbindungen im Hinblick auf die curricularen Inhalte von Kindertageseinrichtungen und Grundschule sind ebenfalls erforderlich. Eine curriculare Anschlussfähigkeit zwischen den beiden Bildungsstufen wird durch die in den Bundesländern entwickelten Bildungspläne für Kindertageseinrichtungen angestrebt.
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| 441 12 Qualität in der Kindertagesbetreuung Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Yvonne Anders und Hans-Günther Roßbach
Zusammenfassung Das System der Kindertagesbetreuung wird derzeit in Deutschland nicht nur quantitativ ausgebaut, auch die Diskussion über die Qualität genießt große gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit. In diesem Kapitel wird das Thema der Qualität frühkindlicher Bildung und Betreuung unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Zunächst werden frühpädagogische Qualitätskonzepte beschrieben. Besonders detailliert wird auf das strukturell-prozessuale Qualitätsmodell eingegangen, das in der Wissenschaft einen besonderen Stellenwert genießt. Es unterscheidet die Dimensionen der Struktur-, Orientierungs- und Prozessqualität sowie der Öffnung nach außen. Dieses Konzept unterscheidet nach allgemeinen, globalen Qualitätskomponenten sowie domänenspezifischen Aspekten, die sich auf die Förderung in Bildungsbereichen wie „Literacy“, frühe Mathematik und Naturwissenschaften beziehen. Es werden verschiedene Instrumente zur Messung der frühpädagogischen Qualität eingeführt und diskutiert. Im Bereich der frühkindlichen Bildung genießt die Qualitätserfassung mittels Beobachtung einen besonderen Stellenwert. Im Weiteren widmet sich der Beitrag der Frage, wie sich Qualität steuern lässt, hierbei wird im Besonderen auf die Rolle curricularer Orientierungen und der erst im letzten Jahrzehnt eingeführten Rahmen- und Orientierungspläne der Bundesländer eingegangen. Aber auch andere Möglichkeiten der Qualitätssteuerung (z. B. durch die Qualifikationen der Fachkräfte oder externe Anreize) werden kritisch diskutiert. Es schließt sich die Frage nach der empirischen Befundlage zur Struktur und Höhe der pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen an. Die Komponenten der Struktur-, Orientierungs- und Prozessqualität sind oftmals weniger miteinander korreliert, als theoretisch angenommen wird. Die wenigen verfügbaren Studien verweisen außerdem auf moderate Durchschnittswerte für globale Prozessmerkmale und ein stark ausbaufähiges Qualitätsniveau bei der bereichsspezifischen Förderung in Deutschland hin. Verschiedene Modellprojekte in Deutschland zeigen erfolgversprechende Möglichkeiten der Qualitätssteigerung auf. Diese werden beschrieben und kritisch diskutiert. In einem weiteren Abschnitt widmet sich das Kapitel der
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442 Qualität in der Kindertagesbetreuung Frage, inwieweit bildungsbenachteiligte Kinder gleichen Zugang zu qualitativ hochwertigen Kindertageseinrichtungen haben wie nicht benachteiligte Kinder. Der Forschungsstand weist hier durchaus darauf hin, dass in Kindergruppen mit besonders hohem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund seltener eine hohe Prozessqualität anzutreffen ist. Dies scheint aber in Deutschland kein reiner Effekt eines selektiven Zugangs zu sein, sondern es spiegelt eingeschränkte Möglichkeiten wider, hohe Prozessqualität auch unter besonderen Anforderungen zu realisieren. Schließlich widmet sich das Kapitel der Frage der Auswirkungen der Qualität von Kindertageseinrichtungen auf die kindliche Entwicklung. Dieses Thema ist zwar von hoher Relevanz, wird aber in Deutschland noch vergleichsweise selten untersucht und hat sich als Forschungsbereich auch erst seit den 1990er Jahren entwickelt. Die existierenden Studien belegen dabei die grundsätzlich positiven Wirkungen einer hohen Prozessqualität auf die kindliche Entwicklung, die auch in internationalen Studien gefunden wurden. Bezüglich der Frage, ob Kinder aus benachteiligten Kontexten in besonderem Maße von qualitativ hochwertiger Kindertagesbetreuung profitieren, muss der Forschungsstand aber als heterogen bewertet werden. Abschließend werden aktuelle Herausforderungen der Qualitätssicherung und -entwicklung im System der deutschen Kindertagesbetreuung identifiziert.
12.1 Einführung Bereits seit vielen Jahren wird über die Qualität der Kindertagesbetreuung debattiert. In Deutschland wurde diese Diskussion übergreifend seit den 1990er Jahren aufgegriffen und genießt derzeit große gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Diese lässt sich auch daran ablesen, dass politisch derzeit bundesweite Qualitätsstandards eingefordert werden. Die Gründe für das große Interesse sind vielfältig. Hier sind internationale Bewegungen ebenso anzuführen wie der quantitative Ausbau und das Bestreben, die Bildungsfunktion der frühen Kindertagesbetreuung zu stärken und weiterzuentwickeln. Zahlreiche internationale wie nationale Forschungsbefunde haben belegt, dass die Qualität der Kindertagesbetreuung entscheidend ist, wenn es um die Frage geht, ob der Besuch einer Kindertageseinrichtung (Kita) mittel- und langfristig einen positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung hat (vgl. Anders 2013 für einen Überblick). In diesem Kapitel wird das Thema der Qualität frühkindlicher Bildung und Betreuung unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Zunächst wird auf frühpädagogische Qualitätskonzepte eingegangen. Im folgenden Abschnitt werden die Voraussetzungen für eine hohe Qualität und deren politische Steuerung erörtert. Das anschließende Unterkapitel widmet sich dem Forschungsstand zur Höhe der Qualität der frühen Kindertagesbetreuung in Deutschland. Folgend wird beleuchtet, inwieweit bildungs- oder sozial benachteiligte Kinder und Familien in Deutschland den gleichen Zugang zu qualitativ hochwerti-
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Frühpädagogische Qualitätskonzepte 443
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gen Betreuungsangeboten haben wie besser gestellte Familien. In Abschnitt 12.6 wird der Forschungsstand zu den Auswirkungen der Qualität der Kindertagesbetreuung zusammengefasst und erörtert, inwieweit sozial- oder bildungsbenachteiligte Kinder in besonderem Maße von einer hohen Bildungs- und Betreuungsqualität profitieren. Abschließend werden aktuelle Herausforderungen angerissen.
12.2 Frühpädagogische Qualitätskonzepte Qualität bezieht sich im Allgemeinen darauf, inwieweit bzw. in welchem Grad ein Beurteilungsobjekt den an es gestellten Anforderungen entspricht. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Bestimmung der gestellten Anforderungen. Katz (1996) illustriert hier für das Qualitätsverständnis von Kindertagesbetreuung eingängig, wie stark die Perspektive des Betrachters mitunter die Qualitätsvorstellungen beeinflussen kann. So können aus Perspektive der Eltern Öffnungszeiten und Erreichbarkeit von Bildungseinrichtungen sicherlich bedeutsame Anforderungen sein, während Fachkräfte ggf. Anforderungen im Hinblick auf ihre Arbeitsbedingungen, die Möglichkeiten der professionellen Weiterentwicklung und der professionellen Wertschätzung als bedeutsam erachten. Die Perspektive des Kindes mag eine ganz andere sein. In diesem Text wird eine wissenschaftliche Perspektive auf Qualität eingenommen, die die Förderung der kindlichen Entwicklung in den Vordergrund stellt. Eine hohe Qualität wird dann als gegeben angesehen, wenn die Lern- und Entwicklungsumgebung die Kinder in einem ganzheitlichen Sinne fördert, d. h., dass unterschiedliche Entwicklungsbereiche (körperlich, emotional, sozial, kognitiv, musisch) angesprochen sind, und wenn die Eltern in ihrer Erziehungsarbeit unterstützt werden. 12.2.1 Komponenten der pädagogischen Qualität von Kindertageseinrichtungen Es wird auf ein Konzept zurückgegriffen, das allgemein als strukturell-prozessuales Modell bekannt ist und das sich sowohl international als auch national bewährt hat (vgl. z. B. NICHD ECCRN 2003; Kluczniok und Roßbach 2014; Sylva et al. 2004; Tietze et al. 1998, 2005). Die Anregungsqualität einer Kita wird hierbei als messbares Konstrukt aufgefasst. Das Modell unterscheidet vier Komponenten: die der Strukturqualität, Orientierungsqualität, Prozessqualität und Öffnung nach außen (► Abb. 12.1). Die Strukturqualität bezieht sich auf Merkmale, die in der Regel politisch regulierbar sind, wie die Gruppengröße, den Fachkraft-Kind-Schlüssel, die formale Qualifikation der Fachkräfte, die räumliche Ausstattung, die materiale Ausstattung, die Größe der Einrichtung und die institutionellen Rahmenbedingungen. Die Strukturqualität ist überwiegend extern und politisch regulierbar und weitestgehend stabil. Die Orientierungsqualität umfasst in Bezug auf die institutionelle frühkindliche Bildung und Betreuung die pädagogischen Einstellungen und Über-
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444 Qualität in der Kindertagesbetreuung zeugungen der Fachkräfte, also ihre persönliche Sichtweise auf ihre berufliche Rolle sowie Einstellungen in Bezug auf Lernprozesse und Bildungsziele. Orientierungen und Einstellungen von frühpädagogischen Fachkräften werden als mittelfristig stabil, aber langfristig veränderbar angenommen. Das Konzept der Orientierungsqualität bezieht sich aber nicht nur auf die Ebene der individuellen Fachkraft, sondern auch auf die Ebene der Institution. Auf dieser Ebene ist das pädagogische Konzept der Kindertageseinrichtung zentrale Facette der Orientierungsqualität. Prozessbezogene Qualitätsmerkmale sind die Art der Interaktionen zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Kindern, die Interaktionen der Kinder untereinander und die Auseinandersetzung des Kindes mit Raum und Materialien. Hierunter werden sowohl globale Charakteristika verstanden, z. B. ein für den kindlichen Entwicklungsstand angemessenes Verhalten und ein warmes Klima (Harms et al. 1998), als auch bereichsspezifische Anregung in den Bereichen Sprache und „Literacy“, frühe Mathematik und Naturwissenschaften (Kuger und Kluczniok 2008; Sylva et al. 2003). Demzufolge wird ein Konzept aufgegriffen, das zwischen allgemeinen, globalen und domänenspezifischen Facetten unterscheidet. Hiermit wird die nachgewiesene Bedeutsamkeit früher domänenspezifischer Kompetenzen für den späteren Schulerfolg aufgegriffen (Roßbach 2005). Neben der Differenzierung von globalen und bereichsspezifischen Qualitätsaspekten lassen sich Qualitätskonzepte nach der Analyseebene unterscheiden. Während einige Konzepte Qualität auf Ebene der Gruppe beschreiben (vgl. z. B. Kuger und Kluczniok 2008; Sylva et al. 2006), fokussieren andere Konzepte auf die individuellen Interaktionen mit einzelnen Kindern (vgl. z. B. NICHD ECCRN 2002; Smidt 2012). Die vierte Komponente der Öffnung nach außen bezieht sich zentral auf die Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Institutionen (z. B. Schulen, weitere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe).
Strukturqualität z.B. Fachkraft-KindSchlüssel, Qualifikation der Fachkräfte
Prozessqualität z.B. Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern sowie Kindern untereinander Gruppe Kind
global domänenspezifisch Kinder Familien
Orientierungsqualität z.B. Einstellungen und Überzeugungen zu Beruf, Bildungszielen
Öffnung nach außen z.B. Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Institutionen
Abb. 12.1: Strukturell-prozessuales Qualitätsmodell (vgl. Kluczniok und Rossbach 2014; Kluczniok et al. 2012; Roux und Tietze 2007; Tietze et al. 1998)
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Frühpädagogische Qualitätskonzepte 445 Abbildung 12.1 illustriert, dass die beschriebenen Qualitätskomponenten nicht als unabhängig voneinander angenommen werden. Vielmehr wird angenommen, dass lediglich die Prozessqualität und die Öffnung nach außen direkten Einfluss auf Kinder und Familien nehmen. Struktur- und Orientierungsqualität wirken sich vermittelt über die Prozesse aus. Hierbei ist allerdings nicht von deterministischen Zusammenhängen auszugehen. Dieses lässt sich am Beispiel des viel diskutierten Fachkraft-Kind-Schlüssels verdeutlichen. Es ist plausibel, dass für individualisierte und intensive Interaktionen zwischen Fachkraft und einzelnen Kindern ein günstiger Fachkraft-Kind-Schlüssel notwendig ist. Bei einer zu großen Anzahl von Kindern pro Fachkraft sind die Möglichkeiten solcher intensiven Interaktionen stark eingeschränkt. Allerdings schafft ein günstiger Fachkraft-Kind-Schlüssel zwar die Voraussetzungen für intensive, individualisierte Interaktionen. Die guten Rahmenbedingungen müssen von den Fachkräften aber auch genutzt werden. 12.2.2 Instrumente zur Messung der pädagogischen Qualität von Kindertageseinrichtungen Die Frage der Konzeptualisierung von Qualität in der Kindertagesbetreuung geht einher mit der Frage nach der Messung von Qualität. Das beschriebene StrukturProzess-Modell war Ausgangspunkt für die Entwicklung unterschiedlicher standardisierter Messinstrumente (Kluczniok und Roßbach 2014). Die meisten dieser Instrumente beruhen auf Beobachtungen und beziehen sich auf die globale Qualität der Einrichtungen und pädagogischen Interaktionen zwischen Kindern und Fachkräften auf Gruppenebene. Ein etabliertes und international validiertes Instrument stellen die Early Childhood Environment Rating-Scales (ECERS-Skalen) dar (Harms et al. 1998), die in deutscher Übersetzung als Kindergartenskalen in unterschiedlichen Versionen vorliegen (KES-R: Tietze et al. 2007; KRIPS-R: Tietze et al. 2007). Eine Erweiterung der ECERS-Skalen bezieht sich auf bereichsspezifische Anregung in den Bereichen „Literacy“, Mathematik und Naturwissenschaften sowie Umgang mit Diversität (Sylva et al. 2003). Auch diese Erweiterung wurde ins Deutsche übersetzt und auf den Kontext hin angepasst (Roßbach und Tietze 2018). Die Skalen definieren die Umgebung in einem breiten Sinne und leiten den Beobachter an, die Gestaltung des Raumes, der Materialien, die den Kindern angebotenen Aktivitäten sowie die Interaktionen zu bewerten. Ein weiteres international eingesetztes und validiertes Instrument, welches die pädagogische Qualität auf der Gruppenebene erfasst, ist das Classroom Assessment Scoring System (CLASS; vgl. Pianta et al. 2008; Pianta und Hamre 2009). Mit CLASS werden Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern anhand dreier Dimensionen bewertet: emotionale Unterstützung, Organisation der Gruppe und instruktionale Unterstützung. Leitend ist die Annahme, dass die Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern die zentralen Mechanismen der kindlichen Entwicklung und des kindlichen Lernens befördern (Pianta et al. 2008). Die CLASS fokussiert dabei auf Aspekte,
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446 Qualität in der Kindertagesbetreuung die mit Kompetenz- und Leistungszuwächsen während der Vorschul- und Schulzeit assoziiert sind (Mashburn et al. 2008). Einige wenige Instrumente erfassen die pädagogische Qualität auf der Ebene des einzelnen Kindes. Hierzu gehören z. B. Emerging Academic Snapshot (EAP; Ritchie et al. 2001), Observation of Activities in Preschools (OAP; Palacios und Lera 1995) und das im Rahmen der deutschen BiKS-Forschergruppe entwickelte Instrument Zielkindbeobachtung (ZiKiB; Kuger et al. 2006a, 2006b; Smidt 2012). Zur umfassenden Erfassung der pädagogischen Prozessqualität wird in der Regel die Beobachtung als das Mittel der Wahl angesehen, da von einer detaillierteren und reliableren Abbildung der pädagogischen Realität ausgegangen wird. Allerdings sind Beobachtungsverfahren nicht nur sehr zeit- und kostenintensiv, sondern bergen auch methodenimmanente Probleme. So ist eine intensive Schulung der Beobachterinnen und Beobachter notwendig, um von reliablen und validen Messungen auszugehen. Darüber hinaus können Beobachtungen den Alltag in Kindertageseinrichtungen stören, was wiederum eine geringere Validität zur Folge hat. Schließlich wird diskutiert, dass ggf. mehrere Beobachtungen während eines Jahres notwendig sind, um ein repräsentatives Abbild der umgesetzten Qualität zu erhalten (McCabe und Ackermann 2007). Verschiedene zum Teil groß angelegte Studien haben daher auch fragebogenbasierte Verfahren zur Erfassung der Qualität von Kindertageseinrichtungen entwickelt bzw. prüfen deren Einsatz auf ihre Validität (z. B. Anders und Ballaschk 2014; Bäumer et al. 2011; Schober et al. 2014; Studie K2id: http://www.k2id.de/).
12.3 Steuerung der Qualität in der Kindertagesbetreuung Eine wichtige Steuerungsebene zur Ausschöpfung der Bildungspotenziale der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen stellt die (gesellschaftliche) Bereitstellung von pädagogischem Orientierungswissen dar: Pädagogische Programme, Modelle, Rahmenpläne oder Curricula geben Trägern und dem pädagogischen Personal Orientierungen zur Gestaltung ihrer eigenen Arbeit. Sie beeinflussen damit sowohl die direkten pädagogischen Interaktionen mit den Kindern (und deren Eltern) als auch das gesamte räumlich-materiale Arrangement in einer Kindertageseinrichtung und bestimmen dadurch die Bildungsumwelt, innerhalb deren die Kinder ihre Lernerfahrungen machen können. Auch wenn die Bedeutung dieses gesellschaftlich bereitgestellten Orientierungswissens nicht unterschätzt werden darf, so muss andererseits berücksichtigt werden, dass die gewünschte Steuerungsfunktion nur dann erreicht wird, wenn die jeweiligen Konzepte auch entsprechend ihrer Intentionen umgesetzt werden. Damit wird letztlich empirisches Wissen über die Umsetzungen der Konzepte und deren Effekte auf die Entwicklung der Kinder erforderlich, um die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen einer fortlaufenden Verbesse-
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Steuerung der Qualität in der Kindertagesbetreuung 447
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rung zuführen zu können. Im Folgenden werden zwei Aspekte des pädagogischen Orientierungswissens beleuchtet: allgemeine pädagogische/curriculare Orientierungen sowie Bildungspläne für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen. 12.3.1 Allgemeine pädagogische/curriculare Orientierungen Im Hinblick auf allgemeine pädagogische/curriculare Orientierungen wurden in der ersten Bildungsreform in den 1960er Jahren zunächst für den Kindergarten funktions- und wissenschaftsorientierte Ansätze erprobt, deren Merkmale im Folgenden kurz erläutert werden. In sogenannten „funktionsorientierten Ansätzen“ wurde von allgemeinen „psychischen Funktionen“ ausgegangen, die quasi als Grundausstattung jedes Menschen betrachtet werden; Beispiele sind: Wahrnehmung, Denken, Kreativität, Sprache. Bei der Förderung dieser Funktionen wurde unterstellt, dass derjenige, der solche Grundqualifikationen erworben hat, auch in der Lage ist, sich erfolgreich die für das Leben in der Gesellschaft notwendigen Qualifikationen anzueignen. Ein Beispiel sind die Arbeitsmappen zum Sprachtraining und zur Intelligenzförderung von Schüttler-Janikulla (1971). Funktionsorientierte Ansätze wurden wegen ihrer Überbetonung kognitiver Fähigkeiten und ihres schulvorbereitenden Charakters kritisiert. Wissenschafts- oder disziplinorientierte Ansätze orientierten sich weniger an psychischen Funktionen, sondern gingen von der Wissenschaftsbezogenheit des Lernens im Kindergarten und von der Struktur der Wissenschaftsdisziplinen und der schulischen Fächer aus. Grundbegriffe und Prinzipien der Wissenschaft(en) seien für Wissenschaftler*innen wie für kleine Kinder in gleicher Weise geeignet, Erfahrungen zu organisieren. Curricula sind dann altersangemessene didaktische Umsetzungen der grundsätzlichen wissenschaftlichen Begriffe und Prinzipien (z. B. der Mengenlehre). An wissenschaftsorientierten Ansätzen wurde unter anderem kritisiert, dass ein „fachdidaktischer“ Zugang zur Kindergartenarbeit nicht geeignet sei, die Kinder zur Bewältigung ihrer aktuellen Lebenssituationen zu befähigen; vielmehr sollte sich die Arbeit an Schlüsselproblemen der Kinder orientieren, die dann in Fachgrenzen überschreitenden Ansätzen thematisiert werden (vgl. hierzu Zimmer 2000). Ab Anfang der 1970er Jahre rückten zunehmend die sogenannten situationsorientierten Ansätze in den Vordergrund, die die weitere Entwicklung im Elementarbereich maßgeblich beeinflusst haben. Abgesehen von spezifischen pädagogischen Orientierungen – wie zum Beispiel die Waldorf-, Montessori- oder Reggio-Pädagogik – haben sie sich (zumindest) auf der konzeptuellen Ebene durchgesetzt und dabei zugleich bis heute der Kindergartenpädagogik ein eigenständiges Konzept gegeben. Eine gewisse Leitfunktion hat dabei die Ausformulierung des Situationsansatzes eingenommen, wie sie von einer Arbeitsgruppe am Deutschen Jugendinstitut entwickelt wurde (vgl. Zimmer 1973). Dieser Ansatz stellt selbst keine Bildungsziele auf, sein Ausgangspunkt ist die Orientierung an kindlichen Lebenssituationen. Ziel ist, die Kinder für die Bewältigung dieser Lebenssituationen zu qualifizieren, d. h., die Kinder zu befähigen, ihren Anspruch auf Selbstbestimmung, auf Autonomie kompe-
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448 Qualität in der Kindertagesbetreuung tent zu vertreten. Für die Arbeit im Kindergarten sollen reale Lebenssituationen der Kinder ausgewählt werden, speziell solche Situationen, in denen Kinder überfordert, unterdrückt, allein gelassen oder gegängelt werden. Im Mittelpunkt stehen keine Lebenssituationen der ferneren Zukunft, sondern Situationen der Gegenwart und der näheren Zukunft; dabei wird davon ausgegangen, dass durch die Bewältigung gegenwärtiger Situationen die Kinder zugleich auf zukünftige Situationen genügend vorbereitet werden. Ein besonderes Kennzeichen des Ansatzes ist das Primat des sozialen Lernens: Sachbezogenes Lernen (Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten) soll dem sozialen Lernen untergeordnet werden. Soziales Lernen meint in diesem Sinne nicht ein Lernen von sozialen Verhaltensweisen in und für (kooperative) Gruppensituationen, vielmehr geht es darum, dass sachbezogenes Lernen immer auf konkrete (soziale, sinnstiftende) Anwendungskontexte bezogen bleibt. Die Vermittlung einer Sachkompetenz wie zum Beispiel Telefonieren soll nicht isoliert geschehen, sondern nur insoweit, wie sie konkret zur Bewältigung einer bestimmten sozialen Anwendungssituation (z. B. Verlaufen in der Stadt) erforderlich wird. Mit diesem Primat des sozialen Lernens ging eine dezidierte Ablehnung von fachdidaktischen Ansätzen für die Arbeit im Kindergarten einher. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre gibt es eine kritische Auseinandersetzung mit dem Situationsparadigma (vgl. Roßbach 2008). Eine weitgehend unreflektierte Umsetzung des Situationsansatzes und eine damit einhergehende individuelle Auslegung in der Praxis haben lange dazu geführt, dass notwendige Reformen ausgeblieben sind. Seit Anfang der 2000er Jahre hat es allerdings verschiedene Ansätze zur Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen gegeben, wobei zwei Positionen im Mittelpunkt der Diskussion standen und stehen (vgl. Textor 2006). Beide Positionen gehen davon aus, dass Bildung eine Eigenaktivität eines kompetenten Kindes zur Aneignung seiner Welt ist und dass es die Aufgabe der Kindertageseinrichtungen ist, die Bildungsbemühungen eines Kindes zu unterstützen: • Frühkindliche Bildung als Kompetenzförderung: Bildung wird in diesem Ansatz nicht primär als individuumszentrierte Bildung oder als Selbstbildung definiert, sondern als ein sozialer Prozess in einem bestimmten Kontext, an dem Kinder und andere Personen aktiv beteiligt sind. Bildung wird somit als ko-konstruktiver Prozess verstanden. Der Ansatz berücksichtigt die vom zukünftigen Leben an das Kind gestellten Anforderungen und legt besonderen Wert auf den Erwerb von Basiskompetenzen wie zum Beispiel lernmethodische Kompetenzen, Resilienz als Fähigkeit, sich belastenden Lebenssituationen effektiv anzupassen, und die Kompetenz zur Fähigkeit die Anforderungen in Übergangssituationen zu bewältigen (vgl. Fthenakis 2003). • Bildung als Selbstbildung: Diese Position lehnt die Auffassung ab, dass Bildung ein Wissenserwerb entsprechend eines Wissenskanons oder der Erwerb von Kompetenzen entsprechend eines Kanons von Schlüsselkompetenzen sei. Dadurch würden von außen, von der Gesellschaft oder der Schule, Anforderungen an das
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Steuerung der Qualität in der Kindertagesbetreuung 449 Kind und die Arbeit in Kindertageseinrichtungen gestellt. Nicht vorgegebene Inhalte oder Kompetenzen sollen aber die pädagogische Arbeit lenken, vielmehr sollen Eigenaktivität und Selbsttätigkeit eines Kindes im Mittelpunkt stehen. Bildung umfasst dabei sowohl Welt-Konstruktionen (Weltaneignung durch Erforschen, Erfahren, Nachdenken usw.) als auch Selbst-Konstruktionen (Bildung des Selbst als Kern der Persönlichkeit). Kinder müssen sich selbst bilden, sind dabei aber auf die Hilfe von Erwachsenen angewiesen. Die Aufgabe der Erwachsenen besteht somit darin, den Rahmen vorzustrukturieren, innerhalb dessen die Kinder selbstständig handeln und denken können, und ihnen die geistigen und kulturellen Werkzeuge zugänglich zu machen, mit welchen sie sich ihr Können und Wissen selbst erarbeiten können (vgl. Laewen 2002; Schäfer 2013). Bei der zum Teil heftig geführten Kontroverse über diese beiden Ansätze muss aber berücksichtigt werden, dass die Idee der „Selbstbildung“ nicht neu ist; vielmehr sind Bildung und Selbstbildung in der Pädagogik fast identische und austauschbare Begriffe (vgl. Grell 2010): Lernen ist immer ein aktiver Vorgang, der Selbsttätigkeit voraussetzt, weil er von der Aufmerksamkeit, dem Interesse und der Lernbereitschaft des lernenden Subjekts abhängt. Den „Klassikern“ der Elementarpädagogik – z. B. Friedrich Fröbel, Maria Montessori oder Jean-Jacques Rousseau – war dies wohl bekannt. Nur sah die klassische Elementarpädagogik die aktive Selbstbildung des Kindes als schwerwiegendes Problem, auf das eine theoretisch begründete und praktisch befriedigende Antwort gefunden werden muss, während die modernen Selbstbildungsansätze die Tatsache der aktiv-aneignenden Selbsttätigkeit des Kindes offenbar schon als Antwort auf das Problem der frühkindlichen Bildung sehen und damit die grundlegende Frage, mit welchen „Gegenständen“ sich das Kind in seinen Selbstbildungsprozessen auseinandersetzen soll, nicht ausreichend beachten (vgl. Grell 2010, 162). Grell wirft die provokante Frage auf, ob nicht die modernen Selbstbildungskonzepte möglicherweise gerade die Kinder benachteiligen könnten, die am meisten auf Unterstützung, gezielte Anregungen und aktive Hilfen angewiesen sind. Um Missverständnissen vorzubeugen, muss betont werden, dass es den Klassikern nicht um eine Pädagogik der „Wissensvermittlung“ und „Belehrung“ ging. „Es ging – und darum geht es noch und besonders heute – um die Schaffung und bewusste Gestaltung von geordneten Rahmenbedingungen, in denen sich die Selbstbildungspotenziale der Kinder – aller Kinder – im Wechselspiel von individuellen Bedürfnissen, Möglichkeiten und gezielten Anregungen in steter Rücksicht auf das, was sie schon können, aber eben auch im Hinblick auf das, was sie lernen können, sollen und müssen, sinnvoll entfalten können.“ (Grell 2010, 161)
12.3.2 Bildungspläne Die konzeptuelle Diskussion innerhalb der Frühpädagogik wurde im letzten Jahrzehnt überlagert durch Schlussfolgerungen aus dem enttäuschenden Abschneiden Deutschlands in internationalen Schulleistungsvergleichsstudien. Obwohl dazu eine
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450 Qualität in der Kindertagesbetreuung forschungsbezogene Basis fehlt, wurde und wird den Kindertageseinrichtungen vorgehalten, sie würden zu wenig auf kognitive Förderung achten, zu wenig auf die nachfolgende Grundschule vorbereiten und zu wenig auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern aus sozial benachteiligten Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund eingehen. Als eine Reaktion auf diese Kritik wurden in allen Bundesländern in dem Zeitraum von Ende 2002 bis Frühling 2006 Bildungs-, Erziehungs- oder Orientierungspläne für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen – im Folgenden kurz Bildungspläne genannt – entwickelt (Diskowski 2008; SchusterLang 2013). Bildungspläne verstehen sich als verbindliche Orientierungshilfen für die Praxis. Grundsätzlich sind die Pläne aber offen für Anpassungen an die spezifischen Gegebenheiten einer Kindertageseinrichtung vor Ort bzw. bedürfen sie auch dieser Anpassung. Normiert werden in den Bildungsplänen die Bildungsprozesse in den Einrichtungen und nicht zu erreichende Kompetenzniveaus der Kinder. Die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer unterscheiden sich in ihrem Umfang (von z. B. weniger als 20 Seiten in Nordrhein-Westfalen bis zu über 400 Seiten in Bayern). Ebenfalls unterschiedlich ist der Geltungsbereich. In einigen Ländern beziehen sich die Bildungspläne auf die Altersgruppe von drei Jahren bis Schulbeginn, in anderen auf die Zeitspanne von der Geburt bis Schulbeginn oder bis Ende der Grundschule bzw. bis zum Alter von 14 Jahren. Im Zentrum der Bildungspläne stehen die Inhalte der Bildungsarbeit. Alle Bildungspläne machen Angaben zu verschiedenen Inhalts-, Förder- oder Bildungsbereichen, wobei sich zwischen den Bundesländern große Gemeinsamkeiten zeigen. Zentral werden zum Beispiel genannt: Sprache, Naturbegegnung, Sachwissen, Umgang mit Zahlen und Persönlichkeitsentwicklung. Betont wird in der Regel, dass es sich hier nicht um Fächer im Sinne von „Schulfächern“ handelt bzw. handeln soll. Jedoch sind – zumindest für eine Vielzahl der genannten Bereiche – die Verbindungslinien zu den späteren Schulfächern deutlich zu erkennen. Unter Steuerungsgesichtspunkten wurde mit den vorliegenden Bildungsplänen und dem von Jugendminister- und Kultusministerkonferenz (2004) gleichlautend beschlossenen Rahmen für die Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen ein wichtiger Fortschritt erreicht, der nach Diskowski (2008) in seiner Bedeutung für die Kindertagesbetreuung kaum zu überschätzen ist. Die Setzung von pädagogisch begründeten Standards in den Bildungsplänen ist für die westdeutschen Bundesländer ein relativ neues Instrument der fachlichen Steuerung, und durch die Bildungspläne wurde ein Abschied von der Unverbindlichkeit der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen eingeleitet. „Man traut sich ‚Bildungsbereiche‘ in den Bildungsplänen zu benennen, ohne reflexhaft das Aufkommen von Schulfächern in der Kindertagesstätte zu befürchten.“ (ebd., 50) Damit ist auch eine deutliche Abkehr von der Ablehnung von fachdidaktischen Perspektiven eingeleitet, und die Notwendigkeit einer bereichsspezifischen Förderung wird anerkannt. Eine solche bereichsspezifische Förderung wird auch durch Ergebnisse der Entwicklungspsychologie und der Pädagogischen Psychologie gestützt
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Steuerung der Qualität in der Kindertagesbetreuung 451 (vgl. Roßbach 2005). Der frühe Beginn der Entwicklung von Kompetenzen weit vor Schulbeginn, die Bindung des Kompetenzerwerbs an bestimmte Lernbereiche und die besondere Bedeutung des frühen Vorwissens bzw. der frühen Kompetenzen legen nahe, dass es sinnvoll und notwendig ist, bereits in Kindertageseinrichtungen kindliche Kompetenzen gezielt in spezifischen Bildungsbereichen aufzubauen. Allerdings bedeutet eine gute pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen nicht ein Ersetzen der herkömmlichen pädagogischen Arbeit durch solche bereichsspezifischen Förderungen, vielmehr geht es um sinnvolle und notwendige Ergänzungen mittels entwicklungsangemessener didaktisch-methodischer Vorgehensweisen – und diese sind nicht gleichbedeutend mit lehrgangsorientiertem Unterricht. Welchen Einfluss die Bildungspläne tatsächlich auf die pädagogische Praxis in Kindertageseinrichtungen haben, bleibt abzuwarten. Man darf aber nicht zu viel von ihnen erwarten, da Bildungspläne im Konzert von verschiedenen Steuerungsinstrumenten nur ein Element sind. Gerade deshalb werden systematische empirische Evaluationen der Umsetzungen der Bildungspläne in die Praxis und ihrer Auswirkungen auf die Kinder erforderlich. In allen Bundesländern wird die Bedeutung der Weiterentwicklung und Überprüfung der Bildungspläne betont, aber konkrete empirische Evaluationsstudien – die über Befragungen von Fachkräften hinausgehen – sind bisher nicht bekannt geworden. 12.3.3 Weitere Ansätze der Qualitätssteuerung Zur Steuerung der Qualität der Kindertagesbetreuung werden darüber hinaus weitere Ansätze genutzt. Während in einzelnen anderen Ländern auch im vorschulischen Bildungsbereich auf Inspektionen und – damit verbunden – direkte Kontrollen der pädagogischen Prozessqualität gesetzt wird, sind solche Maßnahmen in Deutschland bislang kaum implementiert. Dieses liegt vermutlich auch in hohem Maß an dem traditionellen Selbstverständnis der Kinder- und Jugendhilfe, die den einzelnen Einrichtungen zur optimalen Anpassung der Angebote an die regionale und lokale Situation großen Handlungsspielraum lässt. Stattdessen finden indirekte Maßnahmen der Steuerung statt, die insbesondere bei der Strukturqualität ansetzen (z. B. durch die Regulation von Fachkraft-Kind-Schlüssel, Gruppengrößen etc.) Darüber hinaus ist festzustellen, dass in der Diskussion um die Optimierung und Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität von Kindertageseinrichtungen insbesondere auf eine Erhöhung der Qualität durch eine Erhöhung des Qualifikationsniveaus der frühkindlichen Fachkräfte gesetzt wird. Die Fachkräfte stellen den Schlüssel für eine hohe pädagogische Prozessqualität dar, und es wird angenommen, dass eine Vielzahl professioneller Kompetenzen Voraussetzung für die Befähigung der Bereitstellung qualitativ hochwertiger Lerngelegenheiten ist. Ähnlich wie bei Lehrkräften im Primar- und Sekundarbereich wird hier dem Professionswissen, den Orientierungen und Überzeugungen, motivationalen Aspekten sowie selbstregulatorischen Fähigkeiten eine besondere Rolle eingeräumt (vgl. Anders 2012). Empirische Evi-
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452 Qualität in der Kindertagesbetreuung denz zu Genese und Struktur professioneller Kompetenzen von frühpädagogischen Fachkräften ist insbesondere in Deutschland noch rar, obgleich in den letzten Jahren vermehrte Forschungsaktivitäten und entsprechende Befunde zu verzeichnen sind (z. B. Anders und Roßbach 2014; Blömeke et al. 2015; Dunekacke et al. 2013; Dunekacke et al. 2015a, 2015b; Strohmer et al. 2012; Mischo et al. 2012a). Aus-, Fort- und Weiterbildung werden wiederum als zentrale Möglichkeiten der Weiterentwicklung der professionellen Kompetenzen von frühpädagogischen Fachkräften angesehen (vgl. Anders 2012; ► Kap. 23). Ein weiteres Steuerungsinstrument, das in Deutschland vermehrt genutzt wird, sind Zertifizierungsverfahren wie das Kindergarten-Gütesiegel (vgl. Tietze 2012). Diese Verfahren greifen die eingeschränkten Möglichkeiten der reliablen Feststellung der pädagogischen Prozessqualität auf, die Eltern im Normalfall haben. Die Prozessqualität wird von geschulten, externen Stellen nach objektiven Kriterien bewertet. Eine Einrichtung, die das Verfahren erfolgreich durchläuft, wird zertifiziert und kann dies dann durch ein Gütesiegel oder eine Plakette transparent machen. Hierdurch können Anreize für die Einrichtungen zur Entwicklung der Qualität geschaffen werden, gleichzeitig stellen Gütesiegel oder vergleichbare Auszeichnungen wichtige Qualitätsinformationen für die Eltern bereit, die wiederum leitend für die Auswahl einer Einrichtung sein können. Das tatsächliche Steuerungspotenzial der beschriebenen Verfahren muss aber immer mit Blick auf die lokalen und regionalen Rahmenbedingungen reflektiert werden und wird von einigen Wissenschaftlern auch als deutlich eingeschränkt beschrieben (Diskowski 2012; Stöbe-Blossey 2012). So ist eine Auswahl und Vielfalt an Angeboten für Kinder ab drei Jahren in Deutschland sicherlich gegeben. Für den Bereich der Kindertagesbetreuung für unter dreijährige Kinder herrscht allerdings in vielen Regionen ein deutliches Unterangebot. Darüber hinaus existiert regional und lokal wenig Varianz in Höhe der Beteiligung der Eltern an den Kosten der Kindertagesbetreuung, so dass sich Qualitätsunterschiede nicht im Preis abbilden.
12.4 Aktuelle empirische Befunde zur Höhe der pädagogischen Qualität in der Kindertagesbetreuung in Deutschland Obgleich die Frage nach der pädagogischen Qualität eine hoch relevante ist, existieren hierzu für Deutschland noch vergleichsweise wenige überregionale empirische Arbeiten. Qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung soll zum Wohlbefinden der Kinder, zur Persönlichkeitsentwicklung und zur kognitiv-leistungsbezogenen Entwicklung beitragen. Dementsprechend überrascht es, wie wenige wissenschaftliche Studien diesen Aspekt umfassend beleuchten. Im Gegensatz zu anderen Ländern im anglo-amerikanischen Raum, in denen die Forschung zur Qualität der frühkindlichen Betreuung und Bildung eine lange und umfassende Tradition hat, ist
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Aktuelle empirische Befunde 453 in Deutschland vergleichsweise wenig darüber bekannt, wie sich der Alltag in Kindertageseinrichtungen darstellt. Das gilt in besonderem Maße für die Bildung und Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Eine Folge ist, dass die für die Steuerung und Qualitätsentwicklung Verantwortlichen auf unterschiedlichen Ebenen (Träger, Kommunen, Verwaltung, Landes- und Bundesministerium) keine hinreichenden Informationen für die Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen der Qualitätssteuerung haben (vgl. Tietze, Becker-Stoll et al. 2013). Verschiedene Aspekte der strukturellen Qualität sind politisch regulierbar, und so lassen sich Aussagen über einzelne Aspekte der Strukturqualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland teilweise aus amtlichen Statistiken ablesen. Es wird deutlich, dass starke Unterschiede zwischen den Bundesländern auftreten. Mit Blick auf den Personalschlüssel lag dieser 2014 im Bundesdurchschnitt in Gruppen für Kinder unter drei Jahren bei einer Fachkraft für 4,8 Kinder (Bock-Famulla et al. 2015). Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, mit ungünstigeren Personalschlüsseln in den östlichen Bundesländern. Diese regionalen Unterschiede zeichnen sich auch für die Gruppen von Kindern ab drei Jahren ab. Hier liegt der Bundesdurchschnitt bei 10,1 Kindern pro Fachkraft. Die Anzahl der Kinder pro Fachkraft ist insgesamt höher als pädagogisch empfohlen wird. Oftmals wird für Kinder im Krippenalter ein Verhältnis von 1:3 empfohlen, für Kinder der Altersgruppe ab drei Jahren von 1:7,5 (Viernickel und Fuchs-Rechlin 2015). Ebenso ist evident, dass der Anteil der pädagogischen Fachkräfte mit Hochschulabschluss in deutschen Kindertageseinrichtungen zwar steigend, aber mit 5,3 % im Jahr 2014 im Bundesdurchschnitt immer noch sehr gering ist. In Hessen war der Anteil im Ländervergleich mit 9,7 % am höchsten, im Saarland mit 2,6 % am geringsten. Überzeugungen und Einstellungen von frühpädagogischen Fachkräften als Teil der Orientierungsqualität sind in unterschiedlichen Forschungsprojekten Gegenstand gewesen. So breit das Konzept der Orientierungsqualität ist, so vielfältig gestalten sich auch die Forschungsarbeiten. Verschiedene Studien haben sich mit Einstellungen von Erzieher*innen zu den Förderbereichen in Kindertageseinrichtungen beschäftigt. Diese zeigen einheitlich, dass frühpädagogische Fachkräfte in Deutschland die Förderung der sozio-emotionalen Entwicklung als wichtiger einschätzen als die Förderung früher akademischer Fähigkeiten (vgl. Tietze et al. 1998; Kluczniok et al. 2011). Aktuell wird im Projekt „Ausbildung und Verlauf von Erzieherinnenmerkmalen“ (Strohmer et al. 2012) eine Stichprobe von frühpädagogischen Fachschulund Hochschulabsolvent*innen längsschnittlich in Bezug auf ihre pädagogischen Orientierungen hin untersucht. Die Resultate zu epistemologischen Überzeugungen zeigen beispielsweise, dass alle Absolvent*innen generell eher der kindorientierten Pädagogik zustimmen als einer schulähnlichen fachkraftorientierten und eher über konstruktivistische und sogenannte „ko-konstruktivistische Überzeugungen“ als über „instruktivistische“ Überzeugungen verfügen (Mischo et al. 2012b). Die detailliertesten, aktuellen Informationen zur Höhe der Prozessqualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland entstammen derzeit den Ergebnissen von zwei
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454 Qualität in der Kindertagesbetreuung größeren Studien. Diese werden in ihren Grundzügen kurz vorgestellt. Es handelt sich hierbei um die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK; vgl. Tietze, Becker-Stoll et al. 2013) und die Studie „Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Formation von Selektionsentscheidungen im Vor- und Grundschulalter“ (BiKS; vgl. Maurice et al. 2007). NUBBEK ist eine bundesweite querschnittliche Studie zur Inanspruchnahme familienergänzender Betreuungsangebote und der Qualität der Bildung, Betreuung und Erziehung in Familien, Tagespflegestellen, Kindertageseinrichtungen, Kindergärten und Krippen (Tietze, Becker-Stoll et al. 2013). Sie wurde von einer multidisziplinären Forschungsgruppe als multizentrische Studie konzipiert und umgesetzt. Knapp 2.000 zwei- und vierjährige Kinder und ihre Familien aus acht Bundesländern wurden in die Untersuchung einbezogen, die 2009/2010 stattfand. Etwa 65 % der Kinder waren in institutioneller Betreuung (Kindertageseinrichtung, Kindergarten oder Krippe), 12 % wurden in einer Tagespflegestelle und 22 % zu Hause betreut. NUBBEK analysiert die Betreuungsgeschichte der Kinder und Gründe für die Wahl des Betreuungssettings. Darüber hinaus werden die Struktur-, Prozess- und Orientierungsqualität der Settings umfassend beschrieben und Determinanten einer hohen Prozessqualität ermittelt. Schließlich werden kindliche Bildungs- und Entwicklungsmaße im Kontext individueller Faktoren, familialer Einflussfaktoren und Einflussfaktoren des Betreuungssettings betrachtet. Die Studie BiKS 3-10 untersuchte seit 2005 die Entwicklung von rund 550 Kindern, die zu diesem Zeitpunkt etwa drei Jahre alt waren und in 97 verschiedenen Kindergärten in Bayern und Hessen betreut wurden (Richter et al. 2011; Schmitt et al. 2011). Die kognitive und sprachliche Entwicklung der Kinder wurde in regelmäßigen Abständen längsschnittlich erfasst. Darüber hinaus fand eine Untersuchung der familialen Rahmenbedingungen, der familialen Anregungsqualität sowie der Anregungsbedingungen in Kindergarten und Schule statt. Hierzu wurden Interviews, Fragebögen und Beobachtungsinstrumente eingesetzt. Ein Großteil der Kinder wurde bis in die vierte Klasse hinein untersucht. Im Rahmen der neuen Studie BiKSplus [3-13] werden die Kinder weiterhin auf ihren Bildungswegen begleitet. Für die Prozessqualität der institutionellen Bildung und Betreuung von Kindern unter drei Jahren zeigte NUBBEK, dass es große Unterschiede in der Prozessqualität zwischen den Einrichtungen gibt (Tietze, Lee et al. 2013). Für Kindergartengruppen und altersgemischte Gruppen wurde auf Basis der KES-R ermittelt, dass sich 83 % der Gruppen im Bereich mittlerer Qualität befinden, wohingegen lediglich 7 % gute Qualität und 10 % unzureichende Qualität aufweisen. Betrachtet man die gemessene Qualität in Bezug auf die Förderung früher akademischer Fähigkeiten (Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften, individuelle Förderung), wie sie mit der KES-E (Roßbach und Tietze 2018) erfasst wird, so können nur 2,6 % der Gruppen als Gruppen mit guter Qualität beschrieben werden, 34,4 % der Gruppen als mittlere Qualität und 63 % der Gruppen als unzureichende Qualität. Für die Krippengruppen ergeben sich jeweils ähnliche Relationen.
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Aktuelle empirische Befunde 455 Die BiKS-Studie fand für Kindergärten in Bayern und Hessen für Kinder ab drei Jahre ähnliche Befunde (Kuger und Kluczniok 2008). Hier wurde mit der KES-R ein durchschnittlicher Wert von 3,7 und mit der KES-E ein durchschnittlicher Wert von 2,8 ermittelt. Dieses entspricht moderater bzw. niedriger Qualität. Auch hier fällt auf, dass der Anteil der Einrichtungen, die gute Prozessqualität umsetzen, gering ist, und dass insbesondere bei der Qualität der frühen akademischen Förderung Nachholbedarf besteht. Vergleicht man die Resultate der BiKS-Studie mit einer früheren Untersuchung aus den 1990er Jahren, so fällt auf, dass die Qualität der Kindertagesbetreuung trotz der enormen politischen Entwicklung und Veränderung der Rahmenbedingungen erstaunlich konstant geblieben ist. So ähneln die 2005 gemessenen Qualitätswerte den Werten, die bereits vor 20 Jahren in einer anderen Studie gemessen wurden (vgl. Kluczniok und Roßbach 2014). In der BiKSStudie wurde die Qualität nicht nur in Bezug auf ganze Kindergartengruppen, sondern auch in Bezug auf einzelne Kinder erfasst. Smidt (2012) berichtete, dass gruppen- und zielkindbezogene Qualitäten moderat miteinander assoziiert sind. Darüber hinaus ist die Höhe der erfassten Qualität auf der Ebene der einzelnen Kinder in der Regel geringer als die gruppenbezogene Qualität. Neben der Frage nach der Höhe der Qualität ist eine weitere wichtige Forschungsfrage, wie strukturelle Rahmenbedingungen und Merkmale der pädagogischen Fachkraft die Prozessqualität beeinflussen. Insgesamt weisen die Befunde aus unterschiedlichen Studien darauf hin, dass sowohl die Strukturmerkmale als auch Merkmale der pädagogischen Fachkraft sowie Orientierungen und Überzeugungen häufig nur gering bis moderat mit der realisierten Prozessqualität assoziiert sind (z. B. Cryer et al. 1999; Kuger und Kluczniok 2008; Tietze, Lee et al. 2013). Die NUBBEK-Studie fand diesbezüglich eine höhere Qualität in altershomogenen Gruppen im Vergleich zu altersgemischten Gruppen, in Gruppen mit geringerem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund sowie in Einrichtungen, die mit einem offenen im Vergleich zu einem gruppenbezogenen Konzept arbeiteten (Tietze, Becker-Stoll et al. 2013). Mit Blick auf Eigenschaften der pädagogischen Fachkraft ergab sich, dass ein höherer pädagogischer Berufsabschluss sowie einzelne Persönlichkeitseigenschaften (Extraversion und Verträglichkeit) mit höheren Qualitätswerten in unterschiedlichen Qualitätsdimensionen einhergehen. Auch die Zeit für Vor- und Nachbereitung hatte einen qualitätssteigernden Effekt. Die Arbeit von Kuger und Kluczniok (2008) unterstreicht ebenfalls den negativen Zusammenhang des Anteils der Kinder mit Migrationshintergrund mit der beobachteten Prozessqualität. Zudem fanden die Autorinnen moderate Zusammenhänge zwischen bildungsbezogenen Einstellungen der frühpädagogischen Fachkräfte und der gemessenen Qualität (Kuger und Kluczniok 2008). Solche Assoziationen wurden in der NUBBEK-Studie nicht gefunden (Tietze, Lee et al. 2013). In den letzten Jahren wurde auch in Deutschland eine Vielzahl von Modellprojekten und -programmen entwickelt, um die Qualität der Bildung und Förderung in der
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456 Qualität in der Kindertagesbetreuung Kindertagesbetreuung insgesamt oder in einzelnen Bildungsbereichen zu steigern. Nur ein kleiner Teil dieser Projekte wird systematisch in seiner Umsetzung und in Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung wissenschaftlich begleitet. Die wenigen Evaluationen, die publiziert wurden, können allerdings Auskunft darüber geben, ob und wie eine Steigerung der Qualität der Kindertagesbetreuung gelingen kann. An dieser Stelle wird auf zwei regionale Modellprojekte und ein überregionales Bundesprogramm eingegangen: die wissenschaftliche Evaluation des Modellprojekts KiDZ „Kindergarten der Zukunft in Bayern“ (Roßbach et al. 2010; Sechtig et al. 2012), die Evaluation des „Heidelberger Interaktionstrainings für pädagogisches Fachpersonal zur Förderung ein- und mehrsprachiger Kinder“ (HIT) (Buschmann et al. 2010) sowie die Evaluation des Bundesprogramms „Schwerpunkt-Kitas: Sprache & Integration“ (Anders et al. 2016). Alle drei Studien werden auch im Kapitel zu Fortbildung von pädagogischen Fachkräften in diesem Band (► Kap. 23) thematisiert, hier allerdings breiter mit Blick auf verschiedene Komponenten der möglichen Steigerung der Prozessqualität diskutiert. Das Modellprojekt KiDZ hatte die Qualität der individuellen und begabungsgerechten Unterstützung aller Kinder im Kindergarten sowie eine Optimierung der Kooperation von Kindergarten und Grundschule zum Ziel. Hierfür wurden traditionelle Elemente der Kindergartenpädagogik mit neueren Ansätzen des frühen akademischen Lernens kombiniert. Zudem wurde ein Ansatz des Teamteaching erprobt, in dem frühpädagogische Fachkräfte und Grundschullehrkräfte im Kindergarten zur Umsetzung des KiDZ-Ansatzes zusammen arbeiteten. Das Modellprojekt wurde begleitend in einer Längsschnittstudie in Hinblick auf seine Auswirkungen untersucht. Hierfür wurde die Entwicklung in Modelleinrichtungen im Vergleich zu Einrichtungen einer Kontrollgruppe betrachtet. Es konnte belegt werden, dass in den KiDZ-Einrichtungen die Prozessqualität deutlich gesteigert werde konnte. Das gilt in besonderem Maße für die bereichsspezifische Qualität in den Domänen „Literacy“ und Mathematik sowie die Qualität der individuellen Förderung (Roßbach et al. 2010; Sechtig et al. 2012). Einen Beitrag haben sicherlich die intensiven und langfristig angelegten Fortbildungsmaßnahmen gespielt (► Kap. 23), jedoch auch die fachliche Unterstützung, die Begleitmaterialien und die Kombination der spezifischen fachlichen Qualifikationen und Kompetenzen von Erzieher*innen und Grundschullehrkräften. Während im Rahmen von KiDZ ein ganzheitlicher und umfassender Förderansatz erprobt wurde, konzentriert sich das Heidelberger Interaktionstraining (HIT) auf den Bereich der Sprachförderung von ein- und mehrsprachigen Kindern. Buschmann und andere (2013) belegen, dass die Interaktionsqualität durch die Teilnahme der Fachkräfte an dem Training ansteigt. Das Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas: Sprache & Integration“ war überregional angelegt und sollte die alltagsintegrierte, sprachliche Bildung in rund 4.000 Kitas in Deutschland unterstützen, insbesondere für Kinder unter drei Jahren und Kinder mit Migrationshintergrund. Hierfür erhielten Kitas eine zusätzliche Fachkraft (eine speziell qualifizierte halbe
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Gleiche Qualität in der Kindertagesbetreuung für alle? 457 Stelle) und Sachmittel. Die Evaluationsstudie (Anders et al. 2016) untersuchte das Programm auf seine Auswirkungen, und es wurden diejenigen Bedingungen herausgearbeitet, unter denen eine Steigerung der sprachbezogenen Prozessqualität gelang. Die Ergebnisse belegen, dass strukturelle Merkmale (wie der Erzieher*inKind-Schlüssel oder die fachliche Qualifikation der Leitung) hier nur wenig Aussagekraft haben. Überwiegend liegen hier keine bedeutsamen Assoziationen zwischen der Prozessqualität und dem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund vor, so dass die beteiligten Einrichtungen offensichtlich konstruktive Wege im Umgang mit Multikulturalität und Diversität gefunden haben. Dieses Resultat ist ein Beleg, dass durch einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund ein Abfall der Prozessqualität nicht determiniert wird. Mit besonderen Herausforderungen scheint die Qualitätsentwicklung in solchen Gruppen verbunden zu sein, in denen der Anteil der Kinder unter drei Jahren besonders groß ist. Förderlich für die Qualität wirken sich ausreichend Zeit für Vor- und Nachbereitung, eine hohe Fortbildungsaktivität, insbesondere in Form von internen teambezogenen Fortbildungen, sowie ein guter fachlicher Austausch aus. Relevant sind hier eine gute Organisation eines regelmäßigen, spezifischen fachlichen Austausches im gesamten Team sowie die Weitergabe von Wissen und Expertise aus Fortbildungsveranstaltungen an andere Teammitglieder. Spezifische Funktionsstellen wirken in dieser Form als Multiplikatoren und Multiplikatorinnen und übernehmen pädagogische Führungsverantwortung. Dann, wenn fachlicher Austausch so organisiert ist, sind Herausforderungen wie personelle Fluktuation weniger schädlich für die Weiterentwicklung der Prozessqualität. Die Forschungsbeispiele belegen unterschiedliche effektive Möglichkeiten der Qualitätssteigerung in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung. Es besteht allerdings nach wie vor großer Forschungsbedarf.
12.5 Gleiche Qualität in der Kindertagesbetreuung für alle? Die vorliegenden Forschungsbefunde weisen insgesamt auf die Notwendigkeit der Steigerung der pädagogischen Qualität in deutschen Kindertageseinrichtungen hin. Auch wenn die Unterschiede zwischen den Einrichtungen geringer scheinen als in anderen Ländern, gibt es Variabilität. Die Debatte um die Qualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland ist auch von der Hoffnung auf mögliche kompensatorische Effekte des Besuchs einer Kindertageseinrichtung für Kinder getragen, die in benachteiligten Kontexten aufwachsen. Insbesondere sind das Kinder von Eltern mit geringem sozioökonomischem Status oder Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache. Es wird angenommen, dass für solche Kinder der frühe Zugang zur Kindertagesbetreuung essenziell ist (Becker 2010a). Der Besuch einer Kindertageseinrichtung in Deutschland ist freiwillig. Früh entstehende soziale Disparitäten in der Kompetenzentwicklung können daher darin begründet sein, dass Famili-
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458 Qualität in der Kindertagesbetreuung en, die die genannten Risikofaktoren aufweisen, erst später auf frühkindliche Bildungsangebote zurückgreifen. Tatsächlich zeigen sich Disparitäten in der Nutzung (► Kap. 11). Kinder ohne Migrationshintergrund und Kinder aus Familien mit höherem Bildungsniveau besuchen früher Kindertageseinrichtungen als Kinder mit Migrationshintergrund oder mit Eltern mit geringerer Bildung (Büchner und Spieß 2007; Geier und Riedel 2008; Becker 2009; BMFSFJ 2010; Wilke 2015). Ferner wird angenommen, dass die Qualität der frühkindlichen Einrichtungen in besonderem Maße relevant ist, wenn der Besuch einer Kindertageseinrichtung zur Kompensation sozialer Disparitäten beitragen soll (Burchinal et al. 2010; Roßbach et al. 2008). Vor diesem Hintergrund wird die Wichtigkeit der Frage eines möglichen selektiven Zugangs zu qualitativ höherer frühkindlicher Bildung deutlich. Wenn Kinder aus weniger privilegierten Elternhäusern Einrichtungen mit schlechterer Qualität besuchen, würde die gewünschte Kompensation von Kompetenznachteilen unwahrscheinlich bzw. ggf. sogar ein Schereneffekt auftreten. In den USA müssen bis 90 % der Kosten der Kindertagesbetreuung von den Eltern selbst getragen werden. Dies führt zu starken Unterschieden in Kosten und Angeboten frühkindlicher Bildung und Betreuung, privilegierte Eltern zeigen starke Bemühungen bei der Suche nach guten Angeboten für ihre Kinder, und es kann regelmäßig ein starker Zusammenhang zwischen der vorschulischen Bildungsqualität und familiären Hintergrundmerkmalen nachgewiesen werden (vgl. Bolger und Scarr 1995; Pianta et al. 2005; Lehrl et al. 2014). Gleichzeitig zeigen sich spezifische Gruppenzusammensetzungen, die wiederum mehr oder weniger positiv mit der Prozessqualität assoziiert sind. In Deutschland konnten mehrere Studien insbesondere einen Zusammenhang zwischen dem Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in einer Kindergarten- bzw. Kitagruppe und der beobachteten Prozessqualität nachweisen (Kuger und Kluczniok 2008; Tietze, Becker-Stoll et al. 2013). Während eine Erklärung für eine mögliche Selektivität in den USA aufgrund sehr hoher Kosten durchaus plausibel ist, ist das für Deutschland weniger der Fall. Die Eltern tragen – je nach Bundesland und Alter des Kindes – lediglich bis zu 20 % der Kosten eines Betreuungsplatzes (Kindergarten-Monitor 2010). Dementsprechend könnte die Kumulation von Kindern mit sozial ungünstigen Merkmalen in einzelnen Kindertageseinrichtungen auch dadurch begründet sein, dass die Eltern die Einrichtung prioritär nach räumlicher Nähe zum Wohnort wählen und die Wohngebiete eine soziale Segregation aufweisen (Friedrichs und Triemer 2008; Heckmann 2008). Ggf. ist die pädagogische Arbeit in Einrichtungen, in denen Kinder aus benachteiligten Kontexten oder Kinder mit Migrationshintergrund kumuliert auftreten, erschwert, so dass hier auch die pädagogische Qualität beeinträchtigt ist. Dementsprechend wäre dann der Zusammenhang zwischen kindlichen Hintergrundmerkmalen und beobachteter pädagogischer Qualität überwiegend durch die Tatsache bedingt, dass die Herstellung hoher Qualität in Gruppen mit hohen Anteilen von benachteiligten Kindern seltener gelingt. Für
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Auswirkungen der Qualität der Kindertagesbetreuung 459 diese Hypothese sprechen Befunde von Becker (2010b). Analysen von Lehrl und Kolleginnen (2014) belegen im Rahmen der deutschen Studie BiKS (Maurice et al. 2007) einerseits, dass Kinder mit Migrationshintergrund eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweisen, einen Kindergarten höherer Qualität zu besuchen. Kein Zusammenhang besteht allerdings zum sozioökonomischen Status der Familie oder zum mütterlichen Bildungshintergrund. Die Analysen sprechen weiterhin ebenfalls dafür, dass es sich um regionale Segregationseffekte, nicht aber um Effekte eines selektiven Zugangs handelt.
12.6 Auswirkungen der Qualität der Kindertagesbetreuung Die Frage nach den Auswirkungen des Besuchs einer Kindertagesbetreuung ist international von solcher Relevanz, dass sie sich in verschiedenen Ländern mit bedeutsamer Forschungstätigkeit widerspiegelt. Für die Untersuchung der Auswirkungen frühkindlicher, institutioneller Betreuung lassen sich verschiedene Motivationen identifizieren, die sich in vielen Regionen in sich ablösenden Forschungswellen abbilden (vgl. Melhuish und Petrogiannis 2006; Tietze et al. 1998). Auf der einen Seite war eine wachsende Notwendigkeit der Erwerbsbeteiligung von Frauen ebenso festzustellen wie die Zunahme des Wunsches nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beides führte zu einem steigenden Bedarf an außerfamilialer Kinderbetreuung, die allerdings oftmals nicht im Einklang mit dem gesellschaftlich vorherrschenden Familienideal stand. So wurde außerfamilialer Kinderbetreuung zu Beginn mit großen Vorbehalten begegnet, die sich auch in der frühen Wirkungsforschung insofern widerspiegelten, als dass am Anfang die Untersuchung möglicher negativer Auswirkungen in vielen Ländern im Vordergrund stand. Auf der anderen Seite wurden spezifische frühpädagogische Modellprogramme und Maßnahmen für Kinder entwickelt, die in schwierigen Lebenslagen aufwachsen. Die Untersuchung der Effekte solcher Programme wurde von der Hoffnung der möglichen kompensatorischen Wirkung für benachteiligte Kinder getragen. In ihrer Entwicklung haben sich empirische Studien zu den Effekten frühkindlicher Betreuung und Bildung methodisch immer weiterbewegt und sind immer anspruchsvoller geworden. Am Anfang wurden einfache, rein quantitative Eigenschaften der frühkindlichen Betreuung betrachtet und in Bezug auf mögliche negative Effekte, Nulleffekte oder positive Effekte hin untersucht. Es handelt sich hierbei um verschiedene Indikatoren, die das Ausmaß frühkindlicher Betreuung bzw. die „Dosis“ abbilden. Der einfachste Indikator bezieht sich darauf, ob ein Kind überhaupt Erfahrung in einer vorschulischen Einrichtung aufweist oder nicht. Weitere Indikatoren beziehen sich auf die Dauer der vorschulischen Betreuung, das Alter bei Ersteintritt in eine Einrichtung und die Intensität der Betreuung (z. B. Halbtagsbe-
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460 Qualität in der Kindertagesbetreuung treuung im Vergleich zu Ganztagsbetreuung). In der weiteren Entwicklung wurde schnell deutlich, dass rein quantitative Indikatoren die Effekte der frühkindlichen Betreuung nicht hinreichend erklären können, und qualitative Merkmale wurden in die Untersuchungen miteinbezogen. Neuere Studien zeichnen sich durch ihre große Komplexität aus, die neben Merkmalen der frühkindlichen, institutionellen Betreuung eine Vielzahl von anderen Faktoren mit möglichem Einfluss auf die kindliche Entwicklung berücksichtigen und in ihrem Zusammenspiel untersuchen. Hierzu gehören z. B. Eigenschaften des Kindes, sozio-strukturelle Merkmale der Familie sowie die Qualität der familialen Anregung. Hierbei ist festzustellen, dass mögliche Einflüsse der Familie zunächst im Sinne von Kontrollvariablen in die Untersuchungen mit aufgenommen wurden, während Studien der letzten Jahre das Wechselspiel der Einflüsse der Settings Familie und Institution auf die kindliche Entwicklung betonen (z. B. Sammons et al. 2008; Anders et al. 2012, 2013; Vandell et al. 2010). Die Forschungstradition spiegelt dabei in vielen Ländern die administrative Trennung von Programmen und Angeboten für Kinder bis zu drei Jahren und Kinder ab drei Jahren wider. Groß angelegte Studien zu den Auswirkungen des Besuchs von Kindertageseinrichtungen bzw. der Teilnahme an vorschulischen Bildungsprogrammen sind in Deutschland noch vergleichsweise selten und haben sich erst seit Mitte der 1990er Jahre entwickelt. In anderen Ländern weist dieser Forschungszweig eine deutlich längere Tradition auf. Speziell in den USA wurden seit den 1960er Jahren international einflussreiche, zum Teil groß angelegte Modellprogramme für Kinder aus benachteiligten Kontexten umgesetzt, deren Wirkungen wissenschaftlich umfassend evaluiert wurden, gerade auch in Hinblick auf langfristige Effekte. Aber auch andere nord-europäische Länder weisen einen deutlich umfangreicheren Forschungsstand zu dieser Thematik auf als Deutschland. Auch wenn die Übertragbarkeit der Befunde auf die deutsche Situation aufgrund anderer gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und pädagogischer Konzepte nicht immer gegeben ist (vgl. Kuger et al. 2012), werden die Resultate hier kurz skizziert; die deutschen Forschungsbefunde werden dann detaillierter beschrieben. Es werden ausschließlich die Befunde solcher Studien zusammengefasst, die auch primär das Ziel hatten, die Auswirkungen der Qualität vorschulischer Bildungserfahrungen zu untersuchen. Es wird auf Resultate zu folgenden forschungsleitenden Fragen eingegangenen: (1) Welchen Einfluss hat die Qualität regulärer Kindertagesbetreuung auf die kindliche Entwicklung? (2) Welchen Einfluss haben spezifische qualitativ hochwertige Modellprogramme auf die kindliche Entwicklung? (3) Profitieren Kinder, die in bildungsbenachteiligten Kontexten aufwachsen, in besonderer Weise von einer hohen Qualität vorschulischer Bildungsprogramme? Hierbei werden folgende Entwicklungsdomänen berücksichtigt: die kognitiv-leistungsbezogene Entwicklung, die sozio-emotionale Entwicklung sowie – im langfristigen Verlauf – Maße der Lebensbewältigung. Diese Entwicklungsbereiche repräsentieren insbesondere in den pädagogisch-psychologischen Disziplinen stark erforschte Domänen.
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Auswirkungen der Qualität der Kindertagesbetreuung 461 12.6.1 Welchen Einfluss hat die Qualität regulärer Kindertagesbetreuung auf die kindliche Entwicklung? Mit Blick auf die kognitiv-leistungsbezogene Entwicklung ist die internationale empirische Evidenz für die Relevanz der Qualität regulärer, vorschulischer Einrichtungen mittlerweile überzeugend (vgl. Anders 2013 für einen Überblick). Längsschnittstudien aus unterschiedlichen Ländern haben belegt, dass eine hohe pädagogische Prozessqualität vorschulischer Bildungsprogramme mit einer verbesserten Entwicklung kindlicher Kompetenzen (z. B. sprachlicher oder mathematischer Kompetenzen) verbunden ist. Diejenigen Studien, die Kinder von der frühen Kindheit bis ins Jugendalter begleitet haben, stellen fest, dass qualitativ hochwertige Bildungsprogramme positive Auswirkungen haben können, die noch im Jugendalter nachweisbar sind. Die Höhe der Effekte nimmt mit der Zeit mit Zunahme des Einflusses anderer Faktoren (insbesondere der schulischen Anregungsqualität) ab. Positive Effekte der Prozessqualität können auch für die anderen Wirkungsbereiche nachgewiesen werden, sie sind in der Regel aber etwas kleiner als für die kognitiv-leistungsbezogenen Indikatoren. Dies muss aber nicht durch tatsächlich kleinere Effekte verursacht sein, sondern kann auch in der schlechteren Messbarkeit der Indikatoren der sozio-emotionalen Entwicklung und Lebensbewältigung begründet sein. In Deutschland zeigen die Resultate der NUBBEK-Studie (Tietze, Becker-Stoll et al. 2013) einen positiven Zusammenhang der Prozessqualität der frühen Kindertagesbetreuung mit dem kognitiv-sprachlichen und sozio-emotionalen Entwicklungsstand. In Bezug auf Kindertagesbetreuung für Kinder ab drei Jahren konnte die Studie BiKS 3-10 einen positiven Effekt der akademischen Prozessqualität auf die Entwicklung der Rechenfertigkeiten nachweisen, der nicht nur über die Kindergartenzeit (Anders et al. 2012), sondern auch über die Grundschulzeit (Anders et al. 2013; Lehrl et al. 2016) nachweisbar bleibt. Ein qualitativ besserer Kindergarten sorgt dabei nicht nur für bessere Ausgangsbedingungen zur Einschulung, sondern auch für eine verbesserte Entwicklung. Für die sprachliche Entwicklung fanden sich in der BiKS-Studie jedoch keine konsistenten Effekte einer hohen Anregungsqualität. In Bezug auf die sozio-emotionale Entwicklung belegte der deutsche Teil der ECCE-Studie Qualitätseffekte (ECCE Study Group 1999). 12.6.2 Welchen Einfluss haben spezifische qualitativ hochwertige Modellprogramme auf die kindliche Entwicklung? Spezifische Modellprojekte, wie sie insbesondere für bildungsbenachteiligte Kinder in den USA konzipiert, umgesetzt und evaluiert wurden, sind für die Frage der Auswirkungen der Qualität vorschulischer Bildungsprogramme ebenfalls von hoher Relevanz. Es handelt sich hierbei um Projekte, für die spezifische Curricula entwickelt wurden und die fachlich umfassend begleitet wurden. Prominente Beispiele sind die Programme Head Start (Powell 2000), das Child-Parent-Center (CPC) – Education Program (Reynolds und Hayakawa 2011), das High/Scope Perry Preschool Project (Schweinhart et al. 1993, 2005) und das Abecedarian Program (Clark und
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462 Qualität in der Kindertagesbetreuung Campbell 1998). Häufig handelt es sich um sehr früh ansetzende, intensive, kostenaufwändige und hochwertige Programme mit kleinen Gruppen und sehr gut qualifizierten Fachkräften, so dass man annehmen kann, dass sie eine vergleichsweise hohe Prozessqualität aufweisen. Entsprechende Evaluationsstudien aus den USA belegen sehr große positive Effekte auf die Entwicklung der teilnehmenden Kinder in allen betrachteten Bereichen. Für diese Modellprojekte sind auch die langfristigen Auswirkungen auf die Lebensbewältigung im Jugend- und Erwachsenenalter gut untersucht. Die Wirkungen in Hinblick auf die Kriminalitätsprävention, die Reduktion von Substanzmissbrauch und die Reduktion des Auftretens schwerwiegender gesundheitlicher Probleme sind vielfach rezipiert und diskutiert worden. Viele Programme, die weniger gut ausgestattet waren und weniger intensiv in der Umsetzung kontrolliert wurden, erbrachten keine positiven Effekte (vgl. Kuger et al. 2012). Dies unterstreicht wiederum die Bedeutsamkeit der Qualität. In Deutschland existiert ebenfalls eine Vielzahl von Modellprojekten und -programmen vor allem im Bereich der Sprachentwicklung und „Early Literacy“ (vgl. z. B. Jampert et al. 2007), aber auch im Bereich mathematisch-naturwissenschaftlicher Förderung (vgl. z. B. Pauen und Herber 2007) oder sozio-emotionaler Unterstützung (vgl. z. B. Lösel et al. 2006). Die sprachbezogenen Programme wurden in der Regel in Form additiver Sprachförderprogramme aufgelegt, die nach spezifischen Curricula zumeist instruktional umgesetzt werden und sich an Gruppen einzelner (sprachförderbedürftiger) Kinder richten. Die Befunde der Evaluationsstudien sind allerdings wenig vielversprechend. Zumeist wurden keine oder unbedeutende Effekte gefunden (Wolf et al. 2011). Lediglich für verschiedene Förderansätze der „Emergent Literacy“, insbesondere der phonologischen Bewusstheit, konnten weitgehend moderate Effekte auf die frühe sprachliche Entwicklung nachgewiesen werden, diese übertragen sich jedoch offenbar nicht auf die spätere Entwicklung anderer sprachlicher Komponenten (Wolf et al. 2016). Im Rahmen der Untersuchung der Auswirkungen des Bundesprogramms „Schwerpunkt-Kitas: Sprache & Integration“ konnte kein allgemeiner Effekt der Programmteilnahme, jedoch ein Effekt der sprachbezogenen Prozessqualität auf die Entwicklung des kindlichen Wortschatzes nachgewiesen werden. Diese war in solchen Modell-Kitas besonders ausgeprägt, die im Rahmen des Bundesprogramms fachlich intensiv unterstützt wurden (Anders et al. 2016). Die Evaluation des Modellprojekt KiDZ (Roßbach et al. 2010; Sechtig et al. 2012) zeigte positive Effekte auf die kindliche Entwicklung im mathematischen und sprachlichen Bereich bis in die Grundschulzeit und darüber hinaus (Roßbach et al. 2010; Sechtig et al. 2012; Lehrl et al. 2016). Auch für den Bereich der sozio-emotionalen Entwicklung existieren vielversprechende Ansätze in Deutschland: So konnte in der Erlangen-Nürnberger Entwicklungsund Präventionsstudie für das Programm „EFFEKT: Entwicklungsförderung in Familien: Eltern- und Kindtraining“ weniger Problemverhalten bei teilnehmenden Kindern noch drei Jahre nach der Intervention gezeigt werden (Lösel et al. 2006).
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Aktuelle Herausforderungen 463 12.6.3 Profitieren Kinder, die in bildungsbenachteiligten Kontexten aufwachsen, in besonderer Weise von einer hohen Qualität vorschulischer Bildungsprogramme? Der internationale Forschungsstand spricht derzeit insgesamt dafür, dass alle Kinder, sowohl bildungsbenachteiligte Kinder als auch nicht benachteiligte Kinder, in ihrer Entwicklung davon profitieren, wenn sie eine Einrichtung von hoher Qualität besuchen oder an einem qualitativ hochwertigen Projekt teilnehmen. Die Schlussfolgerungen hinsichtlich kompensatorischer Effekte der Qualität der besuchten Einrichtung in dem Sinne, dass bildungsbenachteiligte Kinder stärker von einer hohen Qualität profitieren als nicht-benachteiligte Kinder, sind heterogen. In Abhängigkeit vom Studiendesign und vom gesellschaftlichen Kontext der Untersuchungsregion werden unterschiedliche Definitionen und Indikatoren von Bildungsbenachteiligung genutzt. Das macht die Interpretation und Vergleichbarkeit der Befunde schwierig. Es gibt Forschungsbefunde – überwiegend aus bildungsökonomischen Studien –, die die kompensatorische Hypothese unterstreichen (z. B. Bierman et al. 2008; Bulotsky-Shearer et al. 2012; ► Kap. 11). Auf Basis der pädagogischen Literatur kann man derzeit insgesamt nicht von kompensatorischen Effekten der Qualität ausgehen (z. B. Burchinal und Cryer 2003; vgl. Anders 2013). In Deutschland bestätigt sich die Heterogenität der Befunde. So wiesen Resultate der BiKS-Studie einerseits darauf hin, dass Kinder mit Migrationshintergrund in ihrer sprachlichen Entwicklung stärker von einer besseren Strukturqualität profitieren (Ebert et al. 2013). Mit Blick auf das Zusammenspiel der Prozessqualitäten in Familie und Kindergarten in ihrer Wirkung auf die Entwicklung der Rechenfertigkeiten zeigten sich allerdings Hinweise auf einen Matthäuseffekt dahingehend, dass zumindest moderate Anregungsbedingungen in der Familie vorhanden sein müssen, damit Kinder von einer hohen Prozessqualität des Kindergartens profitieren können (Anders et al. 2012). Deutsche und andere europäische bildungsökonomische Untersuchungen sprechen hingegen wiederum für kompensatorische Effekte – allerdings werden hier unterschiedliche Abgrenzungen vorgenommen, insbesondere in Hinblick auf die grundsätzlich benachteiligten Gruppen von Kindern (► Kap. 11).
12.7 Aktuelle Herausforderungen Das System der frühkindlichen Bildung und Betreuung in Deutschland stellt sich derzeit vielfältigen Herausforderungen. Zunächst ist die Notwendigkeit der Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität eines Systems zu nennen, das derzeit sowohl einem fachlichen Wandel unterliegt als auch quantitativ expandiert. Die Sicherung der Qualität ist in Zeiten des Ausbaus extrem erschwert, als ein wichtiger Faktor ist hier der Personalmangel, aber auch die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten zu nennen. Vergleichbare Entwicklungen in den Niederlanden haben ge-
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464 Qualität in der Kindertagesbetreuung zeigt, dass ein quantitativer Ausbau einen Abfall der Qualität mit sich bringen kann (Vermeer et al. 2008). Ferner stellt die erfolgreiche und nachhaltige Implementation der Bildungspläne eine weitreichende Herausforderung dar. Hiermit verbunden ist ggf. auch die Notwendigkeit eines Werte- und Überzeugungswandels. So weisen verschiedene Arbeiten darauf hin, dass ungelenktes Freispiel im Vergleich zu angeleiteten Spielgelegenheiten mit geringeren Werten in der pädagogischen Prozessqualität und damit auch mit weniger positiven Effekten auf die kindliche Entwicklung einhergeht (Anders 2014; Slot et al. eingereicht). Eine besondere Herausforderung stellt in Deutschland schließlich auch die Weiterentwicklung von Ansätzen dar, die kulturelle und sprachliche Vielfalt als Ressource nutzen und so die Voraussetzungen für förderliche Effekte für alle Gruppen von Kindern schaffen. Schließlich ist an dieser Stelle auch der Bedarf an qualitativ hochwertiger Forschung anzusprechen, die weitere Evidenz für die Voraussetzungen und Beförderer hoher Qualität von Kindertageseinrichtungen schafft.
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13 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule Sabine Martschinke
Zusammenfassung Die Grundschule als Elementarschule für (fast) alle Kinder steht mit ihrer unselektierten Schülerschaft im besonderen Maße vor der Herausforderung, mit der Heterogenität der Schüler und Schülerinnen umzugehen. Dabei verweisen stark steigende Inklusionsquoten auf die Bedeutung der Differenzlinie der Behinderung. Diese und andere Differenzlinien (z.B. Migrationshintergrund, soziale Herkunft, Geschlecht) werden dabei nicht als Stereotype, sondern in komplexen Merkmalsmustern gedacht, die Persönlichkeitsmerkmale mit einschließen (z.B. Selbstkonzept, Interesse, Angst). Obwohl Heterogenität in der Grundschule nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Chance verstanden wird, zeigen sich Probleme, die Unterschiede zwischen den Kindern produktiv zu nutzen. So gelten weiterhin Migrationshintergrund und die Bildungsferne bzw. –nähe der Elternhäuser als erklärungsmächtig für große Bildungsdisparitäten. Auch die weiter bestehende Exklusionsquote deutet an, dass im Umgang mit Bildungsdisparitäten noch nicht alle Chancen ausgenutzt werden. Verschärft wird das Problem zusätzlich an den Schnittstellen im Bildungssystem: In der Grundschule finden sich mit dem Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule und dem Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen zwei Übergänge, die potenziell Bildungsbenachteiligung verstärken. Um diese Übergänge günstiger zu gestalten, werden im Sinne des Transitionsansatzes nicht nur die Kinder als aktive Bewältiger des Schulbeginns unterstützt, sondern auch die Eltern als eine der Stellschrauben für das Gelingen solcher Transitionen in einer positiv gestalteten Bildungs- und Erziehungspartnerschaft angesehen. Als Schlüssel für die Verbesserung des Unterrichts gilt das Qualitätskriterium der Adaptivität. Das bedeutet, dass jedes Kind nach seinen Voraussetzungen individuell gefördert wird. Diese Adaptivität kann zum einen auf der Makroebene des Unterrichts für alle Kinder der Klasse durch eine Passung zwischen Lernumgebung und Lernvoraussetzungen in offenen Formen, in kooperativen Settings, in Differenzierungsphasen durch Variation des Aufgabenmaterials erreicht werden. Zum
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472 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule anderen bezieht sich Adaptivität auf der Mikroebene auch auf Lernvoraussetzungen des einzelnen Kindes, auf die in Stillarbeit und freien Phasen, durch Zieldifferenzen, durch spezifische Unterstützungsphasen und Zusatzangebote individuell und spezifisch reagiert wird. Die Veränderung struktureller Gegebenheiten in der Grundschule, beispielsweise durch eine Verstärkung des Ganztagesangebots und durch die Mischung von Jahrgängen, ist als Reaktion auf die weiter bestehenden Bildungsdisparitäten und Bildungsbenachteiligungen zu sehen. Die Ganztagesangebote sollen gerade für benachteiligte Gruppen Förderangebote stellen, werden aber von diesen noch nicht im erwünschten Maße genutzt. Die Erkenntnis, dass strukturelle Veränderungen meist per se nicht die erwünschten Erfolge nach sich ziehen, sondern die Qualität der strukturellen Veränderungen entscheidend ist, verweist auf die Bedeutung der Lehreraus- und -fortbildung. Vor dem Hintergrund einer unselektierten und damit sehr heterogenen Schülerschaft gehören deswegen im besonderen Maße die Diagnose- und Förderkompetenz zu den Kerninhalten der Lehre bzw. von Fortbildungen. Darüber hinaus sollen aber auch aktive, positive Einstellungen gegenüber Heterogenität angebahnt werden, da sie einen günstigen Einfluss auf die Unterrichtsqualität und damit langfristig auf die Persönlichkeits- und Leistungsentwicklung der Kinder in der Grundschule haben.
13.1 Erwartungen an die Grundschule Seit der Gründung einer gemeinsamen (Weimarer) Grundschule in Deutschland in den Jahren 1919/1920 und bis heute werden Erwartungen an die Primarstufe herangetragen und durch Entwicklungen in der Gesellschaft und in der Bildungspolitik um neue erweitert. Dabei ist die Grundschule seit Beginn ihres nahezu hundertjährigen Bestehens bei der Erfüllung von Bildungserwartungen gebunden an strukturelle Merkmale, die bis heute Bestand haben (vgl. Tenorth 2012). So versteht sich die Grundschule bis heute als undifferenzierte Elementarschule für (fast) alle Kinder, unabhängig von deren Herkunftsbedingungen und Voraussetzungen. Zusätzlich zur Aufnahme (fast) aller Kinder in die Grundschule und zu ihrem Verpflichtungscharakter sind auch die Organisation in Jahrgangsklassen und die Dauer von vier Jahren festgelegt. Diese „Eckpfeiler“ haben bis heute überdauert und das Gesicht der Grundschule geprägt. Gerade vor dem Hintergrund der Erwartungen, die Grundschule immer noch oder aufgrund aktueller Entwicklungen erfüllen soll, muss geprüft werden, wie Bildungspotenziale im Rahmen der vorgegebenen Struktur genutzt werden können und ob ggf. Veränderungen der strukturellen Merkmale einen Mehrwert für die Ausschöpfung von Bildungspotenzialen haben.
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Erwartungen an die Grundschule 473 13.1.1 Der Bildungsauftrag der Grundschule Bereits seit ihrer Gründung besteht eine der wichtigsten Erwartungen an die Grundschule in der Doppelaufgabe, sowohl für eine angemessene Grundbildung für alle zu sorgen als auch Voraussetzungen für weiterführende Schulen zu schaffen. Dieser institutionell vorgesehene, zweigleisige Bildungsauftrag der Grundschule schafft Spannungsfelder, die keine Auflösung erwarten lassen. Die gemeinsame Bildung hat hohe Priorität, suggeriert fälschlicherweise ein gemeinsames Niveau für alle Kinder und legt den Fokus auf den Leistungsbereich. Die deutsche Grundschule hat jedoch seit der Weimarer Republik ein multikriteriales Bildungsverständnis, das die Stärkung der Persönlichkeit zusätzlich zur Förderung der Leistung als Eigenwert anerkennt (Einsiedler 2014). Schüler mit hohem Selbstkonzept, positivem Selbstwertgefühl und hoher Selbstwirksamkeit sind resilienter bei Herausforderungen und bewältigen Übergänge leichter (Griebel und Niesel 2007). Darüber hinaus unterstützen eine gestärkte Persönlichkeit und speziell ein hohes Selbstkonzept besonders im Anfangsunterricht den Lernerfolg (Kammermeyer und Martschinke 2003, 2006). Nicht zuletzt deswegen ist die gleichwertige Förderung von Persönlichkeit und Leistung (Kammermeyer 2010) in der Grundschule ein wesentliches und eigenständiges Ziel, das sich auch in entsprechenden Bildungs- und Grundschullehrplänen explizit niederschlägt. 13.1.2 Bildung nach PISA und IGLU Das Problem der Bildungsbenachteiligung wurde schon in den Gründungsjahren thematisiert und hält bis heute – unter anderen Vorzeichen – an. Insbesondere die Schulleistungsvergleichsstudien PISA (Programme for International Student Assessment) und IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, erweitert um Mathematik und Naturwissenschaften) konstatieren deutliche Ungleichheiten in der Schulleistung in Deutschland in Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Migrationsstatus. Im Lesen ist Deutschland aktuell im oberen Drittel des internationalen Vergleichs zu finden. Für den Vergleich der drei Erhebungen IGLU 2001, 2006 und 2011 lässt sich ein vorübergehender Aufwärtstrend im Jahr 2006 aber 2011 nicht mehr bestätigen, die Leistungen fallen wieder auf den Stand von 2001 zurück. In Deutschland bleiben über 15 % der Schülerinnen und Schüler auf den Kompetenzstufen 1 und 2 und erreichen damit nur ein Kompetenzniveau, das für das Weiterlernen prognostisch große Probleme in den weiterführenden Schulen vermuten lässt. Stufe 5 und damit die höchste Stufe erreichen 9,5 % der Schülerinnen und Schüler. Beide Quoten werden von anderen Ländern unter- bzw. überboten. Deutschland gehört damit zwar insgesamt zu den Teilnehmerstaaten mit einem hohen Leistungsniveau im Lesen, aber weist dabei auch hohe Disparitäten auf. Erklärungsmächtig für die großen Unterschiede ist weiterhin, wie in allen IGLUStudien, der familiäre Hintergrund (Bos et al. 2012a). Gleiches gilt in etwa für die mathematischen und naturwissenschaftlichen Ergebnisse der deutschen Viertklässler und Viertklässlerinnen (Bos et al. 2012b).
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474 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule 13.1.3 Bildung zwischen Kindertagesstätte und weiterführender Schule Kindertageseinrichtungen haben in den letzten Jahren einen deutlichen Reformierungsschub erfahren, der an der längeren Verweildauer durch das frühere Eintrittsalter, den ambitionierten neuen Bildungsplänen und der Vorreiterrolle bei der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern zu erkennen ist (► Kap. 11). Die weiterführenden Schulen sind bundesweit meist im Zweisäulensystem, selten mit mehreren Wahlformen nach der Grundschule angelegt. Es wird von der Grundschule als Bindeglied zwischen Elementar- und Sekundarstufe erwartet, gleich zwei Übergänge in nur vier Schuljahren anschlussfähig zu gestalten: den Übergang zur und von der Grundschule, wobei insbesondere der Übergang nach oben mit einem hohen Selektionsdruck und der Vergabe von Lebenschancen versehen ist. 13.1.4 Bildung für (fast) alle Kinder Die Weimarer Grundschule ist angetreten mit dem Anspruch, eine Schule für alle Kinder zu sein. Dies schloss aber in der fast hundertjährigen Geschichte immer Kinder mit Förderbedarf aus, die in einem separierenden und ausdifferenzierten Förderschulsystem beschult wurden. Mit der Ratifizierung der UN-Konvention besteht für Deutschland seit 2009 der Rechtsanspruch für Kinder mit Behinderung, mit Regelschülerinnen und -schülern ohne diagnostizierten Förderbedarf gemeinsam unterrichtet zu werden (► Kap. 9). Diese neue Zielstellung findet vor dem Hintergrund der Menschenrechtsperspektive große Anerkennung, die Teilhabe von Kindern mit Förderbedarf im Regelschulsystem wird in den letzten Jahren forciert – erkennbar an steigenden Inklusionsquoten (Klemm 2015). Die weiter bestehende Exklusionsquote deutet Probleme in der Umsetzung an. Es ist erkennbar, dass die Förderschulen derzeit noch eine bedeutsame Rolle in der Beschulung von Kindern mit Förderbedarf haben. 13.1.5 Grundschule als Teil der Bildungslandschaft Neben der Offenheit für Kinder mit Förderbedarf wird erwartet, dass sich Grundschule im Rahmen der Diskussion um Bildungslandschaften auch als Institution stärker vernetzt und öffnet. Die Problematik der eingeschränkten Sichtweise institutionell organisierter Einrichtungen auf ihren eigenen Bildungsort führte in der Vergangenheit dazu, dass informelle Lernprozesse und andere Bildungsorte sowie Bildungsakteure nicht in den Blick genommen und selten systematisch mit schulischem Lernen vernetzt wurden. Diesem Problem versucht die Konzeption der „Bildung als Landschaft“ zu begegnen, indem sie insbesondere informelles und nonformales Lernen als wichtige Ressource darstellt (Dohmen 2001). Dazu gehört das Lernen in der Familie, mit den Medien, in der Kinder- und Jugendarbeit, im Sport, in der Musik usw. (vgl. BMFSFJ 2005). Die Berücksichtigung informeller und nonformaler Lernprozesse im Unterricht sowie die Vernetzung mit anderen Bildungsorten sollen damit zukünftig mehr für schulischen Lernerfolg genutzt werden, eine Herausforderung, die sich insbesondere bei der Umstrukturierung der Grundschule zur Ganztagesgrundschule stellt (Arnoldt et al. 2010; Coelen und Rother 2014).
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Heterogenität der Schülerinnen und Schüler als Herausforderung 475
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13.2 Heterogenität der Schülerinnen und Schüler als Herausforderung Auffällig ist, dass viele Veröffentlichungen auf das Wort Heterogenität das Wörtchen als folgen lassen (vgl. hierzu die diskursanalytische Perspektive bei Budde 2012). Damit ist die Diskussion um pädagogische Bewertungen angestoßen, ob Heterogenität eher positiv (als Chance, Bereicherung) oder eher negativ konnotiert (als Belastung, Herausforderung, Problem) anzusehen ist. 13.2.1 Heterogenität als „schwieriger“ Begriff Heterogenität, Anderssein, Vielfalt, Verschiedenheit oder auch Differenz sind seit den 1990er Jahren expandierende Begriffe, die besonders in der Grundschule als Schule für alle Kinder hohe Prosperität genießen und „Hochkonjunktur“ haben (Budde 2012). Zwar hat Herbart schon früh auf den Grundfehler aufmerksam gemacht, nicht auf die Verschiedenheit der Köpfe zu achten. Vorrangige Pionierarbeit geleistet für diese wichtige grundschulpädagogische Herausforderung hat dann aber Annedore Prengel (Prengel 1995), die neben vielen anderen eine qualitativ hochwertige Begriffsklärung, Grundlegung und Diskussion angestoßen hat, die allerdings immer wieder auch auf ungerechtfertigte Simplifizierungen stößt (Martschinke 2016). Auffällig ist beispielsweise, dass Heterogenität immer nur im Zusammenhang mit ihrer Gegenspielerin genannt wird, der Homogenität. Negative Ausleseverfahren, wie z. B. Zurückstellungen, Zurückstufungen von Schülern und Schülerinnen in die vorherige Klassenstufe bzw. in eine „niedrigere“ Schulform oder Sonderschulzuweisungen treffen immer noch ca. 40 % der Schulkarrieren (Schümer 2005), die gewünschte Homogenisierung tritt trotz all dieser Versuche nicht ein. Damit ist Heterogenität immer noch nur die eine Seite der Medaille, ein relativer Begriff, der erst durch Homogenitätsvorstellungen hergestellt wird. Vereinfachend sind auch die üblichen langen Listen von Heterogenitätsmerkmalen und die Reduktion auf eine Differenzlinie (z. B. Kinder mit Migrationshintergrund, Erstklässler, Jungen, schüchterne Kinder, Behinderte usw.). Man leistet mit dieser Form der Essentialisierung einem Schubladendenken Vorschub. So wird beispielsweise das Merkmal Behinderung zu einer zu „engen Schublade“, der Blick auf die Vielfalt innerhalb eines (behinderten) Kindes bleibt verschlossen. Die diversen Dimensionen wirken in Lehr- und Lernprozessen niemals isoliert voneinander (Allemann-Ghionda 2013; Geißler 2012; Trautmann und Wischer 2011), sondern kombiniert in komplexen Intersektionen. Differenzlinien müssen deswegen immer in komplexen Merkmalsmustern gedacht und nicht nur als Stereotype angesehen werden. Deswegen ist einem weiten Verständnis von Heterogenität der Vorzug zu geben, der weitere Differenzlinien im Persönlichkeitsbereich (Selbstkonzept, Angst, Hilfsbereitschaft, Interesse, soziale Orientierungen…) einschließt. Auch die Reduktion auf individuumsbezogene Differenzlinien ist fragwürdig. Man tut so, als ob Heterogenität etwas Naturgegebenes ist, das durch die Schülerinnen
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476 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule und Schüler in die Schulen eindringt und verleugnet dabei, dass Gesellschaft und speziell Schule darüber hinaus Heterogenität reproduzieren, generieren, verstärken. Sitzenbleiben, das weiterführende Schulsystem, aber auch „Early Tracking“- sowie Ganztagsschulangebote produzieren zusätzliche Ungleichheit. Fazit ist, dass die Leistung nicht nur ein Verdienst der Einzelnen, sondern teilweise ein sehr ungerechtes Ergebnis einer Heterogenisierung ist (Geißler 2012). 13.2.2 Differenzlinien und ihre Bedeutung Trotz aller Ausdifferenzierungen des Begriffs Heterogenität ist der Zugriff auf Heterogenität über sogenannte Dimensionen, Differenzlinien oder Merkmale strukturierend und hilfreich (z. B. Roßbach und Wellenreuther 2002; Trautmann und Wischer 2011). Besondere Aufmerksamkeit haben über die Schulleistungsstudien PISA und IGLU die soziale Herkunft und der Migrationshintergrund als Differenzlinien erhalten. Sie weisen eine hohe Prädiktionskraft für Erfolg bzw. Misserfolg in der Schule auf, erklären in einem hohen Ausmaß Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb (Ditton und Maaz 2011) und haben besonders an Gelenkstellen des Bildungssystems hohe Bedeutung, z. B. beim Übergang auf die weiterführenden Schulen. Damit sind sie entscheidend für die Verteilung von Bildungschancen (► Kap. 8). Der IQB-Ländervergleich (Stanat et al. 2012) weist 24,7 % der Grundschülerinnen und -schüler mit Migrationshintergrund aus, der Anteil schwankt in den Ländern zwischen 4,5 % (Mecklenburg-Vorpommern) und 32,2 % (Hessen). Im Stadtstaat Hamburg gehört fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler (43,8 %) im Unterricht zur Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Der aktuelle Bildungsbericht (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016) verweist auf steigenden Zahlen bei den unter Zehnjährigen, bei denen mehr als ein Drittel einen Migrationshintergrund vorzuweisen hat. Über die Verteilung der Schichten für die Altersgruppe der Sechs- bis Elfjährigen gibt die World Vision Kinderstudie (Andresen und Hurrelmann 2013) Auskunft: Der hier verwendete Schichtindex koppelt Bildungshintergrund der Eltern mit der materiellen Lage des Haushalts. 9 % der Kinder sind in der Unterschicht zu verorten, sie kommen aus bildungsfernen Elternhäusern mit geringem Einkommen. Dieser Befund ist in allen drei Wellen der Studie seit 2007 stabil. Besorgniserregend ist der überproportionale Anteil der Grundschulkinder aus der Schicht, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind und ihr Wohnumfeld als bedrohlich empfinden. 59 % dieser Gruppe haben Migrationshintergrund im Gegensatz zur Oberschicht mit nur 16 % der Kinder mit Migrationshintergrund. Die geringere Nutzung institutioneller Einrichtungen wie Krippe und Kindergarten deuten insgesamt auf weniger Teilhabechancen – die Bildungsbenachteiligungen kumulieren. Differenzen im Kompetenzerwerb zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund und aus bildungsfernen und bildungsnahen Elternhäusern sind vielfach empirisch bestätigt. Schon in der IGLU-Welle von 2006 (Schwippert et al. 2008) erzielten Kinder mit Migrationshintergrund signifikant schlechtere
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Heterogenität der Schülerinnen und Schüler als Herausforderung 477 Leseleistungen als Kinder ohne Migrationshintergrund. Auch für Kinder aus einkommensschwachen Familien stellt sich mit schlechteren Leistungen im Lesen ein Herkunftseffekt ein (Groeneveld et al. 2011). Als Erklärung dient der vergleichsweise große Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Lesekompetenz in Deutschland. Auch in IGLU 2011 gehört Deutschland zu den Teilnehmerstaaten, in denen die Grundschüler und Grundschülerinnen ein relativ hohes Leistungsniveau im Lesen erreichen, aber auch sehr hohe soziale Disparitäten aufweisen, d. h. die Koppelung zwischen Leistung und sozialer Herkunft sehr hoch ist (Bos et al. 2012a). Die Wahrnehmung des Ausmaßes der Leistungsheterogenität durch die Lehrkräfte stimmt recht gut überein mit den aufgefundenen Leistungsstreuungen in den Klassen. Im Vergleich zum durchschnittlich niedrigen soziökonomischen Status, der eher eine Leistungsunterschätzung nach sich zieht, führt ein hoher Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund zu einer Überschätzung der Leistungsheterogenität und nimmt vermutlich in der Wahrnehmung der Lehrkräfte eine besondere Stellung ein (Decristan et al. 2014). Als Suche nach Merkmalen, die als Ressourcen in Fördermaßnahmen gestärkt werden können, wurde man in einer mehrebenenanalytischen Prüfung der IGLU-Daten fündig. Hier konnten Hinweise auf die protektive Wirkung des akademischen Selbstkonzeptes gefunden werden (Groeneveld et al. 2011). Aber auch die (Lese-) Motivation zeigt sich tendenziell günstiger bei Kindern mit Migrationshintergrund (Hartmann und El-Khechen 2013 auf der Basis der Berliner Längsschnittstudie) und könnte damit eventuell ein Ansatzpunkt für Förderung sein. Hinweise geben auch die Auswertungen der IGLU-Daten in Bezug auf Stärken und Schwächen von Kindern mit Migrationshintergrund: Überraschend konnten sie hierarchiehöhere Leseaufgaben tendenziell besser lösen als Kinder ohne Migrationshintergrund, aber hatten dafür größere Probleme bei Aufgaben im offenen Antwortformat (Schwabe et al. 2014). 13.2.3 Behinderung als besondere Differenzlinie Heterogenität wird seit dem Inkrafttreten der UN-Konvention zusätzlich hergestellt, da seither zunehmend Kinder mit Behinderung mit Regelschülerinnen und -schülern ohne diagnostizierten Förderbedarf gemeinsam und inklusiv unterrichtet werden (► Kap. 9). Damit ist juristisch die Grundlage geschaffen, Bildungsbenachteiligungen von Kindern mit Förderbedarf entgegenzuwirken bzw. ihre Bildungsteilhabe an allgemeinbildenden Schulen herzustellen. Auch wenn die Inklusionsquote der Kinder mit Förderbedarf, die in allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden, bis zum Schuljahr 2013/14 stetig auf 29,9 % (Klemm 2015) angewachsen ist, werden immer noch relativ stabil ca. 5 % der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Förderschulen unterrichtet. Insgesamt sinkt der Inklusionsanteil von der Kindestageseinrichtung über die Grundschule bis hin zur weiterführenden Schule. Liegt im Schuljahr 2013/14 der Inklusionsanteil in Kindertageseinrichtungen bei 67 %, so werden in der Grundschule nur 46,9 % der
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478 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule Kinder mit Förderbedarf inklusiv unterrichtet. Das sind allerdings deutlich mehr als 2011 (39,2 %). Die Unterschiede zwischen den Bundesländern bleiben dabei erheblich (Klemm 2015): Schleswig-Holstein steht an der Spitze mit einer über achtzigprozentigen Inklusionsquote (84,2 %), in Bayern dagegen werden nur 36,7 % der förderbedürftigen Grundschülerinnen und -schüler inklusiv beschult (Klemm 2015). In den weiterführenden Schulen sinkt der Anteil dann auf 29,9 % (Klemm 2015).
Bayern Hessen Sachsen Rheinland-Pfalz Sachsen-Anhalt Thüringen Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg Mecklenburg-Vorpommern Brandenburg Berlin Bremen Hamburg Saarland Schleswig-Holstein
36,7 36,8 39,4 42,1 43,2 46,1 46,8 48,6 52,4 62,1 64,1 68,9 69,5 73 84,2 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Abb. 13.1: Anteile der inklusiv betreuten bzw. unterrichteten Grundschulkinder mit besonderem Förderbedarf im Schuljahr 2013/14 (nach Klemm 2015, 36, 55)
Dass noch nicht einmal jedes zweite Kind mit Förderbedarf in der Grundschule inklusiv geschult wird, hat verschiedene Gründe. Befürchtungen, dass Inklusion Grundschulkinder in ihrer Leistungsentwicklung „bremst“, werden empirisch entkräftet. Der Forschungsstand lässt keine Beeinträchtigung im Leistungsbereich erkennen (Kalambouka et al. 2007). Man kann eher positive Effekte für das akademische und soziale Selbstkonzept und Selbstwertgefühl erwarten. Die sozialen Abwärtsvergleiche mit Leistungsschwächeren scheinen sich hier günstig auszuwirken (vgl. Martschinke et al. 2012). Auch für die Kinder mit Förderbedarf gibt es Hinweise für Effekte zugunsten inklusiver Maßnahmen im Leistungsbereich (vgl. Walter 2007; Sermier Dessemontet et al. 2011; Katz und Mirenda 2002). Die Ergebnisse können allerdings in Abhängigkeit von der Art des Förderbedarfs variieren bzw. beziehen sich meist auf Kinder mit Lernbehinderungen, so auch der bundesweite IQB-Ländervergleich in der Primarstufe (2011), der für diese Kinder aber auf positive Effekte verweisen kann (vgl. Kocaj et al. 2014).
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Heterogenität der Schülerinnen und Schüler als Herausforderung 479
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Positive Effekte für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiven Settings im Leistungsbereich (Kocaj et al. 2014) Die Fragestellung: Die 2014 publizierte empirische Studie trägt ihre Fragestellung im Titel: „Wo lernen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besser?“ Verglichen werden schulische Kompetenzen von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelund Förderschulen. Die Besonderheit der Studie (Stichprobe, Auswertungsmethode): Die breite Datenbasis stellen die Leistungstests (in Mathematik und Deutsch) von Kindern mit sonder pädagogischem Förderbedarf an Regelschulen (n = 658) und an Förderschulen (n = 413) des bundesweit angelegten IQB-Ländervergleichs in der Primarstufe dar. Schwierigkeitsgrad der Aufgaben und die Bearbeitungszeit wurden für Kinder aus den Förderschwerpunkten Sprache und Lernen angepasst, so dass für beide Gruppen Instrumente mit ähnlich guten psychometrischen Eigenschaften vorliegen. Um die Probleme der fehlenden Randomisierung bei der Zuweisung der Kinder zur Förderoder zur Regelschule in den Griff zu bekommen, findet ein Propensity Score Matching Anwendung, d. h. in beiden Gruppen wurden Kinder mit ähnlichen Werten in wichtigen Hintergrundvariablen (z. B. kognitive Grundfähigkeiten, soziokultureller Hintergrund etc.) „gematcht“. Ergebnisse: Tatsächlich zeigen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in inklusiven Settings an Regelgrundschulen beschult werden, signifikant bessere Testleistungen in Deutsch und Mathematik als vergleichbare Kinder in Förderschulen. Die Kinder aus dem Förderschwerpunkt Lernen zeigen dabei nochmals deutlich höhere Effekte als Kinder aus dem Förderschwerpunkt Sprache. Limitationen und Ausblick: Da es sich um eine querschnittliche Studie handelt, reicht auch das Matching letztlich nicht aus, um eventuell vorhandene Konfundierungen mit Gruppenunterschieden auszuschließen und die Effekte alleine auf die Art der Beschulung zurückzuführen. Die Untersuchung steht aber im Einklang mit internationalen Studien und bekräftigt die Annahme, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (aus den Förderschwerpunkten Lernen und Sprache) in Regelschulen in der Primarstufe unterrichtet werden können und sollen vor dem Hintergrund einer dort möglichen positiven Leistungs entwicklung. Da aber nicht anzunehmen ist, dass alleine diese strukturelle Maßnahme zum Erfolg führt, sondern „guter Unterricht“ in diesem Regelschulsetting dafür verantwortlich ist, bedarf es dringend weiterer Aufklärung solcher erfolgversprechender Mechanismen. Abb. 13.2: Beispiel für eine Studie zu den Leistungseffekten in inklusiven Settings
Etwas unklar ist das Bild in Studien mit Kindern mit geistiger Behinderung (vgl. Katz und Mirenda, 2002; Sermier Dessemontet et al. 2011) im Bereich der Persönlichkeit. In Abhängigkeit von Setting und Förderbedarf kann sich der soziale Aufwärtsvergleich mit Regelschulkindern aber auch ungünstig (Huber 2009) oder die Teilhabe und Eingebundenheit günstig auf das akademische und soziale Selbst-
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480 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule konzept auswirken bzw. keinen Effekt haben (Sauer et al. 2007; Martschinke et al. 2012). Die Befundlage zu Chancen und Grenzen von Inklusion insgesamt ist also einerseits aufgrund der Unterschiedlichkeit des Förderbedarfs und der Unterschiedlichkeit der inklusiven Settings (z. B. Einzelintegration, Kooperationsklassen, …) hoch komplex und erlaubt keine einfachen Antworten. Andererseits sind die Ergebnisse für Grundschulkinder eindeutig positiv und für Kinder mit Förderbedarf ermutigend, so dass die Suche nach Gelingensbedingungen sinnvoll erscheint, die auch Kinder mit Förderbedarf im gemeinsamem Unterricht soziale Teilhabe und Eingebundenheit ermöglichen, ohne dass sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung beschädigt werden.
13.3 Individuelle Förderung Auch wenn in Abschnitt 13.2 vorrangig soziale Herkunft, Migrationshintergrund und Behinderung als bedeutsame Differenzlinien für Bildungsbenachteiligung hervorgehoben sind, ist die Liste lang und kumuliert in Gruppen und Individuen in unzähligen Merkmalsmustern. Ebenso variieren die Möglichkeiten, wie man unterrichtlich mit Heterogenität umgehen kann. 13.3.1 Grundschulpädagogischer Umgang mit Heterogenität In der von Trautmann und Wischer (2011) sowie Klieme und Warwas (2011) vorgeschlagenen Systematik zum Umgang mit Heterogenität sind die ersten beiden Formen eher der (nicht erwünschten) Homogenisierungsvorstellung zuzuordnen. Beim Ignorieren der Lern- und Leistungsunterschiede (passive Reaktionsform) findet man eine Orientierung an einem fiktiven Durchschnittsschüler und damit ein gleichschrittiges Lehren und Lernen. Bei der substitutiven Reaktionsform sollen sich die Schülerinnen und Schüler an die Anforderungen des Unterrichts anpassen, teilweise sollen spezielle Programme die Schülerinnen und Schüler an das Durchschnittsniveau heran führen. Die dritte und vierte Möglichkeit, die aktive und die proaktive Reaktionsform sind unter dem Stichwort „Adaptiver Unterricht“ einzuordnen. Die aktive Reaktionsform beinhaltet Angebote für alle oder mehrere Kinder (z. B. differenzierende Aufgaben). Hertel (2014) spricht hier von genereller Unterrichtsgestaltung und methodisch-didaktischen Schwerpunktsetzungen – auf der Ebene der Schulklasse. Die proaktive Reaktionsform ist gekennzeichnet durch den einzelnen Schüler*innen zugewandte Formen, z. B. durch einen Lehrstil mit betonter Individualisierung in Still- und Übungsphasen und durch Zieldifferenzen. Einzelne Schülerinnen und Schüler werden durch spezifische Unterstützungs- und Zusatzangebote, aber eben im Unterricht, auf der Ebene des Individuums, gefördert.
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Individuelle Förderung 481 13.3.2 Adaptivität als Qualitätskriterium für individuelle Förderung Individualisierung und interne Differenzierung, eigentlich theoretisch erfolgversprechende Maßnahmen, haben laut der Meta-Studie „Visible Learning“ nur geringe Effektstärken vorzuweisen (Hattie 2013). Da sich dahinter aber eine Vielfalt von Möglichkeiten verbergen, ist die Frage nach der Qualität individueller Förderung zu stellen. Adaptivität als Qualitätskriterium ist nach Weinert und Helmke (1997) didaktisch aussichtsreich und flexibel handhabbar (► Kap. 10). Einerseits soll jedes einzelne Kind gefördert werden, andererseits sollen aber auch alle Kinder dazulernen und Mindeststandards erreicht werden, ohne dass individuelle Unterschiede deutlich sichtbar werden und die Streuung in der Klasse zunimmt (Hardy et al. 2011). Wie können Lehrkräfte in der Grundschule mit Unterschieden umgehen? Eine Systematisierung (Wischer 2007; Martschinke 2016) 1. Passive Reaktionsform: Ignorieren der Lern- und Leistungsunterschiede
2. Substitive Reaktionsform: Anpassung der Schüler*innen an die Anforderungen des Unterrichts 3. Aktive Reaktionsform: Anpassung des Unterrichts an die lernrelevanten Unterschiede zwischen den Schülern*innen
4. Proaktive Reaktionsform: gezielte Förderung der einzelnen Schüler*innen durch adaptive Gestaltung des Unterrichts
Makroadaptation
Mikroadaptation
Adaptivität im Unterricht
… durch eine Unterrichtsgestaltung und methodisch-didaktische Schwerpunktsetzungen mit einer Passung für alle Kinder der Klasse in offenen Formen, in kooperativen Settings, in Differenzierungsphasen durch Variation des Aufgabenmaterials
… durch die individuelle Interaktion mit dem Kind in den einzelnen Schüler*innen zugewandten Formen, in Stillarbeit und freien Phasen, durch Zieldifferenzen, durch spezifische Unterstützungsphasen und Zusatzangebote
Abb. 13.3: Möglichkeiten des Umgangs mit Unterschieden
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482 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule Bei der aktiven Reaktionsform, der Makroebene, kann Adaptivität für alle Kinder der Klasse durch eine Passung zwischen Lernumgebung und Lernvoraussetzungen in offenen Formen, in kooperativen Settings, in Differenzierungsphasen durch Variation des Aufgabenmaterials erreicht werden. Proaktiv unterrichtet die Lehrkraft (Mikroebene), wenn sie in der individuellen Interaktion auf die Lernvoraussetzungen des einzelnen Kindes in Stillarbeit und freien Phasen, durch Zieldifferenzen, durch spezifische Unterstützungsphasen und Zusatzangebote reagiert. Als Varianten individueller Förderung schlagen Klieme und Warwas (2011) kompensatorische Trainings- und Zusatzangebote, vielfältige Lernwege durch offenen Unterricht und Binnendifferenzierung durch adaptiven Unterricht vor, die aber nicht per se individuell fördernd sind, sondern ein ganzes „mindset“ für adaptives Unterrichten voraussetzen. Wichtig erscheinen dabei Lehrkraftaktivitäten auf der Mikroebene, insbesondere alle Formen der individuellen Rückmeldung (Hattie und Timperley 2007). Differenzierungsmaßnahmen lassen eher geringe Effekte in Abhängigkeit von der Gruppenzusammensetzung erwarten (Roßbach und Wellenreuther 2002). Allerdings gibt es auch aussichtsreiche Ansätze: Im deutschsprachigen Raum konnte Helmke (1988) – allerdings in einer Hauptschulstudie – Adaptivität als Merkmal von Optimalklassen mit Leistungssteigerung und Ausgleich von Leistungsunterschieden identifizieren. Für große Aufmerksamkeit hat das Modell adaptiven Lernens ALEM (adaptive learning environment model) mit Teilen angeleiteten und selbstständigen Lernens gesorgt. Folgende Elemente wurden über Lehrkraftfortbildungen implementiert: Zuerst werden Lernvoraussetzungen erhoben, dann ein Monitoring der Lernfortschritte durchgeführt und entsprechende curriculare Entscheidungen getroffen und didaktische Schlussfolgerungen gezogen. Dieses hochadaptive Programm legt Wert auf kognitive Aktivierung und soziale und emotionale Wertschätzung. Diverse Untersuchungen (Waxman et al.1985) verweisen auf multikriteriale Effekte (auf bessere Leistungsergebnisse, günstigeres Arbeits- und Sozialverhalten, höhere Lernmotivation), allerdings nur, wenn die Lehrkräfte fachgerecht implementiert und dabei entsprechende Unterstützung erhalten hatten. 13.3.3 Die Lehrkraft als wichtiger Gelingensfaktor Terhart (2007) präzisiert die Aufgaben der Lehrkraft für die Grundschule und stellt die Fähigkeiten zum konstruktiven Umgang mit der wachsenden Heterogenität der Grundschüler*innen und zur Bereitstellung eines stärker individualisierten Angebots von Lernmöglichkeiten als zentrale Kompetenzen heraus. Speziell für adaptive Lehrkompetenz entwickelt und prüft seit mehreren Jahren eine Schweizer Arbeitsgruppe ein Modell, das Sachkompetenz in Bezug auf den Inhalt, diagnostische Kompetenz (Lernvoraussetzungen und Lernverläufe), didaktische Kompetenz im Sinne von Passung zu den Lernvoraussetzungen sowie Klassen-
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Individuelle Förderung 483 führungskompetenz für die Steuerung und Begleitung von Unterrichts- und Lernprozessen umschließt (vgl. Rogalla und Vogt 2008; Wischer 2009; Brühwiler 2014). Das sich daran anschließende Interventionsprojekt fand zwar in fünften und siebten Schweizer Klassen und damit nicht in der Grundschule statt, ergab aber plausible Hinweise auf das Potenzial adaptiver Kompetenz, die noch für die Grundschule zu prüfen wäre: Auf Lehrerebene zeigte sich ein signifikanter Effekt auf adaptive Planungskompetenz (größter Anteil bei Diagnose) sowie eine nicht signifikante Tendenz auch bei adaptiver Handlungskompetenz. Auf Schülerebene zeigte sich nur in der Interventionsgruppe und nicht in der Kontrollgruppe eine signifikante Leistungssteigerung. Es profitierten alle Schüler*innen gleichermaßen von der Intervention, unabhängig von ihren Lernvoraussetzungen, besonders aber auf Klassenebene die Klassen mit besonders hoher Leistungsheterogenität (Rogalla und Vogt 2008; Brühwiler 2014). Den Wirkmechanismus zeigt eine mehrebenenanalytische Auswertung mit guter Modellanpassung. Dabei gibt es zwar keine signifikante direkte Wirkung von adaptiver Lehrkompetenz auf den Leistungszuwachs. Adaptive Lehrpersonen wirken demnach leistungsfördernd über einen veränderten Unterricht, der durch geringen Unterrichtsdruck, eine starke Beteiligung der Schülerinnen und Schüler, eine hohe Vermittlungsqualität und Interessantheit des Unterrichts gekennzeichnet ist (Brühwiler 2014). Darüber hinaus spielen Einstellungen (Baumert et al. 2010) in neueren Lehrkraftkompetenzmodellen und Angebots-Nutzungs-Modellen eine bedeutsame Rolle und sind eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Unterricht und für Schülererfolge (Voss et al. 2011). So zeichnet sich auch die Tendenz ab, dass günstige Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen im Umgang mit Heterogenität mit häufiger Differenzierung gepaart sind (Kopp und Martschinke 2011). Speziell für den Umgang mit Kindern mit Förderbedarf hängt diese Einstellung aber stark ab von der Art der Behinderung (z. B. Avramidis und Norwich 2002; Gebhardt et al. 2011). Insbesondere die Herausforderungen, die durch Kinder mit geistiger Behinderung oder Verhaltensauffälligkeiten entstehen, werden als schwerwiegender und schwieriger angesehen als die Aufgabe, Kinder mit Lernbehinderungen und körperlicher Behinderung zu unterrichten. Auch praktische Erfahrungen mit Unterschieden (und damit verbunden eine positive Bewältigungserfahrung) können unter Umständen der Schlüssel für mögliche Veränderungen solcher und auch genereller Einstellungen zum Umgang mit Heterogenität sein. So konnten Lang et al. (2009) feststellen, dass Lehrkräfte durch die bewusste Erhöhung von Heterogenität in jahrgangsgemischten Klassen eine aktivere, günstigere Einstellung weg von einem Homogenisierungsideal einnahmen.
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484 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule Einstellungen von Lehrkräften zur Heterogenität in jahrgangsgemischten Klassen
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(Lang, Grittner, Rehle und Hartinger 2010; Hartinger, Grittner, Lang und Rehle 2010)
Fragestellung: Die Studie untersucht, ob sich Lehrkräfte in jahrgangsgemischten und jahrgangshomogenen Klassen (Klassenstufen 1 und 2) in ihrer Einstellung gegenüber Heterogenität unterscheiden. In der Teilgruppe der jahrgangsgemischt unterrichtenden Lehrkräfte wird nach Unterschieden gesucht, die auf Erfahrungen zurückzuführen sind. Methode und Stichprobe: In der Querschnittsuntersuchung wurden 211 Lehrkräfte einer jahrgangsgemischten Eingangsstufe und 236 Lehrkräfte aus jahrgangshomogenen Klassen zu ihrer Einstellung zur Heterogenität entlang der Faktoren differenzbezogene (positive) Sichtweise auf Heterogenität (Grund: mögliche Bereicherung des Unterrichts), negative Sicht auf Heterogenität (Grund: hohe Arbeitsbelastung) und normbezogene (negative) Sichtweise auf Heterogenität (Ziel ist Homogenisierung) befragt. Die insgesamt 14 Items wurden mit Hilfe einer vierstufigen Likertskala (0 bis 3) eingeschätzt. Ergebnisse: Die deutlichsten (varianzanalytisch geprüften, signifikanten) Unterschiede finden sich in der positiven Einstellung (Heterogenität als Bereicherung): Hier zeigen die Lehrkräfte aus jahrgangsgemischten Klassen deutlich höhere Werte. Bei dem negativ getönten Faktor „Ziel Homogenisierung“ ist es dagegen genau umgekehrt. In der Gruppe der Lehrkräfte, die aktuell und schon seit mehr als zwei Jahren jahrgangsgemischt unterrichten, wird Heterogenität mit einem signifikant höheren Wert als Bereicherung eingeschätzt als in der Gruppe der Lehrkräfte mit geringerer Berufspraxis in jahrgangsgemischten Klassen. 2,5 2
2,24 1,8 1,64
1,75 1,5
1,5 1,17 1 0,5 0 positiv: Bereicherung
negativ: Arbeitsaufwand
jahrgangshomogen
negativ: Ziel Homogenisierung
jahrgangsgemischt
Limitationen und Ausblick: Die Anlage der Studie erlaubt keine Prüfung von Ursache-WirkungsZusammenhängen. Es sind beide Wirkrichtungen denkbar: Nur Lehrkräfte mit positiver Einstellung zur Heterogenität arbeiten erfolgreich und langfristig in einem jahrgangsgemischten Unterricht – und: Berufspraxis verändert die Einstellungen zu Heterogenität in positiver Richtung. Hier ist weiterer Forschungsbedarf erkennbar: Einstellungen in jahrgangsgemischten oder generell in „heterogenisierten“ Settings müssen eventuell auch auf ihre Impulskraft für Schul und Unterrichtsentwicklung geprüft werden. Die Frage ist noch offen, ob und wie Einstellungen im Sinne eines Homogenisierungsideals (eventuell durch entsprechende Berufspraxis) aufgebrochen werden können. Abb. 13.4: Beispiel für eine Studie zu Einstellungen von Lehrkräften zu Heterogenität
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Übergänge zu und von der Grundschule als Herausforderung 485 13.3.4 Verbreitung individueller und adaptiver Förderung Insgesamt ist die Verbreitung von individueller und adaptiver Förderung in Deutschland noch wenig ausgeprägt. Es wird wenig differenziert, nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler erhält beispielsweise unterschiedliche Aufgaben und Materialien im Rechtschreibunterricht (Bos et al. 2003). Bei Lehrkräften ist von erheblichen interindividuellen Unterschieden auszugehen (Martschinke und Kammermeyer 2003; Kammermeyer und Martschinke 2006). Wenn Lehrkräfte überhaupt differenzieren, differenzieren sie meist quantitativ und geben „mehr Zeit“ (Bos et al. 2007). Dabei werden eher selten komplexe Unterrichtsformen mit individueller Passung eingesetzt und vorrangig Maßnahmen mit geringem Aufwand (VERA: Schrader undHelmke 2008). Leistungsheterogenität führt dabei nicht automatisch zu mehr Differenzierung, aber auch hier spielen Einstellungen wieder eine bedeutsame Rolle: Lehrkräfte mit hoher konstruktivistischer Orientierung verwenden häufiger Variationen von Aufgabenmaterial oder Gruppenpuzzles (Makroformen) (Warwas et al. 2011), ein Hinweis auf individuelle und adaptive Förderung. Auch die Latent Class-Analyse der IGLU-Studie 2006 zeigt, dass in Deutschland zu einem absolut und im internationalen Vergleich sehr hohen Prozentsatz (ca. 80 %) geführter Unterricht ohne individuelle Förderung stattfindet. Die Typen, die eine mehr oder wenig ausgeprägte Förderkultur aufweisen, sind dagegen – auch im internationalen Vergleich – sehr rar. Die kürzlich gestartete IGEL Grundschulstudie (Individuelle Förderung und adaptive Lern-Gelegenheiten in der Grundschule) konnte allerdings zeigen, dass Fortbildungsmaßnahmen zu wichtigen Makrostrukturen für Adaptivität (z. B. zur individuellen kognitiven Strukturierung, zur Diagnostik und Ableitung weiterer Lernschritte) im großen Umfang implementiert werden konnten, eine Option für weitere Lehrkraftfortbildung, aber auch für die -ausbildung (z. B. Hardy et al. 2011).
13.4 Übergänge zu und von der Grundschule als Herausforderung Die Übergänge nach oben und unten werden aktuell auch verstärkt unter der Perspektive von Bildungsbenachteiligungen betrachtet. Der für eine gelingende Übergangsbewältigung bedeutsame Transitionsansatz stellt nicht nur das Kind als aktiven Bewältiger in den Mittelpunkt, sondern eben auch Eltern und damit auch verstärkt den sozialen und familiären Hintergrund (Griebel und Niesel 2007). 13.4.1 Der Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule Das Einschulungsalter variiert zwischen den Bundesländern. Länder mit vorgezogenem Stichtag und Länder mit herkömmlicher Stichtagsregelung führen zu einer Altersvariabilität im Stichtag von 5,7 bis 6,2 Jahren (Bellenberg und Klemm
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486 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule 2014). Neun von zehn Erstklässlern werden laut Statistischem Bundesamt (2014) im Schuljahr 2012/13 fristgemäß eingeschult. Die 10 % der nicht fristgemäßen Einschulungen verteilen sich auf 3 % der Kinder, die vorzeitig eingeschult, und 7 %, die zurückgestellt werden (► Kap. 11). Die Sonderregelegungen der vorzeitigen Einschulung bzw. Zurückstellung treffen Kinder unterschiedlicher Herkunft in unterschiedlicher Weise. Auf der Basis des Sozio-ökonomischen Panels kommen Kratzmann und Schneider (2008) zu dem Ergebnis, dass Kinder aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status typischerweise früher, Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status eher später eingeschult werden und sich somit soziale Ungleichheiten schon beim Schulstart auswirken. Verzögerungen beim Start in die Schule konnten sie ähnlich bei Kindern mit Migrationshintergrund feststellen. Als Erklärungen für eine verspätete Einschulung dienen u. a. niedrigere Kompetenzen, die durch weniger Anregungsbedingungen in Familien und geringere Beteiligung an institutioneller Förderung, z. B. im Kindergarten, bedingt sein können. Migrantenkinder werden tatsächlich seltener und später durch den Kindergarten gefördert (Diefenbach 2010). Zudem scheinen Kindertageseinrichtungen mit einem hohen Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache Kinder mit Schwierigkeiten in der deutschen Sprache nicht ausreichend fördern zu können. Sie weisen durchschnittlich schlechtere Werte auf (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Eine Untersuchung in Berliner Grundschulen zur Feststellung des individuellen sprachlichen Förderbedarfs bei Kindern im Vorschulalter mit dem eigens konstruierten Instrument „Bärenstark“ zeigt die hohe Varianzaufklärung von 27,2 % für die soziale und ethnische Herkunft der Kinder (Mengering 2005). Speziell (kognitive und) sprachliche Entwicklungsrückstände – so auch die Analyse der NEPS-Daten – sind charakteristische Anlässe für die verspätete Einschulung (Becker und Biedinger 2005; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Diverse vorschulische Sprachstandserhebungen und Sprachförderansätze in den Bundesländern werden aktuell zunehmend ergänzt oder ersetzt durch alltagsintegrierte Sprachbildungsmaßnahmen. Ob aber der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule wirklich „kritisch“ und damit eine potenzielle Hürde ist, wird sehr unterschiedlich eingeschätzt (Kluczniok und Roßbach 2014), u. a. zu erklären durch sehr unterschiedlichen Operationalisierungen, was als „kritisch“ angesehen wird (für einen Überblick zu internationalen Forschungsergebnissen zur Übergangsbewältigung vgl. Griebel und Niesel 2007). Schwere Krisen werden tatsächlich eher selten ausgelöst (Faust 2012), allerdings verstärken sich teilweise Verhaltensprobleme, Probleme im Selbstkonzept, im emotionalen Bereich. Solche und ähnliche Beobachtungen machen Erzieher*innen, die fünf Monate vor der Einschulung ca. bei 10 % der Kinder Probleme im sozialen und emotionalen Bereich wahrnahmen, im personalen Bereich schätzten sie sogar 20 % als Risikokinder ein (Martschinke et al. 2012).
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Übergänge zu und von der Grundschule als Herausforderung 487 Die Konsequenzen liegen – typisch für Übergänge – in der strukturellen Gestaltung des Übergangs, in den Kooperationen zwischen allen Beteiligten, in der inhaltlichen und curricularen Anschlussfähigkeit sowie der Aus- und Fortbildung der professionell Tätigen. Die „neue“ Eingangsstufe als strukturelle Antwort auf mögliche Probleme beim Übergang bezieht sich alleine auf die Institution Grundschule als aufnehmender Instanz, da keine institutionelle Verzahnung stattfindet, eben nur eine Kooperation zwischen den Institutionen und ihren Vertretern und Vertreterinnen. Entscheidend ist die Wahl der Verweildauer von ein bis drei Jahren, so dass dadurch auch vorzeitige Einschulungen und besonders Zurückstellungen eher vermieden werden können, und die bewusste Heterogenisierung durch die Jahrgangsmischung. Diese strukturelle Idee wird allerdings in den Bundesländern sehr unterschiedlich umgesetzt. Modellversuche beziehen sich besonders auf die Effekte des in diesem Setting üblichen jahrgangsgemischten Unterrichts (► 13.5.1). Die Notwendigkeit der Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule für ein Gelingen des Übergangs ist unbestritten, auch wenn die empirische Befundlage dazu nicht überzeugend ist. Projekte wie das Bildungshaus 3-10, TransKiGs oder Brückenjahr zeigen dies (vgl. Kluczniok und Roßbach 2014). Die innovative Teamteaching-Struktur mit Erzieher*innen und Grundschullehrkräften könnte beispielsweise im Modellprojekt KiDZ verantwortlich sein für die positive bereichsspezifische Förderqualität mit entsprechenden Effekten einer kooperativen Zusammenarbeit. In der „BiKS“-Studie („Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vor- und Grundschulalter“) kann auch eine Vielfalt verschiedenster Kooperationsformen erfasst werden, allerdings finden vorrangig Schulbesuche von angehenden Erstklässlern und ein Informationsaustausch von Erzieher*innen und Lehrkräften statt (Faust et al. 2012). Die Frage nach Qualität ist noch weitgehend ungeklärt. Deutlich wird, dass der Einbezug der Eltern immer noch nicht ausreichend etabliert und damit ein Desiderat ist. Die inhaltliche und curriculare Anschlussfähigkeit ist durch die Einführung des Bildungs- und Erziehungsplans weit vorangeschritten. Die große Chance wird in der frühzeitigen Förderung proximaler Diagnose- und Fördermaßnahmen für schulische Leistungs- und auch Persönlichkeitsvariablen gesehen. Ob mengen- oder zahlenmäßiges Vorwissen oder phonologische Bewusstheit bzw. Wissen über Schrift – es werden sowohl im Kindergarten als auch in der Grundschule gemeinsam in größerem Umfang die gleichen Ziele verfolgt, teilweise auch mit ähnlich gelagerten Programmen (Kammermeyer 2010). Ein weiterer Schritt in die gleiche Richtung ist die Bestandsaufnahme zur Verankerung der Übergangsthematik bei den am Übergang beteiligten Professionen, darüber hinaus aber auch die Suche nach sogenannten „Leuchtturmprojekten der Vermittlung“, die in VElPri (Vernetzung von Elementar- und Primarbereich in den Qualifikationswegen von pädagogischen Fachkräften in der Kita und Lehrkräften)
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488 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule in der Hochschullandschaft identifiziert werden sollten. Ergebnis der Experteninterviews ist, dass nicht nur der Ausbildungsinhalt „Übergang“ stärker verankert werden müsste, sondern dass auch gemeinsame Ausbildungsstrukturen hilfreich sind oder wären, die aus unterschiedlichen Perspektiven eine kooperative Bewältigung des Übergangs besonders unterstützen. Insgesamt sind die Perspektiven der Kinder und der Eltern noch wenig in Forschungsbemühungen und Gestaltungsüberlegungen zum Übergang aufgenommen. Wie die Schule wahrgenommen wird und wie dieses Bild auch durch andere Akteure, insbesondere Eltern und Erzieher und Erzieherinnen gespeist wird (Kasanmascheff und Martschinke 2016), könnte eine wichtige Rolle spielen bei der weiteren Gestaltung von Übergangsszenarien und ihrer Inhalte. Dies betrifft auch unterschiedliche Erziehungsvorstellungen und Erwartungshaltungen zwischen Eltern mit Migrationshintergrund und/oder aus niedrigen Sozialschichten und der Schule (El-Mafaalani 2013). Gerade bei Eltern aus sozial schwächeren Schichten und/oder mit Migrationshintergrund gibt es Hinweise, dass die Beziehungsebene zwischen Schule und Elternhaus mehr unterstützt und gepflegt werden sollte, durch frühe Kontaktaufnahmen, durch informelle niedrigschwellige Angebote, Wege und Formen der Information (z. B. in Elterncafés und Elternstammtischen) und durch Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen in der Muttersprache (Graßhoff et al. 2013). Gerade Lehrkräfte mit Migrationshintergrund oder mehrsprachige Lehrkräfte könnten helfen, sprachliche Barrieren abzubauen (Kröner et al. 2012). 13.4.2 Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule Die frühe Selektion für weiterführende Schulen ist international gesehen eine Besonderheit des deutschen Schulsystems. Zusätzlich haben die letzten zehn Jahre einen verstärkten Zulauf aufs Gymnasium von 28 % im Jahr 2002/3 bis 40 % im Jahr 2012/13 mit sich gebracht. Die Übertrittsquote auf die Hauptschule dagegen ist bis zum Schuljahr 2012/13 auf 10 % gesunken. 19 % besuchten nach der Grundschule eine Realschule, ca. 12 % Schulen mit mehreren Bildungsgängen (Statistisches Bundesamt 2014). Die Häufigkeiten der verschiedenen Schullaufbahnempfehlungen sind von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden. Hamburg weist eine Übertrittsquote von 53,1 % auf das Gymnasium auf, Bremen dagegen 28,9 %. Auch Bayern und Schleswig-Holstein liegen (knapp) unter 40 %. Diese Unterschiede sind nicht verwunderlich, da auch die rechtlichen Regelungen in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich sind. Ein zentraler Unterschied liegt in der Frage, ob die Übertrittsentscheidung von den Eltern oder von der Schule getroffen wird. Die Chance, das Gymnasium zu besuchen, steht in einem engen Zusammenhang mit Migrationshintergrund und sozialer Schicht. So besuchen deutlich mehr Schülerinnen und Schüler mit niedrigem sozioökonomischem Status die Hauptschule (Diefenbach 2010; Analyse der NEPS-Daten, Autorengruppe Bildungsberichter-
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Strukturelle Entwicklungen in der Grundschule 489 stattung 2014). Die soziale Selektivität zeigt sich auch deutlich in der IGLU-Studie: In allen Bundesländern steht der sozioökonomische Status in einem nicht zu vernachlässigenden Zusammenhang mit der Schullaufbahnempfehlung für das Kind. Die Wahrscheinlichkeit, eine Gymnasialempfehlung zu erhalten, ist für ein Kind oberer Bevölkerungsschichten im Vergleich zu einem Kind aus einem Facharbeiterhaushalt deutlich höher und dies auch dann, wenn kognitive Grundfähigkeiten und Lesekompetenz berücksichtigt werden (Bos et al. 2004). Kristen (2006) kann zeigen, dass ethnische Unterschiede auch unter der Kontrolle der Leistung am Übergang entscheidend sind. Dies trifft besonders italienische und türkische Kinder. Entscheidend scheint aber der Anteil an Migrantinnen und Migranten in einer Klasse zu sein: Je höher die Migrantenkonzentration ist, desto kleiner ist die Chance auf den Übertritt in die Realschule oder das Gymnasium. Eine Benachteiligung im Sinne einer Diskriminierung bei der Notenvergabe oder der Übertrittsempfehlung durch Lehrkräfte ist allerdings keine Erklärung. Zusammenfassend lässt sich resümieren, dass in der Grundschule in Deutschland einerseits durch rechtliche Veränderungen und Modellversuche am Anfang der Grundschule verstärkt auf die positiven Aspekte der Schülerheterogenität gesetzt wird. Andererseits zeigt sich jedoch auch eine Tendenz zur Verstärkung der Selektivität am Ende der Grundschule. Eine Lösung des Problems könnte in der Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs oder mehr Schuljahre bestehen, wie sie auch in den meisten anderen europäischen Ländern praktiziert wird.
13.5 Strukturelle Entwicklungen in der Grundschule 13.5.1 Jahrgangsmischung Die Gründe für die Einführung der Jahrgangsmischung in Deutschland waren und sind mannigfaltig. Politisch ist die Jahrgangsmischung eine Antwort auf demografische Entwicklungen. In Zeiten des Rückgangs der Schülerzahlen in ländlichen Gebieten können jahrgangsgemischte Klassen die Schließung von Schulen verhindern helfen. Darüber hinaus unterstellt man der Jahrgangsmischung auch Effekte im Leistungs- und Persönlichkeitsbereich. Gerade der Übergang in die Schule könnte durch das Vorbild der jeweils älteren Schülerinnen und Schüler und der Übertritt in die weiterführenden Schulen durch die vorab geteilten Erfahrungen erleichtert und weniger belastend erlebt werden (für Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte). Die kognitive Vielfalt in einem bewusst heterogenisierten Setting verspricht eine stärkere kognitive Aktivierung. Modelllernen und Helfersysteme würden die Chancen des Peer-Learning nutzen helfen. Außerdem könnte das Kürzerverweilen (nur ein Jahr statt zwei) statt Überspringen und das Längerverweilen (drei Jahre statt zwei) statt Klassenwiederholungen Stigmatisierungen vermeiden und individuellere Lösungen finden helfen.
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490 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule Deutschlandweit wurde in den vergangenen Jahren eine große Anzahl an jahrgangsgemischten Klassen in der Grundschule etabliert, vorrangig in der ersten und zweiten Klasse, neuerdings aber auch in der dritten und vierten Klasse oder anderen Kombinationen. Während jahrgangsgemischtes Unterrichten und Lernen in der ersten und zweiten Jahrgangsstufe schon relativ gut erforscht ist, ist der Wissensstand zur Gestaltung und zu Effekten des jahrgangsgemischten Lernens in der dritten und vierten Jahrgangsstufe gering und die Diskussion dazu wird kontrovers geführt, mit noch offenem Ausgang. Internationale Metaanalysen zeigen nahezu keine Unterschiede in den kognitiven Leistungen (z. B. Hattie 2013). Nationale Studien basieren vorrangig auf Daten aus Modellversuchen (z. B. FLEX, Brandenburg; Schulanfang auf neuen Wegen, Baden-Württemberg; Flexible Grundschule, Bayern) in den Jahrgangsstufen 1 und 2 und sind deswegen wenig belastbar. Sie verweisen auf tendenziell neutrale bis leicht günstige Effekte im Leistungsbereich für jahrgangsgemischte Klassen (Grittner et al. 2013; Klöver 2014). Effekte in den Modellversuchen entstehen aber unter Umständen nicht allein durch die strukturelle Veränderung, sondern aufgrund der Veränderung des Unterrichts und entsprechender Ressourcen. Hinweise gibt auch der Rückgriff auf Datenauswertungen aus dem IQB-Ländervergleich (Kuhl et al. 2013) mit einer entlang der Bildungsstandards repräsentativ ausgewählten Stichprobe in der vierten Klasse (über 26.000 Schülerinnen und Schüler und 1.700 Lehrkräfte). Aber auch hier finden sich weder Vor- noch Nachteile der Jahrgangsmischung hinsichtlich der Kompetenzentwicklung im Leseverständnis und in der Mathematik sowie im sozio-emotionalen Bereich. Auch internationale und weitere nationale Studien geben Hinweise darauf, dass in jahrgangsgemischten Klassen eine günstigere Entwicklung im Persönlichkeitsbereich (Selbstkonzept, soziale Anpassungsfähigkeit und Integration, Lernfreude und Anstrengungsbereitschaft) stattfindet (vgl. zusammenfassend z. B. Kucharz und Wagener 2007). Insgesamt sind wohl grundsätzlich keine Leistungseffekte durch strukturelle Maßnahmen zu erwarten (Hattie 2013), allerdings können strukturelle Maßnahmen den Innovationsdruck erhöhen und eine veränderte Unterrichtsgestaltung notwendig machen. In Modellversuchen zeigte sich häufig eine individualisierende und differenzierende Unterrichtsgestaltung mit weniger frontaler Ausrichtung der Lehrkraft (Hein et al. 2010). Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Klassen sehr hoch (z. B. Grittner et al. 2013), und es scheint sehr auf die Art und Qualität der Umsetzung anzukommen sowie darauf, ob die Heterogenität tatsächlich genutzt wird. Eine weitere Erklärung für das relativ gute Abschneiden der jahrgangsgemischten Klassen in Modellversuchen könnten die veränderten und positiveren Einstellungen der Lehrkräfte sein (► 13.3.3). Zusätzliche Probleme entstehen aber dadurch, dass Grundschulen kein Wahlangebot zwischen jahrgangsgemischten und jahrgangshomogenen Klassen anbieten können. Andererseits lassen die Wahlmöglichkeiten der Eltern eine starke Konzen-
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Strukturelle Entwicklungen in der Grundschule 491
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tration von Kindern gleicher sozialer Herkunft erwarten. Weiterhin zeichnet sich ab, dass der Fortbildungsbedarf objektiv und subjektiv in der Wahrnehmung der Lehrkräfte sehr hoch ist (Richter et al. 2012). 13.5.2 Ganztagsschule Von Ausbau und Weiterentwicklung von Ganztagsgrundschulen verspricht man sich aus sozialpolitischer Perspektive einen Abbau herkunftsbedingter Disparitäten und mehr Zeit für die Förderung einzelner Schülerinnen und Schüler, insbesondere für Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern und mit Migrationshintergrund, aber auch für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen (Holtappels 2014). Unterrichtsergänzende Bildungsangebote sollen darüber hinaus soziale Kompetenzentwicklung ermöglichen und Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern zusätzliche Bildungsanreize aus dem Freizeitbereich eröffnen. Auch von Seiten der Eltern gibt es Erwartungen an die Ganztagsgrundschule: intensivere Förderung der Kinder durch den erweiterten Zeitrahmen und Unterstützung bei den Hausaufgaben sowie bessere Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit. Das setzt zum einen den Ausbau des Ganztagsschulangebots voraus, zum anderen bedarf es aber auch einer entsprechend qualitativ hochwertigen Ausgestaltung des Ganztagsangebots. In den Jahren 2003 bis 2009 förderte die Bundesregierung mit dem „Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung“ die Neueinrichtung und den Ausbau von Ganztagsschulen, in dem auch Rahmenbedingungen und erste Qualitätskriterien (wie z. B. individuelle Förderung im Sinne der Pädagogik der Vielfalt, Öffnung von Schule usw.) festgelegt wurden. Im Kanon der Schularten spielt die Grundschule mit einem Anteil von 50 % aller Grundschulen immer noch die kleinste Rolle (KMK 2014; Holtappels 2014; Marcus et al. 2016), allerdings mit steigenden Zahlen. Der Anteil an Kindern, die letztlich mit den Angeboten erreicht werden, ist mit 28,6 % aller Grundschulkinder noch geringer. Die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern sind dabei erheblich, beispielsweise sind in Sachsen 98,1 % der Schulen und Klassen ganztagsorganisiert. Die KMK (2014) unterscheidet zwischen der voll gebundenen Form, in der alle Schülerinnen und Schüler verpflichtet sind, an mindestens drei Tagen pro Woche am Ganztagsangebot teilzunehmen, der teilweise gebundenen Form, in der nur einzelne Klassen beteiligt sind, sowie der offenen Form, in der nur einzelne Schülerinnen oder Schüler auf Wunsch die Angebote nutzen. Für das Jahr 2012 sind laut der Statistiken der KMK (2014) nicht einmal 2 % der gebundenen Form in der Grundschule zuzuordnen, knapp 6 % der teilweise gebundenen Form und knapp 42 % dem offenen Typus. Dabei schwanken die Zahlen zwischen den Bundesländern erheblich, beispielsweise weist Bremen 26 % Grundschulen in der gebundenen Form auf, Rheinland-Pfalz setzt mit 30,1 % auf die teilweise gebundene Form, das Saarland hat mit 95,1 % Schulen den größten Prozentsatz im Bereich der offenen Form. Über Aussagen zur Organisationsform hinaus kann aber noch wenig über konzeptionelle Elemente oder Qualitätsmerkmale festgestellt werden. Eine Sekundär-
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492 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule analyse der IGLU- und TIMSS-Daten von 2011 erlaubt für den Grundschulbereich eine systematische Unterscheidung von rhythmisierten Ganztagsschulen und Ganztagsschulen mit additiven Modellen der Zeitgestaltung sowie von Halbtagsschulen mit zusätzlichem fachlichen und sonstigem bzw. keinem Angebot. Gerade die Rhythmisierung über den gesamten Tag mit alternierenden Angeboten aus dem Fachunterricht und anderen Lern- und Arbeitsphasen ist dabei nur in 6,1 % der Schulen aufzufinden, das additive Modell mit Fachstunden nur am Vormittag dagegen in 31,1 % der Schulen. Nur jedes zwanzigste Grundschulkind besucht demnach eine rhythmisierte Ganztagsgrundschule (Willems et al. 2014). Unter dem Gesichtspunkt der Teilnahmeselektion und damit der Chancengerechtigkeit zeigt sich nur in dieser selten vertretenen Form eine hohe Teilnahmequote von Kindern mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Familien, die in den anderen Formen eher unterrepräsentiert sind, was auf eine Zugangsselektivität hindeutet. Internationale Metaanalysen verweisen auf kleinere Effekte von Programmen, die über den Schulvormittag hinausgehen, auch für den Bereich der personalen und sozialen Entwicklung (z. B. Durlak et al. 2010). Die Übertragbarkeit wird aber kritisch angesehen. In deutschen Studien zeigen sich bis dato keine Leistungsunterschiede (z. B. Berkemeyer et al. 2012). Ähnlich wie bei anderen strukturellen Maßnahmen sind hier auch keine Effekte zu erwarten, da sich der Vergleich zwischen Halbtags- und Ganztagsschule als zu grob erweist angesichts der Heterogenität der Umsetzungsformen und der Umsetzungsqualität. Die nationalen Forschungsbemühungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen, beginnend mit der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen StEG (Fischer et al. 2011). Diese längsschnittlich angelegte Studie versteht sich als länderübergreifende Evaluation aus mehreren Perspektiven (Schulleitung, Lehrkräfte, pädagogisches Personal, Eltern, Schülerinnen und Schüler). Dabei werden Fragen der Organisationsform, der individuellen Förderung und der Chancengleichheit thematisiert. Speziell StEG-P (P für Primarstufe) wird die Kompetenzentwicklungen in den Fächern der Grundschule angehen. Das Forschungsprogramm „Ganztägige Bildung, Erziehung und Betreuung“ vertieft die Fragen nach dem Zusammenspiel von Schule, Familie und Peers sowie nach den Kooperationen und Kooperationsprozessen an Ganztagsgrundschulen. Es deutet sich an, dass sich positive Effekte nur dann abzeichnen, wenn die Teilnahme intensiv und häufig und die Qualität der Angebote (Prozessqualität) und der Beziehung zu Peers sowie Lehrkräften hoch sind (Kuhn und Fischer 2014). Ebenso sind die Kooperationsbedürfnisse zwar höher, die Kooperationsmöglichkeiten werden aber auch nur unter den entsprechenden Rahmenbedingungen der gebundenen Ganztagsschule ausgeschöpft und entsprechend intensiver gestaltet (Böhm-Kasper et al. 2013). In Folge sind weitere Studien, allerdings mit regional begrenzten Stichproben, entstanden, die sich eher den Gelingensbemühungen, insbesondere für bildungsbe-
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Strukturelle Entwicklungen in der Grundschule 493 nachteiligte Gruppen, widmen. Gerade vor dem Hintergrund nicht ausgeschöpfter Bildungspotenziale zeigen beispielsweise Ergebnisse der GO-Studie („GO!“ – Ganztagsorganisation im Grundschulbereich) (vgl. Merkens und Schründer-Lenzen 2010) für Berlin und Nordrhein-Westfalen eine geringere Beteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund im offenen Ganztag. Eine hohe Beteiligung von Schülern und Schülerinnen nichtdeutscher Herkunftssprache ist eher durch den höheren Verbindlichkeitsgrad in teil- oder vollgebundenen Ganztagsschulen gegeben (vgl. auch Holtappels 2014). In allen beteiligten Ländern der GO-Studie (Berlin, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg) zeigen sich große Unterschiede zwischen Schulen und Klassen und eine noch unzureichende Umsetzung des wesentlichen Elements der Rhythmisierung. Aufgrund von Klassentagebüchern konnten vier Merkmalsmuster auf der Basis einer Clusteranalyse herauskristallisiert werden (Wegner und Bellin 2010), die sich im Zeitkonzept, in den Individualisierungszeiten und im Personaleinsatz erheblich unterscheiden und damit eine Erklärung dazu liefern, warum keine Leistungsunterschiede identifiziert werden konnten. Ein Expertengutachten (vbw 2013), das von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. finanziert wurde, konstatiert im Überblick über den derzeitigen Forschungsstand die ausbleibenden Leistungseffekte sowie das Misslingen des Ausgleichs von Bildungsdisparitäten und leitet deswegen Empfehlungen ab, die unter Umständen helfen können, das Potenzial von Ganztagsschulen für den Ausgleich von Bildungsdisparitäten auszuschöpfen. Dazu gehören neben der Entwicklung von Qualitätsstandards u. a. auch Personalentwicklungskonzepte für multiprofessionelle Teams: Gerade unter dem Aspekt der Kooperation zwischen Lehrkräften und anderen pädagogischen Fachkräften wird in der Perspektive der Lehrkräfte materiell, personell und konzeptionell noch zu wenig getan (vgl. Böttcher et al. 2014), um dem Anspruch individueller Förderung entsprechen zu können. Auch wenn es zumindest teilweise gelingt, insbesondere Frauen über Ganztagsangebote für ihre Kinder die Berufstätigkeit zu ermöglichen, so scheint es doch notwendig, das Ganztagsangebot verstärkt auf hochwertige Umsetzungsformen umzustellen, da erst rhythmisierte und verpflichtende Angebote in voll gebundenen Ganztagsschulen eine zusätzliche fachliche Förderung und qualitätsvollere Kooperationsstrukturen versprechen. Auch lässt die Nutzung der fachbezogenen Förderangebote durch nicht einmal 30 % der Grundschülerinnen und -schüler (Holtappels 2014) keine größeren Leistungseffekte erwarten. Dabei ist sehr ernst zu nehmen, dass gerade in Schulen mit einer sozial deutlich stärker belasteten Schülerschaft die Belastung der Lehrkräfte so groß ist, dass es ihnen nicht im gleichen Ausmaß wie an Schulen mit moderat belasteter Schülerschaft gelingt, mit anderen zu kooperieren, sich aktiv und innovativ am Ganztag zu beteiligen und adaptiv zu handeln. Damit entsteht statt Kompensation eine doppelte Benachteiligung gerade für Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund bzw. aus sozial benachteiligten Familien (Willems et al. 2013).
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494 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule
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13.6 Herausforderungen für die Zukunft Bildungsdisparitäten sind spätestens im Anschluss an PISA und IGLU intensiv diskutierte Problemlagen, denen im Nachgang verschiedene Maßnahmen zur Entkoppelung des starken Zusammenhangs von sozialer und ethnischer Herkunft und Bildungserfolg gegenübergestellt werden (Merkens 2013). Für den Bereich der Vierbis Zwölfjährigen gibt es verschiedene Vorschläge. Schülerinnen und Schüler auf den unteren Kompetenzstufen (besonders aus benachteiligten sozialen Schichten und mit Migrationshintergrund) sollen bei gleichzeitiger Förderung der Kinder auf den oberen Kompetenzstufen unterstützt werden. Der Ganztag soll ausgebaut und für Förderangebote genutzt, die Diagnose- und Förderkompetenz der Lehrkräfte gefördert sowie die „Migrantenkonzentration“ in Klassen und Schulen analysiert werden (vgl. ebd.). Damit wird schon beispielhaft als eine der möglichen Strategien zur Nutzung der Bildungspotenziale die Veränderung struktureller Merkmale der Grundschule erkennbar. Über die Verstärkung des Angebots an Ganztagsgrundschulen und Nutzung des Ganztags zur gezielten Förderung hinaus denkt man auch über eine längere gemeinsame Grundschulzeit (evtl. auch längere verpflichtende Kindergartenzeit) nach. Die Vernetzung der Schulen in Bildungslandschaften mit Netzwerkstrukturen für multiprofessionelle Teams soll vorangetrieben werden. Dazu gehört auch eine Entschärfung der Zugangsselektivität und eine Verbesserung der Teilhabe: Das betrifft sowohl die selbstverständliche Aufnahme von Kindern mit Behinderung in der Grundschule als auch weitreichende Partizipationsmöglichkeiten für Kinder aus niedrigen Schichten, mit Migrationshintergrund beispielsweise am Ganztagsangebot. Auf der Ebene der Verbesserung der Unterrichtsqualität wird die gezielte adaptive Unterstützung für Schülerinnen und Schüler auf den unteren und oberen Kompetenzstufen sowie für Schülerinnen und Schülern aus benachteiligten sozialen Lagen und mit Migrationshintergrund als vielversprechend angesehen. Dazu gehört auch eine stärkere Ausbalancierung von Standardisierung und Individualisierung. Die Zensurengebung muss überdacht werden; die Leistungsfeststellung und -würdigung soll sich nicht nur an der sozialen Bezugsnorm, sondern auch an der individuellen Bezugsnorm (z. B. dokumentiertes Lernentwicklungsgespräch, Lernlandkarten, Portfolio) im Sinne eines pädagogischen Leistungsbegriffs orientieren. Weiterhin sind Verbesserungen in der Lehrkraftaus- und -fortbildung Voraussetzung für eine bessere Nutzung vorhandener Bildungspotenziale. Hierzu wird immer wieder inhaltlich eine verbesserte Diagnose- und Förderkompetenz (insbesondere an den Übergängen, z. B. zur Sekundarstufe) gefordert. Aber auch die Arbeit an Einstellungen scheint lohnenswert und bedarf in der ersten Phase der Lehrerbildung besonderer hochschuldidaktischer Maßnahmen, z. B. mit selbstreflexiven und forschungsorientierten Anteilen. Für die Lehrerfortbildung müssen für eine konsequentere Verbreitung in die Fläche unter Umständen auch online-Varianten (mit und ohne Präsenzphasen) genutzt werden, die beispielsweise mit Videomaterial,
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Literatur 495 Feedbackmaßnahmen und kooperativen Onlinesettings einer hohen didaktischen Qualität entsprechen. Die Problemlage durch Bildungsdisparitäten ist aber sicher keine letztlich einfach und endgültig zu lösende Aufgabe, sie kann nur in Teilschritten, mit Augenmaß und gemeinsam ohne Erfolgsgarantie angegangen werden. So dürfen auch Lehrkräfte nicht überfordert werden, sondern müssen mit entsprechenden Maßnahmen und Rahmenbedingungen unterstützt werden, damit sie nicht in die „Anspruchsfalle“ (Sandfuchs 2007) geraten.
Kernreferenzen • Andresen, S. & Hurrelmann, K. (2013). Kinder in Deutschland 2013. Die 3. World Vision Kinderstudie. Weinheim: Beltz. • Hardy, I., Hertel, S., Kunter, M., Klieme, E., Warwas, J., Büttner, G. & Lühken, A. (2011). Adaptive Lerngelegenheiten in der Grundschule. Merkmale, methodisch-didaktische Schwerpunktsetzungen und erforderliche Lehrerkompetenzen. Zeitschrift für Pädagogik, 57, 819-833. • Kocaj, A., Kuhl, P., Kroth, A., Pant, H. & Stanat, P. (2014). Wo lernen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besser? Ein Vergleich schulischer Kompetenzen zwischen Regel- und Förderschulen in der Primarstufe. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 66, 165-191. • Kratzmann, J. & Schneider, T. (2009). Soziale Ungleichheiten beim Schulstart. Empirische Untersuchungen zur Bedeutung der sozialen Herkunft und des Kindergartenbesuchs auf den Zeitpunkt der Einschulung. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 61, 211-234. • Kristen, C. (2006). Ethnische Diskriminierung in der Grundschule? Die Vergabe von Noten und Bildungsempfehlungen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 58, 79-97.
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496 Bildungsdisparitäten und Bildungspotenziale in der Grundschule Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016). Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Migration und Bildung. Bielefeld: Bertelsmann Verlag. Avramidis, E. & Norwich, B. (2002). Teachers’ attitudes towards integration/inclusion: A review of the literature. European Journal of Special Needs Education, 17, 129-147. Baumert, J., Kunter, M., Blum, W., Brunner, M., Voss, T., Jordan, A., Klusmann, U., Krauss, S., Neubrand, M. & Tsai, Y.-M. (2010). Teachers’ mathematical knowledge, cognitive activation in the classroom, and student progress. American Educational Research Journal, 47, 133-180. Becker, B. & Biedinger, N. (2006). Ethnische Bildungsungleichheit zu Schulbeginn. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 58, 660-684. Bellenberg, G. & Klemm, K. (2014). Die Grundschule im deutschen Schulsystem. In W. Einsiedler, M. Götz, A. Hartinger, F. Heinzel, J. Kahlert & U. Sandfuchs (Hrsg.), Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik (4. Aufl.), 46-51. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Berkemeyer, N., Bos, W. & Manitius, V. (2012). Chancenspiegel. Zur Leistungsfähigkeit und Chancengerechtigkeit der deutschen Schulsysteme. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung. BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) (2005). Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland – 12. Kinder- und Jugendbericht. Berlin. Verfügbar unter http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/ kjb/data/download/kjb_060228_ak3.pdf (Zugriff am 31.01.2016). Bos, W., Tarelli, I., Bremerich-Vos, A. & Schwippert, K. (2012a). IGLU 2011. Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann. Bos, W., Wendt, H., Köller, O. & Selter, C. (2012b). TIMSS 2011. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann. Bos, W., Lankes, E.-M., Prenzel, M., Schwippert, K., Walther, G. & Valtin, R. (2003). Erste Ergebnisse aus IGLU. Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann. Bos, W., Voss, A., Lankes, E.-M., Schwippert, K., Thiel, O. & Valtin, R. (2004). Schullaufbahnempfehlungen von Lehrkräften für Kinder am Ende der vierten Jahrgangsstufe. In W. Bos, E. M. Lankes, M. Prenzel, K. Schwippert, R. Valtin & G. Walther (Hrsg.), IGLU: Einige Länder der Bundesrepublik Deutschland im nationalen und internationalen Vergleich, 165-227. Münster: Waxmann. Bos, W., Hornberg, S., Arnold, K.-H., Faust, G., Fried, L., Lankes, E.-M., Schwippert, K. & Valtin, R. (2007). IGLU 2006. Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann. Böhm-Kasper, O., Dizinger, V. & Heitmann, V. (2013). Interprofessionelle Kooperation an offenen und gebundenen Ganztagsgrundschulen. Zeitschrift für Grundschulforschung, 6, 53-68. Böttcher, W., Maykus, S., Altermann, A. & Liesegang, T. (2014). Individuelle Förderung in der Ganztagsschule. Anspruch und Wirklichkeit einer pädagogischen Leitformel. Münster: Waxmann. Brühwiler, C. (2014). Adaptive Lehrkompetenz und schulisches Lernen. Effekte handlungssteuernder Kognitionen von Lehrpersonen auf Unterrichtsprozesse und Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Münster: Waxmann. Budde, J. (2012). Die Rede von der Heterogenität in der Schulpädagogik. Diskursanalytische Perspektiven. Forum Qualitative Sozialforschung, 13, 1-22. Coelen, T. & Rother, P. (2014). Weiteres pädagogisch tätiges Personal an Ganztagsschulen. In T. Coelen & L. Stecher (Hrsg.), Die Ganztagsschule. Eine Einführung, 111-128. Weinheim: Juventa. Decristan, J., Naumann, A., Fauth, B., Rieser, S., Büttner, G. & Klieme, E. (2014). Heterogenität von Schülerleistungen in der Grundschule. Bedeutung unterschiedlicher Leistungsindikatoren und Bedingungsfaktoren für die Einschätzung durch Lehrkräfte. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 46, 181-190. Diefenbach, H. (2010). Bildungschancen und Bildungs(miss)erfolg von ausländischen Schülern oder Schülern aus Migrantenfamilien im System schulischer Bildung. In R. Becker & U. Lauterbach (Hrsg.), Bildung als Privileg, 221-245. Wiesbaden: VS Verlag.
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IV Der Sekundarschulbereich
Einführung zu IV Kai Maaz (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) und Olaf Köller (IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik) Bildungsgänge im Sekundarbereich I Olaf Köller Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Marko Neumann (DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) und Ulrich Trautwein (Eberhard Karls Universität Tübingen) Das berufliche Bildungssystem in Deutschland Paula Protsch und Heike Solga (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)
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| 505 Einführung zu IV
Der Sekundarschulbereich Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Kai Maaz und Olaf Köller
Der Sekundarschulbereich ist der am längsten kontinuierlich besuchte Bildungsbereich. Er beginnt mit der Sekundarstufe I aufbauend auf der vier- oder sechsjährigen Grundschule und führt in je nach Bundesland unterschiedlichen Bildungsgängen zu qualifizierenden Abschlüssen, die mit spezifischen Berechtigungen verbunden sind. Die Organisationsform des Sekundarschulbereichs variiert zwischen den Ländern in zum Teil erheblicher Weise. Die mittlerweile einzige institutionelle Konstante ist das Gymnasium, das es in allen 16 Ländern gibt. Neben dem Gymnasium variiert das Schulformangebot von einer nichtgymnasialen Schulform bis zu fünf nichtgymnasialen Schulformen. Die Bemühungen, das allgemeinbildende Schulsystem auf ein zukunftsfähiges Fundament zu stellen, haben in den letzten Jahrzehnten einen bedeutsamen und nachhaltigen Transformationsprozess des differenzierten Schulsystems in der Sekundarstufe I in Gang gesetzt, der aktuell weiter andauert. Dabei lässt sich eine Verschlankung des Schulformangebots beobachten, von einem viergliedrigen System mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Integrierter Gesamtschule hin zu einem Zwei-Säulen-Modell mit dem Gymnasium und einem nichtgymnasialen Zweig, der für Teile der Schülerinnen und Schüler auch zur Hochschulzugangsberechtigung führt. Dem Sekundarbereich I schließt sich die Sekundarstufe II an, die sowohl im allgemeinbildenden als auch im berufsbildenden Bereich Bildungsangebote macht. Die gymnasiale Oberstufe wird gemeinhin als Sekundarstufe II bezeichnet und führt nach insgesamt 12 oder 13 Schuljahren zum Erwerb einer allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung. Aber auch im Bereich der Oberstufe hat sich in den letzten Jahrzehnten ein bedeutsamer Transformationsprozess vollzogen, der mit einer Öffnung der Bildungswege, die zum Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung führen, verbunden ist. Damit gibt es neben den Gymnasien andere Schulformen wie Integrierte Gesamtschulen oder Schulen mit drei Bildungsgängen, die auch zum Erwerb des Abiturs führen. Ebenfalls zum Sekundarbereich II gehört das Berufsbildungssystem jenseits der tertiären Ausbildung mit seinen drei Sektoren: duales System, Schulberufssystem
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506 Einführung zu IV und Übergangssystem. Während die Angebote der ersten beiden Segmente zu vollqualifizierenden Ausbildungen führen und somit direkt auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt vorbereiten, führen die Bildungsangebote des Übergangssystems nicht zu einer vollqualifizierenden Ausbildung, sondern dienen der Vorbereitung einer vollqualifizierenden Ausbildungsaufnahme. Auch das Berufsbildungssystem steht vor zentralen Herausforderungen. Dazu gehört die zunehmende Automatisierung von Fertigungsprozessen gleichermaßen wie die Digitalisierung der Arbeitswelt. Ausbildungsformen und -inhalte werden sich schon aufgrund dieser Entwicklungen in der Zukunft weiterentwickeln müssen. Von besonderer Bedeutung ist die anhaltende Expansion zu höherer Bildung, die sich unter anderem in der Öffnung des Gymnasiums sowie des Hochschulzugangs äußert. Damit ändern sich die Rahmenbedingungen für den Zugang zu verschiedenen Ausbildungssegmenten, die im Bereich der dualen Ausbildung und im Schulberufssystem teilweise von Abiturientinnen und Abiturienten dominiert werden. Durch die Expansion des Hochschulsektors konkurrieren Universitäten und Fachhochschulen auf der einen Seite und Ausbildungen im Bereich des dualen Systems und der Schulberufsausbildung auf der anderen Seite zunehmend um Abiturientinnen und Abiturienten. Der vorliegende Buchteil greift die zentralen Entwicklungen im Sekundarschulbereich auf. In Kapitel 14 stehen die Bildungsgänge des allgemeinbildenden Sekundarschulbereichs I im Mittelpunkt. Neben der Aufarbeitung der Bildungsexpansion werden Fragen der Modernisierung weg von einem viel- hin zu einem zweigliedrigen Schulformmodell diskutiert. Darüber hinaus werden die zentralen Befunde der auf den länderübergreifenden Bildungsstandards basierenden Large-Scale Assessments am Ende der Sekundarstufe I berichtet, die Auskunft über die Leistungsfähigkeiten der Sekundarstufe I in den 16 Ländern geben. Schließlich werden solche Assessments auch genutzt, um Disparitäten im Bildungssystem zu beschreiben. Das Kapitel 15 setzt sich mit dem allgemeinbildenden Teil des Sekundarbereichs II und dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung auseinander. Dabei werden unter anderem verschiedene Wege, die zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung führen, beschrieben und in ihrer Bedeutung eingeordnet. Neben der Beschreibung der formalen Organisationsstruktur liegt ein weiterer Fokus auf zentralen Entwicklungen, die für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung von Bedeutung sind. Dazu zählen unter anderem Zielsetzungen und die Ausgestaltung der Oberstufe, das Erreichen von Leistungsstandards oder die Vergleichbarkeit von Bewertungsmaßstäben beim Erwerb des Abiturs. In Kapitel 16 steht das Berufsbildungssystem im Zentrum. Unter einer ungleichheitssoziologischen Perspektive werden Möglichkeiten und Barrieren für die Entdeckung von Bildungspotenzialen in diesem Bereich behandelt. Neben der Beschreibung der institutionellen Strukturen, der Bildungsbeteiligung und dem Zugang zu Ausbildungsplätzen werden Anpassungsprozesse des Berufsbildungssystems seit den 1970er Jahren beschrieben.
| 507 14 Bildungsgänge im Sekundarbereich I Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Olaf Köller
Zusammenfassung Während die Grundschule explizit das Ziel hat, Schülerinnen und Schüler unterschiedlichster Herkunft und Leistungsstände im Klassenverband gemeinsam zu unterrichten, sieht der Übertritt in die Sekundarstufe I eine institutionelle Trennung der Schülerschaft in unterschiedliche Schulformen vor. Auf Basis der am Ende der Grundschule erreichten Leistungen werden in vielen Bundesländern Empfehlungen für einen gymnasialen oder einen nichtgymnasialen Bildungsgang gegeben, in anderen Ländern finden Beratungsgespräche ohne explizite Empfehlung statt. In der Regel befolgen Eltern die Empfehlungen bzw. Ratschläge der Lehrkräfte, die Konsequenz ist eine externe Leistungsgruppierung. Mit Beginn der Sekundarstufe I lernen die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler in der großen Mehrzahl am Gymnasium, die leistungsschwächeren deutlich häufiger an nichtgymnasialen Schulen, die je nach Bundesland unterschiedlich bezeichnet werden und wie das Gymnasium Wege zu unterschiedlichen Abschlüssen bereitstellen. Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf werden zunehmend inklusiv im Regelschulsystem unterrichtet, ihre Beschulung in Förderzentren geht dementsprechend zurück. Im Rahmen dieses Kapitels soll die Entwicklung der Sekundarstufe I in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg dargestellt werden. Es soll deutlich werden, wie das anfangs stark gegliederte System sich zunehmend zu einem Zwei-Säulen-Modell entwickelt hat, in dem eine gymnasiale und eine nichtgymnasiale Säule Bildungswege zu unterschiedlichen Schulabschlüssen bereitstellen. Neben Entwicklungstrends sollen kognitive Erträge der schulischen Bildung in der Sekundarstufe I beschrieben werden. Bezugspunkte hierfür bieten die Befunde aus dem OECD Programme for International Student Assessment (PISA; vgl. u. a. Reiss et al. 2016) und den Ländervergleichen des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB; zuletzt Stanat et al. 2016). Letztere erlauben, die Leistungen am Ende der Sekundarstufe I vor dem Hintergrund länderübergreifend geltender Bildungsstandards zu bewerten. Die großen Studien erlauben auch die Feststellung migrationsbedingter, sozialer und geschlechtsbezogener Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und in den erreichten Kompetenzen, worauf ebenfalls eingegangen wird.
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508 Bildungsgänge im Sekundarbereich I Im Wesentlichen lassen sich die Aussagen dieses Kapitels wie folgt zusammenfassen: (1) In Deutschland hat ein Modernisierungsprozess dahingehend eingesetzt, dass höhere Bildungsabschlüsse angestrebt werden. War es Anfang der 1950er Jahre noch der Hauptschulabschluss, der vor allem mit dem Übertritt in die Sekundarstufe I angestrebt wurde, so ist heute der Mittlere Schulabschluss das Mindestmaß schulischer Bildung in der Sekundarstufe I. (2) Dieser Modernisierungsprozess schlägt sich aktuell darin nieder, dass sich Schulstrukturmodelle durchsetzen, in denen zwei Schulformen des allgemeinbildenden Schulsystems alle Abschlüsse (Hauptschulabschluss, Mittleren Schulabschluss, Abitur) anbieten. (3) Der Modernisierungsprozess hat nicht dazu geführt, dass soziale oder migrationsbedingte Ungleichheiten in der Sekundarstufe I verschwunden sind. (4) Auch zeigen sich trotz zunehmender Ähnlichkeit der Schulsysteme in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Leistungsdifferenzen zwischen den Ländern, d. h. Bildungschancen in Deutschland sind abhängig von dem Land, in dem Schülerinnen und Schüler aufwachsen.
14.1 Frühe Differenzierung in der Sekundarstufe I und Bildungsexpansion Charakteristisch für Schulsysteme vieler moderner Industrienationen ist, dass früher oder später eine Leistungsgruppierung stattfindet. Schülerinnen und Schüler werden aufgrund ihrer Fachleistungen, die sich in entsprechenden Noten oder zentralen Tests manifestieren, unterschiedlichen Schulformen zugewiesen. Der Grad der Differenzierung schwankt dabei national und international erheblich wie auch die Jahrgangsstufe, in der die Differenzierung beginnt. Den Differenzierungsmaßnahmen ist gemeinsam, dass die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler auf einen Zweig wechseln, dessen erfolgreicher Abschluss sie zum universitären Studium berechtigt, wohingegen die schwächeren Kinder und Jugendlichen Schulformen besuchen, die üblicherweise in eine berufliche Ausbildung bzw. ein „training on the job“ münden. Hinsichtlich der Fähigkeitsgruppierung werden im Wesentlichen zwei Formen unterschieden (vgl. Köller 2004), die externe Differenzierung (between-classroom grouping) und die Binnendifferenzierung (within-classroom grouping). Das gegliederte bundesdeutsche Schulsystem bietet ein Beispiel für die externe Differenzierung. Schülerinnen und Schüler der unterschiedlichen Schulformen besuchen getrennte Schulen, der Unterricht findet in leistungshomogenisierten Gruppen statt. Sonderformen der externen Differenzierung stellen die Kurssysteme der gymnasialen Oberstufe und der Integrierten Gesamtschulen dar. In den Gesamtschulen wird innerhalb einer Klasse in den Kernfächern (Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen, Naturwissenschaften) ab einer bestimmten Jahrgangsstufe in zwei oder drei Kurse mit unterschiedlichen Leistungsniveaus differenziert, d. h.
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Frühe Differenzierung in der Sekundarstufe I und Bildungsexpansion 509 die Schülerinnen und Schüler einer Klasse werden in einigen Fächern gemeinsam, in anderen räumlich getrennt unterrichtet. Binnendifferenzierung beschreibt im Gegensatz zur externen Differenzierung ein Vorgehen, bei dem Schülerinnen und Schüler im Klassenverband passend zu ihren unterschiedlichen Leistungs- bzw. Fähigkeitsniveaus Lerngruppen zugeordnet werden, in denen sie zum Teil spezifische Aufgaben und Bewertungen erhalten. Dieses stärker mikroadaptive Vorgehen innerhalb eines Klassenraumes verlangt von der Lehrkraft einen flexiblen Umgang mit der Leistungsheterogenität. Eine wichtige Annahme aller externen Differenzierungsmaßnahmen ist, dass individuelle Lernerfolge in leistungshomogenen Gruppen höher sind als in leistungsheterogenen Gruppen. Autoren wie Carroll (1973) oder Bloom (1976) argumentieren in ihren Modellen schulischen Lernens, dass Lern- und Leistungsunterschiede zwischen Kindern und Jugendlichen oftmals darauf beruhen, dass diese unterschiedliche Zeiten benötigen, um den Unterrichtsstoff zu verstehen und abzuspeichern. Homogene Leistungsgruppen, so lässt sich aus diesen Modellen ableiten, benötigen ähnliche Lernzeiten und gerade für leistungsstarke Gruppen impliziert dies, dass ein deutlich höheres Unterrichtstempo und kognitives Anspruchsniveau gewählt werden kann. Befunde aus Lehrkräftebefragungen in PISA 2003 (vgl. Baumert, Kunter et al. 2004) belegen in der Tat für Deutschland, dass die kognitiven Anforderungen im gymnasialen Mathematikunterricht deutlich höher als im nichtgymnasialen Unterricht sind. International zeigt sich aber, dass Schülerinnen und Schüler aller Leistungsniveaus gleichermaßen erfolgreich in binnen- und extern differenzierenden Schulsystemen lernen können (vgl. u. a. Hattie 2009). Entwicklung der Sekundarstufe I nach dem Zweiten Weltkrieg In den ehemals elf Ländern der Bundesrepublik Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein differenziertes Schulsystem re-implementiert, das eine stark besuchte Volksschule (Hauptschule) vorsah und ein sehr selektives Gymnasium, das einen kleinen Prozentsatz der Schülerinnen und Schüler auf das universitäre Studium vorbereiten sollte. Dazwischen lag die Realschule, die ebenso wie die Haupt- bzw. Volksschule auf die berufliche Ausbildung vorbereiten sollte. Die Übergangsentscheidung fand in neun der elf Länder nach dem 4. Schuljahr statt, in zwei Ländern (Bremen und Berlin) wurde nach der 6. Klasse differenziert. Im Übrigen war das nach dem Zweiten Weltkrieg in der ehemaligen DDR installierte Sekundarschulsystem nicht weniger selektiv, stellte es doch im Jahre 1959 neben die Polytechnische Oberschule (POS) die Erweiterte Oberschule (EOS). Der Wechsel von der POS auf die EOS erfolgte allerdings deutlich später (zunächst nach der 8. Klasse, später nach der 10. Klasse) und stand rund 10 % eines Jahrgangs offen. In den Ländern Westdeutschlands setzte zu Beginn der 1960er eine äußerst kritische Auseinandersetzung mit dem dreigliedrigen Schulsystem ein. Hier lassen sich rückblickend vier Argumentationslinien unterscheiden, die sich durch die politi-
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510 Bildungsgänge im Sekundarbereich I sche und wissenschaftliche Diskussion hindurchzogen. Ein pädagogisch-psychologischer Argumentationsstrang setzte an der frühen Übergangsauslese, der faktisch äußerst begrenzten Korrigierbarkeit negativer Übergangsentscheidungen und den geringen Individualisierungsmöglichkeiten innerhalb der drei Schulformen an. Gefordert wurde eine Schule für alle, die Bildungswege bis zum Ende der Sekundarstufe I – also bis zum Alter von etwa 16 Jahren – offenhalten sollte, individuelle Profilbildungen nach Neigung und Leistung zu ermöglichen und Leistungsschwächen von Schülerinnen und Schülern durch weitere Hilfsangebote auszugleichen. Die bildungsökonomische Kritik am Ausleseverfahren des gegliederten Schulsystems lieferte ein zweites Argument. In international vergleichenden bildungsökonomischen Arbeiten wurde die Vermutung eines absehbaren Mangels an Hochqualifizierten geäußert, der die ökonomische Konkurrenzfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland langfristig beeinträchtigen könnte. Die drohende „Bildungskatastrophe“ (Picht 1964) sollte nach Überzeugung aller politischen Parteien durch das Ausschöpfen von Begabungsreserven abgewendet werden. Damit brach in einem dritten Strang die bildungstheoretische Auseinandersetzung um die Begründbarkeit geschlossener Schullaufbahnen, um den Fächerkanon und die anzustrebende Mindestdauer des Schulbesuchs auf. Die einsetzende Diskussion um Lehrplan- und Curriculumreform mündete in den 1970er Jahren in den Versuch, Wissenschaftsorientierung zum gemeinsamen Fluchtpunkt einer differenzierten Grundbildung zu machen. Schließlich nahm ein vierter Strang von Argumenten die Kritik der Frühauslese und der Rückständigkeit auf, gab ihr jedoch eine entschieden sozialpolitische Wendung: Die sozialen Ungleichheiten der Bildungsbeteiligung schienen eine unmittelbare Folge der Organisationsstruktur des gegliederten Systems zu sein. Die Verminderung sozialer, ethnischer und regionaler Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und beim Schulerfolg wurde so zum tragenden Motiv von Bildungsreformen und mündete in der Integrierten Gesamtschule als vierter Schulform. Bis heute ist für die Gesamtschule der Gedanke des Ausgleichens und Beieinanderhaltens maßgeblich, obschon sich auch bei Proponenten der Gesamtschule – nicht zuletzt aufgrund einer breiten empirischen Basis – allmählich die Erkenntnis durchsetzt, dass eine Unterrichts- und Schulorganisation, die allen Kindern und Jugendlichen in ihrer individuellen Besonderheit gerecht werden will, interindividuelle Leistungsdifferenzen eher erhöht als reduziert (vgl. hierzu Köller und Trautwein 2003). Zudem muss man konzedieren, dass die Integrierte Gesamtschule sich nie als Alternative zum gegliederten Schulsystem etabliert hat, sondern eine weitere Schulform im System der Sekundarstufe geblieben ist. Bildungsexpansion Schon vor dem Aufkommen der Gesamtschulbewegung setzte in den alten Bundesländern ein anderer Modernisierungsprozess ein, der sich in der steigenden Nachfrage nach weiterführenden Bildungsgängen und der damit sich verlängernden Schulzeit manifestierte. Dieser Prozess der Bildungsexpansion (vgl. u. a. Baumert
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1991) ist in Abbildung 14.1 dargestellt. Beginnend mit dem Schuljahr 1952/53 sind die prozentualen Anteile der Schülerinnen und Schüler der 7. Jahrgangsstufe bzw. – nach der Wiedervereinigung – der 8. Jahrgangsstufe nach Schulformen der Sekundarstufe I geplottet. Besuchten noch fast 80 % der Jugendlichen 1952/53 eine Hauptschule, so ist dieser Anteil im Schuljahr 2015/16 auf 12 % gesunken. Gleichzeitig sind die Anteile auf dem Gymnasium von ehemals 13 auf über 36 % gestiegen. Nach einem langen Zeitraum der Expansion (bis zur Wiedervereinigung) sind die Zahlen an den Realschulen rückläufig zugunsten der Integrierten Gesamtschulen bzw. Schulen mit mehreren Bildungsgängen. Hierin spiegelt sich zum einen die starke Tendenz der Länder wider, das ehemals sehr differenzierte Sekundarschulsystem zugunsten eines Zwei-Säulen-Modells im allgemeinbildenden System (siehe unten) aufzugeben. Zum anderen entschieden sich drei der fünf neuen Bundesländer (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) direkt nach der Wiedervereinigung für ein zweigliedriges System. 90 VS/HS
80 Schülerinnen und Schüler in %
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Frühe Differenzierung in der Sekundarstufe I und Bildungsexpansion 511
RS
GY
FS
MBG/IGS
70 60 50 40 30 20 10 0 52/53
60/61
70/71
80/81 Schuljahr
90/91
00/01
15/16
Abb. 14.1: Prozentuale Anteile von Schülerinnen und Schülern nach Jahrgang und Schulform (7. bzw. 8. Jahrgangsstufe) (Quelle: Statistisches Bundesamt; Zahlen bis 1990/91 für die 7. Jahrgangsstufe, danach für die 8. Jahrgangsstufe) (Anmerkungen: VS = Volksschule; HS = Hauptschule; RS = Realschule; GY = Gymnasium; FS = Förderschule; MBG = Schule mit mehreren Bildungsgängen; IGS = Integrierte Gesamtschule)
Mit der Bildungsexpansion verband sich die Hoffnung, nachwachsenden Generationen „eine gemeinsame wissenschaftsorientierte Grundbildung auf hohem Niveau zu vermitteln und zugleich Disparitäten der Bildungsbeteiligung – vor allem sozialer Art – zu verringern“ (Baumert 1991, 333). Die seit PISA 2000 anhaltende Diskussion über erhebliche soziale und migrationsbedingte Disparitäten macht deutlich, dass die Hoffnung teilweise enttäuscht wurde. Gleichzeitig haben alle So-
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512 Bildungsgänge im Sekundarbereich I zialschichten gleichermaßen von der Expansion profitiert. Der deutliche Anstieg der Absolventinnen und Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung (► Kap. 15) vollzog sich demnach in allen Bevölkerungsgruppen. Baumert (1991) weist darauf hin, dass sich mit der Bildungsexpansion ein neuer Typ von Ungleichheit ausgebildet hat, nämlich intergenerationale Disparitäten, wonach in zunehmendem Maße nachfolgende Generationen höhere Bildungszertifikate erwarben als frühere. Die Befunde der PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies; Rammstedt 2013) zeigen derartige Disparitäten für sprachliche und numerische Kompetenzen. Weitere Befunde zu Generationsunterschieden in Kompetenzen finden sich auch in Baumert (1991). Die Bildungsexpansion blieb nicht ohne Effekte auf die Abschlüsse. Der Mittlere Schulabschluss ist zum Mindeststandard der Sekundarstufe I geworden, im Jahr 2014 erreichten ihn 55 % (inkl. beruflicher Schulen), 21 % erreichten einen Hauptschulabschluss und 6 % verließen die Sekundarstufe I ohne Abschluss (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016).
14.2 Zunehmende Zweigliedrigkeit und Inklusion in der Sekundarstufe I Die deutsche Wiedervereinigung führte zu erheblichen Veränderungen in den Schulstrukturen der fünf neuen Bundesländer. Während sich Brandenburg am Berliner Schulsystem mit dem Übergang nach der 6. Grundschulklasse und der Mehrgliedrigkeit in Berlin orientierte, übernahm Mecklenburg-Vorpommern zunächst das traditionelle westdeutsche Modell der Dreigliedrigkeit mit einem Übertritt nach der 4. Jahrgangsstufe. Die übrigen neuen Länder stellten auf ein zweigliedriges Modell um, das später – wenn auch modifiziert – wegweisend für die Bundesrepublik Deutschland sein sollte. Hauptschul- und Realschulbildungsgang wurden in diesem System unter dem Dach einer Schulform zusammengeführt, die Mittelschule (Sachsen), Sekundarschule (Sachsen-Anhalt) oder Regelschule (Thüringen) hieß. Zu diesen neuen Strukturen gesellten sich die insgesamt enttäuschenden Ergebnisse in PISA 2000 (► 14.4), in denen substanzielle Anzahlen von sehr leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern identifiziert wurden, die vor allem Haupt- und Integrierte Gesamtschulen besuchten. Insbesondere in Hauptschulen zeigte sich oftmals eine äußerst ungünstige soziale und kognitive Zusammensetzung der Schülerschaft, welche die Qualität der schulischen Arbeit nachweislich beeinträchtigte (Baumert, Stanat et al. 2006). Gekoppelt mit der permanent steigenden Nachfrage nach höheren Bildungsabschlüssen (► Abb. 14.1), den vergleichbar geringen Chancen von Jugendlichen ohne Abschluss oder lediglich mit Hauptschulabschluss am Ausbildungsmarkt, den zurückgehenden Schüler- und Schülerinnenzahlen und der Tatsache, dass eine zunehmende Entkopplung von Schulformen und Zertifi-
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Zunehmende Zweigliedrigkeit und Inklusion in der Sekundarstufe I 513 katen im System stattgefunden hat, war so eine Grundlage geschaffen, um über alternative Schulstrukturen nachzudenken. Letztendlich hat dies in bildungspolitischen Diskussionen über alle politischen Parteien hinweg zu der Akzeptanz eines Zwei-Säulen-Modells in der Sekundarstufe I geführt, in dem das Gymnasium und eine Sekundarschule, die je nach Land unterschiedliche Bezeichnungen trägt, zu den unterschiedlichen Abschlüssen der Sekundarstufen I und II führen, wenn auch häufig mit unterschiedlicher zeitlicher Taktung (vgl. hierzu ausführlich Neumann et al. 2017). So führt das Gymnasium in den meisten Ländern in acht Jahren zum Abitur – mit zunehmender Tendenz zur Rückkehr zum neunjährigen Abitur –, die zweite Säule in neun Jahren (► Kap. 15). Das Gymnasium hat damit sein ehemaliges Monopol bei der Vergabe der Hochschulzugangsberechtigung verloren. Die Tabelle 14.1 zeigt für die 16 Länder die aktuelle Schulstruktur (Schuljahr 2015/16) mit prozentualen Anteilen der Schülerinnen und Schüler in der 7. Jahrgangsstufe. Tab. 14.1: Schülerinnen und Schüler der 7. Jahrgangsstufe im allgemeinbildenden Schulsystem nach Land und Schulart (prozentuale Anteile) im Schuljahr 2015/16 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2016) Land BW BY BE BB HB HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH
SuS insges. 107.235 122.868 26.138 20.227 5.329 14.905 56.347 12.798 77.483 176.770 37.447 8.330 31.200 16.801 26.409 16.994
HS 15,1% 28,9%
RS 33,9% 33,5%
8,5%
20,9%
7,0% 8,1% 0,2%
17,3% 22,0% 1,6% 3,1%
MBG/IG 7,1% 0,2% 50,8% 52,6% 70,8% 51,2% 22,3% 49,8% 33,2% 28,9% 54,3% 54,9% 53,9% 51,0% 62,0% 55,6%
GY 38,0% 33,4% 46,2% 43,4% 26,6% 44,3% 44,1% 43,1% 38,7% 37,0% 39,0% 38,9% 40,1% 42,8% 35,2% 40,4%
FS 4,0% 3,3% 1,8% 3,3% 0,9% 2,7% 3,5% 6,4% 3,1% 3,2% 3,6% 1,9% 5,6% 5,7% 1,3% 3,3%
Anmerkungen: BW = Baden-Württemberg; BY = Bayern; BE = Berlin; BB = Brandenburg; HB = Bremen; HH = Hamburg; HE = Hessen; MV = Mecklenburg-Vorpommern; NI = Niedersachsen; NW = Nordrhein-Westfalen; RP = Rheinland-Pfalz; SL = Saarland; SN = Sachsen; ST = Sachsen-Anhalt; SH = Schleswig-Holstein; TH = Thüringen; SuS insges. = Schülerinnen und Schüler insgesamt; HS = Hauptschule; RS = Realschule; MBG = Schulen mit mehreren Bildungsgängen; IG = Integrierte Gesamtschule; GY = Gymnasium; FS = Förderschule
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514 Bildungsgänge im Sekundarbereich I Fünf Länder (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und NordrheinWestfalen) haben noch eher das mehrgliedrige Schulsystem beibehalten, wobei die Hauptschule in drei von fünf Ländern (Hessen, Niedersachsen und NordrheinWestfalen) eine fast unbedeutende Rolle spielt. Die übrigen elf Länder folgen weitgehend der Logik des Zwei-Säulen-Modells, allerdings unterscheiden sich diese Länder erheblich hinsichtlich des relativen Schulbesuchs an den Gymnasien. Hoch selektiven Systemen (Bremen) stehen stark expandierte (Berlin) gegenüber. Neben der Entwicklung zu einem Zwei-Säulen-Modell ist ein zweiter Modernisierungsprozess die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) in das allgemeinbildende Schulsystem. Auf die Hintergründe und Merkmale eines inklusiven Systems wird ausführlich im Kapitel 9 eingegangen. Der relative Anteil der Schülerinnen und Schüler mit SPF in der Sekundarstufe I lag im Schuljahr 2014/15 bei 5,4 % (Schipolowski et al. 2016) und schwankte je nach Land zwischen 2,6 (Saarland) und 10,9 % (MecklenburgVorpommern). Die großen Unterschiede in den Quoten machen die Unschärfe bei der Diagnose des SPF deutlich. Innerhalb der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit SPF stellt der Förderschwerpunkt „Lernen“ mit rund 40 % den größten Teil dar, gefolgt von den Schwerpunkten „Geistige Entwicklung“, „Sprache“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“, die alle zwischen 10 und 15 % liegen. Schüler und Schülerinnen mit SPF besuchen dabei nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes (2016) in erster Linie Integrierte Gesamtschulen bzw. Schulen mit mehreren Bildungsgängen (58 %), gefolgt von Hauptschulen (23 %). Den geringsten Teil (rund 4 %) nimmt das Gymnasium auf. Generell gilt für Deutschland, dass mehr als 75 % der inkludierten Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I zielgleich unterrichtet werden (Schipolowski et al. 2016), d. h. eine Schülerin bzw. ein Schüler mit SPF, die bzw. der einen Bildungsgang besucht, der zum Mittleren Schulabschluss (MSA) führt, soll in drei von vier Fällen auch zum MSA geführt werden. Inwieweit die mit den Abschlüssen am Ende der Sekundarstufe I verbundenen Anforderungen (► 14.3.2) von diesen Schülerinnen und Schülern tatsächlich erreicht werden, ist eine offene Frage. Ein inklusives Sekundarschulsystem und die Einführung des Zwei-Säulen-Modells haben erhebliche Implikationen für die Professionalisierung von Lehrkräften (► Kap. 19). Vor allem der nicht-gymnasialen Säule stellt sich die Herausforderung, Schülerinnen und Schüler innerhalb der Sekundarstufe I sowohl auf einen erfolgreichen Übergang in die berufliche Erstausbildung vorzubereiten als auch Sorge dafür zu tragen, dass der Lehrgang der Sekundarstufe I auf den voruniversitären Unterricht der gymnasialen Oberstufe vorbereitet. Zusätzlich müssen Schülerinnen und Schüler mit SPF inkludiert und zielgleich bzw. zieldifferent unterrichtet werden (► Kap. 9). Schließlich stellen die Kinder und Jugendlichen aus Zuwanderungsfamilien mit Blick auf die Unterrichtung von Deutsch als Zweitsprache (DAZ) eine Herausforderung dar. Viele Bundesländer haben auf diese Herausforderung mit
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Schulische Leistungen am Ende der Sekundarstufe I 515
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dem Stufenlehramt und einem weiteren Studiengang reagiert, in dem Lehrkräfte mit Schwerpunkt Sonderpädagogik ausgebildet werden. DAZ-Kenntnisse werden in obligatorischen Modulen der ersten Phase der Lehrerbildung erworben.
14.3 Schulische Leistungen am Ende der Sekundarstufe I Dass wir heute relativ viel über die Leistungsstände der in Deutschland lebenden Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarstufe I wissen, ist der Dritten Internationalen Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie (TIMSS; Baumert, Lehmann et al. 1997) zu verdanken. Der „TIMSS-Schock“ war Folge der im internationalen Vergleich eher mittelmäßigen Leistungsergebnisse von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufen I und II. Hinzu kam, dass die Studie in eine Phase großer bildungspolitischer Sensibilität fiel, in der aufgrund der deutschen Wiedervereinigung die Debatte um eine Verkürzung der Gymnasialzeit wiederauflebte und man sich verstärkt mit der Frage beschäftigte, wie angesichts föderaler Strukturen und wachsender Autonomie der Einzelschulen übergreifende Qualitätsund Leistungsstandards zu sichern wären. Eine Konsequenz dieser Situation war, dass die empirische Bildungsforschung mit dem Ziel verstärkt wurde, Ursachen und Handlungsmöglichkeiten im Kontext Schule zu erschließen. Darüber hinaus fassten die Kultusministerinnen und Kultusminister der Länder im Sommer 1997 den Konstanzer Beschluss, in dem sie vereinbarten, dass sie mit einem Schwerpunkt auf die Sekundarstufe I regelmäßige Vergleichsuntersuchungen zum Leistungsstand der Schulen in Deutschland durchführen würden. Damit war der Startschuss für den Aufbau eines Bildungsmonitorings in der Bundesrepublik Deutschland gegeben (► Kap. 7), das bis heute weitergeführt wird und seine erste Manifestation in der Teilnahme Deutschlands an PISA im Jahre 2000 fand (Baumert, Klieme et al. 2001). PISA ist eine Initiative der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Deutschland beteiligte sich im Jahr 2000 nicht nur mit einer national repräsentativen Stichprobe von 15-Jährigen an PISA. Vielmehr wurden für alle 16 Länder repräsentative Stichproben von 15-Jährigen und Neuntklässlern gezogen, um auch einen nationalen Vergleich der Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme in den Ländern zu ermöglichen. Auch diese Festlegung war ein Teil des Konstanzer Beschlusses. In den Jahren 2003 und 2004 wurden weiterhin Bildungsstandards für das Ende der Sekundarstufe I beschlossen, ebenso wie der Aufbau eines systematischen nationalen Assessments (► Kap. 7), in dem die Länder der Bundesrepublik Deutschland alle drei Jahre Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe parallel zu den PISA-Erhebungen testen. Insgesamt liegen damit Leistungsdaten in ausgewählten Domänen über einen Zeitraum von 15 Jahren vor (► Tab. 14.2).
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516 Bildungsgänge im Sekundarbereich I 14.3.1 Befunde aus PISA PISA verzichtet auf die explizite Verankerung der Testaufgaben in Lehrplänen und orientiert sich stattdessen am Grundbildungs- bzw. Literacy-Konzept, das vor allem im angelsächsischen Raum entwickelt wurde. Hinter dem Grundbildungskonzept verbirgt sich eine funktionalistische Orientierung, die der Bewährung von Kompetenzen in Alltags- oder beruflichen Situationen besondere Bedeutung beimisst. Zwar bleibt ein gewisser Bezug zu den Inhalten des schulischen Unterrichts (vgl. hierzu Schmidt et al. 2013), im Vordergrund stehen allerdings Bestrebungen, mathematische, naturwissenschaftliche oder Leseverständnisprobleme in authentische Situationen einzukleiden. Die Publikation der Befunde aus PISA 2000 (Baumert et al. 2001) löste starke Diskussionen über die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems in der Sekundarstufe I in Deutschland aus. 15-jährige Schülerinnen und Schüler lagen mit ihren mittleren Leistungen im Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften signifikant unter dem Mittelwert der OECD (Mittelwert M = 500; Standardabweichung SD = 100). Die Abbildung 14.2 vergleicht für die drei getesteten Domänen die deutschen Mittelwerte mit denen der OECD in den Jahren 2000 und 2015.1 Ohne Frage sind die Ergebnisse beeindruckend. Noch im Jahr 2000 lagen die Ergebnisse durchgängig signifikant unter dem OECD-Mittelwert und attestierten Deutschland ein im internationalen Vergleich weniger erfolgreiches Schulsystem. Als Ursachen für dieses schwache Abschneiden wurden u. a. folgende Gründe diskutiert: • Ein hoher Prozentsatz verzögerter Schulkarrieren von Schülerinnen und Schülern im deutschen Sekundarschulsystem • Unzureichende Sprachförderung sozial und kulturell benachteiligter Schülerinnen und Schüler • Fehlende Ganztagesangebote in Schulen zur besonderen Förderung benachteiligter Schülerinnen und Schüler • Die frühe Aufteilung der Schülerinnen und Schüler auf die unterschiedlichen Schulformen des differenzierten Schulsystems • Vor allem geringe Fördereffekte in Hauptschulen, die nur noch von geringen Anteilen eines Jahrgangs besucht wurden (so genannte Restschulen) • Geringe Unterrichtsqualität mit unzureichenden Praxisbezügen vor allem in Mathematik und in den Naturwissenschaften
1 Eine leichte Unschärfe erhält der Vergleich mit dem OECD-Mittelwert dadurch, dass die Zahl der
OECD-Teilnehmerstaaten je nach Erhebungszeitpunkt schwankte und dementsprechend die Staatenstichprobe in dieser Gruppe nicht immer identisch ist.
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Schulische Leistungen am Ende der Sekundarstufe I 517
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Tab. 14.2: Überblick über die Studien zu den Leistungsständen deutscher Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarstufe I seit PISA 2000
Domäne PISA 2000 PISA-E PISA 2003 PISA-E PISA 2006 PISA-E
2009
Ländervergleich PISA
2012
Lesen/ Hören/ Orthografie Lesen
Ländervergleich PISA
2015
Mathe- 1. FremdDeutsch matik sprache GrundLesen bildung GrundLesen bildung GrundLesen bildung GrundLesen bildung GrundLesen bildung GrundLesen bildung
Ländervergleich PISA
Lesen
Lesen/ Hören Grundbildung Leitideen Grundbildung
Lesen/ Hören/ Orthografie Lesen
Naturwissenschaften Biologie Chemie Physik Grundbildung Grundbildung Grundbildung Grundbildung Grundbildung Grundbildung
Grundbildung Fachwissen/ Erkenntnissgewinnung Grundbildung Lesen/ Hören
Grundbildung
Grundbildung
Anmerkungen: PISA: Internationaler Vergleich; PISA-E: Vergleich zwischen den 16 Ländern der Bundesrepublik Deutschland
Das Bild hat sich bis zum Jahr 2015 erheblich gewandelt, 15-Jährige in Deutschland liegen in allen drei getesteten Domänen statistisch signifikant über dem internationalen Mittelwert. Viele der gerade skizzierten Monita wurden durch Reformen beseitigt bzw. abgemildert. So führte eine veränderte Praxis bei der Einschulung (Liberalisierung der Stichtagregelung, so dass Kinder in vielen Bundesländern früher eingeschult werden) und eine Reduktion der Sitzenbleiberquoten dazu, dass
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518 Bildungsgänge im Sekundarbereich I heute 15-Jährige im Mittel in ihren Schulkarrieren erheblich weiter sind als dies im Jahr 2000 der Fall war. Die Abbildung 14.3 zeigt diese Veränderungen anhand der Daten aus PISA 2000 und PISA 2015. Auf die deutlichen Veränderungen in der Bildungsbeteiligung wurde bereits eingegangen, die relativen Anteile der Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen sind weiter zurückgegangen, die an Gymnasien gestiegen. Weiterhin wurde die Sprachförderung, vor allem auch in benachteiligten Gruppen, nach PISA 2000 als eines der zentralen Handlungsfelder der KMK definiert. Einen guten Überblick über die Vielfältigkeit der Programme bietet die Expertise von Schneider et al. (2012). 515 510 505 500 495 490 485 480 475 470 2000
2015 Lesen
2000
2015
Mathematik Deutschland
2000
2015
Naturwissenschaften
OECD
Abb. 14.2: Leistungen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland in den drei in PISA getesteten Domänen in 2000 und 2015, in Kompetenzpunkten (Vergleich: OECD-Mittelwert)
In PISA werden über Mittelwerte hinaus auch Zuordnungen der Schülerinnen und Schüler zu Kompetenzstufen (Stufe I: Risikojugendliche mit sehr niedrigen Leistungsniveaus; Stufen V und VI: Hochleistende) vorgenommen. Schülerinnen und Schüler der Risikogruppe verharren in ihren Leistungen auf einem Niveau, das es fraglich erscheinen lässt, ob es diesen Jugendlichen gelingt, sich erfolgreich in eine berufliche Erstausbildung einzufädeln. Mittlerweile liegen durch die an PISA 2000 gekoppelte kanadische Längsschnittstudie Youth In Transition Survey (YITS) und vor allem die schweizerische Langzeitstudie Transitions from Education to Employment (TREE) Belege vor, die es rechtfertigen, bei Personen, die die erste Kompetenzstufe nicht überschreiten, von einer Risikogruppe zu sprechen (Bussière 2009; Stalder 2012; Stalder et al. 2008; vgl. auch Baumert 2016). Für die Hochleistenden fehlen entsprechende Validitätsbefunde.
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Schulische Leistungen am Ende der Sekundarstufe I 519 70
Schül erinnen und Schüler i n %
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60 50 40 30 20 10 0 Unter Klasse 9
Klasse 9 PISA 2000
Klasse 10 oder höher
PISA 2015
Abb. 14.3: Prozentuale Anteile von 15-Jährigen in den unterschiedlichen Klassenstufen der Sekundarstufe I in den Jahren 2000 und 2015
Für das Jahr 2015 weist die Tabelle 14.3 die Anteile von leistungsschwachen und hochleistenden 15-Jährigen in Deutschland nach Domäne aus, den Vergleich bildet wiederum die Gruppe der OECD-Mitgliedsstaaten. Wie schon bei den mittleren Leistungen (► Abb. 14.2) zeigt sich, dass Jugendliche in Deutschland im OECDVergleich günstige Werte aufweisen, d. h. die Anteile der Risikoschülerinnen und -schüler sind in Deutschland kleiner, die Anteile der Hochleistenden fallen dagegen höher aus als im OECD-Durchschnitt. Zusammenfassend zeigt sich also, dass Jugendliche in Deutschland gegen Ende der Sekundarstufe I im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Leistungen im Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften erreichen. Auf die nationale Perspektive mit einem föderalen Bildungssystem wird im Folgenden eingegangen. Tab. 14.3: Prozentuale Anteile von sehr leistungsschwachen und hochleistenden 15-Jährigen in PISA 2015 nach Domäne und Vergleichsgruppe (Quelle: Reiss et al. 2016)
Lesen Mathematik Naturwissenschaften
Risikogruppe Deutschland OECD 16,2% 20,1% 17,2% 23,4% 17,0% 21,2%
Hochleistende Deutschland OECD 11,7% 8,3% 12,9% 10,7% 10,6% 7,7%
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520 Bildungsgänge im Sekundarbereich I 14.3.2 Nationale Schulleistungsvergleiche auf der Basis von Bildungsstandards Auf der Basis einer Expertise von Klieme et al. (2003) hat die KMK mit ihren Beschlüssen 2003 und 2004 und 2012 Leistungsstandards für die 4. Jahrgangsstufe der Grundschule, das Ende der Sekundarstufe I und die Abiturprüfung beschlossen. Berücksichtigt wurden die Fächer Deutsch, Mathematik, die erste Fremdsprache (Englisch oder Französisch) und die Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik). Im Grundschulbereich fand dabei eine Beschränkung auf Deutsch und Mathematik statt. In der Sekundarstufe I wurde noch zwischen Standards für den Hauptschulabschluss, der typischerweise nach der 9. Jahrgangsstufe erreicht wird, und Standards für den Mittleren Schulabschluss, der üblicherweise nach 10 Schuljahren erreicht wird, unterschieden. Für die Abiturprüfung liegen bislang nur Standards für Deutsch, Mathematik und die fortgeführte Fremdsprache vor. Die Standards knüpfen im Gegensatz zu den PISA-Tests sehr viel enger an deutsche Fachtraditionen an, nehmen curriculare Elemente auf und versuchen, diese mit internationalen Grundbildungskonzeptionen zusammenzuführen. Sie sind fachspezifisch als so genannte Can-do-Statements (Kann-Beschreibungen) formuliert. In Tafel 14.1 sind solche Kann-Beschreibungen für die Teilkompetenz Hör- und Hör-/Sehverstehen im Fach Englisch (vgl. KMK 2004) enthalten. Sie beziehen sich auf Leistungen, die von Schülerinnen und Schülern, die einen Mittleren Schulabschluss am Ende der 10. Jahrgangsstufe anstreben, erbracht werden sollten, und lehnen sich eng an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen an (GER; Europarat 2001). Tafel 14.1: Kann-Beschreibungen für das Fach Englisch (Teilkompetenz Hör- und Hör-/Sehverstehen; KMK 2004) Die Schülerinnen und Schüler können… • im Allgemeinen den Hauptpunkten von längeren Gesprächen folgen, die in ihrer Gegenwart geführt werden, • Vorträge verstehen, wenn die Thematik vertraut und die Darstellung unkompliziert und klar strukturiert ist, • Ankündigungen und Mitteilungen zu konkreten Themen verstehen, die in normaler Geschwindigkeit in Standardsprache gesprochen werden, • vielen Filmen folgen, deren Handlung im Wesentlichen durch Bild und Aktion getragen wird, • den Informationsgehalt der meisten Rundfunksendungen und Tonaufnahmen über Themen von persönlichem Interesse verstehen, • das Wesentliche in vielen Fernsehsendungen zu Themen von persönlichem Interesse, z. B. Interviews, kurze Vorträge oder Nachrichtensendungen verstehen.
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Schulische Leistungen am Ende der Sekundarstufe I 521 Die Standards für die Sekundarstufe I bilden die Grundlage für regelmäßig wiederkehrende nationale Schulleistungsstudien, in denen Stichproben von Schülerinnen und Schülern der 9. Jahrgangsstufe aus allen 16 Ländern der Bundesrepublik Deutschland getestet werden. Berücksichtigt werden Leistungen in Deutsch (Lesen, Hören, Rechtschreibung), der ersten Fremdsprache (Lesen und Hören), Mathematik (unterschiedliche Leitideen, vgl. u. a. Blum et al. 2006), Biologie, Chemie und Physik (Fachwissen und Erkenntnisgewinnung in allen drei Fächern). Die Erhebungen finden alle drei Jahre statt, wobei Mathematik und die Naturwissenschaften auf der einen Seite und die Sprachen auf der anderen Seite abwechseln (► Tab. 14.3). Neben Leistungsmittelwerten und Streuungen werden die Erhebungen auch genutzt, um zu analysieren, welche Anteile von Neuntklässlern in den 16 Ländern die in den Bildungsstandards formulierten Ziele erreichen. Dazu werden die Kompetenzskalen in Stufen (insgesamt fünf ) aufgeteilt. Leistungen, die auf der Kompetenzstufe 3 erreicht werden, entsprechen den in den KMK-Dokumenten formulierten Leistungserwartungen und werden als Regelstandards bezeichnet. Die Tabelle 14.4 zeigt die entsprechenden prozentualen Anteile auf Stufe 3 für Schülerinnen und Schüler, die mindestens einen Mittleren Schulabschluss (MSA) anstreben. Diese Gruppe schwankt in ihrer Größe je nach Land zwischen 73 % (Schleswig-Holstein) und 82 % (Sachsen; vgl. Schipolowski et al. 2016). Die Angaben basieren auf den nationalen Assessments von 2012 (Pant, Stanat, Schroeders et al. 2013) und 2015 (Stanat et al. 2016). Die Tabelle 14.4 macht auf den ersten Blick deutlich, dass die Anteile derer, welche die Erwartungen der Standards erfüllen, je nach Fach und innerhalb des Faches nach Teilkompetenz substanziell schwanken. Vergleichsweise kleinen Anteilen in Englisch stehen hohe Prozentzahlen in den Naturwissenschaften gegenüber. In der Logik der Regelstandards der KMK liegt der Erwartungswert bei 50 % der Schülerinnen und Schüler, welche die Standards erreichen sollten, wobei zu konzedieren ist, dass das Ende der Sekundarstufe I in vielen Ländern nicht die 9., sondern die 10. Jahrgangsstufe ist. Die Quoten schwanken bundesweit zwischen 40,9 % (Englisch Lesen) und 74,8 % (Physik Erkenntnisgewinnung). Hinsichtlich der Leistungsprofile lassen sich Ländergruppe unterscheiden. • Die Länder Bayern und Schleswig-Holstein zeichnen sich dadurch aus, dass sie über alle Teilkompetenzen hinweg hohe Quoten aufweisen. • Die beiden Stadtstaaten Berlin und Bremen weisen dagegen durchgängig geringere Anteile von Jugendlichen auf, welche die Ziele der Standards erreichen oder übertreffen. • Die fünf neuen Bundesländer schneiden mit Ausnahme des Fachs Englisch gut ab, mit besonderen Stärken in Mathematik und den Naturwissenschaften. Erklärungsansätze für dieses Ergebnismuster beziehen sich auf die Tradition des Bildungssystems in diesen Ländern vor der Wiedervereinigung: Eine deutliche
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522 Bildungsgänge im Sekundarbereich I
Tab. 14.4: Schülerinnen und Schüler (in Prozent), die am Ende der 9. Jahrgangsstufe die Erwartungen der Bildungsstandards für den MSA erreichen oder übertreffen (Kompetenzstufe 3 oder höher) nach Land und Teilkompetenz (nur Jugendliche, die mindestens einen MSA anstreben)
43,6 50,3 37,3 52,8 34,1 41,1 41,2 47,2 41,7 39,3 46,3 40,6 46,3 61,2 50,1 52,2 44,3
Erkenntnisgewinn
42,8 52,4 40,2 36,2 38,9 51,9 46,0 37,0 43,2 44,0 43,1 36,2 34,0 29,4 50,9 34,0 44,2
Wissen
39,2 49,3 37,3 38,3 32,3 43,6 40,7 39,0 36,7 40,4 39,2 34,9 39,3 35,0 43,5 38,5 40,9
Physik
Erkenntnisgewinn
65,6 75,3 58,3 66,2 52,7 59,7 65,4 66,9 66,1 60,6 67,1 66,6 67,1 64,4 66,4 66,4 65,9
Chemie Wissen
Hören
57,9 67,4 53,4 64,4 50,9 61,1 59,6 61,3 66,4 58,7 61,0 58,9 67,6 59,4 69,6 63,4 61,9
Biologie Erkenntnisgewinn
Lesen
46,0 53,9 42,7 52,7 34,6 48,7 46,4 51,1 45,4 45,5 46,7 47,0 58,5 50,5 54,0 53,4 48,4
Mathematik
Wissen
Orthografie
Land BW BY BE BB HB HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH D
Englisch
Hören
Deutsch
Lesen
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Schwerpunktsetzung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern; Russisch anstelle von Englisch als dominierende Fremdsprache. • Die übrigen Länder reihen sich mit eher mittelmäßigen Quoten zwischen Bayern und Schleswig-Holstein auf der einen Seite und Berlin und Bremen auf der anderen Seite ein.
67,9 74,7 67,2 85,9 66,4 66,1 65,7 76,7 71,6 63,0 78,3 72,7 76,0 83,8 81,3 82,6 70,5
53,3 67,4 57,0 73,7 53,8 54,3 52,9 61,9 60,1 52,6 64,5 63,3 70,9 66,0 64,3 71,4 59,2
52,8 66,9 55,7 74,1 51,2 51,5 52,7 64,9 56,7 50,9 62,9 60,9 61,7 72,4 74,9 71,8 58,1
59,5 70,8 61,2 78,2 57,8 57,6 58,9 66,9 64,2 56,1 70,3 66,6 77,0 73,0 69,6 77,4 63,7
66,4 76,0 64,6 83,8 63,9 63,1 65,8 72,7 67,1 61,0 73,7 71,0 75,5 82,7 81,1 83,9 69,0
68,6 80,1 70,4 86,7 69,0 70,6 71,0 76,6 76,8 70,3 81,2 76,9 86,1 81,7 79,2 86,7 74,8
Anmerkungen: BW = Baden-Württemberg; BY = Bayern; BE = Berlin; BB = Brandenburg; HB = Bremen; HH = Hamburg; HE = Hessen; MV = Mecklenburg-Vorpommern; NI = Niedersachsen; NW = Nordrhein-Westfalen; RP = Rheinland-Pfalz; SL = Saarland; SN = Sachsen; ST = Sachsen-Anhalt; SH = Schleswig-Holstein; TH = Thüringen; D = Deutschland
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Jenseits des Ländervergleichs ist von besonderem Interesse, wie sich die Länder der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Kompetenzen, für die Standards vorliegen, entwickeln. Der IQB-Bildungstrend (Stanat et al. 2016) lässt erste Aussagen für die Kompetenzen in den Fächern Englisch und Deutsch zu. Einem deutlichen Anstieg der Leistungen im Fach Englisch steht dabei ein leichter Rückgang der Leistungen in Deutsch gegenüber. Kombiniert mit den Befunden aus PISA (► 14.3.1) ergibt sich aber insgesamt ein Bild, wonach die Leistungsstände am Ende der Sekundarstufe I in der zeitlichen Betrachtung eher steigen. 14.3.3 Schulformunterschiede in den Leistungen Die nationalen und internationalen Schulleistungsstudien untersuchen auch systematisch die Unterschiede in den Leistungen zwischen den Schulformen der Sekundarstufe I. Dabei wird neuerdings nur noch zwischen dem Gymnasium und den übrigen Schulformen unterschieden, da die Länderunterschiede bei den nichtgymnasialen Bildungsgängen zu groß sind. Die Abbildung 14.4 zeigt für die drei in PISA erfassten Leistungsbereiche die Differenzen zwischen 15-Jährigen aus Gymnasien und übrigen Schulformen. 700 Gymnasium 600 500
Leistungen (M)
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Schulische Leistungen am Ende der Sekundarstufe I 523
585
573 476
475
Sonstige 583 476
400 300 200 100 0 Naturwissenschaft
Mathematik
Lesen
Kompetenzbereich
Abb. 14.4: Leistungen (Mittelwert M, in Kompetenzpunkten) von 15-Jährigen in PISA 2015 nach Kompetenzbereich und Schulform (vgl. Reiss et al. 2016)
Für alle drei Kompetenzbereiche zeigen sich große Mittelwertunterschiede, die einem Lernfortschritt von rund drei Schuljahren entsprechen. Die Einschätzung der Differenzen in Schuljahren basiert auf der Beobachtung, dass Kompetenzzuwächse innerhalb eines Schuljahres in der Sekundarstufe I bei 0.30 bis 0.50 Standardabweichungen liegen (vgl. Köller und Baumert 2012). Die Ursachen für die großen Unterschiede zwischen den Schulformen sind wiederholt diskutiert worden (u. a.
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524 Bildungsgänge im Sekundarbereich I bei Baumert, Stanat et al. 2006). Quintessenz dieser Arbeiten ist, dass wenigstens drei Faktoren eine Rolle spielen: • Effekte der Eingangsselektivität: Da der Übertritt auf die unterschiedlichen Schulformen zu erheblichen Teilen leistungsbasiert ist, bestehen bereits zu Beginn der Sekundarstufe I große Unterschiede zwischen den Schulformen. • Effekte der Komposition: Schülerinnen und Schüler am Gymnasium profitieren in ihrem Leistungsfortschritt davon, dass auch ihre Mitschülerinnen und -schüler leistungsstark sind und hier wechselseitig lernunterstützende Effekte auftreten. • Effekte der Institution: Jenseits der Komposition scheint das Gymnasium mit anspruchsvolleren Lerninhalten und einem qualitätsvolleren Unterricht durch besser qualifizierte Lehrkräfte ein lernförderlicheres Milieu darstellen als die anderen Schulformen.
14.4 Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und in Leistungen Mit der Publikation der ersten PISA-Befunde (Baumert et al. 2001) hat die Diskussion um herkunftsbedingte Ungleichheiten/Disparitäten im allgemeinbildenden Schulsystem Deutschlands deutlich an Bedeutung gewonnen. Die vor gut 15 Jahren publizierten Befunde machten deutlich, dass die bereits in den 1960er Jahren diskutierten Benachteiligungen von Schülerinnen und Schülern aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status andauerten. Ergänzt wurde diese Diskussion noch um die migrationsbedingten Disparitäten und die Geschlechtsdifferenzen (► Kap. 8). 14.4.1 Soziale Disparitäten Soziale Ungleichheit zeigt sich in den PISA-Erhebungen wie auch in den Ländervergleichen sowohl in der Bildungsbeteiligung der 15-Jährigen als auch in den am Ende der Sekundarstufe I erreichten Niveaus in verschiedenen Kompetenzbereichen. Der sozioökonomische Status der Familien, aus denen die 15-Jährigen getestet werden, wird vorwiegend über Daten zur Berufstätigkeit der Eltern erhoben, da Angaben über Macht, soziale Anerkennung oder Einkommensverhältnisse von Personen nur schwer zu erheben sind (vgl. Maaz et al. 2004, 164f ). Um die Berufsangaben weiterverarbeiten und die Vergleichbarkeit gewährleisten zu können, ist es notwendig, die einzelnen Berufe Berufsgruppen zuzuordnen. Seit 1968 existiert eine internationale Standardklassifikation der Berufe, die International Standard Classification of Occupations (ISCO). Sie wurde wiederholt an die Veränderungen der Arbeitswelt angepasst, zuletzt im Jahre 2008. Erarbeitet wurde sie von der internationalen Arbeitsorganisation (ILO 1969, 1990). Die ISCO-Kodierung ist die Basis für die Generierung von Berufsrangskalen und Kategoriensystemen zur Bestimmung des Prestiges von Personen. Der berufliche Status und das Konzept
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Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und in Leistungen 525 des Prestiges sind ein probates Instrument, um die Position wiederzugegeben, die Personen in der sozialen Hierarchie der Gesellschaft einnehmen (vgl. Hradil 2001; Hoffmeyer-Zlotnik und Geis 2003 sowie Hoffmeyer-Zlotnik 2003). Die Berufsangaben der Eltern werden unter Hinzuziehung weiterer Informationen vielfach genutzt, um in Anlehnung an Erikson et al. (1979) die Sozialschichtzugehörigkeit zu bestimmen. Entsprechend den Initialen der Autoren werden die Gruppen dann als EGP-Klassen bezeichnet, wobei in den Large-Scale Assessments folgenden Klassen unterschieden werden: Obere Dienstklasse (I), Untere Dienstklasse (II), Routinedienstleistungen (III), Selbständige (IV), Facharbeiter (V, VI), An- und ungelernte Arbeiter (VII). Die Tabelle 14.5 zeigt für die PISA-Erhebungen 2000 und 2015 die Bildungsbeteiligung (Gymnasialbesuch) sowie die Lesekompetenzen (Mittelwerte und Standardabweichungen). Erkennbar ist die Schichtabhängigkeit der Gymnasialbesuchsquote und der Leseleistung. Schülerinnen und Schüler aus Familien der oberen und unteren Dienstklasse besuchen deutlich häufiger ein Gymnasium als die aus den übrigen Klassen. Auch liegen die Leistungen im Lesen deutlich höher. Insbesondere für die Klasse der un- und angelernten Arbeiter sowie Landarbeiter ergeben sich in PISA 2000 sehr ungünstige Werte bei der Gymnasialbeteiligung und den Leseleistungen. Die schichtspezifischen Unterschiede in der Bildungsbeteiligung sind nach Boudon (1974) Folge primärer Effekte – höhere Leistungen in den privilegierten Gruppen führen zu häufigeren Übergängen auf das Gymnasium – und sekundärer Effekte – sozial privilegierte Eltern neigen auch jenseits der Leistungen ihrer Kinder stärker dazu, ihren Kindern den Gymnasialbesuch zu ermöglichen. Tab. 14.5: Bildungsbeteiligung am Gymnasium und Leseleistungen von 15-Jährigen in PISA 2000 und PISA 2015 nach EGP-Klassen (Quelle: Müller und Ehmke 2016, 307)
Obere Dienstklasse Untere Dienstklasse Routinedienstleistungen Selbstständige Facharbeiter und Arbeiter mit Leitungsfunktion Un- und angelernte Arbeiter, Landarbeiter Gesamt
PISA 2000 % Gymn. M 51,6 538 44,8 531 23,7 470 26,2 480
SD 94 93 109 94
PISA 2015 % Gymn. M 55,0 542 43,1 529 28,7 496 29,3 501
SD 97 87 88 94
15,6
459
104
24,4
496
89
11,0
432
111
20,1
476
86
28,5
484
107
33,4
509
100
Anmerkungen: Gymn. = Gymnasium; M = Mittelwert; SD = Standardabweichung
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526 Bildungsgänge im Sekundarbereich I Zwischen 2000 und 2015 nehmen die Ungleichheiten ab: Die Gymnasialbeteiligung steigt in den beiden unteren Gruppen (Facharbeiter und Arbeiter mit Leitungsfunktion; un- und angelernte Arbeiter, Landarbeiter) deutlich an und stagniert in den übrigen Gruppen. Die Leistungen stagnieren in der oberen und unteren Dienstklasse, in den übrigen Klassen steigen sie. Die Differenz von 66 Punkten zwischen der oberen Dienstklasse und den un- und angelernten Arbeitern, Landarbeitern in PISA 2015 entspricht dem Lernfortschritt von mehr als zwei Schuljahren, mit anderen Worten sind Jugendliche aus sozial privilegierten Familien in ihren mittleren Leseleistungen den Gleichaltrigen aus benachteiligten Familien zwei Schuljahre voraus. Es lässt sich demnach festhalten, dass auch in PISA 2015 Ungleichheiten bestehen, diese aber über die Zeit abgenommen haben. Für die naturwissenschaftlichen Kompetenzen zeigt sich in PISA 2015 ein ähnliches Bild. In den Ländervergleichen des IQB (z. B. Kuhl et al. 2013) zeigen sich für Neuntklässler in den schulischen Kompetenzen Disparitäten, die noch etwas höher als in PISA sind und erheblich nach Bundesländern variieren. Bei aller Variation lässt sich aber aus den IQB-Studien ableiten, dass soziale Disparitäten in den Kompetenzen eine Herausforderung für alle 16 Länder sind. Unbestritten ist auch, dass sich die Leistungsunterschiede in Laufe der Sekundarstufe I eher vergrößern, da das Gymnasium ein günstigeres Lernmilieu bietet, von dem in der Gruppe der sozial privilegierten Jugendlichen größere Anteile profitieren als in den benachteiligten Gruppen (vgl. dazu u. a. Köller und Baumert 2012). 14.4.2 Migrationsbedingte Disparitäten Seit PISA 2000 werden systematisch und regelmäßig die Leistungsunterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund analysiert. Dabei werden typischerweise die folgenden Gruppen unterschieden: • Jugendliche mit einem im Ausland geborenen Elternteil: Ein Elternteil ist außerhalb Deutschlands geboren, der andere Elternteil ist im Testland geboren. • Jugendliche der zweiten Generation: Beide Elternteile sind im Ausland geboren, der Jugendliche selbst ist in Deutschland geboren. • Jugendliche der ersten Generation (zugewanderte Familien): Beide Elternteile und auch der Jugendliche sind außerhalb Deutschlands geboren und zugewandert. • Jugendliche ohne Migrationshintergrund: Schülerinnen und Schüler, deren Elternteile beide in Deutschland geboren wurden, werden als Jugendliche ohne Migrationshintergrund bezeichnet. Für die Neuntklässler zeigt sich im Rahmen der IQB-Bildungstrends 2015 (Stanat et al. 2016), dass deutschlandweit 29 % der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben, also einer der ersten drei Gruppen angehören. Die Zahlen schwanken je nach Bundesland zwischen 6,9 (Sachsen-Anhalt) und 48,1 % (Bremen). Viele der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund kommen aus sozial und kulturell benachteiligten Familien (vgl. PISA 2015; IQB Bildungstrend) und die großen Schulleistungsstudien der letzten Jahre belegen die
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Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und in Leistungen 527 migrationsbedingten Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und in den schulischen Leistungen. Im Rahmen von PISA 2015 berichten Reiss et al. (2016) die Gymnasialquoten von 15-Jährigen nach Herkunft. Dabei zeigt sich, dass 38,7 % der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ein Gymnasium besuchen, ist ein Elternteil im Ausland geboren, sind es 31 %, bei den Jugendlichen der zweiten Generation sind es 25,7 %, bei denen der ersten Generation lediglich 17,7 %. Kongruent zu diesen Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung liegen bei PISA 2015 die Jugendlichen der ersten Generation (M = 433) in den naturwissenschaftlichen Leistungen 99 Punkte hinter den 15-Jährigen ohne Migrationshintergrund. Die beiden übrigen Migrationsgruppen liegen dazwischen. Die 99 Punkte entsprechen einem Leistungsrückstand von über drei Schuljahren. Differenziert man die Zuwanderungsgruppe nach Herkunftsland, so zeigt sich, dass Jugendliche aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion und aus Polen deutlich höhere Leistungen erreichen als türkischstämmige Jugendliche, Jugendliche aus dem ehemaligen Jugoslawien und arabischstämmige Jugendliche (vgl. Stanat et al. 2016). Je stärker die Familien in Deutschland assimilieren, desto höher sind die Leistungen der Schülerinnen und Schüler. In differenzierteren Analysen (z. B. Pöhlmann et al. 2013) konnte wiederholt gezeigt werden, dass sich nach Kontrolle der Sozialschicht, des kulturellen Kapitals und der überwiegend zuhause gesprochenen Sprache (Deutsch vs. eine andere) die Leistungsunterschiede erheblich reduzieren. Die außerschulische Verwendung der deutschen Sprache scheint demnach ein protektiver Faktor gegen schulischen Misserfolg zu sein. 14.4.3 Geschlechtsdifferenzen Trotz großer gesellschaftlicher Diskussionen über Geschlechtsdifferenzen (vgl. u. a. Hannover und Kessels 2011), stellt sich das Problem der Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen weit weniger dramatisch dar als die Probleme der sozialen und migrationsbedingten Disparitäten. Dennoch zeigen sich auch zwischen den Geschlechtern bemerkenswerte Unterschiede in der Bildungsbeteiligung und den schulischen Kompetenzen. Die Abbildung 14.5 zeigt für Neuntklässler des Schuljahres 2014/15 die Verteilung von Jungen und Mädchen auf die Schulformen der Sekundarstufe I (vgl. Böhme et al. 2016). Deutlich wird, dass mehr Mädchen das Gymnasium besuchen und seltener Hauptund Förderschulen. Die Vorteile der Mädchen können als direkte Folge der Bildungsexpansion verstanden werden. Die oben beschriebene, in den 1960er Jahren ausgerufene Bildungskatastrophe führte vor allem auf Seiten der Mädchen zu einer Mobilisierung in Richtung höherer Bildungsabschlüsse und Ende der 1970er Jahre lag erstmals der relative Gymnasialbesuch der Mädchen in der Sekundarstufe I höher als der der Jungen (vgl. hierzu u. a. Faulstich-Wieland und Nyssen 1998). Seit dieser Zeit hat sich die höhere Bildungsbeteiligung der Mädchen eher verstärkt. Als Grund hierfür werden die besseren Leistungen der Mädchen am Ende der Grundschulzeit genannt (vgl. u. a. Schauenberg und Ditton 2006).
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528 Bildungsgänge im Sekundarbereich I
Schülerinnen und Schüler in %
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40
38 Jungen
35
Mädchen
32
30 25 20 15
23 23 17 14 13
13 10 9
10
5 5
3 1
1
0 HS
MBG
RS
GY
IGS
FWS
FS
Schulform
Abb. 14.5: Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9 nach Schulform (Schuljahr 2014/15; Angaben in Prozent) (Quelle: Böhme et al. 2016, 380) (Anmerkungen: HS = Hauptschule; MBG = Schule mit mehreren Bildungsgängen; RS = Realschule; GY = Gymnasium; IGS = Integrierte Gesamtschule; FWS = Freie Waldorfschule; FS = Förderschule)
Mädchen schneiden in den internationalen und nationalen Schulleistungsstudien im Sekundarbereich bei den sprachlichen Kompetenzen (Deutsch und Englisch) besser ab, in den mathematischen etwas schwächer (zuletzt Reiss et al. 2016 für PISA; Stanat et al. 2016 für den IQB-Ländervergleich). In den Naturwissenschaften ist das Bild uneinheitlich. Insgesamt setzt sich bei der Betrachtung von Geschlechtsdifferenzen in den Schulleistungen immer stärker die von Hyde schon 2005 vertretene Geschlechterähnlichkeitshypothese durch, wonach die Leistungen von Jungen und Mädchen in den verschiedenen Leistungsbereichen sich eher ähneln als dass sie weit auseinanderklaffen (Hyde 2005).
14.5 Fazit und Ausblick Die Sekundarstufe I hat in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg weitreichende Reformen durchlebt und sich zunehmend modernisiert. Aus einem stark differenzierten System, das frühzeitig die Schülerinnen und Schüler auf unterschiedliche Bildungswege verteilte und Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ausgrenzte, hat sich ein in vielen Ländern der Bundesrepublik Deutschland etabliertes Zwei-Säulen-Modell entwickelt, das integrativ bzw. inklusiv ist und für große Teile eines Jahrgangs die Wege zu allen Bildungsabschlüssen offenhält. Trotz des Modernisierungsprozesses zu einer Zweigliedrigkeit machen die großen Schulformunterschiede in den Kompetenzständen (► Abb. 14.4) sichtbar, dass sich die Leistungsschere zwischen den Schulformen im Laufe der Sekundarstufe I keineswegs schließt, vielmehr
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Fazit und Ausblick 529 treten hier Differenzen auf, die dem Lernfortschritt von drei Schuljahren entsprechen. Vor allem Schulen der nichtgymnasialen Säule stehen hier vor der Herausforderung, die Leistungspotenziale ihrer Schülerinnen und Schüler besser auszuschöpfen. Mit den vielen Reformen einhergegangen ist eine starke Expansion des Gymnasiums und hohe Übertrittszahlen am Ende der Sekundarstufe I auf Bildungsgänge, die zur Hochschulzugangsberechtigung führen. Eine wichtige Reform stellte auch die Einführung von länderübergreifenden Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss und den Hauptschulabschluss dar. Verbunden damit war die Einführung des nationalen Assessments, bei dem auf der Basis standardisierter Tests die Leistungsfähigkeit der Sekundarstufe I in allen 16 Ländern überprüft wird und dieser Ländervergleich die internationalen Vergleiche in PISA ergänzt. Insgesamt zeigen die Schulleistungsstudien, dass sich die Leistungsfähigkeit der Sekundarstufe I im jüngeren Zeitverlauf gesteigert hat. Gleichzeitig sind auch Probleme geblieben, die sich vor allem in nach wie vor hohen sozialen und migrationsbedingten Disparitäten widerspiegeln. Hier bleibt die große Herausforderung, die Bildungspotenziale zu heben, die durch soziale und kulturelle Benachteiligung nicht ausgeschöpft werden. Ein wichtiger Zugang zur Reduzierung von Ungleichheit bleibt die Sprachförderung, die weit früher als in der Sekundarstufe I einsetzen muss und vor allem eine Herausforderung für die frühe Bildung darstellt. Für die Sekundarstufe I bleibt darüber hinaus die Herausforderung, möglichst vielen Schülerinnen und Schülern die Wege zu Bildungsständen zu ermöglichen, die mindestens die Vergabe des Mittleren Schulabschlusses erlauben und die Chancen der Jugendlichen am Ausbildungsmarkt deutlich erhöhen. Diskussionen über die Verbesserung der Qualität des Fachunterrichts scheinen dabei deutlich zielführender zu sein als Debatten über Schulstrukturreformen.
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530 Bildungsgänge im Sekundarbereich I
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532 Bildungsgänge im Sekundarbereich I IQB-Bildungstrend 2015: Sprachliche Kompetenzen am Ende der 9. Jahrgangsstufe im zweiten Ländervergleich, 171-329. Münster: Waxmann. Schmidt, W., Zoido, P. & Cogan, L. (2014). Schooling matters: Opportunity to learn in PISA 2012, OECD Working Papers, No. 95. OECD Publishing. doi: http://dx.doi.org/10.1787/5k3v0hldmchl-en Schneider, W., Baumert, J., Becker-Mrotzeck, M., Hasselhorn, M., Kammermeyer, G., Rauschenbach, T., Roßbach, H.-G., Roth, H.-J., Rothweiler, M., Stanat, P., Schmiedeler, S. & Chilla, S. (2012). Expertise „Bildung durch Sprache und Schrift (BISS)“. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Stalder, B. E. (2012). School-to-work transitions in apprenticeship-based VET systems: The Swiss approach. In S. Billett, G. Johnson, S. Thomas, C. Sim, S. Hay & J. Ryan (Hrsg.), Experience of school transitions: Policies, practice and participants, 123-139. Dordrecht: Springer. Stalder, B. E., Meyer, T. & Hupka-Brunner, S. (2008). Leistungsschwach – bildungsarm? Ergebnisse der TREE-Studie zu den PISA-Kompetenzen als Prädiktoren für Bildungschancen in der Sekundarstufe II. Die Deutsche Schule, 100(4), 436-448. Stanat, P., Böhme, K., Schipolowski, S. & Haag, N. (Hrsg.) (2016). IQB-Bildungstrend 2015. Sprachliche Kompetenzen am Ende der der 9. Jahrgangsstufe im zweiten Ländervergleich. Münster: Waxmann. Statistisches Bundesamt (2016). Bildung und Kultur. Allgemeinbildende Schulen. Schuljahr 2015/2016. [Fachserie 11 Reihe1]. Wiesbaden. Verfügbar unter https://www.destatis.de/GPStatistik/receive/ DEHeft_heft_00061816 (Zugriff am 05.09.2019).
Onlinequellen http://www.fachhochschulreife.org/ (Zugriff am 13.12.2018).
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15 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Marko Neumann und Ulrich Trautwein
Zusammenfassung Das Ausmaß und die Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Sekundarbereich II, der sowohl das allgemeinbildende als auch das berufliche Schulwesen umfasst, haben in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Inzwischen erwirbt mehr als die Hälfte der Absolvent*innen die Berechtigung zum Studium, entweder die allgemeine Hochschulreife (Abitur) oder die Fachhochschulreife. Trotz der Zunahme bestehen nach wie vor erhebliche Disparitäten beim Erwerb der Studienberechtigung. Dies gilt sowohl für soziale und migrationsbezogene Ungleichheiten, aber auch hinsichtlich regionaler (Bundesländer) und geschlechtsbezogener, zu Ungunsten der männlichen Jugendlichen ausfallender Unterschiede. Rund drei Viertel der studienberechtigten Absolvent*innen des Sekundarbereichs II verfügen über das Abitur, das formal zum Studium aller Studiengänge an allen Hochschulen der Bundesrepublik berechtigt und über den Besuch der gymnasialen Oberstufe erworben wird. Die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe hat sich in den vergangenen 10-15 Jahren in vielerlei Hinsicht gewandelt. Dabei wurden Wahl- und Vertiefungsmöglichkeiten reduziert und die Rolle der Fächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprache als Kernfächer deutlich gestärkt. Trotz dieser vereinheitlichenden Tendenzen bestehen nach wie vor sehr große Unterschiede in der Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe zwischen den Bundesländern, was Fragen nach der Vergleichbarkeit des Abiturs provoziert. Mit der Einführung länderübergreifender Bildungsstandards für das Abitur und der nahezu flächendeckenden Einführung zentraler (allerdings nach wie vor bundeslandspezifischer) Abiturprüfungen wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, die einheitliche Leistungsanforderungen und eine hinreichende Vergleichbarkeit des Abiturs gewährleisten sollen. Die Effekte dieser Maßnahmen sind bislang noch nicht abzuschätzen, nicht auszuschließen ist jedoch, dass sie aufgrund der nach wie vor erheblichen Spielräume bei der konkreten Ausgestaltung und der nicht vorgesehenen Überprüfung der Standarderreichung eher begrenzt ausfallen.
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534 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Generell liegen zum Leistungs- und Fähigkeitsniveau von Abiturient*innen bislang nur vergleichsweise wenige empirische Forschungsbefunde vor. Die vorhandenen Ergebnisse weisen auf substanzielle Leistungsunterschiede zwischen Bundesländern, aber auch zwischen den verschiedenen Richtungen der gymnasialen Oberstufe hin. Dabei scheint das Erreichen von erwarteten Leistungsanforderungen zum Teil fraglich. Zudem spiegeln sich Leistungsunterschiede nur eingeschränkt in entsprechenden Notenunterschieden wider, was wiederum Konsequenzen für den Wettbewerb um stark nachgefragte Studien- und Ausbildungsplätze hat.
15.1 Einführung Gegenstand des vorliegenden Kapitels ist die überblicksartige Darstellung der Ausgestaltung des Sekundarbereichs II und sich darin vollziehender aktueller Entwicklungen. Der Fokus liegt auf den Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung, insbesondere der Allgemeinen Hochschulreife – des Abiturs. Der Sekundarbereich II – oft auch als „Sekundarstufe II“ bezeichnet – schließt an die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Bildungsgänge des Sekundarbereichs I an und umfasst die Altersgruppe der Jugendlichen von rund 15/16 Jahren bis rund 18/19 Jahren. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Bereichen bzw. Stufen des Sekundarschulwesens ist, dass sich der Sekundarbereich II sowohl auf das allgemeinbildende als auch das berufliche Bildungswesen erstreckt, während der Sekundarbereich I ausschließlich im allgemeinbildenden Schulwesen angesiedelt ist. Im Sekundarbereich II finden sich somit sowohl in erster Linie berufsqualifizierende Bildungsgänge, auf die in Kapitel 16 vertiefend eingegangen wird, als auch Bildungsgänge, deren erfolgreicher Abschluss zum Eintritt in den Hochschulbereich (► Kap. 17 und 18) berechtigen und im Zentrum des vorliegenden Kapitels stehen. Das Kapitel gliedert sich wie folgt. In einem ersten Schritt soll zunächst ein kurzer Überblick über die vorhandenen Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Sekundarbereich II gegeben werden. Anschließend wird auf die quantitative Bedeutung und Expansion der verschiedenen Hochschulzugangswege eingegangen. Die sich daran anschließenden Abschnitte beleuchten wesentliche Aspekte und Entwicklungen rund um den Erwerb des Abiturs als nach wie vor bedeutsamster Berechtigung zum Hochschulstudium. Dazu zählen die Zielsetzungen und Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe (einschließlich der viel diskutierten Frage „G8 oder G9?“) ebenso wie das Erreichen erforderlicher Leistungsstandards und die Vergleichbarkeit von Bewertungsmaßstäben beim Erwerb des Abiturs. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf vorhandene Herausforderungen und Potenziale beim Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Sekundarbereich II.
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Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung 535
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15.2 Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Sekundarbereich II Für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung lassen sich verschiedene Berechtigungsstufen unterschieden: (1) die Allgemeine Hochschulreife (Abitur), die formal zum Studium aller Studiengänge an allen Universitäten der Bundesrepublik berechtigt, (2) die Fachhochschulreife, die sich aus einem schulischen und einem berufsbezogenen Teil (Berufsausbildung oder Praktikum) zusammensetzt und ausschließlich die Berechtigung zum Studium an Fachhochschulen bescheinigt, sowie (3) die Fachgebundene Hochschulreife, die neben dem Studium an Fachhochschulen für bestimmte und jeweils festgelegte Studiengänge auch ein Studium an einer Universität ermöglicht, quantitativ gesehen jedoch eine eher untergeordnete Rolle spielt. Der Erwerb der verschiedenen Berechtigungen ist sowohl an den allgemeinbildenden als auch den berufsbezogenen Bildungseinrichtungen des Sekundarbereichs II möglich. Die Allgemeine Hochschulreife ist dabei an den Nachweis ausreichender Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache geknüpft und wird üblicherweise durch den Besuch einer gymnasialen Oberstufe an einem allgemeinbildenden Gymnasium, an einer anderen allgemeinbildenden Schule (je nach Bundesland z. B. Gesamtschule, Oberschule, Integrierte Sekundarschule, Stadtteilschule, Gemeinschaftsschule; ► Kap. 14) oder an einem beruflichen Gymnasium (verschiedentlich auch als „Fachgymnasium“ bezeichnet) erworben. Neben dem beruflichen Gymnasium ist der Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife im beruflichen Bildungswesen bei entsprechenden Fremdsprachennachweisen auch an Fach- und Berufsoberschulen möglich. Letztere führen jedoch in erster Linie zur Fachhochschulreife und zum Teil zur fachgebundenen Hochschulreife. Der Erwerb der Fachhochschulreife ist unter bestimmten Voraussetzungen zudem auch an Fachschulen/Berufsfachschulen möglich. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren zunehmend Möglichkeiten geschaffen, die den Weg an die Universität auch für Personen, die nicht über das Abitur verfügen, öffnen. So hat die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrem Beschluss aus dem Jahr 2009 eine Reihe beruflicher Qualifikationen mit einer allgemeinen bzw. fachbezogenen Zugangsberechtigung für die Hochschule ausgestattet (vgl. KMK 2009). Zwar hat der Anteil der Studienanfängerinnen und -anfänger, die über diese neu geschaffenen Zugangsmöglichkeiten an die Hochschule gelangt sind, in den letzten Jahren deutlich zugenommen, fiel aber im Jahr 2014 mit 2,8 % nach wie vor vergleichsweise gering aus (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Tab. F2-4A). Für einen ausführlichen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im allgemeinbildenden und beruflichen Bildungssystem sei auf die vertiefenden Darstellungen der KMK zur Ausgestaltung des Sekundarbereichs II verwiesen (vgl. KMK 2015a, insbesondere Kap. 6.5). Im Folgenden soll auf die quantitative Entwicklung und die
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536 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung
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zunehmende Öffnung der Wege zur Hochschulzugangsberechtigung eingegangen werden.
15.3 Expansion und Öffnung der Wege zur Hochschulreife Die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erfolgte Bildungsexpansion manifestiert sich wohl in kaum einem anderen Indikator so deutlich wie im Anstieg des Anteils der Schülerinnen und Schüler, die das Schulsystem (einschließlich der beruflichen Schulen) mit einer Hochschulzugangsberechtigung verlassen. Ursächlich für diesen Anstieg sind sowohl gestiegene Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt als auch gestiegene Bildungsaspirationen auf Seiten der Bildungsnachfragenden. Letzteres verwundert kaum, gehen doch mit einem späteren Hochschulstudium üblicherweise bessere Berufs- und Karrierechancen, Verdienstmöglichkeiten und ein geringeres Risiko der Erwerbslosigkeit einher. Im Jahr 2014 erwarben rund 333.000 Schülerinnen und Schüler die allgemeine Hochschulreife (einschließlich fachgebundener Hochschulreife). Dies entspricht einem Anteil an der gleichaltrigen Bevölkerung von 41 % („Abiturientenquote“; Statistisches Bundesamt 2015a). Hinzu kommen noch einmal rund 102.000 Schülerinnen und Schüler bzw. 11,8 %, die mit dem Erwerb der Fachhochschulreife die Berechtigung zum Studium an einer Fachhochschule erworben haben. Daraus resultierte für das Jahr 2014 eine „Studienberechtigtenquote“ von 52,8 % (Statistisches Bundesamt 2015a). Diese Anteile sind nur noch in zu vernachlässigendem Maß auf die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium und die damit einhergehenden doppelten Abiturjahrgänge zurückzuführen. Bedenkt man, dass die Studienberechtigtenquote zu Beginn der 1990er Jahre noch bei rund 32 % (bei einer Abiturientenquote von 23 %) lag, ist hier über die letzten 25 Jahre ein erheblicher Anstieg zu konstatieren. Gegenüber den Studienberechtigtenquoten der 1950er und 1960er Jahre (vgl. Baumert, Roeder et al. 2003) haben sich die Anteile vervielfacht. Trotz der insgesamt angestiegenen Anteile der Absolventinnen und Absolventen mit Hochschulreife bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern (► Abb. 15.1). Die Anteile der Absolventinnen und Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife bewegten sich im Jahr 2014 in einer Bandbreite von 31,4 % in Bayern bis zu deutlich über 50 % in Hamburg. Die höchsten Abiturientenanteile finden sich in den Stadtstaaten, aber auch in mehreren Flächenländern liegt die Abiturientenquote über der 40-Prozent-Marke. Auffällig sind ferner die deutlich variierenden Anteile der Schülerinnen und Schüler mit Fachhochschulreife. Erwarb im Saarland nahezu ein Viertel der Absolventinnen und Absolventen die Fachhochschulreife, waren es in Mecklenburg-Vorpommern lediglich 2,3 %, was auf unterschiedliche Bildungstraditionen in den Bundesländern verweist.
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Expansion und Öffnung der Wege zur Hochschulreife 537
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Hamburg
55,8
6,7
Berlin
48,2
8,6
Bremen
48,1
8,0
Hessen*
47,2
Nordrhein-Westfalen
16,6
46,0
Brandenburg
43,0
Baden-Württemberg
42,2
Deutschland*
41,0
Thüringen
40,7
Schleswig-Holstein
8,1 8,5 15,9 11,8 9,2
40,6
Mecklenburg-Vorpommern
5,5
39,4
Sachsen
2,3
38,1
7,6
Rheinland-Pfalz
37,8
8,9
Niedersachsen
37,6
Saarland
15,5
35,8
Sachsen-Anhalt
31,8
Bayern
31,4 0,0
10,0
23,9 6,3 14,7
20,0
30,0
Allgemeine Hochschulreife
40,0
50,0
60,0
70,0
80,0
Fachhochschulreife
Abb. 15.1: Anteile der Absolventinnen und Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife und Fachhochschulreife im Jahr 2014 nach Bundesland (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015a) (Anmerkungen: *Angaben beziehen sich auf den 1,3-fachen Abiturjahrgang 2014 in Hessen infolge der Umstellung auf das achtjährige Gymnasium, keine bereinigten Angaben verfügbar)
Nachdem der Anteil der weiblichen Absolventen mit Hochschulreife noch bis in die 1990er Jahre hinein deutlich unter dem Anteil der männlichen Absolventen lag, hat sich dieses Verhältnis nach einer zwischenzeitlichen Phase der Angleichung in den vergangenen Jahren umgekehrt. So fiel der Anteil der Abiturientinnen unter allen Absolventinnen und Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife im Jahr 2014 mit 54,5 % höher aus als der Anteil der Abiturienten (45,5 %). Dies entsprach einer Abiturientenquote von 36,2 % für die männlichen Absolventen und von 46,0 % für die weiblichen Absolventen (vgl. Statistisches Bundesamt 2015a). Für die Studienberechtigtenquote unter Einschluss der Absolventinnen und Absolventen mit Fachhochschulreife ergeben sich Anteile von 57,5 % (weibliche Absolventen) bzw. 48,3 % (männliche Absolventen). In Hinblick auf die allgemeine Hochschulreife existieren also besonders deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
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538 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Der bereits seit Jahrzehnten zu beobachtende Anstieg der Abiturientenzahlen ist nicht nur auf höhere Übergangsquoten auf die Gymnasien (► Kap. 14) zurückzuführen, sondern auch auf den verstärkten Ausbau alternativer Wege zur allgemeinen Hochschulreife (vgl. Köller 2016). Als quantitativ besonders bedeutsame Einrichtungen sind hier die Gesamtschulen und die beruflichen Gymnasien zu nennen, die ebenfalls den Erwerb des Abiturs ermöglichen (► Tab. 15.1). Tab. 15.1: Absolventinnen und Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife und Fachhochschulreife im Jahr 2014 nach Schulform (Quelle: Statistisches Bundesamt 2015b, 2015c) Allgemeine Hochschulreife Anteil Schulform Anzahl in % Allgemeinbildende Gymnasien 245.597 73,7 Berufliche Gymnasien 43.956 13,1 Integrierte Gesamtschule 25.858 7,8 Berufsoberschulen/Technische Oberschulen 4.825 1,4 Fachoberschulen 3.582 1,1 Kollegs 3.143 0,9 Freie Waldorfschulen 2.979 0,9 Abendgymnasien 2.521 0,8 Fachakademien 156 0,0 Förderschulen 53 0,0 Berufsfachschulen 47 0,0 Teilzeit-Berufsschulen 16 0,0 Externe 339 0,1 Fachschulen Insgesamt 333.072 100,0
Fachhochschulreife Anteil Anzahl in % 1 0,0 103 0,1 6.554 6,4 50.304 49,2 99 0,1 288 0,3 346 0,3 1.354 1,3 23.170 22,7 1.841 1,8 107 0,1 18.016 17,6 102.183 100,0
Während die Gesamtschulen (ähnlich wie auch die anderen in den vergangenen Jahren neu entstandenen zum Abitur führenden Sekundarschulformen; ► Kap. 14) im Wesentlichen das allgemeinbildende Konzept des Gymnasiums übernehmen, erfolgt an den beruflichen Gymnasien, die in aller Regel auf den Erwerb des mittleren Schulabschlusses aufsetzen, eine stärkere Gewichtung berufsbezogener Inhalte, zum Beispiel in den Richtungen Wirtschaft, Technik oder Sozialwissenschaften (vgl. Brauckmann und Neumann 2004). Im Schuljahr 2014 erwarb etwa ein Viertel der Abiturient*innen (26,3 %) die Hochschulzugangsberechtigung nicht
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Expansion und Öffnung der Wege zur Hochschulreife 539 an einem allgemeinbildenden Gymnasium. 7,8 % der Abiturient*innen stammten aus Gesamtschulen, 13,1 % aus beruflichen Gymnasien (► Tab. 15.1), so dass die drei Schulformen bundesweit zusammen nahezu 95 % der Abiturient*innen hervorbringen. Bezogen auf die Unterscheidung zwischen beruflichen und allgemeinbildenden Schulen zeigt sich, dass etwa 84 % der Abiturient*innen dem allgemeinbildenden Schulwesen und 16 % dem beruflichen Schulwesen entstammen. Der Ausbau der alternativen Wege zur Hochschulreife erfolgte in den Bundesländern in unterschiedlichem Maß. Während in einigen Bundesländern mittlerweile mehr als ein Drittel der Abiturient*innen das Reifezeugnis an einem der alternativen Hochschulzugangswege erwirbt (z. B. Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein), weisen einige Bundesländer hier deutlich niedrigere Anteile auf (z. B. Bayern 12,9 % und Sachsen-Anhalt 10,2 %; vgl. Statistisches Bundesamt 2015b, 2015c). Der Grad der Öffnung der Wege zur Hochschulreife in den Bundesländern geht auch mit Unterschieden in der Abiturientenquote der Länder einher: Je stärker der Ausbau der alternativen Wege zum Abitur, umso höher der Anteil der Absolvent*innen mit allgemeiner Hochschulreife (Korrelation r = .58, statistisch signifikant, p = .017). Wie Tabelle 15.1 weiterhin entnommen werden kann, wird die Fachhochschulreife nahezu ausschließlich im beruflichen Bildungswesen (vor allem an Fachoberschulen, Berufsfachschulen und Fachschulen) erworben. Der Anteil der Schulabgänger*innen aus dem allgemeinbildenden Schulsystem mit Fachhochschulreife (schulischer Teil) ist niedriger als 1 %. Mit dem Anstieg der Zahl der Absolvent*innen mit Hochschulzugangsberechtigung haben im Zuge der Expansion und Ausdifferenzierung der Wege zur Hochschulreife in den vergangenen Jahrzehnten auch soziale Ungleichheiten beim Erwerb der Studienberechtigung abgenommen (vgl. Lörz und Schindler 2011; für einen Überblick Watermann et al. 2014 sowie ► Kap. 18). Gleichwohl bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede im Bildungsstand zwischen den verschiedenen sozialen Herkunftsgruppen (► Kap. 8). Gleiches gilt für den Migrationshintergrund. So betrug der Anteil von ausländischen Absolvent*innen mit Fachhochschulreife im Jahr 2014 8 % und mit allgemeiner Hochschulreife 16 % (Studienberechtigungsquote 24 %), während die Anteile deutscher Jugendlicher mit 13 bzw. 44 % (Studienberechtigungsquote 57 %) deutlich höher ausfielen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass der Anteil von Jugendlichen, die im allgemeinbildenden oder beruflichen Sektor des Sekundarbereichs II die Berechtigung zur Aufnahme eines Hochschulstudiums erworben haben, in den vergangenen Jahrzehnten deutlich angestiegen ist. Der Anstieg manifestiert sich auch darin, dass im Jahr 2012 erstmals mehr Schülerinnen und Schüler ein Hochschulstudium anstelle einer dualen Berufsausbildung aufnahmen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Die stark gestiegenen Berechtigungsquoten haben auch zu gestiegenen Studierendenzahlen (► Kap. 18) geführt, die von der OECD (2015), die
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540 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Deutschland aufgrund im internationalen Vergleich als zu niedrig erachteter Studierendenzahlen wiederholt kritisiert hatte, positiv bewertet wurden (vgl. aber für eine kritische Einschätzung auch Nida-Rümelin 2014). Gleichwohl bestehen beim Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung nach wie vor große Unterschiede zwischen Jugendlichen unterschiedlicher sozialer und migrationsbezogener Herkunft. Gleiches gilt mit Blick auf die allgemeine Hochschulreife für das Geschlecht, da weibliche Jugendliche inzwischen deutlich häufiger das Abitur erwerben als männliche. Auch die Berechtigungsquoten zwischen den Bundesländern variieren deutlich. Bezogen auf die Gesamtgruppe der Jugendlichen mit Hochschulzugangsberechtigung erwirbt knapp ein Viertel die Fachhochschulreife und damit die Berechtigung zur Aufnahme eines Fachhochschulstudiums. Mehr als drei Viertel der Absolvent*innen schließen ihre schulische Ausbildung hingegen mit der allgemeinen Hochschulreife – dem Abitur – ab. Der überwiegende Großteil (rund 95 %) der Absolvent*innen mit allgemeiner Hochschulreife besucht für den Erwerb des Abiturs die gymnasiale Oberstufe an einer allgemeinbildenden oder beruflichen Schule. Vor diesem Hintergrund soll in den nachfolgenden Abschnitten auf wesentliche Aspekte und aktuelle Entwicklungen rund um den Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe eingegangen werden. Für weiterführende und aktuelle Informationen zum Erwerb der Fachhochschulreife sei auf die Internetseite http://www.fachhochschulreife.org/verwiesen.
15.4 Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe Die Attraktivität des Abiturs ist ungebrochen. Dies spiegelt sich sowohl in den historisch hoch ausfallenden Abiturientenquoten und gestiegenen elterlichen Bildungsaspirationen wider als auch in den Erwartungen von Arbeitgebern, die für berufliche Ausbildungen in immer stärkerem Maß das Abitur voraussetzen. Der gestiegene Anteil von Abiturient*innen, der auch auf die zunehmende Öffnung der Wege zum Erwerb der Hochschulreife zurückzuführen ist und mit einer vergrößerten sozialen Heterogenität der zum Abitur strebenden Schülerschaft einhergeht, zieht aber auch unmittelbare Fragen hinsichtlich des Leistungsniveaus und der Vergleichbarkeit schulischer Abschlussqualifikationen nach sich. Auch die heterogene Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung in den Bundesländern steht in diesem Zusammenhang wiederholt im Fokus des politischen, wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses. Selbiges gilt für die aktuell stark diskutierte Frage der „richtigen“ Dauer der Schulzeit zum Erwerb des Abiturs (Stichwort: G8/G9), für die sich nach einer Phase der Angleichung auf acht Jahre für den gymnasialen Bildungsgang inzwischen wieder unterschiedliche Entwicklungen in den Bundesländern ergeben haben bzw. abzeichnen. Mit der Einführung länderübergreifender Bildungsstandards für das Abitur und der nahezu flächendeckenden Einführung zentraler (allerdings nach wie vor bundeslan-
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 541 desspezifischer) Abiturprüfungen wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, die einheitliche Leistungsanforderungen und eine hinreichende Vergleichbarkeit des Abiturs gewährleisten sollen. Die Reichweite dieser Maßnahmen ist bislang noch nicht abzuschätzen, die Effekten könnten jedoch möglicherweise aufgrund der nach wie vor erheblichen Spielräume bei der konkreten Ausgestaltung begrenzt ausfallen. Unmittelbar verbunden mit der quantitativen Expansion der relativen Anteile der Absolvent*innen der gymnasialen Oberstufe an der Gesamtschülerschaft und den Diskussionen um einheitliche Leistungsstandards und die Vergleichbarkeit erworbener Abschlusszertifikate ist die seit jeher intensiv diskutierte Frage der inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe. Welche Kompetenzen und Fertigkeiten sollen auf welchem Weg in der gymnasialen Oberstufe vermittelt bzw. erworben werden? Wodurch ist eine zeitgemäße Hochschulreife gekennzeichnet, insbesondere vor dem Hintergrund zum Teil gravierender gesellschaftlicher und technologischer Wandlungsprozesse? Vor allem das Verhältnis von Spezialisierung und Wahlfreiheiten auf der einen und obligatorischen Inhalten und Fächern für alle auf der anderen Seite ist in diesem Zusammenhang immer wieder Gegenstand intensiv geführter Debatten. Ausgehend von den aufgeführten Entwicklungen, Problemlagen und Herausforderungen sollen in den folgenden Abschnitten zunächst die Zielsetzungen und die inhaltlich-organisatorische Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe näher beleuchtet werden. In diesem Zusammenhang soll auch auf die viel diskutierte Frage nach „G8 oder G9?“ eingegangen werden. Daran anschließend folgt die Auseinandersetzung mit der Frage einheitlicher Leistungsanforderungen und vergleichbarer Abschlusszertifikate beim Abitur. 15.4.1 Zielsetzungen und inhaltlich-organisatorische Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe In Deutschland bildet die gymnasiale Oberstufe die Brücke zwischen allgemeinbildender Schule und den Hochschulen. Mit dem Abitur erwerben die Abiturient*innen formal die Zugangsberechtigung zu allen existierenden Studienfächern an allen deutschen Universitäten. Im internationalen Vergleich ergibt sich hierdurch ein hoher Anspruch an das Abitur (vgl. Wissenschaftsrat 2004). In anderen Ländern werden die Studienberechtigungen entweder überwiegend fächerspezifisch vergeben (z. B. das baccalauréat in Frankreich oder die A-Levels in Großbritannien) oder durch allgemeine Leistungstests ergänzt (z. B. SAT/CAT in den USA). Es ist diese – nur in sehr wenigen anderen Ländern (z. B. Schweiz und Österreich) anzutreffende – Scharnierfunktion des Abiturs, die seit jeher erkennbare Rückwirkungen auf die Arbeit in der und die Diskussion um Struktur und Inhalte der gymnasialen Oberstufe gehabt hat. Was, wie und zu welchem Zweck sollen Schülerinnen und Schüler in der gymnasialen Oberstufe lernen? Kontroversen um Aufgaben, Inhalte und Organisation sind seit
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542 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung jeher bestimmende Momente in der Diskussion um die strukturelle, curriculare und methodisch-didaktische Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe (KMK-Expertenkommission 1995; Huber 1998, 2008). Die besondere Brisanz und Heftigkeit, mit der diese Diskussion zum Teil geführt wird, ergibt sich nicht zuletzt aus der normgebenden Bedeutung der gymnasialen Oberstufe für das gesamte Bildungswesen, wie sich dem Auszug aus den Empfehlungen einer Expertenkommission zur Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe entnehmen lässt (► Tafel 15.1): Tafel 15.1: Auszug zur normgebenden Bedeutung des Abiturs für das gesamte Bildungswesen aus den Empfehlungen einer Expertenkommission zur Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe „Diskussionen über die Form und Funktion des Abiturs und die Möglichkeiten der Sicherung von Studierfähigkeit sind nicht allein Debatten über das Gymnasium, sondern zugleich Auseinandersetzungen über das gesellschaftlich erwünschte Bild allgemeiner Bildung. An Lehrplan und Lehrart der gymnasialen Oberstufe und des Gymnasiums wird deshalb nicht nur erörtert, wie sich Studierfähigkeit sichern und damit ‚gymnasiale Bildung‘ abschließen läßt, sondern zugleich gefragt, welcher Kanon von Wissen, Verhaltensweisen und Fertigkeiten allgemeine Bildung definiert, also den Kreis des Wissens und Könnens (und die Möglichkeiten seines Erwerbs), der in unserer Gesellschaft als unentbehrlich gilt und der die Gemeinsamkeiten der Kommunikation und der kognitiven, motivationalen, moralischen und sozialen Voraussetzungen gesellschaftlichen Handelns definiert.“ (KMK-Expertenkommission 1995, 41)
Auf übergeordneter Ebene werden als wesentliche Ziele der gymnasialen Oberstufe eine vertiefte Allgemeinbildung, die Einführung in wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen (Wissenschaftspropädeutik; vgl. für eine Einführung Keuffer 2009) und die Sicherstellung der generellen Studierfähigkeit (für eine aktuelle theoretische und empirische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Studierfähigkeit vgl. Lin-Klitzing et al. 2014) angesehen (KMK 2016) und mitunter auch als „Trias der Ziele der gymnasialen Oberstufe“ (KMK-Expertenkommission 1995, 74) bezeichnet: In „ihrer Gesamtheit repräsentieren sie den komplexen Anspruch, den gymnasiale Oberstufen traditionell vertreten haben“ (KMK-Expertenkommission 1995, 74). Die explizite Unterscheidung der letzten beiden Ziele, Wissenschaftspropädeutik und Studierfähigkeit, trägt nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass die Universität für einen bedeutenden Teil der Abiturient*innen (je nach Bundesland ca. 25 bis 35 %; vgl. Statistisches Bundesamt 2015a) nicht die erste Option im direkten Anschluss an das Abitur darstellt und stattdessen eine berufliche Ausbildung begonnen wird, die „ohne diese wissenschaftspropädeutische Kompetenz nicht erfolgreich sein kann“ (Tenorth 2006, 14). In der aktuellen „Vereinbarung zur gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“ der KMK, die den Rahmen für die konkrete Ausgestaltung der
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 543
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Oberstufe in den Bundesländern vorgibt, werden die übergreifenden Zielsetzungen der gymnasialen Oberstufe wie folgt ausgewiesen (► Tafel 15.2; KMK 2016): Tafel 15.2: Auszug aus der Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 i. d. F. vom 08.12.2016; kursive Hervorhebungen durch die Verfasser) Zf. 2.1: Der Unterricht in der gymnasialen Oberstufe vermittelt eine vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Studierfähigkeit sowie wissenschaftspropädeutische Bildung. Von besonderer Bedeutung sind dabei vertiefte Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den basalen Fächern Deutsch, Fremdsprache und Mathematik. Darüber hinaus trägt der Unterricht in den musisch-künstlerischen, den gesellschaftswissenschaftlichen, den naturwissenschaftlich-technischen Fächern, in Sport und in Religionslehre bzw. einem Ersatzfach wesentlich zur Verwirklichung der Ziele der gymnasialen Oberstufe bei. Zf. 2.2: Der Unterricht in der gymnasialen Oberstufe ist fachbezogen, fachübergreifend und fächerverbindend angelegt. Er führt exemplarisch in wissenschaftliche Fragestellungen, Kategorien und Methoden ein und vermittelt eine Erziehung, die zur Persönlichkeitsentwicklung und -stärkung, zur Gestaltung des eigenen Lebens in sozialer Verantwortung sowie zur Mitwirkung in der demokratischen Gesellschaft befähigt. Im Unterricht in der gymnasialen Oberstufe geht es darüber hinaus um die Beherrschung eines fachlichen Grundlagenwissens als Voraussetzung für das Erschließen von Zusammenhängen zwischen Wissensbereichen, von Arbeitsweisen zur systematischen Beschaffung, Strukturierung und Nutzung von Informationen und Materialien, um Lernstrategien, die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie Team- und Kommunikationsfähigkeit unterstützen. Zf. 2.3: Der Unterricht in der gymnasialen Oberstufe schließt eine angemessene Information über die Hochschule, über Berufsfelder sowie Strukturen und Anforderungen des Studiums und der Berufs- und Arbeitswelt ein.
Die ursprünglich im Zuge einer großen Reform der gymnasialen Oberstufe (► Tafel 15.3) bereits im Jahr 1972 getroffene Rahmenvereinbarung hat in den vergangenen Jahrzehnten mehrfache Änderungen erfahren, die insbesondere die Spielräume der Bundesländer für die konkrete Ausgestaltung ihrer Oberstufe deutlich vergrößert und in der Folge zu einer erheblichen Variation in der bundeslandspezifischen Umsetzung (siehe dazu weiter unten) geführt haben. Wesentliche nach wie vor bundesweit gültige Regelungen zur Grundstruktur der gymnasialen Oberstufe sind unter anderem die folgenden: • die Gliederung in eine einjährige Einführungsphase und eine zweijährige Qualifikationsphase, • die Zuordnung der Fächer zu drei Aufgabenfeldern (sprachlich-literarisch-künstlerisch, gesellschaftswissenschaftlich, mathematisch-naturwissenschaftlich-technisch),
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544 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung • die Unterscheidung der Fächer nach Pflicht- und Wahlfächern, • die Möglichkeit einer individuellen Schwerpunktsetzung, • die Erteilung des Unterrichts auf unterschiedlichen Anspruchsebenen, um den in der Abiturprüfung in den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife oder den „Einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung“ (EPA) beschriebenen Anspruchsniveaus zu entsprechen, • sowie das Creditsystem zur Ermittlung der Gesamtqualifikation. • Die Dauer der Schulzeit bis zur Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife beträgt zwölf oder 13 Schuljahre. Dabei ist ein Gesamtstundenvolumen von mindestens 265 Jahreswochenstunden ab der Jahrgangsstufe 5 bis zum Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife nachzuweisen (vgl. KMK 2016, 4). Tafel 15.3: Exkurs zur Einführung des Kurssystems der Oberstufe in den 1970er Jahren Die Einführung des Kurssystems in den 1970er Jahren stellte in mehrfacher Hinsicht einen tiefen Einschnitt in der Oberstufenhistorie dar (vgl. dazu im Überblick Fuchs 2008; Neumann 2010; Zimmermann 1985). An die Stelle der bis dahin bestehenden Gymnasialtypen (altsprachlich, neusprachlich, mathematisch-naturwissenschaftlich) mit festem Klassenverband und weitgehend vorgegebenem Fächerkanon trat ein differenziertes und variables System von Grund- und Leistungskursen mit wechselnden Lerngruppen, das auf der Folie vertiefter Allgemeinbildung und Wissenschaftspropädeutik die Studierfähigkeit insgesamt gewährleisten sollte (Baumert, Roeder et al. 2003; KMK-Expertenkommission 1995). Der lange Zeit bestimmende Gedanke eines mehr oder weniger feststehenden Fächerkanons wurde in der neuen Oberstufenkonzeption weitgehend aufgegeben. Die Schülerinnen und Schüler wurden nur noch auf die großen, unterschiedliche Vorstellungswelten und Wissenschaftsbereiche repräsentierende Aufgabenfelder (sprachlichliterarisch-künstlerisch, gesellschaftswissenschaftlich, mathematisch-naturwissenschaftlich-technisch), jedoch nur in geringem Maß auf konkrete Unterrichtsfächer verpflichtet. Diese sollten größtenteils frei gewählt werden und der exemplarischen Erfahrung der Aufgabenfelder dienen (Huber 2008). Beispielsweise war es in einigen Bundesländern möglich, die bisherigen Hauptfächer Mathematik, Deutsch und Fremdsprache bereits nach Klasse 12 abzuwählen. Auch eine Abiturprüfung in diesen Fächern war zunächst in einigen Bundesländern nicht zwingend vorgeschrieben (Laurin 1998; zur konkreten Umsetzung der Rahmenvorgaben der KMK-Oberstufenvereinbarung von 1972 in den einzelnen Bundesländern vgl. Lohe 1980 sowie Neumann 2010). In Bezug auf die wissenschaftspropädeutische Funktion wurde die prinzipielle Gleichrangigkeit der Fächer postuliert. Wissenschaftspropädeutische Vertiefung – so die Annahme – konnte im Prinzip in jedem Fach erfolgen. Die bisherige Unterscheidung von Haupt- und Nebenfächern wurde dadurch weitgehend eingeebnet. Die Oberstufe wurde für neue, auch beruflich orientierte Fächer geöffnet, die im Leistungskurs – wie grundsätzlich alle Fächer – eine tragende Rolle im individuellen Oberstufencurriculum einnehmen konnten. Von großen Transfermöglichkeiten der einzelnen Fächer ausgehend war insgesamt eine Verschiebung des Gewichts von material definierten Qualifikationen hin zu (inhaltlich variablen)
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 545 formalen Fähigkeiten intendiert (vgl. Gass-Bolm 2005; Roth 1968). Eine wesentliche Neuerung war die Einführung von unterschiedlichen Anspruchsniveaus in Form der meist dreistündigen Grund- und in der Regel zwei fünfstündigen Leistungskursen, wobei letztere in besonderer Weise in studien- und wissenschaftsnahe Arbeitsweisen einführen und individuelle Schwerpunktsetzungen ermöglichen sollten. Die Abiturprüfung umfasste vier Fächer. Die beiden von den Schülerinnen und Schülern zu belegenden Leistungskursfächer sowie ein Grundkursfach wurden schriftlich, ein weiteres Grundkursfach mündlich geprüft. Die Leistungsbewertung erfolgt seither im Rahmen des Credit-Systems (auf Basis einer von 0 bis 15 Punkten gestuften Skala), in welches zur Feststellung der Abiturgesamtnote die Kursergebnisse aus den gewählten Grund- und Leistungskursen sowie die Ergebnisse der Abiturprüfung einfließen.
Das zu Beginn der 1970er Jahre neu eingeführte Kurssystem geriet bereits kurz nach seiner Einführung in die Kritik, wobei vor allem die als zu groß erachteten Wahlmöglichkeiten und damit vermeintlich einhergehende Leistungseinbußen und als zu stark wahrgenommene Leistungsunterschiede – insbesondere in den Kernbereichen Mathematik, Deutsch und Fremdsprache – bemängelt wurden (für eine Zusammenfassung der Kritikpunkte vgl. Roeder und Gruehn 1996). Trotz kaum vorhandener empirischer Fundierung blieben die vorgebrachten Einwände gegen die reformierte Oberstufe nicht ohne Folge. Mit drei größeren Revisionen der KMK-Oberstufenvereinbarung in den Jahren 1988, 1997 und 2006 wurde das mögliche Maß an Wahlfreiheit schrittweise reduziert und die obligatorischen Belegund Prüfungsverpflichtungen wieder deutlich ausgeweitet (vgl. dazu ausführlich Neumann 2010). Eine weitere einschneidende Veränderung erfolgte im Jahr 1999 im Zuge der sogenannten „Husumer Beschlüsse“ der KMK, in der die KMK-Oberstufenvereinbarung für alternative Modelle geöffnet wurden, die anstelle von bislang maximal drei (fünf- oder sechsstündigen) Leistungskursen nun auch den Unterricht in einer höheren Anzahl von Fächern auf erhöhtem Anspruchsniveau (bei dann vier Wochenstunden) ermöglichten. Diese zunächst vielleicht schlicht anmutende Regelungsänderung sowie die ebenfalls beschlossene Erhöhung der Anzahl möglicher Abiturprüfungsfächer (von bislang vier auf nun fünf Fächer) haben das Gesicht der Oberstufe in vielen Bundesländern inzwischen nachhaltig verändert. So hat sich in den letzten Jahren in vielen Bundesländern (wieder) ein „Kernfachabitur“ etabliert, das den Fächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprache eine herausgehobene Stellung einräumt. In einer Reihe von Bundesländern (z. B. Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern) werden diese Fächer ohne Niveaudifferenzierung im gemeinsamen Klassenverband im Umfang von vier Wochenstunden unterrichtet (vgl. im Überblick Neumann und Trautwein 2014). Zwar haben die Schülerinnen und Schüler in einigen Bundesländern gewisse Wahlmöglichkeiten, ob sie in diesen Fächern ihre Abiturprü-
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546 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung fung auf grundlegendem oder erhöhtem Anforderungsniveau ablegen möchten, der Unterricht orientiert sich jedoch in den Vorgaben in starkem Maße am bisherigen Leistungskursniveau. In Baden-Württemberg ist die schriftliche Abiturprüfung in den drei Fächern für alle Schülerinnen und Schüler auf erhöhtem Anforderungsniveau obligatorisch. Darüber hinaus sehen verschiedene Länder zwei bis drei weitere vierstündige Fächer vor, die überwiegend der individuellen Profilierung und Schwerpunktsetzung dienen sollen. Allerdings sind die vorhandenen Wahlmöglichkeiten hier zum Teil sehr begrenzt und beziehen sich etwa auf die Wahl einer Naturwissenschaft oder einer weiteren Fremdsprache (vgl. Huber und Kurznitzki 2012; Neumann und Trautwein 2014). Neben den vierstündigen Fächern sind weitere zwei- bis dreistündige Fächer zu belegen, die sich überwiegend aus dem Bereich der Pflichtfächer speisen. Hier ist somit insgesamt eine Rückbesinnung auf den Gedanken herausgehobener Kernfächer unübersehbar, weshalb Kritiker die Veränderungen als rückwärtsgewandt beurteilen und in ihnen die weitgehende Wiederherstellung der gymnasialen Strukturen der 1960er Jahre sehen (Huber 2008). Zu den Ländern, die das bisherige Kurssystem (zwei fünfstündige Leistungskurse und ergänzende zwei- oder dreistündige Grundkurse) weitgehend aufrechterhalten haben, zählen Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Auch Rheinland-Pfalz hat an seiner spezifischen Ausgestaltung der Oberstufe mit drei Leistungskursen im Umfang von fünf Wochenstunden (bereits in der Einführungsphase einsetzend) bei großen Wahlmöglichkeiten der Leistungskursfächer festgehalten. Daneben existieren in einigen Bundesländern Mischformen, die zwar weiterhin eine Niveaudifferenzierung in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprache vorsehen, die Grundkurse in diesen Fächern allerdings vierstündig (in der Fremdsprache zum Teil auch dreistündig), die Leistungskurse vier- oder fünfstündig unterrichten (z. B. Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen). Die Ausweitung der Kernbereiche Deutsch, Mathematik und Fremdsprache in den Belegverpflichtungen ist auch hier unübersehbar. Einige Bundesländer (z. B. Hamburg und SchleswigHolstein) haben das Konzept der Profiloberstufe implementiert. Die Schülerinnen und Schüler wählen hier mit dem Profil unmittelbar ein Kurspaket, welches neben den Kernfächern weitere profilbezogene Fächer auf grundlegendem und erhöhtem Anforderungsniveau umfasst. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass die Neugestaltung des Kurssystems in vielen Bundesländern mit einer Reduzierung des für den Unterricht auf erhöhtem Anforderungsniveau zur Verfügung stehenden Fächerspektrums einhergeht. Beispielsweise können in Bayern und im Saarland ausschließlich in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprache Kurse auf erhöhtem Anforderungsniveau belegt werden, nicht aber etwa in den naturwissenschaftlichen Fächern Physik, Chemie und Biologie. Zur Abgrenzung von erhöhtem und grundlegendem Anforderungsniveau (bzw. Grund- und Leistungskursen) wird in der KMK-Oberstufenvereinbarung auf die unterschiedlichen Anspruchsebenen nach den Bildungsstandards für die Allgemei-
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 547 ne Hochschulreife sowie den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) (► 15.4.3) verwiesen, wobei der Unterricht auf grundlegendem Anforderungsniveau „das Lernniveau der gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt einer wissenschaftspropädeutischen Bildung“ und der Unterricht auf erhöhtem Anforderungsniveau „das Lernniveau der gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt einer wissenschaftspropädeutischen Bildung, die exemplarisch vertieft wird“ (vgl. KMK 2016, Zf. 3.2), repräsentiert. In den Bestimmungen einiger Länder werden die beiden Anforderungsniveaus nochmals stärker ausdifferenziert. So heißt es in einer Publikation des Niedersächsischen Kultusministeriums: „Unterricht auf grundlegendem Anforderungsniveau dient dazu, unter dem Aspekt wissenschaftspropädeutischer Bildung grundlegende Sachverhalte, Erkenntnisse, Strukturen, Methoden und Verfahrensweisen in einem Fachgebiet zu vermitteln sowie Fähigkeiten zu entwickeln und Fertigkeiten einzuüben. Unterricht auf erhöhtem Anforderungsniveau, der unter dem Aspekt exemplarisch vertiefter wissenschaftspropädeutischer Bildung in besonderem Maße der allgemeinen Studienvorbereitung dient und in wissenschaftliche Methoden, Fragestellungen und Reflexionen einführen soll, ist auf eine systematische Beschäftigung mit wesentlichen, die Komplexität des Fachgebietes verdeutlichenden Inhalten, Theorien, Modellen und Methoden gerichtet. In ihm sollen die Schülerinnen und Schüler lernen, über längere Zeiträume selbstständig zu arbeiten.“ (Niedersächsisches Kultusministerium 2013, 5)
Inwieweit der Unterricht in den drei bis sechs vierstündigen Kursen allerdings hinsichtlich der Einübung wissenschaftspropädeutischer Kompetenzen mit den beiden bisherigen fünfstündigen Leistungskursen verglichen werden kann, lässt sich auf Grundlage bislang vorliegender Forschungsbefunde nur schwer beurteilen, scheint jedoch – nicht zuletzt angesichts der veränderten leistungsbezogenen und motivationalen Schülerzusammensetzung der Kurse – zumindest fraglich (zu einer Diskussion der Vertiefungsmöglichkeiten in den vierstündigen Fächern vgl. Neumann 2010). In der neu geordneten Oberstufe soll unter anderem die „besondere Lernleistung“, die in Form eines Seminarkurses oder der Teilnahme an einem anerkannten Wettbewerb (z. B. „Jugend forscht“, „Bundeswettbewerb Mathematik“) erbracht werden kann, studienrelevante Fähigkeiten und Arbeitsmethoden vermitteln, wenngleich die Erbringung einer besonderen Lernleistung in den meisten Bundesländern nicht verpflichtend vorgeschrieben ist (vgl. Huber und Kurznitzki 2012). Eine der wenigen Ausnahmen findet sich in Bayern, wo alle Schülerinnen und Schüler neben einem primär wissenschaftspropädeutischen Seminar über drei Schulhalbjahre auch ein studien- und berufsorientierendes Seminar besuchen (beides im Umfang von je zwei Wochenstunden; vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2008). Die besondere Lernleistung kann in den meisten Bundesländern auch als Teilkomponente in die Abiturprüfung eingebracht werden. Insgesamt wird damit deutlich, dass die Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe in den Bundesländern beträchtliche Unterschiede aufweist und sich in den ver-
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548 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung gangenen Jahren in vielen Bundesländern Oberstufenmodelle etabliert haben, die starke Bezüge zur kanonförmigen Oberstufenorganisation der 1960er Jahre aufweisen und damit in entscheidenden Aspekten eine Abkehr vom Kurssystem, wie es aus der großen Oberstufenreform von 1972 hervorgegangen ist, darstellen. In den bislang vorliegenden Evaluationsstudien zu den jüngeren Veränderungen im Kurssystem finden sich zum Teil positive Effekte (z. B. für die Fachleistungen in Mathematik in Baden-Württemberg oder die naturwissenschaftlichen Kompetenzen in Sachsen; vgl. Trautwein, Neumann et al. 2010; Wagner et al. 2014). In anderen Studien waren hingegen keine Veränderungen für das Leistungsniveau nachweisbar (vgl. z. B. Hübner, Wagner et al. 2016). Auch für einzelne erfasste Indikatoren wissenschaftspropädeutischer Kompetenzen und die selbsteingeschätzte Studienvorbereitung der Abiturient*innen fanden sich keine bedeutsamen Unterschiede (Dettmers et al. 2010). Die Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe in den Ländern wird auch weiterhin einem fortlaufenden Wandel unterliegen. So sieht die Fassung der KMKRahmenvereinbarung zur gymnasialen Oberstufe vom 08.12.2016 (KMK 2016) nach einem KMK-Beschluss aus dem Juni 2016 nur noch eine Maximalzahl von vier Kursen auf erhöhtem Anforderungsniveau vor. Der auf eine stärkere Angleichung und vertiefenden Unterricht in weniger Fächern abzielende Beschluss ist bis zum Schuljahr 2018/19 unterrichtswirksam umzusetzen und macht damit erneut Anpassungen in denjenigen Ländern erforderlich, die fünf oder mehr Kurse auf erhöhtem Anforderungsniveau unterrichten. Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, dass dadurch beispielsweise in Brandenburg zukünftige Abiturientengenerationen wieder im ursprünglichen System mit zwei fünfstündigen Leistungskursen unterrichtet werden. Wie die Anpassungen in den anderen Ländern aussehen, bleibt abzuwarten. 15.4.2 12 und/oder 13 Jahre zum Abitur? Zu den – auch in der Öffentlichkeit – besonders intensiv diskutierten Ausgestaltungsfragen rund um das Abitur zählt auch die „richtige“ Dauer des gymnasialen Bildungsganges (G8/G9; vgl. für einen Überblick über die Hintergründe der G8/ G9-Diskussion in Deutschland Kühn et al. 2013). Für die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium wurden vor allem demografische Gesichtspunkte und eine im internationalen Vergleich als zu lang erachtete Ausbildungsdauer, die nach Einschätzung der Befürworter der Schulzeitverkürzung zu Ungleichgewichten in den sozialen Sicherungssystemen und Wettbewerbsnachteilen deutscher Jugendlicher führen könnten, ins Feld geführt. Nachdem beginnend mit dem Schuljahr 2001/02 bis auf das Bundesland Rheinland-Pfalz nahezu flächendeckend auf das achtjährige Gymnasium umgestellt wurde, zeichnen sich aktuell insbesondere in den westdeutschen Bundesländern „aufweichende“ bzw. rückläufige Tendenzen ab. In Hessen können die Gymnasien bereits wieder zwischen G8 und G9 wählen und
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 549 die Mehrheit der Gymnasien entscheidet sich für die G9-Variante. In Niedersachsen ist die Rückkehr zum G9 als Regelangebot ab dem Schuljahr 2015/16 (bei gleichzeitiger G8-Alternativoption) bereits beschlossen worden. Auch in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wird G9 zukünftig wieder das Standardmodell darstellen. In Baden-Württemberg bieten einige Gymnasien die G9Variante als Modellversuch an. Ausschlaggebend für die teilweise zu beobachtende Abkehr vom G8-Gymnasium sind die vor allem von Elternseite zu vernehmenden Klagen über ein zu großes Stoffpensum der Mittelstufe, das die Schülerinnen und Schüler zu stark beanspruche und kaum noch Freiräume für außerschulische Aktivitäten offen lasse. Da aus den ostdeutschen Bundesländern, die über eine langjährige Tradition und Erfahrung mit dem zwölfjährigen Abitur verfügen, vergleichsweise wenige Klagen zu vernehmen sind, liegt es nahe, die Ursachen für die auftretenden Probleme in den westdeutschen Bundesländern weniger in der grundsätzlichen Frage „G8 oder G9?“, sondern eher in Umsetzungsmängeln im Rahmen der G8-Umstellung zu suchen. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass mit den alternativen Wegen zur Hochschulreife (z. B. Gesamtschulen, berufliche Gymnasien) bereits in nahezu allen Bundesländern institutionelle Angebote existieren, die den Weg zum Abitur zumeist in 13 statt zwölf Schuljahren vorsehen. Die G8-Umstellung hat in vielen Bundesländern zur Folge, dass die Jahrgangsstufe 10 am Gymnasium eine Doppelfunktion einnimmt: Sie bildet den Abschluss der Sekundarstufe I und ist gleichzeitig Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe. Im 13-jährigen Bildungsgang ist die Einführungsphase weiterhin die Jahrgangsstufe 11 (zu den organisatorischen Auswirkungen der G8-Umstellung vgl. Kühn et al. 2013). Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums wurde kaum von wissenschaftlichen Begleitstudien, die Auskunft über mögliche Auswirkungen der Schulzeitverkürzung auf Lernleistungen, Studienvorbereitung, Belastungserleben und Freizeitverhalten der Schülerinnen und Schüler geben können, begleitet (vgl. für einen Überblick zum Forschungsstand Köller 2017). Eine der wenigen Ausnahmen bildet die als Zusatzstudie im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS; vgl. Blossfeld et al. 2011) umgesetzte Untersuchung dreier aufeinanderfolgender Abiturientenjahrgänge in Baden-Württemberg in den Jahren 2011 (letzter G9-Jahrgang), 2012 (Doppeljahrgang G9/G8) und 2013 (erster G8-Jahrgang; vgl. Hübner et al. 2017). Für die Schulleistungen in Mathematik, Physik und Biologie fanden sich in der Studie keine bzw. nur sehr geringe Unterschiede zwischen G8- und G9-Abiturient*innen. Für Englisch ergab sich ein Vorteil zugunsten der G9-Abiturient*innen, der jedoch auch aufgrund einer ebenfalls erfolgten Reform der Bildungspläne (und einem damit einhergehenden temporär reduzierten Stundenvolumen im Fach Englisch) nicht ohne weiteres auf die Schulzeitverkürzung zurückgeführt werden kann. Für das Freizeitverhalten der Abiturient*innen waren ebenfalls nur vereinzelt Unterschiede feststellbar, etwa bezogen auf die Zeit, Freundinnen und Freun-
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550 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung de treffen, Nebenjobs auszuüben oder sportlichen Aktivitäten nachzugehen. Hier gaben G8-Abiturient*innen jeweils ein geringeres Ausmaß an. Etwas deutlichere Unterschiede fanden sich für das schulische Beanspruchungserleben und das gesundheitliche Wohlbefinden. Hier zeigten sich durchgängig ungünstigere Werte für die G8-Abiturient*innen, wenngleich die Werte insgesamt betrachtet immer noch im positiven Wertebereich lagen. Inwieweit diese Unterschiede tatsächlich auf eine objektiv angestiegene Belastung oder möglicherweise auch auf die öffentlichen Diskussionen und Vermutungen über eine höhere Belastung im G8-Gymnasium zurückzuführen ist, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Aus ihren Befunden ziehen die Autoren das Fazit, dass „in Hinblick auf eine notwendige Schwerpunktsetzung bildungspolitischer Anstrengungen auf Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im gymnasialen Unterricht und mit Blick auf die Gesamtarchitektur des Bildungssystems […] eine neuerliche Debatte um G8/G9 vermieden werden“ sollte (ebd., 3). Dies ist im Übrigen auch die Ansicht zahlreicher Bildungsforschenden, die dies auch in einem entsprechenden Aufruf an die Kultusministerkonferenz kundgetan haben (Die Zukunft des Gymnasiums […] 2014). 15.4.3 Einheitliche Leistungsanforderungen beim Abitur – zentrale Abiturprüfungen und länderübergreifende Bildungsstandards Vor dem Hintergrund der in den vorangegangenen Abschnitten geschilderten Entwicklungen (Anstieg der Abiturientenquote, Öffnung der Wege zur Hochschulreife, länderspezifische Ausgestaltung der Oberstufe und der Schuldauer – G8/G9) rücken unmittelbar Fragen nach der Standardisierung und Vergleichbarkeit von Leistungsanforderungen und Abschlusszertifikaten in den Vordergrund. Dabei geht es zum einen um die generelle Frage, welche Leistungserwartungen und Zielvorstellungen an die Vergabe des Abiturs geknüpft werden sollen. Zum anderen stellen sich Fragen der distributiven Gerechtigkeit von Bildungs- und Lebenschancen. Denn über die mit dem Abiturzeugnis verbundene Berechtigungs- und Auswahlfunktion (Stichwort: Numerus Clausus) ergeben sich erhebliche Spannungs- und Konfliktpotenziale, insbesondere wenn die im Abiturzeugnis aufgeführten Noten das tatsächliche Leistungsniveau nur eingeschränkt widerspiegeln (► 15.3). Mit der inzwischen bis auf das Bundesland Rheinland-Pfalz flächendeckend erfolgten Einführung zentraler Abiturprüfungen sowie der Einführung länderübergreifender Bildungsstandards für das Abitur wurden in den letzten Jahren zwei zentrale Steuerungsinstrumente implementiert, die dem Zweck erhöhter Standardisierung und Vergleichbarkeit dienen sollen. Mit Blick auf die zentralen Abiturprüfungen ist zu betonen, dass diese nach wie vor bundeslandspezifisch einheitliche Prüfungen vorsehen, wenngleich zum Teil erste Ansätze bundeslandübergreifender Kooperationen zu beobachten sind. So greifen die Bundesländer Bayern, Sachsen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 551 Holstein und Mecklenburg-Vorpommern seit dem Schuljahr 2013/14 in den ländereigenen Abiturprüfungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch auf gemeinsame Aufgaben bzw. Aufgabenteile zurück. Die Bundesländer Berlin und Brandenburg setzen bereits seit dem Jahr 2010 in Teilen gleiche Abituraufgaben in ausgewählten Fächern ein, was allerdings angesichts unterschiedlicher Oberstufenstrukturen (klassisches Leistungskurssystem in Berlin, Kernfachabitur in Brandenburg) zum Teil nicht unerhebliche Herausforderungen mit sich bringt (vgl. Brandenburgisches Ministerium für Bildung, Jugend und Sport 2013). Zwar gibt es regelmäßig Vorstöße für bundesweit einheitliche Abschlussprüfungen (vgl. z. B. Aktionsrat Bildung 2011; BDK 2014), ein bundesweites Zentralabitur scheint jedoch, nicht zuletzt aufgrund organisatorischer Restriktionen mit Blick auf die Vereinheitlichung von Prüfungs- und Ferienterminen, gegenwärtig nicht in Sicht. Bezüglich der Ausgestaltung der zentralen Abschlussprüfungen in den Bundesländern ist weiterhin herauszustellen, dass diese zum Teil ebenfalls sehr unterschiedlich ausfällt, etwa hinsichtlich des einbezogenen Fächerspektrums (nur einzelne Fächer vs. alle Fächer zentral), dem Prozess der Aufgabenerstellung (z. B. „bottom up“ vs. „top down“) und des konkreten Korrekturverfahrens (z. B. teilweise vs. vollständig anonym, für einen Überblick vgl. Aktionsrat Bildung 2011 sowie Klein et al. 2009 und Kühn 2012). Von einheitlichen Abiturprüfungen über die Bundesländer hinweg kann somit nur sehr eingeschränkt gesprochen werden (für empirische Forschungsbefunde zur Einführung des Zentralabiturs in den Bundesländern Hessen und Bremen vgl. Maag Merki 2012, 2016). Die länderübergreifenden Bildungsstandards für das Abitur wurden im Jahr 2012 durch die KMK beschlossen und ersetzen die bisherigen Einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung (EPA). Bislang liegen die Standards für die Fächer Deutsch, Mathematik und fortgeführte Fremdsprache (Englisch und Französisch) vor. Die Entwicklung von Bildungsstandards für die Fächer Biologie, Chemie und Physik soll folgen (vgl. Stanat, Becker-Mrotzek et al. 2016). Bei den beschlossenen Bildungsstandards handelt es sich um Regelstandards, die die jeweiligen fachbezogenen Leistungsanforderungen für das grundlegende und das erhöhte Anforderungsniveau in Form von Kompetenzbeschreibungen vorgeben. Die Bundesländer haben sich darauf geeinigt, dass die neuen Bildungsstandards beginnend mit dem Schuljahr 2013/14 Eingang in die gymnasiale Oberstufe finden und erstmalig die Grundlage für die Abiturprüfung im Schuljahr 2016/17 sind. Dazu wird am Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) ein umfassender Aufgabenpool einschließlich zugehöriger Korrekturhinweise entwickelt, auf den die Bundesländer für ihre Abiturprüfungen zurückgreifen können. Die Länder sind jedoch nicht verpflichtet, Aufgaben aus dem nationalen Aufgabenpool zu nutzen, so dass abzuwarten bleibt, in welchem Maß die Länder letztlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden. Auffällig ist weiterhin, dass – anders als bei den Bildungsstandards für den Primarbereich und den Mittleren Schulabschluss – keine
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552 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Ländervergleiche für die empirische Überprüfung der beschlossenen Standards für die allgemeine Hochschulreife angedacht sind. Betrachtet man die empirische Befundlage zum Leistungsniveau deutscher Abiturient*innen, fällt diese verglichen mit den inzwischen für die Grundschule und die Sekundarstufe I vorliegenden Befunden zur Leistungsfähigkeit deutscher Schülerinnen und Schüler eher dünn aus. Die einzige Studie, die Hinweise zur internationalen Verortung des Leistungsniveaus deutscher Abiturient*innen erlaubt, ist die inzwischen bereits mehr als 20 Jahre zurückliegende „Third International Mathematics and Science Study – TIMSS/III“ aus dem Jahr 1995. Nach den Ergebnissen der Studie rangierten die deutschen Oberstufenschülerinnen und -schüler in Mathematik und den Naturwissenschaften überwiegend im Mittelfeld (vgl. Baumert, Bos et al. 2000a, 2000b). Auch zur Frage, wie stark sich das Leistungsniveau von Abiturient*innen zwischen einzelnen Bundesländern unterscheidet, liegt bislang nur eine einzige Studie vor. Im Rahmen der TOSCA-Studie (vgl. Köller et al. 2004; Trautwein, Köller et al. 2007) wurden die Fachleistungen baden-württembergischer Abiturient*innen aus unterschiedlichen Oberstufenzweigen (allgemeinbildendes Gymnasium und verschiedene Richtungen der beruflichen Gymnasien) mit den Leistungen der Abiturient*innen aus der Hamburger LAU-13-Studie (vgl. Lehmann et al. 2006) verglichen. Während sich in den Englischkompetenzen nur relativ geringe Unterschiede zwischen den beiden Ländern zeigten, resultierte für die voruniversitären mathematischen Fähigkeiten ein deutlicher Leistungsvorsprung für die baden-württembergischen Abiturient*innen, der einem mittleren Lernzuwachs von deutlich mehr als einem Schuljahr entsprach. Innerhalb der Bundesländer ergaben sich zudem substanzielle Unterschiede zwischen den verschiedenen Oberstufenzweigen, wobei die Leistungen an den alternativen Hochschulzugangswegen (Berufliche Gymnasien, Gesamtschulen) von einzelnen Ausnahmen abgesehen, im Mittel deutlich niedriger ausfielen als an den allgemeinbildenden Gymnasien. Die großen Leistungsunterschiede zwischen den Gymnasialzweigen sind in substanziellen Teilen Folge der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler (Fähigkeiten und Kenntnisse beim Eintritt in die gymnasiale Oberstufe) und lassen keine direkten Rückschlüsse auf die an den alternativen Hochschulzugangswegen geleistete pädagogische Arbeit zu. Gleichwohl werden derartige Leistungsunterschiede problematisch, wenn an den alternativen Hochschulzugangswegen in erheblichem Maß Leistungserwartungen im Sinne abschlussbezogener Mindeststandards unterschritten werden. Wie den vorliegenden Studien zu dieser Frage zu entnehmen ist, scheint das Erreichen von Mindeststandards – zumindest in Teilbereichen – nur eingeschränkt gegeben zu sein (vgl. Köller et al. 2004; Leucht et al. 2016; Trautwein, Köller et al. 2007). Dabei ist herauszustellen, dass die (normativen) Antworten auf die Frage, über welche Fähigkeiten eine Abiturientin bzw. ein Abiturient – etwa im Fach Mathematik – zwingend verfügen muss, zum Teil sehr kontrovers
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 553 diskutiert werden. Während von einigen Beobachtern im Wesentlichen die sichere Beherrschung der bis zum Mittleren Schulabschluss vermittelten mathematischen Stoffinhalte als ausreichend angesehen wird (z. B. Huber 1998), setzen andere quasi das Leistungskursniveau der gymnasialen Oberstufe als wünschenswerte Zielmarke für alle Abiturient*innen unabhängig von den späteren Berufs- und Studienwünschen an (vgl. im Überblick Neumann 2010). Vor diesem Hintergrund ist der mit der Vereinbarung bundesweit gültiger Bildungsstandards getroffene Konsens über die angesetzten Leistungsanforderungen durchaus als positiv zu bewerten, wenngleich umfassendere empirische Überprüfungen des Erreichens der Standards, wie oben dargelegt, bislang nicht vorgesehen sind. Solche Untersuchungen wären jedoch wichtig, insbesondere wenn unter einer längsschnittlichen Perspektive, die die Abiturient*innen bis in das Studium begleitet, danach gefragt werden soll, inwieweit sich die jeweils festgelegten Leistungsstandards unter dem Aspekt der Studierfähigkeit tatsächlich als Grundvoraussetzung für späteren Studienerfolg (vgl. dazu kritisch Huber 2009a) erweisen. 15.4.4 Vergleichbarkeit von Abschlusszertifikaten und Noten Aufgrund seiner zentralen Stellung beim Hochschulzugang sind die Erwartungen an die Aussagekraft und Vergleichbarkeit des Abiturzeugnisses berechtigterweise hoch. Im Einzelfall kann die zweite Nachkommastelle der Abiturgesamtnote für die weitere Bildungslaufbahn entscheidend sein. Entsprechend überrascht es kaum, dass Sorgen um die mangelnde Vergleichbarkeit von Leistungs- und Bewertungsstandards beim Abitur immer wieder Kritiker auf den Plan rufen, die das meritokratische Prinzip der leistungsbasierten Vergabe von Karrieremöglichkeiten und Lebenschancen verletzt sehen. In Anbetracht der großen regionalen Unterschiede – wie sie sich etwa in den stark differierenden Abiturientenquoten der Bundesländer zeigen – und der vorhandenen institutionellen (z. B. unterschiedliche Richtungen der gymnasialen Oberstufe) und inhaltlichen (z. B. individuelle Kurswahl in der Oberstufe) Spielräume beim Erwerb der Hochschulreife scheinen solche Bedenken durchaus berechtigt. Was bedeutet es beispielsweise für die Vergleichbarkeit, sein Abitur in Bayern oder Berlin, an einem allgemeinbildenden oder einem beruflichen Gymnasium, an einer Schule mit höheren oder niedrigeren Leistungsanforderungen, unter den Bedingungen des Kernfachabiturs oder des herkömmlichen Kurssystems, mit der Leistungskurskombination Mathematik/Physik oder Deutsch/ Geschichte, nach zwölf oder 13 Schuljahren, mit zentraler oder dezentraler Abiturprüfung zu erwerben? Selbst wenn Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Fächern die gleichen Noten erzielen, heißt dies aufgrund der unterschiedlichen Anrechnungsmodalitäten, Einbringungs- und Streichungsmöglichkeiten in den Bundesländern noch nicht, dass am Ende auch die gleiche Abiturnote resultiert. Fragen nach der Vergleichbarkeit verteilungsrelevanter Abschlussnoten und Zertifikate liegen hier unmittelbar auf der Hand.
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554 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung
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Tab. 15.2: Abiturgesamtnote, prozentuale Anteile mit nicht bestandener Abiturprüfung und der Abschlussnote 1,0 an allgemeinbildenden Gymnasien, Integrierten Gesamtschulen und beruflichen Schulen im Schuljahr 2013/14 nach Bundesländern (Quelle: KMK 2015b) Bundesland Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen MecklenburgVorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen
Abiturgesamtnote 2,46 2,33 2,42 2,31 2,46 2,43 2,43
Anteil „nicht bestanden“ 2,9 3,3 4,6 4,4 5,0 3,7 2,9
Anteil mit „1,0“ 1,28 1,80 1,63 2,25 2,00 1,58 1,41
2,37
6,5
1,88
2,61 2,50 2,54 2,44 2,34 2,42 2,54 2,16
4,4 2,8 2,3 2,6 2,5 5,6 3,5 1,9
0,78 1,43 1,04 1,65 1,18 1,45 0,83 2,79
Ein Dauerthema im Streit um die Aussagekraft des Abiturs in der Bundesrepublik ist die Vergleichbarkeit von Abiturleistungen über verschiedene Bundesländer hinweg. Wie aus Tabelle 15.2 hervorgeht, schwanken die mittleren Abiturgesamtnoten in nicht unerheblichem Maße in einer Bandbreite zwischen 2,16 in Thüringen und 2,61 in Niedersachsen. Ähnliches gilt für die Anteile der nicht bestandenen Abiturprüfungen und der mit einem Notendurchschnitt von 1,0 erworbenen Reifezeugnisse. Darüber, ob die aufgeführte Notenrangreihe auch mit dem tatsächlichen Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler korrespondiert, lassen sich aufgrund fehlender Leistungsdaten kaum belastbare Aussagen treffen. Im Rahmen der deutschen PISA 2000-Erweiterungsstudie erbrachte Befunde für die Sekundarstufe I (vgl. Baumert, Trautwein et al. 2003) scheinen allerdings eher Anlass zu Bedenken bezüglich der bundeslandübergreifenden Passung von Leistungs- und Notenniveau zu geben. In einer jüngeren Untersuchung zu möglichen Einflussfaktoren für Bundeslandunterschiede in der Studienaufnahme kamen Helbig et al. (2015) zu dem Ergebnis, dass sich vorhandene Unterschiede in der Studienaufnahme be-
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Der Erwerb des Abiturs in der gymnasialen Oberstufe 555 sonders durch Bundeslandunterschiede in den erreichten Abiturnoten vorhersagen ließen. Allerdings fanden sich Hinweise darauf, dass die Bundeslandunterschiede in den Abiturnoten sich nicht in entsprechenden Leistungsunterschieden widerspiegelten. Zumindest standen die aus dem PISA-E-Ländervergleich und den IQBLändervergleichen herangezogenen Leseleistungen für Neuntklässler an Gymnasien nicht in Zusammenhang mit dem auf Landesebene erreichten Abiturnotendurchschnitt, worin die Autoren einen Hinweis auf unterschiedliche Bewertungspraxen in den Bundesländern sehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Vergleiche dieser Art insofern Einschränkungen unterliegen, als in vielen Bundesländern ein großer Teil der Abiturientinnen und Abiturienten in der Mittelstufe nicht das Gymnasium, sondern eine andere weiterführende Schulform besuchte. Deutliche Hinweise auf bundeslandspezifische Bewertungsstandards lassen sich auch einer Untersuchung von Neumann, Nagy et al. (2009) entnehmen, in der auf der Datengrundlage der bereits erwähnten TOSCA- und LAU-13-Untersuchungen Bundeslandunterschiede baden-württembergischer (Abiturjahrgang 2002) und Hamburger Abiturient*innen (Abiturjahrgang 2005) aus allgemeinbildenden Gymnasien in den Fachnoten und den mit Hilfe standardisierter Leistungstests erfassten Fachleistungen in Mathematik und Englisch gegenübergestellt wurden. Dabei zeigte sich für Mathematik, dass die bestehenden substanziellen Leistungsunterschiede von einer ganzen (Grundkurs) bzw. einer Dreiviertel-Standardabweichung (Leistungskurs) sich in nicht in den im Halbjahreszeugnis der 13. Jahrgangsstufe erreichten Fachnoten widerspiegelten. Letztere fielen in beiden Bundesländern nahezu identisch aus. Für das Fach Englisch, für das sich nur sehr geringe Leistungsunterschiede fanden, korrespondierten die Fachnoten hingegen sehr gut mit den Testleistungen. Welche Auswirkungen solche Bewertungsunterschiede bei der Zulassung zu stark nachgefragten Studienplätzen haben können, haben die Autoren in einem hypothetischen Szenario der Studienzulassung illustriert (► Tafel 15.4). Auch wenn das aus Anschaulichkeitsgründen etwas vereinfachte Beispiel nicht eins zu eins auf die im Hochschulrahmengesetz vorgesehenen Regelungen zur Studierendenauswahl (HRG § 32) übertragbar ist und die berichteten Ergebnisse daher keineswegs den Anspruch eines absolut realistischen Szenarios erheben, wird dennoch deutlich, welche Auswirkungen differierende Leistungsanforderungen und Bewertungsmaßstäbe nach sich ziehen können. Die Frage, was denn hier nun die gerechteste Lösung wäre, lässt sich nicht einfach beantworten. Man könnte meinen, dass letztlich die tatsächlichen Leistungen zählen sollten. Dies würde jedoch voraussetzen, dass neben den Leistungsanforderungen auch die Lernbedingungen in den jeweiligen Bundesländern und Schulen vergleichbar sind, da ansonsten Schülerinnen und Schüler mit gleichen Lernvoraussetzungen, die aber eine weniger günstige Lernumwelt besuchen, ebenfalls systematisch benachteiligt würden. Bislang erfolgt die Studierendenauswahl überwiegend über die Abiturgesamtnote. Gewichtete Fachnoten, standardisierte Studieneingangstests und Auswahlgespräche kommen deutlich seltener zum Einsatz. Die Vergleichbarkeit der Abiturgesamtnote wird
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556 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung zwar vielfach angezweifelt. Gleichwohl stellt sie nach wie vor die beste Vorhersagevariable für den späteren Studienerfolg dar (vgl. Köller 2013) und scheint somit – zumindest als Grundlage – nicht die schlechteste Wahl für die Auswahl von Studierenden. Ein Grund für die hohe Vorhersagekraft könnte darin liegen, dass neben den Kursergebnissen der Qualifikationsphase und den Abiturprüfungsleistungen zumindest in Teilen auch motivationale und persönlichkeitsbezogene Aspekte mit in die Abiturgesamtnote einfließen dürften, denen neben reinen Leistungsfaktoren ebenfalls eine bedeutsame Rolle für den Studienerfolg zugeschrieben wird. Tafel 15.4: Noten oder Kompetenzen? Hypothetisches Szenario der Studienzulassung auf Basis empirischer Untersuchungsdaten für Hamburger und Baden-Württemberger Abiturient*innen Das Szenario geht von folgender Ausgangslage aus: An einer Hochschule bewerben sich zu gleichen Teilen Abiturient*innen aus Hamburg und Baden-Württemberg. Für einen stark nachgefragten ingenieurwissenschaftlichen Studiengang werden unterschiedliche Kriterien für die Studierendenauswahl durchgespielt. Einmal wird die Abiturgesamtnote als Auswahlkriterium herangezogen, einmal die Mathematikfachnote im Halbjahreszeugnis der Jahrgangsstufe 13 und schließlich die Ergebnisse eines Studieneingangstests (Mathematiktest aus der TOSCA- und LAU-13-Untersuchung). Angenommen werden die besten 10 % unter allen Bewerber*innen. Erfolgte die Bewerberauswahl anhand der Abiturgesamtnote, würden 61 % der ausgewählten Studierenden aus Baden-Württemberg und 39 % aus Hamburg kommen. Wenn stattdessen die Mathematiknoten zugrunde gelegt würden, wären die Anteile deutlich ausgeglichener. Würden hingegen ausschließlich die Ergebnisse aus dem mathematischen Studieneingangstest herangezogen werden, wären Hamburger Abiturient*innen nur zu rund einem Sechstel unter den aufgenommenen Studierenden vertreten. Je nach angelegtem Auswahlkriterium würde man also zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen bei der Studienzulassung gelangen. Anteile ausgewählter Studienplatzbewerber*innen in Prozent (Quelle: Neumann, Nagy et al. 2009) 84
61 55 45 39
16
BW A
HH B
Abiturgesamtnote A
BW A
HH B Fachnote B Mathematik
BW A
HH B
Leistung C Mathematik
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Herausforderungen und Bildungspotenziale 557
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15.5 Herausforderungen und Bildungspotenziale beim Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Welche Herausforderungen und Potenziale lassen sich für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung im Sekundarbereich II ableiten? Betrachtet man die rein quantitative Entwicklung beim Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte, wird man hier zunächst sicher ein positives Fazit ziehen können. Mehr als die Hälfte der Absolvent*innen des Sekundarbereichs II verlassen die allgemeinbildende oder berufliche Schule inzwischen mit der Berechtigung zum Hochschulstudium. Deutschland bewegt sich damit in der Nähe des OECD-Durchschnitts. Trotz dieser Zunahme bestehen nach wie vor erhebliche Disparitäten beim Erwerb der Studienberechtigung. Dies gilt sowohl für soziale und migrationsbezogene Ungleichheiten, als auch hinsichtlich regionaler (Bundesländer) und geschlechtsbezogener (zu Ungunsten der männlichen Jugendlichen ausfallender) Unterschiede. Man wird somit davon ausgehen können, dass die Möglichkeiten zum Ausschöpfen des vorhandenen Potenzials an Absolvent*innen mit Hochschulzugangsberechtigung trotz einer erhöhten Öffnung und Durchlässigkeit der verschiedenen Bildungswege noch nicht erschöpft sind (► Kap. 8). Gleichwohl stellt sich angesichts der starken Expansion auch die Frage, wie viele Absolvent*innen mit Abitur oder Fachhochschulreife eigentlich in Zukunft benötigt werden, um die sich rasant wandelnden technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen meistern zu können. Diese Frage lässt sich nur sehr schwierig beantworten. Auffällig ist jedoch, dass der lange Zeit geforderte und propagierte Anstieg der Studienberechtigtenquote in der jüngeren Zeit von einigen Beobachtern durchaus kritisch gesehen wird, etwa aufgrund rückläufiger Bewerberzahlen im beruflichen Ausbildungssystem und dem daraus resultierenden Mangel an ausgebildeten Fachkräften auf mittlerer Qualifikationsebene (► Kap. 16). Zum Teil ist sogar von einem „Akademisierungswahn“ (Nida-Rümelin 2014) die Rede. Feststehen dürfte in jedem Fall, dass angesichts der gestiegenen (und möglicherweise weiter steigenden) Studienberechtigtenquoten in zunehmendem Maße Fragen der Sicherung von Leistungsstandards und der Aussagekraft und Vergleichbarkeit von Abschlusszertifikaten und Noten in den Vordergrund rücken. Wie im vorliegenden Kapitel dargelegt wurde, ist die empirische Befundlage über die fachlichen und studienrelevanten Fähigkeiten der Abiturient*innen deutlich dünner als für Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarstufe I oder in der Grundschule. Gleichwohl liefern die vorhandenen Studien zum Leistungsniveau von Abiturient*innen aus unterschiedlichen Hochschulzugangswegen durchaus ernstzunehmende Hinweise darauf, dass erwartete Leistungsstandards im Sinne von Mindeststandards in institutionellen Teilbereichen der Sekundarstufe II möglicherweise nur eingeschränkt erreicht werden (vgl. Leucht et al. 2016; Trautwein, Köller et al. 2007). Inwieweit die im Zuge der Verabschiedung der länderübergreifenden Bildungsstandards für das
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558 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Abitur bundesweit angesetzten Leistungserwartungen erfüllt werden bzw. realistische Anforderungen darstellen, lässt sich gegenwärtig kaum beurteilen, da eine weiterführende empirische Überprüfung hier bislang nicht vorgesehen ist (vgl. Stanat, Becker-Mrotzek et al. 2016). Aus den in regelmäßigen Abständen hervorgebrachten Klagen über unzureichende Fähigkeiten der Studienanfänger*innen von Seiten der Hochschulen mögen sich nur begrenzt Schlüsse auf zurückgehende studienbezogene Kompetenzen der studienberechtigten Schülerinnen und Schüler ableiten lassen, da Klagen dieser Art kein neues Phänomen darstellen, sondern in der langjährigen Historie des Abiturs bereits seit den Anfängen vernehmbar waren (Wolter 1997). Gänzlich von der Hand zu weisen dürften die Eindrücke der Hochschullehrenden über die zunehmend heterogener werdenden Leistungsvoraussetzungen der Studierenden vermutlich dennoch nicht sein. Für die Erfolgsquoten im Studium lassen sich bislang keine Hinweise auf größere Einbrüche ausmachen bzw. andersherum formuliert: die deutlich gestiegenen Studierendenzahlen scheinen insgesamt nicht mit einem entsprechend gestiegenen Ausmaß von Studienabbrüchen einherzugehen, wenngleich sich seit der Einführung der Bachelorstudiengänge an den Universitäten eine leicht steigende Tendenz bei den Studienabbruchquoten andeutet (Heublein et al. 2014). Für einige Aufmerksamkeit sorgte in diesem Zusammenhang auch der in den letzten Jahren in der Mehrzahl der Bundesländer zu beobachtende Anstieg der Abiturnoten, insbesondere des Anteils mit sehr guten Noten. Angesichts der stark gestiegenen Abiturientenquoten scheint die Frage, inwieweit die gestiegenen Abiturnoten auch durch entsprechende Kompetenzen und Fähigkeiten der Abiturient*innen gedeckt sind oder lediglich eine „Noteninflation“ (Meidinger 2014) darstellen, durchaus berechtigt. Empirisch prüfen lässt sich diese Frage jedoch bislang nur sehr eingeschränkt. Dass ein Anstieg der Abiturientenquote nicht zwangsläufig zu einem Einbruch des Leistungsniveaus führen muss, legen die Befunde für die Abiturient*innen der Hamburger LAU- und KESS-Studien nahe. Trotz einer von 33 auf 50 % gestiegenen Abiturientenquote waren hier keine größeren Rückgänge im Leistungsniveau der Abiturient*innen feststellbar (vgl. Vieluf et al. 2014). Die jüngsten Ergebnisse für Hamburg aus dem IQB-Bildungstrend zur Überprüfung des Erreichens der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (vgl. Stanat, Böhme et al. 2016) deuten darauf hin, dass die stabilen Leistungsergebnisse in nicht unerheblichem Teil auf größere Anstrengungen zur Qualitäts- und Standardsicherung bereits in der Mittelstufe zurückführbar sein könnten. Neben der quantitativen Entwicklung der Hochschulzugangsberechtigung und der damit verbundenen Frage der Standardsicherung besteht eine der zentralen Herausforderungen im Sekundarbereich II in der fortlaufenden Adjustierung der Zielsetzungen, inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und organisatorisch-methodischen Ausgestaltung der Wege zur Hochschulreife. Mit Blick auf die gymnasiale Oberstufe ist hier in den vergangenen Jahren eine deutliche Restandardisierung des Curriculums, insbesondere eine Stärkung der Kernfächer Deutsch, Mathematik
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Herausforderungen und Bildungspotenziale 559 und Fremdsprache und die Rücknahme von Wahl- und Vertiefungsmöglichkeiten zu beobachten. Die von einigen Seiten (vgl. Huber 2008, 2009b) durchaus kritischen und als rückwärtsgewandt angesehenen Entwicklungen der inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung der Oberstufe lassen erwarten, dass es zukünftig in noch stärkerem Maß Aufgabe der einzelnen Schulen sein wird, unter den gegebenen Rahmenbedingungen nach Freiräumen und Lernformen zu suchen, die den zunehmend heterogenen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden und neben dem fachlichen Kompetenzerwerb in ausreichendem Maße Gelegenheit bieten, wissenschaftspropädeutische und weitere studienrelevante Kompetenzen und Fähigkeiten (z. B. selbstständiges Lernen, Selbstorganisation, inhaltliches Interesse) zu erwerben, um in Studium und Ausbildung möglichst erfolgreich sein zu können. Inwieweit hier infolge der jüngst beschlossenen Reduzierung der Anzahl von auf erweitertem Anforderungsniveau zu belegenden Kursen neue Freiräume resultieren, bleibt abzuwarten. Die Studienvorbereitung dürfte angesichts der angestiegenen Studierendenzahlen und der größeren Heterogenität der zum Hochschulstudium strebenden Schülerschaft jedoch zukünftig in noch stärkerem Maße als bislang auch in den Aufgabenbereich der Hochschulen (► Kap. 17 und 18) fallen. Diese müssen insbesondere in der Studieneingangsphase nach Wegen und Möglichkeiten suchen, die Studienanfänger*innen mit den für die erfolgreiche Absolvierung der jeweiligen Studiengänge erforderlichen Grundvoraussetzungen und Anforderungen vertraut zu machen (etwa über Brückenkurse und Seminare zur Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten). Trotz der übergreifend zu beobachtenden Bemühungen um Standardisierung und Vereinheitlichung bestehen nach wie vor deutliche Unterschiede in der Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe zwischen den Bundesländern (in Teilbereichen vielleicht sogar größere Unterschiede als zuvor), die in Widerspruch zu einer mit der Neuordnung ja insgesamt intendierten größeren Vergleichbarkeit des Abiturs stehen. Hier bleibt abzuwarten, in welchem Maß die beschlossene Einführung länderübergreifender Bildungsstandards sowie die zunehmend zu beobachtenden bundeslandübergreifenden Kooperationen bei den Abiturprüfungen zur faktischen Etablierung einheitlicher Leistungsanforderungen beim Abitur in den verschiedenen Bundesländern mit ihren jeweils spezifischen Ausgestaltungsmerkmalen der Oberstufe führen werden. Vergleichbare Leistungsanforderungen und schulische Rahmenbedingungen beim Abitur rücken nicht zuletzt deswegen in den Vordergrund, da die Hochschulen bei der Studierendenauswahl zukünftig möglicherweise in stärkerem Ausmaß als bislang von Studieneingangstests und Auswahlgesprächen Gebrauch machen werden und somit den tatsächlich vorhandenen Kompetenzen bei den Abiturient*innen eine größere Bedeutung zukommt, während sich die Rolle der im Abiturzeugnis aufgeführten (zum Teil nur eingeschränkt vergleichbaren) Noten eventuell etwas relativieren wird. Dies hat entsprechend zur Folge, dass die Beschulungsqualität als Garant für hohe schulisch erworbene Kompetenzen beim Wettbewerb um stark nachgefragte Studienplätze nochmals an Gewicht gewinnen könnte.
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564 Sekundarbereich II und der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung Wagner, W., Rose, N., Dicke, A.-L., Neumann, M. & Trautwein, U. (2014). Alle alles lehren – Schulleistungen in Englisch, Mathematik und den Naturwissenschaften vor und nach der Neuordnung der gymnasialen Oberstufe in Sachsen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17(2), 345-369. Watermann, R., Daniel, A. & Maaz, K. (2014). Primäre und sekundäre Disparitäten des Hochschulzugangs: Erklärungsmodelle, Datengrundlagen und Entwicklungen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 24, 233-261. Wissenschaftsrat (2004). Empfehlungen zur Reform des Hochschulzugangs. Verfügbar unter http://www. wissenschaftsrat.de/texte/5920-04.pdf (Zugriff am 04.05.2016). Wolter, A. (1997). Das deutsche Gymnasium zwischen Quantität und Qualität. Oldenburg: Universität Oldenburg. Zimmermann, W. (1985). Die gymnasiale Oberstufe. Grundzüge – Reformkonzepte – Problemfelder. Stuttgart. Ernst-Klett-Verlag.
| 565 16 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Paula Protsch und Heike Solga
Zusammenfassung Das deutsche Berufsbildungssystem bietet vielen Schulabgängerinnen und Schulabgängern die Möglichkeit, mit einem anerkannten Berufsabschluss auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Berufsabschlüsse können durch eine betriebliche Ausbildung im dualen System oder im sogenannten Schulberufssystem erworben werden. Innerhalb beider Teilsysteme sind die erlernten Berufe allerdings mit unterschiedlichen Erwerbs- und Einkommenschancen verbunden. Zudem sind Berufswechsel nach der Erstausbildung ohne Abstiegsrisiken nur eingeschränkt möglich. Daher ist es nicht nur wichtig, dass eine Ausbildung absolviert wird, sondern auch, welcher Beruf erlernt wird. Die individuellen Ausbildungsoptionen steigen mit dem Schulabschlussniveau. Betriebliche Auswahlverfahren sind in der Regel hoch standardisiert und legen einen großen Schwerpunkt auf die schulische Vorbildung. Zudem ist die Teilnahme an Ausbildungen im Schulberufssystem meist durch formale Zugangsvoraussetzungen beschränkt. Bildungspotenziale, die während der Schulzeit verborgen blieben, können so nur in Ausnahmefällen entdeckt werden. Für Jugendliche mit maximal (erweitertem) Hauptschulabschluss ist es oft schwer, den Übergang in eine voll qualifizierende Ausbildung zu realisieren. Wenn dies dennoch gelingt, beschränken sich ihre Möglichkeiten größtenteils auf Ausbildungsberufe im unteren Segment des dualen Systems, die schlechtere Erwerbsperspektiven bieten. Hingegen werden Ausbildungsberufe im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen im Schulberufssystem sowie Ausbildungsberufe im oberen Segment des dualen Systems überwiegend von Jugendlichen mit Mittlerem Schulabschluss oder Hochschulreife erlernt. Diese Berufe bieten vergleichsweise gute Einkommens- und Beschäftigungsaussichten. Mit Blick auf die Erschließung von Bildungspotenzialen ist positiv hervorzuheben, dass die meisten Ausbildungsbetriebe in die duale Ausbildung investieren, um Fachkräfte zu gewinnen. Für viele Jugendliche gelingt der Einstieg ins Berufsleben damit sehr gut – auch ohne einen tertiären Bildungsabschluss, der in vielen anderen
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566 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland Ländern dafür notwendig ist. Allerdings ist durch die Bildungsexpansion und den Wandel hin zu einer wissensbasierten Gesellschaft die berufliche Integration von Jugendlichen mit niedrigen Schulabschlüssen und damit die Entdeckung und Weiterentwicklung ihrer Bildungspotenziale zu einer großen gesellschaftlichen Herausforderung geworden. Schließlich ist hervorzuheben, dass durch die voranschreitende Bildungsexpansion im Sekundar- und Hochschulbereich die Vorrangstellung des dualen Systems für die berufliche Erstausbildung aktuell infrage gestellt wird. Immer mehr Jugendliche erwerben eine Hochschulzugangsberechtigung und nehmen anschließend ein Studium auf. Gleichzeitig hat sich seit Anfang der 1990er Jahre eine konstante Versorgungslücke beim betrieblichen Ausbildungsplatzangebot entwickelt, die vor allem Jugendliche mit geringen Schulleistungen betrifft. Einer der häufig genannten Gründe dafür ist deren mangelnde „Ausbildungsreife“. Die berufsvorbereitenden Maßnahmen des Übergangssystems sollen hier Abhilfe schaffen und die „Ausbildungsreife“ dieser Jugendlichen fördern. Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt, ob mit diesen Maßnahmen tatsächlich Kompetenz- oder Zertifikatsgewinne erreicht werden. Als erfolgreich haben sich vielmehr Modellversuche erwiesen, die einen intensiven Kontakt zwischen Jugendlichen und Ausbildungsbetrieben herstellen und damit einen direkten Übergang in eine vollwertige Ausbildung unterstützen. Öffentlich finanzierte außerbetriebliche Ausbildungsplätze sind ein weiterer Lösungsansatz.
16.1 Einführung Das deutsche Berufsbildungssystem steht derzeit hoch im Kurs (siehe z. B. European Commission 2013, 2014). Vor 2007 wurde es noch als für eine Wissensgesellschaft veraltet kritisiert (OECD 2010); seit der Krise 2007/8 wird es hingegen international als einer der Gründe für den Erfolg der deutschen Wirtschaft auch in schwierigen Zeiten angesehen. Dieser Wandel in der Wahrnehmung lässt sich auf unterschiedliche Aspekte des deutschen Berufsbildungssystems zurückführen. Kritisiert werden die im internationalen Vergleich geringe Beteiligung an tertiärer Bildung in Deutschland sowie die soziale Ungleichheit beim Zugang zu höherer Bildung. Gelobt werden die Anbindung an den Arbeitsmarkt und die Sozialisation ins Berufsleben. In der internationalen Diskussion wird Letzteres insbesondere im Zusammenhang mit der krisenbedingten hohen Jugendarbeitslosigkeit in vielen anderen Ländern positiv hervorgehoben. Kritik und Lob sind berechtigt. Einerseits sind die Ausbildungs- und Karriereoptionen von Jugendlichen sehr stark durch ihre allgemeinbildenden Schulabschlüsse und damit durch den Übergang in die Sekundarstufe I und II bestimmt. Ferner ist die Entscheidung für eine Ausbildung und gegen ein Studium eine wichtige
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Institutionelle Strukturen des Berufsbildungssystems 567 Weichenstellung für den weiteren Lebens- und Erwerbsverlauf. Andererseits bietet in Deutschland auch eine Berufsausbildung einen qualifizierten Einstieg in den Arbeitsmarkt. Dieses Kapitel behandelt beide Facetten des beruflichen Bildungssystems (unterhalb der Hochschulebene). Dargestellt werden insbesondere dessen Möglichkeiten und Barrieren für die Entdeckung und Entwicklung von Bildungspotenzialen aus einer ungleichheitssoziologischen Perspektive. Wir beginnen mit einer Darstellung der institutionellen Strukturen und Bildungsbeteiligung im Berufsbildungssystem (► 16.2) und dem Zugang zu Ausbildungsplätzen (► 16.3). Anschließend werden Anpassungsprozesse des Berufsbildungssystems seit den 1970er Jahren behandelt (► 16.4). Abschließend werden die Potenziale und Herausforderungen des beruflichen Bildungssystems diskutiert (► 16.5).
16.2 Institutionelle Strukturen des Berufsbildungssystems Das deutsche Berufsbildungssystem ist in drei Sektoren untergliedert. Das duale Ausbildungssystem und die unter dem Begriff „Schulberufssystem“ zusammengefassten Ausbildungsgänge ermöglichen den Erwerb voll qualifizierender Berufsabschlüsse. Der dritte Sektor, das sogenannte Übergangssystem, bietet berufsvorbereitende Maßnahmen an. Das duale System ist traditionell der stärkste Sektor. 2015 waren etwas mehr als die Hälfte der Neuzugänge ins Berufsbildungssystem in einer dualen Ausbildung, 22 % in einer voll qualifizierenden schulischen Ausbildung und 28 % in einer berufsvorbereitenden Maßnahme (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 102). Auszubildende im dualen System lernen in ihrem Betrieb und besuchen ein bis zwei Tage die Woche (oder in Blockform) die Berufsschule. Die Dualität des Systems begründet sich nicht nur durch die beiden Lernorte, sondern auch durch die Dualität der Zuständigkeiten, die auf eine lange Tradition zurückblickt. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die traditionelle Lehrlingsausbildung des Handwerks von staatlicher Seite unterstützt (vgl. Steinmann 2000). Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) von 1969, reformiert im Jahr 2005, definiert die duale Berufsausbildung sowohl als privatrechtliche Aufgabe der Betriebe als auch als öffentliche Aufgabe des Staats. Die zentralen Durchführungs- und Kontrollaufgaben liegen bei den Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Ausbildung im dualen System erfolgt nach bundesweit gültigen Ausbildungsordnungen, die für jeden Ausbildungsberuf auf Basis des BBiG bzw. der Handwerksordnung (HwO) erlassen werden (vgl. Greinert 1993). Diese Ausbildungsordnungen enthalten Bestimmungen hinsichtlich der Ausbildungsdauer, der Durchführung der Ausbildung und Prüfungen, der Inhalte (Berufsbild) sowie der Ausbildungsrahmenpläne für den betrieblichen Ausbildungsteil. Derzeit
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568 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland gibt es 327 anerkannte Ausbildungsberufe nach BBiG/HwO. Davon haben über 90 % eine Dauer von drei oder dreieinhalb Jahren (vgl. BIBB 2016, 110). Die Ausbildungsordnungen werden von den Sozialpartnern (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften) sowie Bund und Ländern entwickelt und reformiert und nach Initiierung durch die Sozialpartner vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) inhaltlich vorbereitet (vgl. BIBB 2014). Ausbildungsordnungen werden nach dem Konsensprinzip erlassen und erreichen dadurch eine hohe Legitimität der Beteiligten. Zu einem Bruch des Konsensprinzips kam es erstmalig Anfang der 2000er Jahre, als ohne die Zustimmung der Gewerkschaften neue Ausbildungsordnungen für inhaltlich reduzierte Ausbildungsberufe mit zweijähriger Dauer erlassen wurden (vgl. Kath 2005). Die Finanzierung der dualen Ausbildung wird für den betrieblichen Teil von den Ausbildungsbetrieben und für den schulischen Teil von staatlicher Seite (Bundesländer) getragen. Ein wesentlicher betrieblicher Kostenfaktor ist die Ausbildungsvergütung, die für die überwiegende Mehrheit der Auszubildenden tariflich festgelegt ist. Die Vergütungen und Sozialbeiträge machen durchschnittlich 62 % der betrieblichen Bruttoausbildungskosten aus (vgl. BIBB 2016, 250). Weitere Kosten entstehen durch die Beschäftigung von Ausbildungspersonal und die Bereitstellung von Ausbildungsmitteln. Kosten und Nutzen einer betrieblichen Beteiligung an der dualen Ausbildung unterscheiden sich nach Betrieben und Berufen. Beispielsweise werden in einigen kaufmännischen Berufen und Berufen wie Bäcker/in oder Elektroniker/in im Handwerk die Ausbildungskosten in der Regel bereits durch die Einbindung der Auszubildenden in die betrieblichen Arbeits- und Produktionsprozesse noch während ihrer Ausbildungszeit ausgeglichen (vgl. BIBB 2016, 260). Dieses strategische Ziel der Beteiligung von Betrieben im Ausbildungsbereich wird als Substitutionsorientierung oder auch Produktionsorientierung bezeichnet. Sie wird häufiger im Dienstleistungssektor und von Betrieben ohne Betriebsrat verfolgt (vgl. Mohrenweiser und Backes-Gellner 2010). Aktuelle Analysen zeigen, dass im Durchschnitt zwei Drittel der Bruttokosten durch produktive Leistungen der Auszubildenden ausgeglichen werden und ein weiterer Nutzen durch die Einsparung von Personalgewinnungskosten im Fall der Übernahme der Auszubildenden entsteht (vgl. Jansen et al. 2015). Im Unterschied dazu verfolgt eine große Anzahl von Ausbildungsbetrieben die sogenannte Investitionsstrategie für die Fachkräftesicherung. Das heißt, sie erwarten nicht, dass die Produktivität der Auszubildenden bereits während der Ausbildung die Kosten ausgleicht, sondern investieren in die Ausbildung mit dem Ziel einer Übernahme von Auszubildenden für die betriebliche Fachkräftesicherung. Hervorzuheben ist allerdings, dass insgesamt nur ein Viertel der deutschen Betriebe ausbildet, obgleich etwas mehr als die Hälfte aller Betriebe eine Ausbildungsberechtigung besitzt (vgl. BIBB 2016, 215). Einige Informationen zum pädagogischen Personal in der Berufsbildung befinden sich in Tafel 16.1.
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Institutionelle Strukturen des Berufsbildungssystems 569
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Tafel 16.1: Pädagogisches Personal im Berufsbildungssystem Das pädagogische Personal im Berufsbildungssystem ist eine sehr heterogene Personengruppe. Dazu zählen Lehrerinnen und Lehrer an Berufsschulen, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie ausbildende Fachkräfte im Betrieb, ferner das Personal an anderen Ausbildungsstätten sowie in den Maßnahmen des Übergangssystems. Während erstere in der Regel über einen pädagogischen Studienabschluss verfügen und nach dem Referendariat eine staatliche Prüfung ablegen, qualifizieren sich betriebliche Ausbilderinnen und Ausbilder seit 1972 über die Ausbildereignungsprüfung (AEVO) (vgl. Ulmer et al. 2012). Eine Qualifizierung über die AEVO wird nicht als eine pädagogische Professionalisierung eingeschätzt (vgl. Rausch et al. 2014). Allerdings zeigte sich, dass in den Jahren 2003 bis 2009 – als die AEVO außer Kraft gesetzt wurde, um eine verstärkte Ausbildungsbeteiligung zu fördern – in Betrieben ohne geprüftes Personal Ausbildungsabbrüche häufiger auftraten als in Betrieben mit entsprechend qualifiziertem Ausbildungspersonal. 2009 wurden zwei bundeseinheitliche Fortbildungsregelungen für weiterführende Qualifizierungsstufen für die betriebliche Ausbildungstätigkeit eingeführt, die jedoch bisher wenig nachgefragt werden (vgl. Bahl et al. 2012). Zu den Besonderheiten der Lehrtätigkeit im Betrieb gehören, dass sehr viele Beschäftigte daran beteiligt sind, sie in der Regel nebenberuflich oder wie im Fall der ausbildenden Fachkräfte mitwirkend ausgeführt wird. Etwa 17 % aller Beschäftigten sind in Deutschland an der Ausbildung von Lehrlingen beteiligt. Gerade weil nicht einzelne Personen, „sondern der Betrieb in seinem Gesamtgefüge“ ausbildet (Bahl et al. 2012, 6ff), sind diese Berechnungen allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet. Im Gegensatz zum pädagogischen Personal an den Berufsschulen ist mit der Ausbildungstätigkeit im Betrieb kein Berufsstand verbunden – Ausbilden heißt für die meisten Beteiligten, Produktions- und Lehranforderungen gleichermaßen zu erfüllen oder im Zweifelsfall ersteren den Vorrang zu geben. Dass damit das Selbstverständnis des betrieblichen Ausbildungspersonals zunächst über den Beruf und die Fachlichkeit bestimmt wird, wird jedoch als pädagogisch sehr wertvoll für die zukünftigen Fachkräfte eingeschätzt (vgl. Bahl et al. 2012, 6ff; Rausch et al. 2014). Weiterführender Literaturhinweis: Zu neuen Konzepten zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals siehe Ausgabe 4/2015 der Zeitschrift Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis.
Ausbildungen im Schulberufssystem haben häufig vergleichbare Praxisanteile wie Ausbildungen im dualen System (vgl. Hall und Krekel 2014, 3f ). Die Regulierung dieser Ausbildungsberufe ist jedoch anders. Das Schulberufssystem wird öffentlich finanziert. Bei privater Trägerschaft ist häufig eine zusätzliche Teilnahmegebühr zu entrichten. Etwa die Hälfte der Ausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen sind bundesweit geregelt, ansonsten gibt es eine Vielzahl von Ausbildungsgängen an Berufsfachschulen mit sehr heterogenen Regelungen, die in der Zuständigkeit der jeweiligen Bundesländer liegen. Nur Auszubildende in der Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege bzw. Altenpflege erhalten ein Ausbildungsentgelt (siehe z. B. Online-Datenbank Berufenet der Bundesagentur für Arbeit).
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570 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland Das duale und das Schulberufssystem bilden in unterschiedlichen Berufen aus.1 Im dualen System wird im Handwerk, in der Industrie sowie im Dienstleistungssektor und in den sogenannten Freien Berufen ausgebildet. Im Schulberufssystem sind es vor allem Berufe im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen und weitere Dienstleistungsberufe, die an Berufsfachschulen angeboten werden. Die Entscheidung, einen bestimmten Beruf zu erlernen, bedeutet damit eine Festlegung auf einen der beiden Ausbildungssektoren. Zudem sind Auszubildende in den schulischen Ausbildungsberufen entsprechend der starken geschlechtsspezifischen Segregation des deutschen Arbeitsmarktes überwiegend weiblich (über 70 % der Neuzugänge sind junge Frauen), im dualen System hingegen männlich (mit fast 60 % der Neuzugänge; vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 279). Die Maßnahmen des Übergangssystems führen nicht zu einem anerkannten Berufsabschluss und unterliegen keiner systematischen Steuerung. Sie werden aus öffentlichen Mitteln finanziert (vor allem von den Bundesländern und der Bundesagentur für Arbeit). Sie werden durch Einrichtungen in staatlicher Trägerschaft (z. B. Berufsschulen) und privater Trägerschaft (z. B. als Vereine organisierte Bildungsträger) durchgeführt. Diese Maßnahmen bieten teilweise die Möglichkeit einer beruflichen Grundbildung, die potenziell auf eine reguläre Ausbildung anrechenbar ist, oder den nachträglichen Erwerb eines allgemeinbildenden Schulabschlusses der Sekundarstufe I. Inwieweit solche Maßnahmen wirklich auf eine reguläre Ausbildung angerechnet werden oder mit einem höheren Schulabschluss beendet werden, kann aufgrund einer fehlenden systematischen Evaluierung des Übergangssystems nicht abschließend beurteilt werden. Eine neuere Auswertung zeigt, dass knapp ein Viertel der Absolventinnen und Absolventen von Maßnahmen einen Hauptschulabschluss oder einen Mittleren Schulabschluss nachgeholt hat (Dionisus und Illiger 2016) Für die Frage, ob Übergänge in eine Ausbildung später gelingen, ist schließlich hervorzuheben, dass im Jahr 2014 letztlich knapp zwei Mio. der jungen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren ausbildungslos waren. Das entspricht über 13 % dieser Bevölkerungsgruppe (vgl. BIBB 2016, 288). In Abbildung 16.1 sind schematisch mögliche Wege aus dem allgemeinbildenden Schulsystem in das deutsche Berufsbildungs- und Hochschulsystem nachgezeichnet. Für Berufe im Schulberufssystem wird mindestens ein Mittlerer Schulabschluss vorausgesetzt. Die formalen Hürden für eine Ausbildung sind im dualen System niedriger, da gesetzlich kein (bestimmter) Schulabschluss vorgesehen ist. Wie Abbildung 16.2 allerdings ausweist, ist eine duale Ausbildung für Jugendliche ohne Schulabschluss tatsächlich nur selten möglich: 75 % der Neuzugänge ohne Schulabschluss besuchen eine berufsvorbereitende Maßnahme. Auch Jugendliche mit 1 Um Versorgungsengpässe im dualen System auszugleichen, wurde mit dem Berufsbildungsreformge-
setz von 2005 die Möglichkeit geschaffen, duale Ausbildungsabschlüsse auch im Rahmen einer schulischen Ausbildung zu erwerben. Diese Möglichkeit wird jedoch nur sehr begrenzt genutzt. 2013 betraf dies nur 6 % der Neuzugänge ins Berufsbildungssystem (vgl. Hall und Krekel 2014, 3).
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Institutionelle Strukturen des Berufsbildungssystems 571 Hauptschulabschluss beginnen zu großen Teilen (zunächst) eine berufsvorbereitende Maßnahme (42 %). Für höhere Schulabschlüsse steigen hingegen die Anteile im dualen System und noch etwas deutlicher im Schulberufssystem. Etwa 98 % der Neuzugänge mit (Fach-)Hochschulreife und 84 % mit Mittlerem Schulabschluss beginnen eine vollqualifizierende Ausbildung im dualen oder Schulberufssystem. Die Beteiligung in den drei Sektoren des Berufsbildungssystems unterscheidet sich daher erheblich nach schulischem Vorbildungsniveau. Dies bedeutet: Mit erfolgreichen Abschlüssen im allgemeinbildenden Schulsystem steigen die individuellen Ausbildungsoptionen und damit auch die Möglichkeiten, individuelle Bildungspotenziale weiter entfalten zu können.
Abb. 16.1: Schematische Darstellung typischer Bildungswege im deutschen Berufsbildungs- und Hochschulsystem (Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Baethge 2008, 542)
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572 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland 100%
3 16
90%
31
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80%
42
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29 75 13
50%
40%
67 30%
55 1 20%
10%
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0%
Ohne Schulabschluss*
Hauptschulabschluss Mittlerer Schulabschluss (Fach-)Hochschulreife
Berufsvorbereitende Bildungsgänge (Übergangssystem)
Schulberufssystem
Duales System
Abb. 16.2: Neuzugänge in die drei Sektoren des Berufsbildungssystems nach schulischer Vorbildung 2014 (in %) (Anmerkung: * Diese Kategorie umfasst auch Abschlüsse von Sonderschulen) (Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 105, 278; eigene Berechnung)
16.3 Zugang zu Ausbildungsplätzen und Berufen Der Zugang zu dualen Ausbildungen wird wesentlich über das Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen bestimmt.2 Seit Ende der 1970er Jahre hat die Zahl der Ausbildungsinteressierten in der Bundesrepublik fast immer die Zahl der verfügbaren Ausbildungsplätze überstiegen (► Abb. 16.3). Während die Entwicklung zuvor durch Schwankungen in die eine oder andere Richtung gekennzeichnet war, ist ab Mitte der 1990er Jahre eine ausgeprägte und konstante Ausbildungsplatzlücke entstanden. Durchschnittlich kamen 2015 auf 100 institutionell erfasste Ausbildungsinteressierte nur 70 Ausbildungsplätze. Zwischen den Bundesländern variiert diese Relation von 58 Ausbildungsplätzen pro 100 Interessierte in Berlin, 63 bzw. 65 Plätzen in Nordrhein-Westfalen sowie Niedersachsen, 2 In der offiziellen Statistik und Berichterstattung werden für den Ausbildungsmarkt die Begriffe An-
gebot und Nachfrage folgendermaßen verwendet: Betriebe bieten Ausbildungsplätze an und Ausbildungsinteressierte fragen Ausbildung nach.
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Zugang zu Ausbildungsplätzen und Berufen 573 76 Plätzen in Baden-Württemberg bis zu 82 Plätzen in Bayern (vgl. BIBB 2016, ergänzende Internet-Tabelle A1.1.-1).
1.000.000
900.000
800.000
700.000
600.000
Ausbildungsplatzangebot
500.000
an einer dualen Ausbildung interessierte Jugendliche
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
400.000 1978
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1.100.000
Abb. 16.3: Angebot und Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen 1978 bis 2013 (Anmerkung: Bei den dargestellten Werten handelt es sich um institutionell erfasste Ausbildungsstellen und ausbildungsinteressierte Personen. Zu den Ausbildungsinteressierten zählen alle, die entweder einen neuen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben oder als Ausbildungsstellenbewerber bzw. Ausbildungsstellenbewerberin bei den Agenturen für Arbeit, Arbeitsgemeinschaften oder zugelassenen kommunalen Trägern registriert waren. Damit werden nur jene Ausbildungsinteressierten berücksichtigt, deren Berufseignung (und damit auch „Ausbildungsreife“) durch die Beratungs- und Vermittlungsdienste oder die Einstellung seitens der Betriebe als ausreichend eingestuft wurde, siehe Dionisius et al. 2012) (Quelle: Sonderauswertung des Arbeitsbereichs 2.1 am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB); Datengrundlagen: BIBB Erhebung; Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit jeweils zum 30. September; 1978-1991 nur Westdeutschland)
16.3.1 Zugangschancen und Marktverhältnisse Interessierte Jugendliche müssen sich um Ausbildungsplätze bewerben. Für die schulischen Ausbildungsberufe sind es die Bundesländer und Ausbildungsträger, die die Einstellungskriterien festlegen. Für viele Ausbildungsberufe wird mindestens ein Mittlerer Schulabschluss vorausgesetzt. Für eine Ausbildung im dualen System werden laut Berufsbildungsgesetz keine Zugangsvoraussetzungen festgelegt. Hier können die ausbildenden Betriebe die Einstellungskriterien festlegen und die Auszubildenden auswählen. Betriebe sind somit in zweierlei Hinsicht zentral für den weiteren beruflichen Werdegang von Jugendlichen. Zum einen signalisieren sie
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574 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland in ihren Stellenanzeigen für Ausbildungsplätze den Jugendlichen, welchen Schulabschluss sie erwarten, und beeinflussen so die Berufswahl und das Bewerbungsverhalten von Jugendlichen. Zum anderen wählen die Betriebe aus den vorliegenden Bewerbungen die Auszubildenden aus und bestimmen somit, wer letztlich Zugang zu den jeweiligen Ausbildungen und Berufen erhält. Zur Erklärung der betrieblichen Auswahl bietet sich das theoretische Modell der Warteschlange nach Thurow (1978) an. Es wurde für Deutschland als besonders treffend für den Ausbildungsmarkt bezeichnet (vgl. Müller 2001; Steinmann 2000). Demnach sortieren Betriebe Ausbildungssuchende auf Basis der erwartbaren Lernfähigkeit in eine „Bewerberschlange“ (d. h. in eine Rangfolge). Als Signal für die potenzielle Lernfähigkeit von Jugendlichen gelten die schulischen Leistungen (Schulabschlüsse und Noten), die dementsprechend den Rangplatz und die Auswahlchancen bestimmen sollten. Diesem Modell folgend sollte jedoch bei einer ausreichenden Anzahl an Ausbildungsplätzen jeder Bewerber und jede Bewerberin letztlich ein Ausbildungsangebot erhalten. Das heißt, die Ausbildungschancen von leistungsschwächeren Jugendlichen sollten sich bei einer weniger angespannten Marktsituation verbessern. Dies lässt sich derzeit allerdings nicht beobachten. Die Chancen von Jugendlichen mit maximal Hauptschulabschluss haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten kaum verbessert, obwohl sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage demografisch bedingt in vielen Regionen entspannt hat (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 104, 277; Kleinert und Jacob 2012). Ein Grund für die fortbestehende Benachteiligung von Jugendlichen mit niedrigen Schulabschlüssen ist, dass ihnen häufig eine „mangelnde Ausbildungsreife“ zugeschrieben wird und sie von vielen Betrieben nicht mehr als Auszubildende in Erwägung gezogen werden (► 16.5.3). 16.3.2 Segmentation der voll qualifizierenden Sektoren des Berufsbildungssystems Zahlreiche Studien belegen, dass der erlernte Beruf weitreichende Konsequenzen für die individuellen Erwerbschancen im weiteren Lebensverlauf hat. Ungelernte haben nur geringe Chancen auf eine Beschäftigung (vgl. Gesthuizen et al. 2011; Solga 2002, 2005, 2008), und für diejenigen mit einem voll qualifizierenden Abschluss führen Berufswechsel häufig zu einer Beschäftigung unter dem eigentlichen Qualifikationsniveau (vgl. Dütsch et al. 2013). Das ist unter anderem auf die Beschränkung des deutschen Berufsbildungssystems auf die Erstausbildung von Menschen jungen Alters3, die institutionelle Trennung zwischen Berufs- und Hochschulbildung (vgl. Baethge 2006, 2008; ► 16.5.4) sowie die hohe Bedeutung von berufsspezifischen Zertifikaten für den Zugang zu Arbeitsplätzen zurückzuführen (vgl. Solga und Konietzka 2000). In Anlehnung an Max Weber werden vollqualifizierende Ausbildungen daher auch als förderlich für soziale Schließungen beschrie3 Das Durchschnittsalter der Auszubildenden im dualen System mit einem neuen Vertrag liegt bei
knapp 20 Jahren, über 11 % sind über 23 Jahre alt (vgl. BIBB 2016, 150).
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Zugang zu Ausbildungsplätzen und Berufen 575 ben: „Das deutsche Ausbildungssystem, das allgemein anerkannte berufsspezifische Zertifikate verleiht, unterstützt in diesem Sinne die Durchsetzung monopolisierter Ansprüche auf Berufspositionen.“ (Konietzka 2010, 283) Analysen zeigen in dieser Hinsicht, dass die individuellen Chancen des Zugangs zu einer attraktiven Ausbildung und entsprechenden Berufsposition mit dem Schulbildungsniveau steigen (vgl. Beicht und Walden 2014). In diesem Sinne können das duale System sowie das Schulberufssystem jeweils in vier Segmente hinsichtlich Attraktivität von Ausbildungsberufen (entlang des Niveaus der Schulabschlüsse) untergliedert werden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 110-112, 286-287).4 Im dualen System sieht diese Segmentierung folgendermaßen aus: • Unteres Segment: Über 60 % der Auszubildenden in diesem Segment haben maximal einen Hauptschulabschluss. Hier wird beispielsweise zum/zur Verkäufer/ in, Friseur/in, Kosmetiker/in, Koch/Köchin oder in Bauberufen ausgebildet. In der Regel handelt es sich um Berufe mit unsicheren Beschäftigungsaussichten und niedrigeren Einkommen. Die Arbeitslosenquote für Verkäufer*innen liegt etwa bei 14 % und über 30 % sind nur geringfügig beschäftigt (vgl. BA 2014). Das mittlere monatliche Bruttoeinkommen von Vollzeitbeschäftigten beträgt 1.826 EUR (vgl. IAB 2014). • Untere Mitte: Knapp 50 % der Auszubildenden haben einen Mittleren Schulabschluss und 33 % einen Hauptschulabschluss. Die Berufe dieses Segments, z. B. Einzelhandelskaufmann/-frau, Kraftfahrzeugmechatroniker/in oder Elektroniker/in, bieten Aussicht auf ein etwas höheres Einkommen und ein geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko als das untere Segment. • Obere Mitte: 58 % der Auszubildenden haben einen Mittleren Schulabschluss und 27 % ein Abitur. Ausgebildet wird beispielsweise zum/zur Bürokaufmann/-frau, Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten oder Industriemechaniker/in – und damit in besser bezahlten Berufen mit einer höheren Beschäftigungssicherheit. • Höchstes Segment: Die Mehrheit der Auszubildenden hat ein Abitur (62 %), weniger als 4 % haben maximal einen Hauptschulabschluss. Ausbildungsberufe wie Industriekaufmann/-frau, Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel oder Bankkaufmann/-frau sowie IT-Berufe bereiten auf gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze vor. Für Bankkaufleute beträgt das mittlere monatliche Bruttoeinkommen beispielsweise 4.200 EUR und die Arbeitslosigkeitsrate 1,3 % (vgl. IAB 2014). Die meisten Ausbildungsverträge werden im unteren Segment (23,5 %) und im oberen mittleren Segment (22,6 %) geschlossen. Das untere mittlere und das höchste Segment sind mit 17,5 bzw. 18,6 % deutlich kleiner. Weitere 18 % der Ausbildungsverträge können nicht klassifiziert werden (vgl. Autorengruppe 4 Für diese Einteilung wurden 85 % der neu abgeschlossenen dualen Ausbildungsverträge bzw. 93 %
der Neuzugänge ins Schulberufssystem erfasst (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 110).
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576 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland Bildungsberichterstattung 2016, 111). Damit wird weniger als die Hälfte der Auszubildenden im oberen mittleren oder höheren Segment ausgebildet und damit in Berufen mit (sehr) guten Beschäftigungsaussichten. Im Schulberufssystem besteht folgende Segmentierung: • Unteres Segment: Die Mehrheit der Auszubildenden in diesem Segment (ca. 74 %) hat maximal einen Hauptschulabschluss. Zentrale Ausbildungsberufe sind hier Altenpflegehelfer/in und Hauswirtschafter/in. • Untere Mitte: Hier besitzen 59 % der Auszubildenden einen Mittleren Schulabschluss und 32,5 % maximal einen Hauptschulabschluss. Wichtige Ausbildungsberufe sind hier der/die sozialpädagogische Assistent/in, Altenpfleger/in sowie Sozialassistent/in. • Obere Mitte: In den Berufen wie Erzieher/in, Heilerziehungspfleger/in oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in werden mehrheitlich Auszubildende mit einem Mittleren Schulabschluss (76 %) sowie einem Abitur (22 %) ausgebildet. • Höchstes Segment: In diesem Segment haben mehr als die Hälfte der Auszubildenden ein Abitur (53 %), hinzukommen 41 % mit einem Mittleren Schulabschluss. Ausbildungsberufe dieses Segments sind unter anderem Sonderpädagoge/ -pädagogin, Physiotherapeut/in und Rettungsassistent/in. Im Unterschied zum dualen System werden die meisten Ausbildungsverträge im oberen mittleren Segment (39,8 %) sowie im unteren mittleren Segment (35,6 %) geschlossen. Das unterste sowie das höchste Segment sind mit 8,4 bzw. 9 % deutlich kleiner. Weitere 7 % der Ausbildungsverträge können nicht klassifiziert werden. Damit wird hier eher in Berufen mit guten Beschäftigungsaussichten ausgebildet als im dualen System. Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben hier jedoch kaum Chancen. Insgesamt haben 62,5 % der Auszubildenden im Schulberufssystem einen Mittleren Schulabschluss und 18 % sogar ein (Fach-)Abitur (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 287). Gut ein Viertel aller Ausbildungsverträge im dualen System werden vorzeitig gelöst, davon entfallen ca. 34 % auf die Probezeit (von maximal vier Monaten) und insgesamt 65 % auf das erste Ausbildungsjahr (BIBB 2016, 179).5 Im zweiten Ausbildungsjahr erfolgen immerhin weitere 24,5 % der Vertragslösungen. Vertragslösungen bedeuten allerdings nicht immer, dass danach keine Ausbildung mehr erfolgt. In der Hälfte der Fälle wird ein neuer Vertrag mit einem anderen Betrieb und/oder für einen anderen Beruf abgeschlossen (BIBB 2016, 178.). Nach der Probezeit ist eine Vertragslösung nur durch die Auszubildenden und nicht mehr betriebsseitig möglich. Dies mag erklären, weshalb in der Diskussion um Ausbildungsabbrüche die Verantwortung häufig bei den Jugendlichen gesehen wird. Vertragslösungen werden aber nur in geringem Maße durch individuelle Merkmale der Jugendlichen beeinflusst. Entscheidend sind vielmehr berufliche und betriebliche Merkmale, 5 Für das Schulberufssystem liegt keine Information dazu vor.
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Zugang zu Ausbildungsplätzen und Berufen 577 wie die Analysen von Rohrbach-Schmidt und Uhly (2015) zeigen: Eine kollektive Interessenvertretung mindert das Vertragslösungsrisiko auch nach der Probezeit, während ein aus Sicht der Auszubildenden unattraktiver Ausbildungsberuf dieses erhöht. Insbesondere in kleineren Betrieben und bei Betrieben, die mit der Ausbildung eher eine Substitutions- als Investitionsstrategie verfolgen, besteht ein höheres Vertragslösungsrisiko. 16.3.3 Betriebliche Auswahlprozesse Aufgrund des starken Zusammenhangs von individueller Schulbildung und dem Erfolg bei der Ausbildungssuche setzen sich soziale Ungleichheiten aus der Schulzeit (zumindest teilweise) beim Übergang in das Berufsbildungssystem fort. Insbesondere Schülern und Schülerinnen, deren Eltern nicht über einen akademischen Abschluss verfügen, gelingt es nicht immer, ihr kognitives Leistungspotenzial in entsprechende Noten und Schulabschlüsse umzusetzen. So zeigen Studien, dass es sogenannte Underachiever gibt, also Schüler und Schülerinnen, die in kognitiven Leistungstests höhere Werte erzielen, als es aufgrund ihrer Schulabschlüsse und Noten erwartbar wäre (siehe z. B. Uhlig et al. 2009). Auch die Schulleistungsstudien IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) und PISA (Programme for International Student Assessment) weisen immer wieder darauf hin, dass es in der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit schlechteren Noten einige gibt, die von ihren Kompetenzen her höhere Noten hätten erreichen müssen (siehe IGLUStudien; Stubbe et al. 2012, 216). Wie die PISA-Studien zeigen, gilt Gleiches für die Kompetenzen von Hauptschülern und Hauptschülerinnen. Unter ihnen gibt es eine nennenswerte Anzahl, die die gleichen Kompetenzen erreichen wie Schüler und Schülerinnen höherer Schultypen (Sälzer et al. 2013, 87). Diese Bildungspotenziale sind also verborgen, wenn die Auswahlprozesse der Betriebe zu stark auf Bildungszertifikate fokussieren. Bei der Bewerbung um Ausbildungsplätze sind jedoch neben dem erreichten Schulabschluss noch weitere Merkmale der Jugendlichen von Relevanz. Daher stellt sich die Frage, ob der Übergang ins berufliche Bildungssystem nicht doch eine Chance bieten kann, soziale Ungleichheiten zumindest zu verringern und bisher nicht entdeckte Bildungspotenziale zu erkennen und zu fördern. Während des Bewerbungsprozesses könnten vorteilhafte kognitive und nicht-kognitive Fähigkeiten den Jugendlichen eine wichtige Ressource sein, um sich motiviert und vorteilhaft bei Betrieben für den Wunschberuf zu bewerben oder auch mögliche Alternativen in Betracht zu ziehen.6 Zudem ziehen Betriebe bei der Auswahl von Auszubildenden neben Noten und Abschlüssen weitere Kriterien heran. Experteninterviews mit Personalverantwortlichen für die duale Ausbildung in technischen und bürokaufmännischen Berufen der mittleren Ausbildungsmarktsegmente bestätigen einerseits die 6 Unter dem Sammelbegriff nicht-kognitive Fähigkeiten werden vorteilhafte Persönlichkeitsausprägun-
gen, Verhaltensweisen sowie sogenannte soft skills verstanden.
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578 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland herausragende Bedeutung des Schulabschlussniveaus bei der Auswahl von Auszubildenden. Oft wird ein Mittlerer Schulabschluss vorausgesetzt, oder es wird mindestens ein erweiterter Hauptschulabschluss mit sehr guten Noten erwartet (vgl. Protsch und Solga 2012; Protsch 2014). Andererseits werden auf den Schulzeugnissen vermerkte unentschuldigte Fehlzeiten und Bewertungen des Arbeits- und Sozialverhaltens als wichtige Kriterien der ersten Auswahlstufe (d. h. der Auswahl auf Basis von schriftlichen Bewerbungsunterlagen) genannt. Feldexperimente, mit denen die Reaktion von Ausbildungsbetrieben auf Bewerbungen von fiktiven Jugendlichen mit Realschulniveau beobachtet werden konnte, unterstützen und erweitern diese Erkenntnis. Sowohl für Schulnoten als auch Verhaltensbewertungen (einschließlich der vermerkten unentschuldigten Fehlzeiten) in den Schulzeugnissen legen die Betriebe Schwellenwerte fest, die erfüllt werden müssen, um eine Stufe im Auswahlprozess weiter zu kommen. Interessanterweise werden im Zweifelsfall gute Verhaltensbewertungen als wichtiger erachtet, d. h. sie werden guten Schulnoten vorgezogen, wenn nicht die Schwellenwerte beider Kriterien erfüllt sind (vgl. Protsch und Solga 2015). Nach der Überwindung der ersten Hürde folgen weitere Auswahlstufen wie Einstellungstests und Vorstellungsgespräche (vgl. Protsch 2014). Die schriftlichen Tests prüfen häufig Schulwissen ab, das sich an den Erwartungen für den Mittleren Schulabschluss orientiert. Erst in den Vorstellungsgesprächen wird dann laut den Aussagen von Personalverantwortlichen berücksichtigt, ob Bewerber und Bewerberinnen wirklich ein Interesse an dem spezifischen Ausbildungsberuf haben. Zudem wird ihr persönliches Auftreten bewertet. Durch die starke Erstauswahl nach Schulabschlüssen, Noten und Verhaltensbewertungen sowie die überwiegende Orientierung von Einstellungstests am Schulwissen können versteckte kognitive Potenziale durch standardisierte betriebliche Auswahlverfahren allerdings nur selten entdeckt werden. Diese Annahme wird durch die Analyse unterschiedlicher Datensätze bestätigt. In diesen Studien zeigt sich, dass kognitive Grundfähigkeiten die Chance für den Zugang in eine voll qualifizierende Ausbildung nicht signifikant beeinflussen (vgl. Protsch und Dieckhoff 2011; Protsch 2014; Solga und Kohlrausch 2013). Modellversuche wie etwa die Berufsstarter- oder Praxisklassen in Niedersachsen machen deutlich, dass Jugendliche mit schlechten Schulleistungen dann eine Chance auf einen Ausbildungsplatz haben, wenn ein persönlicher Kontakt zum Betrieb besteht. Im Rahmen dieser Klassen konnten sich die Betriebe und potenzielle Auszubildende bei regelmäßigen Praxistagen über einen längeren Zeitraum (von 1,5 bis 2 Jahren) noch während der Schulzeit kennenlernen. Hauptschüler und Hauptschülerinnen, die an diesem Programm teilgenommen haben, hatten deutlich bessere Chancen als Jugendliche der gleichen Schulen ohne diese Praxistage. Zudem waren auch hier positive Verhaltensbewertungen wichtiger für einen erfolgreichen Übergang als gute Noten (vgl. Kohlrausch und Solga 2012; Solga und
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Entwicklungen seit den 1970er Jahren 579 Kohlrausch 2013). Ähnliche Befunde gibt es auch für die Praxisklassen in Bayern (vgl. Baas et al. 2012). Aus Effizienz- und Kostengründen für Betriebe kann wohl nicht gänzlich auf standardisierte Auswahlverfahren verzichtet werden. So erhalten größere Unternehmen häufig mehrere Tausend Bewerbungen. Daher sind kreative Rekrutierungsstrategien für den jeweiligen Betriebskontext gefragt, um Bildungspotenziale unter den Jugendlichen mit niedrigen Schulleistungen entdecken und zu deren weiteren Entfaltung durch eine Ausbildung beitragen zu können. Zu denken wäre beispielsweise stärker an Kooperationen mit Schulen, um auch leistungsschwächere Jugendliche besser kennlernen und einschätzen zu können. Eine andere Möglichkeit wäre, Schulleistungen und Tests, die dem betrieblich definierten notwendigen Mindestvorwissen für den jeweiligen Beruf entsprechen, gleichwertig zu behandeln, statt Schulleistungen als erster Auswahlstufe den Vorrang zu geben.
16.4 Entwicklungen seit den 1970er Jahren Seit Beginn der 1970er Jahre war das berufliche Bildungssystem mit bedeutenden historischen Wandlungsprozessen konfrontiert (vgl. Baethge et al. 2007; Solga 2009b; Thelen 2014, 95f ). Dazu gehören Veränderungen in der sektoralen und beruflichen Struktur des Arbeitsmarkts, veränderte Arbeitsanforderungen sowie die voranschreitende Bildungsexpansion. Hinzu kam 1990 die deutsche Wiedervereinigung. Wie hat das berufliche Bildungssystem auf diese Wandlungsprozesse reagiert? 16.4.1 Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen In den letzten Jahrzehnten hat sich Deutschland stärker zu einer dienstleistungsorientierten und wissensbasierten Gesellschaft entwickelt. Auf dem Arbeitsmarkt werden vermehrt einfache sowie hoch qualifizierte Dienstleistungstätigkeiten und wissensbasierte manuelle Tätigkeiten nachgefragt (vgl. Baethge et al. 2007). Das führte zu einer Abnahme des Fertigungssektors, wobei Deutschland in den Bereichen Metall, Automobil und Maschinenbau im Vergleich zu anderen Ländern immer noch sehr erfolgreich ist. Der Dienstleistungstrend des Arbeitsmarkts spiegelt sich nicht in einem entsprechenden Ausbau der Dienstleistungsberufe im dualen System wider. Die Gründe dafür sind in seinem historischen Ursprung zu suchen. Während die duale Ausbildung ihre Wurzeln im Handwerk hat und seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch bei der Facharbeiterausbildung in der Industrie praktiziert wird, werden Dienstleistungsberufe hauptsächlich im Schulberufssystem gelehrt (vgl. Baethge et al. 2007). Der Rückgang von gut 140.000 Ausbildungsplätzen in der Produktion im Zeitraum 1980 bis 2015 wurde demnach nicht über einen entsprechenden Zuwachs
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580 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland der Ausbildungsplätze im Dienstleistungssektor des dualen Systems ausgeglichen. Der Anteil der Neuzugänge im Dienstleistungssektor ist zwar von 49 auf 62 % gestiegen, die absolute Anzahl ist mit etwas über 300.000 Neuzugängen jedoch annähernd gleichgeblieben. Von dem Verlust von Ausbildungsplätzen in der Industrie und im Handwerk sind insbesondere junge Männer betroffen, die unter den dual Ausgebildeten insgesamt sowie in Produktionsberufen deutlich überrepräsentiert sind (vgl. BIBB 2015, 155 und 2016, 141; ► 16.2). Trotz der sektoralen Verschiebungen ist das duale System in seinem Kern sehr beständig. Dies wird in der hohen Kontinuität der am stärksten besetzten Ausbildungsberufe deutlich. Seit den 1950er Jahren befinden sich beinahe durchgehend acht Berufe (einschließlich ihrer Vorgängerberufe) unter den 15 am stärksten besetzten Ausbildungsberufen von männlichen Jugendlichen. Dazu gehören beispielsweise Kraftfahrzeugmechatroniker, Metallbauer oder Elektroniker. In diesen Berufen wurden jeweils zwischen 29 und 39 % der männlichen Auszubildenden im dualen System ausgebildet. Bei den 15 am stärksten besetzten Berufen von weiblichen Auszubildenden sind elf Berufe seit den 1970er Jahren vertreten, darunter z. B. Bürokauffrau, Friseurin oder Kauffrau im Einzelhandel. 1970 wurden über 70 % der weiblichen Auszubildenden im dualen System in diesen Berufen ausgebildet, 2010 waren es immer noch 55 % (vgl. Protsch 2014, 41ff). Dennoch hat sich einiges verändert. Bestehende Ausbildungsberufe wurden im Rahmen von Neuordnungsprozessen modernisiert und neue Berufe entwickelt. Seit Ende der 1990er Jahre wurden Ausbildungsordnungen für beinahe 70 neue Berufe auf Basis des BBiG oder der HwO erlassen und über 250 Ausbildungsordnungen reformiert (vgl. BIBB 2010, 110 und 2015, 129). Zudem wurde die Anzahl an Ausbildungsberufen von 901 Berufen im Jahr 1950 auf die heutigen 327 Berufe durch die Zusammenfassung inhaltlich sehr ähnlicher Berufe reduziert (vgl. Bosch 2010, 145f ). Neben diesen quantitativen Veränderungen stellt sich die Frage, ob Ausbildungsberufe komplexer geworden und die Ausbildungsanforderungen gestiegen sind. Dies wird häufig zur Begründung dafür herangezogen, dass Jugendliche mit niedrigen Schulleistungen immer weniger von den Betrieben als Auszubildende ausgewählt werden. Eine historisch-vergleichende Inhaltsanalyse von Ausbildungsrahmenplänen quantitativ relevanter Ausbildungsberufe deutet auf ein gemischtes Bild hin (vgl. Protsch 2014). So existieren einige Berufe, bei denen den Ausbildungsrahmenplänen folgend die Anforderungen gestiegen sind (z. B. Kaufleute im Einzelhandel sowie Groß- und Außenhandel oder Medizinische Fachangestellte). Das Komplexitätsniveau anderer Berufe hat sich hingegen nur moderat erhöht (z. B. Kraftfahrzeugmechatroniker/in, Elektroniker/in) und für wieder andere Beruf waren bisher kaum Veränderungen hinsichtlich der Komplexität der Lernziele feststellbar (z. B. Koch/Köchin, Metallbauer/in sowie Bürokaufleute). Die in der Öffentlichkeit und Wissenschaft häufig vertretene Annahme kontinuierlich steigender Anforderungen gilt daher nicht für alle Berufe.
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Entwicklungen seit den 1970er Jahren 581 Zudem führen gestiegene Ausbildungsanforderungen nicht automatisch zu veränderten Zugangschancen. Obgleich Verkaufsberufe z. B. komplexer geworden sind, haben Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss hier immer noch gute Ausbildungschancen. Dementsprechend können die abnehmenden Chancen von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss auf dem Ausbildungsmarkt nicht universell durch gestiegene Anforderungen erklärt werden – und auch nicht pauschal mit dem Hinweis auf unzureichende Kompetenzen dieser Jugendlichen angesichts der Heterogenität ihrer Kompetenzen (► 16.3.3). Vielmehr spielen die Attraktivität von Ausbildungsberufen und damit der Wettbewerb unter den Jugendlichen um die entsprechenden Ausbildungsplätze eine wichtige Rolle. Betriebe mit attraktiveren Ausbildungsberufen haben einen größeren Handlungsspielraum bei der Auswahl ihrer Auszubildenden und können höhere Erwartungen an deren schulische Vorbildung stellen (► 16.3.1 und 16.3.3). Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss haben daher nur noch (bessere) Ausbildungschancen in wenig(er) attraktiven Berufen – vor allem des untersten Segments –, die u. a. durch ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko gekennzeichnet sind (vgl. Protsch 2014; ► 16.3.2). 16.4.2 Die Bildungsexpansion und Berufsbildung Das duale System wird nach wie vor als der „Königsweg“ der deutschen Berufsausbildung angesehen. Trotz des erheblichen Ausbaus der Wege zur Hochschulreife sowie der Universitäten und Fachhochschulen im Zuge der Bildungsexpansion hat bis vor wenigen Jahren die Mehrheit der Jugendlichen eine duale Ausbildung begonnen. In den 1960er Jahren betrug in Westdeutschland der Anteil an Jugendlichen mit (Fach-)Abitur in der entsprechenden Altersgruppe lediglich 6 %. Bis zum Ende der 1970er Jahre stieg der Anteil bereits auf 20 %. Gegenwärtig sind deutlich über die Hälfte (knapp 60 %) aller Schulabgänger und -abgängerinnen deutschlandweit hochschulzugangsberechtigt (vgl. BMBF 2015). Obwohl der Hochschulsektor in ähnlicher Weise expandierte, ist eine duale Berufsausbildung auch heute noch für Jugendliche mit (Fach-)Abitur ein häufig gewählter Bildungsweg – insbesondere in attraktiven Berufen wie Bankkaufmann/frau oder den IT-Berufen. Von vier Auszubildenden im dualen System besitzt etwa eine Person das Abitur. Die Dominanz des dualen Systems wird aktuell infrage gestellt. Während Mitte der 1990er Jahre nur 20 % der Neuzugänge in die berufliche Erstausbildung ein Hochschulstudium aufnahmen, waren es 2015 fast 35 %.7 Damit waren es zum ersten Mal in der deutschen Bildungsgeschichte etwas mehr als die Neuzugänge im dualen System. Deren Anteil sank im gleichen Zeitraum von 41 auf 33 % (► Abb. 16.4). Ob das duale System weiterhin seine Vorrangstellung für die berufliche Erstaus7 Deutschland hat dennoch eine im Vergleich zum OECD-Durchschnitt sehr viel geringere Studie-
rendenquote. 2011 hatten ca. 30 % der deutschen 25- bis 34-Jährigen einen Studienabschluss, im OECD-Durchschnitt waren es ca. 40 % (vgl. OECD 2013, 37).
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582 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland bildung haben bzw. „zurückgewinnen“ wird, ist daher unklar (vgl. Jacob und Solga 2015). Die dennoch ungebrochene Bedeutung des Berufsbildungssystems in Deutschland wird unter anderem daran sichtbar, dass diese quantitativen Entwicklungen eine Diskussion über die zu starke „Akademisierung“ erneut entfacht haben (vgl. Nida-Rümelin 2014; ► Kap. 17). Abbildung 16.4 zeigt zudem, dass die Beteiligung in den voll qualifizierenden schulischen Ausbildungsgängen in den letzten 20 Jahren recht stabil geblieben ist, obwohl insbesondere im Gesundheitswesen eine gestiegene Nachfrage nach entsprechenden Qualifikationen zu verzeichnen ist und damit eigentlich ein Ausbau dieses Sektors zu erwarten gewesen wäre. Auch das Schulberufssystem reagiert demnach nur zögerlich auf veränderte Nachfragesituationen des Arbeitsmarkts. 50%
40%
30%
20%
10%
Berufsvorbereitende Bildungsgänge (Übergangssystem) Duales System Schulberufssystem Studium
0% 1995 /// 2000
2001
2002
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2004
2005
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2009
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2012
2013
2014
2015
Abb. 16.4: Neuzugänge im Berufsbildungs- und Hochschulbildungssystem 1995, 2000-2015 (in Prozent) (Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 99 und 2016, 278)
Die Entwicklung der Neuzugänge in berufsvorbereitende Bildungsgänge des Übergangssystems spiegelt hingegen dessen marktausgleichende Funktion wider. Es bietet Jugendlichen, die bisher auf dem Ausbildungsmarkt erfolglos waren oder noch keine weiteren Bildungsentscheidungen getroffen haben, die Möglichkeit einer kurzfristigen Alternative – mit der Hoffnung auf einen Kompetenz- und in selteneren Fällen auch Zertifikatsgewinn. Auf der anderen Seite sind diese Maßnahmen häufig Endstationen für Jugendliche mit geringer Schulbildung (vgl. Solga 2004; ► 16.5.3).
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Entwicklungen seit den 1970er Jahren 583 16.4.3 Transformation der Berufsbildung in Ostdeutschland Strukturell waren sich die Berufsbildungssysteme der DDR und der (alten) BRD sehr ähnlich (vgl. Biermann 1990; Gewande 1990). Die duale (betriebliche) Ausbildung der DDR hatte die gleichen historischen Wurzeln und erfolgte nach dem gleichen Muster (► 16.2). Die Modernisierung von Ausbildungsordnungen begann in der DDR ebenfalls in den 1970er Jahren. Dabei wurden insbesondere die eng spezialisierten Ausbildungen in sogenannte flexible Berufe zusammengefasst. Die Ausbildung an Fachschulen – dem Pendant zum westdeutschen Schulberufssystem und teilweise auch Fachhochschulsystem – war stärker ausgebaut und umfasste auch die Grundschulpädagogik, Ingenieurökonomie und Ingenieurpädagogik (in letzterer Ausgebildete wurden v. a. als Lehrpersonal in der betrieblichen Ausbildung eingesetzt). Ein Übergangssystem gab es nicht. Dafür wurden bereits 1957 mehr als 100 einfache Berufe (wie etwa Reinigungskräfte) als betriebliche Ausbildungen geregelt (ähnlich den heutigen zweijährigen Ausbildungen; ► 16.2). Die Unterschiede zwischen jungen Männern und Frauen hinsichtlich ihrer Ausbildungsberufe waren in den beiden deutschen Staaten vergleichbar – mit der Ausnahme, dass junge Frauen in der DDR etwas häufiger eine gewerbliche Lehre abschlossen als in der BRD (vgl. Solga und Konietzka 2000). Die Herausforderungen der Zusammenführung beider Berufsbildungssysteme nach der Wiedervereinigung bestanden daher nicht hinsichtlich der institutionellen Strukturen. Dies wird auch daran deutlich, dass die Ausbildungsabschlüsse der DDR anerkannt wurden, Fachschulabschlüsse teilweise als Fachhochschulabschluss (vgl. Gewande 1990; Solga und Diewald 2001). Vielmehr waren die starke und rasante De-Industrialisierung der ostdeutschen Regionen und damit der Verlust der betrieblichen Partner für die duale Ausbildung das zentrale Problem (vgl. Lutz 1996). Zwischen 1989 und 1995 gingen ca. 2,3 Mio. Arbeitsplätze verloren; das entspricht mehr als einem Viertel der Arbeitsplätze von 1989 (vgl. Statistisches Bundesamt 1996, 17f ). Der ostdeutsche Ausbildungsmarkt wurde und wird daher über vielfältige Formen der staatlichen Unterstützung gefördert – angefangen bei der Gemeinschaftsinitiative Ausbildungsstellen-Ost in den frühen 1990er Jahren, gefolgt von diversen Bund-Länder-Programmen. Im Unterschied zur westdeutschen Strategie der Schließung der Ausbildungslücke durch das Übergangssystem setzen die neuen Bundesländer auf außerbetriebliche Ausbildungsangebote. Nach anfänglich bis zu 80 % aller Ausbildungsverhältnisse in einigen ostdeutschen Regionen liegt der Anteil dieser außerbetrieblichen Ausbildungen nun seit Jahren stabil bei immer noch mehr als 20 % (im Vergleich zu Westdeutschland mit weniger als 5 %) (vgl. Pötter et al. 2012, 235f ). Der Nachteil der außerbetrieblichen gegenüber betrieblichen Ausbildungen ist, dass keine Übernahmeoption durch Ausbildungsbetriebe besteht. Der Vorteil gegenüber der Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen ist hingegen, dass sie zu einem anerkannten und vollwertigen Ausbildungsabschluss
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584 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland
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führen. Von daher könnte der ostdeutsche Weg durchaus wegweisend für die Lösung der Ausbildungsprobleme von Jugendlichen mit niedrigen Schulleistungen sein (► 16.5.3).
16.5 Potenziale und Herausforderungen des Berufsbildungssystems Aufgrund des berufsfachlich strukturierten Arbeitsmarkts ist in Deutschland ein Ausbildungs- oder Hochschulabschluss eine notwendige Voraussetzung für einen guten Start in das Erwerbsleben und den späteren Karriereverlauf. Auch wenn, wie in Abschnitt 16.3.2 ausgeführt, große berufsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Arbeitsmarktchancen und -risiken bestehen, ermöglicht das deutsche Berufsbildungssystem vielen Jugendlichen eine längere Teilnahme an Bildung und oftmals einen relativ guten Übergang in den Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu Ländern, in denen ein Hochschulstudium die einzige weiterführende Bildungsoption ist, besteht in Deutschland die Möglichkeit, auch mit einem Ausbildungsabschluss einer qualifizierten Tätigkeit nachzugehen (vgl. Streeck 1991; Thelen 2014). Gleichzeitig beobachten wir die zeitweise oder permanente Exklusion eines nicht unbeachtlichen Anteils junger Menschen von voll qualifizierenden Ausbildungen. Dies hat einerseits ökonomische und soziale Konsequenzen für die betroffenen Individuen, andererseits ist dieser Ausschluss auch aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Perspektive als problematisch zu beurteilen, da Bildungspotenziale dieser Jugendlichen längerfristig oder sogar dauerhaft ungenutzt bleiben. Eine weitere Barriere für eine stärkere Nutzung von individuellen Bildungspotenzialen stellt die geringe Durchlässigkeit zwischen der beruflichen Bildung und der Hochschulbildung dar. Im Folgenden werden die genannten Potenziale und Herausforderungen des beruflichen Bildungswesens näher betrachtet. 16.5.1 Kompetenzerwerb in der Berufsausbildung Gemessen am Anteil an Personen ohne höheren Sekundarschulabschluss leistet das deutsche Berufsbildungssystem einen wichtigen Beitrag zur Verringerung von absoluter Bildungsarmut. 1997 haben in Deutschland 35 % die Schule mit maximal Hauptschulabschluss verlassen, d. h. einem Schulabschluss unterhalb des höheren Sekundarschulabschlusses (vgl. BMBF 2015). 2011 (also 14 Jahre später) hatten hingegen nur noch ca. 13 % der 25- bis 34-Jährigen maximal Hauptschulabschluss (OECD 2013, 36). Mit dem Durchlaufen des Berufsausbildungssystems halbiert sich also der Anteil an Personen ohne einen entsprechenden Abschluss. Ferner sind die grundlegenden Lese- und alltagsmathematischen Kompetenzen der beruflich Ausgebildeten in Deutschland ähnlich hoch wie jener mit (gleichfalls) höherem Sekundarschulabschluss in Ländern mit einem allgemeinbildenden Se-
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Potenziale und Herausforderungen des Berufsbildungssystems 585 kundarschulsystem (vgl. Heisig und Solga 2015). Dies ist deshalb bemerkenswert, da diese Jugendlichen in Deutschland nur ein bis zwei Tage die Schule besuchen, während sie in anderen Ländern fünf Tage pro Woche Zeit dafür haben, sich derartige Kompetenzen anzueignen oder weiterzuentwickeln. Inwieweit die berufliche Ausbildung dazu beiträgt, neue allgemeine kognitive sowie auch nicht-kognitive Kompetenzen zu erwerben, ist derzeit unbekannt. Dies wird gegenwärtig für sechs Berufe im Projekt „Mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen in der beruflichen Erstausbildung (ManKobE)“ des IPN – LeibnizInstituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik untersucht. Mit dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) kann dies in ca. vier Jahren sogar für eine ganze Jahrgangsstufe untersucht werden (Ludwig-Mayerhofer et al. 2010). Im Bereich der beruflichen Kompetenzen liegen nur für einzelne Berufe Kompetenzmessungen vor (vgl. Winther und Prenzel 2014). Die Forschungsinitiative ASCOT – „Technology-based Assessment of Skills and Competences in VET (Vocational education and Training)“ – des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2011-2014) hat das Ziel, berufliche Handlungskompetenzen zu messen (BMBF 2014). Die Berufe der Initiative sind Kraftfahrzeugmechatroniker/in, Elektroniker/in für Automatisierungstechnik, Industriekaufmann/frau, Altenpfleger/in sowie Medizinische/r Fachangestellte/r. Die Schwierigkeit bei der Messung von Berufskompetenzen besteht darin, dass sie nicht berufsübergreifend und damit vergleichend erhoben werden können. Messinstrumente müssen hier die tatsächlichen betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozesse sowie die curricularen (berufsspezifischen) Anforderungen berücksichtigen, um realitäts- und berufsnah zu sein. Sie eignen sich daher besser für eine Standardisierung der (berufsspezifischen) Prüfpraxis sowie zur Messung von Ausbildungsqualität – zentrales Ziel von ASCOT – als für die vergleichende Messung beruflicher Handlungskompetenzen ganzer Geburtskohorten. Dies ist der zentrale Grund, warum im NEPS keine beruflichen Kompetenzen erhoben werden. 16.5.2 Übergänge von der Schule in den Arbeitsmarkt Im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland – wie auch in Österreich, Dänemark und der Schweiz – selbst in der jüngsten Rezession gering (► Abb. 16.5). Von vielen Seiten wird das duale System dafür als Ursache genannt. Die Jugendarbeitslosenquote beschönigt allerdings die Situation. Dies hat rechnerische Gründe und ist zudem auf das Übergangssystem zurückzuführen. Die Jugendarbeitslosenquote wird als Anteil erwerbstätiger Personen einer bestimmten Altersgruppe (meist der 15- bis 24-Jährigen) an allen Erwerbspersonen (Erwerbstätigen, Arbeitslosen und Arbeitssuchenden) dieser Altersgruppe berechnet. Während in vielen anderen Ländern Jugendliche in beruflicher Ausbildung als Schüler bzw. Schülerinnen gelten, zählen Auszubildende des dualen Systems als erwerbstätige Personen, da sie einen arbeitsvertragsähnlichen Ausbildungsver-
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trag mit ihrem Betrieb abschließen – sie haben allerdings arbeitsrechtlich ein sehr geringes Risiko, nach der Probezeit (maximal vier Monate) arbeitslos zu werden. Gleichzeitig haben Jugendliche in Deutschland ein geringes Risiko, überhaupt statistisch als arbeitslos klassifiziert zu werden, da sie bei erfolgloser Ausbildungssuche in Maßnahmen des Übergangssystems übergehen. Die Jugendarbeitslosenquote in Deutschland ist daher quasi durch einen erhöhten Nenner und verringerten Zähler positiv verzerrt. 60%
50%
Jugendarbeitslosenquote (15-24 jährige Erwerbstätige in Prozent der gleichaltrigen Erwerbspersonen)
40%
NEET-Rate (15-/16-24 jährige Personen nicht in Erwerbstätigkeit, Bildung oder Ausbildung in Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung)
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Italien
Portugal
Irland
Slowakei
Ungarn
Polen
Estland
Schweden
Großbritannien
Finnland
Frankreich
Tschechien
Belgien
Dänemark
Österreich
Niederlande
Norwegen
Deutschland
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Schweiz
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586 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland
Abb. 16.5: Jugendarbeitslosenquote (2012) und NEET Rate (2011) (Quelle: OECD Employment Database 2012, basierend auf Eurostat-Indikatoren und nationalen Statistiken)
Die sogenannte NEET-Rate (Not in Employment, Education, or Training) bietet für internationale Vergleiche eine bessere Einschätzung des Ausmaßes prekärer Lebenslagen von jungen Menschen. Sie wird als der Anteil junger Menschen, die sich weder in Erwerbstätigkeit noch (Aus-)Bildung befinden, an der Wohnbevölkerung der entsprechenden Altersgruppe berechnet. Die Länderunterschiede in der NEETRate sind erheblich kleiner, wie Abbildung 16.5 zeigt. Länder mit einem starken dualen Ausbildungssystem zeichnen sich hier gleichfalls durch eine vergleichsweise niedrige Rate aus. Auffällig ist jedoch, dass auch Länder mit anderen Erstausbildungssystemen (wie z. B. Schweden, die Niederlande oder Estland) eine niedrigere oder fast ebenso niedrige NEET-Rate aufweisen. Anzumerken ist allerdings, dass Jugendliche in Deutschland, die Maßnahmen im Übergangssystem besuchen, bei
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Potenziale und Herausforderungen des Berufsbildungssystems 587
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der Berechnung der NEET-Rate ebenfalls als „in Bildung“ gelten. Die zum Teil prekäre Bildungs- und Arbeitsmarktsituation dieser Jugendlichen – insbesondere jener ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss – wird mit der NEETRate daher nicht reflektiert. 16.5.3 Berufliche Integration von Jugendlichen mit niedrigen Schulleistungen Die Bezeichnung „niedrige Schulleistungen“ ist keine absolute Bewertung der individuellen Leistungsfähigkeit, sondern eine relative. Sie verweist auf das Verhältnis zum gesellschaftlich definierten Bildungsstandard, der historischen Wandlungsprozessen unterliegt (vgl. Solga 2009a). Zu Beginn der Bildungsexpansion war der Hauptschulabschluss der allgemeine Bildungsstandard. Die Mehrheit der Jugendlichen verließ auch 1970 noch die Schule mit maximal Hauptschulabschluss. Heute ist dieser Anteil auf etwa ein Viertel gesunken. Die meisten Jugendlichen verfügen über einen Mittleren Schulabschluss (Realschulabschluss) und der Anteil der Jugendlichen mit (Fach-)Abitur ist weiterhin steigend (► 16.4.2). Ohne Zweifel hat das deutsche Berufsbildungssystem dennoch auch heute noch das Potenzial, Jugendliche mit niedrigen Schulleistungen zu integrieren. Von den Neuzugängen mit Hauptschulabschluss in das Berufsbildungssystem hat knapp über die Hälfte eine voll qualifizierende Berufsausbildung begonnen. Gleichwohl gibt es eine erhebliche Verschlechterung der Chancen von Jugendlichen mit niedrigen Schulleistungen beim Zugang zu Ausbildung (vgl. Kleinert und Jacob 2012; Protsch 2014). Im Schulberufssystem stellen die hohen formalen Zugangsvoraussetzungen ein Hindernis dar (► 16.3.1). Werden diese nicht verändert, können Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss nicht stärker integriert werden. Im dualen System entscheiden die Ausbildungsbetriebe über die Auswahlkriterien, da das Berufsbildungsgesetz kein Mindestschulniveau festlegt. Von Arbeitgeberseite wird häufig angenommen, dass leistungsschwache Jugendliche eine „mangelnde Ausbildungsreife“ besäßen. Auch der Ausbildungspakt der Bundesregierung sieht die Ursache für ein unzureichendes Angebot an Ausbildungsplätzen in einer mangelnden Ausbildungsreife der ausbildungslosen Jugendlichen. Kohlrausch und Solga (2012) fassen den von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Kriterienkatalog zu drei Dimensionen einer mangelnden Ausbildungsreife zusammen: kognitive Defizite (einschließlich geringer schulischer Basiskenntnisse), Defizite hinsichtlich nicht-kognitiver Fähigkeiten (mangelnde soziale und motivationale Voraussetzungen) und eine defizitäre Berufswahlreife (mangelnde Fähigkeit, einen Berufswunsch zu entwickeln, der zu den eigenen Fähigkeiten und Interessen passt). Die Autorinnen weisen auf zweierlei hin. Zum einen zeigen sie anhand ihrer Studie zu Hauptschülerinnen und Hauptschülern in Niedersachsen, dass, anders als es der Ausbildungspakt nahelegt, tatsächliche Defizite in den genannten Fähigkeiten und Kompetenzen nicht hinderlich für einen erfolgreichen Übergang in eine voll
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588 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland qualifizierende Ausbildung sein müssen. Zudem sind in der dritten Dimension – Berufswahlreife – kaum Anzeichen für Defizite erkennbar. Zum anderen heben sie hervor, dass es keine positive Definition von Ausbildungsreife gibt, das heißt, ab wann Jugendliche eigentlich als ausbildungsreif gelten. Dies ist insofern problematisch, da „Ausbildungsreife“ nicht nur von individuellen Merkmalen der Jugendlichen abhängig ist, sondern auch vom betrieblichen Umfeld und dessen Ausbildungsqualität und Unterstützungsressourcen (siehe Hinweise zu Ausbildungsabbrüchen in ► 16.3.2). Berufsvorbereitende Maßnahmen sollen eine mangelnde Ausbildungsreife beheben und so einen besseren Übergang in Ausbildung ermöglichen. Ob die Maßnahmen des Übergangssystems tatsächlich diesen Zweck erfüllen, ist bisher noch nicht erforscht. Unbekannt ist auch, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen der Maßnahmenbesuch zu höheren Schulabschlüssen oder einer Anrechnung auf eine reguläre Berufsausbildung führt (► 16.2). Die wenigen vorhandenen Studien zeigen, dass nur einer Minderheit der Jugendlichen mit niedrigen Schulleistungen, die an Maßnahmen teilnahmen, anschließend der Übergang in eine reguläre Ausbildung gelang. Die Mehrheit durchlief hingegen mehrere Maßnahmen, zum Teil durchbrochen von Phasen der Arbeitslosigkeit (siehe z. B. Dietrich 2001; Lex 1997). Neben einer objektiven ökonomischen Unsicherheit erhöhen die meist erfolglosen Versuche der Beteiligung an beruflicher Bildung das Risiko einer Diskreditierung und Stigmatisierung. Gesellschaftlich wird durch die Bildungsexpansion die individuelle Bildungsleistung, „nur“ einen Hauptschulabschluss geschafft zu haben, in einen individualisierten Misserfolg umgedeutet – nämlich nicht dem gesellschaftlichen Standard des Erreichens eines mittleren oder höheren Schulabschlusses zu entsprechen. Dies kann zu Diskreditierungsprozessen seitens der Betriebe führen (d. h. zur nicht gerechtfertigten Disqualifizierung von Jugendlichen; siehe oben). Auf Seiten der Jugendlichen besteht die Gefahr, dass sie das Label, nicht ausbildungsreif zu sein, internalisieren und akzeptieren. Derartige Stigmatisierungsprozesse können im Sinne von sog. Cooling-out-Prozessen dazu führen, dass sie weitere Bemühungen unterlassen (vgl. Clark 1960) und/oder Bewältigungsstrategien entwickeln, mit denen sie sich Leistungsbewertungen entziehen, beispielsweise, indem sie sich ganz vom Ausbildungs- und Arbeitsmarkt abwenden (vgl. Jones et al. 1984, 11; Stauber und Walther 1999). Die nachlassende Integrationskraft des deutschen Berufsbildungssystems wird auch auf mögliche Veränderungen in den Arbeitsanforderungen einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt zurückgeführt. Wie in Abschnitt 16.4.1 dargestellt, lässt sich dieser Erklärungsversuch für quantitativ relevante Berufe des dualen Systems nicht in dieser Allgemeinheit bestätigen. Zudem können die verringerten Ausbildungschancen von Jugendlichen mit niedrigen Schulleistungen nicht über ein demografisch bedingtes Überangebot an ausbildungsinteressierten Jugendlichen mit höheren Bildungsabschlüssen erklärt werden (vgl. Kleinert und Jacob 2012). Daher ist viel-
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Potenziale und Herausforderungen des Berufsbildungssystems 589 mehr davon auszugehen, dass diese Jugendlichen verstärkten Diskreditierungs- und Stigmatisierungsprozessen ausgesetzt sind (siehe z. B. Protsch 2014; Solga 2004). Im Gegensatz zu den Maßnahmen des Übergangssystems mit ihren unklaren Erfolgsquoten scheinen Programme erfolgreicher zu sein, die – wie das bereits erwähnte Modellprojekt aus Niedersachsen – eine direkte Integration in die reguläre Berufsausbildung fördern. Auf diese Weise haben auch leistungsschwächere Jugendliche die Möglichkeit, Betriebe vor Beginn und während der Ausbildung von ihren Bildungspotenzialen zu überzeugen und eine Chance auf einen guten Start in das Erwerbsleben (vgl. Solga und Kohlrausch 2013; Kohlrausch und Solga 2012). Eine bessere Integration von Jugendlichen, die bei der Ausbildungssuche erfolglos bleiben, kann auch über eine stärkere staatliche Förderung von voll qualifizierenden außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen erreicht werden, wie das Beispiel der neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung zeigt (► 16.4.3). Der anschließende Eintritt in den Arbeitsmarkt nach einer außerbetrieblichen Ausbildung kann sich allerdings – insbesondere bei einer schwachen Wirtschaftslage – schwierig gestalten (vgl. Pötter et al. 2012). Im Gegensatz zu Maßnahmen des Übergangssystems bietet ein anerkannter Berufsabschluss jedoch längerfristig eine qualifizierte Beschäftigung. Aus dieser Perspektive scheinen derartige Ausbildungsplätze die sinnvollere Investition in jugendliche Bildungspotenziale zu sein. 16.5.4 Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung Ferner ist nach der Weiterentwicklung der Bildungspotenziale von Ausgebildeten zu fragen und damit nach der Durchlässigkeit zum Hochschulbereich. Die historisch gewachsene und stark verfestigte institutionelle Trennung zwischen beruflicher Bildung und höherer Allgemein- und Hochschulbildung ist gekennzeichnet durch Unterschiede in der Zielorientierung (berufliche Handlungskompetenz vs. gebildete Persönlichkeit), dem Bezugspunkt der Lerninhalte (Qualifikationsbedürfnisse des Arbeitsmarkts vs. Wissenschaftsorientierung) und der Organisation von Lernprozessen (praxisintegriert vs. theoriebezogen) (vgl. Baethge 2006, 2008). Die organisatorischen Felder der dualen Ausbildung und der Hochschulbildung unterscheiden sich des Weiteren hinsichtlich der Zuständigkeiten für Steuerung, Finanzierung und Lehrpersonal sowie dem Status der Lernenden (vgl. Baethge 2006, 26; Graf 2013, 31; ► Kap. 17). Für alle beruflich Qualifizierten gilt, dass sie ohne (Fach-)Abitur nur begrenzte Möglichkeiten haben zu studieren. Sie benötigen eine besondere Studienberechtigung, obwohl sowohl voll qualifizierende Berufsabschlüsse als auch die Hochschulreife als Bildungsabschlüsse der Sekundarstufe II klassifiziert sind. Bis vor wenigen Jahren war der Hochschulzugang ohne Abitur rechtlich stark eingeschränkt. Ein Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) im Jahr 2009 ermöglicht den Bundesländern, diesbezüglich weniger restriktive Regelungen zu treffen. Absolventen und Absolventinnen einer Aufstiegsfortbildung erhalten nun mit wenigen
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590 Das berufliche Bildungssystem in Deutschland bundesländerspezifischen Ausnahmen die allgemeine Hochschulreife. Absolventen und Absolventinnen einer Berufsausbildung und einer anschließenden dreijährigen Berufserfahrung erhalten eine fachgebundene Studienberechtigung. Sie müssen darüber hinaus in den meisten Bundesländern eine Eignungsprüfung oder ein Probestudium absolvieren (vgl. Ulbricht 2012). Dieser sogenannte Dritte Bildungsweg zur Hochschule wird zwar leicht ansteigend, aber immer noch sehr selten genutzt. 2014 hatten 3,5 % der Studierenden ihre Studienberechtigung über eine berufliche Qualifizierung erlangt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 128). Neben den Zugangsregularien behindern daher weitere Barrieren den Zugang zur Hochschule und damit die Entfaltung vorhandener Bildungspotenziale. Dazu zählen nach Ulbricht (2012) die fachliche Einschränkung der Studienfachwahl, geringe Möglichkeiten der Anrechnung von Qualifikationen, die in der Ausbildung erworben wurden, fehlende Informations- und Beratungsangebote sowie Probleme hinsichtlich der Studienfinanzierung. Darüber hinaus weist Bernhard (2017) darauf hin, dass auch der Umgang mit der Heterogenität der Bedürfnisse von Lernenden an Hochschulen ein zentraler Aspekt von mangelnder institutioneller Durchlässigkeit zwischen den beiden Bildungsbereichen ist. In jüngster Zeit ist in Deutschland eine wachsende Zahl von dualen Studiengängen zu verzeichnen. 2011 wurden ca. 60.000 dual Studierende registriert (vgl. BIBB 2011, 41). Entstanden Ende der 1970er Jahre in Baden-Württemberg, stehen sie für eine hybride Bildungsform, die Elemente einer dualen Ausbildung mit denen eines Hochschulstudiums verbindet (vgl. BIBB 2011; Graf 2013, 95ff). Wie Graf (2013, 219) zeigt, wird die institutionelle Trennung zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung durch duale Studiengänge nicht überwunden. So dürfen nur Personen mit (Fach-)Abitur für duale Studienplätze von den Betrieben ausgewählt werden. Ferner wurden die traditionellen Zuständigkeiten für die Durchführung der Prüfungen beibehalten. Die Wirtschaft befürwortet duale Studiengänge u. a., weil damit die betriebliche Ausbildung auch für leistungsstarke Abiturienten und Abiturientinnen attraktiv bleibt (vgl. Thelen 2014, 89). Festzuhalten ist, dass das deutsche Bildungssystem immer noch durch eine institutionelle Trennung von beruflicher Bildung und Hochschulbildung gekennzeichnet ist. Einmal eingeschlagene Bildungswege zu verlassen oder in einem anderen Bildungssektor zu vervollständigen, ist dadurch mit großen Hürden verbunden. Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass das deutsche Berufsbildungssystem viele Vorteile besitzt, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung und Förderung (beruflicher) Bildungspotenziale. Gleichwohl bestehen jedoch zahlreiche Herausforderungen für das Berufsbildungssystem, um die Bildungspotenziale aller Jugendlichen weiterzuentwickeln sowie mit der wirtschaftlichen Entwicklung einerseits und den wachsenden Bildungsaspirationen junger Menschen (und ihrer Eltern) andererseits Schritt zu halten.
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V Hochschulbildung
Einführung zu V Heike Solga (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) Institutionen der Hochschulbildung Uta Liebeskind (Universität Siegen) Bildungsverläufe im Hochschulbereich Kathrin Leuze (Friedrich-Schiller-Universität Jena) und Markus Lörz (Leibniz Universität Hannover) Lehrerbildung Sigrid Blömeke (Centre for Educational Measurement at the University of Oslo)
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| 597 Einführung zu V
Hochschulbildung Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Heike Solga
Das Hochschulsystem ist neben dem Berufsbildungssystem der zweite Pfeiler der beruflichen Vorbereitung nachwachsender Generationen für den Arbeitsmarkt sowie zur Persönlichkeitsentwicklung junger Erwachsener. Immer mehr Arbeitsplätze erfordern wissenschaftliche Qualifikationen, zudem steigt der Anteil an Studierenden eines Altersjahrgangs weiterhin an. Dies spiegelt sich in den aktuellen Entwicklungen im Hochschulsystem wider. In den letzten Jahrzehnten hatte der Hochschulbereich vielfältige Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören (1) der weiterhin anhaltende starke Zustrom an die Hochschule – verursacht durch gestiegene Bildungsaspiration junger Menschen und ihrer Eltern, eine wachsende Zahl an Hochschulzugangsberechtigungen durch neue Möglichkeiten des Erwerbs eines (Fach-)Abiturs außerhalb des klassischen Gymnasiums oder doppelte Abiturjahrgänge durch die Umstellung von G9 auf G8 –, (2) die Veränderungen der Studienstruktur von Diplom und Magister hin zu Bachelor und Master durch den Bologna-Prozess, (3) die Exzellenzinitiative mit ihrem Fokus auf Graduiertenausbildung und Schwerpunktbildung in der Forschung (die dadurch auch die Besetzung von Professuren und damit die Ausrichtung und Gewichtung von Studienfächern betrifft) sowie (4) Veränderungen in der Steuerung – oder zu neudeutsch „Governance“ – von Hochschulen. Aus diesen Veränderungen resultierten vielfältige Handlungsbedarfe im Bereich der Hochschulbildung, die den Zugang zum Studium, das Studium selbst sowie die sozialen und individuellen Erträge eines Hochschulstudiums betroffen haben – und damit die Entdeckung, Entfaltung und Nutzung der individuellen Bildungspotenziale in Deutschland. Die drei Kapitel dieses Buchteils widmen sich mit unterschiedlichen Perspektiven diesen Herausforderungen und Handlungsbedarfen. In Kapitel 17 stellt Uta Liebeskind die institutionellen Rahmenbedingungen des Hochschulbereichs sowie ausgewählte wichtige Entwicklungen vor. Das Kapitel behandelt insbesondere die Studienstrukturreform im Rahmen des europaweiten Bologna-Prozesses sowie die nun stärker vertikale und an quantitativen Indikatoren ausgerichtete Steuerung des Hochschulsystems. Zudem wird das Bildungsangebot beschrieben sowie dessen
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598 Einführung zu V Neuausrichtung hinsichtlich einer stärkeren Kompetenzorientierung und „employability“ (Beschäftigungsfähigkeit nach dem Studium) thematisiert. Trotz Widerständen gegen diese Neuausrichtung zeigt sich, dass die Ideen von Arbeitsmarktpassung und Praxisbezug die Entwicklung hochschulischer Bildungsangebote stark beeinflusst haben. In Kapitel 18 stellen Kathrin Leuze und Markus Lörz Veränderungen und Stabilitäten in den Bildungsverläufen im Hochschulbereich vor. Aus einer Lebensverlaufsperspektive wird hier dargestellt, welche Entscheidungen an den verschiedenen Übergängen des Hochschulsystems, im Studienverlauf sowie beim Übergang in den Arbeitsmarkt zu treffen sind und welche Pfadabhängigkeiten zwischen den verschiedenen Entscheidungen vorliegen. Deutlich wird, dass bei diesen Bildungsentscheidungen Ungleichheiten aufgrund der sozialen Herkunft sowie zwischen Frauen und Männern weiterhin bestehen. Herkunftsunterschiede sind in jeder Hinsicht in Bezug auf den Hochschulbereich zu finden: hinsichtlich der Studienaufnahme, der Studienfachwahl und des Hochschultyps, der Dauer des Studiums, des Abbruchrisikos, der Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts, des Studienabschlusses sowie des Übergangs in ein Masterstudium. Das Kapitel thematisiert, welche organisationalen und institutionellen Erklärungen hierfür angeführt werden können. Das Kapitel verdeutlicht, dass vorhandene Bildungspotenziale nur teilweise realisiert werden. In Kapitel 19 behandelt Sigrid Blömeke die Lehrerausbildung an Hochschulen, da die Lehrerausbildung zentrale Grundlagen für die Entdeckung und Entwicklung von Bildungspotenzialen in anderen Bildungsbereichen der Gesellschaft schafft. Behandelt werden die mehrdimensionale Struktur der professionellen Kompetenz von Lehrkräften sowie wie individuelle, institutionelle und systemische Merkmale die Kompetenzentwicklung während des Lehramtsstudiums beeinflussen. Zudem bietet das Kapitel eine Darstellung der historischen Entwicklung der Lehrerbildung im 19. und 20. Jahrhundert und zentraler Strukturmerkmale der gegenwärtigen Lehrerbildung in den 16 Bundesländern. Auf Basis nationaler und internationaler Studien liefert das Kapitel Informationen darüber, welche Kompetenzen angehende deutsche Lehrkräfte im Studium erwerben können und erworben haben. Als Fazit konstatiert die Autorin, dass in der Organisation der Lehrerausbildung, insbesondere in der Vernetzung von Theorie und Praxis sowie fachlicher und didaktischer Ausbildung, noch eine Reihe von Potenzialen liegen, um die Qualität der Lehrerausbildung zu verbessern.
| 599 17 Institutionen der Hochschulbildung Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Uta Liebeskind
Zusammenfassung Die gesellschaftliche Bedeutung hochschulischer Bildung wächst stetig. Einerseits erfordern mehr Arbeitsplätze als zuvor auch wissenschaftliche Qualifikationen, andererseits steigt der Anteil derer, die nach der Beendigung der Schule ein Studium aufnehmen. Dies spiegelt sich in den aktuellen Entwicklungen im Hochschulsystem wider: So haben tief greifende Reformen eingesetzt, die die hochschulische Lehre in den Fokus rücken. Zugleich expandiert das Hochschulsystem weiter. Die beiden zentralen Hochschuleinrichtungen in Deutschland sind nach wie vor Universitäten und Fachhochschulen. Unter den Reformen tritt vor allem die Studienstrukturreform im Rahmen des europaweiten Bologna-Prozesses deutlich hervor. Die Studienstruktur ist nun konsekutiv angelegt: Der erste akademische Abschluss ist der Bachelor, der eine kürzere Regelstudienzeit hat als die nun fast vollständig abgelösten Abschlüsse Diplom und Magister. Der Bachelor soll für den Arbeitsmarkt qualifizieren, weswegen der Anschluss eines Masterstudiums nun nicht mehr zwingend erforderlich ist, um eine akademische Arbeitsmarktqualifikation zu erreichen. Das Masterstudium bietet die Möglichkeit, vertiefend zu studieren. Darüber hinaus wächst die Bedeutung des Masters als Möglichkeit zur akademischen Weiterbildung. Im Übergang zwischen Bachelor und Master sind in gewissem Umfang nun Fachwechsel möglich. Zudem wächst das Angebot an Masterstudiengängen mit Spezialisierungsmöglichkeiten für ganz konkrete Berufsfelder. Auch hinsichtlich der Steuerung des Hochschulsystems haben sich parallel zu den Bologna-Reformen wichtige Neuerungen ergeben: Zum einen arbeiten Bund und Länder in der Hochschulsteuerung verstärkt zusammen. Zum anderen hat sich die hochschulinterne Governance verändert: Die hochschulinternen Strukturen sind stärker vertikal ausgerichtet, global zugewiesene Haushalte werden von den Hochschulen nun selbst verwaltet und die hochschulinterne Steuerung orientiert sich an quantitativen Indikatoren wie Studierenden- oder Absolventenzahlen pro Organisationseinheit.
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600 Institutionen der Hochschulbildung Wichtige Akzente im veränderten hochschulischen Bildungsangebot sind die Kompetenzorientierung in der Ausrichtung des Studienangebots, ein wichtiges Stichwort ist hier employability. Absolventinnen und Absolventen sollen mit den an der Hochschule erworbenen Kompetenzen in der Lage sein, auf komplexe Arbeitsanforderungen flexibel und fachlich adäquat reagieren zu können. Mit der Kompetenzorientierung ist auch die heterogene Zusammensetzung der Studierenden wieder stärker in den Blick gerückt, die sowohl bei der Planung von Studienangeboten als auch bei der Durchführung von Lehrveranstaltung zu berücksichtigen ist. Die Zusammensetzung der Studierenden ändert sich nicht zuletzt dank der Internationalisierungsstrategien der Hochschulen, im Zuge derer nun mehr ausländische Studierende in Deutschland studieren als vor Einsetzen der Bologna-Reformen zu Beginn der 2000er Jahre.
17.1 Einführung Im Vergleich zu anderen Institutionen im Bildungssystem weisen die Hochschulen eine wichtige Besonderheit auf: Sie sind nicht nur Bildungsinstitution, sondern zugleich auch zentrale Forschungseinrichtungen (zur Rolle der Hochschulen im Wissenschaftssystem siehe BMBF 2014). Mit der systematischen Verbindung von Bildung und Forschung im tertiären Teil des Bildungssystems und mit steigenden Studierendenzahlen stellt das Hochschulsystem wissenschaftsbasierte Qualifikationen für die Arbeitsmärkte in der Wissensgesellschaft bereit (vgl. Välimaa 2010; für Deutschland siehe Brücker 2012; Wissenschaftsrat 2015). Das Hochschulwesen, seine Gestaltung und sein Wandel ist damit ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit moderner Gesellschaften. Vor diesem Hintergrund wurde und wird das deutsche Hochschulsystem umgestaltet; ein wichtiger Motor in diesem Prozess ist der Bologna-Prozess, ein europaweiter und mittlerweile sogar über europäische Grenzen hinausgehender Reformprozess der tertiären Bildung (für eine Übersicht zu den Teilnehmerstaaten des Bologna-Prozesses siehe die offizielle Web-Seite zum Europäischen Hochschulraum: www.ehea.info). Die Umsetzung der Bologna-Reformen wurde durch neue Formen der Hochschulsteuerung flankiert, die das Selbstverständnis der Lehrenden im Sinne der akademischen Freiheit in bislang ungekanntem Maß betreffen. So waren und sind die aktuellen Reformen des Hochschulwesens in Deutschland von starken Debatten und Kontroversen begleitet, in denen der Rekurs auf die humboldtsche Idee der Universität, der Freiheit von Forschung und Lehre, eine zentrale Argumentationsfigur ist. Um die Förderung von Bildungspotenzialen durch das deutsche Hochschulsystem auszuloten, wird in Abschnitt 17.2 zunächst das hochschulische Bildungsangebot sowie die Steuerung des Angebots an Studienmöglichkeiten dargestellt. Im darauf folgenden Abschnitt werden mit Blick auf die Bildungsfunktion der Hochschulen wichtige Entwicklungen der jüngeren Zeit im deutschen Hochschulsystem beschrieben.
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Hochschulisches Bildungsangebot 601
17.2.1 Das Spektrum hochschulischer Bildungseinrichtungen Die wesentlichen Institutionen im deutschen Hochschulsystem sind Universitäten und Fachhochschulen. 96 % aller Studierenden besuchen eine Universität oder eine Fachhochschule (► Abb. 17.1). Zu den Universitäten werden dabei auch die Technischen und Medizinischen Hochschulen gezählt, die Universitäten gleichgestellt sind. Zwischen beiden Hochschularten besteht ein wichtiger Unterschied hinsichtlich des Verhältnisses von Lehre und Forschung: An Universitäten nimmt – abgeleitet aus historisch gewachsenen Leitbildern – Wissenschaft einen zentralen Rang ein: Sie ist (idealiter) die Basis sämtlicher Funktionen, die universitäre Lehre erfüllen soll. Die Gründung und Entwicklung von Fachhochschulen seit den 1960er Jahren orientierte sich hingegen am klaren Anwendungsbezug von Lehre und Forschung. Die fachhochschulische Lehre ist also stets anwendungsorientiert und auf konkrete Berufsfelder zugeschnitten (Wissenschaftsrat 2010b, 37; Wissenschaftsrat 2015, 42ff). Formal zeigt sich diese Unterscheidung darin, dass die Fachhochschulen nicht das Recht haben, Promotionen durchzuführen. Im Rahmen allgemeiner theoretischer Modelle zur Entwicklung von Hochschulsystemen wird das deutsche System dementsprechend als ein zweigeteiltes bzw. duales Hochschulsystem bezeichnet (Clark 1983; Scott 1995, 2010). Hochschulen (N=427)
Studierende (N=2.698.910) l 26.734 26734
7
Anteil an Trägerschaft
22
178.916 178916
Anteil an Trägerschaft
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17.2 Hochschulisches Bildungsangebot
111
1.678.998 1678998
45
85
717.271 717271
106
Universitäten
Fachhochschulen
K
VPT
Anteil an Hochschulart
Universität
FH
a
Anteil an Hochschulart
staatlich
a: alle anderen, mit
privat oder kirchlich
K: Kunsthochschulen V: Verwaltungsfachhochschulen P: Pädagogische Hochschulen T: Theologische Hochschulen
Abb. 17.1: Hochschulen und Studierende im Wintersemester 2014/15 nach Hochschulart und Trägerschaft (Quellen: Daten-Portal des BMBF 2015, Tab. 2.5.1; Statistisches Bundesamt 2015, Übersicht 13; eigene Berechnungen)
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602 Institutionen der Hochschulbildung Das Statistische Bundesamt unterscheidet in seiner Berichterstattung zum Hochschulsystem von den Universitäten und Fachhochschulen ferner die pädagogischen Hochschulen, die theologischen Hochschulen, die Kunsthochschulen und die Verwaltungsfachhochschulen. Mitunter werden diese weiteren Hochschularten unter die Universitäten und Fachhochschulen subsumiert, je nachdem, ob sie das Promotionsrecht haben oder nicht. Während die Fachhochschulen und Universitäten nicht immer, aber in der Regel multidisziplinär ausgerichtet sind, bilden die Kunst- und Verwaltungsfachhochschulen nur fachspezifisch aus. Die Hochschularten jenseits der Universitäten und Fachhochschulen spielen quantitativ betrachtet eine marginale Rolle im deutschen Hochschulsystem; nur ein sehr kleiner Teil der Studierenden (4 %) wird hier ausgebildet (► Abb. 17.1). Die Trägerschaft der Hochschulen variiert, sie liegt entweder beim Staat (genauer bei den Bundesländern), bei den Kirchen oder bei privaten Trägern. Private Hochschulen haben in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen: Zwischen 1990 und 2012 hat sich ihre Zahl von 23 auf 109 fast verfünffacht, die Studierendenzahlen wuchsen seit Beginn der 1990er Jahre in noch stärkerem Maße, nämlich von ca. 12.000 auf ca. 110.000 im Jahr 2012 (Wissenschaftsrat 2012b). Ihre Bildungsangebote sind sehr eng auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zugeschnitten. Sie bieten Studienmöglichkeiten vor allem in den Wirtschaftswissenschaften, im Gesundheitswesen und im Ingenieurwesen. Im Feld der privaten Hochschulen gibt es neben Universitäten und gleichgestellten Hochschulen (teils werden sie hier Schools genannt) auch Fachhochschulen – das formale Unterscheidungsmerkmal ist auch hier das Promotionsrecht – sowie Kunst- und Musikhochschulen. Die staatliche Zulassung privater Hochschulen ist Ländersache. Neben den staatlichen und privaten Hochschulen spielen wegen ihrer Überschneidung zum Berufsbildungssystem zudem Berufsakademien eine immer wichtigere Rolle im Hochschulsystem. Sie zählen nicht in allen Bundesländern, in denen es Berufsakademien gibt, zu den hochschulischen Bildungseinrichtungen. Sofern ihre Studiengänge akkreditiert sind (zur Akkreditierung ► 17.3.3), dürfen Berufsakademien den Bachelorabschluss verleihen. Ihr Bildungsanbot, häufig unter dem Stichwort „Duales Studium“ zusammengefasst, wird mehr und mehr ausgebaut (Minks et al. 2011). Eine Vorreiterrolle spielt hier die Duale Hochschule BadenWürttemberg, die ein Zusammenschluss der Baden-Württembergischen Berufsakademien ist, welche nun unter einem gemeinsamen Dach organisiert sind. Außerhalb Baden-Württembergs ist die Duale Hochschule jedoch noch nicht als eigene Hochschulform etabliert. 17.2.2 Das Spektrum hochschulischer Ausbildungsangebote Die Struktur der hochschulischen Ausbildungsangebote hat sich in den vergangenen 15 Jahren über alle hochschulischen Institutionen hinweg grundlegend verändert. Diese Veränderungen werden dem Bologna-Prozess zugeschrieben, der
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Hochschulisches Bildungsangebot 603 allerdings in seiner Bedeutung über eine reine Studienstrukturreform weit hinausging. Der Bologna-Prozess ist in Tafel 17.1 zusammenfassend charakterisiert. Der Bologna-Prozess hatte in einigen zentralen Reformzielen wie etwa der Verkürzung der Studienzeiten (durch die Studienstrukturreform) eher katalysierende denn initiierende Wirkung, da es entsprechende Reformansätze auch zuvor in der nationalen Hochschulpolitik gab (Schriewer 2007; vgl. Musselin 2008; Serrano-Velarde 2009). Tafel 17.1: Der Bologna-Prozess 1999 von 29 europäischen Bildungsministerinnen und -ministern als gemeinsamer Reformprozess der Hochschulbildung in Bologna institutionalisiert, führte der BolognaProzess zu Veränderungen von bislang ungekannter Reichweite im deutschen Hochschulsystem. Sein zentrales Ziel war und ist die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Hochschulraums (EHEA: European Higher Education Area), in dem Studienleistungen und Lehrpläne in allen Teilnehmerstaaten und ihren Arbeitsmärkten transparent gemacht werden. Studierende, Absolventinnen und Absolventen ebenso wie Hochschullehrerinnen und -lehrer sollen so uneingeschränkt zwischen Hochschulen und Arbeitsmärkten im gemeinsamen Hochschulraum mobil sein können. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Zur Schaffung eines gemeinsamen Hochschulraums wurden u. a. folgende Maßnahmen verabredet und von den einzelnen Teilnehmerstaaten sukzessive umgesetzt: • Einführung der gestuften Studienstruktur: Bachelor, Master, Promotion • Modularisierung der Studiengänge in Koppelung an ein gemeinsames Leistungspunktesystem, das European Credit Transfer System (ECTS) • Einführung von Zeugniszusätzen (Diploma Supplements) und Leistungsübersichten (Transcript of Records), in denen einzelne Studieninhalte und -leistungen erkennbar werden • Schaffung eines gemeinsamen Qualifikationsrahmens für Hochschulabschlüsse und jeweiliger nationaler Qualifikationsrahmen zur Hochschulbildung Der Prozess setzt zudem neue Akzente in der hochschulischen Lehre: Studierendenzentrierung und Qualitätssicherung sind systematisch in die Entwicklung von Studienangeboten einbezogen. Zudem gibt es eine „soziale Dimension“, die den Zugang aller Bevölkerungsgruppen zu hochschulischer Bildung sowie gleiche Mobilitätschancen befördern soll. Die Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses wird durch die parallel stattfindende Etablierung neuer Steuerungsmechanismen an Hochschulen ermöglicht oder erleichtert (► 17.2.3, auch ► 17.3.3). Der Bologna-Prozess hat in vielen Teilnehmerstaaten heftige Debatten in der Hochschulwelt ausgelöst. In Deutschland lag das Hauptaugenmerk der Kritik vor allem auf einer befürchteten Erosion der Wissenschaftlichkeit des Studiums durch die Verkürzung der Studiendauer, die stärkere „Didaktisierung“ der Vermittlung von Studieninhalten und die wachsende bürokratische Kontrolle der Lehre (vgl. z. B. Stölting 2005). Zu Historie und gegenwärtiger Entwicklung des Bologna-Prozesses und für zentrale Beschlüsse und Dokumente siehe die offizielle Web-Seite zum Europäischen Hochschulraum: www.ehea.info.
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604 Institutionen der Hochschulbildung Am deutlichsten ist in Deutschland die Einführung einer konsekutiven Studienstruktur als Neuerung hervorgetreten. Es gibt nun zwei Stufen akademischer Abschlüsse statt zuvor nur einer. Auf den Bachelor folgt (optional) ein Masterstudium. Diese neuen Studienabschlüsse haben die alten Abschlüsse Diplom und Magister zum gegenwärtigen Zeitpunkt fast vollständig abgelöst (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 121). Eine Besonderheit bilden allerdings die staatlichen und kirchlichen Examensabschlüsse, unter denen lediglich die Lehramtsausbildung auf die neue Studienstruktur umgestellt wurde (► Kap. 19). Die grundständigen Studiengänge in Medizin, Jura, Pharmazie und Theologie bestehen als Staats- bzw. theologische Examina fort. Bachelorabschlüsse dienen der grundständigen Ausbildung. Sie sind im Rahmen der Studiengangreformen als Regelabschluss zur Qualifikation für den Arbeitsmarkt konzipiert (KMK 2003). Allerdings war und ist dies umstritten, da Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass mit dem Bachelor als Regelabschluss ein „Schmalspurstudium“ etabliert wird (Osel 2013) und gleichzeitig durch die politisch gewollte Erhöhung der Studierendenquote wichtige Potenziale des deutschen Berufsbildungssystems gefährdet werden (siehe etwa Schultz und Hurrelmann 2013; ► Tafel 17.3). Masterstudiengängen kommt eine besondere Stellung im neu gestalteten hochschulischen Ausbildungsangebot zu: Sie sind stärker als Bachelorstudiengänge inhaltlich aufgefächert (Davies 2009). Der Masterabschluss soll Absolventinnen und Absolventen weiterführend für unterschiedlichste akademische Berufsfelder auf dem außerhochschulischen Arbeitsmarkt oder für eine Tätigkeit in der Wissenschaft qualifizieren. Die konsekutive Studienorganisation lässt dabei teilweise einen Fachwechsel (in eine Nachbardisziplin) beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium zu. Masterstudiengänge werden zudem als Weg der Weiterbildung wichtiger. Damit reagieren Hochschulen auf die immer deutlicher formulierte gesellschaftliche Anforderung des „lebenslangen Lernens“ (► Kap. 20). Weiterbildende Masterstudiengänge sind oft nicht-konsekutiv organisiert, der Zugang hängt nicht von einem Abschluss in einer bestimmten Fachdisziplin ab. Ein bekanntes Beispiel ist der Master of Business Administration (MBA). Bachelorstudiengänge an Universitäten sind mit sechs Semestern Regelstudienzeit etwas kürzer als an Fachhochschulen, wo der Bachelor in der Regel nach sieben Semestern (aufgrund eines Praxissemesters) verliehen wird. Masterstudiengänge an Universitäten dauern in der Regel vier Semester, an den Fachhochschulen zwei. Die unterschiedlichen Dauern der Bachelor- und Masterabschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten unterstreichen die Unterschiedlichkeit ihrer Aufträge. Die Fachhochschulen legen insbesondere Wert auf die Bachelorabschlüsse als berufsqualifizierende Abschlüsse. Universitäten hingegen qualifizieren für wissenschaftliche Betätigung innerhalb und außerhalb des Wissenschaftssystems und räumen dem Masterabschluss damit einen höheren Stellenwert als Fachhochschulen ein. Die Promotion als akademischer Abschluss nach dem Master ist eine zentrale Schnittstelle zur Rolle der Hochschulen im Wissenschaftssystem: Promotionen
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Hochschulisches Bildungsangebot 605 sind ein tragender Pfeiler der Forschung. Der Bologna-Prozess sieht die Doktorandenausbildung als „third cycle“ des gestuften Studiums an. Allerdings ist die Promotion primär eine Forschungsleistung und somit erst nachrangig ein (Aus-) Bildungsprozess (vgl. Wissenschaftsrat 2011, 11). Für die Gestaltung der Promotion ist daher die Hochschule als Forschungsinstitution maßgeblich. Hinsichtlich des Promotionskontextes zeichnet sich allerdings deutlich eine vermehrte Strukturierung in Deutschland ab, wie sie in anderen Ländern bereits lange Zeit schon üblich ist: Promotionsstudiengänge und Graduiertenschulen an Universitäten regulieren die Vermittlung fachlicher Inhalte in stärkerem Maße als früher. Gleichwohl existieren strukturierte Promotionen und freie, an universitären Lehrstühlen angesiedelte Promotionen (und Mischformen) nach wie vor parallel an Hochschulen. Neben der Stufung der Studienabschlüsse gibt es weitere wichtige Entwicklungen im hochschulischen Bildungsangebot. Zentral ist hier insbesondere der Ausbau des Angebots dualer Studiengänge, die vor allem an Berufsakademien und Fachhochschulen, insbesondere an privaten Fachhochschulen angeboten werden. Sie verbinden als hybride Ausbildungsform zwischen hochschulischer und beruflicher Bildung (► Tafel 17.2) wissenschaftsbezogene, theoretische Ausbildung an (Fach-) Hochschulen mit starkem Praxisbezug, etwa durch Anbindung an regionale Unternehmen oder durch die verbindliche Integration von Praxisinhalten ins Studium (siehe zum dualen Studium Wissenschaftsrat 2013; auch Minks et al. 2011). Duale Studiengänge sind Bildungsangebote zur Erstausbildung (Bachelorstudiengänge) oder zur Weiterbildung (Masterstudiengänge). In beiden Bereichen können eine Berufsausbildung oder Praxisphasen in den Studiengang integriert sein. Die Ausbildungsleistung dualer Studiengänge ist stark wirtschaftsorientiert: Gut 70 % des gesamten Angebots an dualen Studiengängen lassen sich den Wirtschafts- oder Ingenieurwissenschaften zuordnen (Stand Oktober 2014; BIBB 2014, 9). Die größte Dynamik hinsichtlich der Entwicklung des dualen Studienangebots in Deutschland gab es in jüngster Zeit im Bereich Sozialwesen, Erziehung, Gesundheit und Pflege: Allein zwischen 2013 und 2014 hat sich das Studienangebot in diesem Bereich um knapp das Vierfache erhöht (BIBB 2014, 9). Tafel 17.2: Berufsbildung und Hochschulbildung in Deutschland – ein besonderes Verhältnis Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern haben das Hochschul- und das Berufsbildungssystem in Deutschland ein ganz besonderes Verhältnis zueinander: Sie existier(t)en weitgehend unabhängig voneinander. Die Grenze zwischen beiden Systemen war bislang nur wenig durchlässig. Die Bildungsforschung sprach von einem „Schisma“ zwischen Berufs- und Hochschulbildung (Baethge 2006; zur internationalen Einordnung Powell und Solga 2010). Die Ursache für diese prononcierte Trennung liegt in zwei zentralen Eigenschaften des deutschen Bildungssystems: Zum einen ist die Schulausbildung in der Sekundarstufe II
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606 Institutionen der Hochschulbildung vertikal organisiert (► Buchteil IV): Der Regelabschluss der Sekundarstufe ist in Deutschland nicht die Hochschulzugangsberechtigung wie beispielsweise in Frankreich. Zum anderen ist das duale Berufsbildungssystem in Deutschland wichtig für die Versorgung des Arbeitsmarktes mit Fachkräften und für einen Großteil der Schulabgängerinnen und Schulabgänger attraktiv (► Kap. 16). Es wird allerdings immer deutlicher, dass eine strikte Trennung von Berufs- und Hochschulbildung in der Wissensgesellschaft nicht mehr zeitgemäß ist: Neue Anforderungsprofile enthalten gleichermaßen praktische Fähigkeiten und akademisches Fachwissen und Reflexionsfähigkeit. Der Wissenschaftsrat empfiehlt deswegen, die Grenze zwischen Hochschulausbildung und Berufsbildung durchlässiger zu gestalten (Wissenschaftsrat 2014). Die Wege dahin sind vielfältig und lassen sich in zwei grundsätzliche Stoßrichtungen einteilen: Erstens sollen hochschulische Studiengänge auch für Personen ohne formale Hochschulzugangsberechtigung geöffnet werden, und Studienleistungen von Studienabbrecherinnen und -abbrechern sollen im Berufsbildungssystem anerkannt werden. Zweitens sollen hybride Studiengänge ausgebaut und damit die Stärken von Berufs- und Hochschulbildungssystem vereint werden. In der stärkeren Verzahnung von und in der größeren Durchlässigkeit zwischen Berufsund Hochschulbildungssystem liegt zunächst ökonomisches Potenzial: Arbeitsmarktprognosen sagen Fachkräftemangel insbesondere für Wirtschaftsfelder mit anspruchsvollen Tätigkeiten und Berufen voraus (Brücker 2012, 239). Gleichzeitig zeigen die Analysen, dass es nicht allein die klassische hochschulische Ausbildung ist, die diesen steigenden Fachkräftebedarf in anspruchsvollen Berufsfeldern abdecken kann (Brücker 2012; Baethge et al. 2015). Die politisch gewollte weitere Erhöhung der Studierendenzahlen sollte auch vor der Folie des besonderen Verhältnisses von Hochschul- und Berufsbildung gestaltet werden, um in der gewünschten Weise ökonomisches Potenzial entfalten zu können (vgl. auch Powell und Solga 2011).
17.2.3 Zur Steuerung des Hochschulsystems In der Wissenschaftspolitik haben sowohl der Bund als auch die Länder breiten Gestaltungsspielraum und können zusammenarbeiten. Beispiele dafür sind die Finanzierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft. Bei den Hochschulen war dies bis vor kurzem jedoch nicht der Fall. Sie unterlagen als Bildungseinrichtungen der Länderhoheit, womit zentrale Steuerungseingriffe durch den Bund unmöglich waren. Ende 2014 hat allerdings der Bundestag beschlossen, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Fragen der Hochschulfinanzierung nun in größerem Umfang zu erlauben. Die stärkere Mitbestimmung des Bundes erlaubt es nun besser, einheitliche Antworten auf gesamtgesellschaftlich wichtige Fragen zu finden, etwa wie der Qualifikationsbedarf in den MINT-Fächern effektiv umgesetzt werden kann oder wie die (regional sehr unterschiedlichen) Folgen der anhaltenden Hochschulexpansion zu bewältigen sind (zur Hochschulexpansion ► 17.3.1). In Form zeitlich begrenzter Förderprogramme nimmt der Bund bereits seit einer Dekade direkt oder indirekt erheblichen Einfluss auf die Hochschulfinanzierung.
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Hochschulisches Bildungsangebot 607 Mit dem Hochschulpakt 2020 und dem dazugehörigen Qualitätspakt Lehre sowie mit der Exzellenzinitiative sind seit Mitte der 2000er Jahre sehr bedeutende und richtungsweisende Kooperationen von Bund und Ländern angestoßen worden, die für die Hochschulbildung relevant sind. Der Hochschulpakt 2020 ermöglicht den Hochschulen die Ausweitung ihrer Kapazitäten, um den (durch die doppelten Abiturjahrgänge nochmals) verstärkten Zugang zu den Hochschulen aufzufangen. Die zusätzliche Förderung der Fachhochschulen und Universitäten startete im Jahr 2007 und ist bis ins Jahr 2020 vereinbart. Die Ziele dieser zusätzlichen Förderung sind: Einstellung von zusätzlichem Personal, Steigerung des Anteils von Studierenden an Fachhochschulen, Steigerung der Studienanfängerzahlen in den MINT-Fächern, Qualitätsverbesserungen der Hochschullehre und Erhöhung des Frauenanteils, vor allem bei den Professuren. Als Erweiterung des Hochschulpakts wurde 2010 der Qualitätspakt Lehre gestartet. Sein Ziel ist es, die Studienbedingungen zu verbessern und hochschulische Projekte zur Erhöhung der Lehrqualität zu fördern. Diese Projekte sollen insbesondere dazu dienen, Studienabbruch zu verringern. Das Themen- und Maßnahmenspektrum der zugehörigen Projekte ist breit und umfasst etwa Diversity-Management, Hochschuldidaktik, Internationalisierung oder Career Services. Mit der dritten Säule des Hochschulpakts, den so genannten Programmpauschalen, reagierten Bund und Länder zudem auf ein Dilemma an den Hochschulen, das sich durch eine viel stärker wettbewerblich organisierte Forschungsförderung ergeben hatte: Mit stetig steigenden Drittmitteleinnahmen der Hochschulen für die Forschung, die die Hochschulen zusätzlich zu ihrer Grundausstattung einwerben, entstehen weitere, nicht durch die eingeworbenen Mittel gedeckten Kosten, etwa für Räume, Büro- und Laborausstattung. Diese Kosten gehen zu Lasten aller anderen hochschulischen Aufgaben, insbesondere der Lehre, und verursachten den Hochschulen massive Engpässe etwa in der Ausstattung der Hochschulen mit Räumen, aber auch mit Lehrpersonal (Prognos AG et al. 2015). Der Bund beteiligt sich an diesen zusätzlichen Kosten in Form der DFG-Programmpauschale, die derzeit bei 22 % der jeweils bewilligten Projektmittel liegt. Während die Mittel des Hochschulpakts kurz- und mittelfristig die Kosten durch den jüngsten Anstieg der Studierendenzahlen wirksam auffangen (siehe GWK 2015), bleibt gegenwärtig noch offen, wie das erreichte Niveau etwa hinsichtlich der Relation von Lehrpersonal zu Studierenden (die sogenannte Betreuungsrelation) längerfristig gehalten werden kann: Die Mittel des Hochschulpakts stehen befristet bis 2023 bereit; die Erhöhung des Personalbestands erfolgt daher vorwiegend durch befristet angestelltes wissenschaftliches und künstlerisches Personal, und nur ein knappes Fünftel der zwischen 2005 und 2013 geschaffenen Stellen sind Professuren (GWK 2015, 12). Zudem läuft die DFG-Programmpauschale mit dem Hochschulpakt aus, ohne dass mit einer Abnahme der drittmittelfinanzierten Forschung zu rechnen wäre.
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608 Institutionen der Hochschulbildung Die Exzellenzinitiative als weiteres wichtiges Kooperationsprojekt des Bundes und der Länder in der Hochschulfinanzierung zielte darauf ab, durch signifikante finanzielle Zuschüsse einzelne hochschulische Institutionen in Deutschland so zu fördern, dass sie als Forschungseinrichtungen international sichtbar, also zu „Leuchttürmen“ der internationalen Wissenschaftslandschaft würden. Gefördert werden in den beiden bisherigen Förderphasen zwischen 2005 und 2017 einzelne Hochschulen als Ganzes („Zukunftskonzept“), Graduiertenschulen für die Promotionsförderung und sogenannte Forschungscluster, das heißt große Forschungsverbünde (siehe DFG 2013). Für die Lehre ist die Exzellenzinitiative damit nur indirekt relevant (► 17.3.2). In der Hochschulsteuerung spielte bislang der Staat (in Form der Länder) eine bedeutende Rolle: Im internationalen Vergleich regulierten die Bundesländer Planung und Entwicklung der (Fach-)Hochschulen vergleichsweise dicht (Teichler 2010, 421f ). Dieser staatliche Steuerungsanspruch traf dabei allerdings – und das gilt insbesondere für die Universitäten (vgl. Nickel 2011) – auf die autonome Stellung der Professorinnen und Professoren in der Gestaltung von Forschung und Lehre. Die Betonung der Freiheit von Forschung und Lehre war in der akademischen Selbstverwaltung immer sehr prägend für die Entwicklung des deutschen Hochschulsystems (Mayer 2008; Teichler 2010). In dieses Gefüge ist in den letzten beiden Jahrzehnten viel Bewegung gekommen. In der internen Steuerung der Hochschulen, im Folgenden auch als Governance bezeichnet, haben in den letzten 15 Jahren Prinzipien des sogenannten New Public Management Einzug gehalten (de Boer et al. 2007). Das heißt, das Maß an staatlicher Detailregulierung hat abgenommen, da die Hochschulen durch die Einführung von Globalhaushalten selbst über die Verwendung der ihnen zugewiesenen Mittel entscheiden können. Damit haben sie ein bislang ungekanntes Maß an Autonomie erhalten. Sie können und müssen allerdings nun ihren Mitteleinsatz optimieren und selbst effiziente Verteilungsmechanismen etablieren (Wilkesmann und Schmid 2012). Die Hochschulen verhalten sich in der Folge mehr und mehr wettbewerbsorientiert und marktförmig: Mittel werden basierend auf festgelegten Kriterien (Indikatoren) und an Ergebnissen orientiert eingesetzt (Output-Orientierung). Deswegen haben auf allen Ebenen der Hochschule wettbewerbliche Prinzipien Einzug gehalten. Wichtige Indikatoren sind die Studierenden- und Absolventenzahlen, die Anzahl der Promotionen sowie die eingeworbenen Drittmittel pro Organisationseinheit (z. B. Fakultät, Fachbereich, Institut). Gleichzeitig hat die einzelne Hochschule nun jedoch mehr Spielraum in der Mittelverwendung, beispielsweise hinsichtlich der Etablierung von sichtbaren Forschungsschwerpunkten und der Profilierung ihres Studienangebots. Die neuen Governance-Prinzipien verschieben die hochschulinternen Kräfteverhältnisse in bedeutender Weise: Während die Hochschulen bis zu Beginn der 2000er Jahre intern noch durch die akademische Selbstverwaltung gesteuert
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Aktuelle Veränderungen in der Hochschulbildung 609 wurden, also durch kollektive Entscheidungen in hochschulischen Gremien mit starkem Einfluss der Professoren und Professorinnen, wird nun im Zuge entsprechender Reformen der Hochschulgesetze der Länder die Reichweite akademischer Selbstverwaltung beschnitten. Die Organisationsstruktur wird stärker entlang vertikaler Hierarchien ausgerichtet, indem Rektorinnen und Rektoren bzw. Präsidenten und Präsidentinnen auf der Ebene der gesamten Organisation und Dekanen und Dekaninnen auf Fachbereichs- bzw. Fakultätsebene mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten (siehe Hüther 2010). Die Hochschulleitung, an deren Spitze einst eine Rektorin bzw. ein Rektor aus den Reihen der Professorinnen und Professoren und eine Kanzlerin bzw. ein Kanzler standen, wurde nun in den letzten Jahren zugunsten präsidialer Leitungsstrukturen umgestaltet, die in der Regel von einem Hochschulrat ergänzt und, je nach Landeshochschulgesetz, auch kontrolliert wird. Der Hochschulrat wird überwiegend oder ausschließlich extern besetzt, z. B. mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Hochschulen oder auch mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft. Die stärker vertikal organisierte Steuerung der Hochschulen wird ergänzt von der Einrichtung professioneller Dienstleistungseinheiten, etwa in der Hochschuldidaktik, der Unterstützung von Drittmittelakquise oder der Internationalisierung der Hochschule. Damit hat auch eine ganz neue Personalschicht Einzug in die Hochschulen gehalten (Merkator und Schneijderberg 2011). Die Neuerungen in der Hochschul-Governance waren in Deutschland teils von heftigem Widerstand begleitet, denn sie berühren den Kern des akademischen Selbstverständnisses, das humboldtsche Ideal der Freiheit von Forschung und Lehre (vgl. Pechar 2012). Dieses Ideal war und ist die zentrale Leitidee im deutschen Hochschulwesen (vgl. Mayer 2008, 600), und es war (an Universitäten) in der Vergangenheit eine wichtige Legitimationsfigur für die weitreichende akademische Selbstverwaltung von Forschung und Lehre sowie aller anderen hochschulischen Belange. Allerdings erwies sich diese kollegiale, kaum hierarchisierte Form der Hochschulsteuerung angesichts der gewandelten gesellschaftlichen Stellung von Hochschulbildung als unzureichend, da Hochschulen auf die drängenden Fragen im Hochschulwesen, allen voran die anhaltende Hochschulexpansion und ihre Folgen, nicht mehr adäquat reagieren konnten (vgl. Stölting und Schimank 2001; auch Mayer 2008, 600ff).
17.3 Aktuelle Veränderungen in der Hochschulbildung 17.3.1 Anhaltende Expansion Seit Mitte des letzten Jahrhunderts gibt es in Deutschland wie international einen anhaltenden Trend zur Expansion des Hochschulsystems (Meyer und Schofer 2007). Die wichtigsten Marksteine der Expansion des (west-)deutschen Hochschul-
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610 Institutionen der Hochschulbildung systems waren der Auf- und Ausbau der Fachhochschulen seit Ende der 1960er Jahre für den wachsenden Arbeitskräftebedarf im ingenieurwissenschaftlich-technischen Bereich, der Aufbau der pädagogischen Hochschulen für den steigenden Bedarf an Lehrkräften für die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre sowie die Gründung von Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Die Gesamthochschulen (mit ihren Angeboten an Universitäts- und Fachhochschulstudiengängen) sind mittlerweile als eigene Hochschulform wieder abgeschafft und zu Universitäten umgewandelt worden. Sie sollten mehr Studienplätze bereitstellen und gleichzeitig die Chancengleichheit im Hochschulzugang vergrößern: Die parallel zu den klassischen universitären Studiengängen angebotenen praxisnahen Studienangebote (mit kürzerer Studiendauer) sollten einen niedrigschwelligen Eintritt in Hochschulbildung ermöglichen – eine Idee, die in der Folgezeit bei der anhaltenden Expansion der Fachhochschulen eine wichtige Rolle spielt. In jüngerer Zeit ist hinsichtlich der institutionellen Expansion des Hochschulwesens vor allem die vermehrte Gründung privater (Fach-)Hochschulen zu verzeichnen, die vor allem ökonomisch motiviert ist (Deckung spezifischer Qualifikationsbedarfe teils auch spezifisch regionaler Arbeitsmärkte, aber auch Profitorientierung der Institutionen selbst; siehe Wissenschaftsrat 2012a). Die große Mehrheit der Studierenden ist allerdings nach wie vor an staatlichen Hochschulen eingeschrieben (► Abb. 17.1). Verlauf und Phasen der Expansion hochschulischer Bildung in Deutschland sind an anderer Stelle sehr gut dargestellt (Mayer 2008; Teichler 2010; Wolter 2014). Mit der Anzahl der Hochschulinstitutionen stiegen Studienanfängerquote und Studierendenzahlen (► Kap. 18). Dieser Anstieg wurde vor allem von den Fachhochschulen und weniger von den Universitäten getragen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 125). Die Zunahme der Studierendenzahlen hat sich in den letzten zehn Jahren nochmals beschleunigt. Die besonders hohe Nachfrage nach Studienplätzen wird im Wesentlichen von der weiterhin wachsenden Abiturquote (► Kap. 15), aber auch von den doppelten Abiturjahrgängen durch die Verkürzung der Gymnasialzeit auf zwölf Schuljahre in den westlichen Bundesländern („G8“) verursacht (Wolter 2014, 23). Bildungspolitisch wurde dieser jüngste Expansionsschub durch den Hochschulpakt 2020 aufgefangen (► 17.2.3). Für die Zukunft wird aufgrund der demografischen Entwicklungen davon ausgegangen, dass sich die Studierendenzahlen verringern oder dass sie zumindest nicht weiter steigen (siehe KMK 2014). Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, ist unter anderem davon abhängig, inwiefern die berufliche Ausbildung auch zukünftig für einen substanziellen Teil der Schulabgängerinnen und -abgänger attraktiv bleibt. Zudem spielt das Zuwanderungsgeschehen nach Deutschland generell sowie für die Entwicklung der Studierendenzahlen eine Rolle.
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Aktuelle Veränderungen in der Hochschulbildung 611
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Tafel 17.3: Hochschulexpansion, Zulassungsbeschränkung und neue Selektivitäten Mit dem starken Zustrom von Abiturienten und Abiturientinnen an die Hochschulen seit den 1950er Jahren konnte die institutionelle Hochschulexpansion nicht Schritt halten. Das warf ein normatives Problem auf: Wie ist das grundsätzliche Teilhaberecht jeder Staatsbürgerin und jedes Staatsbürgers an staatlich finanzierter berufsqualifizierender Bildung zu gewährleisten? In einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1972 wurde diese Frage beantwortet: Grundsätzlich blieb das individuelle Teilhaberecht geschützt, wurde jedoch unter den Vorbehalt des Möglichen gestellt, das heißt, Zulassungsbeschränkungen wurden als notwendig anerkannt und erstmals gesetzlich reguliert (Wissenschaftsrat 2004). Seit diesem Urteil wird die Zuteilung von besonders nachgefragten Studienplätzen (u. a. Human-, Zahn-, Tiermedizin, Pharmazie, Psychologie) von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) bzw. seit 2010 von ihrer Nachfolgeorganisation, der Stiftung für Hochschulzulassung, koordiniert. Als zentrales Kriterium zur Zulassung ist die Abiturnote unumstritten. Es zeichnet sich allerdings zunehmend die Notwendigkeit ab, ergänzend weitere Verfahren zur Eignungsfeststellung zu entwickeln, an denen die Hochschulen selbst ganz prominent zu beteiligen sind. Die Zulassungsbeschränkung über die Abiturnote ist unter dem Stichwort Numerus Clausus bekannt: Mit der Zulassung der Bewerberinnen und Bewerber in der Rangfolge ihrer Abiturnoten ergeben sich ex post durchschnittliche Abiturnoten als Auswahlgrenzen für stark nachgefragte Studiengänge. Dieses Verfahren wird zentral von der ZVS bzw. lokal von individuellen Hochschulen als Zulassungsbeschränkung angewandt. Zum Wintersemester 2015/2016 sind deutschlandweit 39,4 % aller universitären und 46,7 % aller fachhochschulischen Studiengänge mit einem zentralen oder lokalen Numerus Clausus belegt (Röwert et al. 2015, 13). Diese Quoten schwanken stark regional, was auf große Unterschiede in der Nachfrage nach Studienplätzen zwischen Bundesländern, insbesondere zwischen Stadtstaaten und Flächenländern sowie östlichen und westlichen Flächenländern zurückzuführen ist (ebd., 10). Die Bachelorstudiengänge sind stärker von Zulassungsbeschränkung betroffen als die Masterstudiengänge. Das liegt vor allem daran, dass die Hochschulen für Masterstudiengänge im Gegensatz zu Bachelorstudiengängen Eingangsvoraussetzungen formulieren dürfen (ebd., 16). Den Hochschulen ist freigestellt, Anforderungsprofile zum Zugang zu Masterstudiengängen zu formulieren. Mit der konsekutiven Stufung des Studiums kam auch eine ganz neue Frage zum Hochschulzugang auf: Soll es maximale Übergangsquoten vom Bachelor in den Master geben? Mit dem Bachelor als berufsbefähigendem Abschluss hatte nun die Kapazitätsberechnung der Hochschulen eine ganz neue Grundlage. In Deutschland sind keine Vorgaben für Quoten beim Übergang ins Masterstudium gemacht worden, so dass vorbehaltlich von Zugangsbeschränkungen aus Kapazitäts- und Qualitätssicherungsgründen der Zugang zum Master frei ist (KMK 2011, 6). Allerdings zeigt sich nun, dass auch der Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium sozial selektiv geschieht (► Kap. 18; auch Himpele 2014).
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612 Institutionen der Hochschulbildung 17.3.2 Vielschichtige Differenzierung Differenzierung von Hochschulsystemen ist die Begleiterscheinung ihrer Expansion, auch hier folgt Deutschland internationalen Trends: Scott (1995) leitete aus steuerungspolitischer Sicht einen Trend zur Entwicklung von Massen-Hochschulsystemen ab, demzufolge sich duale Hochschulsysteme zu monotypischen, aber intern stratifizierten Systemen entwickeln werden. Wenngleich in Deutschland der Wissenschaftsrat prinzipiell empfiehlt, die Dualität von Universitäten und Fachhochschulen weiterhin aufrechtzuerhalten (Wissenschaftsrat 2010b, 2010c), zeichnet sich auch hier eine deutliche Differenzierung der Hochschulen ab, und zwar vertikal im Sinne einer Rangordnung von Universitäten und horizontal im Sinne von wettbewerbsorientierter Profilbildung der Hochschulen. Die vertikale Differenzierung der Universitäten und gleichgestellten Hochschulen verläuft vor allem über den Wettbewerb in der Forschung. Der wichtigste Katalysator zur vertikalen Differenzierung ist die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder (► 17.2.3). Zwar wird gleichzeitig auch versucht, durch entsprechende Steuerung etwa im „Wettbewerb exzellente Lehre“ (einer gemeinsamen Initiative der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, KMK, und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft1) auch die Lehre als vertikale Differenzierungsdimension in den Blick zu rücken, allerdings ist die forschungsorientierte Exzellenzinitiative der ungleich stärkere Differenzierungsanreiz. Die langfristigen Ergebnisse der Exzellenzinitiative lassen sich derzeit kaum abschätzen. Eines ist im Blick auf die Differenzierung der Hochschullandschaft allerdings klar: Durch die Exzellenzinitiative ist salonfähig geworden, was zuvor keinen Platz im öffentlichen Diskurs hatte (vgl. etwa Kehm 2013, 95). Deutsche Hochschulen unterscheiden sich durchaus hinsichtlich ihrer Forschungs- sowie Lehrleistung voneinander. Mitunter wird durch diese politisch geförderte vertikale Differenzierung die Aufspaltung der Hochschullandschaft in „Forschungs-“ und „Lehruniversitäten“ befürchtet – eine Entwicklung, der entgegenzuwirken der Wissenschaftsrat trotz der grundsätzlich gewollten Differenzierung des Hochschulsystems dringend empfiehlt (Wissenschaftsrat 2010b, 10). Die Lehre wird von der Exzellenzinitiative kaum direkt berührt. Allerdings haben geförderte Hochschulen bessere Chancen, wissenschaftlichen Nachwuchs zu rekrutieren und auszubilden. Indirekt könnte die Exzellenzinitiative längerfristig jedoch eine Auswirkung auf die Zusammensetzung der Studierenden haben (vgl. auch Quast und Scheller 2015): Das Hochschulsystem wird durch die Exzellenzinitiative stärker vertikal strukturiert, da sich geförderte Universitäten hinsichtlich der verfügbaren Ressourcen und ihrer Reputation als „Exzellenzuniversität“ deutlicher von anderen Hochschulen unterscheiden. Dies könnte auch für Studieninteressierte die Wahl des Studienortes zunehmend beeinflussen. Zudem können geförderte Hochschulen vermutlich bes1 Die Initiative fördert seit 2009 zeitbegrenzt Hochschulen, die tragfähige Konzepte zur Profilbildung
über exzellente hochschulische Lehre vorlegen, siehe http://www.exzellente-lehre.de/
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Aktuelle Veränderungen in der Hochschulbildung 613 ser als andere besonders leistungsstarke Studienplatzbewerberinnen und -bewerber für sich gewinnen. Und auch für Absolventinnen und Absolventen ist zu erwarten, dass sich ihre Arbeitsmarkterträge entlang der öffentlich sichtbaren Reputation der Hochschulen differenzieren (vgl. Brennan 2010, 356). Neben der Entwicklung hin zu einer Rangordnung insbesondere unter den Universitäten differenzieren sich die Hochschulen auch horizontal nach inhaltlichen und regionalen Kriterien aus (Wissenschaftsrat 2010b; siehe dazu Banscherus et al. 2015). Diese Differenzierung zeigt sich in mehreren Spielarten. Zum einen erweitert sich das Spektrum an hochschulischen Bildungseinrichtungen: Private Hochschulen in all ihrer Vielfalt nehmen zu (siehe Wissenschaftsrat 2012a). Darüber hinaus differenziert sich das hochschulische Bildungsangebot durch die neu geschaffenen Studiengänge, und dies vor allem im Masterbereich. Themenspezifische Studiengänge – Beispiele sind „Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit“ (Universität Kiel) oder „Bildungs- und Wissenschaftsmanagement“ (Universität Oldenburg) – sind ein Mittel, sich im Wettbewerb um Studienanfängerinnen und -anfänger sowie auch um Weiterbildungsinteressierte zu profilieren. Die Ausrichtung des Lehrangebots ist ein wichtiger Pfeiler der Profilbildung der Hochschulen und damit eine Differenzierungsleistung der Hochschulen, die durch die Steuerung nach wettbewerblichen Kriterien erforderlich wird (Kosmützky und Krücken 2015). Diese zunehmende Ausdifferenzierung des Studienangebots ist vor allem im Bereich des Bachelorstudiums nicht unumstritten. Hinter den neu geschaffenen Studiengängen stehen oft nur wenig integrierte Neukombinationen verschiedener disziplinärer Inhalte. Eine damit einhergehende fehlende disziplinäre Zuordnung kann dazu führen, dass die wissenschaftsbasierte grundständige Ausbildung – Basis für Arbeitsmarktintegration ebenso wie für Forschung – misslingt (vgl. auch Münch 2009, 3). Um derartige Risiken des Verschenkens von hochschulischen Bildungspotenzialen zu vermeiden, empfiehlt der Wissenschaftsrat auch, die inhaltliche Diversifizierung des Studienangebots vor allem auf den Masterbereich zu beschränken (Wissenschaftsrat 2010b, 67f ). Hinsichtlich der Verwertbarkeit hochschulischer Abschlüsse gibt es allerdings auch Tendenzen zum Abbau von Unterschieden, also zur Entdifferenzierung. Insbesondere die Fachhochschulen orientieren sich an der Universität als Leitinstitution des Hochschulwesens und streben die Erweiterung ihrer Forschungstätigkeit an (Wissenschaftsrat 2010b). Ein wichtiger Motor von Entdifferenzierung sind die neuen akademischen Abschlüsse: Die Studiengangreform im Zuge des BolognaProzesses sieht eine Trennung von Abschlüssen unterschiedlicher Hochschultypen nicht mehr vor (Witte et al. 2008; Wissenschaftsrat 2010b, 22ff). Davon profitieren insbesondere die dualen Studienangebote: Die Grenzen zwischen ihnen und anderen hochschulischen Einrichtungen werden durchlässiger, denn das Recht zur Verleihung von Bachelorabschlüssen für Berufsakademien öffnet den Absolventinnen und Absolventen auch den Zugang zum Masterstudium (KMK 2004), sofern die jeweiligen Aufnahmevoraussetzungen erfüllt sind (► Tafel 17.3).
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614 Institutionen der Hochschulbildung 17.3.3 „Gute Lehre“ im Fokus Ein wichtiges Ergebnis des Bologna-Prozesses war es, die hochschulische Lehre und die Gestaltung von Lernprozessen an Hochschulen in den Fokus zu rücken. Dass die Lehre nun an Stellenwert in der Gestaltung des Hochschulsystems gewinnen soll, geht allerdings nicht ursächlich auf den europäischen Impuls zu Beginn der 2000er Jahre zurück. Die Notwendigkeit, Studium und Lehre zu reformieren, war bereits seit mehreren Jahrzehnten hochschulpolitisches Thema (siehe etwa Wissenschaftsrat 1986). Bis zum Einsetzen der Bologna-Reformen waren allerdings diesbezüglich keine nennenswerten Veränderungen zu verzeichnen (siehe auch Mayer 2008, 618ff). Die Implementierung der Bologna-Reformen führt zumindest auf der Ebene der einzelnen Hochschulinstitutionen zu einer deutlichen Aufwertung der Lehre als Gestaltungsfeld. Eine wichtige Dimension in der Neuausrichtung von Lehre und Studium ist die Orientierung an Kompetenzen. Studiengänge sollen nun nicht mehr ausgehend von zu vermittelnden Inhalten, sondern von zu erwerbenden Kompetenzen konzipiert werden (siehe Europäischer Qualifikationsrahmen für Hochschulabschlüsse 2005). Dies geht mit einem Perspektivwechsel in der hochschulischen Lehre einher: stärkere Studierendenzentrierung statt alleiniger Vermittlung von Inhalten. Nicht zuletzt zog mit der Kompetenzorientierung auch das Bewusstsein für die Heterogenität der Studierenden seit Ende der 1960er Jahre erstmals wieder in konzeptionelle Überlegungen zur Lehre ein (► Tafel 17.4). Die Kompetenzorientierung in der Reform der Studienstruktur wird vor allem in der Diskussion um Beschäftigungsfähigkeit (employability) und Schlüsselkompetenzen deutlich. Employability meint die Passung der im Studium erworbenen Kompetenzen mit den konkreten Anforderungen der Jobs im Arbeitsmarkt. Sie soll im Ergebnis hochschulischer Bildung für jeden Absolventen und jede Absolventin gesichert sein (vgl. Wissenschaftsrat 2015). Der Weg dahin führt – so eine leitende Idee bei der Implementierung der Studienstrukturreformen – unter anderem über Schlüsselkompetenzen, mit denen fachunabhängige, allgemeine, auf dem Arbeitsmarkt für Hochschulabsolventinnen und -absolventen relevante Kompetenzen gemeint sind. Das umfasst zum Beispiel die Fähigkeiten, flexibel auf neue Arbeitsanforderungen reagieren und Arbeitsprozesse selbstverantwortlich planen zu können. Sowohl der Begriff der employability als auch der der Schlüsselkompetenzen bedarf allerdings der genaueren Betrachtung. Der Begriff der employability ist trotz seiner weiten Verbreitung in den Dokumenten des Bologna-Prozesses und der öffentlichen Debatte nicht eindeutig definiert (Schubarth und Speck 2014). Auch wäre es verkürzt, das Bemühen um employability im Sinne von Arbeitsmarktrelevanz erst auf den Beginn des Bologna-Prozesses zu datieren, denn die stärkere Verschränkung von hochschulischer Bildung und Arbeitsmarktanforderungen war bereits bei der Gründung und dem Ausbau der Fachhochschulen ein zentrales Motiv (Schubarth und Speck 2014; Wolter und Banscherus 2012,
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Aktuelle Veränderungen in der Hochschulbildung 615 26ff). Begreift man employability als Beschäftigungsfähigkeit im Sinne gelungener Arbeitsmarktintegration, dann ist zu konstatieren, dass die Absolventinnen und Absolventen des Hochschulsystems in Deutschland sehr wohl beschäftigungsfähig sind und dies auch bereits vor der Studienstrukturreform waren (► Kap. 18; Wolter und Banscherus 2012, 29ff). Ähnlich wie employability sind auch Schlüsselkompetenzen im Zuge der Studienreform stark debattiert worden (Schaeper 2005; Schaeper und Wolter 2008). Trotz der Unklarheit der Begriffe employability und Schlüsselkompetenzen ist dennoch als entscheidender Aspekt festzuhalten, dass die Idee von Arbeitsmarktpassung und Praxisbezug die Studienstrukturreformen und damit einhergehend das hochschulische Bildungsangebot entscheidend geprägt hat (Schubarth und Speck 2014): Employability ist nun ein explizites Ziel bei der Entwicklung von Studiengängen. Die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen – als Werkzeug zur Gewährleistung von employability – spielt sowohl in der Organisation zusätzlicher, fachunabhängiger Kursangebote als auch in der Studiengangentwicklung selbst eine tragende Rolle (zu den Möglichkeiten der Vermittlung von Schüsselkompetenzen siehe Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2004). In der jüngeren Debatte wird vor allem das „forschende Lernen“ als geeignete Möglichkeit benannt, um arbeitsmarktrelevante Kompetenzen von Studierenden auszubilden (siehe Mieg und Lehmann 2016): Forschendes Lernen, also am gesamten Forschungsprozess orientiertes Lernen (von der Entwicklung einer Fragestellung hin zur theoretischen und methodischen Fundierung sowie der kritischen Reflektion der Befunde im Austausch mit Lehrenden und Kommilitoninnen und Kommilitonen), bildet beruflich relevante Kenntnisse aus und fördert gleichzeitig methodische, fachliche, personale und soziale Kompetenzen (Schubarth und Speck 2014, 73). Ob die Absicht, arbeitsmarktrelevante Kompetenzen zu vermitteln, erfolgreich (bzw. erfolgreicher als zuvor) umgesetzt werden kann, kann gar nicht unmittelbar beurteilt werden. Im Studium erworbene Kompetenzen können bislang noch nicht in der Breite des hochschulischen Bildungsangebots gemessen werden. Erste Forschungsanstrengungen zur direkten Erfassung von Kompetenzen sind an konkrete Kontexte geknüpft (z. B. Erfassung von Kompetenzen bei künftigen Lehrkräften) oder in ausgewählten Fachrichtungen angesiedelt (zum Stand der Kompetenzmessung im Hochschulbereich in internationaler Perspektive siehe Zlatkin-Troitschanskaia et al. 2015). Die Erfassung von Kompetenzerwerb im tertiären Bildungssystem gestaltet sich sehr aufwändig, nicht zuletzt deswegen, weil sich das hochschulische Ausbildungsangebot immer stärker differenziert (im Hinblick auf Studiengänge und hochschulische Anbieter).
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616 Institutionen der Hochschulbildung
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Tafel 17.4: Heterogenität der Studierenden Mit der Hochschulexpansion (► 17.3.1) gewinnt die Heterogenität von Lerngruppen unmittelbar an Bedeutung für die Hochschullehre. Erstens kamen mit der Expansion mehr Studierende aus nicht akademisch gebildeten Schichten an die Hochschulen. Zweitens ist hochschuldidaktisch betrachtet der bewusste Umgang mit dieser Heterogenität eine entscheidende Bedingung, damit hochschulische Lehre gelingt (Schmidt und Tippelt 2005, 104). Beides, die Ausweitung des Zugangs zu hochschulischer Bildung auf möglichst alle Bevölkerungsgruppen und die Anpassung hochschulischer Lehre an heterogenere Lerngruppen, sind zentrale Bedingungen für die volle Ausschöpfung von hochschulischen Bildungspotenzialen in ökonomischer sowie auch individueller Hinsicht. Die Heterogenität von hochschulischen Lerngruppen zeichnet sich unter anderem aus durch (Wild und Esdar 2014; Middendorf 2015): • Unterschiede in zentralen soziodemografischen Merkmalen (Geschlecht, soziale Herkunft, Migrationshintergrund) • unterschiedliche Zugangswege zum Hochschulstudium (Art der Hochschulzugangsberechtigung, vorherige Arbeits- und Berufsbildungsphasen im Berufsbildungssystem) • regionale und internationale Mobilität von Studierenden • unterschiedliche Beanspruchungen im Privatleben (Studium mit Kind, Pflege von Angehörigen, Studium mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen) • sogenannte „nicht-sichtbare Merkmale“, etwa Lebensziele und Studienmotive, Studierverhalten Das Maß der Heterogenität der Zusammensetzung von Lerngruppen hängt vom Institutionentyp in der horizontal, vertikal aber auch regional differenzierten Hochschullandschaft ab (Fachhochschule vs. Universität, private vs. öffentliche Einrichtung, etc.) sowie auch von der Fachrichtung (Wild und Esdar 2014, 35ff). Pauschal kann daher nicht von einer zunehmenden Heterogenität gesprochen werden (Middendorf 2015). Unabhängig davon, ob sie zugenommen hat oder nicht, ist der Umgang mit Heterogenität an Hochschulen gleichwohl ein wichtiges Thema. Der bewusste Umgang mit Heterogenität stellt eine wichtige Voraussetzung dar für den Lernerfolg und den Abbau ungleicher Bildungschancen unterschiedlicher Studierendengruppen, für die Minimierung von Studienabbruch und für die effiziente Gestaltung der Ausbildungsleistung der Hochschulen. Dementsprechend wird das Thema Heterogenität zunehmend als zentrales Handlungsfeld von Hochschulleitungen wahrgenommen (Wild und Esdar 2014, 26).
Neben der Kompetenzorientierung ist die Qualitätssicherung eine weitere wichtige Grundlinie in der Umgestaltung hochschulischer Lehre. Dies zeigt nicht zuletzt die Ergänzung des Hochschulpakts 2020 im Qualitätspakt Lehre (siehe oben). Qualitätssicherung in der Lehre ist ein wichtiges Feld der Hochschulsteuerung geworden, in der nun Qualitätssicherungsinstrumente fest verankert sind (Kloke 2014). Zentrale Instrumente der Qualitätssicherung sind die Akkreditierung von Studiengängen sowie Evaluationen. Akkreditierung, also die Bescheinigung der Qualität eines Studienangebots durch eine externe Instanz, wird im deutschen Hochschul-
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Aktuelle Veränderungen in der Hochschulbildung 617 system von privatwirtschaftlichen Akkreditierungsagenturen vorgenommen, die von einer Dachorganisation, dem Akkreditierungsrat, zugelassen werden müssen (zum Akkreditierungssystem siehe Internetpräsenz des deutschen Akkreditierungsrates: http://www.akkreditierungsrat.de/). Akkreditiert werden entweder einzelne Studiengänge (Programmakkreditierung) oder ganze Qualitätssicherungssysteme von Hochschulen (Systemakkreditierung), die dann ihrerseits die Qualitätssicherung ihrer Studiengänge gemäß dem hausinternen Qualitätssicherungssystem regeln können. Evaluationen orientieren sich an Indikatoren wie Studienerfolgsquote, Orientierung an Studiengangkonzeptionen und Prüfungs- und Benotungspraxis (siehe dazu den entsprechenden Beschluss der Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, KMK 2005). Zudem haben Lehrveranstaltungsevaluationen durch Studierende mittlerweile einen festen Platz im Lehrbetrieb, wenngleich ihr Beitrag zur Einschätzung der Qualität hochschulischer Lehre umstritten ist (Wild 2012, 163ff). Hinsichtlich der Qualitätssicherung in der Lehre ist allerdings festzuhalten, dass gar nicht eindeutig geklärt ist, was „gute Lehre“ überhaupt ist, woran Lehrqualität also – jenseits von als zentral erachteten, aber eben noch ausstehenden Kompetenzmessungen im Hochschulbereich – festzumachen wäre (Wild 2012). Die Ansichten dazu differieren über unterschiedliche Disziplinen und Institutionentypen hinweg. Selten implementieren einzelne Hochschulen explizite Konzepte „guter Lehre“ in ihre Leitbilder (Becker et al. 2012, 231). Schließlich ist die hochschulische Lehre hinsichtlich Inhalt (Stichwort Kompetenzen) und Didaktik (Stichwort Qualitätssicherung) auch nur begrenzt steuerbar, wie die Befunde der organisationssoziologisch orientierten Hochschulforschung deutlich aufzeigen (Wilkesmann 2014). Die Lehrpersonen sind hier der zentrale Schlüssel. Lehrende haben im hochschulischen Bildungsbereich eine besondere Stellung, die sich aus der Überlagerung von Wissenschafts- und Bildungssystem im Hochschulbereich ergibt. Die Hochschullehrerinnen und -lehrer sind in der Gestaltung von Forschung und Lehre frei. Diese Institution der akademischen Freiheit ist historisch gewachsen und war etwa der Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Disziplinen sehr förderlich (Stichweh 1984, 1987). In der jüngeren Debatte zeichnet sich in der Diskussion um Lehrqualität immer wieder die Forderung ab, die hochschulische Lehre müsse „professionalisiert“ werden. Diese Forderung ist eine große Herausforderung für die Lehrenden, denn hier schwingt mit, dass Lehre bislang „unprofessionell“ angegangen worden ist – eine Aussage, der nicht zuletzt aus professionssoziologischer Perspektive nicht ohne Weiteres zugestimmt werden kann (Schimank 2005; Liebeskind 2011, 75ff). Auch wenn Forschungsarbeiten zu Karriereverläufen im Hochschulbereich immer wieder zeigen, dass gute hochschulische Lehre im Vergleich zu Forschung einen deutlich geringeren Wert in der Karriereentwicklung darstellt (Becker 2012, 175f ), zeigt sich gleichzeitig, dass Lehrende an Hochschulen hinsichtlich der Leh-
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618 Institutionen der Hochschulbildung re hochgradig intrinsisch motiviert sind (siehe etwa Esdar et al. 2011; Stegmüller et al. 2012). Der Versuch, extrinsisch etwa durch Lehrpreise oder lehrbezogene Leistungszulagen die Lehrmotivation zu steigern, bleibt überwiegend wirkungslos (Stegmüller et al. 2012). Einflussmöglichkeiten für externe Steuerung der Lehrqualität bestehen allerdings über entsprechende Akzentsetzungen bei der Berufung von Professorinnen und Professoren sowie durch indirekte Steuerung, wie etwa den Ausbau von Serviceeinrichtungen für die Vermittlung hochschuldidaktischer Kompetenzen (Stegmüller et al. 2012). 17.3.4 Internationalisierung Internationalisierung ist ein zentraler Aspekt in der Veränderung des Hochschulsystems (Altbach und Knight 2007; für Deutschland siehe Wissenschaftsrat 2008; van der Wende 2010). Sie ist insbesondere aus der Überschneidung von Wissenschaft und Bildung im Hochschulsystem heraus zu betrachten. Insbesondere Universitäten haben im Sinne wissenschaftlichen Austauschs schon immer grenzüberschreitend agiert, auch wenn diese Aktivitäten eher an einzelnen Personen (Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bzw. Studierenden) hingen und weniger ein Strukturmerkmal der Hochschulen darstellten (de Wit 2002, 3). Als regelmäßig vorhandenes Element in der organisatorischen Ausrichtung und Profilbildung von Hochschulen ist Internationalisierung in Deutschland erst in den letzten drei Jahrzehnten zum Schlüsselthema geworden (Hahn und Teichler 2012). Dabei ist nicht eindeutig definiert, was mit „Internationalisierung“ konkret gemeint ist: Die Förderung von Mobilität von Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (von Deutschland aus und nach Deutschland) zählt ebenso dazu wie die systematische Verankerung des Themas in der Entwicklung von Studiengängen, die Ausweitung englischsprachiger Studienangebote, die weitere Koordinierung der Anerkennungspraxis internationaler Abschlüsse oder die Gründung von deutschen Hochschulen (oder Zweigstellen deutscher Hochschulen) im Ausland (zur Internationalisierung des deutschen Hochschulsystems siehe Hahn und Teichler 2012). Jede Hochschule entwickelt im Zuge ihrer Profilbildung eine eigene Internationalisierungsstrategie und richtet ihre Organisationsstrukturen entsprechend aus (vgl. z. B. Fuchs 2015). Unter den genannten Aspekten von Internationalisierung ist internationale Mobilität von Studierenden und Lehrenden sehr zentral (zur Mobilität deutscher Studierender ins Ausland ► Kap. 18; für einen Vergleich mit anderen europäischen Staaten siehe Hauschildt et al. 2015, 185ff). Noch Mitte der 2000er Jahre wurde die mangelnde Attraktivität der deutschen Hochschulen als struktureller Mangel im Hochschulsystem benannt (Mayer 2008, 602). Diese Situation stellt sich heute anders dar. Insbesondere Studierende aus dem asiatischen Raum entscheiden sich vermehrt für einen Studienaufenthalt in Europa. Im europäischen Hochschulraum
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Entwicklung von Bildungspotenzialen durch Hochschulbildung 619 erhöhte sich die Zahl internationaler Studierender auf gut zwei Mio. im Jahr 2012 (DAAD und DZHW 2015, 69). Dabei zeigt sich, dass Deutschland ein beliebtes Ziel sowohl für inner- als auch außereuropäische Studierende geworden ist (ebd., 15). Die Masterausbildung spielt hierbei eine wichtige Rolle – hier steigen die Zahlen internationaler Studierender stärker als in den Bachelorstudiengängen (ebd., 129). International gut sichtbar sind auch die strukturierten Promotionsprogramme, die besonders intensiv als Möglichkeit der Anwerbung internationaler Studierender genutzt werden können (Hahn und Teichler 2012, 466; Wissenschaftsrat 2010a, 144). Lehrende sind in geringerem Umfang international mobil als Studierende, und sie realisieren kürzere Aufenthalte (DAAD und DZHW 2015). Gleichwohl wächst der Anteil international mobiler Professorinnen und Professoren (Weichert et al. 2015). Die Potenziale hochschulischer Lehre werden durch die internationale Mobilität von Studierenden und wissenschaftlichem Personal an Hochschulen maßgeblich beeinflusst. Zum einen erhöht sich die Heterogenität der Studierenden (► Tafel 17.4). Zum anderen ist Mobilität der Schlüssel zu interkulturellem Austausch und für Erfahrungen mit verschiedenen Wissenskulturen, die für immer globaler werdende Arbeitsmärkte insbesondere für Akademikerinnen und Akademiker an Bedeutung gewinnen (vgl. van der Wende 2010).
17.4 Entwicklung von Bildungspotenzialen durch Hochschulbildung – zusammenfassende Betrachtungen Hochschulbildung ist zu einem zentralen Faktor auf dem Arbeitsmarkt geworden. Das gilt auch für Deutschland. Entsprechend hat sich in Deutschland die Zahl der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten weiter vergrößert. Auch die Zahl der Studierenden und die Studienanfängerquote stiegen weiter an. Deutschland wies (nicht zuletzt deswegen, weil mit dem dualen Berufsbildungssystem eine attraktive Alternative zum Studium besteht) bis 2010 noch eine deutlich geringere Studienanfängerquote auf als der OECD- und auch der EU-Durchschnitt. Mittlerweile hat Deutschland den EU-Durchschnittswert der Studienanfängerquote fast erreicht, wie Abbildung 17.2 zeigt. Die Erhöhung der Studierendenzahlen entspricht den bildungspolitischen Zielsetzungen – in der sogenannten Wissensgesellschaft wird eine hohe Beteiligung an tertiärer Bildung angestrebt. Hohes Potenzial bei der weiteren Expansion der Hochschulbildung in Deutschland hat die zur Mitte der 2000er Jahre begonnene Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Hochschulfinanzierung, die es in Form des Hochschulpakts des Bundes und der Länder erlaubt, zentrale Steuerungsimpulse zur Finanzierung der Hochschulexpansion und zur Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre zu geben.
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620 Institutionen der Hochschulbildung 100 90 80
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70 60 50 40 30 20 10 0 1995
2000
2005 Deutschland
2010 EU21
2011
2012
OECD
Abb. 17.2: Studienanfängerquoten seit 1995 im internationalen Vergleich (ISCED 5A), in % (Quelle: OECD 2014, 448, Tab. C3.2a; eigene Darstellung)
Dass mehr Menschen an Hochschulen ausgebildet werden, soll in erster Linie der Konkurrenzfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft dienen, auf deren Arbeitsmarkt hochschulische Qualifikationen immer stärker nachgefragt werden. Bei der Expansion der Hochschulbildung in Deutschland spielen dementsprechend die Fachhochschulen mit ihren praxisorientierten Studienangeboten eine zentrale Rolle. Ihre Studierendenzahlen wachsen in besonders starkem Maß an. Mit der fortschreitenden Expansion geht die weitere Differenzierung des Hochschulsystems einher, und auch hier ist Arbeitsmarktorientierung ein wichtiges Merkmal. Ganz besonders deutlich ist das bei den neu entstehenden Studienmöglichkeiten an privaten Hochschulen, aber auch bei den immer stärker nachgefragten dualen Studiengängen an Berufsakademien bzw. an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg zu sehen. Hier sind turnusmäßig betriebliche Praxisphasen oder eine parallel stattfindende Berufsausbildung während des Studiums vorgesehen. Damit etabliert sich ein hochschulisches Bildungssegment, das in besonderer Weise dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken vermag. Auch die Einführung der konsekutiven Studienstruktur im gesamten Hochschulsystem, die oft als Herzstück des Bologna-Prozesses angesehen wird, hat die Arbeitsmarktorientierung hochschulischer Ausbildung gestärkt: Erstens können Studierende die Hochschule mit dem Bachelor bereits nach sechs bzw. sieben Semestern verlassen und in den Arbeitsmarkt eintreten – deutlich früher als im Fall der herkömmlichen Diplom- und Masterstudiengänge. Zweitens ist die Reform der Studienabschlüsse im Rahmen des Bologna-Prozesses an die Idee von employability
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Entwicklung von Bildungspotenzialen durch Hochschulbildung 621 bzw. allgemeiner: an die Kompetenzorientierung hochschulischer Lehre geknüpft worden. Ein explizites Ziel von Studienganggestaltung ist, dass Studierende Kompetenzen erwerben, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Drittens bieten vor allem die Masterstudiengänge einen breiten Fächer an Differenzierung: Forschungsorientierte Masterstudiengänge existieren parallel zu berufsfeldbezogenen Masterstudiengängen oder berufsbegleitenden Masterstudiengängen zur Weiterbildung. Inwiefern die engere Anbindung der hochschulischen Lehre, insbesondere die der Bachelorstudiengänge, an die Bedarfe des Arbeitsmarkts tatsächlich gelingt, kann gegenwärtig noch nicht abschließend beurteilt werden. Neben Ergebnissen aus Unternehmensbefragungen, die auf eine gute Passung der Bachelorabschlüsse mit Unternehmensanforderungen hinweisen (Konegen-Grenier et al. 2015) gibt es auch Anzeichen dafür, dass die Zufriedenheit mit den Bachelorabsolventinnen und -absolventen seitens der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in einigen Wirtschaftsbranchen wieder sinkt (DIHK 2015). Dass die Hochschulen auch vor den Bologna-Reformen Studierenden mit Erfolg Kompetenzen vermittelt haben, die am Arbeitsmarkt gebraucht werden, ist keine Frage, wie die meist überdurchschnittlichen Arbeitsmarktchancen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen auch vor den Bologna-Reformen zeigen (Mayer 2008, 633ff). Allerdings wurde nun mit dem Fokus auf die Qualität hochschulischer Lehre die Black Box „Kompetenzvermittlung an der Hochschule“ geöffnet und die Lehre stärker reguliert. Die Hochschulen etablieren Servicestrukturen, die sowohl das Lernen als auch das Lehren unterstützen. Diese Neuerungen lassen sich unter dem Stichwort Studierendenzentrierung zusammenfassen. Auf diese Weise soll der „Outcome“ der Ausbildungsleistung der Hochschulen optimiert werden: Studienabbruch soll minimiert und das Potenzial der Studierenden besser ausgeschöpft werden. Dazu gehört es auch, gezielt die Heterogenität der Studierenden hinsichtlich ihrer Herkunft, ihrer Eingangsvoraussetzungen und ihrer Lernmöglichkeiten zu berücksichtigen und fruchtbringend ins Lehrgeschehen zu integrieren. In diesem Zusammenhang sind die expliziten (und erfolgreichen) Bemühungen um Internationalisierung der Hochschulen in Lehre und Forschung als zentraler Trend in der Hochschulentwicklung des letzten Jahrzehnts hervorzuheben. Internationalisierung bietet die Chance zur vermehrten interkulturellen Vernetzung und Zusammenarbeit nicht nur in der Forschung, sondern auch unter Absolventinnen und Absolventen auf globalen Arbeitsmärkten. Die Qualität von Lehre und Studium hat, wenngleich sie auch schwer zu definieren und zu messen ist, insgesamt an den Hochschulen nun höheren Stellenwert bekommen. Neben den studienbegleitenden Serviceeinrichtungen haben die Hochschulen auch Qualitätssicherung (in Form von externer Akkreditierung der Studiengänge und Evaluationen der Lehrveranstaltungen durch Studierende) in ihre Organisationsstruktur implementiert. Die Veränderungen in Studium und Lehre lassen sich nicht abschließend und ohnehin auch nicht global bewerten. Sie werden sich messen lassen können etwa an
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622 Institutionen der Hochschulbildung der Entwicklung der Absolventenzahlen, der Entwicklung von Studienabbruchsquoten, den Beteiligungsquoten von Personen ohne formale Hochschulzugangsberechtigung, dem Verlauf des Arbeitsmarkteinstiegs für Hochschulabsolventen und -absolventinnen. Diese Themenfelder sind in Kapitel 18 beschrieben. Nicht genug kann allerdings betont werden, dass mit den wirksam umgesetzten Reformen der Finger in die Wunde der hochschulischen Lehre gelegt worden ist, die in einer weniger als zehn Jahre zurückliegenden Bestandsaufnahme noch als „strukturelle Vernachlässigung“ beschrieben wurde (Mayer 2008, 618). Allerdings wurden insbesondere an den Universitäten auch kritische Stimmen zur Umgestaltung von Lehre und Studium laut, die angesichts von Hochschulexpansion und der stärkeren Regulierung der Lehre vor allem um die enge Anbindung der Lehre an die Forschung fürchteten. Ob hier tatsächlich Potenziale verloren gehen, oder ob sich – nicht zuletzt durch nun viel intensivere Reflektion der Lehrpraxis in der Hochschule und auch beim lehrenden Personal selbst – neue Spielräume öffnen zur Verbindung von Forschung und Lehre, wird sich noch zeigen.
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Literatur 623
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| 629 18 Bildungsverläufe im Hochschulbereich Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Kathrin Leuze und Markus Lörz
Zusammenfassung Mit der Expansion und Differenzierung des Bildungssystems haben sich die Wege zu einem Hochschulabschluss grundlegend verändert. Angesichts dieser Entwicklung macht mittlerweile ein zunehmender Anteil der deutschen Bevölkerung eine akademische Bildungs- und Berufskarriere. Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit dem Weg ins Hochschulsystem, während des Studiums sowie beim Übergang in den Arbeitsmarkt. Dabei sind vielfältige Entscheidungen zu treffen, die auch mit sozialen Ungleichheiten verbunden sind. Heute nimmt die Mehrheit der Studienberechtigten im Anschluss an die Schule ein Studium auf. Allerdings bestehen weiterhin erhebliche soziale Ungleichheiten sowohl beim Übergang ins Studium als auch im weiteren Studienverlauf. Insbesondere Frauen und Studienberechtigte aus weniger privilegierten Familien können oftmals ihre Bildungsaspirationen nicht realisieren. Diese Unterschiede zeigen sich nicht nur bei der Studienaufnahme, sondern auch hinsichtlich der Studienfachwahl, der Wahl des Hochschultyps sowie des angestrebten Studienabschlusses. Zudem unterscheiden sich die Dauer des Studiums, das Abbruchrisiko, die Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts sowie der Übergang in ein Masterstudium je nach den sozialen, finanziellen und kulturellen Ausgangsbedingungen der Studierenden. Verschiedene empirische Studien zu dieser Thematik verdeutlichen, dass es individuelle Entscheidungsprozesse sind, die zu den unterschiedlichen Bildungswegen führen. Allerdings sind diese Entscheidungen von einer Reihe vorgelagerter Einflussfaktoren sowie von institutionellen Bedingungen abhängig. Die Verringerung der sozialen Ungleichheiten ist in Deutschland ein wichtiger Aspekt der Bildungspolitik, da trotz Bildungsexpansion und konjunktureller Schwankungen ein Hochschulabschluss immer noch den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit darstellt und Hochschulabsolventinnen und -absolventen höhere monetäre und nicht-monetäre Erträge erzielen. Einkommen, Suchdauer und eine adäquate Beschäftigung sowie Gesundheit, ehrenamtliches Engagement und politische Partizipation hängen demnach mit den erreichten Bildungsabschlüssen zusammen.
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630 Bildungsverläufe im Hochschulbereich Hierbei finden sich nach wie vor bemerkenswerte Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Diese Unterschiede lassen sich nicht allein über unterschiedliche Bildungsentscheidungen und Bildungswege erklären, sondern hängen vermutlich auch mit einer ungleichen Bewertung der produktiven Fähigkeiten und Fertigkeiten bei Männern und Frauen zusammen. Insgesamt zeigt das Kapitel, dass die im deutschen Hochschulsystem vorhandenen Bildungspotenziale nur zum Teil realisiert werden. Während die Ausbildung von Kompetenzen und Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt nach wie vor gut gelingt, sind es insbesondere die sozialen Ungleichheiten nach Herkunft und Geschlecht, die zu ungleichen Chancen in der Hochschule und damit auch im weiteren Lebensverlauf führen.
18.1 Einführung Aufbauend auf dem vorangegangenen Kapitel 17 „Institutionen der Hochschulbildung“ werden in diesem Kapitel die Bildungspotenziale im Hochschulbereich vorgestellt. Der Fokus liegt dabei auf individuellen Entscheidungsprozessen beim Übergang von der Schule in die Hochschule, im Studienverlauf sowie beim Übergang von der Hochschule in den Arbeitsmarkt. Laut Hochschulrahmengesetz soll ein Hochschulstudium „die Studierenden auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihnen die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden dem jeweiligen Studiengang entsprechend so vermitteln, dass sie zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt werden“ (BMBF 2005, § 7).
Dies ermöglicht eine erste Annäherung an die Bildungspotenziale der deutschen Hochschulbildung: Erstens soll ein Studium die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder die Fähigkeit zu künstlerischer Gestaltung vermitteln (Kompetenzen). Zweitens soll ein Studium für bestimmte Tätigkeiten am Arbeitsmarkt qualifizieren. Und drittens spielt die Sozialisation von verantwortlichen Staatsbürgern und -bürgerinnen eine bedeutende Rolle, indem demokratische Werte vermittelt sowie verantwortliches Handeln im deutschen Rechtsstaat gefördert werden. Neben den genannten Zielen soll die deutsche Hochschulbildung gleiche Bildungschancen für unterschiedliche soziale Gruppen ermöglichen, denn „[d]ie Hochschulen wirken an der sozialen Förderung der Studierenden mit“ (BMBF 2005, § 2 (4)). Explizit genannt werden die Förderung von Studierenden mit Kindern und mit Beeinträchtigung (ebd.) sowie die Gleichstellung von Frauen und Männern (vgl. BMBF 2005, § 3). Zudem wird mit Blick auf die Zulassung zum Studium gefordert, dass alle Deutschen im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes und EU-Bürgerinnen und -Bürger mit entsprechenden Deutschkenntnissen zu
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Übergänge in die Hochschule 631 einem Studium ihrer Wahl berechtigt sind, wenn sie die für das Studium erforderlichen Qualifikationen besitzen (vgl. BMBF 2005, § 27 (1)). Explizites Ziel der Hochschulbildung in Deutschland ist es somit, gleiche Chancen beim Zugang zur Hochschulbildung und den damit verbundenen vorteilhaften Handlungs- und Lebensbedingungen zu schaffen. Angesichts des Bologna-Prozesses und der zunehmenden Europäisierung von (Hochschul-)Bildung (► Kap. 17) werden schließlich auch die internationale Mobilität deutscher Studierender sowie die Betreuung ausländischer Studierender immer wichtiger (BMBF 2005, § 2 (6)). Insgesamt verfolgt die Hochschulbildung demnach die klassischen Ziele von Bildung für einen souveränen Nationalstaat, nämlich die Vermittlung von Kompetenzen im Sinne von Fähigkeiten und Fertigkeiten, Humankapital für den Arbeitsmarkt und staatsbürgerliche Werte (vgl. Leuze et al. 2008; Weymann et al. 2007). Infolgedessen rücken die sozial gerechte Verteilung von Zugangschancen und Erträgen von Hochschulbildung sowie die Ermöglichung internationaler Mobilität und die damit verbundene Partizipation an Prozessen der Europäisierung zunehmend in den Fokus der aktuellen Hochschulforschung. Im vorliegenden Kapitel werden zunächst Befunde zum Zugang zur Hochschulbildung ausführlich dargestellt, darauffolgend zum Studienverlauf unter besonderer Berücksichtigung der Auslandsmobilität von Studierenden, dem Übergang ins Masterstudium sowie Studienabbrüche und abschließend der Übergang von der Hochschule in den Arbeitsmarkt. In jedem Teilkapitel werden sowohl allgemeine Muster des Übergangs bzw. der entsprechenden individuellen Verläufe als auch vorhandene Ungleichheiten nach sozialer Herkunft und Geschlecht betrachtet.1 Darauf basierend wird herausgearbeitet, welche der angestrebten Bildungspotenziale erreicht werden und bei welchen weiterhin Nachholbedarf besteht. Zur besseren Einordnung der Ergebnisse werden zusätzlich international vergleichende Studien herangezogen und mit Blick auf den europäischen Hochschulraum Gemeinsamkeiten und Besonderheiten Deutschlands aufgezeigt.
18.2 Übergänge in die Hochschule Mit Erwerb der Hochschulreife stehen Studienberechtigte vor verschiedenen Bildungs- und Berufsoptionen. Neben der generellen Entscheidung, ob ein Studium oder eine Berufsausbildung angestrebt werden soll, stellt sich angehenden Studierenden auch die Frage, an welchem Hochschulort, in welchem Studienfach und mit welchem Abschlussziel sie studieren möchten. Dieser Entscheidungsprozess beginnt bereits in der Schulzeit (vgl. Spangenberg und Willich 2013) und hat weitreichende Konsequenzen für den weiteren Bildungsweg, die individuelle Kompetenz1 Aufgrund der Datenlage zu Studierenden in Deutschland ist es nicht möglich, Ungleichheiten aufgrund
gesundheitlicher Einschränkungen oder eines Migrationshintergrundes systematisch zu diskutieren.
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632 Bildungsverläufe im Hochschulbereich
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entwicklung sowie die sich eröffnenden Berufs- und Arbeitsmarktchancen. Welche Faktoren diese Entscheidungen beeinflussen, wie sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben und inwieweit (weiterhin) soziale Ungleichheiten bestehen, wird im Folgenden ausgeführt. 18.2.1 Studienentscheidung Die Bildungsexpansion im Sekundarschulbereich macht sich auch in einer erhöhten Bildungsbeteiligung im Studium bemerkbar. Dabei verliefen die Entwicklungen im ost- und westdeutschen Teil des Hochschulsystems unterschiedlich. In beiden Bildungssystemen gab es bereits vor der Wiedervereinigung eine Expansion des Hochschulbereichs, jedoch fiel diese im ostdeutschen Teil deutlich moderater aus. Zudem fand die vergleichsweise starke Bildungsexpansion in Westdeutschland insbesondere durch den Ausbau der praxisorientierten Fachhochschulstudiengänge seit Mitte der 1970er Jahre statt (► Kap. 17; Mayer 2008). Nach der Wiedervereinigung expandierte das Hochschulsystem weiter. Die Studienberechtigtenquote für Gesamtdeutschland, d. h. der Anteil derjenigen an der altersgleichen Wohnbevölkerung, die eine Hochschulzugangsberechtigung wie z. B. das Abitur oder die Fachhochschulreife erworben haben, ist seit Beginn der 1990er Jahre um fast 20 Prozentpunkte auf 49 % im Jahr 2010 gestiegen (► Abb. 18.1). Im Jahr 2012 lag die Studienberechtigtenquote schon bei 58 %, bei den Frauen sogar bei 63 % (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tab. F2-1A).
60 50 40 30 20 10 0 1980
1985
1990
1995
Studienberechtigtenquote
2000
2005
2010
Studienanfängerquote
Abb. 18.1: Studienberechtigten- und Studienanfängerquote 1980-2010 (in %) (Quelle: Statistisches Bundesamt 1980-2010)
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Übergänge in die Hochschule 633 Im Zuge dieses Expansionsprozesses haben sich die Wege zum Studium deutlich verändert. Mittlerweile führen in Deutschland drei Wege ins Hochschulsystem: Neben den traditionellen allgemeinbildenden Gymnasien („erster“ Bildungsweg) wird die Hochschulzugangsberechtigung zunehmend auch über den „zweiten“ (beruflichen) Bildungsweg vergeben (vgl. Schindler 2014). Wie bereits in Kapitel 15 beschrieben, wurden im Sekundarschulbereich insbesondere seit Mitte der 1960er Jahre die berufsbildenden Schulen ausgebaut. Heute gelangt etwa jeder Vierte über diesen Weg zur Studienberechtigung (vgl. Lörz 2013). Zudem ist es möglich, über Eignungsprüfungen oder die Anerkennung beruflicher Kompetenzen auch ohne eine schulisch erworbene Hochschulzugangsberechtigung ein Studium aufzunehmen („dritter“ Bildungsweg; vgl. Freitag et al. 2011; Teichler und Wolter 2004). Diese Möglichkeit wird bislang jedoch nur selten genutzt: 2012 kamen lediglich 2,6 % der Studienanfängerinnen und -anfänger über diesen Weg an die Hochschule (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tab. F2-21 web). Diese veränderten Zugangswege zum Studium blieben für den Hochschulbereich nicht folgenlos. Zum einen mussten die Hochschulen ihre Kapazitäten an die gestiegenen Studienanfängerzahlen anpassen, zum anderen wurde es zunehmend erforderlich, mit unterschiedlichen Fähigkeitsprofilen, Bedürfnis- und Problemlagen der Studierenden umzugehen (vgl. Wolter 2011). Die Studienangebote und Studienbedingungen haben sich infolgedessen stark verändert. Studienberechtigte müssen heutzutage nicht nur zwischen einer kürzeren praxisorientieren Berufsausbildung und einem längeren forschungsorientierten Hochschulstudium entscheiden, sondern auch, welches Studienfach (► 18.2.2) und an welcher Hochschule sie studieren möchten (► 18.2.3) und ob sie im Anschluss noch einen Masterabschluss anstreben (► 18.3.2). Bei diesen Übergängen sind vielfältige Entscheidungen zu treffen. Diese werden in der Bildungsforschung oft als Resultat rationaler Entscheidungsprozesse angesehen (vgl. Becker und Solga 2012; Esser 1999). Das heißt, Studienberechtigte entscheiden sich für den Bildungsweg, der aus ihrer Perspektive mit mehr Vor- als Nachteilen verbunden ist. Wie sich in den subjektiven Einschätzungen der Studienberechtigten zeigt, verspricht sich die Mehrheit von einem Studium höhere Einkommen und verbesserte Karriereaussichten im späteren Berufsleben (Lörz et al. 2012). Nur ein kleiner Teil meint, mit einer Berufsausbildung verbesserte Karriereaussichten zu haben. Darüber hinaus nehmen insbesondere die Schülerinnen und Schüler ein Hochschulstudium auf, die überdurchschnittlich gute schulische Leistungen erzielen. Neben den höheren leistungsbezogenen Anforderungen sprechen nach Ansicht vieler Studienberechtigter aber auch die finanziellen Belastungen gegen die Aufnahme eines Studiums. Im Ergebnis entscheiden sich daher nur drei von vier Studienberechtigten für die Aufnahme eines Hochschulstudiums (vgl. Quast et al. 2014). Hierbei zeigt sich ein nach wie vor enger Zusammenhang zwischen der familiären Herkunft und der Wahrscheinlichkeit, ein Studium aufzunehmen (vgl. Becker und
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634 Bildungsverläufe im Hochschulbereich Hecken 2008; Lörz 2012; Mayer 2008). Trotz Bildungsexpansion, dem Ausbau verschiedener Bildungswege und der Öffnung der Hochschulen für Kinder aus weniger privilegierten Elternhäusern ist es demnach bislang nicht gelungen, herkunftsbedingte Ungleichheiten beim Übergang von der Schule in die Hochschule deutlich abzubauen (vgl. Mayer et al. 2007). So lag 2012 die Studierwahrscheinlichkeit von Studienberechtigten, deren Eltern ein Universitätsstudium absolviert haben, bei 82 %, während sie für Studienberechtigte, deren Eltern einen Lehr- oder keinen Ausbildungsabschluss haben, nur 62 % betrug (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Abb. F2-4A). Die Ursachen der herkunftsspezifischen Unterschiede beim Übergang ins Studium sind dabei vielfältig (für einen Überblick vgl. Watermann et al. 2014): Studienberechtigte aus nicht akademisch gebildeten Familien schließen die Schule oftmals mit schlechteren Leistungen ab. Zudem überschätzen sie die Kosten und unterschätzen die Erfolgsaussichten eines Studiums sowie die späteren Einkommen, die damit erzielt werden können (vgl. Lörz et al. 2012) – und gerade dies führt dazu, dass sie sich seltener für ein Studium entscheiden (vgl. Lörz 2012). Die Aufnahme eines Studiums ist jedoch nicht allein von der Leistung und den unterschiedlichen Einschätzungen der Studienberechtigten abhängig, sondern in hohem Maße auch von vorangegangenen Erfahrungen und Entscheidungen auf den bisherigen Bildungswegen (vgl. Neugebauer und Schindler 2012) sowie den regionalen Rahmenbedingungen und Studienmöglichkeiten (vgl. Reimer 2013; Spieß und Wrohlich 2010). Zum einen bietet das Elternhaus als Lernumfeld die Möglichkeit, gewisse Kompetenzen, Interessen und Leistungsprofile auszubilden und beeinflusst damit indirekt Studienentscheidungen. Zum anderen hat das Elternhaus auch direkten Einfluss auf die Erwartungshaltungen, Lebens- und Berufsziele sowie die damit verbundenen Bildungsentscheidungen. Von daher resultiert ein gewisser Anteil der herkunftsspezifischen Unterschiede beim Übergang ins Studium aus vorangegangenen Bildungswegen und kulturellen Rahmenbedingungen im Elternhaus (vgl. Grundmann et al. 2010; Watermann et al. 2014). Die Erwartungshaltungen von Eltern unterscheiden sich allerdings nicht nur zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen, sondern auch zwischen Männern und Frauen. Eltern erwarten weitaus häufiger von ihren Söhnen eine Studienaufnahme als von ihren Töchtern (vgl. Lörz et al. 2012). Verstärkt wird dies noch dadurch, dass Frauen sich aufgrund eines geringer ausgeprägten akademischen Selbstkonzeptes in den meisten Fächern geringere Begabungen zuschreiben, während sich Männer in vielen Bereichen eher überschätzen (vgl. Wolter et al. 2011). Die deutlich höhere Bildungsbeteiligung und durchschnittlich besseren schulischen Leistungen der Frauen im Sekundarschulbereich spiegeln sich demnach nicht in den Selbsteinschätzungen wider. Im Ergebnis realisieren Frauen ihre Studienoption trotz guter Voraussetzungen seltener als Männer (vgl. Quast et al. 2014). Zudem gehen junge Frauen von geringeren Einkommens- und Karriereaussichten trotz eines Hochschulabschlusses aus und antizipieren bereits ein halbes Jahr nach Schulabgang Er-
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Übergänge in die Hochschule 635
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werbsunterbrechungen und Teilzeitbeschäftigungen im späteren Berufsleben (vgl. Lörz et al. 2012). Lörz und Schindler (2011) konnten dementsprechend zeigen, dass sich die geringere Studienaufnahme von Frauen zum Großteil auf eine unterschiedliche Einschätzung der Berufsaussichten zurückführen lassen. 18.2.2 Studienfachwahl Neben der generellen Entscheidung für oder gegen ein Studium müssen Studienberechtigte beim Übergang in die Hochschule auch ein bestimmtes Studienfach wählen. Wie Abbildung 18.2 zeigt, entscheiden sich die meisten Studienanfängerinnen und -anfänger für ein wirtschaftswissenschaftliches Studium, gefolgt von einem Maschinenbau- bzw. Lehramtsstudium. Diese Studienrichtungen haben in den vergangenen Jahrzehnten – konjunkturell schwankend – an Attraktivität gewonnen und tragen wesentlich zur Expansion des Hochschulbereichs bei.
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Frauen
Abb. 18.2: Studienanfängerinnen und -anfänger nach Studienfach und Geschlecht (in %) (Quelle: Studienberechtigten-Befragung 2008, 3. Welle) Anmerkung: Agrar-, Ernährungs-, Forstwissenschaften (AG); Physik, Geowissenschaften (Ph); Elektrotechnik (ET); Kunst- und Gestaltungswissenschaften (KU); Pädagogik, Sport (Päd); Psychologie (Psy); Architektur, Bauwesen (Arch); Rechtswissenschaft (RW); Mathematik, Informatik (Math); Biologie, Chemie, Pharmazie (BC); Kultur- und Sprachwissenschaften (KuSp); Sozialwissenschaften, Sozialwesen (SOZ); Medizin (Med); Maschinenbau (Mas); Lehramtsstudiengänge (Lehr); Wirtschaftswissenschaften (Wiwi)
Nach Becker et al. (2010) sind die späteren Erwerbs- und Karrieremöglichkeiten wichtige Kriterien bei der Studienfachwahl. Die Studienfachwahl orientiert sich hierbei ebenfalls an den individuellen Eigenschaften und Einschätzungen sowie
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636 Bildungsverläufe im Hochschulbereich an den gegebenen Rahmenbedingungen und verfügbaren Studienangeboten. Der ausschlaggebende Grund für die Wahl eines bestimmten Faches unterscheidet sich jedoch zwischen den verschiedenen Studienrichtungen. Den Untersuchungen von Nagy (2007) zufolge streben Studierende eine möglichst gute Passung zwischen den eigenen beruflichen Interessen und der Anforderungsstruktur des jeweiligen Studienfachs an. Studienberechtigte mit einem praktisch-technischen Interessenprofil entscheiden sich beispielsweise häufiger für ein ingenieurwissenschaftliches Studium, während Studienberechtigte mit einer sozialen Interessenorientierung eher ein sozialwissenschaftliches Studium wählen (vgl. Hägglund und Lörz 2015). Auch ist die Studienfachwahl oftmals als das Resultat vorangegangener Schwerpunktsetzungen in der Schulzeit und der Ausbildung eines bestimmten Leistungsprofils anzusehen (vgl. Lörz et al. 2012). Studienberechtigte, die in der Schule bereits ein mathematisches Schwerpunktfach belegen, verfügen häufiger über ein technisch-mathematisch orientiertes Interessen- und Leistungsprofil und neigen im weiteren Verlauf häufiger zu einem ingenieur-/naturwissenschaftlichen Studienfach (vgl. Heine et al. 2006). Da manche Studienrichtungen allerdings mit Zulassungsbeschränkungen versehen sind (beispielsweise Medizin) oder nicht flächendeckend angeboten werden, gelingt es nicht allen Studienberechtigten, das ursprünglich angestrebte Studienfach aufzunehmen (vgl. Willich et al. 2011). Insbesondere in den zulassungsbeschränkten Studienrichtungen Psychologie, Kunst und Medizin realisiert nur etwa die Hälfte der Studienberechtigten ihren ursprünglichen Studienfachwunsch (vgl. Heine et al. 2007). Hinsichtlich der gruppenspezifischen Unterschiede bei der Studienfachwahl zeigen sich seit Anfang der 1980er Jahre bis heute bemerkenswerte geschlechtsspezifische Differenzen (vgl. Hägglund und Lörz 2015). Während sich Männer weitaus häufiger für ein ingenieur- oder naturwissenschaftliches Studienfach entscheiden, neigen Frauen oftmals zu einem Lehramtsstudium oder einem sozialwissenschaftlichen Studiengang. Als Erklärungen für die Unterrepräsentation der Frauen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) werden häufig die unterschiedliche Schwerpunktsetzung in der Schule und die daraus resultierenden Leistungsunterschiede angeführt (vgl. Legewie und DiPrete 2014; Mann und DiPrete 2013). Männer setzen häufiger einen technisch-mathematischen Prüfungsschwerpunkt, während Frauen häufiger ein sprachliches Prüfungsfach wählen. Doch auch innerhalb der technischen Studienrichtungen zeigen sich geschlechtsspezifische Besonderheiten. Innerhalb des MINT-Bereichs neigen Frauen überdurchschnittlich häufig zu einem naturwissenschaftlichen Studium (z. B. Biologie, Chemie, Geowissenschaften), Männer dagegen häufiger zu einem ingenieurwissenschaftlichen Studium (vgl. Heine et al. 2006). Auch zeigen sich in der Studienfachwahl herkunftsbedingte Unterschiede. So entscheiden sich Studienberechtigte aus privilegierten Elternhäusern insbesondere für die prestigeträchtigen Studienrichtungen Medizin und Jura, während diejenigen
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Übergänge in die Hochschule 637 aus weniger privilegierten Familien die technischen Studienrichtungen bevorzugen (vgl. Becker et al. 2010; Reimer und Pollak 2010). Die Ursache hierfür sehen Becker et al. (2010) in dem Bedürfnis nach intergenerationaler Statusreproduktion: So müssen Studierende aus den höheren Sozialgruppen ein prestigeträchtiges Studienfach aufnehmen, um den Status ihrer Eltern zu halten. Aus vertiefenden Studien wird allerdings ersichtlich, dass sich die Studienfachwahl weniger an der Höhe des Einkommens, sondern stärker an den konkreten Berufen der Eltern orientiert. Studienberechtigte entscheiden sich oftmals für ein Studienfach, welches dem Beruf des Vaters ähnelt (vgl. Lörz 2012; van de Werfhorst 2003). Eltern fungieren in dieser Hinsicht als Vorbilder, bieten differentielle Lernmilieus und fördern ihre Kinder in einer bestimmten beruflichen Richtung. Wie sich dieser Entwicklungsund Entscheidungsprozess konkret vollzieht und inwieweit diese Mechanismen zu den geschlechts- und herkunftsspezifischen Unterschieden in der Studienfachwahl führen, gilt es, in weiterführenden Untersuchungen zu klären. 18.2.3 Hochschulwahl An welcher Hochschule sich die Studienanfängerinnen und -anfänger immatrikulieren, hängt im Wesentlichen von dem Studienangebot, den Zulassungsbeschränkungen und der Möglichkeit ihre Fachinteressen zu realisieren ab (vgl. Willich et al. 2011). Mit Universitäten, Fachhochschulen, dualen Fachhochschulen, Berufsakademien und Verwaltungsfachhochschulen bestehen mittlerweile sehr unterschiedliche Studienmöglichkeiten (► 17.2.1). Während an Universitäten das Studium eher forschungsorientiert ausfällt und in höherem Maße auf eine akademische Karriere vorbereitet, orientiert sich das Studium an den Fachhochschulen stärker an der späteren Berufspraxis (vgl. Mayer 2008, Abschnitt 14.3). Die Entscheidung über die spezielle Hochschule hat hierbei nicht nur Auswirkungen auf die Dauer und Art des Studiums, sondern auch auf die weiterführenden Bildungs- und Berufsoptionen. Universitätsabsolventinnen und -absolventen erhalten im Anschluss an das Studium häufiger die Möglichkeit zu promovieren und haben langfristig bessere Einkommens- und Karriereaussichten zu erwarten, als diejenigen von den Fachhochschulen (► 18.4.2). In den vergangenen Jahrzehnten wurden insbesondere die Fachhochschulstudiengänge erheblich ausgebaut, und es gibt mittlerweile an über 200 Studienorten die Möglichkeit, ein solches Studium zu absolvieren (vgl. Lörz 2013). Seit 2012 schreiben sich mehr als 40 % der Studienanfänger und -anfängerinnen an einer Fachhochschule ein (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 125), was nicht nur mit der Neugründung von Fachhochschulen zusammenhängt, sondern auch mit der Anerkennung bereits bestehender Bildungsinstitutionen (beispielsweise Berufsakademien in Baden-Württemberg). Die Beteiligung an Hochschulbildung hat sich folglich in den vergangenen Jahren nicht nur erhöht, sondern auch hinsichtlich des Ausbaus der praxisorientierten Fachhochschulstudiengänge verändert.
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638 Bildungsverläufe im Hochschulbereich Hierbei zeigt sich, dass Studierende aus weniger privilegierten Familien weitaus häufiger ein Fachhochschulstudium aufnehmen, während diejenigen aus Akademikerfamilien eher an Universitäten studieren (vgl. Mayer et al. 2007; Reimer und Pollak 2010). Aufgrund des Bedürfnisses nach intergenerationaler Statusreproduktion und den daraus resultierenden Karriereambitionen sollten insbesondere die Studierenden aus den oberen Sozialgruppen dazu neigen, sich über die Wahl eines prestigeträchtigen Hochschulortes einen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Es zeigt sich zwar, dass Studierende aus Akademikerfamilien weitaus häufiger an hochgerankten Hochschulen und Universitäten studieren (vgl. Lörz und Quast 2011), es lässt sich aber über die Zeit keine zunehmende „Ablenkung“ der unteren Sozialgruppen in die praxisorientierten Fachhochschulstudiengänge feststellen (vgl. Lörz 2013). Vielmehr bleiben die herkunftsspezifischen Unterschiede bei der Hochschulwahl über die Zeit vergleichsweise stabil und hängen eng mit den unterschiedlichen Bildungswegen der verschiedenen Herkunftsgruppen im Vorfeld des Studiums zusammen. Studienberechtigte aus weniger privilegierten Familien erlangen die Hochschulreife häufiger über die beruflichen Bildungswege und haben mit der Fachhochschulreife oftmals gar nicht die Möglichkeit, an einer Universität zu studieren. Auch sind sie in ihrem Mobilitätsverhalten deutlich gehemmter und studieren häufiger in unmittelbarer Nähe zum Heimatort (vgl. Lörz 2008). Da gerade die Aufnahme eines Studiums an einer prestigeträchtigen Hochschule gute Leistungen und eine entsprechende Mobilitätsbereitschaft erfordert (vgl. Lörz und Quast 2011), ist davon auszugehen, dass die Bedeutung des Hochschulortes im Zuge der Exzellenzinitiative zunehmen wird, sowohl für die Ungleichheiten beim Hochschulzugang als auch mit Blick auf die damit einhergehenden Karriereverläufe. In Deutschland gibt es zwar bislang noch keine Spitzenhochschulen wie Oxford, Cambridge oder Stanford, aber mit dem Label „Elitehochschulen“ und „Exzellenzcluster“ wird auch in Deutschland eine solche vertikale Differenzierung der Hochschullandschaft langfristig angestrebt (► 17.3.2). Dadurch dürften die Reputations- und Qualitätsunterschiede zwischen den Hochschulen in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen und entsprechende Auswirkungen auf die (Re-) Produktion herkunftsbedingter Ungleichheiten bei der Hochschulwahl haben.
18.3 Übergänge im Studium und Studienverlauf Wie bereits aufgezeigt, führen die beim Übergang ins Studium zu treffenden Entscheidungen zu unterschiedlichen Studienwegen, Kompetenzprofilen und Erfahrungsmöglichkeiten. Ein Teil dieser eingangs getroffenen Entscheidungen wird jedoch im weiteren Verlauf revidiert oder durch weitere Entscheidungen verändert. Der nachfolgende Abschnitt beschäftigt sich zum einen mit der Frage, welche weite-
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Übergänge im Studium und Studienverlauf 639
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ren Entscheidungen im Laufe eines Studiums zu treffen sind, z. B. mit Blick auf die Auslandsmobilität (► 18.3.1) oder die Aufnahme eines Masterstudiums (► 18.3.2). Zum anderen werden Probleme und Schwierigkeiten, die im Laufe eines Studiums auftreten und den Studienerfolg beeinflussen, genauer betrachtet (► 18.3.3). 18.3.1 Auslandsmobilität Mit der Bologna-Reform (1999) wurde das Ziel verfolgt, mittelfristig einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Der Anteil der auslandsmobilen Studierenden hat sich in dieser Phase deutlich erhöht, sodass mittlerweile über 20 % der Studierenden einen Teil des Studiums im Ausland verbringen (► Abb. 18.3). Auslandserfahrungen wirken sich nicht nur förderlich auf die Sprachkenntnisse (vgl. Freed 1998) und interkulturellen Kompetenzen der Studierenden aus (vgl. Zimmermann und Neyer 2013), sondern führen auch zu verbesserten Einkommens- und Karriereaussichten (vgl. Messer und Wolter 2007; Rodrigues 2013).
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Abb. 18.3: Studierende mit Auslandsstudium 1980-2010 (in %) (Quelle: Sozialerhebung 1979-2012)
Auslandserfahrungen können in unterschiedlicher Weise gesammelt werden und reichen von kürzeren Urlaubsreisen bis hin zu einem vollständigen Auslandsstudium. Die Entscheidung, im Laufe des Studiums an einer ausländischen Hochschule zu studieren, kann als ein Ergebnis eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses angesehen werden, welcher von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird (vgl. Netz 2012). Nach Kalter (2011) geht dem Schritt, mobil zu werden, zunächst eine individuelle Auseinandersetzung mit den damit verbundenen Vor- und Nachteilen
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640 Bildungsverläufe im Hochschulbereich voraus, die zu der Herausbildung einer gewissen Mobilitätsbereitschaft führt. Inwieweit diese Absicht im weiteren Studienverlauf realisiert wird, ist allerdings von weiteren sozialen, kulturellen und finanziellen Faktoren sowie den institutionell gegebenen Möglichkeiten abhängig (vgl. Lörz und Quast 2013). Wie aus vorangegangenen Untersuchungen hervorgeht, erfordert der Schritt ins Ausland insbesondere gewisse sprachliche Fähigkeiten sowie die Bereitschaft, finanzielle Belastungen, Verzögerungen im weiteren Studienverlauf und die vorübergehende Trennung vom gewohnten Umfeld in Kauf zu nehmen (vgl. Isserstedt et al. 2010). Darüber hinaus wird der Schritt ins Ausland auch von der Notwendigkeit eines solchen Aufenthalts im Rahmen des Studiums sowie den am Hochschulort gegebenen Möglichkeiten beeinflusst. Auslandsaufenthalte werden überdurchschnittlich häufig in den Studienrichtungen durchgeführt, in denen sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird (vgl. Heublein et al. 2011; Isserstedt et al. 2010). Zudem erhöht ein vorliegendes ERASMUS-Angebot an der eigenen Hochschule die Wahrscheinlichkeit, ins Ausland zu gehen (vgl. Parey und Waldinger 2011). Es sind demnach nicht nur individuelle Überlegungen, die zu einem Auslandsstudium führen, sondern auch die am Hochschulort gegebenen Rahmenbedingungen. Der Schritt ins Ausland wird außerdem sehr stark von den bisherigen Mobilitätserfahrungen beeinflusst (vgl. Lörz 2008; Lörz und Krawietz 2011). War man bereits während der Schule oder vor dem Studium eine gewisse Zeit im Ausland oder ist am gegenwärtigen Wohnort sozial weniger stark verwurzelt, so fällt die Bereitschaft, im Ausland zu studieren, deutlich höher aus. Möglicherweise lassen sich diese Zusammenhänge darauf zurückführen, dass im Rahmen vorangegangener Mobilitätserfahrungen Hinderungsgründe abgebaut und die Vorzüge von Mobilitätserfahrungen erkannt werden (vgl. Lörz und Quast 2013). Vor dem Hintergrund der Bildungsexpansion und der höheren Konkurrenz um lukrative Berufspositionen ist auch bei dieser Bildungsentscheidung zu erwarten, dass aus Gründen der intergenerationalen Statusreproduktion insbesondere Studierende aus privilegierten Familien zunehmend ein Auslandsstudium aufnehmen (vgl. Lörz und Krawietz 2011). Die empirischen Befunde bestätigen diese Überlegungen und zeigen, dass im Jahr 2012 Studierende aus Akademikerfamilien (21 %) häufiger im Ausland studierten oder ein Praktikum machten, während dies nur einem kleinen Teil der Studierenden ohne akademischen Familienhintergrund (9 %) gelingt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tab. F2-7web). Diese Mobilitätsunterschiede zeigen sich bereits kurz nach Schulabgang, denn Studienberechtigte aus weniger privilegierten Familien waren während der Schulzeit seltener im Ausland (vgl. Gerhards und Hans 2013), haben eine deutlich kürzere Sprachausbildung genossen (vgl. Heine et al. 2010) und machen sich über die finanziellen Belastungen größere Sorgen als diejenigen aus Akademikerfamilien (vgl. Lörz und Quast 2013). Die Informationsunterschiede zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen zeigen sich auch hinsichtlich der Bedeutung eines Auslandsaufenthalts für die
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Übergänge im Studium und Studienverlauf 641
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spätere berufliche Karriere, der von Studierenden aus Akademikerfamilien als deutlich wichtiger bewertet wird (vgl. Lörz et al. 2012). 18.3.2 Übergang Bachelor-Master Noch wichtiger als die Förderung von Auslandsmobilität durch den Bologna-Prozess ist jedoch die Einführung der gestuften Studienabschlüsse. Seit 1999 wurden in Deutschland die traditionellen Diplom- und Magisterabschlüsse sowie die mit dem Staatsexamen abschließenden Lehramtsstudiengänge nahezu vollständig auf ein dreijähriges Bachelor- und ein darauf aufbauendes ein- bis zweijähriges Masterprogramm umgestellt (► 17.2.2). Die Einführung der neuen Bachelor- und Masterabschlüsse war an verschiedene bildungspolitische Erwartungen gekoppelt. Zum ersten erhoffte man sich durch die Einführung der kürzeren Bachelorabschlüsse eine Verkürzung der Studiendauer sowie eine Verringerung der Studienabbrecherzahlen (► 18.3.3). Zum zweiten sollte der Bachelor als neuer Regelabschluss für die Mehrheit der Studierenden etabliert werden und das darauf aufbauende Masterstudium lediglich einer besonders leistungsstarken Auswahl der Studierenden vorbehalten bleiben. Zum dritten sollten die neuen Studiengänge insbesondere traditionell hochschulferne Gruppen ansprechen. Die Umstellung auf die neuen Studienabschlüsse lief zunächst etwas zögerlich an, hat sich aber in den vergangenen zehn Jahren nahezu vollständig vollzogen. Gab es Anfang 2000 an nur wenigen Hochschulen ein Bachelorstudienangebot, beginnt mittlerweile die Mehrheit der Studierenden mit einem Bachelorstudium (► Abb. 18.4). So waren im Jahr 2012 bereits 73 % der Studienanfängerinnen und -anfänger in einem Bachelorstudiengang immatrikuliert. An den Universitäten waren es mit 61 % etwas weniger, da hier das Staatsexamen in Medizin, Rechtswissenschaft und in einigen Ländern auch beim Lehramt weiterhin eine Rolle spielt (vgl. Quast et al. 2014). Bislang konnte der Bachelorabschluss jedoch nicht als Regelabschluss etabliert werden. Ersten Ergebnissen zufolge nimmt die Mehrheit der Studierenden nach Abschluss des Bachelorstudiums ein Masterstudium auf. So streben 73 % der Bachelorabsolventinnen und -absolventen einen Masterabschluss an (vgl. Heine 2012). Ein Masterstudium wird insbesondere von den Studierenden aufgenommen, die überdurchschnittlich gute Leistungen erbringen (vgl. Auspurg und Hinz 2011; Heine 2012) und in stärkerem Maße eine wissenschaftliche Karriere anstreben (vgl. Quast et al. 2014). Da sich oftmals in den universitären Studienrichtungen eine akademische Karriere anschließt, streben mit 81 % der Universitätsabsolventinnen und -absolventen deutlich mehr einen Masterabschluss an als diejenigen von Fachhochschulen (62 %; vgl. Heine 2012). Da ein Masterabschluss ähnlich wie ein traditioneller Abschluss mit besseren Arbeitsmarktperspektiven einhergeht als der Bachelorabschluss (► 18.4.2; Lindley und Machin 2013; Schomburg 2011), stellt das Masterstudium offensichtlich für die meisten Studierenden trotz der längeren Studiendauer eine attraktivere Option gegenüber einem Bachelorabschluss dar.
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642 Bildungsverläufe im Hochschulbereich 100 80
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2002 Traditionelle Studiengänge
2004
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Staatsexamen
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BachelorStudiengänge
Abb. 18.4: Studienanfängerinnen und -anfänger nach ausgewählten Studienabschlüssen 2000-2010 (in %) (Quelle: Statistisches Bundesamt 2000-2010)
Mit Blick auf das dritte Ziel, die Öffnung der Hochschule für sozial benachteiligte Gruppen, zeigen sich auch nach der Studienstrukturreform bemerkenswerte herkunftsspezifische Ungleichheiten beim Übergang ins Studium und auch im Studienverlauf. Es finden sich bislang keine eindeutigen Hinweise darauf, dass durch die Einführung der Bachelorstudiengänge traditionell hochschulferne Gruppen stärker angesprochen werden als in den Jahren zuvor (vgl. Kretschmann 2008). Vielmehr verzichten mit dieser zusätzlichen Selektionshürde insbesondere Studierende aus weniger privilegierten Familien auf ein Masterstudium (vgl. Lörz et al. 2015). Die Ergebnisse von Lörz et al. (2015) verdeutlichen, dass die Ursache der herkunftsspezifischen Unterschiede erneut zum Großteil in den vorangegangenen Bildungsentscheidungen und Bildungswegen liegt. Bachelorabsolventinnen und -absolventen aus weniger privilegierten Familien studieren häufiger an den praxisorientierten Fachhochschulen, schließen das Studium mit durchschnittlich schlechteren Noten ab und weisen eine höhere Kostensensibilität auf. Ein wissenschaftsorientiertes und zeitlich längeres Masterstudium kommt demnach für diese Gruppe seltener in Frage. 18.3.3 Studiendauer und Abbruch des Studiums Neben einer Verringerung sozialer Ungleichheiten erhoffte man sich durch die Einführung der gestuften Studienabschlüsse eine Verkürzung der durchschnittlichen Studiendauer. Die Regelstudienzeit für ein Bachelorstudium beträgt an Universitäten meist sechs und an Fachhochschulen sieben Fachsemester. Für das anschließende Masterstudium ist eine Regelstudienzeit von drei (Fachhochschulen) bis vier
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Übergänge im Studium und Studienverlauf 643 (Universitäten) Fachsemestern vorgesehen. Mit insgesamt zehn Fachsemestern ist somit die Regelstudienzeit für einen konsekutiven Bachelor-/Masterstudiengang etwas länger als bei den traditionellen Abschlüssen, die an Universitäten durchschnittlich neun bis zehn und an Fachhochschulen acht Fachsemester betrug. Seit Einführung der gestuften Studienabschlüsse ist die mittlere Fachstudiendauer der Bachelorstudiengänge leicht angestiegen. Betrug die Studiendauer im Jahr 2000 im Mittel noch 5,9 Semester, so ist sie bis 2012 um ein halbes Semester angestiegen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Unterschiede zwischen Fachhochschulen und Universitäten lassen sich kaum ausmachen, allerdings zeichnen sich erhebliche fachspezifische Unterschiede ab: Während in den Ingenieurwissenschaften das Studium etwa sieben Semester beträgt, liegt die mittlere Studiendauer in einigen geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächern bei etwa sechs Semestern (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 131). Mit Blick auf den Abschluss eines Masterstudiums liegt die durchschnittliche Studiendauer mit 10,8 Semestern etwa ein Semester über der Regelstudienzeit. An den Universitäten liegt die Studiendauer in den neuen Bachelor-/Masterstudiengängen somit knapp unter dem Niveau der traditionellen Diplomstudiengänge. An Fachhochschulen fällt sie jedoch gegenüber den früheren Diplomstudiengängen deutlich länger aus. Eine generelle Verkürzung der durchschnittlichen Studiendauer wurde insofern noch nicht erreicht. Mit den neuen Studienabschlüssen war zudem die Erwartung verbunden, dass sich der Studienabbruch, also das dauerhafte Verlassen des Hochschulsystems ohne einen ersten Abschluss, erheblich verringert. Auch diese Erwartung hat sich bislang nicht erfüllt. Mit etwa 28 % ist der Studienabbruch in den Bachelorstudiengängen nach wie vor hoch (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 132). Während an Universitäten die Abbruchquote in den Bachelorstudiengängen das Niveau in den Diplom- und Magisterstudiengängen deutlich übersteigt, weisen Fachhochschulen generell eine niedrigere Abbruchquote auf. Große Unterschiede zeigen sich zudem zwischen den beiden Studienphasen. Während im Bachelorstudium mehr als ein Viertel der Studierenden das Studium abbricht, ist es in der Masterphase knapp ein Zehntel (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 131; Heublein et al. 2014). Wird also das Bachelorstudium erfolgreich abgeschlossen, erweist sich zumindest die Übergangsentscheidung in das Masterstudium als überwiegend tragfähig. Auch zwischen den Fachrichtungen gibt es erhebliche Unterschiede. Vor allem in den MINT-Fächern sind die Abbruchquoten sehr hoch, und zwar sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen – die höchsten finden sich im Bauingenieurwesen (Universität) und Elektrotechnik (Fachhochschule). Dagegen sind die Abbruchquoten in den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften deutlich niedriger (► Abb. 18.5). Diese fachspezifischen Unterschiede könnten eine erste Erklärung für die Geschlechterunterschiede beim Studienabbruch sein, denn Män-
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644 Bildungsverläufe im Hochschulbereich
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ner brechen ihr Studium insgesamt deutlich häufiger ab als Frauen (32 % zu 24 %; vgl. Heublein et al. 2014, Abb. A 1). Allerdings existiert dieser Geschlechterunterschied auch innerhalb von Studienfächern (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 301), weswegen die geschlechtstypische Studienfachwahl nicht der einzige Grund sein dürfte. 60
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Abb. 18.5: Abbruchquoten nach Hochschulinstitution und Studienfach 2012 (in %) (Quelle: Autorengruppe Bildungsbericht 2014) Anmerkung: Wirtschaftwissenschaften (Wiwi); Rechts-, Wirtschafts-, Sozialwissenschaften (RWS); Architektur (Arch); Sprach-, Kulturwissenschaften, Sport (KuSp); Sozialwissenschaften (SOZ); Agrar-, Forst-, Ernährungswissenschaften (AG); Ingenieurwissenschaften (Ing); Maschinenbau (Mas); Elektrotechnik (ET); Mathematik, Naturwissenschaften (Mat); Informatik (IT); Bauingenieurwesen (Bau)
Nach Sarcletti und Müller (2011) finden sich verschiedene Erklärungsansätze für den Studienabbruch. Die interaktionistische Perspektive (vgl. Tinto 1975) sieht die Integration von Studierenden an der Hochschule als entscheidenden Faktor. Grundannahme ist, dass Studierende durch die Interaktion mit anderen Studierenden und Lehrenden an der Hochschule Werte und Normen des akademischen Systems übernehmen und stärkere Unterstützung in Fragen des Studiums erfahren. Während die akademische Integration die Anpassung an und Verinnerlichung von Normen und Werten des Wissenschaftssystems umfasst, bezieht sich die soziale Integration auf die Einbindung in Freundschafts- und Bekanntschaftsnetzwerke unter Studierenden. Ein Studienabbruch wird umso wahrscheinlicher, je weniger die Studierenden akademisch und sozial integriert sind. Während diese Annahmen für den US-amerikanischen Raum mehrfach bestätigt wurden (vgl. Braxton und Lien 2000; Brax-
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Übergänge von der Hochschule in den Arbeitsmarkt 645 ton et al. 1997), steht eine systematische Analyse für Deutschland noch aus. Erste Hinweise liefern jedoch Untersuchungen zu Studienbedingungen und -qualität (vgl. Blüthmann et al. 2008). Gerade die Studienbedingungen in den Bachelorstudiengängen werden von den Studierenden massiv kritisiert. Dies ist ein erster Hinweis auf Probleme hinsichtlich der akademischen Integration und könnte eine Erklärung für die hohen Abbruchquoten in den Bachelorstudiengängen sein. Beanstandet werden insbesondere die zeitliche Plan- und Realisierbarkeit des Bachelorstudiums sowie die Strukturierung der Lehrveranstaltungen: Lernziele sind häufig nicht erkennbar, und es fehlt an Bezügen zwischen den einzelnen Veranstaltungsterminen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 133). Masterstudierende bewerten im Vergleich zu Bachelorstudierenden die Studienbedingungen insgesamt etwas besser. Zudem sind sie mit der didaktischen Vermittlung des Lehrstoffs, der Betreuung durch die Lehrenden, dem erreichten Wissen und Können sowie der Teilnehmerzahl in den Veranstaltungen etwas häufiger zufrieden (ebd.). Neben dem Mangel an akademischer und sozialer Integration kann ein Studienabbruch jedoch auch das Ergebnis einer rationalen Entscheidung sein (vgl. Sarcletti und Müller 2011). Wesentliche Einflussfaktoren sind hierbei die erwarteten Erträge anderer Bildungsalternativen, die (Un-)Sicherheit des Studienerfolgs und die erwarteten Kosten eines Abbruchs. Allerdings gibt es in Deutschland für diese Perspektive bislang kaum empirisch abgesichterte Erkenntnisse. Erste Ergebnisse stützen jedoch die Annahmen einer rationalen Entscheidungsfindung: So zeigt Bartels (2013), dass Studierende, die bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, die ihr Leistungsvermögen geringer beurteilen, die nicht ihr Wunschfach studieren konnten und die ihre Betreuungssituation als vergleichsweise schlecht beurteilen, ein höheres Studienabbruchrisiko aufweisen. Insbesondere die geringere Beurteilung der eigenen Leistungsbereitschaft, das Vorhandensein einer Berufsausbildung und eine schlechte soziale Integration erklären außerdem, warum Studierende aus weniger privilegierten Elternhäusern besonders häufig das Studium abbrechen (ebd.). Zudem können Heublein et al. (2003) zeigen, dass für die sozialen Unterschiede im Studienabbruch auch finanzielle oder krankheitsbedingte Gründe verantwortlich sind.
18.4 Übergänge von der Hochschule in den Arbeitsmarkt Doch trotz der vergleichsweise hohen Studiendauer und Studienabbruchquoten ist die Zahl der Hochschulabsolventinnen und -absolventen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Von 2002 bis 2012 hat sich deren Anzahl annähernd verdoppelt und betrug zuletzt fast 310.000 (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, 134). Dies zeigt sich auch an der Absolventenquote, die sich seit Mitte der 1990er Jahre stark erhöhte und sich mit inzwischen über 30 % dem
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646 Bildungsverläufe im Hochschulbereich OECD-Durchschnitt annähert (► Abb. 18.6). Wird diese Entwicklung nach Art des Studienabschlusses betrachtet, so nehmen die traditionellen Abschlüsse wie Diplom, Magister und Staatsexamen seit Anfang der 2000er Jahre kontinuierlich ab und die Bachelorabschlüsse kontinuierlich zu. Seit 2012 schließt die Mehrheit der Studierenden das Studium mit einem Bachelorabschluss ab (58 %). Darüber hinaus sind aufgrund der hohen Übergangsquoten ins Masterstudium in den nächsten Jahren steigende Anteile an Masterabsolventinnen und -absolventen zu erwarten.
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Absolventenquote
Traditionelle Universitätsabschlüsse
Bachelor (U)
Master (U)
Traditionelle Fachhochschulabschlüsse
Bachelor (FH)
Master (FH)
Abb. 18.6: Absolventenquote und Anteile an Studienabschlüssen 2000-2012 (in %) (Quelle: Autorengruppe Bildungsbericht 2010, 2014) Anmerkung: Absolventenquote = Anteil der Absolventinnen und Absolventen an der Bevölkerung des entsprechenden Alters. Es werden Quoten für einzelne Altersjahrgänge berechnet und anschließend aufsummiert
Nach Abschluss eines Hochschulstudiums stehen weitreichende Entscheidungen für das Erwerbsleben an: Auf welche Jobs soll ich mich bewerben? Wann soll ich mit dem Bewerben anfangen? Wie schnell finde ich einen Job? Im Grunde genommen werden auch in dieser Übergangsphase die gleichen Entscheidungsprozesse relevant, die wir eingangs bezüglich der Entscheidung für oder gegen die Aufnahme eines Studiums skizziert haben. Allerdings wird ein erfolgreicher Übergang in den Arbeitsmarkt zusätzlich durch prospektive Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber so-
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Übergänge von der Hochschule in den Arbeitsmarkt 647 wie die Arbeitsmarktsituation beeinflusst. Diese komplexe Übergangsphase von der Hochschule in den Arbeitsmarkt wird in den nachfolgenden Abschnitten genauer betrachtet. Hierbei werden zunächst die Arbeitsmarkterträge von Hochschulabsolventinnen und -absolventen im Vergleich zu geringer Qualifizierten präsentiert, anschließend wird auf die (in-)adäquate Beschäftigung beim Übergang von der Hochschule in den Arbeitsmarkt eingegangen, und abschließend werden die nach wie vor ausgeprägten Geschlechterungleichheiten bei den Arbeitsmarktchancen von Hochqualifizierten dargelegt. 18.4.1 Arbeitsmarkterträge von Hochschulabsolventinnen und -absolventen Hochschulabsolventinnen und -absolventen sehen sich heute einer widersprüchlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt gegenüber: Auf der einen Seite wird angesichts des Fachkräftemangels in einigen Berufsfeldern sowie des demografischen Wandels die Nachfrage nach akademisch ausgebildeten Personen hoch bleiben. Auf der anderen Seite gehen die stark steigenden Absolventenzahlen mit der Befürchtung einher, dass es vermehrt zu Problemen beim Übergang in die Erwerbstätigkeit kommt – insbesondere mit Blick auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse (vgl. Mayer 2008, Abschnitt 14.8). Auch sind die beruflichen Aussichten nach einem Bachelorabschluss ohne anschließendes Masterstudium noch wenig untersucht. Um die Arbeitsmarkterträge von Hochschulabsolventinnen und -absolventen im Vergleich zu geringer qualifizierten Personen besser verstehen zu können, wird häufig die Humankapitaltheorie herangezogen. Aus Sicht der klassischen Humankapitaltheorie (vgl. Becker 1962; Mincer 1974) führt jede Investition in Bildung zu einer Produktivitätssteigerung derjenigen Person, die investiert hat. Prospektive Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten sich für diejenigen Stellensuchenden entscheiden, die über das höchste Humankapital verfügen und damit die höchste Produktivität versprechen. Aus dieser Perspektive sollten folglich Hochschulabsolventinnen und -absolventen höhere Arbeitsmarkterträge erhalten (d. h. höhere Einkommen, bessere Erwerbschancen und Arbeitsbedingungen sowie geringere Arbeitslosigkeitsrisiken) als geringer qualifizierte Personen. Dies zeigt sich auch empirisch, denn in den letzten Jahren hatten Hochqualifizierte in Deutschland immer noch das geringste Arbeitslosigkeitsrisiko (► Abb. 18.7). So lag die Arbeitslosenquote der Erwerbspersonen mit Hochschulabschluss seit Beginn der 1990er Jahre konstant unter fünf Prozent – trotz der fortschreitenden Expansion des Hochschulsektors und einer zeitweise über zehn Prozent liegenden Gesamtarbeitslosigkeitsquote. Auch im internationalen Vergleich sind deutsche Akademikerinnen und Akademiker eher selten arbeitslos, weswegen in Deutschland ein Hochschulstudium weiterhin als bester Schutz vor Arbeitslosigkeit gilt.
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648 Bildungsverläufe im Hochschulbereich 30
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0 1990
1995 Insgesamt Mit Hochschulausbildung
2000
2005
2010
Mit abgeschlossener Ausbildung Ohne Ausbildung
Abb. 18.7: Arbeitslosenquoten 1991 bis 2012 nach Bildungsabschlüssen (in %) (Quelle: Autorengruppe Bildungsbericht 2014) Anmerkung: Arbeitslose aller zivilen Erwerbspersonen (ohne Auszubildende) gleicher Qualifikation
Doch auch jenseits von Arbeitslosigkeit bietet in Deutschland ein Hochschulstudium gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sowohl mit Blick auf Erwerbstätigkeit als auch auf das spätere Einkommen. So waren 2012 88 % der Hochschulabsolventinnen und -absolventen erwerbstätig, während die Erwerbstätigenquote von Personen ohne einen beruflichen Abschluss lediglich 58 % betrug (vgl. Autorengruppe Bildungsbericht 2014, Tab. I1-1A). Zudem sind Personen mit Hochschulabschluss häufiger vollzeitund seltener teilzeitbeschäftigt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tab. I1-6web). In Bezug auf die nach Bildung differenzierten Erwerbseinkommen, verdienen Personen mit Hochschulabschluss 70 % mehr als Personen mit Berufsausbildung (vgl. Allmendinger und von den Driesch 2014, 40). Zudem haben sich diese Verdienstunterschiede über die Zeit vergrößert: Im Vergleich der Jahre 2006 und 2010 verloren Geringqualifizierte gegenüber Personen mit mittlerer Qualifikation elf Prozentpunkte an Einkommen, während Hochqualifizierte neun Prozentpunkte gewannen (ebd., 42). Und auch im internationalen Vergleich ist die Bildungsrendite für jedes weitere Bildungsjahr in Deutschland relativ hoch. Es gibt allerdings auch einen Aspekt, bei dem Hochschulabsolventinnen und -absolventen (zumindest in den Anfangsjahren) weniger gut abschneiden. Dies betrifft das Risiko, befristet eingestellt zu werden (vgl. Schmeißer et al. 2012). Befristete Verträge bedeuten teilweise für die Beschäftigten geringere Verdienstmöglichkeiten (vgl. Giesecke 2009) und eine geringere Sicherheit hinsichtlich der weiteren Erwerbs- und
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Übergänge von der Hochschule in den Arbeitsmarkt 649 Familienplanung (vgl. Gebel und Giesecke 2009). Allerdings geht befristete Beschäftigung je nach Qualifikationsstufe mit unterschiedlichen Risiken im Lebensverlauf einher: Während befristete Verträge bei Hochqualifizierten früher oder später in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis münden, sind Personen ohne beruflichen Abschluss im Anschluss häufiger arbeitslos (vgl. Gebel und Giesecke 2011). Insgesamt bestätigen sich also die Annahmen der Humankapitaltheorie, dass die Arbeitsmarktaussichten von hoch qualifizierten Personen besser sind als die von geringer Qualifizierten – und das, obwohl mittlerweile immer mehr Personen einen Hochschulabschluss erwerben. Erträge von Bildung beschränken sich allerdings nicht nur auf den Arbeitsmarkt, sondern können auch nicht-monetäre Aspekte umfassen, wie z. B. Gesundheit, ehrenamtliches Engagement oder Kriminalität. So wäre aus theoretischer Sicht zu erwarten, dass ein höheres Bildungsniveau mit einer besseren Gesundheit, mehr ehrenamtlichem Engagement sowie weniger Kriminalität einhergeht. Empirisch lassen sich diese Annahmen jedoch nur zum Teil bestätigen. So finden sich nur in einigen Studien positive Effekte von Bildung auf Gesundheit, zudem fallen diese Effekte vergleichsweise gering aus (vgl. Mielck et al. 2012). Mit Blick auf das ehrenamtliche Engagement wird zwar ersichtlich, dass Hochqualifizierte häufiger ehrenamtlich tätig sind als geringer Qualifizierte (vgl. Strauß 2008, 213f ). Allerdings heißt das noch nicht, dass Bildung zu höherem Engagement führt, da sich höher qualifizierte Personen bereits vor und während ihrer Ausbildung stärker engagieren als andere (vgl. Lancee und Radl 2014, 848). Eindeutiger sind dagegen die Befunde des Einflusses von Bildung auf Kriminalität: So zeigt sich, dass gering qualifizierte Personen ein höheres Risiko haben, verurteilt zu werden und zudem häufiger Drogen konsumieren, alkoholabhängig sind sowie Schuldenprobleme haben (Entorf und Sieger 2010). Insofern bietet Hochschulbildung im Vergleich zu niedrigeren Bildungsabschlüssen nicht nur einen Schutz vor Arbeitslosigkeit und garantiert bessere Verdienst- und Beschäftigungschancen, sondern scheint zumindest zum Teil auch positiv mit Erträgen jenseits des Arbeitsmarktes zusammenzuhängen. 18.4.2 Beschäftigungsadäquanz von Hochschulabsolventinnen und -absolventen Zusätzlich zu den monetären und nicht-monetären Arbeitsmarkterträgen wird auch häufig die (in-)adäquate Beschäftigung von Hochschulabsolventinnen und -absolventen untersucht. Beschäftigungsadäquanz bezeichnet zunächst ganz allgemein die Übereinstimmung von erworbenen Qualifikationen mit den beruflichen Arbeitsanforderungen (vgl. Büchel 1998). In der Literatur wird häufig zwischen vertikaler und horizontaler (In-)Adäquanz unterschieden (vgl. Fehse und Kerst 2007; Plicht et al. 1994). Vertikale Adäquanz bezieht sich auf das Ausmaß, in dem das formale Ausbildungsniveau den Anforderungen des Arbeitsplatzes entspricht und mit entsprechenden Status- bzw. monetären Erträgen einhergeht. Bei Hochschulabsolventinnen und -absolventen ist dies beispielsweise der Fall, wenn sie eine
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650 Bildungsverläufe im Hochschulbereich Stelle besetzen, für die ein Hochschulabschluss erforderlich ist. Horizontale Adäquanz bzw. Fachadäquanz zielt dagegen auf die Passung der spezifischen Fachqualifikationen mit der ausgeübten Tätigkeit ab und liegt vor, wenn konkrete Ausbildungs- oder Studieninhalte im Beruf tatsächlich Verwendung finden. Im Sinne der klassischen Humankapitaltheorie wäre zu erwarten, dass akademisch ausgebildete Personen häufiger adäquat beschäftigt sind als geringer qualifizierte. Dies zeigt sich auch empirisch, da in Deutschland ein Jahr nach Studienabschluss lediglich zehn bis 15 % der Absolventinnen und -absolventen vertikal inadäquat beschäftigt sind. Vergleicht man die Entwicklung während der ersten zehn Jahre nach Abschluss des Studiums, so verringert sich der Anteil inadäquater Beschäftigung jedoch nur um wenige Prozentpunkte und liegt immer noch bei 7-10 % (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tab. F5-13 web). Damit sind in Deutschland zwar im europäischen Vergleich insgesamt relativ wenig Personen nach dem Studium vertikal inadäquat beschäftigt, jedoch gibt es auch weniger Möglichkeiten, diesen Zustand zu verändern (vgl. Verhaest und van der Velden 2013). Des Weiteren existieren Unterschiede in der Beschäftigungsadäquanz zwischen Hochschularten, -abschlüssen und Studienfächern. Insofern reicht die Humankapitaltheorie als alleinige Erklärung für Unterschiede in der Beschäftigungsadäquanz innerhalb der Gruppe der Hochqualifizierten nicht aus. Mit Hilfe der Signaltheorie (vgl. Spence 1973) ließe sich stattdessen vermuten, dass unterschiedliche Hochschulabschlüsse, sei es nach Hochschulart oder Studienfach, auf dem Arbeitsmarkt auch als unterschiedliche Signale für die Produktivität von Arbeitskräften interpretiert und auf dem Arbeitsmarkt entsprechend honoriert werden. Im Zuge der Bildungsexpansion hat auch die institutionelle Differenzierung von Hochschulsystemen zugenommen (► 17.2.2; vgl. Teichler 2002) und zwar sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Hinsicht: Die vertikale Differenzierung betont Statusunterschiede zwischen einzelnen Hochschularten und -abschlüssen, die mit einem „mehr“ oder „weniger“ der Ressourcen, mit einer „höheren“ oder „niedrigeren“ Qualität der Inhalte oder Unterschieden in der Reputation einhergehen. Die horizontale Differenzierung bezeichnet inhaltliche Unterschiede zwischen Hochschulinstitutionen nach fachlicher Ausrichtung oder curricularen Profilen (vgl. Leuze und Allmendinger 2008). Mit Hilfe der Signaltheorie kann nun davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsmarkterträge unterschiedlicher Hochschultypen und -abschlüsse umso unterschiedlicher ausfallen, je stärker ein Hochschulsystem differenziert ist. Eine vertikale Differenzierung lässt sich in Deutschland sowohl zwischen Universitäten und Fachhochschulen und zunehmend zwischen Bachelor- und Masterabschlüssen finden. Dies spiegelt sich in der Beschäftigungsadäquanz der jeweiligen Studierendengruppen wieder (► Abb. 18.8). Zum einen sind Absolventinnen und -absolventen von Fachhochschulen generell seltener vertikal adäquat beschäftigt als diejenigen von Universitäten (vgl. Leuze 2010; Leuze und Allmendinger 2008). Zum anderen ist auffällig, dass sich mit der Einführung der Bachelorabschlüsse auch die
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Übergänge von der Hochschule in den Arbeitsmarkt 651 vertikale Beschäftigungsadäquanz von Universitätsabsolventinnen und -absolventen verschlechtert hat: Ein Jahr nach Abschluss halten bei den Bachelorabsolventinnen und -absolventen des Abschlussjahrgangs 2009 nur noch 19 % der Erwerbstätigen einen Hochschulabschluss für zwingend erforderlich. Allerdings ist die Vergleichbarkeit von Bachelorabsolvent*innen mit den traditionellen Abschlüssen nur zum Teil gegeben. So zeigt eine Absolventenbefragung fünf Jahre nach Studienabschluss nun erstmals, dass die Beschäftigungsadäquanz eines Masterstudiums mit der von traditionellen Abschlüssen vergleichbar ist (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Abb. F5-3A). Offensichtlich hat die vertikale Differenzierung der gestuften Studienabschlüsse auch Auswirkungen auf die Signalwirkung der Abschlüsse, wenngleich hier weiterführende Untersuchungen über die genauen Ursachen notwendig sind.
Universitäten: Hochschulabschluss ist für die gegenwärtige Erwerbstätigkeit …
Fachhochschulen: Hochschulabschluss ist für die gegenwärtige Erwerbstätigkeit …
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0 1997 Traditionell
2001 Traditionell
2005 Traditionell
2009 Traditionell
2009 Bachelor
1997 Traditionell
2001 Traditionell
2005 Traditionell
2009 Traditionell
2009 Bachelor
Zwingend erforderlich
Die Regel
Zwingend erforderlich
Die Regel
Von Vorteil
Ohne Bedeutung
Von Vorteil
Ohne Bedeutung
Abb. 18.8: Vertikale Beschäftigungsadäquanz nach Hochschulart und Abschluss (in %) (Quelle: Autorengruppe Bildungsbericht 2014) Anmerkung: Beschäftigungsadäquanz etwa ein Jahr nach dem Studienabschluss 1997, 2001, 2005 und 2009 nach Art der Hochschule, basierend auf den DZHW Absolventenstudien
Auch Studienfächer können aufgrund ihrer horizontalen Differenzierung mit unterschiedlichen Signalwirkungen für adäquate Beschäftigung einhergehen. Diese Differenzierung lässt sich durch die Unterscheidung von allgemeinem und spezifischem Humankapital erklären. Während allgemeines Humankapital in vielen verschiedenen Unternehmen und Berufen zum Einsatz kommen kann, ist spezifisches Humankapital nur in der Firma oder dem Beruf anwendbar, für die oder den es erworben wurde (vgl. Becker 1962). Da Deutschland ein System mit hoher Berufsspezifität ist, in dem die berufliche Spezialisierung durch die Ausbildung komplementär zu einem entlang von Berufen und Branchen segmentierten Arbeitsmarkt ist (vgl. Lutz und Sengenberger 1980), geht spezifisches Humankapital mit höheren Arbeitsmarkterträgen einher als allgemeines Humankapital.
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652 Bildungsverläufe im Hochschulbereich Dies hat zur Folge, dass Studienfächer, die sehr spezifisch auf einen bestimmten Beruf vorbereiten, mit einer höheren vertikalen und horizontalen Beschäftigungsadäquanz einhergehen. So sind Absolventinnen und Absolventen der eher anwendungsorientierten technischen und naturwissenschaftlichen Fächer sowie der Fachrichtungen, die spezifisch auf die Arbeit in den klassischen Professionen vorbereiten, wie z. B. Medizin, Rechtswissenschaft oder Lehramt, häufiger volladäquat beschäftigt (vgl. Grotheer et al. 2012; Leuze et al. 2008). Deutlich größere Probleme haben dagegen die eher unspezifisch ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen der Sozial- und Geisteswissenschaften (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Abb. F5-3A). Daneben gibt es weitere Faktoren, die das Risiko inadäquater Beschäftigung erhöhen: Absolventinnen und Absolventen aus einem weniger privilegierten Elternhaus, mit einer Berufsausbildung vor dem Studium, ohne fachnahe Tätigkeit während des Studiums, mit schlechteren Abschlussnoten sowie mit einer längeren Studiendauer sind häufiger inadäquat beschäftigt, insbesondere wenn sie in Teilzeit- oder geringfügiger Beschäftigung sind und nicht im öffentlichen Dienst arbeiten (vgl. Fehse und Kerst 2007; Plicht et al. 1994). Eine systematische Untersuchung der zugrunde liegenden Mechanismen steht allerdings noch aus. 18.4.3 Geschlechterungleichheiten im Arbeitsmarkt von Hochqualifizierten Eine der grundlegendsten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt der letzten Jahrzehnte stellt die kontinuierlich zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen dar. Dieser Trend wird oft durch ein verändertes Arbeitsmarktverhalten der Frauen erklärt, denn ein zunehmender Anteil bleibt durchgehend erwerbstätig, auch während der Betreuung von Kindern und älteren Verwandten. Zusätzliche sektorale Veränderungen in der Wirtschaft, wie die Verlagerung der Beschäftigung vom Landwirtschafts- und Industrie- hin zum Dienstleistungssektor, haben die Erwerbstätigkeit von Frauen ebenfalls erhöht (vgl. OECD 2002, 66f ). Als wichtigste treibende Kraft für diese Entwicklung wird jedoch oft das gestiegene durchschnittliche Bildungsniveau von Frauen angeführt (vgl. Bassanini und Duval 2006). Dabei gilt Deutschland als Nachzügler: Weibliche Hochschulabsolventen übertreffen die männlichen zahlenmäßig erst seit 2006 mit einem Anteil von 52 % (vgl. OECD 2008, 90). Seitdem wächst ihr Anteil jedoch stetig an. Demzufolge sind Frauen mit Hochschulabschluss gegenüber den Frauen mit niedrigeren Qualifikationen zwar öfter erwerbstätig, allerdings immer noch deutlich seltener als hochqualifizierte Männer (vgl. Allmendinger et al. 2008; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tab. I1-1A). Zudem arbeiten akademisch gebildete Frauen im Vergleich zu geringer qualifizierten seltener in Teilzeit, aber sehr viel häufiger als ihre männlichen Kollegen (34 % vs. 19 %; vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Tab. I1-6web). Häufige Gründe für die Teilzeitbeschäftigung von Frauen sind deren Zuständigkeit für die Betreuung von Kindern oder anderen betreuungs-/
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Übergänge von der Hochschule in den Arbeitsmarkt 653 pflegebedürftigen Personen sowie Hausarbeit, und zwar unabhängig vom Qualifikationsniveau. Verstärkt wird dies in Deutschland durch die vergleichsweise schlecht ausgebaute Betreuungsinfrastruktur, vor allem für Kinder unter drei Jahren, die gemeinsame steuerliche Veranlagung von Ehepartnern sowie konservative Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern (Hipp und Leuze 2015). Vergleicht man Deutschland mit Staaten wie Schweden oder Frankreich, zeigt sich, dass hier das Arbeitskräftepotenzial von (hochqualifizierten) Frauen (noch) nicht voll ausgeschöpft wird. Auch mit Blick auf Beschäftigungsadäquanz sind Frauen mit Hochschulabschluss nach wie vor benachteiligt: Hochschulabsolventinnen sind häufiger vertikal inadäquat beschäftigt (vgl. Fehse und Kerst 2007), durchlaufen längere Übergangsphasen vor dem Erhalt eines regulären Arbeitsvertrags (vgl. Smyth 2005), haben geringere Chancen auf eine Managementposition (vgl. Ochsenfeld 2012), dafür aber ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko (vgl. Reimer und Steinmetz 2009). Hinzu kommt, dass Frauen mit Hochschulabschluss zwar mehr verdienen als Frauen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, Tab. I1-8web), jedoch immer noch wesentlich weniger als Männer mit vergleichbaren Bildungsabschlüssen (vgl. Leuze und Strauß 2009; Ochsenfeld 2014). So beträgt die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen fünf Jahre nach Abschluss 11.000 Euro pro Jahr bei Absolventinnen und Absolventen von Universitäten und 12.000 Euro bei denjenigen von Fachhochschulen. Zudem gibt es Unterschiede je nach studiertem Fach. So haben besonders Absolventinnen der Wirtschaftswissenschaften und der Ingenieurwissenschaften deutliche finanzielle Nachteile gegenüber männlichen Absolventen, während die Geschlechterunterschiede im Einkommen in der Humanmedizin, in naturwissenschaftlichen Fächern und im Bereich des Lehramts am geringsten sind (vgl. Grotheer et al. 2012, 131f ). Häufig werden diese Geschlechterungleichheiten unter Hochqualifizierten auf die geschlechtstypische Studienfach- und Berufswahl zurückgeführt (► 18.2.2), da es vor allem frauendominierte Studienfächer und Berufe sind, die mit geringeren Arbeitsmarkterträgen einhergehen (vgl. z. B. Leuze und Strauß 2009, 2014; Ochsenfeld 2014). Demzufolge entscheiden sich Frauen bewusst für weniger lukrative Fächer, da sie im weiteren Erwerbsverlauf familienbedingte Erwerbsunterbrechungen antizipieren (Ochsenfeld 2012, 2014). Zum anderen wird argumentiert, dass frauentypische Studienfächer gesellschaftlich weniger wertgeschätzt werden (Leuze und Strauß 2009, 2014), da diese häufig mit Erziehungs-, Fürsorge- und Dienstleistungstätigkeiten einhergehen, die Frauen auch unentgeltlich im Haushaltskontext erbringen und die daher auch im Arbeitsmarkt weniger entlohnenswert erscheinen (England 1992). Insofern sind in Deutschland nicht nur die traditionelle geschlechtstypische Aufteilung von Erwerbs- und Hausarbeit sowie die mangelnde institutionelle Unterstützung der erwerbstätigen Mütter ausschlaggebend für die Benachteiligung von hochqualifizierten Frauen, sondern auch die gesellschaftliche Abwertung von Studienfächern und Berufen, die überwiegend von Frauen gewählt
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654 Bildungsverläufe im Hochschulbereich
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werden. Wie genau diese Abwertungsprozesse funktionieren und inwiefern gegenwärtige familienpolitische Reformen dazu geeignet sind, die innerpartnerschaftliche Arbeitsteilung zu verändern, gilt es in künftiger Forschung zu untersuchen.
18.5 Künftige Herausforderungen für die Bildungspotenziale der Hochschulbildung Im Zuge der Bildungsexpansion und Differenzierung des Hochschulsystems haben sich die Rahmenbedingungen der angehenden Studierenden grundlegend verändert. Inzwischen erhalten fast 50 % einer Alterskohorte die Möglichkeit, ein Studium aufzunehmen und damit entsprechende Bildungspotenziale zu entwickeln. Allerdings erfordern die vielfältigen Optionen beim Übergang von der Schule in die Hochschule von den Studienberechtigten Entscheidungen, die mit weitreichenden Konsequenzen hinsichtlich ihrer weiteren Bildungs- und Erwerbskarriere verbunden sind. Welche Auswirkungen die zunehmenden Studienanfängerzahlen und veränderten Rahmenbedingungen auf die Qualität der Hochschullehre und die Arbeitsmarktbedingungen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen haben, ist ein Thema, welches die Hochschulforschung in den vergangenen Jahren beschäftigt hat und auf absehbare Zeit beschäftigen wird. Mit Blick auf die eingangs identifizierten Bildungspotenziale wird vor allem der Anspruch der gleichen Zugangschancen im Hochschulbereich nicht erreicht. Insofern stellen die weiterhin zu beobachtenden geschlechts- und herkunftsspezifischen Unterschiede beim Übergang von der Schule in die Hochschule eine Problematik dar, die vor dem Hintergrund der Fachkräftemangeldiskussion eine Nichtausschöpfung vorhandener Potenziale bedeutet und mit der Verschiebung der Ungleichheitsmechanismen von den früheren auf die späteren Bildungsübergänge im Hochschulbereich zunehmend an Relevanz gewinnt. Zudem ist die Entscheidung gegen ein Studium mit langfristigen individuellen Konsequenzen im Lebens- und Erwerbsverlauf verbunden. Welche Auswirkungen diesbezüglich die Exzellenzinitiative und die zunehmende Differenzierung von Hochschulinstitutionen haben, wird die künftige Forschung empirisch erst noch zeigen müssen. Generell steht die Hochschulforschung vor der Herausforderung, über die Identifikation der zugrundeliegenden Prozesse und Mechanismen bildungspolitische Handlungsoptionen aufzuzeigen, die es ermöglichen, die vorliegenden Bildungspotenziale besser zu nutzen. Darüber hinaus gilt es in den nächsten Jahren, die bereits getätigten bildungspolitischen Maßnahmen zu evaluieren. Beim Studienverlauf werden die in der Bologna-Reform verankerten Internationalisierungspotenziale des Studiums immer weiter vorangetrieben. Allerdings zeigt sich auch hier die weiterhin ungleiche Ausschöpfung vorhandener Potenziale. Die finanziellen Barrieren und sprachlichen Anforderungen halten insbesondere Studierende aus unteren Sozialgruppen von der Aufnahme eines Auslandsstudiums ab. Um die
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Künftige Herausforderungen 655 sozialen Unterschiede in der Auslandsmobilität abzubauen, ist es daher nicht nur erforderlich, an den Hochschulen entsprechende Austauschprogramme anzubieten, sondern es bietet sich an, bereits in der Schule anzusetzen, um zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen gleiche Voraussetzungen zu schaffen, beispielsweise hinsichtlich der Sprachkompetenzen oder frühen Auslandserfahrungen. Auch beim Übergang vom Bachelor- ins Masterstudium lässt sich eine ungleiche Ausschöpfung der Bildungspotenziale verschiedener Studierendengruppen erkennen. Obwohl das Masterstudium entgegen der Bologna-Ziele von einer Mehrheit der Bachelorabsolventinnen und -absolventen aufgenommen wird, zeigen sich in zunehmendem Maße individuelle und institutionelle Zugangshürden für Studierende aus weniger privilegierten Familien. Gleiches gilt für den Studienabbruch, der bei Bachelorstudiengängen noch häufiger auftritt als bei traditionellen Studiengängen. Wenngleich noch wenig systematische Forschung zu den Ursachen in Deutschland vorliegt, gibt es erste Hinweise, dass auch hier besondere Probleme für Studierende aus weniger privilegierten Familien bestehen. Die beobachtbaren herkunftsspezifischen Unterschiede am Bachelor-/Masterübergang und beim Studienabbruch geben insofern Anlass zur Sorge, da die vorliegenden Bildungspotenziale im Hochschulbereich nicht effizient genutzt werden. Wird mit der neuen Studienstruktur tatsächlich das Ziel erreicht, die sozialen Ungleichheiten im Hochschulbereich abzubauen? Aus den vorliegenden Ergebnissen entsteht vielmehr der Eindruck, dass sich mit dieser zusätzlichen Selektionshürde die Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem verstärken. Die Ausführungen zum Übergang von der Hochschule in den Arbeitsmarkt machen deutlich, dass gerade im Vergleich zu geringer qualifizierten Personen Hochschulen noch immer sehr gut auf den Arbeitsmarkt vorbereiten und insofern das Potenzial der Vermittlung arbeitsmarktrelevanter Kenntnisse und Fähigkeiten hinreichend ausschöpfen. Dies zeigt sich sowohl mit Blick auf Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit als auch beim Beschäftigungsumfang, beim Einkommen und hinsichtlich einer adäquaten Beschäftigung. Allerdings gibt es auch zunehmend Probleme, was den direkten Einstieg in den Arbeitsmarkt anbelangt, vor allem mit Blick auf befristete Beschäftigungsverhältnisse. Zwar kann nach wie vor nicht von einer „Generation Praktikum“ gesprochen werden, da sich solche befristeten und zum Teil schlecht entlohnten Einstiegspositionen bislang als Übergangsphänomen entpuppt haben. Nichtsdestotrotz zeigt die Forschung, dass es in Deutschland sehr stark auf einen gelungenen Arbeitsmarkteinstieg ankommt, da (in-)adäquate Erstplatzierungen in sehr hohem Maße den weiteren Erwerbsverlauf beeinflussen. Insofern geben insbesondere die schlechteren Arbeitsmarktaussichten von Bachelorabsolventinnen und -absolventen Anlass zur Sorge. Hier scheinen die ehemals gut ausgeschöpften Potenziale der Hochschulbildung beim Übergang in den Arbeitsmarkt systematisch abzunehmen, da ein Bachelorabschluss offensichtlich nicht mehr als Garant für adäquate Beschäftigung angesehen wird. Daher ist das Investitionsverhalten der Studierenden in einen weiteren Masterabschluss durchaus verständlich, da sich mit dieser Strategie die Arbeitsmarkterträge eines Hochschul-
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656 Bildungsverläufe im Hochschulbereich studiums am besten sichern lassen. Allerdings ist es zu früh, die Wertigkeit von Bachelor- und Masterabschlüssen im Arbeitsmarkt abschließend zu beurteilen, da zwar im Hochschulsystem die Umstellung auf die gestuften Studiengänge nahezu abgeschlossen ist, sich jedoch bislang nur wenige Absolventinnen und Absolventen mit den neuen Abschlüssen auf dem Arbeitsmarkt befinden. Die künftige Forschung hat hier die Aufgabe, mögliche Veränderungen in den Arbeitsmarkterträgen von Hochqualifizierten in den Blick zu nehmen und zu erklären. Daneben bleibt jedoch vor allem das Arbeitsmarktpotenzial von Frauen mit Hochschulabschluss weiterhin unterausgeschöpft. Zwar sind junge Frauen heute im Hochschulbereich erfolgreicher als junge Männer, doch schon beim Berufseinstieg und mit Blick auf die weitere akademische Karriere ändert sich das Bild zuungunsten der Frauen. Als entscheidende Erklärung der Geschlechterungleichheiten im Arbeitsmarkt von Hochqualifizierten erweist sich – neben der bekannten Problemlage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – die geschlechtstypische Studienfach- und Berufswahl, da typische „Frauenfächer“ und „Frauenberufe“ systematisch mit schlechteren Karrierechancen einhergehen. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob Frauen einfach nur anders wählen müssten, wie die Selektionsperspektive in bestimmte Studienfächer impliziert, oder ob es nicht vielmehr eines gesellschaftlichen Wandels der Wertigkeit von typischen Frauentätigkeiten im Arbeitsmarkt bedarf. Insgesamt bleibt also die Ausschöpfung der Potenziale deutscher Hochschulbildung in vielen Bereichen hinter den eingangs formulierten Erwartungshaltungen zurück. Somit bleibt abzuwarten, inwiefern künftige Reformen der Hochschul-, Arbeitsmarkt- und Familienpolitik geeignet sind, dies zu verbessern.
Kernreferenzen • Lörz, M., Quast, H. & Roloff, J. (2015). Konsequenzen der Bologna-Reform: Warum bestehen auch am Übergang vom Bachelor- ins Masterstudium soziale Ungleichheiten? Zeitschrift für Soziologie, 44(2), 137-155. • Leuze, K. & Strauß, S. (2009). Lohnungleichheiten zwischen Akademikerinnen und Akademikern: Der Einfluss von fachlicher Spezialisierung, frauendominierten Fächern und beruflicher Segregation. Zeitschrift fur Soziologie, 38(4), 262-281. • Schindler, S. (2014). Wege zur Studienberechtigung – Wege ins Studium? Eine Analyse sozialer Inklusions- und Ablenkungsprozesse. Wiesbaden: Springer VS. • Sarcletti, A. & Müller, S. (2011). Zum Stand der Studienabbruchforschung. Theoretische Perspektiven, zentrale Ergebnisse und methodische Anforderungen an künftige Studien. Zeitschrift für Bildungsforschung, 1(3), 235-248.
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Literatur 657
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| 663 19 Lehrerbildung Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Sigrid Blömeke
Zusammenfassung Lehrkräfte stellen einen zentralen Bedingungsfaktor guten Unterrichts dar (Hattie 2009). Ihre Ausbildung stellt daher ein bedeutsames Bildungspotenzial dar, um die Qualität des deutschen Schulsystems weiter anzuheben. Im vorliegenden Kapitel werden zunächst zwei theoretische Modelle zur mehrdimensionalen Struktur der professionellen Kompetenz von Lehrkräften dargestellt und welche Effekte individuelle, institutionelle und systemische Merkmale auf die Kompetenzentwicklung während der Lehrerbildung haben. Ein Fokus liegt auf den kognitiven Kompetenzfacetten und den institutionell angebotenen Lerngelegenheiten. Anschließend erfolgt eine Darstellung der historischen Entwicklung der Lehrerbildung im 19. und 20. Jahrhundert, wobei eine Unterscheidung von Volksschul- und Gymnasiallehrerausbildung sowie nach 1945 von der Entwicklung in den alten und neuen Bundesländern erfolgt. Vor dem Hintergrund des theoretischen Rahmens und der historischen Entwicklung erfolgt im nächsten Schritt eine Herausarbeitung zentraler Strukturmerkmale der gegenwärtigen Lehrerbildung in den 16 Bundesländern. Anschließend werden die vorliegenden empirischen Erkenntnisse zu ihrer Wirksamkeit zusammengefasst. In beiden Kapiteln stellt die Identifikation von Bildungspotenzialen einen Schwerpunkt dar. Deutlich wird, dass die Ausbildung der Grund- und Sekundarstufen-I-Lehrkräfte in mehreren Bundesländern in den letzten Jahren bereits an die Dauer der Gymnasiallehrerausbildung angeglichen worden ist, um das vorhandene Potenzial besser auszunutzen. Die Verknüpfung der ersten und zweiten Phase macht durch die Etablierung von Zentren für Lehrerbildung und die gemeinsame Verantwortung für das Praxissemester ebenfalls Fortschritte, und die Standards für die Lehrerbildung zielen darauf, eine Kompetenzorientierung auch in diesem Bildungsbereich zu erreichen. Ungenutztes Bildungspotenzial liegt in der Verringerung bzw. Vermeidung von Quer- und Seiteneinsteigern, geht fachfremder Unterricht doch signifikant mit geringeren Schülerleistungen einher. Eine weitere Stärkung der Fachlichkeit birgt
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664 Lehrerbildung ebenfalls noch Potenzial. In vielen Ländern vor allem der PISA-Sieger werden Lehrkräfte für die oberen Jahrgangsstufen als Ein-Fach-Lehrer ausgebildet. Unerschlossenes Bildungspotenzial liegt zudem in einer stärkeren Selektivität zu Beginn der Lehrerbildung, da die Abiturnote und das eingangs vorliegende Wissensniveau vorhersagen, welche Kompetenzen angehende Lehrkräfte im Laufe der Lehrerbildung entwickeln. Allerdings ist es für eine effektive Selektion notwendig, den Bewerberpool hinreichend groß zu gestalten, sodass eine Auswahl möglich wird und Quer- bzw. Seiteneinstiege vermieden werden. Eine gezielte Rekrutierungsstrategie mit Breitenwirkung, die bisher eher berufsferne Gruppen wie beispielsweise Migrant*innen für den Lehrerberuf gewinnt, lässt sich derzeit aber nicht erkennen.
19.1 Einführung Lehrkräfte stellen einen zentralen Bedingungsfaktor guten Unterrichts dar (Hattie 2009). Ihre Ausbildung stellt daher ein Potenzial dar, die Qualität des deutschen Schulsystems weiter anzuheben. Damit Lehrkräfte das Unterrichten erlernen können, werden von Seiten des Staates umfangreiche Lerngelegenheiten bereitgestellt, vornehmlich während der Erstausbildung an Universitäten und Studienseminaren. Das Erreichen und Beibehalten hoher Unterrichtskompetenz setzen aber auch Entwicklungsprozesse und Fortbildung während des Berufslebens voraus, vor allem in der Phase des Berufseinstiegs. Im vorliegenden Beitrag wird die deutsche Lehrerbildung in ihrer Geschichte und ihren zentralen Strukturmerkmalen beschrieben sowie auf ihre Wirkungen hin analysiert. Dabei wird auch die Position Deutschlands im internationalen Vergleich beleuchtet. Einen solchen Überblick theoretisch und empirisch fundiert zu erstellen ist erst seit einigen Jahren möglich. Strukturfragen haben in der Diskussion um die Gestaltung der Lehrerbildung oft eine Rolle gespielt (Terhart 2008). Lange Zeit war die Diskussion aber vor allem von Meinungen und ideologischen Kontroversen geprägt und erfolgte wenig datengestützt. Selbst systematische Informationen zur Struktur über die 16 Bundesländer hinweg waren aufgrund des Bildungsföderalismus nur schwer zu erhalten. Dies hat sich geändert. Die Kultusministerkonferenz legt mittlerweile jährlich einen Bericht zum „Sachstand in der Lehrerbildung“ vor, dem Strukturinformationen entnommen werden können (KMK 2014), während das „Panel zum Lehramtsstudium“ (PaLea) zur Aufklärung konkret wahrgenommener Ausbildungsinhalte beiträgt (Bauer et al. 2011). Mit der „Teacher Education and Development Study: Learning to Teach Mathematics (TEDS-M)“, an der Deutschland 2008 teilnahm, liegen erstmals auch Informationen dazu vor, welche Kompetenzen angehende deutsche Lehrkräfte im internationalen Vergleich erworben haben (Blömeke et al.
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Theoretischer Rahmen 665 2010a, 2010b). Weitere Studien wie jene zum „Kompetenzerwerb von Lehramtskandidat(inn)en im Vorbereitungsdienst“ (COACTIV Referendariat), „Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung (BilWiss)“ oder das Forschungsprogramm „Kompetenzmodellierung und Kompetenzmessung im Hochschulsektor (KoKoHs)“ haben Daten zu Teilbereichen der Lehrerbildung bereitgestellt. Auf diese Quellen konnte Terhart (2008) für die Erstellung der Vorgängerversion dieses Kapitels noch nicht zurückgreifen, sodass er ein erhebliches Defizit an Lehrerbildungsforschung ausmachte. Seither hat aber auch die theoretische Modellierung der Kompetenzen von Lehrkräften, welche Merkmale deren Entwicklung beeinflussen und wie die Transformation von Kompetenz in Performanz vonstattengeht, Fortschritte gemacht (siehe die Reviews Blömeke, Gustafsson et al. 2015; Scheerens und Blömeke 2016). Im Folgenden wird zunächst dieser theoretische Rahmen vorgestellt, bevor die Geschichte der Lehrerbildung und zentrale Strukturprobleme thematisiert werden. Eine Darstellung der empirischen Ergebnisse zur Wirksamkeit der Lehrerbildung sowie aktueller Spannungsfelder und zukünftiger Perspektiven schließen den Beitrag ab.
19.2 Theoretischer Rahmen 19.2.1 Professionelle Kompetenz von Lehrkräften Im Anschluss an Weinert (1999) wird die professionelle Kompetenz von Lehrkräften als mehrdimensionales Konstrukt angesehen (► Abb. 19.1 und ► Glossar). Kognitive Facetten sind das fachwissenschaftliche, fachdidaktische und pädagogisch-psychologische Wissen (Shulman 1985; Baumert und Kunter 2006). Sie stellen relativ stabile Dispositionen dar, die am Ende der Lehrerausbildung – weitgehend kontextfrei und noch disziplinär strukturiert – das Potenzial einer Lehrperson darstellen (Jenßen et al. 2015). Die Realisierung dieses Potenzials in unterschiedlichen Situationen – z. B. je nach Klassenkomposition oder Unterrichtszielen – hängt von Kompetenzmerkmalen ab, die stärker situationsspezifisch geprägt sind: den Wahrnehmungs- (perception), Interpretations- (interpretation) und Entscheidungsfindungsfähigkeiten der Lehrkräfte (decision making; P-I-D; Blömeke, Gustafsson et al. 2015; ► Abb. 19.2; siehe auch als vergleichbaren Ansatz Sherin et al. 2011). Zugleich verändert sich aber auch die in der Ausbildung erworbene Wissensstruktur von Lehrpersonen durch die Praxiserfahrung, indem die verschiedenen Wissensfacetten stärker miteinander verschmelzen, was als Herausbildung von Expertise bezeichnet wird (Weinert et al. 1990).
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666 Lehrerbildung Professionelle Kompetenz
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(Weinert 1999)
Affektiv-motivationale Charakteristika
Professionelles Wissen
Fachwissen
Pädagogisches Wissen
(Shulman 1987)
Fachdidaktisches Wissen
Überzeugungen - fachbezogen - unterrichtsbezogen - schulbezogen
- Berufsmotivation - Persönlichkeit (z. B. Selbstwirksamkeit)
(Richardson 1996; Thompson 1992)
Abb. 19.1: Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften
Disposition
Situationsspezifische Fähigkeiten
Professionelles Wissen
Wahrnehmung
Interpretation Affektivmotivationale Charakteristika
Performanz
Beobachtbares Handeln
Entscheidungsfindung
Abb. 19.2: Modell der Transformation von Kompetenz in Performanz, vermittelt über situationsbezogene Fähigkeiten
19.2.2 Wirkungen der Lehrerbildung Die Lehrerbildung steht vor der Herausforderung, dieses komplexe Konstrukt aus stabilen und situationsspezifischen sowie fachbezogenen und fachübergreifenden pädagogisch-psychologischen Kognitionen sowie affektiv-motivational-sozialen Facetten theoretisch und praktisch grundzulegen. Theorie und Praxis, Fach und Pädagogik sowie kognitive und nicht-kognitive Merkmale stellen entsprechend zentrale
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Geschichte der Lehrerbildung in Deutschland 667 Spannungsfelder dar. Wie erfolgreich die Lehrerbildung in der Bewältigung dieser Spannungsfelder ist, untersucht die Effektivitätsforschung (Scheerens und Blömeke 2016), die die Wirkungen der in der Lehrerbildung zur Verfügung gestellten Lerngelegenheiten (opportunities to learn, OTL) auf die Kompetenzentwicklung betrachtet. Heute realisiert die deutsche Lehrerausbildung die entsprechenden Lerngelegenheiten weitgehend nach dem Prinzip der Trennung, indem Theorie und Praxis in zwei hintereinander geschalteten Phasen an Universitäten bzw. Pädagogischen Hochschulen sowie Studienseminaren bzw. Ausbildungsschulen gelehrt werden, die nach Binnenstruktur, Regelungsdichte, Leitideen und Personal sehr unterschiedlich organisiert sind. Aber auch die drei Wissensfacetten werden oft separat gelehrt, indem sie unterschiedlichen Fakultäten überantwortet sind. Dahinter steht die Idee, dass eine qualitativ hochwertige Ausbildung nur von den jeweiligen Spezialisten geleistet werden kann. Die historische Entwicklung kannte aber auch integrierte Organisationsformen.
19.3 Geschichte der Lehrerbildung in Deutschland Mit der Herausbildung der Institution Schule im 17. und 18. Jahrhundert bildete sich gleichzeitig die neue Aufgabe heraus, Gruppen von Schülerinnen und Schülern systematisch zu unterweisen (vgl. hier und im Folgenden Blömeke 2009b). Entsprechend der Unterscheidung von niederem und höherem Schulwesen entwickelten sich zwei Berufsgruppen mit unterschiedlichen Merkmalen (Sandfuchs 2004). 19.3.1 Geschichte der Gymnasiallehrerausbildung vor 1945 Der Beruf des Gymnasiallehrers wurde früh den bürgerlichen Schichten zugerechnet. Das Allgemeine Landrecht in Preußen setzte diese Privilegierung 1794 in formales Recht um, indem Lehrer an höheren Schulen nicht der ständischen Justiz unterstanden und ihre Söhne keinen Militärdienst leisten mussten (Herrlitz et al. 2001). Schnell wurde auch deutlich, dass für den neuen Beruf eine Ausbildung erfolgen musste. Nach Vorarbeiten von Friedrich August Wolf und Friedrich Gedike führten Bayern 1809 und Preußen 1810 als Teil der staatlichen Reformen daher ein Staatsexamen für Lehrer an höheren Schulen ein (Führ 1985). Damit wurde zugleich das Bündnis von Staat und Schule gestärkt (Herrlitz et al. 2001). Nachdem zuvor im Wesentlichen Theologen vor dem Übergang in eine Pfarrstelle zeitweise als Lehrer an den kirchlich getragenen Latein- und Gelehrtenschulen tätig waren, wurde so die Trennung des Lehramts vom geistlichen Amt und die Etablierung des Lehrerberufs als eigenständige Profession vollzogen (Tenorth 1996). Entsprechend den Bildungsvorstellungen des Neuhumanismus stellte das Studium der Philologien den Kern der Lehrerbildung dar. Das berufliche Leitbild des Philo-
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668 Lehrerbildung
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logen als Fachgelehrten führte auch dazu, dass Gymnasiallehrer im 19. Jahrhundert keine pädagogisch-psychologische Ausbildung oder praktische Anteile durchliefen. Erst um 1890 wurde das universitäre Studium durch eine zweite Phase zur Vermittlung von Berufsfertigkeiten ergänzt. Diese Struktur blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend erhalten. 19.3.2 Geschichte der Volksschullehrerausbildung Auch bei den Volksschullehrern handelte es sich bis um 1820 nicht um einen Hauptberuf, sondern der Unterricht wurde vom Küster, von örtlichen Handwerkern oder ehemaligen Soldaten nebenher durchgeführt (Sandfuchs 2004). Erst danach führten die deutschen Staaten Seminare im Anschluss an die Volksschule ein, an denen zukünftige Volksschullehrer konfessionell gebunden eine unterrichtsmethodische und praktische Ausbildung in allen Unterrichtsfächern erhielten. Für Frauen war der Volksschullehrerinnenberuf – legitimiert mit dem Konzept der „geistigen Mütterlichkeit“ (Brehmer 1990, 3) – eine der wenigen Möglichkeiten, sozial akzeptiert berufstätig zu werden. Das erste preußische Ausbildungsseminar für Lehrerinnen wurde 1832 gegründet. Die Revolution von 1848/49 ließ kurzzeitig Forderungen nach einer Universitätsausbildung auch der Volksschullehrer aufkommen. Änderungen der Ausbildungsstruktur erfolgten aber erst in der Weimarer Republik (Blömeke 1999). Preußen als größter deutscher Staat gründete 1926 Pädagogische Akademien, die auf dem Abitur aufbauten, allerdings noch immer überwiegend konfessionell gebunden waren, sodass die Kirchen ein Mitwirkungsrecht bei Berufungen auf viele Lehrstühle hatten (Blömeke 1999). Die Ausbildung war weiterhin breit angelegt und deckte die Didaktik, Methodik und Praxis in allen Unterrichtsfächern ab. Mit dem Beginn des Nationalsozialismus wurden die Pädagogischen Akademien zunächst in „Hochschulen für Lehrerbildung“ umbenannt und schließlich durch politisch geprägte Lehrgänge im Anschluss an die Volksschule ersetzt. 19.3.3 Lehrerausbildung nach 1945 Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gymnasiallehrerausbildung in den westlichen Bundesländern unverändert als universitäre Ausbildung mit einer folgenden praktischen Phase organisiert (Müller-Rolli 1998). Diese Struktur durchlief bis heute kaum Veränderungen. Erst die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge stellte eine umfassende Veränderung dar. Auch in Bezug auf die Volksschullehrerausbildung wurden im Zuge des Wiederaufbaus in den meisten alten Bundesländern zunächst jene Strukturen wieder eingeführt, die bereits in der Weimarer Republik bestanden hatten (Blömeke 1999). In den folgenden Jahrzehnten setzte sich dann aber eine Spezialisierung in Anlehnung an die Gymnasiallehrerausbildung durch, indem um 1960 eine fachwissenschaftlich, fachdidaktisch und erziehungswissenschaftlich geprägte erste sowie eine praktische zweite Phase eingeführt wurden (Sandfuchs
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Struktur der Lehrerbildung 669 2004). Die Akademien wurden zu Pädagogischen Hochschulen zusammengefasst und bekamen das Promotions- und Habilitationsrecht zugesprochen, womit auch die Volksschullehrerausbildung eine wissenschaftliche Ausrichtung erhielt. Zudem fiel das Konfessionsprinzip. Die Entwicklung wurde um 1980 durch die Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten abgeschlossen, sodass derzeit – mit Ausnahmen von Baden-Württemberg – in allen Bundesländern alle Lehrergruppen an Universitäten ausgebildet werden. In der DDR erhielten die Lehrpersonen der unteren vier Klassen mit Ausnahme der ersten Jahre bis 1953, in denen ihre Ausbildung an Universitäten oder angesichts des Lehrermangels in Schnellkursen erfolgte, ihre Ausbildung an Instituten für Lehrerbildung, die Teil des sekundären Schulwesens waren (Kemnitz 2004). Für diese war der Abschluss einer Polytechnischen Oberschule als Eingangsvoraussetzung hinreichend. In zunächst zwei, später bis zu fünf Ausbildungsjahren waren Deutsch, Mathematik und ein drittes Unterrichtsfach einschließlich Didaktik und Methodik, Pädagogik und Psychologie, verschiedene Schulpraktika sowie Grundlagen des Marxismus-Leninismus zu belegen. Lehrpersonen der höheren Klassen wurden an Pädagogischen Hochschulen in einem zwei, später ebenfalls bis zu fünf Jahre langen Studium in zwei Unterrichtsfächern ausgebildet. Hier war das Abitur Zugangsvoraussetzung. Wie bei den Unterstufenlehrer*innen handelte sich um eine integrierte Form der Ausbildung. Trotz der Leitidee eines einheitlichen Schulwesens war die Lehrerbildung in der DDR also ebenfalls zweigeteilt (ebd.). Nach der Wiedervereinigung wurde die in den westlichen Bundesländern etablierte Zweiphasigkeit in die Lehrerbildung eingeführt.
19.4 Struktur der Lehrerbildung Die Struktur der Lehrerbildung variiert aufgrund der föderalen Verantwortlichkeit zwischen den 16 Bundesländern. Die Autonomie der Universitäten als Träger der ersten Ausbildungsphase erhöht die Unterschiede im Vergleich zum allgemeinbildenden Schulsystem. Der europäische Bologna-Prozess, anfangs als Mechanismus zur Vereinheitlichung des tertiären Bildungssektors in Europa gedacht (Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister 1999), hat die Variabilität der Lehrerbildung eher noch weiter erhöht, da die Bundesländer die Empfehlungen unterschiedlich umgesetzt haben. Zudem unterlagen die Schulsysteme der Bundesländer in den letzten Jahren erheblichen Strukturreformen, auf die die Lehrerbildung mit Änderungen reagieren musste. Diese Dynamiken machen es schwierig, von einer Struktur „der“ Lehrerbildung zu sprechen. Die Kultusministerkonferenz bemüht sich allerdings seit knapp 20 Jahren, eine Vergleichbarkeit und Anerkennung der Lehramtsabschlüsse über die Bundesländer hinweg zu sichern. Sie legte dafür 1997 erste Rahmenbedingungen
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670 Lehrerbildung
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fest und beschloss 1999 ein erstes Anerkennungsprozedere. Seit 2013 liegen weitere Regelungen vor, die einen gleichberechtigten Zugang zum Vorbereitungsdienst bzw. zum Beruf von „Landeskindern“ und Externen garantieren und so für eine verbesserte Mobilität sorgen sollen (KMK 2013a). 19.4.1 Grundmerkmale der Lehrerbildung Ein Kernmerkmal der deutschen Lehrerausbildung ist ihre Zweiphasigkeit. Ein solches Modell findet sich in dieser ausgeprägten Form nirgendwo anders auf der Welt. Lediglich Frankreich und Taiwan bilden ihre Lehrkräfte in abgeschwächten Varianten davon aus. Die Leitidee lässt sich wie folgt beschreiben: Praktisches Handeln von Lehrkräften erfordert theoretisches Wissen, das vorab zu erwerben ist. Hierfür sind disziplinär organisierte Universitäten bzw. in Baden-Württemberg die Pädagogischen Hochschulen verantwortlich. Kurze Praktika sollen einen ersten Einblick in das Schulleben geben. Erst anschließend erfolgt eine handlungsorientierte Ausbildung. Praktische Routinen werden im Vorbereitungsdienst auf der Basis des zuvor erworbenen Wissens sorgfältig geplant und in Begleitung von erfahrenen Ausbildern lange eingeübt. Eine eigenverantwortliche Übernahme der Aufgaben einer Lehrkraft, zum Beispiel der Notengebung, erfolgt in dieser Zeit nur begrenzt. Die Dauer der ersten Ausbildungsphase, für die in der Regel die Allgemeine Hochschulreife die Eingangsvoraussetzung darstellt, variiert über die Bundesländer hinweg zwischen 3,5 und 5 Jahren. Je niedriger die zu unterrichtende Klassenstufe ist, desto kürzer ist in der Regel die wissenschaftliche Ausbildung. Allerdings ist der Trend zu beobachten, die Studiendauer zunehmend einem fünfjährigen Turnus anzupassen. Die Dauer der zweiten Phase variiert zwischen zwölf und 24 Monaten. Insgesamt dauert die Lehrerausbildung über die beiden Phasen hinweg fünf bis sieben Jahre, wobei in der Praxis wegen längerer Studienzeiten und Zeitverlusten beim Übergang vom Studium in den Vorbereitungsdienst eher mehr Jahre üblich sind. Mit Blick auf eine bessere Ausnutzung vorhandener Bildungspotenziale ist die Ausbildung der Grund- und Sekundarstufe-I-Lehrkräfte in mehreren Bundesländern in den letzten Jahren an die Dauer der Gymnasiallehrerausbildung angeglichen worden. Nordrhein-Westfalen hat hierbei eine Vorreiterrolle gespielt. Auf einen sechssemestrigen Bachelor folgt nun für alle Lehrämter ein viersemestriger Master und schließlich ein 1,5 Jahre dauernder Vorbereitungsdienst. Mit Terhart (2010) kann dies als „historischer Durchbruch“ bezeichnet werden. Die KMK und die Hochschulrektorenkonferenz hatten hierfür 2008 die Voraussetzungen geschaffen, um die Verknüpfung von erster und zweiter Phase zu stärken und so eine kompetenzorientierte Lehrerbildung zu erreichen (HRK und KMK 2008). Gegenstand beider Ausbildungsphasen sind fachwissenschaftliche, fachdidaktische und pädagogisch-psychologische Inhalte, die an den Universitäten von verschiedenen Fakultäten und an den Studienseminaren von verschiedenen Fach- und Hauptseminaren sowie Schulen angeboten werden. Wieviele Fächer belegt werden müssen, hängt von der angestrebten Unterrichtsbefähigung ab: Je niedriger die
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Struktur der Lehrerbildung 671 Klassenstufe, desto breiter ist die Ausbildung der Lehrkräfte, die in der Grundschule Aufgaben als Klassenlehrer mit Unterricht in allen Fächern wahrnehmen. Lehrkräfte für die Sekundarstufen spezialisieren sich dagegen in zwei Fächern, wobei sich deren Gewichtung je nach Bundesland unterscheidet. Die erste Phase wird je nach Bundesland mit einer universitären und/oder einer staatlichen Prüfung abgeschlossen, während die praktische Ausbildungsphase in allen Bundesländern mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossen wird. An vielen Universitäten ist ein Bemühen erkennbar, eine stärkere Integration der Lehrangebote zu erreichen, indem fakultätsübergreifende Zentren für Lehrerbildung gegründet wurden. Insgesamt lassen sich in den 16 Bundesländern mehr als 100 unterschiedliche Ausbildungsgänge identifizieren (Blömeke et al. 2010a, 2010b). Sie können zu folgenden Typen zusammengefasst werden: • Ausbildungsgänge für die Grundschule bereiten auf den Unterricht in Klasse 1 bis 4, in wenigen Bundesländern in Klasse 1 bis 6 vor (KMK 2013b). Deutsch und Mathematik sind Pflichtbestandteil dieser Ausbildung, hinzu treten mindestens ein weiteres Fach und Grundschulpädagogik. • Ausbildungsgänge für die Sekundarstufe I bereiten auf den Unterricht in Klasse 5/7 bis 9/10 an Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Realschulen u. ä. vor (KMK 2013c). Es sind zwei Unterrichtsfächer zu belegen, und das Gewicht von fachlicher und bildungswissenschaftlicher Ausbildung ist auf 2:1 festgesetzt. • Ausbildungsgänge für das Gymnasium bzw. die Sekundarstufe II bereiten auf den Unterricht in Klasse 5 bis 12/13 bzw. 10/11 bis 12/13 vor (KMK 2013d). Hier sind zwei Unterrichtsfächer voll zu belegen. • Ausbildungsgänge für das berufliche Schulwesen weisen dieselbe Struktur wie die Gymnasiallehrerausbildung auf. Allerdings sind die Fachdidaktiken den Bildungswissenschaften zugeordnet, sodass die fachwissenschaftliche Ausbildung beispielsweise in Wirtschaft und Verwaltung, Bautechnik, Agrarwirtschaft oder Sozialpädagogik einen höheren Umfang aufweist (KMK 2013e). • In den meisten Bundesländern wird auch noch ein sonderpädagogisches Lehramt angeboten. Die Ausbildung in einem Unterrichtsfach und Sonderpädagogik ist seit 2013 allerdings so auszurichten, dass die sonderpädagogische Förderung an allen Schulformen erfolgen kann (KMK 2013f ). In einzelnen Bundesländern, beispielsweise in Bremen, wurde dieser Lehramtstyp bereits zugunsten einer inklusionspädagogischen Komponente in den zuvor genannten Lehramtstypen aufgegeben. Die Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte erfolgt in Deutschland getrennt von der Lehrerausbildung und wird vom Familienministerium verantwortet (► Kap. 11). Standards für die Bildungswissenschaften (KMK 2004) sowie die fachliche und fachdidaktische Ausbildung an den Universitäten (KMK 2008) und den Vorbereitungsdienst (KMK 2012) sollen eine national einheitliche Ausrichtung der Lehrerbildung sichern. Ihre Funktion ist eine doppelte: Sie sollen klären, welche Kom-
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672 Lehrerbildung petenzen in den beiden Phasen der Ausbildung zu erreichen sind, und sie sollen Kriterien an die Hand geben, anhand derer eine Überprüfung erfolgen kann (KMK 2004). Als Ziel formulieren die Standards eine erfolgreiche Bewältigung typischer Anforderungen im Bereich von Unterrichten, Erziehen, Beurteilen, Innovieren und Mitwirken an der Schulentwicklung. Die Standards vollziehen mit der Kompetenzorientierung für die Lehrerbildung einen Paradigmenwechsel, der in den Jahren zuvor bereits auf Schulebene erfolgt war. 19.4.2 Spezielle Merkmale der ersten Ausbildungsphase Im Zuge der so genannten Bologna-Reform wurde mit dem Ziel einer europaweiten Vereinheitlichung der Studienstrukturen an vielen Universitäten eine konsekutive Studienstruktur mit dreijährigen berufsqualifizierenden Bachelor- sowie darauf aufbauenden ein- oder zweijährigen Masterprogrammen eingeführt. Die Einführung studienbegleitender Prüfungen, die das Ergebnis einzelner Module festhalten, hatte zum Ziel, den zuvor umfangreichen Prüfungsblock am Ende zu entschlacken. Die KMK hat früh mit einer Anerkennung dieser neuen Abschlüsse anstelle des Ersten Staatsexamens reagiert (KMK 2005), sodass bereits 2007 zwei Drittel der Lehramtsstudiengänge umgestellt waren und die Lehrerbildung zu den Vorreitern der Bologna-Reform gehörte (HRK 2007). Allerdings ist die Frage bis heute nicht vollständig geklärt, für welchen Beruf der Bachelorabschluss qualifiziert und ob eine Selektion beim Übergang in den Master stattfinden kann, angesichts des Masterabschlusses als Eingangsvoraussetzung in den Vorbereitungsdienst. Dass der Staat als wichtigster Arbeitgeber von Lehrkräften mit dem Übergang von staatlichen zu universitären Prüfungen zudem einen Teil seiner Verantwortung und Aufsicht über die Lehrerausbildung abgab, wogegen sich die Kultusminister anfangs sperrten, ist vermutlich den zuvor existierenden Organisationsproblemen geschuldet. Die lange Studiendauer und die Verzögerungen beim Übergang von der ersten in die zweite Phase hatten zu einem vergleichsweise hohen Eintrittsalter in den Lehrerberuf geführt, was in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert wurde. Darüber hinaus erkannten manche Lehrkräfte erst spät, dass sie für den Beruf vielleicht doch nicht geeignet waren, hatten in der grundständigen Ausbildung aber keine Option, ohne große Zeitverluste auszusteigen. Die Ausdifferenzierung des Studiums in zwei Abschnitte schien hier Abhilfe schaffen zu können. Die Studiendauer bis zum Abschluss eines Masterstudiums liegt derzeit tatsächlich unter dem früheren Durchschnitt in Diplom-, Magister- und Lehramtsstudiengängen. Allerdings wurde kein Rückgang im Studienabbruch erreicht – im Gegenteil sind die Drop-Out-Raten im Bachelor gestiegen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Die Vielfalt der Studienstrukturen hat durch die Bologna-Reform in Deutschland zugenommen (Bauersfeld et al. 2011). Derzeit werden neben der unterschiedlichen Stufengliederung je nach Bundesland auch noch unterschiedliche Abschlüsse – Staatsexamensstudiengänge bzw. universitäre Bachelor- und Masterstudiengänge –
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Struktur der Lehrerbildung 673 und unterschiedliche Formen der Studienorganisation – traditionell bzw. modularisiert – angeboten. In der Mehrheit der Bundesländer existieren mehrere dieser Formen, die inhaltlich unterschiedliche Profile aufweisen, parallel zueinander. In einem traditionellen neunsemestrigen Staatsexamensstudiengang werden typischerweise zwei Fachwissenschaften studiert, während den Fachdidaktiken eher geringe Bedeutung zukommt (Bauer et al. 2012). Die modularisierte Variante hiervon ist typischerweise ein Semester länger, und die fachdidaktischen bzw. bildungswissenschaftlichen Anteile sind etwas größer. Eine weitere Verschiebung zugunsten der Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften erfolgt in der neuen konsekutiven Studienstruktur, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen polyvalenten oder einen lehramtsspezifischen Bachelor handelt. Deutlich relevanter als die Unterschiede zwischen den Typen ist allerdings die Hochschule, an der der jeweilige Typus belegt wird (ebd.). Für die Bildungswissenschaften ist beispielsweise festzuhalten, dass kein Inhalt in den Curricula aller Standorte ausgewiesen ist (Zimmermann 2014). Etwas einheitlicher sind dagegen die Praxisphasen während des Studiums organisiert (Gröschner et al. 2015). Angehende Gymnasiallehrkräfte absolvieren im Durchschnitt 75 Praxistage, verteilt auf drei bis vier Praktika, die den Fachdidaktiken bzw. den Bildungswissenschaften zugeordnet sind und in der Regel wissenschaftlich begleitet werden. Die Prüfung erfolgt in der Regel in Form eines Praktikumsberichts. Als Qualitätsmerkmal müssen seit der Bologna-Reform alle Lehramtsstudiengänge akkreditiert werden, wenn sie dem Bachelor-Master-Modell folgen. Hierfür wurden eine Stiftung, ein Akkreditierungsrat und Akkreditierungsagenturen gegründet, die die Evaluation anhand der Standards für die Lehrerbildung vornehmen (KMK 2008). Dabei geht es vor allem darum nachzuweisen, dass Studien- und Prüfungsleistungen sowie Studienabschlüsse über die Hochschulen und Bundesländer hinweg vergleichbare Anforderungen stellen und den Standards für die Lehrerausbildung entsprechen, um Hochschulwechsel zu ermöglichen. Auch wird die Frage der Studierbarkeit – im Lehramt mit seiner Vielzahl an Fächern ein bekanntes Problem – geprüft, ob also hinreichend Überschneidungsfreiheit der Studienangebote gesichert wird, sodass Lehramtsstudierende eine Chance haben, die Regelstudienzeit einhalten zu können (Acquin 2011). 19.4.3 Spezielle Merkmale der zweiten Ausbildungsphase Die zweite Ausbildungsphase findet an staatlichen Institutionen mit wenig Autonomie statt. Umfang und Inhalte sind daher innerhalb der Bundesländer homogener. So ist die Zulassungsvoraussetzung, wenn nicht auf die Option des Quereinstiegs zurückgegriffen wird, ein Erstes Staatsexamen oder ein Master of Education. Auf weitere Bedingungen wird meist verzichtet, sodass es lediglich zu Wartezeiten kommen kann, wenn nicht hinreichend Plätze zur Verfügung stehen. Auch weist die Zweite Staatsprüfung eine relativ einheitliche Struktur auf, indem in der
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674 Lehrerbildung Regel praktische Lehrproben in zwei Fächern und eine mündliche Prüfung, die fachdidaktische und pädagogisch-psychologische Komponenten einschließlich Schulrecht umfasst, sowie in der Mehrheit der Bundesländer auch eine schriftliche Hausarbeit zu einem praktischen Thema Bestandteil der Prüfung sind (KMK 2014). Einstellungstermine, Länge, Phasierung, Anteil der Ausbildung im Seminar und Umfang an geforderten Hospitationen sowie an angeleitetem und eigenverantwortlichem Unterricht in der Schulpraxis variiert dagegen deutlich zwischen den Bundesländern. 19.4.4 Offene Fragen und Herausforderungen Eine zentrale offene Frage ist, wie spezialisiert die Lehrerbildung sein kann bzw. muss: Ist unter Professionalisierungsgesichtspunkten das Angebot getrennter Lehrveranstaltungen für Studierende verschiedener Schulformen sinnvoll? Können Lehramtsstudierende gemeinsam mit Studierenden der Hauptfächer Veranstaltungen wahrnehmen oder benötigen sie eigene Veranstaltungen? Mangels aussagekräftiger Daten existieren hierzu vor allem normative Kontroversen. Zudem sind Finanzierungsfragen berührt. Zur Frage der Spezialisierung gehört aber auch die Diskussion um die Zweiphasigkeit der Lehrerbildung. Die Standards für die Lehrerbildung halten an der Differenzierung fest und ordnen diesen unterschiedliche Aufgaben zu (KMK 2008). Auftrag der ersten Phase ist, Grundlagen „hinsichtlich der Fachwissenschaften, ihrer Erkenntnis- und Arbeitsmethoden sowie der fachdidaktischen Anforderungen“ aufzubauen, während sich die zweite Phase um „die Vermittlung mehr unterrichtspraktisch definierter Kompetenzen“ kümmern soll (KMK 2004). Versucht wird allerdings, durch personelle, inhaltliche oder organisatorische Maßnahmen die Verzahnung der beiden Phasen zu stärken und so das Bildungspotenzial der Lehrerbildung effektiver zu nutzen. Die gemeinsame Verantwortung für das Praxissemester und die Möglichkeit, Teile des staatlichen Vorbereitungsdienstes für den universitären Masterabschluss anrechnen zu können, erzwingen derzeit weitere Kooperationen, die bereits zu formalisierten Absprachen und Beratungsgremien geführt haben (KMK 2014). Eine wichtige Rolle bei der Verzahnung kommt fast überall den universitären Zentren für Lehrerbildung oder Professional Schools of Education zu, die die operative Arbeit der Abstimmung organisieren. Eine Herausforderung, mit deren Rückwirkungen die Lehrerbildung im Laufe ihrer jüngeren Geschichte immer wieder konfrontiert war, sind die zyklischen Phasen von Überangebot und Mangel an Lehrkräften. Der Entwicklung der Geburtenrate und der ihr wenige Jahre später folgenden Entwicklung der Schülerzahl kommt eine entscheidende Auswirkung auf Einstellungsbedarfe zu. Zudem nehmen Schulreformen wie die Verlängerung oder Verkürzung der Pflichtschulzeit, Veränderungen im Bildungsverhalten auf Seiten der Schülerinnen und Schüler, veränderte Berufscharakteristika auf Seiten der Lehrkräfte (z. B. in Form von zunehmender
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Struktur der Lehrerbildung 675 Teilzeitarbeit oder verändertem Einstiegs- bzw. Rentenalter) und Veränderungen in der Zuwanderungsbilanz Einfluss auf die Entwicklung des Lehrerbedarfs, auf die die Lehrerbildung nicht schnell genug reagieren konnte. Nach starkem Wachstum der Geburtenzahlen zwischen 1955 und 1965 um mehr als ein Viertel war das folgende Jahrzehnt durch einen abrupten Rückgang um mehr als 40 % gekennzeichnet (► Abb. 19.3). Seither sinkt die Zahl der Geburten kontinuierlich weiter, wenn auch nicht mehr so stark wie zuvor. Die Entwicklung der Schülerzahlen folgte diesen Wellenbewegungen zeitversetzt. Der Trend sinkender Schülerzahlen wird sich den Vorausberechnungen der KMK (2013g) zufolge noch bis mindestens 2025 fortsetzen. Aktuell ist es allerdings offen, ob die vorliegenden Vorausberechnungen als Folge der Zuwanderungsströme von Asyl- und Schutzsuchenden nicht deutlich nach oben korrigiert werden müssen. 13000000
1100000
12500000 1000000
12000000 11500000
900000
11000000 800000
10500000 10000000
700000
9500000 9000000
600000
8500000 500000
8000000 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 Geburten
1995 2000 2005 2010 2015
Schülerzahl
Abb. 19.3: Entwicklung der Geburtenzahlen (rechte Skala von 8 bis 13 Mio.) und Schülerzahlen (linke Skala von 500.000 bis 1,1 Mio.) seit dem Zweiten Weltkrieg (bis 1990: alte Bundesländer, seit 1995: Gesamtdeutschland; eigene Abb. auf der Basis von KMK 2012, 2013, 2015)
Der Rückgang der Schülerzahlen schlug sich unmittelbar in den Einstellungsbedarfen nieder. 1980 war das letzte Jahr der massenhaften Ausbildung und Einstellung von Lehrkräften (► Abb. 19.4). In weniger als einem Jahrzehnt ging die Zahl der Einstellungen dann auf weniger als ein Fünftel 1988 zurück. Obwohl bereits deutlich weniger Studierende einen Lehramtsstudiengang gewählt hatten als im Jahrzehnt zuvor, bedeutete diese Wende in der Einstellungspolitik, dass innerhalb von sechs Jahren mehr als 100.000 ausgebildete Lehrkräfte keinen Arbeitsplatz in der Schule fanden. Entsprechend finden sich in diesen Alterskohorten große Anteile an Personen, die in anderen Berufen als im Schuldienst arbeiten, sowie substanzielle Anteile an Personen, die nicht erwerbstätig sind (Weishaupt und Huth 2012).
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676 Lehrerbildung Die so genannten „Schweinezyklen“ führten zu öffentlichen Diskussionen und Druck auf die Bildungspolitik, nach Auswegen zu suchen. Ein erster Weg scheint in der Regulierung des Einstiegs in die zweite Ausbildungsphase bestanden zu haben. Als die Zahlen der abgelegten ersten Lehramtsprüfungen ab ca. 1994 eine neue Welle an Lehramtsabsolvent*innen andeuteten (► Abb. 19.4), beschränkten die Bundesländer ab 1998 den Zugang zum Vorbereitungsdienst – um den Preis, dass allein im Jahr 2000 über 10.000 Universitätsabsolvent*innen ihre Ausbildung nicht fortsetzen konnten. Zudem führte diese Beschränkung dazu, dass die Zahl der Einstellungen in den Schuldienst ab 2000 zum Teil deutlich über der der Absolvent*innen des Vorbereitungsdienstes lag, was nur mit Seiteneinsteiger*innen zu erklären ist. 40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 1980 1982 1984 1986 1988 1990
1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014
Absolventen 1. Lehramtsprüfung
Einstellung Vorbereitungsdienst
Absolventen 2. Lehramtsprüfung
Einstellung Schuldienst
Abb. 19.4: Entwicklung der Lehramtsabsolventen- und Einstellungszahlen seit 1980 (bis 1990: alte Bundesländer, seit 1992: Gesamtdeutschland)
Der Anteil an so genannten Quer- oder Seiteneinsteiger*innen in den Lehrerberuf ist aufgrund des Mangels an ausgebildeten Lehrkräften in einzelnen Fächern wie beispielsweise Physik oder Latein in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Korneck et al. (2010) dokumentieren, dass zwölf von 16 Bundesländern spezielle Angebote für Quer- und Seiteneinsteiger*innen machen. Der Lehrerbefragung im Rahmen von PISA 2009 zufolge hatten deutschlandweit bei den getesteten 15-Jährigen fast drei Viertel der Lehrkräfte in den Naturwissenschaften und mehr als ein Viertel der Mathematiklehrkräfte kein Lehramtsstudium absolviert. Auf der Basis des Mikrozensus 2005 wird deutlich, dass im Mittel über alle Fächer und Schulstu-
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Empirische Erkenntnisse zur Lehrerausbildung in Deutschland 677 fen deutschlandweit rund 30 % der berufstätigen Lehrkräfte nicht über ein reguläres Lehramtsstudium verfügen (Weishaupt und Huth 2012). Dem IQB-Ländervergleich zufolge (Richter et al. 2011, 2012) finden sich in einzelnen Bundesländern im Primarbereich fachspezifisch bis zu 50 % und im Sekundarbereich mehr als ein Drittel Mathematiklehrkräfte ohne reguläres Lehramtsstudium. Die Situation ist im Südwesten Deutschlands, an den nicht-gymnasialen Schulformen der Sekundarstufe I und im Fach Physik besonders problematisch (Korneck et al. 2010). Die Auswirkungen sind substanziell: Schülerinnen und Schüler, die von Lehrkräften ohne reguläre Lehrbefähigung unterrichtet werden, erreichen signifikant geringere mathematische Leistungen (Richter et al. 2012). Studien mit standardisierten Tests zeigen entsprechend einen engen Zusammenhang zwischen fachbezogenem Wissen von Lehrkräften und Schülerleistungen (Baumert et al. 2010). 19.4.5 Zusammenfassung Die Lehrerbildung hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Mit den Standards für die Lehrerbildung ist eine stärkere Kompetenzorientierung eingezogen, auch wenn Kerncurricula über die 16 Bundesländer und rund 80 Hochschulen mit Lehrerbildung nur schwer zu identifizieren sind. Die Strukturreformen haben die Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften gestärkt sowie fakultäts- und phasenübergreifende Abstimmungen durch die Einrichtung von Zentren für Lehrerbildung bzw. Professional Schools of Education ermöglicht. Insgesamt kann man daher festhalten, dass das in der Lehrerausbildung liegende Potenzial zur Qualitätssteigerung heute besser genutzt wird als noch vor zehn oder 15 Jahren. Besonders bedeutsam ist, dass die Ausbildung der Grund- und Sekundarstufe-I-Lehrkräfte an die Dauer der Gymnasiallehrerausbildung angeglichen wurde. Allerdings wurde die Grundstruktur der Zweiphasigkeit nicht angetastet. Terhart (2010) sieht hier das meiste Potenzial, weitere Qualitätssteigerungen zu erreichen.
19.5 Empirische Erkenntnisse zur Lehrerausbildung in Deutschland Die Zahl der Lehramtsstudierenden an deutschen Hochschulen schwankte über die Jahrzehnte beträchtlich. Immer aber stellten sie eine starke Gruppe. In den letzten zehn Jahren nahmen jährlich rund 35.000 bis 40.000 Studierende in Deutschland ein Lehramtsstudium auf, insgesamt waren in dieser Zeit durchgängig mehr als 200.000 Lehramtsstudierende eingeschrieben (Rothland 2014). Dies entsprach rund einem Achtel aller Studierenden. Etwa die Hälfte davon strebte das Lehramt an Gymnasien an. Die Zahl der erfolgreichen Abschlüsse eines Lehramtsstudiums schwankte in den letzten Jahren zwischen 20.000 und 30.000 jährlich (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014).
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678 Lehrerbildung 19.5.1 Deskriptive Merkmale angehender Grund- und Sekundarstufenlehrkräfte Den TEDS-M-Ergebnissen zufolge war eine Grundschullehrkraft in Deutschland 2008 im letzten Jahr ihrer Ausbildung 27 Jahre alt und damit im internationalen Vergleich relativ alt (Blömeke et al. 2010a). Dieses Ergebnis lässt sich über eine Analyse des Mikrozensus von 2005 validieren, in dem für Grundschullehrkräfte im Mittel über die vergangenen Jahrzehnte ein mittleres Eintrittsalter in den Schuldienst von 28 Jahren ermittelt wurde (Weishaupt und Huth 2012). In allen Ländern, die an TEDS-M teilgenommen haben, stellten Frauen die Mehrheit der angehenden Grundschullehrkräfte, besonders deutlich in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, aber auch in einigen westlichen Ländern (Blömeke et al. 2010a). Weniger deutlich war die Mehrheit nur in einigen südostasiatischen Ländern. Der Anteil an Grundschullehrkräften mit einer anderen Muttersprache als Deutsch betrug 2008 2 %. Die Abiturnote der angehenden Grundschullehrkräfte lag im Mittel bei 2,6. Dies entsprach etwa der mittleren Abiturnote in Deutschland. Ein im internationalen Vergleich besonders großer Anteil deutscher Grundschullehrkräfte gab an, dass sie aufgrund finanzieller Probleme neben dem Studium arbeiten mussten.
International USA Thailand Schweiz Spanien Singapur Russland Polen Philippinen Norwegen Malaysia Deutschland Georgien Taiwan Chile Botswana 0%
20%
40% Frauen
60% Männer
80%
100%
Abb. 19.5: Geschlechtsspezifische Verteilung angehender Grundschullehrkräfte nach Land
Deutsche Mathematiklehrkräfte für die Sekundarstufe I waren in TEDS-M am Ende ihrer Ausbildung im Mittel bereits 30 Jahre alt und damit deutlich älter als das internationale Mittel von 24 Jahren (► Tab. 19.1; Blömeke et al. 2010b). Auch
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Empirische Erkenntnisse zur Lehrerausbildung in Deutschland 679 in diesem Falle lassen sich die TEDS-M-Daten über den Mikrozensus 2005 validieren, in dem für Sekundarstufen-Lehrkräfte ein mittleres Eintrittsalter in den Schuldienst von 30 Jahren ermittelt wurde (Weishaupt und Huth 2012). Der Feminisierungsgrad des Lehrerberufs war auch im Fach Mathematik weit fortgeschritten. Nur in Botswana, Taiwan, Singapur und der Schweiz stellten Männer noch mindestens die Hälfte der Lehrkräfte. Tab. 19.1: Alter angehender Mathematiklehrkräfte der Sekundarstufe I (SE: Standardfehler) Land Deutschland Singapur Schweiz USA Botswana International Taiwan Chile Polen Malaysia Thailand Russland Oman Georgien Philippinen
Mittelwert 29,7 26,9 26,3 26,1 24,2 24,1 24 23,9 23,2 22,6 22,4 22 21,9 21,3 21
SE 0,56 0,19 0,39 0,46 0,45 0,07 0,09 0,11 0,09 0,06 0,03 0,1 0,04 0,11 0,16
Rund 2 % der angehenden Mathematiklehrkräfte sprachen zu Hause eine andere Sprache als Deutsch (Blömeke et al. 2010b). Gymnasiallehrkräfte wiesen im Mittel eine gute Abiturnote auf (► Tab. 19.2) und hatten fast alle in der Oberstufe einen Leistungskurs in Mathematik belegt. Etwas schwächer war die mittlere Abiturnote der nicht-gymnasialen Lehrergruppen, die aber immer noch über dem Bundesdurchschnitt lag. Während mehr als ein Drittel der angehenden Gymnasiallehrkräfte eine hohe soziale Herkunft aufwies, galt dies nur für gut ein Viertel der übrigen Lehramtsstudierenden (Rothland 2014). Insbesondere Studierende in einem Lehramt an Berufsbildenden bzw. Förderschulen stellten Bildungsaufsteiger im Vergleich zu ihren Eltern dar. Wie bei Medizinern stammte rund ein Viertel der angehenden Lehrkräfte aus einer Familie, in der bereits mindestens ein Elternteil diesen Beruf innehatte. Bauer et al. (2011) ermittelten eine hohe Berufswahlsicherheit bei Lehramtsstudierenden. Dies galt insbesondere für Grundschulstudierende.
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680 Lehrerbildung
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Tab. 19.2: Abiturdurchschnittsnote angehender Mathematiklehrkräfte für die Sekundarstufe I in Deutschland Ausbildungsgang GHR mit Mathematik als Fach HR mit Mathematik als Fach GY mit Mathematik als Fach
Mittelwert (SE) 2,45 (0,11) 2,42 (0,03) 1,98 (0,04)
Anmerkung: SE = Standardfehler; GHR = Grund-, Haupt- und Realschule; GY = Gymnasium
Was das Belastungserleben und die emotionale Erschöpfung angehender Lehrkräfte angeht, zeigten Klusmann et al. (2012), dass die Erschöpfung im ersten Jahr des Vorbereitungsdienstes signifikant anstieg und auf derselben Höhe lag wie die einer Referenzstichprobe erfahrener Lehrkräfte. Zugleich war allerdings die Berufszufriedenheit der angehenden Lehrkräfte höher als die der Referenzstichprobe. Das Belastungserleben angehender Lehrkräfte variiert offensichtlich mit der Art der Ausbildung, die sie durchlaufen. Zimmermann (2014) zufolge waren Lehramtsstudierende in modularisierten Studienprogrammen nach dem ersten Studienjahr erschöpfter, zynischer und weniger zufrieden mit ihrem Studium als solche in traditionellen Studiengängen. 19.5.2 Qualität der deutschen Lehrerbildung im internationalen Vergleich Auf der Basis der TEDS-M-Ergebnisse lässt sich für Mathematiklehrkräfte international vergleichen, welche professionelle Kompetenz in Deutschland am Ende der Lehrerausbildung erreicht wird. Getestet wurde das mathematische (MCK) und das mathematikdidaktische (MPCK) Wissen von 13.000 angehenden Grundschullehrkräften und 8.000 angehenden Sekundarstufe-I-Lehrkräften aus jeweils 15 Ländern (Tatto et al. 2012). Von den Grundschullehrkräften wiesen jene aus Taiwan am Ende der Ausbildung das höchste MCK auf (► Tab. 19.4; Blömeke et al. 2010a). Starke Leistungen zeigten auch die Lehrkräfte aus Singapur, der Schweiz, Russland, Thailand und Norwegen. Das Mathematikwissen angehender deutscher Grundschullehrkräfte lag zusammen mit den USA signifikant über dem internationalen Mittelwert, allerdings bleiben die beiden Gruppen deutlich hinter den Leistungen der Länder an der Spitze zurück. Auch im Bereich des MPCK wurde die Leistungsspitze von den Lehrkräften aus Singapur und Taiwan gebildet, über dem internationalen Mittelwert lagen zudem die Leistungen angehender Grundschullehrkräfte aus Norwegen, den USA und der Schweiz. Deutschland gehörte mit Russland, Thailand und Malaysia zu einer internationalen Mittelgruppe.
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Empirische Erkenntnisse zur Lehrerausbildung in Deutschland 681
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Tab. 19.3: Mathematisches (links) und mathematikdidaktisches (rechts) Wissen angehender Grundschullehrkräfte (SE: Standardfehler) Land Taiwan Singapur Schweiz Russland Thailand Norwegen USA Deutschland International Polen Malaysia Spanien Botswana Philippinen Chile Georgien
Mittelwert (SE) 623 (4,2) 590 (3,1) 543 (1,9) 535 (9,9) 528 (2,3) 519 (2,6) 518 (4,1) 510 (2,7) 500 (1,2) 490 (2,2) 488 (1,8) 481 (2,6) 441 (5,9) 440 (7,7) 413 (2,1) 345 (3,9)
Land Singapur Taiwan Norwegen USA Schweiz Russland Thailand Malaysia Deutschland International Spanien Polen Philippinen Botswana Chile Georgien
Mittelwert (SE) 593 (3,4) 592 (2,3) 545 (2,4) 544 (2,5) 537 (1,6) 512 (8,1) 506 (2,3) 503 (3,1) 502 (4,0) 500 (1,3) 492 (2,2) 478 (1,8) 457 (9,7) 448 (8,8) 425 (3,7) 345 (4,9)
Blickt man auf die unterschiedlichen Ausbildungsgänge, die in Deutschland zu einem Grundschullehramt führen, wird deutlich, dass es in der reinen Grundschullehrerausbildung mit Mathematik als Schwerpunkt und im stufenübergreifenden Grund-, Haupt- und Realschullehramt (GHR) mit Mathematik als Unterrichtsfach überdurchschnittlich gut gelingt, MCK und MPCK zu sichern. Wird Mathematik in der reinen Grundschullehrerausbildung als Lernbereich belegt, liegen die Leistungen immer noch im internationalen Mittel. In Bezug auf die stufenübergreifende GHR-Ausbildung ohne Mathematik als Unterrichtsfach wurden jedoch Probleme deutlich. Das MCK und MPCK dieser angehenden Lehrkräfte lag deutlich unter dem internationalen Mittelwert. Diese Lehrkräfte werden in der Grundschule als Klassenlehrkräfte eingesetzt und unterrichten häufig auch Mathematik. Kognitiv anregender Mathematikunterricht dürfte dieser Gruppe eher schwerfallen. Hier eröffnet sich bisher ungenutztes Bildungspotenzial, durch Reformen in der Lehrerausbildung Schülerleistungen zu steigern.
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682 Lehrerbildung
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Tab. 19.4: Mathematisches (links) und mathematikdidaktisches (rechts) Wissen angehender Sekundarstufen-I-Lehrkräfte (SE: Standardfehler) Land Taiwan Russland Singapur Polen Schweiz Deutschland USA International Malaysien Thailand Oman Norwegen Philippinen Botswana Georgien Chile
Mittelwert (SE) 667 (3,9) 594 (12,8) 570 (2,8) 540 (3,1) 531 (3,7) 519 (3,6) 505 (9,7) 500 (1,5) 493 (2,4) 479 (1,6) 472 (2,4) 444 (2,3) 442 (4,6) 441 (5,3) 424 (8,9) 354 (2,5)
Land Taiwan Russland Singapur Schweiz Deutschland Polen USA International Thailand Oman Malaysien Norwegen Philippinen Georgien Botswana Chile
Mittelwert (SE) 649 (5,2) 566 (10,1) 553 (4,7) 549 (5,9) 540 (5,1) 524 (4,2) 502 (8,7) 500 (1,6) 476 (2,5) 474 (3,8) 472 (3,3) 463 (3,4) 450 (4,7) 443 (9,6) 425 (8,2) 394 (3,8)
In der Sekundarstufe I verfügten die angehenden Mathematiklehrkräfte aus Taiwan im internationalen Vergleich über das höchste MCK und MPCK (Blömeke et al. 2010b). Auch die Lehrkräfte aus Russland, Polen, Singapur, der Schweiz und Deutschland lagen sowohl in Mathematik als auch in Mathematikdidaktik signifikant über dem internationalen Mittelwert. Innerhalb von Deutschland lag ein deutlicher Leistungsvorsprung bei Gymnasiallehrpersonen gegenüber Grund-, Haupt- und Realschullehrpersonen. Besonders gute Ergebnisse wurden erreicht, wenn eine sehr gute Abiturnote und ein Leistungskurs in Mathematik vorlagen. Für andere Fächer fehlen bislang entsprechende internationale Vergleiche. 19.5.3 Entwicklung und Prädiktoren des fachbezogenen Wissens In der Sechs-Länder-Studie „Mathematics Teachers in the 21st Century (MT21)“ wurden neben Referendaren am Ende der Lehrerausbildung auch Lehramtsstudierende kurz nach Beginn und vor dem Abschluss ihres Studiums getestet, sodass im Querschnitt erste Erkenntnisse über die Kompetenzentwicklung im internationalen Vergleich gewonnen werden konnten. Sowohl in Bezug auf MCK als auch auf MPCK wurden signifikante und große Zuwächse festgestellt, wobei die Leistungsschere zugleich weiter auseinanderging (Schmidt et al. 2011). Echte Längs-
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Empirische Erkenntnisse zur Lehrerausbildung in Deutschland 683 schnittstudien mit Mathematiklehramtsstudierenden in Deutschland validierten diesen Befund, wobei zudem deutlich wurde, dass das eingangs vorliegende Wissensniveau mit großer Effektstärke voraussagte, wie gut die weitere Entwicklung während der Ausbildung verlief (Blömeke, Buchholtz et al. 2014). Hier läge also noch unerschlossenes Bildungspotenzial, über eine stärkere Selektivität zu Beginn der Lehrerbildung ihre Lernerträge zu steigern, falls es gelänge, den Bewerberpool hinreichend groß zu gestalten, sodass eine Auswahl möglich wird. TEDS-M validierte dieses Ergebnis weiter und verwies zudem auf einen weiteren Prädiktor des erreichten fachbezogenen Wissensstandes. Eine Mehrebenenanalyse unter Einbezug aller TEDS-M-Länder zeigte, dass – unter Kontrolle wichtiger Hintergrundmerkmale der angehenden Lehrpersonen – die in der Ausbildung belegten Lerngelegenheiten und die Eingangsselektivität in Form der Gruppenkomposition signifikant mit MCK und MPCK zusammenhingen (Blömeke et al. 2012). Die herausragende Rolle der Lerngelegenheiten und des Kompositionseffekts, der aus Selbstselektion und institutioneller Selektion resultiert, konnte in mehreren landesspezifischen Analysen repliziert werden und stellt damit einen robusten Befund dar (z. B. Schmidt et al. 2012). Dass individuelle Merkmale von Mathematiklehrkräften das in der Lehrerbildung erreichte MCK und MPCK ebenfalls beeinflussen, konnte indirekt über Absolventenbefragungen validiert werden. Auf der Basis einer Längsschnittstudie mit 760 Mathematiklehrkräften und Diplom-Mathematikern kommt der Abiturnote, der fachbezogenen Studienmotivation sowie den Persönlichkeitsmerkmalen der Instrumentalität und Expressivität signifikant Prognosekraft für den Abschluss des Studiums und die Examensnote zu (Blömeke 2009a). Unter Auswahlgesichtspunkten ist bedeutsam, dass das Abitur ein einfach zu verwendendes und ökonomisch zu gewinnendes Kriterium darstellt. 19.5.4 Pädagogisches Wissen angehender Lehrkräfte Die pädagogische Ausbildung stellt einen gemeinsamen Kern aller angehenden Lehrkräfte unabhängig vom Unterrichtsfach oder der Schulstufe dar. Das in diesem Kern vermittelte allgemeinpädagogische Wissen (GPK) umfasst „Kenntnisse über das Lernen und Lehren, die sich auf die Gestaltung von Unterrichtssituationen beziehen und die fachunabhängig, das heißt auf verschiedene Fächer und Bildungsbereiche anzuwenden sind. GPK ist ein Bereich professioneller Kompetenz, spezifisch für den Lehrerberuf, erlern- und vermittelbar und von pädagogischen Überzeugungen und beruflichen Verhaltensweisen (Performanz) abzugrenzen. Es umfasst Wissen über Fakten/Inhalte (deklaratives Wissen), Handlungsabläufe (prozedurales Wissen) und Verknüpfungen/Schemata (konzeptuelles Wissen)“ (Voss et al. 2015).
Zur Erfassung dieses fächer- und stufenübergreifenden Wissens sind in Deutschland in den letzten Jahren besondere Anstrengungen unternommen worden.
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684 Lehrerbildung Im Rahmen von TEDS-M haben König und Blömeke (2009) einen Test entwickelt, der das GPK von Lehramtsstudierenden und Referendaren in den Bereichen Strukturierung von Unterricht, Klassenführung und Motivation, Umgang mit Heterogenität und Leistungsbeurteilung erfasst. Deutlich wurde, dass angehende Grundschullehrkräfte in Deutschland über signifikant umfangreicheres GPK verfügten als jene in den USA (Blömeke et al. 2010a). Innerhalb Deutschlands zeigte sich ein Vorteil der reinen Grundschullehrkräfte im Vergleich zu stufenübergreifend ausgebildeten Lehrkräften. In Bezug auf Sekundarstufe-I-Lehrkräfte zeigte sich, dass jene in Deutschland und Taiwan am Ende ihrer Ausbildung über deutlich höheres Wissen verfügten als jene in den USA (Blömeke et al. 2010b). Dabei zeichneten sich Lehrkräfte aus Deutschland gegenüber jenen aus Taiwan noch einmal durch eine besonders starke Leistungsspitze aus. Eine Vergleichsstudie mit Lehramtsstudierenden in Deutschland und Österreich verwies für beide Länder auf signifikant höheres GPK bei Studierenden am Ende der Ausbildung im Vergleich zu Studienanfängern (König et al. 2009). Im Längsschnitt bestätigte sich der Befund von signifikanten Wissenszunahmen im Laufe der Lehrerbildung (König 2012). Auch hat sich der Umfang an Praxiserfahrung als bedeutsame Lerngelegenheit für die Entwicklung von GPK herausgestellt, insbesondere wenn diese mit regelmäßigem, aber nicht andauerndem Mentoring verbunden war (König et al. 2015). Angehende Lehrkräfte mit umfangreicher Praxiserfahrung ohne jede Betreuung und solche mit wenig Praxiserfahrung unter Dauerbetreuung verfügten über signifikant niedrigeres GPK als jene, deren Praxiserfahrung von mittlerem Umfang war und die zeitweise, aber nicht andauernd betreut wurden, sondern auch eigenständig Erfahrung mit dem Unterrichten machen konnten. Die Bedeutsamkeit von GPK für die Qualität von Unterricht wurde in einer Studie von Pfanzl et al. (2013) deutlich, in der sich ein positiver Zusammenhang zum unterrichtlichen Handeln der Lehrkräfte sowie verschiedenen Schülermerkmalen zeigte. Ähnlich wie der Test von König und Blömeke (2009) ist der Test von Voss et al. (2011) konzipiert, der pädagogisch-psychologisches Wissen (PPK) in den Bereichen Klassenführung, Unterrichtsmethoden, Umgang mit Heterogenität und Leistungsbeurteilung erfasst. Referendare mit Lehrerfahrung schnitten in diesem Test signifikant besser ab als jene ohne (ebd.). Im Laufe der zweiten Phase der Ausbildung nahm insbesondere das Klassenführungswissen von Referendaren zu und das PPK sagte signifikant positiv die Note in ihrem zweiten Staatsexamen voraus (Voss et al. 2015). Auch mit diesem Test zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen PPK und Unterrichtsqualität in Form von Klassenführung und Lernerunterstützung (Voss et al. 2014). Ein dritter Test, der landesweit in Nordrhein-Westfalen in allen Studienseminaren eingesetzt wurde, erfasst das bildungswissenschaftliche Wissen von angehenden Lehrkräften sehr breit (Kunter et al. 2015). Mit sechs Subskalen wird Wissen zur Unterrichtsdidaktik, Schulpädagogik, Bildungstheorie, Lernen und Entwicklung,
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Übergang von der Erstausbildung in den Beruf 685 Diagnostik und Evaluation sowie zum Lehrerberuf erfasst, das im Rahmen einer Delphistudie mit 48 Lehrerausbildungsexperten als besonders relevant identifiziert worden war (Kunina-Habenicht et al. 2012). Während Referendare auf drei Skalen – unter anderem jene für Lernen und Entwicklung – höheres Wissen aufwiesen als Studienanfänger*innen, galt dies für die übrigen drei nicht (Linninger et al. 2015). Die Subskala Lernen und Entwicklung konnte zudem weiter validiert werden (Lohse-Bossenz et al. 2015). Sie wies signifikante Zusammenhänge zur Abiturnote auf, Referendare mit einem Lehramtsstudium schnitten signifikant besser ab als Seiteneinsteiger*innen, und das Wissen zeigte signifikant positive Auswirkungen auf selbst berichtete Merkmale von Unterrichtsqualität in Form von effektiver Zeitnutzung, individueller Unterstützung und Umgang mit Schülerfehlern.
19.6 Übergang von der Erstausbildung in den Beruf 19.6.1 Konzepte Der Übergang in den Beruf stellt für Lehrkräfte eine große Herausforderung dar. Im internationalen Vergleich unterscheiden sich die Anstrengungen der Länder, was Unterstützung bei diesem Einstieg in die Schulpraxis angeht (vgl. auch Blömeke und Paine 2009). Von 25 Ländern wiesen laut OECD (2005) acht Länder – darunter Deutschland – keine entsprechenden Programme auf. Andere verfügten über Programme, die aber nicht überall verpflichtend waren. Sie wurden in der Regel an Schulen oder in Zusammenarbeit von Schulen und Hochschulen angeboten. Es setzten vor allem jene Länder auf Berufseinstiegsprogramme, die nur wenige Praxisphasen in der Erstausbildung anboten. Die Forschung zur Wirkung von systematischen Berufseinstiegsprogrammen verweist auf signifikante Zusammenhänge zwischen diesen und erfolgreichen Berufseinstiegen (Ingersoll und Strong 2011; Nasser-Abu Alhija und Fresko 2010). Je höher die Qualität der Unterstützung eingeschätzt wurde, umso besser entwickelten sich die Lehrkräfte (Jensen et al. 2012). Die Unterstützung erfolgt stärker individualisiert als in der Ausbildung, oft wird auch eine emotionale und soziale Unterstützung durch Beratungsangebote, Supervision und Peer-Netzwerke angeboten (OECD 2005). In Ländern mit offiziellen Einführungsprogrammen sind Junglehrkräfte meist von einem Teil ihrer Unterrichtsverpflichtung befreit. In Deutschland leistet der Vorbereitungsdienst, was woanders der Berufseinstieg leisten soll: eine praktische Einführung in das Unterrichten und die Verknüpfung des in der Ausbildung erworbenen Wissens mit praktischen Erfahrungen (Britton et al. 2003). Entsprechend bieten nur zwei Bundesländer eine verpflichtende Stützstruktur im Berufseinstieg an. Bayern argumentiert sogar, dass das zweite Jahr des Vorbereitungsdienstes „funktional einer Berufseingangsphase“ entspricht (KMK 2014).
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686 Lehrerbildung 19.6.2 Empirische Erkenntnisse zur Kompetenzentwicklung im Berufseinstieg Auf der Basis von Daten aus TEDS-M und einer in Deutschland durchgeführten Folgeuntersuchung (TEDS-FU) wurde über vier Jahre mithilfe von Papier-undBleistift-, Video-Vignetten- und Geschwindigkeitstests die Kompetenzentwicklung von 171 Mathematiklehrkräften der Sekundarstufe I untersucht. Das MCK der Junglehrkräfte ging in den vier Jahren zwischen dem Ende der Ausbildung und der letzten Testung leicht zurück (Blömeke, Busse et al. 2014). Das MPCK der Lehrkräfte blieb dagegen auf einem ähnlichen Niveau erhalten. Nominell war sogar ein Zuwachs von fünf Testpunkten in den vier Jahren zwischen TEDS-M und TEDS-FU zu verzeichnen, der allerdings nicht signifikant wurde. Das pädagogische Wissen stieg signifikant und mit großer Effektstärke an (König et al. 2014). Im Unterschied zu diesen Ergebnissen konnte die Studie ALPHA für Deutschland, Österreich und die Schweiz keine Weiterentwicklung im ersten Berufsjahr feststellen (Baer et al. 2011; Kocher et al. 2013). Das MCK von praktizierenden Lehrkräften ist signifikant vom Wissen beeinflusst, das am Ende der Lehrerausbildung vorliegt (Blömeke, Busse et al. 2014). Im Unterschied dazu deutet die relativ geringe Korrelation der MPCK-Ergebnisse auf starke Veränderungen in der Rangfolge hin. Lehrkräfte mit schwachen Ergebnissen am Ende der Lehrerbildung wiesen vier Jahre später zum Teil höheres Wissen auf als andere. Dies deutet auf unterschiedliche Lerneffekte aus der Praxiserfahrung hin. Bedeutsam ist auch, dass MCK, MPCK und GPK nach einigen Jahren im Beruf höher miteinander zusammenhängen als am Ende der Lehrerausbildung. Dies deutet auf eine zunehmende Vernetzung – ein wichtiger Indikator für Expertise – der drei Facetten hin. Zudem zeigten sich höhere Zusammenhänge der drei Facetten bei Gymnasiallehrkräften als bei Lehrkräften an nicht-gymnasialen Schulen. Das Wissen von Lehrkräften hat Folgen für ihre situationsbezogenen Fähigkeiten im Unterricht (Gold et al. 2013; Kersting et al. 2010; Krauss und Brunner 2011; Oser et al. 2010; Sherin 2007; Stürmer et al. 2013). Es sagt voraus, wie gut und rasch Lehrkräfte Schülerfehler entdecken und wie sie das Geschehen in der Klasse wahrnehmen und interpretieren sowie welche Handlungsoptionen sie generieren. Dieser Befund konnte – zum Teil unter Verwendung anderer Begrifflichkeiten – für mehrere Gruppen von Lehrkräften sowie für fachbezogene und allgemeinpädagogische Fragen in den genannten Studien gestützt werden. Die Kompetenzentwicklung hängt dabei mit der Qualität des Schulkontextes zusammen. Studien zeigen, dass Unterstützung in Form von Anerkennung/Feedback und Autonomieerleben sowie die Führungsqualitäten der Schulleitung und das Schulklima signifikant positiv mit verschiedenen Indikatoren von Unterrichtsqualität und signifikant negativ mit Belastungserleben zusammenhängen (Blömeke und Klein 2013; Ma und MacMillan 1999; Shen et al. 2012). Dies gilt auch im internationalen Vergleich (OECD 2009). Zugleich zeigte sich ein signifikant positiver
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Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen 687 Zusammenhang zwischen höheren kognitiven Kompetenzen und geringerem Belastungserleben (Blömeke, Hoth et al. 2015; König et al. 2015). Der Berufszufriedenheit kommt in diesem Zusammenhang offensichtlich eine vermittelnde Rolle zu (Kouzes und Posner 2002). Diese Erkenntnisse können helfen, Entscheidungen hinsichtlich des Unterstützungsbedarfs beim Berufseinstieg zu gestalten und so das Bildungspotenzial dieser Phase noch besser zu nutzen.
19.7 Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen Im internationalen Vergleich fällt auf, dass der Zugang zur Lehrerausbildung in Deutschland wenig eingeschränkt ist. Mit dem Abitur kann prinzipiell jede*r Interessierte einen Studienplatz erhalten, wenn man von Beschränkungen einzelner Universitäten absieht. Dies gilt, obwohl die Hochschulen bereits seit langem die Freiheit haben, Auswahlkriterien zu definieren. Die damit einhergehende Notwendigkeit, systematische und rechtlich abgesicherte Auswahlverfahren durchzuführen, schrecken die Universitäten aber offensichtlich eher ab. Zugleich findet sich relativ selten eine gezielte Rekrutierung bestimmter Abiturient*innen für die Lehrerausbildung. Zwar haben ideelle und materielle Förderprogramme in Bezug auf Migrant*innen oder besonders Begabte zugenommen, wie beispielsweise die Hertie-Stiftung mit ihrem Programm „Förderung von Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund“ oder das Studienkolleg „Begabtenförderung für Lehramtsstudierende“ deutlich machen. Eine gezielte Strategie mit Breitenwirkung, die bisher eher berufsferne Gruppen für den Lehrerberuf gewinnt, lässt sich aber nicht erkennen, womit Bildungspotenzial verschenkt wird. Eine stärkere Rolle spielen dagegen individuelle Eignungsabklärungen in sozial-emotionaler und motivationaler Hinsicht. Viele Hochschulen raten Bewerber*innen zur Teilnahme an Selbsterkundungsverfahren. Sie erhoffen sich davon, dass potenziellen Lehramtsstudierenden so deutlicher wird, mit welchen Anforderungen der Lehrerberuf verbunden ist, und dass sie ihre Eignung dafür dann selbstkritisch prüfen. Plattformen wie „CCT – Career Counselling for Teachers“ geben computergestützt eine unmittelbare Rückmeldung (Mayr 2001). Eine große Herausforderung für die Lehrerbildung war, auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2011 zur „Inklusiven Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“ angemessen zu reagieren (für Details ► Kap. 9). Während zuvor eine starke sonderpädagogische Ausbildung existierte, entschied die KMK 2012, dass in der Ausbildung für alle Lehrämter „den pädagogischen und didaktischen Basisqualifikationen in den Themenbereichen Umgang mit Heterogenität und Inklusion sowie Grundlagen der Förderdiagnostik“ eine besondere Bedeutung zukommen sollte. Daraufhin wurden sowohl die bildungswissenschaftlichen als auch die fachspezifischen Standards für die Lehrerbildung
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688 Lehrerbildung angepasst, und an allen Hochschulen wurden innerhalb kurzer Zeit entsprechende Module implementiert. Bereits im Wintersemester 2012/13 boten die meisten Universitäten mindestens eine Lehrveranstaltung zum Thema Inklusion in einem Regelschullehramt an (Sawalis et al. 2013). Besonders umfangreich waren die Angebote dort, wo bereits ein Lehramt Sonderpädagogik bestand. Die Rolle des bisherigen Lehramtsstudiengangs für Förderschulen und der inklusionspädagogischen Kompetenz aller Lehrkräfte ist allerdings noch nicht vollständig geklärt (Hinz 2013). Die Positionen reichen von einer weitgehenden Aufrechterhaltung der Sonderpädagogik-Ausbildung und einer Übernahme von Aufgaben der inneren und äußeren Differenzierung in inklusiven Klassenräumen durch diese Lehrkräfte bis zur Auflösung der Sonderpädagogik-Ausbildung und stattdessen einer Ausbildung aller Lehrkräfte im Umgang mit Heterogenität. Der Verband der Sonderpädagogik vertritt eher die erste Position, während sich in der allgemeinen (Grund-)Schulpädagogik eher die zweite Position finden lässt (Seitz 2011). Das Land Bremen geht diesen zweiten Weg, indem Sonderpädagogik als Inklusionspädagogik nur noch als Doppelqualifizierung in Kombination mit einem grundschul- oder sekundarschulbezogenen Lehramt studiert werden kann (ebd.). Eine zweite aktuelle Entwicklung stellt die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundes dar. Nachdem über die Exzellenzinitiative viel Geld in die Forschung an den Hochschulen geflossen ist, zielt die mit 500 Mio. Euro dotierte und auf zehn Jahre ausgelegte Offensive darauf, die Lehre zu stärken. In einem wettbewerbsorientierten Verfahren waren die Hochschulen aufgefordert, einzeln oder im Verbund Anträge einzureichen, die sich auf eine Optimierung der Strukturen der Lehrerbildung, eine bessere inhaltliche Vernetzung von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften bzw. von Theorie und Praxis oder auf eine Verbesserung des Beratungsangebots bzw. spezifisch auf Fragen der Inklusion richten (BMBF 2014). Ein weiterer Fokus der Ausschreibung lag auf der Verbesserung der Mobilität von Studierenden und Lehrkräften durch Vorhaben zur besseren gegenseitigen Anerkennung von lehramtsbezogenen Studienleistungen und Lehramtsabschlüssen. Insgesamt 19 Anträge aus neun Bundesländern wurden bewilligt, beispielsweise Kooperationsvorhaben von Universitäten mit Pädagogischen Hochschulen oder Vorhaben, die eine stärkere Praxisorientierung der ersten Phase in den Vordergrund stellten. Die Attraktivität des Lehrerberufs hängt maßgeblich von den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung ab. Seit der Wiedervereinigung ist ein zentraler Diskussionspunkt in diesem Zusammenhang die Frage, ob Lehrkräfte bei ihrem Eintritt in den Beruf als Beamte oder Angestellte eingruppiert werden. Da Lehrkräfte die mit Abstand größte Personalgruppe des öffentlichen Dienstes stellen, ist dies unabhängig vom Dienst- bzw. Treueverhältnis oder des Streikrechts für die Bundesländer vor allem eine Kostenfrage. Während für Angestellte während ihrer Erwerbstätigkeit Beiträge zur Sozialversicherung anfallen, fallen die Kosten für den Ruhestand von Beamt*innen erst später, dafür aber ggf. für viele Jahrzehnte ohne Gegenleistung an. Für die einzelne Lehrkraft bedeutet der Status einen Einkommensunterschied
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Schlussfolgerungen: Bildungspotenziale der Lehrerbildung 689 von mehreren Hundert Euro im Monat, was von einzelnen Bundesländern bereits gezielt als Werbemaßnahme eingesetzt wurde. In den 1990er Jahren wurden Lehrkräfte in den neuen Bundesländern im Regelfall als Angestellte beschäftigt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen verbeamten wie die westlichen Bundesländer Lehrkräfte heute wieder. Nur Berlin (einschließlich West-Berlin) und Sachsen statten sie weiterhin mit Angestelltenverträgen aus.
19.8 Schlussfolgerungen: Bildungspotenziale der Lehrerbildung Da Lehrkräfte einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler haben, stellt die Lehrerausbildung ein Bildungspotenzial dar, die Qualität des deutschen Schulsystems weiter anzuheben. Die vorgestellten Konzepte und Studien lassen zahlreiche Schlussfolgerungen zu, die sich auf die Rekrutierung und Auswahl der Lehramtsstudierenden, die ihnen gebotenen fachbezogenen Lerngelegenheiten, die Qualität der Praxiserfahrungen und die Unterstützungsleistung durch die Schulleitung beziehen. Die Abiturnote und das eingangs vorliegende Wissensniveau sagen mit großer Effektstärke voraus, welche Kompetenzen angehende Lehrkräfte im Laufe der Lehrerbildung entwickeln. Hier liegt unerschlossenes Bildungspotenzial, indem über eine stärkere Selektivität zu Beginn der Lehrerbildung ihre Lernerträge gesteigert werden können. Allerdings ist es dafür notwendig, den Bewerberpool hinreichend groß zu gestalten, sodass eine Auswahl möglich wird und Quer- bzw. Seiteneinstiege vermieden werden. Eine gezielte Rekrutierungsstrategie mit Breitenwirkung, die bisher eher berufsferne Gruppen wie beispielsweise Migrant*innen für den Lehrerberuf gewinnt, lässt sich derzeit aber nicht erkennen. In Bezug auf die Gestaltung der Lehrerbildung bestehen vor allem dort Ansatzpunkte, wo derzeit häufig fachfremd oder auf schmaler fachlicher Basis unterrichtet wird, was mit signifikant niedrigeren Schülerleistungen einhergeht. Seitdem in der Grundschullehrerausbildung Deutsch und Mathematik in allen 16 Bundesländern Pflicht sind, stellen die stufenübergreifende GHR-Ausbildung ohne Mathematik als Unterrichtsfach trotz Klassenlehreraufgaben einschließlich Mathematikunterricht in der Grundschule und die nicht-gymnasiale Lehrerbildung in jenen Bundesländern, wo diese der Gymnasiallehrerausbildung nicht gleichgestellt ist, die größten Probleme dar. Eine Stärkung der fachlichen Ausbildung in diesen Studiengängen würde bisher ungenutztes Bildungspotenzial produktiv machen. Im Zuge des Berufseinstiegs – und vermutlich auch darüber hinaus – wirken sich eine individuelle Unterstützung und eine hohe Qualität auf Seiten der Schulleitung positiv auf die Kompetenzentwicklung und die Berufszufriedenheit der Lehrkräfte aus. Zudem kann so deren Belastungserleben reduziert werden, was sich insgesamt positiv auf die Unterrichtsqualität auswirkt und in höhere Schülerleistungen mündet.
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690 Lehrerbildung Ungenutztes Bildungspotenzial liegt in der Organisation der Lehrerausbildung, insbesondere der Vernetzung ihrer Komponenten Theorie und Praxis sowie Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften, ohne den vorhandenen hohen Spezialisierungsgrad aufzugeben. In Bezug auf die inneruniversitäre Vernetzung hat sich in den letzten Jahren durch die Gründung von Zentren für Lehrerbildung allerdings auch bereits viel getan, während die phasenübergreifende Kooperation noch ungenutztes Potenzial aufweist. Fachfremder Unterricht ist in manchen Bereichen wie den Naturwissenschaften ein Indiz für unzureichende Attraktivität des Lehrerberufs im Vergleich zu anderen Arbeitsplätzen, aber auch generell für Nachwuchsmangel in den Naturwissenschaften und damit indirekt möglicherweise ein Indiz für Qualitätsprobleme des Schulunterrichts in diesem Bereich. Hier Abhilfe zu schaffen, erfordert sehr langfristige Anstrengungen in Hinblick auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Lehrerberuf, eine Anhebung seiner Reputation und Veränderungen im Unterricht, sodass mehr Schülerinnen und Schüler ein Interesse an den Naturwissenschaften entwickeln.
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VI Erwachsenen- und Weiterbildung, Bildung im höheren und hohen Alter
Einführung zu VI Josef Schrader (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen, Eberhard Karls Universität Tübingen) Institutionelle Rahmenbedingungen, Anbieter, Angebote und Lehr-Lernprozesse der Erwachsenen- und Weiterbildung Josef Schrader Bildungsbeteiligung Erwachsener unter besonderer Berücksichtigung individueller und sozialer Bedingungen Harm Kuper (Freie Universität Berlin) Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung Harm Kuper und Josef Schrader Fortbildung des pädagogischen Personals in der frühen Bildung, der Schule und der Erwachsenen- und Weiterbildung Josef Schrader, Yvonne Anders (Otto-Friedrich-Universität Bamberg) und Dirk Richter (Universität Potsdam) Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter Bernhard Schmidt-Hertha (Eberhard Karls Universität Tübingen) und Rudolf Tippelt (Ludwig-Maximilians-Universität München)
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| 699 Einführung zu VI
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Erwachsenen- und Weiterbildung, Bildung im höheren und hohen Alter Josef Schrader
Teil VI zum Bildungswesen in Deutschland widmet sich der Erwachsenen- und Weiterbildung einschließlich der Bildung im höheren und hohen Alter. Er bietet Forschungswissen zum Angebot, zur Nutzung und zu den Wirkungen des Lernens im Erwachsenenalter. Im Vordergrund steht eine Bestandsaufnahme zu den Anbietern und Angeboten der Erwachsenen- und Weiterbildung sowie der Bildung im höheren und hohen Alter, den Teilnehmenden generell und insbesondere den älteren Teilnehmenden sowie den individuellen, den organisationalen und den volkswirtschaftlichen Erträgen des Lernens Erwachsener. Außerdem werden Befunde zur Fortbildung des pädagogischen Personals vorgestellt, das einen entscheidenden Faktor für die erfolgreiche Nutzung pädagogischer Angebote darstellt. Das Kapitel 20 von Josef Schrader fokussiert Institutionelle Voraussetzungen, Anbieter und Angebote der Erwachsenen- und Weiterbildung. Das Kapitel beschreibt und analysiert die oft als unübersichtlich empfundene Struktur der Anbieter von Weiterbildung anhand eines Modells von Reproduktionskontexten mit unterschiedlichen institutionellen Arrangements und Organisationsformen. Anschließend werden die Weiterbildungsangebote behandelt, wobei nicht nur die Inhalte und Themen, sondern auch die spezifischen Ziele und die damit einhergehenden Lehr-Lernformen im Vergleich zum schulischen und hochschulischen Lernen thematisiert werden. Das Kapitel 21 von Harm Kuper widmet sich der Bildungsbeteiligung Erwachsener unter besonderer Berücksichtigung individueller und sozialer Bedingungen. Referiert wird die Forschung zur Nutzung von Weiterbildungsangeboten. Zunächst diskutiert der Beitrag die durchaus problembehaftete Erforschung des Lernens Erwachsener anhand internationaler und nationaler Berichterstattung. Durch nationalstaatlich unterschiedlich gewachsene Weiterbildungssysteme haben sich jeweils heterogene institutionelle Strukturen gebildet, die bei einer umfassenden Berichterstattung zur Bildungsbeteiligung Erwachsener berücksichtigt werden müssen. Außerdem werden ausgewählte Modelle zur Erklärung der Weiterbildungsbeteiligung sowie empirische Befunde zu den individuellen und sozialen Bedingungen der Weiterbildungsteilnahme vorgestellt.
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700 Einführung zu VI In Kapitel 22 untersuchen Harm Kuper und Josef Schrader die Wirkungen der Weiterbildung sowie die Wirkungen der Steuerung von Weiterbildung. Im Blick auf die Wirkungen der Weiterbildung finden sowohl die lernenden Individuen als auch die volks- und betriebswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Effekte Beachtung. Dazu werden unter dem Anspruch der Generalisierbarkeit und Systematisierung wiederum anhand des Mehrebenenmodells Studien zur Wirkung von Weiterbildung aus unterschiedlichen Disziplinen referiert. Fokussiert werden Bedingungen, die für die Teilnahme an formal freiwilliger Weiterbildung von Bedeutung sind, sowie die Effekte der Weiterbildung für die Teilnehmenden. In einem eigenen Abschnitt werden zuletzt die „wider benefits of learning“ fokussiert, Wirkungen also, die sich jenseits der Erwerbsarbeit einstellen. In einem zweiten Teil dieses Kapitels werden die Steuerungsimpulse von (supra-)nationalen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und deren Auswirkungen auf die Strukturen, die Prozesse und die Wirkungen der Erwachsenen- und Weiterbildung behandelt. Das Kapitel 23 von Yvonne Anders, Dirk Richter und Josef Schrader informiert über die Fortbildung des pädagogischen Personals von der Frühpädagogik bis zur Weiterbildung. Das Kapitel stellt die in Forschung und Praxis üblichen Kompetenzmodelle vor und bietet Einblicke in die Lerngelegenheiten und Fortbildungsmöglichkeiten von Beschäftigten in der Frühpädagogik, von Lehrerinnen und Lehrern in der Schule sowie von Lehrkräften der Weiterbildung. Einleitend werden die Qualifikationen und Beschäftigungsbedingungen des Personals in den verschiedenen Bildungsbereichen nachgezeichnet. Die Teilkapitel referieren institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen der Fortbildungsangebote, Befunde zu Adressaten und Adressatinnen, zur Nutzung und zu Wirkungen der Fortbildungsteilnahme. Zuletzt werden die besonderen Herausforderungen von Fortbildung im jeweiligen Feld aufgezeigt. Das Kapitel 24 zur Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter von Bernhard Schmidt-Hertha und Rudolf Tippelt beschreibt die physiologischen und strukturellen Voraussetzungen von Bildung im Alter sowie die Bildungsbeteiligung, -interessen und -barrieren der Lernenden. Dazu wird zunächst die Lebensphase des Alters beschrieben und anschließend werden die individuellen Voraussetzungen für Bildung im Alter hinsichtlich kognitiver Entwicklung, Kompetenzen im Alter und (bildungs-)biografischer Bedingungen dargestellt. Ein weiterer Abschnitt widmet sich den Voraussetzungen vonseiten der Träger und den von ihnen entwickelten Angebotsformaten. Außerdem wird ein Blick auf die Teilnehmenden geworfen und deren Interessen, Erwartungen und Motive erörtert, aber auch Barrieren von Bildung im Alter benannt. Zuletzt werden ökonomische und nichtökonomische Effekte von Bildung im Alter sowie Effekte altersangepasster Trainings in den Blick genommen.
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| 701 20 Institutionelle Rahmenbedingungen, Anbieter, Angebote und Lehr-Lernprozesse der Erwachsenen- und Weiterbildung Josef Schrader
Zusammenfassung Der sogenannte vierte Bildungsbereich, die Erwachsenen- und Weiterbildung, wird in Anlehnung an ein Mehrebenenmodell dargestellt, das zwischen der Ebene der bildungspolitischen Steuerung und der institutionellen Rahmenbedingungen, der Ebene der Organisationen, der Programme und Angebote sowie der Lehr- und Lernprozesse unterscheidet. Eine Vielzahl nationaler, supra- und internationaler und auch zivilgesellschaftlicher Akteure versucht, weithin unkoordiniert, Einfluss auf die Ausgangsbedingungen, die Prozesse und die Wirkungen des Lernens Erwachsener zu nehmen. Die institutionelle Heterogenität der Erwachsenen- und Weiterbildung wird sichtbar in einer großen Zahl von gemeinschaftsorientierten, öffentlich-rechtlichen bzw. staatlichen, innerbetrieblichen und marktorientierten Organisationen, die sich unter ganz unterschiedlichen Kontextbedingungen reproduzieren. Bemerkenswert ist, dass sich regional deutliche Unterschiede in den Anbieter- und Angebotsstrukturen zeigen, die sich auf die Wirtschaftskraft, auf historische Traditionen und die jeweiligen gesetzlichen Regelungen zurückführen lassen. Eine Gemeinsamkeit von Weiterbildungseinrichtungen besteht darin, dass sie in der Regel mit einer kleinen Zahl von hauptberuflich Beschäftigten mit planend-disponierenden Aufgaben arbeiten sowie einer größeren Zahl von neben- oder freiberuflich Beschäftigten, die überwiegend lehrend tätig sind. Die Beschäftigungsbedingungen variieren je nach Beschäftigungsstatus und Kontextbindungen erheblich. Blickt man auf die Angebote und Programme der Erwachsenen- und Weiterbildung, so zielen sie zunächst auf die kompensatorische Vermittlung von Basiskompetenzen und auf das Nachholen von Schulabschlüssen. Einen zweiten Schwerpunkt bilden Angebote zu Kommunikations- und Schlüsselfähigkeiten (Fremdsprachen, soziale Kompetenzen) und zur Begleitung Erwachsener in ihren je besonderen Rollen und Lebensräumen außerhalb von Politik und Beruf (in der Familien-, Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher-, Freizeit- oder der kulturellen Bildung). Hinzu kommen Angebote der politischen Bildung. Einen sehr großen Angebotsbereich bilden Veranstaltungen der erwerbs- und berufsbezogenen Anpassungs- und Aufstiegsfortbildung. Das Gesamtangebot ist in Teilbereichen stark segmentiert oder gar monopo-
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702 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung lisiert, während in anderen Themenbereichen Anbieter unterschiedlicher Kontexte miteinander konkurrieren. Blickt man auf die Ebene der Lehr-Lernprozesse, so zielt die Erwachsenen- und Weiterbildung auf die Vermittlung anwendbaren Wissens zur Sicherung der Handlungsfähigkeit ihrer Adressaten beim Umgang mit Sachen und Symbolen, mit anderen, mit der eigenen Person sowie mit grundlegenden Werten und Normen des Zusammenlebens. Sie nutzt dazu sowohl genuin wissenschaftliches Wissen, aber auch kodifiziertes Expertenwissen, alltägliches Erfahrungswissen und religiöses und metaphysisches Wissen.
20.1 Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland Die Erwachsenen- und Weiterbildung ist in Deutschland inzwischen nach der Zahl der Teilnehmenden, der Organisationen und auch nach der Zahl der Beschäftigten der größte Bildungsbereich: ca. 26,3 Mio. Teilnehmende pro Jahr (für 2014; vgl. Bilger und Strauß 2015, 13) im Vergleich zu ca. 8,4 Mio. Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen und 2,5 Mio. Berufsschülerinnen und -schülern (Schuljahr 2014/15; vgl. Statistisches Bundesamt 2016a) sowie ca. 2,7 Mio. Studierenden (vgl. Statistisches Bundesamt 2016b); ca. 50.000 öffentlichrechtliche, gemeinwohlorientierte und kommerzielle Einrichtungen (laut wbmonitor 2015 und Unternehmensregister nach Betriebsstättenkonzept) und ca. zwei Mio. weiterbildungsaktive Betriebe laut IAB-Betriebspanel (vgl. Ambos et al. 2016; Martin et al. 2015, 245) im Vergleich zu 44.306 allgemein- und berufsbildenden Schulen (Schuljahr 2014/15; vgl. Statistisches Bundesamt 2016c) und 427 Universitäten und Fachhochschulen (Stand 2014/15; vgl. Statistisches Bundesamt 2016d); ca. 700.000 pädagogisch Beschäftigte, wenn man auch das nebenberuflich tätige Personal einbezieht, davon ca. 530.000 Lehrkräfte (ohne den statistisch nicht zuverlässig erfassten Bereich der innerbetrieblichen Weiterbildung) gegenüber ca. 795.000 Lehrerinnen und Lehrern im allgemein- und berufsbildenden Schulwesen (vgl. Statistisches Bundesamt 2016e) und ca. 239.000 beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Hochschulen (mit Lehraufgaben, darunter ca. 46.000 Professorinnen und Professoren; vgl. Statistisches Bundesamt 2016f ). Trotz der Allgegenwart der Programmatik vom lebenslangen Lernen ist aber in Politik, Praxis und Öffentlichkeit häufig wenig bekannt, was genau sich hinter diesen Zahlen verbirgt. Wie ist Erwachsenen- und Weiterbildung organisiert? Welche Angebote (Themen und Inhalte) werden nachgefragt? Wie wird in den Kursen, Seminaren und Trainings gelehrt und gelernt? Öffentliche Aufmerksamkeit erfährt die Erwachsenenund Weiterbildung derzeit vor allem dann, wenn ihre Nothelferfunktion gefragt ist. So machten international-vergleichende Large Scale Assessments, die mit der IALS(International Adult Literacy Survey), der ALL- (Adult Literacy and Lifeskills) und der PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies)
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Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland 703 (vgl. Tuijnman et al. 1995; Statistics Canada und OECD 2005; Rammstedt 2013) inzwischen auch die Weiterbildung erreicht haben, auf zwei fundamentale Probleme aufmerksam: Es gelingt auch modernen Gesellschaften nicht (mehr), das Bildungsminimum für alle zu sichern und über den Lebenslauf zu stabilisieren; ablesbar ist dies an dem hohen, mit zunehmenden Alter steigenden Anteil Erwachsener mit nur basalen Kompetenzen im aktiven und rezeptiven Gebrauch der Schriftsprache sowie in der Alltagsmathematik. Die zweite, dauerhaft angelegte, aber durch die Flüchtlingsdebatte stark forcierte Herausforderung ergibt sich aus dem Bedarf an Unterstützung bei der gesellschaftlichen Integration durch die Vermittlung sprachlicher, arbeitsmarktrelevanter und politisch-kultureller Kompetenzen bei den Zugewanderten, aber angesichts einer wachsenden Fremdenfeindlichkeit auch durch politische Bildung oder interkulturelle Trainings bei den Mitgliedern der aufnehmenden Gesellschaft. Eine dritte zentrale Herausforderung betrifft die fortschreitende Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt (zuletzt diskutiert unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“), die lebenslanges Lernen unabweisbar macht. Erwartungen und Forderungen dieser Art lenken die Aufmerksamkeit jeweils auf ausgewählte Inhalte und Funktionen des Lernens Erwachsener, oft allerdings ohne differenzierte Kenntnis der institutionellen Strukturen der Erwachsenen- und Weiterbildung und ihrer Leistungsfähigkeit. Die folgende Darstellung orientiert sich an der Vorstellung von Erwachsenen- und Weiterbildung als einem Mehrebenensystem und greift die verbreitete Unterscheidung von Input-, Prozess- und Produktmerkmalen der Weiterbildung auf (► Abb. 20.1). Der Fokus ist auf das institutionalisierte, pädagogisch begleitete non-formale und formale Lernen gerichtet. Das informelle Lernen (vgl. Rohs 2016) kommt nur dann in den Blick, wenn es zum Gegenstand pädagogischer Dienstleistungen z. B. in Form von Beratung oder Anerkennung und Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen wird. Zur Nutzung digitaler Medien in Lehr-Lernprozessen der Erwachsenenund Weiterbildung verweisen wir auf Buchteil VII. Das Modell unterscheidet die Ebene der bildungspolitischen Steuerung und der institutionellen Rahmenbedingungen (rechtliche Regelungen, Finanzierungsbedingungen, institutionalisierte Verhaltenserwartungen usw.), die Ebene der Organisationen bzw. Einrichtungen, die Ebene der Programme und Angebote sowie die Ebene der Lehr- und Lernprozesse. Die Wirkungen der Erwachsenen- und Weiterbildung werden als Ergebnis der Ko-Konstruktion der Handlungen von Akteurinnen und Akteuren auf unterschiedlichen Systemebenen interpretiert. Wirkungen können im Blick auf die Zufriedenheit der Teilnehmenden, ihren Lernerfolg oder auf monetäre oder nicht-monetäre Erträge betrachtet werden, aber auch im Blick auf Veränderungen von Motivationen und Interessen. Außerdem werden Befunde zu den Effekten von Weiterbildung für Betriebe, Volkswirtschaften und Gesellschaften berichtet. Im Vordergrund stehen allerdings die Adressatinnen und Adressaten des lebenslangen Lernens, für die im Sinne eines realistischen Bildungsbegriffs (vgl. Schrader 2015) gefragt wird, welchen Beitrag Erwachsenenbildung zur Entwicklung individueller Anlagen, zur gesellschaftlichen Integration und zur Beschäftigungsfähigkeit leistet.
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704 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung
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Abb. 20.1: Mehrebenensystem der Erwachsenen- und Weiterbildung
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Institutionalisierung des lebenslangen Lernens 705 Die Darstellung beginnt mit einem kurzen Rückblick auf die Institutionalisierung der Volks-, der Erwachsenen- und später der Weiterbildung von der „Epochenwende“ des Übergangs vom 18. auf das 19. Jahrhundert bis zur sozialstaatlich motivierten Bildungsreform der 1960er und 1970er Jahre. Dabei stehen die institutionellen Voraussetzungen der Erwachsenen- und Weiterbildung, existierende rechtliche Regelungen sowie politische und ökonomische Rahmenbedingungen einschließlich der Finanzierungssituation im Vordergrund. Die Qualifikationen und die Beschäftigungsbedingungen des pädagogischen Personals werden in Abschnitt 20.3 behandelt.
20.2 Volks-, Erwachsenen- und Weiterbildung: Institutionalisierung des lebenslangen Lernens Das organisierte Lernen Erwachsener ist, wie die allgemeine Schulpflicht, ein Kind der Moderne. Seine Entstehung und Entwicklung sind eingebunden in soziale, kulturelle, politische und ökonomische Veränderungen (vgl. zum Folgenden Schrader 2011, 26-45). Sozialgeschichtlich betrachtet ist Erwachsenen- und Weiterbildung eine Reaktion auf (Früh-)Liberalismus, Säkularisierung und Industrialisierung, ideengeschichtlich ist sie in Aufklärung und Romantik zugleich verankert (vgl. Tietgens 1969). Die Ausweitung des organisierten Lernens auf das Erwachsenenalter ist eine Reaktionsform auf einen sich seit dem 18. Jahrhundert beschleunigenden, bis heute andauernden Prozess der Modernisierung und Umwälzung traditionaler Lebens- und Arbeitsformen. Das Lernen Erwachsener ist insofern Symptom und Produkt von Emanzipation, Demokratisierung und Technisierung (vgl. Strzelewicz 1971) und gleichzeitig eingebunden in Strategien der Aufrechterhaltung „sozialer Ordnung“ in restaurativer Absicht (vgl. Dräger 1984). Der Ursprung der Volksbildung im 18. und 19. Jahrhundert liegt in regional begrenzten bildungsbürgerlichen, bäuerlichen, handwerklichen und kirchlichen Gemeinschaften. Von Beginn an wurde die Bildung Erwachsener in den Zusammenhang von „Volkswohlfahrt“ vor dem Hintergrund der sozialen, später auch der nationalen Frage gestellt. Aufbauend auf eine Fülle von Vereinen, Initiativen und Gesellschaften wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits überregionale Vereinigungen gegründet wie z. B. die Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung (1871), der Volksverein für das katholische Deutschland (1890), die Comenius-Gesellschaft (1892), der Verband für volkstümliche Hochschulkurse von Hochschullehrern im Deutschen Reich (1899) sowie der Zentralbildungsausschuß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (1906) (vgl. Seitter 2006, 333). In der Weimarer Reichsverfassung wurde Erwachsenenbildung erstmals als eine staatliche Aufgabe interpretiert. In Art. 148 hieß es: „Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshochschulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden“.
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706 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung Dieses Bekenntnis zu öffentlicher Verantwortung für das Lernen Erwachsener begünstigte nach dem Ersten Weltkrieg einen Gründungsboom von Volksbüchereien und Volkshochschulen. Auch die Bildungsarbeit von Kirchen, Gewerkschaften und politischen Parteien weitete sich in der Weimarer Republik aus. Mit dem Betriebsrätegesetz von 1920 wuchsen Gewerkschaften umfangreiche Aufgaben zur Qualifizierung ihrer Interessenvertreter zu (vgl. Tietgens 1994a, 35). Gleichzeitig institutionalisierte die Industrie erstmals berufs- und betriebsbezogene Erwachsenenbildung, u. a. in Form des 1925 gegründeten Deutschen Instituts für technische Arbeitsgestaltung, einem Vorläufer des REFA-Verbandes. Während die Zeit des Faschismus von vielen Repräsentanten der Erwachsenenbildung und auch in der historischen Forschung als Traditionsbruch interpretiert und daher oft übergangen wurde, lässt sich insbesondere in der Endphase des Zweiten Weltkriegs eine Expansion der betrieblichen Weiterbildung beobachten, die vor allem durch die Rekrutierung der (Fach-)Arbeiterschaft für den Kriegsdienst beschleunigt wurde. Der Wiederaufbau der Erwachsenen- und Weiterbildung in den westlichen Bundesländern wurde nach der Befreiung vom Faschismus von den konzeptionellen und personellen Traditionen der Weimarer Republik getragen. Die westlichen Besatzungsmächte ergänzten diese Initiativen um Impulse zur politischen Bildung unter der Prämisse von Reeducation und Umerziehung. Demgegenüber wurde die Weiterbildung in der DDR in die zentralstaatlich-bürokratische Regulierung eines einheitlichen sozialistischen Bildungssystems integriert, das die Einheit von Allgemeinbildung, Berufsbildung und Weiterbildung betonte. 1965 wurde die Weiterbildung mit dem Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem in das öffentliche Bildungssystem integriert. Das führte u. a. zu einem Institutionalisierungs- und Professionalisierungsprozess, der deutlich früher durchgesetzt wurde als in der Bundesrepublik. Im Zentrum der Weiterbildung der DDR stand aus ökonomischen Gründen und aufgrund des erheblichen Qualifizierungsbedarfs die berufliche Weiterbildung, erzwungen durch die Abwanderung von Fach- und Führungskräften. Sie wurde seit Ende der 1950er Jahre getragen durch Betriebsakademien, die auch für die politische Weiterbildung der Werktätigen verantwortlich waren. Auch Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen entwickelten im Vergleich zur Bundesrepublik früh postgraduale Studienangebote. Das zweite Standbein des Weiterbildungssystems der DDR bildeten die Volkshochschulen, die sich in der Nachkriegszeit vor allem für das Nachholen von Schulabschlüssen engagierten und später auch Schwerpunkte in der allgemeinen Weiterbildung entwickelten. Ergänzt wurden diese beiden Schwerpunkte durch Klub- und Kulturhäuser zur sozialistischen Freizeitgestaltung, teils kommunal, teils betrieblich, teils durch den FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) getragen, sowie durch Gesellschaften wie die Urania oder die Kammer der Technik, die sich auf die Popularisierung von Wissenschaft spezialisierten. Im Unterschied zur Bundesrepublik hat sich in der DDR kein kommerzieller Weiterbildungsmarkt etabliert, und auch die Weiterbildungs-
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Institutionalisierung des lebenslangen Lernens 707 angebote sozialer Gemeinschaften wie Kirchen, Bürgerinitiativen oder Selbsthilfegruppen waren deutlich schwächer entwickelt (vgl. Siebert 2011). Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wies die Erwachsenen- und Weiterbildung nicht als Aufgabenbereich staatlichen Handelns aus. Gleichwohl existierte eine institutionelle öffentliche Förderung (wie in der Weimarer Republik) auf der Basis von Haushaltsplänen, Richtlinien, Gemeinde- und Landkreisordnungen. Einen ersten „Höhe-“ und „Wendepunkt“ der bildungspolitischen und auch der theoretischen Debatten markierte das Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen „Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung“ aus dem Jahre 1960, das als Dokument einer „realistischen Wende“ der Erwachsenen- und Weiterbildung interpretiert wurde (Dikau 1981, 43). Das Gutachten verpflichtete die Erwachsenen- und Weiterbildung auf einen in der Aufklärung fußenden, aber realistischen Bildungsbegriff, wonach gebildet derjenige ist, der in der ständigen Bemühung lebt, sich selbst, die Gesellschaft und die Welt zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln (Deutscher Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen 1960, 20f ). Für die politischen Debatten war vor allem das Plädoyer der Gutachter für eine korporativ-pluralistische Struktur von „freier“ und „gebundener“ Erwachsenenbildung bedeutsam (ebd., 75). Dieses Gutachten bereitete die wohlfahrtsstaatlich motivierte Bildungsreform der 1960er und 1970er Jahre mit vor, die von einer „großen Koalition“ von Bildungspolitik, Wissenschaft und Praxis getragen wurde und mit der die historisch gewachsenen und im 19. Jahrhundert begründeten Strukturen nachhaltig ergänzt wurden. Angestrebt wurde eine mittel- und langfristig angelegte, wissenschaftlich fundierte staatliche (Weiter-)Bildungsplanung. Das Ziel bestand im Auf- und Ausbau der Infrastrukturen eines öffentlich verantworteten, quartären Bildungsbereichs, der Systematisierung des Angebots und der über das Wissenschaftssystem abgesicherten Professionalisierung des hauptberuflichen Personals (vgl. Deutscher Bildungsrat 1970). Diese Programmatik verlor allerdings bereits in den 1980er Jahren wieder an Zustimmung vor dem Hintergrund der Finanzkrise der öffentlichen Haushalte, die zu Beginn der 1990er Jahre durch die Folgen der deutschen Einigung verschärft wurde (vgl. Raapke 1998, 550). Gleichzeitig floss aber seit den 1980er Jahren – weithin unkoordiniert – mehr Geld aus anderen Ministerien (z. B. im Rahmen der Struktur-, Wirtschafts- oder Frauenförderung) in die Weiterbildung als aus den entsprechenden Mitteln nach den Weiterbildungsgesetzen (vgl. Brödel 1997). Dies begünstigte einen zweiten Institutionalisierungsschub der Erwachsenen- und Weiterbildung als Folge der arbeitsmarkt- und sozialpolitisch motivierten Funktionalisierung beruflicher Weiterbildung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG), später den Sozialgesetzbüchern II und III, der vor allem von kommerziellen Anbietern getragen wurde, die als Kapital- und Personengesellschaften mit Erwerbscharakter und Gewinnerzielungsabsicht (GmbH; GbR; GmbH & Ko KG) einen ganz neuen Anbietertyp in der Erwachsenen- und Weiterbildung etablierten.
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708 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung Ein paralleler, wenn auch schwächerer Institutionalisierungsschub lässt sich seit den 1980er Jahren bei Weiterbildungsanbietern im Umfeld der sogenannten neuen sozialen Bewegungen beobachten (Beyersdorf 1991). Gleichzeitig expandierte auch die innerbetriebliche Weiterbildung, die von den Akteuren nach anfänglichen Suchbewegungen mehr und mehr als Instrument einer umfassenden Personal- und Organisationsentwicklung interpretiert wurde; statistisch zuverlässig dokumentiert wird diese Entwicklung allerdings erst mit dem Beginn der 1990er Jahre. Mit dem Beginn des dritten Jahrtausends wurden die stark nationalstaatlich geprägten weiterbildungspolitischen Debatten in Deutschland von inter- und supranationalen Konzepten überlagert. Besondere Erwähnung verdient hier das EU-Memorandum zum Lebenslangen Lernen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000), das u. a. in den Empfehlungen des Forum Bildung (Arbeitsstab Forum Bildung 2001) oder den BLK-Strategien (Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung 2004) zum lebenslangen Lernen Resonanz fand. Mit der Unterscheidung von formalem, non-formalem und informellem Lernen wurde zudem eine Begrifflichkeit eingeführt, die die staatenübergreifende Verständigung über das lebenslange Lernen fördern sollte, gleichzeitig aber etablierte Unterscheidungen von politischer, allgemeiner und beruflicher Erwachsenen- und Weiterbildung verdrängte. Die Heterogenität der historisch gewachsenen institutionellen Strukturen der Erwachsenen- und Weiterbildung sowie die zerstreuten rechtlichen Regelungen spiegeln sich auch in den Finanzierungsbedingungen des vierten Bildungsbereichs. Die zentralen Instrumente der öffentlichen Weiterbildungsförderung richten sich zum einen auf die Finanzierung des Angebots, vornehmlich durch eine subsidiäre Finanzierung öffentlich anerkannter Weiterbildungsanbieter durch Zuschüsse zu den Personal- und Veranstaltungskosten nach den jeweiligen Ländergesetzen. Die Finanzierung der Nachfrage an Weiterbildung erfolgt in unterschiedlichen Formen: Hierzu gehören Bildungsgutscheine für Arbeitslose und Beschäftigte, Bildungsprämien für Beschäftigte in Klein- und Mittelbetrieben, die Ko-Finanzierung von Maßnahmen oder Gutscheinen durch die Bundesagentur für Arbeit, die Finanzierung von Integrationskursen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Finanzierung von Rehabilitationsmaßnahmen durch die Berufsverbände, schließlich öffentlich geförderte Darlehen z. B. nach den Regelungen des MeisterBAföG (vgl. Ambos et al. 2016, 11f ). Hinzu kommt die Option, Aufwendungen für Fort- und Weiterbildung steuerlich geltend zu machen – sowohl für die Individuen als auch für die weiterbildenden Unternehmen. Die Bildungsausgaben für Weiterbildung, verstanden als öffentliche und private finanzielle Ressourcen, die den Akteuren der Erwachsenen- und Weiterbildung zukommen, sind nur für Teilbereiche, nicht aber in ihrer Gesamtheit verlässlich erfasst. Überblicke stützen sich zumeist auf „Hochrechnungen, Schätzungen und Zusammenfassungen unvollständiger Statistiken mit unterschiedlichen Bezugsjah-
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Institutionalisierung des lebenslangen Lernens 709 ren“ (Walter 2015, 8). Hinzu kommen oft schwierige Abgrenzungen von Weiterbildung zu anderen Formen der Bildung. Schließlich muss man in Rechnung stellen, dass öffentliche Mittel für Weiterbildung auch im Rahmen von Arbeitsmarkt-, Regional- oder Sozialpolitik aufgewandt werden, ohne dass sie in das so genannte „nationale Bildungsbudget“ (► Kap. 5) eingehen, das sich vornehmlich auf den Bildungsfinanzbericht und die Daten des Statistischen Bundesamtes stützt. Gleichwohl lassen sich folgende Befunde festhalten (► Tab. 20.1). Die Erwachsenen- und Weiterbildung wird im Unterschied zu Schule und Hochschule nur zu einem geringen Teil öffentlich finanziert. Betrugen die öffentlichen Ausgaben 1995 noch etwa 73,5 Mrd. Euro für frühkindliche Bildung, Schule, Hochschule und berufliche Ausbildung, lagen die Ausgaben 2012 bei rund 108,9 Mrd. Euro. Dagegen sanken die öffentlichen Ausgaben für die Weiterbildung im selben Zeitraum von 10,4 auf 6,1 Mrd. Euro, vor allem aufgrund der Hartz-Reformen, die die Förderung der Weiterbildung von Arbeitslosen bzw. von Arbeitslosigkeit Bedrohten durch die Bundesagentur für Arbeit stark reduzierten (vgl. Walter 2015, 12ff). Den größten Anteil öffentlicher Finanzierung erfährt die Schulbildung mit rund 96,6 % der insgesamt 62,2 Mrd. Euro Ausgaben, demgegenüber wird die Erwachsenen- und Weiterbildung zu 75 % privat finanziert (vgl. Walter 2015, 8-10). Während nach den vorliegenden Schätzungen die privaten Ausgaben der Individuen von 2007 bis 2012 ebenso wie die betrieblichen Ausgaben stiegen, sanken im selben Zeitraum die öffentlichen Ausgaben für Erwachsenen- und Weiterbildung (vgl. Walter 2015, 13f ). Tab. 20.1: Vergleich Finanzierung von Bildung im Jahr 2012 (Quelle: Walter 2015)
Sektor Allgemeinbildende Schulen Berufliche Bildung Hochschulen Weiterbildung
Ausgaben in Mrd. Euro gesamt 62,2 20,5 33,9 26,6
Anteil Anteil öffentlicher privater Finanzierung (%) Finanzierung (%) 96,6 3,4 57,4 42,6 83,8 16,2 24,2 75,8
Für die Finanzierung der betrieblichen Weiterbildung, nach den Befunden des AES (Adult Education Survey) das größte Segment der Weiterbildung (vgl. Bilger et al. 2013, 44f ), liegen Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vor. In dreijährigen Abständen erfragt das Institut neben den direkten auch die indirekten Kosten, die durch Arbeitsausfall entstehen. Das gesamtwirtschaftliche Investitionsvolumen rechnet das IW für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf 33,5 Mrd. Euro hoch, davon entfallen etwas weniger als 50 % auf direkte
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710 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung Kosten. Gegenüber 2010 bedeutet dies einen Anstieg um 16 % (vgl. Seyda und Werner 2014, 6f ). Während die öffentliche Förderung der frühen Bildung und der Schulbildung in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet wurde (► Kap. 11), ist sie für die Erwachsenen- und Weiterbildung rückläufig – allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Aufwendungen aus anderen als den Bildungsetats nicht hinreichend erfasst sind. Gleichzeitig hat der Staat die angebotsorientierte Förderung der Erwachsenen- und Weiterbildung um nachfrageorientierte Instrumente (z. B. in Form von Bildungsgutscheinen) ergänzt.
20.3 Anbieter der Erwachsenen- und Weiterbildung Wie einleitend beschrieben, existieren in Deutschland nach den Daten des wbmonitor ca. 8.000 Weiterbildungseinrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft sowie ca. 3.300 gemeinwohlorientierte Anbieter (ebenfalls laut wbmonitor), laut Unternehmensregister ca. 37.000 kommerzielle Anbieter sowie laut IAB-Betriebspanel ca. zwei Mio. weiterbildungsaktive Betriebe, die Personal oder auch ganze Abteilungen mit der Organisation von Weiterbildung beauftragen. In Handbüchern und Einführungen zur Erwachsenen- und Weiterbildung wird daher zumeist die „Unübersichtlichkeit und Heterogenität des Tableaus an Institutionen“ (z. B. Kade et al. 2007, 171) betont. Überblicksbeiträge begnügen sich darum häufig mit Aufzählungen von Einrichtungen der von ihnen in den Blick genommenen Weiterbildungs-„Landschaft“. Andere orientieren sich an normativ ausgelegten Konzepten eines demokratietheoretisch begründeten korporativen Pluralismus (vgl. Tietgens 1979, 81ff), richten ihre Darstellung an der Differenz von öffentlichen bzw. staatlichen, partikularen und privaten Interessen aus (vgl. Faulstich und Zeuner 2008, 186ff) oder nutzen mehrere Gliederungsprinzipien (offen oder geschlossen, Staat oder Markt) zugleich (z. B. Arnold 2006, 95ff; Nolda 2015, 104ff). Unter diesen Bedingungen sind vollständige und systematisch begründete Gesamtdarstellungen schwierig, weil sich bestimmte Segmente nicht in die konzeptionellen Vorgaben einordnen lassen (wie z. B. die innerbetriebliche Weiterbildung in Modelle des korporativen Pluralismus) oder auch, weil differenzierte Daten fehlen oder nicht genutzt werden (wie etwa zu kommerziellen Anbietern). Diese Probleme spiegeln sich auch in der Berichterstattung zur Weiterbildung, ablesbar u. a. am Nationalen Bildungsbericht (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 144-147) oder an der DIE-Trendanalyse (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung 2014). Die folgende Darstellung orientiert sich daher an einem Modell der Reproduktionskontexte von Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung, das auf modernisierungstheoretischen und institutionalistischen Theorien (z. B. Luhmann 2011; Meyer und Rowan 1977) beruht und den Anspruch erhebt, die Vielfalt an Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung vollständig und trennscharf
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Anbieter der Erwachsenen- und Weiterbildung 711 zu erfassen. Die Systematik des Modells stützt sich auf die Annahme, dass (alle) Organisationen in modernen Gesellschaften einerseits Ressourcen und andererseits Legitimationen benötigen, um sich dauerhaft zu reproduzieren. Ressourcen können sich Organisationen dadurch verschaffen, dass sie Verträge schließen oder sich beauftragen lassen. Legitimationen können sich Organisationen dadurch verschaffen, dass sie sich auf ihren Beitrag zur Erfüllung öffentlicher oder privater Interessen berufen. Verbindet man die beiden voneinander unabhängigen Dimensionen der Ressourcen- und Legitimationsbeschaffung, ergeben sich vier Reproduktionskontexte der Erwachsenen- und Weiterbildung (Gemeinschaften, Staat, Unternehmen, Markt), die unterschiedliche Typen von Organisationen (Träger, Rechtsform, öffentlich-rechtlicher Status usw.) beheimaten.
Abb. 20.2: Reproduktionskontexte der Erwachsenen- und Weiterbildung – Verortung beispielhafter Organisationen
Dieses Modell dient im Folgenden als Heuristik, um die verstreuten, aus unterschiedlichen Datenquellen mit unterschiedlichen Erhebungs- und Kategorisierungsmodi
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712 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung stammenden Informationen zu den Anbietern der Erwachsenen- und Weiterbildung zu ordnen und zusammenzuführen, um ein möglichst zuverlässiges Bild vom Gesamtbereich zu zeichnen. Im Unterschied zur Erfassung der Teilnahme an Weiterbildung, die national und europaweit durch verschiedene Studien (z. B. durch den AES, zuletzt auch durch PIAAC) repräsentativ für die Gesamtbevölkerung erfasst wird, sind die Informationen zu den Organisationen der Weiterbildung, ihren Programmen und Angeboten lückenhafter und auch weniger differenziert. Die aktuellsten Informationen bietet der wbmonitor. In dieser Erhebung werden in Kooperation zwischen dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) jährlich alle organisierten oder betrieblich verfassten Anbieter in Deutschland in einer standardisierten Online-Umfrage zu Strukturdaten, Leistungen und wechselnden Schwerpunktthemen befragt. Im Durchschnitt beteiligen sich bei einem Sample von über 20.000 Einrichtungen ca. 10 % der Weiterbildungsanbieter (Koscheck 2010). Inwieweit die außerbetrieblichen Organisationen der Weiterbildung repräsentativ abgebildet sind, lässt sich nur schwer einschätzen, da die Grundgesamtheit aller Anbieter unbekannt ist. Nicht hinreichend erfasst ist in jedem Fall die innerbetriebliche Weiterbildung. Tab. 20.2: Verteilung des Anbieterspektrums nach Einrichtungen, gewichtete und hochgerechnete Werte auf Basis von n=1.473 Anbietern (Quelle: Ambos et al. 2016, 26) Art der Einrichtung private kommerzielle Einrichtung private gemeinnützige Einrichtung Einrichtungen in Trägerschaft von gesellschaftlichen Großgruppen wie Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Verbänden Volkshochschulen wirtschaftsnahe Einrichtungen (Kammern, Innungen, Berufsverbände) berufliche Schulen betriebliche Bildungseinrichtungen Fachhoch-/Hochschulen, Akademien Sonstiges (staatlich)
Anteile (%) 29,7 16,4 14,6 11,5 9,4 8,9 4,0 3,7 1,7
Nimmt man die Zahl der Anbieter, so zeigen sich im Großen und Ganzen vergleichbare Anteile für die oben unterschiedenen Kontexte: Ca. 40 % der Anbieter lassen sich den Werte- und Interessengemeinschaften zurechnen: 14,6 % der Anbieter werden von Wertegemeinschaften getragen (Kirchen, Gewerkschaften usw.), 9,4 % von Interessengemeinschaften wie Kammern, Innungen und anderen wirtschaftsnahen Einrichtungen; vermutlich können auch die 16,4 % der privaten ge-
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Anbieter der Erwachsenen- und Weiterbildung 713 meinnützigen Einrichtungen überwiegend diesem Kontext zugerechnet werden, da es sich u. a. um Einrichtungen von Wohlfahrtsverbänden oder sozialen Bewegungen handeln dürfte. Der Anteil der marktorientierten Anbieter liegt nach dieser Studie bei ca. 30 %. Auf öffentlich-rechtliche (Volkshochschulen) bzw. staatliche Anbieter (z. B. Fach-, Berufs- oder Hochschulen) entfallen ca. 13 % der Anbieter. Die größte Bedeutung kommt hier zweifellos den Volkshochschulen zu, die mit einer Zahl von mehr als 900 Einrichtungen und über 3.000 Außenstellen flächendeckend in jeder Kommune präsent sind. Zu vergleichbaren Anteilswerten kommt eine bremische Regionalstudie (vgl. Schrader 2011, 279, 292), wenn man in Rechnung stellt, dass auch hier die betriebliche Weiterbildung nur exemplarisch erfasst wurde. Um einen Eindruck von der betrieblichen Weiterbildung zu gewinnen, die der wbmonitor nicht im Fokus hat, lassen sich die Daten des Continous Vocational Training Survey nutzen. Der CVTS erhebt seit 1993 europaweit Daten zur betrieblichen Bildung in Unternehmen mit mehr als neun Beschäftigten. In Deutschland haben sich am CVTS4 rund 3.000 Unternehmen an der Befragung beteiligt (Statistisches Bundesamt 2013; bezogen auf das Jahr 2010). 73 % der befragten deutschen Unternehmen haben Weiterbildung angeboten und liegen damit im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Je größer die Unternehmen, um so ausgeprägter die Weiterbildungsaktivitäten: In Unternehmen mit zehn bis 19 Beschäftigten wird von 66 % der Unternehmen Weiterbildung angeboten und ab 250 Beschäftigten steigt der Anteil auf über 94 %. Die betrieblichen Ausgaben für innerbetriebliche Weiterbildung werden auf 0,8 % der Gesamtarbeitskosten geschätzt, was im europäischen Vergleich wiederum einen Platz im Mittelfeld bedeutet. Etwa 61 % der deutschen Unternehmen bieten Weiterbildung in Kursformaten an, 66 % auch andere Formen (Schulungen am Arbeitsplatz, Qualitätszirkel usw.). Wie im europäischen Trend sind sowohl die Quoten als auch die Stundenvolumina gegenüber der Erhebung aus 2005 gestiegen (differenzierend Käpplinger 2016). Will man sich trotz dieser zerstreuten Datenlage einen Überblick über die Bedeutung unterschiedlicher Anbietertypen und Kontexte für die Weiterbildung in Deutschland verschaffen, so lassen sich grobe Schätzungen am ehesten auf der Grundlage des AES vornehmen, trotz einiger methodischer Einschränkungen. In dieser repräsentativen Adressatenbefragung werden die Teilnehmenden danach gefragt, bei welchem Anbieter sie einen Kurs, ein Seminar oder einen Lehrgang besucht haben. Allerdings beruhen die Angaben auf Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden, die vermutlich nicht immer zuverlässig sind; zudem wurde die Systematik der Erfassung der Anbieter in den verschiedenen Erhebungen verändert, so dass Zeitreihen nur begrenzt interpretierbar sind. Nutzt man den AES 2012 (Bilger et al. 2013), so bestätigen die Zahlen zunächst die große Bedeutung des Kontextes der Unternehmen (mit einer Teilnahmequote von 44 %) für die Teilnahme und damit auch das Angebot an Weiterbildung. Auf staatliche, marktliche und gemeinschaftsorientierte Anbieter entfallen in etwa vergleichbare Anteile (mit Teilnahmequoten zwischen
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714 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung 17 und 20 %). Gleichzeitig bestätigt der AES die relativen Bedeutungsgewinne der marktorientierten Weiterbildung, aber auch, dass die öffentlich-anerkannte Weiterbildung trotz eingeschränkter Finanzierungsbedingungen weiterhin eine strukturbildende Rolle im Gesamtsystem der Weiterbildung spielt; schließlich bleibt das Gewicht der gemeinwohlorientierten Weiterbildung relativ stabil. Die Heterogenität der Organisationsstrukturen der Erwachsenen- und Weiterbildung und die kontextspezifisch variierenden Finanzierungsbedingungen finden ihren unmittelbaren Niederschlag in den Beschäftigungsbedingungen des Personals. Die aktuellsten Daten bietet dazu der wb-personalmonitor (DIE et al. 2016). Nach den Daten dieser Erhebung, die auf Daten der im wbmonitor erfassten Einrichtungen beruht, bestehen in der Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland derzeit etwa 1,35 Mio. Beschäftigungsverhältnisse, verteilt auf ca. 700.000 Beschäftigte. Die Studie weist die Personalsituation als sehr heterogen aus. Auf der einen Seite gibt es eine relativ kleine, zwischen Anbietertypen und Kontexten der Weiterbildung variierende Gruppe von Beschäftigten, die unter akademikerüblichen Beschäftigungsbedingungen arbeiten. Die weiteraus größere Gruppe arbeitet jedoch neben- oder freiberuflich bzw. ehrenamtlich, mit teils attraktiven Entlohnungen im Umfeld der innerbetrieblichen Weiterbildung und häufig prekären Beschäftigungsbedingungen im Umfeld der öffentlich anerkannten Weiterbildung. 63 % der Beschäftigten in der Weiterbildung haben einen Studienabschluss, über einen speziellen pädagogischen Studienabschluss verfügt ein Drittel der Beschäftigten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 154f ). Das Verhältnis von männlichen und weiblichen Beschäftigten ist nahezu ausgeglichen, wobei die Männer etwas häufiger nebenerwerbstätig sind als die Frauen. Ebenso gleichverteilt ist das Verhältnis von nebenerwerbstätigen (42 %) (mit durchschnittlich 2,4 Beschäftigungsverhältnissen) zu haupterwerbstätigen (41 %) Personen. Die wöchentlichen Arbeitsvolumina sind verhältnismäßig niedrig, durchschnittlich arbeiten Nebenerwerbstätige etwa sechs Stunden. Haupterwerbstätige sind zwar im Schnitt 31 Stunden in der Woche angestellt, das hängt aber stark davon ab, ob sie bei privaten und betrieblichen Einrichtungen arbeiten, mit einem Schnitt von 34 Wochenstunden, oder kommerziellen, mit einem Schnitt von 23 Wochenstunden. Das Teilzeitmodell ist demnach in der Erwachsenen- und Weiterbildung der Standard (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 152f ). Das Einkommensniveau für die Branche ist vergleichsweise niedrig: Der durchschnittliche Verdienst vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland liegt bei rund 3.500 Euro brutto, in der Weiterbildung verdienen die Hälfte der hauptberuflich Beschäftigten weniger als 2.750 Euro brutto. Die Nebenerwerbstätigen geben zu drei Fünfteln ein Bruttoeinkommen von unter 450 Euro an. Während sich bei den Nebenerwerbstätigen keine Geschlechterdifferenzen im Einkommen zeigen, sind mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen in der höchsten Einkommensklasse, ohne dass diese Differenzen auf unterschiedliche Aufgabenzuschnitte zurückgeführt werden könnten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 153f ).
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Anbieter der Erwachsenen- und Weiterbildung 715
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Tab. 20.3: Bruttoeinkommen des Personals in der Weiterbildung 2014 nach Geschlecht und Einkommen, entnommen aus dem Nationalen Bildungsbericht 2016, Tab. G3-3A (Quellen: Martin et al. 2016; wb-personalmonitor 2014; Berechnungen des DIE in Kooperation mit SOFI)
Personal/Geschlecht/ Erwerbsform Insgesamt • Haupterwerbstätige • Nebenerwerbstätige Männlich insgesamt • Haupterwerbstätige • Nebenerwerbstätige Weiblich insgesamt • Haupterwerbstätige • Nebenerwerbstätige
Bis 450 33,1 8,5 57,8 31,9 4,4 53,4 34,3 11,6 63,1
Bruttoeinkommen (in Euro) 451-850 851-1.750 1.751-2.750 über 2.750 Anteile in % 9,9 12,1 16,2 28,6 4,9 14,2 26,6 45,7 15,0 10,0 5,7 11,5 9,1 10,7 11,7 36,6 2,7 9,3 20,1 63,5 14,1 11,8 5,1 15,6 10,7 13,4 20,5 21,0 6,5 17,9 31,5 32,5 16,0 7,8 6,5 6,5
Zwar arbeiten Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung in allen Kontexten nach demselben „Geschäftsmodell“ mit einer vergleichsweise kleinen Zahl festangestellter Mitarbeiter überwiegend mit Planungsaufgaben und einer zumeist deutlich größeren Zahl von neben- oder freiberuflichen Lehrkräften. Gleichwohl variieren die Beschäftigungsbedingungen deutlich zwischen den Kontexten: So sind 87 % der Beschäftigten der VHS selbständige Honorarkräfte und 6 % Festangestellte; in privaten, kommerziellen und gemeinnützigen Einrichtungen sind dagegen 59 und 54 % der Beschäftigten Honorarkräfte und 29 und 39 % Angestellte (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 152). Fragt man nach der Größe von Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung, so reicht diese von Einzelunternehmen über öffentlich geförderte Einrichtungen mit zwei- bis dreistelligen Beschäftigtenzahlen bis hin zu international agierenden Aktiengesellschaften. Nach den Befunden des wbmonitor (Ambos et al. 2015) gehören Weiterbildungseinrichtungen in aller Regel zur Gruppe der Kleinund Mittelbetriebe. Sie beschäftigen zumeist zwischen zehn und 20 befristet oder unbefristet Angestellte, die durchschnittlich mit ca. 30 (bei privaten Einrichtungen) oder bis zu 200 (bei Volkshochschulen) Honorarkräften und Ehrenamtlichen kooperieren; insbesondere bei den beiden zuletzt genannten Gruppen sind die Streubreiten groß. Ein weiterer Indikator für die Größe einer Weiterbildungseinrichtung ist das vorgehaltene Angebot. So zeigte sich in der bereits zitierten Bremer Regionalstudie, dass im Kontext des Marktes überwiegend kleine Anbieter (Sparten-Anbieter, z. B. mit Schwerpunkten in der Sprach- oder EDV-Bildung) agieren;
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716 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung demgegenüber präsentieren die Anbieter im öffentlich-rechtlichen Kontext ein großes Veranstaltungsangebot (Allround-Anbieter wie z. B. Volkshochschulen). Große Anbieter finden sich zudem im Bereich der Unternehmen, während die größten Unterschiede im Kontext der Gemeinschaften beobachtbar sind (vgl. Schrader 2011, 281-289). Mit der Größe der Anbieter korrespondieren thematische Profile, die in der allgemeinen, der beruflichen, der politischen oder kulturellen Bildung liegen und sich an den institutionellen Umwelten bzw. (in der beruflichen Weiterbildung) an spezifischen Segmenten des Arbeitsmarktes orientieren, auf die die Einrichtungen sich beziehen und in denen sie sich reproduzieren (vgl. Schrader 2011, 313-322). Am Beispiel der bremischen Regionalstudie konnte u. a. gezeigt werden, dass die Existenzbedingungen für Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung weitaus prekärer sind als im staatlich reglementierten Bildungswesen: In einem Zeitraum von gerade einmal zehn Jahren waren etwa 20 % der Weiterbildungsanbieter vom Markt verschwunden, und gleichzeitig war eine geringfügig größere Zahl in diesem Zeitraum neu gegründet worden. Auf der anderen Seite zeigte diese Studie auch, dass die Einrichtungen, die „überlebten“, sich vornehmlich graduell wandelten, indem sie ihr bestehendes Angebotsprofil moderat veränderten oder sich ein neues Programmprofil erarbeiteten (vgl. Schrader 2011, 324-332). Diese Befunde verweisen auf besondere Herausforderungen an die Leitung und das Management von Organisationen der Weiterbildung. Die erwachsenenpädagogische Organisationsforschung verweist u. a. darauf, dass insbesondere die Finanzierung und Qualitätssicherung des Angebots Herausforderungen für das Management darstellen (vgl. Uhmann 2011), dass das Managementhandeln entscheidend durch das Bildungsverständnis und die organisationalen Rahmenbedingungen beeinflusst wird (vgl. Robak 2004) und sich auch auf soziale Geschlechterrollen und biografische Erfahrungen der Leitenden zurückführen lässt (vgl. Sauer-Schiffer 2000). Die Einführung von Systemen des Qualitätsmanagements scheint die Selbststeuerungsfähigkeiten von Organisationen der Weiterbildung zu erhöhen, gleichzeitig aber wohl die Lehr-Lernebene (noch) nicht zu erreichen (vgl. Hartz 2011). Eine besondere Bedeutung für die Entwicklungsfähigkeit von Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung kommt der Rekrutierung des Lehrpersonals zu (vgl. Goeze und Schneider 2014). Eine entsprechende Schwerpunktbefragung des wbmonitor für das Berichtsjahr 2014 deutet darauf hin, dass sich Weiterbildungseinrichtungen weniger an fachlichen oder didaktisch-methodischen Qualifikationen als vielmehr an dem erwarteten organisationalen Commitment orientieren, wobei die „Identifikation mit Grundwerten“ kontextspezifisch zu variieren und vor allem für Organisationen gesellschaftlicher Großgruppen ein relevantes Auswahlkriterium zu sein scheint (vgl. Ambos et al. 2015, 16). Während die bisherigen Ausführungen auf den Gesamtbereich der Erwachsenenund Weiterbildung gerichtet waren, wurden in den vergangenen Jahren sowohl in
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Anbieter der Erwachsenen- und Weiterbildung 717 der europäischen und nationalen Bildungspolitik als auch in der Forschung große Anstrengungen unternommen, regionale Strukturen der Weiterbildung differenzierter in den Blick zu nehmen und gezielt zu fördern. In einer jüngeren, von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebenen und vom DIE durchgeführten Studie wurde erstmals nicht nur die Beteiligung an Weiterbildung, sondern auch die Anbieterstruktur regional tief differenziert bis auf Kreisebene analysiert. Dabei zeigten sich sehr hohe Differenzen nicht nur in der regionalen Weiterbildungsbeteiligung, sondern auch im Weiterbildungsangebot (vgl. Martin et al. 2015; Martin und Schrader 2016). Abbildung 20.3 zeigt dies beispielhaft für die Angebote, die Volkshochschulen nicht nur für die jeweilige Kommune, sondern auch für das regionale Umfeld unterbreiten.
Volkshochschulen Kurse vor Ort und Umkreis 0 - 3000 3000 - 6000 6000 - 9000 9000 - 12000 12000 - 15000 15000 - 18000 18000 - 21000
Abb. 20.3: Offene VHS-Kurse vor Ort und Umkreis 2012 in Kreisen (Quelle: Martin und Schrader 2016, 22)
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718 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung Betrachtet man auch die Angebote von gemeinschaftsorientierten, kommerziellen und betrieblichen Anbietern, die an dieser Stelle nicht abgebildet werden (vgl. dazu Martin und Schrader 2016), so scheinen die regionalen Angebotsstrukturen (► Abb. 20.3) primär geprägt von der Wirtschafskraft, den historischen Traditionen und den jeweiligen gesetzlichen Regelungen, deren Effekte allerdings noch genauer untersucht werden müssen. Regionale Differenzen zeigen sich für Anbieter aus unterschiedlichen Kontexten der Erwachsenen- und Weiterbildung noch einmal in je spezifischer Weise. So spielen die kommerziellen Anbieter in den „neuen“ Bundesländern nicht zuletzt aufgrund der Qualifizierungsoffensive nach der sogenannten „Wende“ eine größere Rolle als in den „alten“ Bundesländern, in denen wiederum die öffentlich-anerkannte Weiterbildung u. a. in Form von Volkshochschulen quantitativ bedeutsamer ist. Die regional variierende Präsenz von Anbietern aus unterschiedlichen Kontexten ist insofern von Bedeutung, als sich der Austausch zwischen Anbietern und Angeboten nur eingeschränkt und, anders als in Programmatiken einer „pluralistischen Weiterbildungslandschaft“ suggeriert, als ein System kommunizierender Röhren verstehen lässt, in dem Defizite im Angebot von Anbietern aus einem bestimmten Kontext durch vergleichbare Angebote von Anbietern aus anderen Kontexten kompensiert werden. Vielmehr ist der Bereich der Weiterbildung in Teilbereichen hochgradig segmentiert und monopolisiert (wie z. B. bei der von Kammern getragenen beruflichen Aufstiegsfortbildung oder dem Engagement der Volkshochschulen für funktionale Analphabeten oder Zugewanderte), während sich in anderen Themenbereichen, wie dem Erlernen von Fremdsprachen, der Vermittlung sozialer Schlüsselkompetenzen oder der EDV-Schulung marktförmige Strukturen finden, in denen Anbieter aus ganz unterschiedlichen Kontexten miteinander konkurrieren.
20.4 Angebote und Lehr-Lernprozesse in der Erwachsenen- und Weiterbildung Der folgende Abschnitt widmet sich den Angeboten und den Lehr-Lernprozessen der Erwachsenen- und Weiterbildung. Der Begriff des Angebots wird hier im Sinne des Mehrebenenmodells (► Abb. 20.1) doppelt verwandt: Zum einen geht es um die Angebote, die Weiterbildungsanbieter ihren Adressaten und Adressatinnen machen. Dabei wird der Blick auf die Inhalte und Ziele der Veranstaltungen gerichtet und die Frage nach einem „Curriculum“ der Erwachsenen- und Weiterbildung gestellt. Zum anderen geht es um die Frage, welche (didaktischen) Angebote die Lehrkräfte ihren Teilnehmenden machen, welche Sozial- und Arbeitsformen in den Kursen, Seminaren und Trainings vorherrschen, wie Lehr-Lernprozesse zeitlich, sachlich und sozial strukturiert und welche didaktischen Prinzipien dabei leitend sind (z. B. die Prinzipien der Teilnehmer-, Erfahrungs- und Handlungsorientierung; vgl. Breloer et al. 1980; Negt 1971; Michelsen und Siebert 1985). Die Nutzung dieser Angebote durch die Teilneh-
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Angebote und Lehr-Lernprozesse in der Erwachsenen- und Weiterbildung 719 menden wird im Blick auf spezifische Erwartungen und Lernhandlungen betrachtet. Demgegenüber werden Wirkungen und Erträge erst in Kapitel 22 thematisiert. Um die Charakteristika des Curriculums und auch der Lehr-Lernformen in der Erwachsenen- und Weiterbildung herauszuarbeiten, bietet sich ein Vergleich zum schulischen Lehren und Lernen an. Blickt man auf die curriculare Ebene und insbesondere auf die Inhalte und Themen des Lehrens und Lernens, so sehen wir auf der einen Seite einen klar strukturierten und verpflichtenden Lehrplan der Schule als Teil eines „Weltcurriculums“ (vgl. Meyer 2005) und auf der anderen Seite eine kaum überschaubare Vielfalt an Einzelthemen in der Erwachsenen- und Weiterbildung als Ausdruck anlassbezogener, wechselseitiger Suchbewegungen von Anbietenden und Lernenden (vgl. Tietgens 1986). Weiterbildungsprogramme können als Treffpunkt interpretiert werden, an dem die Bedürfnisse der Adressaten an den „Erwartungserwartungen“ der Anbieter (vgl. Tietgens 1994b, 10) Klärung finden können. Diese strukturelle Besonderheit kommt in der Erwachsenenbildungsforschung in einem makrodidaktisch ausgelegten Verständnis von Programmplanung (z. B. Schlutz 2006) zum Ausdruck. Planend-disponierende Tätigkeiten standen im Zentrum der Reformdebatte der 1970er Jahre, die einen bloßen Agenturbetrieb ablösen und ein bedarfsgerechtes und bedürfnisweckendes, curricular fundiertes und systematisch aufeinander abgestimmtes Weiterbildungsangebot sicherstellen sollte. Nach inzwischen zahlreichen Studien lässt sich die Entwicklung von Angeboten und Programmen als ein „sukzessives Angleichungshandeln“ verstehen (Gieseke und Gorecki 2000), in das Anregungen aus bereits erfolgreich realisierten Veranstaltungen sowie Erwartungen von Trägern und Kooperationspartnern einfließen. Zugleich fällt es den Programmplanenden offensichtlich schwer, ihre Tätigkeit angesichts hoher Verwaltungsanteile als genuin pädagogisch zu interpretieren (Gieseke 1989; Tietgens 1988). Auch Lehrkräfte tragen zur „Programmierung“ der Organisationen bei, insbesondere dann, wenn sie als Freiberufler unterschiedliche Anbieter als Agenturen ihres Themenportfolios nutzen (Schrader 1998). Die Abstimmung mit den Lehrkräften erfolgt auch wegen der Vielzahl der zu betreuenden Themen und Personen nur rudimentär, so dass Programmplanende über die Qualität der Lehr-Lernprozesse in ihrer Einrichtung oft wenig zu sagen wissen. Die bisherigen Studien verweisen auf institutionelle und persönliche Prägungen des Planungshandelns (Robak 2004; Dollhausen 2008; Fleige et al. 2015), was die Frage nach der Professionalität der Planenden aufgeworfen hat (Peters 2004). Betrachtet man die materiale Ebene der konkreten Themen und Inhaltsbereiche, so ist das Curriculum der Schule nach Tenorth (1994) auf jene Inhaltsbereiche fokussiert, die kulturelle Basiskompetenzen zu vermitteln vermögen, die Beherrschung der Verkehrssprache, eine mathematische Modellierungsfähigkeit, eine fremdsprachliche Kompetenz, eine IT-Kompetenz sowie – übergreifend – die Selbstregulation des Wissenserwerbs. Vor dem Hintergrund eines solchen Katalogs von Inhaltsbereichen zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Erwachsenen- und Weiter-
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720 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung bildung. Hier geht es zum einen um eine kompensatorische Vermittlung schriftsprachlicher und alltagsmathematischer Basiskompetenzen in der Muttersprache und um das Nachholen von Schulabschlüssen. Weitere Inhaltsbereiche zielen auf die Erweiterung von Kommunikations- und Schlüsselfähigkeiten (Fremdsprachen, soziale Kompetenzen) und der Verhaltens- und Wissensausstattung Erwachsener für ihre besonderen Rollen und Lebensräume außerhalb von Politik und Beruf (in Angeboten der Familien-, Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher-, Freizeit- oder der kulturellen Bildung) (Körber et al. 1995). Hinzu kommen Angebote der politischen Bildung im engeren Sinn sowie das weite Feld der erwerbs- und berufsbezogenen Anpassungs- und Aufstiegsfortbildung. Während die Inhalte der Schule für alle verpflichtend sind, durch Noten bewertet werden und schließlich in Abschlüssen münden, handelt es sich in der Erwachsenen- und Weiterbildung um überwiegend freiwillig wahrgenommene Angebote, die in Abhängigkeit von Biografie und Lebenslauf eher situativ als kontinuierlich genutzt werden und – abseits von abschlussbezogenen Weiterbildungen – zumeist keine differenzierte Bewertung erfordern. Da repräsentative Anbieter- und Teilnehmendenbefragungen wie der CVTS oder der AES die Inhalte und Themen der Erwachsenen- und Weiterbildung in der Regel lediglich auf hohem Auflösungsgrad erfassen (vgl. Schönfeld und Behringer 2013, 129; Bilger und Strauß 2015, 4446), bieten Programmanalysen den besten Einblick in den „Lehrplan“, insbesondere dann, wenn sie kontextübergreifend und längsschnittlich angelegt sind. Ein Beispiel dafür bietet die bremische Regionalstudie (vgl. Schrader 2011). Hier orientiert sich das Kategoriensystem zur Erfassung der Themen und Inhalte zunächst an der Unterscheidung der Lernbereiche der allgemeinen, der politischen und der beruflichen Erwachsenen- und Weiterbildung und differenziert diese dann weiter nach Fachbereichen aus. Tab. 20.4: Veränderungen in der Bedeutung der Lern- und Fachbereiche 1992, 1996 und 2006 (Quelle: Schrader 2011, 254) Fachbereich Alphabetisierung Schulabschlüsse Schlüsselqualifikationen Fremdsprachen Kulturelle Bildung Freizeit, Sport, Urlaub Mathematik, Naturwissenschaft, Technik Haushalt und Umwelt Gesundheit
1992 1,3 1,8 1,2 16,9 3,3 0,9
Stunden (%) 1996 0,4 1,2 1,4 12,8 2,9 1,4
Veranstaltungen (%) 1992 1996 2006 1,2 0,8 2,9 0,3 0,2 0,0 3,3 4,2 6,5 22,5 18,4 15,3 8,9 9,5 12,3 2,5 3,5 4,4
2006 4,7 0,0 2,4 11,9 5,1 2,0
0,1
0,2
0,6
0,4
0,6
0,9
1,8 3,5
1,3 3,2
1,1 3,4
6,2 11,4
5,8 12,6
6,1 10,2
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Angebote und Lehr-Lernprozesse in der Erwachsenen- und Weiterbildung 721 Stunden (%) Fachbereich 1992 1996 2006 Personale Bildung 0,9 0,5 0,5 Soziale Bildung 1,9 1,3 1,2 Politische Bildung 3,9 2,5 2,2 EDV Grundbildung 3,5 3,8 3,7 EDV Spezialwissen 5,2 5,7 2,6 Umweltschutz-, 2,5 4,1 0,0 Gartenbau-Berufe Gewerblich-technische Berufe 11,4 6,7 8,1 Handwerk, Baugewerbe 7,0 8,8 8,3 Kaufmännisch-verwaltende 14,8 19,0 18,1 Berufe Lager, Handel, Verkehr 4,8 2,6 3,9 Soziale, pädagogische, 5,1 13,4 12,4 psychologische Berufe Sonstige Dienstleistungsberufe 2,2 3,9 0,8 Arbeit, berufliche WB – 6,1 2,8 7,1 Sonstiges Gesamt (n) 658.045 857.502 536.783
Veranstaltungen (%) 1992 1996 2006 2,8 2,3 1,6 6,1 4,7 3,5 10,6 7,8 4,9 7,8 10,0 7,4 2,5 3,4 4,8
0,4
0,9
0,1
2,1 1,0
1,4 1,1
2,8 1,5
4,7
6,6
5,4
1,6
0,9
0,7
2,9
4,4
5,6
0,2
0,4
1,2
0,7
0,5
1,6
10.097 11.653 10.473
Im Vergleich zur Schule zeigen solche Analysen für die Erwachsenen- und Weiterbildung neben Gemeinsamkeiten (z. B. im Blick auf kompensatorische oder aufbauende Angebote zum schulischen Kerncurriculum) und Unterschieden (z. B. im Blick auf Angebote für die spezifischen Rollenanforderungen an Erwachsene diesseits und jenseits der Erwerbsarbeit) in den Inhalten und Themen vor allem die hohe Responsivität dieses Bildungsbereichs, ablesbar an spezifischen Themenkonjunkturen oft jenseits bildungspolitischer Programmatiken. So zeigen sich auf der Ebene der Lernbereiche Bedeutungsgewinne der beruflichen und erwerbsbezogenen Weiterbildung mit branchenspezifischen Akzentuierungen, die sich aus der veränderten Relevanz von Produktions- und Dienstleistungsberufen ergeben, sowie ein kontinuierlicher Rückgang der politischen Bildung (trotz in Bremen bevorzugter öffentlicher Förderung). Veränderungen im Lernbereich der allgemeinen Weiterbildung zeigen sich bei einer differenzierten Betrachtung einzelner Fachbereiche. Beobachtbar ist dann ein kontinuierlicher Anstieg der Angebote für formale Schlüsselqualifikationen und der kulturellen Bildung sowie eine kontinuierlich hohe Bedeutung der Gesundheitsbildung und der EDV-Grundbildung. In den modernen Fremdsprachen verlagern sich die Gewichte zwischen den „großen“ Sprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch. Im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung finden sich Schwankungen auf insgesamt niedrigem Niveau (Schrader 2011, 252-261). Dieser Bereich hat
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722 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung aufgrund der Befunde der PIAAC- und der level-one-Studie in den letzten Jahren allerdings eine verstärkte Aufmerksamkeit gefunden, gestützt u. a. durch die Nationale Strategie bzw. die Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung, so dass hier inzwischen wieder ein Anstieg zu verzeichnen ist. Weitere Programmanalysen belegen u. a. eine zeitliche Verdichtung und Flexibilisierung von Lernprozessen (vgl. Nahrstedt und Brinkmann 1997). So hat vor allem das klassische Veranstaltungsformat von wöchentlich ein- oder mehrmals, zumeist abends stattfindenden Kursen einen Rückgang von 44,2 auf 29,5 % zu verzeichnen, während gleichzeitig Tagesveranstaltungen zunehmen (vgl. Schrader 2011, 256). Nach den curricularen sollen im Folgenden die didaktischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Blick genommen werden, die Frage also, was, wie und wozu gelehrt und gelernt wird. Dazu wählen wir einen theoretischen Zugang, der eher die formalen als die materialen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Schule und Erwachsenenbildung in den Blick nimmt. Im Vordergrund steht die Frage nach den Modi der Weltbegegnung, die durch Lehr-Lernprozesse gefördert werden. Für die Schule hat Baumert (2002) in der Auseinandersetzung um die bildungstheoretische Fundierung international vergleichender Large Scale Assessments eine an die Tradition der kategorialen Bildung nach Klafki (1963) angelehnte Beschreibung des Kerncurriculums skizziert. Danach bereitet Schule, die eher formale Seite von Bildungsprozessen betonend, auf vier Modi der Weltbegegnung vor: auf eine kognitiv-instrumentelle Modellierung der Welt, eine ästhetisch-expressive und eine normativ-evaluative Weltbegegnung sowie eine Auseinandersetzung mit Problemen konstitutiver Rationalität. Für die Erwachsenen- und Weiterbildung rekonstruierte Schrader (2003) die Gesamtheit des Leistungsangebots von Weiterbildungseinrichtungen vor allem im Blick auf die Frage, welche Art von Handlungsfähigkeit „in der Welt“ das in den Kursen und Seminaren vermittelte Wissen unterstützen soll. Auf empirisch-induktivem Weg kam er zu einer Typologie von Wissensformen. Das Handlungswissen beschreibt Bildungsangebote (z. B. in den Fremdsprachen, der EDV-Grundbildung), die es Lernenden ermöglichen, gegenüber der Welt der Sachen und Symbole handlungsfähig zu werden oder zu bleiben. Interaktionswissen zielt auf die Verbesserung der Handlungsfähigkeit gegenüber der sozialen Welt, soweit sie in (klein- und großgruppenbezogenen) Interaktionen zum Ausdruck kommt (z. B. durch Angebote zur Vermittlung formaler Schlüsselqualifikationen). Identitätswissen wird in Angeboten vermittelt, die darauf zielen, den Umgang der Lernenden mit sich selbst zu verbessern, Identität zu sichern und Selbstkontrolle zu verbessern (z. B. in der Gesundheitsbildung). Beim Orientierungswissen (z. B. in der politischen oder religiösen Bildung) geht es um Fähigkeiten zum Verhalten in der Welt, um Fragen nach dem guten und richtigen Leben, dem Fundament und Sinn menschlicher Existenz, um Werte und Normen in einem weiten Sinn und damit um Aushandlung, Engagement und Partizipation. Diese Typologie schließt eng an das bereits zitierte Bildungsverständnis des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen (1960) an.
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Angebote und Lehr-Lernprozesse in der Erwachsenen- und Weiterbildung 723 Neben der Offenlegung solch grundlegender Gemeinsamkeiten eröffnet ein solcher Zugang auch Einblick in spezifische Besonderheiten der Erwachsenen- und Weiterbildung. Während die Ziele der Schule mehr von den nach Alter gestuften Laufbahnen und daran geknüpften, genuin schulischen Leistungsanforderungen bestimmt werden, geht die Erwachsenen- und Weiterbildung mehr von variierenden lebensweltlichen Anforderungen aus. Dies führt u. a. zu Besonderheiten des Angebots und der Nutzung von Wissen. Zugespitzt formuliert wird in der Erwachsenen- und Weiterbildung (möglichst unmittelbar) anwendbares Wissen vermittelt und angeeignet. Sie gewinnt ihre Systematik nicht aus einem von Anbietern entwickelten Lehrplan, sondern aus den antizipierten Anwendungsszenarien ihrer Adressaten und Adressatinnen. Wissen wird vornehmlich als ein Mittel zur Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten betrachtet. Daher sind Übergänge zu Beratung, Therapie, Unterhaltung oder öffentlicher Kulturarbeit fließend (Schmitz 1983; Tippelt et al. 1996; Schrader 2000; mit historischen Parallelen Tietgens 2011). Der Fokus auf die Anwendbarkeit von Wissen bestimmt auch die Auswahl des vermittelten Wissens, so dass sowohl genuin wissenschaftliches Wissen, kodifiziertes Expertenwissen, alltägliches Erfahrungswissen oder auch religiöses und metaphysisches Wissen angeboten wird. Insofern lässt sich Erwachsenen- und Weiterbildung „als Wissen übermittelnde, Wissen und Nicht-Wissen reflektierende und dabei Wissen produzierende Wissensarbeit verstehen“ (Nolda 2010, 316). Die bisherige empirische Forschung hat gezeigt, dass mit der Vermittlung spezifischer Wissensformen zumeist spezifische Unterrichtsmuster einhergehen. So zeigen z. B. Befragungen von Teilnehmenden, dass die Angebote der Erwachsenen- und Weiterbildung charakteristische Unterrichtsmuster aufweisen, die teils eher die (dozentenorientierte und vorlesungsartige) Vermittlung (kanonisierten) Wissens akzentuieren z. B. in der erwerbsbezogenen Weiterbildung, teils eher die begleitende Anwendung des Wissens wie in Sprach- oder EDV-Kursen, teils eher die erfahrungsbasierte, gemeinsame Wissenskonstruktion wie etwa in Verhaltenstrainings im Bereich der formalen Schlüsselqualifikationen betonen (vgl. Schrader 2008, 145-167; Hof 2001, 134ff). Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an die fachlichen, sozialen und pädagogischen Kompetenzen von Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung (vgl. Schrader und Goeze, i. V.). Ob die durchaus anspruchsvollen, auf Handlungsfähigkeit und damit auf Kompetenzzuwachs gerichteten Zielsetzungen tatsächlich erreicht werden, ob die Verknüpfung von Lebenswelt- und Anwendungsorientierung fachdidaktisch immer hinreichend fundiert ist und unter welchen organisationalen und personellen Bedingungen dies am besten gelingt, darüber ist noch wenig bekannt. Erste empirische Befunde zeigen, dass der Preis einer Veranstaltung nur ein schwacher Indikator für ihre Qualität ist (vgl. Schrader und Jahnke 2014). In jüngeren Forschungsarbeiten ist danach gefragt worden, ob sich nicht nur themen- oder wissensspezifische Lehr-Lernkulturen identifizieren lassen, sondern auch organisationale Prägungen des Lehr-Lerngeschehens. In einer
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724 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung qualitativ-rekonstruktiven Studie in Einrichtungen der kirchlichen Erwachsenenbildung konnte Julia Franz (2016) Hinweise dafür liefern, dass sich organisationale Orientierungen auf das pädagogische Handeln auf der Lehr-Lernebene auswirken und sich damit – wie es auch die schulpädagogische Forschung gezeigt hat – differentielle Lernmilieus herausbilden. Diese Befunde lassen neben gegenstandsbezogenen und organisationalen auch kontextspezifische Lehr-Lernkulturen erwarten, die aber bislang noch nicht in den Fokus der Forschung geraten sind.
20.5 Potenziale der Erwachsenen- und Weiterbildung Betrachtet man den Prozess der Institutionalisierung des Lernens Erwachsener, so zeigt sich, dass sich in der Erwachsenen- und Weiterbildung anders als in Schule oder Hochschule keine einheitliche institutionelle Struktur entwickelt hat. Vielmehr entsteht dieser Bildungsbereich in unterschiedlichen Kontexten, die von gemeinschaftlichen oder privaten Interessen geprägt sind und historisch erst relativ spät um öffentlich-rechtliche und staatliche Strukturen ergänzt, aber nicht ersetzt werden. Die empirischen Daten zeigen einen dynamischen und sich pfadabhängig entwickelnden Bildungsbereich, dessen Vielfalt in den Anbieterstrukturen und Flexibilität in der Angebotsentwicklung häufig als Garanten für die hohe Responsivität von Erwachsenen- und Weiterbildung für soziale, politische und ökonomische Veränderungen betrachtet werden. Die hier präsentierte Empirie bestätigt die Erwartungen und Hoffnungen nur zum Teil. Auf der einen Seite leistet die Erwachsenen- und Weiterbildung ganz offenkundig einen Beitrag zur Bewältigung des technologischen und demografischen Wandels. So wäre z. B. eine informationstechnische Alphabetisierung breiter Bevölkerungsgruppen ohne die Anbieter und Angebote der Erwachsenen- und Weiterbildung nicht möglich gewesen. Ebenso offenkundig sind ihre Beiträge zur gesundheitlichen Prävention, zur kulturellen Überlieferung oder zur Verbesserung fremdsprachlicher Kompetenzen in einer globalisierten Welt. Gleichzeitig zeigen sich Angebotslücken z. B. im Feld der Alphabetisierung und Grundbildung, bei Integrationsmaßnahmen für Zuwandernde und bereits länger in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten, in der politischen Bildung angesichts von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus oder in der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit in einer alternden Gesellschaft. Deutlich wurde eine erhebliche Diskrepanz zwischen gestiegenen Erwartungen an die Effektivität und Effizienz der Erwachsenen- und Weiterbildung, die nicht von der nationalen und inter- und supranationalen Politik mit der Programmatik evidenzbasierter Bildungsreform formuliert werden, auf der einen und den intransparenten, kaum koordinierten und diskontinuierlichen Finanzierungspraxen auf der anderen Seite (so auch OECD 2005). Um die Unterfinanzierung der Erwachsenenund Weiterbildung zu mindern, ist nicht nur eine Ausweitung der öffentlichen
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Potenziale der Erwachsenen- und Weiterbildung 725 Mittel und der Mittel der Unternehmen erforderlich, auch die großen Korporationen und nicht zuletzt auch die Adressaten selbst müssen mehr Verantwortung übernehmen. Die Expertenkommission zur Finanzierung lebenslangen Lernens (2004, 229-250) hat seinerzeit zukunftsweisende Vorschläge unterbreitet, die aber nicht aufgegriffen wurden. Dazu gehörte u. a. die Verabschiedung eines Bildungsförderungsgesetzes für Erwachsene, das die derzeit getrennte Finanzierung des Nachholens von Schul-, beruflichen und Hochschulabschlüssen, der Aufstiegsfortbildung sowie der Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte integriert, sowohl im Blick auf die Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen als auch die Sicherung des Lebensunterhalts. Angemahnt wurde zudem die Regelung von Integrationsmaßnahmen für unterschiedliche Gruppen von Zugewanderten „nach einheitlichen Grundsätzen“ (Expertenkommission Finanzierung lebenslangen Lernens 2004, 280). Angesichts des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Binnenmigration wird eine große Herausforderung in den kommenden Jahren zudem darin bestehen, die im Grundgesetz geforderte Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse auch für die Erwachsenen- und Weiterbildung in allen Regionen Deutschlands sicherzustellen. Das wird ohne eine Ausweitung der öffentlichen Verantwortung und ohne Zusammenarbeit und Vernetzung der Akteure vor Ort nicht möglich sein. Mehr Aufmerksamkeit verdient auch das Personal, insbesondere das Lehrpersonal in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Auf der einen Seite sichern die Beschäftigungsbedingungen und Geschäftsmodelle der Weiterbildungsanbieter ein flexibles Reagieren auf wechselnde Bedarfe und Nachfragen, für das (wie derzeit in der Flüchtlings- und Zuwanderungsproblematik) in hohem Maße auch ehrenamtlich tätiges Personal mobilisiert werden kann. Gleichzeitig finanzieren die Lehrkräfte die Expansion der Weiterbildung durch einen unfreiwilligen Verzicht auf angemessene Beschäftigungsbedingungen mit. Zu den prekären Beschäftigungsbedingungen insbesondere vieler Lehrkräfte in der Erwachsenen- und Weiterbildung tragen häufig auch öffentliche Auftraggeber bei, wenn sie in Auftragsmaßnahmen interessierte Anbietende unter einen preislichen Wettbewerbsdruck setzen, den diese weithin ungebremst durch Tarifverträge oder gesetzliche Regelungen an ihre Lehrkräfte weitergeben (müssen). Diese Praxis steht in einem krassen Missverhältnis zur allseits bekundeten Wertschätzung des lebenslangen Lernens.
Kernreferenzen • Schrader, J. (2011). Struktur und Wandel der Weiterbildung. Bielefeld: wbv. • Tietgens, H. (2011). Geschichte der Erwachsenenbildung. In R. Tippelt & A. von Hippel (Hrsg.), Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung (5. Aufl.), 25-42. Wiesbaden: VS Verlag.
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726 Institutionelle Rahmenbedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung
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| 731 21 Bildungsbeteiligung Erwachsener unter besonderer Berücksichtigung individueller und sozialer Bedingungen Harm Kuper
Zusammenfassung Die Teilnehmerforschung ist ein zentraler Zweig der Forschung der Erwachsenenund Weiterbildung; sie fragt nach den individuellen und sozialen Bedingungen der oft freiwilligen Beteiligung an unterschiedlichen Formen des Lernens Erwachsener. Erste Anfänge zeigen sich bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert; einen Meilenstein bildet die sogenannte Göttinger Studie aus den 1950er Jahren, die erstmals multimethodal vorging und Einstellungen zu und die Teilnahme an der Bildung Erwachsener repräsentativ erhob. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die Bildungsbeteiligung Erwachsener begrifflich abzugrenzen und empirisch beobachtbar zu machen. Eine wichtige Datenquelle in Deutschland war für viele Jahre das Berichtssystem Weiterbildung (BSW), das seit 1979 regelmäßig als bevölkerungsrepräsentative Monitoringstudie erschien. Dem Adult Education Survey, der dieses Berichtssystem inzwischen abgelöst hat, liegt ein deutlich weiter gefasstes Verständnis der Bildungsbeteiligung Erwachsener zugrunde. Forschungsmethodisch problematisch gestaltet sich auch die Erfassung individueller und sozialer Bedingungen der Bildungsbeteiligung Erwachsener, da die Grundgesamtheit der Adressaten schwer zu bestimmen ist bzw. letztlich durch die Festlegung des jeweiligen Verständnisses von Weiterbildung oder der Bildungsbeteiligung Erwachsener bestimmt wird. Gerade bevölkerungsrepräsentativ angelegte Umfrageforschungen, die zuerst die Gesamtmenge der Teilnehmenden von den nicht Teilnehmenden empirisch trennen, müssen sich diesem konzeptionellen Problem stellen. Ein zentrales Ergebnis der individuellen und sozialen Bedingungen der Bildungsbeteiligung Erwachsener besteht zunächst in einem negativen Effekt des Alters auf die Beteiligung an Weiterbildung, ein Effekt, der allerdings in der jüngeren Vergangenheit abnimmt. Demgegenüber lässt sich differenzierter eine segmentspezifische Altersdifferenz in der Weiterbildungsbeteiligung feststellen: Während der beschriebene Effekt für die betriebliche und individuell berufsbezogene Weiterbildung gilt,
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732 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen steigt die Beteiligung an nicht-berufsbezogener Weiterbildung mit dem höheren Alter sogar leicht an. Auch die berufliche Position ist ausschlaggebend für die Weiterbildungsbeteiligung, so zeigen sich beispielsweise für Personen im Beamtenverhältnis hohe Beteiligungswerte. Generell lässt sich festhalten, dass die Weiterbildungsbeteiligung konstant mit dem Niveau der allgemeinbildenden Schulabschlüsse wächst und das Niveau der beruflichen Bildung in einem positiven Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung steht.
21.1 Anfänge und Entwicklung der Forschung zur Weiterbildungsbeteiligung Die Teilnehmenden sind historisch betrachtet der erste Gegenstand der empirischen Forschung zur Erwachsenen- und Weiterbildung (vgl. Born 2010). Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert stellte sich mit der Institutionalisierung von Angeboten der Volksbildung in der Universitätsausdehnungsbewegung und einige Jahre später im frühen 20. Jahrhundert mit einer Welle von Volkshochschulgründungen die Frage nach den Motiven der Beteiligung. Sie war Anlass dafür, die ohnehin seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus administrativen Gründen erhobenen „Hörerstatistiken“ mit zusätzlichen statistischen Daten anzureichern, die im Prinzip didaktischen Planungen dienen sollten. In der Terminologie der Erwachsenenbildung ging es dabei um die Abkehr von einer Angebotsorientierung – die auf einem vorgegebenen Bildungskanon aufbaut und im Begriff rezeptiv gedachter Hörender deutlich mitschwingt – und die Hinwendung zu einer Nachfrageorientierung, bei der in der Bevölkerung auffindbare Geschmäcker, Interessen und Nutzenerwägungen der Planung von Bildungsangeboten zugrunde liegen. Die Behandlung wissenschaftlicher Fragestellungen war in der frühen Teilnehmerforschung des beginnenden 20. Jahrhunderts aufgrund der engen Kopplung der Erhebung statistischer Daten an die Teilnehmerverwaltung eingeschränkt. Vorhaben zur Vereinheitlichung der Teilnehmerstatistiken über die Einrichtungen hinweg ließen sich aufgrund der historischen Zeitläufte des frühen 20. Jahrhunderts nicht realisieren. Nach 1945 konnte an die Anfänge der Teilnehmerforschung angeschlossen werden (vgl. Bremer 2007). Hervorzuheben ist hier insbesondere die sogenannte Göttinger Studie aus den 1950er Jahren (vgl. Strzelewicz et al. 1966). In dieser Studie wurden in einem multimethodalen Forschungsdesign eine bevölkerungsrepräsentativ angelegte standardisierte Umfrage sowie Gruppendiskussionen und Interviews durchgeführt, für die vergleichend Personen ausgewählt wurden, die an Volkshochschulkursen teilgenommen bzw. nicht teilgenommen hatten. Die Studie lotete Einstellungen zur Bildung Erwachsener in Abgrenzung zu bürgerli-
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Anfänge und Entwicklung der Forschung zur Weiterbildungsbeteiligung 733 chen Bildungsidealen und angesichts zunehmender Verbreitung von Massenmedien wie Fernsehen und Kino aus. Ihr Anspruch liegt in der Beschreibung der im „gesellschaftlichen Bewusstsein“ gegründeten Vorstellungen über Bildung, die Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung zu gewärtigen haben. Die Frage nach der sozialen Bedingtheit der Beteiligung Erwachsener an Bildung bildete ein zentrales Bezugsproblem der Göttinger Studie, ohne dass diese jedoch die Verbreitung der Teilnahme in der Bevölkerung selbst repräsentativ hätte beschreiben können. Differenzierteren Aufschluss über die Teilnahme bietet erstmals eine als Oldenburger Studie bekannt gewordene empirische Untersuchung, der ebenfalls ein Modell der sozialen Stratifikation zugrunde liegt, um die Bildungsbereitschaft Erwachsener zu erklären (Schulenberg et al. 1978). Hier wird zwischen aktiven Teilnehmenden, die intentionale Wahlen zur Beteiligung treffen, und gelegentlichen Teilnehmenden unterschieden, deren Bildungsbeteiligung mehrheitlich aufgrund äußerer Veranlassung erfolgt. Die erste Gruppe wird mit ca. 10 % Anteil an der Bevölkerung als recht klein eingeschätzt; und auch gemeinsam mit der zweiten, ca. 25 % umfassenden Gruppe, bleiben die in der Studie berichteten Teilnehmenden in der Minderheit. Unter den Nicht-Teilnehmenden identifizieren die Autoren solche mit positiver Einschätzung der Weiterbildung (ca. 50 %) und Desinteressierte bzw. Ablehnende (ca. 15 %). Mit einigem zeitlichem Abstand, aber durchaus in der Tradition der frühen Teilnehmerforschung stehend, erfolgten ab Mitte der 1990er Jahre weitere auf Umfragen basierende Studien zur Weiterbildungsteilnahme (vgl. Barz und Tippelt 2003). Um die komplexen Muster aus Bildungserfahrung, Weiterbildungsinteressen und Nutzenerwartung präziser mit sozialen Lagen in Beziehung setzen zu können, wurde hier anstelle eines stratifikatorischen Gesellschaftsmodells ein Konzept sozialer Milieus zur Anwendung gebracht. Zur Identifikation der Milieus wird über die materiellen Lebensverhältnisse (Arbeiterschaft, bürgerliche Mitte) hinaus auf Mentalitäten (konservativ, traditionell, modern) und Lebensstile (leistungsorientiert, hedonistisch) Bezug genommen. Die Milieus bilden den Hintergrund für eine differenzierende Beschreibung von Bildungsaktivitäten, die das Spektrum betrieblicher und beruflicher sowie allgemeiner Weiterbildung unterschiedlicher Typen von Anbietern umfassen. Mit Blick auf die Weiterbildungsanbieter vertreten die mit dem Milieuansatz arbeitenden Studien weiterhin den Anspruch, einen Beitrag zur makrodidaktischen Planung zu liefern. In Erweiterung der früheren Studien, die sich insbesondere auf die Teilnahme an Volkshochschulen als öffentlichen Anbietern konzentrierten, wird nun unter dem Stichwort des Milieumarketing (vgl. Tippelt et al. 2008) die Betrachtung auf Teilnahmen in dem heterogenen Feld öffentlicher und privater Anbieter gelenkt.
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734 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen
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21.2 Deskriptive Befunde zur Bildungsbeteiligung Erwachsener in der Bildungsberichterstattung Die Bedingungen der Teilnahme Erwachsener an Bildung sind im Vergleich zu denen der Bildungsbeteiligung in früheren Lebensphasen in einem deutlich höheren Maße kontingent. Das trifft prinzipiell bereits auf die Teilnahme selbst zu, für die es – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine Verpflichtung gibt. So variiert in der Bevölkerung die Beteiligung an Weiterbildung sehr viel stärker als etwa die Bildungsbeteiligung aufgrund einer gesetzlichen Schulpflicht oder aufgrund sozialer Erwartungen hinsichtlich des grundlegenden Erwerbs beruflicher Kompetenzen. Die Teilnahmen wiederum erfolgen in einem außerordentlich breiten Spektrum mehr oder weniger stark institutionalisierter Formen. Auf die Organisation der Schule und der tertiären Bildung wirkende Prozesse einer institutionellen Homogenisierung (vgl. Meyer und Ramirez 2005) haben auf die Weiterbildung – den Sektor des Bildungssystems, auf das die meisten Bildungsbeteiligungen Erwachsener entfallen – nur sehr begrenzt Einfluss gehabt. In Anbetracht der sehr heterogenen institutionellen Struktur der Weiterbildung (► 20.3) ist die Bildungsbeteiligung Erwachsener zunächst ein Abstraktum, das durch begriffliche Abgrenzung und empirische Beobachtung zu erschließen ist. Entsprechende Leistungen werden im Rahmen der Berichterstattung über die Weiterbildungsbeteiligung erbracht, die damit das Verständnis von Weiterbildung in maßgeblicher Weise mitbestimmt. Systematisch wird der Anspruch auf eine bevölkerungsrepräsentative Darstellung der Weiterbildungsbeteiligung in Monitoringstudien verfolgt, die vorrangig der Berichtslegung über Entwicklungen im Bildungswesen dienen. In Deutschland hat das für Bildung zuständige Bundesministerium seit 1979 mit dem Berichtssystem Weiterbildung (BSW) regelmäßig Monitoringstudien zur Weiterbildungsbeteiligung in Auftrag gegeben. Das BSW ist die einzige Datenquelle für die kontinuierliche Beschreibung bevölkerungsrepräsentativer Trends in der Bildungsbeteiligung Erwachsener seit den späten 1970er Jahren. Welche konzeptionellen Herausforderungen für eine auf Kontinuität angelegte Statistik der Weiterbildung zu bewältigen sind, lässt sich am Beispiel des BSW rückblickend an drei Punkten skizzieren. Erstens sind für das ausgesprochen heterogene und dynamische Feld der Weiterbildung Indikatoren zu bestimmen, die Weiterbildungsbeteiligungen in ihrem außerordentlichen Variantenreichtum erfassen und in statistischen Kennziffern beschreiben. Zweitens ist historischen Veränderungen Rechnung zu tragen, von denen sowohl die Institutionen der Weiterbildung als auch die maßgeblichen gesellschaftlichen Umwelten – Stichwort: Wiedervereinigung – betroffen sind. Drittens ist das Indikatorenkonzept an die Internationalisierung der Berichtslegung anzupassen, die für das BSW im Jahr 2007 mit der Integration in den europäischen Adult Education Survey (AES) erfolgt ist (vgl. Rosenbladt und Bilger 2008).
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Deskriptive Befunde zur Bildungsbeteiligung Erwachsener 735 Konzeptionell prägend für das BSW ist die Weiterbildungsdefinition des Deutschen Bildungsrates (1970, 197), der Weiterbildung „als Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluß einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase bestimmt“. Aufgrund der nicht klar zu ziehenden Trennlinie zwischen einer ersten Bildungsphase und auf sie folgender Phasen wird der Eintritt in die Erwerbstätigkeit vom Bildungsrat zum Kriterium für die Abgrenzung erhoben. Im Sinne des „organisierten Lernens“ konzentriert das BSW sich auf institutionalisierte Teilnahme an Lehrgängen, Seminaren, Kursen und weiteren Veranstaltungen mit einer zielgerichteten Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen. Einer deutschen Besonderheit der Ideen- und Institutionengeschichte geschuldet ist die ins BSW aufgenommene Unterscheidung zwischen allgemeiner und beruflicher Weiterbildung. Sie geht auf einerseits erwachsenenpädagogische, andererseits berufspädagogische Traditionslinien der Weiterbildung zurück. Institutionalisiert ist die Differenz nicht zuletzt in den Förderstrukturen der Weiterbildung; sie trennen im öffentlichen Bereich klar zwischen einer landesgesetzlich geregelten (allgemeinen) Erwachsenenbildung und einer auf Bundesebene im Berufsbildungsgesetz (BBiG) und im Arbeitsförderungsgesetz (AFG, seit 1998 in das Sozialgesetzbuch eingeordnet) geregelten beruflichen Weiterbildung. Das BSW schließt in dieses sogenannte Zwei-Säulen-Modell der Weiterbildung auch betriebliche und private Weiterbildungsaktivitäten ein, die keine öffentliche Förderung erfahren. Eine Zuordnung der Aktivitäten zu den Säulen der beruflichen bzw. allgemeinen Weiterbildung erfolgte aufgrund subjektiver Einschätzungen der Befragten. Die auf dieser Grundlage ermittelte Teilnahmequote berichtet den Anteil derjenigen an der 19- bis 64-jährigen Bevölkerung, die in einem Zeitraum von zwölf Monaten vor der Befragung an mindestens einer Weiterbildungsaktivität teilgenommen haben. Die Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung in der deutschen Bevölkerung seit Beginn einer regelmäßigen Berichterstattung mit dem BSW und in der Fortsetzung mit dem AES zeigt Abbildung 21.1 (Daten aus Rosenbladt und Bilger 2008, 37, 40). In der hochaggregierten Darstellung zeichnen sich recht konstante Trendentwicklungen der Weiterbildungsbeteiligung ab, die zunächst durch einen steten Anstieg und Spitzenwerte sowohl in der beruflichen wie der allgemeinen Weiterbildung im Jahr 1997 sowie durch Stabilität der Beteiligung in den folgenden Erhebungsjahren gekennzeichnet sind. Diese Befunde lassen für die historische Entwicklung beruflicher und allgemeiner Weiterbildung eine ähnliche Dynamik vermuten, für die ein beständiger Anstieg der Bedeutung von Weiterbildung, besondere historische Umstände in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung und Konsolidierung seit der Jahrhundertwende als Triebkräfte angenommen werden können. Aufschlussreich für die Beurteilung der dokumentierten Trends der Weiterbildungsbeteiligung sind Informationen, die auf niedrigeren Aggregationsniveaus erstellt werden. Näherer Betrachtung wert ist etwa die ab 1991 vorgenommene räumliche
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736 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen Aufteilung der Teilnahmequoten nach alten und neuen Bundesländern. Vor der Wende hatten die Bildungssysteme der beiden deutschen Staaten deutliche strukturelle Unterschiede, auch in der Organisation der Weiterbildung. So war die berufliche Weiterbildung in der DDR über Betriebsakademien, die nach der Wende sukzessive geschlossen wurden, enger an die Arbeitsorganisation gekoppelt als in der Bundesrepublik. In der Nachwendezeit erfolgte nach Neugründung der neuen Bundesländer ein Ausbau von Institutionen der allgemeinen Erwachsenenbildung in öffentlicher Verantwortung (Volkshochschulen) und in erheblichem Umfang Maßnahmen zur Bearbeitung der Folgen von Massenentlassungen in sogenannten „Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften“ (vgl. Siebert 2010). Besonderheiten der Weiterbildungsbeteiligung in den neuen Bundesländern (► Abb. 21.2) lassen sich vor diesem Hintergrund deuten – beispielsweise die durchgängig höhere Teilnahme an beruflicher als an allgemeiner Weiterbildung und die weit herausragenden Spitzenwerte der Beteiligung im Jahr 1997, die letztlich auch den Bundestrend mit prägen. Andere Verläufe, beispielsweise die im Vergleich zu den alten Bundesländern stärker ausgeprägte Diskontinuität der Teilnahmequoten, verlangen differenziertere Erklärungen bzw. werfen grundsätzlich Fragen nach der Angemessenheit der begrifflichen Differenzierung von Weiterbildung in beruflich und allgemein sowie nach der Reliabilität der subjektiven Zuordnung von Teilnahmefällen zu diesen Kategorien auf. 60
51 50
49
48 43
43
42 40
44 42
41
37
30
31 29
30
26
26
26
26
26
27
24 21
22
20
10
0 beruf. allgem. ges. berufl. allgem. ges. 1991
1994
beruf. allgem. ges. berufl. allgem. ges. berufl. allgem. ges. 1997
2000
Berichtssystem Weiterbildung
2003
beruf. allgem. ges.
ges.
ges.
ges.
ges.
2007
2007
2010
2012
2014
Adult Education Survey
Abb. 21.1: Quoten der Teilnahme an Weiterbildung in % der 19- bis 64-jährigen Bevölkerung (berufliche Weiterbildung, allgemeine Weiterbildung und gesamte Weiterbildung nach BSW bis 2007; nach AES ab 2007)
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Deskriptive Befunde zur Bildungsbeteiligung Erwachsener 737 40
37 35
32
31 28 26
21
20
29
28
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24
25
23
23
27
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28 26
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17 15
10
5
1991
1991
1994
1997
beruf.
allgem.
berufl.
2003
allgem.
berufl.
2000
allgem.
berufl.
allgem.
allgem.
berufl.
berufl.
2007
allegm.
berufl.
2003
allgem.
berufl.
2000
Neue Bundesländer
allgem.
berufl.
1997
allgem.
berufl.
1994
allgem.
berufl.
0 allgem.
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25
berufl.
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29
29
allgem.
30
2007
Alte Bundesländer
Abb. 21.2: Quoten der Teilnahme an beruflicher und allgemeiner Weiterbildung in % der 19- bis 64-jährigen Bevölkerung nach neuen und alten Bundesländern nach BSW
Im Jahr 2007 wurde der Kernindikator der Weiterbildungsberichterstattung im Rahmen der Umstellung des nationalen BSW auf das europäische Konzept des AES neu bestimmt. Dem AES liegt ein weiter gefasstes Verständnis der Bildungsbeteiligung Erwachsener zugrunde als dem BSW. Den Hintergrund bildet eine internationale Diskussion um die Sichtbarkeit und Dokumentation der „‚uncultivated‘ outcomes“ des Lernens Erwachsener (Werquin 2010, 17). Gemeint sind damit Lernerträge und Kompetenzgewinne, die nicht aus dem Besuch von Bildungsgängen mit formalen Abschlüssen resultieren. Die formale Bildung wird in diesem Zusammenhang von der informellen Bildung oder auch dem informellen Lernen abgegrenzt und die non-formale Bildung als eine dritte Form definiert, die zwischen formaler und informeller Bildung angesiedelt ist (vgl. Tuijnman und Boström 2002). Eine für Zwecke der statistischen Datenerhebung gängige Definition erfahren diese drei Formen der Bildungsbeteiligung in der Classification of Learning Activities (CLA; European Commission/Eurostat 2006). Grundsätzlich liegt der Anspruch der CLA in der Abgrenzung beabsichtigter von unbeabsichtigten Lernprozessen, um all die Aktivitäten einer Dokumentation zugänglich zu machen, die einer Lernintention folgen. In Abgrenzung von der Weiterbildungsdefinition des Deutschen Bildungsrates schließt das auch von den Lernenden selbst organisierte Formate ein. Kategoriale Differenzen werden am Grad der Institutionalisierung festgemacht. Als nicht-institutionalisiert wird das informelle Lernen gekennzeich-
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738 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen net, das eingebettet in private oder berufliche Aktivitäten erfolgt, im Regelfall aber nicht auf curricularisierten und didaktisierten Lehr-Lern-Settings basiert. Curricula, Didaktik und Methodik wählen die Autor*innen der CLA als Kennzeichen institutionalisierter Aktivitäten. Sie dienen sowohl zur Identifikation non-formaler wie formaler Bildungsaktivitäten, wobei das Distinktionsmerkmal der letztgenannten die Möglichkeit des Erwerbs eines Abschlusses ist, der in einem nationalen Qualifikationsrahmen definiert ist. Die CLA stellt eine unerlässliche Grundlage für den internationalen Vergleich der Bildungsaktivitäten Erwachsener in national variierenden Bildungssystemen her. Dieser unabweisbare Nutzen wird jedoch mit Trennschärfeproblemen zwischen den einzelnen Kategorien erkauft (vgl. Kuper et al. 2016). Die Kontinuität in der deutschen Weiterbildungsberichterstattung beruht auf der Annahme, dass (berufliche und allgemeine) Weiterbildung nach dem Verständnis des deutschen Bildungsrates äquivalent mit der non-formalen Bildung laut CLA sei. Die Abgrenzungen werden jedoch kontrovers diskutiert, wie etwa die Zuordnung der vielfältigen Formen des arbeitsplatznahen Lernens zur nonformalen Bildung (vgl. Behringer und Schönfeld 2014). Bei der Umstellung der Weiterbildungsberichterstattung vom BSW auf den AES im Jahr 2007 wurden in zwei unabhängigen Stichproben je einmal Daten nach dem Konzept des BSW (Zwei-Säulen-Modell) und des AES (CLA) erhoben. Als „vertrauensbildend“ bezeichnen Rosenbladt und Bilger (2008, 55) den Umstand, dass die Quoten für die Beteiligung an allgemeiner und/oder beruflicher Weiterbildung mit 43 % und an non-formaler Bildung mit 44 % nur einen geringfügigen Unterschied aufzeigen. Eine dezidierte Überprüfung der Äquivalenz dieser Angaben liegt jedoch nicht vor. Aufmerksamkeit verdient jedoch der Befund, dass nach dem Konzept des AES 38 % der Befragten angaben, an einer berufsbezogenen Weiterbildung teilgenommen zu haben, während lediglich 11 % die von ihnen besuchten Weiterbildungen als nicht-berufsbezogen einstuften; nach dem Befragungskonzept des BSW hingegen rechnen 26 % der Befragten ihre Weiterbildungsbeteiligung dem beruflichen Segment zu und 27 % dem allgemeinen. Für die nationale Bildungsberichterstattung im Allgemeinen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 143-147) und die Berichte zur Weiterbildung im Speziellen (vgl. Bilger et al. 2013) avanciert die Beteiligung an non-formaler Bildung zum Kernindikator. Die Begründung dafür liegt insbesondere in der Eignung dieses Indikators zur Überprüfung der vom Bundesministerium für Bildung ausgegebenen Benchmark, nach der bis zum Jahr 2015 eine Quote der Weiterbildungsbeteiligung von 50 % zu erreichen sei (Bundesregierung 2008, 14). Nachdem die im AES-Deutschland für das Jahr 2010 erhobenen Daten mit 42 % zunächst Stagnation anzeigten, konnten für die Jahre 2012 mit 49 % und 2014 mit 51 % das Erreichen der Benchmark verkündet werden. Inwiefern dieses Datum einen zielgerichtet herbeigeführten Erfolg anzeigt, bleibt angesichts der großen Heterogenität von Teilnahmefällen, Teilnehmenden und organisatorischen Kontexten, die in die-
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Deskriptive Befunde zur Bildungsbeteiligung Erwachsener 739 ser Quote aggregiert sind, offen. Erste Aufschlüsse über die Entwicklungsdynamiken in der Beteiligung an non-formaler Bildung gibt jedoch eine Aufschlüsselung der Teilnahmefälle nach den Segmenten der betrieblichen, individuell-berufsbezogenen und nicht-berufsbezogenen Weiterbildung (vgl. Bilger und Kuper 2013a). Die Teilnahmefälle werden dabei im Wesentlichen nach Modalitäten der Finanzierung unterschieden. Der betrieblichen Weiterbildung werden die Fälle zugerechnet, bei denen Arbeitgebende – sei es durch die (anteilige) Übernahme von Kosten oder durch die Gewährung der Teilnahme während der Arbeitszeit – an der Investition zumindest beteiligt sind. Individuell-berufsbezogene und nicht-berufsbezogene Weiterbildung erfolgen vollständig außerhalb von Arbeitszeiten und werden nicht von Arbeitgebenden (mit-)finanziert; bei diesen werden von den Befragten primär private, bei jenen primär berufliche Gründe der Teilnahme angegeben. Auch wenn bereits bei minimalen Beteiligungen der Arbeitgebenden eine Zuordnung der Teilnahmefälle zur betrieblichen Weiterbildung erfolgt und damit das Risiko besteht, das Engagement der Betriebe zu überschätzen, lässt die Trendentwicklung doch erkennen, dass insbesondere die in Verbindung mit betrieblich organisierter Erwerbstätigkeit stehenden Teilnahmefälle an Häufigkeit zunehmen. Während im Jahr 2010 noch 26 % aller 18- bis 64-Jährigen an betrieblicher Weiterbildung teilnahmen, sind es im Jahr 2014 37 %. Im gleichen Zeitraum sank die Beteiligung an individuell-berufsbezogener Weiterbildung von 12 auf 9 %; die Beteiligung an nicht berufsbezogener Weiterbildung war annähernd stabil bei 12 bis 13 %. Ausschlaggebend für den generellen Anstieg der Weiterbildungsbeteiligung sind somit in erster Linie Aktivitäten im betrieblichen Kontext, die nach der Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 in erheblichem Umfang zugenommen haben. Abgerundet wird in der nationalen Berichterstattung die Darstellung der Bildungsbeteiligung Erwachsener mit Informationen zur Verbreitung des informellen Lernens und der formalen Bildung (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 148-150; Kuper et al. 2013a; Kuwan und Seidel 2013). Das informelle Lernen zeichnet sich in erster Linie durch die Abwesenheit curricular oder didaktisch strukturierter Lehr-Lern-Settings und die Bindung des Lernens an Aktivitäten in beruflichen, privaten oder zivilgesellschaftlichen Bereichen aus. Nach diesem Verständnis lässt sich eine nicht erschöpfend beschreibbare Menge von Ereignissen dem informellen Lernen zurechnen. Trotz einer sehr intensiven wissenschaftlichen Diskussion zum informellen Lernen (vgl. Kaufmann 2012), in der eine Eingrenzung des Begriffs beispielsweise durch den Hinweis auf die Intention der Lernenden erfolgt, ergeben sich für die Operationalisierung zur Erfassung der Teilnahme erhebliche systematische Schwierigkeiten. Als praktikabel erweisen sich bei Befragungsstudien Auswahllisten von Aktivitäten arbeitsplatzintegrierter Lernformen (beispielsweise Arbeitsplatzrotation, Coaching), mediengestützten Lernens (beispielsweise Fachliteratur, Computer, Fernsehen) oder lernorientierte Interaktion beispielsweise im Kreis von Kollegen oder der Familie. Die Identifikation derartiger
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740 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen Anlässe als Lernsituation bleibt jedoch den subjektiven Einschätzungen von Befragten anheimgegeben. Auch folgen Angaben zur Verbreitung informellen Lernens, die auf der Aggregation von Informationen aus derlei Listen beruhen, aufgrund der Heterogenität der angegebenen Lerngelegenheiten kaum einem konsistenten Begriff des informellen Lernens. Auch wenn die Befunde aus repräsentativen Bevölkerungsstudien wertvolle Grundlagen zur Systematisierung der Empirie informellen Lernens bieten (vgl. Kuper und Kaufmann 2010), geben sie doch aufgrund der variierenden Operationalisierungen bislang nur ein eingeschränkt reliables Bild der Verbreitung des informellen Lernens ab. So sind auch die im AES 2014 (Bilger und Strauß 2015, 60) dokumentierten informellen Lernaktivitäten bei 54 % der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung nur im Kontext der dort realisierten Operationalisierung interpretierbar. Sehr viel deutlicher abgegrenzt ist das Segment der formalen Bildung. Seine Bildungsgänge führen zu Abschlüssen, die im deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) definiert sind. In der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren besuchten laut AES in den Jahren 2012 und 2014 jeweils 12 % Veranstaltungen der formalen Bildung (Bilger und Strauß 2015, 56). Besonders hoch liegt die Beteiligung bei den jüngsten Altersgruppen. Bei den 18- bis 24-Jährigen sind es 64 % (2012) bzw. 67 % (2014) und bei den 25- bis 34-Jährigen immerhin noch 13 % bzw. 14 %, die den Besuch formaler Bildungsgänge angeben. Eine bildungsbiografische Verortung der Aktivitäten in einer Phase nach Abschluss einer ersten Bildungsphase konnten von allen Teilnehmenden formaler Bildung im AES 2012 lediglich 26 % vornehmen (vgl. Kuper et al. 2013a, 254). Diese Teilnahmefälle zählen nach der Definition des Deutschen Bildungsrates („Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluß einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“) durchaus zur Weiterbildung. Mit 5 % sind unter ihnen Veranstaltungen des zweiten Bildungsweges zum Nachholen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses einer der größeren Teilgruppen zuzurechnen. Aber auch die sogenannten nicht-traditionellen Studierenden, die ein Studium nach oder parallel zu einer beruflichen Tätigkeit aufnehmen, sind mit 9 % relativ stark vertreten; sie repräsentieren eine mit der Ausdifferenzierung von weiterbildenden Studienangeboten wachsende Gruppe von Teilnehmenden. Die große Mehrheit der Teilnehmenden an formaler Bildung zählen – der Altersstruktur der Teilnehmenden gemäß – zur ersten Bildungsphase im allgemeinbildenden Schulsystem, in der Berufsausbildung oder in der tertiären Bildung. Die Differenzierung der Beteiligungen an formaler Bildung nach erster und zweiter Bildungsphase reflektiert Besonderheiten des deutschen Bildungssystems, in dem junge Erwachsene vielfach in eine verbreitete und gut institutionalisierte berufliche Erstausbildung gebunden sind. Für internationale Vergleiche ist ein Mindestmaß an Kompatibilität der in verschiedenen Staaten erfassten Bildungsaktivitäten auch dann zu gewährleisten, wenn – wie beispielsweise in vielen südeuropäischen Ländern – die Berufsbildung nicht umfassend institutio-
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Deskriptive Befunde zur Bildungsbeteiligung Erwachsener 741 nalisiert oder verbreitet in schulischen Bildungsgängen organisiert ist. Für die internationale Berichterstattung zur Bildungsbeteiligung Erwachsener ist daher eine Teilnahmequote gebräuchlich, die aus Teilnahmefällen formaler und non-formaler Bildung aggregiert wird (vgl. Behringer et al. 2013; OECD 2015, 384). Mit einer Eingrenzung der Informationen auf die Erwachsenen zwischen 25 und 64 Jahren werden Personen, die sich altersgemäß mit großer Wahrscheinlichkeit noch in einer Erstausbildung befinden, weitgehend ausgeschlossen. Gleichwohl bleibt ein systematischer Vergleich der ausgesprochen weit variierenden Teilnahmequoten der Erwachsenen in den europäischen Staaten (► Abb. 21.3) an die Berücksichtigung unterschiedlicher Organisation insbesondere der beruflichen und der tertiären Bildung sowie der Übergänge zwischen Bildung und Erwerbstätigkeit gebunden. Basis: Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren; Teilnahmequoten in % 80 70 60 50 40 30 20 10 0 SE LU CH NO NL DK FR DE EE AT
PT CY SK HU
EU BE ES CZ 27
SI MT UK IT
LV LT BG PL RS GR RO FI
2011/12 72 70 66 60 59 59 51 50 50 48 44 42 42 41 40 38 38 37 36 36 36 36 32 29 26 24 17 12
8
2007
7
73
55 45 45
45 42 42 26 41 44
35 41 31 38 41 34 49 22 33 34 36 22
15
55
Abb. 21.3: Beteiligung an formaler und non-formaler Bildung im europäischen Vergleich, in Prozent (Quelle: Behringer et al. 2013, 335)
Einen Hinweis auf organisatorische und möglicherweise auch funktionale Unterschiede der non-formalen bzw. formalen Bildung Erwachsener in den jeweiligen Bildungssystemen der Staaten gibt die erhebliche Spanne der durchschnittlich von den teilnehmenden Personen pro Jahr für Bildungsveranstaltungen aufgewendeten Stunden. Sie reichen bei einem OECD-weiten Durchschnittswert von 76 Stunden von 35 Stunden in Frankreich bis zu 132 Stunden in Korea (vgl. OECD 2011, 373). Diese Unterschiede sprechen für kontextsensitive Analysen der Teilnahme, in der die Tragfähigkeit einer Differenzierung in formale und non-formale Bildung sowie weitere Desaggregationen zu prüfen sind. Dass der zeitliche Umfang der Bildungsveranstaltungen dabei ein bedeutsames Kriterium ist, zeigen auch Analysen mit
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742 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen dem deutschen AES (vgl. Bilger und Kuper 2013b, 52-53). So weisen Veranstaltungen der non-formalen Bildung eine systematisch unterschiedliche Dauer auf, wenn zwischen Segmenten verglichen wird. Im Jahr 2012 betrug die durchschnittliche Dauer einer Veranstaltung der betrieblichen Weiterbildung 31 Stunden; für individuell-berufsbezogene Weiterbildung wurden dagegen im Durchschnitt 86 und für nicht berufsbezogene Weiterbildung 58 Stunden aufgebracht. Bemerkenswert ist ein Trend zu zeitlich weniger intensiven Veranstaltungsformaten – insbesondere in der betrieblichen Weiterbildung. Die in diesem Beitrag in den Fokus gerückte Differenzierung organisatorischer Formate und Segmente von Bildung im Erwachsenenalter ist ein kritisches Element für das systematische Verständnis von Weiterbildung und für eine differentielle Teilnahmeforschung. Bislang hat sich in der Weiterbildungsforschung – trotz der großen Verbreitung rahmender Konzepte wie beispielsweise der CLA – kein einheitliches Verständnis ihres Gegenstandes durchgesetzt, so dass empirische Studien auf der Grundlage ihrer jeweiligen operationalen Definitionen der Bildung im Erwachsenenalter zu unterschiedlichen Befunden kommen (vgl. Wohn 2007; Widany 2009). Auch Eisermann et al. (2014, 488) dokumentieren deutlich voneinander abweichende Quoten aus vier einschlägigen Studien, in denen bundesweit repräsentative Erhebungen in nahe beieinander liegenden historischen Zeitspannen durchgeführt wurden. Ein Vergleich der jeweils gewählten Operationalisierungen des Konstruktes Weiterbildungsbeteiligung legt Unterschiede offen, die sowohl das konzeptionelle Verständnis als auch die Gestaltung der konkreten Befragung betreffen. Dieser Befund unterstreicht die Notwendigkeit, für die Statistiken zur Dokumentation der Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland Klassifikationen der Weiterbildung zu entwickeln, mit denen ein umfassendes und differenziertes Bild der Aktivitäten erstellt werden kann. Dabei sollte Bezug auf vorliegende Forschungsbefunde, auf die Entwicklungen im Feld der Weiterbildung und auf begleitende Theorien genommen werden. Vertiefende Analysen zu den Bedingungen der Beteiligung können zur Systematisierung des Untersuchungsgegenstandes beitragen.
21.3 Individuelle und soziale Bedingungen der Bildungsbeteiligung Erwachsener Die Analyse der Bedingungen für die Beteiligung Erwachsener an Weiterbildung steht vor einem prinzipiellen Problem, das sich mit der Metapher der Unschärferelation umreißen lässt. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, ist Weiterbildung kaum eindeutig in Bezug auf eine abgrenzbare Grundgesamtheit von Bildungsaktivitäten bestimmt. Das Verständnis von Weiterbildung wandelt sich mit der historischen Entwicklung ihrer institutionalisierten Formen und mit der Anerkennung schwach institutionalisierter Lernformen als Weiterbildung.
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Individuelle und soziale Bedingungen der Bildungsbeteiligung 743 Auch die Grundgesamtheit der Teilnehmenden bleibt damit ein unscharf umrissenes Konstrukt, das seine Bestimmung letztlich durch die Festlegung des jeweiligen Verständnisses von Weiterbildung oder der Bildungsbeteiligung Erwachsener erhält. Für die Berichterstattung über die Weiterbildungsbeteiligung wird dieses Problem durch die Darstellung von Teilnahmequoten auf einem sehr hohen Aggregationsniveau bearbeitet. Dabei werden sehr heterogene Mengen von Teilnehmenden und sehr heterogene Aktivitäten der Bildungsbeteiligung zusammengefasst. Die Bedingungen der Teilnahme sind jedoch spezifisch in Bezug auf die Formen (formale und non-formale Bildung, informelles Lernen), Segmente (betriebliche, individuell-berufsbezogene, nicht berufsbezogene Weiterbildung) und weitere Differenzierungsmerkmale der Bildungsaktivitäten. Dem korrespondiert auf der Seite der Teilnehmenden eine Unterscheidung nach Zielgruppen, die durch inhaltliche Bildungsinteressen, funktionale Bildungserfordernisse und typische Bedingungen der Teilnahme gekennzeichnet sind (vgl. Hippel und Tippelt 2010). Während deskriptive Befunde zur Teilnahme also in der Tendenz eher mit hochaggregierten Daten erstellt werden, erfordern analytische Befunde zu den Bedingungen der Teilnahme spezifizierende Auflösungen von Teilnahmefällen und Zielgruppen. Gerade die bevölkerungsrepräsentativ angelegte Umfrageforschung, mit der zuallererst die Gesamtmenge der Teilnehmenden von den nicht Teilnehmenden empirisch getrennt wird, steht dabei vor großen konzeptionellen Herausforderungen. Analysen mit Daten aus der Umfrageforschung bergen das Risiko der Maskierung spezifischer Teilnahmebedingungen für spezifische Formate der Bildungsbeteiligung in der Gesamtheit aller insgesamt erfassten Ereignisse. In theoretischen Ansätzen zur Erklärung der Weiterbildungsbeteiligung wird zumeist auf Angebots-Nutzungs-Modelle verwiesen (► Abb. 20.1). Auf der Seite der Nutzer stehen individuelle Personen als Adressaten und Teilnehmende von Weiterbildung, aber auch Unternehmen, die als Arbeitgebende Interesse an der Weiterbildung ihres Personals haben. Die Seite des Angebots umfasst Trägerorganisationen und Einrichtungen, die Weiterbildung planen und durchführen. Die Teilnahme wird dabei als Ergebnis einer Interaktion zwischen Angebot und Nutzung konzipiert; bei erfolgreicher Abstimmung wird Weiterbildungsbeteiligung begünstigt. Ein umfassendes Verständnis der Angebots-Nutzungs-Relation schließt die Lehr-Lern-Interaktion und den Kompetenzerwerb ein (vgl. Schrader 2011). In der theoretischen Rahmung der Teilnahmeforschung haben diese Aspekte bislang eine zurückgesetzte Bedeutung. Im Fokus stehen in erster Linie die Teilnahmeentscheidungen (vgl. Boeren et al. 2010). Die Entscheidungen zur Weiterbildungsbeteiligung erfolgen Boeren et al. zufolge auf der Grundlage marktförmiger Regulation, wobei Abstimmungsmechanismen zwischen Angebot und Nutzung unter Aspekten der Information und Beratung, der Förderung von Teilnahme, der Definition von Anspruchsrechten und des Setzens von Anreizen institutionalisiert sind. Die Bedingungen der Teilnahme staffeln sich in einer Mehrebenenstruktur,
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744 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen in der konkrete Teilnahmeentscheidungen bzw. Teilnahmefälle die Mikroebene bilden; die Organisation eines Angebots und die organisatorischen Kontexte der Nutzung – beispielsweise im Rahmen betrieblicher Beschäftigungsverhältnisse – liegen auf der Mesoebene. Die rechtlichen, politischen und ökonomischen Rahmungen definieren Bedingungen der Weiterbildungsbeteiligung auf der Makroebene. Die Verschränkung zwischen den Ebenen und der Relation von Angebot und Nutzung arbeiten Boeren et al. (2010, 56) in einem konzeptuellen Modell heraus, das durch die Festlegung und ebenenspezifische Zuordnung von Wirkfaktoren ausdifferenziert wird (vgl. Abb. 21.4).
Abb. 21.4: Modell der Weiterbildungsbeteiligung von Boeren et al. 2010, 56
In diesem Modell stehen die Personen – die Adressaten der Weiterbildung – im Zentrum eines Komplexes von Variablen, die mikrostrukturelle Bedingungen beschreiben. In Bezug auf die Personen selbst sind das soziodemografische, sozioökonomische, soziokulturelle und psychologische Variablen. Für die Weiterbildungsbeteiligung maßgebliche Relationen der Personen zu ihrer sozialen Umwelt (Kontexte) werden unter dem Begriff der relevanten Anderen gefasst. Dieser Begriff beinhaltet familiäre Beziehungen, Arbeitgebende und Referenzgruppen wie Freunde und Freundinnen oder Kolleginnen und Kollegen. Weiterbildungseinrichtungen und Träger auf der Mesoebene sind durch organisatorische Merkmale – wie z. B. Größe und Modalitäten der Förderung oder der Qualitätssicherung – beschrieben.
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Individuelle und soziale Bedingungen der Bildungsbeteiligung 745 Zur Mesoebene zählen aber auch Merkmale der einzelnen Angebote bzw. Programme. Hier sind beispielsweise zu nennen didaktische und organisatorische Formate, wie etwa die Modularisierung, die inhaltliche Ausrichtung, die professionelle Ausgestaltung und die Kosten. Als relevante Andere der Weiterbildungsanbieter werden die Mitwettbewerber, die Bildungspolitik und Konkurrenten angenommen. Sowohl Personen als auch Anbieter sind in dem Modell in gesellschaftliche Kontexte eingebettet, unter denen Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Wohlfahrts- und Bildungssysteme hervorgehoben sind. Aus der umfragebasierten Forschung zur Weiterbildungsbeteiligung liegen empirische Befunde vor, die im Rahmen der angedeuteten Modelle interpretiert werden können. Bislang sind aber kaum Daten verfügbar, mit denen komplexere Modellierungen der angenommenen Interaktionsbeziehungen zwischen Angebot und Nutzung bzw. zwischen den Ebenen vorgenommen werden können. Die folgende Darstellung dokumentiert einige markante Ergebnisse aus der Berichterstattung zur Weiterbildung, ordnet sie den Modellannahmen zu und verweist auf weitergehende theoretische Annahmen zur Erklärung von Differenzen der Weiterbildungsbeteiligung. In Bevölkerungsumfragen gewonnene Daten fokussieren die Bedingungen der Teilnahme an Weiterbildung aus der Perspektive individueller Personen und ihrer Kontexte. Auf der Individualebene für die Weiterbildungsbeteiligung relevante soziodemografische Merkmale sind u. a. das Alter und das Geschlecht. Differenzen der Beteiligung nach Alter sind mit Analysen verschiedener Datensätze belegt. Hubert und Wolf (vgl. 2007) belegen mit den Mikrozensusdaten der Jahre 1993, 1998 und 2003 einen konstanten negativen Effekt des Alters auf die Beteiligung an Weiterbildung. Schiener (vgl. 2006) zeigt dagegen mit den Daten des Sozioökonomischen Panel (SOEP) einen über die Altersspanne variablen Einfluss, insofern mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Weiterbildung immer weiter sinkt. Für einen Untersuchungszeitraum, der mit den SOEP-Daten aus den Jahren 1989, 1993 und 2000 abgedeckt ist, kann er zudem auf eine Zunahme dieses Effekts im historischen Verlauf verweisen. Jüngere Analysen (vgl. Zboralski-Avidan 2014), die auch auf die SOEP-Daten der Jahre 2004 und 2008 zurückgreifen, zeigen im historischen Verlauf eine Zunahme der Weiterbildungsbeteiligung insbesondere unter den älteren Erwerbstätigen. Der negative Effekt des Alters nimmt demnach in der jüngeren Vergangenheit ab. Bestätigt werden diese Befunde für die Gesamtbevölkerung von den deskriptiven Trendauswertungen der AES-Daten (vgl. Bilger und Strauß 2015, 37). Deutlich wird in diesen Analysen jedoch auch die segmentspezifische Altersdifferenz in der Weiterbildungsbeteiligung. Während die Beteiligung der Älteren insbesondere in der betrieblichen, aber auch in der individuell berufsbezogenen Weiterbildung gegenüber der Beteiligung Jüngerer immer noch deutlich geringer ausfällt, steigt die Beteiligung an nicht-berufsbezogener Weiterbildung mit dem höheren Alter sogar leicht an. Zur Erklärung des
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746 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen Alterseinflusses auf die Weiterbildungsbeteiligung wird vorrangig humankapitaltheoretisch argumentiert. Demnach wird eine Investition in Weiterbildung sowohl für die Arbeitgebenden (betriebliche Weiterbildung) als auch für Arbeitnehmenden (individuell berufsbezogene Weiterbildung) in dem Maße unattraktiver, in dem die noch verbleibende Lebensarbeitszeit und damit der Zeitraum, in dem Bildungsrenditen realisiert werden können, schwindet. Die zunehmende Erwerbsbeteiligung Älterer in der vergangenen Dekade bildet einen makrostrukturellen Hintergrund, vor dem ihre steigende Beteiligung an Weiterbildung plausibel ist. Spezifische Muster der Erwerbsbeteiligung und damit in Verbindung stehende Renditeerwartungen für Weiterbildungsinvestitionen werden auch zur Erklärung von Geschlechterdisparitäten herangezogen. Die Humankapitaltheorie legt die Annahme nahe, dass eine Überrepräsentation von Frauen in Teilzeitbeschäftigungen und die Erwartung diskontinuierlicher Erwerbsverläufe bei Frauen eine gegenüber Männern geringere Weiterbildungsbeteiligung bedingen. Tatsächlich kann etwa Schiener (vgl. 2006, 178) einen eigenständigen Einfluss der Variable Geschlecht auf die Weiterbildungsbeteiligung nicht feststellen; Geschlechterdifferenzen werden demzufolge über geschlechtstypische Erwerbsmuster moderiert. Hubert und Wolf (vgl. 2007, 487) zeigen den negativen Einfluss mit Erwerbstätigkeit konkurrierender familiärer Verpflichtungen auf die Weiterbildungsbeteiligung von Frauen – im Gegensatz zu der von Männern. Auf der Individualebene ist für die Bildungsbeteiligung Erwachsener insbesondere die berufliche Position ausschlaggebend. Neben dem Erwerbsstatus mit der kategorialen Grundunterscheidung von erwerbstätig, arbeitslos und nicht-erwerbstätig ist eine in Teilen stratifizierend angelegte Ordnung des Berufsstatus in Arbeiter, Angestellte, Beamte und Selbstständige in der Weiterbildungsforschung gebräuchlich (vgl. Bilger und Strauß 2015, 27-29; als Überblick Schiener et al. 2013, 565). Über längere Zeiträume stabil sind Ergebnisse, die eine hohe Weiterbildungsbeteiligung bei den Beamten und Beamtinnen dokumentieren, gefolgt von den entsprechenden Werten für die Angestellten, die Selbstständigen und den niedrigsten Beteiligungswerten für die Arbeitenden. Für Erwerbstätige liegen die Beteiligungsquoten stabil über denen der Arbeitslosen und nicht Erwerbstätigen. Insbesondere die hohe Beteiligung an Aktivitäten in dem umfangreichen Segment der betrieblichen Weiterbildung, die für Arbeitslose bzw. nicht Erwerbstätige prinzipiell nicht zugänglich sind, begünstigen die Teilnahmequoten der Erwerbstätigen. Generell ist davon auszugehen, dass die gebräuchlichen Einteilungen nach beruflicher Position und Berufsstatus weitgehend voneinander getrennte Segmente der Weiterbildung reflektieren, in denen hochgradig differente Teilnahmebedingungen herrschen. So ist davon auszugehen, dass die Weiterbildungsbeteiligung von Arbeitslosen durch Instrumente der aktiven Arbeitsmarktförderung oder der Eingliederung im Rechtskreis der Sozialgesetzbücher (SGB) II und III gefördert ist. Da die Förderung im Regelfall mit Ansprüchen auf Leistungsbezug verbunden ist, hat die Teilnahme in diesem Segment einen formal verpflichtenden Charakter. Zum Segment der
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Individuelle und soziale Bedingungen der Bildungsbeteiligung 747 nach dem SGB geregelten beruflichen Weiterbildung liegt aufgrund der Administration und Überprüfung dieser Teilnahmefälle durch die Agenturen für Arbeit eine sehr zuverlässige und laufend aktualisierte Statistik vor. Sie beruht auf einer bundesweiten Vollerhebung aller Förderfälle (https://statistik.arbeitsagentur.de/ Navigation/Statistik/Statistik-nach-Themen/Arbeitsmarktpolitische-Massnahmen/ Arbeitsmarktpolitische-Massnahmen-Nav.html). Ausweislich dieser Statistik wurden beispielsweise im Mai 2016 ca. 33 % der 2.664.014 zu diesem Zeitpunkt arbeitslos gemeldeten Personen durch eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme gefördert. Darunter fielen jeweils ca. 7,5 % auf aktivierende Maßnahmen und berufliche Eingliederung, Unterstützung bei der Berufswahl und Berufsausbildung; berufliche Weiterbildung im engeren Sinne wurde lediglich von ca. 4,5 % der arbeitslos gemeldeten Personen im Rahmen einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme besucht (eigene Berechnung). Diese Aufstellung zeigt die funktionale Differenzierung dessen, was in der Umfrageforschung als Weiterbildung erfasst wird, auch innerhalb eines bereits vom Adressatenkreis her spezifizierten Segments. Eine Annäherung an weitergehende Differenzierungen der individuellen Teilnahmebedingungen in den Segmenten der betrieblichen und individuell-berufsbezogenen Weiterbildung von Erwerbstätigen erfolgt durch die Berücksichtigung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus zur Erklärung ungleicher Teilnahmechancen. Im Trend sehr stabil sind Befunde, nach denen die Weiterbildungsbeteiligung stetig mit dem Niveau der allgemeinbildenden Schulabschlüsse wächst und auch das Niveau der beruflichen Bildung in einem positiven Zusammenhang mit der Weiterbildungsbeteiligung steht (vgl. Leven et al. 2013, 76). Werden in multivariaten Analysen die Einflüsse des Berufsstatus als auch des beruflichen Qualifikationsniveaus auf die Entscheidungen zur Weiterbildung berücksichtigt, zeigt sich, dass dieser positive Zusammenhang auch innerhalb der groben Kategorisierung nach Statusgruppen der Arbeitenden, Angestellten und Beamten und Beamtinnen gilt (vgl. Kuper et al. 2013b). Diese deskriptiven Befunde lassen sich auf der Individualebene erklären. Empirisch gut belegt ist die Annahme, dass Personen mit einer höheren Qualifikation bessere Chancen auf eine berufliche Tätigkeit haben, die entweder aufgrund der fachlichen Qualifikationsanforderungen oder der Positionierung in betrieblichen Hierarchien die Weiterbildungsbeteiligung begünstigt. Es gibt aber auch Hinweise auf einen direkten Zusammenhang zwischen den individuell verfügbaren Kompetenzen und der Weiterbildungsbeteiligung. Maehler et al. (vgl. 2013, 114) zeigen, dass die Teilnahme an Weiterbildung mit steigendem Niveau der Grundkompetenzen im Lesen zunimmt. Auch wenn der Haupteffekt der Kompetenzen bei Kontrolle der Schulabschlüsse klein wird, bestätigt er doch die Annahme, dass individuell bereits erworbene Kompetenzen eine Ressource für weitergehende Bildungsentscheidungen sind. Auf der Individualebene setzen auch motivationstheoretische Erklärungen an (vgl. zusammenfassend Gorges 2015). Demnach werden Entscheidungen zur Beteiligung an Weiterbildung begünstigt, wenn in bereits absolvierten Bildungsgängen positive
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748 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen Einstellungen in Bezug auf die eigene Bildungsbeteiligung entwickelt wurden. Diese Einstellungen lassen sich differenzieren in Erfolgserwartungen und Wertüberzeugungen; erstere betreffen die individuelle Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, eine Lernanforderung bewältigen zu können; letztere die Bewertung, ob das mit einer zusätzlichen Lernanstrengung zu erreichende Ziel erstrebenswert sei. In ihrem Review verweist Gorges auf Studien, die eine Kontextabhängigkeit dieser Einstellungen belegen. Erwartungen und Werte variieren demnach nicht nur auf der individuellen Ebene, sondern auch nach sozialen Milieus und sozio-kultureller Einbettung. So bestehen Zusammenhänge zwischen den individuellen Lerninteressen und denen sozialer Bezugsgruppen wie Freund*innen oder Kolleg*innen. Unabhängig davon lassen sich auf der Individualebene im Rahmen der Erwartungs-Wert-Modelle zyklische Entwicklungen der Weiterbildungsbeteiligung erklären, bei denen vorherige Weiterbildungsbeteiligung nachfolgende Beteiligung erklärt. Auch die im Verlaufe von Bildungsbiografien zunehmend domänenspezifische Ausrichtung von Lerninteressen erklärt, weshalb vorherige Bildungsbeteiligung ein guter Prädiktor für entsprechende Folgeaktivitäten ist. In einer Sekundäranalyse der deutschen AES-Daten aus dem Jahr 2007 können Gorges und Hollmann (2015) nachweisen, dass auch affektive Erinnerungen an die eigene Schulzeit einen Einfluss auf die Bewertung von Weiterbildung und darüber auf Weiterbildungsentscheidungen haben. Aufschlussreich für die Genese von Weiterbildungsentscheidungen ist ihre nach Segmenten aufgeschlüsselte Analyse der Weiterbildung. So ist der Einfluss der Erinnerungen in den Segmenten der individuell berufsbezogenen und der nicht berufsbezogenen Weiterbildung, in denen von einer höheren individuellen Selbstbestimmtheit der Teilnahmeentscheidung ausgegangen werden kann, größer als bei der betrieblichen Weiterbildung. Moderiert wird die Wirkung der affektiven Erinnerung auch durch den allgemeinbildenden Schulabschluss. Insbesondere, wenn ein niedriger Schulabschluss absolviert wurde, ist die Wirkung einer positiven Erinnerung an die eigene Schulzeit auf die Teilnahme an Weiterbildung deutlich ausgeprägt. Die systematische Berücksichtigung von Faktoren, die im Sinne des Modells von Boeren et al. (siehe oben) auf der Mesoebene angeordnet sind, und ihrer Interaktion mit den Faktoren auf der Mikroebene erfordert theoretische Annahmen, in denen organisatorische Gelegenheitsstrukturen und individuelle Teilnahmeentscheidungen zueinander in Verbindung gesetzt werden. Kaufmann und Widany (vgl. 2013) verweisen in diesem Zusammenhang auf die wirkmächtigen Linien der Humankapital- und der Arbeitsmarksegmentationstheorie. Nach der Humankapitaltheorie (vgl. zusammenfassend Becker und Hecken 2009) ist Weiterbildung eine Investitionsleistung, die erbracht wird, wenn Renditen zu erwarten sind, die die Investition übertreffen. Diese Annahmen beziehen sich auf individuelle Weiterbildungsentscheidungen auf der Mikroebene. Auf dieser Ebene werden der Theorie zufolge Weiterbildungsbeteiligung, der Erwerb zusätzlicher Kompetenzen und die
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Individuelle und soziale Bedingungen der Bildungsbeteiligung 749 Verwertung eines gesteigerten Humankapitals verkoppelt. Eine kontextuelle Einbettung erfahren diese Annahmen in den Theorien der Arbeitsmarktsegmentation (vgl. Behringer et al. 2009; Schiener 2006). Der Arbeitsmarkt wird dabei als strukturell differenzierter Rahmen für die Verwertung von Humankapital und damit auch der Entscheidungen für Bildungsinvestitionen verstanden. Er gliedert sich in Segmente, in denen unterschiedliche Bedingungen der betrieblich organisierten Arbeit – mithin auf der Mesoebene – herrschen. Klassisch ist die Unterscheidung von Lutz und Sengenberger (vgl. 1974). Sie identifizieren betriebliche Arbeitsmärkte, auf denen Weiterbildung von den Betrieben als personalpolitisches Instrument im Interesse der Förderung betriebsspezifisch erforderlicher Qualifikationen und der Stabilisierung von Beschäftigungsverhältnissen eingesetzt wird; berufsfachliche Arbeitsmärkte, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Interesse am Erwerb betriebsübergreifender Qualifikationen haben, deren Verwertung sie ggfs. durch Arbeitgeberwechsel optimieren können; und unstrukturierte Arbeitsmärkte mit so niedrigen Qualifikationsanforderungen und so hoher Fluktuation von Beschäftigten, dass Investitionen in Weiterbildung von geringer Attraktivität sind. Kaufmann und Widany (2013, 38) entwickeln auf dieser Grundlage die Annahme, dass ausschließlich betrieblich finanzierte, ausschließlich individuell finanzierte und mischfinanzierte Weiterbildung unterschiedlichen Bedingungen der Selbst- und Fremdselektion folgen. Ihre empirischen Analysen mit Daten aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) der Jahre 2009/10 liefern differenzielle Befunde: So wird die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung unter anderem von tätigkeitsbezogenen und arbeitsorganisatorischen Merkmalen auf der Mesoebene der Betriebe abhängig. Bei der individuell beruflichen Weiterbildung sind es eher persönliche Einstellungen, die Weiterbildungsbeteiligung erklären. Bestätigt werden Befunde anderer Studien, nach denen Frauen ihre Qualifikationen systematisch häufiger als Männer über individuell berufsbezogene Weiterbildung aufwerten. Für die Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung lassen sich dagegen keine Geschlechterdifferenzen feststellen. Für das Verhältnis zwischen den Segmenten der Weiterbildung ist aufschlussreich, dass die Wahrscheinlichkeit zur Teilnahme an individuell beruflicher Weiterbildung sinkt, wenn Arbeitgebende die Gelegenheitsstruktur für betriebliche Weiterbildung über einschlägige Beratungs- und Planungsinfrastrukturen begünstigten. Aus der Arbeitnehmerbefragung Berufliche Weiterbildung als Bestandteil lebenslangen Lernens (WeLL) liegen Daten in einer Mehrebenenstruktur vor. Mit ihnen lassen sich Faktoren auf der Personen- und der Betriebsebene unabhängig voneinander zur Erklärung der Weiterbildungsbeteiligung modellieren. Auf dieser Datengrundlage trennen Schiener et al. (vgl. 2013) auf der Mikroebene angesiedelte Faktoren der Beeinflussung von Weiterbildungsentscheidungen von denen auf der Makroebene. So können sie zeigen, dass etwa die Chance zur Teilnahme an Weiterbildung sowohl von der individuellen Qualifikation abhängig ist als auch vom Durchschnitt der Qualifikation aller Beschäftigten eines Betriebs. Schiener et
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750 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen al. zeigen so Kumulationen von Benachteiligungen auf: Da Geringqualifizierte ohnehin eine geringere Chance auf Weiterbildung haben, öfter in Betrieben mit einer geringen Durchschnittsqualifikation der Beschäftigten tätig sind und zudem in Betrieben mit durchschnittlich niedriger Qualifikation die Diskrepanz der Weiterbildungsbeteiligung zwischen Niedrig- und Hochqualifizierten besonders ausgeprägt ist, kumulieren bei ihnen benachteiligende Effekte der Mikro- und der Mesoebene. Zur Analyse von makrostrukturellen Einflüssen, die etwa über Verrechtlichung, strukturpolitische Maßnahmen oder öffentliche Förderung auf die Weiterbildungsbeteiligung wirken, liegen Untersuchungen vor, die zwischen Regionen oder Ländern vergleichen (vgl. Blossfeld et al. 2014; Martin et al. 2016). Für den nationalen, bundesdeutschen Kontext sind Regionen eine relevante Bezugseinheit für die Teilnahmeforschung, weil sie maßgebliche ökonomische und soziostrukturelle Kontextfaktoren bündeln. Zudem erfolgen in kleinräumigen regionalen Kontexten Abstimmungen zwischen institutionellen Akteuren, die auf die Förderung des Weiterbildungsangebotes zielen (zum Überblick Martin et al. 2016, 56-67). In Deutschland tragen die Kommunen, als räumlich kleinste Einheiten im Aufbau der staatlichen Administration, große Verantwortung bei der organisatorischen Umsetzung öffentlich geförderter Weiterbildung. Die empirische Überprüfung des Einflusses makrostruktureller Faktoren, die über räumliche Zuordnungen von Teilnahmefällen der Weiterbildung operationalisiert werden, steht noch am Beginn. Die verfügbaren Daten sind bislang nur bedingt entsprechend der methodischen Erfordernisse zu strukturieren. So ist der Mikrozensus der einzige Datensatz mit Angaben zur Weiterbildungsbeteiligung, der hinreichend große Fallzahlen vorhält, um Kontextuierungen auf Bundeslandebene oder auf kleinräumigeren Einheiten wie Kreisen oder Raumordnungsregionen vorzunehmen. Die Angaben zur Weiterbildung im Mikrozensus sind jedoch kaum dahingehend differenzierbar, ob die dokumentierten Fälle überhaupt in den Relevanzbereich etwaiger regional organisierter Maßnahmen fallen oder nicht. Umso ermutigender ist der Befund aus Mehrebenenanalysen von Martin et al. (vgl. 2015, 28), nachdem mit zunehmend feingliedriger räumlicher Differenzierung steigende Varianzanteile der Weiterbildungsbeteiligung durch Raumordnung erklärt werden. Während auf der Ebene der Bundesländer unter einem Prozent der Varianzanteile liegen, sind auf der Ebene der Kreise bereits über vier Prozent Varianzanteile zu verzeichnen. Martin et al. (vgl. 2016) haben die Mehrebenenanalysen unter Bezugnahme auf regionale Einheiten strategisch weiterentwickelt; sie untersuchen die Weiterbildungsteilnahme der generell nur schwach aktiven Gruppen der Älteren, der Migrantinnen und Migranten und der Geringqualifizierten. Im Fokus liegt dabei insbesondere die Weiterbildungsbeteiligung dieser Gruppen in Regionen, die sich an dem Projekt Lernen vor Ort beteiligten, mit dem der Europäische Sozialfond (ESF) in den Jahren 2009 bis 2014 kommunales Bildungsmanagement zugunsten benachteiligter Gruppen förderte. Martin et al. können nachweisen, dass männliche Geringqualifizierte in
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Individuelle und soziale Bedingungen der Bildungsbeteiligung 751 Projektregionen eine höhere Weiterbildungsbeteiligung zeigen als in nicht geförderten Regionen. Dass für die anderen Gruppen keine Unterschiede nach geförderten und nicht geförderten Regionen festgestellt werden konnten, ist bei dem bisherigen Forschungsstand auch dem Mangel an regional hinreichend aufgelösten Informationen über die Weiterbildungsbeteiligung zuzuschreiben. Vergleiche der Bildungsbeteiligung Erwachsener auf der Ebene der Nationalstaaten sind prinzipiell mit der gleichen Problematik konfrontiert wie die regionalen Vergleiche. Im Rahmen der nationalen Bildungs- und Wohlfahrtspolitiken sowie der jeweiligen Strukturen der beruflichen Bildung und der Wirtschaftssysteme haben sich international sehr spezifische institutionelle Konstellationen entwickelt, in die Bildungsentscheidungen eingebettet sind. Die Komplexität dieser Konstellationen einerseits und die Heterogenität organisierter Formen der Bildung Erwachsener andererseits erschweren eine eindeutige Assoziation zwischen makrostrukturellen Faktoren und Bildungsbeteiligung. Dieser Herausforderung wird in der internationalen Forschung mit Konzepten begegnet, in denen die Interdependenz der Bildungsbeteiligung beeinflussende Faktoren im Sinne von Institutional Packages (vgl. Blossfeld 2003) beschrieben und typisiert wird (zusammenfassend Kaufmann et al. 2014). Typisierungen liegen für die staatliche Organisation von Wohlfahrtsleistungen und für die Organisation kapitalistischer Wirtschaftssysteme vor. Die Wohlfahrtsstaatsregime (vgl. Esping-Andersen 1990) unterscheiden sich in der Balance privater und öffentlicher Verantwortung für soziale Leistungen. Sie lassen sich auch auf die Beschreibung der Förderstrukturen für Weiterbildung anwenden. Desjardins und Rubenson (2013) beschreiben die zwischen EU-Staaten stark variierende Weiterbildungsbeteiligung vor dem Hintergrund der staatlichen Regulierung. Sie zeigen hohe Bildungsbeteiligung Erwachsener bei vergleichsweise schwacher Selektivität insbesondere in den nordischen Ländern auf, die dem Typus sozialdemokratischer Wohlfahrtsstaatsregime zugehören. Dort ist die Weiterbildungsförderung in der Sozialpolitik verankert und gewinnt damit Unabhängigkeit gegenüber den Erfordernissen des Arbeitsmarktes. Die Varieties of Capitalism (vgl. Hall und Soskice 2011) unterscheiden zudem einen liberalen und einen institutionell stärker koordinierten Typ der Marktwirtschaft. Mediterrane Staaten werden einer Mischform und osteuropäische Staaten einer besonderen Variante kapitalistischer Marktwirtschaft mit hoher Abhängigkeit von internationalen Unternehmen zugeordnet. Diekhoff et al. (vgl. 2007) können in einem Vergleich der Weiterbildungsbeteiligung zwischen liberalen und koordinierten Marktwirtschaften sowie zwei mediterranen Staaten keine Unterschiede feststellen, die systematisch mit den beruflichen Statusgruppen oder den arbeitsvertraglichen Regelungen korrespondieren. Wohl aber haben ihrer Analyse zufolge die Gewerkschaftsdichte und die Lohnkompression einen positiven Zusammenhang mit Weiterbildung. Einen Einfluss der Tätigkeitsstruktur und der Innovationsmaße nationaler Wirtschaftssysteme auf die Weiterbildungsbeteiligung zeigen Roosma und Saar (vgl. 2012); ihnen zufolge haben diese Faktoren auf der
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752 Bildungsbeteiligung Erwachsener – individuelle und soziale Bedingungen Nachfrageseite des Arbeitsmarktes einen stärkeren Einfluss auf Selektivität der Weiterbildung als Faktoren auf der Angebotsseite, wie etwa die Qualifikationsstruktur. Vergleiche vor dem Hintergrund der Varieties of Capitalism zeigen, dass dieses Muster in den osteuropäischen EU-Staaten schwächer ausgeprägt ist als im übrigen EU-Gebiet. In einer international zwischen 13 Staaten vergleichenden Studie betonen Kilpi-Jakonen et al. (vgl. 2015) die Ähnlichkeit der Muster sozialer Selektivität in der Bildungsbeteiligung Erwachsener. Trotz einer großen Heterogenität im Ausmaß der Bildungsbeteiligung zwischen den Ländern gehen sie von einer weitgehend staatenunabhängigen Wirkung des Matthäus-Effekts aus. Kumulative Bildungsverläufe sind demnach ein globales Phänomen. Jedoch zeigen sie durchaus auch Länderspezifika in der Bildungsbeteiligung Erwachsener auf und weisen auf differente Muster der Beteiligung an non-formaler und formaler Bildung hin. So sind in vielen europäischen Ländern insbesondere Erwachsene mit mittlerer beruflicher Qualifikation bei der Beteiligung an formaler Bildung begünstigt. Ein hohes durchschnittliches Qualifikationsniveau in den Staaten senkt zudem die Selektivität der Beteiligung an formaler Bildung. Es wird vermutet, dass hier der makrostrukturelle Kontext Geringqualifizierte zu Bildungsbeteiligung motiviert, um ihre relative Position im landestypischen Qualifikationsgefüge zu verbessern.
21.4 Potenziale Die Bildungsbeteiligung Erwachsener unterliegt einer besonders starken Veränderungsdynamik. Herausforderungen der Weiterbildungsforschung bestehen in der steten Weiterentwicklung begrifflicher Einteilungen und theoretischer Modelle, die eine sich wandelnde Praxis der Bildung Erwachsener reflektieren und die sehr ausgeprägte Kontextspezifik der Bildungsbeteiligung thematisieren. Aufgrund der Interdisziplinarität der Forschung zur Bildung Erwachsener liegen Ansätze vor, die individuelle und soziale Kontexte der Bildungsbeteiligung in den Blick nehmen, und solche, die Angebote und deren professionelle Gestaltung fokussieren. Eine weitere Integration dieser Ansätze – etwa auf der Grundlage von Input-ProzessOutput-Modellen – ist erforderlich, insbesondere um die Interaktion zwischen Bildungsnachfrage, Bildungsangeboten, Bildungsbeteiligung und Bildungserträgen erforschen zu können. Diese Integrations- und Entwicklungsanforderungen stellen sich auch für die Daten, die in der Weiterbildungsberichterstattung und -forschung genutzt werden können. Die im Folgenden genannten Punkte geben Orientierungen für die Fortentwicklung einer Weiterbildungsstatistik, die Grundlagen zur Beurteilung der institutionellen Entwicklungen bietet. Erforderlich ist eine Darstellung historischer Trends der Bildungsbeteiligung, die sensibel ist für die Veränderung institutionalisierter Formen der Bildungsbeteiligung; eine individuell und sozial kontextsensitive Betrachtung der Bildungsbeteiligung, die beispielsweise
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Literatur 753 regional- oder segmentspezifische Voraussetzungen und ggfs. Einschränkungen erkennen lässt; eine Abbildung der Relation zwischen Bildungsentscheidungen und Bildungsangeboten; eine Beschreibung funktionaler Bezüge und Erklärung der Erträge von Weiterbildung. Für die international vergleichende empirische Forschung zur Bildungsbeteiligung Erwachsener besteht eine zentrale theoretische Herausforderung darin, einerseits Modelle zur Analyse übergeordneter Strukturmuster der Wirkung von Makrofaktoren zu formulieren und andererseits für die Spezifika der Länder sensibel zu bleiben.
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22 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung Harm Kuper und Josef Schrader
Zusammenfassung Mit der fortschreitenden Institutionalisierung des lebenslangen Lernens hat sich die Erwachsenen- und Weiterbildung zu einem bedeutender werdenden Bereich nationaler Bildungssysteme entwickelt. Die Etablierung von Large Scale Assessments wie der PIAAC- und der level-one-Studie hat diesen Bildungsbereich – ähnlich wie zuvor die Schule – mit wachsenden Effektivitäts- und Effizienzerwartungen konfrontiert. Damit stellt sich zum einen die Frage, ob die Erwachsenen- und Weiterbildung versprochene oder erwartete Wirkungen und Erträge im Zusammenspiel von spezifischen Angeboten und ihrer Nutzung tatsächlich erreicht. Zum zweiten ist zu fragen, ob das Angebot und die Nutzung durch politische, rechtliche und finanzielle Regelungen (supra-)nationaler oder zivilgesellschaftlicher Akteure so gesteuert werden, dass versprochene und erwartete Wirkungen und Erträge auch erreicht werden. Die Wirkungsforschung steht vor besonderen methodischen und theoretischen Herausforderungen, da geklärt werden muss, was Erträge sind (etwa Einkommenszugewinne, Arbeitsplatzsicherheit oder Wohlbefinden) und in welchem Verhältnis sie zu den Bildungsaktivitäten stehen. In Befragungen, die auf Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden beruhen, lässt sich feststellen, dass kriterial deutlich identifizierbare Nutzenaspekte weniger erwartet werden als kriterial weichere Nutzenaspekte. Generell muss dabei mit einer subjektiven Überbewertung des Nutzens von Weiterbildung gerechnet werden. Studien, die sich auf Annahmen der Humankapitaltheorie stützen und nach Lohneffekten fragen, konnten nach Kontrolle der Eingangsselektivität bislang keine signifikanten Einkommenseffekte der Beteiligung an non-formaler Bildung nachweisen. Evaluationen zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen konnten als zentrales Ergebnis den lock-in-Effekt feststellen, wonach Personen bei der Teilnahme an länger andauernden Weiterbildungsformaten gebunden sind und damit von neuen Erwerbstätigkeiten abgehalten werden. In den vergangenen Jahren hat sich mit der Educational Governance ein interdisziplinäres Forschungsfeld entwickelt, das sich mit der Steuerung von (Weiter-)Bildung
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758 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung durch nationale, supra- und internationale sowie zivilgesellschaftliche Akteure beschäftigt. Im Fokus steht dabei die Frage, wie Akteure auf unterschiedlichen Ebenen ihre Handlungen koordinieren. Als Akteure kommen Staaten, Organisationen, Korporationen und Individuen in den Blick, die sich als zielgerichtet handelnde Einheiten im Mehrebenensystem der (Weiter-)Bildung identifizieren lassen. Zentraler und einflussreichster Akteur für die Erwachsenen- und Weiterbildung bleibt der (National-)Staat, der mittels rechtlicher Regelungen und finanzieller Förderung Einfluss auf institutionelle Strukturen, Programme und auch auf die Beschäftigungsbedingungen des Personals nimmt. Akteure auf inter- und supranationaler Ebene wie die EU oder die OECD üben allein schon durch ihre Agentschaft für das lebenslange Lernen einen wachsenden Einfluss aus und haben einen transnationalen Bildungsraum etabliert; sie stützen sich dabei u. a. auf Rankingstudien und auf die Etablierung von länderübergreifenden Diskursen, u. a. zur Zertifizierung informellen und non-formalen Lernens.
22.1 Wirkungen der Weiterbildung Die empirische Forschung zur Beteiligung Erwachsener an Bildung und Weiterbildung bietet vielfach replizierte und weitgehend unstrittige Befunde zur Verteilung von Bildungsaktivitäten in der Bevölkerung und zu den Mechanismen der Selektivität in der Bildungsbeteiligung. Die theoretisch und praktisch ebenso bedeutsame Frage nach den Erträgen von Weiterbildung kann dagegen bislang nicht mit der gleichen Sicherheit unter Bezugnahme auf empirische Forschungsergebnisse beantwortet werden (► Kap. 6). Der Grund dafür liegt darin, dass die Frage nach den Erträgen von Weiterbildung im Prinzip eine kausale Erklärung verlangt, die Forschungsvorhaben vor besondere theoretische und methodische Herausforderungen stellt. Theoretisch zu klären ist, wie Erträge konzeptionell zu bestimmen sind und in welcher Beziehung sie zu den Bildungsaktivitäten stehen. In der bildungsökonomischen Tradition (vgl. Becker und Hecken 2009) werden Erträge monetär – als Einkommenszugewinne – verstanden; die Arbeitsmarktforschung konzipiert u. a. Arbeitsplatzsicherheit und Mobilität auf Arbeitsmärkten als Erträge von Weiterbildung; eine psychologisch inspirierte Forschung untersucht unter dem Stichwort Wider Benefits of Learning (vgl. Hammond 2005) die Zusammenhänge zwischen Weiterbildung und Konstrukten wie Wohlbefinden, Selbstwirksamkeitserwartungen und Gesundheit. Messverfahren zur empirischen Erfassung dieser Konstrukte sind in sehr unterschiedlicher Weise entwickelt. Auswirkungen der Weiterbildungsbeteiligung auf die hier genannten und auch auf weitere Ertragsindikatoren sind nicht linear und unmittelbar. Bislang kaum erschlossen ist die mediierende Funktion des Kompetenzgewinns durch Bildungsbeteiligung. Kompetenzgewinn gilt als eine Voraussetzung für Verhaltensänderungen oder eine verbesserte soziale
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Wirkungen der Weiterbildung 759 Positionierung beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt. Kompetenzen sind somit ein zentraler Ertragsindikator. Aufgrund der geringen bzw. in weiten Teilen nicht vorhandenen curricularen Standardisierung und der hochgradigen Spezifik der Lernziele in der Weiterbildung (► 20.4) steht eine standardisierte Kompetenzmessung – wie sie sich in der Schulforschung als Grundlage für Studien über Erträge entwickelt hat – für die Weiterbildungsforschung vor kaum überwindbaren Hindernissen. In der Forschung zu den Erträgen der Weiterbildungsbeteiligung wird der Erwerb von Kompetenzen daher als ungeprüfte Annahme mitgeführt. Darüber, ob Erträge ursächlich der Beteiligung an Weiterbildung zugerechnet werden können, lässt sich nur dann eine zweifelsfreie Aussage treffen, wenn andere Ursachen für das Eintreten der Erträge ausgeschlossen werden können. Aufgrund der Selektivität der Weiterbildungsbeteiligung ist der Ausschluss möglicher Drittvariablen, die etwaige Erträge erklären können, für die Weiterbildungsforschung ein zentrales Problem. Kausale Schlussfolgerungen aus bloßen korrelativen Zusammenhängen zwischen Weiterbildungsbeteiligung und Erträgen sind mit dem Risiko behaftet, dass die Populationen der weiterbildungsaktiven und der weiterbildungsabstinenten Erwachsenen sich nicht nur hinsichtlich der Weiterbildungsteilnahme unterscheiden, sondern auch darüber hinaus weitere beobachtete oder unbeobachtete Heterogenität aufweisen. Unter dieser Voraussetzung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Faktoren, die Weiterbildungsentscheidungen bedingen, unabhängig von der Weiterbildungsbeteiligung bereits einen Einfluss auf die Erträge haben. In der empirischen Bildungsforschung entwickelte forschungsmethodische Designs erlauben weitgehend kausale Interpretationen von Effekten, die mit Daten aus Large-ScaleFeldstudien – wie sie in der Weiterbildungsforschung durchgeführt werden – nachgewiesen werden (vgl. Shavelson et al. 2003). Sie erfordern im Idealfall Daten aus Longitudinalstudien, in denen intraindividuelle Veränderungen in besonderer Weise kontrolliert werden können (vgl. Field 2011) oder beispielsweise Verfahren des propensity-score-matching, bei denen durch den Vergleich statistischer Zwillinge kausale Annahmen zwischen Ursachen und Wirkungen auch mit Querschnittdaten empirisch geprüft werden können. 22.1.1 Bewertung der Erträge von Weiterbildung in der Berichterstattung (AES) Der Anspruch kausal interpretierbarer Analysen ist nicht immer ausschlaggebend für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Wirkungen von Erwachsenen- und Weiterbildung gewesen. Insbesondere in einer erziehungswissenschaftlichen Tradition werden Ansätze verfolgt, in denen die Beurteilung der Wirkungen von Erwachsenen- und Weiterbildung in den Referenzrahmen subjektiven Erlebens gestellt wird (zusammenfassend Kuper und Schrader 2013, 9). Ebenfalls auf subjektiven Einschätzungen beruhen Befunde zu den Erträgen von Erwachsenen- und Weiterbildung, die in der hauptsächlich auf Beteiligung konzentrierten Bildungsbe-
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760 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung richterstattung dokumentiert sind (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 156f ). Unter Bezugnahme auf Daten aus dem deutschen AES (vgl. Bilger und Strauß 2015) werden Selbsteinschätzungen des erwarteten und des realisierten Nutzens berichtet. Auf einer deskriptiven Ebene bemerkenswert ist zweierlei: Erstens fallen die Erwartungen in Bezug auf kriterial recht eindeutig identifizierbare Nutzenaspekte verhaltener aus als in Bezug auf kriterial weichere Nutzenaspekte. So wird im AES 2014 für lediglich 9 % aller Weiterbildungsaktivitäten die Erwartung formuliert, anschließend ein höheres Gehalt zu beziehen; von 12 % aller Aktivitäten erhoffen die Teilnehmenden einen beruflichen Aufstieg. Dagegen stimmen die Teilnehmenden bei 42 % der erfassten Aktivitäten der Aussage zu, dass sie aufgrund der Weiterbildung in der Arbeit mehr leisten möchten; 49 % der Teilnahmefälle sollen einer Steigerung der persönlichen Zufriedenheit durch mehr Wissen und Können dienen. Zweitens sind die Einschätzungen zu den Nutzenerwartungen im Jahr 2014 von stärkerer Skepsis geprägt als im Jahr 2010. Hinsichtlich aller Aspekte erwarten im Jahr 2014 weniger Weiterbildungsaktive einen Nutzen. Diese stärkere Skepsis schlägt jedoch nicht bei den Einschätzungen zur Realisierung der Nutzenerwartungen durch. So geben im Jahr 2014 38 % derjenigen, die sich aufgrund der Weiterbildung ein höheres Gehalt erhofft hatten, an, dieses auch bekommen zu haben; 2010 waren es 32 %. Die entsprechende Quote beträgt bezüglich des beruflichen Aufstiegs 42 % – gegenüber 31 % in 2010. Denkbar ist, dass die geringere Quote derjenigen, die im Jahr 2014 positive Erwartungen hinsichtlich des Nutzens der Weiterbildung hegten, mit einer engeren Auswahl derjenigen einhergeht, die diesen Nutzen auch erwartungsgemäß realisieren konnten. Ob die Kennwerte für das Jahr 2014 einen entsprechend gestiegenen Realitätssinn der Selbsteinschätzungen belegen, muss dahingestellt bleiben. Generell ist von einer erheblichen Überbewertung des Nutzens von Weiterbildung aufgrund subjektiver Einschätzungen auszugehen (vgl. Behringer 1996). 22.1.2 Monetäre und Arbeitsmarkterträge nach der Humankapitaltheorie Ein ausgesprochen produktives empirisches Forschungsprogramm zur Analyse des objektiven Nutzens der Weiterbildung hat sich in der Auseinandersetzung mit den Annahmen der Humankapitaltheorie (vgl. Becker 1964) entwickelt. Die Objektivierung erfolgt über ein ökonomisches Kriterium für den Nutzen, den als Rendite auf die Weiterbildungsinvestition erzielten Produktivitäts- und Einkommenszuwachs. Einen Ansatz für differentielle Analysen bietet Beckers Unterscheidung zwischen allgemeiner und spezifischer (Weiter-)Bildung, mit denen unterschiedliche Logiken der Aufteilung von Investition und Renditen verbunden werden. Allgemeine Bildung sichere den Arbeitnehmenden die Unabhängigkeit von einzelnen Arbeitgebenden und damit die Chance zur Maximierung ihrer Renditen auf Bildungsinvestitionen durch eine gute Platzierung auf dem Arbeitsmarkt; sie werde daher vom Arbeitnehmenden selbst finanziert. Spezifische Bildung könne dagegen nur in jeweils konkre-
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Wirkungen der Weiterbildung 761 ten betrieblichen Arbeitsverhältnissen produktiv genutzt werden; sie binde somit die Arbeitnehmenden an die jeweiligen Arbeitgebenden; Investition und Renditen würden daher zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden aufgeteilt. Viel Beachtung gefunden hat eine Arbeit von Acemoglu und Pischke (vgl. 1998), die einen Vergleich der Investitionen in berufliche bzw. betriebliche Bildung zwischen Unternehmen in Deutschland und den USA vornehmen. Ihre Befunde sprechen gegen die These, Arbeitgebende würden nicht in allgemeine Bildung ihrer Beschäftigten investieren. Sie weisen auf institutionelle Faktoren hin, die auch in diesem Segment Investitionen von Arbeitgebenden begünstigen. Dazu zählen nivellierte Lohnstrukturen, ein altersabhängiger Anstieg von Löhnen und der Institutionalisierungsgrad der beruflichen Erstausbildung. Vor diesem Hintergrund ist die Unterscheidung von allgemeiner und spezifischer Bildung kritisiert worden. Backes-Gellner und Mure (vgl. 2005) können zeigen, dass allgemeine Bildung für Arbeitgebende und für Arbeitnehmende gleichermaßen zu positiven Renditen führt. Die Entwicklung und die Höhe der Renditen sind Gegenstand einer Vielzahl von Untersuchungen (vgl. Pfeiffer 2006). Befunde zu differentiellen Einkommenseffekten liegen insbesondere aus Analysen der SOEP-Längsschnittdaten vor. Pannenberg (vgl. 1998) zeigt mit ihnen die als „timing“-Effekt bezeichnete Abhängigkeit der Einkommensrenditen auf betriebliche Weiterbildung von der Dauer des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses. Demnach sind die Einkommenszuwächse nach drei Jahren Beschäftigung am höchsten. Büchel und Pannenberg (vgl. 2004) zeigen einen höheren Einkommenseffekt betrieblicher Weiterbildung für jüngere Arbeitnehmende. Nach Kuckulenz und Zwick (vgl. 2005) profitieren insbesondere höher qualifizierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von Weiterbildung. Eine methodisch sehr differenzierte Analyse der kausalen Relation zwischen beruflicher Weiterbildung und Einkommenszuwachs legen Jürges und Schneider (vgl. 2006) vor. Mittels einer Ordinary-least-square-Regression ermitteln sie zunächst deskriptiv zu interpretierende Lohneffekte von durchschnittlich 3,4 % für Männer und 10,5 % für Frauen. In weiteren Analyseschritten, mit denen sie die interne Validität der Analysen erhöhen (Instrumentvariablenansatz; fixed-growth-model) zeigen sie jedoch auf, dass diese Effekte bereits durch die Selektivität des Zugangs zur Weiterbildung bedingt sind. Nach Kontrolle der Eingangsselektivität können sie keine signifikanten Einkommenseffekte der Weiterbildungsbeteiligung mehr nachweisen. Auch Wolter und Schiener (2009, 108) kommen bei Auswertungen der Mikrozensus-Panel Daten zu der Schlussfolgerung, „dass die Diskussion um die Behandlung des Selektivitätsproblems keine Haarspalterei ist“. Ein zunächst auf über 20 % geschätzter Einkommenseffekt von Weiterbildung reduziert sich durch die Berücksichtigung von Kontrollvariablen auf 8 % und in fixed-effects-Modellen, die unbeobachtete Heterogenität kontrollieren, auf 3 %. Bestätigen können sie einen mit dem Lebensalter sinkenden Ertrag der Weiterbildung. Für Geringqualifizierte stellen sie höhere Erträge fest als für Hochqualifizierte, bei denen eine Entwicklung
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762 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung von Kompetenzen durch die Teilnahme an Weiterbildung nicht mehr gesondert entlohnt zu werden scheint. International vergleichende Studien unterstützen die Annahme, dass Einkommenseffekte auch durch den jeweiligen institutionellen Kontext der Arbeitsmärkte moderiert werden. In einem Review empirischer Befunde zu den Lohneffekten beruflicher und betrieblicher Weiterbildung weist Pfeiffer (2006) darauf hin, dass Einkommenseffekte in Deutschland unter 1 %, in Österreich dagegen bei 6 % liegen. Einen interessanten Ansatz, in dem die Einkommenseffekte formaler und non-formaler Bildung international vergleichend untersucht werden, verfolgen Triventi und Barone (vgl. 2014). Sie argumentieren mit der Erwartung höherer Renditen für non-formale Bildung, für die eine größere Nähe zu den Erfordernissen betrieblich organisierter Arbeit angenommen wird. Tatsächlich können sie in bivariaten Analysen durchgängig positive Einkommenseffekte für die non-formale, nicht aber für die formale Bildung nachweisen. Sehr deutlich wird die hohe Diskrepanz der Effekte. Während für skandinavische Länder 5-6 % Einkommenszuwächse berichtet werden, sind es für post-sozialistische Staaten zwischen 15 und 20 %. Auch wenn die Effektstärken bei Kontrolle von Selektivitätseffekten deutlich nach unten korrigiert werden müssen, zeichnet sich doch klar eine institutionell zu erklärende Varianz der Weiterbildungsrenditen ab. In der bildungsökonomischen Forschung werden der Erwerb von Kompetenzen sowie ihr Transfer in den betrieblichen Arbeitskontext weitgehend als Blackbox behandelt und in der Analyse der Relation zwischen Weiterbildungsteilnahme und den ökonomischen Erträgen vernachlässigt. Im Kontext von Überlegungen zur betriebswirtschaftlichen Effizienz von Weiterbildung wird der Fokus dagegen stärker auf die Evaluation des Lernerfolgs und des Transfers gestellt. Paradigmatisch ist dafür ein Modell von Kirkpatrick (1998), demzufolge sich Wirkungen betrieblicher Trainings in einer Abfolge von aufeinander aufbauenden Schritten über vier Ebene entfalten. Die Reactions bezeichnen die auf die Teilnahme folgende Zufriedenheit mit dem Programm und der Durchführung eines Trainings; Learning umfasst den Erwerb von Wissen, Kenntnissen und die Veränderung von Einstellungen und ist Voraussetzung für eine Veränderung des Verhaltens am Arbeitsplatz (Behavior); Verhaltensänderungen schließlich sind die Grundlage für eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität und Renditen (Results). Das Modell hat in sehr vielen Evaluationsstudien Anwendung gefunden, zu denen Metaanalysen vorliegen (vgl. Alliger und Janak 1998; Arthur et al. 2003). Die Einhaltung methodischer Standards zur Kontrolle kausaler Effekte wird dort skeptisch eingeschätzt. Vielfach lägen auch keine Befunde vor, die über die Ebene der Reactions hinausreichen. Gleichwohl sind den Metaanalysen einige generalisierbare Befunde zur Wirkung betrieblicher Trainings zu entnehmen. So werden insbesondere die Vorbereitung durch Bedarfsanalysen und curriculare Planung sowie die Flankierung von Transferprozessen als erfolgskritische Merkmale der Weiterbildung gesehen. Diese Befunde verweisen auf die komplexen innerbetrieblichen Konstellationen der Planung, Durchführung
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und Verwertung von Weiterbildung, die unabhängig von der Qualität des Trainings selbst einen Einfluss auf die Erträge haben können. Zudem wird der Fokus auf die Domänenspezifik des Lernens in Arbeitskontexten geschärft. 22.1.3 Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen Ebenfalls einen evaluativen Charakter haben Studien, die von der Bundesagentur für Arbeit administrierte berufliche Weiterbildung im Rechtskreis der Sozialgesetzbücher (SGB) II und III untersuchen. Im Mittelpunkt dieser Forschung steht insbesondere die Frage, inwiefern diese im Sinne aktiver Arbeitsmarktpolitik geförderte Weiterbildung den Arbeitsmarkterfolg von Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen erhöht (vgl. McCall et al. 2016). Differenziert wird dabei nach den Formaten der Bildungsveranstaltungen, wie etwa der (non-formalen) beruflichen Weiterbildung oder der (formalen) Umschulung. Ein weiteres in Hinblick auf Arbeitsmarktübergänge erfolgskritisches Merkmal ist die Dauer von Weiterbildungsveranstaltungen (vgl. Osikominu 2013). Übereinstimmend weisen die Befunde auf sogenannte lock-in-Effekte hin. Sie stellen sich insbesondere bei der Teilnahme an länger andauernden Weiterbildungsformaten ein, durch die Personen gebunden sind und von der Übernahme einer neuen Erwerbstätigkeit abgehalten werden. Kurzfristige Wirksamkeit zeigen daher insbesondere kurze Programme, die längeren Programme haben dagegen nachhaltigere Auswirkungen auf die Stabilität der Beschäftigung und auf Einkommen. Angesichts der lock-in-Effekte zeigt sich das Verhältnis von Investition und Ertrag von Weiterbildung als arbeitsmarktpolitischer Maßnahme als Optimierungsproblem. Während kurze berufliche Weiterbildungen im Schnitt nach 15 Monaten positive Nettoeffekte nach sich ziehen, tritt diese bei Umschulungen erst nach 4,5 Jahren ein (vgl. McCall et al. 2016, 579). Makrostrukturelle Kontextfaktoren können zur Verschiebung dieser Amortisationszeiträume beitragen. So treten in rezessiven Wirtschaftsphasen die Renditen auf zeitlich umfangreiche Weiterbildung früher ein. Zurückgeführt wird das auf die Abschwächung von lock-in-Effekten unter Bedingungen hoher Arbeitslosigkeit. Auch wenn Weiterbildung und das Lernen Erwachsener am häufigsten im Kontext beruflicher Entwicklung und der Erwerbstätigkeit erfolgt, wäre es zu kurz gegriffen, Erträge ausschließlich monetär oder in Kategorien der Beschäftigungsfähigkeit zu beschreiben. Zudem handelt es sich hierbei um distale Kriteriumsvariablen, die von der Bildungsbeteiligung mittelbar beeinflusst werden. Stärker proximal, den Bildungs- und Lernaktivitäten näherstehend, sind Kriteriumsvariablen, die sich auf kognitive Erträge beziehen. Die Auseinandersetzung mit kognitiven Fähigkeiten, die etwa die Selbstregulation und die Informationsverarbeitung in Prozessen des lebenslangen Lernens betreffen, wird in der internationalen Diskussion um die Bildung Erwachsener immer wieder nahegelegt (vgl. OECD 2015, 384). Mit der Entwicklung von Messmodellen für die Grundkompetenzen Erwachsener sind zudem maßgebliche Schritte für breiter angelegte empirische Untersuchungen des Zusam-
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764 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung menhangs zwischen Bildungsbeteiligung und kognitiven Fähigkeiten Erwachsener gemacht (vgl. Rammstedt 2013). Kompetenzmessungen bei Erwachsenen erlauben eine präzisere Untersuchung von missmatches auf dem Arbeitsmarkt. Dabei geht es um das Problem, ob formale Qualifikationen und kognitive Fähigkeiten von Erwerbstätigen in Übereinstimmung stehen mit den Anforderungen, die ihre Arbeit an sie stellt (vgl. Desjardins und Rubenson 2011). Inwiefern sich kognitive Erträge der Weiterbildungsbeteiligung mit Messmodellen für Grundkompetenzen erfassen lassen, ist eine Frage für zukünftige Forschungsprojekte. Aufgrund der hohen Domänenspezifik und weitgehender Differenziertheit des curricularen Anspruchs vieler Weiterbildungsangebote dürften sich die Modelle jedoch nur für die Evaluation von Veranstaltungen eignen, die auf die Förderung von Grundkompetenzen bei kognitiv schwachen Erwachsenen zielen. 22.1.4 Wider Benefits of Learning (BeLL-Projekt) Die Selbstregulationskompetenzen von Erwachsenen zählen zu einem weiten Spektrum von Merkmalen, die unter dem Stichwort der wider benefits of learning untersucht werden. Diese eröffnen darüber hinaus auch den Blick auf Ertragsindikatoren, die ähnlich wie die bildungsökonomischen als distal zu bezeichnen sind. Zu ihnen zählen psychologische Konstrukte wie das Wohlbefinden, selbst- und gesellschaftsbezogene Einstellungen, Gesundheit und gesundheitsbezogenes Verhalten sowie die soziale Integration und Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen. Empirische Befunde zu den Zusammenhängen zwischen der Bildung Erwachsener und den wider benefits of learning liegen aus einem Londoner Forschungszentrum (Center for Research on the Wider Benefits of Learning) vor. Auch wenn dort durchaus die Prüfung kausaler Relationen beansprucht wird, sind entsprechende Evidenzen knapp. Die vorwiegend explorativ angelegten Studien arbeiten oft mit einer Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden. Beispielhaft soll hier auf zwei einschlägige Studien aus diesem Kontext eingegangen werden. Hammond und Feinstein (2005) untersuchen Auswirkungen des Lernens Erwachsener auf Selbstwirksamkeitserwartungen (self-efficacy). Sie nutzen einen Längsschnittdatensatz aus der im Vereinigten Königreich durchgeführten National Child Development Study, der bei einer Stichprobe von Personen mit dem Geburtsjahr 1958 erhoben wurde. Anhand einer binären Kategorisierung hoher und niedriger Selbstwirksamkeitserwartungen der Testpersonen zu zwei Messzeitpunkten – im Alter von 33 und 42 Jahren – stellen Hammond und Feinstein fest, dass Weiterbildungsbeteiligung wohl in Verbindung mit einer positiven Veränderung von Selbstwirksamkeitserwartungen steht, nicht aber mit deren Erhalt. Besonders deutlich ausgeprägt ist diese Verbindung bei Frauen mit geringer Schulbildung. Ergänzende qualitative Befunde zeigen dynamische Veränderungen der Selbstwirksamkeitserwartungen von Personen aus dieser Subpopulation in Verbindung mit einer Vielzahl singulärer Lebensereignisse.
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Wirkungen der Steuerung von Weiterbildung 765 Preston et al. (2005) gehen der Frage nach, ob Erwachsenen- und Weiterbildung extreme politische Einstellungen verändern kann. Sie nutzen dieselben Daten wie Hammond und Feinstein in einem ähnlichen Forschungsdesign. Sie stellen eine Assoziation zwischen der Weiterbildungsbeteiligung und einer kategorialen Differenzierung von Einstellungen zum Autoritarismus und zur Fremdenfeindlichkeit her. Dabei finden sie empirische Unterstützung für die Annahme, dass Weiterbildung mit hoher Stabilität gemäßigter Einstellungen einhergeht; für eine Mäßigung extremer Einstellungen im Zusammenhang mit Weiterbildungsbeteiligung finden sie keine Hinweise. In einer Studie zum Sozialkapital in den USA hat Putnam herausgearbeitet, dass der Bildungsstand eine hohe Vorhersagekraft für ziviles Engagement hat. Personen mit einem hohen Bildungsstand sind eher gut in Netzwerke eingebunden und fungieren als „joiners and trusters“ (Putnam 1995, 667) aufgrund der in Schule und Erziehung erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten. Viele weitere Studien konnten Sozialkapital bzw. sozialen Nutzen als Wirkung von Erwachsenen- und Weiterbildung feststellen für politische Partizipation, beispielsweise Feinstein et al. 2003, Maninnen et al. 2014, Kolland und Ahmadi 2010. Die Studien markieren in differenzierter Weise den Anspruch, gesellschaftliche Erwartungen an die Wirksamkeit von Weiterbildung in ein empirisches Forschungsprogramm zu überführen. Zwar wird die in der Bildungsökonomie herrschende methodische Raffinesse zur Kontrolle kausaler Effekte dabei noch nicht erreicht, wohl aber zeichnet sich eine paradigmatische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit theoretisch und praktisch relevanten Fragestellungen ab. In Deutschland lässt insbesondere die Verfügbarkeit einschlägiger Längsschnittdaten (NEPS; PIAAC-Longitudinal; SOEP) auf weitere Fortschritte hoffen.
22.2 Wirkungen der Steuerung von Weiterbildung Zweifellos hat die Erwachsenen- und Weiterbildung in den vergangenen Jahren wachsende Aufmerksamkeit in Politik und Öffentlichkeit gefunden. Vor daher wäre zu erwarten, dass diese gestiegene Aufmerksamkeit auch in einem gesteigerten Interesse an der zielgerichteten Förderung der Rahmenbedingungen für Angebot und Beteiligung bei politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zum Ausdruck kommt. Vergegenwärtigt man sich jedoch die institutionellen Strukturen der Erwachsenen- und Weiterbildung und die Vielfalt der sozialen Lagen und Interessen ihrer Adressaten, drängt sich die Frage auf, ob und wie sich dieser Bereich des lebenslangen Lernens (überhaupt) steuern lässt. Und angesichts der Ergänzung, Überlagerung und Konkurrenz von öffentlichen, gemeinwohlorientierten, kommerziellen und betrieblichen Interessen könnte man zudem fragen, welche Akteure denn überhaupt ein Steuerungsinteresse artikulieren und gegebenenfalls auch durchsetzen
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766 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung können bzw. welche Akteure diesen Bildungsbereich seiner Eigendynamik oder dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage überlassen (möchten). Auf die Fragen nach der Steuerbarkeit sowie nach den Steuerungsinteressen hat die Forschung der Erwachsenen- und Weiterbildung u. a. mit der These vom Steuerungsdefizit der Weiterbildung reagiert (vgl. Kuhlenkamp 1999, 2006). Diese These scheint vor allem dann nahe zu liegen, wenn man den Blick primär auf das Wollen und Können des (National-)Staates richtet, wie es in der Geschichte der Weiterbildungsforschung lange üblich war. Mit den zunehmenden Aktivitäten (supra-)nationaler Akteure wie der OECD oder der EU, mit Konzepten des New Public Management oder mit der Etablierung regionaler Netzwerke, gefördert u. a. durch große bildungspolitische Programme wie „Lernende Regionen“ oder „Lernen vor Ort“ sind aber auch weitere Akteure mit Steuerungspotenzial in den Blick der Forschung geraten. Auf diese Veränderungen hat vor allem die Forschung zur Educational Governance reagiert. In diesem interdisziplinären Forschungsfeld wird untersucht, wie soziale Handlungen zwischen Akteuren unterschiedlicher Handlungsfelder und Handlungsebenen koordiniert werden (können) (vgl. z. B. Altrichter et al. 2007). Steuerung umfasst danach verschiedene formelle und informelle Formen der Koordination sozialer Handlungen und Prozesse (vgl. z. B. Héritier 2002, 185). In der Governance-Forschung ist es üblich, das Bildungssystem als ein Mehrebenensystem zu begreifen (grundlegend Fend 2008; für die Weiterbildung Schrader 2008). Nutzt man, wie in der Governance-Forschung üblich, Anleihen aus der Systemtheorie, dem akteurzentrierten und historischen oder dem Neo-Institutionalismus, u. a. im Blick auf Medien und Formen der Handlungskoordination, so lassen sich folgende Annahmen über die Steuerbarkeit der Erwachsenen- und Weiterbildung formulieren. Als Akteure kommen Staaten, Organisationen, Korporationen und Individuen in Betracht, die als zielgerichtet handelnde Einheiten auf unterschiedlichen Ebenen agieren. Die erste Ebene umfasst die Lehr/Lernprozesse, die nächsthöhere Ebene beinhaltet die Organisationen, die in die dritte Ebene, die institutionelle Umwelt der Organisationen, eingebettet sind; auf der vierten und fünften Ebene ist die Bildungspolitik auf nationaler und inter- bzw. supranationaler Ebene verortet. Auf jeder der hier unterschiedenen Ebenen handeln die unterschiedlichen Akteure oder Akteurskonstellationen je nach Reproduktionskontext unter spezifischen institutionellen Bedingungen. Handelnde Akteure können Wirkungen auf Handlungsebenen, auf denen sie selbst nicht agieren, nur dann erzielen, wenn dieses Handeln auf unter- oder übergeordneten Ebenen re-kontextualisiert wird. Zur Koordinierung sozialer Handlungen können die Akteure Beobachtungen, Verhandlungen, Anweisungen und Mehrheitsentscheidungen nutzen sowie die Medien Macht, Geld und Wissen einsetzen. Diese grundlegenden Annahmen leiten die Sichtung von Befunden aus Studien zu den Steuerungsaktivitäten von nationalen, inter- und supranationalen sowie organisationalen Akteuren (vgl. zum Folgenden Schrader 2014).
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Wirkungen der Steuerung von Weiterbildung 767 22.2.1 Der (National-)Staat als zentraler und modernisierter Steuerungsakteur Zunächst lässt sich festhalten, dass neben den (National-)Staat in den letzten Jahrzehnten inter- und supranationale Steuerungsakteure getreten sind und er gleichwohl der einflussreichste Akteur geblieben ist. Je nach Reproduktionskontext entfaltet er eher seine Leistungs-, seine Gestaltungs- oder seine Ordnungsfunktion (vgl. Faulstich 1997). Die Rechtssetzung bleibt weiterhin die zentrale hierarchische Steuerungsform, z. B. über die Ländergesetze zur Weiterbildung, die immer noch strukturbildend wirken und mittels Länderzuschüssen auf Programme und Personal der öffentlich geförderten Erwachsenen- und Weiterbildung Einfluss nehmen. Öffentlich anerkannte Weiterbildungseinrichtungen verantworten weiterhin große Teile des gesamten Weiterbildungsangebots, auch wenn dieser Anteil in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Über die Ländergesetze, aber auch das Sozialgesetzbuch III ko-finanziert der Staat – und steuert somit – Angebot und Nutzung von Weiterbildung. Neben (Finanzierungs-)Gesetzen als traditionellen Steuerungsinstrumenten nutzt der Staat inzwischen auch die Verpflichtung der Einrichtungen auf Systeme des Qualitätsmanagements, um Einfluss auf die Erwachsenen- und Weiterbildung zu nehmen. So wurde beispielsweise die Einführung des lernorientierten Qualitätsmanagements LQW steuernd flankiert (Hartz et al. 2007; Hartz 2008, 2011). Weitere staatliche Steuerungsmittel stellen Bildungsgutscheine und die gezielte Finanzierung und Förderung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten dar, aber auch die Anpassungen in der Bildungsberichterstattung unter der europäischen Maßgabe einer evidenzbasierten Bildungspolitik (vgl. Ioannidou 2008; Schemmann 2008). Beispielhaft lässt sich das an der Anpassung des AES (► 22.1.1) sehen. Damit setzt der Staat die Medien Macht, Geld und auch Wissen ein, um wirkungsvoll zu steuern. Einen neuen (Steuerungs-)Akteur hat der Staat mit den Akkreditierungsagenturen geschaffen, die, obschon staatlich initiiert, nicht staatlich überwacht sind und Weiterbildungseinrichtungen prüfen und anerkennen. Auf der einen Seite transportieren Akkreditierungsagenturen Kriterien der Effektivität und Effizienz auch in gemeinwohlorientierte Einrichtungen, auf der anderen Seite eröffnen Zertifizierungsverfahren dem Staat Einfluss in Kontexten, die bislang frei von staatlicher Intervention waren; damit fördern sie zugleich die Etablierung kontextübergreifender Diskussionen in der traditionell stark segmentierten Erwachsenen- und Weiterbildung. 22.2.2 Steuerung durch inter- und supranationale Organisationen Neuere Akteure stellen inter- und supranationale Organisationen wie die EU, die OECD, die UNESCO oder die Weltbank dar (vgl. Amos 2008; Schemmann 2007; Amos et al. 2013; Schmid et al. 2011; Schmid et al. 2016). Diese Organisationen haben in den vergangenen Jahren einen postnationalen Bildungsraum geschaffen,
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768 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung der von transnationalen Eliten geprägt wird (vgl. Ioannidou 2008). Beispielhafter Akteur ist die EU, die in „einer Kombination aus Elementen von Hierarchie (Steuerung durch Recht), Verhandlungen und Politikwettbewerb im Zusammenwirken von öffentlichen Amtsträgern und Vertretern gesellschaftlicher Interessen“ (Benz 2004, 23) in das Weiterbildungsgeschehen eingreift. Ein aktuelles Beispiel stellt die Zielsetzung der EU dar, bis 2018 flächendeckend Strukturen zur Anerkennung und Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen aufzubauen (Rat der Europäischen Union 2002). Wenn sich die Steuerungsinterventionen auch im Detail unterscheiden, so zeigen sich als vornehmliche Steuerungsformen der inter- und supranationalen Akteure wechselseitige Beobachtungen und Verhandlungen und Wissen als vornehmliches Steuerungsmedium (vgl. Ioannidou 2007; Amos 2008). Tatsächlich üben die inter- und supranationalen Organisationen allein schon durch ihre Agentschaft für Erwachsenen- und Weiterbildung Einfluss aus, beispielsweise über ihre Rankingstudien, die in der Öffentlichkeit aufmerksam wahrgenommen werden (wie z. B. die PIAAC-Studie). Hieran zeigt sich auch, dass Wissen als Steuerungsmedium in den letzten Jahren erheblich an Beachtung und Bedeutung gewonnen hat. Deutlich wird das in der Ausweitung der Bildungsberichterstattung, der Intensivierung unterschiedlicher Formen von Evaluationen, der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen sowie der Ausweitung des Angebots und der Nachfrage von Beratung (Politikberatung, Organisationsberatung, Bildungsberatung, Lernberatung; vgl. Schiersmann 2007). Mit dem zunehmenden Wissen verbindet sich die Hoffnung auf evidenzbasiertes Handeln für gezielte Veränderungen (vgl. Willke 2006, 135). Dieses Steuerungswissen entsteht nicht mehr primär in der Wissenschaft, sondern auch in der Weiterbildung selbst sowie in ihren Beratungsinstitutionen. Für die Weiterbildung gibt es noch keine Studien zu der Frage, ob sich durch das vermehrte Wissen Verbesserungen herbeiführen lassen. Eine Studie aus dem Umfeld der Governance-Forschung von Dedering et al. (2003) für den Umgang mit den PISA-Ergebnissen dämpft übertriebene Erwartungen. Die Autor*innen konnten zeigen, dass das angebotene Forschungswissen oft lediglich zur nachträglichen Legitimation bereits getroffener Entscheidungen genutzt wird. Bemerkenswert ist, dass die derzeitigen Steuerungspraxen neue Konstellationen unter Akteuren aus ganz unterschiedlichen Reproduktionskontexten befördern. Beispielhaft steht dafür der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für das Lehren und Lernen von Sprachen (GER). Mehrere Jahre wurde er von Akteuren unterschiedlicher Ebenen (Wissenschaft, Verlage, Praxiseinrichtungen und private Testinstitute) entwickelt, durch nationale und internationale Bildungspolitik begleitet und letztlich vom Europarat, einem reinen Beratungsgremium, verabschiedet (vgl. Handt 2008). Inzwischen gilt der GER als international geteilter Katalog von Zielen, Inhalten und Methoden, der nationale Sprachenpolitiken ersetzt und vermittelt über Lehrbücher vermutlich bis auf die Ebene von Lehr-Lernveranstaltungen wirkt.
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Potenziale der Weiterbildung und ihrer Steuerung 769 22.2.3 Steuerung in und durch Organisationen und ihre Umwelten Neue Steuerungsakteure finden wir auch auf Ebene der institutionellen Umwelt der Organisationen, auf der verbandliche Akteure agieren. Dies betrifft nicht nur die schon länger agierenden Trägerverbände, sondern schließt inzwischen auch Berufsverbände des (Lehr-)Personals ein (ablesbar u. a. am Dachverband der Weiterbildungsorganisationen – DVWO). Diese neuen Akteure engagieren sich mittels Lobbyarbeit, Verhandlungen und Koalitionsbildungen. So versuchen z. B. Berufsverbände über Standards, Normen und Zertifizierungen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu reglementieren. Damit werden externe Professionalisierungsimpulse ergänzt, die in den 1960er und 1970er Jahren u. a. von der Wissenschaft initiiert, aber nicht in allen Bereichen der Weiterbildung aufgegriffen wurden. Diese Aktivitäten zur Interessensartikulation sind insofern von besonderer Bedeutung, als der Staat bislang zum Personal, insbesondere zu den Lehrkräften keine berufliche Beziehung aufgebaut hat, anders als bei Lehrenden in Hochschule und Schule. Allenfalls greift der Staat mit Regelungen zu den Anforderungen an Lehrkräfte in Integrationskursen ein, um die Qualität von Lehr-Lernprozessen zu steuern. Allerdings lassen sich in den letzten Jahren auf europäischer Ebene Initiativen beobachten, die auf eine Formulierung von Standards für diese große Gruppe der Beschäftigten in der Weiterbildung zielen. Eine zentrale Rolle spielen Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung, die durch eine intensivierte Steuerungspraxis ihre Position als Akteure ausbauen. Organisationen spielen für die Steuerung moderner Gesellschaften historisch eine große Rolle (vgl. Lange und Schimank 2004, 23). Auch in der Weiterbildung werden Organisationen mehr und mehr Subjekte und nicht mehr nur Objekte von Steuerung (vgl. Robak 2004; Hartz 2008, 2011; Meisel 2008; Müller et al. 2008; Feld 2012). Als Subjekte von Steuerung treten Organisationen vor allem dort in Erscheinung, wo sie Qualitätsmanagementsysteme etablieren und ihr Leistungsangebot regelmäßig summativ und formativ evaluieren, teils aus eigener Initiative, teils aufgrund von Erwartungen der Auftraggeber.
22.3 Potenziale der Weiterbildung und ihrer Steuerung Aktuell entwickelt sich die Forschung zur Wirkung von Erwachsenen- und Weiterbildung unter dem Einfluss der interdisziplinären Bildungsforschung. Wesentliche Gegenstände der Diskussion, zu denen die einschlägigen Disziplinen in unterschiedlicher Weise beitragen, sind die Forschungsmethoden, mit denen Wirkungen möglichst kausal auf Weiterbildungsbeteiligung zurückgeführt werden können, und eine Weiterung des Verständnisses von Erträgen über (betriebs-)wirtschaftliche Kategorien hinaus sowie die Modellierung entsprechender kriterialer Maße. Die vorliegenden Forschungsbefunde liefern trotz einiger methodischer Vorbehalte
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770 Wirkungen der Weiterbildung und der Steuerung von Weiterbildung vielfältige Belege für monetäre und nicht-monetäre Erträge des Lernens Erwachsener für die Individuen selbst, für die beschäftigenden Organisationen sowie für die Volkswirtschaft und die Zivilgesellschaft. Solche Befunde sind Voraussetzung für ein aufgeklärtes Verständnis der kontextuellen Einbettung der vielfältigen Praktiken der Bildung Erwachsener und für die Gewinnung von Informationen für die Steuerbarkeit der Erwachsenen- und Weiterbildung. Blickt man auf die beobachtbaren Praxen einer neuen Steuerung in der Erwachsenen- und Weiterbildung, so zeigen sich neue Formen einer Educational Governance, in der die rechtliche Macht durch Qualitätssicherung, Evaluation und Beratung ergänzt wird und neue Diskurse erzeugt (vgl. Krücken 2005, 14). Dieses Phänomen lässt sich am ehesten als „Transformation von Staatlichkeit“ interpretieren (Leibfried und Zürn 2006; Vogel 2007), und weniger mit „De-“ als „ReRegulierung“ bezeichnen. Im synchronen Vergleich von Weiterbildungs-, Hochschul- und Schulsystem erscheint die staatliche Steuerung des Lernens Erwachsener defizitär, im diachronen Vergleich zeigt sich jedoch vor allem eine Zunahme staatlicher Steuerung im System der Erwachsenen- und Weiterbildung: Im 18. und 19. Jahrhundert als Instrument der Selbstbehauptung sozialer Gruppen entstanden, wurde Erwachsenen- und Weiterbildung ab den 1960er Jahren zu einem zentralen Bereich wohlfahrtsstaatlichen Handelns. In den nachfolgenden Jahrzehnten weitete sich die Formenvielfalt staatlicher und zivilgesellschaftlicher Interventionen in die Erwachsenen- und Weiterbildung aus (vgl. Dale 1999). Eine bleibende Herausforderung stellt allerdings eine koordinierte Weiterbildungspolitik jenseits von Ressortegoismen dar, die durch die Etablierung eines europäischen Mehrebenensystems eher erschwert als begünstigt wird. Insgesamt betrachtet scheint das Vertrauen in die Steuerbarkeit der Erwachsenen- und Weiterbildung bei politischen und administrativen Akteuren derzeit nicht sehr ausgeprägt. Gleichzeitig zeigen sich bemerkenswerte Differenzen: Während supranationale und regionale Akteure ihre Steuerungsaktivitäten ausweiten, agieren traditionelle nationalstaatliche und föderale Akteure in dem randständigen Politikfeld der Erwachsenen- und Weiterbildung eher reaktiv als proaktiv und bleiben damit unter ihren Möglichkeiten. Welche Effekte dieses neue Steuerungsregime der Erwachsenen- und Weiterbildung zeigt, ist bislang noch kaum erforscht. Vielversprechend erscheint es, Studien zum einen international-vergleichend anzulegen, wie wir es aus der schulbezogenen Forschung kennen, und die Steuerungspraxen und -regimes von anderen Ländern zu untersuchen; zum anderen könnten sozialsystemübergreifende Vergleiche mit anderen wohlfahrtsstaatlich organisierten Bereichen, wie dem Gesundheitssystem, erhellend sein.
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| 775 23 Fortbildung des pädagogischen Personals in der frühen Bildung, der Schule und der Erwachsenen- und Weiterbildung Josef Schrader, Yvonne Anders und Dirk Richter
Zusammenfassung Es gehört zu den gut gesicherten Befunden der empirischen Bildungsforschung, dass die Professionalität des pädagogischen Personals – nach den individuellen Merkmalen der Lernenden und deutlich vor den strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen – den größten Einfluss auf den Erfolg von Lern- und Bildungsprozessen ausübt. Der Aufbau von Professionalität ist an eine qualitativ hochwertige Ausbildung und auch an permanente berufsbegleitende Fortbildung gebunden. Der Überblick zu Angeboten, zur Nutzung und zu den Wirkungen von Fortbildungen für das erziehende und lehrende pädagogische Personal in der frühen Bildung, der Schule und der Erwachsenen- und Weiterbildung zeigt, dass die Professionalisierungsdebatte in allen drei Bildungsbereichen inzwischen auch die Phase der aktiven Berufsausübung erreicht hat. Im Vordergrund der Angebote steht – mit unterschiedlichen Gewichtungen zwischen den Bildungsbereichen – die Vermittlung wissenschaftlichen, sowohl fachund fachdidaktischen als auch pädagogisch-psychologischen Wissens. Andere Dimensionen professioneller Handlungskompetenz wie Werthaltungen, Fähigkeiten zur Selbstregulation oder motivationale Orientierungen werden kaum adressiert. Zudem ist das Einüben beruflicher Routinen oder die kollegiale Reflexion beruflicher Erfahrungen noch wenig entwickelt. Auch die Qualität der Fortbildungsangebote ist oft schwer einzuschätzen. Schließlich scheint es noch wenig niveaudifferenzierte Angebote (für Novizen, Fortgeschrittene, Experten) zu geben. Vornehmlich dienen die Fortbildungen der Kompetenzentwicklung und kaum der Vorbereitung von (hierarchisch oder funktional definierten) beruflichen Karrieren. Bemerkenswert ist zudem, dass die Weiterentwicklung von Fortbildungsangeboten in allen drei Bildungsbereichen von teils neuen Akteurskonstellationen von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren (mit) getragen wird. Institutionell stabile Strukturen gibt es mit den Staatlichen Seminaren für Lehrerfortbildung allerdings nur in der Schule. Berufsverbände spielen im Vergleich zu klassischen Professionen eine nachgeordnete Rolle.
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776 Fortbildung des pädagogischen Personals Blickt man auf die Nutzung dieser Angebote, so zeigen sich auf den ersten Blick teils überraschend hohe Teilnahmequoten, zumal rechtliche Reglementierungen (außerhalb der Schule) gering bzw. gar nicht vorhanden sind. Für die Wirkungen der Fortund Weiterbildung des pädagogischen Personals liegen erste ermutigende Befunde aus meist projektbezogener Forschung vor, die zeigen, dass Fortbildungen sowohl eine hohe Akzeptanz finden, Lehrerkognitionen positiv verändern können, das unterrichtspraktische Handeln verbessern als auch positive Effekte bei Lernenden auslösen. Damit gehören qualitativ hochwertige Fortbildungsangebote zweifellos zu den noch unzureichend genutzten Potenzialen einer fortschreitenden Professionalisierung von Erziehung, Bildung und lebenslangem Lernen.
23.1 Fortbildung des pädagogischen Personals Da das pädagogische Personal von großer Bedeutung für die Qualität von Bildungsprozessen ist, wenden wir uns im folgenden Kapitel den Bedingungen, Praxen und Effekten seiner Fortbildung zu. Sowohl in der Bildungsforschung als auch in Bildungspolitik und Bildungspraxis werden die Erwartungen an das Wissen und Können des pädagogischen Personals i. d. R. in Kompetenzmodellen beschrieben. Kompetenzen werden zumeist als die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten definiert, bestimmte Probleme zu lösen, verbunden mit der motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaft und Fähigkeit, Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können (z. B. Weinert 2001, 27f ). Für die Darstellung der Fortbildung des erziehenden und lehrenden Personals in der frühen Bildung, der Schule und der Erwachsenen- und Weiterbildung werden drei Typen von Kompetenzmodellen genutzt. Komponenten- bzw. Strukturmodelle benennen in Form eines strukturierten Gefüges die zentralen Fertigkeiten, Fähigkeiten, Wissensbereiche und Haltungen. Solche Modelle helfen zu erkennen, welche (Teil-)Aspekte pädagogischer Kompetenz durch Fortbildungen (nicht) adressiert werden. Das derzeit bekannteste Modell stammt von Baumert und Kunter (2006) und stellt das sogenannte Professionswissen ins Zentrum; im Anschluss an Shulman (1987) wird zwischen pädagogischem Wissen, Fachwissen, fachdidaktischem Wissen sowie Organisations- und Beratungswissen unterschieden. Hinzu kommen Überzeugungen und Werthaltungen, motivationale Orientierungen und selbstregulative Fähigkeiten. Niveau- oder Stufenmodelle geben Auskunft darüber, in welchem Ausmaß Personen über handlungs- und berufsrelevante Kompetenzen verfügen. So unterscheiden z. B. Dreyfus und Dreyfus (1987) in einem heuristischen Stufenmodell Neulinge, fortgeschrittene Anfänger, Kompetente, Gewandte und Experten. Solche Modelle können helfen zu beurteilen, ob Fortbildungen nach dem Grad der Expertise differenzieren. Entwicklungsmodelle formulieren Annahmen darüber,
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Fortbildung des pädagogischen Personals 777 in welcher Schrittfolge sich Kompetenzfortschritte bei Teilkomponenten einstellen (können). So geht man im Anschluss an Annahmen und Befunde der Expertiseforschung davon aus, dass Kompetenzentwicklung als ein kumulativer, an berufliche Erfahrung gebundener Lernprozess zu verstehen ist, der eine solide Wissensbasis benötigt, stark von (praktischen) Lerngelegenheiten und ihrer Reflektion sowie von wohlüberlegten Übungen spezifischer Teilfertigkeiten beeinflusst wird (Ericsson et al. 1993). Solche Modelle können helfen einzuschätzen, welcher Stellenwert traditionellen Formen der Wissensvermittlung im Zusammenspiel mit Angeboten der (gemeinsamen) Praxisreflexion oder praktischen Übungen in Fortbildungen zukommt. Abbildung 23.1 geht im Anschluss an Lipowsky (2011) zunächst auf die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Ziele und Inhalte der Fortbildungsangebote ein, wendet sich sodann den Adressaten und der Nutzung von Fortbildungen zu und berichtet abschließend Befunde zu deren Wirkungen. Als Wirkungen von Fortbildungen können (Zufriedenheits-)Reaktionen der Teilnehmenden, Veränderungen der Lehrerkognitionen, kognitive oder affektiv-motivationale Entwicklungen, Veränderungen im unterrichtspraktischen Handeln sowie Leistungs- oder motivationale Veränderungen der Lernenden unterschieden werden. Aus Platzgründen beschränken wir uns auf jene Bildungsbereiche, die in den letzten Jahren in der öffentlichen und bildungspolitischen Professionalisierungsdiskussion eine besondere Aufmerksamkeit gefunden haben: die frühe Bildung, die Schule sowie die Erwachsenen- und Weiterbildung. Tabelle 23.1 zeigt, dass es sich dabei um vergleichbar große Gruppen pädagogisch Beschäftigter mit Erziehungs- und Lehraufgaben handelt; die Anzahl der Lehrkräfte der Erwachsenen- und Weiterbildung wird aber vermutlich unterschätzt, da für den großen Bereich der innerbetrieblichen Weiterbildung noch kaum belastbare Zahlen vorliegen (► 20.3). Außerdem zeigt Tabelle 23.1, dass der Bildungsbereich von Frauen geprägt ist, wobei ihr Anteil zu Beginn der Bildungskette deutlich größer ist als in den weiteren Stufen: Während in der frühen Bildung fast ausschließlich Frauen arbeiten, ist die Geschlechterverteilung in der Erwachsenen- und Weiterbildung annähernd ausgeglichen, allerdings mit deutlichen Variationen zwischen ihren Kontexten (► 23.4). Damit gehen – nimmt man andere Wirtschaftssektoren als Referenz – vergleichsweise hohe Anteile der Teilzeitbeschäftigung einher, die vor allem in der Erwachsenen- und Weiterbildung angesichts der großen Gruppe der nebenberuflich tätigen Lehrkräfte überwiegen. Schließlich zeigt Tabelle 23.1, dass die Schließung der Teilarbeitsmärkte für (pädagogische) Hochschulabschlüsse unterschiedlich fortgeschritten ist: Während sie in der allgemeinbildenden Schule vollständig durchgesetzt ist, gilt das für die frühe Bildung kaum, während die Akademisierung der Erwachsenen- und Weiterbildung weit fortgeschritten ist.
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778 Fortbildung des pädagogischen Personals
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Abb. 23.1: Erweitertes Angebots- und Nutzungsmodell zur Erklärung der Wirksamkeit
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Fortbildung des pädagogischen Personals 779
Vorsch. Bildung (N=2.703)
Sek I und II (N=378.377)c
Berufl. Schulen (N=122.047)
EB/WB (N=529.767d)
5,14 94,86 -
27,97 72,03 -
Anteile in % 7,47 11,88 37,27 92,53 88,13 62,73 -
49,82 50,18 -
49,74 49,49 0,77
39,47 60,53
62,51 37,49
53,24 46,76
55,59 44,41
65,86 34,14
69,54 30,46
17,99 82,01
4,68
95,25
-
-
-
80,88
25,93
95,32
4,30
-
-
-
16,57
66,28
-
-
-
-
-
-
6,90
-
0,45
-
-
-
2,55
0,90
Grundschuleb (N=201.920)
Allg. bild. Schulen, insg.a (N=664.140)
Geschlecht • Männlich • Weiblich • Ohne Angabee Arbeitszeitvolumenf • Vollzeit • Teilzeit Abschlüsse • Mit pädagogischem Hochschulabschlussh • Ohne pädagogischen Hochschulabschlussh/i • Mit pädagogischem Nebenfach • Ohne Angabee
Frühk. Bildung (N=519.932)
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Tab. 23.1: Erziehendes und lehrendes Personal in früher Bildung, Schule und Erwachsenen- und Weiterbildung nach Geschlecht, Beschäftigungsform und Abschluss
Anmerkung. Die Berechnungen basieren für den Bereich der frühkindlichen Bildung auf Auswertungen der Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe des Statistischen Bundesamts (Erhebungszeitpunkt: 01.03.2015), für den Bereich der Schule auf Auswertungen des Statistischen Bundesamts (2015a, 2015b) für das Schuljahr 2014/2015 und für den Bereich der Erwachsenen-/Weiterbildung auf Auswertungen des wb-personalmonitors (Erhebungszeitraum: Juni bis August 2014). (a) Die Kategorie „Allgemeinbildende Schulen, insgesamt“ umfasst die Bereiche vorschulische Bildung, Grundschule sowie die Schulen der Sekundarstufe I und II inklusive der Freien Waldorfschulen, Förderschulen, Abendhauptschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs. (b) Beinhaltet Lehrkräfte an Grundschulen und in schulartunabhängigen Orientierungsstufen. Nicht berücksichtigt werden Lehrkräfte in Vorklassen und Schulkindergärten. (c) Beinhaltet Lehrkräfte an Hauptschulen, in Schularten mit mehreren Bildungsgängen, an Realschulen, Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen. Nicht berücksichtigt werden Lehrkräfte an Freien Waldorfschulen, Förderschulen, Abendhauptschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs. (d) Angaben basieren auf Hochrechnungen. (e) Für die Merkmale werden keine fehlenden Werte ausgewiesen. (f ) „Vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte sind Personen im Beamten-, Angestellten- oder sonstigen Dienstverhältnis, die mit voller Regelpflichtstundenzahl (Pflichtstunden = Unterrichtsstunden + Abminderungsstunden) tätig sind. Teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte sind Personen im Beamten-, Angestellten- oder sonstigen Dienstverhältnis, deren individuelle Pflichtstundenzahl aufgrund länderspezifischer Regelungen bis zu 50 % der
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780 Fortbildung des pädagogischen Personals Regelpflichtstunden ermäßigt worden ist“ (Statistisches Bundesamt 2015a, 2015b). Die Berechnung für die Lehrkräfte der Erwachsenen-/Weiterbildung ist für die Arbeitszeitvolumina analog erfolgt. Abweichend davon wird aufgrund der Datenbasis im Bereich der frühkindlichen Bildung eine Beschäftigung im Umfang von 38,5 Stunden und mehr als Vollzeittätigkeit gewertet. (g) Die Angabe bezieht sowohl das pädagogisches Personal als auch die Beschäftigten in der Einrichtungsleitung, in Verwaltung, Hauswirtschaft und Technik mit ein. (h) Für die Lehrkräfte im schulischen Bereich wird hier die Angabe „mit“ bzw. „ohne Lehramtsprüfung“ gezählt. (i) Für den Bereich der frühkindlichen Bildung: Von den nicht administrativ-technischen Beschäftigten haben 86,71 % eine pädagogische Ausbildung (Erzieher u. Erzieherinnen; Heilpädagogen u. Heilpädagoginnen (Fachschule)/Heilerzieher u. Heilerzieherinnen, Heilerziehungspfleger u. Heilerziehungspflegerinnen; Kinderpfleger u. Kinderpflegerinnen; sonstige soziale/sozialpädagogische Kurzausbildung) absolviert und 8,60 % verfügen über keinen genuin pädagogischen Abschluss (Familienpfleger u. Familienpflegerinnen, Assistenten u. Assistentinnen im Sozialwesen, soziale und medizinische Helferberufe; Verwaltungs-/Büroberufe; sonstige Berufsausbildungsabschlüsse; keine abgeschlossene Berufsausbildung)
23.2 Frühe Bildung Die Aufmerksamkeit für die Potenziale frühkindlicher Bildungsangebote ist seit vielen Jahren auch in Deutschland gestiegen. Mittlerweile richten sich große Erwartungen an die Kindertageseinrichtungen. Rahmen- und Bildungspläne wurden in allen Bundesländern implementiert und brachten eine Erweiterung der Aufgaben der Einrichtungen und der hierin beschäftigten Fachkräfte mit sich. Der Bildungsauftrag der Kindertagesstätten ist umfassend und bezieht sich auf Bereiche wie die Motorik, Gesundheit, das Sozialverhalten, die musische Entwicklung und die Entwicklung früher akademischer Fähigkeiten (z. B. Literacy, Mathematik und Naturwissenschaften). Darüber hinaus sollen sich die Angebote frühkindlicher Bildungseinrichtungen nicht nur an die Kinder richten, sondern auch die Eltern und weitere Kooperationspartner mit einbeziehen (vgl. KMK 2004). Neben der inhaltlich-konzeptuellen Weiterentwicklung des frühkindlichen Bildungssystems führte auch der quantitative Ausbau des Systems zu gestiegenen Herausforderungen für die frühpädagogischen Fachkräfte. Der Anteil der unter dreijährigen Kinder in außerfamilialer, institutioneller Betreuung ist zwar in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch gering. Allerdings ist hier eine stetige Zunahme festzustellen, die sich durch geänderte gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen erklären lassen. Während die Betreuung von Kindern unter drei Jahren in den neuen Bundesländern lange Tradition hat, bedeutet diese Entwicklung für viele Fachkräfte in westlichen Bundesländern, ihre pädagogische Arbeit auf diese Altersgruppe auszudehnen. Die dargestellten Entwicklungen haben auch eine Diskussion um die Qualifikationen der frühpädagogischen Fachkräfte mit sich gebracht, und zahlreiche Initiativen zur Professionalisierung wurden ins Leben gerufen. Die Debatte konzentriert sich oftmals auf die formale Qualifikation der frühpädagogischen Fachkräfte. Die überwiegende Anzahl der in den Kindertagesstätten und Kindergärten tätigen frühpädagogischen Fachkräfte hat bislang (noch) eine fachschulische Ausbildung als Erzieher oder Erzieherin, Heilpädagogin oder Heilpädagoge oder Heilerziehungspfleger oder Heilerziehungspflegerin (im Jahr 2014: 70,5 %; vgl. Bock-Famulla et
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Frühe Bildung 781 al. 2015). Der Anteil der pädagogischen Fachkräfte mit Hochschulabschluss lag im Jahr lediglich bei 5,3 %. Der Anteil des Personals ohne Abschluss oder mit sonstigen Ausbildungen lag aber auch bei deutlich unter 10 %. Das heißt: auf der einen Seite ist der Anteil der fachfremd ausgebildeten oder ungelernten Fachkräfte im Sektor der frühkindlichen Bildung in Deutschland deutlich geringer als in vielen anderen Ländern. Auf der anderen Seite ist aber auch der Anteil der Fachkräfte mit Hochschulabschluss sehr gering. Aus diesem Grund wird die Akademisierung als ein notwendiger Weg zur Professionalisierung des frühpädagogischen Feldes angesehen (vgl. Viernickel 2008). Die einschlägige Debatte orientiert sich auch hier an Kompetenzmodellen. Modelle für frühpädagogische Fachkräfte beschreiben ähnliche Komponenten wie im schulischen Bereich, oftmals wird jedoch die Bedeutsamkeit von Überzeugungen und Werthaltungen im Sinne der professionellen Haltung herausgestellt (vgl. Anders 2012b für einen Überblick). Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Identifikation der Natur des notwendigen Professionswissens für frühpädagogische Fachkräfte noch nicht soweit fortgeschritten ist wie für pädagogische Fachkräfte anderer Bildungsstufen. Dieses liegt auch an den unterschiedlichen pädagogischen Ansätzen. Abgesehen davon, dass der empirische Nachweis der Qualitätssteigerung durch die Anhebung der Anzahl frühpädagogischer Fachkräfte mit Hochschulabschluss in den Einrichtungen in Deutschland noch aussteht, gestaltet sich der Versuch, das professionelle Niveau der frühkindlichen Bildung durch Akademisierung anzuheben, aus weiteren Gründen als schwierig. So wird zwar ein großer Bedarf an hochschulisch ausgebildeten Fachkräften von vielen Seiten konstatiert, das Gutachten des Aktionsrats Bildung im Jahr 2012 belegte allerdings eingängig, dass die bislang existierenden Studiengänge Jahrzehnte brauchen werden, um den entsprechenden Bedarf in einem frühkindlichen Bildungssystem, das sich nicht nur qualitativ weiterentwickelt, sondern auch quantitativ im Ausbau befindet, zu decken (Blossfeld et al. 2012). Bislang fehlt aber eine systematische Weiterentwicklung des Feldes auch im Sinne einer Schaffung angemessener und angemessen entlohnter Positionen für hochschulisch qualifizierte Absolventen und Absolventinnen. Für das Jahr 2014 ermittelte das statistische Bundesamt ein durchschnittliches Bruttogehalt von 2.880 Euro für vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkräfte in Kitas (Statistisches Bundesamt 2014a). Weniger als die Hälfte der Beschäftigten sind allerdings vollzeitbeschäftigt (im Jahr 2014: 40,8 %; Bock-Famulla et al. 2015). Die Beschäftigungs- und Gehaltsstrukturen werden auch mit dafür verantwortlich gemacht, dass das Berufsfeld für Männer so unattraktiv ist. So betrug der Anteil der Männer an pädagogisch tätigem Personal lediglich 4,8 % (Statistisches Bundesamt 2014b). Dementsprechend sind auch eine Diskussion und die Entwicklung von effizienten Maßnahmen zur fachlichen Unterstützung der Fachkräfte bei der professionellen Weiterentwicklung ihrer Arbeit in einem sich verändernden System entstanden. Die Notwendigkeit ergibt sich auch aus der Altersstruktur der pädagogisch tätigen
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782 Fortbildung des pädagogischen Personals Fachkräfte. 14,8 % der Fachkräfte waren 2014 55 Jahre und älter, 37,7 % zwischen 40 und 54 Jahre alt. 35 % gehörten der Gruppe der 25- bis 39-Jährigen an, 12,6 % waren jünger (Bock-Famulla et al. 2015). Ein Großteil der Fachkräfte hat die Erstausbildung also schon seit vielen Jahren abgeschlossen und ist auf Fortund Weiterbildung angewiesen, um sich entsprechend der neuen Anforderungen weiter zu qualifizieren. Die Entwicklung der letzten Jahre hat sich auch in größeren und zum Teil bundesweiten Initiativen niedergeschlagen. Zu nennen ist hier beispielsweise die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WIFF). Diese startete als gemeinsames Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Robert Bosch Stiftung im Jahr 2009: Durch WIFF sollten die Qualität und Durchlässigkeit im System der frühpädagogischen Fortund Weiterbildung gefördert und didaktische Konzepte erprobt werden. Andere Initiativen fokussieren auf die Entwicklung von Fort- und Weiterbildungskonzepten für spezifische Bildungsbereiche, wie z. B. die Stiftung Haus der kleinen Forscher (► Tafel 23.1). Tafel 23.1: Stiftung Haus der kleinen Forscher Die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ ist eine der größten, bundesweit agierenden Initiativen zur Förderung der frühen naturwissenschaftlichen Bildung, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Autostadt und weiteren Stiftungen wie McKinsey & Company, Siemens Stiftung und Helmholtz-Gemeinschaft sowie der Dietmar-Hopp-Stiftung (Stiftung Haus der kleinen Forscher 2011). Ziel der Arbeit der Stiftung ist es, Bildungseinrichtungen für Kinder im vorschulischen Alter bundesweit zu unterstützen und die Begegnung mit Naturphänomenen, Technik und Mathematik nachhaltig in die alltägliche Arbeit zu integrieren. Nachdem einige Jahre umfassende Erfahrungen im Bereich der Kindertageseinrichtungen gesammelt wurden, wurde die Arbeit auch auf die Hortbetreuung der Grundschulen ausgeweitet. Die Stiftung arbeitet mit einem Ansatz, in dem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren qualifiziert werden, die wiederum die pädagogischen Fachkräfte vor Ort kontinuierlich fortbilden. Darüber hinaus werden Materialien und Arbeitsunterlagen bereitgestellt sowie lokale Netzwerke aufgebaut. Die Fortbildungen behandeln jeweils besondere pädagogische Schwerpunkte (z. B. Luft, Wasser, Magnetismus). Neben pädagogisch-psychologischen Fragestellungen spielen auch die Reflexion der eigenen pädagogischen Rolle und die Haltung zu Naturwissenschaften, Mathematik und Technik eine entscheidende Rolle in den Fortbildungen (vgl. Stiftung Haus der kleinen Forscher 2013).
Im Unterabschnitt 23.2.1 wird zunächst auf institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen der Fortbildung von frühpädagogischen Fachkräften eingegangen. Im Anschluss werden Befunde zu Adressaten und Adressatinnen und Nutzung von Fortbildung im Sektor der frühkindlichen Bildung dargestellt (► 23.2.2). Der Unterabschnitt 23.2.3 beschäftigt sich mit Forschungsbefunden zu Effekten der
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Frühe Bildung 783
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Fortbildungsteilnahme. Die besonderen Herausforderungen von Fortbildung in diesem Feld behandelt Abschnitt 23.5. 23.2.1 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen und Angebote der Fortbildung Die Kindertagesbetreuung in Deutschland ist rechtlich nicht als Teil des Bildungssystems konzipiert, sondern als Teil der Kinder- und Jugendhilfe. Hieraus erklärt sich nicht nur die große Bedeutung der föderalen Struktur, sondern auch die dezentrale Organisation, die den Trägern, Einrichtungen und Fachkräften selbst große Autonomie in der Ausgestaltung des Bildungsauftrags überlässt. Die geringe rechtliche Regulierung spiegelt sich auch in den Rahmenbedingungen der Fortbildung. Entsprechend der föderalen Rahmenbedingungen existieren für die Fort- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte keine bundesweit einheitlichen Regelungen. Von der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) wurden Empfehlungen beschlossen (vgl. JFMK 2010), die ihren Niederschlag in Landesgesetzen finden. In diesen Gesetzen wird Fortbildung als ein Instrument zur Förderung der Qualitätsentwicklung aufgegriffen. Die Landesgesetze offenbaren aber deutlich unterschiedliche Auffassungen über die Steuerung berufsbegleitender Fortbildung (vgl. Oberhuemer 2012; Diller und Leu 2010). Hieraus resultiert letztlich eine große Varianz von Maßgaben in Abhängigkeit vom Bundesland und Träger, die einerseits eine große organisationale Vielfalt ermöglichen. Andererseits wird die Fort- und Weiterbildungslandschaft für frühpädagogische Fachkräfte deshalb auch als unübersichtlich und ohne verbindliche Standards wahrgenommen (vgl. Oberhuemer 2012; Diller 2010). Die organisationalen und strukturellen Rahmenbedingungen von Fort- und Weiterbildung sind damit gänzlich anders als in der DDR. Für die Zeit nach der Erstausbildung war in der DDR eine daran anknüpfende kontinuierliche, verbindliche Weiterbildung zu fachlichen und politischen Themen geplant (vgl. Schütz und Vogt 1972). Die Weiterbildungsveranstaltungen wurden in Analogie zur Lehrerweiterbildung zentral geplant und gesteuert (vgl. Waterkamp 1987). Seit 1972 nahmen alle Kindergärtnerinnen und Kindergärtner an Weiterbildungskursen in einem Rhythmus von vier Jahren teil. Neben den zentral gesteuerten Weiterbildungsveranstaltungen waren pädagogische Beratungen und das Parteilehrjahr weitere Maßnahmen zur fachlichen politischen Weiterqualifizierung von Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern (Höltershinken et al. 1997). Sie dienten der fachlichen und methodischen Qualifizierung sowie „der ständigen Festigung des einheitlichen politisch-pädagogischen Handelns“ (Ministerium für Volksbildung 1985, 284). Heute wird im Sektor der frühkindlichen Bildung im Gegensatz zu anderen Feldern in der Regel begrifflich nicht zwischen Fort- und Weiterbildung differenziert. Gleichermaßen existieren wenige Datenquellen zur Struktur der Fortbildungslandschaft im Feld der Frühpädagogik. Umfassende Untersuchungen zum Angebot und
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784 Fortbildung des pädagogischen Personals Nutzung von Fort- und Weiterbildungsangeboten existierten bis vor einigen Jahren nicht. Im Rahmen von WIFF wurden allerdings verschiedene Expertisen zu dieser Thematik erstellt und bundesweite Befragungen durchgeführt, so dass sich die folgenden Darstellungen zu Struktur, Angebot und Nutzung maßgeblich aus diesen Expertisen und Untersuchungen speisen. Die Studien zeigen deutlich, dass der Fortbildungsmarkt für das frühpädagogische Feld in Deutschland ein wachsendes Feld ist (vgl. Beher und Walter 2010). Dieses lässt zum einen durch den Ausbau der Kindertagesbetreuung und den damit verbundenen Anstieg des Personals erklären, aber auch durch die gestiegenen qualitativen Anforderungen an die Tätigkeiten der frühpädagogischen Fachkräfte sowie den Wandel der Tätigkeitsinhalte. Auch die Anbieterstrukturen spiegeln die große Vielfalt des frühpädagogischen Feldes wider. Beher und Walter (vgl. 2010) führten eine bundesweite Befragung bei Fort- und Weiterbildungsanbietern in Deutschland durch und kamen zu dem Schluss, dass 45 % der Fortbildungsanbieter der Gruppe der frei-gemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, während 34 % der Träger privat-gewerbliche Anbieter oder Organisationen sind. Öffentliche Träger machen 19 % der Anbieter aus. Hochschulen spielen mit 3 % der Fortbildungsträger lediglich eine untergeordnete Rolle. Fort- und Weiterbildung wird im Bereich der frühkindlichen Bildung in der Regel durch eine Misch-Finanzierung abgesichert. Die größten Anteile der Kosten werden dabei von Kindertageseinrichtungen und ihren Trägern sowie den Teilnehmenden und öffentlichen Trägern übernommen. Im Vergleich zum Weiterbildungsmarkt insgesamt spielen die öffentlichen Kostenträger eine große Rolle, die Arbeitsagenturen jedoch nur eine geringe (vgl. Beher und Walter 2010). Die meisten Anbieter von Fortbildungen bieten ein breites Themenspektrum an (Beher und Walter 2010). Die Themen spiegeln dabei die Entwicklungen des frühpädagogischen Feldes der letzten Jahre wider und zeigen, dass die Anbieter auf den durch den Wandel entstandenen Bedarf reagiert haben. So gehören Entwicklungs- und Bildungsprozesse von Kindern (für Kinder unter drei Jahren und Kinder ab drei Jahren), Zusammenarbeit mit Eltern, pädagogische Ansätze sowie Beobachtung und Dokumentation zu den am häufigsten angebotenen Themen. Aber auch Personal- und Teamentwicklung spielt als Fortbildungsthema eine große Rolle. Großer Bedarf wird aus Perspektive der Anbieter weiterhin unter anderem bei Angeboten zu den Themen Kinder unter drei Jahren, Zusammenarbeit mit Eltern und Umsetzung der Bildungspläne in den Ländern gesehen. Hinsichtlich der Veranstaltungsformate reagieren die Anbieter ebenfalls auf die ganz unterschiedlichen Bedürfnisse der frühpädagogischen Fachkräfte, so dass unterschiedliche Varianten angeboten werden (z. B. Veranstaltungen unterschiedlicher Dauer, teambezogene Veranstaltungen, Qualitätszirkel, Supervisionsangebote etc.). Diese Vielfalt umfasst in der Mehrzahl nicht formale, externe und interne Fortbildungsformate. Den größten Anteil machen die Kurzzeitveranstaltungen aus, was mit der Nachfrage korrespondiert. Die Anbieter der Fortbildungen sehen Hürden
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Frühe Bildung 785 in der Teilnahme an Fortbildungen vor allem in zu großen beruflichen Belastungen und den zu geringen Weiterbildungskontingenten, die den Fachkräften zur Verfügung gestellt werden. Die Weiterbildungsanbieter verfügen über vielfältige Kooperationsbezüge. Vergleichsweise wenig Befragte stimmen sich jedoch mit ihren Kooperationspartnern über Zertifikate und Abschlüsse ab oder entwickeln Anerkennungsregelungen. 23.2.2 Adressaten und Nutzung von Fortbildungen Die Teilnahme an Fortbildungen ist für frühpädagogische Fachkräfte in der Regel freiwillig. Oberhuemer (vgl. 2012) verweist darauf, dass lediglich MecklenburgVorpommern und Thüringen fünf bzw. zwei Fortbildungstage für frühpädagogische Fachkräfte gesetzlich vorgeschrieben haben. Dennoch gelten frühpädagogische Fachkräfte als äußerst fortbildungsaktiv. Beher und Walter (vgl. 2012) führten 2010 im Rahmen von WiFF eine bundesweite Befragung von mehr als 4.600 Fachkräften in Kindertageseinrichtungen (Einrichtungsleitungen, pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie in Ausbildung befindliche Praktikantinnen und Praktikanten) zu ihren Fort- und Weiterbildungsaktivitäten durch. Von den befragten Fachkräften hatten 96 % im Laufe der letzten zwölf Monate an einer Fortbildung teilgenommen. Allerdings handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit um Veranstaltungen von kurzer Dauer zwischen wenigen Stunden und drei Tagen. 15 % der Befragten geben Veranstaltungen mit einer Dauer von mehr als drei Tagen bis zu einer Woche an, 16 % haben an langfristigen Fortbildungen von einer längeren Dauer als einer Woche teilgenommen. Mit Blick auf das Veranstaltungsformat spielen teambezogene Fortbildungen und Qualitätszirkel eine große Rolle. 64 % der Befragten geben an, eine teambezogene Veranstaltung besucht zu haben, 40 % nennen das Format der Qualitätszirkel. Die geringste Bedeutung haben Fernlehrgänge bzw. E-Learning-Angebote, welche von 2 % genannt werden. Leitungen und pädagogische Mitarbeitende zeigen deutlich unterschiedliche Nutzungsmuster. Leitungskräfte nehmen einerseits häufiger an Veranstaltungen teil, außerdem nehmen sie an intensiveren Maßnahmen teil. So liegt der Anteil der Befragten, die die Teilnahme an länger- oder langfristigen Veranstaltungen angeben, bei den Leitungskräften deutlich höher als bei den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Einzelcoaching wird ebenfalls deutlich häufiger von Leitungskräften genutzt. Am auffälligsten ist der Unterschied zwischen Leitungskräften und pädagogischen Mitarbeitenden jedoch im Hinblick auf Qualitätszirkel bzw. einrichtungsübergreifende Maßnahmen. Während knapp 62 % der Leitungskräfte angeben, im Laufe der letzten zwölf Monate an einer solchen Veranstaltung teilgenommen zu haben, liegt der Anteil bei den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lediglich bei 29,4 %. Ähnliche Unterschiede in der Nutzung von Fortbildungsveranstaltungen zeigen sich im Vergleich von Fachkräften mit Hochschulabschluss und Fachkräften mit einem Abschluss an einer (Berufs-)Fachschule.
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786 Fortbildung des pädagogischen Personals Obgleich sich frühpädagogische Fachkräfte insgesamt bereits als äußerst fortbildungsaktiv zeigen, wünscht sich die Hälfte der Fachkräfte eine weitere Erhöhung der Anzahl an Fortbildungsangeboten. In der Studie wurden die Fachkräfte auch zu dem Weiterbildungsklima in ihren Einrichtungen gefragt. Dieses wird insgesamt als sehr positiv bewertet, die Fachkräfte beschreiben eine hohe Akzeptanz und Unterstützung der Vorgesetzten hinsichtlich der Teilnahme an Veranstaltungen. Allerdings gibt es große Unterschiede im Hinblick auf Freistellungsregelungen. Gut die Hälfte der Befragten hat einen Anspruch auf fünf Weiterbildungstage, 11 % haben einen höheren Anspruch, 35 % haben weniger als fünf Tage. Der Fortbildungsanspruch wird von 60 % der Befragten auch ausgeschöpft bzw. überausgeschöpft. Die größten Hindernisse für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen werden aus Perspektive der frühpädagogischen Fachkräfte in der angespannten Personalsituation und generell in fehlenden zeitlichen Ressourcen gesehen. 23.2.3 Effekte der Fortbildungsteilnahme Die Teilnahme an Fortbildungen kann nur dann zur nachhaltigen Professionalisierung des frühpädagogischen Feldes beitragen, wenn sich durch die Teilnahme positive Auswirkungen auf professionelle Kompetenzen der Fachkräfte und die Anregungsqualität in den Kindertageseinrichtungen nachweisen lassen. Eine MetaAnalyse von Fukkink und Lont (vgl. 2007), die internationale experimentelle Studien aggregiert, weist auf einen moderaten Effekt von spezifischen Trainings auf professionelle Kompetenzen von frühpädagogischen Fachkräften hin. Förderlich für die Effektivität der Veranstaltungen wirkte sich ein klares inhaltliches Curriculum aus. Die Effekte für groß angelegte und überregionale Programme waren kleiner. Diese Befunde stärken die Relevanz der Implementationsqualität von Fortbildungsprogrammen. Systematische empirische Forschung zu den Auswirkungen der Fortbildungsteilnahme gibt es im Feld der frühkindlichen Bildung allerdings in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bislang sehr selten. Vorherrschend sind retrospektive Befragungen von Teilnehmenden, die in der Regel eine hohe Zufriedenheit mit den Veranstaltungen belegen, ohne allerdings Aussagen über die Wirksamkeit machen zu können. Erkenntnisse für die Effekte von Fortbildungen auf die Qualität frühkindlicher Bildungsangebote lassen sich allerdings aus Evaluationsstudien ziehen, die die Wirksamkeit von Modellprojekten untersuchen und in der Regel intensive Fortbildungskomponenten enthalten. Ein umfassender Überblick zu diesen Studien würde den Rahmen dieses Abschnitts sprengen, daher soll exemplarisch auf drei ausgewählte Ansätze und Ergebnisse der begleitenden Studien eingegangen werden. Im Modellprojekt „KiDZ – Kindergarten der Zukunft in Bayern“ sollten in einem experimentellen Design abgesicherte Erkenntnisse über die Optimierung frühkindlicher Bildungsansätze gewonnen werden (vgl. Roßbach et al. 2010). Das Modellprojekt hatte eine individuelle und begabungsgerechte Unterstützung aller Kinder
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Frühe Bildung 787 im Kindergarten und eine Optimierung der Kooperation von Kindergarten und Grundschule zum Ziel. Es wurde ein Ansatz des Teamteaching erprobt, in dem frühpädagogische Fachkräfte und Grundschullehrkräfte gemeinsam pädagogisch im Kindergarten zusammenarbeiteten. Die beteiligten Fachkräfte nahmen an intensiven und längerfristig angelegten Fortbildungsmaßnahmen mit Blick auf die Umsetzung des KiDZ-Konzeptes teil, insbesondere mit Fokus auf bereichsspezifischen Förderansätzen. In der begleitenden Evaluationsstudie wurden Einrichtungen, die am Modellprojekt teilnahmen, mit nicht-teilnehmenden Einrichtungen verglichen. Auf der Basis von Beobachtungen zeigte sich deutlich eine verbesserte Qualität in den Förderbereichen „Literacy“, „Mathematik“ und „individuelle Förderung“ (vgl. Roßbach et al. 2010; Sechtig et al. 2012). Die höhere Qualität schlug sich nachweisbar auf die kindliche Kompetenzentwicklung nieder. Simon und Sachse (vgl. 2013) führten eine Studie zur Verbesserung des sprachlichen Interaktionsverhaltens von frühpädagogischen Fachkräften durch. Sie analysierten die Auswirkungen des „Heidelberger Interaktionstrainings für pädagogisches Fachpersonal zur Förderung ein- und mehrsprachiger Kinder“ (Buschmann et al. 2010) in einer experimentellen Untersuchung. Sie fanden, dass die Fachkräfte, die an dem Training teilnahmen, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ein optimiertes sprachliches Interaktionsverhalten zeigten. Die höhere Anregungsqualität schlug sich auf unterschiedliche Komponenten der sprachlichen Entwicklung der Kinder nieder. Während die beiden beschriebenen Studien regionale Ansätze darstellen, war das Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas: Sprache & Integration“ überregional angelegt und wurde in den Jahren 2011 bis 2015 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Durch das Programm sollte die alltagsintegrierte, sprachliche Bildung in Kindertageseinrichtungen gefördert werden. Im Fokus standen Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder unter drei Jahren. Teilnehmende Einrichtungen erhielten eine Förderung für eine zusätzliche Fachkraft (50 %), die als Sprachexperte oder Sprachexpertin die Umsetzung und Weiterentwicklung des sprachpädagogischen Konzeptes der Einrichtung anregen sollte. Das Programm wurde umfassend und längsschnittlich mit Blick auf seine Wirkungen hin untersucht (Anders et al. 2014, 2016). Hierbei wurden sowohl die Wirkungen auf Fachkräfte und die sprachbezogene Qualität in den Einrichtungen als auch die kindliche Entwicklung analysiert. Darüber hinaus wurden Ansätze guter pädagogischer Praxis aus den Evaluationsergebnissen abgeleitet. Die Einrichtungen erhielten unterschiedliche Formen fachlicher Unterstützung und differierten auch stark im Hinblick auf ihre Fortbildungsaktivität. Es zeigte sich, dass die Fortbildungsaktivität mit der sprachbezogenen Prozessqualität assoziiert war. Höhere Prozessqualität wiesen vor allem solche Einrichtungen auf, die intensive Teamfortbildungen durchführten. Höhere interne Fortbildungsaktivität wiesen dabei vor allem solche Einrichtungen auf, die zusätzliche fachliche Unterstützung von externen Partnern und Partnerinnen erhielten. Darüber hinaus wurde deutlich,
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788 Fortbildung des pädagogischen Personals dass auch der Umgang mit in Fortbildungen erworbenem Wissen einen Einfluss auf die Entwicklung der sprachbezogenen Prozessqualität hat. So zeigte sich eine positive Qualitätsentwicklung insbesondere in solchen Einrichtungen, in denen ein intensiver fachlicher Austausch in einer Form stattfand, in der eine systematische Kultur in der Weitergabe von Fortbildungswissen in das Team gelebt wurde. Erfolgversprechend scheinen dementsprechend Konzepte zu sein, bei denen Fachkräfte für spezielle Funktionen intensiv fortgebildet werden, die dann vergleichbar mit den Early Years Professionals in England ihre Expertise ins Team tragen und ein Modell guter Praxis sind (vgl. Anders 2012a; ► Tafel 23.2). Tafel 23.2: Early Years Professional Status Der Early Years Professional Status ist eine berufliche Qualifikation für pädagogische Fachkräfte in England, die im Bildungsbereich für Kinder von null bis fünf Jahren tätig sind. Die Qualifikation soll ein Äquivalent zur Qualifikation von Lehrkräften (Qualified Teacher Status) sein. Ausgangspunkt für die Implementierung des EYPS in England war die heterogene Qualifikationsstruktur des Fachpersonals in vorschulischen Bildungseinrichtungen mit einem Großteil von niedrig qualifiziertem Personal. Darüber hinaus belegten Forschungsergebnisse, dass Fachkräfte mit einem höheren Ausbildungsabschluss zu einer besseren pädagogischen Praxis in den Einrichtungen beitragen. Der EYPS wird durch eine Weiterbildung erreicht, die für Personen mit unterschiedlichen Ausbildungsabschlüssen bzw. Ausbildungsniveaus offen ist. Es gibt unterschiedlich umfangreiche Wege der Weiterbildung, um diesen Status zu erreichen. Diese umfassen eine vier-, sechsoder 15-monatige Weiterbildung. Die Vergabe des Status beruht auf der Erfüllung von 39 Standards. Eine der Hauptaufgaben der Fachkräfte mit EYPS liegt in der pädagogischen Führung von Einrichtungen. Personen mit EYPS sollen Führung im Sinne des Vorlebens eines guten Rollenmodells leben, in den Einrichtungen die pädagogische Richtung weisen, Inspiration geben, Teams bilden und die Teamarbeit anregen und bereichern.
Die Evaluation des Bundesprogramms „Schwerpunkt-Kitas: Sprache & Integration“ konnte zudem belegen, dass eine höhere sprachbezogene Prozessqualität einen Einfluss auf die sprachliche Entwicklung der Kinder hat. Diese Untersuchungen illustrieren Beispiele für erfolgreiche Fortbildungsmodelle, dennoch ist ein hoher Forschungsbedarf zur weiteren Identifikation effektiver Konzepte zu konstatieren.
23.3 Schule Für den Bereich der Schule stellt die Fort- und Weiterbildung die sogenannte dritte Phase der Lehrerbildung dar. Im Vergleich zum Studium und dem Vorbereitungsdienst stehen Lehrkräften in dieser Phase ganz verschiedene Lerngelegenheiten zur Verfügung, auf deren Basis sie neue Erkenntnisse gewinnen und ihre berufliche Pra-
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Schule 789 xis reflektieren können. Zu den offensichtlichen Lerngelegenheiten zählen die Teilnahme an klassischen Fortbildungen, der Austausch im Kollegium oder auch die Nutzung von Fachliteratur. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl weiterer informeller Lerngelegenheiten, von denen Lehrkräfte Anstöße für die Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen erhalten können. Hierzu gehört die Unterrichtsbeobachtung, die Arbeit in Lerngemeinschaften, das Coaching, das Unterrichtsfeedback von Schülerinnen und Schülern und vieles mehr. Werden diese Lerngelegenheiten in ihrer Gesamtheit betrachtet, so fällt auf, dass die Phase der Fort- und Weiterbildung vor allem durch Situationen geprägt ist, in denen Lehrkräfte entweder unbewusst lernen oder in denen Lernen in nicht-traditionellen Kontexten stattfindet. Die formalen Lerngelegenheiten, z. B. die Teilnahme an Fortbildungen, stellen also nur einen kleinen Ausschnitt aller beruflichen Lerngelegenheiten dar. In diesem Abschnitt werden die formalen Lerngelegenheiten, trotz ihres relativ geringen Anteils an allen verfügbaren Lerngelegenheiten, aus folgenden Gründen in den Mittelpunkt gestellt: Formale Lerngelegenheiten zeichnen sich dadurch aus, dass Referentinnen und Referenten den Lernprozess so vorstrukturieren, dass Kompetenzen innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums effizient erworben werden können. Darüber hinaus ermöglichen es formale Lerngelegenheiten, dass Lehrkräfte neue inhaltliche Impulse durch die Expertise der Referentin oder des Referenten erhalten und ggf. Verbindungen zu ihrem Unterricht herstellen können. Formale Lerngelegenheiten besitzen also per se das Potenzial, eine wichtige Bereicherung für die berufliche Praxis zu sein. Des Weiteren unterhalten die Bundesländer eine ausdifferenzierte Infrastruktur für staatliche Lehrerfortbildung, deren Aufgabe es ist, Fortbildungen zu entwickeln und diese anzubieten. Lehrkräfte haben somit die Möglichkeit, weitgehend kostenfrei auf Angebote der staatlichen Institutionen zurückzugreifen und nach eigenem Bedarf zu nutzen. Fortbildungen stellen also auch eine Lerngelegenheit dar, die prinzipiell für alle Lehrkräfte verfügbar ist. 23.3.1 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen und Angebote der Fortbildung Die Fortbildung von Lehrkräften gehört primär zu den staatlichen Aufgaben, für die in vielen Bundesländern die Landesinstitute für Lehrerfortbildung zuständig sind. Die Aufgabe der Landesinstitute besteht vor allem darin, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, aber auch Personen mit Funktionsstellen (z. B. Mitglieder der Schulleitung) zu schulen (vgl. Fussangel et al. 2010). Die Fortbildung von Lehrkräften vor Ort übernimmt in der Regel nicht das Landesinstitut, sondern die von ihm ausgebildeten Personen in eigener Verantwortung. Hierfür stellt das Landesinstitut in der Regel einen jährlichen Fortbildungskatalog zusammen, aus dem sich Lehrkräfte die Veranstaltungen nach eigenem Interesse auswählen können. Die Finanzierung der Landesinstitute übernehmen die Kultusministerien der einzelnen Bundesländer, diese stehen somit unter ihrer Aufsicht.
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790 Fortbildung des pädagogischen Personals Im Vergleich zu den Fortbildungsstrukturen in der BRD bestand in der DDR ein zentralistisches und durch den Staat stark reguliertes Fortbildungssystem. Die Lehrerfortbildungen wurden vom Zentralinstitut für Weiterbildung der Erzieher und Lehrer entwickelt und umfassten sogenannte Grund-, Fach- und Spezialkurse (Ministerium für Volksbildung 1973). Jede Lehrkraft war dazu verpflichtet, innerhalb von vier Jahren mindestens einen Grundkurs und einen Fachkurs zu besuchen. Die Kurse waren einheitlich für die gesamte DDR konzipiert, ihr Besuch war kostenlos, und sie fanden obligatorisch in den Ferien statt. Durch ein solches System wurde sichergestellt, dass alle Lehrkräfte sich regelmäßig über neue Entwicklungen informierten. Nach der Wiedervereinigung wurden auch in den ostdeutschen Bundesländern ähnliche Fortbildungsstrukturen wie in den westdeutschen Ländern geschaffen und Landesinstitute für Lehrerfortbildung eingerichtet. In den vergangenen Jahren engagieren sich neben den Instituten für Lehrerfortbildung auch andere Organisationen wie z. B. Stiftungen und Universitäten in diesem Bereich. Eine neue Fortbildungseinrichtung auf nationaler Ebene bildet das Deutsche Zentrum für Mathematiklehrerfortbildung (DZLM), welches im Jahr 2011 von der Deutschen Telekom Stiftung gegründet wurde. Das Zentrum führt nicht nur Fortbildungen für Lehrkräfte sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der gesamten Bundesrepublik durch, sondern es entwickelt auch Fortbildungsmaterialien und beteiligt sich an Forschungsprojekten. Weitere Beispiele für Stiftungsinitiativen finden sich u. a. bei der Bertelsmann Stiftung, der Deutschen Schulakademie (Robert Bosch Stiftung) sowie der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Ein weiterer Anbieter von Lehrerfortbildung sind die Universitäten, die zum Teil einzelne Veranstaltungen, aber zum Teil auch berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengänge für Lehrkräfte bereithalten. In den vergangenen Jahren haben mehrere Universitäten Studiengänge entwickelt, die sich mit Schulmanagement und Qualitätssicherung in der Schule beschäftigen und die Studierenden auf Leitungsfunktionen vorbereiten. Des Weiteren hat das Land Niedersachsen im Jahr 2012 die Verantwortung für die Lehrerfortbildung gänzlich an regionale Kompetenzzentren übergeben, zu denen überwiegend Universitäten gehören. Diese neue institutionelle Anbindung ermöglicht eine stärkere fachwissenschaftliche Verankerung der Fortbildung und besseren Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Schule. Diese Beispiele machen deutlich, dass insbesondere Universitäten, aber auch Stiftungen in der Lehrerfortbildung immer wichtiger werden und traditionelle Angebote der Landesinstitute ergänzen. Die rechtlichen Vorgaben werden ebenso wie die institutionellen Rahmenbedingungen auf der Ebene der Bundesländer festgelegt. Für alle Länder gilt, dass Lehrkräfte auf Basis der jeweiligen Schulgesetze bzw. Rechtsverordnungen zur kontinuierlichen Fortbildung verpflichtet sind (vgl. Avenarius und Füssel 2010). Es bestehen jedoch Unterschiede zwischen den Ländern bezüglich der Ausgestaltung dieser Verpflichtung. In den meisten Ländern können Lehrkräfte selbst entscheiden, in welchem Umfang und zu welchem Inhalt sie sich fortbilden möchten. In
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Schule 791 drei der 16 Länder gibt es jedoch ganz konkrete Vorgaben zur Anzahl der zu besuchenden Fortbildungsstunden bzw. der Fortbildungstage. In Bremen und Hamburg wird von Lehrkräften erwartet, dass sie mindestens 30 Stunden pro Jahr in Fortbildungen investieren (Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen vom 01.07.2003; Lehrerfortbildungsverordnung vom 02.08.2005), und in Bayern liegt die Mindestgrenze bei zwölf Fortbildungstagen in vier Jahren (Bayerische Staatsministerien für Unterricht und Kultus und Wissenschaft, Forschung und Kunst 2002). Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass Lehrkräften in allen Bundesländern ein großes Vertrauen entgegengebracht wird, selbstständig zu entscheiden, in welcher Form und zu welchen Themen sie sich weiterqualifizieren möchten. 23.3.2 Adressaten und Nutzung von Fortbildungen In den allgemeinbildenden Schulen der Primar- und Sekundarstufe waren im Jahr 2014 insgesamt 415.160 vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte und 248.980 teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte angestellt (Statistisches Bundesamt 2016). Die Gesamtgruppe umfasst 72 % weibliche Lehrkräfte, jedoch variiert der Anteil je nach Schulform zwischen 58 % an Gymnasien und 89 % an Grundschulen. Aus der amtlichen Statistik geht weiterhin hervor, dass 42 % der Lehrkräfte bereits 50 Jahre und älter sind und nur 7 % jünger als 30 Jahre. In den ostdeutschen Bundesländern fällt der Anteil der älteren Lehrkräfte jedoch deutlich höher aus, da in den vergangenen 20 Jahren nur wenige junge Lehrkräfte eingestellt wurden. Bei der Betrachtung der Fortbildungsaktivität der Lehrkräfte können diese schulform- und bundeslandspezifischen Unterschiede in der Zusammensetzung der Lehrerschaft durchaus von Bedeutung sein und sollten deshalb berücksichtigt werden. Die Untersuchung der Fortbildungsaktivität erfolgte in den 1990er Jahren vor allem innerhalb einzelner Bundesländer (vgl. z. B. Wolf et al. 1997), sodass Erkenntnisse über die Fortbildungsnutzung von Lehrkräften in Deutschland insgesamt erst in jüngeren Studien gewonnen werden konnten. Grundlage für die Gewinnung dieser neueren Daten bildeten die internationalen Schulleistungsstudien (z. B. PISA), da innerhalb dieser Studien nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch repräsentative Gruppen von Lehrkräften befragt wurden. In diesen Studien wurde erfasst, wie viele und welche Fortbildungsveranstaltungen in einem bestimmten Zeitraum besucht wurden. In der Regel konnten jedoch keine Informationen über die Qualität und die Wirkungen der Veranstaltungen erhoben werden und die so gewonnenen Angaben beziehen sich nur auf allgemeinbildende und nicht auf berufsbildendende Schulen. Verschiedene repräsentative Lehrkräftebefragungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die überwiegende Mehrheit der Lehrkräfte an Fortbildungen teilnimmt. Sowohl bei PISA 2003 als auch bei PISA 2006 lag der Anteil der Mathematik- und Naturwissenschaftslehrkräfte mit mindestens einer Fortbildung in zwei Schuljahren bei etwa 80 % (vgl. Frey et al. 2009; Richter et al. 2010). Dieser Befund bestätigt sich auch in neueren Untersuchungen
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des IQB-Ländervergleichs für die Primarstufe und die Sekundarstufe I (vgl. Richter et al. 2013; Richter et al. 2012). Die Lehrkräftebefragungen, die im Zuge des IQB-Ländervergleichs stattfinden, ermöglichen auch einen Vergleich der Fortbildungsaktivität auf Ebene der Bundesländer. Im IQB-Ländervergleich 2012 wurden die Anteile der Lehrkräfte berechnet, die mind. eine Fortbildung innerhalb von zwei Jahren besucht haben (► Abb. 23.2). Dabei fällt auf, dass vor allem in den ostdeutschen Ländern über 90 % der Lehrkräfte an mindestens einer Fortbildung teilgenommen haben (vgl. Richter et al. 2013). Bei der Interpretation des Befundes muss berücksichtigt werden, dass die Lehrerkollegien in diesen Ländern deutlich älter sind und deshalb zum Teil noch im Schulsystem der DDR tätig waren. Es ist zu vermuten, dass sich die Fortbildungsverpflichtung des DDR-Bildungssystems in einer aktiveren Fortbildungskultur niedergeschlagen hat, die sich auch noch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung in einer höheren Teilnahmequote zeigt. Des Weiteren wies der IQB-Ländervergleich darauf hin, dass auch in Bundesländern mit einer spezifischen zeitlichen Fortbildungsverpflichtung (Bayern, Bremen und Hamburg) ähnlich hohe Teilnahmequoten erreicht werden wie in Ländern ohne Fortbildungsverpflichtung. Die rechtlichen Vorgaben können somit nur eingeschränkt dazu beitragen, dass alle Lehrkräfte tatsächlich an Fortbildungen teilnehmen. Die Analyse der landesspezifischen Teilnahmequoten hat auf systematische Unterschiede zwischen den Ländern hingewiesen. Wodurch sich diese Unterschiede erklären lassen, ist jedoch ein Ziel zukünftiger Forschung.
Bundesländer
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792 Fortbildung des pädagogischen Personals
ST TH MV HH SN BB HB HE BE SL BY NI BW NW SH RP
97,3 96,6 94,2 93,8 93,2 92,7 86,5 85,0 84,1 83,8 82,9 80,9 80,8 75,2 71,1 66,9 50
60
70
80
90
100
Teilnahmequoten in Prozent BB=Brandenburg, BE=Berlin, BW=Baden-Württemberg, BY=Bayern, HB=Bremen, HE=Hessen, HH=Hamburg, MV=MecklenburgVorpommern, NI=Niedersachsen, NW=Nordrhein-Westfalen, RP=Rheinland-Pfalz, SH=Schleswig-Holstein, SL=Saarland, SN=Sachsen, ST=Sachsen-Anhalt, TH=Thüringen
Abb. 23.2: Anteil von Mathematik- und Naturwissenschaftslehrkräften, die in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 an mind. einer Fortbildung teilnahmen (Datengrundlage: IQB-Ländervergleich 2012)
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Schule 793 Die großen Lehrkräftebefragungen liefern neben rein quantitativen Angaben zu Quoten auch Informationen über die Inhalte der Veranstaltungen. In der Grundschule besuchten Lehrkräfte der Fächer Deutsch und Mathematik vor allem Veranstaltungen zur Fachdidaktik, zu Unterrichtsformen und methoden, zur Leistungsdiagnostik, zur Förderung leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler sowie zu Medien im Unterricht (Richter et al. 2012). Veranstaltungen zu spezifischen Bereichen der Förderung (Sprach- und Leseförderung) und zur Inklusion besuchten jeweils maximal 5 % der Lehrkräfte. In der Sekundarstufe I liegt der thematische Schwerpunkt ebenfalls in der Fachdidaktik, gefolgt von Veranstaltungen zu Unterrichtsformen und -methoden sowie zur Nutzung von Medien im Unterricht (vgl. Richter et al. 2013). Lehrkräfte beschäftigen sich also in der Fortbildung größtenteils damit, wie Unterrichtsprozesse gestaltet und verbessert werden können. Aktuelle Themen, die durch schulische Reformen an Bedeutung gewonnen haben, spielen in der Fortbildung eine eher untergeordnete Rolle. Ungeklärt ist jedoch bislang, ob die geringe Nutzung dieser Fortbildung durch einen Mangel im Angebot oder in der Nachfrage zu erklären ist. Die deskriptiven Forschungsarbeiten zur Fortbildungsteilnahme haben nicht nur in den Blick genommen, welche Fortbildungen von Lehrkräften besucht werden, sondern auch, mit welcher Motivation sie dies tun (vgl. Rzejak et al. 2014; Wolf et al. 1997). Aus diesen Arbeiten geht hervor, dass Lehrkräfte sehr häufig aus persönlichem Interesse und Spaß am Thema eine Fortbildung besuchen. Weitere wichtige Beweggründe sind die Verbesserung der professionellen Kompetenz, die Erarbeitung von Unterrichtsmaterialen und der gemeinsame Austausch mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Dies zeigt, dass Lehrkräfte an Fortbildungen auch deshalb teilnehmen, um in Kontakt mit anderen Lehrkräften zu treten und voneinander zu lernen. Eher selten besuchen Lehrkräfte Fortbildungen mit dem Ziel, beruflich aufzusteigen, eine Funktionsstelle zu übernehmen, wahrgenommene Defizite aus der Lehrerausbildung auszugleichen oder Erwartungen anderer zu erfüllen. Insgesamt werden Fortbildungen also insbesondere dann besucht, wenn sich Lehrkräfte von ihnen einen Zugewinn an Kompetenzen versprechen, jedoch kaum, um Karriereziele zu erreichen. 23.3.3 Effekte der Fortbildungsteilnahme In Fortbildungen entwickeln Lehrkräfte ihre Kompetenzen kontinuierlich weiter und halten sich über neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Neuerungen in der Schule auf dem Laufenden. Der in den Fortbildungen angestoßene Lernprozess soll dazu beitragen, die eigene berufliche Praxis zu reflektieren sowie neue Erkenntnisse und Kompetenzen für die Gestaltung des eigenen Unterrichts zu nutzen. Unter dieser Annahme wirken sich Fortbildungen nicht nur auf das Wissen und die Einstellungen von Lehrkräften aus, sondern auch auf das berufliche Handeln und die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. Wenn dies der Fall ist, dann sollten sich Fortbildungen schlussendlich auch in den Lernerträgen der Schülerinnen und
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794 Fortbildung des pädagogischen Personals Schüler niederschlagen (Überblick in Lipowsky 2011; ► Abb. 23.1). Eine solche theoretische Wirkungskette bildet die Grundlage für die Untersuchung von Effekten von Fortbildungen, die zunächst auf Basis von Metaanalysen und anschließend exemplarisch an ausgewählten Studien beschrieben werden. Die Auswirkungen von Fortbildungen auf die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern wurden bereits in verschiedenen internationalen Metanalysen und Review-Artikeln zusammengetragen. Die Metaanalysen kommen zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme an Lehrerfortbildungen im Mittel positiv mit Schülerleistungen zusammenhängt und diese eine Effektstärke zwischen 0.54 (Yoon et al. 2007) und 0.62 (Hattie 2009) aufweist. Diese Werte entsprechen einem mittelgroßen Effekt, der in etwa vergleichbar mit dem Einsatz erfolgreicher schulischer Förderprogramme oder effektiver Unterrichtsmethoden ist (vgl. Hattie 2009). Die Grundlage dieser Metaanalysen bilden vor allem englische und amerikanische Untersuchungen, da in Deutschland bislang nur wenige Fortbildungen im Rahmen von Experimenten auf ihre Wirksamkeit geprüft wurden. Zu den größten bundesweit durchgeführten Fortbildungsprogrammen gehört das SINUS-Programm, welches im Jahr 1998 in Folge der Ergebnisse der TIMSSStudie als Modellprojekt der Bund-Länder-Kommission eingerichtet wurde. Das Programm zielte darauf ab, Mathematik- und Naturwissenschaftslehrkräfte dabei zu unterstützen, die Qualität des eigenen Unterrichts weiterzuentwickeln und kooperative Strukturen in Fachgruppen in einer Gruppe mehrerer Schulen zu etablieren. Zur Untersuchung der Wirksamkeit dieses Programms wurden Daten von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften an SINUS-Schulen erhoben und mit denen einer repräsentativen Vergleichsgruppe in Beziehung gesetzt. In der Sekundarstufe I fand eine erste Evaluation bereits im Kontext der PISA 2003-Erhebung statt. Für die grundschulspezifischen SINUS-Programme (SINUS-Transfer Grundschule und SINUS an Grundschulen) erfolgte eine solche Evaluation erst mit der TIMSS-Erhebung (Trends in International Mathematics and Science Study) im Jahr 2011, da diese Programme deutlich später starteten. Die Ergebnisse der Evaluation in der Sekundarstufe I weisen darauf hin, dass Lehrkräfte an SINUSSchulen häufiger kooperieren, mehr kognitiv aktivierende Aufgaben einsetzen und in einzelnen Schulen auch bessere Lernergebnisse in Mathematik und den Naturwissenschaften erzielen als in den PISA-Vergleichsschulen (vgl. Prenzel et al. 2005). Für die Grundschule wurde ein ähnlicher Vergleich zwischen deutschen SINUSund TIMSS-Schulen hinsichtlich der Fortbildungsbeteiligung und den Schülerleistungen in Mathematik vorgenommen (vgl. Dalehefte et al. 2014). In dieser Untersuchung nahmen Lehrkräfte von SINUS-Schulen häufiger an mathematikbezogenen und allgemeinpädagogischen Fortbildungen teil und die Testergebnisse dieser Schulen lagen signifikant über denen einer repräsentativen Vergleichsgruppe in TIMSS 2011. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass das Fortbildungsprogramm SINUS nachhaltige Wirkungen sowohl auf der Ebene des Lehrerhandelns als auch auf der Ebene der Schülerleistungen erzielt hat.
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Erwachsenen- und Weiterbildung 795 Eine genauere Abschätzung der Wirksamkeit von Fortbildungen kann in (quasi-) experimentellen Studien vorgenommen werden, in denen der Erfolg einer Fortbildung durch einen Vergleich mit einer Kontrollgruppe ohne Fortbildungsbesuch betrachtet wird. Als eines der wenigen in Deutschland durchgeführten Quasi-Experimente in der Lehrerfortbildung soll hier exemplarisch eine Fortbildung zum naturwissenschaftlichen Unterricht in der Grundschule vorgestellt werden (Kleickmann et al. 2016). Diese Studie vergleicht die Wirksamkeit zwischen einer tutoriell gestützten Präsenzfortbildung und einer materialgestützten Fortbildung im Selbststudium einerseits und einer Kontrollgruppe ohne Fortbildung andererseits. Die tutoriell gestützte Fortbildungsgruppe nahm über 16 Tage (ca. 100 Stunden) an Fortbildungen teil, in denen fachliches und fachdidaktisches Wissen zu naturwissenschaftlichen Phänomenen auf Basis einer konstruktivistischen Lerntheorie vermittelt wurden. In den Fortbildungen wurde das Vorwissen der Lehrkräfte aufgegriffen und u. a. durch wissenschaftliche Experimente geprüft und weiterentwickelt. In der materialgestützten Fortbildungsgruppe eigneten sich die Teilnehmenden ihre Kompetenzen ausschließlich mit dem Lehrmaterial individuell an. Die Evaluation dieser Fortbildungen ergab, dass Lehrkräfte der tutoriell gestützten Fortbildung die konstruktivistische Lerntheorie häufiger als in der materialgestützten Fortbildung übernahmen und dass dies wiederum zu einem eher konstruktivistisch geprägten Unterricht beitrug. Außerdem entwickelten die Schülerinnen und Schüler von Lehrkräften der tutoriellen Fortbildung ein tieferes Verständnis der Phänomene Schwimmen und Sinken, welche in der Fortbildung besonders intensiv behandelt worden waren. Die Interventionsstudie konnte somit nachweisen, dass eine Fortbildung, die über einen längeren Zeitraum angelegt ist, am Vorwissen der Lehrkräfte ansetzt und das Lernen der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellt, positive Auswirkungen sowohl auf die Lehrkräfte als auch auf die von ihnen unterrichteten Schülerinnen und Schüler mit sich bringt.
23.4 Erwachsenen- und Weiterbildung Über Jahrzehnte wurden die Lehrkräfte als größte Gruppe der Beschäftigten in der Erwachsenen- und Weiterbildung eher beiläufig beachtet, da die Professionalisierungsdebatte auf das planend-disponierende, hauptberuflich tätige Personal konzentriert war. Die Ursachen für die aktuell in Bildungspraxis, Bildungspolitik und Bildungsforschung steigende Aufmerksamkeit liegen in sich wechselseitig verstärkenden längerfristigen Trends der Vergesellschaftung von Bildungs- und Erziehungsprozessen und eher kurzfristigen Reformdebatten, die im Anschluss an die Befunde aus Large-Scale-Studien vor allem auf eine höhere Leistungsfähigkeit und eine geringere soziale Selektivität der Erwachsenen- und Weiterbildung gerichtet sind. So hat z. B. die Europäische Union die Einführung von Standards
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796 Fortbildung des pädagogischen Personals für die Qualifikationen und Kompetenzen des Lehrpersonals in der Weiterbildung gefordert (vgl. Commission of the European Communities 2007). Auch der vom BMBF initiierte Innovationskreis Weiterbildung hat in seinen Empfehlungen 2008 die Förderung von Qualität und Professionalität in der Weiterbildung als eine wichtige Herausforderung benannt (BMBF 2008). Schließlich entwickelte eine vom BMBF beauftragte Expertise ein Referenzmodell zur Professionalitätsentwicklung und schlug Schritte der Implementierung vor (vgl. Kraft et al. 2009). 23.4.1 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen und Angebote Die organisierte Weiterbildung kennt ähnlich wie die frühe Bildung und anders als die die staatlich reglementierte Schule keine homogene institutionelle Struktur (► 20.3 und 23.3.1). Sowohl der Berufszugang als auch die Berufsausübung sind kaum reglementiert, so dass auch kaum zwischen Aus- und Fortbildung unterschieden werden kann. Daher fehlt derzeit auch ein verlässlicher Überblick über Angebote zur Fortbildung des Lehrpersonals in der Weiterbildung. Da die Formen der Berufstätigkeit zwischen den Kontexten der Erwachsenen- und Weiterbildung deutlich variieren, ist die folgende Darstellung nach Kontexten gegliedert. Der Fokus ist auf (non-)formale Angebote gerichtet, die einen umfassenderen Qualifizierungsanspruch verfolgen, informelle und selbstgesteuerte Lernangebote werden nur kurz erwähnt. Auf eine Lehrtätigkeit in der Weiterbildung kann man sich u. a. durch ein Studium der Erziehungswissenschaft vorbereiten, seit Ende der 1960er Jahre in der Form von Diplomstudiengängen, mit den Bologna-Reformen vor allem in BA- und MA-Form, sowohl grundständig als auch berufsbegleitend (vgl. Zeuner 2013; Faulstich et al. 2012). Die Studiengänge bereiten in der Regel auf planend-disponierende Tätigkeiten vor. Fragen der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen werden zwar mitbehandelt, stehen aber in der Regel nicht im Vordergrund. Gleichwohl haben frühere Studien gezeigt, dass eine wachsende Zahl von Absolventinnen und Absolventen eine freiberufliche Lehr- oder Beratungstätigkeit ausübt (Krüger und Rauschenbach 2004). Über grund- und weiterqualifizierende Studiengänge hinaus haben mehrere Universitäten (z. B. Karlsruhe, Weingarten, Oldenburg, Mainz und Bremen) Zusatzoder Ergänzungsstudiengänge entwickelt, die nebenberuflich auch von Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung besucht und in der Regel mit einem universitären Zertifikat abgeschlossen werden können. Diese Angebote haben zumeist ein Volumen von einigen hundert Unterrichtsstunden, sind kostenpflichtig bei moderaten Gebühren (zumeist zwischen 1.000 und 2.000 Euro) und sehen durch die Vergabe von Creditpunkten auch Anschlüsse an universitäre Abschlüsse vor. Bei universitären Angeboten der Aus- und Fortbildung variieren die Inhalte zwar im Detail, sind aber in der Zielrichtung und im Aufbau ähnlich: Es geht zumeist um das Rollenverständnis von Lehrkräften, um die Arbeit in und mit Gruppen, generell um Fragen der Didaktik und Methodik einschließlich der Unterstützung selbstgesteuerten Lernens sowie um die Evaluation von Lern- und Transfererfolgen.
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Erwachsenen- und Weiterbildung 797 Für den Bereich der öffentlich-anerkannten Weiterbildung sind Angebote der Volkshochschulen charakteristisch, die in der Regel von Landesverbänden organisiert werden. Sie zielen zumeist auf eine erwachsenenpädagogische Grundqualifikation, die modular vermittelt wird und mit Zertifikaten abgeschlossen werden kann. Viele dieser Angebote orientieren sich an der Grundqualifikation für Kursleitende des Deutschen Volkshochschulverbandes. Vermittelt wird grundlegendes Wissen zu den Themen des Lehrens und Lernens, der Planung von Kursen, der Kommunikation in Gruppen und der Präsentation und Moderation, verknüpft mit Angeboten zur Selbstreflexion und zum Erfahrungsaustausch. In der Regel handelt es sich um Grundlagenseminare, es finden sich aber auch spezielle Angebote etwa zum Fremdsprachenlernen oder zur Basisqualifizierung in der Alphabetisierung und Grundbildung. Gelegentlich werden mit der Vergabe von ECTS-Punkten auch Anschlüsse an universitäre Studiengänge gesucht. Auch Verbände der katholischen und evangelischen Erwachsenenbildung sowie die Gewerkschaften haben zertifizierte Angebote zur Qualifizierung ihres Lehrpersonals entwickelt. Beispielhaft sei das Evangelische Fernstudium Erwachsenenbildung genannt, das bereits seit Jahrzehnten angeboten wird und wesentlich auf Studienbriefen beruht. Auch in der kirchlichen Erwachsenenbildung finden sich wie bei den Volkshochschulen Versuche, bundesweit gültige Standards für Lehrkräfte einzuführen. In Niedersachsen bietet die Agentur AEWB Fortbildungen für Kursleitende an, die ebenfalls an der Grundqualifikation von Kursleitenden der VHSen orientiert sind. Schließlich haben Wohlfahrtsverbände wie das Deutsche Rote Kreuz systematische Qualifizierungsangebote für ihre Dozentinnen und Dozenten entwickelt und im Rahmen einer bundesweit gültigen Ausbildungsordnung einheitlich geregelt. Neben den traditionellen Trägerverbänden haben sich inzwischen auch verschiedene Berufsverbände etabliert, deren Arbeit zumeist auf die Weiterbildung in (kommerziellen und gemeinnützigen) Unternehmen und Betrieben ausgerichtet ist. In der Regel werden diese Angebote als Train-the-Trainer-Seminare realisiert. Vergeben werden anbieterspezifische Zertifikate, oft wird auch eine Vorbereitung auf ein IHK-Zertifikat angestrebt. In diesem Feld sind die Qualifizierungen in der Regel höherpreisig und variieren zwischen ca. 1.500 bis ca. 8.000 Euro pro Lehrgang, der in der Regel ein Stundenvolumen von einigen hundert Stunden umfasst (Selbststudium plus Präsenzseminare). Inhaltlich geht es um allgemeine Informationen zur Trainertätigkeit, Grundwissen in den Bereichen des Lernens und der Lernmotivation sowie der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Seminaren, um Lehr-Lernmethoden und die Steuerung von Gruppenprozessen (vgl. Hohenstein 2015). Auch in diesem Feld steht die Vermittlung grundlegenden Wissens im Vordergrund, es kommen aber auch Lehrproben, Feedbacks durch Beobachter*innen und strukturierte Selbsteinschätzungen zum Einsatz. Vergleichbare Angebote machen privatwirtschaftliche Anbieter wie der TÜV. Neben diesen überwiegend non-formalen Fortbildungsangeboten findet sich eine große Zahl an wissenschaftlich orientierten Selbststudienmaterialien auf der einen
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798 Fortbildung des pädagogischen Personals sowie von erfahrungsgestützter Ratgeberliteratur auf der anderen Seite. Thematisch stehen didaktisches Handlungs-, vor allem Methodenwissen, die Moderation von Lern- und Arbeitsprozessen sowie die Steuerung und Bewältigung von oft als potenziell konflikthaft angesehenen Gruppenprozessen im Vordergrund. Will man die institutionellen Rahmenbedingungen und die Angebote an Fortbildung für das Lehrpersonal der Erwachsenen- und Weiterbildung zusammenfassend charakterisieren, so lässt sich als erstes eine Vielzahl trägerspezifischer Qualifizierungsangebote konstatieren. Dabei zeigen sich kontextspezifische Differenzen insoweit, als die Institutionalisierungsprozesse und Reglementierungsversuche in jenen Bereichen besonders weit fortgeschritten sind, in denen eine (Haupt-)Beruflichkeit von Lehrtätigkeiten am stärksten etabliert ist. Kontextübergreifende Regelungen fehlen derzeit noch, gleichwohl lassen sich innerhalb aller Kontexte Initiativen für die Etablierung bundesweiter Standards finden. Dafür bieten die großen inhaltlichen Schnittmengen eine gute Voraussetzung. Auffallend ist zudem, dass die Fortbildungsangebote in der Regel einen grundqualifizierenden und allgemein-didaktischen Schwerpunkt haben, Differenzierungen nach Fächern oder Kompetenzniveaus finden sich kaum. Fachwissen wird als durch Ausbildung und/oder Berufs- und Lebenserfahrung gegeben unterstellt. Unterschiede zwischen den Kontexten betreffen den Umfang, die Dauer und die Kosten von Fortbildungen. Ordnungspolitisch reicht das Spektrum von zertifikatsorientieren berufsbegleitenden Ergänzungs- und Zusatzstudiengängen über zertifizierte Aufstiegsfortbildungen bis hin zu verbandlichen Zertifikaten. Im Vordergrund steht die Wissensvermittlung, die Reflexion berufspraktischer Erfahrungen wird seltener unterstützt, kaum gefördert wird das Einüben alltäglicher Handlungsroutinen. Die Diskrepanz zwischen einer gestiegenen Bedeutungszuschreibung und immer noch geringer Professionalisierung von Lehrtätigkeiten in der Weiterbildung findet seit einigen Jahren in einer Vielzahl von Projekten ihren Ausdruck, die den Berufszugang und die Berufsausübung transparenter zu gestalten und ggf. auch zu regeln versuchen. So hat das DIE in den vergangenen Jahren einen deutlichen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Förderung der Professionalitätsentwicklung des Lehrpersonals gerichtet, der sowohl Informations- und Vernetzungsangebote (mit Hilfe des Portals wb-web), die Entwicklung von Trainingsangeboten sowie die Erarbeitung von Grundlagen für Anerkennungs- und Zertifizierungsprozesse umfasst (vgl. Lencer und Strauch 2016). 23.4.2 Adressaten und Nutzung von Fortbildungen Während für die allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen statistische Daten zur Zahl, zur Qualifikation und zu Art und Umfang der Tätigkeiten jährlich aktualisiert werden, ist im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung bereits das Wissen über die berufliche und soziale Situation des Lehrpersonals unbefriedigend. Neben teils bereits älteren kontextspezifischen Bestandsaufnahmen hat erst der wb-personalmonitor eine verbesserte Datenlage erbracht (DIE et al. 2016).
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Erwachsenen- und Weiterbildung 799 Diese zweistufige Befragung stützte sich auf die Anbieterdaten des wbmonitor mit einem Adressbestand von mehr als 20.000 Weiterbildungsanbietern. Nur marginal berücksichtigt ist allerdings der große Bereich der innerbetrieblichen Weiterbildung. Nach den Daten dieser Erhebung arbeiteten im Jahr 2014 hochgerechnet ca. 700.000 Beschäftigte in der Weiterbildung, darunter ca. 530.000 Lehrende, auf die ca. 1,3 bzw. 1,1 Mio. Beschäftigungsverhältnisse entfallen. Die Gruppe der Lehrenden, die je nach Kontext als Kursleitende, Trainer und Trainerinnen, Dozentinnen und Dozenten, Referenten und Referentinnen oder Coaches bezeichnet werden, arbeitet überwiegend nebenberuflich, als Honorarkräfte oder ehrenamtlich und zum geringeren Teil in hauptberuflichen Beschäftigungsverhältnissen. Das Personal insgesamt, aber auch das Lehrpersonal ist hoch qualifiziert. So verfügen zwei Drittel der Lehrkräfte über einen akademischen Abschluss, zu einem höheren Anteil bei den Angestellten oder Verbeamteten und zu einem geringeren Teil bei den Honorarkräften oder Ehrenamtlichen. Etwa ein Viertel der Lehrkräfte hat ein pädagogisches bzw. erziehungswissenschaftliches Studium abgeschlossen, zusätzlich haben ca. 7 % pädagogische Studienanteile im Neben- oder Beifach anderer Studiengänge besucht. Bei den übrigen akademischen Studiengängen reicht das Themenspektrum von der Wirtschafts- und Technikwissenschaft über das Recht, die Psychologie, die Informatik, die Sprach- und Kulturwissenschaften bis zu den Naturwissenschaften. Darüber hinaus finden sich vielfältige pädagogische Zusatzqualifikationen (bei immerhin 64 % der Beschäftigten; vgl. Martin 2018): Ausbildereignungsprüfungen nach der AEVO, Aufstiegsfortbildungen zum IHK-Ausund Weiterbildungspädagogen, Train-the-Trainer- oder Coaching-Ausbildungen, Ausbildungen in Systemischer Beratung, im Neurolinguistischen Programmieren, im Qualitätsmanagement, in der Mediation, in der Fortbildung zur ProfilPASSBeratung oder Zusatzzertifikate für Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache. Dabei verfügen eher die pädagogisch Vorgebildeten als die fachfremd pädagogisch Arbeitenden über solche Zusatzqualifikationen. Eine Folge der Unterschiede in den Beschäftigungsverhältnissen sind deutliche Spreizungen im Nettoeinkommen: Während etwa 50 % der Lehrkräfte (Martin und Langemeyer 2014) über ein Nettoeinkommen von bis zu 1.100 Euro verfügen, verdienen gleichzeitig noch 10 % mehr als 2.300 Euro. Neben einer großen Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse, vor allem in den Bereichen der öffentlich finanzierten Weiterbildung, findet sich gleichzeitig eine kleine Gruppe von Spitzenverdienern vor allem in der innerbetrieblichen Weiterbildung. Während das Wissen um die berufliche und soziale Situation in den vergangenen Jahren deutlich verbessert werden konnte, ist der Forschungsstand zu den geforderten und vorhandenen pädagogischen und fachlichen Kompetenzen nach wie vor lückenhaft. Nach den Befunden des wbmonitor (Ambos et al. 2015) rekrutieren Weiterbildungsanbieter ihr Lehrpersonal vor allem aufgrund der vermuteten Passung zum Selbstverständnis und zu den Werten der Einrichtung, sodann aufgrund ihres fachlichen Wissens und Könnens sowie ihrer beruflichen Erfahrung.
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800 Fortbildung des pädagogischen Personals Pädagogische Kompetenzen spielen dagegen nur eine nachgeordnete Rolle. Dieses Rekrutierungsverhalten ist vermutlich weniger Ausdruck der Geringschätzung des Pädagogischen als Folge einer eingeschränkten Urteilsfähigkeit angesichts fehlender professioneller Standards. Blickt man auf die Nutzung von Fortbildungsangeboten, so lässt sich zunächst feststellen, dass sowohl die beschäftigenden Einrichtungen als auch die Beschäftigten selbst einen hohen Bedarf konstatieren. So sehen laut wbmonitor 47 % der Weiterbildungsanbieter bei ihren Mitarbeitenden Qualifizierungsbedarf in der „erfolgreichen Lehre“ (BIBB und DIE 2008, 3). Während Weiterbildungsanbieter und Trägerverbände jedoch Interesse an kontextspezifischen Bindungen und damit auch an kontextspezifischen Fortbildungen haben, sind Lehrkräfte eher an kontextübergreifenden Verwertungsmöglichkeiten interessiert (vgl. Hippel und Tippelt 2009). Dazu könnten aus Sicht der Lehrkräfte auch die Validierung und Zertifizierung von informell erworbenen Kompetenzen beitragen, für die es – angemessene Finanzierungsbedingungen vorausgesetzt – durchaus eine Offenheit gibt (vgl. Kühn 2014). Stellt man die häufig prekären Beschäftigungsverhältnisse des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung in Rechnung, so liegen die Beteiligungsquoten bemerkenswert hoch. So haben 78 % aller Beschäftigten in der Erwachsenen- und Weiterbildung in den vergangenen zwölf Monaten an mindestens einer beruflichen oder allgemeinen Weiterbildung teilgenommen. Hier ist allerdings zu bedenken, dass viele Lehrkräfte nebenberuflich arbeiten und daher nicht immer eindeutig zu entscheiden ist, ob die Weiterbildungsteilnahme sich auf den Haupt- oder den Nebenberuf bezieht. Die Kosten der Weiterbildungsteilnahme werden in jedem dritten Fall vollständig selbst getragen, in mehr als 40 % der Fälle übernimmt sie der Arbeitgeber, in den übrigen Fällen werden öffentliche Mittel genutzt oder es kommt zu Mischfinanzierungen. Je stabiler die Beschäftigungsverhältnisse, desto höher ist die Beteiligungsquote und die Investition in Zusatzqualifikationen. Die Daten des Mikrozensus erlauben einen Vergleich der Weiterbildungsquoten des pädagogisch tätigen Personals nach Bildungssektoren. Danach liegen die Quoten im Sekundär- und Primar-Bereich mit 51 bzw. 45,4 % deutlich über denen im Tertiärund Quartär-Bereich (34 bzw. 29 %). Das durchschnittliche Weiterbildungsvolumen liegt bei 56 Stunden, bei einer großen Spannweite von einigen wenigen Stunden, Tagen oder auch einer ganzen Woche (fast 50 % aller Teilnahmen); nur etwa 7 % der besuchten Weiterbildungsveranstaltungen dauern mehr als eine Woche. Nimmt man die AES-Daten zum Vergleich, so liegt die durchschnittliche Dauer im Weiterbildungsbereich mit ca. 20 Stunden unterhalb des Weiterbildungsvolumens aller Erwerbstätigen (ca. 36 Stunden). Konzentriert man sich nur auf die Gruppe der Akademikerinnen und Akademiker, so liegt das durchschnittliche Weiterbildungsvolumen zumeist bei ca. 40 Stunden pro Jahr (Median), das arithmetische Mittel zwischen 52 und 74 Stunden (vgl. Widany 2014). Wie in der Weiterbildung insgesamt, sinken Weiterbildungsquote und Weiterbildungsvolumen auch im Bildungsbereich mit zunehmendem Alter. Die Gründe für eine Nicht-Teilnahme an
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Erwachsenen- und Weiterbildung 801 Weiterbildung (bei knapp einem Viertel der Befragten) liegen aus Sicht der Adressatinnen und Adressaten vor allem in der fehlenden Zeit, gefolgt von einer positiven Einschätzung der Aktualität des vorhandenen Wissens. Von einem Viertel der Befragten werden Kostengründe genannt oder es werden autodidaktische Fortbildungen bevorzugt wie überwiegend bei den nebenberuflich tätigen Honorarkräften, die auch besonders häufig fehlende Zeit als Hinderungsgrund nennen. Zusammenfassend lassen sich die Adressaten und Adressatinnen von Fortbildungsangeboten und deren Nutzung wie folgt beschreiben: Wir beobachten eine zunehmend berufsförmige Ausübung der Lehrtätigkeit in der Erwachsenen- und Weiterbildung, die seit dem beginnenden 19. Jahrhundert traditionell neben- und ehrenamtlich ausgeübt und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein auch als solche eingefordert wurde. Die berufsfachliche Dichte bei Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung ist gering, die Berufswege sind weithin ungeregelt, Beschäftigungsverhältnisse reichen von ehrenamtlicher und nebenberuflicher Tätigkeit bis hin zu einer wachsenden Zahl Selbständiger bzw. Freiberufler, die diese Tätigkeit im Hauptberuf ausüben (vgl. Martin und Langemeyer 2014). Vielfach prekäre Beschäftigungssituationen und atypische Arbeitsverhältnisse (vgl. z. B. Research voor Beleid und PLATO 2008; Dobischat et al. 2009) drängt viele Lehrkräfte zu einer marktgängigen Themenökonomie (vgl. Schrader 1998), zu einer „autodidaktischen“ Qualifizierung und zu „individuellen Strategien der Professionalisierung“ (vgl. Nittel 2006). Solche Strategien werden allerdings dadurch erschwert, dass die Teilnahme an Fortbildungen zumeist in Konkurrenz zur Lehrtätigkeit und damit zur Einkommenssicherung steht (Kosubek et al. 2009, 122-125). 23.4.3 Effekte der Teilnahme an Fortbildungen Derzeit liegen nur wenige Forschungsbefunde zu den Wirkungen von Fortbildungen des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung vor. Aus einer berufssoziologischen Perspektive lassen sich Effekte auf den beruflichen Status von solchen auf die professionelle Kompetenz sowie auf die berufliche Identität unterscheiden. Während Statuseffekte in der frühen Bildung sowie im Schulbereich nur begrenzt zu erwarten sind, da hier relativ gesicherte Beschäftigungsverhältnisse im Angestellten- oder Beamtenstatus bei gleichzeitig geringen Karriereoptionen bestehen, stellt sich die Situation in der Weiterbildung mit ihren vielfältigen und häufig unsicheren Beschäftigungsverhältnissen grundlegend anders dar. Re-Analysen auf der Basis der Mikrozensusdaten zeigen, dass sich die Teilnahme an Fortbildungen positiv auf die Zahl und die Dauer der Aufträge und vermittelt über die größere Beschäftigungssicherheit auch auf das Einkommen auswirkt (Martin und Langemeyer 2014). Darüber hinaus scheint die Teilnahme an Fortbildungen sich positiv auf die berufliche Identität auszuwirken (vgl. Schrader et al. 2010). Auch zu den Effekten auf professionelle Kompetenzen liegen erste empirische Befunde vor. Legt man die Unterscheidungen von Lipowsky (► Abb. 23.1) zugrunde, so beziehen sich diese aber nicht primär auf den Zuwachs an pädagogischem Wis-
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802 Fortbildung des pädagogischen Personals sen oder den Zugewinn an unterrichtsbezogener Handlungskompetenz, sondern haben ihren Schwerpunkt im Bereich der Wahrnehmung und Diagnose pädagogischer Situationen und darüber vermittelt auch in der Reflexion berufsrelevanter eigener Erfahrungen. So hat der Lehrstuhl Erwachsenenbildung/Weiterbildung der Universität Tübingen seit einigen Jahren einen Fokus auf die Förderung der situationsdiagnostischen Kompetenzen mit Hilfe authentischer Videofälle gelegt. In experimentellen Studien konnte u. a. gezeigt werden, dass die Kompetenz zur Diagnose von Lehr-Lernsituationen zielgerichtet und mit guten Effektstärken gefördert werden kann (vgl. Goeze et al. 2013). Implementationsstudien zeigten zudem, dass die Effekte solcher Fortbildungen auch dann erhalten bleiben, wenn sie von Praktiker*innen selbst und nicht von Wissenschaftler*innen durchgeführt werden, am ehesten jedoch dann, wenn sich die Praktiker*innen nahe am Ursprungskonzept orientieren (vgl. Hetfleisch et al. 2017). Dieser Befund verweist auf den Bedarf an wissenschaftlicher Unterstützung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Entwicklung von Fortbildungsangeboten (Digel 2013).
23.5 Herausforderungen und Potenziale der Fortbildung Die Ausführungen zeigen, dass durch Fort- und Weiterbildung die Qualitätsentwicklung frühkindlicher Bildung und Betreuung in Deutschland unterstützt werden kann und somit ein bedeutsamer Beitrag zur Professionalisierung geleistet werden kann. Als wachsender Markt stellt Fort- und Weiterbildung auch ein wichtiges Berufsfeld für hochschulisch ausgebildete Frühpädagoginnen und -pädagogen dar, für die bislang noch keine adäquaten Positionen im frühkindlichen Bildungssektor geschaffen wurden. Das Feld weist aber auch eine Reihe von Herausforderungen auf, gerade im Vergleich zum schulischen Sektor. Zunächst ist hier die dezentrale Organisation zu nennen, die den Fort- und Weiterbildungsmarkt im Feld der frühkindlichen Bildung unübersichtlich und wenig steuerbar macht. Hierdurch ist die Entwicklung bedarfsorientierter Angebote erschwert. Obwohl frühpädagogische Fachkräfte auch ohne verpflichtendes Fortbildungskontingent als äußerst fortbildungsaktiv beschrieben werden können, so scheinen die Regelungen zur Freistellung von den Dienstaufgaben nicht in allen Regionen zufriedenstellend gelöst und insgesamt den Besuch von kurzfristigen Veranstaltungen zu begünstigen. Mit Blick auf den Forschungsstand ist hier zu konstatieren, dass langfristige fachliche Unterstützung für eine nachhaltige Qualitätsunterstützung notwendig zu sein scheint. Als große Desiderata sind die Qualitätssicherung der Fortbildungsangebote selbst und systematische umfassende Begleitforschung zur Identifikation und Weiterentwicklung effektiver Maßnahmen zu nennen. Aus der Fortbildungsforschung für schulische Lehrkräfte ist bekannt, dass die überwiegende Mehrheit der Lehrkräfte regelmäßig an Fortbildungen teilnimmt. Die
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Herausforderungen und Potenziale der Fortbildung 803 Veranstaltungen dauern oft jedoch nicht länger als einen Tag, und sie stehen nur selten mit anderen Veranstaltungen in direkter Verbindung. Lernwirksame Fortbildungen zeichnen sich allerdings u. a. dadurch aus, dass sie über einen längeren Zeitraum angelegt sind, Lern-, Übungs- und Reflexionsphasen beinhalten und so kumulatives Lernen ermöglichen. Ein großes Potenzial zur Einrichtung kumulativer Lernprozesse liegt in den schulinternen Fortbildungen, die mittlerweile in den Schulen aller Bundesländer geplant und durchgeführt werden müssen. Insbesondere den Schulleiterinnen und Schulleitern kommt hier die Aufgabe zu, solche Angebote zu schaffen, die den Bedürfnissen des Kollegiums bzw. der Fachschaften entsprechen, und dafür Sorge zu tragen, dass von diesen Veranstaltungen tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Des Weiteren besteht für die Anbieter von Lehrerfortbildung die Herausforderung, ihre Angebote stärker an den aktuellen schulpraktischen Erfordernissen zu orientieren und schulische Reformen wie den Ausbau inklusiver Bildung in den Veranstaltungen zu berücksichtigen. Mit der Institutionalisierung des lebenslangen Lernens schreitet auch die Entwicklung eines Berufsbildes für Lehrkräfte in der Weiterbildung voran. Da kontextübergreifende berufsständische Interessenvertretungen fehlen, ist der Professionalisierungsgrad im berufssoziologischen Sinne gering. Was das für die pädagogische Professionalität und damit auch die Qualität des Lehrens und Lernens in der Erwachsenen- und Weiterbildung bedeutet, ist allerdings kaum untersucht. Die Sichtung der Fortbildungsangebote lässt erkennen, dass die Gemeinsamkeiten pädagogischer Anforderungen bei der Planung, Gestaltung und Evaluation organisierter Lehr-Lernprozesse so groß sind, dass kontextübergreifende Kompetenzstandards und Zertifizierungspraxen etabliert werden könnten. Wenn die Potenziale und Herausforderungen der Fortbildung des Lehrpersonals in der Weiterbildung genutzt werden sollen, müssen unterschiedliche Formen der Beruflichkeit in den verschiedenen Kontexten der Erwachsenen- und Weiterbildung sowohl von den Träger- als auch den Berufsverbänden erkannt und anerkannt werden. Fortschritte in der Professionalitätsentwicklung sind dann zu erwarten, wenn Fortbildungsangebote kompetenztheoretisch fundiert sind und bildungspolitisch unterstützt werden. Übergreifende Rahmenmodelle der Kompetenzen von Lehrkräften in der Weiterbildung, die die Aus- und Fortbildung des Lehrpersonals anleiten, Zertifizierungen fundieren und damit Berufsbilder zugleich stützen und profilieren können, liegen inzwischen vor (vgl. Schrader und Goeze, i. V.). In den Nachbarländern Schweiz und Österreich existieren bereits trägerübergreifende Systeme, die Kompetenzprofile definieren, diese zu Standards erklären und Möglichkeiten bieten, die vielfach auf non-formalen und informellen Wegen erworbenen Kompetenzen anerkennen zu lassen. In diesem Zusammenhang werden auch Vorschläge für die Anerkennung und damit die Qualitätssicherung von Fortbildungen erarbeitet. Strategien der kontextübergreifenden Selbstorganisation scheinen
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804 Fortbildung des pädagogischen Personals
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besonders vielversprechend in einem Tätigkeitsfeld, in dem öffentlich-rechtliche, tarifvertragliche oder privatrechtliche Vereinbarungen zur Stabilisierung dieses fragilen Arbeitsmarktes auf absehbare Zeit nicht zu erwarten sind.
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24 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter Bernhard Schmidt-Hertha und Rudolf Tippelt
Zusammenfassung Mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – insbesondere dem deutlich wachsenden Anteil älterer Menschen in nahezu allen Industrienationen – verändern sich auch die Anforderungen an das dritte Lebensalter. Für Bildungsprozesse stellen sich die personenbezogenen kognitiven Voraussetzungen äußerst divers dar und das kalendarische Alter erweist sich als unzulängliches Kriterium für die Differenzierung von Zielgruppen. Einschlägige Studien verweisen nicht nur auf ein Kompetenzgefälle zwischen jüngeren und älteren Erwachsenen im Hinblick auf deren Mediennutzungskompetenz, sondern auch im Bereich der Lesekompetenz und Alltagsmathematik schneiden ältere Erwachsene signifikant schlechter ab. Es überrascht, dass sich der Einfluss der Herkunftsfamilie auch im höheren Erwachsenenalter stark auf grundlegende Kompetenzen auswirkt, was aber auch darauf hinweist, dass Kompetenzentwicklung nicht nur durch das Alter erklärt werden kann. Das Konzept der Lebenskompetenz scheint für Forschungsarbeiten zur Kompetenzentwicklung im hohen Alter anschlussfähig. Unter Lebenskompetenz werden dabei nicht nur basale kognitive Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung des Alltags verstanden, es geht vor allem um psychosoziale Dispositionen wie Empathie, Umgang mit Belastungen, Kommunikation und Selbstbehauptung, die die gesellschaftliche Partizipation stärken. Diskurse über „Weisheit“ lenken den Blick auf Spitzenleistungen im Bereich psychosozialer Problemlösungen, für die ein gewisses Alter vielfach als notwendige Voraussetzung beschrieben wird. Die Bedingungen und Chancen für Bildungsteilhabe sind nicht nur zwischen sozialen Gruppen, sondern auch zwischen Generationen ungleich verteilt. Dabei geht es u. a. um die mit Bildungszertifikaten verbundenen Arbeitsmarktchancen und die frühe Auseinandersetzung mit der Idee des lebenslangen Lernens. Die Bildungsbarrieren älterer Erwachsener sind ähnlich vielfältig wie deren Bildungsinteressen und -motive. Dabei kann die ungenügende Erreichbarkeit passender Angebote ebenso eine Rolle spielen wie die Exklusion von Bildungsmöglichkeiten, gesundheitliche Einschränkungen oder negative Altersbilder. Die bis ins hohe Alter vorhandenen
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810 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter
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Möglichkeiten von Entwicklungsgewinnen können durch Bildungsprozesse realisiert werden, wenn diese durch differenzierte Angebote auch individuell bedeutsame Erfahrungen ermöglichen.
24.1 Alter als Lebensphase Die im letzten Jahrhundert um über dreißig Jahre gestiegene durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen und Männern in Deutschland führte zusammen mit der seit Jahren stagnierenden Fertilitätsrate zu einem grundsätzlich veränderten Altersaufbau der Bevölkerung, wobei die Kohorte der heute ca. 50-Jährigen (Baby Boomer der späten 1960er Jahre) in 25 Jahren – dann als 75-Jährige – die größte Altersgruppe in Deutschland sein werden. Gleichzeitig ist die demografische Entwicklung in Deutschland als ein dauerhafter Prozess mit wechselnden Geschwindigkeiten bei gleichzeitig großen regionalen und sozialstrukturellen Unterschieden zu verstehen. Auch wenn der demografische Wandel aus historischer Perspektive immer eine große Vielfalt hatte, ist derzeit die Dynamik der Alterung auffällig und historisch neu (► Abb. 24.1). Durch Geburtenrückgang, Migrationsbewegungen und Alterungsprozesse werden in der Gesellschaft des langen Lebens neue Bildungsbedarfe sichtbar (Wahl und Kruse 2014). 2013
5% 15%
2060
2030
8%
18%
12%
18%
16%
19% 10%
19%
10%
12% 22% 20% 28%
0-19
20-29
30-49
25%
50-64
19%
65-79
24%
80 und älter
Ausgehend von Kontinuität bei stärkerer Zuwanderung (Modellvariante 2 G1 L1 W2)
Abb. 24.1: Bevölkerungsprognose (Daten: Statistisches Bundesamt 2015, 20)
Die Bezeichnung von Individuen als „alt“ oder auch die Zuordnung zur Gruppe der „Alten“ entfaltet in unserem Kulturkreis nach wie vor eine negativ stigmatisierende Wirkung und führt zu Abwehrhaltungen der so Kategorisierten. Negativ konnotierte Altersbilder und Stereotype sind aber lediglich ein Grund dafür,
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Alter als Lebensphase 811 dass Personen – egal welchen Alters – sich in der Regel selbst nicht zur Gruppe der „Alten“ zählen. Solche Abwehrhaltungen sind auch durch die gesellschaftliche Stellung bzw. Exklusionsprozesse bedingt, die mit dem Label „alt“ verbunden sind. Alter wird gesellschaftlich auf diverse Weise mit Hilfsbedürftigkeit, geringerer Leistungsfähigkeit und dem Druck des beruflichen Rückzugs verbunden. Da es sich hierbei primär um gesellschaftliche Zuschreibungsprozesse und normative Rollenzumutungen handelt, steht im Folgenden nicht das Alter als biologische Kategorie oder kalendarische Größe im Zentrum, sondern die Lebensphasen, die sich mit dem sogenannten dritten und vierten Lebensalter (vgl. Baltes und Smith 1999) zunehmend ausdifferenzieren. Während das dritte Lebensalter eine Phase unverändert hoher physischer und psychischer Leistungsfähigkeit beschreibt, die aber häufig auch mit dem Ende der Vollerwerbsphase sowie mit spezifischen Herausforderungen u. a. in der Familie (Auszug der Kinder, Pflegebedürftigkeit der Eltern etc.) verbunden ist, skizziert das vierte Lebensalter den schrittweisen Verlust von Autonomie u. a. aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen und damit einhergehend ein zunehmendes Angewiesensein auf organisierte oder private Unterstützungssysteme. Mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – vor allem dem deutlich wachsenden Anteil älterer Menschen in praktisch allen Industrienationen – verändern sich aber auch normative Anforderungen insbesondere an das dritte Lebensalter. Im Sinne eines aktiven Alterns (vgl. Kolland und Ahmadi 2010) werden ältere Erwachsene zunehmend als gesellschaftliche Ressource gesehen, und ihr aktives Engagement in der Zivilgesellschaft wird nicht nur geschätzt, sondern auch eingefordert (z. B. Friedrich-Ebert-Stiftung 2008). Während also im Erwerbssystem Ältere noch immer als personalpolitische „Manövriermasse“ (Naegele 2000, 31) und als Mitarbeitende zweiter Wahl gesehen werden (vgl. Clemens 2001), werden sie im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements und ehrenamtlicher Tätigkeiten sowie in der innerfamiliären Kinderbetreuung nicht nur längst als tragende Stütze, sondern vielfach auch als noch nicht ausgeschöpftes Reservoir potenzieller Leistungsträger wahrgenommen (vgl. Gensicke 2010). Eine in den vergangenen Jahrzehnten deutlich ausgedehnte Phase der Entbindung von Erwerbsverpflichtungen und gleichzeitiger physischer und psychischer Belastbarkeit hat einerseits neue Erwartungshaltungen generiert, setzt die Betroffenen andererseits aber auch unter einen Gestaltungsdruck, verbunden mit dem Anspruch, in der Nacherwerbsphase noch einmal ganz neue Muster der Lebensgestaltung zu entwerfen, sich jedenfalls nicht einfach in ein auf die Kernfamilie reduziertes Privatleben zurückzuziehen. Mit diesen Lebensphasen verbunden sind jeweils eigene Entwicklungsaufgaben, die eine schon von Erikson (1959) beschriebene reflexive und rekonstruktive Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie umfasst, aber ebenso die Auseinandersetzung mit sowie die Adaption des eigenen Lebensstils an veränderte Lebensumstände, z. B. durch den Übergang in die Nacherwerbsphase bzw. in eine weitere – dann
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812 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter meist anders gestaltete – Phase beruflicher Tätigkeit (second career), durch familiäre Transitionen, durch den Umgang mit dem Verlust von nahestehenden Bezugspersonen oder durch Autonomieeinbußen. Für viele steht im vierten Lebensalter weniger die Kompetenzentwicklung als der Kompetenzerhalt im Vordergrund, aber auch die Ermöglichung von gesellschaftlicher Partizipation. Bildungsprozesse sind häufig mit diesen lebensphasenbezogenen Herausforderungen verbunden oder zumindest von diesen gerahmt, aber natürlich auch durch biografische Erfahrungsaufschichtungen sowie individuelle Entwicklungsverläufe geprägt.
24.2 Individuelle Voraussetzungen für Bildung im Alter Bei Betrachtung der Voraussetzungen von Bildung im Alter lassen sich einerseits kognitive sowie biografische Dimensionen und andererseits interindividuell ähnliche sowie interindividuell divergente Entwicklungen differenzieren. Im Kern kann festgehalten werden, dass Entwicklungsverläufe – gerade auch die kognitive Entwicklung – hochgradig individuell sind und von biografischen Erfahrungen vermutlich stärker geprägt sind als von genetischen Einflüssen, wenngleich letztere mit zunehmendem Alter stärker zu werden scheinen (vgl. Lindenberger 2000). 24.2.1 Kognitive Entwicklung Insbesondere gerontologische Längsschnittstudien führten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Paradigmenwechsel in der Betrachtung kognitiver Entwicklung im Alter. Bis in die 1960er Jahre ging man von einem Abbau kognitiver Leistungsfähigkeit schon ab dem mittleren Erwachsenenalter aus (vgl. Thomae 1970). Diese Defizithypothese wurde mit zunehmender Verdichtung von gerontologischen Forschungsbefunden von einem Kompetenzmodell des Alters abgelöst, das kognitive Verluste nicht negiert, aber doch deutlich relativiert und vor allem stärker auf die Entwicklungspotenziale im Alter hinweist (vgl. Olbrich 1987). Konkret bestätigen neuere Untersuchungen zwar die im Bevölkerungsdurchschnitt im höheren Alter geringer ausgeprägte fluide Intelligenz, was aber erstens statistisch erst im achten Lebensjahrzehnt nachweisbar (vgl. Oswald 2000) und zweitens nicht unbedingt relevant für Lernperformanz ist, da Verluste im Bereich der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit durch entsprechende Trainings (vgl. Bellon 2004) oder umfangreiches Vorwissen sowie Lernstrategien (kristalline Intelligenz) kompensiert werden können (vgl. Baltes und Baltes 1989). Lediglich Spitzenleistungen im Bereich der fluiden Intelligenz – die dann auch für Lernprozesse relevant sind – scheinen jüngeren Personen vorbehalten (vgl. Lindenberger 2000). Kognitive Entwicklung im Alter zeichnet sich dabei vor allem durch Plastizität, Multidimensionalität, Multidirektionalität, Reversibilität und Individualität aus (vgl. auch Baltes 1987). In der Konsequenz sind altersbezogene Veränderungen
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Individuelle Voraussetzungen für Bildung im Alter 813 kognitiver Leistungsfähigkeit eher als lernbiografisch eingebettetes Ergebnis individueller Lebensführung zu verstehen, das sich sowohl in Entwicklungsgewinnen wie Entwicklungsverlusten ausdrücken kann und in der Regel durch deren Gleichzeitigkeit charakterisiert ist. Diese Veränderungen sind dabei nicht final, sondern reversibel und tragen zu einer mit dem Alter tendenziell wachsenden interindividuellen Heterogenität bei. Die bis ins hohe Alter vorhandenen Möglichkeiten von Entwicklungsgewinnen können durch Bildungsprozesse realisiert werden, wenn diese subjektiv bedeutsame Erfahrungen ermöglichen, Strategien der Anforderungsbewältigung und differenzierte Wissensbestände vermitteln sowie die Nutzung von Anregungen im individuellen Lebensumfeld fördern. Wesentlicher hierfür wird mit zunehmendem Alter die Reflexion und Einordnung der Erfahrungsaufschichtungen vorangegangener Lebensphasen. Bildung im Alter ist aus dieser Perspektive nicht nur möglich, sondern essentiell für die Bewältigung der für diese Lebensphase relevanten Entwicklungsaufgaben (vgl. Kruse und Maier 2002). 24.2.2 Kompetenzen im Alter Obwohl Kompetenzen und Kompetenzentwicklung in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen des Bildungssystems zur zentralen Kategorie im Kontext von Lernzielformulierungen, didaktischer Gestaltung und Wirkungsforschung avanciert sind, werden Kompetenzen im Kontext von Bildungsprozessen in der zweiten Lebenshälfte in der Bildungsforschung kaum adressiert. Dies mag auch der teilweise einseitigen Ausrichtung von Kompetenzdiskursen auf die Genese des Arbeitskräftepotenzials geschuldet sein (vgl. Smith und Marsiske 1994) sowie einer insgesamt weniger an ökonomischer Effektivität orientierten bildungswissenschaftlichen Betrachtung von Lernprozessen im höheren Erwachsenenalter. In gerontologischen Forschungsarbeiten hingegen werden Kompetenzverluste, aber auch Kompetenzgewinne schon länger in Zusammenhang mit Alter und Altern diskutiert (vgl. Dittmann-Kohli 1987), zumeist aber ohne diese in direkten Zusammenhang mit Bildungsprozessen zu stellen. Im schulischen Bereich des Bildungssystems dominiert ein Kompetenzbegriff, der vor allem kognitive Fähigkeiten in den Mittelpunkt rückt, die im Zusammenspiel mit volitionalen und motivationalen Komponenten zu einer generellen, situationsunabhängigen Handlungsdisposition führen (vgl. Koeppen et al. 2008). Demgegenüber heben Studien zu berufsbezogenen Kompetenzprofilen stärker auf konkrete Handlungsanforderungen und die Performanz von Personen in beruflich relevanten Anforderungssituationen ab (vgl. Erpenbeck und Rosenstiel 2003). In der Alternsforschung erweitert sich dieses Kompetenzverständnis noch einmal, wenn einerseits komplexe Problemlösefähigkeiten (Weisheit) und andererseits eine eher auf die Bewältigung basaler Alltagsanforderungen hin ausgerichtete Lebenskompetenz (vgl. WHO 1994) zum Gegenstand werden. Gemeinsam haben alle drei Traditionen der
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814 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter Kompetenzforschung, dass sie Kompetenzen als Handlungspotenziale verstehen, deren Auf- und Abbau nicht an bestimmte Lebensphasen gebunden sind. Das aus der Jugendforschung bekannte Konzept der Lebenskompetenz (vgl. z. B. Schmidt und Tippelt 2003) scheint insbesondere für Forschungsarbeiten zur Kompetenzentwicklung in der vierten und letzten Lebensphase anschlussfähig, wenn es um die Herstellung oder vielmehr den Erhalt der Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe geht. Unter Lebenskompetenz werden dabei nicht nur basale kognitive Kompetenzen (wie z. B. Wissen über Gesundheit und Ernährung) und Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung des Alltags (z. B. Albert et al. 2009) subsummiert, sondern in erster Linie psychosoziale Dispositionen (Selbstwahrnehmung, Empathie, Umgang mit Belastungen, Kommunikation und Selbstbehauptung etc.) angesprochen (vgl. WHO 1994). Während hier Basiskompetenzen im Fokus stehen, lenken Diskurse über „Weisheit“ den Blick auf Spitzenleistungen im Bereich psychosozialer Problemlösungen (vgl. Baltes und Staudinger 2000), für die ein gewisses Alter nicht als hinreichende, aber vielfach doch als notwendige Voraussetzung beschrieben wird. Interessant ist das Weisheitskonzept hier insbesondere deshalb, weil es besondere Entwicklungschancen beschreibt, die genuin mit der Lebensphase „Alter“ verbunden sind. Für Bildung im Alter können sich Kompetenzentwicklungsziele keineswegs auf alltagspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten beschränken, da grundlegende Kulturtechniken als Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe gerade auch im Alter relevant sind. Einschlägige Studien verweisen hier nicht nur auf ein Kompetenzgefälle zwischen jüngeren und älteren Erwachsenen im Hinblick auf deren Mediennutzungskompetenz (vgl. auch Schmidt-Hertha und Tippelt 2017), sondern auch im Bereich der Lesekompetenz (► Tab. 24.1) und Alltagsmathematik schneiden ältere Erwachsene signifikant schlechter ab. Für Deutschland liegen mit der CiLL-Studie (Competencies in Later Life) Daten hierzu für die 66- bis 80-Jährigen vor (Friebe et al. 2014), aber auch auf Basis der PIAAC-Studie (vgl. OECD 2013) für die bis 65-Jährigen lässt sich schließen, dass diese Altersdifferenzen zwar zwischen den Ländern erheblich schwanken, in weiten Teilen aber doch ein internationales Phänomen sind. Tab. 24.1: Lesekompetenzniveaus nach Alter (Quellen: Schmidt-Hertha 2014, 92; Daten aus PIAAC (Maehler et al. 2013, 80) und CiLL (SchmidtHertha et al. 2014)) Kompetenzstufe bis Stufe I Stufe II Stufe III Stufe IV-V
25-34 Jahre 13,5% 27,7% 42,2% 16,5%
35-44 Jahre 15,3% 32,7% 38,1% 13,9%
45-54 Jahre 21,1% 36,4% 35,8% 7,8%
55-65 Jahre 24,1% 44,8% 27.8% 3,4%
66-70 Jahre 31,5% 47,5% 19,6% 1,5%
71-75 Jahre 35,7% 47,9% 15,8% 0,6%
76-80 Jahre 50,8% 39,8% 9,3% 0,1%
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Individuelle Voraussetzungen für Bildung im Alter 815 Die genannten Studien sind als Querschnittsstudien nicht in der Lage, die Ursache von altersbezogenen Kompetenzunterschieden aufzuklären. Von daher lassen die Daten aus PIAAC und CiLL offen, ob es sich hierbei wirklich um Alterseffekte handelt, die betroffenen Personen also früher besser lesen und rechnen konnten, oder um Kohorteneffekte, d. h. sich in den Kompetenzunterschieden die institutionelle Weiterentwicklung schulischer und beruflicher Bildungsangebote sowie die Bildungsexpansion abbildet. Deutlich wird jedoch, dass Alter auch dann noch ein wesentlicher Prädiktor für Lesekompetenz und alltagsmathematische Kompetenz bleibt, wenn die Formalqualifikation der Befragten kontrolliert wird (vgl. Friebe et al. 2014). Allerdings unterscheiden sich die genannten Kompetenzen auch innerhalb der älteren Erwachsenen interindividuell erheblich, insbesondere in Abhängigkeit von formalen schulischen und beruflichen Qualifikationen, Geschlecht, Lebenslage und Herkunftsfamilie. Letzteres ist bislang zwar aus Studien zum Kompetenzprofil von Schülerinnen und Schülern bekannt (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2001), es überrascht aber doch, dass der Einfluss der Herkunftsfamilie auch im höheren Erwachsenenalter noch grundlegende Kompetenzen vorhersagt. In zunehmendem Maße bedeutsam für die gesellschaftliche Teilhabe wird der Umgang mit digitalen Technologien, die inzwischen große Teile der Lebensbereiche auch von älteren Erwachsenen durchdringen. Hier werden alters- bzw. generationenbezogene Kompetenzgefälle besonders intensiv diskutiert (z. B. Schmidt-Hertha und Strobel-Dümer 2014). Daten aus Mediennutzungsstudien machen deutlich, dass die enorme Zunahme der Internetnutzung in den älteren Gruppen (vgl. Eimeren und Frees 2011) nicht ausschließlich als Kohorteneffekt erklärt werden kann, sondern sich hier auch veränderte Nutzungsmuster innerhalb der jeweiligen Kohorten widerspiegeln. Qualitative Studien bestätigen die vielseitige Auseinandersetzung älterer Erwachsener mit modernen Medientechnologien und die damit verbundenen Lernprozesse (z. B. Thalhammer und Schmidt-Hertha 2015). 24.2.3 (Bildungs-)Biografische Bedingungen Der Einfluss früher Bildungserfahrungen auf Weiterbildungsverhalten ist in der Erwachsenenbildungs- und Weiterbildungsforschung schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts immer wieder dokumentiert worden. In der EdAge-Studie (Education & Age; Tippelt et al. 2009) zeigte sich, dass dies auch im höheren Erwachsenenalter unverändert gilt. Dabei geht es nicht nur um die jeweils erreichten formalen Bildungsabschlüsse, sondern v. a. um die subjektive Wahrnehmung und retrospektive Einordnung von Erfolgs- und Misserfolgserfahrungen in Bildungskontexten, deren Attribuierung (vgl. auch Schmidt 2009) sowie wahrgenommene Bildungsrenditen. Diese Erfahrungsmuster vermengen sich mit einem herkunftsmilieubezogenen Bildungsverständnis (vgl. Barz und Tippelt 2004) zu einem Bildungshabitus, der nicht nur das bildungs- und lernbezogene Selbstbild und die individuelle Weiterbil-
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816 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter dungsbereitschaft, sondern auch die daran geknüpften Erwartungen und Begründungsmuster für Bildungsanstrengungen prägt (vgl. Schmidt 2009). Während die bildungsbezogenen Einstellungsmuster auch im höheren Erwachsenenalter klar mit frühen Bildungserfahrungen assoziiert sind, ist über deren Veränderung über die Lebensspanne nur wenig bekannt. Zwar deuten qualitative und quantitative Befunde daraufhin, dass signifikante Bildungserfahrungen im Erwachsenenalter Weiterbildungseinstellungen beeinflussen (vgl. Schmidt 2009; Tippelt et al. 2009), es ist aber davon auszugehen, dass auch diese Erfahrungen vor dem Hintergrund der in früheren Lebensphasen aufgebauten habituellen Muster zu interpretieren sind. Eine aktuelle Studie auf Basis der NEPS-Daten konnte jedenfalls keinen Einfluss von zweiten und dritten Bildungswegen auf die Weiterbildungsaktivität älterer Erwerbstätiger nachweisen, wenn andere Faktoren (wie z. B. Bildungshintergrund und Erwerbsstatus) kontrolliert werden (vgl. Schmidt-Hertha und Müller 2016). Stattdessen zeigen sich erwerbsbiografische Effekte auf die Weiterbildungsbeteiligung im letzten Drittel der Erwerbsphase (vgl. Schmidt-Hertha und Rees 2015). Insgesamt ist trotz einer anhaltenden Prägung durch frühe Bildungserfahrungen davon auszugehen, dass nicht nur das Bildungsverhalten, sondern der gesamte Lebensstil im Alter von der Bildungsbiografie sowie den individuellen Kompetenzprofilen geprägt wird (vgl. Kolland und Ahmadi 2010). Diese biografischen Erfahrungen sind nicht unabhängig von den historisch sich wandelnden sozio-kulturellen Rahmungen – also von generationenspezifischen Erfahrungen und Sozialisationsbedingungen (vgl. Schmidt-Hertha 2013). Die Bedingungen und Chancen für Bildungsteilhabe sind nicht nur zwischen sozialen Gruppen, sondern auch zwischen Generationen ungleich verteilt (vgl. Weishaupt und Kühne 2011). Dabei geht es nicht nur um Differenzen zwischen den Generationen vor und nach der Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre, da der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen und längerem Verbleib im Bildungssystem bis heute anhält, sondern auch um die mit Bildungszertifikaten verbundenen Arbeitsmarktchancen, um die gesellschaftliche Anerkennung von Bildungsabschlüssen und die frühe Auseinandersetzung mit der Idee des lebenslangen Lernens. Es zeigt sich u. a. in qualitativen Daten, dass Hauptschulabsolvent*innen aus den 1960er Jahren meist keine vergleichbaren Stigmatisierungserfahrungen gemacht haben wie Hauptschulabsolvent*innen von heute und daher die Schule nicht unbedingt mit einem negativen Selbstbild bezüglich Bildung und Lernen verlassen haben. Hinzu kommt, dass für die Schulabgänger*innen dieser Zeit auch ohne höhere Bildungsabschlüsse aus heutiger Sicht erstaunliche berufliche Laufbahnen möglich waren und fehlende Formalqualifikationen durch informelle Lernprozesse aufgefangen werden konnten (vgl. auch Strobel et al. 2011; Friebe und Schmidt-Hertha 2013). Für nachfolgende Generationen blieben diese Karrierewege ohne entsprechende Formalqualifikation oft verschlossen. In Abhängigkeit von den über den Lebensverlauf aufgeschichteten bildungs- und lernbezogenen Erfahrungen, Einstellungen und Interessen, stellen sich Anforderungen an Bildungsangebote – von der Ansprache über die inhaltliche und didak-
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Strukturelle Voraussetzungen für Bildung im Alter: Anbieter und Angebote 817
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tische Ausgestaltung bis hin zur Evaluation – auch und gerade unter den älteren Erwachsenen höchst heterogen dar. Es kann daher zu Recht in Zweifel gezogen werden, ob es so etwas wie eine altersgerechte Didaktik (vgl. Schäffter 2000) geben sollte oder geben kann.
24.3 Strukturelle Voraussetzungen für Bildung im Alter: Anbieter und Angebote In der Erwachsenen- und Weiterbildung setzt ein nachfrageorientiertes und angemessenes Bildungsangebot eine plurale und subsidiäre Angebotsstruktur voraus (► 20.2). Auch wenn im Alter ein Teil der Bildungsinteressen durch informelles Lernen bearbeitbar ist, ist eine zufriedenstellende institutionelle Infrastruktur die Basis für die Realisierung von Bildungswünschen und Bildungsbedarfen. Der institutionalisierten Weiterbildung kommt insbesondere im Kontext des demografischen Wandels große Bedeutung zu, denn die Bildungseinrichtungen können den demografischen Wandel erheblich mitgestalten. Als Theoreme der Entwicklung und des Wandels von Bildungsinstitutionen werden bereits in den 1990er Jahren die Tendenzen der Expansion, der Differenzierung, der Pluralisierung, der Interdependenz, der Integration sowie der Partizipation beschrieben (vgl. Tippelt 1990; Tippelt und Lindemann 2016). Die sich auch im Feld der Bildungsangebote für Ältere dynamisch weiterentwickelnde Differenzierung der Einrichtungen- und Trägerstruktur zeigt sich in einer ersten Weiterbildungsstruktur, die die eher etablierten Institutionen der Weiterbildung, also die verbandsnahen, öffentlichen, gewerkschaftlichen oder kirchlichen Weiterbildungsträger sowie auch die Angebote der Landes- und Bundeszentralen umfasst. In einer zweiten Weiterbildungsstruktur sind die betrieblich orientierten und unternehmensnahen Weiterbildungsträger und institutionen wie Arbeitgeberverbände oder Handwerksorganisationen auch bei dieser Altersgruppe angesprochen. Dagegen ist die dritte Weiterbildungsstruktur durch zivilgesellschaftliches Engagement geprägt, d. h. neue Initiativen und Selbsthilfegruppen sowie bürgerschaftliche Bewegungen tragen zur Solidarität und Integration durch freiwillige, auch ehrenamtliche Dienstleistungen im Bildungsbereich bei. Die vierte Weiterbildungsstruktur ist durch die wissenschaftliche Weiterbildung, beispielsweise das Seniorenstudium der Universitäten und Hochschulen geprägt. Eine fünfte Weiterbildungsstruktur entfaltet sich in privaten Bildungsunternehmen und bei kommerziellen Anbietern, also meist in kleinen ökonomischen Einheiten, die selten auf öffentliche Subventionen zurückgreifen können (vgl. Tippelt und Lindemann 2016). Angemessene strukturelle Voraussetzungen wären dann gegeben, wenn qualitativ hervorragende Angebote flächendeckend und offen den sehr verschiedenen Gruppen Älterer in dieser differenzierten Weiterbildungsstruktur offeriert werden könnten.
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818 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter 24.3.1 Anbieter Angesichts des breiten Spektrums von Weiterbildungsanbietern, die ihre Programme (auch) an ältere Zielgruppen adressieren, können hier nur einige von Älteren besonders häufig in Anspruch genommene Anbieter angesprochen werden. Dazu gehören sicherlich die großen Anbieter der allgemeinen Erwachsenenbildung, aber auch die einschlägigen Angebote von Hochschulen und spezifisch ältere Zielgruppen adressierende Einrichtungen. Für die noch im Beruf stehenden Älteren ist – wie für jüngere Erwerbstätige auch – der eigene Arbeitgebende der wichtigste Weiterbildungsanbieter. Hinsichtlich des Umgangs von Unternehmen mit dem wachsenden Anteil von älteren Arbeitnehmenden in den Belegschaften lassen sich nach Morschhäuser (2000) drei Strategien unterscheiden. Die Strategie der Nicht-Beachtung lässt sich kaum als solche bezeichnen, findet sich aber immer noch in vielen Betrieben, die angesichts demografischer Veränderungen in der Belegschaft für sich keinen Handlungsbedarf sehen. Die Strategie der Externalisierung war vor allem in den 1980er und 1990er Jahren beliebt und durch eine gezielte Frühverrentungspolitik auch staatlich unterstützt. Die im Mittelpunkt stehende Ausgliederung von älteren Mitarbeitenden aus Unternehmen ist in den vergangenen Jahren, vor dem Hintergrund einer anderen Arbeitsmarktpolitik und des vielfach beschworenen Fachkräftemangels weniger attraktiv geworden, wird aber dennoch insbesondere dann gerne bemüht, wenn eine sozialverträgliche Reduzierung der Belegschaften angestrebt wird. Die Strategie der Integration schließlich ist geprägt durch die Implementierung altersgerechter Maßnahmen in der Personalentwicklung, aber auch durch die Fokussierung der Arbeitsplatzgestaltung. Inzwischen bietet ein Großteil der Unternehmen entsprechende Maßnahmen an (vgl. Moraal 2015), wobei aber Strategien der Gesundheitsprävention dominieren und die Integration Älterer in die berufliche und betriebliche Weiterbildung im Vergleich eher im Hintergrund steht (vgl. DIHK 2014). Wenn Maßnahmen zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung von älteren Mitarbeitenden umgesetzt werden, dann sind seltener explizite Angebote für Ältere das Mittel der Wahl, sondern es steht vor allem die Integration Älterer in bestehende (altersunspezifische) Angebote im Fokus, wobei die diesbezüglichen Aktivitäten erheblich zwischen Branchen und nach Betriebsgröße variieren (vgl. BMAS 2014). Auffällig ist, dass bei genauerer Betrachtung viele Unternehmen, die sich stark im Bereich der Weiterbildung für ältere Mitarbeitende engagieren, einen primär kurativen Ansatz verfolgen – also vor allem die Prävention bzw. Kompensation vermeintlich altersbedingter Leistungsverluste und Kompetenzdefizite in den Blick nehmen. Demgegenüber finden sich nur sehr selten Ansätze, die die besonderen Kompetenzen von erfahrenen Arbeitnehmenden in den Mittelpunkt rücken und versuchen, diese im betrieblichen Alltag besser zu nutzen (vgl. Schmidt-Hertha et al. 2015). Über die organisierte Weiterbildung hinaus ist die Rolle von Betrieben hinsichtlich der Kompetenzentwicklung von (älteren) Mitarbeitenden auch zentral, wenn es um
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Strukturelle Voraussetzungen für Bildung im Alter: Anbieter und Angebote 819 die lernförderliche Gestaltung von Arbeitsplätzen geht. Dazu gehört die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, die über das gesamte Erwerbsleben hinweg kontinuierliche Lern- und Entwicklungsprozesse begünstigt (vgl. Bögel und Frerichs 2011), Handlungsspielräume eröffnet, sich durch Anforderungsvielfalt und Lernanreize, durch Aufgabenintegration und Aufgabenwechsel auszeichnet sowie ein angemessenes Arbeitszeit- und Wissensmanagement umfasst (Frerichs 2014). Besonders häufig sind der Einsatz Älterer als Coaches, Mentoren und Mentorinnen oder Berater und Beraterinnen und altersgemischte Teams als Strategien betrieblichen Wissensmanagements anzutreffen (vgl. Becker et al. 2006), wobei gerade alters- und qualifikationsgemischte Teams positive Effekte auf die Produktivität zu haben scheinen (vgl. Siegrist und Dragano 2007). Die Zielgruppe der „Senioren und Seniorinnen“ ist in der außerberuflichen Erwachsenenbildung längst eine feste Größe. Entsprechend stellt die jüngste Verbundstatistik des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung hierzu fest, dass über 14 % aller Veranstaltungen für spezielle Zielgruppen – und damit über 18.000 Einzelveranstaltungen – Ältere adressieren, wobei der Anteil in einigen ostdeutschen Bundesländern besonders hoch ist (vgl. Horn et al. 2016). Die Teilnehmergruppe der über 65-Jährigen gehört in den Volkshochschulen zu den am schnellsten wachsenden und macht im Jahr 2014 bereits über 15 % aller VHS-Besucher aus. Die älteren Teilnehmenden verteilen sich überraschend proportional auf die einzelnen Programmbereiche. Die einzige Ausnahme hiervon ist der Bereich der Grundbildung und der Schulabschlüsse, in dem kaum über 65-Jährige zu finden sind (Anteil < 1 %) (vgl. Huntemann und Reichart 2015). Auch aus Perspektive repräsentativer Weiterbildungsstudien präsentiert sich die Volkshochschule als wichtigster Bildungsanbieter für die Nacherwerbsphase, mit 23,2 % aller Teilnahmefälle (Sonderauswertung der EdAge-Daten) Auch zahlreiche Universitäten und Hochschulen bieten ein spezielles Seniorenstudium an, das über die Öffnung einzelner Veranstaltungen für Studierende hinausgeht, in der Gruppe der nicht mehr erwerbstätigen Älteren aber quantitativ nur einen kleinen Teil der Teilnahmefälle ausmacht (3,9 % nach Sonderauswertung der EdAge-Daten). Zielsetzungen sind u. a. die Förderung des intergenerativen Dialogs, kulturelles und soziales Lernen, manchmal die Information und das Training gesundheitsadäquaten Verhaltens. An einigen Universitäten ist die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung Voraussetzung der Teilnahme (z. B. LMU München), in anderen Universitäten und Hochschulen ist das Seniorenstudium ein Teil der regionalen allgemeinen Weiterbildung. 24.3.2 Angebotsstrukturen und -formate Grundsätzlich verweisen Unternehmen in Befragungen gerne darauf, dass Weiterbildungsangebote und andere Qualifizierungsmöglichkeiten allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unabhängig von deren Alter offenstehen. Gefragt nach speziellen Angeboten für ältere Erwerbstätige zeigt sich ein deutliches Gefälle zwischen gro-
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820 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter
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ßen und kleinen Betrieben (vgl. BMAS 2014). Während auch in Großbetrieben exklusive Bildungsangebote für Ältere eher zur Ausnahme gehören, ist deren zusätzliche Unterstützung und Motivation zur Teilnahme an berufsbezogener Weiterbildung hier wesentlich ausgeprägter (► Tab. 24.2). Tab. 24.2: Betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen für Ältere 2011 in % (bezogen auf Betriebe mit Beschäftigten im Alter von 50 bis 64 Jahren) (Quelle: BMAS 2014; Daten aus IAB-Panel 2011) Ausdrückliche Allgemeine betriebliSpezielle WeiterEinbeziehung Älterer che Maßnahmen für bildungsmaßnahmen in Weiterbildungsältere Beschäftigte Betriebsgröße für Ältere maßnahmen insgesamt 1 bis 4 3 6 5 bis 9 5 11 10 bis 19 1 9 18 20 bis 49 2 18 36 50 bis 99 3 27 56 100 bis 249 5 37 73 250 und mehr 10 53 88
Weiterbildungsmaßnahmen, die spezifisch für Ältere konzipiert sind, resultieren häufig aus besonderen, altersbezogenen Bedingungen des Lernens und Arbeitens bzw. konkreter Qualifizierungsanlässe im Betrieb, wobei technische und organisatorische Neuerungen sowie Fachkräfteengpässe auf dem externen Arbeitsmarkt die häufigsten Qualifizierungsanlässe darstellen (Bellmann et al. 2013). Über die Größe hinaus gibt es eine Reihe von Unternehmenscharakteristika, die sich offensichtlich positiv auf die Integration von älteren Arbeitnehmenden in Weiterbildungsmaßnahmen auswirken (vgl. Bellmann et al. 2013; Burgert 2006). Dazu gehören eine insgesamt hohe Weiterbildungsbeteiligung der Belegschaft, ein höherer Anteil von Höherqualifizierten und ein hoher Anteil älterer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, eine moderne Technologisierung des Betriebs sowie das Vorhandensein eines Betriebsrats. Zusätzlich wirkt sich die Einbettung von Weiterbildungsangeboten in eine übergeordnete Strategie zur altersgerechten Gestaltung von Personalentwicklung und Personalmanagement positiv auf die Weiterbildungsbeteiligung Älterer in Unternehmen aus (vgl. Bellmann et al. 2013; Burgert 2006). Allerdings sagen die Daten zur Integration Älterer in betriebliche Weiterbildungsangebote noch wenig über die Ausrichtung dieser Angebote aus. In Interviews mit Personalverantwortlichen dominiert häufig ein präventiv-kurativer Ansatz, also der Blick auf (mögliche) Kompetenzverluste oder Dequalifizierungsprozesse im Alter,
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Bildungsbeteiligung, Bildungsinteressen und Bildungsbarrieren 821 während die besonderen Potenziale älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – z. B. umfangreiches Erfahrungswissen, soziale Kompetenzen – und deren bessere Nutzung im Betrieb kaum im Fokus von Personalentwicklungsmaßnahmen stehen (vgl. Schmidt-Hertha et al. 2015). Bei den Angeboten für Ältere in der allgemeinen Erwachsenenbildung (insbesondere in Volkshochschulen) spielen Medien- und Mediennutzungskompetenzen eine besondere Rolle, weil man auf den ersten Blick dort Defizite oder zumindest einen Nachholbedarf vermutet. Die Diskurse zu unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien in verschiedenen Generationen werden in der Gegenüberstellung von „Digital Natives“ (die Jungen) und „Digital Migrants“ (die Älteren) aber nur oberflächlich erfasst, weil hier zum einen die große Heterogenität innerhalb der Generationen und zum anderen die Kompetenzentwicklungspotenziale im Alter nicht hinreichend in die Reflexion einbezogen werden. Auch für Ältere in diesem Bereich gilt, dass die Lebenslage entscheidend ist, weil sie die Lernumgebungen und Kontexte bestimmt, in welchen sich auch bei der Entfaltung von Mediennutzungskompetenz die Lerngelegenheiten und anregungen erschließen. Repräsentative Daten zu inhaltlichen Schwerpunkten der Weiterbildung Älterer liegen bislang nicht vor, allerdings ist dem AES von 2012 zu entnehmen, dass in der Gruppe der über 50-Jährigen und insbesondere unter den nicht (mehr) Erwerbstätigen der Bereich Sprachen, Kultur und Politik eine deutlich höhere Relevanz hat als für andere Adressatengruppen (vgl. Seidel et al. 2013). Neben dem Aufbau neuer Kompetenzen spielt der Erhalt erworbener Fähigkeiten und Fertigkeiten im Alter eine zentrale Rolle, wobei informelle wie formelle, berufliche wie außerberufliche Kontexte zu berücksichtigen sind (vgl. Schmidt-Hertha und Tippelt 2017). Vor diesem Hintergrund analysieren Studien zur Kompetenzerfassung im Erwachsenenalter – wie z. B. PIAAC, CiLL, ALL oder die Erwachsenenkohorte im NEPS – teilweise explizit und teilweise implizit die Mediennutzungskompetenz von sozialen Gruppen. Offensichtlich ist, dass mediengestützte Lernumgebungen für Ältere an Bedeutung gewinnen und die Mediennutzungskompetenz dabei in allgemeine Bildungsprozesse über die Lebensspanne eingebettet ist (vgl. Wahl und Kruse 2014).
24.4 Bildungsbeteiligung, Bildungsinteressen und Bildungsbarrieren im höheren und hohen Erwachsenenalter Das Wissen über Bildungsinteressen und -barrieren von Adressaten und Adressatinnen ist für die Erwachsenenpädagogik generell relevant, weil Angebote deutlich besser auf die Interessen von potenziellen Teilnehmenden ausgerichtet werden können, wenn die verfügbaren Informationen für die jeweiligen Gruppen berücksichtigt werden (vgl. Hippel und Tippelt 2010).
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822 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter 24.4.1 Bildungsbeteiligung und -interessen Mit Blick auf Forschungsarbeiten zur Weiterbildungsbeteiligung älterer Erwachsener (► 21.2) kann zwischen älteren Erwerbstätigen und nicht (mehr) Erwerbstätigen unterschieden werden. Studien zur Weiterbildungsbeteiligung älterer Erwerbstätiger und deren informelle Lernaktivitäten am Arbeitsplatz haben international spätestens seit den 1990er Jahren Konjunktur. So ging man zunächst noch davon aus, dass eine geringere Beteiligung älterer Erwerbstätiger an organisierten Weiterbildungsangeboten durch informelles Lernen kompensiert wird (vgl. Hörtz 2004) – Ältere also nicht weniger, aber auf anderen Wegen ihre berufsbezogenen Kompetenzen weiterentwickeln. Neuere Befunde verweisen aber nicht nur auf eine positive Korrelation von Weiterbildungsbeteiligung und informellen Lernaktivitäten (z. B. Baethge und Baethge-Kinsky 2004; Schmidt 2009), sondern unterstreichen auch die Bedeutung der Angebotsseite zur Erklärung einer geringeren Beteiligung älterer Erwerbstätiger an beruflicher Weiterbildung (vgl. Blossfeld et al. 2014). Aus aktuellen Repräsentativstudien zum Weiterbildungsverhalten lassen sich für die älteren Erwerbstätigen in Deutschland einige wesentliche Trends und Zusammenhänge festhalten. • Die über 50-jährigen Erwerbstätigen haben hinsichtlich ihrer Beteiligung an beruflicher Weiterbildung in den letzten Jahren kontinuierlich aufgeholt, so dass heute erst ab Anfang 60 eine signifikant geringere Weiterbildungsbeteiligung festzustellen ist als bei Jüngeren (vgl. Bilger et al. 2013). • Alter ist damit zwar nach wie vor ein statistisch bedeutsamer, gegenüber anderen Faktoren (Formalqualifikation, Erwerbsstatus, Arbeitsplatz- und Arbeitgebermerkmale) aber zur Erklärung von Weiterbildungsbeteiligung nachrangig. • Innerhalb der Gruppe der älteren Erwerbstätigen gibt es erhebliche Unterschiede in der Weiterbildungsquote zwischen Frauen und Männern (vgl. Schmidt-Hertha und Müller 2016), zwischen Personen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund, aber auch in Abhängigkeit von Betriebsgröße und Arbeitsplatzanforderungen (vgl. Schmidt-Hertha und Rees 2015). Die Weiterbildungsbeteiligung älterer Erwerbspersonen ist auch vor dem Hintergrund geringerer Erwartungen hinsichtlich der Weiterbildungsrenditen zu sehen. Die ökonomischen und arbeitsmarktbezogenen Renditen von Bildungsinvestitionen werden von älteren Erwerbstätigen weniger erwartet und subjektiv weniger angestrebt (vgl. Beicht at al. 2006; Zwick 2012), weil sie auch de facto geringer ausfallen als bei jüngeren (vgl. Hanushek et al. 2011). Darüber hinaus erfahren Ältere häufig weniger Unterstützung von Arbeitgebenden, wenn es um die berufliche Weiterentwicklung geht. Die Weiterbildungsinteressen und -motive von älteren Erwerbstätigen sind ähnlich heterogen wie die Bildungsvoraussetzungen dieser Gruppe. Eine qualitativ entwickelte Typologie unterscheidet drei motivationale Muster (vgl. Schmidt 2009). Ein erster Typus hat aufgrund vorangegangener Erfahrungen – meist schon in der
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Bildungsbeteiligung, Bildungsinteressen und Bildungsbarrieren 823 frühen Kindheit und im familiären Umfeld angelegt – eine sehr positive Einstellung gegenüber Bildung generell und sieht Bildungsaktivitäten als festen Bestandteil der persönlichen Lebensführung, verbunden mit dem Gefühl persönlicher Erfüllung im Lernprozess. Ein zweiter Typus fokussiert demgegenüber das utilitaristische Interesse an Weiterbildung, womit sich die Qualität von Bildungsangeboten dann primär an deren Relevanz für die eigene berufliche Tätigkeit und deren Passgenauigkeit hinsichtlich individueller Lernziele bemisst. Diesem Bildungshabitus liegen häufig Erfahrungen mit der Bewältigung bzw. Gestaltung von Umbrüchen im Erwachsenenalter mit Hilfe von Weiterbildung zugrunde. Am wenigsten weiterbildungsaktiv ist der dritte Typus, für den Bildung mit Versagensängsten und Unsicherheit verbunden ist und der zwar die Relevanz von lebenslangem Lernen grundsätzlich anerkennt, aber vor allem auf Gründe gegen eine aktuelle Bildungsteilnahme verweist (vgl. Schmidt 2009). Für die beiden letztgenannten Typen scheint ein eher utilitaristischer Blick auf Weiterbildung charakteristisch, d. h. Weiterbildung wird hier enggeführt auf ihre (berufliche) Verwertbarkeit, während außerberufliche Weiterbildung – im Gegensatz zum ersten Typus – weitgehend außerhalb der individuellen Lebensgestaltung liegt. Von daher überrascht es weniger, dass die Beteiligung an außerberuflicher Weiterbildung in allen Altersgruppen relativ stabil bei ca. 10 % (vgl. Tippelt et al. 2009) liegt. Betrachtet man nur den Bereich nicht beruflich motivierter Bildungsbeteiligung, so lassen sich selbst für die bis 80-Jährigen keinerlei Effekte des Alters nachweisen, während – auch innerhalb der Gruppe der älteren Erwachsenen – bildungsbiografische und geschlechterbezogene Differenzen umso stärker ausfallen. Interessant ist, dass es sich bei der Dominanz von Frauen in der nachberuflichen Weiterbildung um ein internationales Phänomen handelt und ältere Männer als eine besonders schwer zu erreichende Zielgruppe gelten müssen (vgl. Radovan und Krašovec 2014). Für ältere Männer scheinen Aneignungswege, die mit alltagsnahen produktiven Tätigkeiten verbunden sind, eine größere Rolle zu spielen. So zeigte sich zum Beispiel in der CiLL-Studie, dass die Auseinandersetzung mit Technik und Technologie im eigenen Haushalt in der Nachkriegsgeneration vor allem von den Männern übernommen wird und sich hier ein wesentliches Lernfeld eröffnet (vgl. Friebe und Schmidt-Hertha 2013). Die sogenannte Men’s-Shed-Bewegung, die u. a. in Australien für Furore sorgte (vgl. Golding 2015), konnte zeigen, dass ältere Männer sich über praktisches produktives Tun in gemeinsame Lernprozesse einbinden lassen, so lange nicht Lernen, sondern das zu erstellende Produkt im Fokus steht. Organisierte Bildungsangebote hingegen, die auch als solche firmieren, werden von Älteren aus unterschiedlichen Gründen wahrgenommen. Dabei kann der Lernprozess selbst im Zentrum stehen oder aber das erhoffte Lernergebnis und dessen Beitrag zum Aufbau von Handlungskompetenz. Auf einer zweiten Ebene lassen sich Bildungsmotive, die stärker auf die individuelle Entwicklung bezogen sind, von Motiven, die gemeinschaftliche Aspekte betonen, differenzieren. Entsprechend lassen sich Bildungsmotive und Interessen in einem Vier-Felder-Schema systematisieren (► Abb. 24.2), in
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824 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter dem utilitaristische (selbstbezogen, ergebnisorientiert), kontemplative (individuumsbezogen, prozessorientiert), sozial-emotionale (gemeinschaftsbezogen, prozessorientiert) und solidarische Motive (gemeinschaftsbezogen, ergebnisorientiert) unterschieden werden (vgl. Tippelt et al. 2009). Zu einer ähnlichen Differenzierung kommt auch schon Kade (2006). Die vor allem im angloamerikanischen Raum, aber auch in vielen südeuropäischen Ländern populären Service-Learning-Angebote (vgl. Pless et al. 2012) sprechen die beiden letztgenannten Motivgruppen an, indem sie Lernprozesse mit konkreten gemeinnützigen Projekten verbinden und so einerseits ein Gemeinschaftserleben der Lernenden ermöglichen und andererseits die Lernergebnisse einem unmittelbar relevanten Zweck zuführen (vgl. Seifert et al. 2012).
Abb. 24.2: Typologie zum Bildungsverständnis Älterer (nach Tippelt et al. 2009, 175)
Die Erwartungen Älterer an Erwachsenenbildungs- und Weiterbildungsangebote sind ebenso heterogen wie die Gruppe selbst. Für viele mögen die soziale Einbettung und gruppendynamische Prozesse im Kontext des Lehr-Lern-Prozesses eine wichtige Rolle spielen, im Durchschnitt ist der Wunsch nach inhaltsorientierten und systematisch-strukturierten Bildungsangeboten aber auch bei Älteren vorherrschend. Der Person der Dozentin bzw. des Dozenten kommt eine besondere Rolle zu (vgl. Tippelt et al. 2009). Darüber hinaus wünschen sich fast 80 % der Erwachsenen in der zweiten Lebenshälfte altersgemischte Lerngruppen (vgl. Schmidt und Tippelt 2009). Die spezifischen Bildungsinteressen älterer Frauen und Männer sind weniger als altersspezifisch, zum Teil auch als generationenspezifisch, vor allem aber als lebenspha-
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Bildungsbeteiligung, Bildungsinteressen und Bildungsbarrieren 825 sen- und lebenslagenbezogen zu verstehen (► 21.3). Mit dem Wegfall beruflicher Verwertungsinteressen ändert sich die Bedeutung von Weiterbildungsaktivitäten für viele und die Themen und Gegenstände von Bildung orientieren sich vorrangig an persönlichen Interessen sowie aktuellen Anforderungen (z. B. Großelternschaft oder Altersfinanzierung). Für informelle Lernprozesse spielt vor allem der soziale Nahraum eine wesentliche Rolle, aber auch Reisetätigkeiten und andere Hobbies bilden wesentliche Lernfelder (vgl. Tippelt et al. 2009). Informelles Lernen Älterer ist insgesamt eng mit der personalen und materiellen Umwelt verbunden, in der Lernimpulse ebenso wie Lernmöglichkeiten eingelagert sind und die gleichzeitig auch die informellen Lernmöglichkeiten begrenzen. Ob und wie Lernimpulse und -gelegenheiten von Älteren aufgegriffen werden, hängt wiederum stark von deren individuellen Dispositionen, Bildungsbiografien und Lernerfahrungen sowie deren aktueller Lebenslage ab (vgl. Schmidt-Hertha und Thalhammer 2016). 24.4.2 Bildungsbarrieren Die Bildungsbarrieren älterer Erwachsener sind ähnlich vielfältig wie deren Bildungsinteressen und motive. Dabei kann die ungenügende Erreichbarkeit passender Angebote oder deren völliges Fehlen ebenso eine Rolle spielen wie die Exklusion von Bildungsmöglichkeiten (z. B. durch Arbeitgebende im Bereich der betrieblichen Weiterbildung) oder auch gesundheitliche Einschränkungen. Aus Befragungen der älteren Erwachsenen selbst gewinnt man jedoch Hinweise auf zwei wesentliche Bildungsbarrieren. Frühe Bildungserfahrungen einerseits und die individuellen Vorstellungen vom Alter und Altern andererseits scheinen für viele Ältere von besonderer Bedeutung für deren Weiterbildungsverhalten zu sein – ohne dabei den Betroffenen als Barrieren bewusst zu werden (vgl. Tippelt et al. 2009). Mehr noch als negative Erfahrungen in der Erwachsenen- und Weiterbildung – die natürlich auch zu einer Abwendung von entsprechenden Angeboten führen können – scheinen ungünstige Bedingungen für Lernen und Bildung in der Kindheit ausschlaggebend für Bildungseinstellungen im höheren Erwachsenenalter zu sein. Frühe Erfahrungen des Scheiterns oder des Nicht-Erfolgreich-Seins in Bildungskontexten prägen Bildungseinstellungen bis ins hohe Erwachsenenalter (vgl. Tippelt et al. 2009; Friebe et al. 2014) ebenso wie bildungs- und lernbezogene familiäre Sozialisationseffekte (vgl. Barz und Tippelt 2004). Unter anderem wird ein ungünstiges bildungsbezogenes Selbstbild und eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung aufgebaut, deren negative Auswirkungen in schulischen Kontexten gut belegt ist (vgl. Mittag et al. 2002), inzwischen aber auch in einzelnen Studien für den Weiterbildungskontext bestätigt werden konnte (vgl. Ambos 2005). Das individuelle Selbstbild ist nicht nur von unmittelbaren Erfahrungen beeinflusst, sondern auch von Attribuierungsmustern, die die Interpretation dieser Erfahrungen steuern. Vor diesem Hintergrund sind Altersbilder – also individuelle oder kollektiv geteilte Vorstellungen über das Altsein und Altwerden, über die physische und psy-
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826 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter chische Entwicklung im Alter, über lebensphasenbezogene Rollen und Normen – bedeutsam, da sie die Vorstellungen und Erwartungen zum eigenen Altern ebenso prägen wie die Interaktion mit älteren Mitmenschen (vgl. Niederfranke 2000). Altersbilder haben nicht nur Effekte auf das Wohlbefinden, den Gesundheitszustand und den Lebensstil im Alter, sondern auch auf die Lebenserwartung (vgl. Levy 2003). Insbesondere aber nehmen Ältere mit negativen Erwartungen an das eigene Altern seltener Weiterbildungsangebote in Anspruch und ziehen sich in vielen Lebensbereichen eher zurück (vgl. Schmidt-Hertha und Mühlbauer 2011). Die zeitliche Stabilität individueller Vorstellungen über Alter und Altern ist bislang noch wenig untersucht, allerdings konnten amerikanische Längsschnittstudien zeigen, dass negative Altersbilder im Verlauf des mittleren Erwachsenenalters allmählich in das Selbstbild integriert werden und dann auch das Handeln der untersuchten Personen beeinflussen, meist in Form eines allmählichen Rückzugs aus verschiedenen Aktivitätsfeldern. Die mit negativen Altersbildern einhergehende Vorstellung, im Alter weniger lernfähig zu sein, führt häufiger zu einer resignativen Ablehnung von Bildungsangeboten, doch diese Altersbilder können in Bildungsveranstaltungen auch thematisiert und bearbeitet werden, wofür es insbesondere aus dem schulischen und hochschulischen Bereich Beispiele gibt (vgl. Amrhein et al. 2014; Lörcher 2015). Es sind also vor allem vorangegangene Lernerfahrungen und das altersbezogene Selbstbild, die als Bildungsbarrieren im Alter wirksam werden. Finanzielle Gründe oder gesundheitliche Probleme sind auch im Alter nur für einen kleineren Teil der Adressaten relevant, müssen aber dennoch ernst genommen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund von Prognosen, die auf eine wachsende Altersarmut verweisen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2015) sowie mit Blick auf eine wachsende Population im sogenannten vierten Lebensalter (vgl. Baltes und Smith 1999), das von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einer zunehmenden Abhängigkeit von Unterstützungssystemen geprägt ist. In diesem vierten Lebensalter werden nicht nur andere Bildungsbarrieren dominant, sondern es verlagern sich auch die Bildungsziele, wobei die Kompensation von physischen und kognitiven Verlusten bzw. deren Verhinderung ins Zentrum von Bildungsaktivitäten rücken.
24.5 Wirkungen von Bildung Wirkungen bzw. Erträge von Weiterbildung lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen (Individuum, Institution, Gesellschaft) und in unterschiedlichen Formen (ökonomische vs. nicht-ökonomische Erträge) untersuchen (vgl. CEDEFOP 2011). Ökonomische Erträge auf individueller Ebene (► 22.1.2) spielen für ältere Erwachsene allenfalls während der Erwerbsphase eine Rolle. Jedoch verweisen Analysen aus dem Mikrozensus darauf, dass Weiterbildungsrenditen in Form von Einkommenszuwächsen insgesamt nur in geringem Umfang nachzuweisen sind und für ältere
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Wirkungen von Bildung 827 Erwerbspersonen noch geringer ausfallen (vgl. Wolter und Schiener 2009), was sich auch mit Auswertungen anderer Datensätze deckt (vgl. Hanushek und Wössmann 2011). Entsprechend verhalten sind auch die Erwartungen Älterer an arbeitsmarktbezogene bzw. einkommensbezogene Weiterbildungserträge sowie deren diesbezügliche selbstberichtete Weiterbildungserträge (vgl. Beicht et al. 2006), allerdings scheint berufsbezogene Weiterbildungsbeteiligung einen positiven Effekt auf die Arbeitszufriedenheit älterer Erwerbstätiger zu haben (vgl. Zboralski-Avidan 2015). Auf betrieblicher Ebene lassen sich Weiterbildungserträge hinsichtlich der Produktivität von Arbeitnehmenden deutlich nachweisen (vgl. Konings und Varnomelingen 2015), wenngleich altersdifferenzierte Analysen hier bislang fehlen. Ähnliches gilt für gesamtgesellschaftliche ökonomische Effekte von Weiterbildung, die sich auch im internationalen Vergleich belegen lassen (vgl. CEDEFOP 2011), ohne aber direkt in Bezug zur Altersstruktur der Lernenden gebracht werden zu können. Ökonomische Erträge auf gesellschaftlicher Ebene werden für Weiterbildungsaktivitäten im Alter eher mit Blick auf deren gesundheitspräventive Wirkung erwartet, z. B. in Form einer Entlastung von Kosten im Sozial-, Gesundheits- und Pflegesystem. Britische Längsschnittstudien bestätigen den Zusammenhang von Weiterbildungsbeteiligung und gesundheitsbewusstem Verhalten (vgl. Bynner und Hammond 2004), und auch deutsche Studien verweisen auf eine starke Korrelation zwischen einem aktiven Lebensstil und der Weiterbildungsbeteiligung im Alter (vgl. Tippelt et al. 2009). Damit gehört Gesundheit und Wohlbefinden auf der Individualebene zu den empirisch relativ gut abgesicherten nicht-ökonomischen Erträgen von Weiterbildung im Alter (► 22.1.3). Der aktive Lebensstil ist nicht unbedingt kausal zu erklären, sondern es ist davon auszugehen, dass Weiterbildungsaktivitäten Teil eines solchen Lebensstils sind (vgl. z. B. Barz und Tippelt 2004), gleichzeitig Weiterbildung aber auch zur gesellschaftlichen Partizipation befähigt und damit neue Optionen der Teilhabe erschließt (vgl. Schmidt-Hertha 2014). Die Befähigung zur Teilhabe ist in allen Lebensphasen relevant, erhält durch das mit dem Alter verbundene stärkere Risiko der Exklusion von bestimmten Lebensbereichen aber eine besondere Bedeutung. Für ältere Erwerbstätige ist der Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit bedeutsam (vgl. Schmidt 2009), für Ältere in der Nacherwerbsphase kann auch die Qualifizierung für neue familiäre Rollen (vgl. Strom und Strom 2000) oder die Eröffnung neuer Teilhabeformen durch digitale Technologien (vgl. Thalhammer und Schmidt-Hertha 2015) im Vordergrund stehen, während für Hochbetagte der Erhalt eines autonomen Lebensstils ins Zentrum rückt (vgl. Kruse 2006). Jenseits dieser gesellschaftlich relevanten Erträge sind natürlich auch die mit Weiterbildung verbundenen intellektuellen und persönlichkeitsbezogenen Entwicklungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. Für die Einzelne und den Einzelnen geht es hier nicht nur um die Erweiterung des eigenen Horizonts – wie das häufig in einschlägigen Befragungen angegeben wird (vgl. Tippelt et al. 2009) – sondern um die Bewältigung von identitätsbezogenen Krisen und Entwicklungsaufgaben,
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828 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter wie z. B. die Auseinandersetzung und Aussöhnung mit der eigenen Biografie (vgl. dazu auch Kade 1994) sowie um die Rekonstruktion des eigenen Selbstbilds nach Wegfall beruflicher und anderer identitätsstiftender Rollen (z. B. durch Tod des Partners, Auszug der Kinder etc.). Schließlich können auch kognitive Trainings zum Erhalt intellektueller Fähigkeiten insbesondere im Bereich der fluiden Intelligenz und Gedächtnisleistung als wirksame Bildungsprozesse verstanden werden (vgl. Dittmann-Kohli 1986). Zumindest im hohen Alter zeigt sich ein statistisch relevanter Unterschied in der durchschnittlichen fluiden Intelligenz von jüngeren Erwachsenen und Hochbetagten (vgl. Oswald 2000). Es konnte gezeigt werden, dass auch Hochbetagte durch entsprechende Trainings eine ähnliche Leistungsfähigkeit im Bereich fluider Intelligenz erreichen können wie der Durchschnitt junger Erwachsener (vgl. Bellon 2004), allerdings stellen sich die statistisch signifikanten Unterschiede in diesem Bereich wieder her, wenn auch jüngere Erwachsene ein entsprechendes Training durchlaufen (vgl. Lindenberger 2000).
24.6 Potenziale einer Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter Der demografische Wandel hat nicht nur das Schul-, Ausbildungs- und Hochschulsystem stark beeinflusst, auch die quantitative und qualitative Nachfrage nach Bildungsangeboten über den Lebenslauf müssen die Veränderungen der Altersstruktur berücksichtigen. Daher müssen die subjektive Nachfrage und die institutionellen Angebote für ältere Lernende analysiert und in der praktischen Bildungsarbeit fokussiert werden. Künftig wird es noch stärker als bisher darum gehen, die Bildungsbeteiligung aller Alters- und Sozialgruppen über den gesamten Lebensverlauf hinweg zu erhöhen und die Bildungsangebote in allen Regionen zu verdichten. Die traditionelle Dreiteilung des Lebenslaufs in Lernen, Aktivität und Ruhestand ist nicht zeitgemäß, weil – wie in den frühen Überlegungen des Europarats, der OECD und der UNESCO in den 1970er Jahren bereits konzipiert (vgl. Tippelt 2012) – die meisten Individuen sich dieser festen Gliederung des Lebenslaufs längst entziehen und die verschiedenen Lebensphasen parallel mit variierenden Akzentsetzungen gestalten. Die ökonomischen, kulturellen und sozialen Einrichtungen sind daher gefordert, entsprechende Angebote für die wachsende Gruppe der bildungsinteressierten Älteren länger und qualitativ hochwertig bereitzuhalten. Dies entspricht nicht nur sozial und kulturell gesetzten inklusiven Zielsetzungen, es dient auch der möglichst langen aktiven Partizipation großer älterer Bevölkerungsgruppen in einer an Selbstbestimmung orientierten Kultur. Dazu gehören u. a. auch Weiterbildungsangebote für die differenzierten Gruppen im höheren und hohen Erwachsenenalter. Eine passende Bildung für alle über den gesamten Lebenslauf kann nur erreicht werden, wenn eine stärkere Nachfrage- und Nutzerorientierung
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Potenziale einer Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter 829 der anbietenden Institutionen sowie eine qualitative Diversifikation der Angebote erfolgt, wie das beispielsweise in der sozialen Milieuforschung in der Erwachsenenund Weiterbildung aufgezeigt werden konnte (vgl. Barz und Tippelt 2004). Für Bildung im Alter ergibt sich aus der Bildungsforschung einerseits der Verweis auf die Möglichkeit und den Auftrag, lebensphasenbezogene Entwicklungspotenziale auszuschöpfen und sich dabei auch an den Kompetenzanforderungen im Alltag der Lernenden zu orientieren und andererseits die Aufgabe, Ältere im Umgang mit Kompetenzverlusten zu unterstützen, z. B. durch die Vermittlung von Kompensationsstrategien. Jedoch können sich Kompetenzentwicklungsziele im höheren Erwachsenenalter keineswegs auf alltagspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten beschränken, da insbesondere grundlegende Kulturtechniken als Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe auch im Alter relevant sind. Notwendig ist eine Bildung, die die Partizipation aller sozialen Gruppen über den gesamten Lebensverlauf hinweg erhöht und dabei auf die hohe Diversität der Nachfrage bei älteren Erwachsenen eingeht. Die Perspektive der Lebenslaufforschung ist soziologisch, psychologisch, ökonomisch, medizinisch und philosophisch geprägt, aber aus Sicht der Bildungs- und Erziehungsforschung ist besonders darauf hinzuweisen, dass nach wie vor die Bedeutung lebenslanger Bildungsprozesse zunimmt. Dabei kann Bildung nicht nur als Erwerb von Wissen und Qualifikation aufgefasst werden, denn es geht im Alter vor allem um die Erhaltung von Kompetenzen, damit sich Individuen lebenslang mit neuen Aufgaben und Anforderungen auseinandersetzen können. Bildung ist dabei keineswegs nur im institutionellen Kontext zu denken, auch die non-formal und informell erworbene Bildung und das dort stattfindende Lernen sind für die individuelle Entwicklung von großer Bedeutung. Die Erhaltung von Kompetenzen (beispielsweise literacy, numeracy, problem-solving) sind kein Selbstzweck, sondern dienen dem Erhalt von Selbstständigkeit und Autonomie bis ins hohe Alter. Allerdings zeigen empirische Studien, dass es hierzu einer individuellen wie gesellschaftlichen Offenheit für das lebenslange Lernen bedarf. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die Partizipation an kulturellen, sozialen und technischen Innovationen sowie die Erhaltung der Offenheit des Menschen für Neues ist möglich, wenn man bei Bildungsprozessen die individuellen Reifungsprozesse, die lebensaltersspezifischen Entwicklungsaufgaben und die generationsspezifischen Erfahrungen und Stärken berücksichtigt. Die teilweise immer noch vorhandene Stigmatisierung von lernenden alternden Menschen wirkt als eine Bildungsbarriere, die dadurch aufgebrochen werden kann, dass man die Lernfähigkeit und die Lernbereitschaft Älterer realistisch berücksichtigt. Über- und Unterforderungen untergraben – wie in anderen Altersgruppen – die Motivation und die vorhandenen Bildungsinteressen. Einerseits ist der demografische Wandel eine enorme Herausforderung für die nachhaltige Gestaltung sozialer Sicherungssysteme, für die Finanzierung von Gesundheitsleistungen bei einer zu erwartenden Zunahme der Anzahl von Pflegebedürftigen und auch von Personen mit demenziellen Erkrankungen, andererseits ermöglicht die
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830 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter deutliche Veränderung der Normalbiografien und die gestiegene Lebenserwartung auch bessere Chancen nach Ende der Erwerbsphase auf ein an eigenen Bedürfnissen und Präferenzen orientiertes Leben. Allerdings müssen die gewonnenen Jahre gestaltet werden und dabei kann die durch Bildung angeregte kognitive, motorische und soziale Aktivität sehr hilfreich sein. Basis für eine darauf bezogene Bildungs- und Alternsforschung ist eine Kompetenzorientierung, die die hohen Ressourcen, z. B. die Erfahrungen und die kristalline Intelligenz der Älteren anerkennen, ohne zu negieren, dass mit dem Erreichen eines sehr hohen Alters die Wahrscheinlichkeit auf Unterstützung anderer angewiesen zu sein, steigt. Die zunehmende Lebenserwartung, die veränderten Lebensentwürfe sind insofern auch eine große Herausforderung für die spezifische Professionalisierung zahlreicher Berufe, sicher auch pädagogischer Berufe.
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834 Bildung im höheren und hohen Erwachsenenalter Schmidt-Hertha, B. & Strobel-Dümer, C. (2014). Computer literacy among the generations. How can older adults participate in digital society? In G. K. Zarifis & M. N. Gravani (Hrsg.), Challenging the ‚European area of lifelong learning‘: A critical response, 31-40. Dordrecht: Springer. Schmidt-Hertha, B. & Thalhammer, V. (2016). Informelles Lernen älterer Erwachsener. In M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Informelles Lernen, 303-322. Wiesbaden: VS Verlag. Schmidt-Hertha, B. & Tippelt, R. (2017). Entwicklung von Mediennutzungskompetenz im Erwachsenenalter. In J. Erpenbeck & W. Sauter (Hrsg.), Kompetenzentwicklung im Netz. Wiesbaden: VS Verlag. Schmidt-Hertha, B., Gebrande, J. & Friebe, J. (2014). Competencies in later life. ELM Magazine, 1. Verfügbar unter https://elmmagazine.eu/issue-1-2014/competencies-in-later-life/ (Zugriff am 03.09.2019). Schmidt-Hertha, B., Kuwan, H. & Rees, S.-L. (2015). Sicherung qualifizierter Facharbeit durch Weiterbildung und Qualifizierung älterer Arbeitnehmer/innen. (Unveröffentlichte Expertise im Auftrag des BMBF). Seidel, S., Bilger, F. & Gensicke, T. (2013). Themen der Weiterbildung. In F. Bilger, D. Gnahs, J. Hartmann & H. Kuper (Hrsg), Weiterbildungsverhalten in Deutschland. Resultate des Adult Education Survey 2012, 125-138. Bielefeld: wbv. Seifert, A., Zentner, S. & Nagy, F. (2012). Praxisbuch Service-Learning. „Lernen durch Engagement“ an Schulen. Weinheim u. a.: Beltz. Siegrist, J. & Dragano, N. (2007). Rente mit 67 – Probleme und Herausforderungen aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht. (Arbeitspapier 147). Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. Smith, J. & Marsiske, M. (1994). Abilities and competencies in adulthood: Life-span perspectives on workplace skills. Paris: OECD. Statistisches Bundesamt (2015). Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Strobel, C., Schmidt-Hertha, B. & Gnahs, D. (2011). Bildungsbiographische und soziale Bedingungen des Lernens in der Nacherwerbsphase. Magazin erwachsenenbildung.at, 13, 06-2–06-11. Strom, R. D. & Strom, S. K. (2000). Intergenerational learning and family harmony. Educational Gerontology, 26, 261-283. Thalhammer, V. & Schmidt-Hertha, B. (2015). Intergenerationelle innerfamiliäre Unterstützungsprozesse bei der Mediennutzung von älteren Erwachsenen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18, 827-844. Thomae, H. (1970). Theory of aging and cognitive theory of personality. Human Development, 13, 1-16. Tippelt, R. (1990). Bildung und sozialer Wandel. Eine Untersuchung von Modernisierungsprozessen am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland seit 1950. Weinheim: Deutscher Studienverlag. Tippelt, R. (2012). Lebenslanges Lernen. In H.-E. Tenorth & R. Tippelt (Hrsg.), Beltz Lexikon Pädagogik, 444-447. Weinheim u. a.: Beltz. Tippelt, R. & Lindemann, B. (2016). Lernende Regionen und Kooperation: Organische Solidarität als Herausforderung. In C. Berndt, C. Kalisch & A. Krüger (Hrsg.), Räume bilden – pädagogische Perspektiven auf den Raum, 203-213. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. Tippelt, R., Schmidt, B., Schnurr, S., Sinner, S. & Theisen, C. (2009). Bildung Älterer. Chancen im demografischen Wandel. Bielefeld: Bertelsmann. Van Eimeren, B. & Frees, B. (2011). Drei von vier Deutschen im Netz – ein Ende des digitalen Grabens in Sicht? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011. Media Perspektiven, 334-349. Wahl, H.-W. & Kruse, A. (Hrsg.) (2014). Lebensläufe im Wandel. Entwicklung über die Lebensspanne aus Sicht verschiedener Disziplinen. Stuttgart: Kohlhammer. Weishaupt, H. & Kühne, S. (2011). Schülergenerationen im Blick der Bildungsstatistik. In T. Eckert, A. von Hippel, M. Pietraß & B. Schmidt-Hertha (Hrsg.), Bildung der Generationen, 251-266. Wiesbaden: VS Verlag. Wolter, F. & Schiener, J. (2009). Einkommenseffekte beruflicher Weiterbildung. Empirische Analysen auf Basis des Mikrozensus-Panels. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 61, 90-117. World Health Organization (Hrsg.) (1994). Life skills education in schools. Genf: WHO. Zboralski-Avidan, H. (2015). Further training for older workers: A solution for an ageing labour force? Berlin: FU Berlin. Zwick, T. (2012). Effektivität der Weiterbildung aus Sicht älterer Beschäftigter. BWP Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 41(1), 15-18.
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VII Bildungsmedien und digitale Informationsumwelten
Einführung zu VII Friedrich W. Hesse (Leibniz-Institut für Wissensmedien) Klassische Printmedien: Das Schulbuch Eckhardt Fuchs und Kathrin Henne (Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung) Digitale Medien in Unterrichtskontexten Peter Gerjets und Katharina Scheiter (Leibniz-Institut für Wissensmedien) Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung Ulrike Cress, Joachim Kimmerle und Friedrich W. Hesse (Leibniz-Institut für Wissensmedien)
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| 837 Einführung zu VII
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Bildungsmedien und digitale Informationsumwelten Friedrich W. Hesse
Der Begriff der Bildungsmedien umfasst die ganze Bandbreite an Medien, die im Kontext Bildung eingesetzt werden, von klassischen Printmedien bis hin zu neuen Formen digitaler Medien zur Unterrichtsunterstützung oder in informellen Kontexten. In Kapitel 25 wird das Printmedium Schulbuch behandelt. Dies beginnt mit einer kurzen Skizzierung der Entwicklung der Gattung „Lehrbuch“ in Deutschland. Im Anschluss wird auf den Zusammenhang der Gestaltung von Lehrbüchern im Spannungsfeld der Bildungspolitik eingegangen. Eckhardt Fuchs und Kathrin Henne zeigen auf, welche Rolle Schulbücher als Vermittler zwischen der Lehrplanentwicklung und der Umsetzung in der konkreten Unterrichtsplanung spielen. Im Weiteren erläutern sie Einflussquellen bei der Produktion von Schulbüchern und unterschiedliche Zulassungsverfahren und gehen ein auf Fragen wie: Wer nimmt Einfluss auf den Inhalt von Schulbüchern und wovon hängt diese Einflussnahme ab? Wer finanziert die Produktion von Schulbüchern? Welche Inhalte werden aufgenommen und aus welchen Gründen? Neben der Produktion von Schulbüchern im weiteren Sinne sind natürlich auch die Verwendung von Schulbüchern und die Reaktion der verschiedenen betroffenen Nutzergruppen von Interesse. Diese Aspekte behandeln die Autor*innen in den Abschnitten „Nutzung“ und „Öffentlichkeit“: Sie zeigen Einflussfaktoren der Nutzung und Annahme von Schulbüchern auf und gehen auf Reaktionen der Öffentlichkeit auf konflikthaltige Lehrbuchinhalte ein. Besonderheiten im Kontext der beruflichen Bildung werden in einem eigenen Abschnitt behandelt. Über die Nutzung hinaus ist auch die Wirkung des Einsatzes von Schulbüchern von Interesse, deshalb werden in einem Abschnitt diesbezügliche Studien berichtet. In den zwei letzten Abschnitten des Kapitelteils erläutern Fuchs und Henne den Revisionsprozess von Schulbüchern und geben dann einen Ausblick auf den Einsatz von Schulbüchern in der Zukunft. Das Kapitel 26 beleuchtet digitale Medien in Unterrichtskontexten, wobei der Fokus auf Überlegungen zu individuellen Bildungsprozessen in schulischen Kontexten liegt. In einem ersten Abschnitt erörtern Peter Gerjets und Katharina Scheiter in-
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838 Einführung zu VII wiefern die Untersuchung der Effektivität digitaler Medien in Unterrichtskontexten auf eine Nutzung des Mediums per se abzielen sollte oder vielmehr die Wirksamkeit spezifischer Lernmethoden und -materialien von zentralem Interesse ist („Clark-Kozma-Debatte“). Der zweite Abschnitt behandelt instruktionale Potenziale digitaler Medien: Durch digitale Medien entstehen neue Informations- und Interaktionsformen für den Unterrichtskontext, neue Möglichkeiten der Individualisierung des Lernens sowie zusätzliche Herangehensweisen hinsichtlich der Instruktion. Im dritten Abschnitt gehen Gerjets und Scheiter auf die Barrieren für die Potenzialrealisierung ein. Hier führen sie zum einen auf, welche Kompetenzen auf Seiten der Lehrenden und Lernenden zum effektiven Einsatz digitaler Medien im Unterricht nötig sind und gehen zum anderen auf die Verfügbarkeit geeigneter Technologien und Lernmaterialien ein. Gerjets und Scheiter schließen mit einer Zusammenfassung ihrer drei Kernaussagen und geben parallel einen Ausblick auf die zukünftige Rolle digitaler Medien im Unterrichtskontext. In Kapitel 27 behandeln Ulrike Cress, Joachim Kimmerle und Friedrich W. Hesse die Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung. Während sich die beiden anderen Kapitel mit formaler Bildung im Schulkontext beschäftigen, geht es in diesem Kapitel um Bildung mit digitalen Medien in informellen Settings. Entsprechend wird hier auch der Begriff Bildung weiter gefasst, nämlich – wie bei Humboldt – Kenntnis über Meinungen und Positionen zu erlangen mit dem Ziel mündige und informierte Bürgerinnen und Bürger zu werden. Ein erster Abschnitt bietet einen Überblick über die Nutzung von Internet und sozialen Medien. Im Anschluss gehen die Autoren auf die Besonderheiten des Internets im Hinblick auf die Verfügbarkeit und den Zugriff auf externes Wissen ein. Diese waren durch das Internet nie größer als heute und nehmen durch Initiativen wie Open Content und Open Educational Resources (OER) weiter zu. Cress, Kimmerle und Hesse gehen zudem auf Vernetzung und Partizipation als Bildungsziele sowie auf die Potenziale und Barrieren sozialer Medien im Hinblick auf diese Ziele ein. Das Internet bietet seinen Nutzer*innen nicht nur die Möglichkeit Informationen zu rezipieren, sondern auch sich mit anderen darüber auszutauschen und gemeinsam mit anderen neues Wissen zu generieren. In der Realität bleibt die Aktivität der Nutzer*innen allerdings oft hinter den Möglichkeiten zurück. Dies liegt nicht nur an motivationalen Aspekten, auch kognitive Prozesse stehen einem objektiven Wissensaustausch teilweise im Wege. Die Autoren schildern in diesem Zusammenhang problematische Internet-Phänomene wie Filter Bubble, Cyberpolarisierung und Cyberbalkanisierung. Anschließend spannen sie noch einmal den Bogen zu den formalen Bildungskontexten und beschreiben, inwiefern Schulen die im Umgang mit dem Internet geforderte Medienkompetenz fördern können. Ein damit einhergehendes neues Verständnis von Lernen (21st Century Learning Skills) wird von Cress, Kimmerle und Hesse beschrieben und mit Anwendungsbeispielen konkretisiert.
| 839 25 Klassische Printmedien: Das Schulbuch Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Eckhardt Fuchs und Kathrin Henne
Zusammenfassung Das gedruckte Schulbuch nimmt nach wie vor einen zentralen Platz im Kanon der Lehrmaterialien ein. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden ein Überblick über Forschungen zum und über das Schulbuch gegeben, der sowohl das Medium selbst aber auch den Kontext seiner Herstellungs-, Rezeptions- und Aneignungsprozesse umfasst. Wird zunächst auf den Gegenstand des Schulbuchs und seine historische Entwicklung eingegangen, folgen in den nächsten Abschnitten Ausführungen zur Rolle der Bildungspolitik in Schulbuchfragen und zur Produktion von Schulbüchern, die nicht nur bildungspolitische Vorgaben, sondern einen immensen Markt mit hohem Wirtschaftsvolumen bedient. Dabei wird deutlich, dass sowohl bildungspolitische Akteure als auch Verlage und Autor*innen in den Aushandlungsprozessen über Schulbuchinhalte eine entscheidende Rolle spielen, was unter anderem in der Zulassung von Schulbüchern zum Tragen kommt. In einem weiteren Abschnitt werden Schulbücher aus gestalterischer und pädagogisch-psychologischer Perspektive in den Blick genommen. Die Nutzung bzw. die Wirkung von Schulbüchern, die in den letzten Jahren zunehmend das Interesse der Forschung geweckt haben, bilden den Gegenstand weiterer Abschnitte. Im Zentrum stehen dabei diejenigen Faktoren, die die Verwendung des Schulbuchs im schulischen Kontext beeinflussen. Zugleich wird auf die Reaktion der Öffentlichkeit auf Schulbuchinhalte eingegangen. Ein eigener Abschnitt widmet sich der beruflichen Bildung. Zuletzt werden Fragen der Schulbuchrevision aus internationaler und nationaler Perspektive behandelt, die nicht selten zu vehementen öffentlichen Debatten führen. Dies wird in den historischen Kontext der Schulbuchrevision eingebettet, die vor allem zur zwischenstaatlichen Konfliktlösung beitragen sollte. Das Kapitel geht darüber hinaus auf gesellschaftliche und technologische Herausforderungen ein, denen sich Schulbücher heute stellen müssen. Die beiden Autor*innen danken Felicitas Macgilchrist für ihre hilfreiche Kommentierung des Textes.
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840 Klassische Printmedien: Das Schulbuch
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25.1 Gegenstand Das moderne Schulbuch ist über einen längeren historischen Zeitraum hinweg entstanden. In der ersten Phase vom 16. bis zum 18. Jahrhundert war die Schulbuchentwicklung eng mit der Verbreitung des Buchdrucks und der Einführung einer allgemein gültigen hochdeutschen Sprache in den Unterricht verbunden. Institutionell spielten in diesem Zeitraum religiöse Orden und die Kirchgemeinden eine dominante Rolle im Bildungsbereich und daher auch in der Schulbuchproduktion (vgl. Viñao 2002; Kreusch 2008). Die zweite Phase der Schulbuchgeschichte wird gemeinhin dem Zeitraum seit dem 19. Jahrhundert zugeordnet. Sie ist durch die steigende Bedeutung des Staates in der Bildung und die damit einhergehende Bildungsexpansion, aber auch durch die Reform der pädagogischen Modelle und Unterrichtsmethoden bedingt. Die Neustrukturierung des deutschen Schulwesens in ihrem Spannungsverhältnis von Modernisierungsdruck und Herrschaftssicherung führte zu curricularen Anpassungen, die sich auch in den Lehrbüchern niederschlugen. Darüber hinaus wurde die Schulbuchentwicklung maßgeblich von der Entwicklung des Verlagswesens geprägt, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts etablierten sich spezialisierte Schulbuchverlage. Dies machte das Kaiserreich zu einer Epoche besonders extensiver Schulbuchproduktion. Rund 40 % aller Schulbücher, die zwischen 1700 und 1945 in Deutschland bzw. den deutschen Staaten publiziert wurden, sind im Kaiserreich erschienen. Seit dem beginnenden 19. Jahrhundert gewann so der Begriff des Lehrbuchs an Bedeutung und setzte sich schließlich am Anfang des 20. Jahrhunderts als Gattungsbegriff durch. Er gilt heute sowohl für gedruckte als auch digitale Schulbücher. Heute werden Schulbücher u. a. aus verwaltungstechnischer, didaktischer und wissenssoziologischer bzw. kulturwissenschaftlicher Perspektive definiert. Stellt man die kennzeichnenden Merkmale eines Schulbuches aus den Verwaltungsverordnungen der deutschen Länder zusammen, dann handelt es sich um ein für Schüler bestimmtes Lehr-, Lern- und Arbeitsmittel, das sich schulart- und schulfachbezogen an Lehrplänen oder Standards orientiert und die dort bestimmten Ziele, Kompetenzen und Inhalte umsetzt. In der Regel wird es für ein komplettes Schuljahr oder ein Schulhalbjahr eingesetzt und als Leitmedium im Unterricht verwendet (vgl. Stöber 2010). Aus didaktischer Perspektive ist ein Schulbuch ein kombiniertes Lehr-, Lern- und Arbeitsbuch, das verschiedene Aufgabenstellungen beinhaltet, entlang von Kompetenzentwicklung strukturiert ist und aus einem „Medienmix“ besteht. Zu den Komponenten dieses Medienmix zählt Gautschi Lehrerhandreichungen mit ergänzenden Unterlagen, Vorgehensskizzen und Lösungshinweisen sowie digitale Ergänzungsmaterialien mit Aufgaben und Materialien, die entweder online verfügbar sind oder in Form einer CD-ROM vorliegen (Gautschi 2010, 131). Lehrmaterialien sollten an die Lebenswelt der Lernenden anknüpfen, Hilfestellungen zur Differenzierung und Entwicklung von Vorstellungen sowie Konstruktionen und Ko-Konstruktionen (Lernen durch Zusammenarbeit, gemeinsames Erforschen von Bedeutungen) bieten, Hilfe zur Selbstbildung der Lernenden sowie zur Orientierung und Einordnung
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Bildungspolitik 841 leisten, den Aufbau von Basiskonzepten unterstützen, mehrperspektivische Zugänge öffnen, kombinierte Repräsentationsformen bieten, vielfältige Interessen (z. B. geschlechterspezifische) einbeziehen und auf vollständige, problemorientierte Lernprozesse und Förderung (Reflexion, Begutachtung, Beurteilung) ausgerichtet sein (vgl. Aeberli 2004; Handro und Schönemann 2011). Schulbücher nehmen daher Funktionen der Strukturierung, Repräsentation, Steuerung, Motivierung, Differenzierung sowie Übung und Kontrolle wahr (vgl. Hacker 1980). Neuere Forschungen ergänzen diese Typologie durch eine weitere, nämlich die Innovationsfunktion, die darauf beruht, dass das Schulbuch als wirksamstes Instrument zur Umsetzung von Bildungsplänen angesehen wird und damit am ehesten geeignet scheint, didaktische und methodische Neuerungen aufzugreifen und exemplarisch umzusetzen (vgl. Bullinger et al. 2005). Damit trägt das Schulbuch in Bezug auf das zu lehrende Wissen dazu bei, in Abhängigkeit vom Curriculum den jeweiligen Wissensbestand zu systematisieren, ihn vollständig abzubilden, thematisch zu fokussieren und didaktisch aufbereitet zu präsentieren. Das Schulbuch soll zugleich Lernende motivieren, differenzierend auf unterschiedliche Leistungsniveaus eingehen und das Lernen an unterschiedlichen Lernorten ermöglichen (vgl. Rauch und Wurster 1997). Aus wissenssoziologischer sowie kulturwissenschaftlicher Perspektive wird das Schulbuch als soziales Beobachtungsmedium in einem Medienverbund verortet. Beobachtung wird dabei im Sinne Niklas Luhmanns verstanden, der damit die Repräsentation bzw. Konstruktion von Realität durch Medien bezeichnete (vgl. Luhmann 1991). Schulbuchwissen als Wissen in und über Schulbücher erhält seine Spezifik gegenüber anderen Medien durch seine didaktische Strukturierung, lässt sich aber nicht darauf reduzieren. Es muss decodiert, also auf seine semantische Struktur, Funktion und Form hin analysiert werden, um über die Analyse der narrativen Modi und latenten Deutungsmuster das in ihm enthaltene soziokulturelle Wissen zu bestimmen (vgl. Höhne 2003; Bayer et al. 2014). Bei einem solchen diskursanalytischen Ansatz geht es nicht allein darum zu untersuchen, was und was nicht in Schulbüchern erzählt wird, sondern auch, wie und über welche narrativen Strategien und diskursiven Brüche die Inhalte vermittelt werden (vgl. Handro 2010). Ein solcher kulturwissenschaftlicher Ansatz erlaubt es auch, das Schulbuch als ein Medium zu analysieren, das einen „komplexen Einblick in gesellschaftliche Debatten und Selbstverständigungsprozesse“ gibt (Christophe 2014, 1).
25.2 Bildungspolitik Lehrmittel stellen Instrumente bildungspolitischer Steuerung dar (vgl. Apple und Christian-Smith 1991; Bascio und Hoffmann-Ocon 2010). Schulbuchzulassungen unterliegen in vielen Ländern engen Genehmigungsverfahren, die sicherstellen sollen, dass die Bücher mit den Lehrplänen übereinstimmen und Lehrende sich über
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842 Klassische Printmedien: Das Schulbuch Schulbücher an die Vorgaben der Curricula halten (vgl. Leppek 2002). Die Bildungspolitik – besonders in Deutschland – fordert daher zunehmend empirische Ergebnisse zum Einsatz und zur Wirkung von Curricula und Lehrmitteln. Sie verspricht sich von neuen innovativen Unterrichtskonzepten, -methoden und -materialien eine höhere Wirksamkeit des Unterrichts (vgl. Gräsel 2010). Von Lehrenden erwartet sie in erster Linie aus politischen und ökonomischen Überlegungen, dass sie Lehrmittel verbindlich im Unterricht einsetzen. Diese Verbindlichkeit betrifft politische, juristische, pädagogische und normativ-ethische Erwartungen an Lehrmittel (vgl. Pöggeler 2005). Steuerungsambitionen der Bildungspolitik lassen sich allerdings nicht beliebig durch Schulbücher umsetzen, ist eine solche Steuerung doch von vielfältigen Voraussetzungen und Bedingungen abhängig. Gerade im Kontext des implementierten Lehrplans zeigt sich, dass die größten Steuerungsverluste vor allem in der Unterrichtspraxis auftreten (vgl. Oelkers 2006; Heinze 2011). In den letzten Jahren erfolgte im Kontext der curricularen Reformen im deutschsprachigen Raum eine stärkere Fokussierung auf Bildungsstandards und Kompetenzziele; in den Kerncurricula wurde die inhaltliche Füllung der Lehrpläne mehr und mehr der lokalen Schulebene überlassen. Die bildungspolitischen Erwartungen an und die Verwendung von Schulbüchern durch den kompetenzorientierten, konstruktivistisch ausgerichteten Unterricht haben sich dabei in den letzten Jahren stark gewandelt. Mit der Einführung von Bildungsstandards wurden in den Output-orientierten Curricula Inhalte durch Kompetenzen ersetzt. Die hiermit gewonnene Freiheit, über Inhalte schul- und klassenspezifisch zu entscheiden, fordert von der Lehrkraft, durch eine sinnvolle Auswahl die Inhaltsmenge zu reduzieren (vgl. Bullinger et al. 2005). Da Schulbücher das Bindeglied zwischen Bildungsstandards und Unterrichtspraxis bilden, verknüpfen sich mit der curricularen Reform auch neue Erwartungen an moderne Lernmaterialien (vgl. Fuchs et al. 2014). Sie müssen an einen zunehmend kooperativ und selbstständig gestalteten Lernprozess angepasst werden, in dem es um die stärkere Vermittlung von Lernmethoden, eigenverantwortliches Lernen, eine kooperative, von den Lernenden beeinflussbare Gestaltung des Unterrichts, eine Öffnung des Unterrichts für außerschulische Lernorte, eine stärkere Verlagerung der Lehreraufgaben hin zur Lernberatung und die Moderation und Organisation von Gruppenarbeit geht (vgl. Vollstädt 2002). Geht man also davon aus, dass Schulbücher eng an die Lehrpläne der Fächer gebunden sind, so haben Curricula einen mittelbaren Einfluss auf den Lernprozess. Schulbücher nehmen eine bedeutende Rolle ein als Mediatoren zwischen dem intendierten und dem implementierten Lehrplan. Auf allen drei Ebenen der Lehrplanarbeit, nämlich der Lehrplanentwicklung, der Vermittlung (Lehrerbildung, Lehrmittelproduktion) und der Unterrichtsplanung, spielen Schulbücher eine wichtige Rolle – sie werden nicht nur durch curriculare Vorgaben bestimmt, sondern haben umgekehrt auch Einfluss auf die Lehrplanarbeit (vgl. Bähr und Künzli 1999). Zu den bildungspolitischen Anforderungen an Schulbücher gehört, dass sie an die Lebenswelt der Lernenden anknüpfen, Hilfe zur Selbstbildung der Lernenden leis-
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Produktion 843 ten, den Aufbau von Basiskonzepten unterstützen, mehrperspektivische Zugänge öffnen, kombinierte Repräsentationsformen bieten, vielfältige Interessen einbeziehen und sich auf vollständige, problemorientierte Lernprozesse ausrichten (vgl. Aeberli 2004). Das Schulbuch steht daher vor der Herausforderung, sich von Wissensvermittlung zur Handlungsorientierung und -anweisung für Lernende, vom Reiz-Reaktions-Schema zu Lernszenarien und zur Einbeziehung des Alltagslebens und der Eigenerfahrung der Schülerinnen und Schüler zu entwickeln und zugleich spezifische Kompetenzen zu vermitteln, seien es fachspezifische und fachübergreifende Methodenkompetenzen oder soziale Kompetenzen. Dazu kommt, dass gedruckte Schulbücher nicht mehr isolierte Lehrmaterialien sind, sondern sich in einem Verbund mit diversen Medien befinden. Im Vergleich zwischen lange im Voraus produzierten Medien (z. B. digitalen und gedruckten Schulbüchern) und kurzfristig produzierbaren, auf aktuellen Gegebenheiten schnell reagierenden digitalen Medien weist das Schulbuch Nachteile in Bezug auf Komplexitätsreduzierung, Aktualisierung und Präsentationsvielfalt, den Zugriff auf übergreifende, vor allem interdisziplinäre Wissensbestände sowie Angebote von Handlungsanregungen und -optionen auf (vgl. Scheller-Brüninghaus und Schmidt 2011). Insofern kommen Schulbücher heute zumeist als Kombination von Lernund Arbeitsbuch mit gedruckten und digitalen Bestandteilen daher. Solche multimedialen Schulbücher verbinden die Vorteile digitaler Medien mit den Potenzialen gedruckter Lehrmaterialien, vor allem im Hinblick auf die Verbindung linearer mit vernetzten Strukturen. Diese Entwicklung steht in Deutschland noch am Anfang (vgl. Macgilchrist 2012a; Schreiber 2013).
25.3 Produktion In vielen Ländern sind Schulbücher eine Ware, die von kommerziellen Verlagen produziert und verlegt wird. Die Produktion von Schulbüchern bedient daher nicht nur bildungspolitische Vorgaben, sondern einen immensen Markt mit hohem Wirtschaftsvolumen. Die Produktionskosten – u. a. Autoren- und Gutachterhonorare, Redaktions-, Werbungs-, Druck- und Vertriebskosten – hängen in entscheidendem Maße von der Auflagenhöhe und der Lebensdauer eines Schulbuches ab. Sie werden vor allem durch die Verlage getragen, die unter den Bedingungen eines broken market, in dem sich Anbieter und Käufer nicht unmittelbar gegenüberstehen, das wirtschaftliche Risiko tragen. Wie oben angedeutet, bilden Schulbuchverlage das Bindeglied zwischen den in Curricula postulierten politischen Vorgaben und deren Umsetzung im Unterricht. Diese Kombination von wirtschaftlichem Interesse und bildungspolitischer Umsetzungsfunktion ermöglicht nicht nur eine weitgehende Steuerung, Standardisierung und Stabilisierung von Wissensordnungen und Wertvorstellungen. Darüber
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844 Klassische Printmedien: Das Schulbuch hinaus spielt die politische Entscheidung, ob Schulbücher käuflich erworben werden müssen oder ob der Staat diese kostenlos zur Verfügung stellt, eine wichtige Rolle im wirtschaftlichen Kalkül der Verlage. Dazu gehören auch die Kosten, die damit verbunden sind, neues Wissen in die Schulbücher einfließen zu lassen. Es sind daher spezifische ökonomische und politische Rahmenbedingungen und nicht allein die Gewinnerwartung, die die Implementierung von pädagogischen, fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Innovationen hemmen oder fördern. Neueste Forschungen unterstreichen dies, indem sie Verlage als Organisationen der Diskursproduktion (vgl. Macgilchrist 2011) interpretieren, in denen jenseits wirtschaftlicher Interessen kulturelle Wissensordnungen nicht nur reproduziert und stabilisiert, sondern auch ergänzt, verschoben und damit destabilisiert werden können. Praktiken der Schulbuchproduktion umfassen neben den humanen auch die nicht-humanen Elemente. Schulbuchverlage verfahren somit nicht nur nach der Logik der Profitmaximierung, sondern agieren auch als besagte Organisationen der Diskursproduktion, die das in Curricula festgehaltene „kanonische Wissen“ reproduzieren und zugleich auch verändern (vgl. Macgilchrist 2011, 2012b, 2015). Die Definition der Schulbuchproduzenten im weiteren Sinne ist von Bedeutung für die Frage, ob die Schulbuchproduktion in geschlossenen Zirkeln auf der Grundlage von eingespielten Regelwerken organisiert wird oder aber Gegenstand einer öffentlichen Debatte ist, an der sehr viele Akteur*innen beteiligt sind. Nimmt man die Gesamtheit des Produktionsprozesses, zählen dazu neben Bildungspolitiker*innen und Verleger*innen auch Schulbuchautor*innen, Eltern und Lehrkräfte sowie Didaktiker*innen und Wissenschaftler*innen. Der Umfang der Akteursbeteiligung hängt vom Grad der Kontrolle bzw. Autonomie des Produktionsprozesses ab. Dazu gehört unter anderem, ob das politische System den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Auffassungen über die inhaltliche und didaktische Gestaltung der Schulbücher zulässt oder ob es ein staatliches Monopol der Produktion gibt, wie die Autorinnen und Autoren benannt werden und welche Verfahren der Zulassung existieren (vgl. Macgilchrist 2014). Aufgrund des föderalen Prinzips und der Vielzahl unterschiedlicher Schularten ist der Schulbuchmarkt in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern außergewöhnlich groß. Schulbücher werden in Deutschland durch kommerzielle Verlage produziert, die das wirtschaftliche Risiko durch Übernahme der Produktionskosten tragen. In Deutschland teilen die großen Schulbuchverlagsgruppen Cornelsen, Klett und Westermann fast den kompletten allgemeinbildenden Schulbuchmarkt unter sich auf; weitere ca. 70 Verlage konzentrieren sich vor allem auf bestimmte Nischen bzw. haben sich spezialisiert, etwa im Hinblick auf ein Bundesland, einzelne Schularten oder Fächer. Der Verband VdS Bildungsmedien nimmt die Interessenvertretung der Schulbuchverlage wahr. Er beteiligt sich an offiziellen Anhörungsverfahren zur Inkraftsetzung neuer Lehrpläne und Rahmenrichtlinien für den Unterricht und an Gesetzgebungsverfahren; er ist direkter Verhandlungspartner der Kultusministerien bei Fragen der Schulbuchzulassung oder der Finanzierung im Rahmen der Lernmit-
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Zulassung und Evaluation 845 telfreiheit; er berät bei der Gestaltung von staatlichen Förderprogrammen und ist das Verbindungsglied zu Politik und Öffentlichkeit (vgl. Brandenberg 2006). In der Regel werden Schulbücher von Teams aus Lehrkräften, Fachdidaktiker*innen und Verlagsredakteur*innen verfasst. Herausgeber*innen bzw. Moderator*innen der Autor*innengruppen sind oft Schulleiter*innen (vgl. Hessenauer 2006). Durch den beschleunigten sozialen Wandel und daraus folgende regelmäßige Lehrplanrevisionen, aber auch aufgrund der kritischen Einstellung der Nutzerinnen und Nutzer und der sich verändernden Marktsituation sind regelmäßige Überarbeitungen unabdingbar, um die Qualität des Schulbuchs zu sichern (vgl. Sandfuchs 2010). Der Zyklus zwischen jeweils neuen Schulbüchern, also nicht nur veränderten Auflagen, ist fächerabhängig, beträgt aber durchschnittlich etwa fünf bis acht Jahre.
25.4 Zulassung und Evaluation Der Staat nahm bereits in der frühen Neuzeit Einfluss auf die Schulbuchproduktion und -distribution, sei es durch Schulinspektion oder durch die Vereinheitlichung von Schulbüchern und die damit verbundene Kontrolle der Lehr- und Lerninhalte durch Schulordnungen seit dem 16. Jahrhundert (vgl. Schröder 2008). Die staatliche Regulation der Schulbuchproduktion wurde in der Moderne mit neuen Mitteln wie Schulbuchzulassungsverfahren fortgesetzt. Zulassungsverfahren sollen die Einheitlichkeit der Schulbücher und deren Qualität sicherstellen, zugleich kann durch die staatliche Kontrolle ein direkter Einfluss auf die Inhalte ausgeübt werden. In Deutschland ergibt sich die rechtliche Grundlage aus Art. 7 Abs. 1 GG, der das gesamte Schulwesen unter staatliche Aufsicht stellt, sowie aus Art. 30 GG, in dem die Kulturhoheit der Länder definiert wird, Bildungspolitik somit in deren Zuständigkeitsbereich übergeben wird. Der Beschluss 490 der KMK vom 29.06.1972 beinhaltet zudem allgemeine Richtlinien für die Genehmigung von Schulbüchern sowie das Verfahren für diejenigen Bundesländer, die festgelegt haben, dass eine Schulbuchgenehmigung nicht erforderlich ist (vgl. Wendt 2010). Bis heute ist allerdings die Zulassung von Open Educational Resources und anderen digitalen Bildungsmedien gesetzlich nicht geregelt (vgl. BMBF 2015). Das schließt die Frage nach der Finanzierung von Tablets oder Notebooks in der Schule ein (vgl. GEW 2016). Die spezifischen innerdienstlichen Verwaltungsverfahren der Schulaufsichtsbehörden der jeweiligen Bundesländer werden allerdings durch jeweils unterschiedliche Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren bestimmt. Diese Vorschriften und Verordnungen definieren in der Regel den Gegenstand Schulbuch, die Bedingungen der Einführung in der Schule sowie die Zulassungsbestimmungen bzw. Kriterien für eine Zulassung. Zu diesen Kriterien gehören Verfassungs- und Rechtskonformität, didaktische Angemessenheit, die Vereinbarkeit mit den vorgegebenen Lehrplänen und die Wirtschaftlichkeit.
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846 Klassische Printmedien: Das Schulbuch Grundsätzlich existieren zwei Arten von Zulassungsverfahren: Das Genehmigungsverfahren auf Antrag eines Schulbuchverlags impliziert die Prüfung durch externe Gutachter*innen anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs, wobei der Verlag die Kosten trägt. Dieses Verfahren ist zeit- und ressourcenintensiv, stellt aber sicher, dass die zugelassenen Schulbücher verfassungs- und rechtskonform sind und mit den Lehrplanvorgaben übereinstimmen. Es stellt eine Arbeitsentlastung für die Schulen dar, da diese die zugelassenen Schulbücher nicht mehr auf ihre Eignung prüfen müssen. Das zweite, vereinfachte Verfahren besteht in der schriftlichen Erklärung des Verlages, dass das Schulbuch den Zulassungsvoraussetzungen der Lernmittelverordnung entspricht. Dies ermöglicht eine erhebliche Kosten- und Verwaltungsreduzierung für Verlage und Schulverwaltung sowie eine Zeiteinsparung, da durch den verkürzten Entscheidungsprozess Schulbücher schneller zugelassen werden können. Die Qualitätskontrolle liegt dabei allerdings bei den Verlagen. Während in allen Bundesländern kein Zulassungsverfahren für Schulbücher der naturwissenschaftlichen Fächer erforderlich ist, betrifft dies für gesellschaftswissenschaftliche Fächer nur die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg und Saarland. Gibt es auch immer wieder Diskussionen um den Sinn, Zweck und die Kosten des Zulassungsverfahrens, sind sich aber die Länder einig darüber, dass eine verstärkte Bundeskompetenz für den Bildungsbereich nicht erwünscht ist, auch wenn es Ansätze für länderübergreifende Lehrplankonzeptionen gibt, z. B. seit 2005 gemeinsame Rahmenpläne für alle Fächer außer den Naturwissenschaften in Brandenburg, Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Die Debatte zwischen Befürwortern und Kritikern eines eng reglementierenden Zulassungsverfahrens wird weitergeführt, inzwischen sind aber in zahlreichen Bundesländern weitere Liberalisierungen erfolgt. Kritisch reflektiert wird immer wieder die gleichzeitige Funktion der Ministerien als „Gesetzgeber“ und „Richter“ (Rohlfes 1998, 158), der Mangel an Öffentlichkeit des Gutachterverfahrens sowie das vermeintliche Fehlen einer Appellations- und Revisionsmöglichkeit (vgl. Rohlfes 1998; Stillemunkes 1998). Ein zentrales Kriterium für die Zulassung und die Nutzung von Schulbüchern ist deren Qualität. Die Notwendigkeit, Kriterien für die Beurteilung von Schulbüchern zu entwickeln, nahm Anfang der 1990er Jahre in Deutschland deutlich zu. Zum einen erforderte der Schulreformprozess die Hinwendung zu neuen Lehrund Lernformen im Rahmen eines offenen Unterrichts, welcher den Schülerinnen und Schülern größere Eigenverantwortung bei der Auswahl der Unterrichtsthemen, der methodischen Ausgestaltung sowie der Sozialform, in der diese erarbeitet werden, gewährt. Zum anderen war im Zuge der Wiedervereinigung besonders bei Lehrerinnen und Lehrern in Ostdeutschland große Verunsicherung zu spüren. Während sie in der DDR nur ein staatlich verordnetes Schulbuch pro Fach und Jahrgangsstufe eingesetzt hatten, mussten sie sich nun der Herausforderung stellen, aus dem vielfältigen Angebot von zugelassenen Schulbüchern für verschiedene Fächer ein geeignetes auszuwählen (vgl. Schmidt 1991).
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Gestaltung 847 Die ersten Kriterienkataloge zur Evaluation von Schulbüchern entstanden mit dem Übergang von einer vorwiegend politisch-diplomatisch motivierten Schulbucharbeit (1950-1970) mit den Zielen der Aufdeckung von Verzerrungen, Feindbildern und Vorurteilen (vgl. Laubig et al. 1986) hin zur stärker methodologisch und methodisch fundierten Schulbuchforschung (vgl. Fritzsche 1992). Die meisten dieser Kriterienkataloge beziehen sich allgemein auf die Gestaltung und den Inhalt von Schulbüchern, auch wenn sie einer bestimmten Fachdidaktik entstammen. Allerdings bleibt die bereits damals diskutierte Frage, ob eine objektive Beurteilung von Schulbüchern überhaupt möglich ist, bis heute umstritten (vgl. Kahlert 2006). Die aktuelle Lehrmittelforschung geht davon aus, dass die Evaluation von Schulbüchern sich aufgrund der zahlreichen Anforderungen an und Einflussfaktoren auf Schulbücher auf eine Vielzahl von Kriterien stützen muss (vgl. Pohl 2010). Gegenwärtig existiert eine ganze Reihe von Kriterienkatalogen, zu denen das Bielefelder und das Reutlinger Raster, der Wiener Kriterienkatalog und das Levanto webbasierte Evaluationstool gehören (► Tafel 25.1). Tafel 25.1: Auswahl von Kriterienkatalogen zur Evaluation von Schulbüchern Bielefelder Raster: Fünf Dimensionen: Metatheorie, Schulbuchdesign, Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Erziehungswissenschaft, welche in jeweils 10 bis 30 Kategorien unterteilt sind. Die erhobenen Daten sind qualitativ und müssen zur weiteren Verwendung handhabbar gemacht werden. Reutlinger Raster: Neun Kategorien, aus denen ein Gutachtertext formuliert wird: Bibliografische Angaben, Ziele und Inhalte, Lehrverfahren, Adressaten, Gestaltung, Text, Aufgaben, Bild, Bild/Text. Die gewonnenen Daten werden quantitativ ausgewertet. Wiener Kriterienkatalog: Der allgemeine Teil umfasst 58 Fragen, die durch fachspezifische ergänzt werden. Dieses Raster ist im Unterschied zum Bielefelder und Reutlinger Raster klar unterrichtsbezogen und für Lehrende formuliert. Levanto webbasiertes Evaluationstool: 52 Kriterien, die sich auf den pädagogisch-didaktischen Bereich, den thematisch-inhaltlichen Bereich sowie den formal-gestalterischen Bereich aufteilen. Fachspezifische Kriterien sind ausgeschlossen; die quantitativen Daten dienen vor allem zur Standardisierung der Lehrmittelbeurteilung und der Generierung von Entscheidungsgrundlagen.
25.5 Gestaltung Die Gestaltung von Schulbüchern folgt allgemeinen und spezifischen Grundsätzen. Die drei zentralen allgemeinen Grundsätze sind laut Schellmann et al. (2010) Symmetrie, Geschlossenheit und Festigkeit. Sie beinhalten: • die Figur-Grund-Beziehung (Hintergrund darf nicht von der eigentlichen Aussage der Darstellung ablenken, unerwünschte Nebeneffekte sollten vermieden werden),
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848 Klassische Printmedien: Das Schulbuch • das Gesetz der Nähe (zueinander gehörende Elemente sollten nahe beieinander bzw. nicht zueinander gehörende voneinander entfernt liegen), • das Gesetz der Geschlossenheit (Anordnung zusammengehörender Elemente kann neue Formen und Zugehörigkeiten erzeugen; wahllose Anordnungen sollten prinzipiell vermieden werden), • das Gesetz der Kontinuität (Anordnung zusammengehörender Elemente auf einer Linie oder Kurve (Anordnungspfad), verschiedene Anordnungspfade für nicht zueinander gehörende Elemente), • das Gesetz der Ähnlichkeit (Ähnlichkeit sollte Zusammengehörigkeit von Elementen entsprechen bzw. Unterschiede durch Farben, Formen und Größen gekennzeichnet werden), • das Gesetz der Prägnanz (Gestaltungselemente sollten auf ein Minimum beschränkt sein und einfache, ggf. symmetrische Formen bevorzugt werden). Zusätzlich zu diesen Gestaltgesetzen spielt das Gesetz der Erfahrung eine wesentliche Rolle, da nur durch individuelle Erfahrungen das visuell Wahrgenommene korrekt im Gedächtnis eingeordnet werden kann (vgl. Schellmann et al. 2010). Darüber hinaus sind spezifische Gestaltungsgrundsätze relevant, zu diesen zählen Funktionalität (förderlich im Hinblick auf die Lernziele), Einfachheit (didaktische Reduktion auf das Wesentliche) und Konsistenz (einheitliche und eindeutige Verwendung didaktischer Mittel) (vgl. Ballstaedt 1997). Zentral für gedruckte Bildungsmaterialien sind die Text- und Bildgestaltung. Schulbücher zählen zu den informativen Texten (vgl. Reiß 1983), die in unterschiedlichen Lehr-Lern-Situationen verschiedene Funktionen haben. Sie können expositorisch (Darstellung von Sachverhalten, Erwerb deklarativen Wissens), anleitend (Beschreibung von Prozeduren und Verhaltensweisen, Vermittlung prozeduralen Wissens), didaktisch (oft zusätzlich; Explikation von Lernzielen, Vermittlung von Lerntechniken) oder narrativ (erzählender Charakter) sein (vgl. Ballstaedt 1997). Darüber hinaus gehören zu den wichtigsten Aspekten einer optimalen Textgestaltung aus pädagogisch-psychologischer Sicht Verständlichkeit (Einfachheit, Ordnung, Prägnanz, Anregung), Kohärenz, Organisationshilfen und Sequenzierung (vgl. Schnotz 1994; Weidenmann 2006). Zum letztgenannten Aspekt zählen beispielsweise die Chronologie und der Sinnzusammenhang, der kontinuierliche Textaufbau und die Beibehaltung eines Themas (vgl. Schnotz 2011). Hinsichtlich der Sprache liegt der Fokus auf leichter, der Altersstufe angemessenen Lesbarkeit (vgl. Vogl 2005; Iluk 2014) sowie der sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter und der Vermeidung von diskriminierenden Formulierungen (vgl. Fuchs et al. 2014). Bildliche oder grafische Darstellungen können nach bestimmten Kriterien evaluiert werden. Dazu zählen die syntaktischen Evaluationskriterien (Beziehungen der Bildzeichen, Beachtung von Darstellungskonventionen und kulturellen Konventionen wie z. B. der Leserichtung), die semantischen Evaluationskriterien (Bedeutung der Bildzeichen, sachgemäße Darstellungsform und semantische Funktionalität sowie
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Nutzung 849 Kompatibilität mit ergänzendem Text) sowie die pragmatischen Evaluationskriterien (inhaltliche und formale Sparsamkeit, Eindeutigkeit der Grafikgestaltung, gezielter Einsatz von Steuerungselementen zum besseren Verständnis der Informationen und die Zweckorientierung) (vgl. Aprea und Bayer 2010; Schnotz 2011). Hinsichtlich des Verhältnisses von Text und Bild besteht Einigkeit darüber, dass Text und Bild komplementär gestaltet sein sollen, also der Text zum Bildverständnis und das Bild zum Textverständnis beiträgt. Diesem Prinzip liegen folgende Kriterien zugrunde: das Multimedia-Prinzip, demzufolge ein besserer Lernerfolg durch den Einsatz von Text und Bild erzielt wird, die räumliche und zeitliche Nähe in der Präsentation von Text und Bild sowie deren Kohärenz, die Modalität etwa von bewegtem Bild und gesprochenem Text, die Redundanz sowie die Differenz in der Wirkung von Gestaltungseffekten auf Lernende mit unterschiedlichem Wissensgrad oder ungleich ausgeprägtem räumlichen Vorstellungsvermögen (vgl. Mayer 1994, 2004).
25.6 Nutzung Lehrmittel müssen einer Vielzahl von besonderen Anforderungen genügen. Im Gegensatz zu anderen schriftlichen, auditiven, visuellen oder kombinierten Medien besitzen sie mit Lehrenden und Lernenden einen klar definierten Adressatenkreis und erfordern ein „Informationsdesign“ (Pettersson 2010, 41) im Sinne eines ganzheitlichen Blicks auf Gestaltung und Verwendung. Der Adressatenkreis verfügt über spezifische Nutzungserwartungen und Rezeptionsbedingungen im Hinblick auf Lehrmittel, die für eine erfolgreiche – also lernfördernde – Gestaltung maßgeblich sind. Jüngere Forschungen belegen, dass Lehr- und Lernmittel den Anforderungen eines zunehmend kooperativ und selbstständig gestalteten Lernprozesses genügen sollten. Die Entwicklung von Lehr- und Lernmedien zeigt deutliche Tendenzen hin zu einer stärkeren Vermittlung von Lernmethoden, eigenverantwortlichem Lernen, einer kooperativen, von den Lernenden beeinflussbaren Gestaltung des Unterrichts, einer Öffnung des Unterrichts für außerschulische Lernorte und einer stärkeren Verlagerung der Lehreraufgaben hin zur Lernberatung, Moderation und Organisation von Gruppenarbeit (vgl. Vollstädt 2002). Die Nutzung von Schulbüchern im Unterricht unterscheidet sich von Fach zu Fach, was nicht zuletzt an ihrem unterschiedlichen fachspezifischen Design liegt, z. B. einem Buch mit Problemstellungen und Aufgaben wie in Mathematik oder einem Lesebuch mit einer Auswahl an literarischen Texten im muttersprachlichen Unterricht (vgl. Ivić et al. 2013). Schulbücher werden in vielen Fächern nicht regelmäßig, oftmals nur einmal im Monat verwendet (vgl. Gräsel 2010). In den MINTFächern werden sie wenig genutzt, meist nur zu Wiederholungszwecken, der Prüfungsvorbereitung oder der Illustration des Lehrstoffes, nicht aber der Erarbeitung
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850 Klassische Printmedien: Das Schulbuch neuer Lerninhalte (vgl. Doll und Rehfinger 2012). Im Unterschied dazu findet das Geschichtsschulbuch sehr häufig, teilweise in jeder Unterrichtsstunde Anwendung. Aber auch hier wird man differenzieren können: Die Nutzungshäufigkeit nimmt mit höherer Klassenstufe ab (vgl. von Borries 2012). Auch das Design bzw. die didaktische Aufbereitung der Schulbücher haben einen Einfluss auf ihre Nutzung. So sind Geschichtsschulbücher für die Sekundarstufe I quasi alterszugeschnittene Sachbücher, während jene für die Sekundarstufe II ein wissenschaftspropädeutisches Niveau haben oder als reine Arbeitsbücher mit Quellenausschnitten und Materialien konzipiert sind (vgl. Günther-Arndt 2008). Nichtsdestotrotz werden Geschichtsschulbücher vor allem von unter 16-Jährigen vielfach als zu schwierig bewertet (vgl. von Borries 1995). Generell lässt sich für alle Fächer sagen, dass Schulbücher als relevante Lehr- und Lernmittel angesehen werden (vgl. Bölsterli et al. 2010), die Nutzungshäufigkeit insbesondere von der Aktualität und der Qualität der Schulbücher, aber auch dem Qualifikationsgrad der Lehrkräfte abhängt. Auch der Zugang zu Lehrmitteln – insbesondere Schulbüchern – spielt eine wichtige Rolle für den Lernprozess. In Deutschland z. B. beklagen sich viele Eltern über zu teure Schulbücher, da nicht alle Bundesländer die Lernmittelfreiheit umsetzen (vgl. GEW 2016). Viele Lernende haben außerhalb des begrenzten Einsatzes im Unterricht keinen Zugang zu Schulbüchern. Dies wiederum schränkt ihre Möglichkeiten zum außerschulischen Lernen ein und wirkt sich negativ auf den Lernerfolg aus. Obwohl sich in den letzten Jahren experimentelle oder quasi-experimentelle Studien verstärkt mit den Wirkungen von spezifischen Elementen der gedruckten und digitalen Schulbücher befasst haben, ist noch relativ wenig über den Auswahlprozess von Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien und ihren tatsächlichen Einsatz durch die Lehrenden im Unterricht bekannt (vgl. Kahlert 2010; Sandfuchs 2010). Ebenso stehen auch Forschungen zum Gebrauch von Schulbüchern durch Lernende noch am Anfang (vgl. Gautschi 2010). Bisherige Studien konzentrieren sich methodisch zumeist auf die Befragung von Lehrkräften zur Verwendung von Schulbüchern (vgl. Neumann 2014; siehe auch Killus 1998; Jünger 2006; Hemmer 2010) oder Beobachtungen im Unterricht (vgl. u. a. Gautschi et al. 2007; Janík et al. 2014). Die Schülerperspektive wurde bislang überwiegend in Studien zur Bewertung von Schulbüchern berücksichtigt (vgl. Knecht und Najvarová 2010), nicht aber bei der tatsächlichen Nutzung (Neumann 2014). Exemplarisch ist hier die Arbeit von Rezat (2011) zu nennen, der im Rahmen einer Grounded Theory Studie den erwarteten mit dem tatsächlichen Nutzen eines Mathematikschulbuches von Schülerinnen und Schülern vergleichen und analysieren ließ. Weitere Studien zur Nutzung von Schulbüchern durch Schülerinnen und Schüler beziehen sich häufig auf E-Schulbücher (vgl. u. a. Ditmyer et al. 2012; Baker-Eveleth und Stone 2015; Johnston et al. 2015). Dass Schülerinnen und Schüler durchaus in der Lage sind, die Qualität von Lehrmaterialien zu beurteilen, zeigt eine australische Stu-
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Wirkung 851 die, in der sich außerdem herausstellte, dass diese Einschätzung häufig mit der von Schulbuchautor*innen übereinstimmte (vgl. Dargusch et al. 2011). Ob ein Lehrmittel seinen Zweck erfüllt und als gut beurteilt werden kann, hängt überdies von der fachlichen, didaktischen und pädagogischen Kompetenz des Lehrenden ab (vgl. Charalambous und Hill 2012). Die Haltung der Lehrenden und ein didaktisch gut vorbereiteter und durchgeführter Lehr- und Lernprozess sind ausschlaggebend für den Lernerfolg und die Motivation von Schülerinnen und Schülern. Auch Lernemotionen spielen aus didaktischer und lernpsychologischer Sicht eine bedeutende Rolle (vgl. Maier 2002). In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder darauf verwiesen, dass im schülerorientierten Unterricht der Alltagsund Umweltbezogenheit von Lehrmitteln ein hoher Stellenwert zukommt. Dies bezieht sich besonders – aber nicht ausschließlich – auf die naturwissenschaftlichen Fächer. Auch in der Sprachlehrforschung nimmt der Alltagsbezug von Unterrichtsinhalten eine wichtige Stellung ein. Neuere Ansätze des Sprachenlernens, die zum Teil auch in neuen Lehrwerken umgesetzt werden, verfolgen themenbezogene und handlungsorientierte Ansätze. Eltern sind eine bislang unterschätzte Gruppe von Schulbuchnutzerinnen und -nutzern (vgl. Knecht und Najvarová 2010). Sie haben unterschiedliche Erwartungen an Schulbücher, je nachdem, ob sie ihr Kind beim Lernen unterstützen oder den Bildungsauftrag ganz an die Schule abgeben. Eltern, die ihre Kinder beim Lernen unterstützen, wünschen sich nach einer Umfrage des Schulelternrates in Deutschland klar strukturierte Schulbücher, die kurze Zusammenfassungen der Erkenntnisse sowie Lösungen zu Übungsaufgaben anbieten (vgl. Niehaus et al. 2011). Allgemein zeigt die Umfrage, dass Eltern kritisierten, Schulbücher seien zu schwer verständlich, zu unübersichtlich, nicht aktuell, nur beschränkt einsetzbar und zu teuer.
25.7 Wirkung Zwar wird die Frage der Qualität von Lehrmitteln immer wieder – vor allem auch öffentlich – diskutiert, doch der Zusammenhang von Qualität und Lernleistung scheint bislang kaum von wissenschaftlichem und bildungspolitischem Interesse gewesen zu sein. Eine empirische Wirkungsforschung zu Lehrmitteln gibt Antwort auf die Frage, wie Schulbuchinhalte von Lehrpersonen vermittelt und von Schülerinnen und Schülern rezipiert werden (vgl. Wiater 2005). Eine Studie zur Einführung eines Englischlehrmittels in der Schweiz lässt den Schluss zu, dass sich Probleme bei der Einführung eines neuen Schulbuches eher auf die Neuausrichtung des Fremdsprachenunterrichts und die bildungspolitischen Rahmenbedingungen bei der Einführung des Lehrmittels zurückführen lassen als auf die Qualität des Lehrmittels selbst. (vgl. Criblez et al. 2010). Das heißt, dass es neben den unter-
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852 Klassische Printmedien: Das Schulbuch richts- und schulsystembezogenen Faktoren noch eine Reihe anderer Indikatoren gibt, die den Einfluss von Lehrmitteln auf den Lernprozess mitbestimmen. Um einschätzen zu können, wie Lehrmittelinhalte die Einstellungen und das Handeln von Schülerinnen und Schülern beeinflussen, ist es notwendig, neben dem Verhältnis zwischen Bildungsmedium und Lernenden auch den soziopolitischen und kulturellen Kontext zu berücksichtigen. Hierbei spielen soziale Herkunft, Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Gruppen und Gemeinschaften sowie individuelle Faktoren eine wesentliche Rolle (vgl. Kalmus 2004). Auch Studien zu der Frage, welche Effekte Schulbücher auf Lernergebnisse, Lernerfolg und Motivation haben, geraten durch den medialen Wandel zunehmend ins Zentrum des Interesses. Bekannt ist bislang, dass Schulbücher im Vergleich mit anderen Unterrichtsmedien wenig motivierend wirken (vgl. von Borries 1995; Hemmer und Hemmer 2010). Eine der wenigen Studien, die das Verhältnis von Schulbüchern und Lernerfolg am Beispiel der US-amerikanischen SAT-Prüfungsergebnisse zwischen 1963 und 1979 untersuchte, kommt zu dem Schluss, dass die zunehmende Verschlechterung der Ergebnisse vor allem auf den geringeren Schwierigkeitsgrad der Sprachschulbücher und den damit verbundenen negativen Effekten auf das Lese- und Verbalverständnis zurückzuführen ist (vgl. Hayes et al. 1996). Eine Untersuchung universitärer Lehrmittel zu der Frage, ob die Auswahl des Lehrbuches Auswirkungen auf das Stoffverständnis der Studierenden hat, kommt zu dem Schluss, dass es keine Korrelation gibt (vgl. Durwin und Sherman 2008). Die vorhandenen Studien beziehen sich fast ausnahmslos auf die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer. Obwohl sie keine Aussagen in Bezug auf den Beitrag von Lehr- und Lernmaterialien zum Lernerfolg zulassen, haben sie Forschungen in diesem Bereich angeregt (vgl. u. a. Schmidt et al. 1997; Törnroos 2001; Haggarty und Pepin 2002), die sich vor allem auf die Analyse von Schulbüchern in Bezug auf den intendierten und implementierten Lehrplan und damit auf die Lernmöglichkeiten beziehen und weniger auf den realisierten Lehrplan, d. h. die Lernergebnisse und den Lernerfolg. Eine Untersuchung zum Mathematikunterricht, in dem das Schulbuch eine herausragende Rolle spielt, zeigt, dass eine quantitative Schulbuchanalyse Rückschlüsse auf die Lernmöglichkeiten zwar zulässt, Aussagen über das Verhältnis von Schulbuchnutzung und Lernerfolg allerdings auf diesem Weg nicht zu erzielen sind (vgl. Törnroos 2001). Neuere Studien stellen oft den Vergleich zwischen der Wirkung von digitalen und nicht-digitalen Medien in den Vordergrund, so z. B. die Studie von Merkt et al. (2011), in der der Einsatz interaktiver Videos mit dem illustrierter Schulbücher verglichen wurde, oder jene von Rockinson-Szapkiw et al. (2013), die die Effektivität digitaler und gedruckter Schulbücher gegenüberstellen. In beiden Studien stellte sich heraus, dass kein signifikanter Unterschied zwischen der Wirkung von gedruckten und digitalen Lehrmaterialien bestand. Demgegenüber steht die Studie von Song (2014), in der ein bemerkbarer Wissenszuwachs beim Lernen mit digitalen Medien zu beobachten war.
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Öffentlichkeit 853
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25.8 Berufliche Bildung Zur Verwendung von Lehrbüchern in der beruflichen Bildung und in Hochschulen gibt es wenige Erkenntnisse. Schlösser (2012) befasst sich mit der Gestaltung von betriebswirtschaftlichen Hochschul-Lehrbüchern anhand von Studierendenbedürfnissen und hat dabei als wesentliche Elemente Inhalt, didaktisches Konzept, Bildkultur, didaktische Elemente und Typografie ausgemacht. Damit unterscheiden sich diese Elemente nicht von den Gestaltungskriterien für gedruckte Bildungsmaterialien im Allgemeinen. Die enorme Heterogenität des beruflichen Bildungssystems, nicht nur in Bezug auf die verschiedenen Schulformen in den 16 deutschen Bundesländern, sondern insbesondere auch auf die sehr unterschiedliche Zusammensetzung der Berufsschülerinnen und -schüler, hat Auswirkungen auf die Vermittlungsformen des Lehrstoffs unabhängig vom Ausbildungsberuf und somit auch auf die Erfordernisse der Lehrbücher. In Bezug auf Schulbücher für politische Bildung an den beruflichen Schulen lässt sich allerdings feststellen, dass wesentlich weniger Schulbücher für berufliche als für allgemeinbildende Schulen zugelassen sind, obwohl das Fach in nahezu allen beruflichen Ausbildungsbereichen unterrichtet wird und vielfach sogar zu den Prüfungsfächern zählt. Auch die Zahlen von Neuzulassungen von Politik-Schulbüchern an Berufsschulen lagen deutlich unter denen für allgemeinbildende Schulen. Dabei sind die wenigsten Schulbücher berufsschulspezifisch, meist wurden sie vorher für die Sekundarstufe II und erst nachträglich für die Verwendung an Berufsschulen zugelassen. Verbreitet ist zudem die Behandlung mehrerer Fächer (z. B. Deutsch, Mathematik, Politik) in einem Schulbuch. Darüber hinaus sind manche Schulbücher explizit für alle Berufsschulformen zugelassen, was im Kontext der Heterogenität der beruflichen Schulen und der Schülerzusammensetzung problematisch ist. Besonders kritisch gestalten sich dabei das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundbildungsjahr, in denen vor allem Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss auf eine berufliche Ausbildung vorbereitet werden. Für diese Jahrgänge existieren keine spezifischen Schulbücher, obwohl gerade hier ein großer Bedarf bestehen dürfte (vgl. Besand 2014).
25.9 Öffentlichkeit Die gesellschaftliche Funktion von Schulbüchern kommt vor allem in der selektierenden und normierenden Auswahl von Inhalten zum Ausdruck; das Schulbuch repräsentiert einen gesellschaftlichen Bildungsauftrag. Basierend auf der großen Bedeutung von Schulbüchern, anderen gedruckten und zunehmend auch multimedialen Lehrmitteln sind die Erwartungen seitens der Öffentlichkeit und der Bildungspolitik sehr hoch in Bezug auf deren Aufbau, die Inhalte und die Anwendbarkeit im Unterricht. Das starke Interesse verschiedener gesellschaftlicher, politischer und professio-
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854 Klassische Printmedien: Das Schulbuch neller Gruppen an Lehrmitteln verdeutlicht, dass diese nicht bloße Instrumente der Wissensvermittlung sind. In ihnen kommt vielmehr das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft zum Ausdruck; sie stellen daher so etwas wie das Kerncurriculum für die Verständigung in einer heterogenen Gesellschaft dar (vgl. Kahlert 2010). Sie vermitteln Wissensinhalte und Wertorientierungen, die jeder, der eine öffentliche Schule eines bestimmten Jahrgangs besucht, erfahren, lernen und können sollte. Schulbücher sind daher zu Recht juristisch ein essenzieller Teil der Schule (vgl. Kahlert 2010). Erscheinen sie durch die staatlichen Zulassungsverfahren objektiv, korrekt und bedeutsam, sind sie aber zugleich hochselektiv durch die Auswahl der Inhalte (vgl. Lässig 2010). Damit sind sie nicht nur Seismograf diskursiver Brüche (vgl. Baier et al. 2014), Träger kulturell relevanter Informationen und Mittel der Steuerung von Bildungsprozessen (vgl. Heitzmann und Niggli 2010), sondern können auch als Mittel der Diskurskontrolle (vgl. Hiller 2012) angesehen werden. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass die Öffentlichkeit in Sachen Schulbuch und Lehrmittel sehr sensibel reagiert. In den 1960er und 1970er Jahren etwa fanden – begünstigt durch die Reformbewegungen im Bildungsbereich – öffentliche Debatten über Schulbücher statt, die von Politiker*innen, Schulbuchproduzent*innen und Wissenschaftler*innen geführt wurden (vgl. Hacker 1980; Wendt 2000; Pöggeler 2003). Diese Debatten richteten ihr Augenmerk primär auf die Inhalte von Schulbüchern und verlangten eine Modernisierung von Schulbuchwissen. Die Kritik bezog sich überwiegend auf den Ideologiegehalt und auf die Verständlichkeit von Lehrmitteltexten (vgl. Mayer 2001). Auch heute fordert die Öffentlichkeit, dass Lehrmittel bezüglich der in ihnen vermittelten Werte und Weltanschauungen nicht gegen gesellschaftliche Normen verstoßen (vgl. Bascio und HoffmannOcon 2010). Da das Schulbuch der am „ehesten zugängliche Teil des Curriculums“ (Heyneman 2006, 71) ist und bestimmt, was Schülerinnen und Schüler lernen sollen, sind öffentliche Debatten und zuweilen auch Konflikte über Schulbuchinhalte wenig überraschend. Nicht selten münden öffentliche Diskurse um Schulbuchinhalte auch in politische Forderungen und Entscheidungen. Im Allgemeinen hegt die Öffentlichkeit die Erwartung, dass Schulbücher das öffentliche Interesse widerspiegeln und den sozialen Zusammenhalt fördern.
25.10 Schulbuchrevision Da Schulbücher nicht nur legitimes Wissen und wünschenswerte Kompetenzen definieren, sondern auch staatlich bzw. gesellschaftlich gewünschte Identitätsangebote vermitteln, sind sie immer auch ein Politikum und verweisen auf die Kontexte, in denen sie hergestellt, genutzt und verhandelt werden (vgl. Stein 1977). Schulbücher können ethnische, kulturelle, religiöse oder politische Konflikte auslösen oder abbilden, zugleich aber auch als Instrument der Konfliktbewältigung
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Schulbuchrevision 855 und Verständigung dienen. Daher spielt die Frage, wie Schulbücher revidiert, also von einseitigen, nationalistischen und chauvinistischen Inhalten und von Stereotypen befreit werden können, eine wichtige Rolle insbesondere in Postkonflikt- und Transformationsgesellschaften. Generell versteht man unter Schulbuchrevision alle Aktivitäten, die darauf abzielen, falsche oder verzerrte Interpretationen in Schulbüchern zu ändern. Verbunden sind damit die Ziele, zum einen mit Hilfe revidierter Schulbücher auch die Qualität des Unterrichts zu verbessern, zum anderen neben dem jeweiligen Fachwissen universale Normen zu vermitteln. Schulbuchrevision ist daher nicht auf Schulbücher beschränkt, hat sie doch Auswirkungen auf die erinnerungspolitischen und -kulturellen Debatten einer Gesellschaft. Sie trägt somit in nicht geringem Maße zu Identitätskonstruktionen, zu Selbst- und Fremdrepräsentationen und gesellschaftlichen Deutungsmustern bei. Allgemein lassen sich zwei Formen von Schulbuchrevision unterscheiden: Die erste Form, und dies ist die Form, in der die Schulbuchrevision ihren Ursprung fand, bezieht sich auf zwischenstaatliche Beziehungen, d. h. Kontroversen, die nicht allein innergesellschaftliche oder nationale Themen verhandeln, sondern zwei oder mehr Staaten betreffen. Bei dieser bi- oder multilateralen „Schulbuchdiplomatie“ (Faure 2014, 20) geht es vor allem darum, Schulbücher von nationalistischen und einseitigen Interpretationen zu befreien und – insbesondere in Konflikt- und Postkonfliktgesellschaften – zur Versöhnung und zum Frieden beizutragen. Während gemeinhin die bilateralen Schulbuchkommissionen zwischen Deutschland und Frankreich bzw. Polen als Modell einer gelungenen internationalen Schulbuchrevision betrachtet werden, liegen die Anfänge der Schulbuchrevision bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert, als im Rahmen transnationaler edukativer Netzwerke Reformen des Schulunterrichts und der Schulbücher diskutiert wurden (vgl. Fuchs 2010). Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges bildeten diese dann einen festen Bestandteil des sich konstituierenden Systems multilateraler Bildung. In der Zwischenkriegszeit formten dem Völkerbund unterstehende Komitees zur Schulbuchrevision ein enges Beziehungsgeflecht mit einer Vielzahl neugegründeter, transnationaler bildungsrelevanter Organisationen. Diese Beziehungen trugen in einem hohen Maße zur Entstehung eines internationalen Diskurses über Geschichtsunterricht und -bücher bei. Obwohl der direkte Einfluss auf nationale Bildungspolitiken gering und der Handlungsspielraum auf indirekte Steuerungselemente wie Expertisen, Deklarationen oder Dokumentationen beschränkt blieb, erzeugte diese frühe transnationale Zivilgesellschaft langfristige Effekte, die die Schulbuchpolitik großer internationaler Akteure wie des Europarates oder der UNESCO bis heute beeinflussen. Dies bezieht sich vor allem auf Konflikt- und Postkonfliktgesellschaften, in denen Schulbücher eine wichtige Rolle im Hinblick auf Aussöhnung spielen können. Gegenwärtig betrifft dies vor allem drei Regionen: den Balkan, den Nahen und Mittleren Osten sowie Ostasien. Für alle diese Regionen sind in der jüngsten Vergangenheit Versuche unterschiedlichster internationaler Akteure unternommen worden, die dazu dienten, politische und gesellschaftliche Versöhnungsprozesse zu unterstützen, zur Versachlichung von
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856 Klassische Printmedien: Das Schulbuch Schulbuchinhalten beizutragen und neue didaktisch-thematische Ansätze, u. a. Menschenrechtserziehung, Inklusion oder Diversität, in die Schulbücher zu integrieren. Die hohe politische Brisanz von Schulbüchern und damit ihre Erforschung sind aber nicht nur im Kontext von Schulbuchrevision in konflikthaften gesellschaftlichen Kontexten zu verorten. Darüber hinaus gibt es – und dies ist die zweite Form – eine ganze Reihe von Schulbuchkonflikten, die auf nationaler Ebene innerhalb einer Gesellschaft ausgetragen werden (vgl. Liakos 2008/09). Dabei handelt es sich im Kern um Auseinandersetzungen über nationale Traditionsbildung, Legitimationssicherung und Identitätskonstruktion. Solche Auseinandersetzungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie über fachinterne Debatten hinaus breite öffentliche Resonanz finden und nicht selten vehement diskutiert werden. Im letzten Jahrzehnt lässt sich weltweit eine Zunahme derartiger öffentlicher Auseinandersetzungen um die Interpretation historischer Ereignisse und damit die Frage, welche von ihnen Eingang in Schulbücher finden sollten, beobachten. Generell wird man sagen können, dass die zunehmende Loslösung der Geschichte von der Nation den Anlass solcher Debatten bildet. Einerseits tragen die Erfahrungen der sich globalisierenden Welt und die Tatsache, dass die bislang unheard voices sozial, religiös und ethnisch benachteiligter Gruppen zunehmend eine Berücksichtigung ihrer Geschichte einfordern, dazu bei, das Nationalnarrativ in Frage zu stellen und Nationalgeschichte zu kontextualisieren oder gar aufzugeben. Die Alltäglichkeit multiethnischer Klassenräume, aber auch Versuche, supra-nationale Identitäten zu konstruieren, zeigen die Grenzen rein nationalgeschichtlicher Narrative auf. Außerdem spiegelt die Diskussion über einen weltgeschichtlich fundierten Perspektivenwechsel auf die Nationalhistorie den Trend zur Ausweitung des nationalgeschichtlichen Kanons mit dem Ziel wider, das traditionelle nationalhistorische Basisnarrativ durch eine europäische respektive welthistorische Perspektive zu ersetzen. Andererseits ist ein neokonservativer Trend nicht zu übersehen, der unter dem Aspekt der Wahrung spezifischer nationaler Werte die traditionelle Nationalgeschichte zu bewahren und Identitätskonstruktionen vorzuschreiben sucht. Dies ist mit dem Versuch nationaler Regierungen, aber auch der EU verbunden, bestimmte Geschichtsinterpretationen per Gesetz durchzusetzen (vgl. Cajani 2008/09). Unbestritten ist, dass Bildungssysteme in aller Welt vor der Herausforderung stehen, neue Konzepte zu finden, um mit der zunehmenden kulturellen, ethnischen und religiösen Diversität im Klassenzimmer umzugehen (vgl. Schiffauer et al. 2002). Davon sind Lehr- und Lernmaterialien insofern betroffen, als sich im Hinblick auf sie die Frage von Inklusion und Exklusion in besonderer Weise stellt. Dies betrifft nicht nur Curricula, sondern wirft auch die Frage nach der Konstruktion kultureller Differenzen im Schulbuch und ihren gesellschaftlichen Kontexten auf (vgl. Körber 2001; Chikovani 2008; Banerjee und Stöber 2010). Dabei geht es darum, in welcher Form Differenz als Topos im Schulbuch behandelt werden kann – in seiner inhaltlichen Komplexität, der didaktischen Umsetzung, der fachspezifischen Ausrichtung und der pädagogischen Zielstellung, also wie etwa Fremdheit in Schul-
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Ausblick 857 büchern konstruiert wird und ob diese Darstellungen einen Beitrag zur kulturellen Integration leisten können (vgl. Matthes und Heinze 2004; Helgason und Lässig 2010; Bundesbeauftragte 2015). In dieser Hinsicht besteht weiterhin Umsetzungsbedarf der curricularen Vorgaben in Schulbüchern, je nach Bundesland sind hier immer noch mehr oder weniger große Unterschiede festzustellen (vgl. Ahlrichs und Huneke 2013). Auch unterliegen Schulbücher diesbezüglich einem Darstellungsparadox, da z. B. Vorurteile oder Stereotype zunächst formuliert werden müssen, bevor sie als solche gekennzeichnet und moralisch verworfen werden können. Sie werden dadurch aktualisiert und bleiben im Umlauf (vgl. Höhne et al. 2005).
25.11 Ausblick Im Kontext der Entwicklung und des Einsatzes digitaler Bildungsmedien sowie der zunehmenden Entwicklung von Open Educational Resources ist es notwendig, Schulbücher als Lehrmittel auf den Prüfstand zu stellen. Auch gesellschaftlicher Wandel und bildungspolitische Reformen sowie neue didaktische Ansätze erfordern ein Neudenken in der Schulbuchproduktion und -nutzung. Dabei scheint das Schulbuch keineswegs obsolet zu werden, vielmehr bleibt es auf absehbare Zeit – ob in gedruckter Form oder als E-Book, allein oder im Verbund mit anderen digitalen und nicht-digitalen Lehrmitteln – ein fester Bestandteil des Unterrichts.
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| 865 26 Digitale Medien in Unterrichtskontexten Dieses Dokument wurde mit IP-Adresse 141.20.225.149 aus dem Netz der USEB HU Berlin am 22.12.2020 um 13:40 Uhr heruntergeladen. Das Weitergeben und Kopieren dieses Dokuments ist nicht zulässig.
Peter Gerjets und Katharina Scheiter
Zusammenfassung Dieses Kapitel beleuchtet Potenziale und Barrieren bei der Nutzung digitalen Medien in Unterrichtskontexten. Im Fokus stehen vor allem Überlegungen zu individuellen Bildungsprozessen in schulischen Kontexten. Die angesprochenen Potenziale und Barrieren sind aber in angepasster Form auch für andere instruktionale Kontexte wie Hochschule, Aus- und Weiterbildung oder außerschulisches Lernen relevant. Forschung zur Effektivität digitaler Medien in Unterrichtskontexten beruht häufig auf einem globalen Ansatz im Sinne der generellen Frage, ob eine bildungsbezogene Verfügbarkeit und Nutzung von Computern per se den Wissenserwerb verbessert. Dieser Ansatz ist aus unserer Sicht wenig sinnvoll und sollte daher durch die Analyse spezifischer digitaler Medienangebote ersetzt werden. Entsprechend besteht eine der beiden Zielsetzungen dieses Kapitels darin, spezifische Potenziale der Nutzung digitaler Medienangebote in Unterrichtskontexten, insofern sie empirisch und theoretisch begründbar sind, herauszuarbeiten und zu systematisieren. Wir beschreiben drei Gruppen von Potenzialen digitaler Medien: Digitale Medien machen (A) neue Informations- und Interaktionsformen für Unterrichtskontexte verfügbar, bieten (B) neue Möglichkeiten der Individualisierung und erweitern (C) die Vielfalt möglicher instruktionaler Herangehensweisen. Eine zweite Zielsetzung des Kapitels besteht darin, zentrale Barrieren und Randbedingungen für die praktische Umsetzbarkeit dieser Potenziale aufzuzeigen. Dieses Randbedingungen bzw. Barrieren beziehen sich einerseits auf medienbezogene Kompetenzen von Lernenden und Lehrenden sowie andererseits auf die Verfügbarkeit geeigneter digitaler Lernmaterialien und Technologien. Obwohl hinsichtlich dieser vier Aspekte in den letzten Jahren vielversprechende Entwicklungen stattgefunden haben, bleibt die Beseitigung dieser Barrieren eine zentrale Herausforderung für den Erfolg versprechenden Einsatz digitaler Medien in instruktionalen Kontexten.
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866 Digitale Medien in Unterrichtskontexten
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26.1 Effektivität digitaler Medien in Unterrichtskontexten: Wirkt der Computer per se oder wirkt die spezifische Art und Weise seines Einsatzes? Seit Beginn der 1960er Jahre des letzten Jahrhunderts werden Computer in pädagogischen Kontexten verwendet, um Lernende zu trainieren, anzuleiten oder zu testen (computer-assisted instruction, CAI). Ein Großteil der Forschungsarbeiten, die diese technologischen Entwicklungen aufgegriffen haben, untersucht die bildungsbezogene Verfügbarkeit und Nutzung von Computern per se und nicht das Potenzial spezifischer digitaler Medienangebote in bestimmten Bildungskontexten. Trotz dieses globalen Ansatzes konnte eine Reihe von Studien zur Medienwirksamkeit eine – wenn auch moderate – Steigerung der Lernleistungen durch CAI gegenüber Methoden der Wissensvermittlung ohne CAI belegen. Niemic und Walberg (1987) zeigten in einer Metaanalyse von elf frühen Metaanalysen zu CAI im Median einen kleinen bis mittleren Effekt zu Gunsten von CAI. Kulik (2003) kommt zu dem Schluss, dass die Effektivität von CAI einem stetig zunehmenden Trend unterliegt: In den 1960er und 1970er Jahren publizierte Studien erbrachten noch (sehr) kleine Median-Effektgrößen, in den Studien der 1980er Jahre fand sich eine kleine bis mittlere Median-Effektgröße und schließlich eine mittlere Effektgröße in den Studien der 1990er Jahre. Aus den genannten Befunden gewinnt man auf den ersten Blick den Eindruck, dass der Computer per se als instruktionales Medium wirksam ist und dass sein Einsatz im Unterricht grundsätzlich lernförderlich ist. Diesem Eindruck ist jedoch aus zwei Gründen mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen: Erstens gibt es neben den (im Mittel) besseren Lernleistungen durch CAI auch eine hohe Variabilität in den Befunden, die nahelegt, dass ein Einsatz digitaler Medien nur unter bestimmten Randbedingungen lernwirksam ist. Diese Bedingungen zu identifizieren, ist eine wesentliche Aufgabe der Forschung und für eine erfolgreiche Gestaltung konkreter Instruktionssettings entscheidender als die Feststellung, dass digitale Medien im Mittel zu besseren Lernleistungen führen. Zweitens ist die Fragestellung, inwieweit die Verfügbarkeit und Nutzung von Computern per se den Wissenserwerb verbessert, nur bedingt sinnvoll. Würde man analog einen mittleren Effekt der Verfügbarkeit und Nutzung von Büchern auf den Wissenserwerb berichten, so würde man wahrscheinlich recht schnell Reaktionen dahingehend erhalten, dass Buch nicht gleich Buch sei – man vergleiche beispielsweise ein Telefonbuch und ein Lehrbuch miteinander –, dass es auf den Inhalt ankomme, auf die Art der Aufbereitung dieser Inhalte, den Einsatz im Unterricht usw. Diese Kritik an einer reinen Medienwirkungsforschung wurde in prominenter Weise von Richard Clark (1983) und Robert Kozma (1991, 1994) diskutiert (sog. Clark-Kozma Debatte) und ist bis heute aktuell. Nach wie vor untersuchen viele Studien unspezifische Effekte des Computereinsatzes per se, ohne diese Effekte auf die spezifischen Potenziale digitaler Medienangebote herunterzubrechen und die durch diese Potenziale ermöglichten Nutzungsformen gezielt umzusetzen und zu untersuchen. Wir gehen
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Effektivität digitaler Medien in Unterrichtskontexten 867
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daher davon aus, dass die tatsächlichen Potenziale digitaler Medien in pädagogischen Kontexten bislang weder ausreichend erforscht noch effektiv genutzt wurden. Wir legen dementsprechend im Folgenden den Fokus gezielt auf Forschungsergebnisse zu spezifischen Medieneigenschaften und ihrer Rolle in instruktionalen Kontexten. Tafel 26.1: Sinn und Unsinn der Medienwirkungsforschung: Die Clark-Kozma Debatte Aus der Sicht von Richard Clark (1983) ist die Erwartung, dass Medien wie z. B. der Computer oder das Buch einen (von der Instruktionsmethode unabhängigen) Lerneffekt haben sollten, verfehlt, da es sich bei einem Medium per definitionem lediglich um den vermittelnden Informationsträger handelt, welcher die Inhalte bereitstellt. Der eigentliche Lerneffekt wird nach Clark durch den Lerninhalt und die angewendete Instruktionsmethode verursacht. Medien unterscheiden sich nach Clark vielleicht in der Effizienz, mit der ein bestimmter Lerneffekt erreicht werden kann, nicht aber in der Einzigartigkeit, mit der sie einen bestimmten Effekt erzeugen. Robert Kozma (1991, 1994) widerspricht dieser Auffassung, indem er darauf verweist, dass Computer für die Informationsverarbeitung relevante Eigenschaften aufweisen, die in einer besonderen Eignung bestimmter Medien bzw. Medienanwendungen für spezifische (Lern-)Aufgaben resultieren. Aus Kozmas Sicht sind Medium und Methode damit an vielen Stellen eng verbunden, indem erst ein bestimmtes Medium mit seinen charakteristischen Eigenschaften die effiziente Umsetzung einer speziellen Instruktionsmethode ermöglicht. Auch aus Kozmas Perspektive sind keine Medieneffekte zu erwarten, wenn sich die für die Umsetzung einer Instruktionsmethode zentralen Medieneigenschaften zwischen den Medien nicht unterscheiden. D. h. ein am Computerbildschirm dargebotener Film sollte einen ähnlichen Effekt haben wie der gleiche Film, der auf dem Fernseher dargeboten wird. Allerdings erlaubt es die Nutzung des Computers als Medium, diesen Film auch interaktiv oder sogar durch Lernende editierbar zu machen, so dass der Computer gegenüber dem Fernseher Potenziale bietet, die das Lernen positiv beeinflussen können. Die sinnvollerweise zu stellende Forschungsfrage lautet in Anlehnung an Kozma (1991, 1994) also nicht, inwieweit man mit Computern besser lernt als mit einem anderen Medium, sondern inwieweit bestimmte Eigenschaften des Mediums Computer den Lernprozess unterstützen, indem sie relevante kognitive Verarbeitungsprozesse anregen, erleichtern oder aber auch erst ermöglichen. Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, ein umfassendes Verständnis von den beim Lernen ablaufenden Prozessen zu haben und darauf aufbauend zu prüfen, welche spezifischen Medieneigenschaften geeignet sein können, diese Prozesse zu unterstützen. Diese generelle Kritik an der Medienwirkungsforschung betrifft dabei nicht nur die Frage nach dem bildungsbezogenen Nutzen von Computern im Allgemeinen, sondern auch alle rein medienbezogenen Fragen nach konkreteren Ausformungen digitaler Technologien im Besonderen, also z. B. Fragen nach den Effekten von Notebooks, Smartphones, Tablets, Internetanschlüssen usw. auf den Wissenserwerb. Auch hier kommt es nicht auf die jeweilige Technologie per se als zentralen Wirkfaktor an, sondern auf die Potenziale spezifischer Medieneigenschaften für die Umsetzung bestimmter Instruktionsmethoden.
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868 Digitale Medien in Unterrichtskontexten
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26.2 Instruktionale Potenziale digitaler Medien Wir unterscheiden im Folgenden drei Gruppen spezifischer Eigenschaften digitaler Medien: Digitale Medien machen (► 26.2.1) neue Informations- und Interaktionsformen für Bildungskontexte verfügbar, bieten (► 26.2.2) neue Möglichkeiten der Individualisierung und können (► 26.2.3) die instruktionale Vielfalt erweitern (zur Systematik der Darstellung ► Abb. 26.1).
Individualisierung Information und Interaktion
- Informationsverfügbarkeit - Multimedialität - Multiperspek tivische Informationsvernetzung - Multimodale Interaktion
- Feedback - Adaption/ Personalisierung - Adaptierbarkeit/ Lernerkontrolle - Ressourcenkonfigurierbarkeit
INSTRUKTIONALE POTENZIALE
Instruktionale Vielfalt
-
Herstellung digitaler Produkte Kommunikation und Kollaboration Kontextualisierung Verknüpfung von Lernorten
Abb. 26.1: Instruktionale Potenziale digitaler Medien
26.2.1 Information und Interaktion Digitale Medien ermöglichen spezielle Formen der Informationspräsentation und der Interaktion mit Informationen, die sich z. B. aus der enormen Informationsverfügbarkeit aufgrund verschiedensten Quellen, der Multimedialität und der multiperspektivischen Vernetzung von digitalen Informationen ergibt. Wichtig sind auch die spezifischen Potenziale, die sich aus den Möglichkeiten einer multimodalen Interaktion mit Informationen (z. B. auf Touchscreens, Smartphones und Tablets) ergeben.
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Instruktionale Potenziale digitaler Medien 869 Informationsverfügbarkeit Digitale Medien haben insbesondere durch das Ausmaß der im Internet verfügbaren Informationen das Tempo des Informationszugriffs und die Möglichkeiten der Erschließung von Informationsangeboten durch Suchfunktionen dramatisch verändert. Informationsverfügbarkeit ist auch dasjenige Potenzial des Computereinsatzes im Unterricht, das mit Abstand am häufigsten von Lehrkräften genannt wird (z. B. in der International Computer and Information Literacy Study; ICILS 2013; Bos et al. 2014). Informationsverfügbarkeit ist dabei nicht nur für den Unterricht selber, sondern auch für dessen Vor- und Nachbereitung relevant. Z. B. sucht fast die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen im Internet regelmäßig (d. h. täglich oder mehrmals pro Woche) nach Informationen für Schule und Ausbildung (vgl. van Eimeren und Frees 2014: ARD/ZDF-Onlinestudie 2014; Behrens und Rathgeb 2012). Die enorme Informationsverfügbarkeit im Internet bringt neben unverkennbaren Vorteilen aber auch neue Anforderungen mit sich: So verlangt das Lesen und Verstehen von Internetinformationen vergleichsweise hohe Fähigkeiten im Bereich der Selbststeuerung und kann zu neuen Formen kognitiver Belastung, Desorientierung und Ablenkung führen (vgl. Scheiter und Gerjets 2007). Darüber hinaus erfordert ein sinnvoller selbstgesteuerter Umgang mit umfangreichen und vielfältigen Informationsangeboten auf Seiten der Lernenden relativ hohes inhaltsspezifisches Vorwissen sowie differenzierte epistemische Überzeugungen (d. h. Überzeugungen zur Natur von Wissen bzw. Wissensprozessen, vgl. Kammerer et al. 2013; Kammerer und Gerjets 2012). Die Ergebnisse der PISA-Studie 2009 zum Digitalen Lesen (OECD 2011) zeigen dementsprechend deutlich, dass Leseprozesse im Kontext digitaler Medien mit neuen Herausforderungen bezüglich der Interaktion mit Informationen, der Navigation sowie der Selektion und Evaluation von Informationen einhergehen (vgl. auch Gerjets, Kammerer und Werner 2011). Aus der durch digitale Medien realisierten Informationsverfügbarkeit ergibt sich also ein hohes instruktionales Potenzial, welches sich aber nur bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen auf Seiten der Lernenden voll entfalten kann. Multimedialität Digitale Medien erlauben vielfältige multimediale Gestaltungsformen, deren Lernförderlichkeit in der Forschung gut belegt sind (Anglin et al. 2004; Mayer 2009). Multimediale Darstellungsformate führen dabei vor allem dann zu einem tiefergehenden Verständnis von Inhalten, wenn Lernende bei der Inbezugsetzung der verschiedenen Formate instruktional angeleitet werden (vgl. Scheiter und Eitel 2015; Stalbovs et al. 2015; van der Meij und de Jong 2006). Ein weiterer wichtiger Aspekt der multimedialen Gestaltung digitaler Medien ist die Einbindung dynamischer Repräsentationsformate wie gesprochener Texte, interaktiver Videos oder Animationen. Gesprochene Texte gelten im Vergleich zu geschriebenen Texten vor allem in Kombination mit Visualisierungen als lern-
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870 Digitale Medien in Unterrichtskontexten förderlicher (vgl. die Forschung zum Modalitätseffekt; Mayer 2009). Interaktive Videos und Animationen liefern gegenüber statischen Darstellungen zusätzliche Informationen über das Hinzukommen bzw. Verschwinden von Elementen sowie über Veränderungen ihrer Form und Position über die Zeit. So können dynamische Phänomene (z. B. Bewegungsabläufe, prozedurale Handlungen, Funktionsweisen mechanischer Systeme) direkt abgebildet werden, ohne dass Lernende sich diese Dynamik aus einer Sequenz statischer Bilder aufwändig selbst erschließen müssen (z. B. Boucheix und Schneider 2009; Kühl et al. 2011). Computerbasierte Unterstützungsmaßnahmen, wie die Variation der Abspielgeschwindigkeit (Fischer et al. 2008), dynamische Hervorhebungen (Boucheix und Lowe 2010) oder Interaktivität (Mayer und Chandler 2001), können die Lernförderlichkeit weiter erhöhen. Spezifische multimediale Gestaltungsmöglichkeiten für digitale Medien bieten auch dreidimensionale Darstellungen, die von interaktiven 3D-Modellen auf herkömmlichen Bildschirmen über stereoskopische Displays bis hin zu virtuellen Realitäten reichen können. 3D-Darstellungen sind derzeit populär, die empirische Evidenz für ihre Lernförderlichkeit ist aber vergleichsweise begrenzt und deutet darauf hin, dass nur Lernende mit hohen Voraussetzungen (z. B. in Bezug auf räumliches Vorstellungsvermögen; Huk 2006) von diesen Visualisierungen profitieren und dies auch nur bei spezifischen Lerninhalten. Multiperspektivische Informationsvernetzung Digitale Medien bieten zumeist Information an, die durch Hyperlinks digital miteinander vernetzt sind. Hyperlinks erlauben es, einen bestimmten Inhalt mit verschiedenen Perspektiven und Quellen zu verknüpfen und bieten damit ein spezifisches Potenzial zur Förderung der Auseinandersetzung mit Inhalten unter multiplen Sichtweisen (Kornmann, Kammerer, Anjewierden et al. 2016; Kornmann, Kammerer, Zettler et al. 2016). Insbesondere das Internet als größte hypermediale Informationsressource erlaubt die Nutzung von verschiedenen Informationsquellen zu einem Thema sowie den Vergleich von (teilweise kontroversen) Informationsdarstellungen, um idealerweise zu einer differenzierten und integrierten mentalen Repräsentation zu gelangen (vgl. Spiro und Jehng 1990). Die für das Internet charakteristische Quellenvielfalt macht allerdings auch einen problematischen Aspekt digitaler Medien in Bildungskontexten deutlich: Im Internet abrufbare Informationen können aus unterschiedlichsten Quellen mit sehr variabler Informationsqualität stammen. Letztlich können beliebige Personen, unabhängig von Expertise oder Absicht, ihre Inhalte online veröffentlichen, ohne einer externen Qualitätsprüfung unterworfen zu sein. Für eine angemessene Rezeption von multiperspektivischen (und potenziell widersprüchlichen) Informationen im Internet ist es daher besonders wichtig, dass Lernende Inhalte verschiedener Webseiten vergleichend bewerten und darauf achten, aus welchen Quellen Informationen stammen (vgl. Stadtler und Bromme 2007). Dabei müssen sie z. B. auch Kontroversen (soweit wie möglich) auflösen sowie die Aktualität, Relevanz und Qualität
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Instruktionale Potenziale digitaler Medien 871 von Quellen angemessen beurteilen können und bei der Konstruktion einer integrierten mentalen Repräsentation berücksichtigen (vgl. Kammerer und Gerjets 2014; Stadtler und Bromme 2007; Strømsø et al. 2010). Derartige Kompetenzen im Umgang mit multiplen Dokumenten – wie sie zuvor nur in wenigen Wissensbereichen zentral waren (z. B. beim Umgang mit historischen Dokumenten) – erlangen im Kontext digitaler Medien eine neue und allgemeingültigere Bedeutung (vgl. Kammerer und Gerjets 2014; Kammerer et al. 2015; Wiley et al. 2009). Schülerinnen und Schüler – aber auch Studierende – verfügen allerdings nicht unbedingt in hinreichendem Ausmaß über diese Kompetenzen, da sie z. B. der Glaubwürdigkeit von Informationsquellen im Internet üblicherweise kaum Beachtung schenken (vgl. Strømsø et al. 2010; Gerjets et al. 2011). Gezielte Unterstützungsmaßnahmen können hier Abhilfe schaffen (Gerjets und Hellenthal-Schorr 2008; Kammerer et al. 2015). Multimodale Interaktion Technische Entwicklungen im Bereich digitaler Medien haben in den letzten Jahren eine Reihe neuer Interaktionsmodalitäten jenseits von Tastatureingaben und Maus-Klicks etabliert. Die mittlerweile verbreiteten Interaktionsmodalitäten reichen von Ein- und Mehrfingergesten über Sprachsteuerung bis hin zu dreidimensionaler körperlicher Interaktion, etwa durch Erkennung von Gesten im Raum mit Hilfe von Kameras und Tiefensensoren (z. B. bei der Microsoft Kinect) oder durch Sensoren, die eine Bestimmung der Position eines Gerätes und seiner Lage im Raum ermöglichen (z. B. Kompass, Gyroskop und Beschleunigungsmesser). Eine praktische Relevanz in instruktionalen Kontexten gewinnt die sensorbasierte multimodale Interaktion derzeit vor allem im Hinblick auf die Nutzung von Tablets zum Lernen, da diese über die meisten der oben genannten Sensorsysteme verfügen. Die so möglichen multimodalen Interaktionsformen erlauben es, bedeutsame körperliche Zustände, Bewegungen und Gesten mit Lerninhalten zu verbinden. Im Rahmen der Multimodalen Gedächtnistheorie von Engelkamp (1998) konnte z. B. vielfach gezeigt werden, dass Informationen, die von einer passenden körperlichen Bewegung begleitet werden, besser behalten werden als Informationen, die nur sprachlich verfügbar sind. Die Möglichkeit, Multimedia-Materialien mit der Hand zu manipulieren, wie sie auf Tablets gegeben ist, könnte z. B. durch diesen Effekt zu besseren Gedächtnisleistungen führen (vgl. Reed 2009). Über die Gedächtnisunterstützung hinaus kann der Einsatz körperlicher Gesten und Bewegungen bei der Interaktion mit digitalen Medien auch das Erlernen neuer Konzepte und Informationen erleichtern. Darauf weisen insbesondere Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Embodied Cognition hin („verkörperlichte Kognition“, vgl. Brucker et al. 2015; de Koning und Tabbers 2011): Im sprachlichen Bereich konnten z. B. Glenberg, Goldberg und Zhu (2011) zeigen, dass die körperliche Manipulation von virtuellen Objekten frühes Leseverständnis unterstützt. Ähnlich verbessern geeignete Körperbewegungen auf einem Tablet mathematischen Wissenserwerb (z. B.
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872 Digitale Medien in Unterrichtskontexten Cook et al. 2008; Fischer et al. 2011). Ebenso führt das Nachfahren geometrischer Formen mit dem Finger zu verbesserten Lernleistungen (z. B. Hu et al. 2015). Selbst die bloße Nähe der Hand zu einer präsentierten Information (ohne jegliche körperliche Geste oder Bewegung) verbessert bereits die Güte und Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung für räumlich-visuelle Informationen (z. B. Abrams et al. 2008). Im Bereich der Lernunterstützung durch den gezielten Einsatz multimodaler Interaktionsprozesse entwickeln sich daher nach unserer Auffassung derzeit neue und sehr spezifische Potenziale digitaler Medien, die zukünftig das „Begreifen“ von Lerninhalten deutlich erleichtern könnten. 26.2.2 Individualisierung Digitale Medien zeichnen sich dadurch aus, dass Informationsangebote besonders gut auf die individuellen Bedürfnisse und Voraussetzungen von Lernenden abgestimmt werden können. So erlauben digitale Technologien eine automatische Vergabe von individuellem Feedback oder eine Adaption von Informationsangeboten an spezifische Eigenschaften der Lernenden. Auch die Möglichkeit, Lernenden selbst Gelegenheiten zur Beeinflussung eines bestimmten Informationsangebots zu geben (Adaptierbarkeit) bzw. die Möglichkeit, sich selbst einen individuell passenden Mix von digitalen Informationsressourcen zusammenzustellen (Ressourcenkonfigurierbarkeit) sind spezifische instruktionale Potenziale digitaler Medien. Feedback Digitale Medien können zum Einüben von Fertigkeiten verwendet werden, indem Trainingsaufgaben dargeboten werden, für die der Lernende durch das System Feedback als Reaktion auf die Aufgabenbearbeitung erhält. Die dabei vermittelten Informationen reichen von einfachen Angaben hinsichtlich der Korrektheit der Aufgabenbearbeitung bis hin zu Informationen, die entweder auf alternative Vorgehensweisen oder weiterführende Instruktionen verweisen bzw. die korrekte Bearbeitung der Aufgabe erklären und es so ermöglichen, gemachte Fehler zu korrigieren (formatives Feedback). Dieses Feedback ist dann lernförderlich, wenn es unmittelbar erfolgt, informativ bzw. elaboriert ist und an individuelle Lernende sowie die Aufgabe angepasst ist (vgl. Bangert-Drowns et al. 1991; Narciss 2008). Digitale Medien ermöglichen es in besonderem Maße, Lernenden geeignete Rückmeldungen zu geben, die genau diesen Eigenschaften erfolgreichen Feedbacks Rechnung tragen. Voraussetzung ist dabei allerdings, dass Antworten von Lernenden einer automatischen Analyse zugänglich sind, was bei gut strukturierten Aufgaben, die eine oder nur eine begrenzte Anzahl von möglichen richtigen Antworten in symbolischer Kodierung erfordern (z. B. Rechenaufgaben, Aufgaben mit vorgegebenen MehrfachAntworten), technisch leicht umsetzbar ist. Deutlich herausfordernder wird eine rechnergestützte Antwortanalyse bei natürlichsprachlichen offenen Reaktionen von Lernenden. Formatives Feedback erfordert zusätzlich eine genaue Kenntnis darüber, welche Fehler in einer Domäne auftreten können, auf welche Fehlvorstellungen und
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Instruktionale Potenziale digitaler Medien 873 Wissenslücken diese Fehler zurückgeführt werden können (VanLehn 1990) und welche Informationen gegeben werden sollten, um die Fehlerursachen zu beheben (Narciss 2008). Über diese Kenntnisse verfügen beispielsweise intelligente tutorielle Systeme zum Aufbau mathematischer Kompetenzen (Koedinger und Corbett 2006). Diese erlauben es damit sogar, ein im regulären Unterricht nur selten vorfindbares Szenario zu simulieren, in dem nämlich eine Lehrkraft bzw. ein Tutor oder eine Tutorin für die Anleitung und Unterstützung von einzelnen Lernenden zuständig ist. Adaption/Personalisierung Umfassendere und über situationsabhängiges Feedback hinausgehende Formen der Anpassungen von Instruktionsangeboten an Bedürfnisse und Voraussetzungen von Lernenden bezeichnet man häufig als Adaption oder Personalisierung (vgl. Park und Lee 2004). Diese Anpassungen der Instruktion können sich z. B. auf Umfang, Abfolge, Inhalt und Schwierigkeit der Instruktion sowie auf die zur Verfügung gestellte Zeit oder auch die verwendete Instruktionsmethode beziehen. Adaption kann sich dabei sowohl auf einer Makro- als auch auf einer Mikroebene des Lerngeschehens abspielen (vgl. Leutner 2002). Makroadaption bezeichnet die in der Regel einmalige Anpassung von Merkmalen der Instruktion an relativ stabile Eigenschaften von Lernenden wie z. B. Vorwissen oder kognitive Verarbeitungsstile. Mikroadaptionen beziehen sich dagegen auf kurzfristige Veränderungen des Instruktionsangebots in Abhängigkeit von stärker fluktuierenden Lernermerkmalen (z. B. aktueller Lernmotivation oder kognitiver Belastung). Digitale Medien können für die Bereitstellung adaptiver Instruktion verschiedene Beiträge leisten, die von einer automatisierten Diagnose lernrelevanter Zustände über die Bereitstellung entsprechend angepasster Instruktion bis hin zur fortlaufenden Überprüfung der Passung zwischen dem aktuellen Zustand von Lernenden und dem Instruktionsangebot reichen. Dabei kann die Zustandsdiagnose über eine explizite Messung von Lernereigenschaften erfolgen, bei der Lernende aufgefordert werden, entsprechende Angaben zu machen (z. B. Lerntests oder Persönlichkeitsfragebögen). Es können aber auch automatisch anfallende Aufzeichnungen des Lernerverhaltens wie z. B. Logfiles genutzt werden, um Rückschlüsse auf Bedürfnisse und Voraussetzungen von Lernenden zu ziehen. Schließlich besteht auch die Möglichkeit der Nutzung von Sensordaten (z. B. Kameradaten oder physiologische Daten), um z. B. emotionale Zustände oder auch aktuelle kognitive Belastungen und deren Veränderungen in Echtzeit zu erfassen (für Übersichten siehe Calvo und D’Mello 2010; Gerjets et al. 2014; Spüler et al. 2016). Ein zentrales Problem für adaptive Technologien stellt bislang vor allem die empirisch fundierte Definition von Regeln dar, nach denen eine Adaption erfolgen sollte, um eine lernwirksame Optimierung des Instruktionsangebots herbeizuführen. In vielen Fällen ist noch unklar, für welche Lernereigenschaften welche Form der Instruktion am besten geeignet ist. Vor allem diesem Umstand dürfte es geschuldet
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874 Digitale Medien in Unterrichtskontexten
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sein, dass das hohe Potenzial adaptiver Systeme in instruktionalen Kontexten bislang noch nicht umfassend empirisch untermauert werden konnte (siehe Park und Lee 2004 für einen Überblick). Adaptierbarkeit/Lernerkontrolle Während der Begriff der Adaption ein Informationsangebot bezeichnet, dass sich automatisch an Nutzerbedürfnisse anpasst, werden Informationsangebote, welche Lernende selbst beeinflussen können, als adaptierbar bezeichnet. Die Adaptierbarkeit digitaler Medien wird in der Forschungsliteratur zumeist unter den Stichworten „Interaktivität“ bzw. „Lernerkontrolle“ behandelt. Interaktivität bezeichnet dabei Möglichkeiten zur Steuerung einzelner Repräsentationsformate (z. B. Anhalten und Zurückspulen einer Animation), während Lernerkontrolle in einem umfassenderen Sinne Entscheidungen hinsichtlich der Auswahl, Bearbeitungsreihenfolge und Darstellung von Lerninhalten mit einbezieht (Scheiter und Gerjets 2007; Scheiter 2014). Vier potenziell lernförderliche Auswirkungen von Lernerkontrolle und Interaktivität werden in instruktionalen Kontexten postuliert (vgl. Scheiter und Gerjets 2007): (1) Steigerung von Interesse und Lernmotivation durch hohe Selbstbestimmtheit beim Lernen. (2) Anpassung von Lerninhalten und Lernprozessen an Lernerpräferenzen und kognitive Voraussetzungen wie Vorwissen oder Verarbeitungsgeschwindigkeit. (3) Erwerb von Fertigkeiten im Bereich des selbstregulierten Lernens durch die Möglichkeit zur Kontrolle des Lernprozesses. (4) Affordanzen für die Ausführung aktiver und konstruktiver Lernprozesse, z. B. für den Vergleich von Informationen aus verschiedenen Perspektiven oder für die Elaboration von Zusammenhängen. Insgesamt zeigt die empirische Forschung, dass vor allem einfache Formen der Adaptierbarkeit mit einer Steigerung des Lernerfolgs einhergehen (z. B. Möglichkeiten zur Steuerung von Animationen; Mayer und Chandler 2001), während die lernförderliche Wirkung von komplexen Formen der Adaptierbarkeit entscheidend vom Vorhandensein bestimmter Lernervoraussetzungen abhängig ist (Chen et al. 2006; Scheiter und Gerjets 2007). Zudem ist es wichtig, dass die angebotenen Steuerungsmöglichkeiten und deren Nutzung didaktisch sinnvoll sind, so dass sie eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit Lerninhalten unterstützen. Eine rein behaviorale Auseinandersetzung mit Steuerungsoptionen scheint dagegen sogar eher lernhinderlich zu sein, wenn sie nicht von lernrelevanten kognitiven Aktivitäten begleitet ist. Empirisch gut nachgewiesen ist dieses Dilemma beispielsweise für das Lernen mit computerbasierten Simulationen. Simulationen stellen Lernenden komplexe Modelle der Realität zur Verfügung, mit denen sie interagieren können, um ein Verständnis für die dargestellten Zusammenhänge zu erwerben. Die durch Simulationen bereitgestellten Interaktionsmöglichkeiten sind aber nur dann lernförderlich, wenn ihre Nutzung durch entsprechendes Hintergrundwissen und durch instruktionale Unterstützungsmaßnahmen kognitiv angeleitet wird (vgl. de Jong 2006; de Jong und van Joolingen 1998).
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Instruktionale Potenziale digitaler Medien 875 Ressourcenkonfigurierbarkeit Eine über die Adaptierbarkeit von konkreten Instruktionsangeboten noch hinausgehende Möglichkeit der Individualisierung digitaler Medien besteht in der Möglichkeit, sich selbst einen individuell passenden Mix von digitalen Informationsressourcen zusammenzustellen. Individualisiert wird hier nicht die Nutzung eines aktuell betrachteten Medienangebots (z. B. einer Simulation oder einer Hypermedia-Umgebung), sondern die dauerhafte Zusammenstellung von Informationsressourcen zu einer persönlich konfigurierten Informationsumgebung. Web-Browser erlauben es beispielsweise mit Hilfe von Bookmarks, Informationsressourcen zu bestimmten Themen dauerhaft verfügbar zu halten und kontinuierlich zu verfolgen. Ähnlich ermöglichen Portale und Werkzeuge im Web 2.0, wie Twitter, Blogs oder soziale Netzwerke, gezielt Beiträge von bestimmten Personen oder zu speziellen Themen zu abonnieren (► Kap. 27). Besonders augenfällig wird die Möglichkeit einer individuellen Ressourcenkonfigurierbarkeit auch bei der Nutzung von Smartphones und Tablets, die es Lernenden ermöglichen, eine auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene Auswahl an Apps (Anwendungen) zu verwenden. In Bildungskontexten liegt die damit verbundene Herausforderung vor allem in der Unübersichtlichkeit des Marktes und der daraus resultierenden Schwierigkeit, für eigene Bildungsinteressen geeignete Apps zu identifizieren und zu einer geeigneten Ressourcenkonfiguration zusammenzustellen. Die beiden Hauptanbieter für Apps, der Apple App Store für iPads sowie Google Play für Android-Geräte, stellen 1,2 bzw. 1,3 Mio. kostenfreie und kommerzielle Apps zur Verfügung (Stand: Juli 2014; Quelle: de.statistica.com), wobei Bildungs-Apps mit einem Anteil an allen Downloads von 10,36 % nach Spielen die zweitbeliebteste Kategorie im Apple App Store darstellen (Stand: September 2014; Quelle: de.statistica.com). Dabei handelt es sich jedoch in vielen Fällen um Apps mit unklarer didaktischer Eignung. Während nämlich professionelle Unterrichtsmedien etablierter Schulbuchverlage einem Qualitätssicherungsprozess unterliegen (► Kap. 25), bleibt es bei den meisten Apps den Nutzenden (d. h. Lehrkräften und ihren Schülerinnen und Schülern) überlassen, eine Einschätzung der didaktischen und fachlichen Qualität einer App vorzunehmen. In dieser Hinsicht ähneln Apps anderen Möglichkeiten der individualisierten Konfiguration digitaler Informationsressourcen (z. B. Bookmarks oder Abonnements): Die Bewertung der Relevanz und Qualität ausgewählter digitaler Medien für die persönliche Konfiguration ist in allen Fällen eine Nutzeraufgabe, die neue und technologieorientierte Formen der Informations- und Medienkompetenz voraussetzt. 26.2.3 Instruktionale Vielfalt Die bislang genannten Potenziale digitaler Medien ergeben sich vor allem aus den vielfältigen Möglichkeiten, Informationen zu präsentieren bzw. mit ihnen zu interagieren (► 26.2.1), und zwar insbesondere auch in enger Abstimmung mit Bedürf-
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876 Digitale Medien in Unterrichtskontexten nissen und Voraussetzungen individueller Lernender (► 26.2.2). Eine dritte Gruppe digitaler Potenziale beruht darauf, dass sich durch Nutzung digitaler Medien auch die Vielfalt instruktionaler Herangehensweisen erweitern lässt. So bieten sich digitale Medien nicht nur zur Informationsrezeption, sondern auch zur Herstellung digitaler Produkte, zur Kommunikation und Kollaboration in Lernsituationen, zur konkreten Kontextualisierung von Wissensinhalten sowie zur Verknüpfung verschiedener Lernorte an. Herstellung digitaler Produkte Digitale Medien ermöglichen Lernenden die mentale Auseinandersetzung mit einem Inhaltsbereich durch die (kollaborative) Herstellung eigener digitaler Produkte wie z. B. einer multimedialen Präsentation, einer Webseite oder auch einem WikiEintrag (► Kap. 27). Es wird angenommen, dass im Rahmen eines solchen sog. konstruktionistischen didaktischen Ansatzes (vgl. auch learning by design; Kafai und Resnick 1996) die Konstrukteure eines Artefakts sich intensiver mit einem Inhaltsbereich auseinandersetzen, da sie das Artefakt detailliert planen und umsetzen sowie das resultierende Produkt bewerten und gegebenenfalls überarbeiten müssen. Erste empirische Befunde stützen diese Annahme einer lernförderlichen Wirkung eines konstruktionistischen Vorgehens z. B. beim Lernen durch das Schreiben von Hypertexten (vgl. Stahl 2001) oder durch das Gestalten digitaler Videoprodukte (Zahn et al. 2010). In Unterrichtssituationen bieten insbesondere Tablets ein breites Spektrum an Möglichkeiten für die Umsetzung konstruktionistischer Lernformen. Z. B. haben Lernende mit dem Tablet immer die Funktionen eines Tonbandgeräts, eines Fotoapparats und einer Kamera griffbereit und sind über das Internet mit vielfältigen Informationsquellen verbunden, die sie in eigene Produkte integrieren können. Betrachtet man die von Schulen vorgeschlagenen Standard-Apps für den Einsatz im Unterricht (vgl. Scheiter 2015) so scheinen konstruktionistische Lernaktivitäten tatsächlich einen aktuellen Schwerpunkt des Tablet-Einsatzes im Unterricht darzustellen. Kommunikation und Kollaboration Die Nutzung digitaler Medien erlaubt eine orts- und zeitunabhängige Vernetzung von Lernenden, die so ihr Wissen austauschen und Aufgaben gemeinsam bearbeiten können. Kollaboratives Lernen wird allgemein als lernförderlich gesehen, z. B. weil Lernende gegenseitig als Modelle für das Vorgehen bei der Aufgabenbearbeitung fungieren können (Bandura 1977) oder weil die Diskussion mit anderen eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Inhalten erforderlich macht (Elaboration; Dansereau 1988). Eine erfolgreiche Implementierung kollaborativen Lernens wird jedoch häufig durch hohe Koordinationskosten zwischen einzelnen Teilnehmern, durch mangelnde Leistungsbereitschaft einzelner Gruppenmitglieder (social loafing; Harkins et al. 1980) sowie durch ungünstige Belohnungsstrukturen (Slavin 1996) erschwert. Daher ist es von besonderer Wichtigkeit, dass beim Ler-
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Instruktionale Potenziale digitaler Medien 877 nen in computerunterstützten kollaborativen Lernszenarien (computer-supported collaborative learning, CSCL) geeignete digitale Werkzeuge bereitgestellt werden, die den oben genannten Problemen kollaborativen Lernens entgegenwirken. Die Koordination zwischen Gruppenmitgliedern kann beispielsweise durch explizite Strukturierungsmaßnahmen wie Kooperationsskripts (vgl. Kollar et al. 2006) oder durch implizite Maßnahmen wie das Bereitstellen ansonsten nur schwer zugänglicher Informationen über die Mitglieder, durch so genannte awareness tools (Buder und Bodemer 2008; Dehler et al. 2011) erleichtert werden. Zusammenfassend wird in der CSCL-Forschung die Auffassung vertreten, dass Computer im Hinblick auf kollaboratives Lernen nicht nur den Wissenserwerb unterstützen, indem sie eine möglichst gute Kopie von face-to-face Gruppensituationen herzustellen versuchen. Vielmehr stellen Computer Werkzeuge bereit, welche die Kommunikation und Kooperation beeinflussen und formen und damit neuartige Wege der Auseinandersetzung sowohl mit Lernpartnern als auch mit Inhalten ermöglichen (Suthers 2006). Kontextualisierung Digitale Medien erleichtern es, Lerninhalte in konkrete Kontexte einzubinden, um so einen besseren Bezug zur Realität herzustellen für Lernende erfahrbar zu machen – selbst dann, wenn diese Realität gegebenenfalls überhaupt nicht mehr zugänglich ist. Entsprechende Möglichkeiten reichen von der digitalen Darbietung historischer Originaldokumente bzw. deren Nachbildungen über mixed-reality Formate, in denen Originaldokumente mit Nachbereitungen kombiniert werden, bis hin zu aufwändigen virtuellen Rekonstruktionen spezifischer Kontexte (vgl. Schwan und Buder 2002). Eine derartige Kontextualisierung von Wissensinhalten ist im Sinne von Theorien der situierten Kognition zentral, um dem Erwerb eines vorwiegend „passiven“ Wissens vorzubeugen, welches von Lernenden nur schwer auf konkrete Anwendungsszenarien übertragen werden kann (Resnick 1987). Zudem unterstützt eine kontextualisierte Wissensvermittlung auch solche Denkformen, die über abstrakte Schlussfolgerungsprozesse hinaus auch spezifische Eigenschaften des Kontextes für Problemlösungen miteinbeziehen und damit besser der Komplexität der Realität entsprechen. Erfolgreiche Beispiele einer kontextualisierten Wissensvermittlung mit digitalen Medien sind etwa der Anchored Instruction-Ansatz (Jasper Woodbury Series der Cognition and Technology Group at Vanderbilt 1997), fallbasierte multimediale Lernumgebungen in der Medizinerausbildung (z. B. Thyroidea; Mandl und Gräsel 2000) oder aber internetbasierte Lernumgebungen zum forschenden Lernen in den Naturwissenschaften (z. B. WISE; Linn und Slotta 2000; Goal-based Scenarios; Schank et al. 1994). In diesen computerbasierten Lernumgebungen müssen Lernende unter Zuhilfenahme verschiedener digitaler Informationsquellen komplexe, authentische Probleme lösen, deren audiovisuelle Aufbereitung ein hohes Ausmaß an lern- und transferförderlicher Kontextualisierung erzeugt.
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878 Digitale Medien in Unterrichtskontexten Verknüpfung von Lernorten Durch die Möglichkeit, digitale Medien zeit- und ortsunabhängig zu nutzen, verschwimmen sowohl die Grenzen zwischen schulischem und außerschulischem Lernen als auch zwischen formellem und informellem Lernen. So kann z. B. der Internetauftritt eines Museums die Möglichkeit bieten, einen Ausflug der Klasse in diese Einrichtung im Unterricht vorzubereiten. Zusätzlich können mit Smartphones aufgenommene Fotos während des Besuchs der Nachbereitung von Eindrücken im Unterricht dienen. Ein Beispiel für eine systematische Verknüpfung schulischen und außerschulischen Lernens unter Zuhilfenahme der Potenziale digitaler Medien bietet das Ambient Wood Projekt, in dem Lernende während einer Exkursion mit Hilfe portabler Computer eine durch digitale Informationen angereicherte physikalische Umwelt explorieren, dort Daten sammeln und diese dann im anschließenden Unterricht aufbereiten und diskutieren (Price und Rogers 2004). Verknüpfungen zwischen formellen und informellen Lernkontexten ergeben sich auch, wenn Lernende beispielsweise Web 2.0-Angebote nutzen, um in der Schule gemachte Erfahrungen auszutauschen oder wenn sie digitale Medien nutzen, um schulisch relevante Erfahrungen aus informellen Lernkontexten in die Schule zu transportieren (z. B. während einer Urlaubsreise gesammelte kulturelle Eindrücke; vgl. Herzig und Grafe 2009). Für die Verknüpfung von Lernorten weisen vor allem Tablets aufgrund ihrer Mobilität gute Voraussetzungen auf, da digitale Inhalte auf einfache Weise zwischen außerschulischen Lernorten, der Schule und dem häuslichen Umfeld transferiert werden können. Darüber hinaus können Schülerinnen und Schüler z. B. auf Exkursionen auch neue Inhalte mit dem Tablet generieren und diese als individualisierte Lernmaterialen in den Unterricht einbringen, so dass hier auch gestalterische (konstruktionistische) Lernformen unterstützt werden. Nicht zuletzt sind auch die in Tablets verfügbaren Lage- und Positionssensoren für außerschulisches Lernen hilfreich (z. B. automatische Auswahl von Wikipedia-Artikeln zu Themen, die mit dem aktuellen Aufenthaltsort verknüpft sind).
26.3 Barrieren für die Potenzialrealisierung: Kompetenzen, digitale Lernmaterialien und Technologien Das in Abschnitt 26.2 gewählte konzeptuelle und empirische Vorgehen, nämlich den Computereinsatz in Unterrichtskontexten anhand spezifischer Potenziale und der entsprechenden empirischen Evidenz zu beurteilen, halten wir für deutlich angemessener als die Untersuchung unspezifischer Potenziale des Computereinsatzes per se (► 26.1). Ein notwendiger Folgeschritt im Anschluss an die Identifikation spezifischer Potenziale digitaler Medien in instruktionalen Kontexten besteht jedoch darin zu überlegen, wie die in Abschnitt 26.2 genannten Potenziale besser in konkreten Lernkontexten realisiert werden könnten bzw. welche Barrieren einer
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Barrieren für die Potenzialrealisierung 879 optimalen Potenzialrealisierung derzeit entgegenstehen. Wir fokussieren dabei vor allem auf zwei Themenbereiche: Einerseits die Kompetenzen von Lernenden und Lehrkräften zur Realisierung der spezifischen Potenziale digitaler Medienangebote und andererseits die Verfügbarkeit geeigneter digitaler Lernmaterialien und Technologien, die nötig sind, um diese Potenziale auszuschöpfen (für ein Arbeitsmodell zum Zusammenhang dieser Größen ► Abb. 26.2).
Medienkompetenz von Lehrkräften
Orchestrierung Digitaler Medien im Unterricht Digitale Medien
- Instruktionale Potenziale - Lernmaterialien - Technologien
Lernwirksamkeit
Mediennutzung (Intensität, Qualität)
Medienkompetenz von Lernenden
Die Lernwirksamkeit der instruktionalen Potenziale digitaler Medien hängt davon ab, ob diese Potenziale (a) in Lernmaterialien umgesetzt und (b) mit geeigneten Technologien realisiert werden. Weiterhin benötigen (c) Lehrkräfte Kompetenzen, um digitale Medien im Unterricht einzubinden (Orchestrierung) und (d) Lernende Kompetenzen zur Nutzung dieser Medien. Die Vermittlung von Medienkompetenzen an Lernende ist Teil der Medienkompetenz von Lehrkräften und die Möglichkeiten der Mediennutzung durch Lernende hängen von einer geeigneten Orchestrierung digitaler Medien im Unterricht durch Lehrkräfte ab.
Abb. 26.2: Barrieren für eine optimale Potenzialrealisierung
26.3.1 Kompetenzen Beim Einsatz digitaler Medien in instruktionalen Kontexten sind die Voraussetzungen, die Lernende und Lehrkräfte mitbringen müssen, um eine effektive Umsetzung der vorgestellten Potenziale zu gewährleisten, entscheidend. Daher können wir z. B. nicht davon ausgehen, dass spezifische digitale Lehrangebote für alle Lernenden – unabhängig von ihren Voraussetzungen – gleichermaßen effektiv sind.
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880 Digitale Medien in Unterrichtskontexten
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Zudem dürfte die Effizienz der Umsetzung spezifischer digitaler Potenziale wesentlich von den medienbezogenen Fähigkeiten auf Seiten der Lehrkräfte abhängen, die für die Orchestrierung und Einbindung dieser Potenziale in den gesamten LehrLernprozess verantwortlich sind. Kompetenzen von Lernenden Digitale Potenziale wie hohe Informationsverfügbarkeit, Multimedialität, Multiperspektivität, Adaptierbarkeit, Ressourcenkonfigurierbarkeit, Herstellbarkeit digitaler Produkte oder Kollaboration und Kommunikation gehen mit konkreten potenzialbezogenen Nutzungsvoraussetzungen auf Seiten von Lernenden einher. Diese – teilweise auch bereits im Kontext der einzelnen Potenziale erläuterten – Nutzungsvoraussetzungen betreffen vor allem Kompetenzen im Bereich des selbstgesteuerten Lernens sowie digitale Medienkompetenzen. Kompetenzen im Bereich des selbstgesteuerten Lernens beziehen sich dabei auf das Setzen von Zielen, das Überwachen der Zielerreichung und das Regulieren kognitiver, motivationaler und emotionaler Prozesse im Sinne der Zielerreichung (vgl. Winne und Hadwin 1998). Digitale Medien sind im Hinblick auf diese Selbststeuerungsaspekte oft deutlich anspruchsvoller als herkömmliche Medienangebote und bedürfen daher besonders hoher Selbststeuerungskompetenzen bzw. spezifischer Unterstützungsmaßnahmen (Azevedo et al. 2010; Scheiter und Gerjets 2007). Unter den Oberbegriff digitale Medienkompetenzen fallen folgende Aspekte: 1. Technisches Wissen und technische Fertigkeiten im Umgang mit bestimmten Typen von digitalen Medien (vgl. Richter et al. 2001). 2. Ethisch und gesellschaftlich verantwortlicher Umgang mit digitalen Medien (vgl. Treumann et al. 2007). 3. Kompetenzen im Umgang mit digital verfügbaren Informationen (also Medienkompetenz als eine spezifische Form von Informationskompetenz; Catts und Lau 2008; Katz 2007). Vor allem der letzte Aspekt der Informationskompetenz stellt aus unserer Sicht eine wichtige Randbedingung für die erfolgreiche Nutzung vieler digitaler Potenziale dar. Zwei der bekanntesten Rahmenmodelle für Kompetenzen im Umgang mit digital verfügbaren Informationen sind derzeit das ICILS Modell (Bos et al. 2014) sowie das Modell des Educational Testing Service (ETS; International ICT Literacy Panel 2002). Im ICILS-Medienkompetenzmodell unterscheiden Eickelmann und Bos (2011) zwei Bereiche. Der erste Bereich betrifft das Sammeln von und den Umgang mit Informationen (Finden, Abrufen, Bewerten und Verwalten von Informationen). Der zweite Bereich umfasst das Erstellen und Umwandeln von Informationen (z. B. das Erstellen einer Tabelle oder Grafik aus Daten), das Teilen und Austauschen von Informationen (z. B. über E-Mail oder soziale Netzwerke) und den sicheren Umgang mit (persönlichen und privaten) Informationen. Das Expertenpanel des ETS definiert in seinem ICT-Literacy-Modell Kompetenz oder Literacy im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien (engl. ICT) als Integration kognitiver und technischer Fertigkeiten folgendermaßen: „ICT literacy is using digital technology, communications tools, and/or networks to access,
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Barrieren für die Potenzialrealisierung 881 manage, integrate, evaluate and create information in order to function in a knowledge society“ (International ICT Literacy Panel 2002, 2). Beide Rahmenmodelle haben naturgemäß einen sehr breiten Anwendungsbereich auf unterschiedlichste digitale Medienangebote und gehen daher nicht auf konkrete Anforderungen ein, die mit spezifischen Potenzialen digitaler Medien verbunden sind. Es ist allerdings anzunehmen, dass, je nach adressierten Medieneigenschaften bzw. digitalen Potenzialen, auch unterschiedliche kognitive Voraussetzungen im Sinne spezifischer Medienkompetenzaspekte für Lernende von Bedeutung sind. Für die erfolgreiche Nutzung multimedialer Lehr-Lernmaterialien sind z. B. sowohl Kompetenzen im Umgang mit einzelnen Repräsentationsformaten (d. h. Text und Bild) als auch für die Integration der Informationen aus beiden Formaten erforderlich (z. B. Kombartzky et al. 2010). Spezifische Unterstützungsmaßnahmen wie Strategietrainings (z. B. Scheiter et al. 2015) oder Vorsätze zur Informationsverarbeitung (z. B. Stalbovs et al. 2015) können eingesetzt werden, um diese multimedialen Kompetenzen aufzubauen. Auch die Informationsverfügbarkeit in umfangreichen und vernetzten Informationsumgebungen (beispielsweise im WWW) setzt spezifische Informationskompetenzen bei Lernenden voraus, z. B. besondere Fertigkeiten bei der Informationssuche, bei der Informationsbewertung und bei der Integration von Informationen aus multiplen Dokumenten (vgl. Kammerer und Gerjets 2014; Stadtler und Bromme 2007; Strømsø et al. 2010). Verschiedene Forschungsarbeiten zeigen jedoch, dass Lernende nicht in hinreichendem Ausmaß über diese Voraussetzungen verfügen (Gerjets et al. 2011; Strømsø et al. 2010). Gezielte Unterstützungsmaßnahmen wie z. B. Trainings zur Informationssuche im Internet können für den Aufbau dieser Kompetenzaspekte eingesetzt werden (Gerjets und Hellenthal-Schorr 2008; Kammerer et al. 2015). Auch für den Bereich Kollaboration und Kommunikation können differenzierte digitale Kompetenzaspekte genannt werden, beispielsweise wenn es um das Social Web geht. Für eine kompetente und reflektierte Nutzung des Social Web in kollaborativen und kommunikativen Zusammenhängen sind z. B. eine Reihe an kognitiven Fertigkeiten bzw. Strategien im Hinblick auf das Erstellen, Kommunizieren, Verwalten und Auswählen von Informationen notwendig. Diese Kompetenzaspekte können (selbst bei internetaffinen Zielgruppen) nur sehr bedingt vorausgesetzt werden und bedürfen daher der gezielten Vermittlung (vgl. Kammerer et al. 2014). Vergleichbare spezifische Kompetenzkomponenten auf Seiten der Lernenden wären auch für die meisten anderen der genannten Potenziale zu identifizieren, können hier aus Platzgründen aber nicht behandelt werden. Insgesamt ergibt sich aus den genannten Forschungsbefunden das Bild, dass erforderliche Kompetenzfacetten zur Umsetzung bestimmter digitaler Potenziale oftmals nur in geringem Ausmaß vorhanden sind. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt auch eine aktuelle internationale Vergleichsstudie zu computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der achten
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882 Digitale Medien in Unterrichtskontexten Jahrgangsstufe (ICILS 2013; Bos et al. 2014). Deutschland landet in dieser Studie international auf einem mittleren Platz. Insbesondere findet sich in Deutschland ein vergleichsweise geringer Anteil von Schülerinnen und Schülern auf der höchsten Kompetenzstufe. Zudem erreichen etwa 30 % der Achtklässler in Deutschland nur die untersten beiden der fünf Kompetenzstufen, indem sie nur über basale Wissensbestände und Fertigkeiten bezüglich Informationsrezeption und Umgang mit Dokumenten verfügen. Die Ergebnisse von ICILS 2013 zeigen damit deutlich, dass die verbreitete Annahme, Jugendliche würden sich durch das Aufwachsen in einer von digitalen Medien geprägten Welt automatisch zu kompetenten Mediennutzern entwickeln, sicherlich nicht zutrifft. Die Autor*innen der Studie ziehen insgesamt das Fazit, dass Deutschland ohne eine bessere konzeptionelle Verankerung des kompetenten Umgangs mit digitalen Technologien in schulischen Lehr- und Lernprozessen auch zukünftig nicht über ein mittleres Leistungsniveau im internationalen Vergleich hinauskommen wird. Das geringe digitale Kompetenzniveau von Kindern und Jugendlichen wird aber nicht nur national sondern auch international als zentrale Herausforderung für die Realisierung digitaler Potenziale in Bildungskontexten angesehen (vgl. z. B. Johnson et al. 2014: Horizon Report Europe: 2014 Schools Edition). Kompetenzen von Lehrkräften Im Rahmen organisierter/institutionalisierter Lehr-Lernprozesse nehmen Lehrkräfte eine bedeutende Rolle als Anbieter und Orchestratoren von Lerngelegenheiten ein (vgl. Helmke 2009). Dies betrifft auch den Einsatz digitaler Medien. Betrachtet man die medienbezogene Kompetenz von Lehrkräften, so lassen sich auch hier drei Hauptaspekte ausmachen (Blömeke 2000): 1. Technische Kompetenzen und die eigene Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien. 2. Medienerzieherische Kompetenzen, die sich auf die Thematisierung digitaler Medien als Unterrichtsgegenstand beziehen. 3. Mediendidaktische Kompetenzen für den Einsatz digitaler Medien zur Vermittlung fachbezogener Inhalte. Vor allem der letzte Punkt der mediendidaktischen Kompetenz stellt aus unserer Sicht eine wichtige Rahmenbedingung für die erfolgreiche Realisierung vieler digitaler Potenziale dar. So hat sich z. B. gezeigt, dass zentrale Hindernisse für die Verwendung digitaler Medien im Fachunterricht weniger den technischen Zugang betreffen (sogenannte Barrieren erster Ordnung) als vielmehr Fragen der Integration digitaler Medien mit didaktischen Konzepten und curricularen Inhalten (sogenannte Barrieren zweiter Ordnung; Ertmer 1999). Hier ist eine Stärkung bestimmter Aspekte des Professionswissens von Lehrkräften erforderlich um diesen zu ermöglichen, Medien zur besseren Erreichung konkreter Lehr-Lernziele differenziert in den Unterricht einzubinden und Lerninhalte und Technologie didaktisch aufeinander abzustimmen. Während beim Professionswissen traditionell fachliches Wissen, allgemein pädagogisches Wissen und die Integration beider Wissensbestände, fachdidaktisches Wissen, unterschieden werden (Shulman 1987), bedarf es zur Integration digitaler Medien zusätzlich noch einer
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Barrieren für die Potenzialrealisierung 883 Berücksichtigung technologischer Komponenten. Im internationalen Kontext hat sich inzwischen ein entsprechender Ansatz zur Integration technologischer Komponenten entwickelt, bei dem das sogenannte technologisch-fachdidaktische Wissen (Technological Pedagogical Content Knowledge, TPCK; z. B Mishra und Koehler 2006) als Resultat einer integrativen Berücksichtigung digitaler Medien vor dem Hintergrund spezifischer inhaltsabhängiger Lehr-Lernziele spezifiziert wird. TPCK stellt einen eigenständigen Wissensbereich dar, der die Möglichkeiten von Technologien und die durch sie angebotenen Handlungsspielräume für jeweils konkrete Anwendungen, Lerninhalte und Ziele umfasst. Die Vorbereitung von Lehrkräften auf die Verwendung digitaler Medien im Unterricht umfasst jedoch nicht nur die Vermittlung technologisch-fachdidaktischen Wissens, sondern möglicherweise auch die Aneignung eines neuen Rollenverständnisses, welches unter anderem in unterrichts- und medienbezogenen Überzeugungen zum Ausdruck kommt (vgl. Buchholtz und Blömeke 2007). Während die Informationsaufbereitung und -darbietung zunehmend zur Aufgabe des Computers wird, sind Lehrkräfte in der Orchestrierung computervermittelter Unterrichtsszenarien stärker gefragt, z. B. wenn es um die Strukturierung des Unterrichts, die Organisation von Schüleraktivitäten, die Beratung von Schülerinnen und Schülern und die Überwachung und Bewertung des Lernfortschritts geht (vgl. Schulz-Zander und Tulodziecki 2009). Damit stellen Computer im Unterricht zwar einerseits eine Entlastung dar, sie stellen aber andererseits neue Anforderungen an Lehrkräfte, die möglicherweise mehr als im traditionellen Unterricht aufgefordert sind, flexibel und spontan auf individuelle Bedürfnisse von Lernenden einzugehen. Positiv ist hervorzuheben, dass sich in den letzten Jahren auf Seiten der Lehrkräfte wahrnehmbare Veränderungen in Bezug auf die Bewertung und Nutzung digitaler Informationsressourcen in Unterrichtskontexten ergeben haben, wie recht deutlich eine repräsentative Befragung von Lehrkräften der Sekundarstufe I durch den Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) aus dem Jahr 2014 zeigt – und zwar gerade auch im Vergleich mit einer Vorbefragung aus dem Jahr 2011 (Kempf 2014). Den Einsatz digitaler Medien im Unterricht sehen danach 95 % der Lehrkräfte positiv, die Zahl der Skeptiker hat sich gegenüber 2011 drastisch verringert. Deutliche Veränderungen seit 2011 lassen sich aber nicht nur in den Einstellungen, sondern auch in der konkreten Mediennutzung konstatieren. Der regelmäßige schulbezogene Einsatz digitaler Technologien, z. B. zur Unterrichtsvorbereitung, ist danach von 50 % (2011) auf über 90 % (2014) angestiegen. Für die Präsentation von Inhalten durch Lehrkräfte und Lernende sind digitale Medien heute Standard – während 2011 nur zwei Drittel der Lehrkräfte digitale Präsentationsmöglichkeiten nutzten. Auch für Informationsrecherchen und Datenaufbereitung werden digitale Technologien regelmäßig genutzt. Knapp 70 % der Lehrkräfte geben inzwischen an, dass sie Videos oder Podcasts nutzen, 2011 war es nur ein Viertel der Befragten. Immerhin ein Drittel
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884 Digitale Medien in Unterrichtskontexten der Lehrkräfte lässt Schülerinnen und Schüler selber digitale Inhalte erstellen (z. B. Webseiten, Videos oder Podcasts). Fast alle Lehrkräfte stimmten in der Befragung zu, dass elektronische Medien den Unterricht bereichern, weil sich aktuelle Inhalte besser einbinden lassen, weil die Schülerinnen und Schüler motivierter sind, weil sich Inhalte besser darstellen lassen und weil es mehr Spaß macht, mit Computer und Internet zu unterrichten. Ähnlich positive Einschätzungen wurden auch in der ICILS 2013 Studie berichtet (Bos et al. 2014). Trotz dieser positiven Bilanz setzen Lehrkräfte in keinem anderen ICILS-2013-Teilnehmerland Computer seltener im Unterricht ein als in Deutschland. Jede zweite Lehrkraft würde laut BITKOM gerne häufiger digitale Medien im Unterricht einsetzen, was aber oft an fehlenden Geräten scheitert. Neben einer besseren technischen Ausstattung und besserem technischen Support vor Ort wünschen sich Lehrkräfte vor allem auch bessere Lernmaterialien für digitale Medien und einen Ausbau von Qualifizierungsangeboten. Tatsächlich haben in den letzten drei Jahren trotz rasanter technologischer Entwicklungen 40 % der Lehrkräfte keine Fortbildung zum Thema Einsatz digitaler Medien im Unterricht besucht. Damit zeigt sich auch in der BITKOM-Befragung das Thema Kompetenzvermittlung an Lehrkräfte als zentrale Herausforderung für die zukünftige Realisierung digitaler Potenziale in Bildungskontexten. Auch im internationalen Vergleich nehmen Lehrkräfte in Deutschland weit weniger häufig an entsprechenden Fortbildungen teil als Lehrkräfte in anderen Ländern (ICILS 2013; Bos et al. 2014). Dies könnte sich durchaus auch negativ auf die Sinnhaftigkeit des konkreten Computereinsatzes in der Schule auswirken, wie ein bedenklicher Befund aus der ICILS 2013 Studie verdeutlicht: Anders als in fast allen untersuchten Ländern scheint die derzeitige Computernutzung in der Schule in Deutschland den Erwerb computer- und informationsbezogener Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern nämlich eher zu behindern: Dies legt der in Deutschland negative Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der schulischen Computernutzung und dem Kompetenzniveau von Schülerinnen und Schülern nahe. 26.3.2 Digitale Lernmaterialien und Technologien Kompetenzen von Lernenden und Lehrkräften zur Nutzung digitaler Medien in instruktionalen Kontexten sind notwendige, aber noch keine hinreichenden Voraussetzungen zur Ausschöpfung der genannten digitalen Potenziale in Unterrichtskontexten. Hinzu kommen als weitere wesentliche Voraussetzungen die Verfügbarkeit geeigneter digitaler Lernmaterialien sowie der Einsatz von Technologien, die sich einfach und sinnvoll in instruktionale Situationen einbinden lassen. Digitale Lernmaterialien Unzureichende digitale Lernmaterialien stellen immer noch ein wesentliches Hindernis für den sinnvollen Einsatz von Computern im Unterricht dar. Häufig sind Lehrende z. B. darauf angewiesen, Materialien für bestimmte Unterrichtsinhalte
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Barrieren für die Potenzialrealisierung 885 im Internet zu recherchieren bzw. diese sogar selbst zu erstellen. Dies ist zwar im Einzelfall möglich, aber aufgrund des großen zeitlichen Aufwands für Lehrkräfte keine flächendeckende Lösung. Außerdem fehlt die mit der professionalen Entwicklung von Unterrichtsmaterialien durch Schulbuchverlage verbundene Qualitätssicherung auf inhaltlicher und gestalterischer Ebene (► Kap. 27). Für den deutschsprachigen Raum haben die großen Schulbuchverlage mit der Einrichtung der Internet-Plattform digitale-schulbuecher.de im Jahr 2012 eine verlagsübergreifende Initiative gestartet, die es ermöglicht, über bei den Verlagen erworbene Zugangsberechtigungen digitale Schulbücher und Unterrichtsmaterialien herunterzuladen. Allerdings handelt es sich hierbei in der Regel lediglich um digitale Dateien gedruckter Schulbücher. Die in Abschnitt 26.2 aufgeführten vielfältigen Potenziale digitaler Medien bleiben damit bislang weitgehend unberücksichtigt. Wenn wir neben digitalen Schulbüchern speziell auch die Situation für BildungsApps betrachten, so ergibt sich z. B. für die Nutzung von Tablets im Unterricht zwar die Situation einer hohen Verfügbarkeit verschiedenster Apps. Allerdings geht diese mit einer entsprechenden Unübersichtlichkeit des Marktes und der daraus resultierenden Schwierigkeit einher, für den Bildungsbereich geeignete Apps zu identifizieren. Sowohl im Bereich digitaler Schulbücher als auch im Bereich von Bildungs-Apps sieht man zudem deutlich, dass die fehlende interdisziplinäre Herangehensweise bei der Entwicklung von digitalen Lernmaterialien eine große Hürde für die optimale Nutzung entsprechender Potenziale darstellt. Um inhaltlich und didaktisch gut gestaltete digitale Lernmaterialien auf technisch hohem und praktisch umsetzbarem Niveau zu produzieren, ist es erforderlich, Vertreter aus den jeweiligen Fächern und Fachdidaktiken, aus Mediendidaktik und -design, aus Informatik, Psychologie und Erziehungswissenschaft sowie nicht zuletzt auch aus der Praxis zusammenzubringen. Bislang werden technologische Entwicklungen (z. B. im Bereich von Bildungs-Apps) allerdings notwendigerweise oftmals von Personen vorangetrieben, die zwar über die technische Expertise zur Herstellung innovativer computergestützter Lehr-Lern-Angebote verfügen, nicht aber unbedingt hinreichende instruktionspsychologische und fachdidaktische Kenntnisse aufweisen, um die Potenziale technischer Möglichkeiten in Lernkontexten auch sinnvoll zu nutzen. Umgekehrt werden (z. B. im Bereich digitaler Schulbücher) von Lehrbuchautor*innen und anderen Inhaltsexpert*innen aufgrund mangelnder technischer und instruktionspsychologischer Expertisen häufig Lernmedien generiert, die das lernförderliche Potenzial fortgeschrittener Computertechnologien bei weitem nicht ausschöpfen. Sieht man die Liste der empirisch belegbaren Potenziale digitaler Medien in Lernkontexten (► 26.2) im Lichte der Tatsache, wie wenig diese spezifischen Potenziale von gegenwärtig verfügbaren digitalen Lernmaterialien bereits sinnvoll umgesetzt werden, so sollte aus unserer Sicht klar werden, dass konzertierte interdisziplinäre Aktivitäten deutliche Verbesserungen digitaler Lernmaterialien erbringen könnten.
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886 Digitale Medien in Unterrichtskontexten Technologien Auch wenn wir Clark (1983) zustimmen, dass spezifische Technologien per se keinen (von der Instruktionsmethode unabhängigen) Lerneffekt haben sollten, so sind doch im Sinne von Kozma (1991, 1994) verschiedene Technologien unterschiedlich gut geeignet, um bestimmte Instruktionsmethoden auf einfache und praktikable Weise in Unterrichtskontexten zu realisieren. Die erste Welle der Digitalisierung in Deutschland ab 1996 im Rahmen der Initiative „Schulen ans Netz“ war vor allem dadurch gekennzeichnet, dass in Schulen Medienräume mit stationären Computern und Internetanschlüssen eingerichtet wurden. Es zeigten sich recht schnell Nachteile dieser technologischen Lösung, da Medienräume nur schwer flexibel in das Unterrichtsgeschehen eingebunden werden können und nur wenig didaktische Konzepte vorliegen, um dieses technologische Szenario sinnvoll und innovativ zu nutzen (vgl. Kerres 2000). Die Befunde zur Computernutzung in der Schule waren entsprechend eher ernüchternd, da die Nutzung trotz aufwändiger Ausstattungsversuche weit hinter den angedachten Möglichkeiten zurückblieb (z. B. Tulodziecki 2005). Etwa ab dem Jahr 2000 wurden dann zunehmend sogenannte Laptop-Klassen oder Notebook-Klassen eingerichtet, die sich durch eine flexible Nutzung mobiler Rechner im Klassenkontext auszeichnen. Gegenüber Medienräumen erweist sich die Nutzung mobiler Rechner als deutlich einfacher und selbstbestimmter, vor allem wenn diese sowohl für den Unterricht als auch für die häusliche Arbeit zur freien Verfügung stehen (vgl. Schaumburg et al. 2007). Eine weitere Entwicklungsstufe für den Medieneinsatz in der Schule hat sich in den letzten Jahren durch die Einführung von Tablet-Computern ergeben. Seit der Markteinführung des Apple iPads im Jahr 2010 haben Tablets weltweit eine sehr starke Verbreitung gefunden. Betrachtet man die im Consumer Electronics Marktindex Deutschland (CEMIX) dokumentierten Verkaufszahlen, wurden bereits im Jahr 2012 erstmals mehr Tablets als stationäre Computer verkauft; seit 2014 lassen Tablets auch Notebooks hinter sich. Derzeit finden Tablets auch in Schulkontexten eine zunehmende Verbreitung. Im internationalen Vergleich ist das Ausmaß der Tabletverfügbarkeit in Deutschland allerdings bislang noch sehr gering. Nach der BITKOM-Erhebung 2014 stehen Tablets in Deutschland überhaupt erst an 18 % der Schulen zur Verfügung. Dagegen ergab die ICILS 2013 Studie für den Technologie-Vorreiter Australien, dass dort bereits 64 % der Schülerinnen und Schüler an einer Schule mit Tablet-Ausstattung unterrichtet werden (Bos et al. 2014). Für den verstärkten Einsatz von Tablets im Unterricht sprechen dabei eine Reihe von Vorteilen, insbesondere in Bezug auf die Umsetzung spezifischer digitaler Potenziale in instruktionalen Kontexten (für einen Überblick vgl. Scheiter 2015). Einige dieser Vorteile sind dabei im Verlauf dieses Kapitels bereits angesprochen worden: Tablets unterstützen multimodale Interaktionsprozesse. Sie erlauben eine individuelle Zusammenstellung von Apps und unterstützen damit eine individuelle Ressourcenkonfiguration. Tablets bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten für die Umsetzung konstruktionistischer Lernformen, in denen die Herstellung digita-
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Zusammenfassung und Ausblick 887 ler Produkte im Vordergrund steht. Auch für die Verknüpfung von Lernorten und Nutzung in außerschulischen Lernorten weisen Tablets durch ihre hohe Mobilität gute Voraussetzungen auf. Darüber hinaus verweisen internationale Befragungsstudien auf eine Reihe praktischer Vorteile für die Unterrichtsgestaltung (vgl. Scheiter 2015): Beispielsweise sind Tablets ohne Zeitverlust beim Hochfahren sofort einsatzbereit und weniger anfällig für Software-Probleme als Notebooks oder stationäre Computer. Ihre Bedienung ist vergleichsweise einfach und auch für Personen intuitiv zugänglich, die in der Computernutzung unerfahren sind (z. B. kleinere Kinder, ältere Menschen). Tablets erlauben eine flexiblere Nutzung im Unterrichtsablauf, indem sie ohne großen zeitlichen Aufwand für einzelne Aufgaben eingesetzt und nach Verwendung beiseitegelegt werden können. Sie sind damit besser als Notebooks oder stationäre Computer als routinemäßiger Lernbegleiter brauchbar. Sie machen digitale Inhalte wie z. B. Ergebnisse aus Internetrecherchen sofort zugänglich und erlauben es, diese unmittelbar in Gruppendiskussionen oder Präsentationen einfließen zu lassen. Insgesamt deuten die Erfahrungen darauf hin, dass Tablets durch diese Merkmale zu einer größeren Vielfalt an im Unterricht umsetzbaren Lernaktivitäten und Unterrichtsformen führen und insbesondere auch selbstregulierte und kollaborative Lernprozesse unterstützen können. Interessanterweise wären viele der berichteten Einsatzmöglichkeiten von Tablets theoretisch auch mit anderer Hard- und Softwareausstattung und teilweise sogar ganz ohne Mediennutzung realisierbar. Das Tablet führt also nur in den seltensten Fällen zu einer radikal neuen Form des Unterrichts, die ohne Tablets überhaupt nicht denkbar wäre. Vielmehr scheint sich zu bestätigen, dass bestimmte Eigenschaften der Tablet-Technologie die Umsetzung von Unterrichts- und Lernformen unterstützen, die zwar bereits vor der Einführung des Tablets denkbar gewesen sind, sich aber erst mit Tablets hinreichend einfach und in der Breite realisieren lassen. Dies bestätigt, dass auch Eigenschaften der konkret verwendeten Technologien wichtige Voraussetzungen für die Entfaltung spezifischer Potenziale digitaler Medien in Unterrichtskontexten darstellen.
26.4 Zusammenfassung und Ausblick Die Kernaussagen dieses Kapitels lassen sich in drei Thesen zusammenfassen, aus denen sich jeweils auch ein Ausblick auf die zukünftige Rolle digitaler Medien in Unterrichtskontexten ergibt. 1. Digitale Medien per se bewirken noch keine Lerneffekte – lernförderlich sind vielmehr spezifische Instruktionsmethoden und Lernmaterialien (► 26.1). Letztere können ihrerseits allerdings den Einsatz digitaler Medien zur Voraussetzung haben oder sich zumindest besonders einfach oder effizient mit digitalen Medien
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888 Digitale Medien in Unterrichtskontexten realisieren lassen. Will man also in Zukunft die lernförderlichen Effekte digitaler Medienangebote in Unterrichtskontexten besser umsetzen als bisher, so wird es vor allem auf die Realisierung ganz spezifischer instruktionaler Potenziale digitaler Medien ankommen – und dieses Votum gilt sowohl für den Praxiseinsatz digitaler Medien als auch in Bezug auf den Nachweis lernförderlicher Effekte digitaler Medien in der entsprechenden Forschung. 2. Die Potenziale digitaler Medien in Unterrichtskontexten sind auf Angebotsseite häufig ebenso spezifisch wie auf Nutzerseite voraussetzungsreich (► 26.2). Unser Überblick über zwölf zentrale Potenziale digitaler Medien in Unterrichtskontexten zeigt, dass hier – wie so oft – der „Teufel im Detail“ steckt. Beispielsweise lässt sich für das Potenzial multimedialer Informationsaufbereitungen festhalten, dass nicht einfach irgendeine Anreicherung von Texten mit (z. B. dynamischen) Bildmaterialien lernförderlich wirkt. Vielmehr bedarf es sowohl einer spezifischen Auswahl und Gestaltung dieser Materialien, als auch einer spezifischen Unterstützung von Lernenden bei deren Verarbeitung. Suboptimale Randbedingungen führen dabei häufig auch zu suboptimalen Lernergebnissen. Was für zukünftige Bemühungen aus unserem Überblick allerdings auch deutlich werden sollte ist, dass in vielen Fällen bereits umfangreiche empirische Forschungsergebnisse zu Potenzialen digitaler Medien in Unterrichtskontexten vorliegen, die es erlauben, optimale Randbedingungen für deren Einsatz im Detail zu spezifizieren und dementsprechend auch zu realisieren. 3. Zentrale Barrieren für eine effiziente Realisierung digitaler Potenziale in Unterrichtskontexten sind gut bekannt und könnten in näherer Zukunft beseitigt werden (► 26.3). Die spezifischen Potenziale digitaler Medien für Unterrichtskontexte sowie die Randbedingungen für ihre erfolgreiche Realisierung werden bislang kaum in digitalen Lernmaterialien umgesetzt. Hier besteht für die Zukunft ein dringender Bedarf nach interdisziplinären Herangehensweisen, um Materialien zu generieren, die sowohl fachlichen als auch didaktischen, informatischen, psychologischen und praktischen Kriterien genügen. Aktuelle Initiativen wie das Projekt eChemBook am Leibniz-Institut für Wissensmedien (Ulrich et al. 2014) können als Beispiel dienen, wie eine interdisziplinäre und forschungsbasierte Entwicklung digitaler Medien konzipiert werden kann, die diesen Ansprüchen genügt (► Tafel 26.2). Wichtig ist auch eine Entscheidung für die Nutzung möglichst gut geeigneter Technologien wie z. B. Tablets, die sich einfach und sinnvoll in Unterrichtssituationen einbinden lassen. Schließlich besteht ein ungebrochener Bedarf an Trainings und Fortbildungsmaßnahmen für Lehrende und Lernende in Bezug auf Kompetenzen zur Nutzung digitaler Medien in Unterrichtskontexten. Aus dem verbesserten Zusammenspiel dieser Aspekte (Gestaltung digitaler Lernmaterialien, Einführung geeigneter Technologien im Unterricht, Trainings und Fortbildungen für Lehrende und Lernende) ergeben sich aus unserer Sicht für die Zukunft gute Erfolgsaussichten für die optimale Realisierung der lernförderlichen Potenziale digitaler Medien in Unterrichtskontexten.
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Zusammenfassung und Ausblick 889
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Tafel 26.2: Interdisziplinäre und forschungsbasierte Entwicklung digitaler Lernmaterialien: Das Beispielprojekt eChemBook Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt „eChemBook“ verfolgt das Ziel, in enger Verzahnung zwischen Fachdidaktik (Institut für Didaktik der Naturwissenschaften, Leibniz Universität Hannover), Lehr-/Lernpsychologie (Leibniz-Institut für Wissensmedien Tübingen) und Praxispartnern (Schroedel Westermann und SMART Technologies) ein evidenzbasiertes Unterrichtskonzept für den Einsatz digitaler Medien im Chemieunterricht zu entwickeln. Angestrebt wird die Optimierung der Nutzung digitaler Medien in der pädagogischen Praxis. Das Projekt setzt erstens forschungsbasiert verschiedene instruktionale Potenziale digitaler Medien um, wie z. B. Multimedialität, Multimodalität, Feedback oder Adaptierbarkeit. Insbesondere wird dabei auf unnötige und rein dekorative oder spielerische Visualisierungen und Interaktivitäten zugunsten von kognitiv funktionalen Elementen verzichtet (siehe Abb. unten). Zweitens ist das Projekt durch einen interdisziplinären Ansatz gekennzeichnet, bei dem technische Expertise zur Herstellung innovativer computergestützter Lehr-Lern-Angebote mit instruktionspsychologischen und fachdidaktischen Kenntnissen verknüpft werden, um die Potenziale digitaler Medien in Lernkontexten optimal zu nutzen. Drittens unterstützt das Projekt die Orchestrierung digitaler Medien durch Lehrkräfte, indem z. B. einzelne instruktionale Elemente wie Einführungstexte, Experimente oder Zusammenfassungen über eine lokale Navigation klar in ihrer unterrichtsrelevanten Funktion gekennzeichnet werden. Diese Elemente sind damit schon mit einer bestimmten didaktischen Funktion in die Lernumgebung eingebunden. Viertens ist das Projekt für Tablets konzipiert und fokussiert damit auf eine einfache und in Unterrichtssituationen sinnvoll einsetzbare Technologie. Das Projekt eChemBook kann damit als gutes Beispiel dafür dienen, wie innovative und praxistaugliche digitale Lernmaterialien aus einer interdisziplinären Perspektive so entwickelt werden können, dass einerseits wissenschaftlich abgeleitete digitale Potenziale realisiert werden und andererseits die Orchestrierung digitaler Medien im Unterricht mit Hilfe geeigneter Technologien unterstützt wird (Ulrich et al. 2014).
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27 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung Ulrike Cress, Joachim Kimmerle und Friedrich W. Hesse
Zusammenfassung Digitale Technologie spielt im Rahmen formaler Bildung eine zunehmende Rolle: Tablets können als digitale Lehrbücher dienen, interaktive Tafeln ersetzen die traditionelle Kreidetafel, und Lernmanagementsysteme regeln den Zugang zu Lernmaterialien – um nur einige prominente Beispiele zu nennen. Dass diese Technologien nicht nur traditionelle Lehrmedien ergänzen oder ersetzen, sondern darüber hinaus besondere Potenziale für das Lernen bieten, wurde im vorangehenden Kapitel (► Kap. 26) dargelegt. In weitaus stärkerem Maße aber als in Orten der formalen Bildung ist der Mensch in seinem Alltag mit digitalen Technologien konfrontiert. Das Internet ist ein umfassender Wissensspeicher, auf den Menschen mittels mobiler Endgeräte jederzeit und von jedem Ort aus zugreifen können. Dabei machen die Werkzeuge des Web 2.0 (O’Reilley 2006) das Internet zu einem sozialen Netz, das Interaktion und Kollaboration zwischen Nutzerinnen und Nutzern erlaubt und ihnen die Möglichkeit gibt, selbst Wissensartefakte zu erzeugen und anderen zugänglich zu machen. Das vorliegende Kapitel zeigt zunächst die hohe Verbreitung und Nutzung dieser Technologien bei Kindern und Erwachsenen auf und macht dann deutlich, dass soziale Medien nicht nur als Werkzeuge zur Verfügung stehen, sondern dass sie unser Verständnis von Wissen und Bildung grundlegend beeinflussen können. Das Internet und seine sozialen Medien ermöglichen den Zugang zu einer Vielzahl von Informationen, die relevant für Wissen und Bildung sein können. Sie ermöglichen darüber hinaus, dass sich Personen aktiv an Diskursen beteiligen und selbst zur Produktion von Wissen beitragen können. So steht im Vordergrund dieses Kapitels nicht, dass Webinhalte Lerninhalte sein können, die von Lernenden erworben werden müssen. Stattdessen weist das Kapitel darauf hin, dass es bildungsrelevant ist, die externen Inhalte und Kommunikationskanäle angemessen nutzen zu können. So sind die Fähigkeiten, sicher mit Informationstechnologien umzugehen, Informationen aus dem Web zu nutzen, sie kritisch zu beurteilen, Informationen zu teilen und mit anderen zu kooperieren wichtige Kompetenzen, die Schüler
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896 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung und Schülerinnen dringend benötigen und die deshalb auch zentrale Bestandteile der „21st Century Skills“ darstellen (Jerald 2009; OECD 2005; Partnership for 21st Century Skills 2009). Das Kapitel zeigt auf, inwieweit digitale Technologie „Bildung“ unterstützen kann, nämlich Bildung, verstanden im kosmopolitischen und humboldtschen Sinne: als Erweiterung des eigenen Horizonts, als Wissen um und Offenheit für die Meinung anderer, deren Interpretationen und Erklärungsansätze. Bildung im weitesten Sinne ist dann die Fähigkeit, von extern verfügbarem Wissen angemessen Gebrauch machen zu können, sich mit entsprechenden wissensrelevanten Gemeinschaften zu vernetzen und am öffentlichen Dialog zu partizipieren. Natürlich sind soziale Medien nicht nur mit Potenzialen, sondern auch mit Schwierigkeiten und Gefahren verbunden. So können gerade soziale Medien einseitige Informationsselektion und -verarbeitung fördern, anstatt zum Dialog mit anderen Meinungen zu motivieren und den eigenen Horizont zu erweitern. Aktuelle Internettechnologien wie Suchmaschinen oder Vorschlagsysteme verstärken diese Gefahr. Um soziale Medien nutzbringend auch in der formalen Bildung einsetzen zu können, sind Lernökologien notwendig, die einen Raum bieten, in dem Lernende authentische Probleme lösen können, dazu auf Ressourcen zugreifen, Wissen teilen und selbst konstruieren können und in dem sie dabei – quasi beiläufig – selbst Wissen erwerben. So zeigt das Kapitel auf, wie Kinder in Lernumgebungen wie beispielsweise dem Knowledge Forum und der Plattform Scratch aktiv an Wissensgemeinschaften teilnehmen und neben den allgemeinen 21st Century Skills inhaltsspezifisches Wissen erwerben.
27.1 Verbreitung und Nutzung des Internets und sozialer Medien Die große Bedeutung des Internets und sozialer Medien zeigt sich bereits an deren Verbreitung und Nutzung. In Tafel 27.1 sind die wichtigsten Studien aufgelistet, die dazu empirische Daten liefern. Mit der Internetnutzung in Deutschland befasst sich die Studie D21-Digital-Index 2014 der Initiative D21 (Initiative D21 2014). Danach waren im Jahr 2014 rund 98 % der 14- bis 29-Jährigen online, bei den 60- bis 69-Jährigen waren es noch knapp 65 %, und erst bei den über 70-Jährigen sank der Anteil der Onlinenutzer auf ungefähr 29 %. Dabei korreliert die Internetnutzung mit der Berufstätigkeit, dem Haushaltsnettoeinkommen und dem Bildungsgrad: Knapp 93 % der Personen mit Abitur bzw. Fachhochschulreife nutzen das Internet, wohingegen der Anteil der Internetnutzer in der Gruppe mit Volks- bzw. Hauptschulabschluss nur knapp 61 % beträgt.
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Tafel 27.1: Studien zur Mediennutzung Initiative D21 Mobile Internetnutzung 2014 – Gradmesser für die digitale Gesellschaft: Mit ihrer Studie liefert die Initiative D21 eine empirische Basis zur mobilen Internetnutzung. In der Studie wurden ca. 1.000 Personen ab 14 Jahren telefonisch befragt. ARD/ZDF-Onlinestudien: Seit 1997 untersucht die ARD/ZDF-Onlinestudienreihe die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland. Im Jahr 2014 wurden hierzu knapp 2.000 Personen ab 14 Jahren telefonisch befragt. JIM-Studien: Seit 1998 werden vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest ca. 1.000 12- bis 19-Jährige im jährlichen Turnus zu ihrem Umgang mit Medien befragt. KIM-Studien: Seit 1999 führt der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest regelmäßig eine Befragung zum Stellenwert der Medien im Alltag von Kindern (sechs bis 13 Jahre) durch. Jeweils ca. 1.200 Kinder werden mündlich-persönlich und ihre Eltern schriftlich befragt. EU Kids Online Report: 2010 und 2014 führte der Projektverbund EU Kids Online eine repräsentative Befragung von 25.000 9- bis 16-Jährigen und deren Eltern aus 25 europäischen Ländern zum Thema Internetnutzung und Risiken der Internetnutzung durch. Die Studie erlaubt einen Ländervergleich. Soziale Netzwerke 2013 – dritte erweiterte Studie: In der repräsentativen Untersuchung der Bitkom Research GmbH wurden rund 1.000 Internetnutzer ab 14 Jahren zur Nutzung sozialer Netzwerke im Internet befragt.
Die ARD/ZDF-Onlinestudie (van Eimeren und Frees 2014) gibt über die Art der Nutzung detaillierter Auskunft: Die Suche nach Informationen steht nach dieser Untersuchung an erster Stelle (82 % über alle Altersgruppen hinweg), ebenfalls sehr bedeutungsvoll ist die Nutzung von Web-2.0-Anwendungen: 76 % nutzten Wikipedia, 64 % Videoportale, 46 % soziale Netzwerke und Communities, 17 % Blogs und 9 % den Kurznachrichtendienst Twitter. Fast die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen ist auf sechs oder mehr Internetseiten mit einem persönlichen Account registriert. Mit ihrer jährlichen Basisuntersuchung zum Medienumgang von 12- bis 19-Jährigen betrachtet die JIM-Studie (Feierabend et al. 2014a) die Mediennutzung von Jugendlichen anhand der Zeit, die Jugendliche mit den einzelnen Tätigkeiten zubringen. Demnach entfällt 44 % der Zeit, die Jugendliche im Internet verbringen, auf Kommunikation, 25 % auf Unterhaltung, 18 % auf Online-Spiele und 13 % auf Informationssuche. Als beliebteste Internetplattform wurde YouTube genannt, gefolgt von Facebook. Die Bedeutung des Internets für Bildung haben auch viele der jugendlichen Teilnehmer der JIM-Studie erkannt. Sie wurden gefragt, welches Medium ihrer Ansicht nach Weltwissen vermittelt und hierbei das größte Bildungspotenzial in sich birgt. An erster Stelle nannten 42 % hier das Internet, gefolgt vom Fernsehen (35 %). Nur 11 % nannten Bücher und gerade einmal 7 % Zeitungen an erster Stelle. Das Internet scheint also für diese Menschen für Bildung durchaus relevant zu sein. Auf
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898 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung die Frage, ob sie dabei an eine bestimmte Internetseite denken, nannte die Mehrzahl keine konkrete Seite (62 %), 24 % nannten Wikipedia. Einer noch jüngeren Altersgruppe von Internetnutzern, nämlich den 6- bis 13-Jährigen, widmete sich die KIM-Studie (Feierabend et al. 2014b), die ebenfalls jährlich durchgeführt wird. Laut der Studie aus dem Jahr 2014 haben 98 % der Kinder zu Hause einen Internetzugang. Ein Viertel der Sechs- bis Siebenjährigen und fast alle 12- bis 13-Jährigen (98 %) hatten bereits selbst Erfahrung mit dem Internet. Sie sind zu 40 % täglich im Internet. Auch in der KIM-Studie zählten kommunikative Angebote zu den Lieblingsangeboten der Kinder im Internet: Communities, Chats und Messenger zählten für 28 % zu den beliebtesten Websites. Auch für Kinder scheint die Recherche im Internet ein zentrales Thema zu sein. So suchten 71 % mindestens einmal pro Woche in Suchmaschinen nach Informationen. Gesucht wurde vor allem nach Informationen für Hausaufgaben, nach Spieleseiten und nach Informationen über Prominente. In sozialen Netzwerken angemeldet sind 43 % der internetnutzenden Kinder. Facebook stellt hier das beliebteste Netzwerk dar. Zum Zeitpunkt der ersten Anmeldung in einer Online-Community waren die Kinder im Schnitt 10,4 Jahre alt. Ein europaweites Projekt zur Online-Nutzung von Kindern stellt die EU Kids Online Umfrage (Smahel und Wright 2014) dar. Befragt wurden hier 9- bis 16-Jährige und deren Eltern. Auch in dieser europaweiten Umfrage zeigte sich, dass über alle Länder hinweg Kinder schon früh online gehen. Das Durchschnittsalter der ersten Internetnutzung über alle Länder hinweg lag bei neun Jahren. Deutschland lag mit ebenfalls neun Jahren im europäischen Vergleich genau im Mittelfeld. Mit im Schnitt sieben Jahren zeigten die Schweden das geringste Durchschnittsalter der ersten Internetnutzung. Das EU Kids Online Projekt, welches in der dritten Phase ab 2011 für drei Jahre Daten erhob, zeigt, dass die Nutzung sozialer Netzwerke europaweit bei Kindern beliebt ist. 57 % der europäischen Kinder berichteten davon, über ein eigenes Profil in einem sozialen Netzwerk zu verfügen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern erfreuen sich soziale Netzwerke in Deutschland allerdings geringerer Beliebtheit. Hier gaben 50 % der befragten Kinder an, ein solches Profil zu besitzen. Näher mit der Nutzung sozialer Netzwerke befasste sich die Studie Soziale Netzwerke 2013 (Bitkom 2013). Sie konnte zeigen, dass mindestens drei Viertel der Internetnutzer*innen in einem sozialen Netzwerk angemeldet waren. Zwei Drittel waren regelmäßig aktiv. Zudem zeigte die Studie, dass soziale Netzwerke hauptsächlich privat genutzt wurden, um Nachrichten zu verschicken und zu chatten. Die größte Motivation für die Nutzung sozialer Netzwerke war die Vernetzung mit Freundinnen und Freunden. Die Nicht-Nutzer*innen gaben an, keinen Sinn und Nutzen in der Verwendung sozialer Medien zu sehen (74 %) bzw. keine persönlichen Daten preisgeben zu wollen (56 %). Das mit Abstand am meisten genutzte Netzwerk in Deutschland war Facebook. Die Anzahl an aktiven Nutzer*innen von
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Verfügbarkeit und Zugriff auf externes Wissen 899 Facebook stieg von 2011 bis 2013 deutlich an (von 45 auf 56 %). Auch in dieser Studie zeigte sich, dass vor allem jüngere Nutzer*innen in sozialen Netzwerken aktiv waren (87 %). Jedoch nutzten auch in der Altersgruppe der über 50-Jährigen mehr als die Hälfte mindestens ein Netzwerk aktiv. Insgesamt zeigen diese Studien übereinstimmend die außerordentlich große Bedeutung, die das Internet und seine sozialen Medien für Erwachsene ebenso wie für Kinder und Jugendliche haben. Digitale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das Internet schafft Zugang zu Informationen und ermöglicht den fortlaufenden Kontakt mit Freundinnen und Freunden. Für die Bildungsforschung stellt sich deshalb immer drängender die Frage, welche Relevanz das Internet für Bildung hat und haben könnte. Wie verändert der verbesserte Zugang zu Informationen Bildung? Haben soziale Medien, die Kommunikation und Interaktion ermöglichen, weitere Potenziale für Bildung? Diese Fragen werden im Folgenden behandelt.
27.2 Verfügbarkeit und Zugriff auf externes Wissen Wissen war bisher immer etwas relativ „Beschränktes“. Das individuelle Wissen einer Person ist durch die individuelle kognitive Kapazität beschränkt. Menschen können sich nicht beliebig viel merken, nicht beliebig viele Informationen gleichzeitig berücksichtigen und nicht unbegrenzt komplex denken. Aber auch externes Wissen, das heißt Wissen, das in Artefakten wie Büchern oder Zeitschriften zur Verfügung steht, war in vordigitalen Zeiten beschränkt, weil der Einzelne nur einen begrenzten Zugriff darauf hatte (Weinberger 2011). Jedes Buch war durch Bibliotheken zwar grundsätzlich zugänglich, aber der Zugang war zeitaufwändig. Außerdem war es schwierig zu überblicken, welche Wissensressourcen es gab. Schließlich bedarf es eines zumeist nicht unerheblichen Maßes an internem Wissen um einschätzen zu können, welche Informationen wo vorhanden sind und welche anderen Quellen potenziell relevant werden könnten. In einer Online-Kultur ist dies fundamental anders. Wissen kann auf kurzem Wege online abgerufen und verbreitet werden. Im Internet steht eine schier unendliche Menge an Informationen zur Verfügung. Allein über die digitale Bibliothek Google Books sind Millionen eingescannter Bücher erhältlich, im Google Library Projekt sind die Bestände großer Bibliotheken wie der Harvard University oder der New York Public Library digitalisiert und als Online-Texte verfügbar. Unter dem Stichwort Open Content Lizenzmodelle wird derzeit die freie Zugänglichkeit von Publikationen aus öffentlich geförderten Mitteln diskutiert. Schließlich ist mit Open Educational Resources (OER) das Bestreben verbunden, didaktisch aufbereitetes Lehrmaterial öffentlich zur Verfügung zu stellen und allen Nutzern kostenlosen Zugang zu qualitativ hochwertigen Bildungsressourcen zu erlauben (vgl. Atkins et al. 2007; Blees et al. 2013).
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900 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung Tafel 27.2: Open Educational Resources (OER)
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Die Deutsche UNESCO-Kommission (2013, 6) definiert OER als: „Lehr-, Lern- und Forschungsressourcen in Form jeden Mediums, digital oder anderweitig, die gemeinfrei sind oder unter einer offenen Lizenz veröffentlicht wurden, welche den kostenlosen Zugang sowie die kostenlose Nutzung, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Andere ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen erlaubt“. Die Open-Education-Bewegung ist Teil der Open-Access-Bewegung. Sie propagiert, dass öffentlich geförderte Materialien, Studien oder Software für alle Interessierten frei zugänglich sein sollten, was einen verbesserten Zugang zu Bildung (nicht nur) für Entwicklungsländer und benachteiligte Personen ermöglicht. Sie verweist aber auch darauf, dass ein besonderer Fortschritt erzielt werden kann, wenn einmal erstellte Produkte von anderen weiterverwendet, weiterentwickelt und optimiert werden können. Open Educational Resources sind damit Beispiele dafür, dass im Internet Artefakte durch viele Personen kollaborativ erstellt und in einem kontinuierlichen Prozess von Wiederverwendung (re-use), neuer Zusammenstellung (re-mix) und Revision (re-vise) fortlaufend verbessert werden können. Das Internet schafft damit nicht nur Zugang zu Informationsressourcen, sondern bietet den Nutzern auch die Möglichkeit, nutzergenerierte Inhalte zu erstellen und Teil eines kollektiven Verbesserungsprozesses zu werden. Beispiele für OER sind • Wikipedia • European Schoolnet: Europaweites Netzwerk, das im Portal „Learning Resource Exchange“ ca. 250.000 Online-Ressourcen bereitstellt.
Daneben präsentieren Massenmedien redaktionell aufbereitete Inhalte in OnlinePortalen (z. B. Nachrichtenportale von Tages- und Wochenzeitungen), und tausende von themenspezifischen Internet-Plattformen sammeln und präsentieren Inhalte für spezifische Nutzergruppen wie Käufer*innen, Patient*innen oder politisch Interessierte. Das Angebot an redaktionell erstellten Inhalten wird durch nutzergenerierte Inhalte ergänzt. Zum Beispiel beinhaltet Wikipedia derzeit ca. 30 Mio. Artikel, es existieren über 200 Mio. Blogs weltweit (Tumblr 2014), und etwa 600 Mio. Kurznachrichten werden täglich über Twitter verschickt (vgl. http://www.internetlivestats. com/twitter-statistics/). Der Zugang zu diesen digital im Internet verfügbaren Informationen weist gegenüber Printmedien, die in der physikalischen Welt lagern, eine entscheidende Besonderheit auf: In der physikalischen Welt ist die Sortierung und Anordnung von Informationen stets nur auf eine bestimmte Weise möglich. Beispielsweise können Bücher nach Themen oder nach Autoren sortiert sein. Im Gegensatz dazu können Informationen in der digitalen Welt des Web 2.0 gleichzeitig in vielerlei Hinsicht angeordnet werden (Everything is Miscellaneous; Weinberger 2007). In Datenbanken lassen sich Objekten mehrere Beschreibungen zuweisen, der Nutzer bzw. die Nutzerin kann sie nach beliebigen Kategorien sortieren, gleichzeitig auf verschie-
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Verfügbarkeit und Zugriff auf externes Wissen 901 denen Listen führen und diese nach Bedarf neu konfigurieren. Im Rahmen des Social Tagging können Nutzerinnen und Nutzer solche Beschreibungen individuell vergeben und auch auf die Strukturierungen und Sortierungen anderer Nutzerinnen und Nutzer zugreifen (Haustein und Peters 2012; Held et al. 2012). Externe Informationen sind im Netz damit nicht nur immer gleich weit „entfernt“ von demjenigen, der sie benötigt (nämlich nur einen oder einige wenige Klicks), sie sind auch individuell konfigurierbar. Portale und Werkzeuge wie Twitter, Blogs oder soziale Netzwerke erleichtern den Zugang zu relevanter Information noch einmal. Sie selektieren Informationen für den Nutzer bzw. die Nutzerin vor und ermöglichen es Nutzerinnen und Nutzern z. B., gezielt Beiträge von bestimmten Personen oder Beiträgen zu speziellen Inhalten zu „abonnieren“. Beispielsweise können Nutzerinnen und Nutzer bei Twitter alle aktuellen Tweets zu den von ihnen genannten Themen erhalten oder gezielt den Tweets bestimmter Konten (von Personen, Medien, Unternehmen etc.) folgen. Das ermöglicht einem Nutzer bzw. einer Nutzerin eine ständige Übersicht darüber, was in seinem Umfeld und in den ihn interessierenden Bereichen geschieht und welche Themen diskutiert werden. Gerade der Austausch kleiner Informationseinheiten wie etwa Status-Updates, „Likes“ oder Kurznachrichten erlaubt den Nutzer*innen eine ständige Übersicht über Themen und Personen. Das benötigt keine gezielte Informationssuche mehr, sondern Nutzerinnen und Nutzer werden quasi beiläufig auf dem Laufenden gehalten. Die vielfältigen Informationen, die z. B. soziale Netzwerke ihren Nutzerinnen und Nutzern über die Aktivtäten anderer bieten, vermitteln ihnen ein Bewusstsein für Vorgänge in ihrer Umgebung (ambient awareness; z. B. Kaplan 2012), die ähnlich reichhaltig sind wie bei direkter Kommunikation. Nutzerinnen und Nutzer bekommen nicht nur einen Eindruck über Themen, die relevant sind und die in einer Gruppe diskutiert werden, sondern auch über Stimmungen, Meinungen und die vorherrschende Atmosphäre. Die Reaktionen ihrer Kontakte werden für Nutzerinnen und Nutzer leicht zugänglich und erlauben ihnen intuitive Schlussfolgerungen daraus, ähnlich wie bei non-verbalen Signalen in der direkten Interaktion. Der schnelle Zugriff auf externe Informationen, die Vielfalt der Informationsquellen und des zur Verfügung stehenden externen Wissens hat weitere Konsequenzen: Die Trägerschaft von Wissen und Expertise wird zunehmend demokratisiert. Wissen an andere weiterzugeben kann im Internet praktisch jeder. Ein augenfälliges Beispiel dafür, wie effizient Laien als Wissensproduzent*innen auftreten können, findet sich bei Wikipedia (Oeberst et al. 2014). Hier kann jeder, unabhängig vom Bildungs- und Wissensstand, an Artikeln mitschreiben und so an der Produktion eines Online-Lexikons teilnehmen. Auch bei Nachrichten nehmen Laien eine immer wichtigere Rolle ein. Dies zeigen etwa die Allgegenwart von Augenzeugen-Videos aktueller Ereignisse oder die Blogbeiträge von Menschen vor Ort. Sie spielen im Internet inzwischen eine mindestens genauso große Rolle wie die Korrespondenten-Berichte professioneller Journalist*innen. Diese Phä-
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902 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung nomene werden unter dem Stichwort der Demokratisierung von Wissen diskutiert (vgl. Lemke 2010). Insbesondere große Gruppen von Nutzerinnen und Nutzern, wie sie etwa auf zahlreichen Plattformen im Internet anzutreffen sind, können in der Lage sein, valides Wissen zu entwickeln und besonders gute Entscheidungen zu treffen. So ist beispielsweise ein Artikel in Wikipedia in der Regel umso besser, je mehr Autor*innen daran beteiligt sind (Wilkinson und Huberman 2007). Entsprechend finden sich in der Literatur Verweise auf die Weisheit der Vielen (Surowiecki 2004; Kittur et al. 2007) oder die kollektive Intelligenz (Lévy 1997, 2010; Tapscott und Williams 2006). Doch sind die Folgen dieser Demokratisierung des Wissens keineswegs unumstritten. Zwar steht in der digitalen Welt sehr viel mehr externes Wissen zur Verfügung, doch nicht immer ist es so eindeutig wie bei Wikipedia, dass mehr Autor*innen zugleich mehr Qualität mit sich bringen. So stellt sich mit Bezug auf nutzergenerierte Inhalte wie Blogeinträge oder Tweets die Frage, wer deren Qualität kontrolliert und was sinnvolle Mechanismen der Qualitätskontrolle für nutzergeneriertes Wissen sein können. Shirky (2009) hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass in traditionellen (Print-)Medien die Inhalte zunächst selektiert und dann publiziert werden (filter, then publish), während sich im Internet diese Reihenfolge von Selektion und Publikation häufig umdreht (publish, then filter). Entsprechend viele falsche und ungesicherte Informationen befinden sich im Netz, weil die Qualitätskontrolle nicht in Form einer Selektion vor der Publikation stattfindet, wie es klassischerweise bei Printmedien durch Redaktionen oder wissenschaftliche Review-Verfahren geschieht, sondern erst im Nachhinein durch die Nutzerinnen und Nutzer. Sie rezipieren die bereits publizierten Inhalte, bewerten sie oder empfehlen sie weiter. Es ist primär die Masse von Nutzerinnen und Nutzern, die als Indikator für Wichtigkeit und Qualität von Informationen dienen kann, sie ersetzt durch ihre Nutzung die Prozesse der Filterung. Internetwerkzeuge wie Suchmaschinen und Vorschlagssysteme machen sich dies zu Nutze. Sie analysieren das Nutzungsverhalten Vieler und berechnen daraus nicht nur, welche Informationen besonders bedeutsam sind, sondern auch, welche Informationen für eine bestimmte Person mit einem bestimmten Interessenprofil besonders relevant sein könnten. Die Trefferliste einer Suchmaschine basiert auf diesen Informationen ebenso wie Vorschläge in Produktkatalogen nach dem Muster: „Personen, die dieses Produkt kaufen, haben auch folgende Produkte gekauft“. Das Internet selbst ermöglicht es damit, dass Personen für sie relevante Informationen „zugespielt“ werden. Dies kann Nutzerinnen und Nutzern einerseits dabei helfen, mit der Vielzahl von Informationen umzugehen; andererseits kann dies zu einer Vorfilterung von Informationen führen, die die Vielfalt des externen Wissens einengt und Nutzerinnen und Nutzern nur ein einseitiges Bild der Realität vermittelt (eine weitergehende Diskussion der Potenziale und Gefahren erfolgt im weiteren Verlauf dieses Kapitels in den Abschnitten ► 27.5 und 27.6).
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Vernetzung und Partizipation als Bildungsziele 903
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27.3 Vernetzung und Partizipation als Bildungsziele Wissen wurde schon seit Langem mit dem Konzept der Vernetzung in Zusammenhang gebracht. Die Kognitionspsychologie beispielsweise beschreibt das individuelle Gedächtnis als ein Netz von miteinander verbundenen Einheiten (z. B. Anderson 1983; Collins und Loftus 1975). Wissens- und Denkprozesse von Personen basieren auf diesen internen Assoziationen. Eine ähnliche Metapher der Vernetzung kann auch für externes Wissen herangezogen werden, so z. B. im Konzept des Konnektivismus. Wissensprozesse finden in dieser Konzeption in einem Netzwerk aus Knoten statt, welche Informationsträger im weitesten Sinne darstellen (Kop und Hill 2008; Siemens 2005). Ein Knoten kann jede Art von Informationsquelle sein, Individuen genauso wie Bücher, Notizen, Internetseiten oder Online-Foren. Diese Knoten sind Akteure in einem Netzwerk, insofern sie Handlungen nahelegen. In der Akteur-Netzwerk-Theorie von Latour (2005) beispielsweise können auch Gegenstände wie Bücher, Stifte oder Computer Akteure sein, weil sie gemeinsam ein Netzwerk bilden, das einen Handlungszusammenhang stiftet. So wie also interne Assoziationen die Wissensbasis eines Menschen bilden, die Grundlage für Lernen und Verstehen sind, sind es die Vernetzungen zwischen Personen und die Vernetzungen zwischen Personen und Artefakten, die die Basis von externem Wissen sind und auf denen der gesellschaftliche Diskurs und Wissensfortschritt beruht. Mit all seinen Ressourcen und seinen vielfältigen Informationen bietet das Internet seinen Nutzern grundsätzlich die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren, sich mit anderen Personen zu vernetzen und sich dem eigenen Interesse entsprechend Wissen anzueignen. Das Internet kann ihre epistemische Neugier, das heißt ihr Interesse, Sachverhalte zu verstehen, befriedigen, weil sie dort entsprechende Informationen finden können. Die Vielfalt der Ressourcen im Netz spiegelt dabei die Vielfalt verschiedener Perspektiven und Meinungen wider. Deren Kenntnisnahme erlaubt eine umfassende Meinungsbildung und das Erkennen von Zusammenhängen über einzelne Inhaltsbereiche hinweg. Interessierten und motivierten Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht das Internet Bildung im umfassendsten Sinne: die Vielfalt von Meinungen und Positionen wahrzunehmen, sich selbst zu positionieren und zu mündigen, informierten Bürger*innen zu werden. Das Internet mit seiner großen Informationsvielfalt und der Demokratisierung von Wissen könnte damit in besonderer Weise das Potenzial haben, Menschen, ganz im Sinne Wilhelm von Humboldts, zu Weltbürgern zu machen (Humboldt 1903). Nach Humboldt versucht der Mensch „soviel Welt, als möglich zu ergreifen, und so eng, als er nur kann, mit sich zu verbinden.“ Es geht bei der Bildung nach Humboldt um die „Verknüpfung unsres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung“. Solch eine enge und lebendige Verknüpfung zwischen Person und Welt ermöglicht das Internet nicht nur, weil es Nutzern externe Ressourcen zur Verfügung stellt, die ihren Horizont erweitern können, sondern weil es ihnen auch eine Vielzahl
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904 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung
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von Gelegenheiten gibt, selbst aktiv in einen Dialog zu treten und sich selbst mit der Welt zu vernetzen. Auf diese Weise ließe sich die Fähigkeit zur Vernetzung und Partizipation als ausdrückliches Bildungsziel beschreiben.
27.4 Potenziale sozialer Medien für Vernetzung und Partizipation Klassische Zentren der Vernetzung von Wissen waren früher vor allem Wissensinstitutionen wie Universitäten oder Bibliotheken. Heute ist es das Internet, das die größtmögliche Vernetzung ermöglicht. Es erlaubt nicht nur Zugang zu Wissensartefakten wie Publikationen und Texten jeder Art, sondern auch zu Communities. Damit gestattet es Zugang zu und aktive Teilnahme an gesellschaftlichen Diskursen. So haben sich im Internet selbstorganisierte Gemeinschaften gebildet, die als Communities of Practice (Wenger 1998; Wenger et al. 2002) oder Communities of Interest (Newman 1980) beschrieben werden können. Bei diesen Formen netzbasierter sozialer Interaktionen vereinen sich Personen, die ein gemeinsames Interesse an einem Thema verbindet und die dazu im Internet eine Kommunikationsplattform finden. Sie tauschen sich dort über ihr Interessengebiet aus, informieren sich über neue Entwicklungen oder beantworten sich gegenseitig Fragen. Doch häufig bleibt es nicht allein beim Austausch von Informationen. Kennzeichnend für solche Gemeinschaften ist, dass sie eine eigene Dynamik entwickeln, die für den einzelnen Nutzer bzw. die einzelne Nutzerin äußerst attraktiv sein kann. Ähnlich wie in Online-Spielen werden die Mitglieder einer solchen Knowledge Community häufig stark von der gemeinschaftlichen Aktivität angezogen, sie identifizieren sich so sehr mit den Inhalten und dem Austausch in der Gruppe, dass die Zugehörigkeit zur Community als identitätsstiftend erlebt wird. Die Gruppenmitglieder beginnen, sich zunehmend über ihre inhaltliche Expertise und ihre Zugehörigkeit zur Gruppe zu definieren (Wenger 1998). Die Knowledge Community wird zum Zentralisationspunkt für Kommunikation und für die Entwicklung neuen Wissens (Cress und Hesse 2006; Kimmerle et al. 2015). Gruppenmitglieder produzieren Wissensartefakte und entwickeln sie gemeinsam weiter. Das Internet spielt bei der Entstehung von Knowledge Communities eine große Rolle, weil es die Vernetzung von räumlich verteilten Personen erst ermöglicht und weil die Communities hier eine Plattform finden, in der die Kommunikation öffentlich und damit für alle zugänglich ist. So hatte es bisher keine andere Technologie ermöglicht, dass Personen in Gruppen von praktisch unbeschränkter Größe selbstgesteuert und ohne zentrale Koordination gemeinsam an einem Produkt arbeiten (Cress, Feinkohl et al. 2016). Ein klassisches Beispiel für ein kollaborativ erstelltes Produkt ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Die Wiki-Technologie verleiht allen Internetnutzern Schreib- und
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Potenziale sozialer Medien für Vernetzung und Partizipation 905 Löschrechte, wodurch jeder selbstständig neue Inhalte beisteuern bzw. bestehende Inhalte verändern kann. Im Prinzip ist damit jede Person frei, sich ihren individuellen Interessen gemäß zu verhalten und die Inhalte nach den eigenen Vorstellungen zu verändern. Dennoch hat sich gezeigt, dass sich im Lauf der Zeit Vollständigkeit, Neutralität und Belegbarkeit von Informationen als wichtige Ziele der Community durchgesetzt haben (Oeberst et al. 2014). Deshalb werden Inhalte, die diesen Ansprüchen nicht gerecht werden, von Community-Mitgliedern zumeist schnell korrigiert oder gelöscht (Viégas et al. 2007). Innerhalb weniger Jahre entstand so eine umfassende und qualitativ hochwertige Enzyklopädie, die längst konkurrenzfähig zu klassischen, professionell erstellten Lexika ist (Giles 2005). Dabei bildet die Technologie einerseits die Plattform, auf der das gemeinsame Produkt entsteht und die für alle Nutzer zugänglich ist. Andererseits stellt sie das Forum dar, in dem die Community kommuniziert und öffentlich diskutiert. Auf den zu den Inhaltsseiten gehörenden Diskussionsseiten von Wikipedia wird z. B. diskutiert, ob zu einem Thema bestimmte Informationen richtig (i. S. v. neutral und belegbar) dargestellt werden, ob zusätzlich Aspekte aufgenommen werden müssen, ob es notwendig ist, das Thema noch deutlicher von anderen Wikipedia-Einträgen abzugrenzen oder Einträge zusammenzufassen etc. Andere Beispiele für Knowledge Communities können Selbsthilfegruppen von Patient*innen sein, die ihr Wissen zu einer Krankheit und ihre Erfahrungen mit Therapien teilen (z. B. Leiberich et al. 2004) oder Personen, die ein gemeinsames Hobby verbindet (z. B. Füller et al. 2007). Erfolgreiche Beispiele von Knowledge Communities im Internet unterstreichen den Bezug zu Wissen und Bildung im oben genannten Sinn. Wissen wird in Communities nicht von Experten im traditionellen Sinne erzeugt und an entsprechende Nutzergruppen übermittelt. Vielmehr sind es die Beteiligten selbst, die ihre Erfahrungen austauschen, aus ihnen Konsequenzen ziehen und neue Lösungsansätze diskutieren (Shapiro 2016). Dabei bleibt die Community nicht auf einem einmal erreichten Wissensstand. Stattdessen sind aktive Knowledge Communities von sich aus bestrebt, neue Erfahrungen aufzunehmen und ihren Wissensbestand entsprechend zu ergänzen (Cress, Feinkohl et al. 2016). Knowledge Communities besitzen einen autopoietischen Charakter, das heißt sie entstehen aus sich selbst heraus und entwickeln sich selbstständig weiter (Maturana und Varela 1987). Wissen wird dabei nicht nur angehäuft, sondern gemeinsam konstruiert und damit neu erzeugt. Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin kann eigene Aspekte einbringen, wodurch alle Beteiligten auf den Erfahrungen anderer aufbauen können. Auch Unternehmen haben die Bedeutung solcher Communities erkannt und sie in ihre Wissensmanagement-Konzepte integriert. Communities stehen hier quer zur Firmenhierarchie. Hier werden aktuelle Probleme aus der Praxis diskutiert und die Mitglieder können sich bei der Bearbeitung konkreter Probleme gegenseitig befruchten (vgl. Coakes und Clarke 2005; Cress 2006). Die Aufbereitung und Weitergabe von Wissen an andere hat dabei auch individuelle kognitive Konsequenzen. Das eigene, autonome Handeln, das mit dem Teilen
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906 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung von Wissen einhergeht, geht weit über das reine Konsumieren von Inhalten hinaus und ist von kreativer Bedeutung (Shirky 2010). Personen schaffen selbst Artefakte, drücken ihr Wissen aus und beteiligen sich mit eigenen Beiträgen am gemeinschaftlichen Diskurs. Die große Wichtigkeit des Generierens und Konstruierens von Inhalten für individuelles Lernen und die Entstehung von neuem Wissen wird von konstruktionistischen Ansätzen betont (z. B. Papert 1980, 1987), die vor allem dieses aktive Handeln von Lernenden als lernwirksam ansehen (vgl. auch Greeno 2006; Kafai 2006). Das aktive Konstruieren von Artefakten erzeugt nicht nur externes Wissen, sondern leitet auch beim Produzenten selbst weitgehende (interne) Lernprozesse ein. Wer sich am gemeinsamen Dialog beteiligt, Texte verfasst oder Beiträge anderer redigiert oder kommentiert, lernt dabei in hohem Maße selbst (Cress und Kimmerle 2016). So beschreibt auch das Modell der Ko-Evolution kognitiver und sozialer Systeme (Cress und Kimmerle 2008; Kimmerle et al. 2015; Cress, Feinkohl et al. 2016), wie Internet-Nutzer*innen, die beispielsweise an einem Wiki mitarbeiten, durch eben diese aktive Beteiligung eigene Wissensstrukturen aufbauen und selbst Wissen erwerben. Dabei entwickeln sie ihr eigenes kognitives System weiter und tragen zugleich zur Entwicklung der Community bei, indem sie mitarbeiten, neues Wissen zu generieren. Konstruktionistische Ansätze nehmen an, dass das besonders dann zu Lernprozessen führt, wenn Lernende sich mit Themen beschäftigen, für die sie ein großes Interesse besitzen. Dabei können Nutzerinnen und Nutzer einen eigenen Beitrag zu etwas Größerem leisten. Sie bauen auf dem Wissen und den Vorarbeiten anderer Nutzerinnen und Nutzer auf und entwickeln dieses Wissen weiter. Entsprechend lässt sich in diesem Zusammenhang aus einer wissenssoziologischen Perspektive die Metapher vom Zwerg „auf den Schultern von Giganten“ anführen (vgl. Merton 1965).
27.5 Barrieren für Vernetzung und Partizipation Die geschilderten positiven Effekte sozialer Medien auf Lernen und Wissenskonstruktion basieren alle darauf, dass Menschen ganz grundsätzlich ein Interesse daran haben, die Welt zu verstehen und ihren Horizont zu erweitern. Sie beruhen auf der Annahme, dass Menschen epistemische Neugier besitzen, dass externe Informationen ihr Interesse wecken können und sie von sich aus motiviert sind, die „Wahrheit“ zu erkennen und mit anderen in den Dialog zu treten (Deci und Ryan 1993; Oeberst et al. 2016). Entsprechend entfalten soziale Medien das geschilderte Potenzial vor allem dort, wo Personen an Meinungen und Informationen interessiert sind. Auch dann ist allerdings nicht garantiert, dass soziale Medien wirklich Bildung im Sinne einer Horizonterweiterung ermöglichen. Dazu dürfen Nutzerinnen und Nutzer nicht nur mit solchen Informationen konfrontiert werden, die die eigenen Positionen und Ansichten verstärken. Lernen und Wissensfortschritt findet
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Barrieren für Vernetzung und Partizipation 907 vor allem dort statt, wo Menschen mit neuen, für sie überraschenden Einsichten konfrontiert werden und wo sie einen kognitiven Konflikt erleben (Piaget 1977). Personen sollten sich also mit Artefakten und anderen Personen vernetzen, die andere Ansichten vertreten als sie selbst, etwa aus anderen Kulturen stammen und deshalb eine andere Perspektive zu vielen Dingen haben. Wie dargelegt, ist das Internet mit seinen sozialen Medien dazu potenziell in hervorragender Weise geeignet. Allerdings müssten sich Nutzerinnen und Nutzer dazu gezielt Andersdenkenden zuwenden. Genau dies geschieht jedoch häufig nicht. Stattdessen scheint das Internet sogar Prozesse der sozialen Homophilie zu verstärken, das heißt es unterstützt die Neigung von Menschen, vorwiegend Kontakt zu Personen zu suchen, die ihnen ähnlich sind (McPherson et al. 2001). So wenden sich Personen vor allem jenen zu, die der gleichen Meinung sind und die die gleichen Werte vertreten wie sie selbst. Dies entspricht dem menschlichen Bedürfnis, die eigenen Ansichten zu validieren und sozial zu bestätigen, anstatt sie in Frage zu stellen (Nickerson 1998). Menschen wollen mit anderen eine geteilte Realität erzeugen, die sie in ihren Ansichten bestätigt (Echterhoff et al. 2009). Dies kann zwar zunächst die Kommunikation erleichtern, führt aber nicht zu Horizonterweiterung und Kosmopolitismus, wie sie oben als Bildungsziele beschrieben wurden. Das Phänomen der sozialen Homophilie, das besonders im Internet zum Tragen kommt, steht auch im Zusammenhang mit einer Reihe anderer Prozesse, die aus Sicht des hier zugrunde gelegten Bildungsbegriffs kritisch zu bewerten sind. Zu nennen ist hier etwa die sogenannte Cyber-Polarisierung (Sunstein 2007). Sie beschreibt eine Internet-Variante der Gruppenpolarisierung, in deren Folge Gruppenmitglieder nach Interaktionen in einer Gruppe extremere Ansichten vertreten als zuvor (Moscovici und Zavalloni 1969; Turner 1991). Eine solche Radikalisierung von Gruppen lässt sich im Internet entsprechend ebenfalls beobachten und tritt insbesondere bei abgeschotteten Gruppen (z. B. politischen Extremisten) auf. Die Abschottung von Gruppen ist wiederum die Folge einer zu beobachtenden Fragmentierung des Internets, die unter dem Stichwort Cyber-Balkanisierung kritisch diskutiert wird (Kobayashi und Ikeda 2009). Es bezeichnet die Entwicklung, dass das Internet die Gruppenbildung von homogenen, aber voneinander separierten Gruppen befördert. Weil sich Personen besonders häufig mit anderen vernetzen, die ihnen ähnlich sind, und weil Gruppen vor allem solche Informationen zur Kenntnis nehmen, die innerhalb der eigenen Gruppe zirkulieren (Maitner et al. 2010; Matschke et al. 2013), entstehen Gruppen, die nach innen homogen, nach außen aber kaum miteinander vernetzt sind. In der digitalen Welt ist es vergleichsweise einfach, sich mit Personen zu vernetzen, die ähnlich denken und sich von Informationen Andersdenkender fernzuhalten. Das führt dazu, dass sich Individuen und Gruppen, die bereits extreme Ansichten vertreten, in zunehmendem Maße immer weiter abschotten. Im geschützten, abgeschotteten Raum einer solchen Gruppe fällt es den Beteiligten dann immer leichter, widersprüchliche Informationen herauszufiltern und zu ignorieren (Kimmerle et al. 2013). Die oben beschriebene,
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908 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung unter positiven Vorzeichen potenziell Wissensaustausch und Wissenskonstruktion fördernde Vernetzung findet unter diesen Umständen dann nur noch mit Gleichgesinnten statt. Dadurch wird die ohnehin vorhandene Neigung, die eigene Gruppe sowie deren Meinungen und Informationen zu bevorzugen (Ingroup Favoritism; Turner et al. 1979), noch zusätzlich verstärkt. Dabei ist es Internetnutzerinnen und -nutzern keineswegs immer bewusst, dass sie sich in höherem Maße mit Gleichgesinnten vernetzen als mit anderen Wissensquellen, da dieser Prozess zum Teil ohne das Wissen der Nutzerinnen und Nutzer von Algorithmen gefördert wird. Nutzerinnen und Nutzer bewegen sich nicht völlig frei im Internet und haben keineswegs stets Zugang zu allen denkbaren Informationen; vielmehr befinden sie sich oft in einer sogenannten Filter Bubble (Pariser 2011): Welche Informationen eine Internetseite oder eine Suchmaschine auf eine Suchanfrage liefert, hängt vielfach davon ab, welche Informationen von Algorithmen als relevant für bestimmte Nutzerinnen und Nutzer erachtet werden. Dabei greifen diese Algorithmen auf Informationen über diese Nutzerinnen und Nutzer zurück, etwa ihr bisheriges Verhalten im Internet (z. B. ihre Suchhistorie bei einer Suchmaschine) oder ihren geografischen Standort. Dadurch erhalten Internetnutzerinnen und -nutzer primär solche Informationen, die mit ihren bereits bestehenden Meinungen übereinstimmen. Bekannte Beispiele für dieses Phänomen sind der personalisierte „News-Stream“ beim sozialen Netzwerk Facebook, die personalisierten Suchergebnisse bei Google oder die oben genannten Vorschlagssysteme. Wie groß die hier skizzierten Gefahren der Cyber-Polarisierung und der Cyber-Balkanisierung im Internet tatsächlich sind und ob sie größer als in der nicht-digitalen Welt sind, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Dazu liegen noch keine umfassenden empirischen Studien vor. Dennoch muss eine zentrale Aufgabe formaler Bildungseinrichtungen darin bestehen, Lernende auf die besonderen Anforderungen von Vernetzung und Partizipation vorzubereiten. Lernende müssen in die Lage versetzt werden, Technologien (heute existierende genauso wie erst in Zukunft entstehende) so zu nutzen, dass es zur Vernetzung im Sinne der oben beschriebenen Horizonterweiterung kommen kann.
27.6 Herausforderungen und Chancen für formale Bildungskontexte Die oben genannten Entwicklungen, die vor allem mit dem Internet und seinen sozialen Medien verbunden sind, machen deutlich, dass es u. a. auch eine Aufgabe der Schule sein muss, Kinder auf den Umgang mit den vielfältigen Informationsressourcen im Internet vorzubereiten. Schule sollte also Medienkompetenz im weitesten Sinne vermitteln (Coiro et al. 2008; ► Kap. 26). Kinder müssen mit digitaler Technologie umgehen können (Computer Literacy), über die Kompetenz verfügen,
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Herausforderungen und Chancen für formale Bildungskontexte 909 Informationen im Internet zu sammeln und zu organisieren und sie kritisch zu bewerten (Information Literacy). Sie müssen darüber hinaus fähig sein, relevante Informationen zu teilen und mit anderen zu kooperieren. All das schließt z. B. auch Wissen über die Funktionsweise von Suchmaschinen oder Empfehlungssystemen ein. Die Schule muss Kinder auf die Informationsvielfalt vorbereiten und sie insbesondere an solche Informationsquellen heranführen, die ihnen Perspektiven vermitteln, die sich von ihren eigenen Meinungen und gewohnten Kontakten unterscheiden. Formale Bildung muss aber mehr als Kompetenz zur Informationssuche und -bewertung vermitteln. Sie muss Kinder auch auf die Teilhabe an einer Partizipationskultur, auf aktive Wissensgenerierung und auf die Beteiligung an kollaborativen Problemlösungen vorbereiten (vgl. Jenkins 2009). Auch das ist Teil der „21st Century Learning Skills“ (OECD 2005; Partnership for 21st Century Skills 2009). Das Verständnis von Lernen kann nicht mehr auf die reine Aneignung von Wissen beschränkt sein. Adäquatere Metaphern für Lernen dafür sind die der Partizipation (Sfard 1998) und Wissensgenerierung (Paavola et al. 2004). Schon Kinder sollten die Erfahrung machen, Teil einer universellen Lern- und Wissensgemeinschaft zu sein. Brown und Adler (2008) beschreiben, dass es nicht mehr in erster Linie darum gehen kann, etwas über etwas zu lernen (learning about), sondern darum, zu lernen, ein vollwertiges Mitglied der Wissenscommunity zu sein (learning to be). Noviz*innen werden zu Expert*innen, indem sie von der Rolle außenstehender Beobachter*innen immer mehr in die Rolle aktiver Teilnehmer*innen gelangen (Lave und Wenger 1991). Damit besteht der Anspruch, dass formale Bildungskontexte Kinder an real im Internet existierende Wissensgemeinschaften heranrücken sollten. Das erfordert eine Neukonzeption von Bildung im Zeitalter der Technologie (Collins und Halverson 2009). Schule muss ein Ökosystem bieten, das Lerngelegenheiten durch Partizipation an Wissensgemeinschaften und durch das gemeinschaftliche Generieren von Wissensartefakten schafft. Solch ein Ökosystem nutzt realistische Problemkontexte und macht Informationen und externe Ressourcen zugänglich, die Lernende gemeinsam nutzen und weiterentwickeln können. Der eigentliche Lernraum ist nicht mehr nur das Klassenzimmer mit seinen artifiziellen und auf den Unterricht innerhalb der Schule ausgelegten Gegebenheiten, sondern die Lern- und Wissensgemeinschaft in der digitalen Welt. Beispiele solcher Lernräume sind etwa Umgebungen, die im Kontext der Knowledge Building Theory bereits seit Jahren erfolgreich im Schulunterricht verwendet werden (Scardamalia und Bereiter 1999; Bereiter 2002). Bei diesen Umgebungen bleibt der Klassenverband bestehen, die Klasse wird aber zu einer Knowledge Building Community, die gemeinsam versucht, Sachverhalte zu verstehen. Dazu generieren sie gemeinsam Ideen, die sie in der Gruppe diskutieren, in Frage stellen oder testen. Sie entwickeln in einem gemeinsamen Diskurs ihre Theorien weiter, identifizieren gemeinsam vielversprechende Ideen sowie Fehlvorstellungen (Zhang
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910 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung et al. 2009). Kinder „lernen“ hier nicht bestehende Erklärungen in dem Sinne, dass sie sich Faktenwissen und existierende Theorien aneignen. Vielmehr nutzen sie kollaborative Technologien, um eigenständig Wissen zu bilden (Scardamalia und Bereiter 1994). Dabei gehen sie wie eine Gruppe von Wissenschaftler*innen vor, die im gemeinsamen Diskurs prüft, welche Vorstellungen tragfähig sind und welche nicht. Lernökologien sind jedoch auch als offene und den Klassenraum weit übergreifende Wissensgemeinschaften denkbar. Beispiele hierfür sind freie Wissensportale wie Scratch (http://scratch.mit.edu/). Scratch ist eine Programmiersprache, die Kindern und Jugendlichen erlaubt, selbstständig Spiele und Multimedia-Anwendungen zu entwickeln. Kinder kreieren digitale Produkte, die sie auf einer Webplattform anderen präsentieren können (Fields et al. 2016; Roque et al. 2016). Die Plattform erlaubt und fördert das gemeinsame Arbeiten durch Re-Mixing der Programmcodes. Das heißt Kinder können auf den Produkten anderer Kinder aufbauen und Teile deren Programmcodes auf das eigene Produkt übertragen. Lernen ist hier nicht Selbstzweck und abgekoppelt von der Erfahrungswelt der Kinder, sondern es geschieht als „Nebenprodukt“ der Entwickelung von Spielen und Anwendungen. Über das Internet sind die Kinder miteinander verbunden, tauschen sich aus und bilden eine globale Gemeinschaft. Tafel 27.3: Beispiele für Lernökologien, die auf Kollaboration aufbauen Knowledge Forum© und Scratch© Das Knowledge Forum ist eine Lernumgebung die es ermöglicht, die Knowledge Building Theory (Scardamalia und Bereiter 1999) in die Praxis umzusetzen. Die Software wurde ursprünglich unter der Bezeichnung Computer-Supported Intentional Learning Environments (CSILE) entwickelt und stellte die erste vernetzte Umgebung für kollaboratives Lernen dar (vgl. http://www.knowledgeforum.com/). Nach der Knowledge Building Theory lernen Kinder, indem sie Ideen generieren und gemeinsam weiterentwickeln. Die Frage z. B. wieso Flugzeuge fliegen können, soll von Kindern selbstständig bearbeitet werden, indem sie ihre Ideen sammeln, hinterfragen und gemeinsam weiterentwickeln. Zu diesem Zweck können die Nutzerinnen und Nutzer des Knowledge Forums sogenannte „Notes“ erstellen, die sie mit anderen teilen können, oder sie können gemeinsame Notes erstellen. Bereits bestehende Notes können gesucht, zitiert und referenziert werden. Nutzerinnen und Nutzer können bestehende Notes annotieren und kommentieren oder auch mehrere Notes zusammenfassen. So wird es den einzelnen Gruppenmitgliedern möglich, den gemeinsamen Diskurs zu verfolgen und die eigenen individuellen Ideen einzubringen. Aus dem Diskurs bildet sich durch die Verflechtung der einzelnen Beiträge kollektives Wissen. Die Kinder lernen durch die kritische Prüfung ihrer Ideen quasi beiläufig relevantes Wissen. Sie werden zu einer Wissenscommunity, die Wissen erzeugt. Kinder rezipieren nicht wahre Inhalte, sondern suchen ihre eigenen Erklärungen für Phänomene, die sie dann gemeinsam hinterfragen und weiterentwickeln.
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Herausforderungen und Chancen für formale Bildungskontexte 911 Scratch Die Programmiersprache und das gleichnamige Portal Scratch wurde am Media Laboratory des Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt. Die einfache Programmiersprache ermöglicht es Kindern und Jugendlichen, eigene interaktive Spiele, Simulationen oder Animationen zu programmieren, ohne über Programmierkenntnisse verfügen zu müssen. Das Programmieren soll die Entwicklung zentraler mathematischer Fähigkeiten sowie kreativen Denkens und kollaborativen Arbeitens ermöglichen. Dabei besteht die Grundannahme darin, dass Programmieren „computational thinking“ verbessert (Wing 2006), was den Erwerb von Problemlöse-Strategien fördert, die auch in anderen Kontexten von Bedeutung sind. Auf der Scratch Web-Seite (http://scratch.mit.edu/) kommen Menschen zu einer Online-Community zusammen, in der sie sich mit anderen austauschen, ihre Projekte teilen und verknüpfen können. Die Plattform ist grundsätzlich offen für alle Altersgruppen, in erster Linie treffen sich dort allerdings Kinder und Jugendliche zwischen acht und 16 Jahren (Resnick et al. 2009). Die Plattform ist sehr erfolgreich. Sie existiert seit 2007 und hat über 6 Mio. angemeldete Nutzer*innen und ca. 9 Mio. angelegte Projekte (Roque et al. 2016). Um Neulingen einen möglichst einfachen Einstieg zu ermöglichen und zugleich komplexe Projekte zu gestatten und unterschiedlichste Interessen zu adressieren, folgt Scratch drei zentralen Design-Prinzipien: „more tinkerable“, „more meaningful“, „more social“. More tinkerable. Die Grammatik von Scratch basiert auf einer Sammlung von grafischen „Programmier-Blocks“, die die Nutzer*innen zusammenstellen können, um daraus verschiedene Kombinationen und Abfolgen zu erzeugen. More meaningful. Um die Freude beim Lernen hoch zu halten, ermöglicht Scratch seinen Nutzern die Erstellung von Projekten, die für sie persönlich bedeutsam sind. Scratch unterstützt deshalb sehr unterschiedliche Arten von Projekten und erlaubt den Nutzerinnen und Nutzern ihre Projekte (bspw. mit eigenen Fotos) zu personalisieren. More social. Scratch-Nutzer*innen sind aufgefordert, ihre Projekte auf der Web-Seite zu teilen, wo sie von anderen benutzt, bewertet, kommentiert und kollaborativ weiterentwickelt werden können.
Im Kontext dieser Form des durch Vernetzung im Internet ermöglichten Lernens hat das LongTail Learning eine wichtige Bedeutung (Brown und Adler 2008; Collins et al. 2009). Es bezeichnet die Möglichkeit, dass sich Personen im Web vernetzen können, die ein ganz spezifisches Interesse an einem Thema teilen. Personen, die sich z. B. für eine bestimmte, seltene Programmiersprache interessieren, würden im direkten Kontakt kaum auf andere treffen, die dieses spezielle Hobby teilen. Im Netz können diese Personen jedoch problemlos Gleichgesinnte zu allen denkbaren Themen finden. Die Diskurse, die diese Personen führen, zeichnen sich häufig durch eine große Tiefe aus. Das ist darauf zurückzuführen, dass alle Beteiligten ein hohes Interesse am Thema haben und sich häufig stark mit dem Inhalt und der Community identifizieren. Diese Form des Wissensaustauschs, in der Probleme und Erfahrungen geteilt werden, führt häufig zur Bildung neuen Wissens. In solchen Gruppen wird Expertise nicht durch formale Ausbildung determiniert, sondern durch aktive Beteiligung. Mit all diesen Besonderheiten stellt LongTail Learning eine charakteristische Realisierung von Bildung durch Partizipation dar, wie sie durch Internettechnologie ermöglich wird.
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912 Bedeutung des Internets und sozialer Medien für Wissen und Bildung
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27.7 Ausblick Die genannten Beispiele zeigen auf, welche Fertigkeiten in solchen Lernräumen entwickelt werden können und worauf der Appell zur Vermittlung einer partizipationsorientierten Medienkompetenz, wie wir ihn hier vorgetragen haben, somit letztlich abzielen kann (vgl. auch Jenkins 2009). Die hier beschriebenen Lern- und Bildungsräume haben oftmals eine spielerische Komponente. Auf diese Weise vermitteln sie die Fähigkeit, Probleme durch Ausprobieren und Experimentieren mit den Gegebenheiten zu lösen. Spielerisch ausgerichtete Lernräume erlauben den Nutzerinnen und Nutzern außerdem, alternative Identitäten auszuprobieren und verschiedene Handlungsoptionen zu simulieren. Darüber hinaus erwerben Lernende die Fähigkeit, bestehende Inhalte aufzugreifen und neu zu kombinieren. Lernen als Partizipation und Vernetzung kann die Ausbildung von Multitasking-Fähigkeiten in dem Sinne fördern, dass sie lernen, die Umwelt nach relevanten Informationen abzusuchen und auf die wichtigsten Aspekte zu fokussieren. Letzten Endes geht es darum, Lernenden durch Vernetzung und durch Beteiligung am kollektiven Wissen die Kompetenz für weitere Vernetzung und für eine lebenslange Beteiligung am kollektiven Wissen zu ermöglichen. Dabei bieten die neuen digitalen Medien zwar die Potenziale, diese Form des Lernens im 21. Jahrhundert zu fördern. Dass sie dieses Potenzial aber tatsächlich verwirklichen, ist nicht selbstverständlich, sondern bedarf wohl durchdachter Lernökologien, die Lernende zum einen zum Explorieren und Partizipieren einladen, die zum anderen aber auch sicherstellen, dass Lernende tatsächlich zum vertieften, kritischen Denken angeregt werden. Auch in Lernökologien, die das eigenständige Explorieren und Ideenentwickeln fördern, brauchen Lernende Anleitungen. Ohne instruktionale Unterstützung besteht die Gefahr einer digitalen Spaltung in Lernende, die von sich aus dieses Potenzial digitaler Medien umsetzen können und solche, die überfordert sind und ohne entsprechende Hilfe keinen Nutzen daraus ziehen können (Kirschner et al. 2006).
Kernreferenzen • Cress, U., Moskaliuk, J. & Jeong, H. (Hrsg.) (2016). Mass collaboration and education. Cham/Switzerland: Springer International Publishing. • Collins, A. & Halverson, R. (2009). Rethinking education in the age of technology: The digital revolution and schooling in America. New York: Teachers College Press. • Paavola, S., Lipponen, L. & Hakkarainen, K. (2004). Models of innovative knowledge communities and three metaphors of learning. Review of Educational Research, 74, 557-576.
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Literatur 913
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Autorinnen und Autoren
Yvonne Anders (geb. 1977), Prof. Dr. phil. habil., seit September 2019 Professorin für Elementar- und Familienpädagogik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit 2012 Forschungsprofessorin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). 2012 bis 2019 Professorin für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Frühkindliche Bildung und Erziehung, Freie Universität Berlin. Davor Wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen Universitäten und Forschungsinstituten, z. B. Universität Bamberg, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin, University of London, Universität Münster. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Educational Association for Research on Learning and Instruction, Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung. Forschungsschwerpunkte: Auswirkungen frühkindlicher und schulischer Bildungsqualität auf die kindliche Entwicklung; Professionelle Kompetenzen von frühpädagogischen Fachkräften; Umgang mit Diversität im Kindergarten und der Schule; Ansätze zur Verbesserung der familialen Anregungsqualität. Sigrid Blömeke (geb. 1965), Prof. Dr. phil., Humboldt-Universität zu Berlin, derzeit Direktorin des Centre for Educational Measurement an der Universität Oslo (CEMO), Norwegen. 1991 Erstes Staatsexamen, 1995 Geschäftsführerin des Paderborner Lehrerausbildungszentrums, 1999 Promotion, 2001 Habilitation und Forschungspreis der Universität Paderborn, 2007 bis 2009 Gastprofessorin für Kompetenzmessung an der Michigan State University (USA), 2016 Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Forschungsschwerpunkte: Messung von Lehrerkompetenzen; Internationale Vergleichsstudien. Ulrike Cress (geb. 1965), Prof. Dr. rer. soc., Dipl.-Psych., Direktorin des LeibnizInstituts für Wissensmedien (IWM) und Leiterin der Arbeitsgruppe Wissenskonstruktion (IWM) sowie W3-Professorin an der Eberhard Karls Universität Tübingen, Fachbereich Psychologie. Studium (Diplom 1993), Promotion (2000) und Habilitation (2006) in Tübingen. Von 1994 bis 2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Fernstudienforschung (DIFF), von 2000 bis 2006 Wissenschaftliche Assistentin (C1) am Psychologischen Institut der Eberhard Karls Universität Tübingen und
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918 Autorinnen und Autoren
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von 2006 bis 2008 Kommissarische Leiterin der Arbeitsgruppe Design und Implementation integrativer Lernumgebungen am IWM. Forschungsschwerpunkte: Computer Supported Collaborative Learning (CSCL); Massenkollaboration; Social Software; Wissensmanagement; Embodied Interaction; Design und Evaluation digitaler Lern- und Arbeitsumgebungen. Jasmin Decristan (geb. 1979), Prof. Dr. rer. nat., Professorin am Institut für Bildungsforschung in der School of Education, Bergische Universität Wuppertal. Von 2016 bis 2017 Akademische Rätin in der Abteilung Pädagogische Psychologie der GoetheUniversität Frankfurt. Studium der Psychologie an der Georg-August-Universität Göttingen, von 2008 bis 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Abteilung Bildungsqualität und Evaluation) in Frankfurt am Main. Forschungsschwerpunkte: Individuelle Förderung; Heterogenität; Unterrichtsqualität; Peer Learning; Konzeption und Evaluation von Interventionsstudien; Analyse der (differenziellen) Wirkungen von Lehr-Lernarrangements für Schülerinnen und Schüler mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen. Hanna Dumont (geb. 1983), Dr. phil., Studium der Psychologie, 2012 Promotion im Fach Psychologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Seit 2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Struktur und Steuerung des Bildungswesens am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Berlin, 2007 bis 2008 Consultant beim Centre for Educational Research and Innovation (CERI) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Paris, 2013 bis 2016 Fellow des College for Interdisciplinary Educational Research (CIDER), 2016 bis 2018 Fellow des Jacobs Foundation Early Career Fellowship Program. Forschungsschwerpunkte: Soziale Disparitäten im Bildungssystem; Konsequenzen von Leistungsgruppierungen; Elterliches Engagement; Individuelle Förderung. Eckhardt Fuchs (geb. 1961), Prof. Dr., Professor für Historische und Vergleichende Bildungsforschung, Technische Universität Braunschweig. Seit 2015 Direktor des Georg-Eckert-Instituts – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI). 1992 Promotion, Universität Leipzig, 2004 Habilitation, Universität Mannheim, Mitarbeiter u. a. am Deutschen Historischen Institut Washington und Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin. Forschungsschwerpunkte: Globalgeschichte der modernen Bildung; Internationale Bildungspolitik; Schulbuchforschung; Wissenschaftsgeschichte. Hans-Peter Füssel (geb. 1949), Univ. Prof. i. R., Dr. jur., Studium der Rechtswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Politischen Wissenschaften. Tätigkeiten in der Schulund Wissenschaftsverwaltung in Bremen, Hochschullehrer an Fachhochschulen in Hamburg und Bremen sowie zuletzt an der Humboldt-Universität zu Berlin, gleichzeitig Mitarbeiter in der Abteilung Struktur und Steuerung des Bildungswesens am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Berlin. Mitwirkung bei der Nationalen Bildungsberichterstattung, zahlreiche Projekte und Veröffentlichungen zu Fragen des deutschen und internationalen Bildungsrechts.
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Autorinnen und Autoren 919 Peter Gerjets (geb. 1964), Prof. Dr. rer. nat., Dipl.-Psych., seit 2003 Professor für LehrLernforschung an der Eberhard Karls Universität Tübingen sowie Leiter der Arbeitsgruppe Multimodale Interaktion am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM). 1994 Promotion im Fach Psychologie an der Georg-August-Universität Göttingen, 2002 Habilitation an der Universität des Saarlandes. Mitglied im Vorstand der Tübinger Graduiertenschule Learning, Educational Achievement, and Life Course Development (LEAD). Forschungsschwerpunkte: Gestaltung von innovativen digitalen Medien, um die für ein vertieftes Verstehen von Lerninhalten nötigen kognitiven Prozesse zu unterstützen ohne kognitiv zu überlasten. Ein Fokus liegt dabei auf multiplen Informationsquellen, multimodalen Informationsumgebungen und Embodied Interaction. Methodisch stehen experimentelle Vorgehensweisen in Verbindung mit psychologischen und physiologischen Prozessmaßen im Vordergrund. Mariana Grgic (geb. 1982), Dipl.-Soz., Studium an der Ludwigs-MaximiliansUniversität München, Wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in der Abteilung Kinder und Kinderbetreuung. Seit 2009 Mitarbeit in der Nationalen Bildungsberichterstattung, daneben Mitarbeit in weiteren Projekten, u. a. MediKuSStudie, und laufende Promotion zu Berufsverläufen pädagogischer Fachkräfte. Forschungsschwerpunkte: Bildung in der Familie; Pädagogische Fachkräfte in der frühkindlichen Bildung; Informelle und non-formale Bildung. Juliane Grünkorn (geb. 1979), Dr. rer. nat., Studium für das Amt der Studienrätin mit einer beruflichen Fachrichtung in den Fächern Ernährung/Lebensmittelwissenschaft und Biologie, 1. Staatsexamen, Promotion in der Didaktik der Biologie zum Thema Modellkompetenz, seit 2017 Nationale Projektmanagerin der TALIS-Videostudie Deutschland und Wissenschaftliche Koordinatorin des Leibniz-Netzwerks Unterrichtsforschung am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Von 2014 bis 2017 Wissenschaftliche Referentin am DIPF in der Abteilung Bildungsqualität und Evaluation, von 2012 bis 2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin zur Projektkoordination im DFG-Schwerpunktprogramm Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen am DIPF, von 2008 bis 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Didaktik der Biologie an der Freien Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Transfer im Bildungsbereich; International vergleichende Bildungsforschung; Kompetenz. Marcus Hasselhorn (geb. 1957), Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., Geschäftsführender Direktor und Leiter der Abteilung Bildung und Entwicklung am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main, Vorsitzender der Sprechergruppe des Leibniz-Forschungsverbundes Bildungspotenziale (LERN), Wissenschaftlicher Leiter des Frankfurter IDeA-Zentrums. Derzeit ist er der Geschäftsführende Schriftleiter der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Forschungsschwerpunkte: Frühe Bildung; Pädagogisch-psychologische Diagnostik; Lernstörungen; Individuelle Förderung.
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920 Autorinnen und Autoren Kathrin Henne (geb. 1983), M. A., seit 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Assistentin des Direktors am Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI). Studium von Geographie und Öffentlichem Recht (B.Sc.) an der Universität Hamburg, M. A. Kultur der technisch-wissenschaftlichen Welt (Schwerpunkt: Geschichte) an der Technischen Universität Braunschweig und der University of Chester, 2012 bis 2016 freie Lektorin für Schulbuchverlage. Forschungsschwerpunkte: Historische Bildungs- und Schulbuchforschung; Geschichte internationaler Organisationen. Friedrich W. Hesse (geb. 1948), Prof. Dr. phil., Dr. rer. nat. habil., Dipl.-Psych., Gründungsdirektor des Forschungsschwerpunktes Digitalisierung, Diversität und Lebenslanges Lernen an der Fernuniversität Hagen sowie Präsidiumsbeauftragter der LeibnizGemeinschaft und in dieser Funktion Scientific Co-Chair des Global Learning Council (GLC) und Leiter der Arbeitsgruppe Digitaler Wandel. Gründungsdirektor des LeibnizInstituts für Wissensmedien (IWM, 2001-2016), Leiter der Arbeitsgruppe Wissensaustausch am IWM (2001-2019), Vizepräsident der Leibniz-Gemeinschaft (2010-2018) und Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Kognitions- und Medienpsychologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen (1999-2019). Leiter der Abteilung Angewandte Kognitionswissenschaft am Deutschen Institut für Fernstudienforschung (DIFF, 19932000) sowie Direktor des CNRS-geförderten Laboratoire Européen de Recherche sur les Apprentissages et les Nouvelles Technologies (LERANT), Frankreich (19951997). Studium der Psychologie in Marburg und Düsseldorf, Promotion in Aachen, Habilitation in Göttingen. Research Fellow am Learning Research and Development Center (LRDC) sowie an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA. Initiator und Sprecher des ersten deutschlandweiten Leibniz-WissenschaftsCampus, eines DFG-virtuellen Graduiertenkollegs, eines DFG-Schwerpunktprogrammes und einer DFG-Forschergruppe. Forschungsschwerpunkte: Netzbasierte Wissenskommunikation und computerunterstütztes kollaboratives Lernen (z. B. Gruppenlernen unter Einsatz von Multi-Touch Screens). Joachim Kimmerle (geb. 1976), apl. Prof. Dr. rer. nat., Dipl.-Psych. Studium der Psychologie (Diplom 2003), danach Wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt Wissensaustausch mittels geteilter Datenbanken und Lehrbeauftragter an der Berufsakademie Stuttgart sowie Trainer und Berater für Personalauswahl und Personalentwicklung. Von 2007 bis 2013 Akademischer Rat in der Abteilung für Angewandte Kognitionspsychologie und Medienpsychologie der Eberhard Karls Universität Tübingen. Seit 2013 Stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Wissenskonstruktion am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM). Seit 2016 Außerplanmäßiger Professor am Fachbereich Psychologie der Eberhard Karls Universität Tübingen. Forschungsschwerpunkte: Kognitive, motivationale und soziale Aspekte der kollektiven Wissenskonstruktion; Wissenschaftskommunikation; Gesundheitsbildung; Computerunterstütztes kollaboratives Lernen. Eckhard Klieme (geb. 1954), Prof. Dr. phil., Studium der Mathematik und Psychologie, Dipl.-Mathematiker und Dipl.-Psychologe, Promotion in Psychologie,
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Autorinnen und Autoren 921 Habilitation in Erziehungswissenschaft, seit 2001 Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Empirische Bildungsforschung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und Direktor der Abteilung Bildungsqualität und Evaluation am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Mitherausgeber der Zeitschrift für Pädagogik, Mitglied im Forschungsbeirat (Visiting Panel) des Educational Testing Service (ETS) und Stellvertretender Vorsitzender des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB). Forschungsschwerpunkte: Schuleffektivität und Unterrichtsqualität; Leistungsmessung und -beurteilung in Schulen (large scale assessment, formative assessment); International vergleichende Bildungsforschung. Olaf Köller (geb. 1963), Dr. phil. habil., Professor für Empirische Bildungsforschung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des IPN – Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik. Studium der Psychologie (Abschluss: Diplom im Jahre 1991) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Im Jahre 1997 Promotion mit einer Arbeit zum Zusammenspiel von Motivation und Lernen. Vier Jahre später Habilitation im Fach Psychologie mit einer Arbeit zu Effekten von Leistungsgruppierungen im Schulsystem. Im Jahre 2002 Professur für Pädagogische Psychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von 2004 bis 2009 Gründungsdirektor des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Seit 2009 forscht und lehrt Olaf Köller in Kiel. Forschungsschwerpunkte: Schulleistungsmessung und Untersuchung von Ursachen erfolgreichen schulischen Lernens. Franziska Kugler (geb. 1986), M. Sc., derzeit Fachreferentin am ifo Zentrum für Bildungsökonomik, München. Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in München und Nürnberg. Schwerpunkte: Bildungsökonomik; Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit. Harm Kuper (geb. 1966), Prof. Dr. phil. habil., seit 2006 Professor für Weiterbildung und Bildungsmanagement an der Freien Universität Berlin. 1994 bis 1999 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, 2004 bis 2006 Professor für Bildungsorganisation und Bildungsmanagement an der Bergischen Universität Wuppertal, Gründungsmitglied des Wuppertaler Zentrums für Bildungsforschung und Lehrerbildung. Herausgeber der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Forschungsschwerpunkte: Institutionen und Organisationen im Bildungssystem; Bildungsmonitoring; Weiterbildungsforschung. Kathrin Leuze (geb. 1975), Dr. rer. pol., seit 2017 Professorin für Methoden der empirischen Sozialforschung und Sozialstrukturanalyse an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2012 bis 2017 Professorin für Bildungssoziologie an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, davor Leiterin der Projektgruppe Nationales Bildungspanel (NEPS): Berufsbildung und lebenslanges Lernen am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB, seit 2008) und Juniorprofessorin für Bildungssoziologie an der
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922 Autorinnen und Autoren
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Freien Universität Berlin (seit 2009). 2007 Promotion an der Bremen International Graduate School of Social Sciences. Forschungsschwerpunkte: Soziologische Lebensverlaufsforschung mit den Schwerpunkten Hochschulbildung, Arbeitsmarkterträge, Berufe, Geschlechterungleichheit, Internationaler Vergleich. Uta Liebeskind (geb. 1978), Dr. phil., Studium der Soziologie und Volkswirtschaftslehre an der Universität Leipzig (1997 bis 2003). Promotion 2010 an der Universität Siegen mit einer Arbeit zur universitären Lehre in Deutschland und Frankreich. Seit 2018 an der Universität Siegen. Zuvor Projektleiterin am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in Hannover und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Siegen und an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Forschungsschwerpunkte: Bildungs- und Arbeitsmarktforschung; Hochschulforschung; Sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden. Markus Lörz (geb. 1976), Dr. rer. soc., seit 2013 Akademischer Rat an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, davor Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am HIS-Institut für Hochschulforschung in Hannover (seit 2006). 2013 Promotion an der Universität Mannheim. Forschungsschwerpunkte: Hochschulforschung; Ungleichheitsforschung; Methoden der empirischen Sozialforschung; Längsschnittdatenanalyse. Kai Maaz (geb. 1972), Prof. Dr. phil., seit dem Wintersemester 2013/2014 Direktor der Abteilung Struktur und Steuerung des Bildungswesens am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation und Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildungssysteme und Gesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Davor Professor für Quantitative Methoden in den Bildungswissenschaften an der Universität Potsdam. Bis 2010 Forschungsgruppenleiter und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung im Forschungsbereich Erziehungswissenschaft und Bildungssysteme. Forschungsschwerpunkte: Analyse sozialer Ungleichheitsmuster im Bildungssystem; Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung; Wirkung von Reformmaßnahmen im Bildungssystem. Sabine Martschinke (geb. 1960), Prof. Dr. phil., Professorin für Grundschulpädagogik und -didaktik. Studium des Lehramts an Grundschulen, mehrjährige Unterrichtstätigkeit an Grundschulen, 2003 bis 2007 Lehrstuhlinhaberin für Grundschulpädagogik an der Universität Passau, seit 2007 Lehrstuhlinhaberin für Grundschulpädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungsschwerpunkte: Unterrichtsforschung; Diagnostik und Förderung in der Grundschule; Lehrerbildung; Umgang mit Heterogenität; Leistungs- und Persönlichkeitsförderung; Jahrgangsgemischtes Lernen; Inklusive Settings. Marko Neumann (geb. 1975), Dr. phil., Studium der Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, Promotion an der Freien Universität Berlin. Seit 2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung
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Autorinnen und Autoren 923
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Struktur und Steuerung des Bildungswesens am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Forschungsschwerpunkte: Empirische Untersuchung von Reformprozessen im Bildungswesen; Einfluss schulischer Lernumwelten auf Bildungserwerbsprozesse; Veränderungen rund um die gymnasiale Oberstufe und das Abitur. Annette Noschka-Roos (geb. 1952), Prof. Dr. päd., Diplomstudium in Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und Kommunikationswissenschaft, Promotion in Allgemeiner Pädagogik zum Themengebiet Museumspädagogik/Besucherforschung. Von 2006 bis 2017 Leiterin der Hauptabteilung Bildung im Deutschen Museum, seit 2011 Professur für Museumspädagogik an der TUM School of Education, München. Im Deutschen Museum verantwortlich für den Bereich Ausstellungsdidaktik/ Besucherforschung sowie für das TUMlab, zuvor freiberufliche Forschungsprojekte am Institut für Museumsforschung in Berlin, Mitarbeit bei Neugründungen von Museen beziehungsweise Dauerausstellungen mit dem Schwerpunkt besucherorientierter Ausstellungsplanung, Evaluation, Textredaktion (z. B. Haus der Geschichte, Bonn; NixdorfForum, Paderborn; Geldmuseum der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main). Mitglied im Deutschen Museumsbund, dort Sprecherin des Arbeitskreises Bildung und Vermittlung, Mitglied im International Council of Museums (ICOM). Forschungsschwerpunkte: Entwicklung und Evaluation neuer Formate in Ausstellungen und Laboren; Besucherforschung; Forschung zur Kulturellen Bildung. Paula Protsch (geb. 1981), Dr. phil., Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, Promotion 2012 im Fach Soziologie an der Freien Universität Berlin. Dissertationspreise: Ernst-Reuter-Preis der Freien Universität Berlin; Nachwuchspreis der Sektion Bildung und Erziehung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie; Friedrich-Edding-Preis für Berufsbildungsforschung. Seit 2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in der Abteilung Ausbildung und Arbeitsmarkt (Leitung Prof. Dr. Heike Solga). Forschungsschwerpunkte: Soziale Ungleichheiten beim Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt mit einem besonderen Fokus auf die Bedeutung betrieblicher und beruflicher Faktoren. Dirk Richter (geb. 1980), Prof. Dr. phil., seit 2016 Professor für Erziehungswissenschaftliche Bildungsforschung, Universität Potsdam. 2007 bis 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 2010 bis 2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität Berlin, 2015 bis 2016 Juniorprofessor für Quantitative Forschungsmethoden in der Bildungsforschung an der Bergischen Universität Wuppertal. Forschungsschwerpunkte: Kompetenzerwerb in der Lehrerausbildung und der Lehrerfortbildung und Kooperation von Lehrkräften; Implementation von Bildungsstandards. Hans-Günther Roßbach (geb. 1951), Prof. Dr. phil., Dipl.-Päd., Studium der Erziehungswissenschaft mit den Nebenfächern Soziologie und Psychologie, Promotion in Erziehungswissenschaft, Habilitation in Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Empirische Bildungsforschung. Von 1995 bis 2002 Professor für Allgemeine
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924 Autorinnen und Autoren Didaktik/Schulische und außerschulische Unterrichtsforschung an der Universität Lüneburg, seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Elementar- und Familienpädagogik, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, und von 2014 bis 2017 Direktor des LeibnizInstituts für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg. Mitherausgeber der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft und der Zeitschrift Frühe Bildung, Mitglied des Aktionsrat Bildung, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Haus der kleinen Forscher. Forschungsschwerpunkte: Bildung in der frühen Kindheit; Pädagogische Qualität; Längsschnittforschung; Modellversuche und ihre Evaluation. Katharina Scheiter (geb. 1974), Prof. Dr. rer. nat., Dipl.-Psych., Leiterin der Arbeitsgruppe Multiple Repräsentationen am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) und Professorin für Empirische Lehr-Lernforschung an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Studium der Psychologie in Göttingen, Promotion an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Mitglied im Vorstand der Tübinger Graduiertenschule Learning, Educational Achievement, and Life Course Development (LEAD). Mitglied des School Boards der Tübingen School of Education und verantwortlich für das Tübingen Digital Teaching Lab. Erik de Corte Award der European Association for Research in Learning and Instruction 2009. Forschungsschwerpunkte: Wissenserwerbsprozesse im Umgang mit multiplen Repräsentationen, z. B. zur Gestaltung digitaler Schulbücher und tabletbasierter Anwendungen für den Bildungskontext; Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Bernhard Schmidt-Hertha (geb. 1973), Prof. Dr. phil. habil., seit 2012 Professor für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt berufliche und betriebliche Weiterbildung, Eberhard Karls Universität Tübingen. 2002 bis 2010 Wissenschaftlicher Assistent und Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2010 Vertretungsprofessor Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität Frankfurt, 2010 bis 2012 Vertretungsprofessor für Weiterbildung und Medien an der Technischen Universität Braunschweig. Mitbegründer und -herausgeber der Online-Zeitschrift Bildungsforschung, Koordinator des Europäischen Forschungsnetzwerks Education and Learning of Older Adults (ELOA), Beirat der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF) und der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WIFF). Forschungsschwerpunkte: Berufliche und betriebliche Weiterbildung; Informelles Lernen; Evaluation und Qualitätssicherung; Lernen und Bildung Älterer; Medienkompetenzentwicklung. Josef Schrader (geb. 1958), Prof. Dr. phil. habil., seit 2012 Wissenschaftlicher Direktor und Vorstand des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e. V. (DIE), Bonn, seit 2003 Professor für Erwachsenenbildung/ Weiterbildung, Eberhard Karls Universität Tübingen. 1993 bis 1999 Wissenschaftlicher Assistent und Mitarbeiter an der Universität Bremen, 2000 bis 2003 Abteilungsleiter im Deutschen Institut für Erwachsenenbildung, Frankfurt/Bonn, 2002 Vertretungsprofessur Erwachsenenbildung an der Ruhr-Universität Bochum. Mitglied der Sektion Erwachsenenbildung und der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft sowie der American Educational
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Autorinnen und Autoren 925 Research Association. Mitherausgeber der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Mitherausgeber der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung – Report, Editorial Board des International Yearbook of Adult Education. Forschungsschwerpunkte: Lehren und Lernen in der Erwachsenen- und Weiterbildung; Professionalisierung des Weiterbildungspersonals; Struktur und Steuerung des Weiterbildungssystems; International-vergleichende Forschung. Stephan Schwan (geb. 1960), Prof. Dr. rer. soc., Studium der Psychologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen (Diplom 1988), Promotion 1992, Habilitation 2000. Von 2002 bis 2004 Professor für e-Learning an der Johannes Kepler Universität Linz. Seit 2004 Leiter der Arbeitsgruppe Realitätsnahe Darstellungen am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM). Forschungsschwerpunkte: Kognitive Verarbeitung und Verstehen von dynamischen audiovisuellen Darstellungen; Wissenserwerb mit digitalen topographischen und thematischen Karten; Rolle digitaler Medien und authentischer Exponate für das informelle Lernen in Museen und Ausstellungen. Heike Solga (geb. 1964), Prof. Dr. phil., Studium der Soziologie an der Humboldt Universität zu Berlin und der Stanford University (USA). Promotion und Habilitation im Fach Soziologie an der Freien Universität Berlin in 1995 bzw. 2013. Von 1991 bis 2005 Mitarbeiterin und Nachwuchsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin mit Gastprofessuren an der Yale University und Eidgenössischen Technischen Hochschule sowie Universität Zürich. Anschließend Professuren an den Universitäten in Leipzig und Göttingen. Seit 2008 Leiterin der Abteilung Ausbildung und Arbeitsmarkt am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Seit 2008 Professorin für Soziologie an der Freien Universität Berlin und Wissenschaftliche Leiterin der Etappe 6 Berufliche Bildung und Übergang in den Arbeitsmarkt des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Forschungsschwerpunkte: Bildungssoziologie; Arbeitsmarkt- und Lebensverlaufsforschung. C. Katharina Spieß (geb. 1966), Univ.-Prof., Dr. rer. soc., Dipl.-Volkswirtin. Studium der Volkwirtschaftslehre und Politischen Wissenschaft an der Universität Mannheim, Promotion an der Ruhr-Universität Bochum, Habilitation an der Technischen Universität Berlin. 1997 bis 2000 Projektleiterin bei der Prognos AG, Basel und Berlin, 2000 bis 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Längsschnittstudie des Soziooekonomischen Panels (SOEP), seit 2012 Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Inhaberin der Professur für Familien- und Bildungsökonomie an der Freien Universität Berlin seit 2006. Mitglied in unterschiedlichen Forschungsnetzwerken und Expertengruppen, z. B. Sachverständigenkommissionen für den 7. Familienbericht und den 14. Kinder- und Jugendbericht, Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen beim BMFSFJ und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Gemeinschaftsaufgabe Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens. Forschungsschwerpunkte: Bildungs- und familienökonomische Fragestellungen mit einem Schwerpunkt auf der frühen Bildung und Betreuung.
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926 Autorinnen und Autoren Petra Stanat (geb. 1964), Prof. Dr., Studium der Psychologie, Dipl.-Psych., Promotion in Sozial- und Persönlichkeitspsychologie, Habilitation in Erziehungswissenschaft, seit 2010 Professorin für Lehr-/Lernforschung, Förderung und Evaluation (Pädagogische Psychologie) und Direktorin des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2007 bis 2010 Professorin für Empirische Bildungsforschung an der Freien Universität Berlin, von 2005 bis 2007 Professorin für Empirische Unterrichtsforschung und Geschäftsführerin des Zentralinstituts für Lehr-Lernforschung an der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg. Mitherausgeberin der Zeitschrift für Pädagogik, Sprecherin des DFG-Fachkollegiums Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Mitglied im Beirat des österreichischen Bundesinstituts bifie (Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens). Forschungsschwerpunkte: Soziale, zuwanderungsbezogene und geschlechtsbezogene Disparitäten im Bildungserfolg; Zweitsprachförderung und Lesekompetenz; Bildungsqualität und Bildungsmonitoring. Johanna Storck (geb. 1984), Dr. rer. oec., Studium der Volkwirtschaftslehre an der Universität Potsdam und der University of Wisconsin, Milwaukee, USA. Promotion im Jahr 2012 zu einem bildungsökonomischen Thema an der Freien Universität Berlin und Mitglied des Graduate Centers des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). 2012 bis 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin, seit 2016 Qualitätsmanagement der Humboldt Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Empirische Bildungs-und Familienforschung, insbesondere Übergang von der Schule in die weiterführende Bildung sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Heinz-Elmar Tenorth (geb. 1944), Prof. (em.) Dr. phil., Dr. h. c., bis 2011 Humboldt-Universität zu Berlin, Mitglied u. a. der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Mitglied im Kuratorium des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) und Mitglied des Senats der Leibniz-Gemeinschaft. Forschungsschwerpunkte: Historische Bildungsforschung; Universitätsgeschichte. Rudolf Tippelt (geb. 1951), Prof. Dr. phil. habil. i. R., seit 1998 Professor für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1979 bis 1987 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Hochschulassistent an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1987 bis 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Stellvertretender Direktor des Landesinstituts für allgemeine Weiterbildung in Mannheim, 1991 bis 1998 Professor für Erziehungswissenschaft an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg. 2006 bis 2010 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Sprecher und Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Beiräte, Verwaltungsräte und Evaluationskommissionen (z. B. DIE, DJI, LIfBi, LeibnizGemeinschaft, OECD-CERI), Mitherausgeber der Zeitschrift für Pädagogik, Beirat der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft.
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Autorinnen und Autoren 927
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Forschungsschwerpunkte: Bildungsforschung; Weiterbildung/Erwachsenenbildung; Bildungsprozesse über die Lebensspanne; Übergang von Bildung in Beschäftigung; Professionalisierung und Fortbildung des pädagogischen Personals (im internationalen Kontext). Ulrich Trautwein (geb. 1972), Prof. Dr. phil. habil., Studium der Psychologie an der Georg-August-Universität Göttingen und der University of California, Santa Cruz. 2002 Promotion zum Dr. phil., 2005 Habilitation an der Freien Universität Berlin. Von 1999 bis 2008 am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. 2008 Ruf auf den Lehrstuhl für Empirische Bildungsforschung an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Gründungsdirektor des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung an der Eberhard Karls Universität Tübingen sowie Direktor der im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder eingeworbenen Graduiertenschule Learning, Educational Achievement, and Life Course Development (LEAD). Forschungsschwerpunkte: Empirisch orientierte Lehr- und Lernforschung; Selbstkonzeptentwicklung; Veränderungen der gymnasialen Oberstufe und ihre Folgen. Sabine Walper (geb. 1956), Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., Professorin für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung mit dem Schwerpunkt Jugend- und Familienforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, seit 2012 Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München. Mitinitiatorin des DFG geförderten deutschen Beziehungs- und Familienpanels pairfam. Unter anderem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen am Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie Vorsitzende der Sachverständigenkommission des Neunten Familienberichts. Forschungsschwerpunkte: Bildung und Erziehung in Familien; Scheidungs- und Armutsforschung; Förderung elterlicher Erziehungskompetenz; Problemverhalten im Jugendalter; Auswirkungen elterlicher Konflikte auf die Entwicklung von Kindern/Jugendlichen. Rolf Werning (geb. 1959), Prof. Dr. phil., Studium der Sonderpädagogik (1. Staatsexamen) und Diplom-Pädagogik sowie Promotion in Erziehungswissenschaften an der Technischen Universität Dortmund, 2. Staatsexamen (Lehramt Sonderpädagogik) und Lehrer für Sonderpädagogik an Förderschulen in Dortmund und Hagen, Ausbildung in systemischer Therapie und Beratung (Internationale Gesellschaft für Systemische Therapie, Heidelberg). Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Wissenschaftlichen Einrichtung Laborschule an der Universität Bielefeld. Seit 1997 Professor für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen und inklusive Schulentwicklung an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Forschungsschwerpunkte: Inklusive Bildung im frühkindlichen und im schulischen Bereich; Internationale Projekte zur inklusiven Bildung in Afrika und Zentralamerika; Wissenschaftliche Begleitung der inklusiven Schule in Niedersachsen; Expertisen zur inklusiven Lehrerbildung. Ludger Wößmann (geb. 1973), Prof. Dr. sc. pol., Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Bildungsökonomik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Leiter des ifo Zentrum für Bildungsökonomik. Studium an der Philipps-Universität Marburg,
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928 Autorinnen und Autoren University of Kent at Canterbury und am Institut für Weltwirtschaft, Kiel (Advanced Studies Program), Promotion an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Habilitation an der Technischen Universität München. Forschungsaufenthalte in Stanford, Harvard und am National Bureau of Economic Research. Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech, des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium und der International Academy of Education. Mitherausgeber des Handbook of the Economics of Education. Forschungsschwerpunkte: Bildungsökonomik, Wachstumsökonomik und Wirtschaftsgeschichte mit Fokus auf der Bedeutung von Bildung für wirtschaftlichen Wohlstand und der Bedeutung von institutionellen Rahmenbedingungen des Schulsystems für Effizienz und Chancengerechtigkeit. Vaishali Zambre (geb. 1986), Dr. rer. oec., Diplom-Volkswirtin (M. A.), Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Potsdam und an der University of WisconsinMilwaukee, USA. Promotion im Jahr 2017 und Mitglied im Graduate Center des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Von 2013 bis 2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin. Seit 2018 Referentin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Forschungsschwerpunkte: Bildungsökonomie; Angewandte Mikroökonometrie. Karin Zimmer (geb. 1967), Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., Professorin für Empirische Bildungsforschung an der Universität Vechta. 2013 bis 2017 Koordinatorin des Leibniz-Forschungsverbundes Bildungspotenziale (LERN) am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main, 2010 bis 2012 Koordinatorin der nationalen Bildungsberichterstattung für Deutschland, 2006 bis 2009 Leitende Analystin des Programme for International Student Assessment (PISA) im Bildungsdirektorat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris, 2001 bis 2006 Professorin für Psychometrische Methoden und Diagnostik an der Universität Aalborg (Dänemark). Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel und an den Universitäten in Oldenburg und Regensburg. Forschungsschwerpunkte: Messen, Assessment und Evaluation; Methoden zur Integration von Forschungsergebnissen; Wissenstransfer.
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(Auflistung ausgewählter Begriffe)
AES AEUV AEVO AEWB AFG AID:A ALEM ALL ALPHA ALR APW ARD ASCOT
ATI BA (auch B.A.) BA BAföG BBiG BDK BDM BiBB BiKS BiLieF BilWiss BIP BITKOM BKJ BKM BLK
Adult Education Survey Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Ausbildereignungsverordnung Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung Arbeitsförderungsgesetz Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten Adaptive Learning Environment Model Adult Literacy and Lifeskills Unterrichtskompetenz im Berufseinstieg Allgemeines Landrecht Akademie für Praxis und Wissenschaft Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Technologieorientierte Kompetenzmessung in der beruflichen Bildung [Technology-based Assessment of Skills and Competences in Vocational Education and Training] Aptitude-Treatment-Interaction Bachelor of Arts Bundesagentur für Arbeit Bundesausbildungsförderungsgesetz Berufsbildungsgesetz Bundesdirektorenkonferenz Gymnasien Bund deutscher Mädel Bundesinstitut für Berufsbildung Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter Bielefelder Längsschnittstudie zum Lernen in inklusiven und exklusiven Förderarrangements Bildungswissenschaftliches Wissen und der Erwerb professioneller Kompetenz in der Lehramtsausbildung Bruttoinlandsprodukt Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Beauftragte*r der Bundesregierung für Kultur und Medien Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung
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930 Abkürzungsverzeichnis
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BMAS BMBF BMFSFJ BRD BRK [CRPD] BSW CAI CAT CCT CEDEFOP CEMIX CiLL CIPO CLA CLASS COACTIV
CPC CRPD [BRK] CSCL CSILE CVTS
Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für Bildung und Forschung Bundesministerium für Familie, Soziales, Frauen und Jugend Bundesrepublik Deutschland Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen [Convention on the Rights of Persons with Disabilities] Berichtssystem Weiterbildung Computer-assisted Instruction Classics Admissions Test Career Counselling for Teachers Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung [European Centre for the Development of Vocational Training] Consumer Electronics Markt Index für Deutschland Competencies in Later Life Kontext-Input-Prozess-Output/Outcome [Context-Input-Process-Output/Outcome] Classification of Learning Activities Classroom Assessment Scoring System Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz [Cognitive Activation in the Classroom: The Orchestration of Learning Opportunities for the Enhancement of Insightful Learning in Mathematics] Child-Parent-Center Convention on the Rights of Persons with Disabilities [Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen] Computer-supported Collaborative Learning Computer-Supported Intentional Learning Europäische Erhebung zur beruflichen Weiterbildung in Unternehmen [Continuing Vocational Training Survey]
DA DAAD DAZ DBU DDR DESI DFG DIE DIHK DIPF DQR DVWO DZHW DZLM
Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen Deutscher Akademischer Austauschdienst Deutsch als Zweitsprache Deutsche Bundesstiftung Umwelt Deutsche Demokratische Republik Deutsch Englisch Schülerleistungen International Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Deutscher Industrie- und Handelskammertag DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation Deutscher Qualifikationsrahmen Dachverband der Weiterbildungsorganisationen Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung Deutsches Zentrum für Mathematiklehrerfortbildung
EAP ECCE ECCRN ECEC ECERS
Emerging Academic Snapshot European Child Care and Education Early Child Care Research Network Early Childhood Education and Care Early Childhood Environment Rating-Scales
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Abkürzungsverzeichnis 931 ECTS EFFEKT EFQM EGMR EGP–Klassen EHEA EMRK EOS EPA EQR ESF ETS EU EURYDICE
EUV EVS EWG EYPS
European Credit Transfer System Entwicklungsförderung in Familien: Eltern- und Kindtraining European Foundation for Quality Management Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Erikson-Goldthorpe-Portocarero-Klassen des sozioökonomischen Status Europäischer Hochschulraum [European Higher Education Area] Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Erweiterte Oberschule Einheitliche Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen Europäischer Sozialfond Educational Testing Service Europäische Union Europäisches Bildungsinformationsnetz [Education Information Network in Europe] Europäische Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen [European Union Statistics on Income and Living Conditions] Vertrag über die Europäische Union Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Early Years Professional Status
FDGB FDJ FiD FLEX
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend Familien in Deutschland Flexible Schuleingangsphase
G8 G9 GATS GER GEW GG GGS GHR GO GPK GWK
Achtjähriges Gymnasium (Abitur nach 12 Schuljahren) Neunjähriges Gymnasium (Abitur nach 13 Schuljahren) General Agreement on Trade in Services Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Grundgesetz Generations and Gender Survey Grund-, Haupt- und Realschullehramt Ganztagsorganisation im Grundschulbereich General Pedagogical Knowledge Gemeinsame Wissenschaftskonferenz
HIS HIT
Hochschul-Informations-System Heidelberger Interaktionstraining für pädagogisches Fachpersonal zur alltagsintegrierten Sprachbildung und Sprachförderung ein- und mehrsprachiger Kinder Hitler-Jugend Home Literacy Environment Home Numeracy Environment Home Observation for Measurement of the Environment Hochschulrahmengesetz Hochschulrektorenkonferenz
EU-SILC
HJ HLE HNE HOME HRG HRK
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932 Abkürzungsverzeichnis
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IAB IALS ICILS ICOM ICT
IT IW
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit International Adult Literacy Survey International Computer and Information Literacy Study Internationaler Museumsrat [International Council of Museums] Informations- und Kommunikationstechnik [Information and Communication Technologies] International Association for the Evaluation of Educational Achievement Individuelle Förderung und adaptive Lern-Gelegenheiten in der Grundschule Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung [Progress in International Reading Literacy Study] Industrie- und Handelskammer Internationale Arbeitsorganisation [International Labour Organization] Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen International Standard Classification for Education Internationale Standardklassifikation der Berufe [International Standard Classification of Occupations] Internationales sozioökonomisches Maß des beruflichen Status [International Socio-Economic Index of Occupational Status] Informationstechnik Institut der deutschen Wirtschaft
JFMK JIM JMK
Jugend- und Familienministerkonferenz Jugend, Information, (Multi-)Media Jugendministerkonferenz
KERMIT KES KESS KICK KiDZ KiföG KIM KJHG KMK KoKoHs KRIPS-R
Kompetenzen ermitteln; siehe auch VERA Kindergarten-Einschätz-Skala Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern Kinder- und Jugendhilfeentwicklungsgesetz Kindergarten der Zukunft in Bayern Kinderförderungsgesetz Kinder, Internet, Medien Kinder- und Jugendhilfegesetz Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz) Kompetenzmodellierung und Kompetenzmessung im Hochschulsektor Krippen-Skala
LAU LQW LRS LSA
Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung Lese-Rechtschreib-Schwäche Large Scale Assessments
MA (auch M.A.) MBA MCK MINT MIT MOOC MPCK MSA
Master of Arts Master of Business Administration Mathematical Content Knowledge Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik Massachusetts Institute of Technology Massive Open Online Course Mathematics Pedagogical Content Knowledge Mittlerer Schulabschluss
IEA IGEL IGLU [PIRLS] IHK ILO IPN IQB ISCED ISCO ISEI
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Abkürzungsverzeichnis 933
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NEET NEPS NICHD NRW NS NUBBEK
OAP OECD OER OTL PaLea PIAAC P-I-D PIRLS [IGLU] PISA POS PPK REFA
Nicht in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung [Not in Employment, Education or Training] Nationales Bildungspanel [National Educational Panel Study] National Institute of Child Health and Human Development Nordrhein-Westfalen Nationalsozialistisch Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit Observation of Activities in Preschools Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Organisation for Economic Co-operation and Development] Open Educational Resources Lerngelegenheiten [Opportunities to Learn] Panel zum Lehramtsstudium Internationale Studie zur Untersuchung von Alltagsfertigkeiten Erwachsener [Programme for the International Assessment of Adult Competencies] Wahrnehmung, Interpretation, Entscheidungsfindung [Perception, Interpretation, Decision-making] Progress in International Reading Literacy Study [Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung] Programme for International Student Assessment Polytechnische Oberschule (Schule in der ehemaligen DDR) Pedagogical/Psychological Knowledge
RJWG RTI
Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung Reichsjugendwohlfahrtsgesetz Response to Intervention
SAT SBZ SEELS SFB-L SGB SOEP SOFI StEG SVR
Scholastic Aptitude Test Sowjetische Besatzungszone Special Education Elementary Longitudinal Study Sonderpädagogischer Förderbedarf Lernen Sozialgesetzbuch Sozio-oekonomisches Panel Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration
TAG TEDS-FU TEDS-M TIMSS TOSCA TPCK TREE
Tagesbetreuungsausbaugesetz Teacher Education and Development Study/Follow Up Teacher Education and Development Study: Learning to Teach Mathematics Trends in International Mathematics and Science Study Transformation des Sekundarschulsystems und akademische Karrieren Technological Pedagogical Content Knowledge Transitions from Education to Employment [Transitionen von der Erstausbildung ins Erwerbsleben] Technischer Überwachungsverein
TÜV
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934 Abkürzungsverzeichnis UDHR [UN-MRK] Universal Declaration of Human Rights [Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen] UN Vereinte Nationen [United Nations] UNESCO Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur [United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization] UN-MRK [UDHR] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen [Universal Declaration of Human Rights] USA Vereinigte Staaten von Amerika [United States of America] VERA
VET VHS
Vergleichsarbeiten in der Schule; in einigen Bundesländern „Lernstandserhebungen“, „KERMIT – Kompetenzen ermitteln“ oder „Kompetenztests“ genannt Vocational Education and Training Volkshochschule
WHO WIFF WISE WTO
Weltgesundheitsorganisation [World Health Organization] Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte Web-based Integrated Science Environment Welthandelsorganisation [World Trade Organization]
YITS
Youth In Transition Survey
ZDF ZIB ZiKiB ZVS
Zweites Deutsches Fernsehen Zentrum für Internationale Bildungsvergleichsstudien Zielkindbeobachtung Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen
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Register
21st Century Skills 896
A Abitur 59, 520, 575 Abitur in der gymnasialen Oberstufe 540 Abiturientenquote 536ff, 558 Abiturprüfung, zentrale 533ff, 550ff Abiturzeugnisse, Vergleichbarkeit 553ff Abschlusszertifikate, Vergleichbarkeit 541 Absolventenquote 646f Adaptierbarkeit/Lernerkontrolle 874 Adaptive Teaching 381ff Adaptivität 481f Akkreditierung 616 Akteur-Netzwerk-Theorie 903 Alleinerziehende 163f Allgemeinbildung 542f Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948 88 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 56 Alphabetisierung 59, 721f Alter als Lebensphase 810ff Arbeitslosigkeit 244ff Arbeitsmarkt 749 Arbeitsmarktchancen 231f Arbeitsmarktpolitik 763 Armutsrisiko 249 Aufstieg, sozialer 75 Ausbildung, duale 219, 581 Ausbildung, pädagogische 683 Ausbildungsanforderungen 580f Ausbildungsberufe, anerkannte 568 Ausbildungsberufe, Attraktivität 575 Ausbildungsberufe, schulische 573 Ausbildungsberufe, stärkste 580
Ausbildungsoptionen von Jugendlichen 566f Ausbildungsordnungen 568 Ausbildungsplätze 577 Ausbildungsreife 587f Austauschprogramme, allgemeine und berufliche Bildung (Erasmus+) 100f Auswahlprozesse, betriebliche 577f
B Bachelorabschlüsse 604 Bacherlorstudium 641f Basiskompetenzen 720 Begabungsreserven 229ff Behinderung 477ff Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Familien 311 Beratungskompetenzen 394 Bertelsmann Stiftung 127 Berufliche Integration Jugendlicher mit niedrigen Schulleistungen 587ff Berufsabschlüsse 565 Berufsakademien 602f Berufsbildung 219 Berufsbildung vs. Hochschulbildung 605f Berufsbildung, duale 79 Berufsbildungsgesetz (BBiG) 567 Berufsbildungssystem 505f Berufsbildungssystem, institutionelle Strukturen 567ff Berufsbildungssystem, pädagogisches Personal 569 Berufsfachschulen 570 Berufsvorbereitende Maßnahmen 588 Beschäftigungsadäquanz 649ff Beschäftigungsfähigkeit 615 Beschlüsse des Europarats für den Bildungsbereich 94ff
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936 Register Beschulung, integrative 342f Bevölkerungszuwachs 62 Bewusstheit, phonologische 462 Bildung 46ff Bildung als Investitionsentscheidung 232ff Bildung als Selbstbildung 448f Bildung als soziale Tatsache 51 Bildung im Alter 809ff Bildung in der Moderne 51ff Bildung und Beschäftigung 244ff Bildung und Gesundheit 237, 254ff Bildung und Kriminalität 238, 256ff Bildung und Wohlstand 233ff Bildung, Begriffsgeschichte 52ff Bildung, berufliche 99ff Bildung, formale 740f, 909 Bildung, frühkindliche 107, 340, 405ff, 780 Bildung, höhere 324f Bildung, Indikatoren 265ff Bildung, inklusive 333, 339f, 345f, 394 Bildung, kulturelle 132, 150ff, 721 Bildung, non-formale 741f Bildung, schulische 55 Bildung, unzureichende (Folgekosten) 241ff Bildungsabschlüsse 507f, 512f Bildungsangebot für Ältere 817ff Bildungsangebote, non-formale und informelle (Erfolgsindikatoren) 137 Bildungsanlässe, non-formale und informelle (Lernziele) 136 Bildungsaspiration, elterliche 184 Bildungsausgaben 47, 195ff Bildungsausgaben, betriebliche 219 Bildungsausgaben, Entwicklung 210ff Bildungsausgaben, internationaler Vergleich 196ff, 220ff Bildungsausgaben, öffentliche 206, 208ff Bildungsausgaben, private 206f, 213ff Bildungsausgaben, Relation zum Bruttoinlandsprodukt 205 Bildungsausgaben für Weiterbildung 708ff Bildungsbarrieren 825f Bildungsbenachteiligung 72, 352, 473 Bildungsberichterstattung, nationale 275f, 738f, 759f Bildungsbeteiligung 70, 72, 507, 510f, 518 Bildungsbeteiligung Erwachsener 734, 742ff Bildungsbeteiligung Erwachsener, internationaler Vergleich 751f Bildungsbeteiligung und -interesse im Alter 822ff Bildungsbiografie 405 Bildungsbudget, nationales 198ff
Bildungsbürgertum 60f Bildungschancen 80, 630 Bildungsdisparitäten 471ff Bildungseinrichtungen, hochschulische 601ff Bildungsentscheidungen 323 Bildungsentscheidungen, berufsbezogene 185 Bildungsentscheidungen, elterliche 174f, 185 Bildungserträge 231ff Bildungserträge, nicht-monetäre 253ff Bildungserwerb, Abbau von Ungleichheiten 323ff Bildungserwerb 299ff Bildungsexpansion 64f, 510ff, 566, 579, 581f Bildungsfähigkeit 338 Bildungsforschung 73, 167 Bildungsgeschichte 79ff Bildungshabitus 815f Bildungsinitiativen, museumsbezogene 131 Bildungsinstitutionen, formale 133, 135 Bildungsinvestitionen, frühkindliche 207 Bildungskatastrophe 72, 510 Bildungskritik 62f Bildungsleistungen, Bedeutung für gesellschaftlichen Wohlstand 238 Bildungsminimum für alle 703 Bildungsmonitoring 263ff, 269ff, 291 Bildungsniveau, elterliches 302ff Bildungsort Familie 161ff, 166ff, 177ff Bildungsorte 45ff, 134 Bildungspläne 435 Bildungsplanung 72 Bildungspolitik 59f, 64, 68 Bildungspolitik nach 1945 72 Bildungspotenziale, non-formale und informelle 146f, 150f Bildungspotenziale der Hochschulbildung 654ff Bildungspotenziale der Lehrerbildung 689f Bildungspotenziale in der Grunschule 471ff, 493f Bildungsprogrammatik 66 Bildungsprozesse 45f, 86 Bildungsprozesse, Einflüsse der Familie 162ff Bildungsqualität und Qualitätssicherung 264ff Bildungsqualität, Dimensionen 265ff Bildungsreflexion 62ff Bildungsrendite 251 Bildungssektoren, pädagogisches Personal 800 Bildungsstandards 276ff, 279, 282, 515, 520ff, 546f Bildungsstrukturen 87 Bildungssystem 56, 65, 68 Bildungssystem der DDR 73 Bildungssystem, berufliches 565ff
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Register 937 Bildungssystem, Durchlässigkeit 279 Bildungssystem, internationale rechtliche Rahmenbedingungen 88ff Bildungsteilhabe, ungleiche Chancen für Generationen 809f, 816 Bildungsungleichheiten nach Geschlecht 321ff Bildungsungleichheiten nach Migrationshintergrund 316ff Bildungsungleichheiten, frühkindliche 304ff Bildungsungleichheiten, vorschulische 304ff Bildungswesen, Aufgaben und Herausforderungen 229ff Bildungszertifikate 61 Bindungsbedürfnisse, kindliche 167f Binnendifferenzierung (within-classroom grouping) 508f Bologna-Prozess 96ff, 597, 599f, 603f, 614, 620, 631, 641, 669, 672 Budget für Forschung und Entwicklung 200 Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) 110, 116f Bund-Länder-Zusammenarbeit 103 Bundesstiftung Umweltbildung (DBU) 149
C Communities of Interest 904 Computer Literacy 908f Computernutzung in der Schule 886 Curriculumforschung 74 Cyber-Polarisierung 907f
D Dauer des gymnasialen Bildungsganges (G8/G9) 548ff Demokratisierung von Bildung 64, 70 Demokratisierung von Wissen 902f Deutsch als Zweitsprache (DAZ) 514 Deutsche Telekom Stiftung 127 Deutscher Ausschuss für Erziehung und Unterricht 72 Deutscher Bildungsrat (1965-1975) 72, 118ff Deutscher Schulpreis 127 Diagnose- und Förderkompetenz 494 Diagnostik, formative 388f Dienstleistungsberufe 579f Differenzialdiagnostik 389 Differenzierung, externe (between-classroom grouping) 508f Differenzierung, innere 379, 386 Differenzierungen im Unterricht 350f Digitale Medien 865ff
Digitale Medien, Instruktionale Potenziale 868ff Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt 703 Diskriminierung 334 Disparitäten 524ff Disziplinierung 59 Durchlässigkeit, berufliche Bildung – Hochschulbildung 589f
E EDV-Grundbildung 721 Ein-Eltern-Familien 164 Eingangsstufe 487 Eingliederungshilfen 340 Einheitsschule 66 Einschulung 182f Einschulung/Zurückstellung 486 Einstellungstests 578 Einzelschulen, Autonomie 515 Eltern-Kind-Aktivitäten 181 Eltern-Kind-Beziehung 168f Eltern-Kind-Interaktionen 45 Eltern, sozioökonomische Stellung 302ff Elternberatung 393f Elternbeteiligung 162 Elternhaus, bildungsfernes 183, 351f, 476, 491 Entfaltung der Persönlichkeit 54 Entwicklungsaufgaben 169f, 178 Erhebungen zum informellen Lernen 138 Erstausbildung, berufliche 566 Erträge von Bildung 649 Erwachsenen- und Weiterbildung, Anbieter 710ff Erwachsenen- und Weiterbildung, Angebote und Lehr-Lernprozesse 718ff Erwachsenen- und Weiterbildung, Beschäftigungsverhältnisse 714ff Erwachsenen- und Weiterbildung, institutionelle Rahmenbedingungen 701ff Erwachsenen- und Weiterbildung, Reproduktionskontexte 711ff Erwachsenen- und Weiterbildung, Strukturen 708 Erwachsenen- und Weiterbildung, Wirkung und Erträge 757ff Erwachsenen- und Weiterbildung, Zielsetzung 701ff Erwachsenenbildung 699ff Erweiterte Oberschule (EOS) 509 Erwerbslebenszyklus 247ff Erwerbstätigkeit von Frauen 652f Erziehung 53 Erziehungs- und Bildungspartnerschaft 174f
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938 Register Erziehungseinrichtungen und -maßnahmen, frühkindliche 106 Erziehungskompetenz, elterliche 188 Erziehungsmilieu 173 Erziehungsstaat 73 Erziehungsstile, elterliche 166f EU-Memorandum zum lebenslangen Lernen 708 Europäische Union (EU) 98ff Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) 101 Europarats-Konventionen 94ff Exklusionsquote 341 Expansion der Hochschulbildung 619 Exzellenzinitiative 608
F Facebook 898f Fachhochschule 601, 613 Fachhochschulreife 535ff Fachhochschulwesen 115 Fallberatung, kollegiale 391ff Familie (Definition) 165f Familie als Kooperationspartner 173ff Familie, Lebenslagen 165 Familie, Lernumwelt 180 Familien, bildungsnahe 182 Familien, bildungsrelevante Ressourcen 170f Familien, sozial benachteiligte 493 Familienalltag 179 Familiensprache 181, 319, 351 Familienzentren 436 Feedback, digitale Medien 872f Flüchtlinge, gesellschaftliche Integration 703 Föderalismus (Art. 30 Grundgesetz) 102ff Föderalismusreform 2006 104ff Förderbedarf 474, 477ff Förderbedarf, sonderpädagogischer 334f, 339f, 342ff, 344f, 479f Förderbedarf, sprachlicher 486 Förderpläne 391f Förderquoten 342 Förderschulbesuch 344 Förderschulen 341 Förderschwerpunkte 342ff Förderung, individuelle 326, 375ff, 389, 480ff, 493 Förderunterricht 385f Forschungseinrichtungen, außeruniversitäre 116f Forschungsförderung 117 Forschungsinstitute, Evaluationen 122 Forschungsuniversitäten 612
Fortbildung des Lehrpersonals in der Weiterbildung 796ff Fortbildung pädagogischen Personals, Angebotsund Nutzungsmodell 778f Fortbildung, Wirksamkeit 795 Fortschritt, technologischer 235f Freiheit von Forschung und Lehre 608 Frühkindliche Bildung als Kompetenzförderung 448
G Ganztagsbetreuung, schulische 308 Ganztagsgrundschule, gebundene Form 491f Ganztagsgrundschule, offene Form 491f Ganztagsgrundschule, rhythmisiert 492 Ganztagsgrundschule, teilweise gebundene Form 491f Ganztagsschule 376, 493f Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) 110, 116f Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für das Lehren und Lernen von Sprachen (GER) 768 Gesamtschule 510 Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring (KMK) 280f Geschlechterungleichheit bei Hochqualifizierten 653 Geschlechtsdifferenzen 527ff Gesellschaftspolitik 68 Gesundheitsbildung 237, 721 Gleichheit der Bildungschancen 72 Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes 300 Grundbildung 473f, 721f Grundfähigkeiten, kognitive 307 Grundschule 405ff, 471ff Grundschule, Kompetenzentwicklung 307ff Grundschulen, private 305 Grundschüler*innen mit Migrationshintergrund 476f Grundschullehrkräfte 678f Gymnasialempfehlung 489 Gymnasiallehrerausbildung 667f Gymnasiallehrkräfte 679f Gymnasium 56f, 66, 505
H Haltung, pädagogische 390 Hamburger, Abkommen (1964/1971) 112 Hauptschulabschluss 571, 575 Hausaufgabenhilfe 183
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Register 939 Herkunft, soziale 163, 302ff Herkunftseffekte 310ff, 314f Herstellung digitaler Produkte 876 Heterogenität 358, 471, 475ff Heterogenität der Studierenden 616, 621 Hilfsschulen 67, 71 Hochschul-Governance 606ff, 609 Hochschulbildung 597ff, 619 Hochschulen für Lehrerbildung 668 Hochschulen, private 602, 610, 613 Hochschulen, Trägerschaft 602f Hochschulexpansion 609ff, 632ff Hochschulfinanzierung 606f Hochschullehre 614f Hochschullehrer*innen 617 Hochschulleitung 609 Hochschulpakt 2020 607 Hochschulrahmengesetz 630 Hochschulrahmengesetz, Regelungen zur Studierendenauswahl 555f Hochschulrat 609 Hochschulreife 113 Hochschulreife, allgemeine 533ff Hochschulreife, alternativer Weg 539f Hochschulreife, fachgebundene 535ff Hochschulsystem, Steuerung 599, 606ff, 616 Hochschulwahl 637ff Hochschulzugang, soziale Ungleichheiten 314f Hochschulzugangsberechtigung 557ff, 597 Humanisierung der Schulkultur 72 Humankapital 233 Humankapitaltheorie 231, 235, 760f
I Individualisierung, digitale Medien 872, 875 Individualpädagogik 378 Industrialisierung 62 Informations- und Medienkompetenz 875 Informationskompetenz 880f Informationsvernetzung 870f Inklusion 325f, 333ff, 394ff, 480, 512ff Inklusion, globaler Diskurs 335ff Inklusion, sonderpädagogischer Diskurs 338ff Inklusionsquoten 474ff Input-Steuerung 263ff Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) 113, 272 Institutionsentwicklung, inklusive 358ff Instruktion, adaptive 873 Instruktionale Vielfalt 875ff Integration in die reguläre Berufsausbildung 589
Integration, soziale 346f Internationalisierung des Hochschulsystems 618f Internet 895ff Internet, Bildungsrelevanz 897f Internet, Nutzung 896ff IQB-Bildungstrend (IQB-Ländervergleich) 276ff, 279, 282ff
J Jahrgangsklasse 89 Jahrgangsmischung 489 Jugendarbeitslosenquote 585 Jugendliche mit Migrationshintergrund, Übergang in eine vollqualifizierende Ausbildung 320 Jugendliche, aktive 185
K Kapital, kulturelles 74, 171 Kernfachabitur 545f Kernfächer 558 Kinder mit Migrationshintergrund 458f, 463, 493 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) 174f, 417f Kindergarten 411ff Kindergartenarbeit, Schlüsselprobleme der Kinder 447f Kindergartenarbeit, situationsorientierte Ansätze 447ff Kindergartenskalen 445f Kindertagesbetreuung 304f, 410ff, 441ff Kindertagesbetreuung, langfristige Auswirkungen 459ff Kindertagesbetreuung, pädagogische Qualität 452ff Kindertageseinrichtungen 175, 405ff, 409ff Kindertageseinrichtungen, Anbieter 421ff Kindertageseinrichtungen, Bildungsfunktion 414f Kindertageseinrichtungen, Bildungspläne 435ff, 449f Kindertageseinrichtungen, Effekte der Nutzung 415f Kindertageseinrichtungen, Finanzierung 420f Kindertageseinrichtungen, historische Entwicklung 411ff Kindertageseinrichtungen, internationaler Vergleich 429ff Kindertageseinrichtungen, Nachfrager 421ff Kindertageseinrichtungen, pädagogische Qualität 443ff Kindertageseinrichtungen, pädagogisches Personal 428ff
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940 Register Kindertageseinrichtungen, Träger 418ff Kindheit, frühe 182f, 406 Klassenführungskompetenz 482f Kleinkindalter 177ff KMK-Rahmenvereinbarung zur gymnasialen Oberstufe 545, 548 Kompetenz, diagnostische 386ff Kompetenz, Informationssuche 909 Kompetenz, Medien 879ff, 908f Kompetenz, mediendidaktische 882ff Kompetenz, medienerzieherische 882ff Kompetenzen von Lehrkräften 665 Kompetenzen, berufliche 585 Kompetenzen, im Studium erworbene 615 Kompetenzen, interkulturelle 640 Kompetenzen, studienbezogene 558 Kompetenzentwicklung, Sommer- oder Ferienloch 308 Kompetenzerträge 252ff Kompetenzmodell des Alters 812ff Kompetenzmodell, Entwicklungsmodell 776f Kompetenzmodell, Komponenten- bzw. Strukturmodelle 776 Kompetenzmodell, Niveau- oder Stufenmodell 776 Kompetenzmodell, pädagogisches Personal 776 Kompetenzorientierung 614f Kompetenzskalen 521f Kompetenzstufen 518ff Kompetenzvermittlung an der Hochschule 621 Konfessionsschulen 69 Kontext-Input-Prozess-Output/Outcome-Modell (CIPO-Modell) 265f Konzept Lebenskompetenz 809 Kooperation von Fachkräften im inklusiven Unterricht 354ff Kooperation, Kindergarten-Grundschule 434f, 487, 787 Kosten von Bildung 197ff Kulturhoheit der Länder 106ff Kulturnation 60 Kultusministerkonferenz (KMK) 110ff, 269, 337
L Learning to Teach Mathematics (TEDS-M) 664, 678ff Lebenskompetenz 814 Lehr-Lernmaterialien, multimediale 881 Lehramt an Berufsbildenden Schulen 679f Lehramt an Förderschulen 679f Lehramtskandidat*innen im Vorbereitungsdienst 665
Lehramtsstudierende 684ff Lehre und Forschung 601 Lehre, hochschulische 621 Lehrerausbildung 598 Lehrerausbildungsgänge, Typen 671 Lehrerberuf, Feminisierung 679 Lehrerbildung 70, 663ff Lehrerbildung, dritte Phase: Fort- und Weiterbildung 788ff Lehrerbildung, historische Entwicklung 667ff Lehrerbildung, internationaler Vergleich 680ff Lehrerbildung, Struktur 669ff Lehrerbildung, Wirkung 666f Lehrerbildung, zweiphasige 670f, 673f Lehrerbildungsforschung 665 Lehrerhandreichung 840 Lehrerkompetenzmodelle 483 Lehrevaluation 617 Lehrkräfte 76, 683f Lehrkräfte, Überzeugungen 363 Lehrmaterialien 840f Lehrplanarbeit 842 Lehruniversitäten 612 Leistung von Schulsystemen 74 Leistungsheterogenität 477, 509 Lernaktivitäten, informelle 135 Lernen, gemeinsames 352 Lernen, informelles 703, 739f Lernen, lebenslanges 604, 702f, 705, 757 Lernen, non-formales und informelles 131, 134ff, 145ff Lernen, selbstgesteuertes 880 Lerngruppen, heterogene 352f Lerngruppen, inklusive 351f Lerninhalte, Kontextualisierung 877 Lernmaterialien, digitale 884ff, 889 Lernmaterialien, Erwartungen an 842 Lernorte 135 Lernorte, Museen 142ff Lernorte, non-formale und informelle 141ff Lernorte, Verknüpfungen 878 Lernumfeld, Elternhaus 634 Lernumgebung, multimediale 877 Lernumwelten 45f Lernverläufe, individuelle 388f Lernverlaufsdiagnostik 389
M Macht und Bildung 64 Mädchenschulwesen 67 Massenmedien 140ff
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Register 941 Maßnahmen, berufsvorbereitende 570f Masterstudiengänge 604f Masterstudium 641f Mastery Learning 380f Medienkompetenz 879ff, 908f Menschenrechte 91 Migrationshintergrund 183, 527 Migrationshintergrund, Bildungsaspiration 318ff Migrationshintergrund, Bildungsungleichheiten 318 Migrationshintergrund, Definition 316ff Migrationshintergrund, Zugang zum Gymnasium 319 Mobilisierung, pädagogisch-gesellschaftliche 59 Mobilitätserfahrungen 640 Modellprojekt, mathematisch-naturwissenschaftliche Förderung 462f Modellprojekt, sozio-emotionale Unterstützung 462f Modellprojekt, Sprachentwicklung und Early Literacy 462f Modi des Weltzugangs 55 Multimedialität 869f
N Nachhilfe 389f Nachholen von Schulabschlüssen 720 Numerus Clausus 115 Nutzung non-formaler Bildungsangebote 137ff Nutzung von Fortbildungsangeboten 800
O Oberrealschulen 67 Oberstufe, gymnasiale 541ff Oberstufe, Kurssystem 544f OECD 93 OECD-Bericht Bildung auf einen Blick 271 Open Educational Resources (OER) 899f Output-Steuerung 263ff
P Pädagogische Akademie 668 Pädagogisierung der Gesellschaft 72ff Panel zum Lehramtsstudium 664 PISA-Befunde 282ff, 516ff PISA-Studie, Kritik 287 Polytechnische Oberschule (POS) 75ff, 509 Praxiserfahrung 686 Praxistage 578 Privilegierung, soziale 60 Professionalität pädagogischen Personals 775f
Projekt Lernen vor Ort 750f Promotion 604f Pygmalion-Effekt 307
Q Qualifikation frühpädagogischer Fachkräfte 780ff Qualifikationsbedarf in den MINT-Fächern 606 Qualität frühkindlicher Bildung 441ff Qualitätsoffensive Lehrerbildung 688 Qualitätspakt Lehre 2010 607 Qualitätssicherung in der Lehre 617
R Rahmenplan von 1959 72 Realgymnasien 67 Realistische Wendung in der pädagogischen Forschung 74 Recht auf Bildung 89ff, 95 Reformpädagogik 67 Reichsgrundschulgesetz von 1920 69 Religionsunterricht 69 Reproduktion, soziale 50 Risikogruppe 518 Robert Bosch Stiftung 127
S Salamanca-Erklärung 336 Säuglingsalter 177f Scaffolding 185, 384f Schlüsselfähigkeiten 720 Schlüsselkompetenzen 614 Schlüsselqualifikationen 721 Scholarisierung der Gesellschaft 61ff Schriftsprache 180 Schriftspracherwerb 304 Schulabschluss, mittlerer 77, 575 Schulabschlüsse 507f Schulabschlüsse, Vergleichbarkeit 279 Schulangelegenheiten, äußere 107f Schulangelegenheiten, innere 107f Schulaufsicht 106f Schulberufssystem 569f, 579 Schulbesuchsdauer 77 Schulbuch 840ff Schulbuch in der beruflichen Bildung 853 Schulbuch, gesellschaftliche Funktion 853f Schulbuch, Grundsätze der Gestaltung 847f Schulbuch, Nutzung 849ff Schulbuch, Revision 854ff Schulbuch, Wirkung 851f Schulbuch, Zulassungsverfahren 841f, 846
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942 Register Schulbücher, bildungspolitische Anforderungen 842f Schulbücher, digitale 885 Schulbuchevaluation 847f Schulbuchgeschichte 840ff Schulbuchproduktion 840, 843ff, 845 Schule als gesellschaftliche Einrichtung 66 Schulen, erfolgreiche inklusive 361f Schulentwicklung 278ff, 292 Schulentwicklungsprozesse, inklusive 362f Schülerlabore 149 Schulhoheit 107f Schulinspektion 273 Schulkultur 361 Schullaufbahnempfehlung 310f, 488f Schulleistungsdiagnostik 387 Schulleistungsstudien, internationale 113f, 271ff, 276, 322 Schulleistungsvergleiche, nationale 229, 520ff Schulpflicht 68 Schulpolitik, nationalsozialistische 70 Schulqualität 362f Schulrankings 267 Schulstruktur 77ff, 513 Schulstrukturen (SBZ/DDR) 75 Schulsystem, dreigliedriges 509 Schulwesen, höheres 58 Schulwesen, niederes 58, 67 Schwerpunkt-Kitas: Sprache & Integration 787 Sekundarschulbereich 505ff Sekundarschulsystem 509f Sekundarstufe I 114, 310ff, 505ff Sekundarstufe II 505f, 533ff, 558f Sekundarstufenlehrkräfte 678f Selbstbestimmung 53 Selbstverwaltung, akademische 608f Selbstwirksamkeitserwartungen 764f Simulation, computerbasierte 874 Sonderkindergärten 338f Sonderschulen 339 Sonderschulwesen 114 Soziale Medien 895ff Soziales Klassenschulsystem 58 Sozialisation, familiale 166ff Sozialisationsbereitschaft 179 Spracherwerb 178 Sprachförderbedarf 319 Sprachförderung 529 Sprachstand 304 Standards für die Lehrerbildung 671f, 677 Statusdiagnostik 387
Stieffamilien 164 Stiftung Mercator 127 Strukturplan für das Bildungswesen von 1970 119f, 273 Studien zum Bildungsstand 87, 93 Studienabbruch 558, 642ff Studienanfängerquote 610, 619 Studienangebot 613 Studienbedingungen 645 Studienberechtigung, fachgebundene 590 Studiendauer 642f Studienentscheidung 632ff Studienerfolg 315 Studienfachwahl 635ff Studiengänge, Akkreditierung 115 Studiengänge, duale 590, 605f Studiengänge, gestufte 98 Studienmöglichkeiten, Steuerung des Angebots 600 Studienstruktur, konsekutive 604, 620 Studienstrukturreform 599, 614 Studierfähigkeit 543f Subsidiaritätsprinzip 418 Systemmonitoring 271ff
T Tablets im Unterricht 886 Teams, multiprofessionelle 493 Teilzeitbeschäftigung von Frauen 652f Theorie von Bildung 50
U Übergang in die Sekundarstufe I 309f Übergang, berufliche Ausbildung 313ff Übergang, Hochschule - Arbeitsmarkt 645ff Übergang, Kindergarten - Grundschule 433ff Übergänge in die Hochschule 631ff Übergänge Schule - Arbeitsmarkt 585 Übergänge zu und von der Grundschule 485ff Übergangsempfehlung 310 Übergangsentscheidung 310 Überzeugungen, medienbezogene 883 Überzeugungen, pädagogische 390ff UN-Kinderrechtskonvention 90 Underachiever 577 UNESCO-Leitlinien für die inklusive Bildungspolitik 337 Universität 601 Unterricht, adaptiver 381ff, 482 Unterricht, inklusiver 352f Unterrichtsentwicklung 278ff, 290
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Register 943
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Unterrichtsentwicklung, Inklusion 349f Unterrichtsgestaltung, inklusive 395 Unterrichtskompetenz, hohe 664f Unterrichtspflicht 68 Unterrichtsqualität 494
V Verbindung von Bildung und Forschung 600 Vereinbarungen, völkerrechtliche 91f Vereinte Nationen (UN) 89ff Vergleichsarbeiten (VERA) 276, 279f, 290 Vernetzung 876, 903 Vernetzung und Partizipation, soziale Medien 904ff Volksbildung 57, 67, 705 Volkshochschule 142, 706 Volksschullehrerausbildung 668 Vorbereitungsdienst 685 Vorschulalter 179ff Vorschulen, gymnasiale 68 Vorwissen 307
W Wandel privater Lebensformen 163ff Weimarer Reichsverfassung 68, 705f Weiterbildung 699ff Weiterbildung in der DDR 706
Weiterbildung und Einkommenszuwachs 761f Weiterbildung, Adressat*innen 744ff Weiterbildung, betriebliche 220, 709f, 713ff Weiterbildung, Definition 735, 737f Weiterbildung, Steuerbarkeit 766 Weiterbildung, Steuerungsakteure 767ff Weiterbildungsberichterstattung 737ff Weiterbildungsbeteiligung 732f Weiterbildungsquoten 800f Wikipedia 900, 905 Wirtschaftswachstum 239ff Wissen, externes 899f, 901f Wissenschaft und Politik 124f Wissenschaftskommunikation 148ff Wissenschaftsorientierung 510 Wissenschaftsrat 120ff Wissensgenerierung, aktive 909 Wissensgesellschaft 132 Wissensportale 910 Wissensstrukturen 906
Z Zentralabitur 551 Zentren für Lehrerbildung 677 Zugang zu Bildung 334f Zwei-Säulen-Modell 513f, 735 Zweiphasigkeit der Lehrerbildung 674f
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Pädagogik
Das Werk bietet einen aktuellen und umfassenden Überblick des Bildungswesens in Deutschland über die gesamte Lebensspanne hinweg: von der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung, über die allgemeinbildende und berufliche Schule, die Hochschule und Weiterbildung bis zur Bildung im hohen Erwachsenenalter. Neben der Betrachtung der Bildungsetappen beinhaltet das Buch eine Einführung in die Entstehung der Strukturen des aktuellen Bildungssystems aus historischer wie institutioneller Perspektive sowie eine Reihe von Kapiteln zu aktuellen Querschnittsthemen wie Inklusion, Heterogenität und Digitalisierung im deutschen Bildungswesen. Jedes Kapitel schließt mit einer bewertenden Reflexion über Herausforderungen und Strategien, um Bildungspotenziale besser nutzbar zu machen - für die Einzelnen wie für die Gesellschaft. Dieses Buch richtet sich an Studierende des Lehramts und aller Fachdisziplinen der Empirischen Bildungsforschung sowie an alle Interessierten in Bildungspraxis, -verwaltung, -politik und -forschung.
Dies ist ein utb-Band aus dem Verlag Klinkhardt. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen.
ISBN 978-3-8252-4785-0
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