Das Arbeitsrecht im BGB: Kommentar [2. neubearb. Aufl. Reprint 2012] 9783110923889, 9783110161083

Ziel dieser höchstrichterlichen Kommentierung ist es, praktische Brauchbarkeit mit wissenschaftlicher Informationstiefe

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German Pages 1199 [1200] Year 2002

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Table of contents :
Vorwort zur zweiten Auflage
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag
Erstes Kapitel. Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht
Zweites Kapitel. Der Arbeitsvertrag
§ 611a Geschlechtsbezogene Benachteiligung
§ 611b Arbeitsplatzausschreibung
§ 612 Vergütung
§ 612a Maßregelungsverbot
§ 613 Unübertragbarkeit
§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
§ 614 Fälligkeit der Vergütung
§ 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko
§ 616 Vorübergehende Verhinderung
§ 617 Pflicht zur Krankenfürsorge
§ 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen
§ 619 Unabdingbarkeit der Fürsorgepflichten
§ 619a Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers
Vor § 620
§ 620 Beendigung des Dienstverhältnisses
Erster Abschnitt. Befristete Arbeitsverträge
Zweiter Abschnitt. Kündigungsrecht
§ 621 Kündigungsfristen bei Dienstverhältnissen
§ 622 Kündigungsfristen des Arbeitsverhältnisses
§ 623 Schriftform der Kündigung
§ 624 Kündigungsfrist bei Verträgen über mehr als fünf Jahre
§ 625 Stillschweigende Verlängerung
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
§ 627 Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung
§ 628 Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung
§ 629 Freizeit zur Stellungssuche
§ 630 Pflicht zur Zeugniserteilung
Anhang. Kirchenarbeitsrecht
Sachregister
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Das Arbeitsrecht im BGB: Kommentar [2. neubearb. Aufl. Reprint 2012]
 9783110923889, 9783110161083

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Schliemann (Hrsg.) Das Arbeitsrecht im BGB de Gruyter Kommentar

Das Arbeitsrecht im BGB Kommentar 2., neubearbeitete Auflage Herausgegeben von Harald Schliemann

Bearbeitet von Reiner Ascheid, Jochen Corts, Hans-Jürgen Dörner, Hans Eisemann, Hans-Wolf Friedrich, Heinrich Gehring, Hans-Christoph Matthes, Waldemar Röhsler, Harald Schliemann, Christoph Thiele

w G DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York 2002

Die Bearbeiter der 2. Auflage: Professor Dr. Reiner Ascheid, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht i. R., Diez Jochen Corts, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht, Berlin Hans-Jürgen Dörner, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt Dr. Hans Eisemann, Präsident des Landesarbeitsgerichts Brandenburg, Potsdam Dr. Hans-Wolf Friedrich, Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt Dr. Heinrich Gehring, Richter am Bundesarbeitsgericht a. D., Kassel Dr. h. c. Hans-Christoph Matthes, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a. D., Ahnatal Professor Dr. Waldemar Röhsler, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a. D., Freiburg i. Br. Harald Schliemann, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Isernhagen Oberkirchenrat Dr. Christoph Thiele, Kassel Register: Dr. Dr. Volker Kluge, Berlin

Zitiervorschlag z. B. Corts in: ArbR BGB 2 S 626 Rn 174

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Das Arbeitsrecht im BGB : Kommentar / hrsg. von Harald Schliemann. Bearb. von Reiner Ascheid . . . - 2., neubearb. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 2002 (De-Gruyter-Kommentar) ISBN 3-11-016108-7

© Copyright 2002 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Datenkonvertierung: jürgen Ullrich typosatz, Nördlingen

Vorwort zur zweiten Auflage Nicht jeder Federstrich des Gesetzgebers macht Bibliotheken zu Makulatur. „Der Richter ist der Herr des Arbeitsrechts" (Gamillscheg)

Auf Grund des Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I, 3138) ) ist der Wortlaut des Bürgerlichen Gesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung am 8. Januar 2002 bekannt gemacht worden (BGBl I, 42 bis 341). Die Neufassung enthält erstmals gesetzliche Überschriften für die einzelnen Paragraphen und zum Teil neue Zählungen und Einteilungen. Für das individuelle Arbeitsrecht bildet die Kodifikation im Titel 8 „Dienstvertrag" des Abschnitts 8 „Einzelne Schuldverhältnisse" im Buch 2 „Recht der Schuld Verhältnisse" des Bürgerlichen Gesetzbuches nach wie vor die wesentliche Rechtsgrundlage. Das Arbeitsrecht besteht darüber hinaus aus einer Vielzahl komplexer arbeitsrechtlicher Gesetze und - soweit gesetzliche Regelungen fehlen - aus von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Ein das gesamte Arbeitsrecht kodifizierendes „Arbeitsgesetzbuch" oder auch nur ein „Arbeitsvertragsgesetz" gibt es nach wie vor nicht. Wie schon in der Vorauflage werden alle arbeitsrechtlich relevanten Bestimmungen des „Dienstvertrages" ausführlich anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommentiert. Dies beschränkt sich nicht auf die Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vielmehr werden auch die damit im Zusammenhang stehenden arbeitsrechtlichen Gesetze und die einschlägige Rechtsprechung hierzu einbezogen oder beschreibend dargestellt. So werden das Arbeitszeitrecht im Rahmen des $ 611 (Rn 5 9 2 - 6 2 5 ) und der Teilzeitanspruch ($ 611 Rn 6 5 2 - 6 6 7 ) ausführlich behandelt. Die Grundzüge des Arbeitskampfrechts sind als Exkurs in S 615 (Rn 1 4 5 - 2 1 5 ) beschrieben. In $ 616 (Rn 5 7 - 2 3 3 ) wird das Recht der Entgeltfortzahlung in Krankheitsfall und an Feiertagen kommentierend dargestellt. $ 618 zeigt die Zusammenhänge der äußerst komplexen Normierungen des technischen Arbeitsschutzrechts auf. Zu $ 620 ist eine ausführliche Kommentierung des neuen Rechts für befristete Arbeitsverträge (Rn 1 - 4 5 2 ) ebenso verfaßt wie eine gedrängte Darstellung des Kündigungsschutzrechtes (Rn 5 6 9 - 7 8 0 ) . Zu allen Bestimmungen werden die relevanten Zusammenhänge mit dem kollektiven Arbeitsrecht, vor allem dem Tarifrecht und dem Betriebsverfassungsgesetz, deutlich hervorgehoben. Das Arbeitsrecht der Kirchen sie bilden den zweitgrößten öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber - ist im Anhang zu § 630 kommentiert. Der übergroße Fleiß des Gesetzgebers der 14. Legislaturperiode stellte an alle Autoren höchste Anforderungen. Ihnen ist so weit wie irgend möglich Rechung getragen worden. Der Gesetzesstand ist der am 1. Januar 2002. Damit sind die Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuches ebenso berücksichtigt wie das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz vom 30. November 2001 (BGBl I 3234), die Neufassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 7. Dezember 2001 (BGBl 13358) und das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001 (BGBl I 3443). Rechtsprechung und Schrifttum sind auf dem Stand von Mitte des Jahres 2001, teilweise darüber hinaus. Die Neuauflage erscheint als einbändiges Werk. Dies und die noch stärkere Hinwendung zur Praxis der arbeitsrechtlichen Rechtsanwender haben zu einem etwas geänderten Zuschnitt gegenüber der Vorauflage geführt. Die Kommentierung zum freien Dienstvertrag von Anders und Gehle wurde ausgekoppelt; sie ist inzwischen im selben Verlag als eigenständiges Werk („Das Recht der freien Dienste. Vertrag und Haftung", Berlin 2001) erschienen. Die Kommentierungen in der Vorauflage zum Bergarbeitsrecht (Anhang I zu $ 630) und zum Arbeitsrecht der See- und der Binnenschiffahrt (Anhang II zu $ 630) wurde mit Rücksicht auf den gesunkenen Grad ihrer Bedeutung für die Praxis nicht wieder

Vorwort zur zweiten Auflage

aufgenommen. Dagegen wurde das in seiner Bedeutung gestiegene, sich ständig fortentwickelnde Arbeitsrecht der Kirchen in der Neuauflage auf den neuesten Stand gebracht; diese Kommentierung bildet nunmehr den einzigen Anhang zu § 630. Im Autorenkreis haben sich gegenüber der Vorauflage Veränderungen ergeben. Verstorben sind Frau Professorin Dr. Marie Luise Hilger, Vorsitzende Richterin am BAG a. D., (§ 612 Abs. 1 und 2, § 614), Herr Regierungsdirektor Gerd Schick ($$ 618, 619) und Herr Professor Dr. Bernhard Weller, Vorsitzender Richter am BAG, (Vor $ 620 - Kündigungsschutzrecht). Ausgeschieden ist Frau Gisela Michels-Holl, Vizepräsidentin des BAG a. D., ($$ 61 la, 61 lb, $ 612 Abs. 3). Neu eingetreten in den Bearbeiterkreis sind Herr Dr. Hans-Wolf Friedrich, Richter am BAG, ($$ 618, 619) und Herr Oberkirchenrat Dr. Christoph Thiele als Mitautor des Anhangs zu $ 630 „Das Arbeitsrecht der Kirchen". Herr Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Jochen Corts hat zusätzlich die Kommentierung des Kündigungsschutzrechts (nunmehr in § 620) übernommen. Die Bearbeitung der von Frau Dr. Hilger und Frau Michels-Holl kommentierten Bestimmungen sowie des neuen S 619a - Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers stammt von Herrn Harald Schliemann, Vorsitzender Richter am BAG. Er ist auch Herausgeber des Werkes. Ahnatal / Berlin / Diez / Erfurt / Freiburg i. Br. / Isernhagen / Kassel / Potsdam im Januar 2002

Autoren, Herausgeber und Verlag

Inhaltsübersicht Vorwort zur zweiten Auflage Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis $611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel. Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht Zweites Kapitel. Der Arbeitsvertrag

$ 611a

Geschlechtsbezogene Benachteiligung

V IX XVII 1 1 116 267

$ 611b Arbeitsplatzausschreibung

282

§612

Vergütung

285

S 612a

Maßregelungsverbot

307

S 613

Unübertragbarkeit

313

$ 613a

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

316

S 614

Fälligkeit der Vergütung

362

$ 615

Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko

372

S 616

Vorübergehende Verhinderung

413

$617

Pflicht zur Krankenfürsorge

451

$618

Pflicht zu Schutzmaßnahmen

459

$619

Unabdingbarkeit der Fürsorgepflichten

531

$ 619a

Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers

533

Vor $ 620

534

$ 620

542 543

$621

Beendigung des Dienstverhältnisses Erster Abschnitt. Befristete Arbeitsverträge Zweiter Abschnitt. Kündigungsrecht

650

Kündigungsfristen bei Dienstverhältnissen

729

$ 622

Kündigungsfristen des Arbeitsverhältnisses

730

$ 623

Schriftform der Kündigung

776

$ 624

Kündigungsfrist bei Verträgen über mehr als fünf Jahre

790

$ 625

Stillschweigende Verlängerung

798

$ 626

Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

807

$627

Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung

890

$ 628

Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung

890

$ 629

Freizeit zur Stellungssuche

906

$ 630

Pflicht zur Zeugniserteilung

Anhang. Kirchenarbeitsrecht Sachregister

914 978 1123

vn

Abkürzungsverzeichnis aA aaO AbFG abgedr abl ABlEG Abs Abschn abw AcP aE AEntG AETR aF AFG AG AGB AiB AktG allgem allgM aM amtl Begr AN ÄndG AngKschG Anh Ani Anm AnwBl ao AöR AP ArbGeb ArbGG ArbKG AR-Blattei ArbNErfG ArbRBerG ArbRdG ArbSchG ArbSG

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abfallbeseitigungsgesetz abgedruckt ablehnend Amtsblatt der EG Absatz Abschnitt abweichend Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Arbeitnehmerentsendegesetz Europ. Übereinkommen über die Arbeit des im internat. Straßenverkehrs tätigen Fahrpersonals alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Arbeitgeber; Arbeitsgericht; Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Aktiengesetz allgemein allgemeine Meinung anderer Meinung amtliche Begründung Arbeitnehmer Gesetz zur Änderung (von) Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt außerordentlich Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift Arbeitsrechtliche Praxis (Sammlung der Entscheidungen des BAG, der LAG und der AG) Arbeitgeber (Zeitschrift) Arbeitsgerichtsgesetz Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftl. Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall Arbeitsrecht-Blattei (Loseblatt) Arbeitnehmererfindungsgesetz Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz Arbeitsrecht der Gegenwart (Zeitschrift) Arbeitsschutzgesetz Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen f. Zwecke der Verteidigung einschl. des Schutzes der Zivilbevölkerung (Arbeitssicherstellungsgesetz) IX

Abkürzungsverzeichnis

ArbSozPol ArbStättV ArbZRG ArbZRG ARRG ARS ARST Art ASiG AuA AuB Aufl AÜG AuR ausf AVG Az AZO b+ρ BäckArbZG BAG BAGE BAnz BArbBl BArbZG BAT BauR BayLSG BayObLG BB BBG BBiG Bd, Bde BDSG Begr, begr Beil Bek Bern ber BErzGG bes BeschFG BeSchuG betr BetrAV BetrAVG BetrR BetrVG BfA BFH(E) BG X

Arbeits- u. Sozialpolitik (Zeitschrift) Arbeitsstättenverordnung Arbeitszeitrechtsgesetz Arbeitszeitrechtsgesetz Arbeitsrechtsregelungsgesetz Arbeitsrechtssammlung (Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts, der LAG und AG) Arbeitsrecht in Stichworten (Zeitschrift) Artikel Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsbeamte und Fachkräfte f. Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeit und Beruf (Zeitschrift) Auflage Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausführlich Angestelltenversicherungsgesetz Aktenzeichen Arbeitszeitverordnung Betrieb und Personal (Zeitschrift) Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien u. Konditoreien Bundesarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Bundesarbeitsblatt Bäckereiarbeitszeitgesetz Bundesangestelltentarif Baurecht Bayerisches Landessozialgericht Bayerisches Oberlandesgericht Betriebsberater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz Berufsbildungsgesetz Band, Bände Bundesdatenschutzgesetz Begründung, begründet Beilage Bekanntmachung Bemerkung berichtigt Bundeserziehungsgeldgesetz besonders Beschäftigungsförderungsgesetz Beschäftigtenschutzgesetz betreffend Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz über die betriebliche Altersversorgung Der Betriebsrat (Zeitschrift) Betriebsverfassungsgesetz Bundesversicherungsanstalt f. Angestellte Bundesfinanzhof(sentscheidung) Die Berufsgenossenschaft (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

BGB BGBl BGleiG BImSchG BKVO BlStSozArbR BMT-G BMTV BPersVG BRAGO BRAO BR-Drs BRRG BSeuchG BSG(E) BSHG Bsp BT-Drs BUrlG BVerfG(E) BVerwG(E) BVS BVSG bzgl BZRG bzw ChemG CR DAngVers DAR DArbR DB ders dgl dh Die Quelle dies DIHT DJT DNotZ DÖD DÖV DRiG DRiZ Drs DRsp DStR DStZ dtsch DtZ DuD DuR

Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt, ohne Ziff = Teil I, mit II = Teil Π, mit m = Teil ΠΙ Bundesgleichstellungsgesetz - Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes Bundesimmissionsschutzgesetz Berufskrankheitenverordnung, Betriebskostenverordnung Blätter f. Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Bundesmanteltarifgesetz Bundesmanteltarifvertrag Bundespersonalvertretungsgesetz Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Beamtenrechtsrahmengesetz Bundesseuchengesetz Bundessozialgericht(sentscheidung) Bundesozialhilfegesetz Beispiel Bundestags-Drucksache Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht(sentscheidung) Bundesverwaltungsgericht(sentscheidung) Bergmannsversorgungsschein Gesetz über den Bergmannsversorgungsschein bezüglich Bundeszentralregister beziehungsweise Chemikaliengesetz Computer und Recht (Zeitschrift) Die Angestellten-Versicherung (Zeitschrift) Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Deutsches Arbeitsrecht (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe dergleichen das heißt Funktionärszeitschrift des DGB dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift Der öffentliche Dienst (Zeitschrift) Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Richter-Gesetz Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsche Rechtsprechung Das Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung deutsch Deutsch-deutsche Rechtszeitschrift Datenschutz und Datensicherung (Zeitschrift) Demokratie und Recht (Zeitschrift) XI

Abkürzungsverzeichnis

DVBl DWW DZWIR E EAGV eb ed(s) EFZG EGBGB EGV EGKS Einf Einl engl entspr Entw ErgBd Erl ESC EuGH EuGHMR EuGRZ EuR EuZW EWiR EzA EzBat f, ff FamRZ FernUSG Fn FPersG FPersG FPersVO FS FuR GastG Gbl geänd GefStoffVo gem GenTG GenTSV Ges GewArch GewO GG ggf glA GmbH GmbHG GmbH-Rdsch GRUR XII

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Wohnungswirtschaft (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entwurf Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft ebenda editors) Entgeltfortzahlungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Einführung Einleitung englisch entsprechend Entwurf Ergänzungsband Erläuterungen) Europäische Sozialcharta Europäischer Gerichtshof Europäischer Gerichtshof f. Menschenrechte Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Europäische Zeitschrift f. Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Entscheidungen zum Arbeitsrecht Entscheidungssammlung zum Bundesangestellten-Tarif folgend, folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fernunterrichtsschutzgesetz Fußnote Fahrpersonalgesetz Fahrpersonalgesetz Fahrpersonalverordnung Festschrift Familie und Recht (Zeitschrift) Gaststättengesetz Gesetzblatt geändert Gefahrstoffverordnung gemäß Gentechnikgesetz Gentechnik-Sicherheitsverordnung Gesetz Gewerbe-Archiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

GS GV GVBl HAÄndG HandwO Hdb HGB hL hM HRG Hrsg, hrsg HS HwB AR HzA idF idR idS iErg ieS IfSG IHK im allg InfStW insbes insges iS(v) iSd iVm iwS iZw JA JArbSchG JR JURA JurBüro JuS JZ KABl Kap KG KHG KJ Komm krit KSchG KTS KündFG LadSchlG LAGE LBG lfd lit LPersVG

Gedächtnisschrift Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien) Gesetz- und Verordnungsblatt Heimarbeitsänderungsgesetz Handwerksordnung Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Hochschulrahmengesetz Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Handwörterbuch Arbeitsrecht Handbuch zum Arbeitsrecht in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis in engerem Sinne Infektionsschutzgesetz Industrie- und Handelskammer im allgemeinen Information Steuer/Wirtschaft (Zeitschrift) insbesondere insgesamt im Sinne (von) im Sinne des(r) in Verbindung mit im weiteren Sinne im Zweifel Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jugendarbeitsschutzgesetz Juristische Rundschau (Zeitschrift) JURA - Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Das juristische Büro (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristen-Zeitung Kirchliches Amtsblatt Kapitel Kammergericht, Kommanditgesellschaft Krankenhausfinanzierungsgesetz Kritische Justiz (Zeitschrift) Kommentar kritisch Kündigungsschutzgesetz Zeitschrift für Insolvenzrecht Kündigungsfristengesetz Ladenschlußgesetz Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Landesbeamtengesetz laufend Buchstabe Landespersonalvertretungsgesetz XIII

Abkürzungsverzeichnis

LS lt LV m krit Anm m zust Anm maW MDR MedR MitbestG MTB MTL MTV MuSchG mwN Nachw nF NJ NJW NJW-RR Nov Nr nv NVwZ NZA NZS o O oä oHG oj OLG oV OVG OWiG PersF PersR PersV phG Prot RA RAG RAussch RdA RdErl Rdschr Reg RG Ri Rn Rpfleger Rspr RVO S XIV

Leitsatz laut Literaturverzeichnis, Schrifttumsverzeichnis mit kritischer Anmerkung mit zustimmender Anmerkung mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Medizinrecht (Zeitschrift) Mitbestimmungsgesetz Manteltarifvertrag f. Arbeiter des Bundes Manteltarifvertrag f. Arbeiter der Länder Manteltarifvertrag Mutterschutzgesetz mit weiteren Nachweisen Nachweis(e) neue Fassung Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Novelle Nummer nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift f. Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift f. Sozial- und Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht oben Ordnung oder ähnlich offene Handelsgesellschaft ohne Jahr Oberlandesgericht ohne Verfasser Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Personalführung (Zeitschrift) Der Personalrat (Zeitschrift) Die Personalvertretung (Zeitschrift) persönlich haftender Gesellschafter Protokoll Rechtsanwalt Reichsarbeitsgericht Rechtsausschuß Recht der Arbeit (Zeitschrift) Runderlaß Rundschreiben Regierung Reichsgericht Richtlinie Randnummer (-Ziffer) Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtsprechung Reichsversicherungsordnung Seite, Satz

Abkürzungsverzeichnis

s sa SAE SchuldRModG SchwbG SeemG SGB Slg so sog SozFort SozSich SprAuG Stbg std Rspr StGB str StVZO su TranspR TVAL TVG Tz TzBfG u ua uä Überbl Übk UFITA ÜM unstr unv uU UVP UWG ν VAA Vers VersR VG vgl Voraufl Vorbem ViiR WiVerw WRP WRV zB ZBR ZevKR ZfA ZfB

siehe siehe auch Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts Schwerbehindertengesetz Seemannsgesetz Sozialgesetzbuch Sammlung siehe oben sogenannt(e) Sozialer Fortschritt (Zeitschrift) Soziale Sicherheit (Zeitschrift) Sprecherausschußgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch strittig, streitig Straßenverkehrszulassungsordnung siehe unten Transportrecht (Zeitschrift) Tarifvertrag f. Angehörige alliierter Dienststellen Tarifvertragsgesetz Textziffer Teilzeit- u. Befristungsgesetz unten unter anderem, und andere und ähnliche Überblick Übereinkommen Archiv f. Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht überwiegende Meinung unstrittig unveröffentlicht unter Umständen Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über unlauteren Wettbewerb vom Verband der außertariflichen Angestellten Versicherung Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsgericht vergleiche Vorauflage Vorbemerkung Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift f. evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Bergrecht XV

Abkürzungsverzeichnis

ZfS ZGR ZKR ZIAS ZIP zit ZPO ZRP zT ZTR zust zutr zVb

XVI

Zentralblatt f. Sozialversicherung (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift f. das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift f. ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift f. Tarifrecht zustimmend zutreffend zur Veröffentlichung bestimmt

Literaturverzeichnis A Itvater/Bacher/Hörter/Peiseler/ Sabottig/Schneider/Vohs Ascheid ders Ascheid/Preis/Schmidt/Bear&et'ier Anzinger/Zmarzlik Bader/Bram/Dörner/Wenzel/B«ari>«'ier Baech/Deutsch Becker-Schaffner Berkowsky ders BGB-RGRK/Bearta'fer

Brenne

Brox/Rüthers Buchner/Becker Bütefisch Buschmann/Ulber Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese Coen Conradi Crisolli/Ramdohr Dachrodt Oïub\ei/Bearbeiter ders Dietrich/Preis Dietz Dittmayer OKK/Bearbeiter Dobberahn EFZG /Schmitt Ehrich

BPersVG - Bundespersonalvertretungsgesetz, Kommentar für die Praxis, 4.Aufl 1996 Beweislastfragen im Kündigungsschutzprozeß, 1989 Kündigungsschutzrecht, 1993 Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2001 Kommentar zum Arbeitszeitgesetz, 1995 KSchG, Loseblatt, Stand September 2001 Arbeitszeitgesetz, 1999 Die Abwicklunng des beendeten Arbeitsverhältnisses, 1983 Die betriebsbedingte Kündigung, 4.Aufl 1997 Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 3. Aufl 1997 Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung des Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes - Kommentar, 12. Aufl, Bd II 3/1 ($$611-620), Bd II 3/2 ($$ 621-630) 1997 Der B e g r i f f „ A r b e i t n e h m e r " im Steuerrecht- insbesondere sein Verhältnis zum Begriff „Arbeitnehmer" im Arbeitsrecht, Diss. Köln, 1969 Arbeitskampfrecht, 2. Aufl 1982 Mutterschutzgesetz, Bundeserziehungsgeldgesetz, 6. Aufl 1998 Die Sozialauswahl, 2000 Arbeitszeitgesetz, 2. Aufl 1999 BAT, Loseblatt, Stand Septeber 2001 Das Recht auf Arbeit und der Bestandsschutz des gekündigten Arbeitsverhältnisses, 1979 Freiheitsrecht und Arbeitsverfassung, 1964 Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Loseblatt, Stand Oktober 2001 Zeugnisse lesen und verstehen, 6. Aufl 2001 Arbeitskampfrecht, 2. Aufl 1987 Tarifvertragsrecht3 1993 Befristete Arbeitsverhältnisse in Wissenschaft und Forschung, 2001 Arbeitszeugnisse ausstellen und beurteilen, 11. Aufl 1999 Das Zusammenspiel von Steuerrecht und Schadensrecht bei der Erwerbsschadensberechnung, 1987 Däubler/Kittner/Klebe Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 7. Aufl 2000 Das neue Arbeitszeitrechtsgesetz, 1994 Kommentar zum Entgeltfortzahlungsgesetz, 3. Aufl 1977 Amt, Anstellung und Mitbestimmung bei betrieblichen Beauftragten, 1993 XVII

Literaturverzeichnis

Enneccerus/Kipp/Wolff ErfKomm/Bearbeiter Ermin/Bearbeiter Ernst Fastrich FKHE Fromm Gahlen Gentges Gessert Gierke, Otto von ders Gift/Rauer GK-BetrVG /Bearbeiter Göldner Grabendoiff/Windscheid/Ibertz/Widmaier Großmann/Schneider Grunsky Hagemeier/Kempen/Zathert/Zilius Hailbronner/Gais Hanau/Preis Heilmann Heinrich Heinze Hess/Schlochauer/Glaubnitz Hildebrandt Hill Hinrichs Hoehn Hoeniger/Wehrle Honstetter Hromadka ders Hueck/Nipperdey dies Hueck/v. Hoyningen-Huene HzA/Bearbeiter Jacobi Kador Kalb

XVIII

Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, II. Band Recht der Schuldverhältnisse, 15. Aufl 1958 Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2001 Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl 2000 Aufhebungsverträge zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 1993 Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992 Fitting/KaiserfHeither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 20. Aufl 2000 Die arbeitnehmergedingten Kündigungsgriinde, 1995 Die Suspendierung eines Arbeitnehmers, Diss Gießen 1990 Prognoseprobleme im Kündigungsschutzrecht, 1995 Schadensersatz nach Kündigung, 1987 Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1889 Deutsches Privatrecht, Bd3, 1917 Das Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen, 1993 Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, Band I 1997, Band Π, 6. Aufl 1998 Grundlagen des Zeugnisrechts, 1989 BPersVG - Bundespersonalvertretungsgesetz, 8. Aufl 1995 Arbeitsrecht, 3. Aufl 1974 Das Arbeitsverhältnis im Konkurs- und Vergleichsverfahren, 2. Aufl 1985 Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl 1990 HRG, Loseblatt, Stand Mai 2001 Der Arbeitsvertrag (Loseblatt) Stand 2000 Verdachtskündigung und Wiedereinstellung nach Rehabilitierung, 1964 Die Beweislast bei Rechtsgeschäften, 1995 Personalplanung, Einstellung, Kündigung, 1982 Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl 1997 Disparität und Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht, 1987 Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982 Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen, 2001 Beschäftigungsanspruch und Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers im gekündigten Arbeitsverhältnis, 1989 Textsammlung Arbeitsrecht, l.Aufl 1920 Die Prognoseentscheidung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht, 1994 Das Recht der leitenden Angestellten, 1979 Sprecherausschußgesetz, 1991 Grundriß des Arbeitsrechts, 3. Aufl 1965 Lehrbuch des Arbeitsrechts Bd I, 7. Aufl, 1963 bis 1970 KSchG, 12. Aufl 1997 Handbuch zum Arbeitsrecht (Loseblatt) Stand 6/2001 Grundlehren des Arbeitsrechts, 1927 Arbeitszeugnisse richtig lesen - richtig formulieren, 6. Aufl 2001 Rechtsgrundlagen und Reichweite der Betriebsrisikolehre, 1977

Literaturverzeichnis

ders Κanta Kapp us Käser Kasseler Handbuch Kempen/Zachert Kiel/Koch Kittner/Däubler/Zwanziger/Beari>«'ter Kliemt Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer Körnich Konzen v. Koppenfels KR/Bearbeiter

Kramer Kreuzer/Scheuing/Sieber Küchle/Bopp Küttner/Bearbeiter Langer Latenz Lepke Lieb Link Löwisch Lorenzen/Eckstein Lotmar Löwisch/Rieble Lucas Maus/Schmidt Maydell, von Meier Menger, A. Molitor ders Müller-Ehlen MünchArbR¡Bearbeiter MünchKomm/Bear&ei'ter MünchKommZPO/Bear&ef'ier Nagel Neumann/Biebl

Arbeitskampfrecht, 1985 Nichtarbeitsrechtliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, 1990 Rechtsfragen der Telearbeit, 1998 Römisches Privatrecht, 4.Aufl 1965 Leinemann (Hrsg) Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2000 Tarifvertragsgesetz, 3. Aufl 1997 Die betriebsbedingte Kündigung, 2000 KSchR, 5. Aufl 2001 Formerfordernisse im Arbeitsverhältnis, 1995 Handbuch des Kündigungsrechts, 4. Aufl 1998 Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren in Betriebsverfassungssachen, 1978 Aufopferung im Zivilrecht, 1969 Die außerordentliche arbeitgeberseitige Kündigung bei einzelund tarifvertraglich Unkündbaren Arbeitnehmern, 1998 Becker/Etzel/Fischermaer/Friedrich/Lipke/Pfeiffer/Rost/Spilger/Weigend/WoöFGemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 3. Aufl 1989, 5. Aufl 1998, 6. Aufl 2002 Kündigungsvereinbarungen im Arbeitsvertrag, 1994 Die Europäisierung der mitgliedstaatlichen Rechtordnungen in der Europäischen Union, 1997 Zeugnismuster für die betriebliche Praxis, 12. Aufl 1997 Personalbuch 2001 Arbeitsrecht, Lohnsteuerrecht, Sozialversicherungsrecht Gesetzliche und vereinbarte Ausschlußfristen im Arbeitsrecht, 1993 Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991 Kündigung bei Krankheit, 10. Aufl 1999 Arbeitsrecht, 6. Aufl 1997 Die soziale Auswahl bei betriebsbedingter Kündigung, 1989 Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, 1997 Bundespersonalvertretungsgesetz (Loseblatt) Stand 2001 Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Bd I 1902, Bd II 1908 Tarifvertragsgesetz, 1992 Arbeitszeugnisse richtig deuten, 19. Aufl 2001 Heimarbeitsgesetz, 3. Aufl 1976 Soziale Rechte in der EG, 1990 Lexikon der Streitwerte im Arbeitsrecht, 1998 Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1890 Das Wesen des Arbeitsvertrags, 1923 Die Kündigung, 2. Aufl 1955 Der Übergang von Arbeitsverhältnissen im Umwandlungsrecht, 1999 Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3 Bände, 2. Aufl 2000 Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl 1997 Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl 2001 Fristverträge an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, 1986 Kommentar zum Arbeitszeitgesetz, 13. Aufl 2001 XIX

Literaturverzeichnis

Neumann/Pahlen Nikisch Nikisch Noll Note Oertmann Oetker Oppermann Orlowski

Otto, A. Otto, H. Palandt/Bear6«'fer Potthoff Preis ders Reich Reinfeld Reuter, M. Richardi ders ders Rubers Ruland Säcker Schaub Schießmann Schliemann Schliemann/Meyer Schmidt, K. Schmoller Scholz/Konzen Schulz Seiter Sinzheimer, H. ders Süllner Seiter XX

Schwerbehindertengesetz, 9. Aufl 1999 Arbeitsrecht B d l , 3. Aufl 1961 Die Grundformen des Arbeitsvertrags und der Anstellungsvertrag, 1926 Gesetzgebungslehre, 1973 Zulässigkeit und Grenzen ärztlicher Untersuchungen von Arbeitnehmern, 1991 Deutsches Arbeitsvertragsrecht, 1923 Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung, 1994 Europarecht, 1990 Zeitliche Schranken des Schadensersatzanspruchs des Arbeitnehmers aus $ 628II BGB unter besonderer Berücksichtigung des KSchG, Diss Würzburg, 1984 Der Wegfall des Vertrauens in den Arbeitnehmer als wichtiger Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, 2000 Einführung in das Arbeitsrecht, 2. Aufl 1997 Kurzkommentar zum BGB, 60. Aufl 2001 Das Ringen um werdendes Recht, 1928. Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, 1987 Grundfragen der Vertragsgestaltung bei Arbeitsverhältnissen, 1993 HRG, 2. Aufl 2000 Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1993 Die Stellung des Arbeitsrechts in der Privatrechtsordnung, 1989 Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968 Betriebsverfassung und Privatautonomie, 1973 Bundespersonalvertretungsgesetz, 1978 Sozialrechtfertigung als Organisationsschutz, Diss Berlin, 1997 Die Arbeitskraft als vermögenswertes Rechtsgut im Schuldrecht, 1984 Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, 1972 Handbuch des Arbeitsrechts, 9. Aufl 2000 Das Arbeitszeugnis, 16. Aufl 2000 Arbeitszeitgesetz, 1997 Arbeitszeitrecht, 2002 Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Beschluß, 2001 Zur Sozial- und Gewerbepolitik der Gegenwart, 1890 Die Aussperrung im System von Arbeitsverfassung und Kollektivem Arbeitsrecht, 1980 Alles über Arbeitszeugnisse, 6. Aufl 2000 Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1975 Der korporative Arbeitsnormenvertrag, I. Teil 1907, II. Teil 1908 Ein Arbeitstarifgesetz, 1916. Grundriß des Arbeitsrechts, 12. Aufl 1998 Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1975

Literaturverzeichnis

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Der Betriebsübergang nach $ 613a BGB im neuen Umwandlungsrecht, Diss Bonn 1998 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl 2000, Neubearbeitung ab 2000 Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, 1982 Betriebsverfassungsgesetz, 8. Aufl 1999 Betriebsfrieden und Politplakette, 1985 Das Dienstzeugnis, 1984 Arbeitnehmer und Selbständige, 1988 Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 2. Aufl 1998 Autonomie im Arbeitsrecht, 1994 Arbeitszeugnisse in Textbausteinen, 8. Aufl 2000 Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966 Tarifvertragsgesetz, 6. Aufl 1999 Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl 1977 Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl 1906, 2. Nachdruck 1984 Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozeß, 1987 Mutterschutz, Mutterschaftsleistungen und Bundeserziehungsgeldgesetz, 8. Aufl 1999 Arbeitsrecht, 5. Aufl 1998

Zöllner/Loritz

XXI

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (RGBl S 195) in der ab 2. Januar 2002 geltenden Fassung der Neubekanntmachung vom 8. Januar 2002 (BGBl I, 42-341)

Buch 2

Recht der Schuldverhältnisse

Abschnitt 8

Einzelne Schuldverhältnisse

Titel 8

Dienstvertrag

$611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrages können Dienste jeder Art sein.

Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht Ubersicht Rn Dienstvertrag und Arbeitsvertrag 1. Typologischer Zusammenhang 2. Grundsätzliche Unterscheidung zwischen Dienst- und Arbeitsvertrag 3. Dienstvertragsrecht und Arbeitsrecht . . Arbeitsrecht - Begriff und Grandgedanken 1. Begriff des Arbeitsrechts 2. Regelungsziel des Arbeitsrechts a) Generelle Zielvorstellungen b) Schutz des einzelnen Arbeitnehmers . c) Soziale Selbstverwaltung aa) Koalitionsrecht bb) Tarifautonomie cc) Arbeitskampf dd) Tarifrecht d) Mitbestimmung aa) Unternehmensmitbestimmung. bb) Betriebliche Mitbestimmung . . cc) Sprecherausschußgesetz e) Arbeitsrechtsschutz f) Soziale Sicherheit g) Europäisches Arbeitsrecht 3. Grundlagen des Arbeitsrechts

Harald Schliemann

1-5

.

.

. .

6-8 9-12 13-16 17 18-22 23-34 35 36-39 40,41 42 43-45 46 47 48-58 59-67 68-72 73-79 80-83 84

Rn a) Innerstaatliche förmliche Rechtsquellen b) Gewohnheitsrecht c) Nichtstaatliche Normen (autonome Regelungen) d) Über- und zwischenstaatliche formliche Rechtsquellen e) Die Rechtsprechung als Rechtsquelle. . f) Künftige Ordnung der Rechtsquellen. . g) Internationales Arbeitsrecht h) Gestaltungsformen des Arbeitsrechts. . 4. Arbeitsrecht und Zivilrecht a) Gleichbehandlung aa) Gegenständlicher Anwendungsbereich bb) Personeller Anwendungsbereich . cc) Betrieblicher Geltungsbereich . . dd) Gruppenbildung ee) Rechtsfolgen ff) Verbot der Geschlechtsdiskriminierung b) Objektive Gesetzesumgehung/Normumgehung

85-88 89 90-95 96-103 104 105,106 107 108-114 115,116 117-119 120-124 125 126 127-131 132-134 135-140 141-145

$ 611

Vertragstypische Pflichten b e i m Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines z u m Arbeitsvertragsrecht Rn

c) Anfechtbarkeit und Nichtigkeit des Arbeitsvertrages d) Allgemeines arbeitsrechtliches Günstigkeitsprinzip e) Tarifrechtlicher normativer Günstigkeitsvergleich f) Betriebsverfassungsrechtlicher kollektiver Günstigkeitsvergleich g) Richterliche Vertragskontrolle III. Vertragsfreiheit und Arbeitnehmerstatus 1. Zweck des Arbeitnehmerbegriffs 2. Arbeitnehmer als Statusbegriff 3. Arbeitnehmereigenschaft als Geschäftsinhalt 4. Rechtsfolgen der Arbeitnehmereigenschaft 5. Gerichtliche Klärung der Arbeitnehmereigenschaft IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht 1. Der Arbeitnehmerbegriff als Zentralbegriff des Arbeitsrechts 2. Der Arbeitnehmerbegriff im Gesetz . . . . a) BGB und arbeitsrechtliche Gesetze . . . b) Öffentlich-rechtliche Gesetze c) Europäische Gesetze d) Gegenbegriffe zum „Arbeitnehmer" . . 3. Der Arbeitnehmerbegriff in der Rechtsprechung a) Europäischer Gerichtshof b) Bundesverfassungsgericht c) Bundesgerichtshof d) Bundessozialgericht e) Bundesfinanzhof f) Bundesverwaltungsgericht g) Bundesarbeitsgericht aa) Verpflichtung zur Leistung von Arbeit bb) Grundlage: Privatrechtlicher Vertrag cc) Im Dienste eines anderen dd) Einzelkriterien der persönlichen Abhängigkeit 4. Der Arbeitnehmerbegriff im Schrifttum . . 5. Arbeitnehmerbegriff der (ehemaligen) DDR V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen 1. Öffentlichrechtliche Grundlagen a) Beamte, Soldaten, Richter b) Wehr- und Zivildienstleistende c) Entwicklungshelfer d) Helfer im freiwilligen sozialen bzw ökologischen Jahr e) Sozialhilfeempfänger f) ABM-Kräfte g) Rehabilitanden h) Zur Wiedereingliederung Beschäftigte . i) Strafgefangene 2. Rechtstypusalternativen für Bedienstete an Hochschulen und in Kirchen a) Hochschulen b) Kirchen 3. Zivilrechtliche Grundlage außer Dienstverträgen a) Gesellschaftsrecht b) Vereins-und Verbandsrecht c) Familienrecht d) Franchise 4. Freie Dienstverträge a) Organmitglieder juristischer Personen .

2

Harald Schliemann

146 147 148-151 152-156 157-159 160 161,162 163,164 165 166

167,168 169,170 171-175 176 177 178-181 182 183 184-186 187 188 189,190 191 192 193,194 195,196 197-200 201-214 215-225 226 227 228-233 234 235 236 237 238 239 240 241

242,243 244

245-247 248-251 252-255 256 257 258,259

Rn b) Handelsvertreter 260-264 c) Freie Mitarbeiter 265-273 d) Arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, Gleichgestellte 274,275 aa) Arbeitnehmerähnliche Personen 276-283 bb) Heimarbeiter 284-289 e) Tele(heim)arbeit, Computer-Heimarbeit 290-292 VI. Arbeitsvertragliche Beziehungen bei Beteiligung Dritter 1. Arbeitsleistung aufgrund zweiseitiger Verträge 293 2. Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen. . . . 294 3. Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit, Leiharbeit 295 a) Arbeitsvertrag 296,297 b) Dienst-und Werkvertrag 298 c) Arbeitnehmerüberlassung 299,300 aa) Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung 301-303 bb) Nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung 304,305 cc) Arbeitnehmerüberlassung im selben Wirtschaftszweig 306,307 dd) Maschinen mit Bedienungspersonal 308 4. Gestellungsverträge 309 5. Mehrheit von Arbeitgebern 310 a) Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . 311 b) Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen 312 c) Gesamthafenbetrieb 313 6. Mittelbares Arbeitsverhältnis 314-316 7. Gruppenarbeitsverhältnis 317 a) Betriebsgruppe 318 b) Eigengruppe 319 c) Job-Sharing, Job-Pairing 320 VII. Dauer und Umfang der Arbeitsverhältnisse . . 321 1. Arbeitsverhältnisse, Befristungen 322 2. Vollzeitarbeitsverhältnisse und Sonderformen a) Voll- und Teilzeit 323 b) Aushilfsarbeitsverhältnisse 324 c) Abrufarbeitsverhältnisse 325 v m . Ausbildungsverhältnisse 326 1. Zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte . . 327-330 2. Ausbildungsverhältnisse im Sinne des Berufsbildungsgesetzes 331 3. Volontär, Arzt im Praktikum 332,333 4. Praktikanten 334 IX. Arten von Arbeitnehmern 1. Angestellte und Arbeiter 335 a) Bedeutung der Unterscheidung 336-338 b) Verfassungsmäßigkeit der Unterscheidung 339 c) Gesetzliche Unterschiede 340 d) Komplementärbegriffe 341 e) Tarifverträge 342 f) Gemischte Tätigkeiten 343 2. Außertarifliche, übertarifliche und leitende Angestellte 344 a) Außertarifliche und Ubertarifliche Angestellte 345 b) Leitende Angestellte 346 aa) Allgemeiner Sprachgebrauch . . . 347 bb) Angestellte in leitender Stellung . 348 cc) Leitende Angestellte im Sinne des S 5 BetrVG 349-351

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 I. Dienstvertrag und Arbeitsvertrag Rn 3. Berufszugehörigkeit der Arbeitnehmer . . 352-355 X. Arbeitgeber 356 XI. Betrieb, Unternehmen, Konzern

I.

Dienstvertrag und Arbeitsvertrag

1.

Typologischer Zusammenhang

1. Betrieb . . . 2. Unternehmen 3. Konzern. . .

Rn 357-358 359 360, 361

Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt im zweiten Buch Recht der Schuldverhältnisse, Siebenten Abschnitt 1 Einzelne Schuldverhältnisse, Sechsten Titel Dienstvertrag wesentliche Grundregeln sowohl für den (freien) Dienstvertrag als auch für den Arbeitsvertrag. Zwischen dem Dienstvertrag und dem Arbeitsvertrag besteht ein typologischer Zusammenhang. Beide sind gegenseitige privatrechtliche Leistungsaustauschverträge, die auf die Leistung von Diensten gegen Entgelt gerichtet und in aller Regel als Dauerschuldverhältnisse angelegt sind, zu deren Beendigung es einer hierauf gerichteten Vereinbarung oder eines einseitigen Beendigungsaktes, in der Regel einer Kündigung, bedarf. Dieser Zusammenhang zeigt sich an den für beide Vertragstypen gleichermaßen geltenden Bestimmungen der $$ 611, 612 und 620 BGB wie auch am System des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Erkenntnis, der Dienstvertrag sei ein von anderen Verträgen des BGB zu unterscheidender Grund- 2 typus, ist bis zu einem gewissen Grad als Schlußpunkt einer neueren Rechtsentwicklung anzusehen. Die Schaffung der damals einheitlichen Bestimmungen über den Dienstvertrag in der Reihe der Besonderen Schuldverhältnisse im Siebenten Abschnitt des Zweiten Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches bedeutet die grundsätzliche Lösung von Vorstellungen des römischen Rechts, die in Grundzügen auch noch im gemeinen Recht geherrscht haben. Im römischen Recht standen die entgeltliche Nutzung der Arbeit eines unfreien Menschen und der 3 entgeltliche Gebrauch von Sachen durch Miete oder Pacht insoweit typologisch gleich, als sie der locatio conductio als einem einheitlichen Typus eines Konsensualvertrags unterlagen.1 Er umfaßte Miete und Pacht ebenso wie Dienst- und Werkvertrag. Unterschieden wurde nur hinsichtlich des Gegenstandes des locare, nämlich bei Miete und Pacht in loc. cond. rei, beim Werkvertrag in loc. cond. operis und beim Dienstvertrag loc. cond. operarum. Indessen blieb der Vertragstypus trotz der Unterschiede einheitlich. Von der Vorstellung des auch die Dienstleistung umfassenden Vertragstypus, dessen Grundmodell die Sachmiete war, hat sich das Bürgerliche Gesetzbuch insoweit gelöst, als es zwischen Miete und Pacht einerseits und den Vertragstypen Dienstvertrag und Werkvertrag anderseits unterscheidet und sie unter verschiedenen Titeln anordnet. Andererseits schimmert die einheitliche Grundvorstellung aus dem römischen und aus dem gemeinen Recht noch insoweit durch, als $ 611 Abs 1 BGB „im Hinblick auf die nahe Verwandtschaft beider Verträge" (Mot II 455) seine sprachliche Fassung in Anlehnung an die Regelung des Mietvertrags ($ 535 BGB) erhielt. Dasselbe gilt für den Werkvertrag ($ 631 BGB). Die Nähe von Dienstvertrag und Werkvertrag in der Vorstellung des Gesetzgebers des Bürgerlichen Gesetzbuches wird zudem durch die engste inhaltliche und sprachliche Anlehnung nicht nur der grundlegenden Bestimmungen der $5 611 und 631 BGB deutlich, sondern auch in den fast wortgleichen Normen über das Geschuldetsein von Entgelt, falls hierüber nichts vereinbart worden ist (§ 612 BGB für den Dienstvertrag, $ 632 BGB für den Werkvertrag). Nach römischem Recht konnten die Dienstleistungen höherer Art, wie sie von Lehrern als artes 4 liberales oder operae liberales von Ärzten, Rechtsanwälten und anderen geleistet wurden, später zwar auch der locatio conductio unterliegen. Es galt jedoch für diese Angehörigen der höheren und höchsten Schichten als unfein, sich in der locatio conductio gegen Entgelt (merces) zu verdingen. Die Angehörigen dieser Schichten pflegten unentgeltlich, allenfalls in einem Auftrag (mandatum) zu handeln. Indessen bildete sich für die Empfänger solcher Gefälligkeiten die sittliche Pflicht heraus, als Gegengabe etwas zur Ehre des Leistenden, nämlich ein honorarium oder salarium zu gewähren. Ursprünglich wurde die locatio conductio nur auf die Dienstmiete der Unfreien bzw der Niederen angewendet. Auch als sie 1 Käser Römisches Privatrecht4, § 42 I; Windscheid/Kipp Pandektenrecht9, § 399. Harald Schliemann

3

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

später auf Verhältnisse zur Leistung höherer Dienste anwendbar war, wurde die Gegengabe nicht als rechtlich geschuldet angesehen. Sie konnte nicht im ordentlichen Prozeß (actio), sondern nur im besonderen Verfahren der extraordinaria cognitio eingeklagt werden. Diese Trennung hat das Bürgerliche Gesetzbuch gegen den Widerstand von Ärzten und Rechtsanwälten, die erhebliche Bedenken gegen die Anwendung der Vorschriften des Dienstvertrags (wie auch des Werkvertrags) auf ihre Tätigkeit geltend gemacht hatten (vgl Mot II 277), überwunden und in $ 611 Abs 2 BGB ausdrücklich angeordnet, daß Dienste jeder Art Gegenstand des Dienstvertrags sein können. Ähnlich ist auch $ 631 Abs 2 BGB zu verstehen, wonach Gegenstand des Werkvertrags sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch - und damit sind gerade auch Tätigkeiten höherer Art gemeint - ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein kann. Eine Sonderbestimmung für Dienste höherer Art findet sich allerdings noch in $ 627 hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung von Dienstverhältnissen, die keine Arbeitsverhältnisse sind. 5 Unmittelbar im Anschluß an den Dienstvertrag regelt das Bürgerliche Gesetzbuch den Werkvertrag. Diese Systematik verdeutlicht nochmals, daß sich der Gesetzgeber von der römisch-rechtlichen Grundvorstellung der locatio conductio einerseits gelöst hat, daß ihm aber eine völlige Überwindung dieser Vorstellungen nicht gelungen ist. Zudem hat er mit der Beschreibung der Gegenstände von Dienstvertrag („Dienste jeder Art" - S 611 Abs 2 BGB) und Werkvertrag („... als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg" - $ 631 Abs 2 BGB) vorausgesehene Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von Dienst- und Werkvertrag in Kauf genommen als einen „Übelstand", welcher in der Natur der Dinge liegt und sich nicht beseitigen läßt (Mot Π 470). Dementsprechend ordnete die ältere zivilrechtliche Dogmatik den Dienstvertrag und den Werkvertrag als Haupttypen des „Vertrags auf Arbeit" dem gemeinsamen Oberbegriff „Arbeitsvertrag" unter.2 Noch im Jahre 1958 faßte H. Lehmann als nach ihrem materiellen Inhalt zu scheidende Gruppen von Schuldverhältnissen unter anderem als „Arbeitsverträge und -schuldverhältnisse, und zwar entgeltliche, Dienstvertrag, Werkvertrag, Mäklervertrag und Auslobung, sowie als unentgeltliche den Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag" zusammen.3 2.

Grundsätzliche Unterscheidung zwischen Dienst- und Arbeitsvertrag

6 Bereits beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, zwischen dem (allgemeinen) Dienstvertrag und dem Arbeitsvertrag müsse hinsichtlich des Schutzes des Arbeitnehmers unterschieden werden. Die Kodifizierung des Dienstvertragsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch brachte gegenüber dem vorherigen Rechtszustand insoweit kaum einen Fortschritt. Unter anderem deshalb kritisierten A. Menger4 und Otto von Gierke1 den Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches, wenn auch ohne wesentlichen Erfolg. Lediglich die $$ 616, 617 und 618 BGB in ihrer ursprünglichen Fassung deuten insoweit auf ein Schutzbedürfnis abhängiger Dienstleistender hin, als darin Bestimmungen über die Fortzahlung des Entgelts bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung bzw über den Schutz gegen Gefahren für das Leben und die Gesundheit des Dienstleistenden in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wurden. Lotmar stellte als erster Verfasser eines Lehrbuchs Rechtsprobleme dar, die sich aus abhängiger Dienstleistung ergeben,6 insbesondere nahm er sich des - soweit erkennbar, bis dahin wissenschaftlich unbeachteten - Tarifvertrages an.7 H. Sinzheimer nahm den Tarifvertrag als Gegenstand wissenschaftlicher Betätigung auf und untersuchte ihn folgerichtig weiter.8 Die grundsätzliche Erkenntnis, daß zwischen dem Dienstvertrag und dem Arbeitsvertrag generell zu unterscheiden sei, griff erst mit der sich seit dem Ende des ersten Weltkriegs anbahnenden Arbeitsrechtswissenschaft

2 O. v. Gierke Deutsches Privatrecht Bd 3, 1917, 412, 509. Vgl auch das umfangreiche zweibändige Werk von Ph. Lotmar Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches Bd I (827 Seiten) 1902, Bd 2 (1049 Seiten) 1908; sa Nikisch Die Grundformen des Arbeitsvertrags und der Anstellungsvertrag (1926). 3 Lehmann in: Enneccerus/Kipp/Wolff Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II. Band: Recht der Schuldverhältnisse15, 1958, J 99 m 3. 4

Harald Schliemann

4 Α. Menger Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1890. 5 O. v. Gierke Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1889. 6 Insbesondere Band 1 seines oben (Fn 2) erwähnten Werkes. 7 Bd 1, 774 ff seines oben (Fn 2) erwähnten Werkes. 8 Der korporative Arbeitsnormenvertrag, I. Teil 1907, II. Teil 1908; Ein Arbeitstarifgesetz, 1916.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 I. Dienstvertrag und Arbeitsvertrag Platz. Hoeniger stellte 1920 in der Einleitung der von ihm und Wehrte herausgegebenen Textsammlung „Arbeitsrecht" (!) dar, der Dienstvertrag des Bürgerlichen Gesetzbuches umfasse zwei Unterfälle, nämlich den Dienstvertrag des Selbständigen und den Arbeitsvertrag des abhängigen Arbeitnehmers. 9 Dies stimmt zeitlich mit dem Wachsen der Erkenntnis überein, unter Arbeitsrecht diejenigen Normen zusammenzufassen, die sich aus der Leistung abhängiger Arbeit ergeben. Zum damals neuen Rechtsgebiet des Arbeitsrechts entstanden in den zwanziger Jahren zahlreiche grundlegende Gesamtdarstellungen namhafter Rechtswissenschaftler. In der Lehre wie vor allem auch in der rechtlichen Praxis wird seitdem und im Ansatz unverändert zwischen dem privatrechtlichen Dienstvertrag und dem durch ihn begründeten privatrechtlichen

7

Dienstverhältnis auf der einen Seite und dem Arbeitsvertrag bzw dem durch ihn begründeten Arbeitsverhältnis auf der anderen Seite unterschieden. Der Gemeinsamkeit von Dienst- und Arbeitsvertrag als auf die Leistung von Diensten gegen Entgelt gerichteten privatrechtlichen Leistungsaustauschverträgen steht als unterscheidendes Merkmal der Grad der persönlichen Abhängigkeit des zur Leistung der Dienste bzw der Arbeit Verpflichteten 1 0 gegenüber. In den Text des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die sprachliche Unterscheidung zwischen Arbeitsverhältnis und Dienstverhältnis erst durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz 1969 eingeführt worde. 1 1 Für ein „Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist", enthält S 6 2 1 BGB andere Bestimmungen über Kündigungsfristen als sie für Arbeitsverhältnisse gelten. Auch S 627 Abs 1 BGB gilt nur für ein „Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des S 6 2 2 ist". $ 622 BGB betrifft das .Arbeitsverhältnis" eines Angestellten wie auch das eines Arbeiters, $ 623 gilt für „Arbeitsverhältnisse". Demnach geht der Gesetzgeber inzwischen von der grundlegenden Vorstellung aus, unter dem Begriff Dienstverhältnis seien zwei rechtlich zu unterscheidende Rechtsverhältnisse z u s a m m e n g e f a ß t , nämlich das freie oder unabhängige Dienstverhältnis und das Arbeitsverhältnis. 3.

8

Dienstvertragsrecht u n d Arbeitsrecht

Die Tatsache, daß es neben dem Dienstvertragsrecht ein besonderes Recht zur Regelung der abhängigen Arbeit gebe und dieses als besonderes Rechtsgebiet angesehen werden müsse, hat schon der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches zwar im Ansatz erkannt gehabt. Gleichwohl hat er diese Frage nicht innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Dessen Bestimmungen über den Dienstvertrag blieben daher aus der Sicht eines einheitlichen Arbeitsrechts unvollständig. Bei der Schaffung des BGB waren zahlreiche vertragliche Rechtsverhältnisse über die Leistung von Diensten oder Arbeit (vgl zur Terminologie: $ 113 BGB) bereits durch reichs- oder landesgesetzlich geregelt. Reichsgesetzlich waren bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches die Dienstverhältnisse ua der Handlungsge-

9

hilfen (Art 57 bis 65 ADHGB) und der gewerblichen Arbeitnehmer und Betriebsbeamten (Angestellten) in den Fabriken (SS 105 bis 139 GewO) geregelt. Neben diesen reichsrechtlichen Regelungen für die abhängigen Dienstverhältnisse bzw Arbeitsverhältnisse dieser beiden soziologischen Großgruppen gab es für das Hauspersonal und die damals bedeutende Gruppe der landwirtschaftlichen Dienstnehmer die landesrechtlichen Gesinderechte. Sie blieben durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches unberührt (vgl Art 95 EGBGB) und sind erst durch die Bestimmung in Nr 8 des Aufrufs der Volksbeauftragten vom 1 2 . 1 1 . 1918 (RGBl 1303) außer Kraft gesetzt worden. Die landesrechtlichen Gesindeordnungen waren die letzten gesetzlichen Bestimmungen, die noch von einem Herrschaftsverband ausgingen, in welchem das Gesinde nicht nur Dienste zu leisten hatte, sondern es seinem Herrn auch Gehorsam und Treue schuldete (vgl SS 7 0 ff der Preußischen GesindeO vom 8 . 1 1 . 1 8 1 0 , GS, 101). Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs wurde insoweit bewußt von einer umfassenden „Kodifikation des modernen Arbeitsvertragsrechts" 12 abgesehen. Dienstverhältnisse, die wegen ihrer sozialen Bedeutung oder wegen ihrer Besonderheiten besonderer, eingehender Regelungen bedürften, sollten der 9 Hoeniger Einleitung in: Hoeniger/Wehrle Textsammlung Arbeitsrecht1,1920. Sa Oertmann Deutsches Arbeitsvertragsrecht, 1923, 8 ff, 13 ff; Molitor Das Wesen des Arbeitsvertrags, 1923, 71 ff. 10 SUtt vieler BAG 26.5.99 - 5 AZR 469/98 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 104. Harald Schliemann

11 Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechts und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) ν 14.8.69 (BGBl I 1106). 12 O. v. Gierke Deutsches Privatrecht, Bd 3, 1917, 600.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Spezialgesetzgebung überlassen bleiben, in das Bürgerliche Gesetzbuch sollten nur „Bestimmungen allgemeiner Art, die sich für Dienstverhältnisse verschiedenster Art eignen, aufgenommen werden". 1 3 10

Dadurch blieb es bei grundlegenden Unterschieden in der Wertentscheidung für die Regelung der Rechtsverhältnisse über die Leistung abhängiger Arbeit für den Bereich Handel und Gewerbe einerseits (Vertragsprinzip) und dem der Land- und Hauswirtschaft anderseits (Gesinderecht). Jedoch zeigt insbesondere die Diskussion um die Schaffung der Regelungen über den Dienstvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch, daß sich die Vorstellung eines „allgemeinen" Arbeitsrechts bereits relativ weit entwickelt hatte. Gleichwohl sah der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches von einer umfassenden Regelung des Arbeitsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch bewußt a b 1 4 und beließ es bei der Äußerung seiner Erwartung, indem er die Erklärung verabschiedete, daß „Verträge, durch welche jemand sich verpflichtet, einen Teil seiner geistigen oder körperlichen Arbeitskraft für die häusliche Gemeinschaft, ein wirtschaftliches oder gewerbliches Unternehmen eines anderen gegen einen vereinbarten Lohn zu verwenden, für das Deutsche Reich bald thunlichst einheitlich geregelt werden". 1 5

11

In der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (RGBl 1383) wurde der Gedanke eines einheitlichen Arbeitsrechts im Art 157 Abs 2 erstmals kodifiziert: „Das Reich schafft ein einheitliches Arbeitsrecht." Diese Bestimmung ist indessen nicht verwirklicht worden, sondern blieb Programmsatz. Der bereits im Mai 1919 und damit noch vor Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung eingesetzte, aus Sachverständigen bestehende „Arbeitsrechtsausschuß" nahm zwar sofort seine Tätigkeit zur Ausarbeitung eines Entwurfs eines Reichsarbeitsgesetzbuches auf; er mußte seine Tätigkeit jedoch aus finanziellen Gründen in der Inflationszeit einstellen. 1 6 Bis auf zwei Änderungen des $ 616 BGB durch die (erste) und die zweite Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen in den Jahren 1930 und 1 9 3 1 1 7 blieben die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Dienstvertrag bis 1969, nämlich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27. Juli 1969 (BGBl 1 9 4 6 ff), unverändert. Durch dieses Gesetz ist indessen nur der Absatz 3 an S 616 BGB angefügt worden. Erst mit dem ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. August 1969 wird auch innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches zwischen Bestimmungen des Dienstvertragsrechts und solchen des Arbeitsrechts unterschieden. 1 8

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Das Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches enthält jetzt eine Reihe von Bestimmungen, die nicht für alle Arten von Dienstverträgen anwendbar sind, sondern n u r für Arbeitsverhältnisse, nämlich die $$ 611a, 611b, 6 1 2 Abs 3, 612a, 613a, 6 1 6 bis 619a, 622 und 623 BGB sowie - mit der Terminologie „dauerndes Dienstverhältnis" - die $$ 6 2 9 und 630 BGB. Umgekehrt sind aber nicht alle Bestimmungen des Sechsten Titels auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Die $$ 6 2 1 und 627 BGB gelten ausdrücklich nur „für ein Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis ist". Dementsprechend gehören die Bestimmungen des Sechsten Abschnitts des Bürgerlichen Gesetzbuches über den „Dienstvertrag" zum erheblichen Teil zum materiellen Arbeitsrecht, zum Teil nur zum Dienstvertragsrecht und im übrigen zu beiden Rechtsgebieten.

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II.

Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken

1.

Begriff des Arbeitsrechts

Unter d e m Begriff Arbeitsrecht wird das für die Rechtsverhältnisse u n d rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgebern u n d Arbeitnehmern anzuwendende R e c h t insgesamt verstanden. Der Grundtatbestand dieser Rechtsverhältnisse und rechtlichen Beziehungen liegt in der Leistung abhän13 Struckmann Beratung und Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches, 326. 14 Vgl Beratung eines Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstage - Stenographische Berichte 1889, 316 ff. 15 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, IX. LegPer, 1886, 3846.

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Harald Schliemann

16 Hueck/Nipperdey Grundriß des Arbeitsrechts3, 1965, $ 3 II, 14. 17 Erste VO ν 1.12.30 (RGBl I 517, 521); Zweite VO v. 5.6.31 (RGBl 1279, 281). 18 Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechts und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) ν 14.8.69 (BGBl 11106).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 Π. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken giger Arbeit auf privatvertraglicher Grundlage. Die Leistung abhängiger Arbeit auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge wirft eine Vielzahl besonderer Regulierungsprobleme auf. Sie können nur auf der Grundlage der Vertragsfreiheit, wie sie durch die Art 2, besonders durch Art 12 GG für das Arbeitsleben geschützt ist, nicht zureichend gelöst werden. Hieraus läßt sich zwar nicht ableiten, daß für das Arbeitsrecht grundlegend andere Wertentscheidungen zugrunde zu legen sind, als sie sonst im Recht gelten. Vielmehr beherrscht das Wertsystem des Rechts auch die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Indessen ist nicht zu übersehen, daß das Arbeitsrecht auf dieser Grundlage Rechtsfiguren entwickelt hat, die in dieser Form nicht oder nur begrenzt im Recht ansonsten anzutreffen sind. Arbeitsrecht ist unter dem Gesichtspunkt seiner Regelungsaufgaben und -methoden zwar ein selbständiges Rechtsgebiet, aber es ist im Verhältnis zum sonstigen Recht im eigentlichen Sinn des Wortes kein Sonderrecht. 1 9 Die in der Wissenschaft, aber auch im politischen Raum geführte Diskussion um die Frage, wie Arbeitsrecht einzuordnen sei, hat wesentlich darunter gelitten, daß der Begriff lange Zeit programmatisch verwendet worden ist. Zur Zeit der Entstehung von Arbeitsrecht hat ein wesentlicher Teil des Schrifttums die Eigenheit dieses Rechtsgebietes darin gesehen, es sei „werdendes Recht", 2 0 welches sich „immer neu an der Entwicklung des sozialen Lebens orientieren m u ß " . 2 1 Dieser Ansatzpunkt ermöglicht zwar, jeden Lebenssachverhalt in die Betrachtung einzubeziehen, den das Arbeitsverhältnis in der Rechtswirklichkeit darstellt. Seine Schwierigkeit liegt jedoch darin, aus solchen Lebenssachverhalten Gestaltungsprinzipien abzuleiten, die einerseits nicht aus dem geschriebenen Recht abgeleitet werden können und andererseits dazu verleiten, die Grundprinzipien des Zivilrechts für das Arbeitsrecht zu relativieren.

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Rechtsdogmatisch ist das Arbeitsrecht nicht das Recht einer Klasse oder eines Standes und in diesem Sinn kein Statusrecht. 2 2 Es knüpft nicht an Eigenschaften einer Person an. Seine Anwendbarkeit beruht vielmehr darauf, daß sich zwei Parteien vertraglich geeinigt haben, abhängige Arbeit gegen Entgelt zu leisten bzw entgegenzunehmen. Prämisse für die Geltung von Arbeitsrecht ist die Privatautonomie. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die daraus resultierende Vertragsfreiheit (vgl Art 2 GG), durch die Berufs- und Arbeitsplatzfreiheit (vgl Art 12 GG) und insbesondere durch die Koalitionsfreiheit (vgl Art 9 Abs 3 GG) ist die Privatautonomie für die Begründung, Beendigung und den Inhalt von Arbeitsverhältnissen gewährleistet. Unter diesem Gesichtspunkt ist Arbeitsrecht Teil des Zivilrechts.

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Unter d e m Gesichtspunkt der Gesetzgebungszuständigkeit ist das Arbeitsrecht indessen kein bürgerliches Recht mehr. Es wird vom die Entstehung von Landesrecht einschränkenden Kodifikationsprinzip der Art 3, 55 und 2 1 8 EGBGB nicht (mehr) erfaßt, denn es hat sich gegenüber dem bürgerlichen Recht zu einem besonderen Rechtsgebiet eigener Art entwickelt. 2 3 Dies hat in den Bestimmungen des Grundgesetzes über die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes insoweit Ausdruck gefunden, als in Art 74 Nr 1 GG unter anderem das „bürgerliche Recht", dagegen in Art 74 Nr 12 GG das .Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes u n d

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der Arbeitsvermittlung" sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes unterworfen worden ist. Art 74 Nr 12 GG faßt mit seiner Aufzählung zugleich die privatrechtlichen und die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über das Arbeitsverhältnis zu einem einzigen Begriff des Arbeitsrechts zusammen. 2 4 Im förmlichen Gesetz ist der Rechtsbegriff Arbeitsrecht zuerst in der Weimarer Reichsverfassung verwendet worden (Art 7 Nr 9 sowie Art 152 Abs 2 WRV). Indessen ist der Begriff weder dort noch abschließend im Grundgesetz definiert worden. Auch die Bestimmungen über die Führung der Zusatzbezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht" in § 42a Abs 2 BRAGO enthält keine gesetzliche Umschreibung des Rechtsbegriffs ,Arbeitsrecht", sondern setzt den Begriff voraus. 25 19 Vgl Richardi Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 13 ff. 20 So schon im Titel H. PotthoffOas Ringen um werdendes Recht, 1928. 21 Sinzheimer in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd IV, 1929, 2. 22 Vgl Jacobi Grundlehren des Arbeitsrechts, 1927,41 ff. Harald Schliemann

23 BVerfGE 7 342, 350; BAG 29.6.88 - 7 AZR 180/87 AP BGB s 174 Nr 6. 24 BVerfGE 7 342, 350. 25 Eingefügt durch Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte ν 29.1.91 (BGBl 1150).

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

2.

Regelungsziel des Arbeitsrechts

Nach seiner Grundidee dient das Arbeitsrecht dem Schutz des Menschen durch Wahrung und Förderung seiner Würde, Freiheit, Persönlichkeit und körperlicher Unversehrtheit im Arbeitsleben, indem es mit rechtlichen Mitteln Arbeitsbedingungen gestaltet. Vorrangig sind Schutz und Fürsorge des einzelnen Arbeitnehmers als dem gegenüber dem Arbeitgeber in der Regel Schwächeren bei gleichzeitigem Ausgleich der Interessen Ausgangsvorstellungen des Arbeitsrechts. Von wesentlicher Bedeutung für das Arbeitsrecht ist daneben der Grundsatz der sozialen Selbstverwaltung der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber durch ihre Verbände (Koalitionen), insbesondere durch den Abschluß von Tarifverträgen aufgrund der Koalitionsfreiheit. Dem Schutz und der Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nimmt sich das Arbeitsrecht durch Teilhabe der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Arbeitgebers bzw Unternehmers mit Hilfe der Mitbestimmung an. Indessen greift zu kurz, das Arbeitsrecht auf die Zielvorstellung des Arbeitnehmerschutzes zu beschränken; zu seinen Zielvorstellungen gehört auch, die Würde und Freiheit aller am Arbeitsleben Beteiligten zu fördern und zu schützen. a)

Generelle Zielvorstellungen

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Seiner Entstehungsgeschichte nach ist Arbeitsrecht im weitesten Sinn des Wortes Arbeitnehmerschutzrecht. Es beruht im wesentlichen auf - inzwischen herkömmlichen - Ansichten über die besondere soziale Lage des Arbeitnehmers in einer arbeitsteiligen Industriegesellschaft. Ein Arbeitsverhältnis wird zwar grundsätzlich nur freiwillig durch einen Arbeitsvertrag begründet und ist insoweit eine Erscheinung der Privatautonomie. Die Vertragsfreiheit als ein wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie genügt im Arbeitsleben indessen in der Regel nicht, um einen als gerecht empfundenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem einzelnen Arbeitgeber herbeizuführen. In der Regel ist der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber wirtschaftlich unterlegen und schon von daher häufig nicht in der Lage, seine Interessen im Einzelfall gegenüber denen des Arbeitgebers hinreichend zu behaupten. Dies kann jedoch in Zeiten der Arbeitskräfteknappheit und damit eines angespannten Arbeitsmarktes auch durchaus anders sein. Indessen scheitert die Durchsetzbarkeit der Interessen des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber durch einen ausgehandelten Einzelvertrag regelmäßig am Erfordernis einheitlicher Arbeitsbedingungen für eine wirtschaftliche Betriebs- oder Unternehmensführung.

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Von anderen, die sich zur Erbringung einer Dienstleistung verpflichten, unterscheidet sich der Arbeitnehmer dadurch, daß er vom Arbeitgeber in hinreichendem Grade persönlich abhängig ist. Dies begründet seine Schutzbedürftigkeit mit Hilfe des Arbeitsrechts. 26 Zudem ist der Arbeitnehmer in der Regel auf seine Arbeitseinkünfte angewiesen, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten zu können, und insoweit vom Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig. Insgesamt ist der Arbeitnehmer daher als sozial schutzbedürftig anzusehen, auch wenn nicht verkannt werden darf, daß wirtschaftliche Abhängigkeit auch bei Selbständigen auftreten kann.

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Die soziale Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer ist wesentliche Ursache für die Entstehung von Arbeitsrecht auch schon vor der Schaffung des Grundgesetzes. Die Berücksichtigung der sozialen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer ist seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes durch das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1GG, für die Länder Art 28 Abs 1S 1GG) von Verfassungs wegen geboten. Das Grundgesetz hat das Sozialstaatsprinzip ebenso wie die in seinem Artikel 1 niedergelegten Grundsätze (Würde des Menschen, Menschenrechte, Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte) in den allerhöchsten Rang verfassungsrechtlicher Normen erhoben und gegen wesentliche Veränderungen geschützt, indem es in Art 79 Abs 3 GG angeordnet hat, eine Änderung des Grundgesetzes, durch die die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, sei unzulässig. Aus dem Sozialstaatsprinzip lassen sich wegen seiner relativen Unbestimmtheit zwar keine unmittelbaren Ansprüche herleiten, sondern nur die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, in erster Linie durch eigenverantwortliche Gestaltung des Rechts durch den Gesetzgeber. Das Sozialstaats26

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Hromadka NZA 97 569, 575. Harald Schliemann

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 Π. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken prinzip hat besondere Bedeutung für die Entwicklung und die Strukturierung grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates. 2 7 Eventuelle Unbilligkeiten im Einzelfall verletzen das Sozialstaatsgebot nicht, denn es kann nicht zur Korrektur jeglicher Art oder unbillig erscheinender Einzelregelungen dienen. 2 8 Ohne selbst Grundrecht im Sinne des Grundgesetzes zu sein, hat das Sozialstaatsprinzip Bedeutung für die Auslegung und die verfassungsrechtliche Prüfung grundrechtseinschränkender Gesetze. Wegen seiner Offenheit kann es unmittelbar jedoch Grundrechte nicht einschränken; hierzu bedarf es vielmehr eines grundrechtseinschränkenden Gesetzes. 2 9 Gleichwohl kann das Sozialstaatsprinzip sogar Beschränkungen der Berufswahl rechtfertigen. 3 0 Zu einer ausgewogenen Sozialordnung gehört nicht zuletzt mit Rücksicht auf das Grundrecht der

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Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 G G auch ein ausgewogenes Arbeitsrecht, das die grundsätzliche soziale Schutzbedürftigkeit einerseits und die Berufsfreiheit andererseits gebührend berücksichtigt. Insoweit stehen den Interessen des Arbeitnehmers in erster Linie wiederum die des Arbeitgebers gegenüber. Auch unter Arbeitnehmern können indessen solche Interessengegensätze auftreten, zB wenn unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl getroffen werden muß. Dem Interesse des einzelnen Arbeitnehmers können aber auch die Dritter oder der Allgemeinheit entgegenstehen Zudem kann sich zwischen dem Sozialstaatsprinzip, das nicht nur dem Individualinteresse dient, und dem Grundrecht der freien Berufswahl und -ausübung wie auch im Arbeitsleben generell ein Widerstreit grundrechtlicher Positionen ergeben. Das Arbeitsrecht hat auch die Aufgabe, unter Wahrung der grundlegenden Prinzipien die unterschiedlichen Interessen auszugleichen. Das mit Berufsfreiheit umschriebene Grundrecht des Art 12 Abs 1 S 1 GG garantiert neben der freien Wahl des Berufs auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes. 3 1 Die Berufswahl betrifft die Entscheidung des Einzelnen, auf welchem gegenständlichen Tätigkeitsfeld er beruflich tätig sein will, die Arbeitsplatzwahl, die Entscheidung, in welcher Stelle er den gewählten Beruf ausüben möchte. Die Arbeitsplatzwahl folgt der Berufswahl und konkretisiert sie. Die Berufsausübung findet auf dem gewählten Arbeitsplatz statt. Der Arbeitsplatz ist dabei nicht vorrangig räumlich zu verstehen, sondern im Sinne einer konkreten Betätigungsmöglichkeit oder eines bestimmten Arbeitsverhältnisses. Gegenstand des Grundrechts der freien Wahl des Arbeitsplatzes ist zunächst das Recht des einzelnen, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem konkreten Beruf zu ergreifen. Dazu zählt namentlich bei abhängig Beschäftigten die Wahl des Vertragspartners samt den dazu notwendigen Voraussetzungen, insbesondere der Zutritt zum Arbeitsmarkt. Ebenso wie die freie Berufswahl sich nicht in der Entscheidung zur Aufnahme des Berufes erschöpft, sondern auch die Fortsetzung und die Beendigung dieses Berufes mit umfaßt, bezieht sich die freie Arbeitsplatzwahl neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch auf den Willen des einzelnen, diese beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz demnach gegen alle Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Das ist vor allem der Fall, wenn der Staat den einzelnen am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindert, ihn zur Annahme eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingt oder die Aufgabe eines Arbeitsplatzes verlangt. Dagegen ist mit der Wahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für einen einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso

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wenig verleiht das Grundrecht unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privatrechtlicher Dispositionen. Insoweit obliegt dem Staat lediglich eine aus Art 12 Abs 1 GG folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsschutzvorschriften hinreichend Rechnung tragen. Obwohl Art 12 Abs 1 S 2 GG ausdrücklich nur Regelungen der Berufsausübung, nicht auch der Berufs- und Arbeitsplatzwahl vorsieht, gilt für die Arbeitsplatzwahl nichts anderes als für die Berufswahl. Auch sie unterliegt gesetzlichen Beschränkungen, die freilich dem hohen Rang der Wahlfreiheit, wie er in Art 12 Abs 1 GG zum Ausdruck kommt, Rechnung tragen müssen. 3 2

27 28 29 30

BVerfGE 81 BVerfGE 69 BVerfGE 59 BVerfGE 21

242, 272, 231, 245,

245. 314. 262 f. 251.

Harald Schliemann

31 BVerfGE 98 365; BAG 20.11.96 - 5 AZR 518/95 - AP BGB J 611 Berufssport Nr 12. 32 BVerfGE 84 133; BAG 25.2.98 - 7 AZR 641/96 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr 11. 9

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

b)

Schutz des einzelnen Arbeitnehmers

Dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers, vorrangig der Sicherung seiner Erwerbsgrundlage und seiner Arbeitsplatzfreiheit, dienen in vorderster Linie die von der Gesetzgebung geschaffenen und von der Rechtsprechung weiterentwickelten zwingenden Regelungen gegen den ungerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes. Herzstück dieser Regelungen ist das Kündigungsschutzgesetz, durch das ein allgemeiner Schutz gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen durch den Arbeitgeber geschaffen worden ist. Es wird flankiert durch gesetzliche Bestimmungen des besonderen Kündigungsschutzes, zB für Mütter, Schwerbehinderte, betriebsverfassungsrechtliche Amtsträger. Die Kündigungsschutznormen schränken die grundsätzliche Kündigungsfreiheit ($ 620 Abs 2 BGB) des Arbeitgebers, nicht aber die des Arbeitnehmers ein. Dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses dienen ferner die zunächst von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über die sachliche Rechtfertigung der Befristung eines Arbeitsverhältnisses für die Fälle objektiver Umgehung zwingender Kündigungsschutznormen. 3 3 Der Gesetzgeber hat seit 1985 Normen erlassen, die gegenüber den Anforderungen die wirksame Befristung von Arbeitsverhältnissen allgemein oder für bestimmte Arbeitnehmergruppen erleichtern. Mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz sind die Anforderungen an die Zulässigkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen wieder verschärft worden 3 4 (vgl insgesamt: $ 620 Rn 1 bis 452).

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Schutzcharakter im Sinne wirtschaftlicher Absicherung hat das Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz). 3 5 Auch die besondere arbeitsrechtliche Verteilung der Risiken bei Betriebsstörungen, wonach der Arbeitgeber auch außerhalb der Fälle des Annahmeverzugs nach $ 615 BGB das Arbeitsentgeltrisiko zu tragen hat, 3 6 dient dem sozialen Schutz des Arbeitnehmers. Gleiches gilt für die Entgeltsicherung bei Beschäftigungsverboten zB für Mütter nach den $ $ 1 1 ff MuSchG. Weit über das Ende des Arbeitslebens hinaus schützt das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) Ansprüche der Arbeitnehmer aus betrieblichen Versorgungszusagen.

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Aus Gründen des sozialen Schutzes gegenüber wirtschaftlich untragbaren Folgen schränkt das Arbeitsrecht die Haftung des Arbeitnehmers für von ihm verursachte Schäden ein sowie für Unternehmer und Arbeitnehmer bei Personenschäden (vgl $$ 104 ff SGB VII). Gegenüber den Haftungsregeln des BGB sind die Haftungsbeschränkungen sehr erheblich. 3 7 Die Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln für die Haftungsbeschränkung der Arbeitnehmer auch für nicht gefahrengeneigte Arbeiten gelten, die betrieblich veranlaßt aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet werden, war Gegenstand eines Vorlagebeschlusses an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts, der sich mit dieser Frage an den Gemeinsamen Senat aller obersten Gerichtshöfe des Bundes gewandt hat. 3 8 Das Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat hat sich dadurch erledigt, daß der BGH seine der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechende Rechtsansicht aufgegeben hat. 3 9 Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 2 7 . 9 . 1 9 9 4 entschieden, die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gelten für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, auch wenn diese Arbeiten nicht gefahrengeneigt sind. 4 0 Einen zumindest grob fahrlässig verursachten Schaden hat der Arbeitnehmer selbst zu tragen, bei

S3 Grundlegend: BAG (GS) 12.10.60 - GS 1/59 - AP BGB $ 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 16. 34 Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 ν 26.4.85 (BGBl I 710), zuletzt geändert durch Gesetz ν 25.9.96 (BGBl I 710); Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ν 14.6.85 (BGBl I 1065, 1067); Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung ν 15.5.86 (BGBl I 742), zuletzt geändert durch Gesetz ν 16.12.97 (BGBl I 2994); seit dem 1.1.2001: TzBfG vom 20.12.2000 (BGBl I 1966). 35 Gesetz ν 26.5.94 (BGL I 1014), zuletzt geändert durch Gesetz ν 19.12.98 (BGBl I 3843); vgl Matthes S 616 Rn 60 ff.

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Harald Schliemann

36 Grundlegend: RGZ 106 272 (sog. Kieler Straßenbahnfall); des näheren Matthes § 615 Rn 16 ff. 37 In den neuen Bundesländern galten übergangsweise bis 31.12.90 für die Haftung des Arbeitgebers die $$ 267 ff AGB-DDR und bis 31.12.91 für die Haftung der Arbeitnehmer die §§ 260 ff AGB-DDR (Einigungsvertrag Ani II Kap VIII Sachgeb. A Abschnitt III Nr 1 f und lg - Gesetz ν 31.8.90 - BGBl Π 889). 38 Grundlegende Fragestellung: Anrufung des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes: BAG (GS) 12.6.92 - GS 1/89 - EzA BGB $ 611 Arbeitnehmerhaftung Nr 58. 39 BGH 21.9.93 - GmS-OGB 1/93 - NJW 94 856. 40 BAG - GS 1/98 (A) - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 103.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken darunter liegenden Verschuldensgraden findet eine Teilung des Schadens - vor allem bei gefahrgeneigter Arbeit - statt, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er nicht. 4 1 Auch bei grober Fahrlässigkeit sind Haftungserleichterungen zu Gunsten des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitsverdienst in einem deutlichen Missverhältnis zu dem verwirklichten Schadensrisiko steht. 4 2 Die Haftungsbeschränkung wirkt nicht zu Lasten Dritter. 4 3 In der Praxis des Arbeitsrechts rückt zunehmend auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter individualrechtlichen Gesichtspunkten als Grenze arbeitsvertraglicher Bindungen in das Blickfeld,

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zB unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen 4 4 oder dem der Pflicht zur tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers im unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis 45 bzw der Pflicht zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung durch den Arbeitgeber 4 6 oder über die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses infolge seiner Befristung. 4 7 Ziel des Arbeitsrechts ist auch, ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen entgegenzutreten. Neben dem das Recht insgesamt beherrschenden allgemeinen Verfassungsgebot der Gleichberechtigung von M a n n u n d F r a u (Art 3 Abs 2 GG) und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot (Art 3 Abs 3 GG) ist besonders der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (Rn 117 ff). Ausdrückliche Verbote ungerechtfertigter Ungleichbehandlung von M a n n u n d Frau finden sich in Art 141 EGVertrag, den EWG-Richtlinien Nr 75/117 und 76/207 sowie in den $$ 611a, 611b, 612 Abs 3 BGB. Die praktische Durchsetzung dieser Verbote auch unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung hat nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erheblich zugenommen (des näheren: §§ 611a, 611b, 612 Abs 3).

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Zu den Gesetzgebungszielen des Arbeitsrechts gehört besonders seit neuerer Zeit die allgemeine Förderung der Beschäftigung. Mit diesem Ziel hatte der Gesetzgeber das ab 1. Mai 1985 gültige, mehrfach geänderte und bis zum 3 1 . 1 2 . 2 0 0 0 befristet geltende Beschäftigungsförderungsgesetz erlassen 4 8 Es ist durch das Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitverhältnisse mit erheblichen Modifikationen mit Wirkung vom 1. Januar 2 0 0 1 ersetzt worden (vgl Dörner § 6 2 0 Rn 1 - 3 ) . 4 9

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Beschäftigungsfördernd sollten auch andere gesetzliche Erleichterungen, vor allem beim Kündigungsschütz (soziale Auswahl, Schwellenwert des 5 23 Abs 1 KSchG), aber auch bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall („80%") wirken, die mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 durch das „Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigungsförderung" 5 0 eingeführt und mit Wirkung vom 1. Januar 1999 weitgehend durch das „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte" 5 1 wieder zurückgenommen wurden, welches seinerseits hinsichtlich der Sozial- und Rentenversicherungspflicht sog Scheinselbständiger und (arbeitnehmerähnlicher) Selbständiger wiederum durch das „Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit" korrigiert worden ist. 5 2

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Ebenfalls zum Zweck der Beschäftigungsförderung, nämlich durch Teilzeitarbeit, enthält das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 53 im Zweiten Abschnitt Regelungen über Teilzeitarbeit, darunter den Anspruch auf Reduzierung der Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung (§ 8 TzBfG) und

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41 BAG 25.9.97 - 8 AZR 288/96 - AP § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 111. 42 BAG 12.1.98 - 8 AZR 221/97-AP $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 117. 43 BGH 19.9.89 - VI ZR 349/88 - AP BGB $611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 99 (Berger-Delhey). 44 BAG 24.5.89 - 2 AZR 285/88 - AP BGB § 611 Gewissensfreiheit Nr 1 (I. Kraft/Raab, II. Berger-Delhey). 45 Grundlegend: BAG 1 0 . 1 1 . 5 5 - 2 AZR 591/54 - BAGE 2 221, 224 f; BAG (GS) 27.2.85 - GS 1/84 - AP BGB S 611 Beschäftigungspflicht Nr 14. 46 BAG (GS) 27.2. 1985 - GS 1/84 - AP BGB J 611 Beschäftigungspflicht Nr 14. 47 BAG 13.6.85 - 2 AZR 410/84 - AP BGB $ 611 Beschäftigungspflicht Nr 19; BAG 2 8 . 9 . 8 8 - 7 AZR 451/87AP BGB $611 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr 124. Harald Schliemann

48 Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 ν 26.4.85 (BGBl I 710), zuletzt geändert durch Gesetz ν 25.9.96 (BGBl I 710). 49 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen - Teilzeit- und Befristungsgesetz, TzBfG - ν 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1966. 50 Gesetz ν 25.9.96 (BGBl I 1476). 51 Gesetz ν 19.12.98 (BGBl I 3843). 52 Gesetz ν 20.12.99 (BGBl I 2000, 2). 53 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen - Teilzeit- und Befristungsgesetz, TzBfG - V 21.12. 2000, BGBl I 2000, 1966.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

in § 4 aaO das Verbot unterschiedlicher B e h a n d l u n g wegen der Teilzeitarbeit oder wegen der Befristung (Rn 6 5 2 ff). 31

Dem Schutz und der Förderung Schwerbehinderter Menschen, insbesondere der Förderung ihrer Beschäftigung als einer Aufgabe des Sozialstaats, dient das Sozialgesetzbuch IX (SGBIX). 5 4 Arbeitgeber, die über mindestens 2 0 Arbeitsplätze verfügen, haben auf wenigstens 5 vH der Arbeitsplätze Schwerbehinderte zu beschäftigen (vgl § 71 SGB IX). Diese Beschäftigungsquote wird durch eine Ausgleichsabgabe gesichert (vgl S 77 SGB IX). Schwerbehinderten räumt das Gesetz sogar gegenüber anderen bevorzugt Einzustellenden nach seinem $ 122 Vorrang ein. Sie genießen besonderen Kündigungsschutz ($$ 85 ff SGB IX) und haben Anspruch auf Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX).

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Vorrangig der Umsetzung des Verfassungsgebotes des Art 6 Abs 4 GG, wonach M ü t t e r Anspruch a u f Schutz u n d Fürsorge der Gemeinschaft haben, dient das Mutterschutzgesetz, 5 5 insbesondere durch die Beschäftigungsverbote ($$ 3, 4, 6 MuSchG) und das Kündigungsverbot des S 9 MuSchG. 5 6 Indessen ist der Gesetzgeber auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nicht jede wirtschaftliche Belastung der werdenden Mutter auszugleichen und etwa bei der Frage der Befristung von Arbeitsverträgen dem Interesse Schwangerer Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten einzuräumen. 5 7

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Heterogenen Regelungszielen dienen sehr häufig arbeitszeitrechtliche Regelungen über die tägliche oder wöchentliche Höchstarbeitszeit und die Sonntagsruhe, über Höchstlenkzeiten und Ruhepausen, aber auch über den Ladenschluß und ähnliche Sachverhalte. Hier geht es häufig um den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers vor einer etwaigen Überbeanspruchung oder Gesundheitsgefahren, aber auch um hiervon völlig zu trennende Regelungsziele wie das der Flexibilisierung der Arbeitszeit oder um die Verkehrssicherheit (zB bei den Lenkzeitbestimmungen) oder um regulierende Einflüsse auf das Marktverhalten, zB durch Regelungen über den gesetzlichen Ladenschluß. Ähnlich heterogen wirken generell die Bestimmungen über den technischen Arbeitsschutz. Sie stehen hinsichtlich ihres Regelungszieles indessen im engsten Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§ 618, 6 1 9 BGB über die unabdingbare Verpflichtung des Dienstberechtigten und damit auch des Arbeitgebers zu Schutzmaßnahmen für den Dienstverpflichteten bzw Arbeitnehmer. Vorrangig dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers, nicht aber der Erhaltung seiner Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers dient das gesetzliche Urlaubsrecht; allerdings setzt die Gewährung des gesetzlichen Erholungsurlaubs keine durch Arbeit hervorgerufene Erholungsbedürftigkeit des Arbeitnehmers voraus. 5 8

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Die Verschiedenartigkeit der jeweiligen Schutzzwecke und die sehr unterschiedliche Aufnahme widerstreitender Interessen durch das Gesetz und die Rechtsprechung haben zur Folge, daß es kein das gesamte Arbeitsrecht oder auch nur das Individualarbeitsrecht umfassendes soziales Schutzprinzip gibt. Für jede Regelung muß deren Sinn und Zweck gesondert ermittelt werden. Nur aus der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers ist kein allgemeines Prinzip abzuleiten, wonach die Auslegung im Zweifel zugunsten des Arbeitnehmers zu erfolgen habe. 5 9 Wird das Sozialstaatsprinzip als Auslegungsmaxime herangezogen, so ist zu bedenken, daß der Gesetzgeber seinerseits dieses Prinzip bereits beim Erlaß aller Arbeitsgesetze, aber auch Wirtschafts- und Sozialgesetze, zu beachten hatte, die unter der Geltung des Grundgesetzes erlassen worden sind. Wenn in einem solchen Gesetz das Sozialstaatsprinzip aber seinen verfassungsrechtlich hinreichenden Niederschlag gefunden hat, so würde dieses Prinzip über Gebühr beachtet, wenn man es bei der Auslegung des betreffenden Gesetzes nochmals heranzöge. Ebensowenig kann allein aus dem Sozialstaatsprinzip eine Legitimation zur richterlichen Rechtsfortbildung abgeleitet werden. 6 0 Dem steht nicht entgegen, Verfassungsgrundsätze und damit auch das Sozialstaatsprinzip für das Verständnis arbeitsrechtlicher Generalklauseln und deren Ausfüllung sowie bei der Ausfüllung von Gesetzeslücken gebührend zu berücksichtigen. 6 1

54 Sozialgesetzbuch IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl 11046). 55 IdF ν 17.1.97 (BGBl I 22, ber 293). 56 BVerfGE 32 273, 277. 57 BVerfG 24.9.90 - 1 BvR 938/90 - AP BGB $620 BefristeterArbeitsvertrag Nr 136a.

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58 BAG 28.1.82 - 6 A2R 571/79 - AP BUrlG $ 3 Rechtsmißbrauch Nr 11. 59 Anders Wiedemann Das Arbeitsverhältnis als Austausch· und Gemeinschaftsverhältnis, 1966,13. 60 BVerfGE 65, 182, 194; sa Zöllner/Loritz $ 7 V 2. 61 Söllner Grundriß des Arbeitsrechts $ 6 IV, $ 12 11.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 Π. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken c)

Soziale Selbstverwaltung

Bei der Verbindung der freiheitlichen Grundordnung mit dem Sozialstaatsprinzip muß das Arbeits-

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recht auch dem Grundsatz der sozialen Selbstverwaltung entsprechend der Koalitionsfreiheit des Art 9 Abs 3 GG genügen. aa)

Koalitionsrecht

Das Recht, zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet, Abreden, die dieses Recht einschränken oder

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zu behindern suchen, sind nichtig (Art 9 Abs 3 S 1 und 2 GG). Dieses Grundrecht umfaßt die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit. Diese Freiheiten bestehen für jedermann, also auch für Ausländer oder Staatenlose, und sind im Gegensatz zur Vereinigungsfreiheit des Art 9 Abs 1 GG nicht auf Deutsche als Grundrechtsträger beschränkt. Die individuelle Koalitionsfreiheit beinhaltet positiv das Recht, Vereinigungen der in Art 9 Abs 3 genannten Art (Koalition) zu bilden, ihnen beizutreten und in ihnen zu verbleiben. Die individuelle negative Koalitionsfreiheit umfaßt das Recht, einer Koalition fernzubleiben oder sie - ggf. unter Einhaltung einer angemessenen kurzen Kündigungsfrist 6 2 - jederzeit wieder zu verlassen. 63 Die kollektive Koalitionsfreiheit gewährleistet den Koalitionen das Recht auf ihr Bestehenbleiben und ihre spezifisch koalitionsgemäße Betätigung. Die spezifisch koalitionsgemäße Betätigung erschöpft sich nicht in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch den Abschluß von Tarifverträgen, sondern sie schützt auch alle anderen Betätigungen, die den in Art 9 Abs 3 S 1 GG genannten Aufgaben dienen. 6 4 Neben Arbeitskämpfen zur Herbeiführung tarifvertraglicher Regelungen, der Gestaltung oder Mitwirkung bei der vereinbarten oder staatlichen Schlichtung, der Gewährung von Rechtsschutz für Koalitionsmitglieder in arbeits- und sozialrechtlichen Auseinandersetzungen einschließlich der Vertretung von Gericht, der Mitwirkung im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung sowie der Betriebsverfassung und der Personalvertretung gehören hierzu auch die Anhörung der Koalitionen im Rahmen wichtiger arbeits- und sozialpolitischer Gesetzgebungsverfahren, die Beantragung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertrag nach $ 5 TVG, die Anhörung bei der Festsetzung gesetzlicher Mindestarbeitsbedingungen oder beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften und Durchführungsvorschriften (zB § 11 TVG, § 33 HAG, $ 1 1 ArbNErfG) sowie bei der Errichtung und Organisation der Arbeitsgerichte (vgl § 14 Abs 5, § 15 Abs 1, $ 17 Abs 2; § 18 Abs 1 und 2; § 33, $ 3 4 Abs 11, $ 35 Abs 3, § 36 ArbGG). Das Recht der Koalitionen zur Anhörung und zu Anträgen entspricht im wesentlichen der Empfehlung Nr 113 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). 65 Zudem stehen den Koalitionen Benennungs- und Entsendungsrechte zu, aufgrund derer sie den Sachverstand ihrer Mitglieder in solchen Gremien fruchtbar machen können. So dürfen sie die ehrenamtlichen Richter für die Gerichte für Arbeitssachen (vgl § 2 0 ArbGG) und für die Sozialgerichte (vgl S 14 Abs 3 SGG) vorschlagen. Vergleichbares gilt für verschiedene Ausschüsse, die sich mit sozial- und arbeitsrechtlichen Fragen beschäftigen, wie auch für die Beisitzer in den staatlichen Schieds- und Schlichtungsausschüssen.

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Insgesamt gewährleistet Art 9 Abs 3 GG eine Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens, deren herausragendes Kennzeichen darin liegt, daß der Staat seine Rechtsetzungskompetenz weitgehend den Koalitionen überlassen hat, soweit es um die Feststellung regelungsbedürftiger Tatbestände für Arbeitsverträge geht. 6 6

38

Durch Art 9 Abs 3 GG ist den Koalitionen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zugewiesen und in ihrem Kernbereich garantiert worden, insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung freigelassenen Raum in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch unabdingbare Gesamtvereinbarungen sinnvoll zu regeln. 6 7 Die derart garantierte Tarifautonomie ist ein Ausdruck des das moderne Arbeits- und Sozialrecht beherrschenden Grundsatzes der sozialen Selbstverwaltung.

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62 BGH 22.9.80 - II ZR 34/80-AP GG Art 9 Nr 33. 63 BVerfGE 4 96, 106. 64 BVerfGE 84 212. Harald Schliemann

65 66 67

Vom 20.6.60 (BAB1 62 489). BVerfGE 34 307, 316 f. BVerfGE 44 322.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

bb)

Tarifautonomie

Die Tarifautonomie setzt eine entsprechende Freiheit zu ihrer Verwirklichung durch die Koalitionen voraus. Das Arbeitsrecht stellt den Koalitionen das Mittel des Arbeitskampfes als ultima ratio zur Verfügung, um den Abschluß eines Tarifvertrags mit im Rahmen des $ 1 TVG liegenden Inhalten notfalls zu erzwingen. Eine nähere gesetzliche Regelung über den Arbeitskampf ist nicht vorhanden. Der Arbeitskampf war der Schaffung des Grundgesetzes bereits als tatsächliche Erscheinung bekannt; der Begriff Arbeitskampf ist in das Grundgesetz indessen erst durch die sogenannte Notstandverfassung im Jahr 1968 eingeführt worden, nämlich durch die Einfügung des Satzes 3 in Art 9 Abs 3 GG. 6 8 Hiernach dürfen sich näher umschriebene Notstandsmaßnahmen aufgrund bestimmter Grundgesetzartikel „sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden". Damit garantiert der Wortlaut des Grundgesetzes zwar nicht das Recht, einen Arbeitskampf zu führen, ausdrücklich als Grundrecht, sondern es schützt den vor Einfügung des Satzes 3 bestehenden Rechtszustand vor staatlichen Eingriffen auch im Notstand. Da sich aus den schon vor Einfügung des Satzes 3 geltenden Bestimmungen in den Sätzen 1 und 2 des Art 9 Abs 3 GG der grundrechtliche Schutz des Kernbereichs der Tarifautonomie ergibt, ist auch die Freiheit, einen Arbeitskampf zur Verwirklichung des in Satz 1 genannten Ziels führen zu dürfen (Arbeitskampfrecht), im Grundsatz gleichermaßen verfassungsrechtlich garantiert, weil das Funktionieren eines auf Autonomie der Koalitionen beruhenden Tarifvertragswesens notwendig den Arbeitskampf funktionell voraussetzt. 6 9

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Insgesamt haben die wesentlichen Grundsätze über die Koalitionsfreiheit, die Tarifautonomie und die damit verbundene Zurückhaltung des Staates bei der Schaffung konkreter vertraglicher Arbeitsbedingungen auch im „Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" vom 18. Mai 1 9 9 0 7 0 ihren zusammenfassenden Ausdruck gefunden. Zu diesem Vertrag gehört ein gemeinsames Protokoll über „Leitsätze". Darin heißt es unter „A· Generelle Leitsätze": „III. Sozialunion: (1) Jedermann hat das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, bestehenden Vereinigungen beizutreten, aus solchen Vereinigungen auszutreten und ihnen fernzubleiben. Ferner wird das Recht gewährleistet, sich in den Koalitionen zu betätigen. Alle Abreden, die diese Rechte einschränken, sind unwirksam. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind in ihrer Bildung, ihrer Existenz, ihrer organisatorischen Autonomie und ihrer koalitionsgemäßen Betätigung geschützt. (2) Tariffähige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen frei gebildet, gegnerfrei, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhängig sein sowie das geltende Tarifrecht als für sich verbindlich anerkennen; ferner müssen sie in der Lage sein, durch Ausübung von Druck auf den Tarifpartner zu einem Tarifabschluß zu kommen. (3) Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen werden nicht vom Staat, sondern durch freie Vereinbarung von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmern festgelegt. (4) Rechtsvorschriften, die besondere Mitwirkungsrechte des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, von Betriebsgewerkschaftsorganisationen und betrieblichen Gewerkschaftsleistungen vorsehen, werden nicht mehr angewendet". Diese Leitsätze wendeten sich zwar nur an die ehemalige Deutsche Demokratische Republik. Im Sinne eines Gesetzgebungsauftrags an die ehemalige Volkskammer sollten sie eine Angleichung des damaligen Rechtszustands in der DDR an den der Bundesrepublik Deutschland bewirken. Die Leitsätze geben aber zusammengefaßt den Rechtsstand in der Bundesrepublik Deutschland wieder, wie ihn der Deutsche Bundestag in seinen Willen aufgenommen hat. cc)

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Arbeitskampf

Der Arbeitskampf selbst unterliegt dem Arbeitskampfrecht im engeren Sinn. Es ist weitgehend nicht kodifiziert, 7 1 sondern unter Berücksichtigung der Praxis und der Literatur sowie der von den Koali68 Durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes ν 24.6.68 (BGBl I 709). 69 BVerfGE 84 212. 70 BGBl II 537.

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71 Die Auseinandersetzung über die Frage, ob das Arbeitskampfrecht zu kodifizieren ist, schwelt seit Jahrzehnten (vgl schon Sitzungsbericht ,41" zum 51. Deutsehen Juristentag 1951 über die Podiumsdiskussion

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken tionen selbst aufgestellten Normen von der Rechtsprechung vor allem des Bundesarbeitsgerichts entwickelt worden. 7 2 Bundesgesetzlich geregelt sind im Rahmen der Notstandsverfassung das Verbot, bestimmte Maßnahmen gegen Arbeitskämpfe zu richten (Art 9 Abs 3 S 3 GG), die staatliche Neutralitätspflicht der Arbeitsverwaltung bei Arbeitskämpfen (§ 36 Abs 3, $ 146, $ 174 SGB III), das Verbot von Arbeitskampfmaßnahmen zwischen Betriebsrat bzw Personalrat und Arbeitgeber ($ 74 Abs 2 S 1 BetrVG, 5 66 Abs 2 BPersVG), die Einschränkung bei der Anwendung kündigungsschutzrechtlicher Bestimmungen (vgl S 25 KSchG, $ 21 Abs 6 SchwbG) und das Recht des Leiharbeitnehmers, die Arbeit im Betrieb des unmittelbar arbeitskampfbetroffenen Arbeitgebers zu verweigern. Die Europäische Sozialcharta, die von der Bundesrepublik Deutschland 1961 unterzeichnet und am 2 6 . 2 . 1965 in Kraft getreten ist, stellt keine näheren Regeln für den Arbeitskampf als innerstaatlich wirkendes Recht auf. Sie postuliert das Streikrecht und das Recht der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen, überläßt aber den Signaturstaaten die näheren nationalen Regelungen. 7 3 Das Bundesverfassungsgericht hat die Zulässigkeit der Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch die Rechtsprechung anstelle des Gesetzgebers bejaht, 7 4 es hat jedoch auch stets daraufhingewiesen, daß das Grundrecht der Koalitionsfreiheit der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung bedarf. 7 5 Inwieweit landesrechtliches Arbeitskampfrecht gegenüber dem des Bundes Bestand haben kann, ist fraglich. Zumindest hinsichtlich suspendierender Abwehraussperrungen ist das Aussperrungsverbot des Art 2 9 Abs 5 Hess Verf gem Art 31 GG durch Bundesrecht verdrängt. 7 6 dd)

Tarifrecht

Gesetzlich geregelt ist dagegen weitgehend das der Durchführung der Tariffreiheit dienende Tarifrecht. Das Tarifvertragsgesetz wurde am 9 . 4 . 1949 vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (für die amerikanische und die britische Zone) erlassen. 7 7 In der französischen Besatzungszone erließ der Landtag in Rheinland-Pfalz am 2 2 . 2 . 1 9 4 9 ein TVG. 7 8 Das TVG des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 9 . 4 . 1949 wurde nach Errichtung der Bundesrepublik Deutschland gemäß den Art 74 Nr 1 2 , 1 2 5 Nr 1 GG Bundesrecht; sein räumlicher Geltungsbereich wurde 1953 durch das Bundesgesetz über die Erstreckung des TVG vom 9 . 4 . 1949 unter Aufhebung entgegenstehenden Landesrechts bundesweit ausgedehnt. 7 9 Im Saarland trat das TVG am 6 . 7 . 1959 in Kraft. 8 0 Das TVG beschreibt den Tarifvertrag, seine Inhalte und seine Form, ordnet die Verbindlichkeit der Tarifregelungen grundsätzlich nur für die Mitglieder der Tarifpartner an und verbietet Abweichungen vom Tarifvertrag zuungunsten tarifgebundener Arbeitnehmer. Ausnahmsweise kann ohne Tarifgebundenheit der Tarifvertrag für Außenseiter zwingend gelten, nämlich durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung des zuständigen Ministers. Einzelvertraglich kann die Anwendung des Tarifvertrags auch unter Nichttarifgebundenen vereinbart werden. 8 1

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Arbeitskampfrecht, Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit verdrängen die individuelle Vertragsfreiheit nicht, sondern tragen wegen des Ungleichgewichts bei der Durchsetzung der Arbeitsbedingungen allein mit Hilfe des Einzelarbeitsvertrags dazu bei, daß für Arbeitsverhältnisse der Grundsatz der Privatautonomie gewahrt bleiben kann. Mit der Tarifautonomie ist auch die Möglichkeit der

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„Kodifizierung des Arbeitskampfrechts"; Seiter NJW 76 1369; Gente NZA 85 305; Seiter RdA 86 165; Frmu/RdA 86 188; Rüthers NZA 86 11; Konzen FS Kissel (1994), 582; Erfk/Kraei Art 9 GG Rn 84). 72 Grundlegend: BAG (GS) 28.1.55 - GS 1/54 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 1; BAG (GS) 21.4.71 - GS 1/68 AP aaO Nr 43. Zur Frage der Aussperrung als Abwehraussperrung siehe insbes BAG 12.3.85 - 1 AZR 636/82 AP aaO Nr 84; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG zurückgewiesen (Beschluß ν 26.6.91 - 1 BvR 779/85 - NJW 91 2549, 2550). 73 Vgl Charta, Anh. Teil II Art 6 Nr 4 sowie Gesetz zur Europäischen Sozialcharta ν 19.9.64 (BGBl II 1261); Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Europäischen Sozialcharta ν 9.8.65 (BGBl II 1122); sa BAG 12.9.84 1 AZR 342/83 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 81; BAG Harald Schliemann

7.6.88 - 1 AZR 372/86 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 106. 74 BVerfG 26.6.91 - 1 BvR 779/85 - NJW 91 2549, 2550. 75 BVerfGE 88, 103. 76 BAG 26.4.88 - 1 AZR 399/86 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 101. 77 Gesetz ν 9.4.49 - WiGBl 55. 78 Gesetz ν 22.2.49 - GVB1 82. 79 Gesetz ν 23.4.53 - BGBl I 156; Neubekanntmachung des TVG mit geänderter Paragraphenfolge durch die Fassung ν 25.8.69 (BGBl 1 1323). 80 Gesetz ν 3 0 . 6 . 5 9 - B G B l 1361. 81 BAG in std Rspr, statt vieler BAG 28.5.97 - 4 AZR 663/95 - AP TVG $ 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 6.

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Allgemeinverbindlicherklärung vereinbar. Die allgemeinverbindlicherklärten Tarifnormen sind gegenüber Außenseitern, dh Personen, die keiner tarifvertragschließenden Koalition angehören, durch die staatliche Mitwirkung nach § 5 TVG noch ausreichend demokratisch legitimiert. 8 2 45

Ebenfalls mit der Tarifautonomie vereinbar ist das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vom 1 1 . 1 . 1952. 8 3 Es hebt als Grundsatz den Vorrang des Tarifvertrags hervor und erlaubt die Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen durch den Staat nur, falls die Tarifautonomie versagt und auch eine Regelung durch Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nicht möglich ist. Bisher ist dieses Gesetz noch nie angewendet worden. Für das Baugewerbe gelten zwingenden (Mindest-)Arbeitsbedingungen allgemeinverbindlicher Tarifverträge aufgrund des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 2 6 . 2 . 1 9 9 6 8 4 für ausländische Bauarbeitnehmer, die in Deutschland eingesetzt sind. 8 5 d)

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Das materielle Arbeitsrecht ist schließlich durch Regelungen gekennzeichnet, die der M i t b e s t i m m u n g der Arbeitnehmer bei Entscheidungen des Arbeitgebers bzw U n t e r n e h m e r s auf unternehmerischer und auf betrieblicher Ebene dienen. Derartige Regelungen sollen die dem Arbeitgeber oder Unternehmer aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Macht zum Einsatz des einzelnen Arbeitnehmers (Direktions- oder Weisungsrecht) durch Einflußnahme auf bestimmte Entscheidungen der Betriebsoder Unternehmensgestaltung mit Hilfe kollektiver Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne eines kollektiven Interessenausgleichs einschränken. Zweck solcher Mitbestimmungsregelungen ist in erster Linie nicht der Schutz der Interessen des einzelnen Arbeitnehmers, sondern der Ausgleich der Interessen des Arbeitgebers/Unternehmers mit denen aller Angehörigen des Betriebs oder Unternehmens. Insoweit soll das Demokratieprinzip innerhalb der Organisationen der Unternehmen verwirklicht werden. Auch hierdurch wird die Privatautonomie nicht ersetzt, sondern gestützt und gesichert. 8 6 aa)

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Mitbestimmung

Unternehmensmitbestimmung

Die U n t e r n e h m e n s m i t b e s t i m m u n g ist in vier Gesetzen geregelt. Durch das bereits 1951 erlassene Montan-Mitbestimmungsgesetz (Montan-MitbestG) wurde die Mitbestimmung auf Unternehmensebene zuerst für Unternehmen der Montanindustrie eingeführt. 8 7 Ergänzend wurde 1956 das M o n t a n Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz (Montan-MitbestErgG) für Unternehmen, die Montan-Unternehmen iSd Montan-MitbestG beherrschen, geschaffen. 8 8 Nachdem die Montan-Mitbestimmung bei vier Konzernobergesellschaften infolge Änderungen der Unternehmenszwecke bis 1992 hätte auslaufen können, wurde das Montan-MitbestErgG dahingehend geändert, daß es für die Beherrschung eines Unternehmens nicht mehr auf einen Beherrschungsvertrag ankommt, sondern hierfür die Aktienmehrheit ausreichen kann; 8 9 es ist nur zum Teil mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. 9 0 1952 wurde im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 auch U n t e r n e h m e n s m i t b e s t i m m u n g für Unternehmen eingeführt, die nicht unter die vorgenannten Gesetze fallen. Bei der Neufassung des Betriebsverfassungsrechts im Jahr 1972 sind diese Bestimmungen des BetrVG 1952 in Kraft geblieben. 9 1 Grundlegend erweitert 82 BVerfGE 44 322 = AP TVG § 5 Nr 5. 83 BGBl I 17. 84 BGBl I 227. 85 Einzelheiten: C. Meyer NZA 99 121, 126 f; Schaub § 186 I 2 Rn 2, $ 207, 28 ff. 86 Richardi Betriebsverfassung und Privatautonomie, 1973, 18; auch schon Schmoller Über Wesen und Verfassung der großen Unternehmungen, in: ders Zur Sozialund Gewerbepolitik der Gegenwart, 1890, 372,418 ff zu den von ihm vorgeschlagenen „Arbeiterausschüssen". 87 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungsgesetz) ν 21.5.51 (BGBl I 347).

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88 Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie ν 7.8.56 (BGBl I 707). 89 Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung ν 20.12.88 (BGBl 12312). 90 BVerfG 2.3.99 - 1 BvL 2/91 - NZA 99 435. 91 Betriebsverfassungsgesetz (1952) ν 11.10.52 (BGBl I 681). Weitergeltung der Vorschriften des BetrVG 1952 über die Unternehmensmitbestimmung in teilweise geänderter Fassung gem § 129 BetrVG 1972 idF d Bekanntmachung ν 23.12.88 (BGBl 1989 1 1, ber 902).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken wurde die Mitbestimmung in Unternehmen 1976 durch das M i t b e s t i m m u n g s g e s e t z . 9 2 Die Verfassungsbeschwerde gegen das MitbestG ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1 . 3 . 1 9 7 9 zurückgewiesen worden. 9 3 Allen diesen Gesetzen ist gemeinsam, daß nur kapitalistisch organisierte Unternehmen (AG, KGaA, GmbH usw) der Mitbestimmung unterworfen sind und bei ihnen die Zahl der Arbeitnehmer bestimmte Mindestgrößen überschreiten m u ß (vgl $ 1 Montan-MitbestG; $ 1 MontanMitbestErgG; SS 76, 77 BetrVG 1952; $ 1 MitbestG). Methodisch wird die Mitbestimmung im Unternehmen in erster Linie dadurch ermöglicht, daß Arbeitnehmern Sitz und Stimme im Aufsichtsorgan des Unternehmens zu gewähren ist. Zudem wird, soweit sich die Unternehmensmitbestimmung nicht nach dem BetrVG 1952 richtet, auf die Zusammensetzung der Unternehmensleitung durch Bestellung eines Arbeitsdirektors Einfluß genommen. Dabei weisen die verschiedenen Gesetze hinsichtlich Umfang und Intensität der Mitbestimmung Unterschiede auf. bb)

Betriebliche M i t b e s t i m m u n g

Während die Unternehmensmitbestimmung Einflußnahmen der Arbeitnehmer auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens ermöglicht, steht bei der M i t b e s t i m m u n g in den Betrieben u n d Verwaltungen nicht die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens im Blickpunkt, sondern die Einflußnahme auf innerbetriebliche, die Gesamtheit der Arbeitnehmer berührenden Entscheidungen. Im Bereich der Privatwirtschaft erfolgt diese Mitbestimmung durch Betriebsverfassungsrecht bzw Sprecherausschußrecht, 9 4 im öffentlichen Dienst durch Personalvertretungsrecht. 9 5 Die Religionsgemeinschaften sind hiervon mit Rücksicht auf die staatskirchenrechtlichen Verfassungsnormen (Art 140 GG iVm Art 136 bis 139, Art 140 WRV) ausgenommen. 9 6 Die katholische und die evangelischen Kirchen haben kirchenrechtliche Mitbestimmungsregelungen geschaffen in Form von Mitarbeitervertretungsrecht (Anhang III Kirchenarbeitsrecht Rn 170-246).

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Im Interesse der Teilhabe der Arbeitnehmer an sie kollektiv betreffenden Entscheidungen des Arbeitgebers wurde bereits 1920 das Betriebsrätegesetz (BRG) erlassen. 9 7 Damit lag zum ersten Mal eine reichseinheitliche Regelung einer Betriebsverfassung vor. Das BRG wurde nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit aufgehoben. 9 8 Hierin waren betriebsverfassungsrechtliche Regeln nach dem Führerprinzip festgelegt. Nicht mehr von den Arbeitnehmern gewählte Betriebsräte übten Mitbestimmung gegebenenfalls durch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber aus, sondern es galt das Prinzip der vom Arbeitgeber erlassenen Betriebsordnungen. Dabei leitete ein vom Arbeitgeber bestellter Betriebsführer den Betrieb. Ihm stand ein von den Arbeitnehmern des Betriebs („Gefolgschaft") gebildeter Vertrauensrat zur Seite, dem der Betriebsführer vorsaß. Diese Regelungen galten für die Privatwirtschaft. Für den öffentlichen Dienst bestanden daneben vergleichbare Regelungen im Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben. 9 9 Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahr 1945 hob der Kontrollrat die nationalsozialisti-

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schen Gesetze auf und erließ durch das Kontrollratsgesetz Nr 22 ein Betriebsrätegesetz. 1 0 0 Dessen Normen entsprachen weitgehend nicht den Rechtsvorstellungen der Bevölkerung, so daß es in einer Reihe von Ländern zu anderen gesetzlichen Regelungen zur Betriebsverfassung kam.

92 Vom 4.5.76 (BGBl 11153), geändert mit Maßgaben für das Gebiet der neuen Bundesländer (Ani I Kap VIII Sachgeb A Abschn ΙΠ Nr 10 Einigungsvertrag ν 31.8.90, BGBl U 889, 1021). 93 BVerfGE 50 290. 94 § 1 und S 130 BetrVG idF ν 23.12.88 (BGBl 198911, ber 902); § 1 SprecherausschußG (SprAuG) ν 20.12.88 (BGBl I 2312). Beide Gesetze gelten in den neuen Bundesländern mit Maßgaben (vgl Ani I Kap VIII Sachgeb A Abschn III Nr 12 und 13 Einigungsvertrag ν 31.8.90, BGBl Π 889, 1023). 95 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) ν 15.3.74 (BGBl I 693). Es gilt übergangsweise in den neuen Bundesländern mit Maßgaben (Ani I Kap XIX Harald Schliemann

Sachgeb A Abschn III Nr 15 Einigungsvertrag ν 31.8.90, BGBl II 889), soweit dort nicht schon Landespersonalvertretungsgesetze in Kraft getreten sind. Für die Bundesländer und deren öffentlich-rechtliche Körperschaften gelten jeweils Landespersonalvertretungsgesetze. 96 s 118 Abs 2 BetrVG, $ 112 BPersVG sowie entsprechende Bestimmungen in den PersVGen der Länder. 97 Vom 4.2.20 (RGBl 147). 98 Vom 20.1.34 (RGBl I, 45). 99 Vom 23.3.34 (RGBl I, 220). 100 KontrollratsG Nr 22 ν 10.4.46 (Amtsbl des KR 133).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gab es zunächst Entwürfe eines Betriebsverfassungsgesetzes durch die Fraktionen der CDU 1 0 1 und der SPD. 1 0 2 Beide Entwürfe scheiterten. Ende Oktober 1950 brachte die Bundesregierung eine Gesetzesvorlage für ein Betriebsverfassungsgesetz ein. 1 0 3 Ein vom federführenden BT-Ausschuß für Arbeit und vom mitberatenen BT-Ausschuß für Wirtschaft gemeinsam gebildeter Arbeitskreis entwickelte aus der Regierungsvorlage einen gemeinsamen Entwurf, der nach umfangreichen und langwierigen Beratungen am 19. Juli 1952 vom Bundestag verabschiedet wurde. Dem Gesetz stimmte der Bundesrat am 30. Juli 1952 zu. Nachdem das KontrollratsG Nr 22 für den sachlichen Geltungsbereich des BetrVG 1952 aufgehoben war, wurde das Betriebsverfassungsgesetz 1952 am 14. Oktober 1952 verkündet. Es blieb fast 2 0 Jahre nahezu unverändert.

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Wegen der Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und mit Rücksicht auf das steigende Rechtsbewußtsein hinsichtlich der Geltung von Grundrechten auch im Arbeitsleben wurden bereits in der 5. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags von der CDU, der SPD und der FDP Entwürfe für ein neues BetrVG vergeblich in den Bundestag eingebracht. Entsprechend ihrer Regierungserklärung zu Beginn der 6. Legislaturperiode legte die Bundesregierung am 29. Januar 1971 einen Regierungsentwurf für ein neues BetrVG vor. 1 0 4 Die CDU/CSU brachte zehn Tage später einen eigenen Entwurf eines BetrVG ein. 1 0 5 Beide Entwürfe wurden in den Ausschüssen, insbesondere im BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, in 23 Sitzungen äußerst intensiv beraten und am 10. November 1971 vom Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 17. Dezember 1971 zu. Am 18. Januar 1972 trat das Betriebsverfassungsgesetz 1972 in Kraft. 1 0 6 Nach zahlreichen Änderungen ist es am 23. Dezember 1988 neu gefaßt und mit Wirkung vom 2 8 . 7 . Ol nochmals novelliert worden. 1 0 7 Es regelt nicht die M i t b e s t i m m u n g auf Unternehmensebene, sondern n u r die a u f der E b e n e des Betriebs.

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Das Betriebsverfassungsrecht geht von der Grundidee aus, daß die kollektiven Interessen der Arbeitnehmerschaft und die des Arbeitgebers ihren Ausgleich nicht durch Konfrontation finden sollen, sondern durch vertrauensvolle Zusammenarbeit.

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Dies findet in § 2 Abs 1 BetrVG seinen herausragenden Ausdruck: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeiter und des Betriebes zusammen." Noch im BetrVG 1952 war dieser Grundsatz nicht derart herausgehoben und fast allen anderen Bestimmungen vorangestellt, sondern nur den Normen über Mitwirkungsrechte (vgl $ 4 9 Abs 1 BetrVG 1952). Die Zusammenarbeit zum Zweck der Beteiligung der Arbeitnehmer erfolgt durch den Betriebsrat mit Hilfe von Unterrichtungs-, Beratungs-, Mitwirkungs- und - in der stärksten Form Mitbestimmungsrechten. Die Mitbestimmungsrechte sind dadurch gekennzeichnet, daß die Zustimmung des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung sind. Diese Rechte, die sich zusammenfassend als Beteiligungsrechte des Betriebsrats bezeichnen lassen, beziehen sich im wesentlichen auf Entscheidungen und Handlungen des Arbeitgebers, durch die alle oder Teile der Arbeitnehmer kollektiv berührt werden. Daneben gibt es aber auch Beteiligungsrechte hinsichtlich Entscheidungen des Arbeitgebers, die Arbeitnehmer nur individuell berühren, zB die erforderliche Anhörung des Betriebsrats vor jeder Kündigung durch den Arbeitgeber ($ 102 BetrVG). Teilweise greift das Betriebsverfassungsrecht hinsichtlich des Beteiligungsgegenstandes auch über den Begriff der Arbeitnehmer hinaus, zB bei der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einstellung nach $ 9 9 BetrVG 1 0 8 oder bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern in den Betrieb des Entleihers ( $ 1 4 Abs 3 AÜG). Kennzeichen der Betriebsverfassung ist ferner, daß die E r r i c h t u n g von Betriebsräten in betriebsratsfähigen Betrieben zu Lasten des Arbeitgebers einseitig zwingendes Recht ist, indem § 1 BetrVG kategorisch bestimmt, in betriebsratsfähigen Betrieben „werden Betriebsräte gewählt". Trotz dieser Formulierung stellt es keinen sanktionier101 102 103 104 105 106 107 108

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BT-Drs Nr 970. BT-Drs Nr 1229. BT-Drs Nr 1546. BT-Drs VI/1786. BT-Drs VI/1806. BGBl I 13. BGBl 1989 1 1, ber 902 sowie BGBl 2001 1 1852. Vgl für die Einstellung von Personen, die zwar nicht Harald Schliemann

Arbeitnehmer des Betriebs werden, aber wie Arbeitnehmer des Betriebs eine weisungsgebundene Tätigkeit ausüben sollen, zB bestimmte Wartungs-, Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten: BAG 22.4.97 - 1 ABR 74/96 AP BetrVG S 99 Einstellung Nr 18, andererseits BAG 8.5.90 - 1 ABR 7/89 - AP BetrVG $ 99 Nr 80 (Einstellung von Schülerpraktikanten); BAG 5.3.91 - 1 ABR 39/90 EzA S 99 BetrVG 1972 Nr 99.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken

ten Rechtsverstoß dar, wenn Arbeitnehmer eines Betriebes keinen Betriebsrat wählen. Der Betrieb bleibt dann allerdings ohne Betriebsrat mit der Folge, daß dem Betriebsrat von Gesetzes wegen eingeräumte Rechte nicht ausgeübt und Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung (vgl § 77 Abs 4 BetrVG) nicht abgeschlossen werden können. Das Betriebsverfassungsrecht wird weiter dadurch gekennzeichnet, daß die Betriebsratsmitglieder ihr Amt als Ehrenamt führen, der Betriebsrat und seine Mitglieder weder benachteiligt noch bevorzugt werden dürfen, Betriebsratsmitglieder wegen ihres Amtes besonders vor Entlassungen oder beruflichen Nachteilen geschützt werden bis hin zur Anordnung besonderer beruflicher Förderung für langjährig von ihrer beruflichen Tätigkeit völlig freigestellten Betriebsratsmitglieder. Die Förderung und der Schutz der Amtsträger entspricht dem ILO-Übereinkommen vom 23. Juni 1971 über den Schutz der Arbeitnehmervertreter im Betrieb, das auch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert hat. 1 0 9

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Im Betriebsverfassungsgesetz ist für Jugendliche und Auszubildende eine besondere betriebsverfassungsrechtliche Vertretung, nämlich die Jugend- und Auszubildendenvertretung vorgesehen. Dagegen ist eine geschlechtsspezifische Vertretung dort ebenso wenig vorgesehen wie eine nach Art der Beschäftigungsverhältnisse gesonderte Vertretung. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten wird jedoch insoweit im Betriebsverfassungsgesetz aufrechterhalten, als für Wahlen und für die Zusammensetzung der Vertretungsgremien (Betriebsrat und dessen Ausschüsse) das sogenannte Gruppenprinzip, dh die repräsentative Berücksichtigung beider Gruppen bis hin zu deren Minderheitenprinzip (Mindestzahl an Sitzen), gilt. Der Gruppenschutz ist durch die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes noch verstärkt worden. 110

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Das Betriebsverfassungsgesetz nimmt die leitenden Angestellten von seinem Geltungsbereich aus 5 6 (S 5 Abs 3 und 4 BetrVG). Dies ist aus der Funktion leitender Angestellter zu erklären. Sie nehmen vorrangig Arbeitgeberfunktionen wahr, nämlich Unternehmeraufgaben mit eigenem erheblichen Entscheidungsspielraum. Von daher können leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes nicht gleichzeitig für den Arbeitgeber bzw Unternehmer dessen Interessen wahrnehmen und den Betriebsrat wählen, in ihn gewählt oder durch ihn repräsentiert werden. 111 Bereits im Betriebsverfassungsgesetz 1952 waren die leitenden Angestellten gesondert definiert und vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen (vgl $ 4 Abs 2 BetrVG 1952). Das Betriebsverfassungsgesetz 1972 hielt hieran mit gewissen, den Kreis der leitenden Angestellten einschränkenden Änderungen fest (vgl § 5 Abs 3 BetrVG 1972 in der bis zum 31.12. 1989 gültigen Fassung). Mit der Begründung, das Gesetz enthalte keine Änderungen, sondern nur Klarstellungen, ist der Begriff der leitenden Angestellten gegenüber der bis dahin geltenden Fassung und deren Ausprägung durch die Rechtsprechung mit Wirkung ab 1. Januar 1989 neu gefaßt worden, nämlich durch das „Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montanmitbestimmung vom 23. Dezember 1988. 1 1 2 Der Begriff der leitenden Angestellten hat indessen nicht nur Bedeutung für das Betriebsverfassungsgesetz. Er wird gleichermaßen durch eine ausdrückliche, die jeweilige Fassung des $ 5 Abs 3 BetrVG berücksichtigende Verweisung auch für das Mitbestimmungsgesetz 1 1 3 (§ 3 Abs 3 MitbestG) und für das Sprecherausschußgesetz 114 ($ 1 Abs 1 SprAuG) zugrunde gelegt.

109 Gesetz ν 2 3 . 6 . 7 1 (BGBl II 954). 110 In Art 1 Nr 10 der Novelle ν 2 3 . 1 2 . 8 8 (BGBl 12312) wurde für nach dem 3 1 . 1 2 . 8 8 erstmals gewählte Betriebsräte (vgl $ 125 Abs 3 BetrVG) der Gruppenschutz insgesamt erweitert, insbesondere durch Änderung der Mindestbeteiligungen der Minderheitengruppe (vgl zur Begründung des Gesetzentwurfs der Regierungskoalition (CDU/CSU und FDP) BT-Drs 11/2503 sowie BT-Drs VI/ 2729); sa Hanau AuR 88 261, 265; Löwisch BB 88 1953, 1954; Buchner NZA 89 Beil Nr 1, 2, 3; Röder NZA 88 Beil Nr 4, 2, 7; Wlotzke Betrieb 89 111, 114. 111 BAG 2 3 . 1 . 8 6 - 6 ABR 51/81 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr 32. Harald Schliemann

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112 BGBl I 2312; Neubekanntmachung BGBl 1 1 9 8 9 1, ber 902. 113 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz - MitbestG) ν 4 . 5 . 7 6 (BGBl I 1153). Für die neuen Bundesländer vgl Ani I Kap VIII Sachgeb A Abschn III Nr 10 Einigungsvertrag ν 3 1 . 8 . 9 0 (BGBl II 889). 114 Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschußgesetz SprAuG ν 2 0 . 1 2 . 8 8 , BGBl I 2312). Das SprAuG wurde als Art 2 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung verkün-

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J 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht 58

Die Herausnahme der leitenden Angestellten aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes hat zur Folge, daß die leitenden Angestellten durch dieses Gesetz nicht geschützt werden. Indessen wuchs nicht zuletzt nach der wesentlich auch leitende Angestellte betreffenden negativen wirtschaftlichen Entwicklung im Inland in den Jahren 1966/67 das Bewußtsein dieser Arbeitnehmergruppe über ihre eigene Schutzlosigkeit infolge des Verlustes des Arbeitsplatzes. 1 1 5 Der Gesetzgeber griff dies zunächst nicht auf. Soweit leitende Angestellte auf die kollektive Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen durch eigene Organisationen Einfluß zu nehmen gedachten, geschah es zum einen durch eigene Verbände, zum anderen in einer Reihe großer Unternehmen durch auf freiwilliger Basis gebildete Sprechergremien (Sprecherausschüsse). Die 1951 aus Einzelverbänden zusammengeschlossene Union der leitenden Angestellte (ULA) zählte bei gut 650 Unternehmen mit mehr als 2 0 0 0 Arbeitnehmern Mitte 1973 etwa 100, 1976 ca. 2 0 0 und schließlich über 4 0 0 auf freiwilliger Grundlage gebildete Sprecherausschüsse. 116 Die Bildung solcher Sprecherausschüsse auf freiwilliger Grundlage wurde vom Bundesarbeitsgericht ebenso als rechtlich möglich angesehen wie der Abschluß schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen einem solchen Sprecherausschuß und dem Unternehmer (Arbeitgeber). 117 cc)

Sprecherausschußgesetz

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Der Gesetzgeber hat die Tatsache, daß es innerhalb der Gruppe der leitenden Angestellten gemeinsame Interessen geben könnte, die sich weder mit denen des Unternehmers (Arbeitgebers) noch mit denen der anderen Arbeitnehmer decken müssen, erstmals mit dem Mitbestimmungsgesetz aufgegriffen. Er hat die Berücksichtigung leitender Angestellter bei der Wahl der Delegierten für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat im Verhältnis zu den anderen Angestellten ausdrücklich geregelt (vgl S 11 Abs 2 und 3, § 12 Abs 1 Nr 3 MitbestG) und angeordnet, daß sich unter den Aufsichtsratsmitgliedern (nichtleitende) Angestellte nach $ 3 Abs 3 Nr 1 und leitende Angestellte entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis, jedoch mindestens ein leitender Angestellter befinden müssen (S 15 Abs 2 S 2 und 3 MitbestG).

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Nach wiederholten, sich über viele Jahre erstreckenden Bemühungen vor allem der Union der leitenden Angestellten, die in den Jahren 1979 und 1984 erneut Vorschläge für ein Sprecherausschußgesetz (SprAuG) vorlegte, 1 1 8 brachten 1985 die Koalitionsfraktionen (CDU/CSU/FDP) einen Entwurf eines „Gesetzes zur Verstärkung der Minderheitenrechte in Betrieben und Verwaltungen" e i n . 1 1 9 Art 3 des Entwurfs enthielt ein Gesetz über die Errichtung von Sprecherausschüssen für leitende Angestellte. Der Entwurf verfiel der Diskontinuität. In der folgenden Legislaturperiode brachten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP nach Vorarbeiten im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung einen mit dem dortigen Referentenentwurf wortgleichen Gesetzentwurf in den Bundestag ein. 1 2 0 Nach Änderungen (ua fiel die Möglichkeit weg, auf Antrag des Sprecherausschusses Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vom Arbeitsgericht für unwirksam erklären zu lassen) wurde der Entwurf, der als Paket auch Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes und eine Ergänzung des MontanMitbestimmungsrechts enthielt, verabschiedet und am 23. Dezember 1988 verkündet. 1 2 1 Am 1. Januar 1989 trat das Gesetz in Kraft. Die Wahlordnung zum Sprecherausschußgesetz wurde am 28. September 1989 erlassen und trat am 6. Oktober 1989 in Kraft. 1 2 2 det und ist nach Art 7 dieses Gesetzes am 1.1.89 in Kraft getreten. In den neuen Bundesländern gilt das SprAuG mit Maßgaben nach Ani I Kap VIII Sachgeb A Abschn in Nr 13 des Einigungsvertrages ν 31.8.90 (BGBl Π 889). 115 Vgl Hromadka Das Recht der leitenden Angestellten, 1979, 241 f; ders Sprecherausschußgesetz Einl Rn 36. 116 Hromadka Sprecherausschußgesetz, Einl Rn 42. 117 BAG 19.2.75 - 1 ABR 55/73 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 9 (Richardi); vgl zu rechtlichen Anforderungen an einen Verband, der sowohl außertarifliche als auch leitende Angestellte umfaßt: BAG 15.3.77 - 1 ABR 16/75 - AP GG Art 9 Nr 24 (Wiedmann). 118 ULA-Schriftenreihe Nr 11, 19. 119 BT-Drs 10/3384.

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Harald Schliemann

120 BT-Drs 11/2503. 121 Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschußgesetz - SprAuG ν 20.12.88, BGBl I 2312). Das SprAuG wurde als Art 2 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung verkündet und ist nach Art 7 dieses Gesetzes am 1.1.89 in Kraft getreten. In den neuen Bundesländern gilt das SprAuG mit Maßgaben nach Ani I Kap Vin Sachgeb A Abschn III Nr 13 des Einigungsvertrags ν 31.8.90 (BGBl II 889). 122 Erste VO zur Durchführung des Sprecherausschußgesetzes - WoSprAuG - BGBl 1 1798.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag

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II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken

Die ersten Wahlen der Sprecherausschüsse nach dem Sprecherausschußgesetz fanden zeitgleich mit

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den Betriebsratswahlen nach der geänderten Fassung des BetrVG in den alten Bundesländern in der Zeit vom l . M ä r z 1990 bis 31. Mai 1990 statt (vgl § 5 Abs 1, $ 37 Abs 1 SprAuG). Aus ihnen gingen nach Mitteilung des DIW 568 Sprecherausschüsse mit 2854 Mitgliedern bei einer Wahlbeteiligung von 88% hervor. 123 Der betriebliche Anwendungsbereich des SprAuG umfaßt alle privatrechtlich organisierten Be-

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triebe. Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind von der Anwendbarkeit des Sprecherausschußgesetzes ebenso ausgenommen wie Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform (vgl § 1 Abs 3 SprAuG). In privatrechtlich organisierten Betrieben mit mindestens zehn leitenden Angestellten „werden Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten gewählt" (§ 1 Abs 1 SprAuG), wobei leitende Angestellte in kleineren Betrieben dem räumlich nächstgelegenen sprecherausschußfähigen Betrieb desselben Unternehmens zugeordnet werden (vgl § 1 Abs 2 SprAuG). Zudem kann auf Mehrheitsbeschluß der leitenden Angestellten anstelle mehrerer betrieblicher Sprecherausschüsse ein alle Betriebe des Unternehmens umfassender Unternehmenssprecherausschuß gebildet werden (vgl $ 20 SprAuG). Mehrere Sprecherausschüsse in einem Unternehmen bilden einen Gesamtsprecherausschuß ($ 16 SprAuG). In einem Unterordnungskonzern kann ein Konzernsprecherausschuß freiwillig gebildet werden (vgl § 21 SprAuG). Ähnlich wie das Betriebsverfassungsgesetz wirkt das Sprecherausschußgesetz zu Lasten des Arbeitgebers einseitig zwingend. Er muß Bildung und Betätigung von Sprecherausschüssen nach dem SprAuG dulden. In sprecherausschußlosen Betrieben bedarf die Bildung eines Sprecherausschusses jedoch der Mehrheitsentscheidung aller leitenden Angestellten des Betriebes (§ 7 Abs 2 S 4 SprAuG). Die Frage, wer leitender Angestellter im Sinne der SprAuG ist, wird in diesem Gesetz nur mit einer

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Verweisung auf $ 5 Abs 3 BetrVG bestimmt (vgl $ 1 Abs 1 SprAuG). Für die Durchführung von Wahlen der Betriebsräte bzw der Sprecherausschüsse enthält das Betriebsverfassungsgesetz in § 18 a besondere Vorschriften über die Zuordnung der Angestellten zur Gruppe der leitenden Angestellten. Im Grundsatz haben sich hierüber die Wahlvorstände für die Wahlen zum Betriebsrat und für die Wahlen zum Sprecherausschuß zu einigen; notfalls haben sie einen Vermittler anzurufen. Allerdings wird durch eine solche Zuordnung der Rechtsweg für ein arbeitsgerichtliches Statusverfahren zur Klärung der Frage, ob ein Angestellter leitender oder nichtleitender Angestellter ist, nicht ausgeschlossen. Außer im Fall offensichtlich falscher Zuordnung kann die Anfechtung einer Wahl des Betriebsrats oder des Sprecherausschusses nicht auf eine fehlerhafte Gruppenzuordnung des Angestellten gestützt werden (vgl $ 18a Abs 5 BetrVG). Im Gegensatz zu den vor Inkrafttreten des SprAuG nur auf freiwilliger Grundlage gebildeten Sprecher-

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ausschüssen, die die Interessen nur solcher leitender Angestellter vertreten durften, die sie gewählt oder sich zu ihnen bekannt hatten, 124 vertritt der Sprecherausschuß nach $ 25 Abs 1 SprAuG die Interessen aller leitenden Angestellten, wobei die Wahrnehmung eigener Belange durch den leitenden Angestellten unberührt bleibt. Der Sprecherausschuß ist materiell ein Organ der Betriebsverfassung. Ähnlich wie beim Betriebsrat steht die Wahrnehmung der Interessen der leitenden Angestellten durch den Sprecherausschuß unter dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber (vgl $ Abs 1 S 1 SprAuG). Der Arbeitgeber hat den Sprecherausschuß vor dem Abschluß einer Betriebs- oder sonstigen Vereinbarung mit dem Betriebsrat, die die rechtlichen Interessen der leitenden Angestellten berührt, rechtzeitig anzuhören (§ 2 Abs 1 S 2 SprAuG). Betriebsrat und Sprecherausschuß können dem jeweils anderen Gremium das Recht zur Teilnahme an seinen Sitzungen einräumen; einmal jährlich soll eine gemeinsame Sitzung stattfinden (vgl $ 2 Abs 2 SprAuG). Der Sprecherausschuß kann auf Wunsch des einzelnen leitenden Angestellten bei dessen Wahrneh-

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mung seiner Einzelinteressen gegenüber dem Arbeitgeber tätig werden und bei der Einsicht in dessen Personalakte anwesend sein ($ 26 SprAuG). Desweiteren kann der Sprecherausschuß mit dem Arbeitgeber schriftlich Richtlinien über den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsver123 Hromadka Rn 53 m w N .

Sprecherausschußgesetz,

Harald Schliemann

1991,

Einl

124

FKHE S 5 BetrVG Rn 201.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

hältnissen vereinbaren ($ 28 Abs 1 SprAuG). Dies entspricht in Teilen der Bestimmung über die möglichen Inhalte und die Form von Tarifverträgen (vgl § 1 TVG). Allerdings gelten derart schriftlich vereinbarte Richtlinien bzw deren Inhalt unmittelbar und zwingend für Arbeitsverhältnisse nur dann, wenn dies zwischen Arbeitgeber und Sprecherausschuß vereinbart ist. Insoweit unterscheidet sich die Wirkung von der verbindlichen Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs 4 BetrVG. Von solchen Richtlinien zugunsten leitender Angestellter abweichende Regelungen sind zulässig; auf in solchen verbindlichen Richtlinien eingeräumte Rechte können leitende Angestellte nur mit Zustimmung des Sprecherausschusses gekündigt werden. Insoweit ist wiederum eine gewisse Ähnlichkeit zu tarifrechtlichen Normen festzustellen (vgl § 4 TVG). 66 Ähnlich der Beteiligung des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist die Form der Beteilig u n g des Sprecherausschusses an Entscheidungen des Arbeitgebers (Unternehmers) abgestuft, nämlich in Unterrichtung, Beratung und Anhörung. Ein zwingendes Mitbestimmungsrecht, wie es dem Betriebsrat gem § 87 und nach anderen Einzelbestimmungen des BetrVG zusteht, ist indessen für den Sprecherausschuß nicht vorgesehen. Inhaltlich ist der Sprecherausschuß in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten beteiligt (vgl §§ 3 0 bis 32 SprAuG). Über die Einstellung und personelle Veränderung leitender Angestellter ist der Sprecherausschuß zu unterrichten ( § 3 1 Abs 1 SprAuG). Dies entspricht der Unterrichtung des Betriebsrats über die Einstellung und personelle Veränderung leitender Angestellter gem § 105 BetrVG. Ferner ist der Sprecherausschuß über wirtschaftliche Angelegenheiten iSd $ 106 Abs 3 BetrVG und über geplante Betriebsänderungen iSd § 111 BetrVG (§ 32 Abs 1, Abs 2 S 1 SprAuG) zu unterrichten. 67 Zu beraten sind mit dem Sprecherausschuß die Änderung der Gehaltsgestaltung und sonstiger Arbeitsbedingungen sowie die Einführung und Änderung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze (§ 3 0 SprAuG), ebenso Maßnahmen zum Ausgleich oder zur Milderung der leitenden Angestellten durch eine geplante Betriebsänderung entstehenden Nachteile (§ 32 Abs 2 S 2 SprAuG). Anzuhören hat der Arbeitgeber den Sprecherausschuß vor j e d e r Kündigung; eine o h n e Anhörung des Sprecherausschusses gegenüber e i n e m leitenden Angestellten erklärte Kündigung ist unwirksam ( $ 3 1 Abs 2 SprAuG). e) 68

Arbeitsrechtsschutz

Entsprechend der besonderen Funktion des Arbeitsrechts stehen für Arbeitsrechtsstreitigkeiten die Gerichte für Arbeitssachen als besondere Gerichtsbarkeit zur Verfügung (vgl § 1 ArbGG).

69 Die Arbeitsrechtspflege durch eine gesonderte und selbständige Gerichtsbarkeit hat sich in relativer Parallelität mit dem materiellen Arbeitsrecht entwickelt. Nachdem Ansätze zu einer selbständigen Arbeitsgerichtsbarkeit im Gewerbegerichtsgesetz von 1890 und im Kaufmannsgerichtsgesetz von 1904 sowie hinsichtlich der Innungsschiedsgerichte in der Handwerkernovelle von 1897 ihren Ausdruck gefunden hatten, kam es mit dem Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926 zum ersten umfassenden Arbeitsgerichtsgesetz. 1 2 5 Es ordnete die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gleichermaßen für alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ständische oder sonstige Unterschiede für Arbeitsrechtsstreitigkeiten an, schuf einen dreistufigen Gerichtsaufbau (Arbeitsgericht als Eingangsinstanz, Landesarbeitsgericht als Berufungs- und Reichsarbeitsgericht als Revisionsinstanz), wobei die Landesarbeitsgerichte und das Reichsarbeitsgericht in die ordentlichen Gerichte organisatorisch eingegliedert waren (das Reichsarbeitsgericht als ein besonders besetzter Senat des Reichsgerichts). Es besetzte alle Instanzen paritätisch mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. 70 Die Behandlung des Gesetzentwurfs unter im wesentlichen sozialpolitischen Gesichtspunkten im Deutschen Reichstag stieß auf den heftigen Widerspruch des Deutschen Richterbundes und des Deutschen Anwaltvereins, den beide in einer gemeinsamen Erklärung vom 25. November 1926 zum Ausdruck brachten. 1 2 6 Mit der nationalsozialistischen Arbeitsrechtsordnung wurden auch die Arbeitsgerichte gleichgeschaltet, nachdem nahezu alle ihre Berufsrichter, insbesondere in der ersten Instanz, bereits kurz nach der Machtübernahme, vornehmlich im März 1933, „beurlaubt" und so an der Amts125 22

RGBl I, 507. Harald Schliemann

126 JW 26 2789, 2790.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken führung gehindert worden waren. 1 2 7 Mit dem Kontrollratsgesetz Nr 21 entstand die Arbeitsgerichtsbarkeit zunächst nur auf der Ebene der Länder in allen vier Besatzungszonen neu. 1 2 8 Die Rechtsgrundlage der Gerichte für Arbeitssachen bildet heute das Arbeitsgerichtsgesetz, das am 3. September 1 9 5 3 1 2 9 erlassen und nach wesentlichen Änderungen in der Fassung vom 2. Juli 1979 neu verkündet 1 3 0 worden ist. Die Gerichte für Arbeitssachen sind für Arbeitsrechtsstreitigkeiten ausschließ-

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lich zuständig. Der Gerichtsaufbau ist dreistufig (Arbeits-, Landesarbeits- und Bundesarbeitsgericht). In allen drei Instanzen sind gleichermaßen ehrenamtliche Richter aus Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber beteiligt. Insbesondere hierdurch wird entsprechend dem Grundgedanken der sozialen Selbstverwaltung die besondere Erfahrung der Beteiligten des Arbeitslebens auch für die Entscheidungsfindung in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten fruchtbar gemacht. Zudem untersteht das gesamte arbeitsgerichtliche Verfahren in allen Instanzen einem besonderen Beschleunigungsgrundsatz sowie dem Grundsatz, in jeder Lage des Verfahrens eine gütliche Einigung unter den Streitenden herbeizuführen. Die Gerichte für Arbeitssachen sollen, wie der damalige Bundesminister für Arbeit bei der Eröffnung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 1954 betonte, „im Rahmen der Gesetze schnell, billig und lebensnah für sozialen Frieden und sozialen Fortschritt wirken". 1 3 1 In der Rechtswirklichkeit kommt der Arbeitsrechtspflege durch die Gerichte für Arbeitssachen, insbesondere durch das Arbeitsgericht, eine herausragende Bedeutung zu. Stärker als auf vielen anderen Rechtsgebieten liegen die Schließung von Gesetzeslücken und die Rechtsfortbildung in den Händen von Wissenschaft und Rechtsprechung. Insoweit ist die plakative Aussage, der,.Richter sei der eigentliche Herr des A r b e i t s r e c h t s " 1 3 2 im Kern nicht unberechtigt. Die mit ihr aufgezeigte Spannung zwischen der Rechtswirklichkeit und den Verfassungsprinzipien der Gewaltenteilung (Art 20 Abs 2 GG) und der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art 2 0 Abs 3 GG) ist nicht zu übersehen. 1 3 3 f)

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Soziale Sicherheit

Das Arbeitsrecht umfaßt im strengen Sinn des Wortes nur die individual- und kollektivrechtlichen Sonderbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im wesentlichen aus der Eingehung, Durchführung und Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse einschließlich der nach der Beendigung der Arbeitsverhältnisse weiterbestehenden Rechtsfolgen, zB aus betrieblichen Versorgungszusagen. Zum Arbeitsrecht in diesem Verständnis gehört dagegen nicht das Recht der sozialen Sicherheit. 1 3 4 Dieses Rechtsgebiet ist vielmehr dem Sozial(versicherungs)recht und damit einem Sondergebiet des öffentlichen Rechts zugeordnet. Vorrangig hat das Recht der sozialen Sicherheit in Ausfüllung des Sozialstaatsprinzips die Aufgabe, Menschen, die ihren Lebensunterhalt dadurch verdienen oder verdient haben, daß sie abhängige Arbeit aufgrund von Arbeitsverhältnissen leisten, leisten wollen oder geleistet haben, Schutz gegenüber Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfällen und Krankheit sowie - besonders im Hinblick auf die Zeit nach Beendigung ihres Arbeitslebens - Versorgung zu bieten. Dabei bestehen zwischen dem Arbeitsrecht und dem Sozial(versicherungs)recht zahlreiche rechtliche und tatsächliche Wechselbeziehungen. Hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz wird innerhalb des Art 74 Nr 12 GG zwischen „Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung" und „Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung" auf der anderen Seite unterschieden. 127 Vgl. 60 Jahre Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit, Katalog zur Ausstellung, 1987, 44 ff; zur Geschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit: Welzel JZ 65 697 ff. 128 Abdruck einer nicht bekannten Quelle mit dem Gesetzestext in: 60 Jahre Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit, Katalog zur Ausstellung, 1987, 104; siehe auch Hilger Geschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit nach 1945, RdA 81 93. 129 BGBl I 1267. 130 BGBl 1853, ber 1036, zuletzt geändert durch Gesetz ν 27.7.01 (BGBl I 1887). Das ArbGG gilt für die neuen Bundesländer mit Maßgaben gemäß Ani I Kap III Sachgeb A Abschn III Nr 1 Buchst t) und w) sowie Ani I Harald Schliemann

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Kap VIII Sachgeb A Abschn III Nr 15 des Einigungsvertrages ν 31.8.90 (BGBl II 889). 131 Zit. nach Hanau NZA 85 86, 87. 132 Gamillscheg AcP 164 388, 445. Zur Bedeutung des Richterrechts für das Arbeitsrecht vgl auch Hilger FS Larenz, 1973,109; G. Mü/ter Betrieb 8193; Kissel AuR 82137; in FS 25 Jahre BAG: Weitnauer 617 und Zeuner 727; Picker JZ 88 1, 62. 133 HeußnerPS Hilger/Stumpf, 1983,317; Scfto/z Betrieb 87 1192; Söllner RdA 85 328; Picker JZ 84 153; Lerche NJW 87 2465. 134 Der Begriff wird hier nicht rechtstechnisch verwendet. 23

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

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Eine sozialstaatliche Aufgabe liegt in der Arbeitsforderung. Schon in der Weimarer Reichsverfassung war bestimmt, jedem Deutschen solle ermöglicht werden, seinen Unterhalt durch wirtschaftliche Arbeit zu erwerben, und es solle, soweit ihm keine Gelegenheit hierzu nachweisbar sei, für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt werden. 135 Demgemäß wurde 1927 das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) erlassen. 136 Es wurde 1969 durch das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) abgelöst. 137 Dessen Regelungen wurden - mit Änderungen - in das SGB III überommen. 1 3 8 Die hiernach von der Bundesanstalt für Arbeit „im Rahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung durchzuführenden Maßnahmen sind darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert wird (vgl S 1, $ 3 SGB ΙΠ). Hierzu obliegen der Bundesanstalt für Arbeit als Bundesoberbehörde und den ihr nachgeordneten Landesarbeitsämtern und den diesen nachgeordneten Arbeitsämtern zunächst die bereits aus dem AVAVG übernommenen Aufgaben der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sowie der Berufsberatung, aber auch die Förderung der beruflichen Bildung allgemein und der beruflichen Eingliederung Behinderter, die Gewährung von Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, die Gewährung von Konkursausfallgeld sowie Berufs- und Arbeitsmarktforschung. Dabei ist der Arbeitsverwaltung grundsätzlich das Monopol der Vermittlung in Arbeitsstellen und in Stellen zur Berufsausbildung sowie zur Berufsberatung übertragen. Bei Arbeitslosigkeit werden den gegen Arbeitslosigkeit zwangsversicherten Arbeitnehmern im Versicherungsfall Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung bzw - nachrangig - Arbeitslosenhilfe aus Bundesmitteln gewährt. Der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen dienen unter anderem die Gewährung von Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Winterbauförderung und die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung („ABM").

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Zur Sozialversicherung gehören die Zweige Arbeitsförderung, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte und Pflegeversicherung. Das gesamte Sozialversicherungsrecht wird in einem Sozialgesetzbuch (SGB) zusammengefaßt. Teile des SGB sind bereits verabschiedet worden. 1 3 9

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Der im SGB V geregelten gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen alle Arbeitnehmer, deren Jahresarbeitsentgelt 75 vH der für die gesetzliche Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreitet. Die wesentlichen Leistungen liegen in der ärztlichen Behandlung des Versicherten und seiner Familienangehörigen (Ehegatte, Kinder) aufgrund Krankenscheines, einschließlich Krankenhauspflege und Medikamenten, der Zahlung von Krankengeld im Anschluß an die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und in der Zahlung von Mutterschaftsgeld bei Schwangerschaft und Niederkunft.

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Die für Angestellte im Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), 140 für Arbeiter in den $S 1226 ff Reichsversicherungsordnung (RVO), 141 für Arbeiter und Angestellte des Bergbaus im Reichsknappschaftsgesetz, 1 4 2 ab 1. Januar 1992 einheitlich im SGB VI 1 4 3 geregelte gesetzliche Rentenversicherung umfaßt alle Arbeitnehmer, darüber hinaus auch bestimmte selbständig Tätige (vgl SS 1 bis 3 SGB VI). Ihre Leistungen bestehen im wesentlichen aus laufenden Geldzahlungen bei Berufs- oder Erwerbsunfähig135 Vgl Art 163 WRV (RGBl 1919, 1383). 136 Vom 1 6 . 7 . 2 7 , letzte Bekanntmachung ν 3 . 4 . 5 7 (BGBl I 321). 137 Gesetz ν 2 5 . 6 . 6 9 , in Kraft getreten am 1.7.69 (BGBl I 582). Für die neuen Bundesländer vgl insbes S 242 I (Übergangsvorschriften aufgrund des Gesetzes ν 2 5 . 6 . 9 0 zum Staatsvertrag ν 1 8 . 5 . 9 0 - BGBl II 518) sowie die Änderungen und Ergänzungen durch Ani I Kap V m Sachgeb E Abschn II Nr 1 Einigungsvertrag ν 3 1 . 8 . 9 0 (BGBl Π 889). 138 Gesetz ν 2 4 . 3 . 9 7 (BGBl I 594), zuletzt geändert durch Job-AQTIV-Gesetz" vom 9 . 1 1 . Ol (BGBl I 3443). 139 Als Teile des SGB sind verabschiedet die Bücher I (Allgemeiner Teil), ΙΠ (Arbeitsförderung), IV (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung), V (Gesetzliche Krankenversicherung), VI (Gesetzliche Rentenver-

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Harald Schliemann

sicherung), VII (Unfallversicherung), IX (Rehabilitation und Schwerbehinderung), X (Verwaltungsverfahren, Schutz der Sozialdaten, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten) und XI (Pflegeversicherung). 140 Vom 2 0 . 1 2 . 1 1 (RGBl 989) - BGBl ΙΠ 821-1 sowie AVNeuRegG - BGBl ΠΙ, 821-2. 141 Vom 1 9 . 7 . 1 1 (RGBl 509) - BGBl III 820-1. 142 Vom 2 3 . 6 . 2 3 (RGBl 1 431) - BGBl III 822-1. 143 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992), Erster Teil Art 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI), Gesetzliche Rentenversicherung, ν 1 8 . 1 2 . 8 9 , BGBl I 2261; zur Ablösung früherer Rechtsgrundlagen vgl Art 83 RRG 1992.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken keit des Versicherten und nach Erreichen der Altersgrenze des Versicherten der Zahlung von Altersruhegeld und Hinterbliebenenrente. Die Beiträge der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer für die Arbeitslosen- sowie für die gesetzliche

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Kranken- und Rentenversicherung werden in der Regel j e zur Hälfte vom Arbeitnehmer (als Lohn- bzw Gehaltsabzug) und vom Arbeitgeber eingezogen. Zur Sozialversicherung gehört ferner die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Ihr unterliegen alle

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Beschäftigten, darunter alle Arbeitnehmer, aber auch bestimmte selbständig Tätige (vgl $ 2 SGB VII). Die gesetzliche Unfallversicherung gewährt Leistungen bei Arbeitsunfällen einschließlich Unfällen auf dem Weg von und zur Arbeitsstelle sowie bei Berufskrankheiten in Form von Heilbehandlung, Geldleistung, Berufshilfe, Verletztenrente, Sterbegeld und Hinterbliebenenrente. Die Beiträge sind vom Unternehmer bzw sonst Versicherungspflichtigen, nicht aber vom Arbeitnehmer aufzubringen. Mit Rücksicht auf den gesetzlichen Unfallschutz ist die Haftung der Unternehmer und Arbeitskollegen bei Körperschäden gemäß den $$ 104 ff SGB VII grundsätzlich beschränkt (§ 6 1 8 BGB 225 ff). g)

Europäisches Arbeitsrecht

Als Europäisches Arbeitsrecht lassen sich zusammenfassend die arbeitsrechtlichen Regeln bezeichnen, die die Europäische Gemeinschaft (EG) als Teil der Europäischen Union (EU) erlassen hat und künftig erlassen wird. Diese Regeln stellen derzeit kein in sich geschlossenes Regelwerk dar, sondern setzen die Existenz nationalen Arbeitsrechts in den EG-Mitgliedstaaten voraus. Andererseits hat das europäische Arbeitsrecht Vorrang vor dem nationalen Arbeitsrecht. Nicht selten ist zu beobachten, daß die materiellen Regeln nationalen Arbeitsrechts einzelner Mitgliedstaaten als Vorbild für das Europäische Arbeitsrecht dienen. Zuweilen wird aber auch der Weg über die Rechtsetzung und auch Rechtsprechung der Europäischen Gemeinschaft zur Entwicklung neuer materieller arbeitsrechtlicher Regeln gesucht. Für das sprachliche und inhaltliche Verständnis des Inhalts und der Bedeutung des Europäischen Arbeitsrechts ist ferner zu beachten, daß europarechtlich die sprachliche Trennung von Arbeits- und Sozialrecht nach deutschem Verständnis sprachlich nicht stets nachvollzogen wird. Im Sprachgebrauch der EU ist insoweit häufig von „sozialer Sicherheit" und „sozialem Schutz" der Arbeitnehmer und von „sozialem Dialog" die Rede. Das Europäische Arbeitsrecht hat grundlegende B e d e u t u n g 1 4 4 auch für das im Inland zu beachtende nationale Arbeitsrecht. Europäisches Arbeitsrecht beruht auf gesetzförmigen oder -ähnlichen Regelungen der Europäischen Gemeinschaft und wird durch die Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofs wesentlich ausgeformt. Der Alltagspraxis ist die grundlegende Bedeutung der europäischen Rechtsetzung und Rechtsprechung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nicht immer hinreichend bewußt. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß nur relativ wenige EG-Bestimmungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts unmittelbar für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der EU gelten, während weit mehr Bestimmungen der europäischen Arbeitsrechts in nationales Recht

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der Mitgliedstaaten der EG mehr oder weniger rechtzeitig und vollständig umgesetzt worden sind und sie deshalb auf den ersten Blick nicht offenlegen, daß sie auf EG-rechtlichen Vorgaben beruhen. Auch wenn die EG-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt worden sind, hat es damit nicht sein Bewenden. Für Verständnis und Auslegung derartiger nationaler Regelungen muß stets die EG-rechtliche Vorgabe beachtet werden. Gegebenenfalls müssen sogar der Rechtsstreit ausgesetzt und der Europäische Gerichtshof im Wege des EG-rechtlichen Vorabentscheidungsverfahrens angerufen werden. Nach dem EWG-Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung vom 25. März 1 9 5 7 1 4 5 war eine europäische Arbeits- und Sozialpolitik im Sinne einer Angleichung der rechtlichen Bedingungen, unter denen sich solche Politik vollzieht, nicht Selbstzweck, sondern Ausfluß der Grundgedanken der Europäischen

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Gemeinschaften (EG), die auf die Harmonisierung der wirtschaftlichen Bedingungen innerhalb der 144 Schaub Arbeits- und Sozialrecht auf dem Weg nach Europa, FS Dieterich (1999) 519; Kreuzer/Scheuing/Sieber Die Europäisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in der Europäischen Union (1997); Hanau Neues im Europäischen Arbeitsrecht, in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart 28 89 ff. Harald Schliemann

145 Schlußakte der Regierungskonferenz für den Gemeinsamen Markt und Euratom ν 25.3.57 (BGBl II 755), Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ν 25.3.57 (BGBl II 766) nebst Länderprotokollen.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Gemeinschaft gerichtet sind. Inzwischen ist jedoch ein erheblicher Wandel der politischen Zielsetzungen zu verzeichnen. Zwar war nach den Bestimmungen der Art 117 ff EWG-Vertrag (aF) die Schaffung eines einheitlichen, für alle Mitgliedsländer der EWG geltenden und in diesem Sinn europaweiten umfassenden Arbeitsrechts nicht Selbstzweck der EWG. Indessen entstand und entsteht europäisches Arbeitsrecht in ständig und (wohl) immer rascher zunehmendem Umfang. Die arbeitsrechtlichen Zielsetzungen im EWG-Vertrag wurde wesentlich verändert durch die am 9. September 1985 verabschiedete Einheitliche Europäische Akte (EEA); mit ihr wurde durch Art 118 EWG-Vertrag (aF) erstmals die Möglichkeit zum Erlaß von Richtlinien durch qualifizierten Mehrheitsbeschluß auf dem Gebiet der Arbeitsumwelt geschaffen. Die EG-Länder außer dem vereinigten Königreich von Großbritannien haben am 8./9. Dezember 1989 als politische Absichtserklärungen eine Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (Sozialcharta) 146 und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ein dazugehöriges Aktionsprogramm beschlossen. Die Sozialcharta bekräftigt das Recht auf Freizügigkeit, auf gerechte Bezahlung jeder Arbeit, zielt auf eine generelle Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auch durch Gestaltung eines einheitlichen Arbeitsvertragsrechts, postuliert einen angemessenen sozialen Schutz der Arbeitnehmer ua unter Hinweis auf eine Mindestrente im Versorgungsfall, fordert unter Anerkennung einer europaweiten Koalitionsfreiheit einschließlich Kollektivmaßnahmen bei Interessenkonflikten Regelungen einer europäischen Tarifautonomie, befaßt sich mit der Förderung der Gleichbehandlung von Mann und Frau und fordert die Weiterentwicklung der Betriebsfassung auf der Grundlage der Regelungen in den Mitgliedstaaten. Ausgehend von der Sozialcharta der EG sind auf der Gipfelkonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften am 10./11. Dezember 1991 in Maastricht das Protokoll Nr 14 über die Sozialpolitik und unter Berücksichtigung dieses Protokolls eine Vereinbarung über die Änderung des EWG-Vertrags hinsichtlich seiner sich mit Sozialpolitik befassenden Artikel zustande gekommen und als Teil des Vertrags über die Europäische Union vom 7 . 2 . 1992 (Vertrag von Maastricht - EUV) am 1. November 1993 in Kraft getreten. 147 Die Änderung hat zur Folge, daß für die Europäischen Union arbeitsrechtliche Bestimmungen nicht mehr nur der Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse zu dienen haben. Vielmehr ist ein neues, besonderes Regelungsziel der auch das Arbeitsrecht umfassenden Sozialpolitik der Europäischen Union. Hiernach ist Ziel, auf eine gute Beschäftigungsgrundlage, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine angemessene soziale Sicherung, sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials und somit ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen hinzuwirken. Seit dem Vertrag von Maastricht ist die Europäische Gemeinschaft Teil der Europäischen Union. 1 4 8 82

Der Vertrag zur Änderung des EUV, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (Vertrag von Amsterdam) und andere damit im Zusammenhang stehende Rechtsakte der Mitgliedsländer der EU erweiterten die Gemeinschaftsregeln, vor allem um die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) mit der Einführung des EURO als der gemeinsamen Währung in der EG und änderten die EG-Verträge nochmals. Die Zielsetzungen Sozialpolitik und Beschäftigung aus dem Protokoll Nr 14 des Vertrags von Maastricht wurden in Form eines neuen Kapitels in den EG-Vertrag (EGV) aufgenommen. Damit war auch die Sonderrolle der Vereinigten Königreichs beseitigt. Der EGV ist durch den Vertrag von Amsterdam und weitere Rechtsakte redaktionell umgestellt worden, die Normen des EGV wie des EUV (Artikel) sind neu durchgezählt worden, 149 diese Fassungen sind am 1.5. 1999 in Kraft getreten. 150

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Die Struktur des Vertragswerkes, die schon 1992 durch den Vertrag von Maastricht auf drei Säulen gestellt worden war, wurde beibehalten, aber modifiziert. Die erste Säule umfaßt den gesamt EGVertrag, der um die Währungs- und Wirtschaftsunion und um weitere Materien erweitert wurde, darunter die für das Arbeitsrecht wichtigen Felder Sozialpolitik und Beschäftigung. Nach Art 5 Abs 1 146 Deutsche Fassung der Charta in: v. Maydell Soziale Rechte der EG (1990); vgl Aktionsprogramm in BR-Drs 717/89. 147 Gesetz zum Vertrag ν 7. Februar 1992 über die Europäische Union ν 2 8 . 1 2 . 9 2 (BGBl II 1251); Bekannt-

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Harald Schliemann

machung über das Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union ν 1 9 . 1 0 . 9 3 (BGBl II 1947). 148 Art A III EUV. 149 Amsterdamer Vertrag ν 2 . 1 0 . 9 7 , BGBl II 1998,387, ber BGBl II 1999, 416. 150 Bekanntmachung ν 6 . 4 . 9 9 , BGBl II 296.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken

ex 3b EGV wird die EG in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. 3.

Grundlagen des Arbeitsrechts

Die Grundlagen des Arbeitsrechts finden sich in innerstaatlichen und mit zunehmender Bedeutung in zwischen- und überstaatlichen Rechtsquellen. Daneben sind auch für das Arbeitsrecht bei internationalen Bezügen die dem internationalen Privatrecht zugeordneten arbeitsrechtlichen Kollisionsnormen zu beachten. Neben dem geschriebenen Gesetz - oder vertragsförmigen Rechtsquellen - ist die Rechtsprechung in Arbeitssachen von herausragender Bedeutung. Die wichtigste Rechtsquelle für das einzelne Arbeitsverhältnis bleibt jedoch der ihm zugrundeliegende Arbeitsvertrag. a)

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Innerstaatliche förmliche Rechtsquellen

An der Spitze aller innerstaatlichen Rechtsquellen steht das Grundgesetz. 151 Für das Arbeitsrecht sind insbesondere seine Art 1 über den Schutz der Menschenwürde, das Bekenntnis zu den Menschenrechten und die Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte, Art 2 über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie die Freiheit der Person, Art 3 mit den allgemeinen Gleichheits-, Gleichberechtigungs- und Gleichbehandlungsgrundsätzen, Art 9 über die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Art 12 über die Berufsfreiheit und das Verbot der Zwangsarbeit, Art 14 über das Eigentum und seine Sozialbindung, Art 20 Abs 1 über das Demokratie- und das Sozialstaatsprinzip sowie Art 28 über die Grundregeln der Verfassungen der Länder zu beachten. Das Gebiet des gesamten Arbeitsrechts gehört nach Art 74 Nr 12 GG ebenso wie das der dort zur Klarstellung erwähnten Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung zur konkurrierenden Gesetzgebung (vgl Art 72 GG). Hiernach haben die Länder das Gesetzgebungsrecht nur, soweit der Bund hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.

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Innerstaatliches Arbeitsrecht ist weitestgehend Bundesrecht. Es gilt in der Regel bundesweit, indessen ist auch für das Arbeitsrecht Art 125 GG zu beachten. Hiernach können arbeitsrechtliche Rechtsnormen des Besatzungsrechts als partielles Bundesrecht weitergelten. Die Rechtsfigur des partiellen Bundesrechts ist durch die Übergangsregelungen des Einigungsvertrags 152 neu belebt worden.

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Dagegen kommt landesgesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nur eine verhältnismäßig geringe Bedeutung zu. Verschiedene Landesverfassungen enthalten arbeitsrechtliche Bestimmungen. Einfachrechtlich sind vor allem Regelungen über den Bildungsurlaub, 153 über Ausgleichs-, Schlichtungs- und Schiedsverfahren bei Streitigkeiten über Tarifverträge oder Gesamtvereinbarun-

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151 Vom 2 3 . 5 . 4 9 (BGBl I 1), zuletzt geändert durch Gesetz ν 1 6 . 7 . 9 8 (BGBl I 1822). 152 Vom 3 1 . 8 . 9 0 (BGBl II 889), insbes die jeweiligen Abschnitte II und III der Anlagen 1 und 2 hierzu. 153 Berlin: Gesetz ν 2 4 . 1 0 . 9 0 (GVB12209); Brandenburg: Gesetz ν 1 5 . 1 2 . 9 3 (GVBl I 498); Bremen: Bremisches BildungsurlaubsG ν 1 8 . 6 . 9 6 (GBl 127); Hamburg: Hamburgisches BildungsurlaubsG ν 2 1 . 1 . 7 4 (GVBl 6), geändert durch Gesetz ν 1 6 . 4 . 9 1 (GVBl 113); Hessen: Hessisches Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub idF ν 2 8 . 7 . 9 8 (GVBl 261); Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz über die Freistellung von der Arbeit für Maßnahmen Harald Schliemann

der Weiterbildung (Niedersächsisches FreistellungG NFG) idF ν 2 5 . 1 . 9 1 (GVBl 29); Nordrhein-Westfalen: Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung (ArbeitnehmerweiterbildungsG - AWbG) ν 6 . 1 1 . 8 4 (GV NW 678); Rheinland-Pfalz: Gesetz ν 3 0 . 3 . 9 3 (GVBl 157, geändert durch Gesetz ν 1 7 . 1 1 . 9 5 (GVBl 454); Saarland: Saarländisches Weiterbildungs- und FreistellungsG idF ν 1 5 . 9 . 9 4 (Abi 1359); Schleswig-Holstein: Gesetz ν 7 . 6 . 9 0 (GVOB1 364), zuletzt geändert durch Gesetz ν 2 4 . 1 0 . 9 6 (GVOB1 655).

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§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht gen 1 5 4 und über die Freistellung für Jugendgruppenleiter 1 5 5 zu nennen. Für den öffentlichen Dienst der Länder, Kommunen usw bestehen Länderpersonalvertretungsgesetze und teilweise weitere Sonderregelungen. Für die Arbeitsgerichtsbarkeit haben die Länder organisatorische Ausführungsbestimmungen erlassen. 88

Insgesamt ist das innerstaatliche gesetzförmige Arbeitsrecht sehr stark zersplittert. Dies erschwert es sehr, auch nur das gesetzförmige Arbeitsrecht rasch und umfassend zu überblicken. Alle bisherigen Bemühungen um Vereinheitlichung oder auch nur geordnete Zusammenfassung der unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen sind als gescheitert anzusehen. b)

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Gewohnheitsrecht

Neben die gesetzesförmigen Bestimmungen einschließlich der Rechtsverordnungen kann auch im Arbeitsrecht auf allen Ebenen Gewohnheitsrecht 1 5 6 treten. Wegen der ständig wachsenden Regelungsdichte auf anderen Grundlagen verliert das Gewohnheitsrecht für das Arbeitsrecht an Bedeutung. c)

Nichtstaatliche Normen (autonome Regelungen)

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Von herausragender Bedeutung als Rechtsquellen sind im Arbeitsrecht ohne staatliche Beteiligung geschaffene a u t o n o m e Regelungen mit normativer Wirkung. Die Beteiligten des Arbeitslebens, insbesondere Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Betriebsräte und Arbeitgeber, haben weitgehende Befugnisse, ohne staatliche Beteiligung über den Einzelarbeitsvertrag hinaus selbständige arbeitsrechtliche Normen zu schaffen, zu ändern und aufzuheben.

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Die wichtigste Gruppe solcher autonomen normativen Regelungen sind die Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes (TVG). Sie gelten unmittelbar und zwingend innerhalb ihrer jeweiligen Geltungsbereiche, allerdings nur, soweit Tarifgebundenheit besteht (vgl $$ 3, 4 TVG). Im Fall der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags durch den Staat gemäß $ 5 TVG gelten die Tarifnormen zwingend und unmittelbar auch ohne Tarifgebundenheit für alle Arbeitsverhältnisse, die in den Geltungsbereich der Tarifvertrags und der Allgemeinverbindlicherklärung fallen ($ 5 Abs 4 TVG). Dadurch legt der Gesetzgeber im Ergebnis einer solchen autonomen Regelung die Wirkung eines Gesetzes bei. Das diese Wirkung herbeiführende Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1977 trotz fehlender Publizierungspflicht des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages als „noch ausreichend demokratisch legitimiert" anerkannt. 1 5 7 Der Text des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags muß auch nach der 1989 geänderten Fassung der DVO zum TVG 1 5 8 nicht veröffentlicht werden. 1 5 9 Daneben kann und wird in der Praxis überaus häufig die Anwendung von Tarifverträgen im Arbeitsverträgen vereinbart; dies führt nicht zur zwingenden und unmittelbaren Geltung des Tarifvertrags, sondern eben nur zur einzelvertraglich vereinbarten Wirkung.

154 Baden: LandesG über das Schlichtungswesen bei Arbeitsstreitigkeiten (Landesschlichtungsordnung) ν 19.10.49, GVB1 1950, 60, zuletzt geändert durch Gesetz ν 4.7.83 (GBl 265), dazu Arnold RdA 96 356; Berlin: Verfahrensregeln zum Gesetz Nr 35 des Alliierten Kontrollrats über Ausgleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten ν 28.6.49 - KRG 35 - (VOB1 213); Nordrhein-Westfalen: 2. DVO zum KRG 35 (Arbeit und Sozialpolitik Nr 18, 15, gleichlautende Regelungen in Wedersachsen und Schleswig-Holstein; Rheinland-Pfalr. Verfahrensregeln zum Ausgleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten (Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Umwelt ν 14.3.83 (MinBl 325). 155 Baden-Württemberg: Gesetz ν 13.7.53 (GBl 110); Bayern: Gesetz v. 14.4.80 (BayRS 2162-3-K); Bremen: Gesetz ν 25.4.61 (SaBremR 8002-a-l); Hamburg: Gesetz ν 28.6.55 28

Harald Schliemann

(Sammlung des bereinigten Hamburgischen Landesrechts 800-c); Hessen: Gesetz ν 28.3.51 idF ν 2.8.83 (GVB1 130; § 7 Abs 2 S 1 verstößt gegen Art 105, 110 Abs 1 S 1 GG - BVerfG 9.11.99 - 2 BvL 5/95 - AP SonderUrlG Hessen § 7 Nr 1); Niedersachsen: Gesetz ν 29.6.62 (GVB1 74); Nordrhein-Westfalen: Gesetz ν 31.7.74 (GVB1 768); Rheinland-Pfalz: Gesetz ν 12.11.52 (GVB1 131); Saarland: Gesetz ν 8.6.62 (ABl 481); Schleswig-Holstein: Gesetz ν 25.7.77 (GVB1 190). 156 Vgl zur Feststellung arbeitsrechtlichen Gewohnheitsrechts durch das Revisionsgericht: BAG 7.7.55 - 2 AZR 27/53 - AP AOG $ 32 Tarifordnung Nr 2. 157 BVerfGE 44 322. 158 DVO V 15.1.89 (BGBl I 76). 159 BAG 28.3.90 - 4 AZR 536/89 - AP TVG S 5 Nr 25; dazu kritisch Kempen/Zacherts S 5 TVG Rn 20.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken Zu den autonomen Regelungen zählen auch die aus der Zeit von 1933 von 1945 stammenden TarifOrdnungen. Ihnen kommt jedoch nur noch marginale Bedeutung zu. Aufgrund des $ 10 TVG in

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Verbindung mit der VO über die Aufhebung von Tarifordnungen und Lohngestaltungsordnungen vom 17. April 1968 sind alle Tarifordnungen bis auf drei Ausnahmen, nämlich für die deutschen Theater, die deutschen Kulturorchester und die Mitglieder von Kurkapellen mit Wirkung ab 1. Januar 1971 aufgehoben worden. 1 6 0 Nächst den Tarifverträgen wichtigste Gruppe der autonomen normativen Regelungen arbeitsrechtlicher

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Bedeutung sind die Betriebsvereinbarungen und die sie ersetzenden, ihnen insoweit gleichstehenden Einigungsstellenentscheidungen. Beide haben normativen Charakter, gelten unmittelbar und zwingend ($ 77 Abs 4 BetrVG) und erzeugen im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung objektives Recht. 1 6 1 Entsprechendes gilt für den Bereich des Personal vertretungsrechts des Bundes bzw der Länder hinsichtlich Dienstvereinbarungen bzw Entscheidungen der Einigungsstellen nach diesen Gesetzen. Dagegen stellen formlose Betriebs- oder Dienstabreden keine Rechtsquelle im Verhältnis zu Arbeitnehmern dar. 1 6 2 Autonome arbeitsrechtliche Rechtsquellen sind auch Dienstordnungen. Sie beruhen auf sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen und betreffen den Status der Dienstordnungsangestellten bei bestimmten Sozialversicherungsträgern. 163 Als in diesem Sinn gegenüber dem staatlichen Gesetzgeber autonome Regelungen mit arbeitsrechtlicher Bedeutung lassen sich auch die von den Berufsgenossenschaften erlassenen Unfallverhütungsvorschriften verstehen ($ 6 1 8 Rn 39 ff).

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Keine Rechtsquelle im rechtstechnischen Sinn stellt die konkrete Ordnung im Betrieb dar. Das Reichsarbeitsgericht hatte zwar zunächst die Ansicht vertreten, die konkrete betriebliche Ordnung stelle partikuläres, nämlich innerbetriebliches Gewohnheitsrecht dar. 1 6 4 Das Bundesarbeitsgericht hat dies offengelassen. Bei der konkreten betrieblichen Ordnung handelt es sich in der Regel nicht um eine normativ wirkende Rechtsetzung, sondern um privatrechtsgestaltende Einheitsregelungen, die einseitig vom Arbeitgeber gesetzt werden. Solche privatrechtsgestaltenden Einheitsregelungen stellen betriebliche Übungen dar, denen keine normative Wirkung zukommt, 1 6 5 sondern nur eine vertragliche, die durch eine vom Arbeitnehmer unwidersprochen hingenommene neue Handhabe auch wieder zurückgeführt werden kann. 1 6 6 Ähnlich verhält es sich mit Erlassen oder Richtlinien öffentlicher Arbeitgeber, vor allen die Richtlinien der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL-Richtlinien). Auch sie stellen keine arbeitsrechtlichen Rechtsquellen dar, 1 6 7 werden jedoch als (Teil-)Inhalt des Arbeitsvertrags vereinbart, wie es idR in Arbeitsverträgen mit Lehrern an öffentlichen Schulen geschieht.

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d)

Über- und zwischenstaatliche förmliche Rechtsquellen

Als förmliche Rechtsquelle gewinnen internationale Verträge für das Arbeitsrecht an Bedeutung. Als Gegenstand des Völkerrechts werden weite Teile des Internationalen Arbeitsrechts - Arbeitsvölkerrechts - vor allem dadurch gekennzeichnet, daß ihm nicht stets unmittelbar bindende Wirkung für die Rechtsunterworfenen zukommt, sondern sehr häufig nur eine mehr oder minder wirkende politische Bindungswirkung, es also insoweit noch auf der Stufe des soft law 1 6 8 steht. Zunehmend ist jedoch eine Verrechtlichung zu beobachten, insbesondere im Europäischen Arbeitsrecht.

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Im Vollzug des Versailler Vertrags von 1919 wurde in Washington die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), auch International Labour Organisation (ILO) genannt, gegründet. 1 6 9 Das Deutsche Reich

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160 Vgl KempenfZachert TVG $ 10; Wiedemann TVG $ 10 Rn 6-10. 161 Vgl Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG $ 77 Rn 15 ff; vgl zur rechtlichen Natur der Betriebsvereinbarung als „kollektivem Normenvertrag" eingehend Säcker AR-Blattei Betriebsvereinbarung I D I (str); siehe zu Rechten des Betriebsrats aus einem Interessenausgleich: BAG 28.8.91 - 7 ABR 72/90 - EzA $ 113 BetrVG 1972 Nr 21. 162 BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9 Nr 89 (B II 1 b aa (1) der Gründe). 163 Balzer NZS 94 1; Platz ZTR 92 10. Harald Schliemann

164 So noch RAG 19.11.40 ARS 40 356, 363 und nochmals vom selben Tag ARS 41 36, 40. 165 BAG 5.2.86 - 5 AZR 632/84 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 21 (Scheuring); BAG 23.6.88 - 6 AZR 137/86 - AP aaO Nr 33. 166 BAG 4.5.99 AP BGB $242 Betriebliche Übung Nr 55. 167 BAG 1 1 . 3 . 9 8 - 1 0 AZR 313/97 - AP BAT $$ 22, 23 Lehrer Nr 68; 13.5.1998-10 AZR 421/97-AP aaO Nr 69. 168 Vgl Oppermann Europarecht, 1990, 64 Rn 136. 169 Vgl. Birk ZfA 91 355, 357. Die 1919 errichtete Ver29

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

war von 1919 bis 1933 Mitglied der IAO. Auf ihren Antrag wurde die Bundesrepublik Deutschland 1951 erneut in die IAO (ILO) aufgenommen. Die IAO (ILO) erarbeitet vor allem internationale Übereinkommen. Sie müssen, um innerstaatliche Verbindlichkeit zu erlangen, durch Gesetz, gesetzesgleiches Recht oder um unmittelbare Bindungswirkung für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer zu erlangen, zumindest mit Hilfe von Tarifverträgen umgesetzt werden. 1 7 0 Die Bundesrepublik Deutschland hat die sie berührenden IAO-(ILO-)Abkommen ratifiziert. 1 7 1 Des weiteren erarbeitet die IAO (ILO) Empfehlungen. Sie verfaßt zudem „Berichte" darüber, ob die von ihr in Form der Abkommen aufgestellten arbeitsrechtlichen Normen in den Signatarstaaten eingehalten werden. Abgesehen vom Arbeitskampf umfassen die Übereinkommen und Berichte alle wesentlichen Problemfelder des Arbeitslebens und Arbeitsrechts unserer Zeit. 1 7 2 98

Die Konvention z u m Schutze der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten aus dem Jahr 1950, auf der auch die Errichtung einer Europäischen Kommission und eines Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruht, hat auch für das Arbeitsrecht Bedeutung. Die Konvention ist für die Bundesrepublik Deutschland „mit Gesetzeskraft" veröffentlicht worden. 1 7 3 1973 stimmte die Bundesrepublik Deutschland dem von ihr 1968 unterzeichneten Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale u n d kulturelle Rechte z u . 1 7 4 Mit Ausnahme einzelner Artikel stimmte die Bundesrepublik Deutschland 1964 der Europäischen Sozialcharta zu, die 1961 von den Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet worden ist. 1 7 5

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Supranationalen Charakter hat das R e c h t der Europäischen U n i o n . 1 7 6 Sie ist durch den Vertrag von Maastricht gebildet worden. Ihr Regelwerk besteht aus dem Vertrag über die Europäische Union (EUV), dem über die Europäische Gemeinschaft (EGV), dem über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), dem über die Europäische Atomgemeinschaft (EAGV) und weiteren Rechtsakten. 1 7 7 Für das Arbeitsrecht am wichtigsten ist der EGV. Er ist durch den Vertrag von Amsterdam und weitere Rechtsakte redaktionell umgestellt worden, die Normen des EGV wie des EUV (Artikel) sind neu durchgezählt worden, 1 7 8 diese Fassungen sind am 1 . 5 . 1999 in Kraft getreten. 1 7 9 Die Struktur des Vertragswerkes, die schon 1992 durch den Vertrag von Maastricht auf drei Säulen gestellt worden war, wurde beibehalten, aber modifiziert. Die erste Säule umfaßt den gesamt EG-Vertrag, der um die Währungs- und Wirtschaftsunion und um weitere Materien erweitert wurde, darunter die für das Arbeitsrecht wichtigen Felder Sozialpolitik und Beschäftigung. Nach Art 5 Abs 1 ex 3b EGV wird die EG in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene errecht werden können.

fassung der IAO ist mehrfach geändert worden, zuletzt durch Änderungsübereinkommen gemäß der Abänderungsurkunde ν 27. Juni 1972 mit Wirkung ν 1.11.74 (Bek V 21.11.75, BGBl II 2206). Der auf Wunsch der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweizerischen Eidgenossenschaft redigierte Text ist abgedruckt ua in: Nipperdey Arbeitsrecht Nr 1081. 170 Vgl ausführlich: Morhard Die Rechtsnatur der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, 1988; Leinemann/Schütz ZfA 94 1; Lörcher ArbuR 99 11. 171 Bericht über die Abschlüsse internationaler Abkommen bei Βorchmann NJW 99 1223,1232 mit Hinweisen auf den jeweils vorangegangenen Bericht. 172 Vgl Birk ZfA 91 355, 36. 173 Konvention ν 4.11.50 (BGBl II 1952, 686, 953). Sie wurde gem Art II des Gesetzes über die og Konvention ν 7.8.52 „mit Gesetzeskraft" veröffentlicht (BGBl II 1952, 685, 953). Text ua veröffentlicht in: Nipperdey Arbeitsrecht Nr 1084. 174 ZustimmungsG ν 23.11.73 (BGBl II 1569); sa Zuletg RdA 74 321. 175 ZustimmungsG ν 19.9.64 und Text der Europä30

Harald Schliemann

ischen Sozialcharta ν 18.10.61: BGBl II 1964, 1261, 1262 ff; Text ua veröffentlicht in: Nipperdey Arbeitsrecht Nr 1095. 176 Vgl zum europäischen Arbeitsrecht Textausgabe dtv - EUArbR in Einf Schliemann (2001); Birk „Die Europäisierung des Arbeitsrechts" in: Die Europäisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in der Europäischen Union (1997), 55 ff; Lenz „Die Rolle des EuGH im Prozeß der Europäisierung der mutgliedstaatlichen Rechtsordnungen" in: Die Europäisierung ..., ebd 161 ff; Däubler Auf dem Weg zu einem europäischen Arbeitsrecht? in: Law and diffuse interests in the european legal order - Recht und diffuse Interessen in der Europäischen Rechtsordnung (1997), 441. 177 Gesetz zum Vertrag ν 7. Februar 1992 über die Europäische Union ν 28.12.92 (BGBl II 1251); Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union ν 19.10.93 (BGBl II 1947). 178 Amsterdamer Vertrag ν 2.10.97, BGBl II 1998,387, ber BGBl II 1999, 416. 179 Bekanntmachung ν 6.4.99, BGBl II 296.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken Die EG-rechtlichen Normen gliedern sich in Primärrecht und Sekundärrecht. Das Primärrecht umfaßt den Vertrag selbst und die ungeschriebenen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts (zB allgemeiner

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Gleichheitssatz, 1 8 0 Recht des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitgebers, 1 8 1 Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit, 1 8 2 Koalitionsfreiheit der Gemeinschaftsbediensteten 1 8 3 ). Zum Primärrecht gehören als allgemeine Rechtsgrundsätze auch die Grundrechte entsprechend den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten (Art 6 EUV ex F II), wie zuvor auch schon der EuGH erkannt hatte. 1 8 4 Zum Primärrecht zählt auch die Satzung des EuGH (Art 245 Abs 1 ex 188 EGV). Arbeitsrechtlich relevantes Primärrecht enthalten auch die Art 30 ff EAGV. Der EGKS enthält solche Bestimmungen nicht. Sekundärrecht ist alles aus dem Primärrecht abgeleitete und schon deshalb ihm nachrangiges Gemeinschaftsrecht. Es wird durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft, nämlich das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission gesetzt. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe des EGV erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission Verordnung, Richtlinien und Entscheidungen, sprechen E m p f e h l u n g e n aus oder geben Stellungnahmen ab (Art 2 4 9 Abs 1 ex 189 EGV). Die Verordnung hat allgemeine Geltung; sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt u n m i t t e l b a r in j e d e m Mitgliedstaat (Art 2 4 9 Abs 2 ex 189 EGV). Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art 2 4 9 Abs 3 ex 189 EGV). Die Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet (Art 2 4 9 Abs 4 ex 189 EGV). Die E m p f e h l u n g e n und Stellungnahmen sind nicht verbindlich (Art 249 Abs 5 ex 189 EGV). Zum Sekundärrecht gehört auch die Verfahrensordnung des EuGH, die nach Art 245 Abs 3 ex 188 EGV von Gerichtshof erlassen wird und der einstimmigen Genehmigung des Rates bedarf. Ein für das europäische Arbeitsrecht wesentliches neues Instrument steht in Art 139 ex 1 1 8 b EGV zur Verfügung. Hiernach kann der Dialog der Sozialpartner zur Herstellung vertraglicher Beziehungen einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen führen. Solche Vereinbarungen werden entweder nach den jeweiligen Verfahren und Gepflogenheiten der Sozialpartner und der Mitgliedstaaten oder - in den durch Art 137 ex 118 EGV erfaßten Bereichen - auf gemeinsamen Antrag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluß des Rates auf Vorschlag der Kommission durchgeführt. Auf dieser Grundlage sind Richtlinien des Rates zu Vereinbarungen Europäischer Sozialpartner ergangen. 1 8 5 Möglich sind aber auch Vereinbarungen der europäischen Sozialpartner, deren Wirkungen denen eines Tarifvertrags nach deutschem Recht bzw einer Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nicht ähneln, sondern ihrerseits zum Inhalt einer EG-Richtlinie gemacht werden können, die ihrerseits der Umsetzung in nationales Recht bedarf. Entsprechend der Rechtsnormqualität und den Rechtsnormadressaten ist die Anwendbarkeit der europäischen Rechtsakte unterschiedlich ausgestaltet. Europäisches Primärrecht ist unmittelbar an-

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zuwenden. Aus dem EGV betrifft dies für das Arbeitsrecht vor allem die Regelungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art 39 ex 4 8 EGV) und der Lohngleichheit für Mann und Frau (Art 141 ex 119 EGV). Zwingend anzuwenden sind auch die Bestimmungen über die Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH (Art 2 3 4 ex 177 EGV). Unmittelbar verbindlich und anzuwenden sind auch die EG-Verordnungen. Arbeitsrechtlich unmittelbar relevant ist insoweit vor allem die Verordnungen (EWG) Nr 1612/ 6 8 (Freizügigkeit der Arbeitnehmer), 1 8 6 mittelbar können auch Verordnungen mit sozialversicherungsrechtlichem Inhalt arbeitsrechtliche Wirkung haben, zB die Regelung über die Beweiskraft von Bescheinigungen über krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in Art 18 der Verordnung (EWG) 5 7 4 / 7 2 . 1 8 7

180 EuGH 19.10.77 - Ruckdeschel - Slg 1977, 1753, 1770. 181 EuGH 16.12.92 - Katsikas - Slg 1992, 1-6577, 6609. 182 EuGH 12.12.96 - Accrington Beef - Slg 1999, I6699, 6730. 183 EuGH 8.10.74 - Gewerkschaftsbund Europäischer öffentlicher Dienst - Slg 1974, 917, 924. 184 EuGH Gutachten 28.3.96, Slg 1996,1-1763, 1789, EuGH 29.5.97 - Kremzow - Slg 1997,1-2629, 2645. 185 Richtlinie 96/34/EG des Rates zu der von UNICE, Harald Schliemann

CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub; Richtlinie 97/81/EG des Rates zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit; Richtlinie 1999/70/EG des Rates zu der von EGB, UNICE, und CEEP geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge. 186 BAG 23.6.94 - 6 AZR 771/93 - AP EWG-Vertrag Art 48 Nr 18. 187 EuGH 3.6.92 - Paletta I - und EuGH 2.5.96 Paletta II - AP EWG-Verordnung 574/72 Art 18 Nr 1, 2.

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S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht EG-Richtlinien sind im Rechtsverkehr u n t e r Privaten n i c h t u n m i t t e l b a r anzuwenden. Sie richten sich vielmehr als Regelungsbefehle an die Mitgliedstaaten, die den - verbindlich vorgegebenen Zielen der Richtlinie ihrerseits mit ihren rechtsetzenden Mitteln, vor allem durch Gesetzgebung, ggfs aber auch durch Rechtsprechung, innerhalb der in der Richtlinie bestimmten Umsetzungsfrist nachzukommen haben. Ohne solche Umsetzung entfaltet die EG-Richtlinie gegenüber natürlichen oder juristischen Privatpersonen keine (unmittelbare) Wirkung. Setzt der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgerecht um, kann der Private ggfs Schadenersatzansprüche gegen den Mitgliedstaat haben. 1 8 8 Dagegen sind EG-Richtlinien für die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer, Landkreise, Städte und Gemeinden und alle anderen säkularen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber als Untergliederungen des Mitgliedstaates oder solchen, die öffentliche Aufgaben ausüben und staatlicher Aufsicht unterstehen, 1 8 9 auch o h n e U m s e t z u n g unmittelbar verbindlich und von ihnen zu Gunsten ihrer Arbeitnehmer anzuwenden, wenn die Umsetzungsfrist verstrichen und die Regelungen in der EGRichtlinie, auf die sich der Arbeitnehmer beruft, hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Rechtsfolgen hinreichend bestimmt und ohne weitere Bedingung für Geltung erlassen sind. 1 9 0 102

Sowohl das europäische Primär- als auch das Sekundärrecht genießen Vorrang vor dem nationalen Recht. Die Mitgliedstaaten haben insoweit Hoheitsrechte auf die EG übertragen. Deshalb kann auch älteres europäisches Recht jüngerem nationalen Recht vorgehen. 1 9 1 Der Europäische Gerichtshof beansprucht den Vorrang sogar gegenüber nationalem Verfassungsrecht, 1 9 2 ohne dies noch zu problematisieren. 1 9 3 Demgegenüber nimmt das Bundesverfassungsgericht für sich in Anspruch, selbst zu prüfen, ob Sekundärrecht der EG sich in den Grenzen der Hoheitsübertragung hält. 1 9 4 Allerdings nimmt es trotz Bejahung seiner grundsätzlichen Prüfungskompetenz solange keine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, in denen es um die Vereinbarkeit sekundären Gemeinschaftsrechts mit dem Grundgesetz geht, solange die EG selbst, besonders der EuGH, ihrerseits einen wirksamen Grundrechtsschutz gewährleisten. 1 9 5 Der grundsätzlich anerkannte 1 9 6 Anwendungsvorrang erfaßt nach Auffassung des EuGH auch Tarifverträge. 1 9 7 Er hat zur Folge, daß nationales Recht hinter dem vorrangigen europäischen Recht in der Weise zurückzutreten hat, daß das nationale Recht nicht angewendet wird, ohne allerdings deswegen nichtig zu sein, und stattdessen auf das vorrangige Recht zurückgegriffen wird. 1 9 8 Dieser Vorrang ist ohne weiteres von Amts wegen zu beachten; einer vorherigen Beseitigung der gemeinschaftswidrigen Norm durch den nationalen Normsetzer oder durch ein besonderes Verfahren bedarf es nicht. 1 9 9 Aus dem Anwendungsvorrang folgt zugleich, daß die Anwendung und Auslegung aller nationalen Bestimmungen soweit wie möglich im Lichte der einschlägigen europäischen Rechtsnormen zu erfolgen h a t , 2 0 0 auch solcher, die älter sind als das EG-Recht. Zu dem bei der Auslegung maßgebenden EG-Recht zählen auch die Richtlinien. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes, 2 0 1 der sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen h a t , 2 0 2 gilt dies auch bereits dann, wenn der Gesetzgeber noch nicht zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht tätig geworden ist. Dem ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung vor Umsetzung der Richtlinie sei zwar nach innerstaatlichem Recht möglich, werde jedoch von Art 189 Abs III, jetzt 239 EGV nicht gefordert. 2 0 3 Methoden und Grenzen der Auslegung richten sich

188 EuGH 10.7.97 - Maso ua - Slg 1997,1-4051,4073; 19.11.91 - Francovich I - Slg 1991, 5357, 5413. 189 EuGH 12.7.90 - Foster - Slg 1990, 3313, 3347. 190 EuGH 14.7.94 - Faccini Dori - Slg 1994, 1-3347, 3356. 191 EuGH 15.7.64 - Costa./. E.N.E.L. - Slg 1964,1251, 1269. 192 EuGH 17.12.70 - Internat Handelsgesellschaft Slg 1970, 1125,1135. 193 EuGH 11.1. 2000 - Rs C-285/98 - Tanja Kreil NZA 2000 137. 194 BVerfGE 89 155, 188 - Maastricht. 195 BVerfGE 73 339, 387 - Solange II. 196 BVerfG 28.1.92 - 1 BvR 1025/82 ua - AP AZO $ 19 Nr 2; BAG 5.3.96 - 1 AZR 590/92 (A) - AP GG Art 3 Nr 226. 32

Harald Schliemann

197 EuGH 31.5.95 - Royal Copenhagen - Slg 1995 I1275, 1314. 198 BAG 31.7.96 - 5 AZR 9/95 - AP MuSchG 1968 $ 14 Nr 15. 199 EuGH 9.2.91 - Nimz - Slg 1971,1-297, 321; BAG 9 . 1 0 . 9 1 - 5 AZR 598/90 - AP LohnFG $ 1 Nr 95. 200 EuGH 14.7.94 - Faccini Dori - Slg 1994,1-3347, 3356; BAG 5.3.96 - 1 AZR 590/92 (A) - AP GG Art 3 Nr 226. 201 EuGH 8.10.87 - Kolpinghuis Nijmegen - Slg 1987, 3969, 3987. 202 BAG 2.4.96 - 1 ABR 47/95 - AP BetrVG $ 87 Gesundheitsschutz Nr 5. 203 BGH 5.2.98 - 1 ZR 211/95 - NJW 98 2208, 2210 f.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken

indessen nach dem nationalen Recht. 2 0 4 Der erkennbare Wille des Gesetzgebers darf dabei nicht verändert werden. 2 0 5 Das in Art 234 ex 177 EGV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren hat den Zweck, durch Zusammenarbeit der nationalen Gerichte mit dem Europäischen Gerichtshof die einheitliche Anwendung des europäischen Gemeinschaftsrechts zu sichern. 206 Hiernach können vorinstanzlich und müssen letztinstanzlich entscheidende Gerichte dem Europäischen Gerichtshof Gelegenheit geben, im Wege der Vorabentscheidung a) über die Auslegung des EGV, b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der Europäischen Zentralbank EZB und c) über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen, soweit die Satzungen dies vorsehen, zu befinden. Die Verletzung der Vorlagepflicht kann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters nach Art 101 GG verstoßen. 207 e)

Die Rechtsprechung als Rechtsquelle

Der Richter ist der Herr des Arbeitsrechts. 2 0 8 Als Quellen der Rechtserkenntnis haben die Entscheidüngen der nationalen Arbeitsgerichte, zunehmend aber auch die des Europäischen Gerichtshofes, herausragende Bedeutung. Auf vielen arbeitsrechtlichen Gebieten sind auch weitgehend erwünschte Regelungen durch den Gesetzgeber nicht zustande gekommen. 2 0 9 Dementsprechend war und ist es immer wieder die Aufgabe, insbesondere der nationalen Arbeitsgerichtsbarkeit, die erkennbaren Regelungsdefizite abzubauen. Gesteigert wird die Bedeutung der Rechtsprechung auch dadurch, daß das Arbeitsrecht stark von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt ist und in vielen Bereichen nur generalklauselartige Bestimmungen enthält. Jeweils im Einzelfall ist zu ermitteln, ob die richterrechtlich gefundenen Grundsätze einzelvertraglich 210 oder - zumindest - tarifvertraglich 211 oder durch kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien 212 dispositiv sind (tarifdispositives Richterrecht). f)

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Künftige Ordnung der Rechtsquellen

Die äußere Gestaltung und Ordnung des Arbeitsrechts läßt stark zu wünschen übrig. Das Rechtsgebiet Arbeitsrecht leidet an starker Zersplitterung. Dies gilt vor allem für das Arbeitsvertragsrecht. Gleichwohl ist das Bürgerliche Gesetzbuch wesentliche Quelle. Die bisherigen Versuche, ein einheitliches Arbeitsrecht zu schaffen und so zur Überschaubarkeit des Arbeitsrechts beizutragen, sind immer wieder gescheitert. Der aufgrund des Art 157 Abs 2 WRV vom 11.8. 1919 (RGBl. 1383), wonach das Reich ein einheitliches Arbeitsrecht „schafft", eingesetzte Arbeitsrechtsausschuß stellte seine Tätigkeit aus finanziellen Gründen in der Inflationszeit ein, nachdem es zu einem Entwurf eines Allgemeinen Arbeitsvertragsgesetzes 213 gekommen war. In der Zeit des Nationalsozialismus entwarf der Arbeitsausschuß der Akademie für Deutsches Recht 1938 den Entwurf eines Gesetzes über das Arbeitsverhältnis; 214 aus 1942 stammt ein überarbeiteter weiterer Entwurf. 1959 forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung zu Vorarbeiten für ein Deutsches Arbeitsgesetzbuch auf. 1969 stellte die Bundesregierung den Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs in Aussicht. Hierauf kam es 1977 zur Vorlage eines Arbeitsgesetzbuches - Allgemeines Arbeitsvertragsrecht. 215 Kurz zuvor hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund einen vergleichbaren Entwurf vorgelegt. 216

204

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BAG 5 . 3 . 9 6 - 1 AZR 590/92 (A) - AP GG Art 3

Nr 226.

205 BVerfGE 93 37, 79 f. 206 EuGH 1 6 . 1 2 . 8 1 - Foglia - Slg 1981,1-3045, 3062; BVerfGE 75 223, 234. 207 BVerfG 5 . 8 . 9 8 - 1 BvR 264/98 - AP GG Art 101 Nr 56. 208 Gamillscheg AcP 164 388, 445 Zur Bedeutung der Rechtsprechung und des Richterrechts als Rechtsquelle des Arbeitsrechts. 209 BAG (GS) 2 1 . 4 . 7 1 - GS 1/68 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 43. 210 BAG 6 . 5 . 9 8 - 5 AZR 535/97 - AP BGB $ 611 AusHarald Schliemann

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bildungsbeihilfe Nr 28; BAG 9 . 3 . 8 3 - 4 AZR 301/80 - AP BGB § 615 Betriebsrisiko Nr 31. 211 BAG 6 . 9 . 9 5 - 5 AZR 241/94 - AP BGB $ 611 Ausbildungsbeihilfe Nr 23. 212 BAG 6 . 1 1 . 9 6 - 5 AZR 334/95 - AP AVR Caritasverband $ 10 Nr 1. 213 RArbBl 23 Amtl. Teil, 498. 214 ZAkDR 38 298. 215 Hrsg ν Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1977. 216 RdA 77 166. Sa Hanau ZRP 78 215; Dieterich RdA 78 329; Wlotzke in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, 1979,681.

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S 611

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Anläßlich der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 wurden dem nunmehr „gesamtdeutschen" Gesetzgeber in Art 30 Abs 1 des Einigungsvertrages ausdrücklich die Aufgaben gestellt, 1. das Arbeitsvertragsrecht sowie das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht einschließlich der Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit und den besonderen Frauenarbeitsschutz möglichst bald einheitlich zu kodifizieren und 2. den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz in Übereinstimmung mit dem Recht der europäischen Gemeinschaften und dem damit konformen Teil des Arbeitsrechtsschutzrechts der Deutschen Demokratischen Republik zeitgemäß neu zu regeln. Diese Aufgaben sind nur teilweise erledigt. Das Arbeitszeitrecht ist durch das Arbeitszeitgesetz - ArbZG - ) im Jahr 1994 neu kodifiziert worden. 217 Der öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz ist 1996 entsprechend den EG-rechtlichen Vorgaben durch das Arbeitsschutzgesetz 218 und dazugehörende Verordnungen geregelt worden (S 618 Rn 30 ff). Der Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht - ein Zusammenschluß von Hochschullehrern - hat anläßlich des 59. Deutschen Juristentages 1992 einen Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes 2 1 9 vorgelegt. Die Länder Freistaat Sachsen 2 2 0 und Brandenburg 221 haben in den Bundesrat Gesetzentwürfe für ein Arbeitsvertragsgesetz eingebracht; sie befinden sich noch im Gesetzgebungsgang. 222 Wie der Gesetzgeber die ihm insoweit erneut gestellten Aufgaben erfüllen wird, bleibt abzuwarten. g)

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Internationales Arbeitsrecht

Unter der Bezeichnung „Internationales Arbeitsrecht" werden üblicherweise die arbeitsrechtlichen Kollisionsnormen verstanden. Bei ihnen ist, wie auf anderen Sachgebieten auch, zwischen dem internationalen Privatrecht und dem internationalen Prozeßrecht zu unterscheiden, nämlich zwischen der Frage, welches materielle Arbeitsvertragsrecht im Einzelfall anzuwenden ist (Arbeitsstatut) oder welchem Recht ein Tarifvertrag unterliegt (Tarifstatut) und der Frage, nach welchem Recht sich ein etwaiges gerichtliches Verfahren zu richten hat. 2 2 3 h)

Gestaltungsformen des Arbeitsrechts

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Nach seinen Gestaltungsformen ist Arbeitsrecht unterteilt in Individual-Arbeitsrecht, kollektives Arbeitsrecht und Arbeitsprozeßrecht.

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Beim Individual-Arbeitsrecht stehen die rechtlichen Beziehungen des Arbeitgebers zum einzelnen Arbeitnehmer im Mittelpunkt, 2 2 4 also in vorderster Linie das Arbeitsvertragsrecht einschließlich des Kündigungsschutzrechts. Fraglich ist, ob hierzu auch das Arbeitnehmerschutzrecht zu rechnen ist. 2 2 5 Es ist nach seiner grundsätzlichen Konzeption öffentliches Recht. Der Arbeitgeber, zuweilen auch der Arbeitnehmer (vgl $ 1 Abs 3 ArbSchG), ist auf öffentlich-rechtlicher Grundlage gegenüber Staat und Unfallversicherungsträgern verpflichtet, arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen einzuhalten. Dieser arbeitsrechtliche Schutz wirkt unabhängig vom Willen der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers zur Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften. Die Vorschriften des materiellen Arbeitsschutzrechtes werden von Aufsichtsbehörden, insbesondere dem Gewerbeaufsichtsamt oder dem Amt für Arbeitsschutz, überwacht. 226 Indessen erzeugt das Arbeitsschutzrecht nicht nur öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des Arbeitgebers und - zuweilen - auch des Arbeitnehmers, sondern es hat auch zum Ziel, auf den Inhalt 2 1 7 Vom 6 . 6 . 9 4 (BGBl 1 1 1 7 0 ) , zuletzt geändert durch Gesetz ν 9 . 6 . 9 8 (BGBl 1 1 2 4 2 ) ; siehe zur Entstehungsgeschichte HzA/Schliemann Gruppe 12 Rz 1 , 2 6 - 3 1 ; Kasseler Handbuch/Sc/jfenann 2 . 5 . Rn 1 , 2 6 f, ders in: Schliemann/ Förster/Meyer Arbeitszeitrecht Teil 1 Rn 1, 2 6 f. 2 1 8 Vom 7 . 8 . 9 6 (BGBl 1 1246), zuletzt geändert durch G ν 2 7 . 1 2 . 2 0 0 0 (BGBl I 1246). 2 1 9 Veröffentlichungen des 59. Deutschen Juristentags, 1992, Gutachten D: Welche wesentlichen Inhalte sollte ein nach Art 3 0 des Einigungsvertrages zu schaffendes Arbeitsvertragsgesetz haben? 220 221 222 223

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BR-Drs 2 9 3 / 9 5 . BR-Drs 6 7 1 / 9 6 . Vgl Preis NZA 2 0 0 0 , 9, 10. ZB BAG 1 6 . 2 . 2 0 0 0 - 4 AZR 14/99 - zur Veröffent-

Harald Schliemann

lichung bestimmt; BAG 3 . 5 . 9 5 - 5 AZR 1 5 / 9 4 - AP Internat Privatrecht - Arbeitsrecht Nr 3 2 ; BAG 1 1 . 9 . 9 1 4 AZR 7 1 / 9 1 - AP Internat Privatrecht - Arbeitsrecht Nr 2 8 ; Junker Neuere Entwicklungen im internationalen Arbeitsrecht, RdA 9 8 ; Birk Die Bedeutung der Parteiautonomie im internationalen Arbeitsrecht, RdA 8 9 2 0 1 ; ders Die internationale Zuständigkeit in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nach dem Europäischen Gerichtsstandsund Vollstreckungsübereinkommen, RdA 83 143; Hickl Arbeitsverhältnisse mit Auslandberührung, NZA 8 7 Beil 1. 2 2 4 Staudinger/Rirtiardi' 13 Vorbem zu $ 6 1 1 Rn 502. 2 2 5 Bejahend: Staudinger/Ricftardi 13 Vorbem zu $ 6 1 1 Rn 504, 5 0 6 . 2 2 6 Des näheren: Larenz in HzA Gr. 13 Rn 25 ff.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken der arbeitsvertraglichen Regelungen und deren Durchführung einzuwirken. Insoweit kommt dem öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrecht auch zivilrechtliche W i r k u n g z u . 2 2 7 Dies ist allgemeine Rechtsauffassung. Gleichgültig, ob eine originäre Wirkung öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutznormen auf das Arbeitsverhältnis angenommen wird 2 2 8 oder ob angenommen wird, sie konkretisierten die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, 2 2 9 ist festzuhalten, daß öffentlich-rechtliche Arbeitsschutznormen stets zwingend auf das Arbeitsverhältnis einwirken. Das kollektive Arbeitsrecht befaßt sich mit Regelungen über die Existenz, Organisation und Funktion arbeitsrechtlicher Kollektive. Es umfaßt zum einen Regelungen im überbetrieblichen Bereich, nämlich

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das Recht der Verbände der Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinsichtlich ihrer koalitionsgemäßen Betätigung. Hierzu gehören vor allem das Arbeitskampfrecht, das Schlichtungsrecht und das Tarifvertragsrecht. Einen zweiten Regelungskreis des kollektiven Arbeitsrechts bilden die Mitbestimmungsregelungen auf der Unternehmensebene. Dazu gehören insbesondere Regelungen über die Montanmitbestimmung nebst Ergänzungsgesetz, das Mitbestimmungsgesetz und die Regelungen der §S 76 f des Betriebsverfassungsgesetzes 1972. Der dritte Regelungskreis des kollektiven Arbeitsrechts betrifft die betriebliche M i t b e s t i m m u n g , wie sie im Bereich der Privatwirtschaft durch das Betriebsverfassungsgesetz und das Sprecherausschußgesetz sowie im öffentlichen Dienst durch Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder ihre Ausprägung gefunden hat. Das arbeitsrechtliche Verfahrensrecht ist im Arbeitsgerichtsgesetz geregelt. Neben den organisatorisehen Regeln über die Errichtung von Arbeitsgerichten und deren Spruchkörpern und Besetzung enthält das Arbeitsgerichtsgesetz insbesondere Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen (SS 2, 2a ArbGG), besondere Regelungen für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren (SS 4 6 ff ArbG), ferner die Regelungen für das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren ($S 8 0 ff ArbGG). Zudem sind Regelungen über den Schiedsvertrag in Arbeitsstreitigkeiten (SS 101 ff ArbGG) und über die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden ( S i l i Abs 2 ArbGG) enthalten. Ergänzend sind Regelungen der Zivilprozeßordnung, des Gerichtsverfasungsgesetzes und sonstige prozeßrechtliche Regelungen der Zivilgerichtsbarkeit heranzuziehen. Die arbeitsrechtlichen Verfahrensregelungen im Urteilsverfahren sind zivilprozessualer Natur. Im Grundsatz folgt diesen Regelungen auch das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren. Indessen läßt sich nicht übersehen, daß ihm teilweise ein Verfahrenscharakter zukommt, wie er auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu finden ist. 2 3 0

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Der dargestellten rechtssystematischen Charakterisierung des Arbeitsrechts entspricht auch die Orientierung der Betriebspraktiker im Arbeitsrecht. 2 3 1 Auch Lehrbücher und Vorlesungen halten sich in ihrer Gliederung an derartige Differenzierungen. Für die Praxis darf indessen nicht übersehen werden, daß trotz aller systematischer Differenzierung arbeitsrechtliche Normen auf denselben Sachverhalt in der Regel k o m p l e x anzuwenden sind.

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Kündigt beispielsweise ein Arbeitgeber einer Schwerbehinderten und schwangeren Arbeitnehmerin gegen den schriftlichen Widerspruch des Betriebsrates ordentlich mit der Begründung, die Arbeitnehmerin habe trotz Abmahnung zwingende Arbeitsschutzvorschriften nicht eingehalten und dadurch andere Beschäftigte des Betriebes gefährdet, so kommt es für die Beantwortung der Frage, ob der Arbeitnehmerin der gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung für

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die Dauer des Rechtsstreites zusteht, auf Normen aus allen rechtssystematischen Bereichen des Arbeitsrechts an: Aus dem Individual-Arbeitsrecht sind die Bestimmungen des Kündigungsschutzes ($$ 1, 23 KSchG) sowie des besonderen Kündigungsschutzes für werdende Mütter ($ 9 MuSchG) und für schwerbehinderte Arbeitnehmer (SS 85 ff SGB IX) heranzuziehen. Hinsichtlich der Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung kommt es darauf an, inwieweit die Arbeitnehmerin arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten und inwieweit sie diese verletzt hat. Aus dem Bereich des kollektiven Arbeitsrechts sind die Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung 227 ZB BAG 8.5.96 - 5 AZR 315/95 - AP BGB S 618 Nr 23 (Wlotzke); BAG 19.2.97- 5 AZR 982/94 - AP BGB § 618 Nr 24; Wlotzke in: FS Hilger/Stumpf, 1983, 723 ff. 228 So Wlotzke in: FS Hilger/Stumpf 1983, 724 ff. 229 BAG 8 . 5 . 9 6 - 5 AZR 315/95-AP BGB s 618 Nr 23 (Wlotzke); auch schon Nipperdey Festgabe der juristischen Harald Schliemann

Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, 1929, IV, 203 ff. 230 Körnich Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren in Betriebsverfassungssachen, 1978, 25, 27 ff. 231 Vgl Schaub S 5 II Rn 4.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

(5 102 BetrVG) heranzuziehen. Für den Weiterbeschäftigungsanspruch k o m m t es, soweit er auf S 102 Abs 5 BetrVG gestützt wird, darauf an, ob die Arbeitnehmerin die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) und die sonstigen Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes und der Zivilprozeßordnung über die Erhebung einer Klage eingehalten hat. Darüber hinaus ist auch zu prüfen, ob der Arbeitnehmerin ein klageweise durchsetzbarer Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits auf der Grundlage des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1 9 8 5 2 3 2 zusteht. 114

In Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, ist in der Regel bei der Prüfung von Rechtsvorgängen, die sich primär auf der individualrechtlichen Ebene abspielen, auch im Auge zu behalten, ob und inwieweit betriebsverfassungsrechtliche Einflüsse und Rechte zu beachten sind. Besonders hervorzuheben sind dabei der Regelungskreis der sogenannten sozialen Angelegenheiten aus S 87 BetrVG, aber auch Fragen der Einstellung und der Entlassung von Arbeitnehmern (§§ 9 9 , 1 0 2 BetrVG). So ist beispielsweise bei der Frage, ob Freiwillige jederzeit widerrufliche und anrechenbare übertarifliche Lohnbestandteile anläßlich einer Tariflohnerhöhung oder anläßlich einer Umgruppierung des Arbeitnehmers angerechnet werden können, nicht nur zu prüfen, inwieweit dies nach dem Arbeitsvertrag und nach dem Tarifvertrag zulässig ist, sondern auch, ob insoweit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates berührt sind. 2 3 3 4.

Arbeitsrecht und Zivilrecht

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Für die Geltung von Arbeitsrecht ist der Grundsatz der Privatautonomie Voraussetzung. Dogmatisch ist Arbeitsrecht nicht das Recht einer Klasse oder eines Standes und in diesem Sinne kein Statusrecht. 2 3 4 Weil ein Arbeitsverhältnis auf dem Grundsatz der Privatautonomie beruht, ist für seine rechtliche Beurteilung die systematische Einheit mit dem Zivilrecht und damit dem bürgerlichen Recht als einem Teil des Zivilrechts zugrunde zu legen. Unter diesem Gesichtspunkt ist Arbeitsrecht gegenüber dem bürgerlichen Recht kein eigenständiges Rechtsgebiet, welchem eigene Normen, Grundsätze oder Auslegungsregeln zukämen. Vielmehr bezieht das Bürgerliche Gesetzbuch und damit die Zivilrechtsdogmatik ihren Geltungsanspruch auch auf das Arbeitsrecht. Dabei ist nicht zu übersehen, daß die Regelungen des bürgerlichen Gesetzbuches das Arbeitsverhältnis nur in wenigen Punkten erfassen. Das allein rechtfertigt indessen nicht, von den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen und zivilrechtlichen methodischen Regeln a priori abzuweichen.

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Innerhalb des Systems der Zivilrechtsdogmatik ist auf dem Gebiet des Arbeitsrechts der Grundsatz der Privatautonomie indessen durch zahlreiche Rechtsgrundsätze und Rechtsfiguren eingeschränkt. a)

Gleichbehandlung

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Die unmittelbar im Gerechtigkeitsbegriff verwurzelte Grundidee, Gleiches rechtlich gleich, Ungleiches jedoch seinem Wesen nach ungleich zu behandeln, hat zur Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art 3 Abs 1 G G , des Gleichberechtigungssatzes (Art 3 Abs 2 GG), des Benachteiligungsverbotes des Art 3 Abs 3 GG und zu dem dem Zivilrecht zuzuordnenden allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz geführt.

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Zu diesen die Privatautonomie einschränkenden Rechtsgrundsätzen des Arbeitsrechts zählt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Er verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Ein Arbeitnehmer kann deshalb im Prinzip nicht schon daraus Ansprüche ableiten, daß einzelne andere Arbeitnehmer ihm gegenüber bevorzugt werden; einen Anspruch kann er nur darauf stützen, daß er ohne sachlich rechtfertigenden Grund von einer allgemeinen Regelung ausgeschlossen und deshalb benachteiligt

232 BAG (GS) 27.2.85 - GS 1/84 - AP BGB S 611 Beschäftigungspflicht Nr 14. 233 BAG (GS) 3.12.92 - GS 2/90 - AP BetrVG 1972 $ 87 Lohngestaltung Nr 51. 36

Harald Schliemann

234 So schon Jacobi Grundlehren des Arbeitsrechts, 1927, 41 ff; auch Staudinger/Rf'dmrdf'13 Vorbem zu S 611 Rn 176.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken wird. Eine Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien entsprechen. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe 2 3 5 gibt. Dieser dem Privatrecht zuzuordnende arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht ab-

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dingbar. Inhaltlich ist er bestimmt durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Der in Art 3 Abs 1 GG wiedergegebene Gleichheitssatz gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem vorstaatlichen überpositiven Recht a n . 2 3 6 Er gewährt dem Einzelnen ein subjektives öffentliches Recht gegen den Staat auf Rechtsgleichheit. An diesem allgemeinen Gleichheitssatz sind Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung gebunden (Art 1 Abs 3 GG). Als allgemeiner Teil der objektiven Wertordnung gilt der allgemeine Gleichheitssatz als eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts. 2 3 7 Inwieweit die Tarifvertragsparteien diesen Grundsatz zu beachten haben, weil sie Gesetze im materiellen Sinn schaffen, 2 3 8 muß neu durchdacht werden, 2 3 9 nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Frage ausdrücklich offengelassen h a t . 2 4 0 Die Pflicht zur Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes trifft den Träger eines Ordnungsund Regelungsbereiches in seiner eigenen Zuständigkeit. 2 4 1 Träger des Ordnungs- oder Regelungsbereichs im Betrieb oder im Unternehmen ist in der Regel der Arbeitgeber; mittelbar richtet sich der Gleichbehandlungsgrundsatz auch an den Betriebsrat (vgl § 75 BetrVG). 2 4 2 aa)

Gegenständlicher Anwendungsbereich

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz betrifft gegenständlich verschiedene Bereiche. Zum einen ist es der Kreis der freiwilligen sozialen Leistungen des Arbeitgebers. Die freiwillig vom Arbeitgeber erbrachten zusätzlichen Leistungen wie Gratifikationen, Jubiläumszuwendungen usw bilden einen Hauptanwendungsfall für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, 2 4 3 gelegentlich bis hin zur Anrufung des Bundesverfassungsgerichts. 2 4 4 Dabei hat sich der zunehmende Schwerpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzungen von den freiwilligen einmaligen Leistungen verschoben auf das Gebiet der Leistungen bzw der Zusagen für betriebliche Altersversorgungen. 2 4 5

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Auf dem Gebiet des Arbeitsentgeltes hat der Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls Anwendungsbereiche. Zwar findet der Gleichbehandlungsgrundsatz im allgemeinen keine Anwendung, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Arbeitsvergütung ausgehandelt haben. 2 4 6 Denn grundsätzlich genießt die Vertragsfreiheit gegenüber dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Vorrang. 2 4 7 Dieser Vorrang gilt für einzelvertraglich vereinbarte Löhne und Gehälter oder sonstige Arbeitsentgeltbedingungen, nicht jedoch in Fällen, in denen der Arbeitgeber selbst eine Vergütungsregelung aufstellt. 2 4 8 Der Grundsatz der Vertragsfreiheit hat indessen auch bei der Lohngestaltung durch neuere Gesetzgebungen erhebliche Einschränkungen erfahren. Dies betrifft nicht so sehr die in der Praxis des Arbeitslebens weniger bedeutsamen Diskriminierungsverbote der Art 3 Abs 3 GG, sondern mehr den Gleichberechtigungsgrundsatz (Art 3 Abs 2 S 1 GG) und - für das Arbeitsleben von besonderer Bedeu-

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235 BAG in std Rspr, statt vieler: BAG 17.11.98 -1AZR 147/98 - AP BGB S 242 Gleichbehandlung Nr 162; BAG 3.12.97 - 10 AZR 563/96 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 149; BAG 24.4.91 - 4 AZR 570/90 - AP BGB s 242 Gleichbehandlung Nr 140. 236 BVerfGE 1 208, 233; 6 84, 91. 237 BAG 28.7.92 - 3 AZR 173/92 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 18. 238 BVerfGE 21 362, 372; BAG 1 7 . 1 0 . 9 5 - 3 AZR 882/ 94 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 132; BAG 19.4.83 - 1 AZR 498/81 - AP GG Art 3 Nr 124 (Kraft). 239 BAG 30.8. 2000 - 4 AZR 563/99 - AP TVG $ 4 Geltungsbereich Nr 25 mit Nachweisen über den Stand der unterschiedlichen Ansichten; Schliemann ZTR 2000, 198 ff. 240 BVerfG 2 1 . 5 . 9 9 - 1 BvR 726/98 - EzA GG Art 3 Nr 72a. 241 BAG 3.12.97 - 10 AZR 563/96 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr 149. Harald Schliemann

242 BAG 24.11.93 - 10 AZR 311/93 - AP BetrVG 1972 s 112 Nr 72. 243 ZB BAG 27.10.98 - 9 AZR 299/97 - AP BGB $ 611 Gratifikation Nr 211; BAG 10.3.98 - 1 AZR 509/97 - AP BGB $611 Gratifikation Nr 207. 244 BVerfG 1.9.97 - 1 BvR 1929/95 - AP BGB $611 Gratifikation Nr 203. 245 BAG 9.12.97 - 3 AZR 661/96 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 40; sa die unter AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 2 bis 43 abgedruckten Entscheidungen. 246 BAG 27.7.88 - 5 AZR 244/87 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 83. 247 BAG 27.7.88 - 5 AZR 244/87 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 83. 248 BAG 20.11.96 - 5 AZR 401/95 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 133; BAG 23.8.95 - 5 AZR 293/ 94 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr 134.

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tung - das Gebot der Gleichbehandlung von M a n n u n d Frau im Arbeitsleben zB beim Lohn (Art 141 e x l 19 EGV, Art I R L 75/117 EWG) und beim beruflichen Zugang und Aufstieg (RL 76/207 EWG) und die Verbote unterschiedlicher Entlohnung von Männern und Frauen nur ihres Geschlechtes wegen nach $ 612 Abs 3 bzw der unterschiedlichen Behandlung nach § 611a B G B . 2 4 9 Eine Ungleichbehandlung beim Lohn liegt vor, wenn die für dieselben Tätigkeiten bei gleicher Arbeitsmenge gezahlten Vergütungen unterschiedlich sind. 2 5 0 Für Teilzeitbeschäftigte ist in Art 1 § 4 TzBefrG ein besonderes, geschlechtsunabhängiges Verbot unterschiedlicher Behandlung enthalten. Neben die unmittelbare Diskriminierung tritt häufig die mittelbare Diskriminierung. Bei ihr wirkt sich eine äußerlich „neutrale" Regelung in der Praxis diskriminierend aus. 122

Werden Arbeitsentgelte innerhalb eines Betriebes erhöht, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls zu beachten. Erhöht ein Arbeitgeber, wenn auch in individuell unterschiedlicher Höhe und zu unterschiedlichen Zeitpunkten, während mehrerer Jahre in ungefährem Jahresrhythmus die Gehälter einer ganz überwiegenden Mehrzahl seiner Arbeitnehmer, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß in diesen Erhöhungen - ggfs neben individuell bemessenen Erhöhungsteilen - jedenfalls ein Grundbetrag zum Zweck des Kaufkraftausgleichs enthalten ist. Von der Gewährung eines solchen Grundbetrages, der sich regelmäßig als Prozentsatz des jeweiligen Gehalts darstellen wird, darf ein Arbeitnehmer nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nur bei Vorliegen sachlicher Gründe ausgeschlossen werden, die mit dieser Zwecksetzung vereinbar sind. 2 5 1 Dies gilt auch für Fälle der rückwirkenden Lohnerhöhung. 2 5 2 Wurde ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer unter Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes oder unter Verstoß gegen Art 1 § 2 BeschFG 1985 gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich vergütet, so richtete sich sein Arbeitsentgelt mangels sachlicher Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung nach den anteiligen üblichen Arbeitsverdiensten eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. 2 5 3 Diese Rechtslage ist durch Art I § 4 Abs 1 TzBfG festgeschrieben worden, nachdem das Bundesarbeitsgericht seine frühere Ansicht, wonach ein anderweitiges auskömmliches Arbeitseinkommen oder eine solche Rente rechtfertigten, den nebenberuflich tätigen Teilzeitarbeitnehmer schlechter zu bezahlen, aufgegeben hatte. 2 5 4 Eine dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorgehende individuelle Gehaltsvereinbarung liegt indessen nicht vor, wenn ein Arbeitgeber typisierend mit teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern niedrigere Stundensätze als Arbeitsentgelt vereinbart, als sie dem durchschnittlichen Stundenverdienst vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit denselben Tätigkeiten entsprechen. 2 5 5

123

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei auch bei der Ausübung des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts zu beachten. Dies betrifft insbesondere die Gleichbehandlung der Geschlechter durch „Maßnahmen" iSd § 611aAbs 1 BGB; zu solchen Maßnahmen zählt auch die Ausübung des Direktionsrechts. Auch kann die Nichtberücksichtigung bei einer Versetzung auf einen innerbetrieblich ausgeschriebenen Arbeitsplatz einen Nachteil iSd § 9 9 Abs 2 Nr 3 BetrVG darstellen, wenn der nichtberücksichtigte Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch auf diese Stelle aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes hat. 2 5 6

124

Auf dem Gebiet der Kündigungen lehnt die Rechtsprechung die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes ab. In Fällen, in denen sich Arbeitnehmer auf die mangelnde soziale Rechtfertigung einer ihnen gegenüber erklärten ordentlichen Kündigung mit der Begründung berufen, es sei der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, hält das Bundesarbeitsgericht den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz für unanwendbar. 2 5 7 Diese Ansicht ist nicht unumstritten. Zumindest ist fraglich, ob die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nicht auch davon abhängig sein kann, 249 Im einzelnen Schliemann § 611a BGB, $ 612 Abs 3 BGB Rn 40 ff. 250 BAG 21.4.99 - 5 AZR 200/98 - AP BeschFG $ 2 Nr 72. 251 BAG 11.9.85 - 7 AZR 371/83 - AP BGB S 242 Gleichbehandlung Nr 76 (Hromadka). 252 BAG 10.3.82 - 4 AZR 540/79 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 47 (Wiedemann). 253 BAG 1.11.95 - 5 AZR 84/94 - AP BeschFG § 2 Nr 46.

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254 BAG 1.11.95 - 5 AZR 84/94 - AP BeschFG § 2 Nr 46; BAG 1.11.95 - 5 AZR 880/94 - AP BeschFG § 2 Nr 45. 255 BAG 19.8.92 - 5 AZR 513/91 - EzA $242 BGB Gleichbehandlung Nr 52. 256 BAG 13.6.89 - 1 ABR 11/88 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 66. 257 BAG 2 1 . 1 0 . 6 9 - 1 AZR 93/68 - AP GG Art 9 Nr 41.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken daß der Arbeitgeber andere Arbeitnehmer, die sich genauso verhalten haben wie der gekündigte Arbeitnehmer, ohne Kündigung weiterbeschäftigt. Allerdings wird in einem solchem Fall zu fragen sein, ob das Verhalten der Arbeitnehmer überhaupt zur sozialen Rechtfertigung der verhaltensbedingten Kündigung genügt. Auf der anderen Seite stellt die Berufung des Arbeitgebers auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz für sich allein kein dringendes betriebliches Erfordernis ($ 1 Abs 2 KSchG) für eine Änderungskündigung dar. 2 5 8 bb)

Personeller Anwendungsbereich

Der personelle Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes betrifft grundsätzlich nur vergleichbare Arbeitnehmer untereinander und enthält deshalb kein Gebot zur einheitlichen Behandlung von Arbeitnehmergruppen in verschiedenen Regelungs- oder Ordnungsbereichen. 2 5 9 Demgemäß ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zB nicht im Verhältnis zwischen Arbeitnehmern einerseits und Handelsvertretern bzw Heimarbeitern andererseits anzuwenden. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Organmitgliedern juristischer Personen. Allerdings kann eine Gleichbehandlung zwischen einem kaum oder nicht am Kapital einer GmbH beteiligten Geschäftsführer und den leitenden Angestellten desselben Unternehmens in Betracht kommen, wenn die Verträge nach einem einheitlichen Muster abgeschlossen worden sind, die Geschäftsführer intern wie leitende Angestellte behandeln und ihrer Organstellung lediglich formal Rechnung getragen wird. 2 6 0 cc)

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Betrieblicher Geltungsbereich

Bisher wird der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, soweit es um die Gleichbehandlung durch den Arbeitgeber geht, auf den Betrieb bezogen. 2 6 1 Indessen hat das Bundesarbeitsgericht - Erster Senat - die Frage aufgeworfen, ob der räumliche Anwendungsbereich auch mehr als nur einen Betrieb, sondern das ganze U n t e r n e h m e n umfassen k a n n . 2 6 2 Diese Fragestellung knüpft an die herkömmliche Betrachtungsweise an. Indessen spricht vieles dafür, die bisherige Betrachtungsweise zu hinterfragen. Im Ansatz zutreffender dürfte es sein, zu prüfen, welche Ordnung oder Regelung der Träger des Ordnungs- oder Regelwerkes errichtet hat oder hat errichten wollen und ob er insoweit bereits beim Zuschnitt des räumlichen, personellen oder sonst bestimmten Geltungsbereiches Regelwerkes den Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten hat. So hat das Bundesarbeitsgericht die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes über die Grenze des einzelnen Betriebes hinaus anerkannt, wenn der Arbeitgeber Regeln aufgestellt hat, deren Anwendungsbereich mehr als nur einen Betrieb erfassen. 2 6 3 Für eine unternehmensübergreifende, zB konzernweite Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind vergleichbare Erwägungen anzustellen, 2 6 4 dabei muß aber berücksichtigt werden, daß der Konzern nicht als solcher Arbeitgeber ist und es von daher darauf ankommt, ob und wie die konzernangehörigen Unternehmen die konzernweite Regelung umsetzen. Grundsätzlich können Angehörige verschiedener

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Unternehmen trotz ihrer Tätigkeit in einem Gemeinschaftsbetrieb keine Gleichbehandlung verlan-

dd)

Gruppenbildung

Wesentliche Voraussetzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine vergleichbare Lage mehrerer Arbeitnehmer, dh die Zusammenfassung mehrerer Arbeitnehmer zu einer Gruppe. Die

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Bildung von Gruppen kann gleichzeitig oder zeitlich gestaffelt erfolgen. Eine Gruppe setzt voraus, daß 258 BAG 28.4.82 - 7 AZR 1139/79 - AP KSchG 1969 $ 2 Nr 3 (von Hoyningen-Huene). 259 BAG 3.12.97 - 10 AZR 563/96 - AP BGB S 242 Gleichbehandlung Nr 149. 260 BGH 14.5.90 - II ZR 122/89 - AP GmbHG $ 35 Nr 7. 261 BAG 20.11.96 - 5 AZR 401/95 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr 133; BAG 23.8.95 - 5 AZR 293/ 94 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr 134. Harald Schliemann

262 BAG 1 7 . 1 1 . 9 8 - 1 AZR 147/98 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr 162. 263 BAG 12.1.94 - 5 AZR 6/93 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 112. 264 BAG 4 . 1 0 . 9 4 - 3 AZR 910/93 - AP BetrAVG $ 16 Nr 32 unter II 3 d.Gr.. 265 BAG 19.11.92 - 10 AZR 290/91 - AP BGB $ 611 Gratifikation Nr 145.

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Arbeitnehmer nach Merkmalen oder nach Zeitabschnitten bzw nach Stichtagen zusammengefaßt werden. Für die Gleichheit der Arbeitnehmer im rechtlich relevanten Sinne ist nicht deren völlige Übereinstimmung, dh Identität, Voraussetzung, sondern die Verschiedenheit der Arbeitnehmer auf der einen Seite bei gleichzeitiger Übereinstimmung hinsichtlich der für die Gruppenbildung relevanten Aspekte. Dabei kommt es für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auf eine normative Bewertung an. Erforderlich ist, daß sich Arbeitnehmer intern in vergleichbarer Lage befinden. 2 6 6 Dabei muß die Gruppenbildung sachgerecht sein. Hierfür reichen sehr häufig äußere Merkmale allein nicht aus, sondern es ist eine funktionale Betrachtungsweise erforderlich. Entscheidend ist dafür der Zweck der Regelung oder der (freiwilligen) Leistung. Beispielsweise genügt die bloße Unterscheidung der Großgruppen von Arbeitern und Angestellten nicht für eine sachgerechte Gruppenbildung und unterschiedliche Behandlung bei freiwilligen Weihnachtsgratifikationen. 2 6 7 Auch vermögen Qualifizierungsunterschiede eine unterschiedliche Behandlung nicht stets zu rechtfertigen. 2 6 8 128

Im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sind hinsichtlich der Gruppenbildung die gesetzlichen Verbote einer unterschiedlichen Behandlung vorrangig zu beachten. Einen allgemeinen Rechtsgedanken, der zusammenfassend die für die im Arbeitsleben relevanten Differenzierungsverbote ausdrückt, enthält § 75 Abs 1 S 1 BetrVG. Hiernach hat jede unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts zu unterbleiben. Für das Arbeitsleben besonders bedeutsam ist dabei die Frage einer Differenzierung der Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre gewerkschaftliche Einstellung oder Betätigung. Insoweit ist der besondere Schutz des Art 9 Abs 3 S 2 GG zusätzlich zu beachten. Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen des Geschlechts entspricht dem Art 3 Abs 2 GG. Ein solches Benachteiligungsverbot ist zudem ausdrücklich in J 61 l a BGB niedergelegt. Ihm zur Seite steht das Verbot unterschiedlicher Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit nach $ 6 1 2 Abs 3 B G B . 2 6 9

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Zu diesen, grundsätzlich auf Umstände außerhalb des Arbeitsverhältnisses abstellenden Differenzierungsverboten treten Differenzierungsverbote hinzu, die auf Umständen innerhalb bestehender Arbeitsverhältnisse beruhen. Vorrangig ist hierbei an das Verbot einer unterschiedlichen Behandlung von teilzeitbeschäftigten gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zu denken. Eine unterschiedliche Behandlung ist insoweit nur zulässig, wenn sachliche Gründe dies rechtfertigen. Hierzu zählen Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedliche Arbeitsplatzanforderungen. 2 7 0 An dieser zu Art 1 $ 2 Abs 2 BeschFG 1985 ergangenen Rechtsprechung hat § 4 TzBfG in der Sache nichts geändert. Der unterschiedliche Umfang der Arbeitsleistung allein reicht als sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung nicht aus, 2 7 1 ebensowenig der Umstand, daß es sich nur um eine Nebenerwerbstätigkeit handelt. 2 7 2

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Ebenso liegen die Umstände innerhalb des Arbeitsverhältnisses, soweit es um die Differenzierung der Arbeitnehmer nach Angestellten u n d Arbeitern geht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 622 BGB mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, soweit hiernach die Kündigungsfristen für Arbeiter kürzer sind als für Angestellte, beruht dagegen nicht auf dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und einem Differenzierungsverbot aus diesem Grunde; vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht diese gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG für unvereinbar erklärt. 2 7 3 Jedoch können das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, möglicherweise sogar sachlich gebieten. Insoweit kommt es auf den Zweck an, den der Arbeitgeber mit der Aufstellung seiner Regel verfolgt. Ähnliches gilt auch für die Frage der Gewährung von Gratifikationen mit Rückzahlungsklauseln für den 266 BAG in std Rspr, statt vieler: BAG 25.1.84 - 5 AZR 44/82,5 AZR 89/82,5 AZR 251/82 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 66, 67, 68 (gem Anm Herschel). Z67 BAG 25.1.84 - 5 AZR 251/82 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 68. 268 BAG 27.10.98 - 9 AZR 299/97 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 211. 269 Des näheren $ 612 BGB Rn 73 ff.

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270 BAG 24.10.89 - 8 AZR 5/89 - AP BUrlG $ 11 Nr 29; BT-Drs 10/2102, 24. 271 BAG 6.4.82 - 3 AZR 134/79 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 1 (Pfarr). 272 BAG 1.11.95 - 5 AZR 84/94 - AP BeschFG § 1 Nr 46; BAG 1.11. 1995 - 5 AZR 880/94 - AP BeschFG $ 2 Nr 45. 273 BVerfGE 82 126.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken Fall, daß ein Arbeitsverhältnis an einem bestimmten, in der Zukunft liegenden Stichtag (häufig der 31. März des Folgejahres) noch besteht oder über diesen Tag hinausbesteht. Es liegt kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darin, daß Arbeitnehmer in einem über diese Stichtage hinaus nicht mehr bestehenden oder in einem gekündigten Arbeitsverhältnis keine Gratifikation erhalten sollen. 2 7 4 Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur, wenn auch eine bestimmte Ordnung vorliegt, die über das einzelne, auf der Grundlage der Vertragsfreiheit ausgehandelte Einzelarbeits-

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verhältnis hinaus für alle oder für eben eine oder mehrere Gruppen von Arbeitnehmern gilt; dabei muß der Arbeitgeber die Gruppenbildung so durchführen, Leistungsvoraussetzungen auch so abgrenzen, daß kein Arbeitnehmer seines Betriebes aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt. 2 7 5 Individuell ausgehandelte, nicht auf einem planmäßigen Verhalten des Arbeitgebers beruhende Besserstellungen einzelner Arbeitnehmer werden durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht untersagt. 2 7 6 ee)

Rechtsfolgen

Verstöße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz können darin liegen, daß die Gruppenbildung willkürlich ohne eine sachgerechte Abgrenzung erfolgt; aber auch darin, daß der Arbeitgeber sich an die für die Gruppe geltende Regelung nicht hält. Die hieran anzuknüpfenden Rechtsfolgen können unterschiedlich sein.

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Ist eine einzelvertragliche Regelung, zB eine Entgeltvereinbarung, gem $ 134 BGB wegen Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bzw gegen § 4 Abs 1 TzBfG, vormals Art 1 S 2 Abs 1 BeschFG 1985 nichtig, so hat diese Teilnichtigkeit des Rechtsgeschäfts trotz der Vermutungsregel des $ 139 BGB nicht die völlige Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Regelung insgesamt zur Folge. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist § 139 BGB, wonach die Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts in aller Regel zu dessen völliger Nichtigkeit führt, dann unanwendbar, wenn gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen worden ist. 2 7 7 Die Unwirksamkeit der Entgeltvereinbarung hat zur Folge, daß der Arbeitnehmer nach $ 612 Abs 2 BGB Anspruch auf den üblichen Lohn hat; dies ist in der Regel der Lohn, den der nichtdiskriminierte Arbeitnehmer erhält. 2 7 8 Dies gilt nicht nur für den Fall des Verstoßes gegen den allgemeinen Grundsatz der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung, sondern auch für den spezielleren Fall des Verstoßes gegen Art 2 Abs 1 BeSchFG 1 9 8 5 . 2 7 9 Wird ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer zu Unrecht von einer den Vollzeitarbeitnehmern gewährten Leistung ausgeschlossen, so kann der übergangene teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung - pro

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rata temporis - behandelt zu werden. 2 8 0 Dies ist nunmehr ausdrücklich in $ 4 Abs 1 TzBfG klargestellt. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung dagegen für die Fälle, in denen eine normative Regelung in einem Gesetz, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam ist. Zum einen wird dem Arbeitgeber für die Fälle, in denen er selbst auf den Stand der bisherigen Rechtsprechung vertraut und ein entsprechendes Regelungswerk geschaffen hat, ein gewisser Übergangszeitraum zur Anpassung seiner Leistungs-

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richtlinien an den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz zugebilligt, so daß der Arbeitnehmer nicht sofort einen Anspruch auf die (höhere) Leistung beanspruchen kann, die ihm ohne die Zubilligung einer solchen Übergangsfrist zustünde. 2 8 1 Auch dem Gesetzgeber gewährt das Bundesverfassungsge274 BAG 4.9.85 - 5 AZR 655/84 - AP BGB $611 Gratifikation Nr 123 (Hangen) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung mwN unter II 1 der Gründe. 275 BAG 23.8.95 - 5 AZR 134/94 - AP BGB $242 Gleichbehandlung Nr 134. 276 BAG 19.8.92 - 5 AZR 513/91 - AP BGB $242 Gleichbehandlung Nr 102. 277 BAG 24.10.89 - 8 AZR 5/89 - AP BUrlG $ 11 Nr 29 (Wiedemann); BAG 14.10.86 - 3 AZR 66/83 - AP EWGVertrag Art 119 Nr 11 (Pfarr). Harald Schliemann

278 BAG 1.11.95 - 5 AZR 84/94 - AP BeschFG $ 2 Nr 45. 279 BAG 1 . 1 1 . 9 5 - 5 AZR 84/94 - AP BeschFG $ 2 Nr 45; BAG 24.10.89 - 8 AZR 5/89 - AP BUrlG $ 11 Nr 29 (Wiedemann). 280 BAG 11.9.85 - 7 AZR 371/83 - AP BGB $242 Gleichbehandlung Nr 76 (Hromadka). 281 BAG 25.1.84 - 5 AZR 44/82 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 66.

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S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht rieht eine angemessene Übergangszeit, wenn er eine zunächst vorhandene Ungleichbehandlung schrittweise abbauen will oder soll. 2 8 2 Eine sofortige richterliche Anpassung kann zudem nur vorgenommen werden, wenn die vom Richter gefundene Lösung bei rechtzeitiger Erkenntnis des Gleichbehandlungsverstoßes vom Rechtsetzenden gewählt worden wäre und sie die einzige Möglichkeit zur Beseitigung des Verstoßes darstellt. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Teilzeitbeschäftigte rückwirkend in (tarifliche) Versorgungswerke einzubeziehen sind, als nicht gegen Grundrechte des Arbeitgebers verstoßend anerkannt; das Bundesarbeitsgericht hatte den Arbeitgebern in diesen Fällen keinen Anpassungszeitraum zur Herbeiführung einer gleichbehandlungskonformen Regelung zugebilligt. 2 8 3 Für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung nimmt das Bundesarbeitsgericht an, es sei nicht die gesamte Versorgungsordnung nichtig, sondern es falle nur der Ausschlußtatbestand weg, wenn Teilzeitbeschäftigte unter Verstoß gegen das Lohngleichheitsgebot von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen seien; dabei billigt es kein schutzwürdiges Vertrauen darauf zu, daß mittelbar diskriminierende Regelungen in betrieblichen Versorgungsordnungen wenigstens zeitweilig wirksam seien. 2 8 4 Indessen hat der EuGH 1990 erkannt, daß der Rückwirkung der Rechtsprechung zur Einbeziehung Teilzeitbeschäftigter in die betriebliche Altersversorungung Grenzen gesetzt sind. 2 8 5 Demgegenüber betont das BAG, daß die sodann in Maastricht beschlossene, auf diese Rechtsprechung des EuGH zurückzuführende Protokollerklärung zu Art 141 ex 119 EGV über die Begrenzung der Rückwirkung nicht den zeitlichen Anwendungsbereich des Art 3 Abs 1GG einschränkt, sodaß eine Verpflichtung zur Einbeziehung von Teilzeitbeschäftigten in die betriebliche Alterversorgung noch weiter zurückwirken kann. 2 8 6 ff) 135

Verbot der Geschlechtsdiskriminierung

Eine besondere Ausprägung der Gleichbehandlung hat das Verbot der unmittelbaren u n d der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung erfahren. Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz beinhaltet ein allgemeines Willkürverbot. Dasselbe gilt für $ 4 Abs 1 TzBfG, vormals Art 1 § 2 Abs 1 BeSchFG 1985. Die derart geregelten Willkürverbote können durch sachliche Gründe ausgeschlossen sein. Indessen rechtfertigt nicht jeder sachliche Grund, der zum Ausschluß des Willkürverbots bei dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder nach § 4 Abs 1 TzBfG ausreicht, eine mittelbare Diskriminierung der wirklichen Beschäftigten. Das aus Art 3 Abs 2 GG und Art 141 e x l 19 EGV folgende Gleichberechtigungsgebot stellt strengere Anforderungen an die Zulässigkeit einer Differenzierung. Art 3 Abs 2 GG, der ein über den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) hinausgehendes Differenzierungsverbot enthält, ist nur dann nicht verletzt, wenn die biologische oder funktionale Verschiedenheit das zu ordnende Lebensverhältnis so entscheidend prägt, daß etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten. Der über das Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 3 GG hinausreichende Regelungsgehalt des Art 3 Abs 2 GG besteht darin, daß er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt. Eine Ungleichbehandlung, die an das Geschlecht anknüpft, ist mit Art 3 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach entweder nur bei Männern oder nur bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich. 2 8 7 Art 141 ex 119 EGV stellt zwar keine so hohen Anforderungen, aber auch nach dieser Vorschrift genügt nicht jede Zweckmäßigkeitserwägung. Die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter muß einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen, die für die Erreichung dieses Ziels geeignet und nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit erforderlich seien. Der Grundsatz der Lohngleichheit für Männer und Frauen (Art 3 Abs 2 GG, Art 141 ex 119 EGV, Art 1 RL 75/117 EWG) ist 1980 durch das arbeitsrechtliche EG-AnpassungsG in $ 612 Abs 3 BGB innerstaatlich umgesetzt wor-

282 BVerfGE 39 148,153. 283 BVerfG 28.9.92 - 1 BvR 496/87 -; Ausgangsverfahren: BAG 14.10.86 - 3 AZR 66/83 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 11 (Pfarr). 284 BAG 20.11.90 - 3 AZR 613/89 - AP BetrAVG $ 1 Gleichberechtigung Nr 8.

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285 EuGH 17.5.90 - C 262/88 Barber - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 20. 286 BAG 7.3.95 - 3 AZR 282/94 - AP BetrAVG Gleichbehandlung Nr 26. 287 Std Rspr BVerfG, statt vieler: BVerfG 28.1.92 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - EzA AZO $ 19 Nr 5.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken

den. 288 Er verbietet nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Diskriminierung der Arbeitnehmer wegen ihres Geschlechts. Ist der objektive Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung gegeben, muß der Arbeitgeber zur Rechtfertigung seiner Regelung darlegen und beweisen, daß die Differenzierung einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dient und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist. Auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts289 hat der Europäische Gerichtshof das Verbot mittelbarer 1 3 6 Geschlechtsdiskriminierung wie folgt konkretisiert: Ein Kaufhausunternehmen, welches Teilzeitbeschäftigte von der betrieblichen Altersversorgung ausschließt, verletzt Art 119 EGV, wenn diese Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer trifft und die nachteiligen Folgen auf dem Geschlecht oder der Geschlechtsrolle beruhen, es sei denn, daß Unternehmen legt dar, daß diese Maßnahme auf Faktoren beruht, die objektiv gerechtfertigt sind und nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. 290 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Frage der zahlenmäßigen Betroffenheit der Arbeitnehmer nicht auf die absoluten Zahlen an, sondern auf Prozentsätze, zu denen einerseits Männer und andererseits Frauen die geforderten Voraussetzungen für die Entgeltgewährung bzw hier die Versorgungsgewährung erfüllen. Dabei dürfen statistische Zahlen nicht schematisch verwertet werden. Führen Besonderheiten des Unternehmens dazu, daß eine Gegenüberstellung aller weiblichen und männlichen Arbeitnehmer eines Betriebs kein aussagekräftiges Bild gibt, so müssen die verfälschenden Faktoren ausgeschieden werden. Im Bereich des Einzelhandels ist Teilzeitarbeit Frauenarbeit. Der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Teilzeitbeschäftigten lag nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bei steigender Tendenz stets über 92%, im Einzelhandel über 95%. 291 In Art 2 Abs 2 RL 97/80 EG (Beweislast-RL) ist das Verbot der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung für das Arbeitsrecht nunmehr normiert. 292 In sehr vielen Fällen wird Teilzeitbeschäftigung zugleich die Voraussetzung für eine mittelbare 1 3 7 Geschlechtsdiskriminierung im Ansatz erfüllen, so daß bei der Prüfung, ob eine Benachteiligung nach S 4 Abs 1 TzBfG vorliegt, auch zu erwägen ist, ob zugleich eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung gegeben ist. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen293 kann auf diese zusätzliche Prüfung in der Regel nicht verzichtet werden. Gegen mittelbare Geschlechtsdiskriminierung haben Angehörige der benachteiligten Gruppe entsprechend dem Umfang ihrer Beschäftigung Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die übrigen Arbeitnehmer, wobei diese Regelung, solange Art 141 ex 119 EWGVertrag nicht ordnungsgemäß in das innerstaatliche Recht umgesetzt ist, das einzige gültige Bezugssystem bleibt. 294 Bei einem Verstoß gegen Art 141 ex 119 EGV durch eine tarifvertragliche Regelung hat der EuGH damit die Anpassung an die Vergütung der Nichtdiskriminierten vorgegeben.295

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Unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Geschlechtsdiskriminierung ist es unzulässig, eine 1 3 9 Bewerberin unberücksichtigt zu lassen, weil bei ihr eine Schwangerschaft vorliegt. Ein Arbeitgeber verstößt unmittelbar gegen den in Art 2 Abs 1 und Art 3 Abs 1 der EWG-Richtlinie 76/207 des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn er es ablehnt, mit einer von ihm für geeignet befundenen Bewerberin einen Arbeitsvertrag zu schließen, weil er wegen der Einstellung einer schwangeren Frau Nachteile zu befürchten hat; dabei macht es keinen Unterschied, daß sich kein Mann um die freie Stelle beworben hat. 296 Ebensowenig läßt sich die Ablehnung der 288 BAG 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48. 289 BAG 5.6.84 - 3 AZR 66/83 AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 3. 290 EuGH 13.5.86 - Rs 170/84 - Bilka - AP EWGVertrag Art 119 Nr 10 (Ρ/απ). 291 BAG 14.10.86 - 3 AZR 66/83 - EWG-Vertrag Art 119 Nr 11 (Ρ/απ). 292 RL 97/80 EG ν 15.12.97, AblEG L ν 20.1.98 Nr 40, 6. Harald Schliemann

293 BAG 20.11.90 - 3 AZR 613/89 - AP BetrAVG § 1 Gleichberechtigung Nr 8. 294 EuGH 27.6.90 - Rs C 33/89 AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 21. 295 EuGH 27.6.90 - Rs C 33/89 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 21. 296 EuGH 8.11.90 - Rs C 177/88 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 23.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Bewerbung einer Schwangeren zur Einstellung auf unbestimmte Zeit damit rechtfertigen, daß sie wegen eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots während der Schwangerschaft von Anfang an nicht beschäftigt werden kann. 297 1 4 0 Im Anschluß an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, die Frage nach der Schwangerschaft vor Einstellung einer Arbeitnehmerin enthält in der Regel eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts und verstößt damit gegen das Diskriminierungsverbot des S 611a BGB, gleichgültig, ob sich nur Frauen oder auch Männer um den Arbeitsplatz bewerben.298 b)

Objektive Gesetzesumgehung/Normumgehung

1 4 1 Stellt sich ein Rechtsgeschäft als objektive Umgehung einer zwingenden Rechtsnorm dar, so kann es die mit ihm gewollte Wirkung nicht entfalten. Eine solche objektive Normumgehung oder Gesetzesumgehung liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, daß andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mißbräuchlich, dh ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnormen sachlich rechtfertigenden Grund, verwendet werden. Dabei kommt es nicht auf eine Umgehungsabsicht oder eine bewußte Mißachtung der zwingenden Rechtsnorm an; entscheidend ist die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts.299 1 4 2 Der in der Rechtsprechung vorrangige Anwendungsbereich der objektiven Gesetzes- oder Normumgehung lag auf dem Gebiet der befristeten Arbeitsverträge. Durch die Befristung eines Arbeitsvertrages kann einem Arbeitnehmer der sonst für ihn zwingende Kündigungsschutz genommen werden. An sich ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach S 620 Abs 1 BGB möglich. Werden durch die Befristung jedoch zwingende Kündigungsschutzbestimmungen objektiv umgangen, so war die Befristung eines Arbeitsvertrages nur wirksam, wenn sie sachlich gerechtfertigt war. Wenn es an einem die Befristung derart sachlich rechtfertigenden Grund fehlte, lag eine objektiv funktionswidrige Vertragsgestaltung mit der Folge vor, daß sich der Arbeitgeber nicht auf die Befristung stützen konnte. Das Arbeitsverhältnis ist dann unbefristet, so daß die umgangenen Kündigungsschutzbestimmungen zur Anwendung gelangen. 1 4 3 Der Gesetzgeber hat die Rechtsfigur der objektiven Gesetzesumgehung auf dem Gebiet der Befristung von Arbeitsverhältnissen als Grundlage seines gesetzgeberischen Programms herangezogen. So hat er im TzBfG, vormals Art 1 S 1 BeSchFG 1985 eine ausdrückliche Regelung erlassen, die es zuläßt, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen ohne sachlich rechtfertigenden Grund zu vereinbaren. Durch das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14.Juni 1985 hat der Gesetzgeber in das Hochschulrahmengesetz (HRG) mit dem $ 57a bis $ 57f Bestimmungen über den Abschluß von Arbeitsverträgen für eine bestimmte Zeit (befristete Arbeitsverträge) mit wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern, Personal mit ärztlichen Aufgaben und Lehrkräften für besondere Aufgaben sowie mit wissenschaftlichen Hilfskräften eingeführt. In S 57b HRG hat er dabei unter der amtlichen Überschrift „Sachlicher Grund für die Befristung" in Abs 1 angeordnet, daß „der Abschluß befristeter Arbeitsverträge mit dem in S 57a S 1 genannten Personal zulässig ist, wenn die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, es sei denn, es bedarf nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen keines sachlichen Grundes". Damit ist der früheren Diskussion über die dogmatische Rechtfertigung der Rechtsfigur der objektiven Gesetzesumgehung zumindest auf dem Gebiet der Befristung von Arbeitsverträgen der Boden entzogen (vgl ausführlich: § 620 Rn 10,11). 1 4 4 Die Rechtsfigur der objektiven Gesetzes- oder Normumgehung ist jedoch nicht auf die Befristung von Arbeitsverträgen beschränkt. Sie wird von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch in anderen Zusammenhängen angewendet. Als objektive Umgehung der Regelungen des § 613 Abs 4 297 EuGH 3.2. 2000 Rs C 207/98 - Mahlburg - NZA 2000 255. 298 BAG 1 5 . 1 0 . 9 2 - 2 AZR 227/92 - EzA BGB $ 123 Nr 37.

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299 Grundlegend: BAG (GS) 1 2 . 1 0 . 6 0 - GS 1/59 - AP BGB J 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 16.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 Π. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken S 1 BGB und daneben des $ 4 Abs 1 S 2 BetrAVG hat das Bundesarbeitsgericht es angesehen, wenn Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf eine geplante Betriebsveräußerung und Arbeitsplatzgarantien des Erwerbers veranlaßt werden, ihre Arbeitsverhältnisse mit dem Betriebsveräußerer selbst fristlos zu kündigen oder Auflösungsverträgen zuzustimmen, um dann mit dem Betriebserwerber neue Arbeitsverträge abschließen zu können. 3 0 0 In einer Vereinbarung mit einem ausländischen Arbeitnehmer, wonach dieser für den Fall der endgültigen Rückkehr in seine Heimat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten soll, liegt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zwar keine objektive Umgehung der $$ 9 , 1 0 KSchG; jedoch kann eine solche Heimkehrklausel wegen funktionswidriger Umgehung der $$ 111, 112 BetrVG unwirksam sein, wenn der Aufhebungsvertrag in Ausführung einer Betriebsvereinbarung geschlossen wird, die Personalabbau durch den Abschluß von Aufhebungsvertragen zum Ziel hat und der deshalb eine Art Sozialplan-Ersatzcharakter zukommt. 3 0 1 Die Rechtsfigur der objektiven Gesetzesumgehung bzw Normumgehung ist auch nicht auf die Fälle beschränkt, in denen eine zwingende gesetzliche Norm durch das Geschäft objektiv umgangen wird. Vielmehr können auch zwingende tarifvertragliche B e s t i m m u n g e n objektiv umgangen werden. Eine objektive funktionswidrige Umgehung der Unkündbarkeitsregel des $ 53 Abs 3 BAT, wonach Angestellte nach 15jähriger Dienstzeit und Vollendung des 40. Lebensjahres nicht mehr uneingeschränkt ordentlich kündbar sind, liegt vor, wenn eine kurz vor Eintritt der Unkündbarkeit erklärte ordentliche Kündigung nicht zum nächstmöglichen Kündigungstermin, sondern erst zu einem späteren Termin wirken soll und dem Arbeitgeber für einen derart frühzeitigen Ausspruch der Kündigungserklärung kein sachlich rechtfertigender Grund zur Seite steht. In einem solchen Fall ist die ordentliche Kündigung tarifwidrig und damit unwirksam. 3 0 2 c)

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Anfechtbarkeit u n d Nichtigkeit des Arbeitsvertrages

Die Grundregeln der $$ 134, 138 BGB, wonach die Nichtigkeit aufgrund der dort vorliegenden Tatbestände von Anfang an eintritt, ist im Arbeitsrecht ebenso zeitlich eingeschränkt wie die Nichtigkeitsfolge nach $ 142 Abs 1 BGB im Falle der Anfechtung eines Arbeitsvertrages. I m Gegensatz zu den gesetzlichen Regelungen, wonach die Nichtigkeit von Anfang an eintritt bzw im Fall der Vertragsanfechtung der Vertrag rückwirkend beseitigt wird, treten diese Rechtsfolgen bei einem Arbeitsvertrag in der Regel nur mit Wirkung für die Zukunft ein, dh ab Zugang der Anfechtungserklärung bzw ab Feststellung der Nichtigkeit des Arbeitsvertrages. Insoweit sind die Rechtsfolgen von Anfechtung und Nichtigkeit den Wirkungen einer fristlosen Kündigung ähnlich. Eine Rückwirkung der Anfechtung oder Nichtigkeit kommt regelmäßig mit Rücksicht darauf nicht in Betracht, daß die Rückabwicklung eines Arbeitsverhältnisses rein tatsächlich kaum möglich ist. Insbesondere kann die Arbeitsleistung

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nicht zurückgewährt werden. Deswegen k a n n ein in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag grundsätzlich nicht m i t rückwirkender Kraft angefochten werden. Dies gilt jedoch dann nicht uneingeschränkt, wenn das Arbeitsverhältnis - aus welchen Gründen auch immer - zwischenzeitlich wieder außer Funktion gesetzt worden ist. In diesem Fall wirkt die Anfechtung auf den Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung des Arbeitsverhältnisses zurück. 3 0 3 d)

Allgemeines arbeitsrechtliches Günstigkeitsprinzip

Die arbeitsrechtliche Frivatautonomie wird sowohl hinsichtlich arbeitsvertraglicher Einzelvereinba-

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rungen als auch hinsichtlich kollektiver Vereinbarungen durch das allgemeine arbeitsrechtliche Günstigkeitsprinzip beherrscht. Es ist Ausdruck einer besonderen Sicht der Vertragsfreiheit. Das Bundesarbeitsgericht hat das Günstigkeitsprinzip bereits im Jahre 1960 als einen „verfassungsmäßig

300 BAG 28.4.87 - 3 AZR 75/86 - AP BetrAVG $ 1 Betriebsveräußerung Nr 5. 301 BAG 7.5.87 - 2 AZR 271/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr 19. 302 BAG 1 6 . 1 0 . 8 7 - 7 AZR 204/87 - AP BAT $ 53 Nr 2 (Clemens). Harald Schliemann

303 BAG 3.12.98 - 2 AZR 754/97 - AP BGB $ 123 Nr 49; BAG 16.9.82 - 2 AZR 228/80 - AP BGB § 123 Nr 24 (Brox); für den Fall der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: BAG 29.8.84 - 7 AZR 34/83 - AP BGB S 123 Nr 27, sa BAG 20.2.86 - 2 AZR 244/85 - AP Nr BGB s 123 Nr 31 (Coester). 45

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

anerkannten Grundsatz des kollektiven Arbeitsrechts" angesehen. 304 Es hat damals aus der Rechtsnatur des Günstigkeitsprinzips gefolgert, daß seine Anwendung auch auf Tarifordnungen gerechtfertigt sei, wenn man die unmittelbare Geltung einzelner Sondervorschriften des Tarifvertragsgesetzes für weitergeltende Tarifordnungen verneine. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts ist hierüber in seinem Beschluß vom 16. September 1986 3 0 5 hinausgegangen. Er hat dort ausgeführt: Das in $ 4 Abs 3 TVG nur unvollkommen geregelte Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht. Alle arbeitsrechtlichen Gestaltungsfaktoren können im Verhältnis zu rangniederen Regelungen, soweit solche nicht von vornherein ausgeschlossen sind ($ 77 Abs 3 BetrVG), Verbesserungen nicht ausschließen, sie können nur einseitig zwingendes Recht schaffen. Wiedemann begründet diesen Grundsatz einleuchtend mit dem arbeitsrechtlichen Schutzprinzip; es bestehe kein Grund, rangniedere und damit sachnähere Abreden zu sperren, wenn sie die Arbeitnehmer begünstigen, also besser schützen. 3 0 6 Andere Autoren leiten den Grundsatz aus dem Sozialstaatsprinzip ab. 3 0 7 Soweit es um den Vorrang einzelvertraglicher Regelungen geht, wird das Günstigkeitsprinzip auch als Ausdruck der Privatautonomie gedeutet. 308 Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts haben in der Literatur ein unterschiedliches Echo gefunden. 3 0 9 e)

Tarifrechtlicher normativer Günstigkeitsvergleich

148 Die Vertragsfreiheit des bürgerlichen Rechts wird auf dem Gebiet des Arbeitsrechts durch zwingend zu beachtende tarifvertragliche Regelungen erheblich eingeschränkt. Nach $ 4 Abs 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und verfassungsrechtliche Fragen. Nach § 3 Abs 1 sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Tarifvertragspartei ist. Nach Abs 2 derselben Bestimmung gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet. Nach $ 4 Abs 2 gelten tarifvertragliche Regelungen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.) auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und für das Verhältnis der Einrichtung für den tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wegen der zwingenden Wirkung des Tarifvertrages sind mit ihm widersprechende arbeitsvertragliche Abreden gem § 134 Abs 2 BGB nichtig. Diese Teilnichtigkeit des Arbeitsvertrags hat jedoch nicht die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags insgesamt zur Folge. Vielmehr bleibt der Arbeitsvertrag im übrigen in Kraft. An die Stelle der vertragswidrigen einzelvertraglichen Bestimmung tritt die entsprechende tarifvertragliche Bestimmung, soweit sie die Frage regelt. Insoweit entfaltet der Tarifvertrag dann auch eine unmittelbare Wirkung. Besteht keine positive vertragliche Regelung, so ist nach den Regeln der ergänzenden Vertragsregeln zu verfahren. 149 Die unmittelbare und zwingende Geltung findet in $ 4 Abs 3 TVG ihren hervorragenden Ausdruck. Hiernach sind vom Tarifvertrag abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind (Öffnungsklausel) oder eine Änderung der Regelungen (nur) zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (Günstigkeitsprinzip). Das Günstigkeitsprinzip ist vor allem auf die Inhaltsnormen eines Tarifvertrags zugeschnitten. Es setzt grundsätzlich ein Arbeitsverhältnis voraus, dessen Bedingungen durch (einzelvertragliche) Einzelvereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber 304 BAG 1 5 . 1 2 . 6 0 - 5 AZR 3 7 4 / 5 8 - AP TVG $ 4 Angleichungsrecht Nr 2 (Kiichenhojf) Π 2 a d. Gr. unter Hinweis auf Hueck/Nipperdcy Lehrbuch des Arbeitsrechts Bd II 6 S 13 VII2. 305 BAG (GS) 1 6 . 9 . 8 6 - GS 1 /82 - AP BetrVG § 77 Nr 17 mwN. 306 Wiedemann Das Arbeitsverhältnis als Austauschund Gemeinschaftsverhältnis, 1966, 22 f. 307 G. Müller Betrieb 6 7 9 0 3 , 9 0 5 ; Ramm JZ 6 6 2 1 4 , 2 1 8 .

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308 Martens RdA 83 217, 222; Säcker Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, 1972, 293 f. 309 Vgl Hromadka Änderung und Ablösung von Einheitsbedingungen, NZA 87 Beil Nr 3, 1 f; Gamillscheg Der Große Senat zur ablösenden Betriebsvereinbarung, Arbeitsrecht der Gegenwart Bd 25, 1988, 4 9 ff, 59, jeweils mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 6X1 Π. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken

verbessert werden. Dagegen gilt es nach allgemeiner Meinung nicht für sogenannte Abschluß- und Beendigungsnormen. Allerdings ist diese Ansicht nicht unumstritten, insbesondere nicht hinsichtlich solcher Regelungen in Tarifverträgen, nach denen ein Arbeitsverhältnis bereits aufgrund des Erreichens eines bestimmten Lebensalters vor dem Regelrentenalter310 oder aufgrund des Eintritts von Erwerbsoder Berufsunfähigkeit bzw Gewährung solcher Renten enden soll.311 Als „Abmachungen zugunsten des Arbeitnehmers" iSd $ 4 Abs 3 TVG kommt in erster Linie der 150 Einzelarbeitsvertrag in Betracht. Insoweit ist aber nicht nur auf individuell ausgehandelte Verträge und Vertragsklauseln abzustellen; vielmehr sind auch sogenannte allgemeine Arbeitsbedingungen, die in der Regel auf vom Arbeitgeber vorformulierten Vertragsformularen und Musterarbeitsverträgen beruhen, mit in Betracht zu ziehen. Auch Betriebsvereinbarungen können als günstigere Abmachungen iSd $ 4 Abs 3 TVG zu werten sein.312 Bei dem Vergleich ist auf die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers abzustellen; außer Betracht bleibt das Gesamtinteresse der Belegschaft oder einer Gruppe von Arbeitnehmern. In den Vergleich einzubeziehen sind die Bestimmungen des Tarifvertrages auf der einen Seite und des Arbeitsvertrages auf der anderen Seite, die in sich in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehen (Sachgruppenvergleich). Damit scheidet ein Gesamtvergleich der Gestaltungen des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Vertrages einerseits und des Tarifvertrages andererseits aus.313 Dies gilt auch für sog. betriebliche Bündnisse für Arbeit.314 Bei der Frage, ob die in einem offensichtlich sachlichen (inneren) Zusammenhang stehenden Regelungen des Arbeitsvertrags günstiger sind als die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen, kommt es nicht auf die subjektive Anschauung des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers an, sondern auf objektive Kriterien der Gesamtrechtsordnung. Es muß von vornherein für einen hinreichend langen Zeitraum feststehen, daß die arbeitsvertragliche Regelung gegenüber der tarifvertraglichen Regelung typisierend für die Arbeitnehmer nach einem objektiven Maßstab die günstigere ist. Bleibt unklar, ob die betreffende vertragliche Vereinbarung zu den einzelnen Arbeitnehmern objektiv günstiger ist als der Tarifvertrag oder nicht, so verbleibt es bei der zwingenden Geltung der entsprechenden tarifvertraglichen Bestimmungen.315 Strittig ist derzeit vor allem, ob und inwieweit freiwillige Arbeitsleistungen außerhalb der tarifvertraglichen Arbeitszeiten, zB freiwillige Samstagsarbeit, nach dem Günstigkeitsprinzip zulässig sind. 316 Konsequenterweise müßte die Fragestellung auch umgekehrt gelten, nämlich dahingehend, inwieweit es dem tarifvertraglichen Günstigkeitsprinzip entspricht, wenn eine geringere als die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vereinbart wird. Zudem ist die Frage nach dem Günstigkeitsprinzip zu stellen, wenn es um betriebliche Bündnisse für Arbeit mit dem Ziel der Erhaltung von Arbeitsplätzen geht. Der rechtlich bessere Weg geht indessen über die Nutzung von Tariföffnungsklauseln.317 $ 4 Abs 3 TVG sichert seinem Wortlaut nach die tarifvertraglichen Regelungen nur gegen zeitlich 1 5 1 nachfolgende vertragliche Absprachen, die ungünstiger sind als der Tarifvertrag.318 Nach ständiger Rechtsprechung und gefestigter Lehre können jedenfalls bereits bestehende einzelvertraglich begründete Arbeitsbedingungen grundsätzlich nicht nachträglich durch daran gemessen ungünstigere tarifvertragliche Bedingungen verdrängt oder verschlechtert werden.319 f)

Betriebsverfassungsrechtlicher kollektiver Giinstigkeitsvergleich

Die Veränderung vertraglicher betrieblicher einheitlicher Regelungen durch ablösende betriebliche 152 einheitliche Regelungen in Form einer Betriebsvereinbarung ist möglich, unterliegt aber dem betriebsverfassungsrechtlichen kollektiven Günstigkeitsvergleich. Die Veränderung der vertraglichen Regelung 310 BAG 25.2.98 - 7 AZR 641/96 - EzA BGB $ 620 Altersgrenze Nr 9. 311 BAG 20.10.93 - 7 AZR 135/93 - AP SGB IV $ 41 Nr 3. 312 Etzel NZA 87 Beil Nr 1,19, 24. 313 BAG 25.11.70 - 4 AZR 534/69 - AP TVG $ 4 Günstigkeitsprinzip Nr 12; BAG 12.4.72 - 4 AZR 211/71 - AP TVG $ 4 Günstigkeitsprinzip Nr 13. 314 BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/89 - AP GG Art 9 Nr 89.

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315 BAG 12.4.72 - 4 AZR 211/71 - AP TVG $ 4 Günstigkeitsprinzip Nr 13. 316 Zusammenfassend: Schliemann Handbuch zum Arbeitsrecht Gruppe 12 Erläuterungen Rn 158 ff mwN. 317 BAG 20.4.99 - 1 AZR 631/98 - AP BetrVG 1972 S 77 Tarifvorbehalt Nr 12 (Plander). 318 Ausführlich: Säcker Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, 1972, 49 ff 319 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1 /82 - AP BetrVG $ 7 7 Nr 17.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

durch diese vertragsfremde kollektive betriebliche Regelung ist rechtssystematisch als Einschränkungen der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht zu verstehen. 153

Aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen über denselben Regelungsgegenstand lösen einander nach dem Prinzip der Zeitkollision oder dem Ablöseprinzip - vormals Ordnungsprinzip genannt - ab. Dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. 3 2 0 Dabei steht den Betriebsparteien ein Regelungsspielraum zu. Führt die ablösende Betriebsvereinbarung zu einer Kürzung von Versorgungsrechten, so unterliegt sie einer Rechtskontrolle; die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sind zu beachten. 3 2 1 Fraglich ist jedoch, inwieweit Betriebsvereinbarungen rechtlich geeignet sind, den Arbeitgeber verpflichtende Zusagen, die in Einzelarbeitsverträgen vorgenommen worden sind, aber auch solche, die auf Gesamtzusagen (arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen) oder auf betrieblicher Übung beruhen, abzuändern.

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Der Dritte Senat hat in seiner früheren Rechtsprechung ständig angenommen, daß arbeitsvertragliche Einheitsregelungen (Formularzusagen) durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen zum Vorteil wie auch zum Nachteil der Arbeitnehmer prinzipiell abgeändert werden können, sich aus der Art der Zusage also kein rechtliches Hindernis für eine Veränderung mit Hilfe einer Betriebsvereinbarung ergibt. 3 2 2 Für einen anderen Sachbereich, nämlich für die Regelung über Arbeitskleidung, hatte demgegenüber der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts die Ansicht vertreten, die Ablösung einer betrieblichen Einheitsregelung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung setze voraus, daß die betriebliche Einheitsregelung ausdrücklich normiere, Ansprüche aus ihr könnten mit normativer Wirkung wegfallen. 3 2 3 Derselbe Senat hat angenommen, auf Zusatzvereinbarungen zu Arbeitsverträgen bzw auf gleichlautenden Schreiben beruhende Deputatzusagen stellten betriebliche Einheitsregelungen dar und könnten durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen geändert werden, allerdings nur dann, wenn - im Bereich freiwilliger Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG - die Einzelarbeitsverträge bzw Gesamtzusagen unter dem Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung stünden, also „betriebsvereinbarungsoffen" seien. Dabei hat es der Sechste Senat für erforderlich gehalten, die Frage des Vorrangs einer Betriebsvereinbarung gegenüber Regelungen in einem Einzelarbeitsvertrag oder auch gegenüber Einheitsregelungen vom Ausgangspunkt her danach zu beurteilen, ob es sich um eine Betriebsvereinbarung über den Bereich erzwingbarer Mitbestimmung handelt oder um eine sogenannte freiwillige Betriebsvereinbarung. 3 2 4 In einem Verfahren über die Frage der Wirksamkeit einer ablösenden Betriebsvereinbarung über Sonderzuwendungen aus Anlaß von Dienstjubiläen hat daraufhin der Fünfte Senat den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts angerufen. 3 2 5

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Die strittige Frage hat daraufhin der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts mit seinem Beschluß vom 16. September 1986 beantwortet. 3 2 6 Als allgemeiner Grundsatz gilt das Günstigkeitsprinzip auch für das Verhältnis von Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung zu günstigeren vertraglichen Abreden. Der Wortlaut des S 77 Abs 4 S I BetrVG, der dem § 4 TVG nachgebildet ist, steht dem nicht entgegen. S 77 Abs 4 S I BetrVG „muß wegen der Bedeutung des Günstigkeitsprinzips für die gesamte Arbeitsrechtsordnung und im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte und systematischen Überlegungen um die Kollisionsnorm des Günstigkeitsprinzips ergänzt und damit im Ergebnis eingeschränkt werden" . . . „Der Gedanke an einen Umkehrschluß, wonach das Schweigen des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 als Ablehnung des Günstigkeitsprinzips zu verstehen wäre, wird mit guten Gründen verworfen."... Auf das Verhältnis von vertraglich begründeten Ansprüchen zu Regelungen einer Betriebsvereinbarung ist daher das Günstigkeitsprinzip anzuwenden. Günstigere arbeitsvertragliche Bestimmungen, die vor Abschluß der Betriebsvereinbarung vereinbart worden waren, bleiben - jeden320 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG S 77 Nr 17. 321 BAG in std Rspr, statt vieler: BAG 23.10.90 - 3 AZR 260/89 - AP BetrAVG $ 1 Ablösung Nr 13. 322 Für eine Versorgungszusage aufgrund betrieblicher Ruhegeldordnung: BAG 30.1.70 - 3 AZR 44/68 - AP BGB S 242 Ruhegehalt Nr 142 (Richard0; für eine Versorgungszusage aufgrund vertraglicher Einheitsregelung: BAG 8 . 1 2 . 8 1 - 3 ABR 53/80 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr 1 (Herschel).

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Harald Schliemann

323 BAG 4.3.82 - 6 AZR 594/79 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 3. 324 BAG 12.8.82 - 6 AZR 1117/79 - AP BetrVG 1972 $77 Nr 4 (Henau). 325 BAG 8.12.82 - 5 AZR 316/81 - AP BetrVG 1972 S 77 Nr 6 (Hanau). 326 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr 17.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 Π. Arbeitsrecht - Begriff und Grundgedanken falls im Grundsatz - wirksam. 3 2 7 Zu den vertraglichen Ansprüchen der Arbeitnehmer zählen auch solche, die auf einer vom Arbeitgeber gesetzten Einheitsregelung oder auf einer Gesamtzusage beruhen. Die Kennzeichnung als vertragliche Einheitsregelung oder Gesamtzusage besagt nichts über die Rechtsnatur der durch sie begründeten Ansprüche; die Bezeichnung weist zunächst nur auf Besonderheiten bei der Begründung der Ansprüche hin. Solche Besonderheiten haben keinen Einfluß auf die Rechtsnatur der Ansprüche. 3 2 8 Für eine dem Schutzzweck des Günstigkeitsprinzips entsprechenden Anwendung bei der Ablösung von vertraglicher (Einheits-)Regelungen durch Betriebsvereinbarungen kommt es nur auf Vor- u n d Nachteile an, die die Neuregelung für die Belegschaft insgesamt zur Folge hat. Wenn die Leistungen des Arbeitgebers sich insgesamt nicht verringern oder sogar erweitert werden, steht das Günstigkeitsprinzip einer Ablösung nicht entgegen, auch wenn einzelne Arbeitnehmer dadurch schlechter gestellt werden. Andererseits m u ß der Arbeitgeber zu seinem Wort stehen. Er kann sich von der wirtschaftlichen Gesamtlast seiner Zusagen im allgemeinen weder einseitig noch mit Hilfe des Betriebsrats ganz oder teilweise befreien; insofern darf der Arbeitnehmer auf die Vertragstreue seines Arbeitgebers vertrauen. Ein weiterer Vertrauensschutz ergibt sich aus den Grundsätzen der Billigkeit. Der kollektive Günstigkeitsvergleich weicht von dem in $ 4 Abs 3 TVG vorgeschriebenen individuellen Günstigkeitsvergleich ab. Das hat seinen guten Grund. Die unterschiedlichen Regelungen sind Ausdruck eines unterschiedlichen Regelungsbedürfnisses. 3 2 9 Die Ermittlung der - kollektiv betrachtet - günstigeren Regelung kann im Einzelfall zu Schwierigkeiten führen In erster Linie wird es darauf ankommen, welchen Zweck Arbeitgeber und Betriebsrat mit der Neuregelung verfolgen. Geht es um Verbesserung oder Erhaltung von Sozialleistungen, steht das Günstigkeitsprinzip Eingriffen in vertraglich begründete Ansprüche einzelner Arbeitnehmer nicht entgegen. Welche Leistungen und Abreden in den Günstigkeitsvergleich einbezogen werden müssen, hängt ebenfalls von dem Regelungsziel der Kollektivvertragspartei ab. Maßgebend ist der objektiv erkennbare Zusammenhang. Er ergibt sich häufig aus dem Leistungszweck. Dementsprechend können Inhaltsnormen einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer mit kollektivem Bezug, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, einschränken, wenn die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung keine Nachteile für die Belegschaft zur Folge hat. Wenn die geplanten Aufwendungen des Arbeitgebers für die Sozialleistung konstant bleiben oder erweitert werden sollen, steht das Günstigkeitsprinzip einer Neuregelung nicht entgegen, selbst wenn einzelne Arbeitnehmer dadurch schlechtergestellt werden. Vertraglich begründete Ansprüche gehen einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung dann vor, wenn durch die Betriebsvereinbarung der Gesamtaufwand des Arbeitgebers verringert werden soll. 3 3 0 $ 77 Abs 4 S I BetrVG in Verbindung mit dem Günstigkeitsprinzip regelt abschließend die Kollision zwischen vertraglich begründeten Ansprüchen der Arbeitnehmer und den Inhaltsnormen einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung. Damit scheiden andere Kollisionsregeln aus, und zwar sowohl das Ordnungsprinzip als auch das Ablösesprinzip wie auch die Lehre von der Normsetzungsprärogative. 3 3 1 Insgesamt hat der Große Senat die Vorlagefrage wie folgt beantwortet: „1. Vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, können durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in den Grenzen von Recht und Billigkeit beschränkt werden, wenn die Neuregelung insgesamt bei

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kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist. 2. Ist demgegenüber die nachfolgende Betriebsvereinbarung insgesamt ungünstiger, ist sie nur zulässig, soweit der Arbeitgeber wegen eines vorbehaltenen Widerrufs oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Kürzung oder Streichung der Sozialleistungen verlangen kann. 3. Es kommt nicht darauf an, ob die in einer solchen Betriebsvereinbarung geregelten

327 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr 17 (unter II 3 b und d der Gründe mwN). 328 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 17 (unter II 1 a der Gründe). 329 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 17 (unter II 4 b der Gründe). Harald Schliemann

330 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 17 (unter Π 4 e der Gründe). 331 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 17 (unter III 1, 2 und 3 der Gründe mwN zu den einzelnen Kollisionsregeln aus der Rechtsprechung des BAG). 49

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen (§ 87 Abs 1 BetrVG) oder nur als freiwillige Betriebsvereinbarung ($ 88 BetrVG) zustande kommen". 332 g)

Richterliche Vertragskontrolle

1 5 7 Von anderen Bereichen des allgemeinen Zivilrechts macht das Arbeitsrecht hinsichtlich der Inhaltskontrolle von Verträgen insoweit eine Ausnahme, als das AGB-Gesetz bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nach $ 23 Abs 1 AGBG keine Anwendung fand. Dies ist durch die zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsnovelle333 grundlegend geändert worden. Neue Arbeitsverträge unterliegen ab 1. Januar 2002, zuvor geschlossene ab 1. Januar 2003 grundsätzlich der AGB-Kontrolle nach den S$ 305 ff BGB nF (Art 229 S 5 EGBGB), allerdings mit den Einschränkungen, daß „bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen" und $ 305 Abs 2 und 3 BGB nF nicht anwendbar sind (S 310 Abs 4 Satz 1, und 2 BGB nF). Das Bundesarbeitsgericht hatte die Anwendbarkeit des AGBG auf Arbeitsverträge mehrfach abgelehnt, 334 dessen inhaltliche Regelungen jedoch als Maßstäbe für die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen herangezogen. Unmittelbar hat es Bestimmungen des AGBG dagegen auf Kaufverträge mit Arbeitnehmern335 und auf eine dem Arbeitgeber erklärte Bürgschaft für dessen Ansprüche gegen den Arbeitnehmer336 angewendet. Die richterliche Inhaltskontrolle des Arbeitsvertrags findet in den Fällen statt, in denen es um vom Arbeitgeber gesetzte einheitliche Arbeitsbedingungen geht. 337 Das Bundesarbeitsgericht nennt sie allerdings „Billigkeitskontrollen". In seiner grundlegenden Entscheidung vom 30. Oktober 1969 hat es ausgeführt: „Ein Vertragswerk, das nicht zwischen den Beteiligten im Wege eines gegenseitigen Interessenausgleichs ausgehandelt, sondern praktisch vom Arbeitgeber allein festgelegt wird, muß sich eine Korrektur nach Billigkeitsgründen gefallen lassen. Eine solche gerichtliche Billigkeitskontrolle ist bei allen Vertragswerken geboten, bei deren Zustandekommen die Vertragsparität gestört ist. Darüber besteht heute in Rechtslehre und Rechtsprechung weitgehend Einigkeit. Man streitet lediglich über die - theoretische, das praktische Ergebnis nicht beeinflussende - Frage, ob sich die Rechtfertigung dieser Billigkeitskontrolle aus $§ 315 ff BGB oder aus $ 242 BGB oder aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten ergibt". 338 1 5 8 Dabei hat das Bundesarbeitsgericht nicht immer unterschieden zwischen der richterlichen Kontrolle vertraglicher Einheitsbedingungen und der Ausübung einseitiger Leistungsbestimmungen durch den Arbeitgeber. So hat es zB in seinem Urteil vom 21. Dezember 1970 ausgeführt, bei Benutzung vertraglicher Einheitsregelung, ferner bei der Bestimmung einer vertraglichen Leistung durch den Arbeitgeber sowie bei der Ausschüttung freiwilliger Leistungen unter Ausschluß des Rechtsanspruchs setze nur eine Vertragspartei, nämlich der Arbeitgeber, Leistungen fest, die der Arbeitnehmer erhält. Der Arbeitgeber bestimme damit einseitig den Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Die Vertragsparität könne in diesen Fällen einen Interessenausgleich nicht gewährleisten. Deshalb dürfe der Arbeitgeber nicht nur seinen Interessen folgen; er müsse auch den Interessen des Arbeitnehmers angemessen Rechnung tragen: Seine Leistungsbestimmung müsse billig und gerecht sein; ob sie dies ist, müssen die Gerichte im Streitfall nachprüfen.339 Zudem nimmt das Bundesarbeitsgericht auch eine richterliche Inhaltskontrolle von Betriebsvereinbarungen vor. 340 1 5 9 Von der Kontrolle der Vertragsbedingungen durch richterliche Entscheidungen ist die Frage zu trennen, inwieweit die einseitige Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber richterlicher Kontrolle unterliegt. Insbesondere bei der Ausübung vertraglich vorbehaltener Widerrufsrechte ist zu beachten, daß 332 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 S 77 Nr 17 (Beschlußformel). 333 G zur Modernisierimg des Schuldrechts ν 26.11. Ol (BGBl 1 3138). 334 BAG 11.6.97 - 7 AZR 313/96 - AP AVR Caritasverband Nr 19; BAG 29.11.95 - 5 AZR 447/94 - AP AGB Gesetz Nr 1. 335 BAG 26.5.93 - 5 AZR 219/92 - ZIP 93 1251. 336 BAG 27.4. 2000 - 8 AZR 286/99 - EzA AGBG $ 9 Nr 2. 50

Harald Schliemann

337 Reinecke NZA 2000 Beil H/3 23 ff. 338 BAG 31.10.69 - 3 AZR 119/69 - AP BGB $ 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr 1 (Lukowski). 339 BAG 21.12.70 - 3 AZR 510/70 - AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr 1 (M. Wolff); sa BAG 22.12.70 3 AZR 52/70 - AP BGB $ 305 Billigkeitskontrolle Nr 2 (Lieb). 340 Schliemann in: FS Hanau, 577, 597 ff.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 III. Vertragsfreiheit und Arbeitnehmerstatus der Arbeitgeber es - jedenfalls im Entgeltbereich - nur nach billigem Ermessen ausüben darf. 3 4 1 Der Arbeitgeber darf nicht das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung unkontrolliert verändern. Entsprechendes gilt für die Ausübung des Vorbehalts einer Anrechnung übertariflicher Lohnbestandteile aus Anlaß von Tariflohnerhöhungen; insoweit ist zusätzlich das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu beachten. 3 4 2

III. Vertragsfreiheit und Arbeitnehmerstatus 1.

Zweck des Arbeitnehmerbegriffs

Die Arbeitnehmereigenschaft ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts. Ist jemand Arbeitnehmer, so steht er in einem Arbeitsverhältnis mit der Folge, daß dieses Rechtsverhältnis in den Geltungsbereich des Arbeitsrechts fällt. Damit liegt eine begriffliche Tautologie vor. Die Frage nach der Anwendung des Arbeitsrechts wird auf den Arbeitnehmerbegriff bzw auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses verschoben, wie bereits Jacobi343 erkannt hat. Diese Art der Abgrenzung der Anwendbarkeit des Arbeitsrechts birgt die Gefahr in sich, daß die Frage nach der Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners durch arbeitsrechtliche Regeln zugleich die Antwort für die Anwendbarkeit eben derselben Regeln abgibt. Diese Gefahr besteht insbesondere, wenn (objektiv?) ein Schutzbedürfnis für eine bestimmte Gruppe von Personen besteht, sich aber außerhalb des Arbeitsrechts keine entsprechenden Regeln finden lassen. In einer solchen Situation liegt es nahe, den Arbeitnehmerbegriff extensiv auszulegen. Ein eindrucksvolles Beispiel dazu ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Status freier Rundfunkmitarbeiter und die Aufhebung dieser Urteile durch das Bundesverfassungsgericht. 3 4 4 Andererseits ist auch zu beobachten, daß sich Parteien arbeitsrechtlicher Mittel bedienen, um bestimmte Ziele erreichen zu können, obwohl sie im Grunde nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen wollen, so zB durch den Abschluß förmlicher Ausbildungsverträge zwischen Berufsbildungswerken einerseits und beruflichen Rehabilitanden iSd § 56 AFG (nunmehr: §§ 240 ff SGB III) andererseits. Ohne Abschluß förmlicher Ausbildungsverträge wäre das Ziel der Ausbildung der Rehabilitanden, nämlich der Abschluß der Ausbildung mit einer Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer bzw der Handwerkskammer faktisch nicht erreichbar gewesen. 3 4 5 2.

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Arbeitnehmer als Statusbegriff

Der Arbeitnehmerbegriff ist ein u n b e s t i m m t e r Rechtsbegriff und der F u n k t i o n nach ein Statusbegriff. Er legt eine Vielzahl von Rechtsfolgen fest, nämlich prinzipiell die Geltung des Arbeitsrechts. 346 Indessen ist die - trotz insoweit zuweilen irreführender sprachlicher Formeln - Arbeitnehmereigenschaft für sich allein kein Status. Insbesondere stellt das Vorliegen dieser Eigenschaften nicht auf die Zugehörigkeit zu einer Klasse, zu einem Berufsstand oder zu einer festen gesellschaftlichen Gruppe ab. Vielmehr beruht für das Arbeitsrecht die Arbeitnehmereigenschaft ebenso wie - korrespondierend hierzu - die Arbeitgebereigenschaft darauf, daß die betreffenden Personen in einem entsprechenden Arbeitsvertrag stehen. 3 4 7 Der Arbeitnehmerbegriff ist ein u n b e s t i m m t e r Rechtbegriff; er unterliegt in der Revisionsinstanz nur einer beschränkten Prüfung daraufhin, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt ist, Denkgesetze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Bewertung übersehen worden sind. 3 4 8

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Als Erscheinungsform der Privatautonomie hängt von der Vertragsgestaltung ab, ob jemand als Arbeitnehmer oder als Selbständiger in einem Dienstverhältnis steht. Insoweit ist die Frage nach der

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341 BAG 13.5.87 - 5 AZR 125/86 - AP BGB $ 305 Billigkeitskontrolle Nr 4. 342 BAG (GS) 3.12.91 - GS 2/90 - AP BetrVG 1972 $ 87 Lohngestaltung Nr 57. 343 Jacobi Grundlehren des Arbeitsrechts, 1927,41,43. siehe ausführlich: Staudinger/Rirfumii BGB13, Vorbem zu SS 611 ff Rn 178. 344 BAG 23.4.80 - 5 AZR 426/79 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 34 (Küchenhoff, Otto und Wank); BAG 7.5.80 - 5 AZR 293/78; 5 AZR 593/78 - AP S 611 AbHarald Schliemann

hängigkeit Nr 35 und 36 (gern Anm von Wank und Otto); BVerfGE 59 231. 345 BAG 13.5.92 - 7 ABR 72/91 - EzA S 5 BetrVG 1972 Nr 54. 346 Vgl Wank Die juristische Begriffsbildung, 1985, 47 f. 347 Zöllner/Loritz Arbeitsrecht (1998), 1; Söllner „From status to contract" in: FS Zöllner, 949. 348 BAG 3.6.98 - 5 AZR 656/97 - AO BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 96. 51

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Art des Vertrages keine bloße Begriffsjurisprudenz. Vielmehr muß diese Frage gestellt und beantwortet werden, um festzustellen zu können, wer Arbeitnehmer ist und auf wen das Arbeitsrecht Anwendung findet oder nicht. Dabei ist vorab die Frage zu klären, ob überhaupt ein Dienstverhältnis vorliegt oder eine andere Art von Vertragsverhältnis, zB ein Werkvertrag. Der für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Vertragstypus ist der Dienstvertrag, bei dem die zugesagte Arbeitsleistung keine im voraus bestimmte, abgegrenzte Einzelleistung darstellt, sondern sich auf eine nur der Art nach bestimmte Tätigkeit bezieht. Wenn nach den objektiven Begebenheiten die Dienstleistung sowohl in Form eines Arbeitsverhältnisses als auch in einem Rechtsverhältnis als freier Dienstnehmer (freier Mitarbeiter) in Betracht kommt, entscheidet der Wille der Vertragsparteien darüber, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein (freies) Dienstverhältnis vorliegt.349 3.

Arbeitnehmereigenschaft als Geschäftsinhalt

1 6 3 Über die Einordnung eines Rechtsverhältnisses als Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag entscheidet dessen Geschäftsinhalt, nicht dagegen eine von den Parteien gewählte Bezeichnung, die dem Geschäftsinhalt in Wahrheit nicht entspricht. Ebenso wenig entscheidet eine von den Parteien gewünschte, aber von der Rechtsordnung nicht gebilligte Rechtsfolge, zB der bloß vertragliche Ausschluß der Arbeitnehmereigenschaft oder der bloß vertragliche Ausschluß des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes. Maßgeblich ist vielmehr, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem wirklichen Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Dieser Geschäftsinhalt kann sich aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen wie auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages einander, ist die letztere maßgeblich. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien tatsächlich ausgegangen sind. Dabei kommt es auf die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles an. 3 5 0 1 6 4 Demgemäß bleibt für die Rechtstypenwahl (zuweilen auch Rechtsformwahl genannt) 351 in der Regel nur ein sehr enger Anwendungsbereich. Das Bundesarbeitsgericht stellt in seiner Rechtsprechung bisher stets darauf ab, ob die Tätigkeit sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in einem Verhältnis als freier Mitarbeiter oder auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages oder gar Werkvertrages erbracht werden könnte. 352 Dies betrifft nicht zuletzt die Fälle, in denen die Zusammenarbeit der Dienste oder Arbeit leistenden einzelnen natürlichen Person - Leistungserbringer - mit dem Leistungsempfänger auf den ersten Blick einem Vertragstypus des HGB zuzuordnen ist wie etwa dem Handelsvertreter (§ 84 HGB), 353 dem Bausparkassen- und Versicherungsvertreter (§ 92 HGB) 354 oder dem Frachtführer (5 425 HGB). 355 Von Rechtstypenwahl kann aber nur die Rede sein, wenn der Vertrag nach den objektiven Gegebenheiten sowohl als Arbeitsvertrag als auch ein Vertrag anderer Art anzusehen sein kann. Problematisch ist dabei vor allem die Situation, daß der Auftraggeber oder Dienstgeber den Auftragnehmer oder Dienstnehmer in die Rolle eines freien Mitarbeiters gedrängt hat; weniger problematisch ist dagegen, wenn die Beschäftigung als freier Mitarbeiter auf dem Wunsch des Dienstleistenden beruht. 356 Indessen ist nicht selten zu beobachten, daß zunächst Einigkeit darüber besteht, eine Tätigkeit solle nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern im Rahmen eines freien Dienstvertrages ausgeübt werden, und daß dann, wenn der Vertragsfrieden gestört ist, versucht wird, den Schutz des Arbeitsrechts, vor allem den Kündigungsschutz, in Anspruch zu nehmen. In solchen Fällen kann es rechtsmißbräuchlich sein, sich nachträglich darauf zu berufen in einem Arbeitsverhältnis gestanden zu haben oder Kündigungsschutz einzufordern.357 Umgekehrt gestattet die falsche Wahl des 349 BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 47 (Β I 3 der Gründe mwN). 350 BAG 30.9.98 - 5 AZR 563/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 103; BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 S 5 Nr 47. 351 Schliemann in: Hanau/Schaub Arbeitsrecht 1997 (RWS-Forum), 18. 352 BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr 47 (unter Β I 3 der Gründe mwN). 353 BAG 15.12.99 - 5 AZR 566/98 - AP HGB S 84 Nr 9.

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Harald Schliemann

354 BAG 1 5 . 1 2 . 9 9 - 5 AZR 3/99; 5 AZR 770/98 - AP HGB $ 92 Nr 5, 6. 355 BAG 19.11.97 - 5 AZR 653/96 - AP $ 611 BGB Abhängigkeit Nr 90; BAG 30.9.98 - 5 AZR 563/97 AP $ 611 BGB Abhängigkeit Nr 103. 356 Vgl Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 104 ff, 107. 357 BAG 11.12.96 - 5 AZR 855/95; 5 AZR 708/95 - AP BGB S 242 Unzulässige Rechtsausübung - Verwirkung Nr 35, 36.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 ΙΠ. Vertragsfreiheit und Arbeitnehmerstatus

Vertragstypus, zB die Wahl eines freien Mitarbeiterverhältnisses anstelle eines Arbeitsvertrages, dem Empfänger der Arbeits- oder Dienstleistung nicht, sich einseitig vom Arbeitsverhältnis zu lösen. Denn sonst ginge der zwingende Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses verloren, um dessen Willen das Dienstverhältnis gerade als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. 358 Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitgeber meint, durch Nichtausübung seines Direktionsrechts den Arbeitsvertrag zum freien Dienstvertrag werden lassen zu können. 359 Auch kann einem Arbeitnehmer der arbeitsrechtliche Schutz durch Tarifvertrag weder genommen noch zugesprochen werden.360 4.

Rechtsfolgen der Arbeitnehmereigenschaft

Liegt ein Arbeitsverhältnis vor, so ist die Anwendung der arbeitsrechtlichen Regeln zwingend. 361 Es muß jedoch beachtet werden, daß nicht alle arbeitsrechtlichen Regeln für alle Arbeitsverhältnisse gleichermaßen Geltung beanspruchen. Dabei geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bisher (noch) von einer Einheitlichkeit des Arbeitnehmerbegriffs aus, auch wenn in einzelnen Gesetzen die Abgrenzungen des Arbeitnehmerbegriffs auf das jeweilige Gesetz bezogen gegenständlich etwas unterschiedlich vorgenommen werden (müssen). Zwar meint Richardi, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Rundfunkmitarbeitern362 zwinge zu einer Revision der traditionellen Betrachtungsweise des Arbeitnehmerbegriffs und der an ihn anknüpfenden Rechtsfolgen.363 Das Bundesarbeitsgericht ist dem jedoch entgegengetreten.364 Wank meint demgegenüber, daß die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Definition des Arbeitnehmerbegriffs methodisch unbefriedigend sei, weil sie nicht teleologisch vorgenommen werde.365 In der Tat ist zu erwägen, ob die Einheitlichkeit des Arbeitnehmerbegriffs zugunsten einer unbestimmten Vielzahl von Arbeitnehmerbegriffen mit entsprechender teleologischer Ausrichtung aufzugeben ist oder ob umgekehrt weiterhin von der grundsätzlichen Einheitlichkeit des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne eines Zugangs zu arbeitsrechtlichen Regeln auszugehen und sodann zu prüfen ist, ob bestimmte arbeitsrechtliche Regeln im Lichte entgegenstehender anderer Normen zurückzustehen haben, so zB die Frage des Kündigungsschutzes S 1 KSchG bzw des sachlich rechtfertigenden Grundes für die Befristung von Arbeitsverträgen mit freien Rundfunkmitarbeitern auf der einen Seite und der grundsätzlich garantierten Rundfunkfreiheit (Art 5 Abs 1 GG) auf der anderen Seite; dementsprechend kann die Rundfunkfreiheit (Art 5 Abs 1 S 2 GG) die Befristung eines Arbeitsverhältnisses eines Lokalreporters einer Rundfunk- und Fernsehanstalt sachlich rechtfertigen.366 5.

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Gerichtliche Klärung der Arbeitnehmereigenschaft

Die Frage, ob Arbeitnehmereigenschaft vorliegt oder nicht, ein Arbeitsverhältnis besteht oder nicht, kann als isolierte Feststellung Gegenstand einer gerichtlichen Feststellungsklage sein. Eine solche sogenannte Statusklage kann unabhängig davon erhoben werden, ob für den Fall des positiven Ausgangs einzelne Arbeitsbedingungen umstritten sind oder nicht. Es wäre prozeßökonomisch nicht sinnvoll, den Statusprozeß von Anfang an mit einem zusätzlichen Prozeßstoff zu belasten, zumal die Praxis zeigt, daß die Parteien derartiger Statusprozesse in der Regel dem Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung Folge leisten. 367 Derartige Prozesse können allerdings nur im Wege des Urteilsverfahrens geführt werden ($ 2 Abs 1 Nr 3b iVm S 2 Abs 5 ArbGG), nicht dagegen vom einzelnen Arbeitnehmer im 358 BAG 3 . 1 0 . 7 5 - 5 AZR 445/74 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 17. 359 BAG 12.9.96 - 5 AZR 1066/94 - AP BGB $611 Freier Mitarbeiter Nr 1. 360 BAG 15.3.78 - 3 AZR 819/76 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 25. Ebenso wenig kann der Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit arbeitnehmerähnlicher Personen (J 12a TVG) durch tarifvertragliche Regelungen erweitert werden (BAG 2 . 1 0 . 9 0 - 4 AZR 106/90 - AP TVG $ 12a Nr 25,1). 361 BAG 30.11.94 - 5 AZR 704/93 - AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 74. Harald Schliemann

166

362 BVerfGE 59 231. 363 Staudinger/Ricftardi BGB 13 , 1989, Vorbem zu SS 611 ff Rn 170 ff. 364 BAG 13.1.83 - 5 AZR 149/82; 5 AZR 156/82 - AP

BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 42, 43 (Herschel). 365

Wank Anm zu BAG AP BetrVG 1992 $ 5 Nr 47 (unter

VI).

366 BAG 22.4.98 - 5 AZR 342/97 - AP BGB $611 Rundfunk Nr 26. 367 Std Rspr: BAG 20.7.94 - 5 AZR 627/93 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 73; BAG 13.1.83 - 5 AZR 149/82 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 42.

53

S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht Wege des Beschlußverfahrens. 3 6 8 Allerdings ist eine Klage auf Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft für ein vergangenes Rechtsverhältnis mangels Feststellungsinteresses unzulässig, wenn von der Feststellung keine Rechtsfolgen mehr abhängen. 3 6 9 Sehr häufig treten allerdings Statusfragen auf im Zusammenhang mit hieran anknüpfenden Rechtsfolgen, so zB bei der Frage der Wahlberechtigung für Betriebsratswahlen 3 7 0 oder im Zusammenhang mit der Frage, ob die Befristung des Rechtsverhältnisses schon deshalb gem § 6 2 0 BGB rechtmäßig ist, weil es sich um ein freies Dienstverhältnis handelt, oder ob die Befristung eines sie sachlich rechtfertigenden Grundes bedarf, weil tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt und der dienstleistenden Person der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes sonst ohne rechtfertigenden Grund entzogen wäre, 3 7 1 oder anläßlich der Änderung von Vertragsbedingung e n 3 7 2 oder als Vorfrage im Kündigungsschutzprozeß. 3 7 3 Steht rechtskräftig fest, daß das Rechtsverhältnis nicht das der freien Mitarbeit, sondern ein Arbeitverhältnis ist, so ist die auf freie Mitarbeit abstellende vertragliche Vergütungsvereinbarung nichtig; an ihre Stelle tritt mangels anderweitiger Vereinbarung nach S 612 Abs 2 BGB der übliche Lohn; er kann die bisherige Vergütung erheblich unterschreiten. 3 7 4

167

IV.

Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

1.

Der Arbeitnehmerbegriff als Zentralbegriff des Arbeitsrechts

Der Begriff des Arbeitnehmers ist der Zentralbegriff des Arbeitsrechts. Er dient der Abgrenzung des personellen Anwendungsbereichs des Arbeitsrechts. Steht jemand in einem Arbeitsverhältnis, ist er Arbeitnehmer, so sind die Regelungen des Arbeitsrechts auf dieses Rechtsverhältnis anzuwenden. 3 7 5 Diese Funktion ist dem Begriff des Arbeitnehmers erst dadurch zugewachsen, daß sich das Arbeitsrecht zu einem in sich relativ geschlossenen Rechtsgebiet entwickelt hat. In dieser Funktion stellt der Begriff des Arbeitnehmers aber nicht nur eine Beschreibung einer rechtlichen Voraussetzung dar, sondern er beinhaltet zugleich eine globale Rechtsfolgenanordnung, nämlich die Anwendbarkeit der Regelungen des Arbeitsrechts. Innerhalb des Rahmens, auf den durch den Begriff des Arbeitnehmers global verwiesen wird, liegen auch jene arbeitsrechtlichen gesetzlichen Einzelregelungen, die eine genauere Beschreibung ihres jeweiligen Anwendungsbereichs durch Modifikationen des Arbeitnehmerbegriffs vornehmen. Denkbar ist indessen auch, die Modifikationen des Arbeitnehmerbegriffs in den verschiedenen Gesetzen als Hinweis darauf anzusehen, daß es keinen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff g i b t . 3 7 6 Aus dieser Schlüsselrolle des Arbeitnehmerbegriffs für die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts resultiert zugleich ein Teil der Schwierigkeiten, Klarheit über den Begriff des Arbeitnehmers zu finden: Die Grunderkenntnis, daß Arbeitsrecht grundsätzlich Arbeitnehmerschutzrecht ist, führt insbesondere in den Fällen, in denen ein im Arbeitsrecht gleichwertiger sozialer Schutz durch andere gesetzliche Regelungen nicht besteht, immer wieder in die Gefahr, durch Ausweitung des Arbeitnehmerbegriffs auch solche Rechtsverhältnisse arbeitsrechtlichen Regeln zu unterwerfen, die dieses Schutzes nicht oder zumindest nicht in jeder Hinsicht bedürfen. 3 7 7 So hat zB das Bundesarbeitsgericht es als möglich angesehen, daß berufliche Rehabilitanden iSd § 56 AFG (nunmehr: §§ 240 ff SGB III) in einem Berufsbildungswerk zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte iSd § 5 Abs 1 BetrVG sein können, obwohl es sich im Ansatz hier um die Erfüllung einer Sozialversicherungsleistungspflicht gegenüber den beruflichen Rehabilitanden durch die Bundesanstalt für Arbeit handelt. 3 7 8 Ob diese Gefahr allerdings derart zu beschreiben ist, daß „im problematischen Einzelfall das Empfinden der Richter für sozialpolitisch 368 BAG 2 5 . 1 1 . 9 2 - 7 ABR 80/91 - nv. 369 BAG 3.3.99 - 5 AZR 275/98 - AP ZPO $ 256 Nr 53; BAG 23.4.97 - 5 AZR 727/95 - AP ZPO $ 256 Nr 40. 370 BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 47 (Wank). 371 BAG 1 3 . 1 1 . 9 1 - 7 AZR 31/91 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 60. 372 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 61. 373 BAG 30.8.98 - 5 AZR 563/97 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 103.

54

Harald Schliemann

374 BAG 21.1.98 - 5 AZR 50/97 - AP BGB $ 612 Nr 55. 375 BAG 30.11.94 - 5 AZR 704/93 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 74; Staudinger/Richardf BGB13, Vorbem zu $$ 611 ff Rn 158 ff, 161. 376 Vgl insoweit die stark differenzierende Fragestellung von Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 37 ff. 377 Vgl die anschauliche Beschreibung von Hilger RdA 89 1; Mayer-Maly RdA 89 233, 238. 378 BAG 13.5.92 - 7 ABR 72/91 - EzA § 5 BetrVG 1972 Nr 54; sa Rn 1029, 1119.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht angemessene Resultate regiert", 3 7 9 darf bezweifelt werden. Aber auch der Gesetzgeber scheint solcher Gefahr zu unterliegen, wenn er meint, den Schutz sogenannter Scheinselbständiger, mithin einer Randgruppe der Selbständigen oder der Arbeitnehmer, durch Erweiterung des sozialversicherungsrechtlichen Schutzmechanismen erhöhen zu sollen. 3 8 0 Andererseits wird die Beschreibung des Anwendungsbereichs arbeitsrechtlicher Regelungen durch den Begriff des Arbeitnehmers insoweit nicht abschließend vorgenommen, als auch auf andere Rechtsver-

168

hältnisse einzelne Regelungen des Arbeitsrechts für entsprechend anwendbar gehalten werden, zB die Frage der Haftungsbeschränkung für Arbeitnehmer auf andere, nicht als Arbeitsverhältnisse zu qualifizierende dauernde Dienstverhältnisse. 381 Auf Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, die den Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft geschlossen haben und nicht Arbeitnehmer sind, wendet der BHG gleichwohl die ausdrücklich nur für Arbeitnehmer geltende Kündigungsfristenregelung des $ 6 2 2 BGB entsprechend an. 3 8 2 Entsprechendes gilt auch für Vorstandsmitglieder für Aktiengesellschaften. 383 Unter diesem Gesichtspunkt stellt der Begriff des Arbeitnehmers und insbesondere seiner Abgrenzung von anderen Personen, die auf vertraglicher Grundlage zur Leistung von Diensten verpflichtet sind, zwar „den Mittelpunkt, nicht aber das Ende arbeitsrechtlichen Denkens" dar. 3 8 4 2.

Der Arbeitnehmerbegriff i m Gesetz

Trotz seiner zentralen Bedeutung ist der Begriff des Arbeitnehmers im Gesetz nicht definiert. Nach $ 8 4 Abs 2 HGB gilt zwar derjenige als Angestellter, der ohne selbständig im Sinne des Abs 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Nach § 84 Abs 1 S 2 HGB, der gesetzlichen Definition des Begriffs des Handelsvertreters, ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Aus dieser gesetzlichen Regelung kann man zwar im Umkehrschluß auf die Angestellteneigenschaft im Sinne des HGB und damit auch auf das Vorliegen von Arbeitnehmereigenschaften schließen. Eine Legaldefinition des Begriffs des Arbeitnehmers wird durch solchen Umkehrschluß indessen nicht ersetzt.

169

Fehlt es auch an einer Legaldefinition des Begriffs des Arbeitnehmers, so ist andererseits nicht zu übersehen, daß der Gesetzgeber unter arbeitsrechtlichen Gesichtpunkten eine Dreiteilung der persönlichen Erbringer von Arbeit oder Diensten ausgeht, nämlich Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Personen und andere selbständig tätige Personen. Während die zuletzt genannte Personengruppe völlig uneinheitlich bezeichnet wird, der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person ansatzweise im Gesetz definiert ist (§ 5 Abs 1 ArbG, S 12a TVG), aber auch in wechselnden Zusammenhängen verschieden aufgefaßt werden kann (Rn 276 ff), wird in der Gesetzessprache der Begriff Arbeitnehmer immer wieder ohne Angabe seiner Bedeutung oder seines Inhaltes verwendet. Dabei wird indessen der Begriff des Arbeitnehmers wiederum n i c h t in einem einheitlichen Sinn oder Sprachgebrauch verwendet, sondern j e nach Regelungsziel und Regelungszweck bzw nach Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes unterschiedlich.

170

a)

B G B u n d arbeitsrechtliche Gesetze

Das Bürgerliche Gesetzbuch verzichtet für sich allein auf eine generelle Definition des Anwendungsbereichs seiner Regelungen über den Dienstvertrag für Arbeitnehmer. Es verwendet den Begriff Arbeitnehmer im Sinne der Beschreibung des Anwendungsbereichs der Norm nur sporadisch, nämlich in 379 M. Reuter Anm zu BAG 1.8.89 - 1 ABR 54/88 - SAE 90 356,359,360; ders Die Stellung des Arbeitsrechts in der Privatrechtsordnung, 1989,11 ff. 380 Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte" ν 19.12.98 (BGBl 13843); der Sache nach korrigiert durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit ν 23.12.99 (BGBl I

171

381 Vgl BAG (GS) 12.6.92 - GS 1/89 - EzA S 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr 58 und die dort aufgeführten Entscheidungen des BGH. 382 Vgl BGH 9.3.87 - II ZR 132/86 - NJW 87 2073. 383 BGH 29.5.89 - Π ZR 220/88 - AP BGB $ 622 Nr 26. 384 Zeuner RdA 75 84, 88.

2000, 2).

Harald Schliemann

55

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

§ 611a Abs 1 S 1, S 612a, § 613a, § 622 Abs 3 , 4 und 5 BGB. In $ 622 BGB wird der Anwendungsbereich durch die Verwendung des Terminus „Arbeitsverhältnis" eines Arbeiters oder Angestellten (Arbeitnehmers), in $ 623 nur durch den Begriff „Arbeitsverhältnis" beschrieben, während $ 621 und $ 627 Abs 1 BGB umgekehrt den Anwendungsbereich der dortigen Regelungen auf ein „Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des $ 622 ist", beschränken. Eine Beschreibung dessen, was unter Arbeitsverhältnis zu verstehen oder wie dieses gegenüber dem Dienstverhältnis abzugrenzen ist, enthält das Bürgerliche Gesetzbuch indessen nicht. 172

Ähnlich wie in der Sprache des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird der Begriff Arbeitnehmer auch in einer großen Zahl arbeitsrechtlicher Gesetze ohne jedweden Zusatz oder Einschränkung oder nähere Erläuterung verwendet. 385 Mit den Geltungsbereich für Arbeitnehmer einschränkenden Zusätzen wird der Arbeitnehmerbegriff jedoch beispielsweise verwendet in § 1 Abs 1 KSchG ( „ . . . Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden h a t , . . . " ) , in $ 6 Abs 1 BetrAVG („Einem Arbeitnehmer, der die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch nimmt,..."). Derartige Regelungen definieren den Begriff des Arbeitnehmers ihrerseits ebenfalls nicht, sondern beschreiben ihn nur für den besonderen Anwendungsbereich der gesetzlichen Bestimmung bzw beschreiben eine weitere Voraussetzung, die zusätzlich zum Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft erfüllt sein muß. Allgemeine Rückschlüsse lassen sich aus solchen Regelungen nicht ziehen. Insbesondere haben diese Zusätze keine Einschränkung des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs zur Folge.

173

Aber auch diejenigen Normen im Gesetz, die bestimmte selbständig oder unselbständig Beschäftigte vom Begriff des Arbeitnehmers im Sinne der jeweiligen Regelung ausnehmen, beschreiben den Begriff des Arbeitnehmers ihrerseits nicht. Derartige Einschränkungen sind in zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen zu finden. In der Regel verfährt das Gesetz so, daß angeordnet wird, bestimmte Personen gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne des jeweiligen Gesetzes, so zB in 5 5 Abs 2 BetrVG und $ 5 Abs 1 S 3 ArbGG. Vor allem wird der Anwendungsbereich des Gesetzes dadurch beschränkt, daß nicht der Arbeitnehmerbegriff selbst eingeschränkt, sondern ein Unterbegriff zum Arbeitnehmerbegriff verwendet wird, der seinerseits dann teilweise beschrieben wird, teilweise aber auch wiederum jegliche Legaldefinition vermissen läßt. So ist der Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes hinsichtlich der leitenden Angestellten ausdrücklich derart geregelt, daß das Gesetz auf leitende Angestellte, soweit in ihm nicht ausdrücklich was anderes bestimmt ist, keine Anwendung findet (§ 5 Abs 3 S 1 BetrVG). Dabei wird der Begriff des leitenden Angestellten definiert, es werden sogar noch zusätzliche Regelungen für den Zweifelsfall aufgestellt ($ 5 Abs 3 S 2, Abs 4 BetrVG). Auch diesen Bestimmungen ist indessen keine Definition des Begriffes des „Arbeitnehmers" zu entnehmen.

174

Dies gilt auch für den umgekehrten Fall der Ausdehnung des Anwendungsbereichs einer Norm dadurch, daß das Gesetz bestimmt, als Arbeitnehmer im Sinne eines bestimmten Gesetzes sollen auch bestimmte andere Beschäftigte gelten, so zB in S 3 S 2 BUrlG („Als Arbeitnehmer gelten auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind;..."). Eine vergleichbare Gesetzgebungsformulierung findet sich in § 5 Abs 1S 2 ArbGG, in dem es dort heißt: „Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten . . . sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind". Andererseits wird hinsichtlich der Handelsvertreter der Anwendungsbereich des ArbGG in 5 5 Abs 3 einschränkend beschrieben. Sie gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmens festgesetzt werden kann, und wenn sie eine bestimmte Verdienstgrenze nicht überschritten haben.

175

Zuweilen umschreibt der Gesetzgeber den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung auch durch die Aufzählung der verschiedenen Beschäftigtengruppen, so zB in $ 5 Abs 1S 1 ArbGG „Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu 385 Vgl Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 7, und die dort genannten Beispiele.

56

Harald Schliemann

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

ihrer Berufsausbildung Beschäftigten". Dieselbe Formulierung findet sich in § 5 Abs 1 BetrAVG, § 3 MitbestimmungsG; vergleichbar hat der Gesetzgeber in § 2 S 1 BUrlG formuliert. Auch diese Umschreibungen beinhalten keine Definition des Begriffs des Arbeitnehmers im strengen Sinne. Insbesondere läßt sich aus ihnen kein Abgrenzungskriterium zwischen Arbeitnehmereigenschaft auf der einen Seite und Selbständigkeit auf der anderen Seite herleiten. 386 Denn die Begriffe .Arbeiter" und „Angestellte" sind ihrerseits bundesweit ebenfalls nicht für das Arbeitsrecht gesetzlich definiert. Für den Angestellten iSd Betriebsverfassungsgesetzes verweist $ 6 Abs 2 S 1 BetrVG auf die im SGB VI als Angestelltentätigkeit bezeichnete Beschäftigung; die Definition des Angestellten in § 133 Abs 1 SGB VI setzt wiederum den Begriff des Angestellten voraus; $ 133 Abs 2 SGB VI enthält einen nicht abschließenden Beispielskatalog. 387 b)

Öffentlich-rechtliche Gesetze

Auch im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht gibt es keine Legaldefinition des Begriffes „Ar- 1 7 6 beitnehmer". Das vom Ansatz her grundsätzlich auf Arbeitnehmer abstellende Sozialversicherungsrecht enthält eine Vielzahl versicherungszweigspezifischer Regelungen über die Versicherungspflicht von Personen, jedoch keine Definition des Begriffs Arbeitnehmer. Im SGB III - Arbeitsförderung - wird der Begriff „Arbeitnehmer" uneingeschränkt verwendet ($ 1 SGB III), nicht aber definiert. SGB IV Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - enthält ebenfalls keine solche Definition, sondern knüpft die Sozialversicherungspflicht an „Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind" ($ 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und definiert die „Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Diese Bestimmung als eine typusentsprechende Umschreibung der abhängig Beschäftigten ist verfassungskonform.388 In der gesetzlichen Krankenversicherung sind versicherungspflichtig „Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind" ($ 1 Abs 1 Nr 1 SGB V), wohingegen in der gesetzliche Rentenversicherung „Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind" der Versicherungspflicht unterliegen (§ 1 Nr 1 SGB VI), während die gesetzliche Unfallversicherung insoweit „Beschäftigte" (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) als kraft Gesetzes gegen Arbeitsunfall versichert normiert. Auch das Steuerrecht verzichtet auf eine eigene Definition des Begriffs „Arbeitnehmer". In $ 3 Nr 3 und in $ 19a EStG wird der Begriff „Arbeitnehmer" nur verwendet, aber nicht definiert, während sonst zwischen selbständiger Arbeit einerseits und unselbständiger Arbeit andererseits bzw in den entsprechenden Einkünften daraus unterschieden wird (§$ 2 Abs 1 Nr 3, 4; 18; 19 EStG). Zu den Einkünften aus unselbständiger Arbeit zählen im Steuerrecht aber nicht nur Arbeitseinkünfte von Arbeitnehmern (im arbeitsrechtlichen Sinn), sondern zB auch die Einkünfte von Beamten, Soldaten usw. Zum steuerrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zählen insoweit auch Beamte, Soldaten und Zivilpersonen, die in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen stehen. c)

Europäische Gesetze

Im EG-Vertrag wird der Begriff des „Arbeitnehmers" zwar verwendet, aber ebenfalls nicht mit einer Legaldefinition versehen (vgl Art 39ex 48 EGV). Dies gilt auch für nachgeordnetes europäisches Recht in Form von Verordnungen und Richtlinien. d)

177

Gegenbegriffe zum „Arbeitnehmer"

Eine Definition des Begriffes des Arbeitnehmers läßt sich umgekehrt auch nicht durch eine Bezugnahme auf Gegenbegriffe wie den des selbständig Tätigen oder den in der arbeitnehmerähnlichen Person erarbeiten. Es fehlt an einem für den Bereich des gesamten Arbeitsrechts verbindlichen Legaldefinition 386 Vgl Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 7 f; Staudinger/Rirtardi BGB 13 , Vorbem zu $$611 ff Rn 155 ff. 387 Im Gebiet der ehemaligen DDR galt bis zum 3 1 . 1 2 . 9 1 $ 6 BetrVG gem Ani I Kap Vin Sachgeb A Harald Schliemann

178

Abschn m Nr 12a des Einigungsvertrags ν 3 1 . 8 . 9 0 in einer abweichenden Fassung (BGBl Π 889,1022). 388 BVerfG 2 0 . 5 . 9 6 - 1 BvR 21/96 - AP BGB $ 6 1 1 Abhängigkeit Nr 82.

57

S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht des selbständig Dienstleistenden, des freien Mitarbeiters oder des Selbständigen, der im Gegensatz zum Arbeitnehmer auch Unternehmer genannt wird. Die Legaldefinition des selbständig tätigen Handelsvertreters in § 84 Abs 1 S 2 HGB dient lediglich der Abgrenzung des unternehmerisch und in diesem Sinne selbständig tätigen Handelsvertreters vom Handelsvertreter, der in einem arbeitsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis (in der Sprache des HGB: Reisender) steht. 179

In naher Zukunft ist auch keine Legaldefinition des Begriffes „Arbeitnehmer" oder eine abschließende Definition seiner Gegenbegriffe durch den Gesetzgeber zu erwarten. Der Gesetzgebungsauftrag in Art 30 des Einigungsvertrages, wonach ein einheitliches Arbeitsvertragsgesetz zu schaffen ist, hatte bisher nicht dazu geführt, daß sich der Gesetzgeber des Problems der Legaldefinition des grundlegenden Begriffes des Arbeitnehmers angenommen hätte. Der vom aus Hochschullehrern bestehenden „Arbeitskreis der Rechtseinheit im Arbeitsrecht" vorgelegte Entwurf eines nach Art 30 des Einigungsvertrags zu schaffenden Arbeitsvertragsgesetzes unternimmt dagegen das Wagnis einer zumindest negativen Abgrenzung des Begriffes „Arbeitnehmer" in § 1 Abs 3: „Personen, die aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten, sind keine Arbeitnehmer". 3 8 9 Die Länder Freistaat Sachsen 3 9 0 und Brandenburg 3 9 1 haben in den Bundesrat Gesetzentwürfe für ein Arbeitsvertragsgesetz eingebracht; sie befinden sich noch im Gesetzgebungsgang. 3 9 2 Beide Entwürfe enthalten - unterschiedliche Definitionen des Begriffs Arbeitnehmer.

180

Fehlt es an einer gesetzlichen Legaldeflnition des Begriffes des Arbeitnehmers, so ist andererseits auch nicht zu erkennen, daß die Gebrauchsdeflnitionen von einem einheitlichen Konzept oder Inhalt des Begriffs „Arbeitnehmer" ausgingen. Dies betrifft nicht nur den Gebrauch des Begriffes „Arbeitnehmer" in den verschiedenen Gesetzen auf verschiedenen Regelungsgebieten, insbesondere im Verhältnis des Arbeitsrechts zum Sozialversicherungsrecht und zum Steuerrecht, sondern gilt auch innerhalb des Arbeitsrechts, zum Teil sogar innerhalb desselben Gesetzes. So wird der Begriff des „Arbeitnehmers" beispielsweise im Kündigungsschutzgesetz in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, die darauf schließen lassen, daß der Gesetzgeber hierunter verschiedenes verstanden haben kann: Während er in § 1 KSchG, wonach ein solcher Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt, dessen Arbeitsverhältnis in die dort definierte Wartezeit erfüllt, unter Arbeitnehmern (wohl) keine zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten versteht, 3 9 3 scheint er in § 23 KSchG vom gegenteiligen Verständnis ausgegangen zu sein. Dort hat er die Anwendbarkeit des Gesetzes ausgeschlossen für Betriebe, die in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigen. Demnach können zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte Arbeitnehmer iSd $ 23 KSchG sein. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, hat er jedenfalls die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten in § 23 Abs 1 KSchG ausdrücklich aus dem Begriff der Arbeitnehmer ausgenommen. Insoweit ist zu konstatieren, daß der Gesetzgeber dem allgemeinen Postulat der Gesetzgebungslehre, denselben Rechtsbegriff möglichst immer einheitlich zu verwenden, 3 9 4 nicht immer nachgekommen ist.

181

Die Rechtsprechung geht zwar vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsbegriffe i m Gesetz aus. Verwendet der Gesetzgeber in einer Regelung einen in einem anderen Gesetz definierten Begriff, ohne ihn selbst neu zu definieren, so ist dies in der Regel ein Indiz dafür, daß dieser Begriff in derselben Bedeutung wie in dem anderen Gesetz übernommen werden soll. Wird ein bestimmter Begriff, der einen Lebenssachverhalt umschreibt, in der Gesetzessprache wiederholt gebraucht, so spricht dies für eine einheitliche Auslegung dieses Begriffs auch dann, wenn er in unterschiedlichen Gesetzestexten ver-

389 Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht, Welche wesentlichen Inhalte sollte ein nach Art 30 des Einigungsvertrages zu schaffendes Arbeitsvertragsgesetz haben?, Gutachten D zum 59. Deutschen Juristentag 1992, D 19; vgl auch die Begründung hierzu: eb D 84 ff. 390 BR-Drs 293/95. 391 BR-Drs 671/96. 392 Vgl Preis NZA 2000, 9,10. 393 Strittig, vgl KR/Eteef6 § 1 KSchG Rn 51 mwN; Knorr/ Bichlmeier/Kremhelmer Hdb. d. Kündigungsrechts4, 358, 58

Harald Schliemann

offengelassen in BAG 29.11.84 - 2 AZR 354/83 - AP KSchG 1969 $ 13 Nr 6 (Nateci); sa BT-Drs V/4260 zu S 3 BBiG. 394 Vgl nur Hill Einführung indie Gesetzgebungslehre, 1982,96 ff, 123 ff; Noll Gesetzgebungslehre, 1973,261 ff. Insoweit haben auch ministerielle Richtlinien der Gesetzgebungstechnik (Hrsg.: Kindermann 1979) nicht immer Erfolg, obwohl dort das Postulat der Begriffseinheitlichkeit deutlich hervorgehoben ist (70).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht wendet wird. 3 9 S Dieser Grundsatz ist indessen gerade für den Zentralbegriff des „Arbeitnehmers" in Frage zu stellen.

3.

Der Arbeitnehmerbegriff in der Rechtsprechung

Die Klärung der Frage, was unter einem „Arbeitnehmer" zu verstehen ist, ist nicht nur ständig Gegen-

182

stand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, sondern beschäftigt auch den Europäischen Gerichtshof, das Bundesverfassungsgericht, das Bundessozialgericht und den Bundesfinanzhof

a)

Europäischer Gerichtshof

Der Europäische Gerichtshof hatte im Rahmen der Klärung, inwieweit die Freizügigkeitsregeln für Arbeitnehmer iSd Art 3 9 ex 4 8 EGV und in der EG-VO Nr 1612/68 anwendbar sind, den Begriff des „Arbeitnehmers" im Sinne dieser Bestimmungen zu klären. Mit der Klärung dieses Begriffes wird genau wie im deutschen Recht - der Anwendungsbereich der Vorschriften beschrieben. Grundlegend hat der Europäische Gerichtshof angenommen, das EWG-Recht enthalte einen gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Dementsprechend können Mitgliedstaaten der EG den Begriff des Arbeitnehmers, soweit es um die Anwendung europarechtlicher Regeln geht, nicht nach innerstaatlichem Recht bestimmen. Damit ist ihnen auch die Möglichkeit genommen, das Freizügigkeitsrecht dadurch einzuschränken, daß sie für ihren nationalen Anwendungsbereich besondere Ausgrenzungen durch Veränderungen des Begriffs des Arbeitnehmers vornehmen. Umgekehrt kann der nationale Gesetzgeber allerdings die Freizügigkeit insoweit durch nationale Gesetze erweitern. Grundsätzlich ist der gemeinschaftsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers, „da er den Anwendungsbereich einer der Grundfreiheiten der Gemeinschaft festlegt", weit auszulegen. 3 9 6 Die Arbeitnehmereigenschaft wird grundsätzlich vom Europäischen Gerichtshof bejaht, wenn jemand „während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. 3 9 7 Im Gegensatz zum deutschen Arbeitsrecht ist aber nicht entscheidend, ob das Beschäftigungsverhältnis auf einem privat-rechtlichen Vertrag beruht und damit ein Arbeitsverhältnis im Sinne deutschen, nationalen Rechts ist, oder ob es sich um ein öffentlich-rechtlich begründetes Beschäftigungsverhältnis handelt. 3 9 8 Allerdings ist bei der Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft die gesamte Berufstätigkeit zu berücksichtigen, die der Betroffene im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats verrichtet hat, nicht aber Tätigkeiten, die er anderswo in der Gemeinschaft ausgeübt hat. Dabei spielt die Dauer der von Betroffenen verrichteten Tätigkeit als ein Gesichtspunkt eine Rolle, den das innerstaatliche Recht bei der Beurteilung der Frage berücksichtigen kann, ob es sich hierbei um tatsächliche und wirklich ausgeübte Tätigkeiten handelt oder ob sie einen so geringen Umfang haben, daß sie nur unwesentlich und untergeordnet sind. 3 9 9 Aus dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und aus der Stellung der insoweit geltenden Bestimmungen innerhalb des Systems des EWG-Vertrags folgt, daß diese Bestimmungen nur die Freizügigkeit von Personen gewährleisten, die im Wirtschaftsleben tatsächlich tätig sind oder sein wollen und insoweit nur für die Ausübung tatsächlicher und wirklicher Tätigkeiten

183

Geltung beanspruchen können. 4 0 0 Dies gilt auch für gemeinschaftsangehörige Werkstudenten. 4 0 1 Hinsichtlich der beabsichtigten und echten Tätigkeit spielt die Höhe des Einkommens so lange keine Rolle, solange es nicht so gering ist, daß daran die Annahme einer tatsächlichen oder echten Tätigkeit

395 BAG in std Rspr, statt vieler: BAG 25.3.92 - 7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 48 unter Β II 1 a der Gründe. 396 EuGH 19.3.64 - Rs C 75/63 - Unger - EuGHE 64 379; 23.3.82 - Rs C 53/81 - Levin - EuGHE 82 1035; 3.7.86 - Rs C 66/85 - Lawrie-Blum - EuGHE 86 2121; 31.5.89 - Rs C 344/87 - Bettray - EuGHE 89 1621,1644; 26.2.92 - Rs C 357/89 - V. J. M. Raulin - NJW 92 1493. 397 EuGH 3.7.86 - Rs C 66/85 - Lawrie-Blum - EuGHE 86 2121. 398 EuGH 2.7.96 - Rs C 473/93 - AP EWG-Vertrag Harald Schliemann

Art 48 Nr 23; EuGH 12.2.74 - Rs 52/73 - Sitgiu gegen Deutsche Bundespost - EuGHE 74 153 sowie EuGH 3.7.86 - Rs C 66/85 - Lawrie-Blum - EuGHE 86 2121 (Klage eines Studienreferendars gegen das Land BadenWürttemberg). 399 EuGH 26.2.92 - Rs C 357/89 - V. J. M. Raulin NJW 92 1493. 400 EuGH 31.5.89 - Rs C 344/87 - Bettray - EuGHE 89 1621, 1644. 401 EuGH 26.2.92 - Rs C 357/89 - V. J. M. Raulin NJW 92 1493.

59

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

scheitert.402 Auch die Art der Tätigkeit spielt grundsätzlich für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der genannten europarechtlichen Bestimmungen keine Rolle. Dementsprechend ist die Arbeitnehmereigenschaft von professionellen und halbprofessionellen Sportlern anerkannt worden.403 Der europäische Arbeitnehmerbegriff ist allerdings auf innerstaatliche Sachverhalte, die sich nur innerhalb eines einzigen Mitgliedstaates vollziehen, nicht anzuwenden, auch wenn geltend gemacht wird, daß ggfs durch eine rechtswidrige Behandlung innerhalb des Mitgliedstaates eine spätere Arbeitsaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft erschwert sein könnte, 404 wohl aber, wenn ein Angehöriger eines EG-Mitgliedstaates, der in einem Drittland lebt und aufgrund eines dort geschlossenen und dauernd dort erfüllten Arbeitsvertrags von der dortigen Botschaft eines anderen EG-Mitgliedstaates beschäftigt wird.405 b)

Bundesverfassungsgericht

1 8 4 Das Bundesverfassungsgericht hat durch seinen Beschluß über den arbeitsrechtlichen Status programmgestaltender oder programmvermittelnder Rundfunkmitarbeiter vom 13. Januar 1982 406 das Postulat in Frage gestellt, alle arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen hingen gleichermaßen von der Arbeitnehmereigenschaft ab. Der Beschluß hat ein vielfältiges Echo in der Literatur gefunden.407 In seinem weiteren Beschluß vom 28. Juni 1983 408 hat das Bundesverfassungsgericht zur Berücksichtigung des Art 5 Abs 1 S 2 GG (Rundfunkfreiheit) für die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen über den Status von Mitarbeitern einer Rundfunkanstalt nochmals Stellung genommen. 1 8 5 Die Ansichten darüber, ob und inwieweit sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 13. Januar 1982 zum Arbeitnehmerbegriff geäußert hat, sind geteilt. Das Bundesarbeitsgericht hat angenommen, das Bundesverfassungsgericht habe sich zum Arbeitnehmerbegriff überhaupt nicht geäußert, sondern nur zur Frage der Befristung der Rechtsverhältnisse, unabhängig davon, ob es sich um solche freier Mitarbeiter oder um Arbeitsverhältnisse handele. Häufig müsse über die Zulässigkeit der Befristung unabhängig davon entschieden werden, ob der Beschäftigte als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter zu qualifizieren sei. 409 Für diese Ansicht spricht vor allem der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß vom 13. Januar 1982, es sei „nicht befugt, Lösungswege im einzelnen vorzuzeichnen und sich so an die Stelle der Fachgerichte zu setzen". 410 Vielmehr sei der arbeitsrechtliche Bestandsschutz „im Lichte des Grundrechts der Rundfunkfreiheit" zu sehen, wobei „der Rundfunkfreiheit bei der Zuordnung zu dem verfassungsrechtlichen legitimierten Bestandsschutz des Arbeitsrechts ein hohes Gewicht beizumessen ist, welches dasjenige des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes übersteigen kann" 4 1 1 Der durch Art 5 Abs 1S 2 GG in den Schranken der allgemeinen Gesetze (Art 5 Abs 2 GG) gewährleistete verfassungsrechtliche Schutz der Freiheit des Rundfunks erstreckt sich auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Rundfunkmitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken. Dies haben die Gerichte bei der Entscheidung darüber zu beachten, ob die Rechtsbeziehungen zwischen den Rundfunkanstalten und ihren in der Programmgestaltung tätigen Mitarbeitern als unbefristete Arbeitsverhältnisse einzuordnen sind, wie das Bundesverfassungsgericht auch in dem zum selben Themenkreis ergangenen Beschluß vom 28. Juni 1983 nochmals verdeutlicht hat. 412 Andere verstehen den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 402 EuGH 23.3.82 - Rs C 53/81 - Levin - EuGHE 82 1035. 403 EuGH 12.12.74 - Rs 36/74 - Walrave - EuGHE 74 1405; EuGH 14.7.76 - Rs 13/76 - Doná - EuGHE 76 1333. 404 EuGH 28.6.84 - Rs 180/83 - Moser gegen Land Baden-Württemberg - EuGHE 84 2539. 405 BAG 8.8.96 - 6 AZR 771/93 (A) - AP EWG-Vertrag Art 48 Nr 22. 406 BVerfGE 59 231, abw Meinung Heußner eb 273. 407 Ρ lander BlStSozArbR 82 225; Wank RdA 82 363; Rüthers Betrieb 82 1869; Bietmann NJW 83 200; Lieb FS Hilger/Stumpf, 1983, 409; Löwisch Beiträge zum Rund60

Harald Schliemann

funkrecht 29/1983; äers Arbeitsrecht der Gegenwart 21 1983,19; Otto AuR 83 1; äers RdA 84 261; Rüthers RdA 85 129; Rüthersßuhl ZfA 86 19; Wank Arbeitnehmer und Selbständige 1988,10 ff; Staudinger/Ricftardi BGB«, Vorbem zu §§ 611 ff Rn 170 ff; Hilger RdA 89 1. 408 BVerfGE 64 256. 409 BAG 13.1.83 - 5 AZR 149/82; 5 AZR 156/82 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 42, 43 (Herschel). 410 BVerfGE 59 231, 257. 411 BVerfGE 59 231, 265, 267. 412 BVerfGE 64 256 unter ausdrückl Hinweis auf BVerfGE 59 231.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

13. Januar 1982 dahingehend, daß er auch Ausführungen zum Begriff des Arbeitnehmers enthalte. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht hat, daß die an den Arbeitnehmerbegriff anknüpfende Rechtsfolge des Kündigungsschutzes gegenüber dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit abzuwägen sei, weil bei der Auslegung und Anwendung des Arbeitsrechts den dargelegten, sich aus dem Art 5 Abs 1 und 2 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen sei. 413 Damit hat das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht der Benutzung des Arbeitnehmerbegriffs als dem Tor für die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Regelungen einen Riegel vorgeschoben, sondern ausgeführt: Das schließt nicht von vornherein aus, von den für dieses Rechtsgebiet allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen und, wenn diese für ein Arbeitsverhältnis sprechen, dem Einfluß der Rundfunkfreiheit dadurch gerecht zu werden, daß einzelne gegen eine Befristung sprechende Merkmale zurückzutreten haben. Wenn daraufhin die für die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Krite- 186 rien im Ergebnis bei Rundfunkmitarbeitern anders als sonst zu beurteilen sind, so ist diese Modifikation durch die verfassungsrechtliche Lage bedingt und begrenzt. Auf andere Rechtsvorschriften, die der sozialen Sicherung der Arbeitnehmer dienen, wie namentlich diejenigen des Sozialversicherungsrechts, läßt sie sich nicht erstrecken. Regelungen etwa der Altersversorgung oder des Schutzes bei Krankheit beschränken nicht die Entscheidungsfreiheit der Rundfunkanstalten über die Auswahl, Einstellung oder Beschäftigung programmgestaltend tätiger Mitarbeiter. Sie werden daher umgekehrt auch nicht durch Art 5 Abs 1 S 2 GG berührt, so daß diese Gewährleistung nicht etwa die Bewertung von Rundfunkmitarbeiterverhältnissen als abhängige Beschäftigung ($ 7 Abs 1 SGB IV) ausschließt. Das Verfassungsrecht verlangt nicht die Wahl zwischen dem Alles des vollen Schutzes der unbefristeten Daueranstellung und dem Nichts des Verzichts auf jeden Sozialschutz. Es steht nur arbeitsrechtlichen Regelungen und einer Rechtsprechung entgegen, welche den Rundfunkanstalten die zur Erfüllung ihres Programmauftrags notwendige Freiheit und Flexibilität nehmen würde. Das gilt, soweit ersichtlich, nur im Fall der gerichtlichen Feststellung unbefristeter Arbeitsverhältnisse, während die Möglichkeit befristeter Arbeitsverträge nicht ausgeschlossen wird. 414 Dementsprechend respektiert auch das Bundesverfassungsgericht, daß mit der Wahl des Vertragstyps (freier Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag) eine Vorentscheidung für die Zulässigkeit der Befristung fällt. 415 c)

Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof ist unter anderem zuständig für die Entscheidungen über Rechtsverhältnisse 187 selbständiger Handelsvertreter, Gesellschafter und Organmitglieder. Dementsprechend befaßt er sich in seiner Rechtsprechung mit der Abgrenzung des selbständigen vom unselbständigen Handelsvertreter, 416 der Abgrenzung der Anstellungsverhältnisse von Organmitgliedern (GmbH-Geschäftsführern, Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften) gegenüber Arbeitsverhältnissen417 sowie der Abgrenzung, ob Gesellschafter aufgrund Gesellschaftsvertrages oder aufgrund Arbeitsvertrages für die Gesellschaft tätig sind. 418 Die Definition des Arbeitnehmerbegriffs in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weicht von der des Bundesarbeitsgerichts nicht wesentlich ab. d)

Bundessozialgericht

In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts spiegelt sich das sozialversicherungsrechtliche Bild 188 des Arbeitnehmerbegriffs wieder. Das Bundessozialgericht hat in vielen Fällen auf die entsprechenden Abgrenzungen aus dem Arbeitsrecht, teilweise auch aus dem Handelsrecht Bezug genommen. 419 413 BVerfGE 59 231, 267. 414 BVerfGE 59 231, 267 f. 415 Vgl Hilger für 83 77; Moser für 83 308, 311. 416 ZB BGH 11.3.82 - 1 Z R 27/80 - AP HGB $ 84 Nr 3; 19.5.82 - I ZR 68/80 - AP HGB $ 84 Nr 4; 10.4.90 - IX ZR 177/89 - AP BGB $ 6 1 1 Zeitungsausträger Nr 2. 417 BGH 10.1. 2000 - Π ZR 251/98 - AP BGB $ 611

Harald Schliemann

Organvertreter Nr 15; 29.5.89 - Π ZR 220/88 - AP BGB $ 622 Nr 26; 26.4.84 - Π ZR 120/83 - NJW 84 2528. 418 BGH 28.10.82 - I ZR 134/80 - NJW 83 1191 (Abgrenzung Dienstleistungsvertrag/Gesellschaftsvertrag/ Heranziehung gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen). 419 So ausdrücklich für Vermittler von Bausparverträgen : BSG 29.1.81 - 1 2 RK 63/79 - BSGE 51164 = AP HGB S 92 Nr 4.

61

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Gleichermaßen wie das Bundesarbeitsgericht ist auch das Bundessozialgericht der Ansicht, die Statusfrage und damit die Qualifizierung eines Rechtsverhältnisses unterliege jedenfalls nicht der freien Vereinbarung der Parteien. 4 2 0 Grundlegend für die Rechtsprechung auch des Bundessozialgerichts ist das Merkmal der „persönlichen Abhängigkeit", wie es auch vom Bundesarbeitsgericht zugrunde gelegt wird. Teilweise wird anstelle des Merkmales der persönlichen Abhängigkeit das Merkmal der „tatsächlichen Verfügungsmacht" gesetzt, ohne daß - soweit erkennbar - hierdurch ein wesentlich anderer Inhalt gekennzeichnet werden soll. Für beides wird in erster Linie die „Weisungsabhängigkeit" betont. 4 2 1 In jüngerer Zeit berücksichtigt das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung zur Abgrenzung der selbständigen Beschäftigung von der unselbständigen Beschäftigung und damit auch zur Frage des Vorliegens der Arbeitnehmereigenschaft, ob und inwieweit das Unternehmerrisiko getragen wird, zB in Form des Inkassorisikos, des Erfolgsrisikos, des Einsatzes eigenen Betriebskapitals, der Möglichkeit zur Beschäftigung von Hilfskräften oder der Entfaltung eigener unternehmerischer Aktivitäten. 4 2 2 Insofern ist allerdings zu beachten, daß das Sozialversicherungsrecht im Grundsatz nicht vom Begriff des Arbeitnehmers, sondern vom Begriff des Beschäftigten bzw vom Beschäftigungsverhältnis ausgeht. Gleichwohl liegt der Ausfüllung dieses sozialversicherungsrechtlichen Begriffs ein arbeitsrechtliches Grundverständnis des Begriffs des Arbeitnehmers zugrunde. Vergleichbares gilt auch für die Abgrenzung des selbständigen (Mit-)Gesellschafters vom Arbeitnehmer 4 2 3 oder der Abgrenzung des Ehegatten-Arbeitsverhältnisses von familiärer Mithilfe. 4 2 4 Die ab Januar 1999 durch das „Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte" 4 2 S eingeführten neuen Regelungen über die Sozialversicherungspflicht sog. Scheinselbständiger, die rückwirkend wesentlich durch das „Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit" korrigiert worden sind, 4 2 6 ändern nicht den Begriff des Arbeitnehmers, sondern beschränken sich auf Aufklärungs- und Beweiserleichterungen zu Gunsten der Sozialversicherungsträger.

e) 189

Bundesfinanzhof

In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Arbeitnehmerbegriff gibt es einen mit dem Bundesarbeitsgericht prinzipiell übereinstimmenden Grundtatbestand des Arbeitnehmers. Jedoch ist nicht zu verkennen, daß das Steuerrecht gegenüber parallelen Zielrichtungen des Schutzes des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht wie auch im Sozialversicherungsrecht ganz andere Ziele verfolgt, nämlich dem Staat zu Einnahmen zu verhelfen und diese Einnahmen gerecht zu erheben, vor allem im Wege der Lohnsteuer. Wesentlich für die Erhebung der Lohnsteuer ist, daß es sich um Einkünfte aus unselbständiger Arbeit handelt. Auf eine genauere Klärung der Rechtsgrundlage für die unselbständige Arbeit kommt es prinzipiell nicht an. Auch das Entgelt für Beamte, Richter und Soldaten, die mangels zugrundeliegender privatrechtlicher Verhältnisse nicht zu den Arbeitnehmern zählen, gehört einkommens- und lohnsteuerrechtlich zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dasselbe gilt für Arbeitseinkommen von Organmitgliedern juristischer Personen. Dagegen werden Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister nicht zu Arbeitnehmern im Sinne unselbständig Beschäftigter gerechnet. Das Steuerrecht kennt die Rechtsfigur der arbeitnehmerähnlichen Person nicht. 4 2 7

190

Trotz dieser Besonderheiten knüpft auch das Steuerrecht prinzipiell an das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses an. Bezeichnendes Merkmal ist auch insoweit die Weisungsgebundenheit, die darin zum Ausdruck kommt, daß der Arbeitnehmer Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmt und die Arbeitsdurchführung kontrolliert. 4 2 8 Ähnlich dem Bundesarbeitsgericht in früheren Entscheidungen legt der

420 BSG 24.10.78 - 12 RK 58/76 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 30. 421 ZB BSG 29.1.81 - 12 RK 63/79 - BSGE 51164 = AP HGB $ 92 Nr 4; BSG 24.10.78 - 12 RK 58/76 - AP BGB s 611 Abhängigkeit Nr 30. 422 Vgl die Zusammenstellung bei Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 348 mwN. 423 ZB BSG 29.10.86 - 7 RAr 43/85 - BB 87 406; BSG 8.8.90 - 11 RAr 77/89 - ZIP 90 1566; BSG 20.3.84 - 7 RAr 70/82 - SozR 4100 $ 168 Nr 16.

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424 BSG 23.6.94 - 12 RK 50/93 - AP BGB $ 611 Ehegatten-Arbeitsverhältnis Nr 4. 425 Gesetz ν 19.12.98 (BGBl I 3843). 426 Gesetz ν 20.12.99 (BGBl I 2000, 2). 427 Grundlegend: Brenne Der Begriff „Arbeitnehmer" im Steuerrecht - insbesondere sein Verhältnis zum Begriff „Arbeitnehmer" im Arbeitsrecht, Diss. Köln, 1969. 428 BFH 18.1.91 - VI R 122/87 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 56; 18.1.91 - VI R 122/87 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 56.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht Bundesfinanzhof seinerseits der Abgrenzungsfrage ein Bündel von Merkmalen zugrunde, ohne die Merkmale untereinander in ein Rangverhältnis zu setzen. 4 2 9 In vergleichbarer Art und Weise grenzt der Bundesfinanzhof auch Arbeitnehmerüberlassung von der Überlassung selbständiger Arbeitskräfte a b . 4 3 0 Ob damit die Rechtsprechung aufgegeben ist, wonach der Arbeitnehmerbegriff des Steuerrechts unabhängig von dem des Arbeitsrechts sei, weil beide ganz unterschiedliche Intentionen hätten, 4 3 1 erscheint zumindest zweifelhaft. 4 3 2 Eine besondere Bedeutung hat die steuerrechtliche Anerkennung von Arbeitsverhältnissen unter Ehegatten. 4 3 3 f)

Bundesverwaltungsgericht

Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind keine inhaltlichen Abweichungen gegenüber den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts zur Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs zu entnehmen. Für die Frage der Wahlberechtigung und der Dienststellenzugehörigkeit ist allerdings zu beachten, daß sie nur vorliegt, wenn zum Träger der Dienststelle ein Beamtenverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis oder ein entsprechendes Ausbildungsverhältnis vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht leitet dies aus § 4 Abs 2 bis 4 BPersVG her, wonach bei der Frage, wer Beamter ist, die Beamtengesetze, bei der weiteren Frage, wer Angestellter oder Arbeiter ist, die für die Dienststelle geltenden Tarifverträge maßgebend sind. Nichts anderes gilt nach seiner Auffassung für die als Angestellten geltenden Beschäftigten, die sich in der Ausbildung zu einem Angestelltenberuf befinden. 4 3 4 Die damit verbundene Vorstellung, daß Angestellte und Arbeiter einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten insgesamt die Arbeitnehmerschaft des öffentlichen Dienstes bildeten, ist dem Bundesverwaltungsgericht allerdings durch die Besonderheit der Regelung in S 4 BPersVG vorgegeben. g)

Bundesarbeitsgericht

Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt für die Definition und Abgrenzung des Begriffs „Arbeitnehmer" naturgemäß aufgrund der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen die wesentlich zentrale Bedeutung zu. Wie bereits das Reichsarbeitsgericht legt auch das Bundesarbeitsgericht seiner Rechtsprechung eine herkömmliche Begriffsbestimmung des „Arbeitnehmers" zugrunde. Arbeitnehm e r ist, wer auf privatrechtlicher Grundlage i m Dienste eines anderen zur Leistung von Arbeit verpflichtet ist. 4 3 5 Die Arbeitnehmereigenschaft setzt dementsprechend drei Kriterien voraus: 1. Die Verpflichtung zur Leistung von Arbeit; 2. aufgrund privatrechtlichen Vertrages sowie 3. i m Dienste eines anderen. Innerhalb der Kriterien werden ihrerseits ausfüllende Merkmale (topoi) herangezogen. Das Bundesarbeitsgericht sieht keinen Anlaß, von diesem grundlegenden Begriff des Arbeitnehmers abzurücken, wie es jüngst wieder betont h a t . 4 3 6 aa)

191

192

Verpflichtung zur Leistung von Arbeit

Die Verpflichtung zur Leistung von Arbeit dient der Abgrenzung des Arbeitsvertrages einerseits vom Werkvertrag und andererseits von lediglich spielerischen oder sportlichen oder sonstwie nicht auf die Arbeitsleistung gerichteten Betätigungen. Arbeitnehmer kann nur sein, wer zur Leistung von Arbeit verpflichtet ist, nicht dagegen, wer einen bestimmten Arbeitserfolg schuldet. Schuldet jemand einen bestimmten Arbeitserfolg, so liegt in der Regel ein Werkvertrag, nicht aber ein Arbeitsvertrag vor. Ein

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Werkunternehmer ist nicht Arbeitnehmer. 4 3 7 Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abgrenzung unter429 BFH 18.1.91 - VI R 122/87 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 56; 14.6.85 - VI R 150 - 152/82 - BFHE 144 225 = BStBl. II 85 661. 430 BFH 18.1.91 - VI R 122/87 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 56. 431 So (noch?) BFH 13.2.80 - ZR 17/78 - Betrieb 80 1246. 432 Kritisch Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 362. 433 BFH 22.11.96 - VI R 20/94 - AP BGB $ 611 EheHarald Schliemann

gatten-Arbeitsverhältnis Nr 6; BVerfG 7.11.95 - 2 BvR 802/90 - AP BGB § 611 Ehegatten-Arbeitsverhältnis Nr 5. 434 BVerwG 3.9.90 - 6 Ρ 20.88 - AP BPersVG $ 4 Nr 2; 21.6.82 - 6 Ρ 4.81 - AP BPersVG $ 4 Nr 1. 435 RAG 15.2.30, ARS 8 451,452; seitdem std Rspr; zB BAG 16.2. 2000 - 5 AZB 71/99 - AP ArbGG 1979 5 2 Nr 70 (unter II 2 b aa der Gründe mwN). 436 BAG 19.11.97 - 5 AZR 653/96 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 90 (1.1 der Gründe). 437 RAG 17.9.30, ARS 10 419, 423; seitdem std Rspr, 63

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

schiedlicher Vertragstypen und deren Zuordnung zB zu Kaufleuten oder selbständigen Gewerbetreibenden ist zu respektieren, so zB beim Handelsvertreter ($ 8 4 HGB), 4 3 8 Versicherungs- und Bausparkassenvertreter ($ 92 HGB), 4 3 9 Frachtführer ($ 4 2 5 HGB). 4 4 0 Treten allerdings Umstände hinzu, die eine über die typischen Bindungen hinausgehende persönliche Abhängigkeit herbeiführen, so kann das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis anzusehen sein. Í94

Unter Arbeit ist eine Betätigung im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Hierunter fällt jede Betätigung oder jedes Verhalten, welches im Wirtschaftsleben als „Arbeit" qualifiziert wird. Vor allem bei sportlichen und künstlerischen Betätigungen ist darauf abzustellen, ob es sich um berufsmäßige bzw wirtschaftliche Erscheinungen handelt. So ist beispielsweise derjenige, der nebenberuflich in einem kleinen Verein Fußballmannschaften trainiert, regelmäßig kein Arbeitnehmer, 4 4 1 wohl aber sind es hauptberufliche Vereins-Tennistrainer, 4 4 2 Lizenzfußballspieler der Bundesliga 4 4 3 oder Eishockeyspieler in einem Verein, der dem Deutschen Eishockey Bund angehört. 4 4 4 Grundsätzlich unerheblich ist dagegen, ob für die versprochene Leistung von Arbeit auch ein Entgelt zugesagt worden ist. Eine hiervon zu trennende Frage ist, ob ein Vertrag, wonach eine Person unentgeltlich zu arbeiten hat, möglicherweise gegen S 138 ZPO verstößt. bb)

Grundlage: Privatrechtlicher Vertrag

195

Kennzeichnend für das Vorliegen auf der Arbeitnehmereigenschaft ist ferner, daß die Verpflichtung zur Arbeitsleistung auf einem privatrechtlichem Vertrag beruht. Gegen dieses auf die Definition von Hueck445 zurückgehende und von der Rechtsprechung übernommene Erfordernis für das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft wird zu Unrecht eingewendet, daß hiermit die Rechtswirksamkeit des Vertrages mit der Folge zur Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft erhoben werde, daß bei einem rechtsunwirksamen Vertrag jedweder arbeitsrechtliche Schutz entfalle, weil der Dienstleistende nicht mehr als Arbeitnehmer angesehen werden könne. Diesen Bedenken will Schaub mit dem Merkmal begegnen, daß die Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen könne, sondern auch auf einem gleichgestellten (Rechts-)Verhältnis. 446 Diese Bedenken sind nicht zu teilen. Für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft ist unerheblich, ob der Arbeitsvertrag wirksam oder unwirksam ist. 4 4 7 Entscheidend ist vielmehr, daß die Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung im Dienst eines anderen auf einem hierauf gerichteten Vertrag beruht, dh, daß die Parteien überhaupt einen solchen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben oder abschließen wollen oder wollten. Erweist sich der Arbeitsvertrag dann jedoch zB im Wege der Anfechtung oder aus anderen Gründen als unwirksam, so berührt dies prinzipiell den Status des Arbeitnehmers nicht. Ausgenommen hiervon sind lediglich sittenwidrige Arbeitsverträge. 4 4 8 In solchen Fällen kommt auch kein faktisches Arbeitsverhältnis in Betracht. 4 4 9 Liegt dagegen wie zB bei Zwangsarbeit kein Arbeitsvertrag vor, so handelt es sich bei dem Zwangsarbeiter nicht um einen Arbeitnehmer, auch wenn ihm Entschädigungsansprüche wegen der Erbringung der Zwangsarbeit zustehen können. 4 5 0

196

Das Erfordernis des auf die Erbringung von Arbeitsleistung im Dienste eines Dritten gerichteten Vertrages grenzt Arbeitsverhältnisse von solchen Rechtsverhältnissen ab, in denen Arbeit oder Dienste auf anderer Rechtsgrundlage erbracht werden (Rn 1017 ff). Beamte ($ 5 Abs 2 ArbGG: „Beamte als vgl F. Becker ZfA 78 131 f; Staudinger/Ricftardf BGB13, Vorbem zu SS 611 ff Rn 133. 438 BAG 1 5 . 1 2 . 9 9 - 5 AZR 566/98 - AP HGB S 84 Nr 9. 439 BAG 15.12.99 - 5 AZR 3/99 - AP HGB S 92 Nr 5. 440 BAG 30.9.98 - 5 AZR 563/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 103 (unter II. der Gründe); BAG 19.11.97 - 5 AZR 653/96 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 90 (I.2.a der Gründe). 441 LAG Frankfurt/Main 27.10.64 - 5 Sa 136/64 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 4. 442 BAG 29.10.98 - 7 AZR 436/97 - AP BGB S 611 Berufssport Nr 14. 443 BAG 17.1.79 - 5 AZR 498/77 - AP BGB S 611 Berufssport Nr 2 (D. Reuter).

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444 BAG 20.11.96 - 5 AZR 518/95 - AP BGB S 611 Berufssport Nr 12. 445 Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts Bd I 7 , S 9 ΙΠ 2. 44« Schaub S 8 Π Rn 12, 15. 447 Vgl Staudinger/Rtcfterdí BGB13, Vorbem zu SS 611 Rn 134. 448 ZB Vorführung des Geschlechtsverkehrs auf einer Bühne: BAG 1.4.76 - 4 AZR 96/75 - AP BGB $ 138 Nr 34; vgl für Prostituierte: BGH 18.7.80 - 2 StR 348/80 - AP BGB S 138 Nr 35. 449 BAG 1.4.76 - 4 AZR 96/75 - AP BGB $ 138 Nr 34. 450 BAG 16.2.2000 - 5 AZB 71/99 - AP ArbGG 1979 $ 2 Nr 70 (unter Π 2 b aa der Gründe mwN).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

solche sind keine Arbeitnehmer"), Richter, Soldaten, Zivildienstleistende, Lehrbeauftragte 451 und andere sind auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage tätig. Dasselbe gilt aber auch für die Abgrenzung des Arbeitsvertrags von anderen, dem Privatrecht zugeordneten Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit, so zB die vereinsrechtliche Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz bei Rote-Kreuz-Schwestern. 452 Indessen schließt eine andere als arbeitsrechtliche Beziehung nicht aus, daß parallel hierzu arbeitsrechtliche Rechtsbeziehungen bestehen können. So kann zB ein vollbeschäftigter beamteter Lehrer neben seinem Beamtenverhältnis ein Arbeitsverhältnis für eine Nebentätigkeit zu seinem Dienstherrn unterhalten,453 wie auch umgekehrt zwischen Personen, die in einem Arbeitsvertrag stehen, Rechtsbeziehungen außerhalb des Arbeitsvertrags bestehen können. 454 cc)

Im Dienste eines anderen

Das dritte Kriterium liegt darin, daß die Leistung von Arbeit auf vertraglicher Grundlage im Dienste eines anderen zu erfolgen hat. Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welchem der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils zum Dienstberechtigten steht. Dieser Kernsatz ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.455

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Das Reichsarbeitsgericht hatte zunächst zur Abgrenzung der Arbeitnehmer auf der einen Seite von freien Mitarbeitern bzw selbständig Dienstleistenden auf der anderen Seite auf die wirtschaftliche Abhängigkeit abgestellt. 456 Es änderte seine Rechtsprechung dann jedoch mit dem Urteil vom 15. Februar 1930 dahingehend, daß nunmehr zur Abgrenzung das Merkmal der „persönlichen Abhängigkeit" herangezogen wurde. 457 Allerdings löste sich das Reichsarbeitsgericht von der wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht völlig, sondern führte aus, daß Arbeitsleistung „in persönlicher und gewissem Sinne auch wirtschaftliche Abhängigkeit" erbracht zu werden pflege 458 oder daß das „Maß der persönlichen Abhängigkeit, das auch in der wirtschaftlichen Abhängigkeit hervorzutreten pflegt, für die Anerkennung der Arbeitnehmereigenschaft" maßgeblich sei 459 bzw auch die „allein ausschlaggebende persönliche Abhängigkeit sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit" auswirkt.460 Das Bundesarbeitsgericht nahm diese Abgrenzungsformel des Reichsarbeitsgerichts ohne wesentliche Veränderung auf und setzt diese Rechtsprechung bis heute im Kern unverändert fort. Es ist damit auch neueren Ansätzen in der Instanzrechtsprechung, die den Arbeitnehmerbegriff neu bestimmen und vor allem die wirtschaftliche Abhängigkeit an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit setzen wollen,461 nicht gefolgt. 462

198

Bei der Frage nach der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers bzw Arbeitnehmers müssen die Organisation und die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit berücksichtigt werden.463 Denn abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse und alle Arten von Arbeitnehmern schlechthin geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen.464 Für zB Dienstverhältnisse eines Akkordarbeiters, eines Kapitäns, einer Tänzerin oder eines Chefarztes kann es bei der Frage, ob und inwieweit sie persönlich abhängig sind oder nicht, kaum einen einheitlichen Maßstab geben. 465 Indessen ist bei einfachen, untergeordneten Arbeiten eher eine

199

451 BAG 27.6.84 - 5 AZR 567/82 - AP BGB $611 Lehrer, Dozenten Nr 42 (Krückhans); BAG 30.11.84 7 AZR 511/83 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr 43 (Krückhans). 452 BAG 6.7.95 - 5 A2B 9/93 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 22; 20.2.86 - 6 ABR 5/85 - AP BetrVG 1972 $ 5 Rotes Kreuz Nr 2. 453 BAG 13.3.87 - 7 AZR 724/85 - AP KSchG 1969 $ 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr 37. 454 Ausführlich dazu: Kania Nichtarbeitsrechtliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, 1990. 455 Vgl statt vieler: BAG 30.9.98 - 5 AZR 563/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 103 (unter I d.Gr. mwN; BAG 25.3.92 - 7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 48 (unter Β I 1 b der Gründe m.wN); vgl die in AP BGB §611 Abhängigkeit bzw in EzA §611 BGB Arbeitnehmerbegriff abgedruckten Entscheidungen des BAG, in der die Harald Schliemann

Formeln der „persönlichen Abhängigkeit" bzw des „Grades" oder des „Maßes" der „persönlichen Abhängigkeit" stereotyp wiederholt werden. 456 RAG 7.11.28, ARS 4 143 (A. Htieck). 457 RAG 15.2.30, ARS 8 451. 458 RAG 10.9.31, ARS 13 42, 43. 459 RAG 2.7.32, ARS 15 505. 460 RAG 10.8.32, ARS 15 550, 552. 461 Nachweise bei Grie&eimgNZA 991137,1143, Fn 46. 462 BAG 19.11.97 - 5 AZR 653/96 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 90 (LI der Gründe). 463 BAG 30.9.98 - 5 AZR 563/97 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 103 (unter I der Gründe). 464 Std Rspr, vgl BAG 13.11.91 - 7 AZR 31/91 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 60. 465 BAG 23.4.80 - 5 AZR 426/79 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 34; kritisch insbesondere zu dieser Methode: Staudinger/Ridiardi BGB 13 , Vorbem zu §§ 611 Rn 164.

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S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und damit ein hinreichender Grand persönlicher Abhängigkeit anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten. 4 6 6 200

Der Arbeitnehmer ist typischerweise, aber nicht immer von seinen Arbeitseinkünften und damit von seinem Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig. Eine an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tretende bloße wirtschaftliche Abhängigkeit ist von daher für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft weder erforderlich noch ausreichend. 4 6 7 Die persönliche Abhängigkeit ergibt sich in erster Linie aus der Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation und im Umfang der Weisungsgebundenheit. $ 84 Abs 1 S 2 HGB, der zwar nicht unmittelbar anzuwenden ist, aber eine allgemeine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck bringt, e n t h ä l t ein typisches A b g r e n z u n g s m e r k m a l . 4 6 8 Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und damit Arbeitnehmer ist der Mitarbeiter, dem dies nicht oder nicht hinreichend möglich ist. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort der Tätigkeit und andere Merkmale betreffen. Wenn es kein aus der Vielzahl möglicher Einzelmerkmale herausragendes, unverzichtbares Einzelmerkmal gibt, ist es aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit unumgänglich, die selbständige Arbeit typologisch abzugrenzen. 4 6 9 Für den vergleichbaren Begriff der Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB IV) hat das Bundesverfassungsgericht die typologische Methode ausdrücklich als grundgesetzkonform anerkannt. 4 7 0 Dabei ist nicht zu übersehen, daß die typologische Abgrenzungsmethode ihrerseits angesichts der Vielfalt der tatsächlichen Erscheinungen Schwierigkeiten bietet. Aus demselben Grunde scheidet aus, zur Abgrenzung des Begriffes des „Arbeitnehmers" von einem abschließenden Typenkatalog auszugehen. dd)

Einzelkriterien der persönlichen Abhängigkeit

201

Wesentliche Einzelkriterien der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor allem die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers hinsichtlich der Zeit, des Ortes, des Inhaltes und der Art der Arbeitsdurchführung sowie die betriebliche oder organisatorische Eingliederung.

202

Die zeitliche Weisungsgebundenheit spielt in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs schon deshalb eine große Rolle, weil die Freiheit der Zeitdisposition nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des $ 84 HGB zur Abgrenzung des selbständigen Dienstleisters vom unselbständigen Arbeitnehmer dient. Gegen die Arbeitnehmereigenschaft spricht es, wenn der Mitarbeiter oder Dienstleistende in der Lage ist, selbst die Zeit einzuteilen, zu der er die geschuldete Leistung erbringen will.

203

Dieser Gedanke tritt bereits 1962 in der Entscheidung über die verneinte Arbeitnehmereigenschaft eines Strahlenphysikers zutage: Der Physiker sei jederzeit berechtigt und in der Lage, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, und hat innerhalb der durch die täglich zweimal zu vollziehenden Strahlungsmessungen bedingten Notwendigkeiten seine Arbeitszeit nach freiem Ermessen einteilen können; dabei war unerheblich, daß die Arbeitszeit durch die Verpflichtung, zweimal täglich zu bestimmten Zeiten die Meßergebnisse weiterzuleiten, in gewisser Weise festgelegt worden war. 4 7 1 Mit vergleichbaren Erwägungen wurde eine Psychologin, die in der Behindertenfürsorge eingesetzt war, nicht als Arbeitnehmerin angesehen. Sie konnte innerhalb eines zeitlichen Rahmens, nämlich einer Arbeitszeitmenge, von 18 Wochenstunden ihre Zeit frei e i n t e i l e n . 4 7 2 Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung auch noch geprüft, inwieweit die Klägerin in die Verwaltungstätigkeit des als Arbeitgeberin in Anspruch genommenen Landes eingegliedert war. Auch bei einem Jugendarbeiter, der

466 BAG 26.5.99 - 5 AZR 469/98 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 103; 16.7.97 - 5 AZR 312/96 - AP BGB §611 Zeitungsausträger Nr 4. 467 BAG 30.9.98 - 5 AZR 563/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 103 (unter I der Gründe). 468 BAG 21.2.90 - 5 AZR 162/89 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 57; Schliemann RdA 97 322, 326.

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Harald Schliemann

469 BAG 23.4.80 - 5 AZR 426/79 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 34. 470 BVerfG 20.5.96 - 1 BvR 21/96 - AP BGB §611 Abhängigkeit Nr 82. 471 BAG 28.2.62 - 4 AZR 141/61 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 1. 472 BAG 9.9.81 - 5 AZR 477/79 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 38.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

regelmäßig an festen Wochentagen innerhalb der Öffnungszeiten einer Jugendfreizeitstätte Dienst tat und hierfür maximal 31 Stunden im Monat aufzuwenden hatte, hat das Bundesarbeitsgericht mit Rücksicht auf die zeitliche Dispositionsmöglichkeit, wann dieser Arbeiter die 31 Stunden ableisten wollte, dessen Arbeitnehmereigenschaft verneint; allerdings kam in jenem Fall auch hinzu, daß die Beachtung eines allgemeinen Konzepts für die Jugendarbeit und die örtliche Bindung an die Räume der Freizeitstätte keine für ein Arbeitsverhältnis notwendige Abhängigkeit begründete.473 Gerade für die Frage der Abhängigkeit sieht es das Bundesarbeitsgericht als kennzeichnend an, daß der 2 0 4 Arbeitgeber über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage sowie über Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit aufgrund des ihm durch den Arbeitsvertrag eingeräumten Rahmens entscheidet. 474 Für pauschal bezahlte Bildberichterstatter hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Arbeitnehmereigenschaft unter anderem mit Rücksicht darauf verneint, die Vorgaben der Zeitungsredaktion hinsichtlich der Zeit und des Ortes der anzufertigenden Bilder führten nicht dazu, daß die Pauschalisten bei der zeitlichen Ausgestaltung ihrer Tätigkeit in einer Form weisungsgebunden seien, aus der sich die Leistung der Dienste in persönlicher Abhängigkeit ergibt. Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind für sich allein kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen können von dem Empfänger der Leistung Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne daß hieraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist. 475 Andererseits hat der Fünfte Senat inzwischen angenommen, pauschal bezahlte Fotoreporter einer Zeitungsredaktion können Arbeitnehmer sein, wenn sie derart in den Arbeitsablauf eingebunden sind, daß sie faktisch die Übernahme von Fototerminen nicht ablehnen können. 476 Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte die Weisungsgebundenheit in einem Fall der Verrichtung von Vorarbeiten für die Herausgabe einer Buchreihe verneint, wenn der damit beauftragte Mitarbeiter des Verlags den wesentlichen Teil seiner Aufgaben in selbstbestimmter Arbeitszeit und am selbstgewählten Arbeitsort erledigen kann. 477 Kundenberater, die Kunden ihres Dienstherrn in der Bedienung von Geräten gemäß den terminlichen Wünschen und in den Räumen dieser Kunden nach inhaltlichen Vorgaben des Dienstherrn zu unterweisen haben, sind regelmäßig Arbeitnehmer.478 Dagegen kommt der bloßen Arbeitszeitmenge für sich allein nach der Rechtsprechung des Bundesar- 2 0 5 beitsgerichts keine entscheidende Bedeutung dafür zu, ob jemand als Arbeitnehmer anzusehen ist oder nicht. 479 Vielmehr handelt es sich bei diesem Gesichtspunkt nur um ein unterstützendes Argument für die Frage, ob der Betreffende in einem für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft hinreichenden Grad persönlich abhängig ist oder nicht. 480 Die Erwartung ständiger Dienstbereitschaft von Rundfunkmitarbeitern spricht für deren Arbeit- 2 0 6 nehmereigenschaft.481 Im Falle eines Hörfunkkorrespondenten, dem die regelmäßige Berichterstattung über politische, wirtschaftliche und kulturelle Themen der Landespolitik aus einem abgegrenzten Bezirk übertragen war und von dem die auftraggebende Rundfunkanstalt ständige Dienstbereitschaft erwartete, hat das Bundesarbeitsgericht die Arbeitnehmereigenschaft bejaht. Dem Korrespondenten blieben zwischen der Auftragserteilung am späten Nachmittag des Vortags für ein „Frühmagazin" bzw am Morgen desselben Tages für das „Mittagsmagazin" praktisch keinerlei zeitliche Dispositionsmöglichkeiten. 482 Im Falle eines ständig für Orchesterdienste herangezogenen Orchestermusikers, der kontinuierlich und regelmäßig beschäftigt worden ist und über dessen Arbeitskraft die Auftraggeberin wie eine Arbeitgeberin verfugt hat, hat das Bundesarbeitsgericht die Arbeitnehmereigenschaff bejaht, 473 BAG 9.5.84 - 5 AZR 195/82 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 45 zu 3 a, b und c der Gründe. 474 BAG 25.3.92 - 7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 48 unter 11 b der Gründe; auch BAG 30.10.91 - 7 ABR 19/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 59. 475 BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr 47 (krit. Wank) unter Β Π 2 a der Gründe mwN. 476 BAG 16.6.98 - 5 AZN 154/98 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 44. 477 BAG 2 7 . 3 . 9 1 - 5 AZR 194/90 - AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 53 unter ΠΙ der Gründe mwN. Harald Schliemann

478 BAG 6.5.98 - 5 AZR 247/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 102. 479 A.A. Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 14/15. 480 Vgl BAG 27.3.91 - 5 AZR 194/90 - AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 53. 481 BAG 30.11.94 - 5 AZR 704/93 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 74 unter II 2 b (3) der Gründe mwN. 482 BAG 7.5.80 - 5 AZR 293/78 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 35 (m. gem. Anmerkungen von Wank und Otto zu AP eb Nr 34, 35, 36).

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

obwohl von ihm nur 158 Dienste gegenüber im Vergleichszeitraum 233 Diensten festgestellter Orchestermitglieder geleistet wurden.483 Dagegen ist ein Volkshochschuldozent nicht schon deshalb als Arbeitnehmer angesehen worden, weil er sich in einem zeitlich erheblichen Umfang (14 Wochenstunden) zur Erteilung von Unterricht in den Sprachkursen einer Volkshochschule verpflichtet hatte. 484 2 0 7 Andererseits kann die Arbeitnehmereigenschaft regelmäßig eingesetzter Sprecher und Übersetzer von Nachrichten und Kommentaren im fremdsprachlichen Dienst einer Rundfunkanstalt zu bejahen sein, auch wenn die Wochenarbeitszeit nur vier Stunden beträgt. 485 Auch bei anderen Teilzeitbeschäftigten mit zum Teil nur geringer Stundenzahl ist die Arbeitnehmereigenschaft bejaht und nicht etwa bereits mit Rücksicht auf die geringfügige zeitliche Beanspruchung verneint worden, so zB im Fall der stundenweisen Nebentätigkeit eines Lehrers an einer allgemeinbildenden Schule, der daneben vollzeitig als beamteter Lehrer tätig war. 486 Jedoch ist für den arbeitsrechtlichen Status eines Handelsschullehrers an einer privaten Handelsschule, der Kurse im Umfang von etwa 38 Wochenstunden abhielt, trotz der erheblichen zeitlichen Inanspruchnahme die Arbeitnehmereigenschaft verneint worden, weil die Beklagte außerhalb der vertraglich festgelegten Unterrichtszeiten nicht über die Arbeitskraft des Lehrers hatte verfügen können. 487 Dagegen war die Tatsache, daß die Unterrichtserteilung für das beklagte Land die Existenzgrundlage einer knapp unterhälftig beschäftigten Lehrerin war und diese gerade deshalb Wert auf eine Beschäftigung auf unbestimmte Zeit und auf Zuweisung möglichst vieler Unterrichtsstunden legte, eines der Elemente, die das Bundesarbeitsgericht zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft heranzog und deshalb die nebenberufliche Tätigkeit als eine regelmäßige, neben dem Hauptberuf ausgeübte, zusätzliche Tätigkeit mit zusätzlich steuerbarem Einkommen von der Haupttätigkeit abgrenzte.488 208

Die örtliche Weisungsgebundenheit liegt bei Arbeitnehmern in der Regel vor. Insoweit ist jedoch zwischen Arbeitnehmern im Innendienst, also innerhalb auch der räumlichen Grenzen des Betriebes, und solchen im Außendienst zu unterscheiden. Bei Arbeitnehmern im Außendienst ist weiterhin dahingehend zu differenzieren, ob sie außerhalb des Betriebes an vom Arbeitgeber bestimmten Stellen zu arbeiten haben, zB Monteure oder Bauarbeiter auf einer Baustelle, oder ob sie aber innerhalb eines bestimmten Bezirkes tätig sind, wie zB Zeitungsausträger oder angestellte Handlungsgehilfen, die nicht im wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen können (vgl § 84 Abs 1 S 2 HGB). Sehr häufig lassen sich allerdings örtliche und zeitliche Weisungsgebundenheit nicht voneinander trennen. Das Bundesarbeitsgericht schließt in solchen Fällen aus der Weisungsgebundenheit nach Ort und Zeit der Arbeitsleistung in der Regel, daß Arbeitnehmereigenschaft vorliegt.489 Zeitweilig tritt dieses Merkmal der örtlichen oder organisatorischen Weisungsgebundenheit zurück, dafür wird dann auf die Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Zeit oder der Art und Weise der Durchführung der Tätigkeit stärker Wert gelegt, so zB die Klärung der Frage, ob ein Versicherungsvermittler selbständiger Versicherungsvertreter oder Angestellter ist. 490 Andererseits stellt das Bundesarbeitsgericht immer wieder darauf ab, daß die jeweils zu beurteilende Tätigkeit sowohl im Arbeitsverhältnis als auch in freier Mitarbeit ausgeführt werden kann und es deshalb auf die tatsächliche Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen ankommt, so zB bei Gebühreneinzugsbeauftragten von Rundfunkanstalten, 491 Rechtsanwälten, die an Aufgaben nach dem Vermögensgesetz in den Vermögensämtern der Landkreise mitwirken, 492 nebenberuflichen Rundfunkreportern.493 483 BAG 7.5.80 - 5 AZR 593/78 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 36. 484 BAG 25.8.82 - 5 AZR 7/81 - AP BGB $ 611 Lehrer, Dozenten Nr 32. 485 BAG 11.3.98 - 5 AZR 522/96 - AP BGB $ 6 1 1 Rundfunk Nr 23. 486 BAG 13.3.87 - 7 AZR 724/85 - AP KSchG 1969 S 1 Nr 37. 487 BAG 7.2.90 - 5 AZR 311/89 - nv unter insoweit ausdrücklicher Bezugnahme auf BAG 23.9.81 - 5 AZR 284/78 - AP BGB $ 611 Lehrer, Dozenten Nr 22 zu dort 12 a der Gründe. 488 BAG 17.2.83 - 2 AZR 208/81 - AP BGB §620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 74 (Richardi).

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489 ZB BAG 6.5.98 - 5 AZR 247/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 102; siehe schon BAG 27.10.56 - 2 AZR 297/54 - AP ZPO $ 554 Nr 3 (Nikisch). 490 BAG 1 5 . 1 2 . 9 9 - 5 AZR 566/98 - AP HGB $ 84 Nr 9; 15.12.99 - 5 AZR 3/99; 5 AZR 770/98 - AP HGB $ 92 Nr 5, 6; siehe schon BAG 21.1.66 - 3 AZR 183/65 - AP HGB J 92 Nr 2. 491 BAG 26.9.99 - 5 AZR 469/98 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 104. 492 BAG 3.6.98 - 5 AZR 656/97 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 97. 493 BAG 22.4.98 - 5 AZR 191/97 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 96.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht Die Frage der räumlichen oder zeitlichen Einbindung kann auch unter dem Gesichtspunkt der Eigenart der Tätigkeit an Unterscheidungskraft verlieren, wie es zB bei pauschal bezahlten Bild-

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berichterstattern angenommen worden ist. 4 9 4 Die Verbindlichkeit solcher Vorgaben hinsichtlich Zeit und Ort der Fototermine ergeben sich aus sachlichen Erfordernissen der von den Bildpauschalisten vertraglich geschuldeten Leistungen. Derartige Vorgaben können auch bei Vorliegen eines freien Dienstvertrages oder eines Werkvertrages erfolgen. Für die Frage der persönlichen Abhängigkeit haben solche Vorgaben keinen Aussagewert. Sie beruhen nicht vorwiegend auf einem persönlichen Weisungsrecht eines Arbeitgebers, sondern beschreiben den Inhalt der vertraglich geschuldeten Dienst- oder Werkleistung. Auch ein freischaffender Fotograf ist in seiner Zeiteinteilung davon abhängig, wann das zu fotografierende Ereignis stattfindet bzw das Fotoobjekt zur Verfügung steht. Die Vorgabe von Zeit und Ort des anzufertigenden Bildes hängt hiervon ab und läßt deshalb nicht zwingend auf ein Arbeitsverhältnis schließen; vielmehr wird durch sie lediglich der konkrete Gegenstand der vertraglich geschuldeten Leistung festgelegt. 4 9 5 Die organisatorische Weisungsgebundenheit ist zuweilen gleichgesetzt mit der Frage der fachlichen Weisungsgebundenheit, zum Teil aber auch mit der betrieblichen Eingliederung. Die Weisungsgebundenheit im Hinblick auf die Art und die Abwicklung der Arbeit, also die im eigentlichen Sinne fachliche Weisungsgebundenheit, ist vom Bundesarbeitsgericht in der Regel als deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft verstanden worden, und zwar im wesentlichen dann, wenn andere Abgrenzungsmerkmale, insbesondere eine Weisungsgebundenheit an Vorgaben des Arbeitgebers hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung, zurücktraten. 4 9 6 War nach der Art der geschuldeten Tätigkeit eine Weisungsbindung hinsichtlich der Durchführung möglich, lag diese aber nicht vor, so wurde hieraus regelmäßig geschlossen, daß keine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt. 4 9 7 Dagegen sind vertragliche Pflichten eines Versicherungsvertreters, die nicht die geschuldete Tätigkeit, sondern sonstiges Verhalten betreffen, regelmäßig zur Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft nicht geeignet. 4 9 8 Andererseits erkannte das Bundesarbeitsgericht, daß es ihrer Art nach Tätigkeiten gibt, die sich notwendigerweise einer fachlichen Weisungsbindung entziehen, zB bei Chefärzten, Wissenschaftlern oder Künstlern, b e i m Konstrukteur oder b e i m Juristen, bei Mitarbeitern von Rundfunk u n d F e r n s e h e n . 4 9 9 Ob die Arbeitnehmereigenschaft allerdings davon abhängig gemacht werden kann, daß die Weisungsgebundenheit auch abhängig ist vom Führungsstil und der Organisation der Arbeit, wobei moderne Formen der Teamarbeit nichtfachliche Weisungen der Vorgesetzten an einzelne Mitarbeiter unnötig machen, 5 0 0 erscheint zumindest zweifelhaft. Entscheidend ist in einem solchen Fall, daß der Arbeitgeber die Arbeit organisiert hat und sich die Mitarbeiter in diese Organisation einzufügen hatten. Damit bleibt aber die geschuldete Tätigkeit ihrer Art nach weisungsgebunden, auch wenn aufgrund des Führungsstils Einzelweisungen nicht erteilt werden müssen. Dasselbe gilt auch für täglich unverändert wiederkehrende Arbeiten in einer Fabrik. Ist die Art u n d Weise der D u r c h f ü h r u n g der Tätigkeit vertraglich so fixiert, daß für ein Weisungsrecht, wie es einem Arbeitgeber zustünde, kein

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Raum mehr bleibt, so hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hieraus auf das Fehlen der Arbeitnehmereigenschaft geschlossen. 5 0 1 Es spreche für ein freies Mitarbeiterverhältnis, wenn die zu leistenden Dienste nicht, wie beim Arbeitsverhältnis, rahmenmäßig umschrieben werden (angestellt als Arbeiter, als Angestellter, als Verkäufer usw), sondern vertraglich festgelegt werden. Der zur Dienstleistung Verpflichtete stelle dann nicht lediglich seine Arbeitskraft in einem nur rahmenmäßig umschriebenen Feld nach näherer Weisung des Arbeitgebers zur Verfügung, sondern schulde nur eine im 494 BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 47 unter Β II 2 a der Gründe (Wank); siehe aber auch BAG 16.6.98 - 5 AZN 154/98 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr 44. 495 BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 47 unter Β II 2 a der Gründe; auch BAG 14.9.88 5 AZR 642/87 - nv zu II 3 b der Gründe. 496 BAG 6.5.98 - 5 AZR 347/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 94. 497 BAG 21.1.66 - 3 AZR 183/65 - AP HGB § 92 Nr 2 (Versicherungsvertreter); BAG 13.8.80 - 4 AZR 592/78 AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 37 (Pächter einer Bundeswehrkantine). Harald Schliemann

498 BAG 1 5 . 1 2 . 9 9 - 5 AZR 3/99 - AP HGB $ 92 Nr 5. 499 BAG 2 3 . 4 . 8 0 - 5 AZR 426/79 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 34 unter I 2 der Gründe mwN (1. Küchenhoff, 2. Otto, 3. Wank). 500 BAG 2.6.76 - 5 AZR 131/75 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 20 unter II 1 d der Gründe (Beuthin/Wehler). 501 BAG 25.3.92 - 7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 S 5 Nr 48 unter Β12 b der Gründe; 30.10.91 - 7 ABR 19/91 AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 59 unter Β Π 4 b bb der Gründe.

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Vertrag bestimmte und dem Weisungsrecht des anderen Vertragspartners insoweit entzogene Dienstleistung. 502 Dies sieht der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts anders: Eine zu starke vertragliche Einbindung des Dienstleisters kann gerade zur Folge haben, daß er als Arbeitnehmer anzusehen ist. 503 2 1 1 Im Rahmen seiner Rechtsprechung der Arbeitnehmereigenschaft von Rundfunk und Fernsehmitarbeitern hat das Bundesarbeitsgericht zunehmend darauf abgestellt, ob eine Eingliederung in den Betrieb oder in eine fremde Arbeitsorganisation vorliegt. 504 Dafür reicht allerdings die Abhängigkeit von Apparat und Team der Rundfunkanstalt für sich allein nicht aus. 505 Der Einbindung des Rundfunkmitarbeiters in Dienstpläne mißt das Bundesarbeitsgericht unterschiedliche Bedeutung bei. Handelt es sich um programmgestaltende Mitarbeiter, so spricht dies wesentlich für die Arbeitnehmereigenschaft. Bei nichtprogrammgestaltenden Mitarbeitern ist der Dienstplan ein Indiz geringerer Bedeutung; insoweit kommt es mehr auf die Art der zu verrichtenden Tätigkeit an. S06 2 1 2 Für die Frage der persönlichen Abhängigkeit hat die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne nähere Gewichtung noch weitere Gesichtspunkte genannt, unter anderem die Form der Vergütung (Einzelhonorar oder Monatsentgelt), die Frage der Abführung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen, der Gewährung von Urlaub oder der Führung von Personalunterlagen. 507 Diese mehr oder weniger formalen Gesichtspunkte hat das Bundesarbeitsgericht später als nicht oder nur sehr eingeschränkt tragfähig angesehen. 508 Nicht die Modalitäten der Entgeltzahlungen oder andere formelle Merkmale wie Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sind für die Abgrenzung des Arbeitnehmers von anderen Dienstleistenden entscheidend, sondern die Umstände der Dienstleistung, wie sie vertragsgemäß zu erbringen ist. Die sozialversicherungsrechtliche und die steuerrechtliche Behandlung solcher Rechtsverhältnisse durch die Behörden hat an deren bürgerlichrechtliche Einordnung anzuknüpfen und kann von daher kein Abgrenzungskriterium oder auch nicht -indiz sein. Dementsprechend kann die Arbeitnehmereigenschaft auch nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich um eine nebenberufliche Tätigkeit, 509 wie auch umgekehrt nicht schon der Umstand für ein Arbeitsverhältnis spricht, daß es sich um ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis handelt. 510 Allerdings kann ein Dauerarbeitsverhältnis entstehen, obwohl die befristet angelegten einzelnen Einsätze des Arbeitnehmers jeweils vorher verabredet werden, nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer häufig und über einen längeren Zeitraum herangezogen wird, er von seinem Ablehnungsrecht keinen Gebrauch macht und er darauf vertrauen darf, auch in Zukunft herangezogen zu werden. 511 2 1 3 Diese allgemeinen Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht für Lehrkräfte außerhalb von Universitäten und Hochschulen durch eine weitergehende typisierende Betrachtungsweise konkretisiert. Danach sind Lehrkräfte, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichten, in der Regel Arbeitnehmer, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht nicht um eine hauptberufliche, sondern nur um eine nebenberufliche Tätigkeit handelt. 512 Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unter-

502 BAG 13.11.91 - 7 AZR 31/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 60. 503 BAG 30.9.98 - 5 AZR 563/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 103; 19.11.97 - 5 AZR 653/96 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 90; sa BAG 16.7.97 - 5 AZB 29/96 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 37. 504 BAG 20.7.94 - 5 AZR 627/93 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 73; grundlegend BAG 13.1.83 - 5 AZR 149/82; 5 AZR 156/82 - AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 42, 43 (Herschel). 505 BAG 30.11.94 - 5 AZR 704/93 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 74. 506 BAG 11.3.98 - 5 AZR 522/96 - AP BGB § 6 1 1 Rundfunk Nr 23 (Bl. 2) für den Fall des Sprechers und Übersetzers; BAG 22.4.98 - 5 AZR 2/97 - AP BGB § 611 Rundfunk Nr 24 für den Fall eines Kameraassistenten. 507 BAG 8.6.67 - 5 AZR 461/66 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 6 (G. Schnorr).

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508 BAG 3 0 . 1 0 . 9 1 - 7 ABR 19/91 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 59 zu Β I 3 a der Gründe mwN. 509 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 61; unter II 1 der Gründe; BAG 30.10.91 7 ABR 19/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 59 unter Β II 3 b der Gründe; auch schon BAG 8 . 1 0 . 7 5 - 5 AZR 430/ 74 - AP BGB s 611 Abhängigkeit Nr 18 (Beuthin/Wehler). 510 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 61; 27.3.91 - 5 AZR 194/90 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 53 unter III 7 der Gründe. 511 BAG 22.4.98 - 5 AZR 92/97 - AP BGB $ 611 Rundfunk Nr 25. 512 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 61 unter II 2 a der Gründe; 13.11.91 7 AZR 31/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 60 unter ΙΠ 3 der Gründe, jeweils mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht richten, sind regelmäßig freie Mitarbeiter, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegten Programmen handelt. 5 1 3 Nach Auffassung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts hat die Tatsache, daß Volkshochschul-

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d e z e n t e n in Lehrgängen zur Erlangung nachträglicher Schulabschlüsse, wie sie sonst von allgemeinbildenden Schulen vergeben werden, unterrichten, nicht ohne weiteres zur Folge, daß diese Lehrkräfte Arbeitnehmer seien. Insoweit hänge die Frage der Arbeitnehmereigenschaft wie bei anderen Arbeitnehmern auch von der Weisungsgebundenheit und der persönlichen Abhängigkeit der Lehrkräfte ab. Wie stark die Weisungsgebundenheit und die persönliche Abhängigkeit dieser Lehrkräfte ist, zeige sich weniger am Unterrichtsgegenstand als vielmehr an der jeweiligen Arbeitsorganisation und dem jeweiligen Dienstvertrag. Anhand der Organisationsstruktur in der einzelnen Volkshochschule und der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses sei in jedem Einzelfall besonders zu prüfen, inwieweit Lehrtätigkeit in diesem Sinne „fremdbestimmt" sei. 5 1 4 Dementsprechend hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Bindung an schulrechtliche Vorschriften und Lehrpläne als unerheblich angesehen. Nur methodische und didaktische Anweisungen der Volkshochschule zur Gestaltung des Unterrichts könnten zu einer persönlichen Abhängigkeit führen. Auf ein Arbeitsverhältnis deute es hin, wenn die Volkshochschulen nach ihren Bedürfnissen außerhalb der Unterrichtszeit über die Arbeitskraft des Dozenten verfügen können. Die Bedeutung dieser Indizien hänge vor allem auch vom zeitlichen Umfang der zusätzlichen Aufgaben ab. Je mehr die Volkshochschule den Inhalt der Arbeitsleistung bestimmen und dem Dozenten weitere Aufgaben übertragen könne, desto mehr spreche dies für ein Arbeitsverhältnis. Umgekehrt liege ein wichtiges Indiz für ein freies Dienstverhältnis vor, wenn der Inhalt der Dienstleistung und die Unterrichtszeiten im einzelnen vertraglich geregelt und damit einem Weisungsrecht der Volkshochschule entzogen worden sei. 5 1 5 Diese Auffassung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts wird vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts nur begrenzt geteilt. Er zieht es vor, typisierend zwischen allgemeinbildenden Schulen und den schulischen Lehrgängen einerseits und der außerschulischen Lehrtätigkeit an Volkshochschulen und Musikschulen andererseits zu unterscheiden. In der Begründung weist er darauf hin, daß der stärkeren Einbindung von Schülern in ein Schul- oder Ausbildungssystem auch eine stärkere persönliche Abhängigkeit der Lehrkräfte vom Unterrichtsträger entspreche. Dies zeige sich in mehreren Punkten. Für Unterricht an allgemeinbildenden Schulen und im Rahmen von Kursen, die zu staatlich anerkannten Schulabschlüssen führen sollen, gebe es ein dichtes Regelwerk von Gesetzen, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen. Diese beträfen nicht nur die Unterrichtsziele, die sehr genau beschrieben wurden, sondern auch Inhalt, Art und Weise des Unterrichts. Der Unterricht der verschiedenen Fächer und Stufen müsse nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch und didaktisch aufeinander abgestimmt werden. Ein weiteres komme hinzu: Wegen der großen allgemeinen Bedeutung unterlägen diese Lehrkräfte verstärkter Aufsicht und Kontrolle, abgesehen davon, daß die ständig stattfindenden Leistungskontrollen der Schüler mittelbar auch eine Kontrolle der Unterrichtenden bedeuteten. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß beim Unterricht an allgemeinbildenden Schulen und im Rahmen schulischer Kurse zur Erlangung von Schulabschlüssen regelmäßig mehr Nebenarbeiten anfielen als bei der Abhaltung von Volkshochschulkursen und Musikschulunterricht. Neben der Unterrichtsvorbereitung ständen die Korrekturen von schriftlichen Arbeiten, die Beteiligung an der Abnahme von Prüfungen, die Teilnahme an Konferenzen, die Abhaltung von Schulsprechstunden, unter Umständen auch Pausenaufsichten und die Durchführung von Wandertagen und Schulreisen. Die Erteilung von Unterricht an allgemeinbildenden Schulen bedinge die Eingliederung der Lehrkräfte in die vom Schulträger bestimmte Arbeitsorganisation. Von daher sei es folgerichtig, wenn Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen, soweit sie aufgrund von privatrechtlichen Verträgen tätig seien, als Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt würden. Unterricht an allgemeinbildenden Schulen könne im Grundsatz

513 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 61 unter II 2 a der Gründe; 13.11.91 7 AZR 31/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 60; sa BAG 25.8.82 - 5 AZR 7/81 - AP BGB $ 611 Lehrer, Dozenten Nr 32; 23.9.81 - 4 AZR 569/79 - AP BGB $ 611 Lehrer,

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Dozenten Nr 22; 26.1.77 - 5 AZR 796/75 - AP BGB $ 611 Lehrer, Dozenten Nr 13. 514 BAG 13.11.91 - 7 AZR 31/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 60. 515 BAG 1 3 . 1 1 . 9 1 - 7 AZR 31/91-AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 60.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

nicht freien Mitarbeitern übertragen werden. Dementsprechend sind Lehrer an Abendgymnasien 51 ® und Dozenten in der beruflichen Bildung 5 1 7 regelmäßig Arbeitnehmer. Anders sei die Lage dagegen bei Volkshochschulen und Musikhochschulen. Hier sei die Verbindung der Schüler oder Kursteilnehmer zum Unterrichtsträger erheblich lockerer. Es bestehe kein Schulzwang. Die Schüler könnten sich leichter von der Schule lösen. Es gebe regelmäßig - anders als bei allgemeinbildenden Schulen - auch keine förmlichen Abschlüsse. Die Kurse dienten nicht der Berufsvorbereitung. Der Unterricht sei meist weniger reglementiert, das Ausmaß der Kontrolle sei geringer. Schließlich fielen weniger Arbeiten an. Die auch hier nötige Organisation und Koordination sowie die inhaltlichen Vorgaben ließen den Lehrkräften regelmäßig mehr Spielraum als in allgemeinbildenden Schulen. Volkshochschuldozenten, die außerhalb der schulischen Allgemeinbildung tätig sind, und Musikschullehrer könnten daher im Grundsatz als freie Mitarbeiter beschäftigt werden; Arbeitnehmer seien sie nur dann, wenn die Parteien dies vereinbart hätten oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, aus denen sich ergebe, daß der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit gegeben sei. Solche Umstände könnten in etwa das Recht des Schulträgers sein, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen, den Unterrichtsgegenstand oder die Art der Ausmaße der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstandards der Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst, und die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte.518 Hiervon ausgehend hat das Bundesarbeitsgericht in jenem Einzelfall erkannt, eine Musikschullehrerin sei Arbeitnehmerin gewesen. Dabei hat es als entscheidend angesehen daß die Schulleitung das Recht hatte, die Unterrichtszeiten, also die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden, einseitig festzulegen. 519 4.

Der Arbeitnehmerbegriff im Schrifttum

215 Die Äußerungen des Schrifttums zum Begriff des Arbeitnehmers bzw zu Einzelmerkmalen hierzu, vorrangig zur Frage der persönlichen Abhängigkeit, sind äußerst zahlreich. 520 Zudem gibt es zahlreiche, im Zusammenhang mit dem Begriff des Arbeitnehmers nicht bedeutsame jüngere Literaturäußerungen zum sozialrechtlichen Schutz sog. Scheinselbständiger.521 Das Sozialrecht und das Sozialversicherungsrecht sind nicht Teil des Arbeitsrechts, sondern bilden eine eigenständige Materie.

516 BAG 12.9.96 - 5 AZR 104/95 - AP BGB $611 Lehrer, Dozenten Nr 122. 517 BAG 19.11.97 - 5 AZR 21/97 - AP BGB §611 Lehrer, Dozenten Nr 133. 518 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 61 zu II 2 b aa und bb der Gründe mwN. 519 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 61 zu II 3 der Gründe. 520 Ua Bemdt Freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer, BB 98 894; Βoemke Neue Selbständigkeit und Arbeitsverhältnis, ZfA 98 285; Buchner Das Recht der Arbeitnehmer, der Arbeitnehmerähnlichen und der Selbständigen - jedem das Gleiche oder jedem das Seine?, NZA 98,1144; Griebeling Die Merkmale des Arbeitsverhältnisses, NZA 98 1137; ders Der Arbeitnehmerbegriff und das Problem der Scheinselbständigkeit, RdA 98 208; Hanau/Strick Die Abgrenzung von Selbständigen und Arbeitnehmern (Beschäftigten) im Versicherungsaußendienst, DB 98, Beil 14; dies Qual der Wahl: Arbeitnehmer oder Selbständiger, AuA 98 185; Hromadka Zur Begriffsbestimmung des Arbeitnehmers, DB 98 195; ders Arbeitnehmerbegriff und Arbeitsrecht, NZA 97 569; ders Arbeitnehmerähnliche Personen, NZA 97 1249; Jakobs Arbeitnehmer oder Selbständiger - Einige Bemerkungen aus internationaler Sicht, NZA 99 23; Reinecke Neudefinition des Arbeitnehmerbegriffs durch Gesetz und Rechtsprechung, ZIP 98 581; ders Prozessuale und taktische Probleme bei der Geltendmachung der Arbeitnehmereigenschaft, DB 98

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1282; ders Der Kampf um die Arbeitnehmereigenschaft - prozessuale, materielle und taktische Probleme, NZA RR 99 729; Rieble Die relative Verselbständigung von Arbeitnehmern - Bewegung in den Randzonen des Arbeitsrechts, ZfA 98 327; Rost Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen im Betriebsverfassungsrecht, NZA 99 113; Schliemann Arbeitsteilung und Arbeitsrecht - Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen, RWS-Forum Arbeitsrecht 1997, 1; ders Arbeitnehmerbegriff und Rechtsweg, FA 98 173; ders Flucht aus dem Arbeitsverhältnis, RdA 97 322; Söllner „From status to contract" - Wandlung in der Sinndeutung des Arbeitsrechts; FS Zöllner (1998), 949. Vgl für die vorhergehende Zeit die Zusammenstellung in RGRK12 s 611 BGB vor Rn 957. 521 Baeck/Dömer Die Vorschläge der Kommission „Scheinselbständigkeit" - Geht der Albtraum weiter?, NZA 99 130; Bauer/Diller/Lorenzen Das neue Gesetz zur „Scheinselbständigkeit", NZA 99 169; Bauer/Dtller/Schuster Das Korrekturgesetz zur „Scheinselbständigkeit", NZA 99 1297; Bengelsdorf Die „neue" Scheinselbständigkeit, NJW 99 1817; Brand Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit, DB 99 1168; Gaul/Wisskirchen Das letzte Gesetz zur „Förderung der Selbständigkeit", DB 99, 2466; Goretzki/Hohmeister Scheinselbständigkeit Rechtsfolgen im Sozialversicherungs-, Steuer- und Arbeitsrecht, BB 99 635; Hohmeister Scheinselbständige und arbeitnehmerähnliche Selbständige in der Sozialversicherung, NZA 99 337; Hopfenziz Scheinselbständigkeit -

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

Nach herkömmlicher Begriffsbestimmung in der Literatur ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines 2 1 6 Arbeitsverhältnisses beschäftigt wird, dh aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist. 522 Insoweit knüpfen weite Teile der Literatur an den im jüngeren Schrifttum wesentlich von Alfred Hueck geprägten und von der Rechtsprechung weitergeführten herkömmlichen Begriff des Arbeitnehmers an. In anderen Teilen der Literatur wird seit einiger Zeit verstärkt versucht, den Arbeitnehmerbegriff neu abzugrenzen. Im wesentlichen lassen sich drei Richtungen erkennen:

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Wirtschaftlich-soziale Existenzbedingungen unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses der 2 1 8 Betroffenen sollen nach dem Vorschlag von Rattcke den Arbeitnehmerbegriff nach sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten bestimmen. Dabei stellt er wesentlich auf den Arbeitnehmerbegriff für die Garantie der Koalitionsfreiheit in Art 9 Abs 3 GG ab und hebt hervor, in Art 9 Abs 3 GG sei der frühere Begriff arbeitsrechtlicher Vereinigungen (Art 159 WRV) als Verfassungsnorm tradiert. 523 Dem ist, wie Reuter524 hervorgehoben hat, entgegenzuhalten, daß der Geltungsbereich des Art 9 Abs 3 GG unter dem Gesichtspunkt des Freiheitsrechts gegenüber dem Staat möglicherweise größer ist als im Bereich des Arbeitsrechts und vor allem auch Individualarbeitsrechts.525 Mit dem Rückgriff auf die wirtschaftlich-sozialen Existenzbedingungen der natürlichen Personen zur Bestimmung ihrer Arbeitnehmereigenschaft wird im übrigen nicht auf eine rechtliche Bindung der Personen zurückgegriffen, sondern auf ein außerrechtliches Vorverständnis. Die Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Betroffenen birgt zudem die Gefahr in sich, daß die Betroffenen je nach momentaner Interessenlage sich bei ansonsten unveränderter Rechtslage mal als Arbeitnehmer und mal als Nicht-Arbeitnehmer einordnen können. Andere Autoren unternehmen den Versuch, den Begriff des Arbeitnehmers teleologisch zu definieren, 2 1 9 ihn also - immer noch einheitlich für das Gebiet des Arbeitsrechts - am Normzweck des Arbeitsrechts auszurichten. Lieb stellt darauf ab, ob das Vertragsverhältnis bzw die Lebensgestaltung noch die Möglichkeit eigener unternehmerischer Disposition über die Arbeitskraft beläßt oder ob diese Möglichkeit nur bei dem anderen Vertragspartner, der dadurch zum Arbeitgeber wird, vorhanden ist. 526 Dabei hält Lieb wesentlich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für maßgebend. Beuthin/Wehler heben die soziale Schutzbedürftigkeit als Abgrenzungsmerkmal hervor und meinen, Arbeitnehmer seien nur solche aufgrund Dienstvertrags Beschäftigten, die persönlich abhängig und sozial schutzbedürftig sind, weil ihnen die Fähigkeit der hinreichend umfassenden eigenen Daseinsvorsorge fehlt. 527 Weil der Arbeitnehmer für die Dauer seiner Beschäftigung nicht in der Lage ist, selbst am Marktgeschehen teilzunehmen, er also seine freie wirtschaftliche Dispositionsmöglichkeit verliert, führe dies zur grundsätzlichen Schutzbedürftigkeit mit der Folge, daß dem Arbeitnehmer die Verantwortung und die Vorsorge für die Gefahren der Arbeit und für die Wechselfälle des Lebens von demjenigen abzunehmen seien, in dessen Wirtschaftsorganismus er eingegliedert ist, meint Wiedemann mit ausführlicher Einzeldarstellung in seiner Monografie über das Arbeitsverhältnis.528 Mit ebenfalls teleologischer Methode gelangt Wank von einem grundlegend anderen Ansatz zur Be- 2 2 0 Schreibung des Arbeitnehmerbegriffs: Nach seiner Ansicht ist von einem dualen Modell der Erwerbsbetätigung auszugehen, nämlich von den Arbeitnehmern auf der einen Seite und von den Selbständigen auf der anderen Seite. Diese Begriffe seien als Gegensatz gegenüberzustellen. Für den Arbeitnehmer bestehe das Bedürfnis nach einem umfassenden Schutz seines Berufes und seiner Existenz, dagegen betreibe der Selbständige notwendigerweise Eigenvorsorge. Bei einer freien Wahl durch der Rechtsanwalt in der Situation der Vertragsgestaltung, NZA 9919; Reiserer/Riesinger Scheinselbständigkeit - Strategien zur Vermeidung, BB 99, 1006. 522 So vor allem: A. Hueck in: Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd l 7 , $ 9ΙΠ 3 (41 ff, 50); ähnlich Nikisch Arbeitsrecht Bd I 3 , $ 141 (91 ff); Söllner Grundriß des Arbeitsrechts11,5 3 11; Hanau/Adomeit Arbeitsrecht10, E 2; ZöllnerfLoritz Arbeitsrecht, $ 4 ΠΙ und IV. 523 Rancke Die freien Berufe zwischen Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1978,115 ff; ders AuR 79 9,16. Harald Schliemann

524 Reuter RdA 81 201, 202. 525 So auch Richardi MiinchArbR, $ 23 Rn 32 f. 526 Lieb Arbeitsrecht«, $ 1; ders RdA 77 210, 215; ders ZVersWiss 76 207; ders in: Arbeitnehmer oder Arbeitsteilhaber, 1984, 41 ff. 527 Beuthien/Wehler RdA 78 1, 5 f. 528 Wiedemann Das Arbeitsverhältnis als Austauschund Gemeinschaftsverhältnis, 1966, 15 f, 19 f.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

den Erwerbstätigen seien beide Modelle äquivalent, insbesondere dann, wenn der Auftraggeber zwei Vertragsmodelle anbiete, nämlich eines für die selbständige Betätigung mit höherem Entgelt, aber gleichzeitiger Übernahme der Kosten und Risiken durch den Beschäftigten, und ein anderes zur Erledigung desselben arbeitstechnischen Zwecks für einen Arbeitnehmer.529 Allerdings bedürfe es einer objektiven Überprüfung der Wahl der Rechtsform anhand objektiver Kriterien, wobei die freiwillige Übernahme des Unternehmerrisikos die maßgebliche Entscheidungslinie bilde. Entscheidend sei der Gesamtvergleich der Rechtsstellung des Selbständigen und der des Arbeitnehmers und damit auch ein Gesamtvergleich der Risiken und der Chancen." 0 Dementsprechend will Wank für die Definition des Arbeitnehmerähnlichen ($ 12a TVG) eine korrigierende Auslegung heranziehen, die die systematische Stellung dieser Personen zwischen Arbeitnehmer und Selbständigen berücksichtigt und auf die Zeitdauer, die Zeitaufteilung und auf die Bedeutung der Arbeitstätigkeit als Existenzgrundlage Bezug nimmt. 531 In Grenzfällen soll dann aber auch zu prüfen sein, ob reines Arbeitsrecht, reines Selbständigenrecht oder Selbständigenrecht mit gleichzeitiger analoger Anwendung einzelner arbeitsrechtlicher Vorschriften in Betracht kommt. 532 Der Ansicht, es gäbe nur Arbeitnehmer und Selbständige, sind vor allem Hromadka533 und Hanau534 entgegengetreten; das Bundesarbeitsgericht hat diese auch von der Vorinstanz vertretene Ansicht ausdrücklich nicht übernommen.535 2 2 1 Richardi postuliert die Erforderlichkeit einer Differenzierung des Arbeitnehmerbegriffs im Hinblick auf die unterschiedlichen materiellen Geltungsgründe der arbeitsrechtlichen Regelungen. Die das Arbeitsrecht kennzeichnende Unselbständigkeit des Arbeitnehmers sei nicht Voraussetzung, sondern Folge seines rechtsgeschäftlichen Leistungsversprechens. Es bedeute aber nicht, daß der materielle Geltungsgrund der für das Arbeitsverhältnis geltenden rechtlichen Regeln und Prinzipien identisch sei. Ob und inwieweit die durch das Dienstleistungsversprechen begründete Unselbständigkeit des Arbeitnehmers innerhalb der Rechtsordnung nur einen besonderen Teilaspekt oder den insgesamt ausschlaggebenden Gesichtspunkt für die Anwendung von Rechtsgrundsätzen und Rechtsregeln darstelle, müsse normativ begründet werden. Die Arbeitnehmereigenschaft könne nur relativ festgelegt werden. Konstitutives Element für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sei das Zeitmoment bei der Erbringung der Arbeitsleistung. Wer nur eine bestimmte Dienstleistung als im voraus abgegrenzte Einzelleistung schulde, stehe nicht im Dienste des Empfängers zur Dienstleistung. .»Erst wenn eine zeitbestimmte Arbeitsleistung mit im voraus nicht abgegrenzten Einzelleistungen rechtsgeschäftlich zugesagt wird, ergibt sich daraus eine Unterordnung unter den Empfänger der Dienstleistung." Durch den Arbeitnehmerbegriff werde der Geltungsbereich arbeitsrechtlicher Gesetze und Grundsätze bezeichnet, der überhaupt in Betracht komme. Dagegen sei „vom Normzweck der arbeitsrechtlichen Gesetze aus zu bestimmen, wie weit ihr Geltungsbereich reicht". Hieraus könne es zu Abstufungen in der Anerkennung der Arbeitnehmereigenschaft kommen, aber auch dazu, daß die Unterscheidung zwischen Selbständigen und Arbeitnehmern überhaupt keine Rolle spiele. 536 2 2 2 Von einer grundsätzlichen Einheitlichkeit des Arbeitnehmerbegriffs unter gleichzeitiger teleologischer Reduktion des Schutzzweckes einzelner arbeitsrechtlicher Normen, unter anderem des Kündigungsschutzgesetzes, in Anwendung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit geht Hilger unter Hinweis auf Zeuner aus. 537 Daher betont Hilger, daß die Arbeitnehmer typischerweise wirtschaftlich abhängig und deshalb sozial schutzbedürftig seien und daß auf eben diesen Grundgedanken das Arbeitsrecht beruhe, das als Arbeitnehmerschutzrecht verstanden werde. Dieser Satz dürfe aber nicht umgedreht werden. Die bloße wirtschaftliche Abhängigkeit habe noch nicht die Arbeitnehmerstellung zur Folge. Hilger führt zur Frage der „Unternehmereigenschaft" als Abgrenzungskriterium gegenüber dem „Arbeitgeber" wesentliche Beispiele auf, die deutlich machen, daß die bloße Übernahme des „Unternehmerrisikos" als alleiniges Abgrenzungskriterium nicht ausreicht.538 529 Wank Arbeitnehmer und Selbständige (1988), insbes 104 ff, 107. 530 Wank Arbeitnehmer und Selbständige (1988), 129. 531 Wank Arbeitnehmer und Selbständige (1988), 241; ders in: Wiedemann TVG 6 , $ 12a Rn 2 ff. 532 Wank Arbeitnehmer und Selbständige (1988), 245. 533 Hromadka NZA 97, 569, 567; ders NZA 97, 1249, 1253. 74

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534 Hanau AuA 98, 185, 188; ders Selbständigkeit des Versicherungsvertreters, 7. 535 BAG 1 9 . 1 1 . 9 7 - 5 AZR 653/96 - AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr 90. 536 Richardi MünchArbR § 23 Rn 3 6 - 5 1 , Staudinger/Richardi BGB 1 3 Vorbem zu $§ 611 ff Rn 161 ff. 537 Hilger RdA 89 1, 6; Zeuner RdA 75 84 f. 538 Hilger RdA 89 1, 3 f.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 IV. Der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

Die Kritik der Literatur am Arbeitnehmerbegriff der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nicht unberechtigt, wenn man unterstellt, es ließe sich ein idealtypischer, allen Anforderungen gerecht werdender Begriff des Arbeitnehmers finden oder aber es ließen sich mit der teleologischen Methode Abgrenzungen dieses Begriffes finden, die dem jeweiligen Regelungskreis arbeitsrechtlicher Normen gerecht werden. Dabei wird der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durchaus attestiert, sie fände sozialpolitisch angemessene Resultate. 539 Indessen ist auch bei den Versuchen einer Neuabgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs, insbesondere auch mit Hilfe der teleologischen Methode, nicht zu übersehen, daß auch hiermit keine allgemeingültigen Ergebnisse erreichbar sind. Es lassen sich Einzelergebnisse und einzelne Fälle scharf beleuchten, indessen gibt es kein scharf umrissenes Gesamtbild, wie Hilger unter Hinweis auf Herschel konstatiert: Exakte Definitionen lassen sich hier nicht finden.540 Diese Schwierigkeiten sind jedoch nicht auf das deutsche Recht beschränkt, sondern auch im Ausland zu finden.541 Insofern muß es bei der Bemühung bleiben, typisierend Tatbestände herauszuarbeiten, stets in dem Bewußtsein, daß es eine Kadenz oder Rangfolge aller in Betracht kommenden Merkmale nicht gibt. Dies betrifft nicht so sehr die Verpflichtung zur Leistung von Arbeit und erst recht nicht die Rechtsgrundlage für den Bestand einer solchen Verpflichtung, nämlich den privatrechtlichen Vertrag, sondern vor allem das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit, nämlich der Tätigkeit „im Dienste eines anderen". Zunehmend wird jedoch zu beachten sein, daß die Arbeitnehmereigenschaft bei exakt definierten, vertraglich vereinbarten Tätigkeiten ebenso wegfallen kann wie vor allem dann, wenn die zeitliche Inanspruchnahme eine geringfügige ist und/oder die zeitliche Lage der Arbeitsleistung nicht der Disposition des Vertragspartners (Auftraggebers) obliegt.

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Die Frage nach der Einheitlichkeit des Arbeitnehmerbegriffs ist mit der Rechtsprechung des Bundes- 2 2 4 arbeitsgerichts dahingehend zu beantworten, daß es grundsätzlich einen allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers gibt, dessen Abgrenzungen dann in Einzelgesetzen Abweichungen unterliegen. So ist beispielsweise für das gesamte Betriebsverfassungsgesetz der Begriff des Arbeitnehmers in S 5 Abs 1 BetrVG durch Arbeitnehmerarten beschrieben, aber nicht definiert. Vielmehr ist vorbehaltlich der Abweichungen in § 5 Abs 2 bis 4 BetrVG vom allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers auszugehen.542 Trotz aller Differenzen und beachtlichen, insbesondere methodischen Kritiken ist nach wie vor von dem 2 2 5 von der Rechtsprechung entwickelten herkömmlichen Begriff des Arbeitnehmers und seiner Abgrenzung von freien Mitarbeitern auszugehen. Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistung gegenüber einem Dritten im Rahmen einer von diesem Dritten bestimmten Arbeitsorganisation aufgrund privatrechtlichen Vertrages zu erbringen hat. Dabei unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis vom Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welchem der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils zum Dienstberechtigten steht. 543 5.

Arbeitnehmerbegriff der (ehemaligen) DDR

In der (ehemaligen) DDR waren die Abgrenzungskriterien zwischen Arbeitsrechtsverhältnissen und 2 2 6 Zivilrechtsverhältnissen gesetzlich nicht im einzelnen geregelt. Nach allgemeiner Ansicht konnten persönliche Dienstleistungen iSd $ 197 ZGB-DDR nicht auf Dauer innerhalb eines Kollektives und nicht auf der Grundlage von Arbeitsrechtsverhältnissen erbracht werden. Nach $ 197 ZGB-DDR regelten die Bestimmungen über persönliche Dienstleistungen die Beziehungen zwischen Bürgern und Betrieben sowie Bürgern untereinander zur Besorgung von Vermögens- und anderen Angelegenheiten, zur Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten, zur Erbringung von kulturell-künstlerischen Leistungen sowie zur persönlichen Pflege oder Betreuung. Für die Abgrenzung solcher persönlichen Dienstleistungsverhältnisse als Zivilrechtsverhältnisse auf der einen und von Arbeitsrechtsverhältnissen auf der anderen Seite wurde auf die vertraglich vereinbarten Bedingungen abgestellt, unter denen die Leistung zu erbringen war. Entscheidend waren die Dauer und die Stetigkeit der Arbeitsleistung, die 539 540 541

Reuter Anm zu BAG 1 . 8 . 8 9 - SAE 90 359, 360. Hilger RdA 89 1, 6. Gamillscheg AcP 176 1987 ff, 211.

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542 BAG 2 5 . 3 . 9 2 - 7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 5 5 Nr 48 unter Β I la der Gründe. 543 BAG 1 9 . 1 1 . 9 7 - 5 AZR 653/96 - AP $ 611 BGB Abhängigkeit Nr 90.

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Bindung an bestimmte Arbeitszeiten, die Weisungsgebundenheit innerhalb des Kollektives und die Bindung an die Arbeitsdisziplin sowie die Erfüllung von Nebenpflichten.544 Dabei bestand keine Freiheit der Rechtstypuswahl. Grundsätzlich erforderten nach damaliger Auffassung der DDR deren gesellschaftliche Verhältnisse als Staat der Arbeiter und Bauern, planmäßig in Betrieben und Einrichtungen zu leistende Arbeit nur im Rahmen von Arbeitsrechtsverhältnissen zu organisieren und den arbeitenden Menschen weitgehend den Schutz des sozialistischen Arbeitsrechts angedeihen zu lassen. Allerdings gab es aufgrund von Sondervorschriften die Möglichkeit, Arbeitsrechtsverhältnisse den Schutzregeln des Arbeitsrechts zu entziehen bzw abweichenden Regeln zu unterstellen, insbesondere in Verhältnissen, bei denen die Arbeitsleistung oder Dienstleistung aufgrund von sogenannten Berufungen erbracht wurde, wie zB bei Hochschullehrern.545

V.

Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen

2 2 7 Nicht zu den Arbeitnehmern zählen Personen, die ihre Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen bzw arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlagen erbringen. Vor allem können Rechtsgrundlagen für die Erbringung von Arbeits- oder Dienstleistungen auch öffentlich-rechtlicher Art sein, sie können aber auch auf zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen außerhalb von Dienstverträgen beruhen, zB auf Gesellschaftsrecht, Vereinsmitgliedschaft usw. Vielfach werden Arbeits- und Dienstleistungen auch aufgrund freier Dienstverträge erbracht. Schließlich kann Rechtsgrundlage für das Erbringen von Dienstleistungen auch ein Vertrag mit einem Dritten sein, worin sich der Dritte verpflichtet, mit Hilfe bei ihm angestellter oder von ihm zu stellender Personen Werk-, Dienst- oder auch Arbeitsleistungen zu erbringen oder aber auch Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. 1.

Öffentlich-rechtliche Grundlagen

a)

Beamte, Soldaten, Richter

2 2 8 Das Arbeitsgerichtsgesetz bestimmt in $ 5 Abs 2 ausdrücklich, daß Beamte als solche keine Arbeitnehmer sind. Beamte leisten zwar auch Arbeit im Dienste eines anderen. Indessen ist die Rechtsgrundlage hierfür nicht ein Vertrag, sondern ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis auf der Grundlage der Beamtengesetze. Für Bundesbeamte ist die wichtigste Rechtsquelle das Bundes-Beamtengesetz.546 Die für Bundesbeamte geltenden Grundsätze haben die Länder für ihre Landes-Beamtengesetze nach der Maßgabe des Beamtenrechtsrahmengesetzes zu beachten. 547 Zu den Beamten zählen auch die Hochschullehrer, nicht aber die Richter und die Soldaten. Für beamtete Hochschullehrer gelten indessen vom allgemeinen Beamtenrecht abweichende Regelungen. Die Rechtsverhältnisse für Soldaten sind im Soldatengesetz,548 die für Richter im Bundesdienst im Deutschen Richtergesetz549 bzw in entsprechenden Ländergesetzen geregelt. 2 2 9 Erweist sich die Ernennung eines Beamten als nichtig, so kann sie im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung nicht mehr in ein Arbeitsverhältnis umgedeutet werden.550 2 3 0 Andererseits hat das Bundesarbeitsgericht hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung eines Gemeindebeamten, der zur ständigen Dienstleistung in den Betrieb einer juristischen Person des Privatrechts abgeordnet worden war, angenommen, er sei iSd $§ 4 ff BetrVG (1952) Arbeitnehmer des Betriebes mit der Folge, daß ihm das aktive und passive Wahlrecht zustehe. 551 Danach hatte das 544 Vgl Stadtgericht Berlin 2.6.76, NJ 76 534; Barthel/ Wandtke NJ 73 604, 605; Göhring/Posch Zivilrecht, Lehrbuch 2, 1981, 53 f; Kreutz NJ 80 277, 278. 545 Vgl § 61 AGB-DDR; HochschullehrerberufungsVO ν 6.11.68 (GB1-DDR II Nr 127, 997) idF V 16.8.73 (GB1DDRI Nr 38 401); zu allem auch: BAG 25.2.93 - 8 AZR 370/92 - nv. 54« BBG idF ν 31.3.99, BGBl I 675. 547 BRRG idF ν 31.3.99, BGBl I 654.

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548 SoldatenG idF ν 15.12.95, BGBl 1 1737 mit späteren Änderungen. 549 DRiG idF ν 19.4.72 BGBl I 713 mit späteren Änderungen. 550 BAG 8 . 1 2 . 5 9 - 3 AZR 323/56 - AP ArbGG 1953 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr 18 (Pohle) = SAE 60 118 (Bötticher) mit Nachweisen der früheren Rechtsprechung. 551 BAG 28.4.64 - 1 ABR 1/64 - AP BetrVG 1952 $ 4 Nr 3 (Diete).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag 5 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen Bundesarbeitsgericht die Arbeitnehmereigenschaft bejaht, ohne daß zwischen der juristischen Person und dem Gemeindebeamten ein Arbeitsvertrag begründet worden war. An dieser Rechtsprechung ist nicht mehr festzuhalten. Vielmehr setzt auch im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmereigenschaft voraus, daß der Betroffene zum Inhaber des Betriebes in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis s t e h t . 5 5 2 Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht Bedienstete einer Universitätsklinik, die teilweise zum Land als dem Träger der Universitätsklinik in einem Beamtenverhältnis standen, nicht zu den Arbeitnehmern einer anderen Klinik gezählt, an die sie zur dauernden Dienstleistung abgeordnet waren. S 5 3 Die dauernde Überlastung von Dienstleistungen zB beamteter Busfahrer der Deutschen Bundesbahn an Gesellschaften des privaten Rechts hat, solange die beamtenrechtlichen Weisungsrechte bestehenblieben, auch nicht den stillschweigenden Abschluß eines Arbeitsvertrages zwischen dem beamteten Busfahrer und der Gesellschaft privaten Rechts zur Folge. 5 5 4 Entsprechendes gilt auch für die Überlassung eines Beamten an ein in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführtes kommunales Rechenzentrum. 5 5 5 Für den Einsatz von Beamten in privatisierten - ehedem öffentlich-rechtlichen - Institutionen und Einrichtungen gelten besondere gesetzliche Bestimmungen über die Privatisierung, so zB für die Deutsche B u n d e s b a h n 5 5 6 und die Deutsche Post. 5 5 7 Die beamtenrechtliche Stellung schließt indessen nicht aus, daß ein B e a m t e r Sonderurlaub erhält, zB um in einer Beamtenselbsthilfeeinrichtung als Arbeitnehmer tätig sein zu können, und daß zu diesem Zweck zusätzlich neben dem vom Dienstherrn weiterbestehenden Beamtenverhältnis ein Arbeitsverhältnis mit der entsprechenden Selbsthilfeeinrichtung begründet wird. 5 5 8

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Im Gegensatz zu Arbeitnehmern der Privatwirtschaft, die einen Einsatz zu Streikarbeit verweigern können, 5 5 9 haben B e a m t e nicht nur kein Recht zur Teilnahme an einem Arbeitskampf, 5 6 0 sondern sie sind auch nicht berechtigt, Streikarbeit abzulehnen. 5 6 1 Vor diesem Hintergrund hat es das Bundesarbeitsgericht als zulässig angesehen, daß die - noch nicht privatisierte - Deutsche Bundespost bei einem Streik ihrer Arbeitnehmer um den Abschluß eines Tarifvertrages Beamte auf bestreikten ArbeitnehmerArbeitsplätzen einsetzte. 5 6 2 Auf die gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, bei einem rechtmäßigen Streik dürfe die Deutsche Bundespost nicht den Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen anordnen, solange dafür keine gesetzliche Regelung vorhanden ist. 5 6 3

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Keine B e a m t e n sind Dienstordnungs-Angestellte der Sozialversicherungsträger. Für sie gelten jedoch, obwohl sie grundsätzlich Arbeitnehmer sind, im Fall einer Dienstentlassung beamtenrechtliche Grundsätze. 5 6 4 Im Recht der Dienstordnungs-Angestellten sind die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund und die disziplinarische fristlose Dienstentlassung zwei voneinander scharf zu trennende Rechtsinstitute. 5 6 5 Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Dienstentlassung eines Dienstordnungs-Angestellten hat vor den Gerichten für Arbeitssachen zu erfolgen. 5 6 6 Dies gilt auch bei einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit des Dienstordnungs-Angestellten 567 oder bei der Auslegung der für Dienstordnungs-Angestellte geltenden tariflichen Bestimmungen unter Beach-

233

552 BAG 18.1.89 - 7 ABR 21/87 - AP BetrVG 1972 $ 9 Nr 1. 553 BAG 18.1.89 - 7 ABR 21/87 - AP BetrVG 1972 § 9 Nr lunter Β II 1 b der Gründe. 554 BVerwG 7.6.84 - 2 C 84.81 - NVwZ 85 197; vgl für angestellte Busfahrer der Deutschen Bundesbahn: BAG 17.1.79; BAGE 31 218 = AP BGB $ 613 Nr 2. 555 BAG 9 . 1 2 . 9 2 - 5 AZR 143/92 - nv. 556 Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung des Bundeseisenbahnen ν 27.12.93 (EisenbahnneuordnungsG - ENeuOG), BGBl I 2378; BGBl 19941, 2439. 557 Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) ν 14.9.94, BGBl I 2325. 558 BAG 4.12.91 - 7 AZR 344/90 - EzA BGB $ 620 Bedingung Nr 10. 559 BAG 25.7.57 - 1 AZR 194/56 - AP BGB $ 615 BeHarald Schliemann

triebsrisiko Nr 3 (A. Hueck); auch BGH 19.1.78 - II ZR 192/76 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 56. 560 BVerfGE 19 303. 561 BVerwG 10.5.84 - 2 C 18.82 - BVerwGE 69 208 = AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 87. 562 BAG 10.9.85 - 262/84 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 86 (Mayer-Maly). 563 BVerfG 2.3.93 - 1 BvR 1213/85 - EzA Art 9 GG Arbeitskampf Nr 107. 564 BAG 5.9.86 - 7 AZR 193/85 - AP KSchG 1969 § 15 Nr 27 (Stutzky). 565 BAG 25.2.98 - 2 AZR 256/97 - AP S 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte Nr 69. 566 BAG 11.11.71 - 2 AZR 218/70 - AP BGB $ 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr 31 (Siebeck). 567 BAG 2 0 . 1 0 . 7 7 - 2 AZR 688/76 - AP SchwbG $ 19 Nr 1 (Jülkher). 77

S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht tung des Beamtenrechts. 5 6 8 Der Sonderstatus der Dienstordnungs-Angestellten, nämlich beamtenrechtlicher Stellungsschutz ohne Begründung eines Beamtenverhältnisses, beruht auf der Erwägung, daß Dienstordnungs-Angestellte Verwaltungsakte erlassen, gegen die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist. 5 6 9 Ob dieser zur Kaiserzeit beachtete Umstand eine Sonderstellung im Arbeitsverhältnis heute noch rechtfertigt, mag bezweifelt werden. In vielen Verwaltungsbereichen außerhalb der Sozialversicherung führen Angestellte hoheitliche Arbeiten aus und erlassen Verwaltungsakte, ohne daß ihnen ein mit den Dienstordnungs-Angestellten der Sozialversicherungsträger vergleichbarer Sonderstatus zukommt. 5 7 0 b) 234

Wehr- und Zivildienstleistende leisten ihren Dienst ebenfalls nicht auf der Grundlage von Arbeitsverhältnissen, sondern aufgrund öffentlich-rechtlicher Gewaltverhältnisse (SS 1, 4 ff WPflG, SS U 19 ff ZDG). 5 7 1 Nach $ 15a ZDG werden anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die aus Gewissensgründen gehindert sind, Zivildienst zu leisten, zum Zivildienst vorläufig nicht herangezogen, wenn sie erklären, daß sie ein Arbeitsverhältnis mit üblicher Arbeitszeit in einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen begründen wollen oder wenn sie in einem solchen Arbeitsverhältnis tätig sind. Bei dieser Art von Zivil-Ersatzdienst handelt es sich daher nicht mehr um ein öffentlich-rechtliches Unterordnungsverhältnis, sondern um ein ersatzweise zu berücksichtigendes, auf Vertrag beruhendes Arbeitsverhältnis. c)

235

Entwicklungshelfer

Auch Entwicklungshelfer stehen zum Träger des Entwicklungsdienstes nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern gem $ 1 Abs 1 Nr 1 Entwicklungshelfer-Gesetz (EhfG) 5 7 2 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. 5 7 3 Dagegen kann ein Entwicklungshelfer mit dem ausländischen Projektträger einen Vertrag abschließen, der als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist mit der Folge, daß der Entwicklungshelfer in diesem Rechtsverhältnis Arbeitnehmer ist. 5 7 4 Ebenso können in Vorbereitungsverträgen, die der Träger der Entwicklungshilfe mit Mitarbeitern zum Zweck der Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt abschließt, Vertragsstrafenklauseln aufgenommen werden, die den späteren Abschluß des Auslandsdienstvertrages sichern sollen. 5 7 5 Nach $ 2 Abs 1 Nr 7 ArbGG wie auch nach S 19 Abs 1 EhfG sind die Gerichte für Arbeitssachen für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Entwicklungshelfern und den Trägern des Entwicklungsdienstes nach dem Entwicklungshelfergesetz zuständig, obwohl die Entwicklungshelfer selbst in diesem Rechtsverhältnis keine Arbeitnehmer sind. Nach S 19 Abs 2 EhfG ist für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten dagegen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. d)

236

Wehr- und Zivildienstleistende

Helfer im freiwilligen sozialen bzw ökologischen Jahr

Helfer im freiwilligen sozialen Jahr stehen zum Träger des freiwilligen sozialen Jahres weder in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes noch in einem Ausbildungsverhältnis. In einem freiwilligen sozialen Jahr sollen sie vor allem soziale Erfahrungen vermittelt erhalten und ihr Verantwortungsbewußtsein für das Gemeinwohl stärken, wie S 1 Abs 1 Nr 2 des Gesetzes zur Förderung des freiwilligen sozialen Jahres 5 7 6 zeigt. Dementsprechend wird das freiwillige soziale Jahr in Einrichtungen der Wohlfahrtspflege einschließlich der Jugendhilfe oder in Einrichtungen der Gesundheitshilfe

568 BAG 25.4.79 - 4 AZR 791/77 - 31 381 = AP BGB S 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr 49 (Rachel, Stutzky). 569 BAG 23.9.58 - 3 AZR 33/56 - AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr 6 (Dersch). 570 Reichel Anm zu BAG AP BGB §611 Dienstordnungs-Angestellte Nr 49. 571 Vgl HzA/Podî Gruppe 15 Teil Β Rn 1, 84. 572 Entwicklungshelfer-G (EfhG) ν 18.6.69, BGBl 1549 mit späteren Änderungen. 78

Harald Schliemann

573 BAG 27.4.77 - 5 AZR 129/76 - AP BGB §611 Entwicklungshelfer Nr 1 (Herschel). 574 BAG 27.4.77 - 5 AZR 129/76 - AP BGB $611 Entwicklungshelfer Nr 1 (Herschel). 575 BAG 27.7.77 - 5 AZR 337//76 - AP BGB S 611 Entwicklungshelfer Nr 2. 576 Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres ν 17.8.64, BGBl I 640, zuletzt geändert durch Gesetz ν 24.3.97, BGBl I 594.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen

geleistet. Aus dieser Zielsetzung folgt, daß es sich bei Helfern im freiwilligen sozialen Jahr weder um Arbeitnehmer noch um im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte handelt. 577 Allerdings finden nach $ 15 des Gesetzes zur Förderung des freiwilligen sozialen Jahres auf die Tätigkeit in diesem Rahmen die Arbeitsschutzbestimmungen und das Bundesurlaubsgesetz Anwendung. Zudem bestimmt $ 2 Abs 1 Nr 8 ArbGG die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen, obwohl es sich bei den Helfern im freiwilligen sozialen Jahr nicht um Arbeitnehmer handelt. Entsprechende Regelungen gelten für Helfer im freiwilligen ökologischen Jahr. 578 e)

Sozialhilfeempfänger

Für Sozialhilfesuchende ist der Vorrang des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft zur Beschaffung des 2 3 7 Lebensunterhalts für ihn und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen vorgeschrieben ($ 18 Abs 1 BSHG). Wird für sie Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit geschaffen, so kann entweder das übliche Arbeitsentengelt oder Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwand gewährt werden (§ 19 Abs 1 HS 1 BSHG). Macht der Sozialhilfeträger von der ersten Alternative dieser Bestimmung Gebrauch, so wird zwischen ihm bzw dem Anstellungsträger und dem Sozialhilfeempfänger ein Arbeitsverhältnis begründet. 579 Wird der Sozialhilfeempfänger dagegen zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit gem $$ 19 Abs 2 HS 1, 2. Alt; 3 BSHG herangezogen, so wird hierdurch kein Arbeitsverhältnis begründet. Nach $ 19 Abs 2 BSHG kann der Träger der Sozialhilfe wählen, ob er den Leistungsempfänger („Hilfesuchenden") mit zusätzlicher und gemeinnütziger Arbeit gegen Zahlung des üblichen Arbeitsentgelts beschäftigen will oder ob er hierfür nur Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen gewähren will. Entscheidet sich der Sozialhilfeträger für die zuletzt genannte Möglichkeit, so erfolgt die Heranziehung des Hilfesuchenden (Sozialhilfeempfängers) durch einen Verwaltungsakt und nicht etwa aufgrund eines Arbeitsvertrages.580 Dies gilt auch für den Fall, daß der Sozialhilfeempfänger über den Umfang der gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit (§ 19 Abs 2 BSHG) hinaus beschäftigt wird. Der früher vom Reichsarbeitsgericht vertretenen Ansicht, wenn ein Fürsorgeempfänger - mit Ausnahme der Bezahlung - im übrigen ebenso wie andere Arbeitnehmer in Arbeitsablauf einer Gemeinde eingegliedert worden sei, erwerbe er arbeitsvertragliche Ansprüche,581 hat sich das Bundesarbeitsgericht nicht angeschlossen. Vielmehr stellt es auf die Art des Begründungsaktes (Verwaltungsakt oder Vertrag) ab. Beruht die Heranziehung auf einem möglicherweise rechtsfehlerhaften Verwaltungsakt, so wird auch durch die faktische Eingliederung ein Arbeitsverhältnis nicht begründet. 582 f)

ABM-Kräfte

Dagegen stehen Personen, die im Rahmen von Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung (sog. ABM-Maß- 2 3 8 nahmen) beschäftigt werden, in Arbeitsverhältnissen zu ihrem jeweiligen Arbeitgeber. Zwar beruhen die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung auf öffentlichem Recht ($$ 260 ff SGB III), insbesondere sind die Zuweisung eines Arbeitslosen an einen Arbeitgeber wie auch die Bewilligung der Zuschüsse des Arbeitsamtes zu den Lohnkosten öffentlich-rechtlicher Art. Dagegen begründen der zugewiesene Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, der in der Regel die Lohnzuschüsse erhält, ein Arbeitsverhältnis aufgrund privatrechtlichen Arbeitsvertrages. Allerdings ist es zulässig, den Arbeitsvertrag auf die Dauer der Arbeitsförderungsmaßnahme bzw die Dauer der Gewährung des Lohnzuschusses zu befristen (des näheren: $ 620 Rn 103).583 Mit dem in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigten Arbeitnehmer kann ein untertarifliches Arbeitsentgelt von höchstens 80% des Tariflohnes mit Rücksicht auf die entsprechend eingeschränkte Förderung gem $$ 265 Abs 1 S 1; 275 Abs 1, 2 SGB ΠΙ vereinbart wer-

577 BAG 12.2.91 - 7 ABR 42/91 - AP BetrVG 1972 S 5 Nr 52. 578 Gesetz zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres ν 17.12.93, BGBl I 2118, zuletzt geändert durch Gesetz ν 24.3.97, BGBl I 594. 579 Vgl BAG 4.2.93 - 2 AZR 416/92 - AP SchwbG 1986 S 21 Nr 2. Harald Schliemann

580 BAG 1 4 . 1 . 8 7 - 5 AZR 166/85 - EzA BGB $ 611 Faktisches Arbeitsverhältnis (Berger-Delhey). 581 RAG 14.12.38, ARS 35 180. 582 BAG 14.12.88 - 5 AZR 759/87; 5 AZR 760/87; 5 AZR 661/86 - alle nv unter I 3, 4 der Gründe mwN. 583 BAG 2.12.98 - 7 AZR 508/97 - AP BGB S 625 Nr 8.

79

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

den; S 8 4 dieses Lohnabstandsgebot ist verfassungskonform. 5 8 5 Die Herausnahme der Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus dem Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrags (§ 3 Buchst, d BAT) verstößt nicht gegen Art 3 G G . 5 8 6 g) 239

Rehabilitanden

Ob Rehabilitanden zum Träger der Rehabilitationseinrichtung in einem privatrechtlich begründeten Ausbildungsverhältnis stehen, ihnen also die Stellung von Auszubildenden im Sinne des BBiG bzw von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten iSd § 5 Abs 1 BetrVG zukommt, oder ob sich berufliche Rehabilitation auch im Verhältnis zwischen Rehabilitanden und Träger der Rehabilitationseinrichtung auf lediglich öffentlich-rechtlicher Grundlage vollzieht und dabei die Ausbildungs verträge lediglich den öffentlich-rechtlichen Rahmen ausfüllen, ohne zusätzliche privatrechtliche Verhältnisse zu begründen, ist umstritten. Das Bundesarbeitsgericht neigt der zuerst genannten Auffassung zu. Für den Fall des Streites um zusätzliche Vergütungen hat es erkannt: Wird der Ausbildungsvertrag eines behinderten Auszubildenden (Rehabilitanden) in einer Einrichtung der Berufsförderung Behinderter im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme nach § 56 AFG (nunmehr: SS 240 ff SGB III) mit entsprechenden Leistungen des Arbeitsamtes an den Auszubildenden durchgeführt, so hat der Auszubildende aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung keinen Anspruch gegen den Ausbildenden auf Zahlung von Urlaubs und Weihnachtsgeld, das der Ausbildende aufgrund besonderer tariflicher Regelungen an Auszubildende außerhalb einer Rehabilitationsmaßnahme gewährt. 5 8 7 In seinem Beschluß vom 1 3 . 5 . 1 9 9 2 hat es angenommen, berufliche Rehabilitanden iSd S 56 AFG (nunmehr: SS 240 ff SGB III) können in einem Berufsbildungswerk zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte iSd S 5 Abs 1 BetrVG sein. Diese Rechtsprechung hat es in seinem Beschluß vom 2 1 . 7 . 1 9 9 3 aufgegeben; 5 8 8 seitdem sieht es Ausbildende in einem Betrieb, dessen arbeitstechnischer Zweck in der Berufsausbildung besteht, als grundsätzlich nicht wahlberechtigt a n . 5 8 9 Für Auszubildende bzw Umschüler in solchen Einrichtungen ist allerdings der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. 5 9 0 h)

240

Zur Wiedereingliederung Beschäftigte

Die Wiedereingliederung arbeitsunfähiger sozialversicherter Arbeitnehmer ermöglicht $ 74 SGB V: Können arbeitsunfähige Sozialversicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser in das Erwerbsleben wiedereingegliedert werden, so soll der Arzt in der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben und dabei in geeigneten Fällen die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des medizinischen Dienstes einholen. Wird eine solche Wiedereingliederungsmaßnahme durchgeführt und wird der Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Maßnahme mit Arbeitsleistung beschäftigt, so wird davon die bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht berührt. Obwohl die Wiedereingliederung auf der Grundlage von S 74 SGB V und damit auf Sozialversicherungsrecht beruht, hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer werde ein Rechtsverhältnis eigener Art iSd $ 305 BGB zum Zweck der Wiedereingliederung begründet. Ein solches Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht auf eine Arbeitsleistung im üblichen Sinne gerichtet, sondern es soll als Maßnahme der Rehabilitation dem Arbeitnehmer ermöglichen, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Ohne ausdrückliche Zusage steht dem Arbeitnehmer weder aus dem Wiedereingliederungsvertrag noch von Gesetzes wegen ein Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zu. 5 9 1 Die gegenseitigen

584 BAG 18.6.97 - 5 AZR 259/96 - AP BAT $ 3d Nr 2. 585 BVerfG 2 7 . 4 . 9 9 - 1 BvR 2203/93; 1 BvR 897/95 AP GG Art 9 Nr 88. 586 LAG Köln 25.10.93 - 4 Sa 647/93 - AP BAT $ 3d Nr 1. 587 BAG 6.9.89 - 5 AZR 611/88 - AP AFG $ 56 Nr 1 Watzel). 588 BAG 13.5.92 - 7 ABR 72/91 - AP BetrVG 1972 $ 5

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Harald Schliemann

Ausbildung Nr 4; 21.7.1993 - 7 ABR 35/92 - AP BetrVG 1972 J 5 Ausbildung Nr 8. 589 BAG 12.9.96 - 7 ABR 61/95 - AP BetrVG 1972 $ 5 Ausbildung Nr 11; 20.3.96 - 7 ABR 34/95 - AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr 10. 590 BAG 21.5.97 - 5 AZB 30/96 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 32. 591 BAG 29.1.92 - 5 AZR 37/91 - AP SGB V $ 74 Nr 1.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen

Hauptleitungspflichten aus dem Arbeitverhältnis ruhen während der Wiedereingliederung.592 Nebenleistungen wie zB Fahrtkostenersatz bei der Durchführung der Wiedereingliederungsmaßnahme auf einer auswärtigen Baustelle, werden weder von Gesetzes wegen noch aufgrund Tarifvertrags geschuldet; sie können jedoch kraft ausdrücklicher oder stillschweigender besonderer Vereinbarung geschuldet sein. 593 i)

Strafgefangene

Die Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung von Strafgefangenen richtet sich nach den $$ 37-52 2 4 1 StVollzG. Nach § 37 Abs 1 StVollzG dienen Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbildung und Weiterbildung insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. Nach $ 41 StVollzG ist der Gefangene verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er aufgrund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist. Für die Ausübung einer derart zugewiesenen Tätigkeit erhält er ein „Arbeitsentgelt" ($ 43 StVollzG); er kann auch etwas ähnliches beanspruchen wie Urlaub, nämlich die Freistellung von der Arbeitspflicht für 18 Werktage nach Ausübung einer nach $ 37 StVollzG zugewiesenen oder nach $ 41 Abs 1 StVollzG ausgeübten Tätigkeit ($ 42 StVollzG). Ist ein Strafgefangener derart beschäftigt, so handelt es sich hierbei nicht um ein Arbeitsverhältnis, und zwar auch dann nicht, wenn die zugewiesene Tätigkeit nicht innerhalb der Strafanstalt, sondern im Betrieb eines Dritten vollzogen wird. 594 Dagegen liegt kein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis vor, sondern eine privatrechtlich begründete arbeitsvertragliche Beziehung zwischen dem in Strafhaft einsitzenden Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber, wenn dem Strafgefangenen gem % 39 StVollzG gestattet wird, einer Arbeit, Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung oder Umschulung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen (sog. Freigänger). 2.

Rechtstypusalternativen für Bedienstete an Hochschulen und in Kirchen

a)

Hochschulen

Im Bereich der Hochschulen richtet sich die Rechtsstellung insbesondere der Lehrenden nach den 2 4 2 jeweiligen besonderen Bestimmungen des jeweiligen Hochschulrechtes des Landes bzw des Bundes. So stehen Verwalter einer Professorenstelle jedenfalls dann in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, wenn es durch eine einseitige Maßnahme begründet worden ist und im wesentlichen öffentlichrechtlich ausgestaltet ist, soweit die Hochschulgesetze der Länder nichts anderes bestimmen. 595 Lehrbeauftragte an Hochschulen, die mit bestimmten Lehrverpflichtungen im Semester betraut werden, stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besonderer Art, wenn der Lehrauftrag durch eine einseitige Maßnahme der Hochschule erteilt wird. 596 Nach den Berliner Hochschulgesetzen stehen auch Privatdozenten in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Hochschule.597 Indessen ist die Begründung derart öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse für Hochschulbedienstete außer für Professoren nicht zwingend vorgegeben. § 46 des Hochschulrahmengesetzes bestimmt, daß die Professoren, soweit sie in das Beamtenverhältnis berufen werden, zu Beamten auf Lebenszeit oder auf Zeit ernannt werden. Dementsprechend sind daneben privatrechtliche Dienstverhältnisse hochschulrahmenrechtlich zulässig; eine Bindung besteht nur nach dem Grundsatz des Art 33 Abs 4 GG. Allein aus der Tatsache, daß Hochschullehre gehalten wird, läßt sich jedoch nicht zwingend schließen, daß der Lehrende in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht.

592 BAG 19.4.94 - 9 AZR 462/92 - AP SGB V § 74 Nr 2. 593 BAG 28.7.99 - 4 AZR 192/98 - AP SGB V S 74 Nr 3. 594 BAG 18.11.86 - 7 AZR 311/85 - AP ArbGG 1979 S 2 Nr 5 (Satzel) für den Fall der Berufsausbildung; BAG 3 . 1 0 . 7 8 - 6 ABR 46/76 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr 18; auch schon BAG 24.4.69 - 5 AZR 438/68 - AP ArbGG 1953 $ 5 Nr 18 (G. Hueck). Harald Schliemann

595 BAG 30.11.84 - 7 AZR 511/83 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr 43. 596 BAG 27.6.84 - 5 AZR 567/82 - AP BGB $611 Lehrer, Dozenten Nr 42 (Krückhans); 15.4.82 - 2 AZR 1111/79 - AP BGB $ 611 Lehrer, Dozenten Nr 27. 597 BAG 27.6.84 - 5 AZR 567/82 - AP BGB $611 Lehrer, Dozenten Nr 42 (Krückhans).

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

2 4 3 Mit wissenschaftlichen Mitarbeitern ($ 53 Abs 1 HRG) können Arbeitsverträge abgeschlossen werden; sie dürfen nach den besonderen Regelungen der $$ 57a bis f HRG auch in gesonderter Weise befristet werden (ausführlich: $ 620 BGB Rn 367 ff). b)

Kirche

2 4 4 Im Bereich der (verfaßten) Kirchen kommen ebenfalls unterschiedliche Rechtsformen als Grundlage für die Ausübung derselben kirchenlichen Dienste vor. In der katholischen Kirche stehen Priester in einem Inkardinationsverhältnis. Dadurch wird ein verbandsrechtliches Rechtsverhältnis begründet, nicht aber ein Arbeitsverhältnis. Dagegen dürfen Diakone auch in der katholischen Kirche als Arbeitnehmer tätig sein. Im Bereich der evangelischen Kirche stehen Pfarrer in der Regel in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Bestimmte Landeskirchen ermöglichen inzwischen jedoch ausnahmsweise auch die Anstellung von Pfarrern im Arbeitsverhältnis (Angestelltenverhältnis). Daneben gibt es Kirchenbeamte. Den verfaßten Kirchen steht insoweit Körperschaftsstatus und Dienstherrenfähigkeit zu. Schließlich beschäftigen Kirchen auch sonstige Angestellte, Arbeiter und Auszubildende (ausführlich $ 630 Anhang Rn 66 ff). 3.

Zivilrechtliche Grundlage außer Dienstverträgen

a)

Gesellschaftsrecht

2 4 5 Das Gesellschaftsrecht kann Grundlage für die Leistung von Diensten sein. Nach § 706 Abs 3 BGB kann der Beitrag eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch in der Leistung von Diensten bestehen. Für die Abgrenzung zum Dienstvertrag ist entscheidend, ob mit der Dienstleistung nach der zugrundeliegenden Vereinbarung der gemeinsame Gesellschaftszweck gefördert werden soll oder ob die Dienstleistung aufgrund entsprechender Vereinbarung mit dem Ziel gesonderter Vergütung erfolgt. Diese Grundsätze gelten auch für die Tätigkeit von Gesellschaftern in anders gestalteten Gesellschaften, zB in Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung usw. Entscheidend ist dabei wiederum nicht, wie die Beteiligten ihr Rechtsverhältnis benannt haben, sondern wie es nach objektiven Maßstäben praktiziert wird. 598 2 4 6 Grundsätzlich kann ein nicht geschäftsführender Gesellschafter neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung auch Arbeitnehmer der Gesellschaft sein, nämlich dann, wenn aufgrund entsprechenden Vertrages neben den Merkmalen der Gesellschafterstellung auch die Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs vorliegen, insbesondere ein hinreichender Grad persönlicher Abhängigkeit.599 Verfügen jedoch mitarbeitende Gesellschafter einer Familien-GmbH jeder für sich über eine hinreichende Sperrminorität, so sind sie keine Arbeitnehmer dieser GmbH. 600 Ebenso sind die Gesellschafter eines Zimmerunternehmens, welches in Form einer GmbH geführt wird und bei welchem alle Gesellschafter zu Geschäftsführern der GmbH bestellt worden sind, keine Arbeitnehmer der GmbH. 601 Andererseits können Gesellschafter einer GmbH mit der Gesellschaft Arbeitsverträge abschließen. Die Gesellschafterstellung schließt insoweit nicht aus, als Arbeitnehmer in die Dienste der Gesellschaft zu treten. 602 Dasselbe gilt für Arbeitsverhältnisse zwischen Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft und der Gesellschaft, nicht zuletzt mit Rücksicht darauf, daß der Kommanditist kraft Gesetzes von der Vertretung der Kommanditgesellschaft ausgeschlossen ist ($ 170 HGB) und schon von daher das Gesellschaftsrecht keine Grundlage für die Erbringung von Diensten für die Gesellschaft bietet. 603

598 BAG 28.11.90 - 4 AZR 198/90 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr 137. 599 BAG 28.11.90 - 4 AZR 198/90 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr 137; BSG 8.8.90 - 11 RAr 77/89 - ZIP 90 1566; 29.10.86 - 7 RAr 43/85 - BB 87 406; 20.3.84 7 RAr 70/82 - SozR 4100, § 168 Nr 16. 600 BAG 6.5.98 - 5 AZR 612/97 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 95; 28.11.90 - 4 AZR 198/90 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Bau Nr 137.

82

Harald Schliemann

601 BAG 1 0 . 4 . 9 1 - 4 AZR 467/90 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 54. 602 BAG 9 . 1 . 9 0 - 3 AZR 617/88 - AP GmbHG § 35 Nr 6. 603 BAG 1 1 . 5 . 7 8 - 3 AZR 21/77-AP HGB § 616 Nr 2; 26.6.67 - 3 AZR 341/66 - AP ArbGG 1953 $ 2 Zuständigkeitsprüfung Nr 30 (Böttkher) = SAE 68 259 (Baumgärtel/ Mes).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen Andererseits wird durch die Gesellschafterstellung für die Fälle, daß kein Arbeitsverhältnis besteht, die Möglichkeit des Bestehens eines gesonderten Dienstverhältnisses nicht ausgeschlossen. Von der Mit-

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arbeit als Gesellschafter ist die Frage zu trennen, auf welcher Rechtsgrundlage Organmitglieder juristischer Personen tätig sind und inwieweit ihnen arbeitsrechtlicher Schutz zukommt (Rn 2 5 8 ff). b)

Vereins- u n d Verbandsrecht

Auf der Grundlage von Vereinsrecht oder verbandsrechtlichen Sonderbeziehungen können ebenfalls

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Dienste erbracht werden. Ist diese Rechtsgrundlage ausschließlich gegeben, so fehlt es an einem Arbeitsverhältnis. Denkbar und in der Praxis nicht selten ist jedoch, daß die Vereins- oder verbandsrechtliche Sonderbeziehung und ein Arbeitsvertrag nebeneinander bestehen. So sind Amateurfußballspieler in der Regel keine Arbeitnehmer ihres Fußballvereins. Dagegen können Vertragsamateure iSd $ 15 der Spielordnung des Deutschen Fußballverbandes Arbeitnehmer sein. Sie müssen dann aufgrund der jeweiligen Vertragsgestaltung und -abwicklung ihre Leistungen für den Verein in einer für ein Arbeitsverhältnis typischen persönlichen Abhängigkeit erbringen, die über die bereits durch die Vereinsmitgliedschaft begründete Weisungsgebundenheit hinausgeht. Macht ein Fußballverein bei der praktischen Handhabung des Sportbetriebes keinen Unterschied zwischen Amateuren und Vertragsamateuren, so kann dies ein Grund für eine einheitliche Statusbeurteilung mit der Folge sein, daß allen Spielern die Arbeitnehmereigenschaft fehlt. 6 0 4 Dagegen stehen Berufssportler zu dem Verein, für den sie ihren Sport berufsmäßig ausüben, in einem Arbeitsverhältnis. 6 0 5

249

Das Rechtsverhältnis zwischen einer Schwesternschaft des Deutschen R o t e n Kreuzes und ihren Mitgliedern erschöpft sich mangels Abschlusses eines besonderen Arbeitsvertrages in den vereinsrechtlichen Pflichten und Rechten. Die mit ihrem Beitritt zu einer Schwesternschaft übernommene Pflicht der Rote-Kreuz-Schwester, in der karitativen Krankenpflege tätig zu werden, gründet sich deshalb allein auf ihre Zugehörigkeit zu einer Schwesternschaft. Neben dieser alle maßgeblichen Rechte und Pflichten umfassenden Mitgliedschaft wird ein besonderes Arbeitsverhältnis in der Regel nicht begründet. 6 0 6 Ob es allerdings zutreffend ist, eine Schwester, die nicht Mitglied der Schwesternschaft des Roten Kreuzes ist, aber die Schwesternordnung als für sich verbindlich erkennt und sich dem Lebenskreis der Schwesternschaft anschließt (sog. Gastschwester), rechtlich wie ein Mitglied der Schwesternschaft zu behandeln, 6 0 7 erscheint zumindest zweifelhaft. Denn wenn noch keine mitgliedschaftliche Bindung und damit kein vereinsrechtliches Band besteht, liegt zumindest nahe, den (stillschweigenden) Abschluß eines Arbeitsvertrages zu den üblichen Entgeltbedingungen (vgl $ 612 Rn 8 f) anzunehmen. Später sind mit Gastschwestern Arbeitsverträge geschlossen worden. 6 0 8 Das Bundesarbeitsgericht hat ferner angenommen, die Mitglieder einer Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes sind auch dann keine Arbeitnehmerinnen, wenn sie nicht in einem von der Schwesternschaft selbst getragenen, sondern

250

aufgrund eines Gestellungsvertrags in einem von einem Dritten betriebenen Krankenhaus tätig sind. Zum Betriebsrat für das „freie Pflegepersonal" der Schwesternschaft des Krankenhauses seien daher die Mitglieder der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes nicht wahlberechtigt. 6 0 9 Dieser Entscheidung ist zwar im Ergebnis zuzustimmen. Die mangelnde Wahlberechtigung der Rote-Kreuz-Schwestern zum Betriebsrat für das Pflegepersonal des Krankenhauses, in welchem sie aufgrund eines Gestellungsvertrages tätig waren, beruht allerdings nicht auf ihrer vereinsrechtlichen Zugehörigkeit zum Deutschen Roten Kreuz, sondern darauf, daß sie zum Träger des Krankenhauses nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben. Wahlberechtigt sind nur Arbeitnehmer eines Betriebes, die zum Inhaber des Betriebes in einem Arbeitsverhältnis stehen. 6 1 0 Mit Rücksicht auf den Gestellungsvertrag ist auch zweifelhaft, ob 604 BAG 10.5.90 - 2 AZR 607/89 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 51. 605 BAG in std Rspr, vgl statt vieler: BAG 29.10.98 7 AZR 436/97 - AP BGB S 611 Berufssport Nr 13; BAG 20.11.96 - 5 AZR 518/95 - AP BGB $611 Berufssport Nr 12. 606 BAG 20.2.96 - 6 ABR 5/85 - AP BetrVG 1972 $ 5 Rotes Kreuz Nr 2; 6.7.95 - 5 AZB 9/93 - AP ArbGG 1979 S 5 Nr 22. Harald Schliemann

607 So noch BAG 18.2.56 - 2 AZR 249/54 - AP ArbGG 1953 s 5 Nr 1 (Herschel). 608 Vgl. BAG 14.12.94 - 7 ABR 26/94 - AP BetrVG 1972 S 5 Rotes Kreuz Nr 3. 609 BAG 20.6.86 - 6 ABR 5/85 - AP BetrVG 1972 S 5 Rotes Kreuz Nr 2. 610 BAG 18.1.89 - 7 ABR 21/88 - AP BetrVG 1972 § 9 Nr 1.

83

S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht wie Richardi meint - , es sich um einen Sonderfall eines mittelbaren Arbeitsverhältnisses handelt, welches sich von einem Leiharbeitsverhältnis dadurch unterscheide, daß der Dienstverschaffende zum Dienstleistenden nicht in einem Arbeitsverhältnis stehe. 6 1 1 251

Ebenfalls auf einer verbandsrechtlichen Sonderbeziehung und nicht auf der Grundlage von Arbeitsverträgen sind Ordensmitglieder und Mitglieder von Säkularinstituten der katholischen Kirche sowie evangelische Diakonissen tätig. Sie sind grundsätzlich von der Geltung des Arbeitsrechts ausgenommen, denn sie sind Personen, „die in einem so engen Verhältnis zur Kirche stehen, daß sie mit der von ihnen gewählten Lebensform einen Stand der Kirche bilden." (Kirchliches Arbeitsrecht: $ 6 3 0 Anhang, Rn 4 9 ff). 6 1 2 c)

Familienrecht

252

Die Mitarbeit der Familienangehörigen kann auf familienrechtlicher Grundlage erfolgen, sie kann aber auch auf einem zwischen den Ehegatten oder Familienangehörigen abgeschlossenen Arbeitsvertrag beruhen. Gelegentlich steht bei nicht so sehr der arbeitsrechtliche, sondern der sozialversicherungsrechtliche Schutz im Vordergrund des Interesses.

253

Nach $ 1356 Abs 2 BGB in der bis 30. Juni 1976 geltenden Fassung war jeder Ehegatte verpflichtet, im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten mitzuarbeiten, soweit dies nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten lebten, üblich war. Eine derartige Mitarbeit ist seitdem nicht mehr vorgeschrieben. Ggfs kann allerdings eine solche Verpflichtung unmittelbar aus der im Recht der ehelichen Lebensgemeinschaft anerkannten Beistandspflicht (vgl $ 1353 BGB) folgen. Arbeitet ein Ehegatte im Dienste eines anderen Ehegatten oder leistet er dem anderen Ehegatten außerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft Dienste, so kann dies aber auch darauf zurückzuführen sein, daß zwischen beiden ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Insoweit haben die entsprechenden Vereinbarungen der Eheleute Vorrang. Die bloße Tatsache des Bestehens der Ehe schließt nicht aus, daß zwischen den Ehepartnern auch arbeitsvertragliche Beziehungen begründet worden sind. Entscheidend ist insoweit das von den Eheleuten nach außen gezeigte objektive Verhalten. Hieran knüpft auch das Steuerrecht an. Steuerrechtlich werden in der Regel Arbeitsverhältnisse unter Ehegatten nur anerkannt, wenn die vereinbarte Vergütung tatsächlich gezahlt wurde, auch wenn der Arbeitslohn unüblich geringfügig oder niedrig ist. 6 1 3 Allerdings kommt es unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Pfändungsgläubiger darauf an, ob aus der Sicht des Dritten eine ständige und üblicherweise zu vergütende Mitarbeit anzunehmen ist. Im Regelfall sind unter diesem Gesichtspunkt ehelicher Beziehung für die Frage der Vergütungspflicht unerheblich und können nur auf die Höhe der Vergütung Einfluß gewinnen. 6 1 4 Denkbar ist auch, daß Ehegatten untereinander eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden. Die Abgrenzung, ob die Mitarbeit auf familienrechtlicher Grundlage erfolgt, aufgrund Arbeitsvertrages oder entsprechend $ 706 Abs 3 BGB durch Erbringung von Diensten auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, ist nur unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls möglich. 6 1 5 Mit Rücksicht auf die Änderung des $ 1356 Abs 2 BGB ab 1. Juli 1977 sind frühere Entscheidungen zur Frage des Bestehens von Arbeitsverhältnissen unter Ehegatten mit Zurückhaltung zu betrachten. 6 1 6 Dies gilt auch für die Fälle, in denen ein Ehepartner in dem Geschäft, das der andere Ehepartner mit Dritten zusammen als Gesellschaft betrieb, mitgearbeitet h a t . 6 1 7 Dagegen kann auf eine familienrechtliche Grundlage nicht zurückgegriffen werden, wenn die Mitarbeit nur in Erwartung einer Eingehung der

611 Staudinger/Ricftardi BGB13, Vorbem zu $$611 ff Rn 241, 242. 612 BAG 14.2.78 - 1 AZR 280/77 - AP GG Art 9 Nr 26 (Frank). Das BVerfG hat das Urteil wegen Verstoßes gegen Art 140 GG aufgehoben (BVerfGE 57 220), ohne die Feststellung des BAG zur Bildung eines Standes in der Kirche in Frage zu stellen. Über die strittige Frage der Duldung gewerkschaftlicher Werbe-, Informations- und Betreuungstätigkeit in kirchlichen Einrichtungen hat das BAG sodann erneut entschieden (BAG 19.1.82 - 1 AZR 279/81 - AP GG Art 140 Nr 10). 84

Harald Schliemann

613 BFH 22.11.96 - VI R 20/94 - AP BGB $ 611 Ehegatten-Arbeitsverhältnis Nr 6; BVerfG 7.11.95 - 2 BvR 802/90 - AP BGB $ 611 Ehegatten-Arbeitsverhältnis Nr 5; BFH 28.7.83 - IV R 103/82 - NJW 84 1487 mwN. 614 BAG 4.5.78 - 5 AZR 151/76 - AP ZPO $ 850 h Nr 16 (Pecher). 615 Vgl für Ausbau und Einrichtung einer ärztlichen Praxis BGH 5.7.74 - IV ZR 203/72 - NJW 74 2045. 616 BGH 20.5.80 - VI ZR 202/78 - NJW 80 2196. 617 Vgl zB BAG 19.7.73 - 5 AZR 43/73 - AP BGB $ 611 Faktisches Arbeitsverhältnis Nr 19 (Buchner).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen

Ehe erfolgt, 618 insoweit kann allerdings ein Anspruch aus fehlgeschlagener Vergütungserwartung bestehen (Rn 256). Leisten Kinder ihren Eltern im Geschäft Dienste, so ist als Rechtsgrundlage primär an $ 1619 BGB zu denken. Jedoch können auch in solchen Fällen Arbeitsverhältnisse eingegangen sein. 619 Ebenso können zwischen Eltern und Kindern auch gesellschaftsrechtliche Beziehungen bestehen, auf deren Grundlage Dienste geleistet werden (Innengesellschaft). Auch kommt eine Vergütung - ohne Qualifizierung des Dienstverhältnisses als Arbeitsverhältnis - nach $ 612 Abs 1 BGB in Betracht.

254

Wird Arbeit in Erwartung von Eheschließung, Erbeinsetzung usw geleistet und wird diese Erwartung später enttäuscht, so kann unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der fehlgegangenen Vergütungserwartung ein nachträglicher Ausgleich erforderlich sein ($ 612 Rn 27).

255

d)

Franchise

Bei bestimmten Arten von Franchiseverträgen kann der Franchise-Nehmer derart in persönlicher Abhängigkeit zum Franchise-Geber stehen, daß der Franchise-Nehmer als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. 6 2 0 Franchiseverträge haben in der Regel zwar auch die Leistung von Diensten zum Gegenstand. Indessen ist die Verpflichtung zur Dienstleistung nicht immer auf den Franchise-Nehmer beschränkt, sondern sie trifft in der Regel auch den Franchise-Geber. Aufgrund des eigenständigen Gesamtbildes werden Franchiseverträge als Verträge eigener Art angesehen, bei denen je nach Gestaltung im Einzelfall dienstvertragsrechtliche, lizenzrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Elemente den wesentlichen Inhalt bilden. Bei sogenanntem Subordinations-Franchising taucht die Frage der persönlichen Abhängigkeit des Franchise-Nehmers auf, wenn dieser aus nur einer natürlichen Person besteht. In einem solchen Fall war die Bindung der Vertriebspartner hinsichtlich der Dauer und der Lage der Arbeitszeit und des Urlaubs innerhalb der vorgegebenen Ladenöffnungszeiten besonders zu würdigen. Mit Ausnahme eines vierwöchigen Urlaubs während der Schulsommerferien hatte der Vertriebspartner „stets präsent" zu sein, Wobei er sich an einem Werktag pro Woche vertreten lassen durfte, nicht aber am Freitag und am Sonnabend. 621 Denselben Vertrag hatte das Bundesarbeitsgericht allerdings auch im Rahmen einer Sachentscheidung zu würdigen, in der ein Mitarbeiter eines Franchise-Nehmers geltend gemacht hatte, zum Franchise-Geber in einem mittelbaren Arbeitsverhältnis zu stehen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Annahme eines mittelbaren Arbeitsverhältnisses mit der Begründung abgelehnt, der unmittelbare Vertragspartner des Franchise-Gebers sei nicht dessen Arbeitnehmer. 6 2 2 Für die Abgrenzung, ob der Franchise-Nehmer Arbeitnehmer des Franchise-Gebers ist oder nicht, ist vor allem in den Fällen der sogenannten Ein-Firmen-Bindung, dh der Bindung des Franchise-Nehmers nur an einen einzigen Franchise-Geber, zu prüfen, inwieweit Arbeits-, Ladenöffnungs- oder Betriebslaufzeiten oder Urlaubsregelungen vorgegeben werden. Insgesamt ist aber auch in diesen Fällen das Gesamtheitsbild unter Beachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu würdigen, weil es allgemeingültige, auf alle Fälle passende Kriterien zur Bestimmung des erforderlichen Grades der persönlichen Abhängigkeit nicht gibt. 6 2 3 Denkbar ist auch, daß der Franchisenehmer mangels hinreichenden Grades persönlicher Abhängigkeit nicht Arbeitnehmer, sondern arbeitnehmerähnliche Person ist. 6 2 4

618 BAG 2 3 . 4 . 5 9 - 2 AZR 118/56 - AP BGB $ 518 Nr 1 (G. Hueck). 619 Vgl zur steuerlichen Anerkennung schon BFH 1 7 . 2 . 5 5 - IV R 520/53 U - AP BGB $ 611 Arbeitsverhältnis zwischen Eltern und Kindern für den Fall der Mitarbeit des Kindes Nr 1 sowie BFH 6 . 1 0 . 6 1 - VI 244/61U AP eb für den Fall der Mitarbeit der Mutter im Haushalt der berufstätigen Tochter Nr 5; ferner zur Frage der Sozialversicherungspflicht schon BSG 5 . 4 . 5 6 - 3 RK 65/55 BSGE 3 30 = AP eb Nr 2 und BSG 2 9 . 3 . 1 9 6 2 - 3 RK 85/59 - AP eb Nr 3. 620 BAG 2 1 . 2 . 1990 - 5 AZR 162/89 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 32. Harald Schliemann

256

621 Jaques-Wein-Depot I" - LAG Düsseldorf 2 0 . 1 0 . 8 7 - 1 6 TaBV 83/87 - Betrieb 88 293. Der Rechtsstreit wurde nach Änderung der zugrundeliegenden Verträge im dritten Rechtszug durch eine Verfahrensentscheidung beigelegt (BAG 1 3 . 9 . 8 9 - 7 ABR 5/88 - NJW 9 1 5 2 0 [Hinweis]). 622 BAG 2 . 1 2 . 9 0 - 5 AZR 162/89 - AP BGB $ 6 1 1 Abhängigkeit Nr 57. 623 BAG 2 9 . 1 . 9 2 - 7 ABR 25/91 - EzA $ 5 BetrVG 1972 Nr 51 unter Β I 2 d der Gründe mwN. 624 BAG 1 6 . 7 . 9 7 - 5 AZR 29/96 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 37 (Kreuder).

85

257

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

4.

Freie Dienstverträge

Personen, die auf der Grundlage freier Dienstverträge Dienst- oder Arbeitsleistungen erbringen, sind keine Arbeitnehmer. Dies schließt jedoch nicht aus, daß auf das jeweilige Dienstleistungsverhältnis einzelne arbeitsrechtliche S c h u t z n o r m e n anwendbar sind. a)

258

Organmitglieder juristischer Personen

Organmitglieder juristischer Personen stehen als solche nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der juristischen Person, zu deren gesetzlicher Vertretung sie berufen oder bestellt sind. Dies betrifft bei Aktiengesellschaften die Vorstandsmitglieder ($ 87 Abs 1, $ 84 Abs 2 AktG), bei Gesellschaften m i t beschränkter Haftung den gem $ 35 Abs 1 GmbHG bestellten Geschäftsführer, bei Genossenschaften deren Vorstandsmitglieder ($ 24 Abs 1 GenG) ebenso bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit deren Vorstandsmitglieder ($ 34 Abs 1 S 2 VAG iVm. $ 78 Abs 1 AktG). Nach allgemeiner Ansicht bestehen schon deswegen zwischen den Personen in derartigen Organstellungen und den von ihnen organschaftlich vertretenen juristischen Personen keine Arbeitsverträge, sondern freie Dienstverträge, weil es an einer für einen hinreichenden Grad persönlicher Abhängigkeit vorauszusetzender Weisungsgebundenheit fehlt; als Organmitglieder haben diese Personen selbst Weisungen zu erteilen. Für Geschäftsführer einer GmbH gilt trotz § 37 GmbHG, wonach der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern weisungsgebunden ist, nichts anderes. 625 Indessen erscheint diese kategorische Annahme materiell-rechtlich Überdenkenswert. 626 Hinsichtlich des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen ist wegen der Fiktion des S 5 Abs 1 S 3 ArbGG unerheblich, ob das Anstellungsverhältnis des Organmitgliedes zu der von ihm vertretenen Gesellschaft oder Einrichtung als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. 6 2 7 Indessen können Vorstände oder Geschäftsführer einer konzernabhängigen juristischen Person (Aktiengesellschaft, GmbH) ihrerseits in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen, in der Regel übergeordneten oder personalführenden Konzernunternehmen stehen, wenn der Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses die Ausübung der organschaftlichen Vertretung in der anderen Konzerngesellschaft ist, wobei die bloße Bestellung zum Geschäftsführer der konzernabhängigen Untergesellschaft regelmäßig noch nicht bedeutet, daß der Arbeitsvertrag mit der Konzernobergesellschaft aufgehoben ist. 6 2 8 Allerdings reicht für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Konzernunternehmen nicht aus, daß insoweit eine konzernrechtliche Weisungsbefugnis besteht. 6 2 9 Möglich ist auch, daß der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG ist; dies hängt wiederum davon ab, inwieweit ein hinreichender Grad persönlicher Abhängigkeit besteht. 6 3 0 Umgekehrt wird ein für die Kommanditgesellschaft tätiger Gesamtprokurist schon dadurch zum freien Dienstnehmer, daß er zum Mitgeschäftsführer der Komplementär-GmbH bestellt wird. 6 3 1 Ebenso kann bei einem Arbeitnehmer einer juristischen Person, der sodann zum Organ bestellt worden ist, das Arbeitsverhältnis ruhend gestellt sein und wieder aufleben, wenn die Dienststellung als Organ endet. 6 3 2 Ein als freies Dienstverhältnis begründetes Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitgliedes einer Sparkasse wandelt sich nicht ohne weiteres in ein Arbeitsverhältnis um, wenn die Organstellung infolge einer Fusion erlischt. 6 3 3

259

Die Sozialversicherungspflicht besteht nicht für Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in der Krankenversicherung (vgl § 5 SGB V) und in der Rentenversicherung (vgl § 1 SGB VI). Ob für andere Organmitglieder Sozialversicherungspflicht besteht, ist nach § 7 SGB IV zu beurteilen. Das Bundessozialgericht hat das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung iSd Bestimmung in aller Regel ange625 BAG 13.6.96 - 5 AZB 27/95 - AP ArbGG 1979 S 5 Nr 27; offengelassen in BAG 12.3.87 - 2 AZR 336/86 - AP ArbGG § 5 1979 Nr 6. 626 MünchKommBGB/MüZter-GZige $ 611 Rn 114. 627 BAG 6.5.99 - 5 AZB 22/98 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr 46. 628 BAG 2 0 . 1 0 . 9 5 - 5 AZB 5/95 - AP ArbGG 1979 $ 2 Nr 36. 629 Staudinger/Rtcftardi BGB13 Vorbem zu SS 611 ff Rn 444.

86

Harald Schliemann

630 BAG 15.4.82 - 2 AZR 1101/79 - AP KSchG 1969 Nr 1 S 14 (Beitzke). 631 BAG 13.7.95 - 5 AZB 37/94 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 23. 632 BAG 18.12.96 - 5 AZB 25/96 - AP ArbGG 1979 $ 2 Zuständigkeitsprüfung Nr 3. 633 BGH 10.1. 2000 - Π ZR 251/98 - AP BGB $ 611 Organvertreter Nr 15.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen

nommen für nicht mehrheitlich am Kapital beteiligte GmbH-Geschäftsführer 634 und für Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft. 635 Auch wenn die Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers zur Folge hat, daß die gesetzlichen Regelungen über die Karenzentschädigung bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ($$ 74 ff HGB) nicht anzuwenden sind, schließt dies die Anwendung des $ 128a AFG (Erstattungspflicht wegen eines Wettbewerbsverbots - jetzt S 148 SGB III) nicht

b)

Handelsvertreter

Handelsvertreter betreiben ein selbständiges Gewerbe. Das für die Arbeitnehmereigenschaft wesentliehe Merkmal der persönlichen Abhängigkeit unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsleistung im Dienste eines anderen ist für eine exakte Abgrenzung des Handelsvertreters zum Angestellten unbrauchbar. Handelsvertreter ist nämlich, wer ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs 1S 1 HGB). Unter diesem Gesichtspunkt ist der Handelsvertreter wegen der ständigen Betrauung mit derartigen Geschäften in die Organisation des Unternehmers, nämlich in dessen Vertriebsorganisation oder (seltener) Einkaufsorganisation, eingebunden. Folgerichtig differenziert das Gesetz bei Unterscheidung zwischen einem (freien) Handelsvertreter und einem Angestellten danach, ob Selbständigkeit iSd $ 84 Abs 1, 2 HGB vorliegt. Nach $ 84 Abs 1 S 2 HGB ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; nach § 84 Abs 2 gilt als Angestellter, wer, ohne selbständig iSd Abs 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.

260

Freie Handelsvertreter sind keine Arbeitnehmer, und zwar auch dann nicht, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. 637 Für Rechtsstreitigkeiten aus ihrem Handelsvertreterverhältnis sind daher auch nicht die Gerichte für Arbeitssachen zuständig, sondern die ordentlichen Zivilgerichte. Für sogenannte Ein-Firmen-Vertreter sind allerdings die Gerichte für Arbeitssachen nach näherer Maßgabe von § 5 Abs 3 ArbGG zuständig. An der materiell-rechtlichen Stellung dieser Personen als Handelsvertreter ändert diese besondere gerichtliche Zuständigkeitsregelung indessen nichts. 6 3 8

261

Die in $ 84 Abs 1 S 2 HGB enthaltenen Kriterien stellen keine abschließende Aufzählung dar. Die im wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit und im wesentlichen freie Bestimmung der Arbeitszeit sind zwei wichtige Gesichtspunkte bei der Prüfung, inwieweit es sich um einen freien Handelsvertreter handelt oder um eine Person, die als Angestellter und damit als Arbeitnehmer gilt. Daneben ist jedoch die Berücksichtigung weiterer Kriterien möglich, wie zB die Frage der Weisungsfreiheit, die Freiheit im Einsatz der Arbeitskraft, die Führung eines eigenen Unternehmens oder eigenen Geschäftsbetriebes und das selbst übernommene sogenannte Unternehmerrisiko. 639 Der Gesichtspunkt der Erbringung der Arbeitsleistung im Rahmen einer von einem Dritten bestimmten Arbeitsorganisation ist für die Abgrenzung von Handelsvertretern auf der einen Seite zu unselbständigen Handlungsreisenden bzw Angestellten auf der anderen Seite nur begrenzt brauchbar. Denn der Handelsvertreter ist insoweit in die arbeitstechnische Organisation des anderen Unternehmers einbezogen, als er ständig damit betraut ist, für diesen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Insoweit gewinnen die Gesichtspunkte der freien Gestaltung der Tätigkeit und der freien Bestimmung der Arbeitszeit größeres Gewicht. 640 So bemerkt der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung, unter welchen Voraussetzungen eine „freiberufliche Propagandistin" in einem Verkaufsstand, den ein Unternehmer in einem Kaufhaus eines Dritten angemietet hat, als Handelsvertreterin oder als Arbeitnehmerin anzusehen ist, es sei „dem Umstand keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen, daß der Arbeitsablauf als solcher für die Klägerin weitgehend festgelegt war und sie den

262

634 Nr 1. 635 636 637

BSG 1 4 . 1 2 . 9 9 - Β 2 ü R 48/98 - EzA SGB IV $ 7 BSG 2 1 . 2 . 9 0 - 12 RK 47/87 - NZA 90 950. BSG 9 . 8 . 9 0 - 11 RAr 119/88 - NZA 91 159. BAG 1 5 . 1 2 . 9 9 - 5 AZR 566/98 - AP HGB § 84 Nr 9.

Harald Schliemann

638 BAG 2 0 . 4 . 6 4 - 5 AZR 278/63 - AP HGB $ 90 a Nr 1 (Hefermehl). 639 BAG 2 1 . 1 . 6 6 - 3 AZR 193/65 - AP HGB § 92 Nr 2. 640 Vgl Staudinger/Rtcfterdi BGB 1 3 , Vorbem zu SJ 611 ff Rn 251; auch Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 258.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Kunden gegenüber nicht anders auftrat, als es die angestellten Verkäuferinnen und Verkäufer des Kaufhauses in ihren Bereichen taten". 641 In der Begründung zur Novelle des Handelsvertreterrechts mit Hilfe einer Neubestimmung des Handelsvertreterbegriffs, bei Einführung einer Reihe zwingender Vorschriften und der Einführung des Ausgleichsanspruchs nach $ 89b HGB im Jahre 1953 6 4 2 wird deutlich daraufhingewiesen, daß schon nach dem Zweiten Weltkrieg Personen in die Rechtsstellung eines Handelsvertreters gedrängt wurden, die tatsächlich abhängig wie Angestellte waren, 643 daß aber die wirtschaftliche Selbständigkeit oder Unselbständigkeit im Gegensatz zur persönlichen nicht als begriffliches Unterscheidungsmerkmal verwendet werden kann. 644 263

Dementsprechend ist bei der Abgrenzung des Handelsvertreters von dem als Angestellten geltenden Handlungsreisenden eine Akzentverschiebung gegenüber der Abgrenzung des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs von dem Begriff der freien Mitarbeiter festzustellen, wie sie sich bereits in der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts niedergeschlagen hat. 645 Gleichwohl ist auch im Rahmen des $ 84 HGB trotz der gesetzlichen Festlegung der Begriffsmerkmale eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, in dem er ausführte, es werde „wie bisher . . . von der Würdigung aller einzelnen Umstände abhängen, ob die Selbständigkeit zu bejahen ist". 6 4 6 Demgegenüber versucht ein Teil der Lehre, freie Handelsvertreter von unselbständig handelnden Angestellten mit Hilfe einer teleologischen Abgrenzung nach dem Unternehmerrisiko zu unterscheiden. Als in diesem Zusammenhang nicht entscheidend wird die persönliche Abhängigkeit angesehen. Vielmehr komme es auf die Gesamtabwägung der nach Gesetz und Vertrag für den Handelsvertreter bestehenden unternehmerischen Chancen und Risiken an, wobei die Risikokombination ein besonderes Augenmerk verdiene. Die meisten Merkmale seien, isoliert betrachtet, ambivalent bewertbar, so daß eine Gesamtbetrachtung des Unternehmerrisikos erforderlich sei. 647 Das Bundesarbeitsgericht ist diesem Ansatz ebensowenig gefolgt wie dem hierauf abstellenden Ansatz in $ 7 Abs 4 SGB IV (idF vom 20.12. 1999). 648

2 6 4 Praktisch bedeutsam ist aber nicht nur die Abgrenzung zwischen freien Handelsvertretern einschließlich Versicherungs- und Bausparkassenvertretern auf der einen Seite und Arbeitnehmern auf der anderen Seite, sondern - insbesondere auf dem Gebiet der Absatzmittlung - auch die zwischen Handelsvertretern und freien Mitarbeitern, 649 Pächtern, 650 Franchising. 651 Ebenso stellt sich die Abgrenzungsfrage zB in Relation zwischen Pachtvertrag und Arbeitsvertrag bzw abhängigem Beschäftigungsverhältnis.652 Auch bei weniger typisierten Verträgen zur Absatzmittlung oder zur Herstellung von Geschäftsbeziehungen stellt sich die Frage, ob die Beauftragten Selbständige und unter diesem Gesichtspunkt Handelsvertreter sind oder ob es sich bei ihnen um Arbeitnehmer bzw um abhängig Beschäftigte im Sinne des Sozialversicherungsrechts handelt, so zB für den Fall der Beauftragung mit der Herstellung von Geschäftsbeziehungen zu Firmen in Jugoslawien653 oder im Fall sogenannter Bezirksstellenleiter eines staatlichen Lotterie-Unternehmens („Süd-Lotto").654

641 BGH 11.3.82 - 1 ZR 27/80 - AP HGB $ 84 Nr 3. 642 Gesetz ν 6.8.52, BGBl 1771. 643 BT-Drs 1/3856, 9. 644 BT-Drs 1/3856, 14. 645 Vgl statt vielen BAG 21.1.66 - 3 AZR 193/65 - AP HGB $ 92 Nr 2. 646 BT-Drs 1/3876, 15. 647 Vor allem Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, 261; ders Die „neue Selbständigkeit", Betrieb 92 90, 91 zur Kombination von persönlicher Abhängigkeit und Unternehmerrisiko als Abgrenzungsmerkmale auf Arbeitnehmer und Selbständige schlechthin. 648 BAG 15.12.99 - 5 AZR 566/98 - AP HGB $ 84 Nr 9; 1 5 . 1 2 . 9 9 - 5 AZR 3/99 - AP HGB $ 92 Nr 5.

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Harald Schliemann

649 ZB BGH 4.12.81 - 1 ZR 200/79 - AP HGB $ 84 Nr 2 sowie BGH 11.3.82 - 1 ZR 27/80 - AP HGB $ 84 Nr 3. 650 ZB BGH 15.11.84 - I ZR 79/82 - NJW 85 860 einerseits, BGH 29.11.84 - I ZR 149/2 - NJW 85 862 (LS) andererseits. 651 Vgl zum Begriff: EWG-VO Nr 4087/88 Abl.EG Nr L 359. 652 BAG 13.8.80 - 4 AZR 592/78 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 37 (Pächter einer Bundeswehrkantine); sa BSG 11.8.66 - 3 RK 57/63 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 5 (Tankstellen„pächter"). 653 BGH 19.5.82 - 1 ZR 68/80 - AP HGB $ 84 Nr 4 = LM Nr 15 zu HGB § 84. 654 BSG 1.12.77 - 12/3/12 RK 39/74 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 27.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen c)

Freie Mitarbeiter

Freie Mitarbeiter unterscheiden sich durch den Grad ihrer persönlichen Abhängigkeit von Arbeitnehmern. Auf freie Mitarbeiter finden die Regeln des Arbeitsrechts keine Anwendung. Sie können

265

jedoch arbeitnehmerähnliche Personen sein, so daß unter diesem Gesichtspunkt teilweise arbeitsrechtliche Bestimmungen anzuwenden sind. Wegen der Einzelmerkmale, die zur Unterscheidung der freien Mitarbeiter einerseits von Arbeitnehmern andererseits zu beachten sind, wird auf die Ausführungen zum Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht verwiesen (Rn 192 ff). Die Klärung, ob es sich um ein freies Mitarbeiterverhältnis oder um ein Arbeitsverhältnis aufgrund Dienstvertrags handelt, zählt zu den ständigen Aufgaben der Rechtsprechung, vor allem der Gerichte für Arbeitssachen und der Sozialgerichte, aber auch der anderen Gerichte (Rn 182 und Rn 192 ff). Dabei gehen die Gerichte einzelfallbezogen vor. Die Rechtsprechung ist kaum noch überschaubar. Ein Teil der Literatur führt lange Listen mit Einzelfällen, die jeweils dahingehend geordnet sind, ob die Arbeitnehmereigenschaft bejaht oder verneint wurde. 6 5 5 Diese Übersichten sind als Anhaltspunkte zum Aufspüren „einschlägiger" Fälle sehr hilfreich. Indessen darf das Ergebnis des jeweiligen Einzelfalles nicht verallgemeinert werden, weil es sich jeweils um eine Einzelfallprüfung handelt. Aus der jüngeren Rechtsprechung sind vor allem folgende Einzelfälle zur Statusbeurteilung zu nennen:

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Aus d e m Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter hatte das Bundesarbeitsgericht den arbeitsrechtlichen Status eines mit den Aufgaben eines Lektors betrauten wissenschaftlichen Mitarbeiters zu klären. Der Mitarbeiter konnte den wesentlichen Teil seiner Aufgaben in selbstbestimmter Arbeitszeit an einem selbstgewählten Arbeitsort verrichten; seine Arbeitnehmereigenschaft wurde nicht anerkannt. 6 5 6 Für wissenschaftliche Mitarbeiter, die an ihrem selbstgewählten Arbeitsort (eigene Wohnung) als Literaturauswerter tätig waren, indem sie für eine wissenschaftliche Informationseinrichtung wissenschaftliche Literatur zum Zwecke der Dokumentation auswerteten und aufbereiteten, hat das Bundesarbeitsgericht die Arbeitnehmereigenschaft ebenfalls abgelehnt, 6 5 7 mit einer anderen Mentorin an einem anderen Ort hatte dieselbe Fernuniversität, die dort entsprechende Aufgaben zu erfüllen hatte, dagegen einen Arbeitsvertrag geschlossen. 5 5 8 Eine Mentorin, die aufgrund eines sogenannten „freien Dienstvertrages" von einer Universität beschäftigt worden war und im Wege der Verwaltungshilfe für eine Fernuniversität am auswärtigen Studienort zur allgemeinen Studienberatung der Studenten der Fernuniversität eingesetzt worden war, ist als Arbeitnehmerin angesehen worden. 6 5 9

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Auch im Bereich der medizinischen Berufe sind immer wieder Statusfragen zu klären. Als geklärt angesehen werden kann, daß Chefärzte eines Krankenhauses oder - in größeren Krankenhäusern einer Krankenhausabteilung Arbeitnehmer sein können, obwohl sie bei ihrer rein ärztlichen Tätigkeit, dh bei der Behandlung der Patienten, eigenverantwortlich und an Weisungen des Krankenhausträgers nicht gebunden sind. Allerdings setzt ein Arbeitsverhältnis in solchen Fällen voraus, daß der Chefarzt im übrigen im wesentlichen weisungsgebunden und insoweit vom Krankenhausträger als seinem Arbeit-

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geber persönlich abhängig ist. Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht das Recht des Chefarztes zur Selbstliquidation gegenüber Privatpatienten nicht entgegen. 6 6 0 Die Betätigung des Arztes in einem Krankenhaus für den Liquidationsbereich des dort angestellten Chefarztes erfolgt im Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus. 6 6 1 Einer Ärztin, die aufgrund eines „Dienstvertrages" mit dem Gesundheitsamt zu den vom Gesundheitsamt festgesetzten Terminen Mütterberatungen, Schuluntersuchungen u n d S c h u t z i m p f u n g e n durchzuführen hatte und im Rahmen des Vertrages auch bei sozialhygienischen Stellungnahmen und ähnlichem eingesetzt wurde, ist als Arbeitnehmerin angesehen worden, weil sie

655 KRjRost Arbeitnehmerähnliche Personen, Rn2830 (1142-1147); Schaub $ 8 III 2 Rz 38; Worzalla Arbeitsverhältnis - Selbständigkeit, Scheinselbständigkeit, 2131. 656 BAG 27.3.91 - 5 AZR 194/90 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 53. 657 BAG 25.3.92 - 7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 48. Harald Schliemann

658 BAG 16.10.87 - 7 AZR 614/86 - AP BGB § 620 Hochschule Nr 5. 659 BAG 15.3.89 - 7 AZR 579/87 - nv. 660 BAG in std Rspr: 22.1.97 - 5 AZR 441/95 - AP BGB $ 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr 33; ausführlich: BAG 27.7.61 - 2 AZR 255/61 - AP BGB $ 611 Ärzte, Gehaltsansprüche Nr 24 (Molitor). 661 BGH 26.2.98 - ΠΙ ZB 26/97 - FA 99 95 (LS). 89

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel

Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

im Rahmen der vom Gesundheitsamt festgelegten monatlichen Dienstpläne tätig zu sein hatte. 662 Dagegen steht eine Hebamme mit Belegvertrag gegenüber dem Träger des Krankenhauses nicht in einem Arbeitsverhältnis, obwohl für diese Hebammen ein Dienstplan aufgestellt wurde, nach welchem sie sich zu richten hatten. Die Dienstpläne stellte allerdings die älteste derart tätige Hebamme als sogenannte Hebammensprecherin auf, der insgesamt die Organisation des Hebammenbereichs innerhalb des Krankenhaus oblag. 663 269

Der Status von Lehrkräften privatwirtschaftlich organisierter Bildungseinrichtungen war wiederholt Gegenstand der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Rn 213,214). Honorarlehrkräfte einer gewerkschaftlich getragenen gemeinnützigen Bildungseinrichtung stehen nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern sind freie Mitarbeiter, wenn der Inhalt der Dienstleistung und der Arbeitszeiten im einzelnen vertraglich geregelt und damit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers entzogen wurde. 664 Anderseits sind Dozenten in der beruflichen Weiterbildung als Arbeitnehmer angesehen worden. 665 Mangels zeitlicher Bindung, insbesondere mangels Einbindung in feste Unterrichtspläne, und unter Berücksichtigung des Rechts, angebotene Unterrichtsstunden ohne Angabe von Gründen ablehnen zu dürfen, sind Sprachlehrer einer privaten Sprachschule nicht als Arbeitnehmer angesehen worden. 666 Trotz sehr hoher Unterrichtsbeanspruchung ist ein Handelsschullehrer, der im Rahmen einer Umschulung für Bürokaufleute im Umfang von etwa 38 Wochenstunden eingesetzt war, nicht als Arbeitnehmer angesehen worden, weil der Schulträger, der in seiner Schule Umschulungs-, Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen im Auftrage der Bundesanstalt für Arbeit durchführte, außerhalb der festgelegten Unterrichtszeiten nicht über die Arbeitskraft des Handelsschullehrers verfügen konnte; dies sah das BAG als entscheidend an.667

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Der Status von Musikschullehrern an kommunalen Musikschulen war wiederholt Gegenstand der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.668 Ebenso war erneut der Arbeitnehmerstatus von Lehrkräften an Volkshochschulen umstritten, die in Schulabschlußkursen eingesetzt waren. 669 Die Frage, in welchem Status solche Volkshochschullehrkräfte bei ihrer Unterrichtstätigkeit stehen, hängt von der Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen und von der Arbeitsorganisation der Volkshochschule ab. 670

2 7 1 Auch der Status von Mitarbeitern aus den Bereichen Fernsehen, Rundfunk und Presse ist immer wieder Gegenstand arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen. Die Intensität dieser Auseinadersetzungen war seit dem für programmgestaltende Mitarbeiter der Funkmedien grundlegenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts671 und den darauf aufbauenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts672 zunächst geringer geworden, hat sodann aber wieder zugenommen. In jüngeren Entscheidungen über den Status von Fernsehreportern und Rundfunksprechern sowie Fernsehansagern hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere der Tatsache, daß die Arbeitnehmer bei der technischen Abwicklung der Herstellung ihrer Beiträge auf die entsprechenden Einrichtungen und Mitarbeiter der Fernseh- oder Rundfunkanstalten angewiesen sind, keine für ein Arbeitsverhältnis entscheidende Bedeutung (mehr) beigemessen, wohl aber bei programmgestaltenden Mitarbeitern deren Einbindung in Dienstpläne.673

662 BAG 7.11.90 - 5 AZR 15/90 - nv. 663 BAG 2 6 . 6 . 9 1 - 5 AZR 453/90-nv. 664 BAG 3 0 . 1 0 . 9 1 - 7 ABR 19/91 - AP BGB S 611 Abhängigkeit N r 59, sa BAG 14.12.83 - 7 AZR 290/82 EzBAT N r 8 zu § 1 BAT Arbeitnehmerbegriff; BAG 2 8 . 1 0 . 9 2 - 7 AZR 464/91 - nv. 665 BAG 19.11.97 - 5 AZR 21/97 - AP BGB $611 Lehrer, Dozenten Nr 133. 666 BAG 28.11.90 - 7 ABR 51/89-nv. 667 BAG 7.2.90 - 5 AZR 311/89 - nv unter Π 2 der Gründe m w N . 668 BAG 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 61 = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr 46, sa BAG 24.6.91 - 5 AZR 383/91 - nv; 7.11.90 5 AZR 12/90 - nv; 7.5.86 - 5 AZR 591/83 - nv, alle mwN. 669 Statt vieler: BAG 1 3 . 1 1 . 9 1 - 7 AZR 31/91 - AP BGB

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Harald Schliemann

S 611 Abhängigkeit Nr 60; 24.6.92 - 5 AZR 384/91 - AP eb Nr 61 (Fn 559). 670 Nähere Einzelheiten s o Rn 213 f. 671 BVerfG 13.1.82 - 1 BvR 848/77 ua - BVerfGE 59 231, abw. Meinung Hetißner eb 273. 672 BAG 13.1.83 - 5 AZR 149/82; 5 AZR 156/82 - AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 42, 43 (Herschel). 673 BAG 30.11.94 - 5 AZR 704/93 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 74; 11.3.98 - 5 AZR 522/96 - AP BGB $ 611 Rundfunk N r 23 (Bl. 2) für den Fall des Sprechers und Übersetzers; 22.4.98 - 5 AZR 2/97 - AP BGB $ 611 Rundfunk Nr 24 für den Fall eines Kameraassistenten; 27.2.91 - 5 AZR 107/90 - nv (Fernsehreporterin); 13.6.90 - 5 AZR 419/89 - nv (Rundfunksprecher); 14.6.89 - 5 AZR 346/88 - nv (Fernsehansager); 14.9.88 - 5 AZR 642/88 - nv (Rundfunksprecher). Anders

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen Umstritten ist auch der Status pauschal bezahlter Bildberichterstatter, die für verschiedene Redak-

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tionen einer Tageszeitung Foto-Beiträge lieferten. Das Bundesarbeitsgericht hat die pauschal bezahlten Bildberichterstatter, die diesen Redaktionen monatlich eine bestimmte Zahl von Fotografien lieferten, nicht als Arbeitnehmer isd § 5 Abs 1 BetrVG angesehen, wenn und weil sie in der Übernahme der Fototermine frei sind; sie können aber auch Arbeitnehmer sein. 6 7 4 Mit der Frage der Abgrenzung zwischen Subunternehmern und Arbeitnehmern hat sich der Bundesfinanzhof zu befassen gehabt. Ein Unternehmer (Auftragnehmer) setzte bei seinen industriellen Auf-

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traggebern Mitarbeiter (Wissenschaftler und Ingenieure) ein. Sie können j e nach den Umständen entweder selbständige Erfüllungsgehilfen (Subunternehmer) oder nichtselbständige Erfüllungsgehilfen (Arbeitnehmer) des Auftragnehmers sein; es kann sich aber auch um Arbeitnehmerüberlassung oder um die Überlassung von selbständig (unternehmerisch) tätigen Mitarbeitern handeln. 6 7 5 d)

Arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, Gleichgestellte

Zu den Arbeitnehmern zählen nicht die arbeitnehmerähnlichen Personen, in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte. Rechtsgrundlage für ihre gewerbliche Betätigung sind vielmehr Dienstverträge, zuweilen auch Werkverträge. Das rechtliche Verhältnis von Heimarbeitnehmern und arbeitnehmerähnlichen Personen ist ungeordnet. Großenteils werden auf beide Gruppen nur dieselben rechtlichen Regeln angewendet, zuweilen (zB $ 1 Abs 1 Nr 1 BeschäftigtenschutzG 6 7 6 ) werden die in Heimarbeit Beschäftigten den arbeitnehmerähnlichen Personen zugeordnet. Eine durchgehende Systematik ist im Gesetz nicht erkennbar.

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Die Rechtsfolgen für diese beiden Gruppen sind zT einheitlich, zT inkohärent gereglt. Heimarbeiter und die sonstigen im Heimarbeitsgesetz 677 genannten Personen unterstehen dem Schutz des Heimarbeitsgesetzes. Einzelne arbeitsrechtliche Gesetze sind zudem für Heimarbeiter für anwendbar erklärt worden, zum Teil auch für arbeitnehmerähnliche Personen. Dies betrifft vor allem den Zugang zu den Gerichten für Arbeitssachen (§ 5 Abs 1 S 2 ArbGG), die Regelung der Lohnfortzahlung an Feiertagen ($ 2 Abs 1 des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen), die kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen des Arbeitsplatzschutzgesetzes im Falle der Einberufung zum Wehrdienst ($ 7 ArbPlSchG), den gesetzlichen Mindest-Erholungsurlaub ($$ 2, 12 BUrlG), mutterschutzrechtliche Bestimmungen (S 1 Abs 2 MuSchG), die Lohnfortzahlung im Bereich der Heimarbeit ($ 616 Rn 200 ff), den Erziehungsurlaub ($ 20 Abs 2 BErzGG), den Schutz Schwerbehinderter Menschen bei Beschäftigung in Heimarbeit ($ 127 SGB IX), den Schutz gegen sexuelle Belästigung nach dem BeschäftigtenschutzG, ferner für Heimarbeiter die Anwendung des Betriebsverfassungsrechts (§ 6 BetrVG) und für arbeitnehmerähnliche Personen, nicht aber für Heimarbeiter, den Arbeitsschutz ($ 2 Abs 2 Nr 3 ArbSchG).

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aa)

Arbeitnehmerähnliche Personen

Gegenüber Arbeitnehmern sind die arbeitnehmerähnlichen Personen ebenso begrifflich abzugrenzen wie gegenüber solchen Dienstleistern, die nicht zu diesen Gruppen gehören. Ansatzweise Umschreibungen für den Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person finden sich in S 5 Abs 1 S 2 ArbGG, und - gleichlautend - in $ 2 S 2 BUrlG und in $ 1 Abs 2 Nr 1 BeschäftigtenschutzG, während die Definition in 12a TVG weitergehende Anforderungen enthält.

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Indessen bieten die genannten gesetzlichen Bestimmungen hierfür keine hinreichenden Unterscheidungsmerkmale, sondern setzen die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und arbeitnehmerähn-

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noch BAG 15.3.78 - 3 AZR 831/76 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr 26, wonach sich die persönliche Abhängigkeit der Rundfunkmitarbeiter darin zeige, da£ sie in ihrer Arbeit auf den Apparat und das Mitarbeiterteam der Rundfunkanstalt angewiesen seien (LS 2 mwN). 674 BAG 29.1.92 - 7 ABR 25/91 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr 47 (krit. Wank) = EzA S 5 BetrVG 1972 Nr 51; sa BAG 3.5.89 - 5 AZR 158/88 - ην; andererseits: BAG 16.6.98 5 AZN 154/98 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr 44. Harald Schliemann

675 Unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten: BFH 18.1.91 - VI R 122/87 - AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 56. 676 Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - BeschäftigtenschutzG - ν 2 4 . 6 . 9 4 - B G B l I 1406. 677 HeimarbeitsG ν 14.3.51 (BGBl I 191), zuletzt geändert durch Gesetz ν 16.12.99 (BGBl I 2942).

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

liehen Personen oder selbständig tätigen Dritten voraus. Dieser Unterschied ist im Hinblick auf die sehr unterschiedlichen materiell-rechtlichen Rechtsfolgen nach wie vor von erheblicher Bedeutung. Auch insoweit herrscht Typenzwang. Die Vertragsparteien können zwar aufgrund der Vertragsfreiheit Rechtsverhältnisse eingehen, die unter eine der drei Kategorien fallen, sie können jedoch die Typisierungen nicht voluntativ verändern. Auch Tarifvertragsparteien können innerhalb der nach § 12a TVG zu vereinbarenden Tarifverträge nicht bestimmen, wer Arbeitnehmer ist und wer (nur) arbeitnehmerähnliche Person. Denn auch die Tarifvertragsparteien können durch Definition der Einwendungsbereiche des Tarifvertrages oder durch ähnliche tarifvertragliche Regelungen niemandem, der tatsächlich Arbeitnehmer ist, den Schutz des Arbeitsrechts entziehen. 678 Umgekehrt können aber die Tarifvertragsparteien den Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit auch nicht über den gesetzlichen Begriff hinaus erweitern und hierdurch weitere Personenkreise in den Geltungsbereich eines nach § 12a THG abzuschließenden Tarifvertrages einbeziehen. Insoweit ist ein derart abgeschlossener Tarifvertrag teilweise unwirksam.679 2 7 8 Von großer prozessualer Bedeutung ist der Begriff der „arbeitnehmerähnlichen Person" iSd $ 5 Abs 1 S 2 ArbGG. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist hiernach nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Heimarbeiter und für arbeitnehmerähnliche Personen eröffnet. Das Arbeitsgerichtsgesetz bestimmt den Begriff der „arbeitnehmerähnlichen Personen" nicht selbst, sondern setzt ihn als bekannt voraus. Diese Gruppe unterscheidet sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit; zur Bemessung des Grades der persönlichen Abhängigkeit ist vor allem auf die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit abzustellen, wie sie vertraglich geschuldet ist. Arbeitnehmerähnliche Personen sind nicht persönlich derart abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit.680 Die arbeitnehmerähnliche Person ist für die Entscheidung, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist, von großer praktischer Bedeutung, weil das Gesetz für die Bejahung dieses Rechtswegs eine Wahlfeststellung erlaubt: Dieser Rechtsweg ist bereits dann eröffnet, wenn feststeht, daß der zur Dienst- oder Arbeitsleistung Verpflichtete, idR der Kläger, im Verhältnis zur anderen Prozeßpartei entweder Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person ist. 581 Eine hinreichende wirtschaftliche Unselbständigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten läßt sich häufig bereits aufgrund der unstreitigen Tatsachen feststellen, während es zur Feststellung eines hinreichenden Grades persönlicher Abhängigkeit sehr oft noch weiteren Sachvortrags bedarf. Steht fest, daß es sich „zumindest" um eine arbeitnehmerähnliche Person iSd 5 5 Abs 1 S 2 ArbGG handelt, so kann offenbleiben, ob der Betreffende prozessual oder gar materiellrechtlich Arbeitnehmer ist. 682 2 7 9 Die für die in $ 5 Abs 1 S 2 ArbGG, § 2 S 2 BUrlG und $ 1 Abs 2 Nr 1 BeschäftigtenschutzG vorausgesetzte „wirtschaftliche Abhängigkeit" findet sich als eine von zwei Voraussetzungen arbeitnehmerähnlicher Personen iSd Tarifvertragsgesetzes in S 12a Abs 1 S 1 TVG. Dort muß für arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne dieser Bestimmung grundsätzlich hinzukommen, daß die arbeitnehmerähnliche Person vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist. Soziale Schutzbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer soziologischen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind. 683 Mit der zusätzlichen Voraussetzung der sozialen Schutzbedürftigkeit hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des S 12a TVG im Jahre 1974 einen Rechtsgedanken aufgegriffen, den das Bundesarbeitsgericht zur Frage des Verhältnisses der arbeitnehmerähnlichen Personen auf der einen Seite und der im Gesetzestext des § 5 Abs 1 S 2 ArbGG zunächst erwähnten „in Heimarbeit Beschäftigten" und „ihnen Gleichgestellten" entwickelt hatte. Er hat angenommen, aus dieser Verbindung werde der Wille des Gesetzgebers ersichtlich, einen über den Personenkreis der in Heimarbeit Beschäftigten und ihnen Gleichgestellten hinaus678 BAG 15.3.78 - 3 AZR 819/76 - AP BGB S 611 Abhängigkeit Nr 26. 679 BAG 2 . 1 0 . 9 0 - 4 AZR 106/90 - AP TVG $ 12 a Nr 1. 680 BAG 16.7.97 - 5 AZB 29/96 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 37 (Kreuder).

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681 BAG 14.1.97 - 5 AZB 22/96 - AP ArbGG 1979 $ 2 Nr 41. 682 BAG 19.12.97 - 5 AZB 38/97 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 40; 1 6 . 7 . 9 7 - 5 AZB 29/96 - AP ArbGG 1979 S 5 Nr 37 (Kreuder). 683 BAG 2 . 1 0 . 9 0 - 4 AZR 106/90 - AP TVG $ 12a Nr 1.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen gehenden, soziologisch gleichwertigen Typ zu erfassen, der wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen ist. 6 8 4 Die nach S 12a Abs 1 Nr 1 TVG zusätzlich erforderliche soziale Schutzbedürftigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei seiner Ausfüllung sind wiederum alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu gehören neben der Höhe der Vergütung aus dem Rechtsverhältnis, welches den arbeitnehmerähnlichen Status begründen soll, auch die Berücksichtigung weiterer Einkünfte. Sie können dazu führen, daß die für einen Arbeitnehmer typische Notwendigkeit, seine Arbeitskraft zur Sicherung seiner eigenen wirtschaftlichen Existenz zu verwerten, hinsichtlich des konkret zu betrachtenden Rechtsverhältnisses nicht besteht. Für die einem Arbeitnehmer vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit einer arbeitnehmerähnlichen Person iSd 5 12a Abs 1 Nr 1 TVG ist kennzeichnend, daß sie von der Erteilung einzelner, meist nicht unmittelbar aufeinanderfolgender Aufträge durch einen Auftraggeber abhängig ist oder im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses zur Erledigung einzelner Aufträge herangezogen wird. Anstelle der persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers ist für eine arbeitnehmerähnliche Person die Abhängigkeit von der Auftragsvergabe durch den Auftraggeber ein maßgeblicher Umstand, der hinsichtlich der sozialen Schutzbedürftigkeit trotz formaler Entscheidungsfreiheit bei der Übernahme der einzelnen Aufträge eine Vergleichbarkeit mit einem Arbeitnehmer begründet. 6 8 5 Wegen mangelnder wirtschaftlicher Abhängigkeit hat das Bundesarbeitsgericht einen Handicapper (Ausgleicher im Pferderennsport) nicht als arbeitnehmerähnliche Person angesehen; neben seinen Einkünften aus dieser Tätigkeit, die ausschließlich in Anteilen an den sogenannten Ausgleichergebühren bestanden, bezog der Handicapper eine Pension; zudem hatte er ein beträchtliches Vermögen, unter anderem ein Gut, ein Hausgrundstück und ein Trabrennpferd. 6 8 6 In seiner späteren Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht für die Frage der wirtschaftlichen Unselbständigkeit iSd $ 2 Abs 2 BUrlG nicht mehr auf die Gesamttätigkeit des Dienstleistenden abgestellt, sondern allein auf das Beschäftigungsverhältnis, aus welchem der Urlaubsanspruch hergeleitet wird; mit dieser Begründung hatte es einen Rundfunksprecher als nicht arbeitnehmerähnliche Person angesehen, weil er sich durch die Wahl der Stellung eines freien Mitarbeiters die Möglichkeit verschafft hatte, insgesamt erheblich mehr zu verdienen als festangestellte Sprecher der Rundfunkanstalt, und er zudem aufgrund seiner unabhängigen Stellung die ständige und auch von ihm genutzte Chance hatte, für mehrere Auftraggeber in jeweils wesentlichem Umfang tätig zu werden. 6 8 7

280

Für einen Rundfunkgebührenbeauftragten, dh eine Person, die gegenüber der Rundfunkanstalt die Aufgabe hatte, Auskünfte über die Anmeldung und das Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten sowie über die Zahlung der Gebühren durch Rundfunkbenutzer zu erteilen und einzuholen, Rundfunkteilnehmer zur Anmeldung der von ihm betriebenen Empfangsgeräte sowie zur Zahlung von Rundfunkgebühren zu veranlassen, hat das Bundesarbeitsgericht im Rahmen von $ 12a ArbGG die

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soziale Schutzbedürftigkeit verneint. Der Betroffene arbeitete auf Provisionsbasis; seine Provisionseinkünfte lagen um 70.000 DM pro Halbjahr. Daneben erhielt der Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente aus einer Privatversicherung, Versorgungsbezüge aus einem Beamtenverhältnis und eine (kleine) Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Das Bundesarbeitsgericht hat die soziale Schutzbedürftigkeit nicht allein deswegen entfallen lassen, weil der Kläger Versorgungen aus diesen früheren Beamten- und Anstellungsverhältnissen erzielte und mit den sich hieraus ergebenden monatlichen Nettoeinnahmen von ca. 2 . 0 0 0 DM seine wirtschaftliche Existenz gesichert sei. Vielmehr hat es als entscheidend angesehen, daß der Kläger nach dem Typus des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses nicht mit demjenigen eines Arbeitnehmers vergleichbar sei. Es sei dem Kläger die Gestaltung seines Arbeitseinsatzes und damit auch die Bestimmung der Höhe seiner Vergütung freigestellt. Zwar sei ihm von der Rundfunkanstalt ein bestimmtes Gebiet vorgegeben, in welchem er die vertraglich übernommenen Aufgaben zu erfüllen habe. Er sei jedoch weder von der Vergabe einzelner Aufträge durch die Rundfunkanstalt noch von einer durch die Rundfunkanstalt im Rahmen des Dauerrechtsverhältnisses beeinflußbaren Inanspruchnahme abhängig. Vielmehr habe der Rundfunkgebüh684 § 12a TVG ist durch Art Π § 1 des HeimarbeitsänderungsG ν 29.10.74 (BGBl I 2879) in das TVG eingefügt worden. 685 BAG 2 . 1 0 . 9 0 - 4 AZR 106/90 - AP TVG S 12a Nr 1. Harald Schliemann

686 BAG 13.12.62 - 2 AZR 128/62 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 3. 687 BAG 28.6.73 - 5 AZR 568/72 - AP BUrlG S 2 Nr 2 (G. Hueck).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

renbeauftragte selbständig bestimmt, in welchem Umfang er für die beklagte Rundfunkanstalt tätig werde. 6 8 8 282

In der Literatur werden immer wieder Versuche unternommen, eine einheitliche Definition des Begriffs der arbeitnehmerähnliche Person zu finden. Nach Rost689 ist arbeitnehmerähnliche Person, wer, ohne Arbeitnehmer zu sein, aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages oder eines ähnlichen Rechtsverhältnisses in wirtschaftlicher Abhängigkeit Dienst- oder Werkleistungen persönlich und im wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringt und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist. Wank unterscheidet grundsätzlich die Erwerbstätigen in Arbeitnehmer und Selbständige, die Selbständigen wiederum in solche, die wirtschaftlich abhängig sind, und solche, die dies nicht sind. Unter den wirtschaftlich Abhängigen ordnet er einerseits die arbeitnehmerähnlichen Personen unter, zum anderen daneben noch andere wirtschaftlich abhängige Selbständige. Für die arbeitnehmerähnlichen Personen soll die Tatsache, daß nur ein (wesentlicher) Auftraggeber und nur eine äußerst geringe eigene Arbeitsorganisation vorhanden ist, kennzeichnend sein. 6 9 0 Hromadka stellt hinsichtlich der wirtschaftlichen Abhängigkeit auf die Bezugsgrößen des § 18 SGB IV (mindestens l h , höchstens das Ganze) a b . 6 9 1

283

Ob es unter systematischen Gesichtspunkten erforderlich ist zu prüfen, ob es einen einheitlichen Begriff der arbeitnehmerähnlichen Personen gibt, erscheint zumindest zweifelhaft. Im Gegensatz zum Begriff des Arbeitnehmers hat der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person nicht die generelle Aufgabe, den Zugang zu einem ganzen Rechtsgebiet zu erschließen. Es sind nicht die Regelungen des Arbeitsrechts insgesamt, sondern nur einzelne, gesondert bestimmte Regelungen arbeitsrechtlicher Art auf arbeitnehmerähnliche Personen anzuwenden. Unter diesem Gesichtspunkt ist es durchaus hinnehmbar, wenn in § 5 Abs 1 S 2 ArbGG wie auch in S 2 S 2 BUrIG und in S 1 Abs 2 Nr 1 BeschäftigtenschutzG hinsichtlich der arbeitnehmerähnlichen Personen nur deren wirtschaftliche Abhängigkeit gefordert wird, während § 12a Abs 1 Nr 1 TVG darüber hinaus auch noch eine soziale Schutzbedürftigkeit voraussetzt. Dem steht auch die Rechtsprechung nicht entgegen, wonach der arbeitsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung im Prinzip auch für angestellte Geschäftsführer einer GmbH gelten, die nicht oder nicht nennenswert am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind und deshalb insoweit einen arbeitnehmerähnlichen Status haben. 6 9 2 Zudem werden die arbeitnehmerähnlichen Personen iSd § 12a TVG auch von § 5 Abs 1 S 2 ArbGG erfaßt. Diese Vorschriften stehen in einem notwendigen Auslegungszusammenhang. Zu den nach § 5 Abs 1 S 2 ArbGG genannten sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, gehören auch die von $ 12a TVG erfaßten Mitarbeiter, die innerhalb des Kreises der arbeitnehmerähnlichen Personen eine Sondergruppe bilden. 6 9 3 Damit sind auch die Versuche in der Literatur, durch Zusammenstellung in Berufsgruppen den Begriff der arbeitnehmerähnlichen Personen zu umschreiben, nicht nur schwierig, 6 9 4 sondern letztlich auch ohne wirklich rechtliche Bedeutung. Entscheidend ist auch insoweit die jeweilige Prüfung im Einzelfall. 6 9 5 bb)

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Heimarbeiter

Für das Heimarbeitsgesetz definiert § 2 HAG die wesentlichen Begriffe, nämlich Heimarbeiter, Hausgewerbetreibender, Zwischenmeister, Familienangehöriger u n d fremde Hilfskraft. Die Heimarbeiter (S 2 Abs 1 HAG) und die Hausgewerbetreibenden ($ 2 Abs 2 HAG) faßt das Heimarbeitsgesetz in S 1 Abs 1 als „in Heimarbeit Beschäftigte" zusammen. Ihnen können, wenn dies wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gerechtfertigt erscheint, andere Personen durch Entscheidung des Heimarbeitsausschus-

688 BAG 2 . 1 0 . 9 0 - 4 AZR 106/90 - AP TVG $ 12a Nr 1. 689 KR/Rost Arbeitnehmerähnliche Personen, Rn 9a mwN aus der umfangreichen Literatur. 690 Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988,235 ff. 691 Hromadka NZA 97, 1247, 1254. 692 BGH 14.5.90 - Π ZR 122/90 - AP GmbHG $ 35 Nr 7. 94

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693 BAG 19.10.90-5 AZR 639/89 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr 9. 694 Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988,235 ff. 695 BAG 1 6 . 7 . 9 7 - 5 AZB 29/96 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 37 (Kreuder); 2.10.90-4 AZR 106/90 - AP TVG $ 12a Nr 1.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Arbeits- und Dienstleistungen auf anderen als arbeitsrechtlichen Grundlagen ses nach Anhörung der Beteiligten gleichgestellt werden ($ 1 Abs 2 bis 6 HAG). Für die Abgrenzung von Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden sind im Bereich des Sozialversicherungsrechts die Bestimmungen des § 12 SGB IV maßgebend. Heimarbeiter im Sinne des HAG ist, wer in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse

285

dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überläßt. Beschafft der Heimarbeiter die Roh- und Hilfsstoffe selbst, so wird hierdurch seine Eigenschaft als Heimarbeiter nicht beeinträchtigt ($ 2 Abs 1 HAG). Nach der bis zur Änderung durch das Heimarbeitsänderungsgesetzes geltenden Fassung des $ 2 Abs 1 HAG war nicht die „erwerbsmäßige", sondern die „gewerbsmäßige" Arbeit Voraussetzung für das Vorliegen von Heimarbeit. Dies führte bei der Vergabe einfacher Büroarbeiten zu Zweifeln darüber, ob nur die Tätigkeiten von „gewerblichen" Arbeitern oder auch (einfache) Angestelltentätigkeiten in Heimarbeit ausgeführt werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie auch des Bundessozialgerichts umfaßte das Merkmal „gewerblich" nicht nur Tätigkeiten, die denen eines gewerblichen Arbeiters entsprachen, sondern auch bestimmte (einfache) Formen der Angestelltentätigkeit, soweit sie nach der Verkehrsanschauung als „gewerbliche Arbeiten" angesehen wurden. Dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 HAG (aF) unterfielen damit auch „Büroheimarbeiten", wozu das Schreiben von Adressen, Abschreibearbeiten oder die Tätigkeit einer Phonotypistin gehörten. 6 9 6 Dem trug das Heimarbeitsänderungsgesetz vom 29. Oktober 1 9 7 4 6 9 7 Rechnung. Es ersetzte in S 2 Abs 1 S 1 HAG das Merkmal „gewerblich" durch „erwerbsmäßig", um auch im Gesetzestext klarzustellen, daß insoweit Angestelltentätigkeiten in den Schutzbereich des HAG einbezogen sind, als solche Arbeiten unter den Bedingungen der Heimarbeit ausgeführt werden. 6 9 8 Zuvor hatte schon die durch das Betriebsverfassungsgesetz 1972 eingeführte Bestimmung des S 6 BetrVG einen ersten Ansatz zur begrifflichen Klärung geleistet. $ 6 BetrVG ordnet Heimarbeiter, die in der Hauptsache für (nur) einen Betrieb arbeiten, j e nach der Art ihrer Tätigkeit der Gruppe der Arbeiter oder der Gruppe der Angestellten zu. Mit dieser nur betriebsverfassungsrechtlichen Aufspaltung des Begriffes der Heimarbeiter ist nicht die Schaffung eines spezifisch betriebsverfassungsrechtlichen Begriffs der „in Heimarbeit Beschäftigten" verbunden. Vielmehr verwendet % 6 BetrVG diesen Begriff mit dem Inhalt, wie er im Heimarbeitsgesetz näher bestimmt ist. 6 9 9 Die Schutzvorschriften des Heimarbeitsgesetzes können nicht abbedungen werden. 7 0 0 Ebensowenig kann der Schutz der ebenfalls zu den in Heimarbeit Beschäftigten zählenden Hausgewerbetreibenden ($ 2 Abs 2 HAG) vertraglich abbedungen werden. Allerdings setzt eine erwerbsmäßige Tätigkeit iSd S 2 Abs 1 HAG voraus, daß sie auf eine gewisse

286

Dauer angelegt ist und zum Lebensunterhalt beitragen soll. Nicht erforderlich ist, daß mit den aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünften der Lebensunterhalt der Beschäftigten allein bestritten werden kann. Andererseits hindert die Befreiung geringfügig Beschäftigter von der Sozialversicherungspflicht nicht die Annahme, daß die Beschäftigung die Merkmale eines Heimarbeitsverhältnisses erfüllt. Hausgewerbetreibende und Heimarbeiter sind wirtschaftlich vom U n t e r n e h m e r (Auftraggeber) ab-

287

hängig. Sie bedürfen deswegen eines besonderen Schutzes. Daher ist zu prüfen, ob Mitarbeiter von einem Unternehmer (Auftraggeber) in einer Weise wirtschaftlich abhängig sind, die für das Vorliegen eines Heimarbeitsverhältnisses spricht. Deshalb kann es auch durch tatsächliche Handhabung trotz entgegenstehender Gestaltung schriftlicher Verträge zu einem Heimarbeitsverhältnis kommen. Denn über die rechtliche Einordnung eines Rechtsverhältnisses entscheidet auch für die Frage, ob ein Heimarbeitsverhältnis oder ein Rechtsverhältnis mit einem Hausgewerbetreibenden vorliegt, die praktische Handhabung eines Vertrages, wenn sich schriftliche Vereinbarung und praktische Durchführung widersprechen. 7 0 1

696 BSG 697 698 14.

BAG 10.7.63 - 4 AZR 273/62 - AP HAG $ 3 Nr 3; 22.10.71 - 7 RAr 61/69 - AP HAG S 2 Nr 7. HAÄndG ν 29.10.74, BGBl I 2879. Vgl amtl Begründung zum HAÄndG: BT-Drs 7/975,

Harald Schliemann

699 Vgl BAG 25.3.92 - 7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 S 5 Nr 48. 700 BAG 12.7.88 - 3 AZR 569/86 - AP HAG $ 2 Nr 10. 701 BAG 3.4.90 - 3 AZR 258/88 - AP HAG S 2 Nr 11.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

2 8 8 Der rechtliche Schutz für Heimarbeiter und die übrigen vom Heimarbeitsgesetz erfaßten Personen wird grundsätzlich nicht durch das Arbeitsrecht insgesamt gewährt, sondern vorrangig durch das Heimarbeitsgesetz. Es enthält Vorschriften über den Arbeitsschutz, den allgemeinen Gefahrenschutz, Kündigungsschutz und - mit besonderer Ausgestaltung - Entgeltschutz. Für Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende sowie ihnen Gleichgestellte702 werden die Entgelte außerbetrieblich geregelt, und zwar entweder durch Tarifvertrag oder durch schriftliche Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Auftraggeber oder dessen Vereinigung ($ 17 HAG) oder durch „bindende Festsetzung" des Heimarbeitsausschusses ($19 HAG). In der Regel sind die Entgelte als Stückentgelte und nur ausnahmsweise als Zeitentgelte festzusetzen ($ 20 HAG). Die Festsetzung von Stückentgelten - möglichst auf der Grundlage von Stückzeiten - ist erforderlich, weil Heimarbeiter außerhalb des Betriebes und damit ohne zeitliche Kontrolle arbeiten. Um andererseits den Heimarbeitern eine Kontrolle zu ermöglichen, sind die sogenannten „Entgeltverzeichnisse" in den „Räumen der Ausgabe und Annahme . . . offen auszulegen" (S 8 Abs 1 HAG). Die Offenlegungspflicht ist damit schärfer als die Auslegungspflicht zB für Tarifverträge nach § 8 TVG. 703 Dem besonderen Schutz der Heimarbeiter, deren wirtschaftliche Abhängigkeit häufig größer als die von sonstigen Arbeitnehmern ist, weil ihnen in der Regel nur wenige, örtlich erreichbare Auftraggeber gegenüberstehen, gelten ferner die besonderen Regelungen über die Entgeltprüfung durch Bestellung von Entgeltprüfern sowie die Aufforderung zur Nachzahlung der die Entgeltfestsetzung unterschreitenden Arbeitsvergütung bis hin zur Klagebefugnis der Länder, die im eigenen Namen den Anspruch auf Nachzahlung des Minderbetrages an den Berechtigten geltend machen können (§§ 23 ff HAG). Dabei umfaßt die Klagebefugnis des Landes gem § 25 HAG auch den Streit darüber, ob die Vorgabezeiten für die Berechnung des vom Arbeitgeber vergüteten Stücklohns wirksam festgesetzt sind, 704 wie auch die Befugnis zur Auskunftsklage, die eine entsprechende Zahlungsklage ermöglichen soll. 705 Der Kündigungsschutz der Heimarbeiter ist schwächer ausgestaltet als bei Arbeitnehmern; Zeiten vor Vollendung des 35. Lebensjahres bleiben für die verlängerten Kündigungsfristen des $ 29 Abs 3 HAG unberücksichtigt, während bei Arbeitnehmern für die Berechnung längerer Kündigungsfristen Zeiten schon ab vollendetem 25. Lebensjahres mitgerechnet werden. Das Bundesarbeitsgericht hat hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 706 2 8 9 Einzelne arbeitsrechtliche Vorschriften sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auf Heimarbeiter, wenn auch mit zum Teil unterschiedlichen Abgrenzungen, anzuwenden (vgl die Aufzählung in Rn 275). e)

Tele(heim)arbeit, Computer-Heimarbeit

2 9 0 Telearbeit, zuweilen auch Teleheimarbeit, Fernarbeit, Computerheimarbeit genannt, liegt vor, wenn Dienstleistungen nicht innerhalb der Räume des Betriebes, dessen arbeitstechnischer Zielsetzung die Dienstleistung zu dienen bestimmt ist, sondern außerhalb solcher Räume an vom Dienstleistenden selbst gewählten Plätzen erbracht werden, zB in seiner Wohnung oder in seinem eigenen Büro, und wenn die dabei gewonnenen Informationen oder Daten auf elektronischem Wege an einen anderen Ort, in der Regel in den Betrieb oder in ein Rechenzentrum des Betriebes, übermittelt werden, um auf diese Weise der Erfüllung des Betriebszweckes zu dienen. 707 Der Begriff der Telearbeit wird im S 5 Abs 1 BetrVG verwendet, aber nicht definiert. Die computergesteuerte Kommunikations- und Informationstechnik ermöglicht insbesondere, Arbeitsleistungen, die bisher nur innerhalb einer in sich räumlich geschlossenen Betriebsstätte erbracht werden konnten, nach draußen und damit an selbstgewählte Orte in den Privatbereich zu verlagern. Die Erscheinungsformen sind vielfältig.708

702 BAG 19.1.88 - 3 AZR 321/87 - AP HAG $ 19 Nr 12. 703 BAG 5.5.81 - 3 AZR 574/78 - AP HAG S 8 Nr 1 (Häger). 704 BAG 13.9.83 - 3 AZR 343/81 - AP HAG $ 19 Nr 11 (Brecht). 705 BAG 10.4.84 - 3 AZR 60/82 - AP HAG § 25 Nr 4 (Brecht).

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706 BAG 24.6.86 - 3 AZR 1/85 - AP HAG $ 29 Nr 2 (Brecht). 707 Vgl statt vieler: Staudinger/Ric/umii BGB13 Vorbem zu $$ 611 ff Rn 212, 213; KBJRost Arbeitnehmerähnliche Personen, Rn 4 a, jeweils mwN. 708 Kasseler Handbuch/WorzaHa 1.1. Rn287; Wank NZA 99 225.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VI. Arbeitsvertragliche Beziehungen bei Beteiligung Dritter Der Status der m i t Telearbeit Beschäftigten hängt jeweils von den konkreten Verhältnissen und der Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung ab. Insbesondere kann ein Tele-Mitarbeiter, der im

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sogenannten On-line-Verfahren arbeitet, also im Rahmen einer ständigen Kontaktmöglichkeit, Arbeitn e h m e r sein, 7 0 9 aber auch arbeitnehmerähnliche Person, freier Mitarbeiter oder Selbständiger. Insoweit kommt es darauf an, inwieweit aufgrund der vertraglich geschuldeten Leistung eine für die Annahme einer Arbeitnehmerschaft hinreichende persönliche Abhängigkeit bestehen bleibt, zB durch Arbeitszeitvorgaben, Anwesenheitszeiten, ständige Rufbereitschaft, laufende Kontrollmöglichkeiten usw. Bleiben derartige Kriterien für eine persönliche Abhängigkeit in hinreichendem Maße bestehen, so hat die bloße Tatsache, daß die Arbeit nicht mehr (wie bisher) im Büro zu verrichten ist, sondern an einer vom Mitarbeiter selbst gewählten Stelle (in der Regel in seiner Wohnung), keine derartige Bedeutung, daß hieraus allein der Verlust der Arbeitnehmereigenschaft folgen könnte (vgl Tarifvertrag über alternierende Telearbeit bei der Telekom. 7 1 0 Indessen kann Telearbeit auch in anderen rechtlichen Formen erfolgen. Denkbar ist zB die Vergabe einfacher, in Form von Telearbeit auszuführender Büroarbeiten als Heimarbeit iSd S 2 Abs 1 HAG. Dagegen ist nicht vorstellbar, daß ein Tele-Mitarbeiter ein sogenannter Hausgewerbetreibender iSd $ 2 Abs 2 HAG ist. Hausgewerbetreibende sind nur Personen, die gewerblich tätig sind, nämlich bei der Herstellung, Bearbeitung oder beim Verpacken von Waren. 7 1 1 Das Bundesarbeitsgericht hatte bisher noch keine Gelegenheit, zu derartigen Formen wirklicher Telearbeit Stellung zu nehmen. Im Fall der zu Hause tätigen Wissenschaftler, die wissenschaftliche Literatur auswerteten und das Auswertungsergebnis zum Zwecke der Dokumentation an ihre Auftraggeberin zu liefern hatten, war zwar bei den Wissenschaftlern zu Hause teilweise moderne Bürotechnik in Form von Personalcomputern eingesetzt; es lag jedoch keine feste Datenübermittlungsverbindung zwischen dem Wissenschaftler bzw der Wohnung des Wissenschaftlers und dem Auftraggeber vor. Die Wissenschaftler waren auch keine Heimarbeiter iSd $ 2 Abs 1 HAG und zwar schon deshalb nicht, weil es sich bei dem Auftraggeber nicht um einen Gewerbetreibenden iSd $ 2 Abs 1 HAG gehandelt hat. 7 1 2 Deshalb konnte in der Entscheidung die in der Literatur umstrittene Frage offengelassen werden, ob das Merkmal „erwerbsmäßig" in $ 2 Abs 1 HAG alle Arten von Angestelltentätigkeiten umfaßt, also nicht nur einfache Büroarbeiten, sondern auch höherqualifizierte oder gar wissenschaftliche Angestelltentätigkeiten, wenn sie unter Bedingungen der Tele(-Heim-)arbeit erfolgt sind. 7 1 3

VI.

Arbeitsvertragliche Beziehungen bei Beteiligung Dritter

1.

Arbeitsleistung aufgrund zweiseitiger Verträge

Der Arbeitsvertrag ist ein zweiseitiger Vertrag. Auf der einen Seite steht der Arbeitnehmer, der die Leistung von Arbeit im Dienste eines anderen versprochen hat, auf der anderen Seite der Arbeitgeber, der zugesagt hat, für die Arbeitsleistung das Arbeitsentgelt zu zahlen. Das Leitbild hierbei ist der Arbeit-

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nehmer, der seine Arbeitsleistung (nur) i m Betrieb des Arbeitgebers erbringt, also zB in dessen Fabrik oder in dessen Büro arbeitet, ohne dabei in arbeitsrechtlich qualifizierbare Beziehungen zu außenstehenden Dritten, also zu anderen Personen als dem Arbeitgeber oder den bei diesem Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmern zu treten. 2.

Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen

Nicht selten, sondern für bestimmte Bereiche der Wirtschaft geradezu typisch ist, daß der Arbeitn e h m e r als Erfüllungsgehilfe seines vertraglichen Arbeitgebers zur Erfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht tätig wird, die der Arbeitgeber als U n t e r n e h m e r gegenüber einem Dritten aufgrund Dienst- oder Werkvertrages eingegangen ist. Verpflichtet sich beispielsweise der Malermeister, die 709 Vgl Kappus NJW 84 2387. 710 NZA 96 189. 711 Kilian/Borsum/Hoffmeister NZA 87 401, 405; de lege ferenda: Kappus NZA 87 408. 712 BAG 25.3.92-7 ABR 52/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 48. Harald Schliemann

294

713 Kappus Rechtsfragen der Telearbeit, 162,166; Müllner Privatisierung des Arbeitsplatzes, 99; Maus/Schmidt HAG3, S 2 Rn 63; Brecht HAG, $ 32 Rn 9; Gräfe Die Telearbeit, 65 ff.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Wohnung eines Mieters zu renovieren, und entsendet er hierzu bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigte Malergesellen, so werden diese Malergesellen nur als Erfüllungsgehilfen des Malermeisters (vgl § 278 BGB) tätig; sie treten nicht etwa in ein Dienst- oder gar Arbeitsverhältnis zu diesem Mieter. Dasselbe gilt jedoch, soweit Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen ihres Arbeitgebers in einem Betrieb oder Unternehmen eines Dritten tätig werden. Auch in solchen Fällen hat der Arbeitgeber als Unternehmer einen Dienst- oder Werkvertrag mit dem Inhaber des Betriebes oder Unternehmen abgeschlossen, zu dessen Erfüllung er seine eigenen Arbeitnehmer einsetzt. Für diese Arbeitnehmer ist der Inhaber des Betriebes oder Unternehmens ein Dritter. Dies leuchtet ohne weiteres ein, soweit die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer in dem Betrieb des Dritten in der Leistung konkret bezeichneter Dienste bzw der Erbringung bestimmter Werkleistungen besteht, zB darin, die Werkhalle anzustreichen oder eine bestimmte Maschine zu reparieren. Wenn ein solcher Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages eingesetzt wird, um die von seinem Arbeitgeber geschuldete Dienst- oder Werkleistung zu erbringen, wird er in keinerlei arbeitsvertraglich zu qualifizierendes Rechtsverhältnis zum Inhaber des Unternehmens oder Betriebes eintreten, solange die Organisation der Dienst- bzw Werkleistung, insbesondere der hierzu erforderliche Personaleinsatz, durch den vertraglichen Arbeitgeber dieses Arbeitnehmers erfolgt. 714 3.

Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit, Leiharbeit

295 Mit Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit, Leiharbeit werden die Tatbestände umschrieben, bei denen der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einem Dritten zur Beschäftigung überläßt. In einem solchen Fall wird der Arbeitnehmer nicht als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages seines Arbeitgebers, den dieser als Unternehmer mit dem Dritten abgeschlossen hat, tätig, sondern er wird dem Dritten in der Weise überlassen, daß der Dritte ihn wie einen eigenen Arbeitnehmer einsetzen kann. a)

Arbeitsvertrag

2 9 6 Arbeitnehmerüberlassung setzt voraus, daß der Arbeitleistende als Arbeitnehmer in einem Arbeitsvertrag zum Überlassenden („Verleiher") steht und er mit der Überlassung einverstanden ist. Im Rahmen seines Arbeitsvertrages hat sich der Arbeitnehmer grundsätzlich nur zur Leistung von Arbeit gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet. Dies bedeutet, daß die Arbeit - je nach Gestaltung des Betriebes - in den Räumen, auf Geräten oder Fahrzeugen des Arbeitgebers, aber auch bei Kunden, Geschäftspartnern zu erbringen ist, ohne daß die derart tätigen Arbeitnehmer von den Kunden oder Geschäftspartnern wie deren eigene Arbeitnehmer eingesetzt werden dürfen. Möglich ist aber auch, daß die Arbeitsverpflichtung gegenüber dem vertraglichen Arbeitgeber darin besteht, sich als Leiharbeitnehmer Dritten zur Erbringung von Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen. Vor allem ist dies die Regel bei der Begründung ausgesprochener Leiharbeitsverhältnisse, dh der Arbeitsverträge zwischen dem verleihenden Arbeitgeber und dessen Arbeitnehmern. Häufig zu beobachten ist eine Klausel, aus der die Bereitschaft folgt, daß der Anspruch auf Leistung der Dienste übertragen werden kann. Diese sogenannte konzernweite Verwendungsklausel ist in Arbeitsverträgen mit konzernabhängigen oder konzerngebundenen Unternehmen zu finden. Entsprechendes gilt für Arbeitsverträge mit sogenannten Personalführungsgesellschaften. 2 9 7 Unter dem Gesichtspunkt des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Dienstleistenden und dem Verleihenden unterscheiden sich Arbeitnehmerüberlassungsverträge von Gestellungsverträgen im Sprachgebrauch der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung. Für Gestellungsverhältnisse im Sinne dieses Sprachgebrauchs ist kennzeichnend, daß die zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellte Person zu demjenigen, der sie zur Arbeitsleistung überläßt, nicht in einem Arbeitsverhältnis steht, sondern in einem kirchlichen oder weltlichen Kooperationsverhältnis, also in einer verbandsrechtlichen Sonder714 BAG in std Rspr, statt vieler: 30.1.91 - 7 AZR 497/ 89 - AP AÜG § 10 Nr 8 unter ΙΠ 1 der Gründe; 18.1.89 7 ABR 21/88 - AP BetrVG 1972 $ 9 Nr 1; 28.11.89 - 1 A B R

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90/88 - AP AÜG § 14 Nr 5 zu Β 1 c der Gründe, jeweils mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VI. Arbeitsvertragliche Beziehungen bei Beteiligung Dritter

beziehung (Rn 244, 248 ff)· Dagegen fehlt es bei der Überlassung von Maschinen mit Bedienungspersonal, die ebenfalls „Gestellung" genannt wird, nicht an einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Überlassenden und dem Bedienungspersonal für die Maschine, sondern daran, daß die Maschinenbedienung dem Dritten nicht in der Weise überlassen wird, daß er das Bedienungspersonal für sich allein wie eigene Mitarbeiter einsetzen kann. 715 b)

Dienst- und Werkverträge

Dagegen ist die Frage der Qyalität der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Dritten, der Dienst- oder 298 Werkleistung entgegennimmt, und demjenigen, der zur Verschaffung dieser Dienst- oder Werkleistung verpflichtet ist, gesondert zu beurteilen. In der Regel wird es sich bei derartigen Rechtsverhältnissen um Dienst- oder Werkverträge, ggfs. auch um Dienstverschaffungs- oder Werkverschaffungsverträge handeln. 716 c)

Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung unterliegt dem AÜG.717 Sie ist, soweit sie gewerbsmäßig betrieben wird, 299 erlaubnispflichtig ($ 1 Abs 1 S 1 AÜG). Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Er setzt sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer ein. Die Arbeitskräfte sind voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen aus. Die Vertragspflichten des Verleihers gegenüber dem Entleiher enden, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und er ihn dem Entleiher zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt hat. Der Verleiher haftet nur für Verschulden bei der Auswahl der verliehenen Arbeitnehmer. 718 Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist der Personaleinsatz bei Dritten auf anderer 300 Rechtsgrundlage, vor allem die Tätigkeit des Unternehmers aufgrund von Werk- oder Dienstverträgen. 719 In solchen Fällen wird der Unternehmer selbst für einen anderen tätig und bedient sich der Arbeitnehmer nur als Erfüllungsgehilfen. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmer selbstverantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen der Weisung des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen ($ 278 BGB). Der Werkbesteller oder Dienstbesteller kann jedoch, wie sich aus $ 645 Abs 1 S 1 BGB ergibt, wiederum dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes geben. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfaßt. 720 Über die rechtliche Einordnung eines Vertrages als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder als Werk- oder Dienstvertrag entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht etwa die von den Vertragsparteien gewünschte Rechtsfolge oder eine bloße Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend, sofern auf beiden Seiten der Vertragsparteien die zum Vertragsabschluß berechtigten Personen die abweichende Vertragspraxis kannten und sie zumindest geduldet haben. 721 Dies gilt auch dann, wenn in einem Unternehmen für den Abschluß von Dienst- oder Werkverträgen mit Fremdfirmen ausschließlich andere Personen 715 BAG 17.2.93 - 7 AZR 167/92 - AP AÜG $ 10 Nr 9 (Überlassung von Flugzeugen mit Besatzung). 716 BAG 17.2.93 - 7 AZR 167/92 - AP AÜG $ 10 Nr 9. 717 Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG), Neufassung ν 3.2.95, BGBl 1158 mit zahlreichen Änderungen, ursprünglich verkündet als Artikel I des Gesetzes ν 7.8.72, BGBl 11393, mit zahlreichen späteren Änderungen. Auf die Angabe „Art I" wird in der folgenden Darstellung verzichtet. Harald Schliemann

718 BAG in std Rspr, statt vieler: 30.1.91 - 7 AZR 497/ 89 - AP AÜG § 10 Nr 8 unter III 1 der Gründe; 18.1.89 7 ABR 21/88 - AP BetrVG 1972 $ 9 Nr 1; 28.11.89 - 1 A B R 90/88 - AP AÜG $ 14 Nr 5 zu Β 1 c der Gründe, jeweils mwN. 719 Marschner NZA 95, 668. 720 BAG 30.1.91 - 7 AZR 497/89 - AP AÜG $ 10 Nr 8. 721 BAG 30.1.91 - 7 AZR 497/89 - AP AÜG § 10 Nr 8; 27.1.93 - 7 AZR 476/92 - nv.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

vertretungsbefugt sind als diejenigen, denen später die Durchführung und Abrechnungen der Leistungen aus diesen Verträgen obliegt. 722 aa)

Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung

3 0 1 Fehlt die nach $ 1 Abs 1 S 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, so hat dies nicht nur Ordnungswidrigkeitsfolgen (§ 16 AÜG), sondern vor allem auch zivilrechtliche Folgen. Ist ein Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach $ 9 Nr 1 AÜG unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen (§10 Abs I S 1, HS 1 AÜG). Nach $ 9 Nr 1 AÜG unwirksam sind unter anderem Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat. Der Eintritt dieser hier nur skizzierten Rechtsfolgen nach $ 10 Abs 1 iVm § 9 Nr 1 AÜG setzt voraus, daß es sich um gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung handelt. Gewerbsmäßig handelt der Arbeitgeber, der die Arbeitnehmerüberlassung nicht nur gelegentlich betreibt, sondern auf gewisse Dauer anlegt und damit unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Vorteile erzielen will.723 Liegt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung vor, so treten beim Fehlen der behördlichen Erlaubnis die in $ 10 Abs 1 iVm § 9 Nr 1 AÜG angeordneten Rechtsfolgen ohne Rücksicht darauf ein, ob sich das Vorliegen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages bereits aus ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien oder erst aus einer hiervon abweichenden praktischen Vertragsdurchführung ergibt oder ob der Vertragsarbeitgeber (Verleiher) seine Arbeitgeberpflichten gegenüber seinen im Betrieb des Dritten (Entleiher) eingesetzten (Leih-)Arbeitnehmern korrekt erfüllt. Ein derart zustande gekommenes Arbeitsverhältnis steht einem vertraglich begründeten Arbeitsverhältnis gleich.724 3 0 2 Liegt dagegen eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern vor, so kann infolge Überschreitung der erlaubten Überlassungsdauer ($ 1 Abs 2 AÜG) ebenfalls ein Arbeitsverhältnis zwischen dem verliehenen Arbeitnehmer und dem Entleiherbetrieb als begründet gelten. 725 3 0 3 Die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung des Leiharbeitnehmers ist bei (ordnungsgemäßer) Überlassung gespalten. Nach $ 14 Abs 1 AÜG bleibt er während der Zeit der Entleihe Angehöriger des entsendenden Betriebes des Verleihers. Er ist gleichwohl bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb wahlberechtigt, wenn er dort länger als drei Monate eingesetzt wird (§ 7 BetrVG), aber nicht wählbar ($ 14 Abs 2 S 1 AÜG). Der Leiharbeitnehmer darf im Entleiherbetrieb an den dortigen Sprechstunden der Betriebsvertretungen teilnehmen; zudem gelten die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen über die Mitwirkungs- und Beschwerderechte des Arbeitnehmers für ihn nach näherer Maßgabe des $ 14 Abs 2 S 3 AÜG auch im Entleiherbetrieb. Der Betriebsrat des Entleiherbetriebes ist vor Übernahme des Leiharbeitnehmers nach $ 99 BetrVG nach näherer Bestimmung des § 14 Abs 3 AÜG zu beteiligen. 726 Unabhängig von $ 14 AÜG ist ein solches Beteiligungsrecht immer dann gegeben, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen.727 Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG steht dem Betriebsrat des Entleiherbetriebes auch für die Leiharbeitnehmer zu. 728 bb)

Nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung

3 0 4 Bei nichtgewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung 729 nahm des Bundesarbeitsgericht bis zur ersatzlosen Streichung des § 13 AÜG mit Wirkung vom 1. April 1997 ebenfalls an, daß das Arbeitsverhältnis zum Entleiher wegen zu vermutenden Arbeitsvermittlung gem J 13 AÜG als zustande 722 BAG 27.1.93 - 7 AZR 476/92 - nv. 723 BAG 18.1.89 - 7 ABR 62/87 - AP AÜG § 14 Nr 2. 724 BAG 30.1.91 - 7 AZR 497/89 - AP AÜG $ 10 Nr 8. 725 BAG 23.11.88 - 7 AZR 34/88 - AP AÜG $ 1 Nr 14. 726 BAG 18.4.89 - 1 ABR 97/87 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 65 (Kraft/Raab); 28.11.89 - 1 ABR 90/88 - AP AÜG $ 14 Nr 5. 100

Harald Schliemann

727 BAG 1.8.89 - 1 ABR 54/88 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 68. 728 BAG 1 5 . 1 2 . 9 2 - 1 ABR 38/92 - AP AÜG $ 14 Nr 7. 729 Zuweilen wird in Anlehnung an die Terminologie des BGB („Leihe") nichtgewerbliche Arbeitnehmerüberlassung als (echte) Leiharbeit bezeichnet, zB Staudinger/ Richardi BGB13, Vorbem zu $$ 611 ff Rn 359, 360.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VI. Arbeitsvertragliche Beziehungen bei Beteiligung Dritter gekommen zu gelten habe, wobei die Vermutung, die allein auf der Überschreitung der maßgeblichen Überlassungsfrist des § 1 Abs 2 AÜG beruhte, widerlegt werden konnte. 7 3 0 Diese Rechtsprechung ist durch die ersatzlose Streichung des § 13 AÜG überholt. 7 3 1 Die Regelung des S 14 Abs 1 AÜG, wonach Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Arbeitsleistung

305

beim Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes des Verleihers bleiben, gilt entsprechend auch für die gesetzlich nicht geregelte Erscheinungsform der nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. 7 3 2 cc)

Arbeitnehmerüberlassung i m selben Wirtschaftszweig

Erlaubnisfrei ist die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen, wenn ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht ($ 1 Abs 3 Nr 1 AÜG), oder wenn der Arbeitgeber weniger als 5 0 Beschäftigte hat und sie zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen an einen Arbeitgeber desselben Wirtschaftszweiges im selben oder im unmittelbar angrenzenden Handwerkskammerbezirk bis zur Dauer von drei Monaten erfolgt; insoweit besteht allerdings eine Anzeigepflicht gegenüber dem Landesarbeitsamt (§ l a AÜG). Tatbestandsmäßig k e i n e Arbeitnehmerüberlassung liegt ferner bei der Bildung von Arbeitsgemeinschaften gem $ 1 Abs 1 S 2 AÜG vor.

306

Erlaubnisfrei ist auch die Arbeitsüberlassung zwischen K o n z e r n u n t e r n e h m e n iSd $ 18 AktG, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei seinem Arbeitgeber leistet ($ 1 Abs 3 AÜG). Für die Konzernleihe ist nicht erforderlich, daß die zu einem Konzern verbundenen Unternehmen ihrerseits Aktiengesellschaften sind; maßgeblich ist nur, daß - unbeschadet der Gesellschaftsform - ein Konzern vorliegt. 7 3 3

307

dd)

Maschinen m i t Bedienungspersonal

Soweit (hochwertige oder kompliziert zu bedienende) Geräte m i t Bedienungspersonal einem Dritten derart überlassen werden, daß der Dritte den Einsatz dieser Geräte mit Bedienungspersonal selbst bestimmt, liegt ebenfalls keine Arbeitnehmerüberlassung vor, sofern der Schwerpunkt dieser gemischten Verträge nicht in der Bereitstellung der Arbeitnehmer liegt. 7 3 4 4.

308

Gestellungsverträge

Die Bedeutung der Gestellungsverträge liegt vor allem im Bereich der Krankenpflege sowie beim Einsatz von Lehrpersonal zur Erteilung von Religionsunterricht in allgemeinbildenden Schulen. Sie werden zwischen Orden und Säkularinstituten der römisch-katholischen Kirche, zwischen den der evangelischen Kirche zugeordneten Schwesternverbänden und zwischen den Schwesternschaften des Deutschen Roten Kreuzes bzw des Bayerischen Roten Kreuzes einerseits und den Trägern der Krankenhäuser, zuweilen auch Altersheimen, und allgemeinbildenden Schulen bzw deren Trägern andererseits abgeschlossen. 7 3 5 Der Gestellungsvertrag unterscheidet sich von der (gewerbsmäßigen) Arbeitnehmerüberlassung dadurch, daß der Gestellte nicht im Arbeitsverhältnis zu der Einrichtung (Deutsches Rotes Kreuz, Kirche und ihre Untergliederungen) steht, die ihn gestellt, und daß die Gestellung keinem Erwerbszweck dient. Durch die Gestellung entsteht zwischen dem Gestellten und der aufnehmenden Einrichtung bzw deren Träger weder ein Arbeitsverhältnis 7 3 6 noch ein sonstwie geartetes Dienstver730 BAG 21.3.90 - 7 AZR 198/89 - AP AÜG s 1 Nr 15) Überlassung im öffentlichen Dienst bzw in dessen Vorfeld); 14.2.91 - 2 AZR 363/90 - nv (Überlassung eines Religionslehrers vom kirchlichen Anstellungsträger an eine öffentliche, vom Staat getragene Schule). 731 BAG 28.6. 2000 - 7 AZR 100/99 - AP AÜG s 13 Nr 3. 732 BAG 18.1.89 - 7 ABR 62/87 - AP AÜG § 14 Nr 2. 733 BAG 5.5.88 - 2 AZR 795/87 - AP AÜG $ 1 Nr 8 (Wiedemann). Harald Schliemann

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734 BAG 16.6.82 - 4 AZR 862/79 - AP TVG S 1 Tarifvertrage: Bau Nr 41 (Baumaschinen mit Bedienungspersonai); 17.2.93 - 7 AZR 167/92 - AP AÜG S 10 Nr 7; (Überlassung von Flugzeugen auf Leasingbasis mit Bordpersonal). 735 Gehring/Thiele $ 630 Anh Rn 69, 70; Staudinger/Richardi13 Vorbem zu §§ 611 ff Rn 241, 242. 736 Vgl zur Gestellung von Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes: BAG 20.2.86 - 6 ABR 5/85 - AP BetrVG 1972 $ 5 Rotes Kreuz Nr 2.

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S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht hältnis, 7 3 7 wie auch umgekehrt hierdurch statusrechtliche Beziehung zwischen dem derart Gestellten zu seinem Dienstherrn bzw zur Schwesternschaft hiervon nicht berührt wird. 7 3 8 Inwieweit ein Mitbestimmungsorgan (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung) der aufnehmenden Einrichtung auch hinsichtlich der Gestellten und der Einstellung in den aufnehmenden Betrieb zuständig ist, ist eine hiervon zu trennende Frage. 7 3 9 5. 310

M e h r h e i t von Arbeitgebern

Arbeitgeber kann jede natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts sein. Arbeitgeber ist letztlich jeder, der einen Arbeitnehmer beschäftigt. Üblich sind monistische Strukturen. Eine natürliche Person unterhält ein Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber. Arbeitsvertragliche Beziehungen können zwischen einem Arbeitnehmer auf der einen Seite und einer M e h r h e i t von Arbeitgebern auf der anderen Seite bestehen. Gelegentlich kommt vor, daß Partei eines Arbeitsvertrages auf der Arbeitgeberseite nicht nur eine Person ist, sondern mehrere juristische oder natürliche Personen insgesamt die Rechtsstellung eines einzelnen Arbeitgebers gegenüber diesem einzelnen Arbeitnehmer haben. Davon zu unterscheiden ist die Sachlage, die besteht, wenn ein Arbeitnehmer zeitgleich m e h r e r e Arbeitsverhältnisse (sog. Doppelarbeitsverhältnisse) unterhält; derartig nur über die Person des Arbeitnehmers verbundene Arbeitgeber haben nicht die Funktion eines (einheitlichen) Arbeitgebers gegenüber diesem Arbeitnehmer, auch wenn die Arbeitszeiten aus mehreren gleichzeitig bestehenden Arbeitsverhältnissen zusammenzurechnen sind (§ 2 Abs I S 1 HS 2 ArbZG) und sie möglicherweise sozialversicherungsrechtliche oder lohnsteuerrechtliche Haftungsverbünde bilden (vgl § 8 Abs 2 SGB IV). 7 4 0 a)

311

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind Arbeitgeber die einzelnen Gesellschafter. Denn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist für sich nicht rechtsfähig und kann daher auch grundsätzlich nicht Vertragspartner eines schuldrechtlichen Vertrages wie zB eines Arbeitsvertrages nach $ 611 ff BGB sein. Dies ist Stand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. 7 4 1 Dagegen hält der Bundesgerichtshof (nunmehr) eine (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts für rechts- und parteifähig. 7 4 2 Allerdings ist es für die Annahme eines derartig einheitlichen Arbeitsverhältnisses mit mehreren natürlichen oder juristischen Personen oder rechtlich selbständigen Handelsgesellschaften auf der einen Seite nicht erforderlich, daß diese untereinander in einem bestimmten - insbesondere gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnis stehen, einen gemeinsamen Betrieb führen oder den Arbeitsvertrag gemeinsam abschließen. Erforderlich ist vielmehr ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den arbeitsvertraglichen Beziehungen des Arbeitnehmers zu den einzelnen Arbeitgebern, der es verbietet, diese Beziehungen rechtlich getrennt zu behandeln. Das Vorliegen einer solchen Arbeitgebergruppe kann sich aus der Auslegung des Vertragswerks der Parteien, aber auch aus zwingenden rechtlichen Wertungen ergeben. Ein derart einheitliches Arbeitsverhältnis kann im Regelfall nur von und gegenüber allen auf einer Vertragsseite Beteiligten von der jeweils anderen Seite gekündigt werden. 7 4 3

737 Vgl zur Gestellung eines ordinierten evangelischen Pfarrers als Religionslehrer an einem staatlichen Gymnasium: BVerwG 3.9.90 - 6 Ρ 20.88 - AP BPersVG $ 4 Nr 2. 738 Siehe zur Mitarbeitereigenschaft von vom DRK gestellten Schwestern pp in karitativen Einrichtungen der katholischen Kirche: Schlichtungsstelle Erzdiözese Köln ν 14.3.86, NZA 86 690. 739 Vgl zur Mitbestimmug bei der Einstellung (42 Buchst a MVG.EKD): Verwaltungsgericht der EKD 5.8.99 - 0124/D4-99 - ZMV 99 296.

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Harald Schliemann

740 Vgl für den Fall der Kumulierung geringfügiger Beschäftigungen bei mehreren Arbeitgebern und dadurch herbeigeführter Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenzen: BAG 18.11.88 - 8 AZR 12/86 - AP BGB Doppelarbeitsverhältnis $ 611 Nr 3 (Gitter). 741 BAG 6.7.89 - 6 AZR 771/87 - AP BGB S 705 Nr 4 mwN. 742 BGH 29.11. Ol - II ZR 33/00 - BGHZ 146 341-361. 743 BAG 27.3.81 - 7 AZR 523/78 - AP BGB § 611 Arbeitgebergruppe Nr 1 (Wiedemann).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VI. Arbeitsvertragliche Beziehungen bei Beteiligung Dritter b)

Gemeinsamer Betrieb mehrerer U n t e r n e h m e n

Bei der Führung eines gemeinsamen Betriebes mehrerer U n t e r n e h m e n ist zwar dessen Einheitlich-

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keit betriebsverfassungsrechtlich (§ 1 BetrVG n F ) 7 4 4 wie auch kündigungsschutzrechtlich 7 4 5 zu beachten. Allein hierdurch werden die U n t e r n e h m e n , die einen solchen gemeinsamen Betrieb führen, noch nicht zu gemeinsamen Arbeitgebern desselben Arbeitnehmers; vielmehr bleiben die jeweiligen Unternehmen jeweiliger Arbeitgeber des einzelnen Arbeitnehmers, mit welchem sie einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. c)

Gesamthafenbetriebe

Für Gesamthafenbetriebe besteht insoweit eine Besonderheit nach dem Gesetz über die Schaffung des besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb). 7 4 6 Die einzelnen Gesamthafenbetriebsregelungen der einzelnen Seehäfen der Bundesrepublik Deutschland sind etwas unterschiedlich. Im Gesamthafenbetrieb Hamburg kommen jeweils für die Dauer eines Einsatzes in einem Hafeneinzelbetrieb Arbeitsverhältnisse zwischen dem Inhaber des Hafeneinzelbetriebes und jedem ihm zugeteilten Gesamthafenarbeiter bzw Aushilfsarbeiter dadurch zustande, daß der Gesamthafenarbeiter bzw Aushilfsarbeiter bei dem Hafeneinzelbetrieb zur Arbeit antritt. 7 4 7 Dies beruht auf den Gesamthafenbetriebsregelungen, denen ihrerseits das Gesamthafenbetriebsgesetz zugrunde liegt. Derartige Regelungen erstrecken sich ähnlich einem Tarifvertrag auf alle vom Gesamthafenbetriebsgesetz erfaßten Arbeitsrechtsbeziehungen. 7 4 8 Daneben bleibt jedoch ein etwaiges Arbeitsverhältnis zum Gesamthafenbetrieb selbst bestehen. Der Gesamthafenbetrieb hat nichts anderes als die Aufgabe, den Hafenarbeitern auch dann, wenn sie nur unständig beschäftigt sind, einen ständigen Arbeitgeber zu bieten. Solange und soweit ein Gesamthafenarbeiter in einem Hafeneinzelbetrieb eingesetzt ist, ist die Arbeitgeberstellung des Gesamthafenbetriebs allerdings nur subsidiär. Der Gesamthafenbetrieb übernimmt im Rahmen seiner Aufgaben gegenüber den Gesamthafenarbeitern die Funktion eines Arbeitgebers nur insoweit, als diese nicht vom Hafeneinzelbetrieb auszuüben sind. 7 4 9 6.

313

Mittelbares Arbeitsverhältnis

Ein mittelbares Arbeitsverhältnis liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn ein Arbeitnehmer von einem Mittelsmann beschäftigt wird, der seinerseits selbst Arbeitnehmer eines Dritten ist und die Arbeit mit Wissen des Dritten unmittelbar für diesen geleistet wird. 7 5 0

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Für die Begründung der Rechtsfigur des mittelbaren Arbeitsverhältnisses bezieht sich das Bundesarbeitsgericht auf einen im Jahre 1938 vom Arbeitsrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht veröffentlichten Entwurf des Gesetzes über das Arbeitsverhältnis, welcher in seinem S 120 folgendes vorsah: „Hat ein Gefolgsmann eine Arbeit unter Heranziehung anderer Gefolgsmänner zu leisten oder muß dem Unternehmer bekannt sein, daß er die Arbeit nur unter Heranziehung anderer leisten kann, so

315

besteht ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen auch zwischen diesem Dritten und dem Unternehmer ein Arbeitsverhältnis (mittelbares Arbeitsverhältnis)". In diesen nicht Gesetz gewordenen Ausführungen hat das Bundesarbeitsgericht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gesehen. 7 5 1 Allerdings meint es, auch der mittelbare Arbeitgeber haftet nur subsidiär, wenn sich die Ansprüche gegen den Mittelsmann als den unmittelbaren Arbeitgeber nicht durchsetzen lassen. 7 5 2 Darüber hinaus kommt eine unmittelbare Inanspruchnahme des mittelbaren Arbeitgebers allein dann in Betracht, wenn die Begründung eines mittelbaren Arbeitsverhältnisses sich als Rechtsmißbrauch darstellt. 7 5 3 744 Vgl zu § 1 BetrVG af: BAG 24.1.96 - 7 ABR10/95 AP BetrVG 1972 J 1 Gemeinsamer Betrieb Nr 8. 745 BAG 18.1.90 - 2 AZR 355/98 - AP KSchG 1969 $ 23 Nr 9. 746 GesamthafenbetriebsG ν 3.8.50 (BGBl 352). 747 BAG 25.11.92 - 7 ABR 7/92 - EzA BetrVG 1972 $ 9 Nr 5 unter Β II der Gründe. 748 BAG 1 4 . 1 2 . 8 8 - 5 AZR 809/87 - AP GesamthafenbetriebsG S 1 Nr 4. Harald Schliemann

749 BAG 25.11.92 - 7 ABR 7/92 - EzA BetrVG 1972 % 9 Nr 5. 750 BAG 21.2.90 - 5 AZR 162/89 - AP BGB $611 Abhängigkeit Nr 57. 751 BAG 9.4.57 - 3 AZR 435/57 - AP $ 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis Nr 2. 752 BAG 21.2.90 - 5 AZR 162/89 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 57. 753 BAG 21.2.90 - 5 AZR 162/89 - AP BGB § 611 Ab-

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$ 611

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

Der Ausdruck „mittelbares Arbeitsverhältnis" trügt. Im Gegensatz zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als dem Schlüssel der Anwendbarkeit des Arbeitsrechts kommt dem Schlagwort „mittelbares Arbeitsverhältnis" eine derartige Funktion nicht zu. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung diese „Rechtsfigur" nur benutzt, um nachrangige Haftungen gegenüber einem Dritten durchgreifen zu lassen, sei es im Sinne (zusätzlichen) Kündigungsschutzes, sei es zur Herbeiführung eines (weiteren) Haftungsschuldners. 7 5 4 Die vom Bundesarbeitsgericht als gegeben erachteten Rechtsfolgen eines mittelbaren Arbeitsverhältnisses lassen sich indessen durchweg mit Hilfe anderer Rechtsfiguren erreichen. Einer Mißbrauchskontrolle für die Begründung eines „mittelbaren Arbeitsverhältnisses" bedarf es nicht. Eine derartige Mißbrauchskontrolle ist nach dem Grundverständnis des Bundesarbeitsgerichts immer nur dann gegeben, wenn ansonsten geltende zwingende Schutznormen ohne sachlich rechtfertigenden Grund abbedungen würden. Eine Schutznorm des Inhalts, daß ein Arbeitnehmer Anspruch hätte, mit einem bestimmten Arbeitgeber, hier: dem Hintermann, einen Arbeitsvertrag abzuschließen, gibt es indessen nicht. 7 5 5 Der der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 7 5 6 zugrundeliegenden dogmatischen Ansicht, $ 120 des Entwurfs eines Arbeitsverhältnisgesetzes des Arbeitsrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht aus dem Jahre 1938 enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken, kann nicht gefolgt werden. Erkennbar beruht diese Vorstellung (noch) auf den für das nationalsozialistische Arbeitsrecht beherrschenden Prinzipien von Eingliederung und Gefolgschaft. Die Ansicht läßt zudem außer Betracht, daß ein Arbeitsverhältnis nach der Maxime des Grundgesetzes und der darin postulierten Vertragsfreiheit gerade nicht durch bloße Eingliederung in eine Betriebsgemeinschaft zustandekommt, sondern durch privatautonomen Vertrag. Schon aus diesem Grund kann die Rechtsfigur des „mittelbaren Arbeitsverhältnisses" keine Geltung beanspruchen. 7 5 7 7.

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Die normale Zusammenarbeit mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb ist für den Status der einzelnen Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer in der Regel ohne rechtliche Bedeutung. Ist jedoch nach dem Inhalt des Leistungsversprechens oder kraft Organisation des Arbeitgebers die Arbeit als Gruppenleistung zu erbringen, so handelt es sich um ein Gruppenarbeitsverhältnis. Gruppenarbeitsverhältnisse treten in zwei Varianten auf, nämlich zum einen in Form der Betriebsgruppe, zum anderen als sogenannte Eigengruppe. a)

318

Gruppenarbeitsverhältnis

Betriebsgruppe

Eine Betriebsgruppe wird durch den Arbeitgeber gebildet. Jeder zur Bildung der Gruppe herangezogene Arbeitnehmer hat für sich allein einen Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber geschlossen. Die bloße Zusammenfassung solcher Arbeitnehmer zu Arbeitsgruppen, Arbeitsteams usw, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt moderner Managementformen der Gruppenarbeit, Qualitätszirkel pp., hat für sich allein noch nicht die Bildung einer Betriebsgruppe im Sinne der Rechtsprechung zur Folge. Entscheidend ist vielmehr, daß die Gesamtleistung einer Gruppe als die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen ist. In der Regel wird eine derartige rechtliche Vereinbarung einer Gesamtleistung nur mit Zustimmung der einzelnen Gruppenmitglieder möglich sein. Wichtiges Indiz für die Bildung einer solchen Betriebsgruppe ist indessen die Abhängigkeit des Arbeitsentgeltes von der Leistung der Gruppe insgesamt. Besonders typisch hierfür sind Akkordgruppen oder Akkordkolonnen, wie sie häufig im Baugewerbe zu finden sind. 7 5 8 Kennzeichnend bleibt aber auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Gruppe zusammenstellt, daß die Arbeitsleistung als Gruppenleistung zu erbringen ist; dies ist Inhalt

hängigkeit Nr 57; 20.7.82 - 3 AZR 446/80 - AP BGB S 611 Mittelbares Arbeitsverhältnis Nr 5. 754 Waas RdA 93 153, 155. 755 Vgl für den Fall des Abschlusses eines Privatarbeitsvertrages mit einem Hochschullehrer: BAG 29.6.88 7 AZR 552/86 - AP HRG $ 25 Nr 1 (Otto). 756 BAG 9.4.57 - 3 AZR 435/54 - AP RegelungsG $ 8 Nr 7. 104

Harald Schliemann

757 VglWaoiRdA93 153,aAStaudinger/Ricftardi'BGB« Vorbem zu SS 611 ff Rn 377. 758 ZB Putzerkolonne: BAG 23.2.61 - 5 AZR 110/60 AP BGB S 611 Akkordkolonne Nr 2 (A. Hueck); Fliesenlegerkolonne: BAG 9.9.65 - 5 AZR 155/65 - AP BGB $ 611 Akkordkolonne Nr 3 (G. Hueck).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VII. Dauer und Umfang der Arbeitsverhältnisse

des Leistungsversprechens. Es bleibt dann allerdings der Gruppe überlassen, wie sie die Arbeitsgänge und Arbeitsabschnitte unter ihren einzelnen Gruppenmitgliedern aufteilt. Liegt ein Fall der Schlechtleistung der Gruppe vor, so kann der Arbeitgeber jeden einzelnen Arbeitnehmer der Gruppe auf der Grundlage des mit ihm geschlossenen Arbeitsverhältnisses in Anspruch nehmen; allerdings ist ein Schadenersatzanspruch gegen den einzelnen Arbeitnehmer nur gegeben, wenn dieser einzelne Arbeitnehmer insoweit selbst seine Vertragspflicht schuldhaft verletzt hat. 759 b)

Eigengruppe

Bei der Eigengruppe, bei der sich Arbeitnehmer aus eigener Initiative zur Arbeitsleistung zusammen- 3 1 9 geschlossen haben, wie zB besonders häufig bei Musikkapellen, kommt es für die Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber darauf an, ob die Eigengruppe als solches rechtsfähiges Gebilde auftritt oder ob die Gruppenmitglieder ihrerseits einzelne vertragliche Beziehungen zum Arbeitgeber knüpfen oder ob beides vorliegt. Im Normalfall treten die Gruppenmitglieder ihrerseits in arbeitsrechtliche Beziehungen zum Arbeitgeber. Welcher Art diese arbeitsrechtlichen Beziehungen allerdings im einzelnen sind, ist höchst strittig. 760 Grundsätzlich kann der Arbeitgeber bei einer Eigengruppe nicht einem einzelnen Arbeitnehmer kündigen, sondern nur allen Gruppenmitgliedern insgesamt, weil er sonst die Gruppe sprengen würde.761 c)

Job-Sharing, Job-Pairing

Auch die modernen Formen der Arbeitsplatzteilung durch sogenanntes Job-Pairing und Job-Sharing 3 2 0 stellen vom Ansatz her Gruppenarbeitsverhältnisse dar. Beim Job-Pairing wird es sich in aller Regel um eine Eigengruppe handeln, während das Job-Sharing infolge der Organisation durch den Arbeitgeber eher Züge einer Betriebsgruppe trägt. Gem S 13 Abs 2 TzBfG ist bei diesen Arten der Arbeitsplatzteilung die Kündigung wegen Ausscheidens eines anderen Arbeitnehmers aus der Arbeitsplatzteilung unwirksam. Andererseits kann dies das Ausscheiden eines Job-Sharing-Partners aus betriebsbedingten Gründen sachlich rechtfertigen.

VII. Dauer und Umfang der Arbeitsverhältnisse Unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Inanspruchnahme der Arbeitnehmer und der Dauer der 3 2 1 arbeitsvertraglichen Bindungen lassen sich verschiedene Arbeitsverhältnisse unterscheiden, ohne daß allein hierdurch die Qualität des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis entscheidend berührt wird. 1.

Dauer des Arbeitsverhältnisses

Hinsichtlich der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist das sogenannte unbefristete Arbeitsverhältnis oder 3 2 2 auch Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit der Normaltypus. Daneben gibt es allerdings auch befristete Arbeitsverhältnisse, die wiederum zu unterteilen sind in solche mit Zeitbefristung und solche mit Zweckbefristung. Schließlich stehen zuweilen Arbeitsverhältnisse unter auflösenden Bedingungen. In den Fällen, in denen kein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit vorliegt, bedarf die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach näherer Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes grundsätzlich eines sie sachlich rechtfertigenden Grundes, soweit das Gesetz hierauf verzichtet (im einzelnen: Dorner § 620 Rn 29 ff).

759 BAG 24.4.74 - 5 AZR 480/73 - AP BGB $611 Akkordkolonne Nr 3 Nr 4 (Lieb); Hoffmann Die Gruppenakkordarbeit, 1981, 119 f. 760 Vgl statt vieler: Schaub S 183 mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes. Harald Schliemann

761 BAG 21.10.71 - 2 AZR 17/71 - AP BGB $611 Gruppenarbeitsverhältnis Nr 1 (Hanau) für die Kündigung eines Ehegatten im Fall der Beschäftigung eines Ehepaares als Heimleiter.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

2.

Vollzeitarbeitsverhältnisse und Sonderformen

a)

Voll- und Teilzeit

3 2 3 Die Masse aller Arbeitsverhältnisses sind Vollzeitarbeitsverhältnisse, dh Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitnehmer sich verpflichtet hat, die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen bzw den betriebsüblichen Regelungen zu leisten, von Teilzeitarbeitsverhältnissen unterscheiden (vgl 5 2 TzBfG). Teilzeitarbeitsverhältnisse unterscheiden sich von Vollzeitarbeitsverhältnissen dadurch, daß der Arbeitnehmer eine geringere regelmäßige Wochenarbeitszeit zu leisten hat als ein im selben Betrieb beschäftigter, ihm vergleichbarer Vollzeitarbeitnehmer. Für Teilzeitarbeitnehmer ist insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten wie er in $ 2 TzBfG seinen besonderen Ausdruck gefunden hat (Rn 137). b)

Aushilfsarbeitsverhältnisse

3 2 4 Von großer praktischer Bedeutung sind die sogenannten Aushilfsarbeitsverhältnisse. Der Begriff „Aushilfsarbeitsverhältnis" wird indessen zur Umschreibung unterschiedlicher, teilweise in sich gemischter Tatbestände verwendet. Zum einen ist damit die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung für einen infolge Urlaubs, Krankheit oder aus sonstigen Gründen an der Arbeitsleistung verhinderten, bereits eingestellten Arbeitnehmer zu verstehen. Zum anderen wird darunter ein Arbeitsverhältnis verstanden, das nur begründet worden ist, um einen Bedarf an vorübergehender zusätzlicher Arbeit abzudecken.762 Zum Teil wird darunter jedoch auch ein Arbeitsverhältnis verstanden, bei welchem eine Arbeitskraft kurzfristig und kurzzeitig zur Verfügung steht und sehr häufig auch nur teilzeitbeschäftigt ist. Teilweise werden in der Literatur unter Aushilfsarbeitsverhältnissen wiederum Arbeitsverhältnisse verstanden, die auf Abruf realisiert werden. Dies sind rechtliche KAPOVAZ-Tätigkeiten iSd $ 12 TzBfG. Grundsätzlich unterliegen Aushilfsarbeitsverhältnisse arbeitsrechtlich denselben Anforderungen wie andere Arbeitsverhältnisse auch. Insbesondere bei der bisherigen Praxis der Eingehung befristeter Aushilfsarbeitsverhältnisse ist die Schriftformbestimmung des S 14 Abs 4 TzBfG zu beachten (siehe Dörner S 620 Rn 243). Dauert das Aushilfsarbeitsverhältnis von vornherein länger als einen Monat, müssen die Arbeitsbedingungen gemäß dem Nachweisgesetz nachgewiesen werden (Rn 475 ff). Allerdings kann einzelvertraglich eine kürzere als die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart werden (Röhsler § 622 Rn 146 ff). Häufig nehmen Tarifverträge Aushilfsarbeitnehmer von ihrem persönlichen Geltungsbereich aus. c) 325

Abrufarbeitsverhältnisse

Sogenannte Abrufarbeitsverhältnisse (auch KAPOVAZ-Verhältnisse, nämlich kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit-Verhältnisse genannt) haben in S 12 TzBfG eine besondere Beachtung gefunden. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat, so muß zugleich eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festgelegt werden; ist eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit nicht festgelegt worden, so gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Zudem ist der Arbeitnehmer nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im voraus mitteilt. Ist in der Vereinbarung die tägliche Dauer der Arbeitszeit nicht festgelegt, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer jeweils für mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden zur Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen. Kennzeichnend für solche Abrufarbeitsverhältnisse ist, daß bereits ein fester Arbeitsvertrag besteht, in welchem sich der Arbeitnehmer zur Leistung solcher Arbeiten auf Abruf des Arbeitgebers verpflichtet hat. 763 Davon zu unterscheiden sind Rechtsverhält-

762 BAG 22.5.86 - 2 AZR 392/85 - AP BGB $ 622 Nr 23.

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Harald Schliemann

763 Vgl für studentische Sitzwachen in Intensivstationen: BAG 19.1.93 - 9 AZR 53/92 - AP BUrlG $ 1 Nr 20.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 Vili. Ausbildungsverhältnisse

nisse, bei denen zwar einerseits eine dauernde (Rahmen-)Vereinbarung über die Arbeitskonditionen besteht, es jedoch beiden Seiten freisteht, für den jeweiligen Einsatz ein Arbeitsverhältnis befristet zu begründen. 764

VIII. Ausbildungsverhältnisse Der Erwerb praktischer beruflicher Fähigkeiten und Fertigkeiten und nicht der Austausch von Arbeits- 3 2 6 leistung gegen Arbeitsentgelt steht im Vordergrund der auf privatrechtlichen Verträgen beruhenden Rechtsverhältnisse zur beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung bzw zur Umschulung. Dies schließt jedoch nicht aus, daß die derart zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Personen im Rahmen ihrer Ausbildung auch Arbeitsleistungen erbringen, die denen bereits ausgebildeter Arbeitnehmer zumindest am Ende der Ausbildungszeit nicht (mehr) nachstehen. Die Rechtsgrundlagen und Gestaltungen derartiger Ausbildungsverhältnisse ist höchst unterschiedlich. Zum Teil handelt es sich um Vertragsgestaltungen, bei denen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ohne weiteres möglich ist, teilweise handelt es sich indessen auch um Rechtsgestaltungen, die sich nicht als Arbeitsverhältnis qualifizieren lassen. 1.

Zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte

Die umfassendste, weitestgehende Umschreibung des Kreises derart tätiger Personen findet sich in $ 5 3 2 7 Abs 1 BetrVG. Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind die Arbeiter und Angestellten einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne dieser Bestimmung sind Personen, mit denen der Ausbildende einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen hat, der die Beschäftigung zur Berufsausbildung zum Inhalt hat. Auch unter dem Gesichtspunkt der Berufsausbildung setzt die Arbeitnehmereigenschaft (iSd § 5 Abs 1 BetrVG) voraus, daß der Auszubildende aufgrund eines zumindest auch hierauf gerichteten privatrechtlichen Vertrages mit dem ausbildenden Arbeitgeber in dessen Betrieb eine berufliche Unterweisung erhält. Wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags in einem Betrieb Arbeit leistet, ist grundsätzlich betriebsverfassungsrechtlich Arbeitnehmer, wer auf privatvertraglicher Grundlage in einem Betrieb eine Ausbildung erhält, ist im Grundsatz betriebsverfassungsrechtlich Auszubildender. Hierfür ist unerheblich, wie die Vertragsparteien die Betätigung rechtlich einordnen und wie sie ihren Vertrag bezeichnen. Entscheidend ist vielmehr, wie sie ihr Rechtsverhältnis tatsächlich ausgestalten und durchführen. 765 Dabei deckt sich der Begriff der zu ihrer „Berufsausbildung" Beschäftigten iSd $ 5 Abs 1 BetrVG nicht 3 2 8 mit dem des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Nach § 1 Abs 2 BBiG hat die „Berufsausbildung" eine breit angelegte berufliche Grundausbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln (Satz 1, aaO) und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermitteln (Satz 2, aaO). Dagegen ist der Begriff Berufsausbildung im Betriebsverfassungsgesetz inhaltlich sehr viel weiter gefaßt. Hierzu zählen neben der angeführten beruflichen Grundausbildung iSd § 1 Abs 2 BBiG alle Maßnahmen, die auf betrieblicher Ebene berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Damit werden in $ 5 Abs 1 BetrVG auch solche Ausbildungsverhältnisse erfaßt, auf die die Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes nicht anzuwenden sind und die insbesondere den Anforderungen der Berufsausbildung nach § 1 Abs 2 BBiG nicht genügen. Auch Teilnehmer an einer nach dem Berufsbildungsgesetz nicht anerkannten Ausbildung können iSd $ 5 Abs 1 BetrVG zu ihrer „Berufsausbildung" beschäftigt sein. 766 Nicht entscheidend ist insoweit auch, ob dem Auszubildenden vom Ausbildenden oder vom Inhaber des Ausbildungsbetriebes für die Teilnahme an der Ausbildung eine Arbeitsvergütung oder Ausbildungsvergütung gezahlt wird. 767 Ebensowenig kommt es unter dem Gesichtspunkt der 764 BAG 28.4.92 - 1 ABR 73/91 - AP BetrVG 1972 J 99 Nr 98. 765 BAG 13.5.92 - 7 ABR 72/91 - AP BetrVG 1972 Ausbildung Nr 4. EzA § 5 BetrVG Nr 54 unter Β I der Gründe; BAG 2 5 . 1 0 . 8 9 - 7 ABR 1/88 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr 40 (Nateci) unter Β I 2 der Gründe. Harald Schliemann

766 BAG 2 5 . 1 0 . 8 9 - 7 ABR 1/88 - AP BetrVG 1972 § 5 Nr 40 (Natzel) unter Β 11 der Gründe. 767 BAG 13.5.92 - 7 ABR 72/91 - AP BetrVG 1972 Ausbildung Nr 4 unter Β I 3 b ff der Gründe.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines z u m Arbeitsvertragsrecht

Beschäftigung zur Berufsausbildung iSd $ 5 Abs 1 BetrVG darauf an, ob der Ausbildungsteilnehmer durch seine Tätigkeit den Betriebszweck des Ausbildungsbetriebes zu fördern hat, er also zur (teilweisen) Arbeitsleistung verpflichtet ist, oder auch nur, ob er den Betriebszweck tatsächlich fördert, wohl aber darauf, daß sich die Ausbildung selbst im Rahmen des Betriebs vollzieht und der zu seiner (Berufs-) Ausbildung Beschäftigte nicht lediglich derjenige ist, der - ähnlich einem Kunden - nur eine Ausbildung erhält. Dementsprechend sind Umschüler zu Krankengymnasten keine Beschäftigten der Krankengymnastikschulen.768 3 2 9 Der wortgleiche Begriff der „zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten" in $ 5 Abs 1 BetrVG und S 4 Abs 1 BPersVG hat indessen verschiedene Regelungsinhalte; er kann insoweit vom Bundesarbeitsgericht und vom Bundesverwaltungsgericht auch verschieden ausgelegt werden, ohne daß es der Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes bedarf. 769 Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Frage, was unter zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte iSd $ 4 Abs 1 BPersVG zu verstehen sei, in der Vergangenheit unterschiedlich beantwortet. 770 3 3 0 Entsprechend seiner von der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte und damit als Arbeitnehmer iSd § 5 Abs 1 BetrVG unter anderem folgende Fallgestaltungen eingeordnet: Jugendliche, die aufgrund einer Forderung durch das Arbeitsamt gem den §S 240 ff SGB ΠΙ als Rehabilitanden eine berufliche Erstausbildung in einem Rehabilitationszentrum erhielten; 771 Teilnehmerinnen eines Fortbildungsprogramms einschließlich Praxiseinsatzes für den Wiedereinstieg in den Arbeitsprozeß auf dem Felde sozialer Dienste;772 Teilnehmer einer Ausbildung in einer Berufsausbildungsstätte. 773 Ebenso hat das Bundesarbeitsgericht Hochschul- und Fachhochschulpraktikanten als zu ihrer Ausbildung Beschäftigte iSd S 60 BetrVG anerkannt, wenn dem Praktikum ein privatrechtlicher Vertrag zwischen dem Studenten und dem Betriebsinhaber zugrunde liegt, auch wenn die Praktikumszeit selbst nur kurz ist. 774 Nicht zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind dagegen sogenannte Schülerpraktikanten, weil ihr Einsatz hauptsächlich der Eigenunterrichtung und nicht dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebes dient, sowie unter ausdrücklicher Aufgabe früherer Ansichten Umschüler für den Beruf des Krankengymnasten. 775 2.

Ausbildungsverhältnisse im Sinne des Berufsbildungsgesetzes

3 3 1 Die im Rahmen förmlicher Berufsausbildungsverträge Auszubildenden im Sinne des Berufsbildungsgesetzes bzw der Handwerksordnung stehen wegen der Vermittlung der beruflichen Fertigkeiten in der Regel in einem atypischen Dienstvertrag. Soweit es um die arbeitsrechtliche Seite ihrer Berufsausbildung geht, sind die Sondervorschriften der SS 3 bis 19 BBiG bzw 21 ff HandwO zu beachten. Als Gegenleistung für geleistete Arbeit hat der Ausbildende dem Auszubildenden bzw Lehrling eine angemessene Vergütung als Gegenleistung für die geleistete Arbeit zu gewähren (S 10 BBiG). Überdies gelten besonders strenge, den Auszubildenden schützende Kündigungsvorschriften nach S 15 BBiG. Werden Ausbildungsverhältnisse nach $ 19 BBiG begründet, dh wird jemand eingestellt, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen zu erwerben, ohne daß es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt, so werden ebenfalls Arbeitsverhältnisse begründet, die ihrerseits den besonderen Regelungen des S 19 BBiG unterliegen. Für öffentlich geförderte Rehabilitations- oder Umschulungsmaßnahmen können auch insoweit Besonderheiten bestehen (vgl Rn 239). 768 BAG 21. 7.93-7 ABR 35/92 - AP BetrVG 1972 Ausbildung Nr 8; aA noch BAG 13.5.92 - 7 ABR 72/91 - AP BetrVG 1972 Ausbildung Nr 4. 769 Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1 2 . 3 . 8 7 - GmSOGB 6/86 - AP BetrVG 1992 $ 5 Nr 35. 770 ZB BVerwG 2 3 . 1 0 . 8 4 - 6 Ρ 15/84 - Buchholz 238.32 $ 3 BlnPersVG (LS); 1 8 . 3 . 8 2 - 6 Ρ 8/79 - Buchholz 238.3A s 4 BPersVG Nr 1; 19.6.80 - 6 Ρ 1/80 - Buchholz 238.37 § 13 PersVG NW Nr 2. 771 BAG 13.5.92 - 7 ABR 72/91 - EzA $ 5 BetrVG 1972 Nr 54.

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Harald Schliemann

772 BAG 2 5 . 1 0 . 8 9 - 7 ABR 1/88 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 40 (Nateci); zugleich wurde eine Beschäftigung (Ausbildung) zur Wiedereingewöhnung iSd $ 5 Abs 2 Nr 4 BetrVG verneint. 773 Β AG 2 6 . 1 1 . 8 7 - 6 ABR 8/83 - AP BetrVG 1972 $ 5 Nr 36. 774 BAG 3 0 . 1 0 . 9 1 - 7 ABR 11/91 - AP BetrVG 1972 Ausbildung § 5 Nr 2. 775 BAG 8 . 5 . 9 0 - 1 ABR 7/89 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 80; 2 1 . 7 . 9 3 - 7 ABR 35/92 - AP BetrVG 1972 Ausbildung Nr 8.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 IX. Arten von Arbeitnehmern

3.

Volontär, Arzt im Praktikum

Die Legaldefinition des § 82a HGB beschreibt als Volontäre Personen, die zum Zwecke ihrer Ausbildung unentgeltlich mit kaufmännischen Diensten beschäftigt werden, ohne als Lehrlinge angenommen worden zu sein. Grundsätzlich soll das Volontariat nicht dazu dienen, dem Volontär eine breit angelegte oder gar geordnete Berufsausbildung zu vermitteln. Vielmehr soll der Volontär nur die (auf die nicht mit der Zahlung einer Vergütung verbundene) Möglichkeit erhalten, bereits vorhandene berufliche Fertigkeiten durch Verbreiterung und Vertiefung seiner Fachkenntnisse zu verbessern. Die Möglichkeit des Volontariats ist durch die zwingenden Vorschriften über die Mindestinhalte von Ausbildungsverträgen in 5 19 iVm $ 5 BBiG nicht verdrängt oder untersagt. Zunehmend finden sich allerdings für Volontariate Entgeltregelungen, so zB für die sogenannten Redaktionsvolontäre an Tageszeitungen.

332

Der Verbreiterung und Vertiefung ihrer Fachkenntnisse durch praktische Erfahrung dient auch die Beschäftigung als Arzt im Praktikum gem den $$ 34a ff ÄAppO. Er bedarf für die Tätigkeit als Arzt im Praktikum einer entsprechenden Erlaubnis. 776 Es handele sich hierbei allerdings nicht um ein Ausbildungsverhältnis iSd S 19 BBiG, 7 7 7 aber auch nicht um ein Volontärverhältnis, denn die Beschäftigung erfolgt nicht unentgeltlich, sondern - zumindest im Bereich der Krankenhäuser der öffentlichen Hand aufgrund des besonderen Entgelttarifvertrages für Ärzte/Ärztinnen im Praktikum. Ärzte im Praktikum haben, auch wenn sie gleichwertige Arbeit leisten, indessen von Gesetzes wegen keinen Anspruch darauf, wie Assistenzärzte bezahlt zu werden. 778

333

4.

Praktikanten

Im Gegensatz zum Volontär soll der Praktikant durch seine Tätigkeit im Betrieb praktische Kenntnisse und Erfahrungen zur Vorbereitung auf einen Beruf erwerben. Der Erwerb beruflicher Erkenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen ohne Begründung eines eigentlichen Berufsausbildungsverhältnisses unterliegt in der Regel den Bestimmungen des § 19 BBiG; die dort aufgezählten Möglichkeiten lassen sich geradezu als Inhalte von Praktikantenverhältnissen begreifen. Andererseits hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, daß S 19 BBiG auf Studenten, die innerhalb ihres Studiums und als dessen Bestandteil ein Praktikum zu absolvieren haben, nicht anwendbar ist. 779

334

IX. Arten von Arbeitnehmern 1.

Angestellte und Arbeiter

Nach der Art der geschuldeten Tätigkeit werden die Arbeitnehmer in die beiden Großgruppen „Arbeiter" und „Angestellte" gegliedert. a)

335

Bedeutung der Unterscheidung

Die rechtliche und tatsächliche Bedeutung der Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten ist unterschiedlich zu bewerten. Auf der einen Seite verliert die Differenzierung erheblich an Gewicht, weil die gruppenspeziflschen, unterschiedlichen Regelungen vereinheitlicht werden. Dies geschieht zunehmend durch Tarifverträge, 780 von Gesetzes wegen in letzter Zeit auch durch die Schaffung einheitlicher gesetzlicher (Mindest-)Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. 781 Während die Unterscheidung zwischen Arbeitern 7 7 6 VGH Kassel 1 9 . 1 . 9 6 - 11 TG 2 3 4 0 / 9 5 - NJW 96 2444. 7 7 7 Umstritten, vgl Schaub J 16 VI 2b Rn 18. 7 7 8 BAG 2 4 . 3 . 9 3 - 4 AZR 2 6 5 / 9 2 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr 106. 7 7 9 BAG 3 0 . 1 0 . 9 1 - 7 ABR 11/91 - AP BetrVG 1972 $ 5 Ausbildung Nr 2. 7 8 0 Vgl MTV für die chemische Industrie; MTVe für die Metall- und Elektroindustrie (sowohl die Manteltarifver-

Harald Schliemann

336

träge mit der IG Metall als auch die mit der CG Metall); MTV Zuckerindustrie; TV Arbeitnehmerüberlassung anläßlich der Weltausstellung EXPO 2000; schon früher: Weyel Tarifrecht im Umbruch - zur tariflichen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, NZA 87 765; Blanke Arbeiter und Angestellte - auf dem Weg zum einheitlichen Beschäftigungsverhaltnis, AuR 9 1 1, jeweils mwN auch einzelner Tarifverträge. 7 8 1 Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfri-

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

und Angestellten im Rahmen der Betriebsverfassung durch die Novelle zum Betriebsverfassungsgesetz 1 9 8 8 7 8 2 an B e d e u t u n g gewonnen hatte, ist diese Unterscheidung durch die Novelle vom 28. Juni 2 0 0 1 völlig aufgehoben worden. 7 8 3 337

Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ist zu konstatieren, daß der Unterschied der Großgruppen durch Beibehaltung der verschiedenen Rentenversicherungsträger im Rentenreformgesetz 1 9 9 2 7 8 4 ohne Anzeichen einer künftigen Änderung beibehalten worden ist. 7 8 5

338

In der ehemaligen D D R gab es die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern nicht (mehr), sondern nur den grundsätzlich einheitlichen Begriff des Werktätigen. Bereits aufgrund der Übernahme unter anderem des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Staatsvertrag ab l . J u l i 1 9 8 9 7 8 6 mußte die Unterscheidung - wenn auch mit Modifizierungen für die Zeit bis 31. Dezember 1 9 9 1 7 8 7 - (wieder) aufgenommen werden. Nach Ablauf der Übergangsfrist (31. Dezember 1991) gilt die allgemeine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten auch im Beitrittsgebiet. b)

339

Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit unterschiedlicher Regelungen für Arbeiter u n d Angestellte zu befassen gehabt, insbesondere im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Ein Grundrechtsverstoß liegt zwar nicht schon darin, daß im Einzelfall die Abgrenzung der Gruppe der Arbeiter von der Gruppe der Angestellten erhebliche Schwierigkeiten bietet, wohl aber darin, daß bei der Berechnung der für die verlängerten Kündigungsfristen maßgeblichen Beschäftigungszeiten eines Arbeiters Zeiten nicht berücksichtigt wurden, die vor Vollendung des 35. Lebensjahres lagen (§ 6 2 2 Abs 2 S 1 BGB aF), während bei einem Angestellten bereits Zeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres mitgerechnet wurden. 7 8 8 Noch bevor der Gesetzgeber diesem Regelungsauftrag durch Angleichung des maßgeblichen Lebensalters der Arbeiter auch auf das 25. Lebensjahr im Juni 1990 nachkam, 7 8 9 erklärte das Bundesverfassungsgericht durch seinen Beschluß vom 30. Mai 1990 die Regelung in § 6 2 2 Abs 2 BGB (aF) insgesamt für mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 G G ) unvereinbar, soweit die Kündigungsfristen für Arbeiter kürzer waren als die für Angestellte. 7 9 0 Dem ist der Gesetzgeber nicht ganz innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist (30. Juni 1993) durch die völlige Neufassung des § 6 2 2 BGB nachgekommen 7 9 1 (des näheren: Röhsler § 622 Rn 4). c)

340

Verfassungsmäßigkeit der Unterscheidung

Gesetzliche Unterschiede

Die verbleibenden gesetzlichen Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten beschränken sich heute auf wenige Felder: Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die früher für Arbeiter und für sten von Arbeitern und Angestellten ν 7.10.93 (BGBl I 1668); vgl zur früheren Fassung des S 622 BGB mit den unterschiedlichen Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte: BVerGE 82 126. 782 Art 1 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung ν 20.12.88 (BGBl I 2312); Bekanntmachung der Neufassung des BetrVG: BGBl 1989 1 1, 902). 783 BAG 13.11.91 - 7 ABR 8/91 - AP BetrVG 1972 $ 26 Nr 9 unter Β 2 der Gründe; 11.3.92 - 7 ABR 50/91 - AP BetrVG 1972 $ 38 Nr 11 unter Β Π 3 b der Gründe. 784 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) ν 18.12.89, BGBl I 2261, Art 1 - Sozialgesetzbuch (SGB), Sechstes Buch (VI) - SGB VI. 785 Vgl $ 127 SGB VI: Träger der Rentenversicherung der Arbeiter sind 1. die Landesversicherungsanstalten, 2. die Bundesbahn-Versicherungsanstalt, 3. die Seekasse; § 132 SGB VI: Träger der Rentenversicherung der Angestellten ist die Bundesversicherungsanstalt für Ange-

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stellte mit Sitz in Berlin; S 136 SGB VI: Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung ist die Bundesknappschaft mit Sitz in Bochum. 786 Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ν 18.5.90 (BGBl II 537). 787 Vgl $ 5 BetrVG in der bis 31.12.91 im Gebiet der ehemaligen DDR geltenden Fassung, Einigungsvertrag ν 31.8.90 (BGBl II 889, 1022). 788 BVerfG 16.11.82 - 1 BvL 16/75; 1 BvL 36/79 BVerfGE 62 256, 276 ff = AP BGB $ 622 Nr 16 = EzA Art 3 GG Nr 13 (Mayer-Maly) = AuR 83 142 (Kraushaar). 789 Änderung des § 622 Abs 2 S 2 BGB in Art 2 des Gesetzes zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften ν 26.6.90 (BGBl I 1206). 790 BVerfG 30.5.90 - 1 BvL 2/83 ua - BVerfGE 82 126. 791 Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten ν 7.10.93 (BGBl I 668).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 IX. Arten von Arbeitnehmern

Angestellte unterschiedlich und in unterschiedlichen Normen geregelt war, ist mit Wirkung vom 1. Juni 1994 im Entgeltforzahlungsgesetz für beide Großgruppen einheitlich normiert. 792 Das während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zu beachtende Konkurrenzverbot sowie das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist für Angestellte gesetzlich besonders geregelt (§ 60 HGB, $$ 74 ff HGB, S 133 f GewO). Die Geltung des gesetzlichen Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbots nach dem Rechtsgedanken des $ 60 HGB wird für alle Arten von Arbeitsverhältnissen, auch solchen mit Arbeitern, angenommen.793 Die Schutzbestimmungen der §§ 74 ff HGB hat das Bundesarbeitsgericht indessen allgemein entsprechend auf alle Arten von Arbeitnehmern angewendet.794 Im Bereich des Personalvertretungsrechts ist der Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten weiterhin von erheblicher Bedeutung; in der Regel müssen bei Wahlen beide Großgruppen - und dazu beide Geschlechter berücksichtigt werden. Hinzu kommt für den Bereich der Betriebs- und Unternehmensverfassung die Unterscheidung der (einfachen) Arbeitnehmer von den leitenden Angestellten, für die zudem mit Wirkung vom 1. Januar 1989 das Sprecherausschußgesetz 795 geschaffen worden ist. Auf dem Gebiet der Sozialversicherung hat die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten vor allem im Hinblick auf die getrennte Regelung der Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte erhebliche Bedeutung (Rn 337). d)

Komplementärbegriffe

d) Arbeiter und Angestellte sind Komplementärbegriffe. Arbeiter sind alle Arbeitnehmer, die nicht 3 4 1 Angestellte sind. 796 Eine arbeitsrechtliche Legaldefinition des Begriffs „Angestellter" gibt es nicht mehr. 797 Die frühere Verweisung in $ 616 Abs 2 S 1 auf die Regelungen des Angestelltenversicherungsgesetzes zur Definition des Begriffs des Angestellten ist mit Wirkung am 1. Januar 1992 ersatzlos gestrichen worden.798 Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet die Arbeit eines (kaufmännischen) Angestellten von der eines (gewerblichen) Arbeiters dadurch, daß die gedankliche, geistige Arbeit die mechanische, mit der Hand geleistete Arbeit überwiegt, wobei der Verkehrsauffassung ein entscheidendes Gewicht beizumessen ist. 799 e)

Tarifverträge

Eine solche Verkehrsauffassung kommt insbesondere in Tarifverträgen zum Ausdruck. Soweit Tarif- 3 4 2 Verträge unterschiedliche Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte vorsehen, ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß die unterschiedlichen Regelungen für Kündigungsfristen bereits unter diesem Gesichtspunkt wegen Verstoßes gegen Art 3 GG unwirksam sind. Denn auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt es objektive Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten, die zwar nicht durch die bloße Art der Tätigkeit als „Handarbeit" im Gegensatz zur „Kopfarbeit" zu beschreiben sind, aber durch andere Sachgründe, die - möglicherweise auch für größere Gruppen - eine unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigen können. 800 Wenn die Grundfristen oder verlängerten Fristen für die ordentliche Kündigung von Arbeitern in Tarifverträgen eigenständig (konstitutiv) geregelt sind, müssen daher die Gerichte für Arbeitssachen in eigener Kompetenz prüfen, ob die Kündigungsregelungen im Vergleich zu den für Angestellte geltenden Bestimmungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind (des näheren: Röhsler $ 622 Rn 95 ff). 792 Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (EntgeltforzahlungG - EFZG) ν 2 6 . 5 . 9 4 (BGBl 11014), zuletzt geändert durch Gesetz ν 19.12.98 (BGBl I 3843). 793 BAG 16.8.90 - 2 AZR 113/90 - AP BGB § 6 1 1 Treuepflicht Nr 10. 794 Grundlegend: BAG 16.5.69 - 3 AZR 412/68 - GewO S 133 f Nr 23 {Hoffmann). 795 Verkündet als Art 2 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung ν 20.12.88 (BGBl 1 2312).

Harald Schliemann

796 BAGE 4 7 1 6 0 , 1 6 3 = AP LohnFG $ 1 Nr 59 (Hanau)= SAE 85 210 (van Veenroy). 797 Vgl statt vieler: Hromadka Das Recht der leitenden Angestellten, 1979, 68; ders NZS 92 7, 13; Staudinger/ Richardi BGB«, Vorbem zu M 611 ff Rn 285. 798 Neufassung des S 616 Abs 2 BGB mit Wirkung ab 1.1.92 durch Art 58 RentenreformG ν 18.12.89 (BGBl I 2261). 799 BAG in std Rspr seit 3 0 . 9 . 5 4 - 2 AZR 65/53 - AP HGB $ 59 Nr 1 (Hefemehl); Rechtsprechungsübersichten zur Abgrenzung der Angestellten und Arbeiter finden sich ua bei Schaub $ 13 III Rn 12, 13. 800 BVerfGE 82 126. 111

343

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

f)

Gemischte Tätigkeiten

Einzelvertraglich kann einem Arbeiter der Status eines Angestellten eingeräumt werden. Auf die Frage seiner sozialversicherungsrechtlichen Einordnung hat eine solche einzelvertragliche Regelung indessen keinen Einfluß. Verrichtet ein Arbeitnehmer gemischte Tätigkeiten, so kommt es wiederum in erster Linie auf die Verkehrsanschauung an, ob er Arbeiter oder Angestellter ist. In Zweifelsfallen ist auf die überwiegende Tätigkeit abzustellen.801 2.

Außertarifliche, übertarifliche und leitende Angestellte

3 4 4 Die Gruppe der Angestellten ist ferner danach zu differenzieren, ob es sich um besondere Arten von Angestellten handelt oder Angestellte, bei denen derartige besondere Merkmale nicht vorliegen. a)

Außertarifliche und übertarifliche Angestellte

3 4 5 In Relation zur Tarifwertigkeit und Tarifvergütung von Angestelltentätigkeiten sind außertarifliche und übertarifliche Angestellte zu unterscheiden. Unter außertariflichen Angestellten werden solche Angestellten verstanden, die vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht mehr erfaßt werden. Dies setzt voraus, daß sie eine Tätigkeit verrichten, welche die Anforderungen in der höchsten Vergütungsgruppe (Gehaltsgruppe) des betreffenden Tarifvertrages übersteigt, aber nicht notwendig zu leitenden Angestellten iSd § 5 Abs 3 BetrVG gehören. 802 Je nach Tarifregelungen muß ggfs eine deutlich über dem höchsten Tarifentgelt liegende Bezahlung hinzukommen. 803 Zuweilen erfassen Tarifverträge persönlich alle Arbeitnehmer bis auf die leitenden Angestellten iSd $ 5 Abs 3 BetrVG, so daß für außertarifliche Angestellte im Sinne der bisherigen Definition des Bundesarbeitsgerichts kein Raum mehr bleibt. Übt dagegen ein Angestellter eine Tätigkeit aus, die noch vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags erfaßt ist, so handelt es sich um einen übertariflich bezahlten Angestellten, falls seine Vergütung über der des Tarifniveaus liegt und insoweit eine feste vertragliche Entgeltvereinbarung mit dem Arbeitgeber besteht. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, zB bei der Arbeitszeit, 804 muß zwischen außertariflichen und (nur) übertariflich bezahlten Angestellten getrennt werden. b)

Leitende Angestellte

3 4 6 Der Begriff leitende Angestellte wird in verschiedener Hinsicht mit unterschiedlichen Inhalten verwendet. aa)

Allgemeiner Sprachgebrauch

3 4 7 Im allgemeinen Sprachgebrauch ist ein leitender Angestellter jemand, der als Angestellter Führungsfunktionen hat. Zuweilen wird auch von einem leitenden Mitarbeiter gesprochen. Im Sprachgebrauch werden zum Teil bereits Vorarbeiter als leitende Mitarbeiter oder „Führungskräfte" angesprochen. bb)

348

„Angestellte in l e i t e n d e r S t e l l u n g "

Das Kündigungsschutzgesetz kennt den Begriff „Angestellte in leitender Stellung" ($ 14 KSchG). Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Überschrift jener Norm. § 14 KSchG bestimmt, daß die Vorschriften des ersten Abschnittes des Kündigungsschutzgesetzes, dh die Regelungen über den allgemeinen Kündigungsschutz, nicht gelten in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, bzw in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen. Nach § 14 Abs 2 KSchG finden auf Geschäftsführer, Betriebsleiter 801 BAG in std Rspr seit 30.9.54 - 2 AZR 65/53 - AP HGB § 59 Nr 1 (Hefemehl). 802 BAG 1 8 . 9 . 7 3 - 1 ABR 7 / 7 3 - A P BetrVG 1972 § 8 0 Nr 3 (Rtchardi).

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803 Vgl Kasseler Handbuch/P. Senne Gruppe 4. l . R n 49. 804 BAG 21.6. 2000 - 4 AZR 793/98 - AP BetrVG $ 5 Nr 65.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 IX. Arten von Arbeitnehmern

und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, die Vorschriften des ersten Abschnitts mit Ausnahme des 5 3 Anwendung; die Regelungen über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliche Entscheidung ($ 9 Abs 1 S 2 KSchG) finden mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf (Corts $ 620 Rn 573 f). cc)

Leitende Angestellte im Sinne des $ 5 BetrVG.

Besondere Bedeutung hat der leitende Angestellte iSd S 5 Abs 3 BetrVG. Für leitende Angestellte im 3 4 9 Sinne dieser Bestimmung gelten besondere Regeln. Grundsätzlich sind die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes auf leitende Angestellte iSd S 5 Abs 3 BetrVG nicht anzuwenden. Andererseits können nur leitende Angestellte im Sinne dieser Bestimmung einen Sprecherausschuß nach näherer Maßgabe des Sprecherausschußgesetzes wählen, und dies auch nur in Betrieben mit in der Regel mindestens zehn leitenden Angestellten, wobei mehrere räumlich nahegelegene Betriebe zusammengefaßt werden können ($$1,3 SprAÜG). Schließlich haben die leitenden Angestellten iSd $ 5 Abs 3 BetrVG die auf sie entfallenden Wahlmänner bzw Vertreter im Aufsichtsrat der dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden Unternehmen zu wählen (vgl $ 15 MitbestG). Die Klärung der Frage, wer leitender Angestellter iSd $ 5 Abs 3 BetrVG (aF) war, war immer wieder 3 5 0 Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung, insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit den Aufsichtsratswahlen nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Ob hierauf noch zurückgegriffen werden kann, erscheint zumindest zweifelhaft. Denn mit Wirkung ab 1. Januar 1989 ist der Begriff des leitenden Angestellten iSd $ 5 Abs 3 BetrVG modifiziert worden.805 Eine Änderung der Gesetzeslage ist vor allem insoweit zu verzeichnen, als das Gesetz im Gegensatz zur früheren Fassung keinen Oberbegriff des leitenden Angestellten (mehr) enthält, aus dessen Kreisen dann nach näherer Bestimmung der früheren Nr 1 bis 3 des $ 5 Abs 3 S 2 BetrVG bestimmte Untergliederungen als leitende Angestellte im Sinne des Gesetzes anzuerkennen waren.806 Der Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes war bereits 1972 3 5 1 derart umstritten, daß der Gesetzgeber davon abgesehen hat, abweichende Begriffsbestimmungen für das Mitbestimmungsgesetz (1976) oder für das Sprecherausschußgesetz (1988) vorzunehmen. Die Legaldefinition des leitenden Angestellten iSd $ 5 Abs 3 BetrVG (nF) gilt auch für beide vorgenannten Gesetze; er hat indessen für die Frage, inwieweit jemand leitender Angestellter im Sinne anderer Bestimmungen ist, keine Bedeutung. 3.

Berufszugehörigkeit der Arbeitnehmer

Nach der Berufszugehörigkeit lassen sich verschiedene Arbeitnehmergruppen unterscheiden.

352

Der Begriff gewerbliche Arbeitnehmer ist in der amtlichen Überschrift der Gewerbeordnung, Titel VII, 3 5 3 in Form einer Klammerdefinition umschrieben. Zu ihnen zählen Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sie einem Betrieb angehören, der unter den in $ 6 GewO definierten Anwendungsbereich fällt. Ist dies der Fall, so ist das Arbeitsrecht der Gewerbeordnung anzuwenden, wie es sich (noch) mehr oder minder bruchstückhaft in den $ 105 (freie Gestaltung des Arbeitsvertrages), $$ 113 ff GewO findet. Die Gewerbeordnung enthält jedoch nur ergänzende Vorschriften und keine Kodifikation des gesamten Rechts der gewerblichen Arbeitnehmer. Vom Grundsatz her umfaßt der Begriff des Gewerbes im Sinne der Gewerbeordnung jede selbständige und planmäßige wirtschaftliche Tätigkeit erlaubter Art zum Zwecke der Gewinnerzielung, ausgenommen die Urproduktion und die freiberufliche Tätigkeit. Ausgenommen sind ferner das Seeschiffahrtswesen und das Seelotswesen; begrenzt anwendbar ist die Gewerbeordnung auf Versicherungsunternehmen und auf die Ausübung von Heilkunde, den Verkauf von Arzneimitteln 805 Art 1 Nr 1 des Gesetzes zur Änderung des BetriebsVerfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbe-

Harald Schliemann

Stimmung ν 2 0 . 1 2 . 8 8 (BGBl I 2312), Bekanntmachung der Neufassung des BetrVG: BGBl 1989 I, 1, ber 902. 806 Vgl Hromadka Sprecherausschußgesetz, 1991, § 5 Abs 3, 4 BetrVG, Rn 4.

113

J 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Erstes Kapitel Allgemeines zum Arbeitsvertragsrecht

und Vertrieb von Lotterielosen sowie die Viehzucht. Zunehmend wird in der Alltagspraxis der Begriff „gewerbliche Arbeitnehmer" anstelle des - teilweise als verpönt angesehenen - Begriffs „Arbeiter" verwendet. 3 5 4 Für Handlungsgehilfen enthält das Handelsgesetzbuch in den $$ 59 bis 83 HGB Sonderregelungen. Handlungsgehilfe ist nach der Legaldefinition des $ 59 HGB, wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist. Hierzu muß der Arbeitgeber Kaufmann iSd $$ 1 ff HGB sein. 3 5 5 Eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern sind die im Bergbau beschäftigten Arbeitnehmer.807 Entsprechendes gilt auch für die Seeschiffahrt, 808 für die Arbeitnehmer der Kirchen (vgl ausführlich: Gehring/Thiele Anh. zu § 630 Rn 66 ff, 72).

X.

Arbeitgeber

3 5 6 Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsvertrags ist, wer einen Arbeitnehmer angestellt hat (Vertragsarbeitgeber). Dies können natürliche Personen sein, ebenso juristische Personen und Handelsgesellschaften. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind Arbeitgeber die einzelnen Gesellschafter (Rn 312). Ein Kommanditist ist jedoch nicht Arbeitgeber der Mitarbeiter der Kommanditgesellschaft.809 Von der rechtlichen Eigenschaft des Arbeitgebers sind seine übrigen rechtlichen Eigenschaften und Funktionen als Unternehmer, Kaufmann, Selbständiger, Freiberufler, Privatmann usw zu unterscheiden. Ein Arbeitsverhältnis kann auch zu mehreren Arbeitgebern gleichzeitig bestehen (Rn 310). Gespaltene Arbeitgeberfunktionen treten auf beim Einsatz des Arbeitnehmers in einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen (Rn312) oder im Rahmen eines Gestellungsvertrags (Rn309) oder bei der Leiharbeit (Rn 295 ff). Zum einen übt der Vertragsarbeitgeber (bzw der Dienstherr bei der Gestellung) Arbeitgeberfunktionen aus, zum anderen jedoch der „aufnehmenden" Arbeitgeber, letzterer im Hinblick vor allem auf die arbeitgebertypischen Weisungsrechte hinsichtlich Zeit und Durchführung der Arbeitsleistung.

XI. Betrieb, Unternehmen, Konzern 1.

Betrieb

3 5 7 Der arbeitsrechtliche Betriebsbegriff bedarf - nicht zuletzt im Hinblick auf die Betriebsverfassung noch weiterer Klärung. Die Rechtsprechung geht von folgendem Betriebsbegriff aus: „Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinne, vor allem im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes wie des Betriebsverfassungsgesetzes, ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt", der jeweils im Hinblick auf den Regelungszusammenhang der Modifizierung bedarf (ausführlich: Ascheid $ 613a Rn 15-42) Mit und in einem Betrieb können gleichzeitig verschiedene arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden. In erster Linie kommt es nicht auf die Einheitlichkeit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung an, sondern auf die Einheit der Organisation. Dabei liegt regelmäßig dann ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefaßt, geordnet und gezielt eingesetzt werden und wenn der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird.810 In der Regel wird ein Betrieb von nur einem Unternehmen geführt. Umgekehrt kann ein einziges Unternehmen durchaus eine Vielzahl von Betrieben führen. Denkbar ist indessen auch, daß ein einziger Betrieb von mehreren Unternehmen geführt wird.811 807 Vgl ausführlich: Boldt in: ArbR BGB1, $ 630 Anh I = 810 BAG in std Rspr, vgl statt vieler BAG 14.9.88 -

BGB RGRK1Z.

7 ABR 10/89 - AP BetrVG 1972 $ 1 Nr 9 mzN.

= BGB RGRK12. 809 BAG 23.6.92 - 9 AZR 308/91 - AP ArbGG 1979 § 2 Nr 23.

AP BetrVG 1972 $ 1 Nr 9.

808 Vgl ausführlich: Bemm in: ArbR BGB1, $ 630 Anh II 811 BAG in std Rspr, vgl BAG 14.9.88 - 7 ABR 10/89 -

114

Harald Schliemann

Vertrags typische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 XI. Betrieb, Unternehmen, Konzern E i n e n für die gesamte Rechtsordnung einheitlichen Begriff des Betriebes gibt es indessen nicht.

358

Für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz im Betrieb (§ 6 3 7 RVO, jetzt: $ 105 SGB VII) ist der Begriff des Betriebes unfallversicherungsrechtlich zu bestimmen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Bundeswehr als Ganzes (und nicht etwa nur eine Einheit oder Untereinheit der Bundeswehr) ein (einziger) Betrieb iSd S 6 3 7 RVO. 8 1 2 Dagegen ist der Begriff des Betriebs oder der des Betriebsteiles auf den arbeitstechnischen Zweck ausgerichtet, soweit es um den rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang iSd § 613a BGB geht (Ascheid $ 613a Rn 15 ff); insoweit kann es - j e nach Schwerpunkt des arbeitstechnischen Zweckes - mal mehr, mal weniger auf die Arbeitnehmer des Betriebes ankommen. Stärker auf die personelle Leitungsmacht und die Personalstärke des Unternehmens ist dagegen abzustellen, wenn es um die Definition des Betriebes im Sinne der Kleinbetriebsklausel des $ 23 Abs 1 KSchG geht (im einzelnen: Corts $ 620 Rn 5 7 6 - 5 8 5 ) . 8 1 3 2.

Unternehmen

Einen für die gesamte Rechtsordnung einheitlichen Begriff des Unternehmens gibt es ebenfalls nicht. Von einem Betrieb unterscheidet sich das Unternehmen durch die Art der Zielsetzung. Während beim Betrieb die arbeitstechnische Zwecksetzung im Vordergrund steht, ist ein U n t e r n e h m e n in der Regel darauf ausgerichtet, einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Im arbeitsrechtlichen Sinne setzt ein U n t e r n e h m e n einen einheitlichen Rechtsträger voraus. Deshalb können Betriebsräte verschiedener Rechtsträger auch dann keinen Gesamtbetriebsrat errichten, wenn die verschiedenen Rechtsträger wirtschaftlich verflochten sind oder eine Personengleichheit der Geschäftsführung besteht. Der Begriff des Unternehmens wird im Arbeitsrecht, vor allem im Betriebsverfassungsgesetz, vorausgesetzt. Insoweit knüpft das Betriebsverfassungsgesetz an die in anderen Gesetzen für das Unternehmen vorgeschriebenen Rechts- und Organisationsformen an, die durchweg zwingend sind. Aus diesen gesellschaftsrechtlichen Regelungen ergibt sich, daß die Kapitalgesellschaften und die Gesamthandelsgesellschaften des Handelsrechts jeweils ein einheitliches Unternehmen bilden, dessen rechtliche Selbständigkeit auch nicht dadurch verloren geht, daß es mit einem oder mehreren anderen Unternehmen wirtschaftlich verflochten ist oder Personengleichheit der Geschäftsführung besteht. 8 1 4 Zunehmende Bedeutung gewinnt der Begriff des Unternehmens im Zusammenhang mit den Regelungen über die U n t e r n e h m e n s u m w a n d l u n g . 8 1 5 3.

359

Konzern

Ähnlich wie beim Unternehmensbegriff enthält das Arbeitsrecht auch k e i n e eigene Definition des Begriffes Konzern. Der Begriff des Konzerns spielt arbeitsrechtlich vor allem in der Betriebsverfassung ein Rolle, aber auch bei der Konzernleihe (Rn 307). § 54 Abs 1 BetrVG knüpft an den allgemeinen Konzernbegriff an. Allerdings ist es nur bei sogenannten Unterordnungskonzernen iSd § 18 Abs 1 AktG möglich, einen Konzernbetriebsrat zu bilden, denn das Betriebsverfassungsgesetz verweist nur auf diese Form von Konzernen. Ein Unterordnungskonzern iSd $ 18 Abs 1 AktG setzt voraus, daß ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter einheitlicher Leitung eines herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind. Für die Annahme eines Konzerns iSd § 54 BetrVG ist es unerheblich, in welcher Rechtsform das beherrschende oder das abhängige Unternehmen geführt werden; auch ein faktischer

360

Konzern genügt, um einen Konzernbetriebsrat bilden zu dürfen. 8 1 6 In S 54 BetrVG wie auch in § 1 Abs 3 AÜG wird der Unternehmensbegriff rechtsformneutral verwendet. 8 1 7 Innerhalb mehrstufiger Unterordnungskonzerne („Konzern im Konzern") kann ein Konzernbetriebsrat auch bei einem Tochterunternehmen eines mehrstufigen, vertikal gegliederten Konzerns gebildet 812 BAG 24.9.92 - 8 AZR 572/91 - NZA 93 451. 813 BVerfG 2 7 . 1 . 9 8 - 1 BvL 15/87 - AP KSchG 1969 $ 23 Nr 17; 27.1.98 - 1 BvL 22/93 - AP KSchG 1969 $ 23 Nr 18. 814 BAG 1 1 . 1 2 . 8 7 - 7 ABR 49/87 - AP BetrVG 1972 $ 47 Nr 7 (Wiedemann) mwN. 815 Umwandlungsgesetz - UmwG - ν 28.10.94 (BGBl I Harald Schliemann

361

3210, ber BGBl 195,428), zuletzt geändert durch Gesetz ν 22.7.98 (BGBl I 1878). 816 BAG 22.11.95 - 7 ABR 9/95 - AP BetrVG 1972 $ 54 Nr 7 (Junker). 817 BAG 5.5.88 - 2 AZR 795/87 - AP AÜG S 1 Nr 8 (Wiedemann).

115

$ 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

werden, wenn diesem ein betriebsverfassungsrechtlicher Spielraum für die bei ihm und für die von ihm abhängigen Unternehmen zu treffende Entscheidung verbleibt. 818 Wird ein Unternehmen von mehreren Unternehmen gemeinsam beherrscht, so handelt es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen. Es kann zu jedem der herrschenden Unternehmen in Konzernabhängigkeit, so daß auch insoweit die Bildung von Konzernbetriebsräten nicht ausgeschlossen ist. 8 1 9

Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag Übersicht I.

Π.

Begriff und Funktionen des Arbeitsvertrags 1. Begriff des Arbeitsvertrags 2. Grundfunktionen des Arbeitsvertrags . . . 3. Betriebszugehörigkeit Anbahnung des Arbeitsvertrags 1. Anwerbung von Arbeitnehmern 2. Stellenausschreibung a) Pflicht zur Stellenausschreibung . . . . b) Inhalt der Stellenausschreibung . . . . aa) Betriebsverfassungsrechtliche Anforderungen bb) Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung cc) Teilzeit dd) Frauenförderung ee) EG-Freizügigkeit ff) Grundgesetzliche Diskriminierungsverbote 3. Vorvertragliches Schuldverhältnis a) Allgemeine Pflichten des Arbeitgebers . b) Unterrichtungs- und Offenbarungspflichten des Arbeitgebers c) Allgemeine Pflichten des Arbeitnehmers d) Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers 4. Frage- und Informationsrechte des Arbeitgebers a) Grundsatz b) Fragerecht des Arbeitgebers aa) Angaben zur Person bb) Ausbildung, beruflicher Werdegang cc) Bewerbungsanlaß dd) Erkrankungen, Gesundheitszustand ee) Familienstand ff) Fremdsprachenkenntnisse . . . . gg) Gewerkschaftszugehörigkeit . . . hh) Pfändungen, Lohn- und Gehaltsabtretungen ii) Parteizugehörigkeit jj) Religionszugehörigkeit kk) Schwangerschaft 11) Schwerbehinderung mm) Sicherheitsüberprüfung nn) Verfügbarkeit oo) Vergütung pp) Vermögensverhältnisse

Rn 362 363-366 367 368 369-373 374 375-377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387, 388 389 390, 391 392-399 400 401 402, 403 404 405-408 409 410 411 412 413 414 415,416 417-420 421, 422 423 424 425

818 BAG 2 1 . 1 0 . 8 0 - 6 ABR 41/78 - AP BetrVG 1972 $ 54 Nr 1 (Fabricius). 116

Harald Schliemann

qq) Vorstrafen rr) Wehr- und Ersatzdienst ss) Wettbewerbsverbot c) Befragungs- und Auswahlmethoden, Mitbestimmung aa) Personalfragebögen bb) Mitbestimmung cc) Auswahlmethoden und -verfahren dd) Mitbestimmung bei der Auswahl. d) Auskünfte unter Arbeitgebern 5. Ärztliche Einstellungsuntersuchungen. . . 6. Bewerbungsunterlagen 7. Vorstellungskosten III. Zustandekommen des Arbeitsvertrags 1. Abschlußfreiheit und-beschränkungen . . a) Abschlußfreiheit des Arbeitnehmers . . b) Abschlußfreiheit des Arbeitgebers . . . c) Gesetzliche Abschlußgebote für Arbeitgeber aa) Auszubildende bb) Schwerbehinderte cc) Inhaber von Bergmannsversorgungsscheinen dd) Öffentlicher Dienst ee) Weiterbeschäftigung, Wiedereinstellung d) Kollektivrechtliche Abschlußgebote e) Abschlußverbote 2. Geschäftsfähigkeit, Vertretung a) Geschäftsfähigkeit b) Vertretung 3. Form des Arbeitsvertrags, Nachweisgesetz. a) Grundsatz der Formfreiheit b) Formvorschriften aa) Konstitutive Formvorschriften bb) Deklaratorische Formvorschriften c) Nachweisgesetz aa) Persönlicher Geltungsbereich. . . bb) Inhalt des Nachweises - Inland . . cc) Auslandseinsätze dd) Verweisungen ee) Alternative: Schriftliche Arbeitsverträge ff) Rechtsfolgen 4. Arbeitsverhältnisse kraft Fiktion a) Beschäftigung nach Fristablauf aa) Arbeitsverhältnisse

Rn 426,427 428 429 430 431 432-435 436 437 438 439 440,441 442 443 444 445-446 447 448-456 449 450-451 452 453 454 455—456 457-460 461 462,463 464,465 466 467 468,469 470-473 474 475, 476 477 478,479 480 481 482 483,484 485 486 487

819 BAG 16.8.95 - 7 ABR 57/94 - AP BetrVG 1972 $ 76 Nr 30.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 6 1 Í Übersicht Rn bb) Berufsausbildungsverhältnisse . . 488,489 b) Übernahmeanspruch der Jugendvertreter 490 c) Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung . 491 5. Arbeitsvertrag und Mitbestimmung . . . . 492-494 6. Mängel des Arbeitsvertrags 495 a) Nichtigkeit 496,497 b) Anfechtbarkeit 498,499 IV. Dauer und Beendigung des Arbeitsvertrags. . 500 1. Beendigung durch vorherige vertragliche Gestaltung (Befristung, auflösende Bedingung) 501 2. Beendigung durch nachträgliche vertragliche Gestaltung 502 3. Beendigung durch Kündigung 503 4. Sonstige Beendigungsgründe a) Rücktritt, Unmöglichkeit, Wegfall der Geschäftsgrundlage 504 b) Betriebsübergang, Arbeitnehmerüberlassung 505 c) Tod 506 d) Altersgrenzen 507 e) Formnichtigkeit 508 f) Gerichtliche Auflösung 509-510 V. Inhaltsnormen des Arbeitsvertrags 511 1. Vertragspraxis 512-516 2. Rechtsgrundlagen und Rangfolgen 517 a) Zwingendes Gesetzesrecht 518 b) Unmittelbar und zwingend geltendes Tarifvertragsrecht 519-521 c) Vereinbarte Tarifgeltung 52Z-524 d) Betriebsvereinbarungen 525-526 e) Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen . . 527 f) Allgemeine Arbeitsbedingungen . . . . 528 g) Betriebliche Übung 529 aa) Grundsatz 530,531 bb) Öffentlicher Dienst 532 cc) Schriftformerfordernis 533 dd) Geltungsbereich und-dauer . . . 534 h) Konkretisierung 535 i) Rangfolge der Inhaltsbestimmungen. . 536 VI. Änderungen der rechtlichen Arbeitsbedingungen 1. Änderungen innerhalb des Arbeitsvertrags 537 a) Versetzungs- und Einsatzklauseln . . . 538 b) Gestaltungsvorbehalte 539 aa) Freiwilligkeitsvorbehalt 540 bb) Widerrufsvorbehalt 541 cc) Anrechungsvorbehalt 542 c) Befristung einzelner Arbeitsbedingungen 543 2. Änderung des Arbeitsvertrags durch Individualrecht 544 3. Änderung infolge Kollektivrechts 545 a) Änderungen des Tarifvertrags 546, 547 b) Änderung der Tarifgebundenheit . . . 548, 549 c) Allgemeinverbindlicherklärung . . . . 550 d) Betriebsvereinbarung 551 4. Wegfall der Geschäftsgrundlage 552 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung 553 1. Versprochene Dienste 554-557 2. Personengebundenheit 558-560 3. Direktionsrecht 561 a) Rahmen des Direktionsrechts 562 b) Billiges Ermessen 563 c) Schranken des Direktionsrechts 564 d) Ermessensgrenzen 565,566 e) Nichtbefolgung von Weisungen . . . . 567 4. Vertraglicher Inhalt der Arbeitspflicht . . . 568 a) Hauptsächlich versprochene Arbeit. . . 569-571

Harald Schliemann

5.

6.

7.

8.

Rn b) Nebenarbeiten 572 c) Zusatzarbeiten 573 d) Veränderungen 574 Arbeitsintensität und -qualität 575 a) Arbeitsintensität, Arbeitstempo 576-578 b) Arbeitsqualität 579 Ort der Arbeitsleistung 580 a) Arbeitsvertragliche Regelung 581,582 b) Tätigkeiten mit wechselnden Einsatzorten 583,584 c) Mitbestimmung im Einzelfall 585 d) Ortswechsel bei ortsfester Tätigkeit . . 586 e) Betriebsverlegung 587,588 Zeit der Arbeitsleistung 589,590 a) Arbeitszeitrecht - Regelungszusammenhang 591 b) Gesetzlicher Arbeitszeitschutz 592 aa) Allgemeiner Anwendungsbereich 593 bb) Jugendliche 594 cc) Mutterschutzrecht 595 dd) Ladenschluß, Bäckereien 596 ee) Gast-und Schankwirtschaften . . 597 ff) Fahrpersonal im Straßenverkehr . 598 gg) Luftfahrt 599 hh) Schiffahrt 600 ii) Krankenpflege 601 jj) Eisen- und Stahlindustrie, Papierindustrie 602 kk) Gefährliche Arbeiten 603 c) Wirkung des Arbeitszeitschutzes . . . . 604,605 d) Begriffe zur Arbeitszeit 606 aa) Arbeitszeit 607-609 bb) Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft 610-« 15 cc) Umkleide- und Waschzeit 616 dd) Wegezeit 617 ee) Reisezeit 618, 619 ff) Ruhepause 620-622 gg) Ruhezeit 623-625 e) Arbeitszeitmenge,-dauer 626 aa) Regelmäßige Arbeitszeitmenge 627,628 bb) Tarifliche Höchstarbeitszeit. . . . 629-632 cc) Veränderungen der regelmäßigen Vollarbeitszeit 633-635 dd) Mehrarbeit, Überstunden 636-641 ee) Kurzarbeit 642,643 f) Arbeitszeitlage 644,645 aa) Rechtsgrundlagen 646-648 bb) Gestaltungsformen 649 cc) Flexibilisierung der Arbeitszeit. . 650 dd) Gleitzeit 651 Teilzeit 652 a) Teilzeitansprüche 653 b) Allgemeiner Teilzeitanspruch 654 aa) Anspruchsberechtigung und -gegenständ 655 bb) Geltendmachung 656-659 cc) Ablehnungsgründe 660,661 dd) Gerichtliche Durchsetzung . . . . 662 c) Besondere Teilzeitansprüche 663 aa) Teilzeit in der Elternzeit 664 bb) Teilzeit bei Schwerbehinderung . 665 cc) Teilzeit wegen Frauenförderung . 666 dd) Tarifliche Teilzeitansprüche . . . 667 d) Teilarbeitszeit, Mehrarbeit 668 e) Diskriminierungsverbote, Benachteiligungsverbote 669

117

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Rn aa) Behandlungsdiskriminierung . . 670 bb) Entgeltdiskriminierung 671,672 f) Abrufarbeit, Arbeitsplatzteilung . . . . 673 Vni. Nebenpflichten des Arbeitnehmers 1. Begriff und Entwicklung 674-677 2. Unterlassungspflichten 678 a) Gesetzliches Wettbewerbsverbot . . . . 679 aa) Anwendungsbereich 680 bb) Gegenstand 681 cc) Inhalt 682, 683 dd) Rechtsfolgen 684 ee) Abweichende Vereinbarungen . . 685, 686 b) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot . 687 aa) Beschränkung der Berufsfreiheit . 688 bb) Anwendungsbereich 689 cc) Karenzvereinbarung 690,691 dd) Form und Verbindlichkeit . . . . 692-695 ee) Verzicht 696 ff) Karenzentschädigung 697 gg) Anrechnung anderweitigen Erwerbs 698,699 c) Verschwiegenheitspflicht, Schweigegebot, Loyalitätspflicht 700 aa) Rechtsgrundlagen 701 bb) Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis 702 cc) Dauer der Verschwiegenheitspflicht 703 dd) Rechtsfolgen 704 ee) Schweigegebot, Loyalitätspflicht . 705, 706 d) Schmiergeldverbot 707-709 e) Betriebliche Ordnung, Betriebsfrieden . 710-714 f) Nebentätigkeitsverbote und -beschränkungen 715-721 g) Außerdienstliches Verhalten 722 3. Handlungs-und Verhaltenspflichten. . . . 723-724 IX. Berechtigte Nichtleistung der Arbeit 725 1. Arbeitsleistung und betriebliche Ämter . . 726-728 2. Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechte 729-732 3. Leistungsverweigerung aus persönlichen Gründen 733 4. Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 734 X. Pflichtverletzungen und Haftung des Arbeitnehmers 735 1. Vertragswidrige Nichtleistung der Arbeit . 736-738 2. Schlechtleistung 739,740 a) Entgeltminderung 741,742 b) Kündigung wegen Schlechtleistung . . 743,744 c) Schadenersatz 745 aa) Personenschäden 746,747 bb) Sach- und Vermögensschäden. . . 748-753 3. Mankohaftung, Fehlgeldentschädigung . . 754-757 XI. Pflichten des Arbeitgebers und Haftung (Überblick) 758-762 XII. Arbeitsentgelt - Begriff und Rechtsgrundlagen

362

I.

Begriff und Funktionen des Arbeitsvertrags

1.

Begriff des Arbeitsvertrags

Der Arbeitsvertrag ist ein privatrechtlicher, personenrechtlicher, gegenseitiger Austauschvertrag, durch den sich der Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. 820 8 2 0 BAG 1 0 . 1 1 . 5 5 - 2 AZR 5 9 1 / 5 4 - AP BGB $ 611 Beschäftigungspflicht Nr 2.

118

Rn 1. Begriff des Arbeitsentgelts 763-770 2. Arten des Arbeitsentgelts 771-775 3. Rechtsgrundlagen für das Arbeitsentgelt . 776 a) Arbeitsvertragliche Vergütung 777-779 b) Tarifvertragliche Vergütung aa) Anwendbarkeit des Tarifvertrags . 780 bb) Wirkung auf die Vergütung. . . . 781-786 c) Betriebsvereinbarungen über Arbeitsvergütungen 787 aa) Tarifvorbehalt, Regelungssperre . 788 bb) Gegenstände der Mitbestimmung über Vergütungsregelungen . . . 789-790 d) Betriebliche Übung 791,792 e) Gleichbehandlung 793 f) Gesetz 794 4. Änderungen der Entgeltregelungen . . . . 795 a) Entgelterhöhungen 796-799 b) Absenkungen, Strukturveränderungen 800-804 ΧΙΠ. Arbeitsentgelt - Bemessung 805 1. Zeitbezogenes Entgelt 806, 807 a) Gehalt 808 b) Lohn 809 c) Höhe, Eingruppierung, Mitbestimmung 810 2. Leistungsbezogenes Entgelt 811 a) Akkordlohn 812 b) Prämienlohn 813 c) Leistungslohn und -Zulagen 814 d) Provision 815 3. Entgeltzuschläge 816-819 4. Zulagen 820-823 5. Betriebliche Altersversorgung 825-827 6. Freiwillige Leistungen 828 XIV. Entgeltfortzahlung 829 1. Urlaub 830 a) Erholungsurlaub 831-839 b) Bildungsurlaub 840 c) Elternzeit 841 d) Sonderurlaube 842,843 2. Bezahlte Arbeitsfreistellung 844 a) Gesetzliche Arbeitsfreistellung für betriebliche Amtsträger 845-853 b) Tarifliche Arbeitsfreistellungen 854 3. Mutterschutzlohn, Mutterschaftsgeld . . . 855-859 4. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Kuren 860 XV. Abrechnung und Zahlung des Arbeitsentgelts, Ausschlußfristen 861-863 XVI. Schutz- und Verhaltenspflichten des Arbeitgebers 864 1. Beschäftigungspflicht 865-867 2. Beschäftigungsverbote 868-873 3. Schutzpflichten des Arbeitgebers 874,875 4. Fürsorgepflicht 876-879 5. Bindungsklauseln, Rückzahlungsklauseln. 880-882

Harald Schliemann

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 I. Begriff und Funktionen des Arbeitsvertrags 2.

Grundfunktion des Arbeitsvertrags

Die B e g r ü n d u n g eines Arbeitsverhältnisses bedarf des Arbeitsvertrages. Das Arbeitsverhältnis be-

363

ruht auf dem Arbeitsvertrag, den der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer abschließt. Der Vertragsschluß ist Verpflichtungstatbestand und Rechtsgrund für die Erbringung der in 5 611 Abs 1 BGB normierten Leistung und Gegenleistung. Zwar kann der Inhalt des durch den Vertrag begründeten Arbeitsverhältnisses seinerseits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung teilweise festgelegt sein. Indessen hängt vom Arbeitsvertrag ab, ob zwischen den Parteien überhaupt ein Arbeitsverhältnis besteht. Die frühere Lehre, nach der ein Arbeitsverhältnis allein durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb oder den Haushalt des Arbeitgebers zustande komme, 8 2 1 ist mit dem geltenden Recht unvereinbar. Denn nach geltendem Recht ist der Vertrag Verpflichtungstatbestand und Rechtsgrund für die Erbringung von Leistung und Gegenleistung. 8 2 2 Denkbar ist indessen, daß ein Arbeitsvertrag durch konkludentes Handeln zustande kommt. Dazu m u ß aber mehr vorliegen als die bloße Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb. Vielmehr müssen die Umstände dann auch ergeben, daß beide Seiten den Willen hatten, einen Arbeitsvertrag zu schließen. Der Unterschied zwischen der Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch bloße Eingliederung und der Begründung durch einen Vertragsschluß zeigt sich insbesondere dann, wenn ein Arbeitsvertrag fehlerhaft ist. Dies betrifft vor allem die Frage, ob und inwieweit insbesondere im Fall der Anfechtung eines Arbeitsvertrages die Folgen der Anfechtung, nämlich die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages, im Hinblick darauf einzuschränken sind, daß eine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung nicht rückabgewickelt werden kann (s oben Rn 146).

364

Die grundlegende F u n k t i o n des Arbeitsvertrages als Rechtsbegründungstatbestand für das ArbeitsVerhältnis zeigt sich auch darin, daß durch den Vertrag die Art der Arbeitsleistung und deren Umfang einerseits sowie die hierfür zu gewährende Vergütung andererseits festgelegt werden. Ferner wird durch den Vertrag geregelt, wer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist (Arbeitnehmer) und wer auf der anderen Seite als Empfänger der Arbeitsleistung zur Zahlung der ausdrücklich oder zumindest stillschweigend ($ 6 1 2 Rn 8 ff) vereinbarten Vergütung verpflichtet ist (Arbeitgeber). Die Einigung beschreibt den Umfang der gegenseitigen Verpflichtungen. Für eine Änderung derartiger Verpflichtungen bedarf eines hierzu geeigneten Rechtsgeschäftes.

365

Ebenso wie der freie Dienstvertrag begründet auch der Arbeitsvertrag nicht nur gegenseitige LeistungsVerpflichtungen. Vielmehr entsteht, wie bei jedem gegenseitigen schuldrechtlichen Vertrag, zwischen den Vertragsparteien auch eine Sonderverbindung. Sie legt dem Schuldner für von ihm verursachte Schäden im Vermögen des Gläubigers eine Einstandspflicht auf, die über die allgemeine, zwischen jedermann geltende Rechts- und Güterverteilung hinausgeht. 8 2 3 Während die Leistungspflicht ihren materiellen Rechtsgrund in dem rechtsgeschäftlichen Leistungsversprechen, hier dem Arbeitsvertrag, hat, entsteht die Einstandspflicht ohne oder sogar gegen den Willen des Haftenden. 8 2 4

366

3.

Betriebszugehörigkeit

Für das durch den Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnis ist jedoch nicht nur die bipolare ZuOrdnung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen des Individualrechts von Bedeutung, sondern daneben die Betriebszugehörigkeit. Die Rechtsstellung eines Arbeitnehmers in der Betriebs-

367

verfassung und der unternehmensbezogenen M i t b e s t i m m u n g ist von seiner Betriebszugehörigkeit abhängig. Die Betriebszugehörigkeit wird ihrerseits durch die Einstellung des Arbeitnehmers, der der Arbeitsvertrag zugrunde liegt, in den Betrieb begründet. Die Einstellung ist vom Abschluß des Arbeitsvertrages deutlich zu trennen. Unter Einstellung, insbesondere iSd $ 99 BetrVG, ist der Vorgang zu verstehen, durch den Personen zu einer bestimmten Zeit in den Betrieb eingegliedert werden, um dort, ebenso wie die bereits beschäftigten Arbeitnehmer, zur Erfüllung arbeitstechnischer Zwecke des Betriebs weisungsgebundene Tätigkeiten wahrzunehmen. 8 2 5 821 ZB Nikisch Bd l 2 (1955), 40 ff. 822 Vgl Staudinger/Rirfiardl13 § 611 BGB Rn 136. 823 Picker AcP 183 83 369 ff, 396. Harald Schliemann

824 Picker AcP 183 (1983), 369 ff, 396. 825 BAG 28.4.92 - 1ABR 73/91 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 98 (Hromadka) = EzA § 99 BetrVG 1972 Nr 106 (Kaiser) 119

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

II.

Anbahnung des Arbeitsvertrags

3 6 8 Nicht nur der Arbeitsvertrag selbst, sondern bereits dessen Anbahnung unterliegt rechtlichen Regeln (vgl § 311 Abs 2 BGB nF). Vor allem betrifft dies die Anwerbung und Vermittlung von Arbeitnehmern, die Stellenausschreibung, die eigentliche Vertragsanbahnung insbesondere hinsichtlich der Bewerbungsunterlagen und Vorstellungskosten, die Frage- und Informationsrechte bzw Offenbarungspflichten bei der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, Auswahlmethoden und -hilfen einschließlich ärztlicher Untersuchungen. 1.

Anwerbung von Arbeitnehmern

3 6 9 Dem Arbeitgeber stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, um Arbeitnehmer zu suchen und anzuwerben. Neben der formlosen Werbung durch ihn selbst, durch seine Arbeitnehmer, durch Freunde, Verwandte und Bekannte kann er sich auch der Arbeitsvermittlung bedienen. Diese Möglichkeit steht auch Arbeitnehmern offen. 3 7 0 Die Arbeitsvermittlung zählt zu den Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit. Deren früheres Monopol der Arbeitsvermittlung 826 ist durch Art 1 des BeschFG 1994827 mit Wirkung vom 1. August 1994 aufgehoben worden. Private Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung ist mit Erlaubnis der Bundesanstalt für alle Berufe und Personengruppen möglich ($ 289 ff SGBΙΠ). Die Vermittlung für eine Beschäftigung in einem ausländischen Staat, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraumes (Auslandsvermittlung) und die Anwerbung von Arbeitskräften aus diesen Staaten (Auslandsanwerbung) darf nur die Bundesanstalt für Arbeit ausführen ($$ 292, 302 SGB ΠΙ). 3 7 1 Arbeitsvermittlung und Ausbildungsvermittlung ist eine Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Arbeitssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses oder mit Auftraggebern oder Zwischenmeistern zur Begründung von Heimarbeitsverhältnissen iSd HAG zusammenzuführen ($35 Abs 1 SGB III). Die Grundsätze der Vermittlung durch das Arbeitsamt wie auch das hierauf gerichtete Frage- und Informationsrecht der Arbeitsverwaltung sind an den bürgerlich-rechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorschriften orientiert, an die der private Arbeitgeber gebunden ist (vgl 5 36 SGB ΙΠ, $ 42 SGB ΙΠ). 3 7 2 Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im Inland richtet sich nach §§ 284 ff SGB ΠΙ. Grundsätzlich bedarf die Beschäftigung von Ausländern aus Staaten der Genehmigung durch das Arbeitsamt. Keiner Genehmigung bedürfen Ausländer, die nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft bzw nach dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Freizügigkeit zu gewähren ist, Ausländer, die eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltberechtigung besitzen und Ausländer, wenn dies in zwischenstaatlichen Vereinbarungen, aufgrund eines Gesetzes oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist. Die Genehmigung kann als Arbeitserlaubnis oder als Arbeitsberechtigung erteilt werden. 3 7 3 Wesentlich für die Vertragsbeziehungen bei der privaten Arbeitsvermittlung ist, daß für die Vermittlung in Arbeit grundsätzlich Vergütung nur vom Arbeitgeber verlangt und entgegengenommen werden darf (5 296 SGB ΙΠ). Ausnahmsweise darf von bestimmten Arbeitnehmergruppen für die Vermittlung eine Vergütung verlangt und entgegengenommen werden, vor allem von Künstlern, Artisten, Fotomodellen, aber auch von Diskjockeys und Berufssportlern. 828 Zwischen dem Arbeitsvermittler und dem Arbeitgeber entsteht dagegen ein Maklervertrag. Er unterliegt nur den Bestimmungen des BGB, denn der Arbeitsvermittler ist kein Handelsmakler im Sinne der §§ 93 ff. HGB. Ggf. kann ein Vergütungsanspruch des Vermittlers auch für den bloßen Hinweis auf die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitnehmer abzuschließen, entstehen. 829 Die Vermutung der Arbeitsvermittlung wegen

unter ausdrücklicher Aufgabe entgegenstehender Rechtsprechung, insbesondere im Beschluß vom 14.5.74 1ABR 40/73 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr 2; siehe aber auch schon BAG 12.7.88 - 1 ABR 85/86 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 54 unter Β I 3 der Gründe mwN.; BAG 16.12.86 1 ABR 52/85 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr 40 zu Β Π1 a d Gr. 826 s 4 AFG vom 25.6. 1969 (BGBl I 582).

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Harald Schliemann

827 BeschFG 1994 vom 26.7. 1994 (BGBl 1 1786). 828 Vgl im einzelnen: S 10 VO über Arbeitsvermittlung durch private Arbeitsvermittler (ArbeitsvermittlerVO AVermVO) vom 11.3.94 (BGBl I 563), zuletzt geändert durch Art 39 des G vom 21.12. 2000 (BGBl 1 1983). 829 Ruble DB 94 1776.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 Π. Anbahnung des Arbeitsvertrags

übermäßig langer Dauer der Arbeitnehmerüberlassung $ 3 Abs 1 Nr 6 AÜG) hat seit der Streichung des § 13 AÜG mit Wirkung vom 1. April 1997 nicht mehr zur Folge, daß zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis als begründet gilt. 830 2.

Stellenausschreibung

Zu den wichtigsten Hilfsmittel des Arbeitgebers bei der Stellenbesetzung gehört die Stellenausschrei- 3 7 4 bung. Sie unterliegt hinsichtlich der Frage, ob der Arbeitgeber eine Stellenausschreibung innerbetrieblich vornehmen will, in Betrieben mit Betriebsrat den Regelungen der $$ 93, 99 BetrVG. Inhaltliche Anforderungen an die Stellenausschreibung ergeben sich aus § 93 S 2, 3 BetrVG, aus S 611b BGB (Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung) und aus $ 7 TzBfG (Ausschreibung auch als Teilzeitarbeitsplatz).831 Mittelbar ergibt sich aus der Pflicht des Arbeitgebers, befristet beschäftigte Arbeitnehmer über zu besetzende „entsprechende unbefristete Arbeitsplätze zu informieren" (§18 TzBfG), ein Ausschreibungserfordernis. Für den Bund und für Bundeseinrichtungen folgt eine spezielle Stellenausschreibungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Frauenförderung aus $ 6 des BundesgleichstellungsG.832 a)

Pflicht z u r S t e l l e n a u s s c h r e i b u n g

Grundsätzlich ist der private Arbeitgeber frei, welcher Mittel er sich zur Anbahnung von Arbeits- 3 7 5 Verhältnissen oder zur Personalgewinnung bedienen will. Der Betriebsrat kann jedoch nach § 93 BetrVG verlangen, daß Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebes ausgeschrieben werden. Unter der innerbetrieblichen Stellenausschreibung im Sinne dieser Bestimmung ist die allgemeine Aufforderung an alle, eine bestimmte Gruppe, ggf auch einzelne Arbeitnehmer des Betriebes, zu verstehen, sich für einen bestimmten Arbeitsplatz im Betrieb zu bewerben.833 Nach S 93 BetrVG kann der Betriebsrat sogar die Ausschreibung solcher Arbeitsplätze verlangen, für die der Arbeitgeber keinen Arbeitnehmer einstellen will, sondern die er mit freien Mitarbeitern besetzen will; dies setzt allerdings voraus, daß es sich bei der vorgesehenen Beschäftigung um eine weisungsgebundene Tätigkeit handelt. 834 Der Betriebsrat kann dieses Verlangen jedoch nur generell stellen, nicht aber von Fall zu Fall. 835 Einen bestimmten Mindestinhalt der Ausschreibung sieht $ 93 BetrVG zwar nicht vor, hinsichtlich Art und Inhalt besteht auch kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht.836 Aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift folgt jedoch, daß aus der Ausschreibung erkennbar sein muß, um welchen Arbeitsplatz es sich handelt und welche Anforderungen gestellt werden.837 Zudem muß der Arbeitgeber gesetzliche Vorgaben für den Inhalt der Ausschreibung einhalten, um dem als zwingendes Mitbestimmungsrecht ausgestalteten Verlangen des Betriebsrats nach innerbetrieblicher Stellenausschreibung zu genügen. Wenn sich er Arbeitsplatz hierfür eignet muß der Arbeitgeber ihn auch als Teilzeitarbeitsplatz ausschreiben ($ 7 Abs 1 TzBfG). Andererseits ist der Arbeitgeber nicht gehindert, neben der innerbetrieblichen auch eine außerbetriebliche Stellenausschreibung vorzunehmen. Er ist jedoch verpflichtet, in beiden Stellenausschreibungen dieselben Anforderungen zu stellen. 838 Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen S 93 BetrVG liegt darin, daß der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung nach § 99 Abs 2 Nr 5 BetrVG verweigern kann. 839 Dies betrifft indes nur Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmern (§ 99 Abs 1 S 1

830 BAG 28.6. 2000 - 7 AZR 100/99 - AP AÜG $ 13 Nr 3. 831 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) vom 21.12. 2000, BGBl I 1966), gültig ab 1.1.01. 832 Bundesgleichstellungsgesetz - Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes - verkündet als Art 1 des G zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern (Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz - DGleiG) vom 30.11.2001 (BGBl I, 3234). 833 BAG 2 3 . 2 . 8 8 - 1 ABR 82/86 - AP BetrVG 1972 $ 93 Nr 2. Harald Schliemann

834 BAG 2 7 . 7 . 9 3 - 1 ABR 7/93 - AP BetrVG 1972 $ Nr 3. 835 LAG Köln 1.4.93 - 10 TaBV 92/92 - LAGE $ BetrVG 1972 Nr 2. 836 BAG 27.10.92 - 1 ABR 4/92 - AP BetrVG 1972 $ Nr 2. 837 BAG 2 3 . 2 . 8 8 - 1 ABR 82/86 - AP BetrVG 1972 $ Nr 2. 838 BAG 2 3 . 2 . 8 8 - 1 ABR 82/86 - AP BetrVG 1972 $ Nr 2. 839 BAG 2 7 . 7 . 9 3 - 1 ABR 7/93 - AP BetrVG 1972 § Nr 3.

93 93 95 93 93 93

121

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

BetrVG840). Macht der Betriebsrat von seinem Zustimmungsverweigerungsrecht Gebrauch, so hindert dies nur die Einstellung des Arbeitnehmers. Die Rechtswirksamkeit des Abschlusses des Arbeitsvertrages bleibt hiervon unberührt. 841 3 7 6 Im Bereich des öffentlichen Dienstes des Bundes normiert $ 75 Abs 3 Nr 14 BPersVG im Rahmen der Mitbestimmung des Personalrates in Angelegenheiten der Angestellten und Arbeiter ein Mitbestimmungsrecht für den Fall, daß der Dienstherr (Arbeitgeber) von der Ausschreibung von Dienstposten absehen will, die besetzt werden sollen. Das BPersVG geht davon aus, daß alle Dienstposten, die besetzt werden sollen, von der Dienststelle ausgeschrieben werden. Für Beamte ist dies in § 8 Abs 1 S 1 BBG vorgesehen; eine entsprechende gesetzliche Regelung für Arbeiter fehlt indessen. Will der Dienstherr (Arbeitgeber) davon absehen, die zu besetzende Stelle bzw den zu besetzenden Dienstposten auszuschreiben, ist hierzu die Zustimmung des Personalrats erforderlich ($ 69 Abs 1 BPersVG).842 3 7 7 Ein mittelbarer Zwang zur Stellenausschreibung ergibt sich aus der Pflicht zur Unterrichtung befristet beschäftigter Arbeitnehmer über zu besetzende unbefristete Arbeitsplätze ($18 Abs 1 TzBfG). Dies kann auch durch allgemeine Bekanntgabe an geeigneter, den Arbeitnehmern zugänglicher Stelle im Betrieb oder Unternehmen geschehen, aber auch durch gezielte Unterrichtung des einzelnen Arbeitnehmers (vgl § 18 S 2 TzBfG). Ob die Unterrichtung durch Aushang, Betriebszeitung, Umlauf oder im Intranet erfolgt, regelt das Gesetz nicht. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung dürften aber alle innerbetrieblich allgemein zugänglichen Publikationsformen zulässig sein. Nach $ 7 Abs 2 TzBfG trifft den Arbeitgeber die Pflicht, Arbeitnehmer, die ihm gegenüber den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer und Lage der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt haben, über entsprechende Arbeitsplätze zu unterrichten. Dies betrifft nicht nur den Wunsch nach Teilzeit, sondern jede Veränderung der bisherigen Arbeitszeit. Für die Unterrichtung der Arbeitnehmer ist zwar - im Gegensatz zu Unterrichtung über unbefristete Arbeitsplätze nach $ 18 S 2 TzBfG - die Möglichkeit der entsprechenden allgemeinen Bekanntgabe im Gesetz nicht erwähnt. Indessen dürften keine Bedenken bestehen, sich hier wie dort auch der Methode der allgemeine Bekanntgabe bedienen zu dürfen. b) 378

Inhalt der Stellenausschreibung

Der Arbeitgeber bestimmt grundsätzlich den Inhalt einer Stellenausschreibung. Nur wenige arbeitsrechtlichen Vorschriften regeln, welche Angaben in einer Stellenausschreibung enthalten sein müssen oder nicht sein dürfen. aa)

Betriebsverfassungsrechtliche Anforderungen

3 7 9 Ein Mindestkatalog von Angaben ist allerdings im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung zu beachten, nämlich dann, wenn der Betriebsrat nach $ 93 BetrVG die Ausschreibung einer Stelle verlangt hat. 843 Aus einer derart verlangten Stellenausschreibung muß mindestens erkennbar sein, um welchen Arbeitsplatz es sich handelt und welche Anforderungen an den Bewerber gestellt werden. Die Mindestanforderungen an den Inhalt einer Stellenausschreibung sind auch im Rahmen des 5 75 Abs 3 Nr 14 BPersVG zu beachten; genügt eine Stellenausschreibung diesen Anforderungen nicht, so kann es sich um ein „Absehen" von einer Stellen- oder Dienstpostenausschreibung im Sinne dieser Bestimmung mit der Folge handeln, daß möglicherweise das Mitbestimmungsrecht des Personalrats verletzt ist. bb)

Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung

3 8 0 Nach § 61 lb „darf der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebs nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, daß ein Fall des S 611a Abs 1 S 2 BGB 840 IdF ν 21.6. 2001, BGBl I 1852. 841 BAG 28.4.92 - 1 ABR 73/91 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 98 unter ausdrücklicher Aufgabe entgegenstehender Rechtsprechung, insbesondere im Beschluß vom 14.5.74 - 1 ABR 40/73 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr 2; siehe aber auch schon BAG 12.7.83 - 1 ABR 85/86 - AP BetrVG 1972

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S 99 Nr 54 unter Β13. der Gründe mwN; BAG 16.12.86 1 ABR 52/85 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr 40 zu Β II 1 a der Gründe. 842 Richardi BPersVG S 75 Rn 462 ff. 843 BAG 23.2.88 - 1 ABR 82/86 - AP BetrVG 1972 $ 93 Nr 2.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Anbahnung des Arbeitsvertrags vorliegt". Liegt ein solcher Fall vor, ist also das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung, so ist eine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung zulässig. In all den anderen Fällen muß jedoch die Stellenausschreibung geschlechtsneutral erfolgen (vgl $ 611b Rn 3 ff). cc)

Teilzeit

Nach S 7 Abs 1 TzBfG „hat der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz, den er öffentlich oder innerhalb des Betriebes ausschreibt, auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben, wenn sich der Arbeitsplatz hierfür

381

eignet". Damit begründet das Gesetz an sich keine unmittelbare Pflicht zur Ausschreibung von Teilzeitarbeitsplätzen, wohl aber stellt es eine inhaltliche Anforderungen, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz ausschreibt. Die Bestimmung läßt offen, wie die Möglichkeit der Teilzeitarbeit auf dem Arbeitsplatz beschrieben werden muß. Sinnvoll dürfte sein, daß der Arbeitgeber möglichst konkret angibt, in wieweit der Arbeitsplatz nach Arbeitszeitmenge und -läge teilzeitbesetzt werden kann. Indessen besteht die Pflicht zur Ausschreibung auch als Teilzeitarbeitplatz nur bei entsprechender Teilzeiteignung des Arbeitsplatzes. Wann dies der Fall ist, wird im Gesetz nicht geregelt. Nach dem Regierungsentwurf sollte die Ausschreibung stets auch als Teilzeitarbeitsplatz erfolgen, „es sei denn, daß dringende betriebliche Gründe einer Teilzeitarbeit an diesem Arbeitsplatz entgegenstehen"; in der Ausschußberatung ist diese Pflicht auf die Fälle reduziert worden, daß sich der Arbeitsplatz für Teilzeitarbeit „eignet". 8 4 4 Damit wird eine - relative - Übereinstimmung mit dem Recht des Arbeitgebers erreicht, gem $ 8 Abs 4 S I TzBfG einen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Herabsetzung seiner Arbeitszeit wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe abzulehnen (vgl Rn 660, 661). 8 4 5 Als für Teilzeitarbeit nicht geeignet ist daher ein Arbeitsplatz anzusehen, wenn betriebliche Gründe iSd S 8 Abs 4 S 1 TzBfG entgegenstehen. 8 4 6 Ein Arbeitgeber ist danach nur dann gehalten, einen Arbeitsplatz auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben, wenn dies seinem Stellen- oder Organisationsplan nicht offenkundig widerspricht. 8 4 7 Das Teilzeit- und Befristungsgesetz selbst regelt keine Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen seinen $ 7 Abs 1. Hat der Betriebsrat gem $ 93 S 2, 3 BetrVG eine innerbetriebliche Stellenausschreibung auch für Teilzeittätigkeit angeregt oder verlangt, so muß diese auch dem $ 7 Abs 1 TzBfG genügen, weil der Betriebsrat sonst seine Zustimmung zur Einstellung nach § 99 Abs 2 Nr 5 BetrVG verweigern darf. Ansonsten bleibt der Verstoß ohne Rechtsfolgen. 8 4 8 dd)

Frauenförderung

Für die Beschäftigten in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie den Gerichten des Bundes einschließlich der in bundeseigener Verwaltung geführten öffentlichen Unternehmen ist hinsichtlich der Stellenausschreibung zusätzlich § 6 BGleiG zu beachten. 8 4 9 Nach $ 6 Abs 1 S 1 BGleiG müssen Arbeitsplätze geschlechtsneutral ausgeschrieben werden, es sei denn, ein bestimmtes Geschlecht ist unverzichtbare Vorausset-

382

zung für die ausgeschriebene Tätigkeit. Nach S 2 aaO sind Stellenausschreibungen so abzufassen, daß sie auch Frauen zu einer Bewerbung auffordern. Dies gilt nach S 3 aaO insbesondere für Stellen in Bereichen, in denen Frauen in geringerer Zahl beschäftigt sind als Männer. Grundsätzlich sind nach $ 6 Abs 2 BGleiG Stellen, auch für Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, auch in Teilzeitform auszuschreiben, wenn zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen. ee)

EG-Freizügigkeit

Die Stellenausschreibung darf ferner nicht gegen das europarechtliche Gebot des gleichen Zugangs

383

aller EG-Arbeitnehmern zu den Arbeitsplätzen innerhalb der EG verstoßen. Art 39 EG (Ex Art 48 EWG)

844 Bt-Drs 14/4625, 7. 845 Kliemt NZA 01 63, 67. 846 Lindemann/Simon BB 01 146,147. 847 Κliant NZA 01 63, 67. 848 Preis/Gotthardt DB 2000 266 (»Papiertiger"); A. Dossali ZTR Ol 64, 67. Harald Schliemann

849 Bundesgleichstellungsgesetz - Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes - verkündet als Art 1 des G zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern (Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz - DGleiG) vom 30.11.2001 (BGBl I, 3234). 123

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

garantiert EG-Arbeitnehmern Freizügigkeit innerhalb der Mitgliedsstaaten. Sie haben das Recht, sich um ausgeschriebene Arbeitsplätze zu bewerben, sich hierzu in jedem Mitgliedsstaat frei zu bewegen und aufzuhalten und - in Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Rechts- und Verwaltungs vorschriften - jede Beschäftigung auszuüben. Ausgenommen von dieser grundsätzlichen Freizügigkeit ist nur die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Art 1 der zu Art 39 EG (ex Art 48 EWG) ergangenen sog Freizügigkeitsverordnung 850 bestimmt ausdrücklich, daß jeder Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates ungeachtet seines Wohnortes berechtigt ist, eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates nach dem für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufzunehmen und auszuüben. Nach Art 3 dieser Verordnung finden Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines Mitgliedsstaates, die das Stellenangebot einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, die für Inländer nicht gelten, oder die, ohne auf die Staatsangehörigkeit abzustellen, ausschließlich oder hauptsächlich bezwecken oder bewirken, daß Angehörige der übrigen Mitgliedstaaten von der angebotenen Stelle ferngehalten werden, im Rahmen dieser Verordnung keine Anwendung. Dementsprechend sind Ausländer, denen nach den Rechtsvorschriften der EG oder nach dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Freizügigkeit zu gewähren ist, vom grundsätzliche Erfordernis der Arbeitserlaubnis für ausländische Arbeitnehmer ausgenommen (§ 284 SGB III). Die europarechtliche Freizügigkeitsregelung legt eine entsprechende Fassung der Stellenausschreibung nahe. Ob sie allerdings rechtlich geboten ist 851 oder ob es hierzu noch einer besonderen EG-rechtlichen Bestimmung bedarf, 852 ist umstritten. Mit Rücksicht auf Art 3 VO (EWG) Nr 1612/68 dürfte dies jedoch zu bejahen sein. Ein Verstoß gegen die Einhaltung des Freizügigkeitsgebotes kann zwar Schadenersatzansprüche nach sich ziehen, denn insoweit sind Art 39 EG (ex Art 48 EWG) sowie Art 1 VO (EWG) Nr 1612/68 als Schutzgesetze iSd $ 823 BGB anzusehen.853 Zu einem Einstellungsanspruch führt dies jedoch nicht, weil die EG-rechtlichen Normen dem einzelnen Arbeitnehmer einen solchen individualrechtlichen Anspruch nicht einräumen. 854 ff)

Diskriminierungsverbote

3 8 4 Die Stellenausschreibung darf auch nicht gegen die Diskriminierungsverbote des Grundgesetzes (Art 3 Abs 3 GG) verstoßen. Hiernach darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Verstößt eine Stellenausschreibung gegen dieses Diskriminierungsverbot, so begründet dies für einen Bewerber, der zum Kreis der Diskriminierten zählt, die Vermutung, daß er aus diesem Grunde abgelehnt worden ist; auch insoweit entsteht für ihn jedoch kein Einstellungsanspruch.855 Zudem sind die Diskriminierungsverbote des Art 3 Abs 3 GG hinsichtlich der konkreten Rechtsfolgen gegen die ebenso in der Verfassung verbürgte privatrechtliche Gestaltungs- und Vertragsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG abzuwägen.856 Denn es geht bei der Stellenausschreibung um die Anbahnung eines privatrechtlichen Vertrages. Soweit es sich um die Stellenausschreibung eines Tendenzbetriebes handelt, liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 3 GG vor, wenn und soweit der Inhalt der Stellenausschreibung auf die Tendenz des Ausschreibenden ausgerichtet ist. Nach Art 33 Abs 2 GG besteht für jeden Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Qualifikation gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Nach Art 9 Abs 3 GG darf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht wegen Gewerkschaftszugehörigkeit verweigert bzw vom Austritt aus der Gewerkschaft abhängig gemacht werden.857 Eine Stellenausschreibung darf nicht gegen einfachrechtliche Diskriminierungsverbote, zB wegen Teilzeitarbeit oder befristeter Beschäftigung ($ 4 TzBfG) verstoßen.

850 Verordnung (EWG) Nr 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15.10. 1968 (EWG Abi L Nr 257, 1), zuletzt geändert durch VO (EWG) Nr 2434/92 vom 27.7.92 (AbiEG L 245/1) - sog Freizügigkeits-VO. 851 Hanau Die arbeitsrechtliche Bedeutung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EG, FS Kahn-Freund, 475; MünchArbR/Ritfiardi $ 43 Rn 6. 124

Harald Schliemann

852 MünchArbR/Buc/mer $ 33 Rn 5 iVm S 37 Rn 204. 853 Ähnlich Hanau Die arbeitsrechtliche Bedeutung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EG, FS KahnFreund, 475. 854 MünchArbR/Buiftner $ 37 Rn 201. 855 MünchArbR/Budmer $ 37 Rn 215. 856 BAG 28.9.72 - 2 AZR 469/71 - AP BGB $ 134 Nr 2. 857 BAG 2.6.87 - 1 AZR 651/85 - AP GG Art 9 Nr 49.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag

$ 611

Π. Anbahnung des Arbeitsvertrags

Insoweit ist auch im nationalen Bereich künftig mit weiteren einfachrechtlichen Diskriminierungsverboten aufgrund EG-Rechts zu rechnen.858 3.

Vorvertragliches Schuldverhältnis

Die Stellenausschreibung dient der Vorbereitung einer Vertragsanbahnung. Erst durch die Vertrags-

385

anbahnung entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Verhandlungsparteien ($311 Abs 2 BGB nF). Dieses vorvertragliche Schuldverhältnis (vormals: culpa in contrahendo [c.i.c], Verschulden bei Vertragsverhandlungen, Verschulden bei Vertrags[ab]schluß) begründet keine eigenständigen Leistungspflichten. Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß gehen nicht auf das Erfüllungsinteresse, sondern nur auf den Ersatz des Vertrauensschadens. 859 Er kann sogar noch auftreten, nachdem es zum Abschluß des Arbeitsvertrages gekommen ist. 860 Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen wird Vertrauen gewährt und in Anspruch genommen. 861 Die Enttäuschung dieses Vertrauens wird, soweit materielle Aufwendungen entstanden sind, durch eine entsprechende Einstandspflicht kompensiert. 862 Die dogmatische Grundlage war jedoch umstritten.863

a)

Allgemeine Pflichten des Arbeitgebers

Im Stadium vorvertraglicher Vertragsverhandlungen sind die Parteien noch frei, ob sie einen Vertrag

386

schließen wollen. Grundsätzlich ist das Vertrauen der Vertragspartner darauf, es werde zum Abschluß des Vertrages kommen, nicht schutzfähig. In der Regel begründet deswegen der Abbruch von Vertragsverhandlungen keinen Schadenersatzanspruch, auch wenn bekannt ist, daß der andere Verhandlungspartner erhebliche Aufwendungen in der Erwartung gemacht hat, es werde zum Abschluß des Vertrages kommen. 864 Dagegen besteht eine Schadenersatzpflicht, wenn der Arbeitgeber bei den Vertragsverhandlungen mit dem Bewerber die gerechtfertigte Annahme erweckt hat, es werde bestimmt zum Abschluß des Arbeitsvertrages kommen. 865 Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer auch dann, wenn sein schützenswertes Vertrauen in den Abschluß des Arbeitsvertrages vom Arbeitgeber schuldhaft verletzt worden ist, nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre das Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Der Ersatz des Erfüllungsinteresses kann nicht verlangt werden, sondern immer nur der Schaden, der daraus entstanden ist, daß der Geschädigte in das Zustandekommen des Vertrages vertraut hat. 866 Dieser kann jedoch sogar das Erfüllungsinteresse übersteigen, so zB bei Veranlassung der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit höherem Arbeitsentgelt. 867 Allerdings kann ein Arbeitgeber dann verpflichtet sein, einen an sich wirksam befristeten Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit fortzusetzen, wenn er bei einem Arbeitnehmer die Erwartung geweckt und bestätigt hat, er werde bei Eignung und Bewährung unbefristet weiterbeschäftigt, und wenn der Arbeitgeber sich mit einer Ablehnung in einen Widerspruch zu seinem früheren Verhalten und dem von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestand868 setzt. Selbst nach Abschluß des Arbeitsvertrags kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer zum Schadenersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß verpflichtet sein. Ein solcher

858 ZB aufgrund der RL 2000/43/EG des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft (ABLEG L N r 180/22), aufgrund der RL 2000/78 des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27.11. 2000 (AblEG L 303/16). 859 BAG 10.11.55 - 2 AZR 282/54 - AP BGB $ 276 Verschulden bei Vertragsschluß Nr 1; anders anscheinend BAG 16.3.89 - 2 AZR 325/88 - AP BeschFG 1985 S 1 Nr 8. 860 BAG 2 . 1 2 . 7 6 - 3 AZR 401/75 - AP BGB $ 276 Verschulden bei Vertragsschluß Nr 10. 861 Canaris JZ 65 575 ff. 862 BGHZ 70 337 = NJW 78 1374. 863 fkker JZ 87 1041 ff, 1044 f, 1049, der auf das Prinzip des „neminem laedere" abstellt.

Harald Schliemann

864 BGH 18.10.75 - V ZR 17/73 - NJW 75 43; 6.2.69 Π ZR 86/67 - L M J 276 (Fa) BGB N r 28. 865 BAG 7.9.95 - 8 AZR 695/94 - AuR 96 30; 7.6.63 1 AZR 276/62 - AP BGB $ 276 Verschulden bei Vertragsschluß Nr 4; 27.6.63 - 5 AZR 363/62 - AP BGB $ 276 Verschulden bei Vertragsschluß N r 4; 15.5.74 - 5 AZR 393/73 - AP BGB $ 276 Verschulden bei Vertragsschluß Nr 9. 866 BAG 10.11.55 - 2 AZR 282/54 - AP BGB S 276 Verschulden bei Vertragsschluß Nr 1 (Lorenz); 7.6.63 1 AZR 276/62 - AP BGB $ 276 Verschulden bei Vertragsschluß N r 4. 867 BAG 15.5.74 - 5 AZR 393/73 - AP BGB $ 276 Verschulden bei Vertragsschluß N r 9. 868 BAG 16.3.89 - 2 AZR 325/88 - AP BeschFG 1985 $ 1 N r 8; ähnlich auch schon BAG 28.11.63 - 2 AZR 140/ 63 - AP BGB $ 620 Befristeter Arbeitsvertrag N r 26.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Fall ist denkbar, wenn das Arbeitsverhältnis aus Gründen vorzeitig endet oder seinen Sinn verliert, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Abschluß des Vertrages unter Verletzung seiner vorvertraglichen Aufklärungspflicht schuldhaft verschwiegen hat. 869 b)

Unterrichtungs- und Offenbarungspflichten des Arbeitgebers

3 8 7 Zu den Pflichten des werbenden Arbeitgebers bei den Verhandlungen über die Eingehung des Arbeitsverhältnisses mit einem bestimmten Bewerber gehört auch, den Arbeitnehmer nach § 81 Abs 1 S 1 BetrVG „über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten". Trotz ihrer Stellung im BetrVG ist diese Bestimmung dem Arbeitsvertragsrecht zuzuordnen.870 Sie gilt gleichermaßen für alle Betriebe, gleichgültig ob in ihnen ein Betriebsrat besteht, ob sie betriebsratsfähig sind oder ob in ihnen kein Betriebsrat errichtet werden kann. 871 Der persönliche Anwendungsbereich ist allerdings auf Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG beschränkt (§ 5 Abs 1 BetrVG); auf Beschäftigte iSd § 5 Abs 2 BetrVG bzw auf leitende Angestellte iSd $ 5 Abs 3 BetrVG ist $ 81 Abs 1 S 1 BetrVG nicht anwendbar.872 Inhaltlich gelten dieselben Pflichten jedoch auch für Arbeitnehmer, die nicht unter das BetrVG fallen. Denn der Sache nach sind diese Unterrichtungspflichten bereits aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abzuleiten.873 Dies gilt um so mehr, wenn von der Üblichkeit abweichende, überdurchschnittliche Leistungsanforderungen gestellt werden.874 Entsprechendes gilt, wenn ein vom Arbeitgeber in der Stellenausschreibung genanntes Provisionseinkommen tatsächlich nur von ganz wenigen seiner Arbeitnehmer erreichbar ist. 875 Dogmatisch gehören zu den Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers auch die freien Teilzeitarbeitsplätze (5 7 Abs 2 TzBfG) und über unbefristete Arbeitsplätze ($ 18 S 2 TzBfG). 3 8 8 Eine Offenbarungspflicht trifft auch den in akute Zahlungsschwierigkeiten geratenen Arbeitgeber im Rahmen von Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Bewerber.876 Entsprechendes ist für alle Umstände anzunehmen, die für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses von wesentlicher Bedeutung sind, zB eine erhebliche örtliche Verlagerung des Arbeitsplatzes oder die bevorstehende Einstellung der Produktion. c)

Allgemeine Pflichten des Arbeitnehmers

3 8 9 Auch den Arbeitnehmer treffen im Rahmen der Vertragsanbahnung vergleichbare Rechtspflichten, wie S 311 Abs 2 BGB nF zeigt. Auch er darf berechtigtes Vertrauen nicht enttäuschen. Wie der Arbeitgeber ist auch der Arbeitnehmer frei in seiner Entscheidung, ob er den Arbeitsvertrag abschließen will. Darf sein Verhandlungspartner, nämlich der künftige Arbeitgeber, in den Abschluß des Arbeitsvertrages mit dem Bewerber vertrauen, so darf der Bewerber dieses Vertrauen nicht ohne Grund zerstören, ohne sich seinerseits der Gefahr auszusetzen, auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden, zB des Schadens, der dadurch entstanden ist, daß der Arbeitgeber im berechtigten Vertrauen auf das Zustandekommen des Arbeitsvertrages mit diesem Bewerber allen anderen Bewerbern abgesagt hat und nunmehr erneut Kosten der Personalbeschaffung anfallen. d)

Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers

3 9 0 Grundsätzlich trifft den Stellenbewerber anläßlich seiner Bewerbung keine Offenbarungspflicht. Er braucht ihm nachteilige Tatsachen und Umstände nicht von sich aus ungefragt mitzuteilen. Vielmehr ist der Arbeitgeber in der Regel darauf verwiesen, den Stellenbewerber in Rahmen des Zulässigen nach den für das Arbeitsverhältnis relevanten Umständen zu befragen. Eine Offenbarungspflicht besteht, wenn der Einstellungsbewerber aufgrund fehlender C^ialifikation und Fähigkeiten für die Arbeit völlig 869 BAG 2.12.76 - 3 AZR 401/75 - AP BGB $276 Verschulden bei Vertragsschluß Nr 10. 870 Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG S 81 Rn 1. 871 Fitting/Kaiser0either/Engels BetrVG S 81 Rn 1; Hess/ Schlochauer/Glaubitz BetrVG vor $§ 81-86 Rn 3. 872 Wiese GK-BetrVG vor S 81 Rn 21 mwN.

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Harald Schliemann

873 Wiese GK-BetrVG vor S 81 Rn 18 mwN. 874 BAG 1 2 . 1 2 . 5 7 - 2 AZR 574/55 - AP BGB § 276 Verschulden bei Vertragsschluß Nr 2. 875 Hessisches LAG 13.1.93 DB 94 436 (LS). 876 BAG 24.9.74 - 3 AZR 589/73 - AP GmbHG § 13 Nr 1.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Anbahnung des Arbeitsvertrags

ungeeignet ist. 877 Gleiches gilt, wenn er wegen körperlicher Behinderung überhaupt nicht in der Lage ist, die für ihn erkennbar vorgesehene Arbeitsaufgabe zu übernehmen.878 Entsprechendes ist anzunehmen, wenn die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers durch ein Grundleiden immer wieder eingeschränkt wird bzw ausfällt. Wenn in solchen Fällen die Möglichkeit der Anfechtung des Arbeitsvertrages nach $ 119 Abs 2 BGB wegen Fehlens einer verkehrswesentlichen Eigenschaft des Bewerbers besteht, 879 so trifft den Bewerber auch eine entsprechende Offenbarungspflicht. 880 Entsprechendes gilt auch für Schwangere. Zwar ist der Arbeitsvertrag mit einer schwangeren Arbeitnehmerin, durch den sie sich ausschließlich zur Nachtarbeit iSd $ 8 MuSchG verpflichtet (Nachtschwester), nicht wegen Verstoßes gegen ein Beschäftigungsverbot nach § 134 BGB nichtig, wenn bei Vertragsabschluß noch mit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 8 Abs 6 MuSchG zu rechnen ist. In diesem Fall ist die Schwangerschaft selbst auch keine verkehrswesentliche Eigenschaft, die den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages nach § 119 BGB berechtigt. Die schwangere Arbeitnehmerin ist bei dieser Fallgestaltung jedoch verpflichtet, von sich aus ohne Befragen ihre Schwangerschaft zu offenbaren. Kommt sie ihrer Offenbarungspflicht nicht nach, so können die Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB erfüllt sein. 881 Dies setzt allerdings voraus, daß ihr die Umstände bekannt sind bzw bekannt gemacht werden, die eine Offenbarungspflicht auslösen. Soweit der Arbeitgeber den Bewerber bzw den bereits eingestellten Arbeitnehmer wegen schuldhafter 3 9 1 Verletzung seiner Verpflichtungen bei der Vertragsanbahnung auf Schadenersatz in Anspruch nimmt, ist die Schadenersatzfolge wiederum auf das negative Interesse beschränkt. Daneben besteht jedoch sehr häufig die Möglichkeit, den Arbeitsvertrag wegen Fehlens einer verkehrswesentlichen Eigenschaft nach § 119 BGB bzw wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB anzufechten. Die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens bei der Vertragsanbahnung bzw Verhandlung einerseits und den möglichen Anfechtungstatbeständen andererseits sind jedoch nicht deckungsgleich. 4.

Frage- und Informationsrechte des Arbeitgebers

a)

Grundsatz

Vor Eingehung des Arbeitsverhältnisses besteht in der Regel auf der Seite des Bewerbers wie auch der des 3 9 2 künftigen Arbeitgebers, ein erhebliches Informationsbedürfnis. Erst wenn beide Seiten die von ihnen gewünschten Informationen erhalten haben, kommt es zum Abschluß eines Arbeitsvertrages. Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Bewerber einzustellen, ist weitgehend frei. Ausdrückliche Abschlußgebote sind relativ selten, ebenso ausdrückliche Abschlußverbote. Dagegen darf die Einstellungsentscheidung nicht gegen Diskriminierungsverbote verstoßen (vgl Rn 384). Insgesamt bedarf die Einstellungsentscheidung aber keiner sachlichen Rechtfertigung gegenüber dem Bewerber. In der Regel bleiben die Motive, die den Arbeitgeber dazu bewegt haben, mit dem Bewerber einen Arbeitsvertrag abzuschließen oder dies zu unterlassen, der rechtlichen Prüfung entzogen. Gleichwohl findet eine indirekte Kontrolle der Entscheidung des Arbeitgebers hinsichtlich der Frage, ob er einen Bewerber einstellt oder nicht, dadurch statt, daß die Rechtsprechung versucht, durch Unterbindung der Informationsbeschaffung den Arbeitgeber daran zu hindern, seine Einstellungsentscheidung aus unsachlichen Motiven zu treffen. Dies geschieht vorrangig durch die Beschränkung des Fragerechts des Arbeitgebers. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber frei, welche Fragen er an den Arbeitnehmer stellen will oder nicht. Die 3 9 3 von der Rechtsprechung, vor allem vom BAG, entwickelte Linie geht jedoch dahin, Fragen des Arbeitgebers nach persönlichen Daten des Arbeitnehmers dann als unzulässig anzusehen, wenn die Beantwortung der Frage für die Beurteilung der Eignung des Stellenbewerbers bei objektiver Würdigung nicht erforderlich ist. 882 Zwar kann der Arbeitgeber mit rechtlichen Mitteln nicht daran gehindert 877 BAG 2 1 . 2 . 9 1 - 2 AZR 449/90 - AP BGB S 123 Nr 35. 878 BAG 1.8.85 - 2 AZR 101/83 - AP BGB $ 123 Nr 30 = EzA $ 123 BGB Nr 26 (Peterek); 25.3.76 - 2 AZR 136/75 AP BGB s 123 Nr 19. Harald Schliemann

879 BAG 28.3.74 - 2 AZR 92/73 - AP BGB $ 119 Nr 3 (Küchenhofi). 880 Linnenkohl AuR 83 132. 881 BAG 8.9.88 - 2 AZR 102/88 - AP MuSchG $ 8 Nr 1. 882 BAG 18.10. 2000 - 2 AZR 380/99 - AP BGB $ 123

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J 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel

Der Arbeitsvertrag

werden, seiner Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers auch solche Informationen zugrunde zu legen, deren Beschaffung durch die Rechtsprechung verpönt ist. Denn er ist in dieser Entscheidung frei und muß seine Motive hierfür prinzipiell nicht offenlegen. Daraus ist nicht zu folgern, daß das Fragerecht nicht beschränkt werden dürfe. 883 Würde man dem Arbeitgeber ein unbeschränktes Fragerecht zustehen, weil er seine Personalentscheidung frei treffen darf, so hätte dies - zumindest soweit es um Diskriminierungsverbote geht - einen Rechtfertigungszwang zur Folge. Ein Rechtfertigungszwang ist aber nach geltendem Recht für die Nichteingehung von Verträgen im Hinblick auf Art 2 Abs 1 GG nicht begründbar. 3 9 4 Bei der Bemessung des Fragerechts des Arbeitgebers ist einerseits von seinem legitimen Informationsinteresse als Ausfluß seiner grundsätzlichen Handlungsfreiheit auszugehen. Dagegen stehen indessen die schutzwürdigen Belange der Arbeitnehmer. Weitgehend wird die Begrenzung des Fragerechts des Arbeitgebers auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers zurückgeführt. Das Informationsinteresse des Arbeitgebers muß objektiv so stark sein, daß dahinter das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und an der Unverletzbarkeit seiner Individualsphäre zurücktreten muß. 8 8 4 Diese Auffassung wird auch in der Literatur vertreten,885 zum Teil allerdings mit stärkeren Differenzierungen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundlagen der schutzwürdigen Belange der Arbeitnehmer.886 395

Die Rechtsfolgen richten sich danach, ob der Arbeitgeber eine erlaubte Frage oder eine verpönte Frage gestellt hat, ferner nach der Antwort des Bewerbers auf diese Frage.

3 9 6 Soweit es um Diskriminierungsverbote geht, kann eine unzulässige Frage des Arbeitgebers einen schuldhaften Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot indizieren. Hieran können sich Schadenersatzfolgen knüpfen. Dies gilt insbesondere für Fälle der Geschlechtsdiskriminierung iSd SS 61 la, 61 lb BGB 887 bzw des Art 141 EG (ex Art 119 EWG). 888 In solchen Fällen ist es dann Sache des Arbeitgebers, darzulegen und zu beweisen, daß die Ablehnung der Bewerbung nichts mit der unzulässig gestellten Frage und deren Beantwortung zu tun hat (vgl insgesamt $ 611a Rn 28 ff). 3 9 7 Der Bewerber braucht auf eine unzulässige Frage nicht zu antworten. Versucht der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den von ihm befürchteten nachteiligen Wertungen der bloßen Verweigerung der Antwort, nämlich die Ablehnung seiner Bewerbung, dadurch zu entgehen, daß er die unzulässig gestellte Frage unrichtig beantwortet, so stellt diese falsche Angabe gegenüber dem Arbeitgeber keine arglistige Täuschung dar. Nicht jede falsche Angabe gegenüber dem Arbeitgeber ist eine arglistige Täuschung, sondern nur die bewußt wahrheitswidrige Beantwortung auf eine zulässigerweise gestellte Frage. 889 Zu weit geht allerdings die Ansicht von Latenz, wenn er meint, das BAG habe dem Arbeitnehmer damit das „Recht zur Lüge" eingeräumt.890 3 9 8 Auf eine zulässig vom Arbeitgeber gestellte Frage darf der Arbeitnehmer zwar ebenfalls schweigen. Eine Verpflichtung zur Beantwortung dieser Fragen besteht für ihn nicht. Er darf jedoch auf eine zulässig gestellte Frage keine unwahre Antwort geben. Anderenfalls läuft er Gefahr, sein Arbeitsverhältnis durch Anfechtung oder Kündigung zu verlieren und ggf Schadenersatz leisten zu müssen. Dabei stehen die Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung (oder widerrechtlicher Drohung) nach $ 123 BGB, die Anfechtung wegen Fehlens einer verkehrswesentlichen Eigenschaft (§ 119 Abs 2 BGB) sowie die außerordentliche und auch die ordentliche Kündigung als selbständige Rechtsinstitute nebeneinander.891

Nr 59; 1 1 . 1 1 . 9 3 - 2 AZR 4 6 7 / 9 3 - AP B G B S 123 Nr 38; 7 . 6 . 8 4 - 2 AZR 2 7 0 / 8 3 - AP B G B $ 123 Nr 26. 8 8 3 Leipold AllR 7 1 161, 163. 8 8 4 BAG 5 . 1 0 . 9 5 - 2 AZR 9 2 3 / 9 4 - AP B G B $ 123 Nr 4 0 ; 7 . 6 . 8 4 - 2 AZR 2 7 / 8 3 - AP B G B $ 123 Nr 2 6 zu Π 4 a d Gr. 8 8 5 Wiedemann FS Herschel, 8 2 4 6 6 ff; Conze Z T R 9 1 9 9 jeweils mwN. 8 8 6 MünchArbR/Bliiftmr $ 3 8 Rn 12 ff. 8 8 7 BVerfGE 8 9 2 7 6 = AP B G B $ 6 1 1 a Nr 9; BAG 1 5 . 1 0 . 9 2 - 2 AZR 2 2 7 / 9 2 - AP B G B $ 6 1 1 a Nr 8.

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8 8 8 E u G H 8 . 1 1 . 9 0 - Rs C 1 7 7 / 8 8 - AP Art 119 EWGVertrag Nr 23. 8 8 9 BAG 5 . 1 0 . 9 5 - 2 AZR 9 2 3 / 9 4 - AP B G B % 123 Nr 4 0 ; 2 1 . 2 . 9 1 - 2 AZR 4 4 9 / 9 0 - AP B G B S 123 Nr 35. 8 9 0 A n m z u A P B G B $ 123 Nr 15; a A D ä u 6 I e r C R 9 4 1 0 1 ,

104, dagegen wiederum Moritz NZA 87 329.

8 9 1 BAG 2 1 . 2 . 9 1 - 2 AZR 4 4 9 / 9 0 - AP B G B $ 123 Nr 3 5 ; 2 8 . 3 . 7 4 - 2 AZR 9 2 / 7 3 - AP B G B S 119 Nr 3

(Kiichenhoff).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Anbahnung des Arbeitsvertrags

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kann grundsätzlich der Arbeitsvertrag auch durch Anfechtung gem $ 123 Abs 1 BGB beendet werden.892 Wird der Arbeitnehmer bei der Hinstellung zu einer bestimmten Tatsache befragt, so ist er, wenn die Frage zulässig ist, zu deren wahrheitsgemäßer Beantwortung verpflichtet.893 Die Täuschung muß widerrechtlich gewesen sein; die Täuschungshandlung muß zu einem Irrtum des Getäuschten geführt haben und für dessen Willenserklärung derart ursächlich sein, daß er sie ohne die Täuschung nicht, mit anderem Inhalt oder nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte. 894 So kann die Zustimmungserklärung des Arbeitgebers zum Arbeitsvertrag trotz objektiver falscher Beantwortung einer zulässigen Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft dann nicht wirksam angefochten werden, wenn die Schwerbehinderung für den Arbeitgeber offensichtlich war und deshalb bei hm ein Irrtum nicht entstanden ist. 895 Des weiteren muß der Täuschende arglistig gehandelt haben, 896 wobei bedingter Vorsatz, also das Bewußtsein, daß den anderen die Täuschung zur Erklärung bestimmen könnte, genügt. 897 Beim Vorliegen einer Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung oder Täuschung kommt es auf die zweiwöchige Frist des S 626 Abs 2 BGB nicht an. 898 Die Anfechtung der Willenserklärung zum Arbeitsvertrag wegen Fehlens einer verkehrswesentlichen Eigenschaft ($ 119 Abs 2 BGB) hat unverzüglich zu erfolgen ($ 121 Abs 1 S 1 BGB); dies ist nur der Fall, wenn der für die fristlose Kündigung geltende Zeitraum von zwei Wochen ($ 626 Abs 2 BGB) nicht überschritten ist. 899 b)

399

Fragerecht des Arbeitgebers

In aller Regel geht es dem Arbeitgeber bei der Befragung des Einstellungsbewerbers darum, dessen 4 0 0 Eignung festzustellen. Dabei hat der Arbeitgeber das Recht, unter mehreren Bewerbern nach deren Qualifikationsunterschieden auszuwählen, um den für ihn am besten geeigneten Bewerber herauszufinden. Vor allem geht es um die fachliche und menschliche Qualifikation, die für die Erledigung der vorgesehenen Arbeitsaufgaben erforderlich ist, um die gesundheitliche und körperliche Verfassung des Einstellungsbewerbers im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit und den Beginn der Arbeitsaufnahme, um persönliche Eigenschaften als Voraussetzung für die zu erbringende Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Arbeitgebers einschließlich der Tendenz seines Unternehmens oder Betriebes, ferner um soziale Gesichtspunkte. Ein Fragerecht wird dem Arbeitgeber im allgemeinen nur insoweit zugestanden, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner konkreten Frage für das jeweilige konkrete Arbeitsverhältnis hat. 900 Welche diese Interessen sind, läßt sich nur im Einzelfall beurteilen. Von daher ist es nicht möglich, einen für alle Fälle abschließenden Katalog zulässiger oder unzulässiger Fragen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer aufzustellen. Vielmehr muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit die gestellte Frage für die Eingehung des Arbeitsverhältnisse oder die Auswahl gerade dieses Bewerbers erforderlich oder zumindest sinnvoll und billigenswert war. aa)

Angaben zur Person

Dem Arbeitgeber steht grundsätzlich das Fragerecht hinsichtlich der allgemeinen Angaben zur Person 4 0 1 zu. Dies betrifft vor allem den Namen einschließlich Vornamen. Anschrift, Kommunikationsverbindungen (Telefon, Telefax), Nationalität und ggf ethnische Zugehörigkeit, ggf Aufenthaltserlaubnis. Die Frage nach Nationalität und ethnischer Zugehörigkeit ist weder durch das Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 3 GG noch durch das Freizügigkeitsgebot des Art 39 EG (ex Art 48 EWG) ergangenen sog. 892 BAG 18.10. 2000 - 2 A2R 380/99 - AP BGB $ 123 Nr 59; 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB $ 123 Nr 38; 7.6.84 - 2 AZR 270/83 - AP BGB $ 123 Nr 26. 893 BAG 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB $ 123 Nr 38. 894 BAG 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB S 123 Nr 38. 895 BAG 18.10. 2000 - 2 AZR 380/99 - AP BGB $ 123 Nr 59.

Harald Schliemann

896 BAG 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB $ 123 Nr 38; 21.2.91 - 2 AZR 449/90 - AP BGB $ 123 Nr 35. 897 BAG 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB $ 123 Nr 38. 898 BAG 19.5.83 - 2 AZR 171/81 - AP BGB § 123 Nr 25 (Mühl). 899 BAG 14.12.79 - 7 AZR 38/78 - AP BGB $ 119 Nr 4 (Mühl). 900 BAG 18.10. 2000 - 2 AZR 380/99 - AP BGB $ 123 Nr 59; 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB § 123 Nr 38.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Freizügigkeitsverordnung 901 inhibiert, wenn und soweit hiervon die Einstellungsentscheidung, zB mit Rücksicht auf vorhandene oder noch einzustellende weitere Arbeitnehmer, abhängig zu machen ist. Der Arbeitgeber braucht nicht zu dulden, daß Nationalitätenkonflikte oder ethnische Konflikte in seinem Betrieb ausgetragen werden; er darf insoweit vorbeugen, als er die Auswahl der Arbeitnehmer auch unter diesem Gesichtspunkt vornimmt. Die Angaben zur Person kann sich der Arbeitgeber durch Vorlagen entsprechender Dokumente (Personalausweis, Paß, Aufenthaltserlaubnis) nachweisen lassen. Im Fall des Abschlusses des Arbeitsvertrages darf er hiervon auch Kopien zur Personalakte nehmen; die Originalunterlagen hat er jedoch dem Bewerber/Arbeitnehmer auszuhändigen. bb)

Ausbildung, beruflicher Werdegang

402 Der Arbeitgeber darf an den Bewerber alle erheblichen Fragen zur Feststellung seiner fachlichen Eignung für den vorgesehenen Arbeitsplatz stellen. Dies ist im Grundsatz nicht problematisch.902 Der Umfang derartiger Fragen richtet sich allerdings danach, welche Qualifikation zur Besetzung der freien Stelle erforderlich ist. Beispielsweise ist eine Erfassung des beruflichen Werdegangs kaum erforderlich, soweit es um die Besetzung einer Handlangerposition für einen kurzen Zeitraum (Aushilfskraft) geht. Im allgemeinen sind jedoch Fragen nach der Schulbildung einschließlich des Schulabschlusses, nach dem Besuch weiterführender Schulen und Hochschulen einschließlich dazugehöriger Abschlüsse, nach der Berufsausbildung und dem Berufsausbildungsabschluß sowie dem weiteren beruflichen Werdegang, 903 bei akademischen Berufen auch die nach dem Hochschulort und den Ausbildungsschwerpunkten ebenso zulässig wie Fragen nach besonderen Prüfungen (zB Führerschein) oder nach Fremdsprachenkenntnissen. Dabei braucht sich der Arbeitgeber nicht darauf zu beschränken, diese Fragen nur im Hinblick auf die derzeit vorgesehene Position zu stellen; er kann vielmehr auch Fragen stellen, die ihm die Auswahl unter mehreren Bewerbern auch unter dem Gesichtspunkt ermöglichen, daß der Bewerber im Betrieb auch anderweitig einsetzbar ist. 403 Fragen zum beruflichen Werdegang, insbesondere zu den bisherigen Beschäftigungsverhältnissen, sind grundsätzlich ebenfalls zulässig. Der Arbeitgeber darf auch versuchen, sich über die Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Arbeitswilligkeit des Arbeitnehmers Kenntnisse zu verschaffen. Insoweit darf er den Arbeitnehmer befragen und ihn auffordern, ihm Arbeitszeugnisse vorzulegen. Er darf den Bewerber auch nach Referenzen fragen. Schließlich ist es ihm auch rechtlich nicht verwehrt, sich bei Dritten, insbesondere bei vorherigen Arbeitgebern, um Informationen über die berufliche Eignung des Bewerbers zu bemühen (vgl $ 630 Rn 89 ff). cc)

Bewerbungsanlaß

404 In der Regel unproblematisch ist auch die Frage an den Bewerber, aus welchem Anlaß er sich für die vorgesehene Stelle bewirbt. Dies Frage kann jedoch einen geschlechtsdiskriminierenden Hintergrund haben. Bewirbt sich auf eine geschlechtsneutral formulierte Stellenausschreibung für eine Stelle, die traditionell von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts eingenommen wird, ein Angehöriger des anderen Geschlechts, so kann eine Frage des werbenden Arbeitgebers nach dem Anlaß der Bewerbung vom Befragten so verstanden werden, daß der Geschlechtsunterschied vom Arbeitgeber zumindest mitberücksichtigt wird. dd)

Erkrankungen, Gesundheitszustand

405 Nach zurückliegenden Erkrankungen oder nach dem Gesundheitszustand oder nach Körperbehinderungen darf der Arbeitgeber den Bewerber nur insoweit befragen, als die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz hiervon betroffen ist. 904 Das Interesse des Arbeit901 Verordnung (EWG) Nr 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15.10. 1968 (EWG Abi L Nr 257, 1), zuletzt geändert durch VO (EWG) Nr 2434/92 vom 27.7.92 (AbiEG L 245/1).

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902 BAG 7.6.84 - 2 AZR 270/83 - AP BGB $ 123 Nr 26. 903 LAG Hamm 8.2.55 - 18 Sa 2136/96 - LAGE BGB $ 123 Nr 21. 904 BAG 7.6.84 - 2 AZR 270/83 - AP BGB $ 123 Nr 26.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 Π. Anbahnung des Arbeitsvertrags

gebers an einer derartigen Aufklärung muß objektiv so stark sein, daß dahinter das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und der Unverletzbarkeit seiner Individualsphäre zurücktreten muß. Hinsichtlich gesundheitlicher Beeinträchtigungen, insbesondere Krankheiten, beschränkt sich das Fragerecht des Arbeitgebers im wesentlichen auf folgende Punkte: Liegt eine Krankheit bzw eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes vor, die die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit auf Dauer oder regelmäßig wiederkehrend einschränkt? Liegen ansteckende Krankheiten vor, die zwar nicht die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, jedoch die zukünftigen Kollegen oder Kunden gefährden? Ist zum Zeitpunkt des Dienstantritts oder in absehbarer Zeit mit einer Arbeitsunfähigkeit, zB durch eine geplante Operation, eine bewilligte Kur, zu rechnen? Besteht zur Zeit eine akute Erkrankung?905 Entsprechendes gilt auch für die Frage nach Suchterkrankungen. Insbesondere hinsichtlich Alkoholerkrankung darf gefragt werden. Eine solche Frage ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn der Arbeitgeber ist aus Gründen der Fürsorge auch gehalten, den Alkoholiker von Gefährdungen innerhalb des Betriebes oder innerhalb des Arbeitsverhältnisses fernzuhalten. Dies betrifft insbesondere Betriebe, in denen betrieblich mit Alkohol oder alkoholhaltigen Lebensmitteln oder mit technischem Alkohol umgegangen wird. Entsprechendes gilt für Fragen nach anderen Rauschmitteln. Hinsichtlich AIDS ist zwischen der Frage nach der AIDS-Erkrankung und der bloßen AIDS-Infektion 4 0 6 zu unterscheiden. Nach der AIDS-Erkrankung darf unabhängig davon gefragt werden, welche berufliche Tätigkeit ausgeübt werden soll, 906 denn die Schwere dieser Erkrankung - sie ist nach derzeitigen medizinischen Erkenntnissen final - läßt eine unmittelbare negative Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ohne weiteres befürchten. Nach einer bloßen AIDS-Infektion darf jedoch nur gefragt werden, sofern - wie in anderen Fällen gesundheitlicher Beeinträchtigungen auch - davon auszugehen ist, daß die Infektion Auswirkung auf die Erfüllbarkeit der geschuldeten Arbeit hat oder zumindest haben kann. Dies betrifft beispielsweise alle Berufe, bei denen Nadelstiche oder Schnittverletzungen vorkommen können. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kann die Gefahr einer AIDSInfektion durch Mikroinokulation von Blut in Folge von Nadelstichen oder Schnittverletzungen nicht völlig ausgeschlossen werden. Eine solche Gefahr besteht insbesondere bei einer Vielzahl von Heil- und Heilhilfsberufen einschließlich dazu helfenden Tätigkeiten, aber auch beim Küchenpersonal oder bei Arbeitnehmern, die mit der Herstellung von Lebensmitteln betraut sind. 907 Nach genetischen Veranlagungen darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht befra- 4 0 7 gen, weil hierdurch zu erheblich in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen wird. 908 Der Arbeitgeber kann Fragen zum Gesundheitszustand und zu Erkrankungen nicht (nur) selbst stellen, 4 0 8 sondern rechtlich und faktisch die Einstellung des Arbeitnehmers vom Ergebnis einer Einstellungsuntersuchung abhängig machen (s Rn 439). ee)

Familienstand

Nach dem derzeitigen Familienstand darf der Arbeitgeber sich außer im Fall des § 7 Abs 2 BGleiG 4 0 9 erkundigen. Hierzu zählt die Frage, ob der Bewerber/die Bewerberin verheiratet ist, ob Kinder und wenn ja, welchen Alters, vorhanden sind. Entsprechend ist auch die Frage nach dem Bestehen einer nichtehelichen Lebens-(Abschnitts-)Gemeinschaft zulässig. Die Zulässigkeit dieser Fragen vor der Einstellung des Bewerbers ist zumindest dann gegeben, wenn der Arbeitgeber seine Einstellungsentscheidung auch von entsprechenden sozialen Gesichtspunkten und Unterschieden zwischen den Bewerbern abhängig macht. 909 Der gegenteiligen Ansicht, wonach die Frage nach dem Familienstand erst nach Abschluß des Arbeitsvertrages zulässig sei, 910 ist nicht zu folgen. Dagegen ist die an eine Bewerberin gerichtete Frage nach der Familienplanung unzulässig (s Rn 415-417). 905 BAG 7.6.84 - 2 AZR 27/83 - AP BGB $ 123 Nr 26 = EzA s 123 BGB Nr 24 zu Π 4a d Gr. 906 Heilmann BB 89 1413; Richardi NZA 88 73, 74; Löwisch DB 87 936. 907 Richardi NZA 88 73, 75; Keller NZA 88 561, 563; aA Lichtenberg/Schücking NZA 90 41, 44. 908 Wiese RdA 88 217 mwN. Harald Schliemann

909 Hess/Schlochauer/Glaubitz, $ 94 BetrVG Rn 8; Stege/ Weinspach, $ 94 BetrVG Rn 12; Wiese GK-BetrVG S 94 Rn 19. 910 Fitting/Kaiserftieither/Engels $ 94 BetrVG Rn 15; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, S 94 BetrVG Rn 19; Wohlgemuth AuR 92 46, 47.

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J 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

ff)

Fremdsprachenkenntnisse

4 1 0 Der Arbeitgeber darf den Bewerber auch nach der Kenntnis fremder Sprachen befragen. Dies betrifft sowohl den deutschsprachigen Bewerber hinsichtlich der Kenntnisse nichtdeutscher Sprachen als auch einen fremdsprachigen Bewerber hinsichtlich der Kenntnisse deutscher Sprache oder dritter fremder Sprachen. Eine hierauf gerichtete Frage ist auch dann im Hinblick auf Art 39 (ex Art 48 EWG) nicht unzulässig, wenn sie an einen EG-angehörenden Ausländer gerichtet wird. Es widerspricht dem Gebot der Freizügigkeit nicht, wenn die Auswahl- oder Einstellungsentscheidung davon abhängig gemacht wird, ob der EG-Angehörige hinreichende Sprachkenntnisse besitzt oder nicht. Denn die Kenntnis einer kommunikationsfähigen Sprache, in der Regel die Kenntnis der deutschen Sprache bei einem Ausländer, ist für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses von wesentlicher Bedeutung. gg)

Gewerkschaftszugehörigkeit

4 1 1 Ein Arbeitgeber darf die Einstellung eines Arbeitnehmers nicht von dessen Austritt aus einer Gewerkschaft abhängig machen. 911 Schon aus diesem Grund ist die Frage des Arbeitgebers an einen Bewerber nach dessen Gewerkschaftszugehörigkeit unzulässig, denn insoweit ist die Frage des Arbeitgebers nicht billigenswert. Mit ihr wird nicht nur in das Koalitionsrecht der Gewerkschaft eingegriffen, sondern auch in die Koalitionsfreiheit des einzelnen, sich bewerbenden Arbeitnehmers.912 Zulässig ist die Frage an einen Bewerber allerdings, wenn es um eine Einstellung für eine Tendenzaufgabe in einem Tendenzbetrieb mit koalitionspolitischer Tendenz (Gewerkschaft, Arbeitgeberverband, Industrieverband usw) geht. 913 Nach Abschluß des Arbeitsvertrages darf dagegen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit gefragt werden, wenn und soweit dies zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. 914 Dies betrifft auch Fälle des vereinbarten Einzugs der Gewerkschaftsbeiträge durch den Arbeitgeber.915 hh)

Pfändungen, Lohn- und Gehaltsabtretungen

4 1 2 Umstritten ist, inwieweit der Arbeitgeber den Bewerber bereits vor Abschluß des Arbeitsvertrages nach Lohn- und Gehaltspfändungen befragen darf. In der Regel verursacht die Bearbeitung von Lohn- und Gehaltspfändungen einen erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand für den Arbeitgeber; unter diesem Gesichtspunkt ist sein Interesse anzuerkennen, bereits vor Abschluß des Arbeitsvertrages vom Bewerber zu erfahren, ob derartige Pfändungen vorliegen.916 Nach Lohn- und Gehaltsabtretungen darf indessen nur gefragt werden, soweit sie eröffnet sind, dh, soweit der Abtretungsempfänger von ihnen (gegenüber dem vormaligen Arbeitgeber) Gebrauch gemacht hat. ii) 413

Parteizugehörigkeit

Der Bewerber darf nach seiner Parteizugehörigkeit grundsätzlich nicht befragt werden.917 Eine Ausnahme ist insoweit unter dem Gesichtspunkt des Tendenzschutzes für Bewerber um Arbeitsplätze bei politischen Parteien zuzulassen.918 Die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer früheren Partei der ehemaligen DDR ist zulässig, soweit es um die Einstellung des Bewerbers in den öffentlichen Dienst in 911 BAG 2.6.87 - 1 AZR 651/85 - AP GG Art 9 Nr 49 (Rüthers). 912 MünchArbR/Bucftner, $ 38 Rn 18. 913 Hess/Schlochauer/Glaubitz 5 94BetrVGRn 13; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels § 94 BetrVG Rn 15; Klebe in Däubler/ Kittner/Klebe, $ 94 BetrVG Rn 20; Stege/Weinspach, $ 94 BetrVG Rn 12; Kraft GK-BetrVG, $ 94 Rn 19. 914 Hess/Schlochauer/Glaubitz § 94 BetrVG Rn 13; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels S 94 BetrVG Rn 15. 915 Bellgardt AiB 84 61; Simitis AuR 77 99; Kraft GK/ BetrVG5, § 94 Rn 26. 916 Bejahend: Hess/Schlochauer/Glaubitz $ 9 4 BetrVG Rn 13; einschränkend auf den Fall des berechtigten In-

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Harald Schliemann

teresses an geordneten Vermögensverhältnissen: Dietz/Richardi, J 94 BetrVG Rn 14; für Zulässigkeit erst nach Abschluß des Arbeitsvertrages: Fitting/Kaiser/Heither/Engels S 94 BetrVG Rn 17; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, $ 94 BetrVG Rn 19; Kraft GK-BetrVG5, $ 94 Rn 26; grundsätzlich ablehnend: Erfkomm/Pras, $ 611 BGB Rn 369. 917 Fitting/Kaiser/Hetther/Engels S 94 BetrVG Rn 15; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 94 BetrVG Rn 13; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, J 94 BetrVG Rn20; Kraft GK/ BetrVG § 94 Rn 26. 918 Fitting/Kaiser/Heither/Engels $ 94 BetrVG Rn 15; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 94 BetrVG Rn 13; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe § 94 BetrVG Rn 20.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Anbahnung des Arbeitsvertrags Bund, Ländern oder Gemeinden oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten geht; Entsprechendes gilt, soweit es um Bewerbungen für herausgehobene Positionen in Privatunternehmen oder in sicherheitsrelevanten Bereichen oder bei Tendenzträgern in einem Tendenzbetrieb g e h t 9 1 9 (vgl zur Befragen wegen Tätigkeiten für das Ministerium für Staatsicherheit der ehemaligen DDR: Rn 4 2 1 ff). jj)

Religionszugehörigkeit

Nach seiner Religionszugehörigkeit darf der Stellenbewerber grundsätzlich nicht gefragt werden. 9 2 0

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Eine Ausnahme ist insoweit wiederum zu machen, soweit es um die Einstellung des Bewerbers in einen religiösen Tendenzbetrieb (Kirche, Caritas, Diakonie usw) geht. 9 2 1 Die Frage nach der Zughörigkeit zur sog „Scientology-Kirche" ist dagegen zulässig, auch wenn der Arbeitgeber keinen Tendenzbetrieb führt. Denn bei dieser Organisation handelt es sich nicht um eine Religions- oder Weltanschauungsgesellschaft, sondern um einen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Verein. 9 2 2 Nach Abschluß des Arbeitsvertrages darf der Arbeitnehmer gefragt werden, ob er der Katholischen bzw der Evangelischen Kirche angehört; diese Frage ist schon deswegen erlaubt, damit der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Abführung der Kirchensteuer nachkommen kann. 9 2 3 Dies gilt auch in Fällen der Lohnsteuerpauschalierung. 9 2 4 kk)

Schwangerschaft

Die rechtliche Zulässigkeit der Frage des Arbeitgebers an eine Bewerberin, ob sie schwanger ist, ist von der Rechtsprechung im Laufe der Zeit unterschiedlich beurteilt worden. 9 2 S Die frühere Rechtsprechung hatte im Laufe der Zeit immer mehr Zustimmung in der Literatur gefunden. 9 2 6 Mit der Einführung des $ 6 1 1 a B G B 9 2 7 entstand ab August 1980 eine neue rechtliche Situation. Das BAG erkannte im Urteil vom 20. Februar 1986, die Frage nach der Schwangerschaft vor der Einstellung ist nicht unzulässig, wenn sich nur Frauen um den Arbeitsplatz bewerben; zugleich brachte es zum Ausdruck, dazu zu neigen, in der Frage nach der Schwangerschaft dann eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts zu sehen, wenn sich Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts um denselben Arbeitsplatz bewerben. 9 2 8 Diese Entscheidung hat in der Literatur und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte unterschiedliche Aufnahme gefunden. 9 2 9 Im Jahr 1990 entschied der Europäische Gerichtshof im sog Dekker-Urteil, ein Arbeitgeber verstoße unmittelbar gegen den in Art 2 Abs 1 und 3 Abs 1 der EWG-Richtlinie 76/207 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn er es ablehnt, mit einer von ihm für geeignet befundenen schwangeren Bewerberin einen Arbeitsvertrag zu schließen, weil er aufgrund staatlicher Gesetzgebung Kostennachteile befürchten m u ß . 9 3 0 Ausdrücklich im Anschluß an diese Entscheidung und unter namentlicher Aufgabe des Urteils vom 20. Februar 1 9 8 6 9 3 1 entschied das BAG sodann, daß die Frage nach der Schwangerschaft vor Einstellung einer Arbeitnehmerin in der Regel eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts und deshalb 919 Fitting/Kaiser/Heither/Engels $ 94 BetrVG Rn 16ba mwN. 920 Fitting/Kaiser/Heither/Engels $ 94 BetrVG Rn 15; Hess/Schlochauer/Glaubitz $ 94 BetrVG Rn 13; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe § 94 BetrVG Rn 20; Kraft GK/BetrVG $ 94 Rn 26. 921 Hess/Schlochauer/Glaubitz S 94 BetrVG Rn 13; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe $ 94 BetrVG Rn 20. 922 BAG 22.3.95 - 5 AZB 21/94 - AP ArbGG 1979 $ 5 Nr 21. 923 LAG München 21.3.51 - 1762/49 = BB 51923; LAG Hamm 30.4.53 - 2 Sa 532/52 = BB 53 501; Fitting/Kaiser/ Heither/Engels § 94 BetrVG Rn 15; Kraft GK/BetrVG $ 94 Rn 26. 924 Ki/ttncr/HuiierPersonalbuch, Lohnsteuerpauschalierung Rn 57. 925 BAG 22.9.61 - 1 AZR 241/60 - AP BGB S 123 Nr 15. Harald Schliemann

415

926 Schulte/Wesenherg NJW 94 1573; BAG 20.2.86 2 AZR 244/85 - AP BGB $ 123 Nr 31, jeweils mwN. 927 Art 1 Nr 1 des Gesetzes über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) vom 13.8. 1980 (BGBl I 1308). 928 BAG 20.2.86 - 2 AZR 244/85 - AP BGB $ 123 Nr 31. 929 Anm zu BAG 20.2.86 - 2 AZR 244/85 - in AP BGB S 123 Nr 31 (Coester); DB 86 2287, 2413 (1. Donat, 2. Bellgardt); AiB 87 188 (Heilmann); Hunold NZA 87 4, 6; Walker DB 87 273, 275. 930 EuGH 8.11.90 - Rs C177/88 (Dekker) - EuGH Slg 90 3941 = AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 23. 931 BAG 20.2.86 - 2 AZR 244/85 - AP BGB $ 123 Nr 31.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

gegen das Diskriminierungsverbot des S 6 1 l a BGB verstoße, gleichgültig, ob sich nur Frauen oder auch Männer um den Arbeitsplatz bewerben. 9 3 2 Ausnahmsweise ist jedoch die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft vor Einstellung einer Arbeitnehmerin dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Frage objektiv dem gesundheitlichen Schutz der Bewerberin oder des ungeborenen Kindes dient. 9 3 3 In jenem Fall hatte sich eine Arzthelferin für eine Tätigkeit beworben, bei der sie mit infektiösem Material umzugehen hatte. Dagegen schließt es Art 2 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 und Art 5 Abs 1 der Richtlinie 76/207/EWG aus, einen auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsvertrag über eine ausschließliche Nachtarbeit wegen eines nach nationalem Recht während der Schwangerschaft oder Stillzeit geltenden Nachtarbeitsverbots für nichtig zu erklären oder anzufechten, den die Parteien in beiderseitiger Unkenntnis von der Schwangerschaft geschlossen haben. 9 3 4 Ebenso ist eine Entlassung einer Arbeitnehmerin nach Art 2 Abs 1 iVm Art 5 Abs lder Richtlinie 76/207/EWG auch dann ausgeschlossen, wenn die als Schwangerschaftsvertretung Eingestellte ihrerseits kurz nach ihrer Einstellung schwanger wird. 9 3 5 Ebensowenig war es zulässig, den Abschluß eines Arbeitsvertrags auf unbestimmte Zeit mit einer schwangeren Bewerberin mit der Begründung abzulehnen, daß für die vorgesehene Tätigkeit (hier: Operationsschwester) von Anfang an ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot besteht. 9 3 6 Hiernach ist die Frage nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft nur noch dann zulässig, wenn das weibliche Geschlecht für die Tätigkeit unverzichtbare Voraussetzung i s t 9 3 7 oder wenn der Arbeitsvertrag befristet abgeschlossen werden soll und die Bewerberin während der gesamten Dauer des Arbeitsvertrags aus gründen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote die vorgesehene Tätigkeit nicht ausführen darf. 9 3 8 Auch unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit der Einstellungsbewerberin ist es nicht zulässig, nach dem Bestehen einer Schwangerschaft zu fragen. 9 3 9 Soweit eine Frage nach der Schwangerschaft an eine Bewerberin überhaupt zulässig ist (vgl S 7 Abs 2 BGleiG), m u ß sie in angemessener Form gestellt werden. 9 4 0 416

Stets unzulässig ist eine Frage, ob eine Schwangerschaft demnächst zu erwarten sei 9 4 1 oder Intimverkehr bestehe 9 4 2 oder die Frage nach Menstruationsbeschwerden. 9 4 3 Dies gilt auch dann, wenn nach der „Verfügbarkeit" der Arbeitnehmerin gefragt wird, zB - mit der Frage, ob der Arbeitnehmerin Gründe bekannt seien, die innerhalb der nächsten zwölf Monate zu einer längeren Abwesenheit vom Arbeitsplatz führen werden. 9 4 4 Sobald der Arbeitsvertrag mit der Arbeitnehmerin abgeschlossen worden ist, darf die Arbeitnehmerin jedoch nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft befragt werden, allerdings auch nur insoweit, als es der Einhaltung der Bestimmungen des MuSchG dient. 9 4 5 Unabhängig hiervon „soll" die werdende Mutter dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft nach § 5 Abs 1 S 1 MuSchG mitteilen. 11)

417

Schwerbehinderung

Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer befragen, ob er schwerbehindert ist. Diese Frage ist auch dann uneingeschränkt zulässig, wenn die Behinderung, auf der die Anerkennung beruht, für die Tätigkeit o h n e Bedeutung ist. 9 4 6 Die unrichtige Beantwortung der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft kann die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB rechtfertigen; 9 4 7 die Anfechtung wirkt zurück, soweit der Arbeitsvertrag nicht durch Arbeitsleistung

932 BAG 1 5 . 1 0 . 9 2 - 2 AZR 227/92 - AP BGB $ 611a Nr 8. 933 BAG 1.7.93 - 2 AZR 25/93 - AP BGB $ 123 Nr 36. 934 EuGH 5.5.94 - Rs C 421/92 (G. Habermann-Beltermann) - AP EWG-Richtlinie 76/207 Nr 3. 935 EuGH 14.7.94 - Rs C 32/93 - AP MuSchG § 9 1968 Nr 21. 936 EuGH 3.2. 2000- Rs C-207/98 - Mahlburg - AP BGB J 611a Nr 18. 937 Fitting/Kaiser/Heither/Engels $ 94 BetrVG Rn 18. 938 MünchKomm/Müller-Glöge $ 61 la Rn 30. 939 AA MünchArbR/Bacftner $38 Rn96; Hunold DB 2000 573, 574. 134

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940 BAG 22.9.61 - 1 AZR 241/60 - AP BGB § 123 Nr 15. 941 Kraft GK-BetrVG $ 94 Rn 20; Brill AuR 68 139. 942 LAG Bremen 24.2.60 - 1 Sa 160/59 - BB 60 743. 943 LAG Düsseldorf 30.9.71 - 3 Sa 305/71 - EzA § 9 MuSchG nF Nr 10. 944 AA Hunold DB 2000 573, 574. 945 Fitting/Kaiser/Heither/Engels $ 94 BetrVG Rn 18, mwN. 946 BAG 3.12.98 - 2 AZR 754/97 - AP BGB $ 123 Nr 49. 947 BAG 5.10.95 - 2 AZR 923/94 - AP BGB $ 123 Nr 40.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 II. Anbahnung des Arbeitsvertrags vollzogen worden ist. 9 4 8 Allerdings kann die Zustimmungserklärung des Arbeitgebers zum Arbeitsvertrag trotzt objektiver falscher Beantwortung einer zulässigen Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft dann nicht wirksam angefochten werden, wenn die Schwerbehinderung für den Arbeitgeber offensichtlich war und deshalb bei hm ein Irrtum nicht entstanden ist. 9 4 9 Die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft des Stellenbewerbers ist deutlich von der Frage zu trennen, ob er körperbehindert ist (s Rn 405-408). 9 5 0 Eine Einschränkung des Fragerechts ist nicht

418

geboten. Zwar darf nach Art 3 Abs 3 S 2 GG niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. 9 5 1 Art 3 Abs 3 GG will insgesamt verhindern, daß der Einzelne durch die Einordnung in eine durch Diskriminierung gefährdete Gruppe stigmatisiert und benachteiligt wird. 9 5 2 Weder aus Art 3 Abs 3 S 2 GG noch aus den Gesetzesmaterialien hierzu ergibt sich jedoch, daß durch die Einführung des Art 3 Abs 3 S 2 GG das Fragerecht der Arbeitgeber eingeschränkt werden sollte. 9 5 3 Aus dem Schwerbehindertengesetz folgt keine Einschränkung des Fragerechts des Arbeitgebers. 9 5 4 Auch wenn der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die vorgesehene Tätigkeit nach der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers fragen darf, ist dieser nicht gehalten, von sich aus - also o h n e Frage des Arbeitgebers - eine derartige Anerkennung als Schwerbehinderter zu offenbaren, soweit ihm die konkret vorgesehene Tätigkeit nicht aufgrund eines durch Schwerbehinderung zugrundeliegenden Körperschadens unmöglich gemacht wird oder dauernden Einschränkungen unterliegt. 9 5 5 Verletzt der Bewerber die ihn auch ungefragt treffende Verpflichtung zur Mitteilung solcher Beeinträchtigungen, die eine vertragsgemäße Arbeitsausführung unmöglich machen oder wesentlich erschweren, so kann dies die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Täuschung einer verkehrswesentlichen Eigenschaft ebenso nach sich ziehen wie Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß (vgl Rn 391). Die Pflicht zur Beantwortung der zusätzlich gestellten Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft bezieht sich n i c h t auf die Mitteilung einer bestimmten medizinischen D i a g n o s e , 9 5 6 wohl aber auf behinderungsbedingte Belastungen im Hinblick auf technische Arbeitshilfen, Sicherheitsvorkehrungen, besondere Transportmittel, besondere Aufenthaltsräume bzw Sanitäreinrichtungen oder kleinklimatischer Bedingungen. 9 5 7 Der Bewerber braucht auch nur die jeweils konkret gestellte Frage zu beantworten. Wird er nach der Schwerbehinderteneigenschaft gefragt, so braucht er - ungefragt - nicht anzugeben, daß er lediglich einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist (§ 6 8 SGBIX). Vielmehr ist er nur verpflichtet, auf eine entsprechende Frage entsprechend zu antworten. 9 5 8 Demgemäß ist es sinnvoll, genau zu fragen, ob Schwerbehinderung oder eine entsprechende Gleichstellung vorliegen, Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit (vormals: Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente) gezahlt wird oder ob die Anerkennung als Schwerbehinderter oder die Gleichstellung oder Erwerbsminderungsrente beantragt sind.

419

Zulässig ist weiterhin die Frage, ob der Bewerber Inhaber eines Bergmannversorgungsscheines ist. 9 S 9

420

mm)

Sicherheitsüberprüfung

Dem Bewerber darf der Arbeitgeber Fragen mit dem Ziel der Sicherheitsüberprüfung stellen, soweit eine solche Sicherheitsüberprüfung geboten ist. Dies ist in der Regel bei einer Einstellung im öffentlichen

948 BAG 3.12.98 - 2 AZR 754/97 - AP BGB $ 123 Nr 49. 949 BAG 18.10. 2000 - 2 AZR 380/99 - AP BGB $ 123 Nr 59. 950 BAG 7.6.84 - 2 AZR 270/83 - AP BGB $ 123 Nr 26. 951 Eingeführt durch Gesetz zur Änderung des GG vom 27.10. 1994 (BGBl 13146). 952 P/arr NZA 95 809, 810. 953 BAG 5.10.95 - 2 AZR 923/94 - AP BGB $ 123 Nr 40, unter Β II 3b d Gr; aA Käppier ZfA 95 274, 276. 954 BAG 5.10.95 - 2 AZR 923/94 - AP BGB § 123 Nr 40, unter Β II 2b, c d Gr; ähnlich schon BAG 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB $ 123 Nr 38, zuminHarald Schliemann

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dest soweit die Schwerbehinderung tätigkeitsrelevant ist (unter II 1 a dd d Gr). 955 BAG 5.10.95 - 2 AZR 923/94 - AP BGB $ 123 Nr 40, unter Β II 1 d Gr; vgl auch Großmann NZA 89 702, 704 mwN. 956 BAG 7.6.84 - 2 AZR 270/83 - AP BGB S 123 Nr 26. 957 BAG 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB $ 123 Nr 38. 958 BAG 1.8.85 - 2 AZR 101/83 - AP BGB S 123 Nr 30. 959 BAG 9.256 - 2 AZR 156/56 - AP BergmannversorgungsscheinG NRW S 10 Nr 1; vgl Βoldt „Der Bergmannsversorgungsschein", ArbR BGB1, $ 630 Anhang I, 60 ff = BGB-RGRK12.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Dienst zumindest dann geboten, wenn es sich um einen sicherheitsempfindlichen Bereich handelt, zB der Wehrbereich,960 das Fernmeldewesen,961 Lehrtätigkeiten an Schulen, 962 für den entsprechenden Vorbereitungsdienst,963 aber auch für eine Beschäftigung als Sozialarbeiter.964 Dabei geht es stets um die Prüfung, ob der Bewerber die für die konkret vorgesehene Verwendung im öffentlichen Dienst erforderliche Verfassungstreue im Sinne des jederzeitigen Eintretens für die freiheitlich-demokratische Grundordnung besitzt. Insoweit ist auch die Einstellungsentscheidung der Einstellungsbehörde überprüfbar. 965 Die Ausräumung von Sicherheitsbedenken ist auch geboten, soweit es darum geht, ob anläßlich der Wiedervereinigung Deutschlands im sog öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR tätige Bedienstete im öffentlichen Dienst verbleiben können; insoweit durften die Bediensteten allgemein befragt werden.966 4 2 2 Sicherheitsprüfungen und hierauf abzielende Fragen an den Bewerber sind aber nicht nur innerhalb des öffentlichen Dienstes selbst zulässig, sondern auch außerhalb dieses Bereichs, zB in sicherheitsoder sabotagegefährdeten Unternehmen. 967 Bewerber um eine Einstellung in Einrichtungen im Vorfeld des öffentlichen Dienstes dürfen ebenfalls sicherheitsüberprüft werden; insoweit ist auch eine Überprüfung im Hinblick auf eine etwaige frühere Betätigung in der ehemaligen DDR für deren Ministerium für Staatssicherheit (MfS) bzw Amt für nationale Sicherheit (AfnS) zulässig.968 Bei der Neueinstellung in den öffentlichen Dienst darf der öffentliche Arbeitgeber den Bewerber dann nach vor 1970 abgeschlossenen Tätigkeiten diese Einrichtungen fragen, wenn diese Tätigkeiten besonders schwer wiegen; die wahrheitswidrige Beantwortung dieser Fragen kann uU die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß den $$ 123, 142 BGB rechtfertigen; die arglistige Täuschung kann auch darin liegen, daß der Arbeitnehmer in Erwartung einer solchen berechtigten Frage unaufgefordert versichert, nicht derart tätig gewesen zu sein. 969 Mit Rücksicht auf das individuelle Recht auf informationelle Selbstbestimmung970 darf jedoch die Weitergabe der insoweit ermittelten Daten an staatliche Einrichtung zwecks weiterer Überprüfung nur mit vorheriger Zustimmung des Arbeitnehmers vorgenommen werden.971 nn) 423

Verfügbarkeit

Der Stellenbewerber darf hinsichtlich seiner Verfügbarkeit befragt werden. Dies betrifft insbesondere die Frage, ab wann er das Arbeitsverhältnis antreten kann, aber auch die Frage nach seiner Bereitschaft, andere Aufgaben zu übernehmen, Schichtarbeit zu leisten und/oder sich räumlich versetzen zu lassen. Unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit darf auch - soweit es betrieblich relevant ist - gefragt werden, ob der Bewerber Raucher oder Nichtraucher ist, zB wegen Feuergefahr oder wegen negativer Rückwirkung auf den Produktionsablauf, aus Gründen der Hygiene bzw mit Rücksicht auf den Nichtraucherschutz.972 Es dürfen unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit aber keine unter anderen Gesichtspunkten unzulässigen Fragen gestellt werden, zB nicht die Frage nach Schwangerschaft oder Familienplanung (s Rn 415,416). § 7 Abs 2 BGleiG verbietet, in Auswahl- oder Vorstellungsgesprächen zu fragen, ob die Kinderbetreuung oder die Pflege behinderter oder pflegebedürftiger Angehöriger neben der Berufstätigkeit sichergestellt sind.

960 BAG 28.2.63 - 2 AZR 342/62 - AP KSchG § 1 Sicherheitsbedenken Nr 3. 961 BAG 20.7.89 - 2 AZR 342/62 - AP KSchG 1969 $ 1 Sicherheitsbedenken Nr 2. 962 BAG 15.7.82 - 2 AZR 887/79 - AP GG Art 33 Nr 20; 31.3.76 - 2 AZR 887/79 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 2. 963 BAG 1.10.86 - 7 AZR 383/85 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 26. 964 BAG 12.3.86 - 7 AZR 20/83 - AP GG Art 33 Abs 3 Nr 23. 965 Vgl zu den Grundsätzen der Nachprüfung: BAG 15.7.82 - 2 AZR 887/79 - AP GG Art 33 Nr 20.

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966 BAG 7.9.95 - 8 AZR 828/93 - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr 24. 967 BAG 9.7.91 - 1 ABR 57/90 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr 19. 968 BAG 21.9.93 - 1 ABR 28/93 - AP BetrVG 1972 $ 94 Nr 4. 969 BAG 6.7. 2000 - 2 AZR 543/99 - AP BGB $ 123 Nr 58. 970 BVerfGE 65 1 ff - NJW 84 419 ff. 971 Vgl BAG 12.1.88 - 1 AZR 352/86 - AP BPersVG $ 75 Nr 23. 972 BAG 8.5.96 - 5 AZR 971/94 - EzA $618 BGB Nr 11; BVerwG 13.9.85 - 2 C 33/82 - NJW 85 876.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 Π. Anbahnung des Arbeitsvertrags

oo)

Vergütung

Umstritten ist, inwieweit der Arbeitgeber den Bewerber nach der Höhe seiner bisherigen Arbeits- 4 2 4 einkünfte befragen darf. 973 Grundsätzlich gehören die Einkommensverhältnisse des Arbeitnehmers zu seiner geschützten Individualsphäre. Gleichwohl ist der Arbeitgeber zur Beantwortung einer entsprechenden Frage verpflichtet, wenn hieraus Rückschlüsse auf die Qjialifikation des Bewerbers für den nunmehr zu besetzenden Arbeitsplatz ermöglicht werden oder wenn der Einstellungsbewerber sein bisheriges Arbeitseinkommen als Mindestbezahlung für die neue Stelle fordert oder zur Grundlage für die Bemessung seiner Entgeltforderung macht. 974 pp)

Vermögensverhältnisse

Nach seinen Vermögensverhältnissen darf ein Bewerber nur befragt werden, soweit wegen der Art der 4 2 5 vorgesehenen Tätigkeit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an geordneten Vermögensverhältnissen besteht. 975 Unter Umständen können ungeordnete Vermögensverhältnisse sogar die Kündigung eines Arbeitnehmers in einer Vertrauensstellung sozial rechtfertigen.976 Die Frage nach Pfändungen bzw Lohn- und Gehaltsabtretungen ist dagegen nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Bewerber für eine Vertrauensposition eingestellt werden soll (vgl Rn 412). qq)

Vorstrafen

Ein Bewerber darf nach Vorstrafen nur gefragt werden, soweit dies für die Art des zu besetzenden 4 2 6 Arbeitsplatzes von Bedeutung ist, sie also in diesem Sinne einschlägig sind. 977 Dementsprechend darf zB bei einem Bankkassierer nach Vermögensdelikten, bei einem Kraftfahrer nach Verkehrsstraftaten, bei Jugendbetreuern nach Straftaten gegen die Sittlichkeit usw gefragt werden. Bei der Besetzung herausgehobener Führungspositionen ist jedoch ein weitergehendes Fragerecht gegeben. Insoweit darf der künftige Arbeitgeber aus Verfehlungen des Bewerbers in der Vergangenheit Rückschlüsse auf eine fehlende Verläßlichkeit ziehen. Der befragte Bewerber braucht nach $ 51 BZRG 978 eine Vorstrafe nicht mitzuteilen, wenn sie gem § 30 BZRG nicht (mehr) in das polizeiliche Führungszeugnis aufzunehmen ist. 979 Insoweit darf sich ein Verurteilter als unbestraft bezeichnen ($53 Abs 1 BZRG).980 Dem künftigen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes steht gegenüber Bewerbern insoweit kein weitergehendes Fragerecht zu; vielmehr ist auch im Bereich des öffentlichen Dienstes darauf abzustellen, ob die Vorstrafe einschlägig ist und ob sie (noch) in das polizeiliche Führungszeugnis aufzunehmen ist. 981 Allerdings kann es je nach den Umständen für die vorgesehene Tätigkeit (hier: Einstellung in den Polizeivollzugsdienst) zulässig sein, den Bewerber auch nach laufenden Ermittlungsverfahren zu befragen bzw ihn bei längeren Bewerbungsverfahren zu verpflichten, anhängig werdende einschlägige Ermittlungsverfahren mitzuteilen. 982 Der Arbeitnehmer ist, soweit seine Verfügbarkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird, nicht gehalten, 4 2 7 von sich aus ungefragt eine bereits rechtskräftig ausgeurteilte oder demnächst oder gar derzeit zu verbüßende Freiheitsstrafe zu offenbaren; der künftige Arbeitgeber darf jedoch nach einer noch zu 973 Moritz NZA 87 329, 333. 974 BAG 19.5.83 - 2 AZR 171/81 - AP BGB $ 123 Nr 25. 975 MiinchArbR¡Büchner^ 38 Rn 147; Fitting/Kaiser/Heither/Engels S 94 BetrVG Rn 17; Hess/Schlochauer/Glaubitz $ 94 BetrVG Rn 14; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe $ 94 BetrVG Rn 19; Kraft GK/BetrVG $ 94 Rn 24. 976 BAG 29.8.80 - 7 AZR 726/77 - nv. 977 BAG in std Rspr 20.5.99 - 2 AZR 320/98 - AP § 123 BGB Nr 50; 5.12.57 - 1 AZR 594/56 - AP BGB S 123 Nr 2; 1 5 . 1 . 7 0 - 2 AZR 64/69 - AP KSchG $ 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr 7; 18.9.87 - 7 AZR 507/86 - AP BGB S 123 Nr 32 (Conze) unter Aufhebung von LAG Frankfurt/Main 7.8.86 - 12 Sa 361/86 - NZA 87 352;

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21.2.91 - 2 AZR 449/90 - AP BGB $ 123 Nr 35 zu I lb d Gr mwN. 978 BundeszentralregisterG idi vom 21.9.84 (BGBl I 1229), zuletzt geändert durch Gesetz ν 17.12.99 (BGBl I 2662). 979 BAG 2 1 . 2 . 9 1 - 2 AZR 449/90-AP BGB S 123 Nr 35 zu 11 b der Gründe mwN. 980 BAG 15.1.70 - 2 AZR 64/69 - AP KSchG S 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr 7; 18.9.87 - 7 AZR 507/ 86 - AP BGB $ 123 Nr 32 (Conze). 981 BAG 18.9.87 - 7 AZR 507/86 - AP BGB $ 123 Nr 32 (Conze) unter Aufhebung von LAG Frankfurt/Main 7.8.86 - 12 Sa 361/86 - NZA 87 352. 982 BAG 20.5.99 - 2 AZR 320/99 - AP BGB $ 123 Nr 50.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

verbüßenden Strafhaft unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit des Arbeitnehmers fragen (vgl Rn 423). Dagegen muß der Arbeitnehmer den bevorstehenden Antritt einer mehrmonatigen Strafhaft ungefragt offenbaren.983 Nach Eintragungen in das Verkehrszentralregister des Kraftfahrtbundesamtes darf der Arbeitgeber fragen, soweit der Arbeitnehmer als Berufskraftfahrer eingestellt werden soll bzw für eine Tätigkeit, für die er uneingeschränkt im Besitz einer Fahrerlaubnis sein muß. Unerheblich ist, daß Eintragungen in das Verkehrszentralregister nicht unter den Begriff der Vorstrafe fallen; maßgeblich für das Fragerecht ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer uneingeschränkt in der Lage ist, die vertraglich zu übernehmende Tätigkeit auszuüben. Insoweit kann auch eine Frage nach der Eintragung in das Verkehrszentralregister zulässig sein. 984 rr)

Wehr- und Ersatzdienst

4 2 8 Der Arbeitgeber darf den Bewerber fragen, ob er seinen Wehr- bzw Ersatzdienst schon abgeleistet hat oder ob dies noch bevorsteht.985 Diese Frage ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit zulässig, sondern auch unter dem Gesichtspunkt, daß die Tätigkeit während des Wehr- oder Ersatzdienstes in bestimmten Bereichen die berufliche Qyalifikation verbessern kann. Die unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtsdiskriminierung aufgekommenen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Frage, ob sich der Bewerber für den Wehrdienst oder für den Zivildienst entscheiden werde oder entschieden habe, 986 sind nicht zu teilen. Denn in aller Regel wirkt sich die unterschiedliche Art der Verpflichtung der Dienstpflicht auf die Durchführbarkeit des Arbeitsverhältnisses verschieden aus. Eine Grenze findet die Zulässigkeit der Frage nach Wehr- oder Zivildienst darin, daß sie grundsätzlich nur bei Bewerbern bis zum Ende des wahrdienstpflichtigen Alters zulässig ist. 987 ss)

Wettbewerbsverbot

4 2 9 Nach einem bestehenden Wettbewerbsverbot darf der Bewerber uneingeschränkt befragt werden.988 Zumindest in Branchen, in denen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unüblich ist, ist der Bewerber verpflichtet, von sich aus auf das Bestehen eines Wettbewerbsverbotes hinzuweisen.989 c)

Befragungs- und Auswahlmethoden, Mitbestimmung

4 3 0 Die Befragung von Bewerbern kann schriftlich, zB mit Hilfe von Fragebogen, formalisiert, zB mit Hilfe standardisierter Fragen, bei denen der Befrager die Antwort des befragten Bewerbers in einen Bogen einträgt, oder auch nur mündlich erfolgen. Denkbar ist auch, daß die entsprechende Befragung des Bewerbers durch standardisierte Angaben in einem Arbeitsvertragsformular vorgenommen wird. aa) 431

Personalfragebögen

Soweit der Arbeitgeber Personalfragebögen verwendet, hat er das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach $ 94 Abs 1 BetrVG zu beachten. Hiernach bedürfen Personalfragebögen der Zustimmung des Betriebsrates; entsprechendes gilt für (persönliche) Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen, die allgemein für den Betrieb verwendet werden (§ 94 Abs 2 S 1 HS 1 BetrVG). Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht für Personalräte besteht nach § 75 Abs 3 Nr 8 BPersVG hinsichtlich der Personalfragebögen für Angestellte und Arbeiter.

983 LAG Frankfurt/M 7.8.86 - 12 Sa 361/86 = NZA 87 352. 984 AA Klebe in Däubler/Kittner/Klebe S 94 BetrVG Rn 17 mwN. 985 Staudinger/Rttftardi13 §611 BGB Rn 106; Moritz NZA 87 329, 332; ErfKomm/Preij § 611 BGB Rn 385.

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98« MünchArbR/Bucftner $ 38 Rn 120. 987 Hunold DB 91 1674; ders DB 2000 573, 574; Kutsch DB 91 2149. 988 Kraft GK/BetrVG $ 94 Rn 24; MünchArbR/Bwtfmer S 38 Rn 120; Hess/Schlochauer/Glaubitz $ 94 BetrVG Rn 8. 989 MünchArbR/Bucftner $ 38 Rn 120.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 Π. Anbahnung des Arbeitsvertrags

bb)

Mitbestimmung

Ein Personalfragebogen ist eine formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönli- 4 3 2 chen Verhältnisse, insbesondere Eignung, Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person. 990 Ihre Verwendung mag in erster Linie in der Weise geschehen, daß die befragte Person den Bogen selbst ausfüllt und unterzeichnet. Um einen Personalfragebogen iSd $ 94 Abs 1 BPersVG handelt es sich auch dann, wenn Bewerber oder Arbeitnehmer auf andere Art und Weise standardisierte Fragen zu beantworten haben, insbesondere, wenn es sich um eine schriftliche formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönliche Eignung handelt. Nicht nur vom Schutzzweck des $ 94 BetrVG, sondern auch vom Wortlaut her sind Fragen aufgrund eines solchen Fragebogens nach $ 94 Abs 1 BetrVG zustimmungsbedürftig. Dementsprechend ist $ 94 Abs 1 BetrVG auch dann anzuwenden, wenn die Fragen an Bewerber oder Arbeitnehmer anhand eines standardisierten Fragenkatalogs, einer „Checkliste" oder sonstwie formalisiert, vom Arbeitgeber mündlich gestellt und die Antworten vom Fragenden schriftlich festgehalten werden.991 § 94 BetrVG will den Arbeitnehmer bzw Bewerber nicht nur davor schützen, Fragen schriftlich beantworten zu müssen, sondern Fragen mit Hilfe der Mitbestimmung durch den Betriebsrat ausschließen, die für das Arbeitsverhältnis keine Bedeutung haben oder in übergroßem Maße in die Privatsphäre des einzelnen Arbeitnehmers eingreifen. Nicht der Mitbestimmung durch Betriebsrat oder Personalrat unterliegen allerdings solche Fragen, 4 3 3 deren Stellung nicht der Entscheidung durch den Arbeitgeber obliegt, sondern die ihm seinerseits von Dritten vorgegeben sind. 992 Entsprechendes gilt auch für ärztliche Fragebögen für Einstellungsuntersuchungen, denn auch auf sie hat der Arbeitgeber keinen Einfluß zu nehmen. 993 Stellenbeschreibung, Anforderungsprofile unterliegen der betrieblichen Mitbestimmung nach § 94 Abs 1 BetrVG ebenfalls nicht, weil sie sich auf den Arbeitsplatz und nicht auf die Person des Arbeitnehmers beziehen. 994 Grundsätzlich unterliegt es der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen.995 Nach allgemeinen Grundsätzen nicht zulässige Fragen werden nicht dadurch zulässig, daß der Betriebs- 4 3 4 rat ihnen zugestimmt hat. 996 Umstritten ist, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Arbeitgeber nach allgemeinen Grundsätzen zulässige Fragen in Personalfragebögen oder Formularverträgen gestellt hat, ohne daß der Betriebsrat dem Personalfragebogen oder Formularvertrag insoweit zugestimmt hat. Nach einer Auffassung soll der Arbeitgeber die ihm bei wahrheitswidriger Beantwortung zustehenden individualrechtlichen Befugnisse, etwa die Möglichkeit der Anfechtung des Arbeitsvertrages, behalten, 997 nach anderer Ansicht sind ihm diese Rechte versagt.998 Der zuletzt genannten Ansicht ist mit Rücksicht auf die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bei Mitbestimmungstatbeständen, soweit es um Belastungen des Arbeitnehmers geht, der Vorzug zu geben. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie sie insbesondere zu $ 87 BetrVG entwickelt worden ist, 999 ist auch auf das Mitbestimmungsrecht aus § 94 BetrVG anzuwenden. Ferner dürfen derart unter Verstoß gegen § 94 Abs 1 BetrVG erhobene Daten nicht gespeichert werden; sollten sie doch gespeichert worden sein, so kann der Arbeitnehmer bzw Bewerber ihre Löschung verlangen.1000

990 BAG 21.9.93 - 1ABR 28/93 - AP BetrVG 1972 $ 94 Nr 4; 9.7.91 - 1 ABR 57/90 - AP BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes $ 87 Nr 19. 991 BAG 21.9.93 - 1 ABR 28/93 - AP BetrVG $ 94 1972 Nr 4. 992 BAG 9.7.91 - 1 ABR 57/90 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr 19. 993 Kruft /GK/BetrVG S 94 Rn 12 mwN auch der gegenteiligen Ansicht. 994 BAG 21.9.93 - 1 ABR 28/93 - AP BetrVG 1972 $ 94 Nr 4; 23.2.88 - 1 ABR 82/86 - AP BetrVG 1972 § 93 Nr 2; 31.5.83 - 1 ABR 6/80 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr 2.

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995 BAG 7.11.96 - 2 AZR 811/95 - AP KSchG 1969 $ 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr 82. 996 Fitting/KaiserfHeither/Engels § 94 BetrVG Rn 13. 997 BAG 2 . 1 2 . 9 9 - 2 AZR 724/98 - AP BPersVG § 79 Nr 16; Fitting/Kaiser/Hcither/Engels BetrVG § 94 Rn 33; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 94 BetrVG Rn 34; Kraft GK/ BetrVG $ 94 Rn 33. 998 Galperin/Löwisch $ 94 BetrVG Rn 15, 17; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe $ 94 BetrVG Rn 25. 999 BAG (GS) 3.12.91 - GS 2/90 - AP BetrVG 1972 S 87 Lohngestaltung Nr 51 unter D II d Gr mwN. 1000 BAG 22.10.86 - 5 AZR 660/85 - AP BDSG S 23 Nr 2.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

4 3 5 Nicht formalisierte Fragen an Bewerber im Rahmen des Vorstellungsgesprächs unterstehen dagegen nicht der Mitbestimmung nach $ 94 Abs 1 BetrVG1001 bzw dem Personalvertretungsrecht. Insoweit sind nur die allgemeinen, individualrechtlichen Grenzen zu beachten. cc)

Auswahlmethoden und -verfahren

4 3 6 Auch hinsichtlich der Auswahlmethoden mit Hilfe anderer Mittel als nur durch Auswertung des Fragebogens sind das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers wie auch dessen informationelles Selbstbestimmungsrecht zu wahren.1002 Dies gilt insbesondere für psychologische Tests, die ihrerseits geeignet sind, in das Grundrecht der Menschenwürde einzugreifen.1003 Gegen derartige Tests bestehen, wenn sie seriös durchgeführt werden, keine grundsätzlichen Bedenken.1004 Entsprechendes gilt auch für Streß-Interviews, Assessment-Center und für medizinische Untersuchungen. 1005 Der objektive Erkenntniswert der Handschrift (handgeschriebener Lebenslauf) oder graphologischer Gutachten im Hinblick auf die Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle dürfte dagegen als begrenzt einzuordnen sein. Noch weniger objektivierbar dürfte die Aussagekraft von Horoskopen über Bewerber und deren Vergleich mit denen der Mitarbeiter sein. 1006 Alle diese Untersuchungsmethoden bedürfen der vorherigen Einwilligung des betroffenen Bewerbers.1007 dd)

Mitbestimmung bei der Auswahl

4 3 7 Soweit bei derartigen Testverfahren für Stellenbewerber vom Arbeitgeber erstellte oder gebilligte Personalfragebögen verwendet werden (vgl Rn431), ist wiederum das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach S 94 Abs 1 BetrVG bzw das des Personalrats nach § 75 Abs 3 Nr 8 BPersVG bzw entsprechenden Ländernormen zu beachten. Zudem ist das Mitbestimmungsrecht bei Beurteilungsgrundsätzen nach $ 94 Abs 2 BetrVG zu beachten. In der Regel werden derartige Tests nicht durchgeführt, ohne daß ihnen - abgesehen von medizinischen Untersuchungen und Tests - bestimmte Beurteilungsgrundsätze zugrunde gelegt werden.1008 Dies betrifft insbesondere eine Auswahl mit Hilfe von Assessment-Centern.1009 Beurteilungsgrundsätze sollen die Bewertung des Verhaltens oder die Leistung der Arbeitnehmer bzw der Bewerber verobjektivieren und nach einheitlichen, für die Beurteilung erheblichen Kriterien ausrichten. Dadurch wird ein einhelliges Vorgehen bei der Bewerbung und ein Bewerten nach einheitlichen Maßstäben ermöglicht und so erreicht, daß Beurteilungsergebnisse miteinander vergleichbar sind. 1010 Solche Beurteilungsgrundsätze beziehen sich nicht nur auf die Qualität oder Quantität der Arbeit, sondern können auch der Beurteilung der Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Zusammenarbeit und zur Einordnung, seiner Entschlußfähigkeit, seines Verantwortungsbewußtseins und seiner Verantwortungsbereitschaft dienen. Ebenso können Fragen der Auffassungsgabe, des Urteils- und Denkvermögens und anderen Befähigungen zum Gegenstand von Beurteilungsgrundsätzen gemacht werden.1011 Als Beurteilungsgrundsätze iSd § 94 Abs 2 BetrVG kommen nicht nur stark ausdifferenzierte, die Gesamtheit von Führung und Leistung umfassende Beurteilungssysteme in Betracht, sondern auch weniger ausdifferenzierte Grundsätze, die nur Teilgesichtspunkte der Tätigkeit betreffen und bei denen die Beurteilungsdichte eingeschränkt ist; entscheidend ist, daß die - wenn auch wenigen - Kriterien allgemeinen Charakter haben. 1012

1001 Kraft GK/BetrVG S 94 Rn 11. 1002 Vgl zum informationellen Selbstbestimmungsrecht allgemein: BVerfGE 65 1. 1003 BAG 13.2.64 - 2 AZR 286/63 - AP GG Art 1 Nr 1. 1004 AA Klebe in Däubler/Kittner/Klebe $ 94 BetrVG Rn 38. 1005 BAG 16.9.82 - 2 AZR 228/80 - DB 83 2780; LAG Baden-Württemberg 26.1.72 - 8 Sa 109/71 - NJW 76 310; Bepler NJW 76 1872. 1006 Vgl Grunewald NZA 96 15, 16 Fn 18. 1007 Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG $ 9 4 Rn23; Grunewald NZA 96 15. 140

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1008 Grunewald NZA 96 15,16 mwN. 1009 Hunold DB 93 228; Schönfeld/Gennen NZA 89 543, 546; zum Mitbestimmungsrecht des Sprecherausschusses: Gennen ZfA 90 515. 1010 BAG 23.10.84 - 1 ABR 2/83 - AP BetrVG 1972 S 87 Ordnung des Betriebes Nr 8 (von Hayninge-Huene). 1011 BAG 28.3.79 - 5 AZR 80/77 - AP BPersVG $ 75 Nr 3 (Richard!"); aA für Intelligenztests: Heilmann AuA 95 157, 158. 1012 LAG Berlin 22.4.87 - 12 TaBV 1/87 - LAGE $ 23 BetrVG 1972 Nr 8.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 II. Anbahnung des Arbeitsvertrags d)

Auskünfte u n t e r Arbeitgebern

Der Bewerber darf dem Arbeitgeber, bei dem er sich bewirbt, seine Arbeitszeugnisse vorlegen; zu diesem Zweck werden sie erteilt (§ 6 3 0 Rn 2). Sehr häufig genügt aber eine derartige Information dem Stellen-

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bewerber nicht, möglicherweise hat auch der anwerbende Arbeitgeber weitergehende Fragen. Insoweit kann der bisherige Arbeitgeber gegenüber dem bisherigen Arbeitnehmer zur Auskunftserteilung verpflichtet sein (S 6 3 0 Rn 89). Auch gegen den Wunsch des Arbeitnehmers ist der ehemalige Arbeitgeber berechtigt, Dritten Auskunft über ihn zu erteilen. Dies setzt voraus, daß der Dritte ein berechtigtes Interesse an einer solchen Auskunftserteilung hat. Das liegt schon vor, wenn er mit dem Arbeitnehmer über eine Einstellung verhandelt (§ 630 Rn 90). Das Auskunftsrecht ist jedoch in solchen Fällen durch das Fragerecht des künftigen Arbeitgebers begrenzt; insbesondere darf der bisherige Arbeitgeber keine Auskunft erteilen, durch die das Persönlichkeitsrecht seines bisherigen Arbeitnehmers verletzt wird. Das ist der Fall, wenn zB ohne Wissen des betroffenen Arbeitnehmers ein Arbeitsvertrag und ein Personalkreditvertrag einem anderen Arbeitgeber gezeigt werden, bei dem sich der Arbeitnehmer bewerben will. 1 0 1 3 Auch soweit Behörden einander nach Art 35 GG zur Amtshilfe verpflichtet sind, darf durch Auskunftserteilung das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht verletzt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde, bei der sich der Betreffende bewirbt, dessen Personalakten anfordert ($ 630 Rn 91). 5.

Ärztliche Einstellungsuntersuchung

Ärztliche Einstellungsuntersuchungen sind heute weit verbreitet. Vor allem in größeren Betrieben werden sie üblicherweise durchgeführt. 1 0 1 4 Sie sind jedoch nicht allgemein von Gesetzen vorgeschrieben. Zwar sind vielfach arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen vorgeschrieben, sie beziehen sich indessen lediglich auf bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern oder bestimmte Tätigkeiten oder Tätigkeitsformen. 1 0 1 5 Auch aus § 3 Abs 2 ASiG ergibt sich keine allgemeine Verpflichtung oder auch nur Regelung für eine Untersuchung von Arbeitnehmern vor Abschluß des Arbeitsvertrages. Keine dieser Bestimmungen gewähren dem Arbeitgeber einen Anspruch gegen den Bewerber auf Durchführung einer Einstellungsuntersuchung. Die Bestimmungen normieren lediglich ein Beschäftigungsverbot für den Fall, daß der Bewerber es ablehnt, sich untersuchen zu lassen. 1 0 1 6 Ausnahmen gibt es in Tarifverträgen im öffentlichen Dienst, die den Bewerber zu einer ärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung vor seiner „Einstellung" verpflichten. 1 0 1 7 Von dieser Sondernorm abgesehen braucht sich der Bewerber von Rechts wegen indessen nicht ärztlich auf seine Tauglichkeit untersuchen zu lassen, auch nicht nach Abschluß des Arbeitsvertrages. 1 0 1 8 Weigert er sich, muß er aber damit rechnen, daß er nicht eingestellt wird, wenn der Arbeitgeber den Abschluß des Arbeitsvertrages davon abhängig macht, daß die körperliche Tauglichkeit des Bewerbers für die vorgesehen Tätigkeit durch einen Arzt festgestellt wird. 1 0 1 9 Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich derart vor Abschluß des Arbeitsvertrages ärztlich unter-

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suchen zu lassen, ergibt sich zwar nicht bereits aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis, das mit der Aufnahme der Vertragsverhandlungen entstanden i s t . 1 0 2 0 Zulässig ist die ärztliche Untersuchung des Bewerbers indessen nur, wenn er hierin eingewilligt h a t . 1 0 2 1 Dabei kann er sich - je nach Verlangen

1013 BAG 1 8 . 1 2 . 8 4 - 3 AZR 389/83 - AP BGB S 611 Persönlichkeitsrecht Nr 8. 1014 Note Zulässigkeit und Grenzen ärztlicher Untersuchungen von Arbeitnehmern, 33. 1015 ZB § 6 Abs 3 ArbZG (Nachtarbeitstauglichkeit), S 32 JarbSchG (Erstuntersuchung Jugendlicher vor Eintritt in das Arbeitsleben), § 81 Abs 1 SeemG, § 18 Abs 1 BSeuchG, § 10 DruckluftVO, S 67 StrahlenschutzVO, $ 37 RöntgenVO, §28 GefahrstoffVO, $ 15e Abs 1 Nr 3a StVZO, $ 2 VO über die Beschäftigung von Frauen auf Fahrzeugen. 1016 Richardi NZA 88 73, 75.

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1017 ZB S 7 Abs 1 Bundes-Angestelltentarifvertrag; vgl dazu Kichardi NZA 88 73, 75. 1018 BAG 6.11.97 - 2 AZR 801/96 - AP BGB § 626 Nr 142. 1019 Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG S 94 Rn 21 ; Rlchardi NZA 88 73, 75. 1020 Note Zulässigkeit und Grenzen ärztlicher Untersuchungen von Arbeitnehmern, 41 f, 43; Κeller NZA 88 561, 562. 1021 Bei HIV-(AIDS-)Test: EuGHE 9414780; Wiese RdA 86 120, 124; Note Zulässigkeit und Grenzen ärztlicher Untersuchungen von Arbeitnehmern, 43 ff; wohl auch Keller NZA 88 561, 563. 141

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

des Arbeitgebers - von einem Arzt seiner eigenen Wahl oder aber von einem Arzt nach Wahl des Arbeitgebers untersuchen lassen. In Betrieben, auf die das Arbeitssicherheitsgesetz Anwendung findet, wünscht der Arbeitgeber sehr häufig eine Einstellungsuntersuchung durch den B e t r i e b s a r z t . 1 0 2 2 Der Bewerber kann seine Einwilligung in die Einstellungsuntersuchung auf den notwendigen Umfang beschränken, so daß der Arzt keine weitergehenden Untersuchungen durchführen darf. Dies gilt auch für eine Genomanalyse. 1 0 2 3 Auch bei einer unbeschränkt erteilten Einwilligung zur Einstellungsuntersuchung ist jedoch der zulässige Inhalt der Einstellungsuntersuchung darauf beschränkt festzustellen, ob der Bewerber für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz gesundheitlich uneingeschränkt, eingeschränkt oder nicht tauglich i s t . 1 0 2 4 Das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung darf der untersuchende Arzt d e m Arbeitgeber zwar mitteilen; insoweit liegt in der Regel eine E n t b i n d u n g von der ärztlichen Schweigepflicht durch den untersuchten Bewerber schon dadurch vor, daß er sich der Untersuchung, deren Zweck er kennt, freiwillig stellt. Dagegen bedarf es einer weitergehenden ausdrücklichen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB) durch den Bewerber, wenn der Arzt berechtigt sein soll, dem Arbeitgeber nähere Einzelheiten mitzuteilen. Keinesfalls gehören ärztliche Befundbogen in die Personalakten; sie müssen vielmehr getrennt unter „Vertraulich", in der Regel verschlossen, aufbewahrt werden. 1 0 2 5 6.

Bewerbungsunterlagen

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Bewerbungsunterlagen, die der Stellenbewerber von sich aus oder auch auf eine entsprechende allgemeine Aufforderung in einer Stellenausschreibung hin zum Zwecke der Bewerbung um die Stelle einreicht, hat er a u f seine Kosten herzustellen, zu beschaffen und zu übermitteln. 1 0 2 6 Zu diesen Bewerbungsunterlagen zählen in der Regel das Bewerbungsschreiben, der Lebenslauf, Arbeitszeugnisse, Schul- und Hochschulzeugnisse und -bescheinigungen, Ausbildungsnachweise, Referenzen und sehr häufig ein Lichtbild. Gelegentlich werden auch Führungszeugnisse mit den Bewerbungsunterlagen eingereicht. Eine Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber kommt nur in Betracht, soweit sich der Arbeitgeber hierzu bereit erklärt hat oder wenn es sich um außergewöhnliche Unterlagen handelt, die nur zu hohen Kosten zu beschaffen sind und deren Vorlage der Arbeitgeber vom Bewerber ausdrücklich verlangt hat. Der bloße Umstand, daß hohe Kosten angefallen sind, begründet für sich allein noch nicht, daß die Kosten nicht vom Bewerber, sondern von dem anwerbenden Arbeitgeber zu tragen sind. 1 0 2 7 Will der Arbeitgeber trotz entsprechender Aufforderung zur Vorlage solcher Unterlagen deren Kosten nicht tragen, so muß er den Bewerber bereits im Rahmen der Aufforderung hierauf deutlich hinweisen. Eine Formulierung, wonach die Bewerbung bzw die Vorlage „unverbindlich" sein soll, genügt hierzu nicht.

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Auf unverlangt eingereichte Bewerbungsunterlagen braucht der Arbeitgeber nicht zu reagieren; insoweit hat er weder die Pflicht zur Verwahrung noch zur Zurücksendung, auch wenn der Bewerber einen Freiumschlag beigelegt h a t . 1 0 2 8 Bewerbungsunterlagen, zu deren Vorlage der Arbeitgeber indessen aufgefordert hat, sei es gezielt, sei es allgemein über eine Stellenausschreibung oder mit Hilfe der Arbeitsvermittlung, hat der Arbeitgeber zu verwahren. Er darf sie weder an Dritte weiterleiten noch außerhalb der Bewerbung verwenden. Eine entsprechende Verpflichtung zur Geheimhaltung trifft nach S 9 9 Abs 1 S 3 BetrVG auch den Betriebsrat, soweit ihm Bewerbungsunterlagen vorgelegt werden. Nach erfolglosem Abschluß der Bewerbung hat der Arbeitgeber die Unterlagen dem Bewerber, für diesen kostenlos, zurückzusenden. Während der Bewerbung entstandene Unterlagen, zB ein vom Bewerber ausgefüllter Fragebogen, ist bei erfolgloser Bewerbung zu v e r n i c h t e n . 1 0 2 9 Denn die dauerhafte Aufbewahrung der dem Arbeitgeber anvertrauten persönlichen Daten stellt einen objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers dar. Aus derselben Erwägung sind auch Bewerbungsunterlagen zurückzusenden bzw - soweit der Bewerber damit ausdrücklich einverstan1022 Schimke BB 79 354; ErfKomm/Preú $611 BGB Rn 407. 1023 Vgl Roos AiB 98 19; Wiese RdA 88 217. 1024 Wiese RdA 86 120, 124. 1025 BAG 15.7.87 - 5 AZR 215/86 - AP BGB $ 611 Persönlichkeitsrecht Nr 14.

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1026 Allgemeine Ansicht, vgl Küttner/Reinecke Personalbuch, Bewerbung Rn 2; Schaub § 25 Rn 16. 1027 AA (wohl) Schaub $25 Rn 16 unter Hinweis auf ArbG Hamburg BB 71 1234. 1028 Küttner/Reinecke Personalbuch, Bewerbung Rn 3. 1029 BAG 6.6.84 - 5 AZR 286/81 - AP BGB $611 Persönlichkeitsrecht Nr 7 (Echterhölter).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 III. Zustandekommen des Arbeitsvertrags den ist - zu vernichten. Originalunterlagen, wie zB Zeugnisse, sind jedoch stets zurückzusenden. Insoweit dürfte es genügen, sich für die weitere Bearbeitung der Bewerbung Kopien zu fertigen. Die Bewerbungsunterlagen werden auch benötigt bei der nach $ 9 9 BetrVG vorgeschriebenen Beteiligung des Betriebsrats vor jeder Einstellung (s Rn 4 9 2 - 4 9 4 ) . 7.

Vorstellungskosten

Fordert der Arbeitgeber oder ein von ihm beauftragter Unternehmensberater den Arbeitnehmer auf, sich persönlich vorzustellen, so werden die hiermit für den Arbeitnehmer verbundenen Aufwen-

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dungen auch ohne besondere Vereinbarung verkehrsüblich vom Arbeitgeber von vornherein übernommen oder gegen entsprechende Belege e r s t a t t e t . 1 0 3 0 Hierzu ist der werbende Arbeitgeber nach allgemeiner Auffassung verpflichtet, und zwar unabhängig davon, ob es zur Einstellung des Bewerbers kommt oder nicht (vgl auch $ 6 2 9 Rn 1 9 - 2 4 ) . 1 0 3 1 Ob Rechtsgrundlage hierfür Auftragsrecht ist, wie das BAG angenommen h a t , 1 0 3 2 erscheint zumindest zweifelhaft (§ 6 2 9 Rn 19). Will der Arbeitgeber die mit der Vorstellung verbundenen Kosten nicht tragen, so muß er den Bewerber hierauf zuvor ausdrücklich hinweisen. In einer Einladung zu einer unverbindlichen Rücksprache oder „Anheimstellen" einer persönlichen Vorstellung durch den Arbeitgeber liegt kein Ausschluß der Kostenübernahme für die Vorstellungskosten. 1 0 3 3 Eine Stellenausschreibung oder ein entsprechender Vorschlag der Arbeitsverm i t t l u n g stellen keine dem Arbeitgeber zuzurechnende Aufforderungen dar, zu einem Vorstellungsgespräch zu erscheinen. 1 0 3 4 Der Erstattungsanspruch erfaßt alle Aufwendungen, die der Bewerber für erforderlich halten durfte oder die von der Zusage einer Kostenübernahme umfaßt sind; Verdienstausfall des Bewerbers ist in aller Regel vom anwerbenden Arbeitgeber ohne ausdrückliche vorherige Zusage nicht zu ersetzen ($ 629 Rn 19 ff).

III. Zustandekommen des Arbeitsvertrags Wie jeder schuldrechtliche Vertrag (vgl S 3 1 1 Abs 1 BGB nF) kommt auch der Arbeitsvertrag durch Antrag (§ 145 BGB) und Annahme (§ 146 ff BGB) zustande, dh durch übereinstimmende Willenserklärungen; sie müssen sich auf alle nach den Vorstellungen der Parteien für den Vertragsabschluß wesentlichen Umstände erstrecken. Unverzichtbares E l e m e n t des Vertragstatbestandes ist die Verpflichtung, im Dienste des anderen Vertragspartners Arbeit z u leisten. Besteht hierüber keine Einigkeit, so liegt auch kein Arbeitsvertrag vor. 1 0 3 5 Die fehlende Einigung hierüber wird nicht durch § 612 Abs 1 BGB ersetzt, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. $ 6 1 2 Abs 1 BGB fingiert zwar eine Vergütungsvereinbarung. Sie knüpft aber an das Vorliegen eines Dienstvertrages bzw Arbeitsvertrages

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an. Denn dieser Regelung kommt nur eine ergänzende Funktion zu, wenn man sich im Arbeitsvertrag über die Vergütung nicht oder nicht wirksam geeinigt hat (§ 612 Rn 5). In der Regel einigen sich die Parteien auch über die Vergütung. Es genügt mit Rücksicht auf $ 612 Abs 1 und 2 BGB indessen, wenn sich die Parteien darüber geeinigt haben, daß der zur Dienstleistung Verpflichtete Arbeit im Dienste der anderen Vertragspartei zu erbringen hat ($ 612 Rn 12). Ist der auf die Leistungserbringung gerichtete Vertrag insgesamt unwirksam, weil die Leistung selbst sittenwidrig ist, so kommen auch keine Ansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis in Betracht. 1 0 3 6 Ist dagegen ein Arbeitsvertrag geschlossen worden und erweist er sich aus anderen Gründen als rechtsunwirksam, zB infolge einer wirksamen Anfechtung, so ist das Arbeitsverhältnis, soweit es vollzogen worden ist, nach den Regeln 1030 BAG 29.6.88 - 5 A2R 433/87 - EzA BGB S 670 Nr 2. 1031 Allgemeine Ansicht, vgl Kütttier/Reinecke Personalbuch, Bewerbung Rn 4; LAG Nürnberg 25.7.95 - 2 Sa 73/ 94 - LAGE BGB § 630 Nr 12. 1032 BAG 14.2.77 - 5 AZR 171/76 - AP BGB S 196 Nr 8. 1033 LAG Nürnberg 25.7.95 - 2 Sa 73/94 - LAGE BGB $ 670 Nr 12. Harald Schliemann

1034 Kiittner/Reinecke Personalbuch, Bewerbung Rn 5; aA LAG Nürnberg 25.7.95 - 7 Sa 73/94 - LAGE BGB S 630 Nr 12. 1035 MünchArbR/Rfdmrdi § 42 Rn 3. 1036 BAG 1.4.76 - 4 AZR 96/75 - NJW 76 1958 Arbeitsvertrag über die Erbringung von Geschlechtsverkehr auf einer Bühne.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

über das faktische Arbeitsverhältnis zu behandeln. I m Ergebnis läuft dies auf eine Reduktion der Rückwirkung der Nichtigkeitsfolgen hinaus. Soweit der Vertrag tatsächlich durch Arbeitsleistung vollzogen worden ist, wird er für die Vergangenheit gleich einem wirksamen Arbeitsvertrag behandelt (vgl Rn 146). Gelegentlich stellen sich Arbeitsverträge auch als Scheingeschäft iSd S 117 Abs 1 heraus. 1 0 3 7 1. 444

Abschlußfreiheit u n d -beschränkungen

Aus Art 2 Abs 1 GG wie auch insbesondere aus Art 12 Abs 1 GG folgen die Vertragsfreiheit sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber. Prinzipiell sind beide Seiten frei, ob sie einen Arbeitsvertrag abschließen wollen (Abschlußfreiheit). Insbesondere schuldet der Arbeitgeber gegenüber dem Stellenbewerber keine Rechtfertigung, wenn er mit einen Bewerber keinen Arbeitsvertrag abschließt. 1 0 3 8 Dasselbe gilt umgekehrt auch für den Arbeitnehmer gegenüber dem eine Arbeitsstelle anbietenden Arbeitgeber. Ein Stellenangebot stellt regelmäßig kein Angebot zum Abschluß eines Arbeitsvertrages dar, sondern nur die Aufforderung, sich um den ausgeschriebenen Arbeitsplatz zu bewerben. 1 0 3 9 Gleiches gilt für ein Stellengesuch eines Arbeitnehmers. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können sich allerdings durch einen Vorvertrag ihrer grundsätzlichen Abschlußfreiheit begeben, wenn sie sich darin hinreichend konkret verpflichten, einen Arbeitsvertrag abzuschließen. 1 0 4 0 a)

Abschlußfreiheit des Arbeitnehmers

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Dem Arbeitnehmer steht das Recht uneingeschränkt zu, frei zu entscheiden, o b er ein Arbeitsverhältnis abschließen will. Es gibt weder gesetzliche noch kollektivvertragliche Vorschriften, die den Arbeitnehmer dazu verpflichten, ein Arbeitsverhältnis abzuschließen. Rechtlich ist er keinem Kontrahierungszwang unterworfen. Ein solcher wäre mit Art 12 Abs 1 GG auch nicht vereinbar. Dagegen bestehen tatsächliche Zwänge, ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Dies steht nicht im Widerspruch zu Art 12 Abs 1 GG. Beispielsweise muß der Arbeitnehmer eine Sperrzeit und die darauf beruhende Nichtzahlung von Arbeitslosengeld nach $ 144 SGB III hinnehmen, wenn er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene zumutbare Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Im Verteidigungsfall kann der Arbeitnehmer jedoch verpflichtet werden, ein Arbeitsverhältnis einzugehen, wie Art 12a Abs 3 bis 6 GG und das hierzu ergangene Arbeitssicherstellungsgesetz 1 0 4 1 bestimmen. Auf derselben rechtlichen Grundlage kann er auch aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis abberufen werden.

446

Die Abschlußfreiheit des Arbeitnehmers umfaßt auch die Entscheidung, mit welchem Arbeitgeber er ein Arbeitsverhältnis abschließen will. Ihm darf kein Arbeitgeber aufgedrängt werden. Dem entspricht $ 613 S 2 BGB insoweit, als der Anspruch auf Leistung der Dienste des Arbeitnehmers im Zweifel nicht übertragbar ist. Aus der Erwägung, daß dem Arbeitnehmer gegen seinen Willen ein anderer Arbeitgeber nicht aufgezwungen werden könne, hat das BAG dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge rechtsgeschäftlichen Betriebsüberganges übergeht (§ 613a BGB), ein Widerspruchsrecht zugebilligt (vgl insgesamt § 613a Rn 73 ff). 1 0 4 2 Einem solchen Widerspruchsrecht aufgrund nationaler Bestimmungen steht Art 3 Abs 1 der Richtlinie 77/187/EWG 1 0 4 3 nicht entgegen. 1 0 4 4 Ob und inwieweit ein solches Widerspruchsrecht einem Arbeitnehmer auch dann zuzubilligen ist, wenn sein Arbeitsverhältnis nach 1037 ZB zwecks betrieblicher Altersversorgung: BAG 9.1.90 - 3 AZR 617/88 - AP GmbHG $ 35 Nr 6; Ehegattenarbeitsverhältnis: BAG 9.2.95 - 2 AZR 389/94 EzA KSchG $ 1 Personenbedingte Kündigung Nr 12. 1038 Buchner NZA 91 577, 579. 1039 LAG Frankfurt/M 23.4.93 - 9 Sa 752/92 - EzBAT BAT SS 22, 23 Β 4 VergGr Ia Nr 3. 1040 ErfKomm/Pre« S 611 BGB Rn 443 mwN. 1041 Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung vom 9.7.1986 (BGBl 1787), zuletzt geändert durch Gesetz ν 17.12.97 (BGBl I 3108).

144

Harald Schliemann

1042 Grundlegend für den Fall des Übergangs des ganzen Betriebes: BAG 2 . 1 0 . 7 4 - 5 AZR 504/73 - AP BGB $ 613a Nr 1; für den Fall des Übergangs eines Betriebsteils: 21.7.77 - 3 AZR 703/75 - AP BGB $ 613a Nr 8 S 613a Rn 160 ff. 1043 RL 77/187/EWG des Rates vom 14.2.77 (AblEG L 61 vom 5.3. 1977), zuletzt geändert durch RL 98/50/EG vom 29.6.98 (AblEG L 201/88). 1044 EuGH 16.12.92-Rs C 132/91,138/91 und 139/91 - AP BGB $ 613a Nr 97.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 ΠΙ. Zustandekommen des Arbeitsvertrags

S 10 AÜG wegen unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung übergeht, ist bisher weder Gegenstand der Rechtsprechung und nur vereinzelt Gegenstand der Literatur gewesen.1045 Vertragsfreiheit für den Arbeitnehmer bedeutet andererseits nicht, daß ihm ein Recht auf Arbeit oder gar auf den von ihm gewünschte Arbeitgeber als Vertragspartner zur Verfügung steht. Vielmehr entfaltet das Grundrecht des Art 12 Abs 1 S 1 GG seinen Schutz gegen alle staatlichen Maßnahmen, die die Wahlfreiheit des Arbeitnehmers hinsichtlich der Person seines Arbeitgebers beschränken, zB dann, wenn der Staat den Einzelnen am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindert, ihn zur Annahme eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingt oder die Aufgabe eines Arbeitsplatzes verlangt. 1046 Dagegen ist mit der Wahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für einen einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden.1047 Ein Gesetz, das eine Einstellungspflicht zu Lasten privater Arbeitgeber statuierte, wäre verfassungswidrig; dies schließt nicht aus, daß Gesetze bei der Gleichwertigkeit von Arbeitnehmern Vorrangregelungen zugunsten einer unterprivilegierten Gruppe vorsehen können, wie zB der relative Einstellungsvorrang Schwerbehinderter nach $ 44 SchwbG, 1048 nunmehr § 122 SGB IX. b)

Abschlußfreiheit des Arbeitgebers

Grundlage für die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers für den Abschluß von Arbeitsverträgen ist Art 12 4 4 7 Abs 1 S 2 GG, nämlich die Freiheit der Berufsausübung. Sie kann allerdings durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt, dh durch Gesetzesvorbehalt eingeschränkt werden. 1049 Damit wird auch für den Arbeitgeber verfassungsrechtlich gewährleistet, daß er grundsätzlich frei darüber entscheiden kann, ob und mit wem er einen Arbeitsvertrag abschließt. Dagegen ist die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber bei Arbeitsverträgen nicht allein aus Art 2 Abs 1 GG, nämlich der allgemeinen Handlungsfreiheit, herzuleiten. 1050 Gesetzliche Regelungen in der Berufsausübung sind statthaft und bleiben im Rahmen der dem Gesetzgeber durch Art 12 Abs 1 S 2 GG eingeräumten Regelungsbefugnis, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt wird. 1051 Das Grundgesetz läßt dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit Berufsausübungsregelungen ein erhebliches Maß an Freiheit. 1052 Bei der Festlegung der zu verfolgenden arbeits- oder sozialpolitischen Ziele räumt ihm Art 12 GG eine ebenso weite Gestaltungsfreiheit ein wie bei der Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele. 1053 Dabei darf der Gesetzgeber Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit in den Vordergrund stellen. Hat die gesetzliche Bestimmung keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter, so ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers noch größer. 1054 c)

Gesetzliche Abschlußgebote für Arbeitgeber

Grundsätzlich bestehen keine gesetzlichen Abschlußgebote, dh Gebote, die den Arbeitgeber zwin- 4 4 8 gen, einen Arbeitsvertrag einzugehen. Hiervon gibt es indessen einzelne Ausnahmen.

1045 BAG 19.12.79 - 4 AZR 901/77-AP AÜG S l O N r l sowie Anm Seiter hierzu in AR-Blattei Zeitarbeit Entsch 7. 1046 Isensee Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts 1978 337, 347. 1047 BVerfGE 84 133 = AP GG Art 12 Nr 70. 1048 Scholz Festschrift 25 Jahre Bundesarbeitsgericht 1979 S i l , 526; ders ZfA 81 265, 283. 1049 Scholz in Maunz/Dürig GG Art 12 Rn 132; ders ZfA 81 265, 275. 1050 So aber Blomeyer AR-Blattei Arbeitsvertrag - Arbeitsverhältnis IV A, C I. Harald Schliemann

1051 BVerfGE 81156,188 ff = AP AFG $ 128 Nr 1 unter C ΠI a der Gründe mwN; BVerfGE 77 308,331 f = AP GG Art 12 Nr 62. 1052 Grundlegend: BVerfGE 7 377, 405 f = AP GG Art 12 Nr 13. 1053 BVerfGE 81156,188 ff = AP AFG $ 128 Nr 1 unter C Π1 a der Gründe mwN; BVerfGE 77 308,331 f = AP GG Art 12 Nr 62. 1054 BVerfGE 77 308, 332 = AP GG Art 12 Nr 62.

145

S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

aa)

Auszubildende

4 4 9 Grundsätzlich ist der Arbeitgeber von Gesetzes wegen nicht (vgl aber Rn 455 f) gehalten, Auszubildende nach Ende der Berufsausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Die Möglichkeit, Auszubildende im Anschluß an das Ausbildungsverhältnis befristet in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen ($ 14 Abs 1 Satz 2 Nr 2 TzBfG - vgl § 620 Rn 110 ff), hat keinen Anspruch des Auszubildenden auf eine derartige Übernahme zur Folge. Eine gesetzliche Ausnahme besteht nach § 78a BetrVG für einen Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrates, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrats ist. Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen solchen Auszubildenden nicht nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so hat er dies drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen ($ 78a Abs 1 BetrVG). Verlangt ein solcher Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung, so gilt zwischen dem Auszubildenden und dem Arbeitgeber im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Diese Regelungen gelten auch, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit endet ($ 78a Abs 3 BetrVG). Die Weiterbeschäftigung eines nach S 78a BetrVG geschützten Auszubildenden Nach näherer Maßgabe des $ 78a Abs 4 BetrVG kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird oder ein solches aufzulösen. Die Weiterbeschäftigung eines nach $ 78a BetrVG geschützten Auszubildenden kann dem Arbeitgeber zuzumuten sein, wenn der zu besetzende Arbeitsplatz drei Monate vor dem Ausbildungsende freigeworden ist und nicht wieder sofort besetzt werden mußte. 105S Entsprechende Bestimmungen wie im Betriebsverfassungsrecht gelten für den öffentlichen Dienst ($S 9,107 BPersVG), allerdings mit der Maßgabe, daß das Übernahmeverlangen hier den erfolgreichen Abschluß der Berufsausbildung voraussetzt. bb)

Schwerbehinderte

4 5 0 Im Schwerbehindertenrecht besteht ein mittelbares Abschlußgebot für Arbeitgeber insoweit, als sie die sog Schwerbehindertenquote (S 71SGB Di) zu erfüllen haben. Die Beschäftigungspflicht ist öffentlichrechtlicher Art; der einzelne Schwerbehinderte kann hieraus allein keinen Anspruch auf Abschluß des Arbeitsvertrages gegen den einzelnen Arbeitgeber herleiten. 1056 Die im Schwerbeschädigtenrecht eröffnete Möglichkeit, durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt einen Arbeitsvertrag herbeizuführen, ist mit Inkrafttreten des Schwerbehindertengesetzes entfallen. 1057 Kommt der Arbeitgeber seiner öffentlich-rechtlichen Beschäftigungspflicht nicht nach, so hat er eine Ausgleichsabgabe zu entrichten (§ 77 SGB IX). Diese gesetzliche Beschäftigungspflicht und ihre Sicherung durch die Ausgleichsabgabe sind verfassungskonform. 1058 4 5 1 Schwerbehinderte Menschen sind Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50, sofern sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iSd $ 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SchwbG haben ($ 1 Abs 2 SGB IX). Ihnen können Personen mit geringeren Graden von Behinderung, mindestens aber 30, gleichgestellt werden (S 2 Abs 3 SGB IX). Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze hat der Arbeitgeber unabhängig von seiner Beschäftigungspflicht und deren Erfüllung zu prüfen, ob Schwerbehinderte beschäftigt werden können. Einen relativen Vorrang bei der Einstellung genießen Schwerbehinderte nach $ 122 SGB IX. Nach S 91 Abs 6 SGB IX sind Schwerbehinderte, denen lediglich aus Anlaß eines Streiks oder einer Aussperrung fristlos gekündigt worden ist, nach Beendigung des Streiks oder der Aussperrung wieder einzustellen. Diese Bestimmung kann praktisch nur von Bedeutung werden, wenn der Schwerbehinderte wegen der

1055 S 78a 1056 1057

146

BAG 1 2 . 1 1 . 9 7 - 7 ABR 63/96 - AP BetrVG 1972 Nr 30. ErfKomm/Pre« $ 611 BGB Rn 437. Vgl $ 10 SchwerbeschädigtenG vom 14.8. 1961 Harald Schliemann

(BGBl I 1233); die Regelung hatte keine praktische Bedeutung, vgl Großmann/Schneider3 Rn 313. 1058 BVerfGE 57 139 = AP SchwbG $ 4 Nr 1.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 ΠΙ. Zustandekommen des Arbeitsvertrags Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik fristlos entlassen wird. Bei einem nicht rechtswidrigen Streik kommt gegenüber einem Schwerbehinderten nur die suspendierende, nicht aber die lösende Aussperrung in Betracht. 1 0 5 9 cc)

Inhaber von Bergmannsversorgungsscheinen

Für private Arbeitgeber besteht ein Abschlußgebot gegenüber Inhabern von Bergmannsversorgungs-

452

scheinen. Sie werden nach Landesrecht erteilt. Inhaltlich ist ein Bergmannsversorgungsschein ein Berechtigungsschein. In erster Linie gibt er dem Inhaber einen Anspruch auf bevorzugte Vermittlung in gesetzlich festgesetzten Pflichtarbeitsplätzen in anderen Gewerbezweigen und im öffentlichen Dienst des jeweiligen Landes. 1 0 6 0 dd)

Öffentlicher Dienst

Für Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann sich aus Art 33 Abs 2 GG ein Gebot z u m Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einem bestimmten Bewerber ergeben. Nach dieser Bestimmung hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu j e d e m öffentlichen Amt. Es handelt sich um unmittelbar abzuwendendes Recht, welches nicht nur für die Begründung von Beamtenverhältnissen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen Bedeutung hat, sondern auch für die Begründung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst unmittelbar anzuwenden ist. 1 0 6 1 Ein Anspruch a u f Einstellung in den öffentlichen Dienst kann sich aus Art 33 Abs 2 GG unmittelbar ergeben, sofern sämtliche Einstellungsvoraussetzungen in der Person des Bewerbers erfüllt sind und dessen Einstellung die einzige rechtmäßige Entscheidung der Behörde ist, weil jede andere Entscheidung sich als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft darstellen würde. Zwar kann ein Bewerber grundsätzlich nur verlangen, daß seine Einstellungsbewerbung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung geprüft und insbesondere nicht nach den in Art 3 Abs 3 GG mißbilligten Merkmalen differenziert wird. Ein Einstellungsanspruch aus Art 33 Abs 2 GG ist indessen nur gegeben, wenn eine besetzungsfähige, haushaltsrechtlich abgesicherte Stelle vorhanden ist. Fehlt es an einer Planstelle, so dürfen Einstellungen in den öffentlichen Dienst nicht vorgenommen werden. Art 33 Abs 2 GG gewährt keinen Rechtsanspruch auf Ausweisung einer zusätzlichen Planstelle. 1 0 6 2 Die verfassungsrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 S 1 GG) gebietet es allerdings dem Staat, für die Ausbildung zum Gymnasiallehrer einen gleichwertigen, nicht diskriminierenden Vorbereitungsdienst außerhalb des Beamtenverhältnisses für solche Bewerber zur Verfügung zu stellen, die die für die Ernennung zum Beamten erforderliche Gewähr jederzeitiger aktiver Verfassungstreue nicht bieten. 1 0 6 3 Im öffentlichen Dienst des Bundes kann sich das Förderungsgebot des $ 8 BGleiG (vormals: § 7 FFG) zu einem Abschlußgebot verdichten. 1 0 6 4 Die zum Abschlußgebot führende Vorrangregelung

453

für Frauen nach § 4 des LandesgleichstellungsG des Landes Bremen vom 2 0 . 1 1 . 1 9 9 0 , wonach Frauen mit gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Bewerber in den Bereichen vorrangig zu berücksichtigen sind, in denen sie unterrepräsentiert sind, 1 0 6 5 war Gegenstand eines Vorlageverfahrens beim Europäischen Gerichtshof. 1 0 6 6 Er hat entschieden, daß Art 2 Abs 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der, wie im vorliegenden Fall, bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen Frauen unter-

1059 BAG (GS) 21.4.71 - GS 1/68 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 43. 1060 Vgl Boldt „Der Bergmannsversorgungsschein" in ArbR-BGB1 s 630 Anhang I, (60 ff) = BGB-RGRK12. 1061 Std Rspr, grundlegend Β AG 31.3.76 - S AZR104/ 74 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 2. 1062 BAG 9.11.94 - 7 AZR 19/94 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 33. 1063 BVerfGE 39 334,372 ff=AP GG Art 33 Abs 5 Nr 2 zum juristischen Vorbereitungsdienst; BAG 15.5.87 7 AZR 664/85 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 27 zur Ausbildung für das Lehramt an Gymnasien; BAG 1.10.86 - 7 AZR Harald Schliemann

383/85 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 26; 9.12.81 - 5 AZR 512/ 79 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 16 zur Ausbildung für Grundschullehrer. 1064 Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG), verkündet als Art 1 des G vom 30.11. Ol - BGBl I 3234). 1065 Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau im öffentlichen Dienst des Landes Bremen vom 20.11.1990 (BremGBl 433). 1066 BAG 22.6.93 - 1 AZR 590/92 (Kaianke) - AP GG Art 3 Nr 193 (1. Maidowski 2. Pfarr). 147

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

repräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine Unterrepräsentation dann vorliegen soll, wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen gelten soll. 1067 ee)

Weiterbeschäftigung, Wiedereinstellung

4 5 4 Keine Gebote für den Abschluß eines Arbeitsvertrages stellen die Regelungen über die vorläufige Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern aus Anlaß von Kündigungsschutzstreitigkeiten nach S 102 Abs 5 BetrVG bzw aufgrund des allgemeinen Rechts des Arbeitnehmers auf Beschäftigung dar. 1068 Denn diese Pflicht besteht nur, wenn zuvor ein Arbeitsvertrag geschlossen worden ist und über dessen Beendigung gestritten wird. Der Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Wiedereinstellungsanspruch, wenn sich nach Ausspruch einer Verdachtskündigung herausstellt, daß der Verdacht gegen den Arbeitnehmer zu unrecht erhoben worden ist. 1069 Wiedereinzustellen ist ein Arbeitnehmer auch, wenn sich die einer betriebsbedingten Kündigung zugrundeliegende Prognose des Arbeitgebers noch während des Laufes der Kündigungsfrist als falsch herausstellt, der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist. 1070 Indessen besteht trotz schwebenden Kündigungsschutzrechtsstreits kein Wiedereinstellungsanspruch, wenn eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist und eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entsteht. 1071 Trotz wirksamer betriebsbedingter Kündigung kann im Fall des Betriebsübergangs nach J 613a ein Anspruch des gekündigten Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung bzw Übernahme durch den Betriebserwerber bestehen. 1072 Das Fortsetzungsverlangen muß allerdings unverzüglich geltend gemacht werden. 1073 d)

Kollektivrechtliche Abschlußgebote

4 5 5 Im Schrifttum wird für denkbar gehalten, daß tarifliche Abschlußgebote nach S 1 TVG normativ vereinbart werden können. 1074 Wenn überhaupt, so kommen sie in Form tariflicher Wiedereinstellungsgebote vor. 1075 Im Baugewerbe bestehen Tarifverträge, nach denen wegen schlechter Witterung Entlassene einen Anspruch haben, wieder eingestellt zu werden, sobald die Weiterbeschäftigung möglich ist. 1076 Zu einem Abschlußgebot können sich auch tarifvertragliche Bevorzugungsklauseln verdichten, nach denen aus betriebsbedingten Gründen entlassene Arbeitnehmer bevorzugt wieder einzustellen sind, wenn entsprechende Arbeitsplätze neu besetzt werden. 1077 Entsprechendes gilt für Wiedereinstellungsklauseln nach Arbeitskämpfen, die sehr häufig mit sog Maßregelungsverboten verbunden sind. 1078 Die Zulässigkeit derartiger tarifvertraglicher Abschlußgebote ist am Schutzbereich der Berufsbetätigungsfreiheit des Arbeitgebers nach Art 12 Abs 1 S 2 GG zu messen. 1079 Gegen die Zulässigkeit eines tarifvertraglichen Gebotes zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einem Bewerber, der bisher überhaupt nicht im Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Arbeitgeber gestanden hat, 1067 EuGH 17.10.95 - Rs C 450/93 - AP EWG-Richtlinie Nr 76/207 Nr 6; vgl zum Weitergang des Rechtsstreits: BAG 5.3.96 - 1 A Z R 590/92 - EzA Art 3 GG Nr 52. 1068 BAG (GS) 27.2.85 - GS 1/84 - AP BGB $ 6 1 1 Beschäftigungspflicht Nr 14. 1069 BAG 20.8.97 - 2 AZR 620/96 - AP BGB $ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr 27. 1070 BAG 2 7 . 2 . 9 7 - 2 AZR 160/96-AP KSchG 1969$ 1 Wiedereinstellung Nr 1. 1071 BAG 28.6. 2000 - 7 AZR 904/98 - AP KSchG 1969 $ 1 Wiedereinstellung Nr 6; 6.8.97 - 7 AZR 557/96 - AP KSchG 1969 S 1 Wiedereinstellung Nr 2. 1072 BAG 13.11.97 - 8 AZR 295/95 - AP BGB $ 613a Nr 169. 1073 BAG 12.11.98 - 8 AZR 265/97 - AP KSchG 1969 $ 1 Wiedereinstellung Nr 5. 148

Harald Schliemann

1074 Schaub $ 3 2 Rn76; Staudinger/Ridiardi 13 $ 6 1 1 Rn 72. 1075 Vgl BAG 23.2. 2000 - 7 AZR 891/98 - AP MTL Π $ 62 Nr 1; Schaub $ 32 Rn 76; Däubler Tarifvertragsrecht Rn 868 ff. 1076 Wiedemann TVG $ 1 Rn 480 ff; Kempen/Zachert $ 1 TVG Rn 28 ff. 1077 ZB Manteltarifvertrag für die chemische Industrie vom 24.6. 1992, $ 13 - Rationalisierungsschutz und Arbeitsplatzsicherung - , Abschnitt VI - Wiedereinstellung und betriebsbedingte Umsetzungen - Nr 1. 1078 Wiedmann TVG $ 1 Rn 480 ff, 485; Däubler Tarifvertragsrecht Rn 868; Kempen/Zachert $ 1 TVG Rn 28 ff. 1079 Löwisch/Rieble $ 1 TVG Rn 671; Däubler Tarifvertragsrecht Rn 871.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 ΙΠ. Zustandekommen des Arbeitsvertrags

bestehen indessen erhebliche Bedenken. Dagegen genügen tarifvertragliche Übernahmeklauseln, nach denen Auszubildende nach erfolgreichem Abschluß ihrer Ausbildung in Arbeitsverhältnisse zu übernehmen sind, den Anforderungen des Art 12 Abs 1 S 2 GG genügen, wenn diese Bestimmung bereits bei Abschluß des Ausbildungsvertrages bestand. 1080 Allerdings führen solche Tarifnormen in der Regel nicht dazu, daß ein Arbeitsverhältnis normativ begründet wird; vielmehr ist der Arbeitgeber gehalten, dem Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot zu machen, das dieser nur noch anzunehmen braucht. 1081 So sind zB Arbeitgeber nach Nr 3 des Tarifvertrags zur Beschäftigungssicherung in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10.3. 1994 verpflichtet, dem Auszubildenden die Übernahme in ein sich unmittelbar an die Berufsausbildung anschließendes Arbeitsverhältnis für die Dauer von sechs Monaten anzubieten. 1082 Die Nichterfüllung dieser Pflicht kann Schadenersatzfolgen nach sich ziehen. 1083 Die Übernahme in ein erst später beginnendes Arbeitsverhältnis kann dagegen nicht, auch nicht im Wege des Schadenersatzes, verlangt werden. 1084 Soweit den Arbeitgebern aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen die Wiedereinstellung von Arbeitnehmern vorgeschrieben wird, die in der Regel unter erleichterten Umständen - zuvor von ihm entlassen worden sind, bestehen gegen den dadurch ausgelösten einseitigen Kontrahierungszwang keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 1085 Unbedenklich ist auch, wenn gesetzliche Verpflichtungen zur Übernahme von Arbeitnehmern im Zuge der kommunalen Neuregelung gesetzlicher Aufgaben der öffentlichen Verwaltung begründet werden, auch wenn sie nicht zu den üblichen tarifvertraglichen Bedingungen beschäftigt, sondern übertariflich vergütet werden. 1086 Tarifvertragliche quantitative Besetzungsregelungen, wie sie in der Druckindustrie bestehen, können sich zu einem Abschlußgebot verdichten.1087 Entsprechendes gilt, soweit Tarifverträge eine qualitative Mindestbesetzung vorschreiben.1088 Auch betriebsverfassungsrechtliche Abschlußgebote sind denkbar. So können zB im Interessenaus- 4 5 6 gleich oder im Sozialplan Wiedereinstellungsgebote für betriebsbedingt entlassene Arbeitnehmer vereinbart werden. Gegen derartige Vereinbarungen bestehen unter dem Gesichtspunkt des Art 12 Abs 1 S 2 GG ebensowenig Bedenken wie gegen entsprechende Tarifvertragsbestimmungen. Fraglich ist dagegen, ob durch Betriebsvereinbarungen Abschlußgebote des Inhaltes vereinbart werden können, daß dem Betrieb bisher nicht angehörende Personen als Arbeitnehmer einzustellen sind. Grundsätzlich erstreckt sich die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung nur auf Arbeitnehmer, die dem Betrieb angehören. 1089 In der Literatur wird angenommen, gleichwohl könne eine Betriebsvereinbarung insoweit als Vertrag zugunsten Dritter wirken. 1090 Dem ist nicht zu folgen. Eine derartige Wirkung zugunsten Dritter kann höchstens mittelbar darin liegen, daß dem Betriebsrat ein freiwilliges Zustimmungsverweigerungsrecht eingeräumt wird, falls jemand eingestellt werden soll, dessen Auswahl mit dem Abschlußgebot unvereinbar ist. Damit ist aber kein rechtliches Abschlußgebot begründet worden. Entsprechendes gilt für personelle Auswahlrichtlinien für die Einstellung von Arbeitnehmern (§ 95 Abs 1 S 1, $ 95 Abs 2 S 1 BetrVG). Zwar steht dem Betriebsrat nach näherer Maßgabe des $ 95 Abs 1, 2 BetrVG insoweit ein Mitbestimmungsrecht an der Aufstellung von Auswahlrichtlinien und deren Inhalt zu. Hieraus folgt jedoch noch kein Gebot zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einem bestimmten Arbeitnehmer. Dem Betriebsrat steht lediglich das Recht zu, seine Zustimmung zur Einstellung nach $ 99 Abs 2 Nr 2 BetrVG zu verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstoßen würde. Sinn und Zweck der Auswahlrichtlinien ist nur, festzulegen unter welchen Voraussetzungen personelle Einzelmaßnahmen durchgeführt werden sollen, um auf diese Art und Weise die jeweilige Personalentscheidung zu versachlichen und für die Arbeitnehmer durchschaubar 1080 BAG 14.10.97 - 7 AZR 811/96 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 155. 1081 BAG 14.5.96 - 7 AZR 159/96 - AP BGB $611 Übernahme ins Arbeitsverhältnis Nr 2. 1082 BAG 14.10.97 - 7 AZR 811/96 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 155. 1083 BAG 14.10.97 - 7 AZR 298/96 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 154. 1084 BAG 14.10.97 - 7 AZR 811/96 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 155 entgegen LAG Niedersachsen 24.8.95 - 7 Sa 882/95 - LAGE BGB $611 Einstellungsanspruch Nr 3. Harald Schliemann

1085 Wiedemann TVG $ 1 Rn 480 ff, 485. 1086 BAG 18.3.97 - 9 AZR 296/96 -AP BGB $ 611 Übernahme ins Arbeitsverhältnis Nr 1. 1087 Däubler Tarifvertragsrecht Rn 869 sowie Rn 815 ff. 1088 Vgl Biomeyer ZfA 80 1, 54. 1089 BAG 2 5 . 1 0 . 8 8 - 3 AZR 483/86 - AP BetrAVG S 1 Betriebsvereinbarung Nr 1. 1090 Schaub $ 3 2 Rn 79; Staudinger/Rtcftardi« $611 Rn 73.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

zu machen. 1 0 9 1 Die Auswahl selbst ist Sache des Arbeitgebers; die Richtlinien sollen seinen Auswahlspielraum nur durch Aufstellung von Entscheidungskriterien einschränken. 1 0 9 2

e) 457

Abschlußverbote

Arbeitgeber können in ihrer Vertragsfreiheit auch durch Abschlußverbote wie auch durch zwingende Vorschriften über die inhaltliche Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen betroffen sein. Insoweit wird die Berufsausübungsfreiheit des Art 12 Abs 1 S 2 GG berührt. Die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit liegt bei Verboten zum Abschluß des Arbeitsvertrages darin, daß ein verbotswidrig abgeschlossener Arbeitsvertrag unwirksam ist Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber die ihm verbürgte Freiheit aus Art 12 Abs 1 S 2 GG in der Regel nur mit Hilfe anderer, nämlich mit Hilfe der Arbeitnehmer, wahrnehmen kann, die ihrerseits ebenfalls Träger des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 GG sind. 1 0 9 3 Der Arbeitgeber muß gegenüber dem Arbeitnehmer mit seinem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG nach der Konzeption des BVerfG zurückstehen, soweit Arbeitnehmer in ihrem Grundrecht und ihrem Anspruch auf sozialen Schutz zu berücksichtigen sind. Der Arbeitgeber kann sich auch nicht auf Art 12 Abs 1 S 2 GG stützen, soweit eine Beschränkung der Vertragsfreiheit im Interesse des Schutzes der Arbeitnehmer gerechtfertigt i s t . 1 0 9 4

458

Ausdrückliche gesetzliche Verbote z u m Abschluß von Arbeitsverträgen schlechthin liegen nicht vor. Indessen können Arbeitsverträge, die auf eine Tätigkeit gerichtet sind, deren Durchführung gegen ein gesetzliches Beschäftigungsverbot verstoßen würde, nach $ 134 BGB nichtig sein. Bei jedem Beschäftigungsverbot ist für die Frage, ob ein Verstoß zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages führt, zu prüfen, aus welchem Grund das Beschäftigungsverbot besteht. Ist das Beschäftigungsverbot zum Schutz der Arbeitnehmer zB vor Überforderung, aus Gründen des Gesundheitsschutzes, erlassen worden, so hat dies entgegen früherer Rechtsprechung zB zum Mutterschutzrecht 1 0 9 5 - in aller Regel nicht die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags zur Folge. So ist ein Arbeitsvertrag einer Schwangeren, die als Nachtschwester eingestellt worden ist, nicht als von vornherein wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig angesehen worden, nämlich so lange nicht, als noch mit einer Ausnahmegenehmigung durch die Aufsichtsbehörde zu rechnen war. 1 0 9 6

459

Ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot besteht für Ausländer o h n e Arbeitserlaubnis ($ 284 SGB III). In diesem Fall ist ein Arbeitsvertrag in der Regel nicht nach $ 134 BGB nichtig, wenn mit der Erteilung der Arbeitserlaubnis zu rechnen ist. Dagegen ist ein Arbeitsvertrag zur Beschäftigung eines Arztes o h n e Approbation nichtig, denn ohne Approbation darf ein Arzt nicht tätig sein. 1 0 9 7 Entsprechendes gilt, soweit jemand befristet als Kraftfahrer eingestellt werden soll, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen und - zumindest für die Dauer des Arbeitsvertrages - ein Fahrverbot erteilt worden i s t . 1 0 9 8 Das gleiche gilt in anderen Fällen, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern persönlicher Befähigungsnachweise bedarf, wenn diese nicht vorliegen und auch nicht für die Zeit des Arbeitsverhältnisses erreichbar sind. Anders sind dagegen die Fälle zu beurteilen, in denen jemand ohne die erforderliche berufliche Qualifikation mit der Maßgabe eingestellt wird, eben diese Qualifikation während des Arbeitsverhältnisses zu erwerben. Für Kinder bestehen Beschäftigungsverbote nach den SS S ff JArbSchG, für Jugendliche eingeschränkte Beschäftigungsverbote nach den SS 7 ff, 22 ff JArbSchG. Nach S 25 JArbSchG dürfen Personen, die wegen bestimmter Delikte rechtskräftig verurteilt worden sind, Jugendliche nicht beschäftigen bzw im Rahmen der in S 1 JArbSchG genannten Rechtsverhältnisse nicht beaufsichtigen, anweisen oder ausbilden. Relative Beschäftigungsverbote ergeben

1091 BAG 31.5.83 - 1 ABR 6/80 - AP BetrVG 1972 $ 95 Nr 2. 1092 Amtl Begründung (Bericht 10. Ausschuß zu BTDrs VI/2779, 5). 1093 BVerfGE 50 290 = AP MitbestG $ 1 Nr 1 (Wiedemann); siehe auch BVerfG 25.7.86 - 1 BvR 143/83 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 15. 1094 MünchArbR/Bucftner § 36 Rn 62.

150

Harald Schliemann

1095 BAG 27.11.56 - 1 AZR 540/55 - AP MuSchG $ 5 Nr 2; 6 . 1 0 . 6 2 - 2 AZR 360/61 - AP MuSchG $ 9 Nr 24. 1096 BAG 8.9.88 - 2 AZR 102/88 - AP MuSchG $ 8 Nr 1; vgl auch EuGH 3.2.2000- Rs C-207/98 - Mahlburg - A P BGB J 611a Nr 18. 1097 BAG 6.4.74 - 5 AZR 313/74 - AP BGB $ 615 Nr 29 (Küchenhof). 1098 Vgl BAG 1 8 . 1 2 . 8 6 - 2 AZR 34/86 - AP BGB $ 297 Nr 2.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 m . Zustandekommen des Arbeitsvertrags

sich aus dem Arbeitszeitgesetz. 1099 Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Arbeitnehmer, der bereits anderweitig in einem Arbeitsverhältnis steht, ein weiteres Arbeitsverhältnis eingeht und er infolge seiner nach $ 2 Abs 1 HS 2 ArbZG gebotenen Zusammenrechnung der Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern die höchstzulässige Arbeitszeit ($ 3 ArbZG) dadurch überschreitet, daß er einen zweiten Arbeitsvertrag schließt; dieser zweite Arbeitsvertrag ist dann wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Beschäftigungsverbot nach $ 134 BGB nichtig. 1100 Tarifvertragliche Abschlußverbote sind selten. 1101 Liegt eine tarifliche Regelung vor, nach der be- 4 6 0 stimmte Arbeitsverträge nicht geschlossen werden dürfen, so ist zu prüfen, inwieweit diese Abschlußnormen mit Art 12 GG vereinbar sind. Abschlußverbote gehören zum thematisch erlaubten Inhalt von Tarifverträgen (vgl S 1 Abs 1 TVG) und sind idR als Betriebsnormen ausgestaltet,1102 so daß sie bereits dann zwingend und unmittelbar gelten, wenn nur der Arbeitgeber tarifgebunden ist ($ 4 Abs 1 S 2, $ 3 Abs 2 TVG). Denkbar wären auch Abschlußverbote aufgrund freiwilliger Betriebsvereinbarungen. Ob ein Verstoß hiergegen allerdings unmittelbar zur Nichtigkeit des gleichwohl geschlossenen Arbeitsvertrages führt, dürfte fraglich sein. Im Zweifel wird dem Betriebsrat - soweit ein solches Verbot überhaupt wirksam zustande gekommen ist - nur ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach $ 99 Abs 2 Nr 1 BetrVG verbleiben.1103 2.

Geschäftsfähigkeit, Vertretung

Für den Abschluß des Arbeitsvertrages, insbesondere für die hierauf gerichtete Willenserklärung, gelten die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts. a)

461

Geschäftsfähigkeit

Für die Geschäftsfähigkeit des Dienstberechtigten gelten die $§ 104 ff. Ohne Genehmigung des 4 6 2 Sorgeberechtigten und des Vormundschaftsgerichts gem§ 112 BGB kann ein Minderjähriger nicht Arbeitgeber sein; dies gilt auch für das Sozialversicherungsrecht.1104 Hat jedoch der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einen beschränkt Geschäftsfähigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt, so ist der beschränkt Geschäftsfähige für alle Rechtsgeschäfte uneingeschränkt geschäftsfähig, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt ($ 112 Abs 1 S 1 BGB). Dazu zählt auch der Abschluß von Arbeitsverträgen, die der beschränkt Geschäftsfähige mit Arbeitnehmern abschließt. 1105 Die Geschäftsfähigkeit des Arbeitnehmers richtet sich ebenfalls nach den $$ 104 ff BGB. Wenn der 4 6 3 gesetzliche Vertreter den beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen ermächtigt, in Dienst oder in Arbeit zu treten, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen; ausgenommen sind Verträge, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf ($ 113 Abs 1 BGB). Die für den einzelnen Fall erteilte Ermächtigung gilt im Zweifel als allgemeine Ermächtigung zur Eingehung Verhältnissen derselben Art(§ 113 Abs 4 BGB). 1106 Die Ermächtigung gilt im Zweifel für alle Arten von Dienst- und Arbeitsverträgen, auch für solche Verträge, in denen jemand die Dienste eines selbständigen Handelsvertreters zusagt. 1107 Die Anwendbarkeit des S 113 BGB auf Berufsausbildungsverträge iSd $$ 6 ff BBiG wird überwiegend abgelehnt, weil insoweit nicht die Er1099 ArbeitszeitG - ArbZG - vom 6.6. 1994 (BGBl I 1170), zuletzt geändert durch Gesetz ν 21.12.2000 (BGBl 11170). 1100 BAG 19.6.59 - 1 AZR 565/57 - AP BGB $611 Doppelarbeitsverhältnis Nr 1; vgl näher Schiumanti HzA Gruppe 12 Rn 91 ff; ders in Leinemann GewO, Abschnitt „Arbeitszeit" $ 2 ArbZG Rn 50 ff. 1101 ZB tarifliche Besetzungsregelungen für Arbeitsplätze, vgl die Beispiele bei Wiedemann $ 1 TVG Rn 271, 576. 1102 Staudinger/Rfcftardi'13 S 611 Rn 79. Harald Schliemann

1103 Staudinger/Ricftardi" $ 611 Rn 80. 1104 LSG Rheinland-Pfalz 3.5.90 - L 5 Κ 49/89 - AP BGB $ 107 Nr 1. 1105 Vgl im einzelnen: Krüger-Nieland in BGB-RGRK12 $ 112Rn I f f , 3. 1106 BAG 8.6.99 - 3 AZR 71/98 - AP BGB $ 113 Nr 7; vgl im einzelnen: Krüger-Nieland in BGB-RGRK12 $113 Rn 5 ff. 1107 BAG 20.4.64 - 5 AZR 278/63 - AP HGB $ 90a Nr 1.

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J 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

bringung von Arbeitsleistung im Vordergrund steht, sondern die Ausbildung. 1108 Auf Verträge der Volontäre und Praktikanten ($ 19 BBiG) ist § 113 BGB nicht anwendbar. 1109 b)

Vertretung

464 Der Arbeitnehmer kann sich für den Abschluß des Arbeitsvertrages eines Vertreters ($§ 164 ff BGB) bedienen. Der Arbeitgeber kann eine natürliche Person sein, insoweit gilt für ihn grundsätzlich nichts anderes. Arbeitgeber kann aber auch eine BGB-Gesellschaft, eine OHG oder Kommanditgesellschaft, eine juristische Person des Privatrechts oder auch des öffentlichen Rechts sein. Soweit es sich nicht um natürliche Personen handelt, handelt der Arbeitgeber entweder durch seinen Geschäftsführer, seinen Vorstand oder das sonst zur Vertretung berechtigte Organ oder aber durch Vertreter ($$ 164 ff BGB).1110 Die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht1111 sowie über die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht 1112 sind eingeschränkt anzuwenden. 465 Wird im Gründungsstadium einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH usw) ein Arbeitsvertrag geschlossen, so stellt sich die Frage, wer Arbeitgeber ist und - falls dies nicht die in Gründung befindliche Gesellschaft ist - inwieweit der Arbeitsvertrag auf diese Gesellschaft übergeht. Nach der älteren Rechtsprechung des BAG sollten insoweit drei Möglichkeiten bestehen, nämlich der Abschluß des Vertrages im Namen der Gründungsgesellschaft, der Abschluß des Vertrages für die erst künftig einzutragende juristische Person und der Abschluß des Vertrages namens der Gründungsgesellschaft und zugleich im Namen der künftigen juristischen Person mit der Folge, daß die juristische Person mit ihrer Entstehung an die Stelle der Gründungsgesellschaft tritt. 1113 Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Die Gründungsgesellschaft als Personenvereinigung eigener Art ist nach Gründung der juristischen Person ihr gegenüber keine Organisation sui generis, sondern sie ist die werdende juristische Person (GmbH, AG usw). Die Vorgesellschaft ist als Gesamthandspersonengemeinschaft Berechtigte und Verpflichtete aller Rechtsbeziehungen der werdenden juristischen Person im Gründungsstadium. Die im Gründungsstadium Handelnden haften persönlich und solidarisch (§11 Abs 2 GmbHG); mit der Eintragung in das Handelsregister gehen die Rechte und Pflichten aus einem im Gründungsstadium geschlossenen Arbeitsvertrag auf die GmbH über. 1114 Dementsprechend ist auch der Geschäftsführer der GründungsGmbH Mitglied eines Vertretungsorgans einer Personengesamtheit iSd $ 5 Abs 1 S 3 ArbGG.1115 Entsprechende Erwägungen gelten für einen Arbeitsvertrag mit der Griindungsgesellschaft einer Aktiengesellschaft.1116 3.

Form des Arbeitsvertrags, Nachweisgesetz

466 Ein Arbeitsvertrag kann formfrei, aber auch förmlich abgeschlossen werden. Wird er förmlich abgeschlossen, so ist zu unterscheiden, ob die Schriftform durch Gesetz oder ggf Tarifvertrag vorgegeben ist oder ob sie gewillkürt ist. Ferner ist zu unterscheiden, ob die Schriftform konstitutiv oder deklaratorisch ist.

1108 LAG Düsseldorf 27.1.55 - 25 Sa 265/54 - AP HandwO S 21 Nr 1 (A. Hueck); Krüger-Nieland in BGBRGRK1Z $ 113 Rn 11 ff, jeweils mwN. 1109 MünchArbR/Ricftardl $ 41 Rn 16 jeweils mwN. 1110 BAG 29.6.88 - 5 AZR 433/87 - EzA BGB $ 670 Nr 21. 1111 BAG 20.7.94 - 5 AZR 627/93 - AP BGB $ 611 Abhängigkeit Nr 73. 1112 BGH 9.10.89 - Π ZR 16/89 - AP BGB $ 179 Nr 2; BAG 10.8.64 - 1 AZR 83/64 - AP BGB $ 179 Nr 1.

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Harald Schliemann

1113 BAG 7.6.73 - 2 AZR 181/72 - AP GmbHG § 11 Nr 2 (1. Ritter, 2. Krell). 1114 BAG 27.5.97 - 9 AZR 483/96 - AP GmbHG S 11 Nr 11; 22.1.97 - 1 0 AZR 908/94 - AP GmbHG S 11 Nr 9; BGH 27.1.97 - Π ZR 123/94 - AP GmbHG $ 11 Nr 10; BGHZ 80 129, 132. 1115 BAG 13.5.96 - 5 AZB 27/95 - NZA 96 952. 1116 F lume NJW 81 1753, 1755.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 III. Zustandekommen des Arbeitsvertrags

a)

Grundsatz der Formfreiheit

Grundsätzlich besteht für den Abschlug des Arbeitsvertrages Formfreiheit. Er kann mündlich, vor 4 6 7 allem aber auch stillschweigend oder durch schlüssiges Handeln zustande kommen. 1117 Erforderlich ist aber stets, daß der Wille, einen Arbeitsvertrag einzugehen, der jeweils anderen Seite des Vertrages erkennbar zutage tritt. 1118 b)

Formvorschriften

Vom Grundsatz der Formfreiheit gibt es nur wenige gesetzliche Ausnahmen. Zuweilen sind auch 4 6 8 tarifvertragliche Formvorschriften anzutreffen. Betriebsverfassungsrechtliche Formvorschriften, etwa aufgrund einer Betriebsvereinbarung, sind für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages unbeachtlich, weil Betriebsvereinbarungen keine Wirkung für Personen haben, die dem Betrieb noch nicht als Arbeitnehmer angehören. Einzelvertraglich vereinbarte Schriftformklauseln sind für den Abschlug eines Arbeitsvertrages nur von rechtlicher Bedeutung, soweit die Abrede der Formvorschrift vor Abschluß des Arbeitsvertrages vorgenommen wird. Soweit von Gesetzes wegen oder in Tarifverträgen für den Abschlug von Arbeitsverträgen ganz oder 4 6 9 teilweise die Schriftform vorgeschrieben ist, hängt die Wirksamkeit des Vertragsabschlusses davon ab, ob es sich um eine konstitutive, also vertragsbegründende, Formvorschrift handelt. Ihre Nichtbeachtung hat die Formnichtigkeit des Vertrages nach $ 125 BGB zur Folge. 1119 Auf diesen Formmangel kann sich grundsätzlich jede Partei stützen, jedoch kann die Berufung auf ihn gegen Treu und Glauben verstoßen. 1120 Anders verhält es sich dagegen mit der lediglich Beweiszwecken dienenden sog deklaratorischen Schriftform. Ihre Nichtbeachtung hat die Unwirksamkeit (Formnichtigkeit) des Vertrages nicht zur Folge. aa)

Konstitutive Formvorschriften

Nach $ 354 Abs 1RVO bedurften Arbeitsverträge der sog Dienstordnungsangestellten der Schriftform. 4 7 0 Die Nichtbeachtung der Schriftform führte zur Formunwirksamkeit ($ 125 S 1 BGB) des Arbeitsvertrages. 1121 Nach landesrechtlichen Bestimmungen bedürfen Verpflichtungen von Gemeinden und Landkreisen der Schriftform, teilweise auch der Unterzeichnung durch zwei Vertreter der Gemeinde oder des Landkreises und der Beidrückung eines Dienstsiegels.1122 Diese Vorschriften sind auch bei der Eingehung von Arbeitsverträgen zu beachten. Ausnahmen bestehen nur für Geschäfte der laufenden Verwaltung. Hierzu gehört die Begründung von Arbeitsverhältnissen in der Regel nicht, zum Teil ist dies auch ausdrücklich landesrechtlich bestimmt. Die landesrechtlichen Normen werden mit Rücksicht auf das Verbot der Schaffung neuer Formvorschriften (Art 55 EGBGB) nicht als Formvorschriften im Sinne des bürgerlichen Rechts eingeordnet.1123 Soweit derartige landesrechtliche Bestimmungen jedoch ausdrücklich nur für Arbeitsverhältnisse gelten, wird die Wirksamkeit ihres Erlasses nicht von Art 55 EGBGB berührt, weil sie als arbeitsrechtliche und nicht als privatrechtliche Norm iSd Art 55 EGBGB zu qualifizieren sind. 1124 Landesrechtlichen Regelungen über Vorschriften für die Eingehung von Arbeitsverhältnissen durch Kommunen und Landkreise stehen Art 55 EGBGB iVm Art 3, 218 EGBGB nicht entgegen, weil sich das Arbeitsrecht einschlieglich seiner Privatrechtsnormen im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem selbständigen, eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt hat, welches neben dem bürgerlichen Recht iSd Art 55 EGBGB steht. 1125 Soweit die Anbringung eines Dienstsiegels angeordnet worden ist, ist zu prüfen, ob es sich hierbei wirklich um eine Formvorschrift handelt oder - zB bei 1117 MünchArbR/RicftflrA $ 41 Rn 19. 1118 Vgl RGRK/Piper12 $ 151 Rn 3 ff. 1119 Vgl im einzelnen: Krüger-Nieland in BGB-RGRK12 S 125 Rn 38 ff; MünchArbR/Rl'tfiardi $ 41 Rn 24, 36. 1120 BAG 7.9.82 - 3 AZR 5/80 -AP TV Arb S 3 Bundespost Nr 1; 9.12.81 - 3 AZR 5/80 - AP BAT S 4 Nr 8 (Brox); s aber auch BAG 18.8.88 - - 3 AZR 5/80 - AP TVArb $ 3 Bundespost Nr 4. 1121 RAG ARS 34 115, 116. Harald Schliemann

1122 Vgl die Auflistung in MünchArbR/RicAordi S 41 Rn 40. 1123 BGHZ 32 375,379 ff; BAG 6.8.70 - 2 AZR 427/69 - AP BGB s 125 Nr 7 (Westermann). 1124 BAG 2 9 . 6 . 8 8 - 7 AZR 180/87-AP BGB J 174Nr6 (Kruckhans). 1125 BVerfGE 7 342, 347 f; BAG 29.6.88 - 7 AZR 180/ 87 - AP BGB s 174 Nr 6 (Kruckhans).

153

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

einseitigen Erklärungen niedersächsischer Gemeinden - kein die Wirksamkeit berührendes Formerfordernis der Erklärung selbst, sondern nur um ein Legitimationszeichen, ähnlich einer Vollmachtsurkunde iSd $ 174 S 1 B G B . 1 1 2 6 471

Nicht den Abschluß des Arbeitsvertrages, aber eines zum Arbeitsvertrag gehörenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, stellt $ 74 Abs 1 HGB unter besondere Formvorschriften: Ein solches Verbot bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal (Arbeitgeber) unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenen Urkunde an den Gehilfen. Werden diese Förmlichkeiten nicht beachtet, so wird hierdurch die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages nicht berührt, wohl aber führt dies zur Unverbindlichkeit der Wettbewerbsabrede. Eine nicht unterzeichnete Vereinbarung der Unterlassung nachvertraglichen Wettbewerbs genügt dem Formerfordernis, wenn sie mit dem Arbeitsvertrag fest verbunden ist (Gesamturkunde) und in dem unterschriebenen Arbeitsvertrag auf sie verwiesen wird. 1 1 2 7 Fehlt es an solch einer festen Verbindung, so reicht eine Bezugnahme auf eine in einer besonderen Urkunde enthaltene nachvertragliche Wettbewerbsvereinbarung nur aus, wenn das Wettbewerbsverbot selbst in der gehörigen Form unterschrieben ist. 1 1 2 8 Wird ein befristeter Arbeitsvertrag formlos geschlossen, so sind der Vertrag wirksam, die Befristung dagegen nach $$ 14 Abs 4, 16 Abs 2 TzBfG unwirksam (vgl Oömer % 620 Rn 247).

472

In Tarifverträgen finden sich konstitutive Schriftformerfordernisse n u r selten. Soweit in Tarifverträgen vorgesehen ist, daß der Arbeitsvertrag der Schriftform bedarf, ist zu ermitteln, ob hiermit tatsächlich eine konstitutive Regelung gemeint ist oder ob lediglich ein Anspruch auf schriftliche Fixierung der vereinbarten Arbeitsbedingung begründet werden soll. 1 1 2 9 Haben die Tarifvertragsparteien das Schriftformerfordernis mit konstitutiver Wirkung vereinbart, so handelt es sich um eine Abschlußnorm; sie hat Tarifgeltung nur bei beiderseitiger Tarifgebundenheit. In solch einem Fall richten sich die Folgen der Nichtbeachtungen wie bei einem Verstoß gegen eine gesetzlich vorgeschriebene Form nach $ 125 S 1 B G B . 1 1 3 0 Besondere Bedeutung haben Tarifvertragsregelungen, nach denen b e s t i m m t e Abreden in Arbeitsverträgen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen. Das Schriftformerfordernis des $ 4 Abs 1 BAT ist lediglich deklaratorisch. Zwar wird in § 4 Abs 1 BAT die Schriftform für den gesamten Arbeitsvertrag angeordnet, während in Abs 2 die Wirksamkeit nur der Nebenabreden von der Einhaltung der Schriftform abhängig gemacht wird. Infolge dessen enthält nur § 4 Abs 2 BAT ein konstitutives Schriftformerfordernis. 1 1 3 1 Eine formbedürftige Nebenabrede iSd § 4 Abs 2 BAT liegt nicht vor, wenn durch die Vereinbarung der Bestand oder der Umfang der jeweiligen Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Vertragsverhältnis unmittelbar betroffen sind. 1 1 3 2 Für die Unterscheidung der Regelungsgegenstände zwischen § 4 Abs 1 und Abs 2 BAT sind andere Lösungsvorschläge unterbreitet worden; 1 1 3 3 sie haben jedoch bisher nicht zu einer Änderung der Rechtsprechung geführt. 1 1 3 4

473

Einzelvertragliche konstitutive Formvorschriften für den Abschluß des Arbeitsvertrags sind in der Praxis selten. Ist jedoch zwischen den künftigen Parteien des Arbeitsvertrages dessen Beurkundung verabredet worden, so ist nach $ 1 5 4 Abs 2 BGB der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist. 1 1 3 5 Verbreitet sind dagegen Schriftformklauseln, nach denen die Änderung oder E r g ä n z u n g des schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrags ihrerseits der Schriftform bedarf. Ein gesetzliches oder gewillkürtes Schriftformerfordernis verhindert auch das Entstehen einer betrieblichen Ü b u n g . Ein gewillkürtes Schriftformerfordernis kann zwar auch durch betriebliche Übung formlos abbedungen werden. Ein solcher Erklärungswert einer betrieblichen Übung ist jedoch nicht anzunehmen, wenn der Sinn der Schriftformklausel gerade darin zu sehen ist, auch das Entstehen

1126

BAG 29.6.88 - 7 AZR180/87 - AP BGB $ 174 Nr 6

(Kruckhans).

1127 BAG 30.10.84 - 3 AZR 213/82 - AP HGB $ 74

Nr 46 (Beitzke).

1128 1129 1130 Nr 2. 1131 154

BGHZ 40 255, 263. Däubler Tarifvertragsrecht Rn 858. BAG 1 5 . 1 1 . 5 7 - 1 AZR 189/57 - AP BGB S 125 Std Rspr: BAG 15.3.89 - 7 AZR 264/77 - AP BGB Harald Schliemann

S 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 126 unter II 2 a d Gr mwN. 1132 BAG 15.3.89 - 7 AZR 264/88 - AP BGB $ 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 126 (unter II 2 a d Gr mwN). 1133 BAG 7.9.82 - 1 AZR 189/57 - AP TV Arb Bundespost $ 3 Nr 1 (Scheuring). 1134 BAG 7.5.86 - 4 AZR 556/83 - AP BAT $ 4 Nr 12. 1135 BAG 26.1.67 - 2 AZR 15/66 - AP BGB $611 Vertragsabschluß Nr 2; Piper in BGB-RGRK12 S 154 Rn 9.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 ΠΙ. Zustandekommen des Arbeitsvertrags betrieblicher Übungen zu verhindern. 1 1 3 6 Die oben genannte übliche Schriftformklausel erstreckt sich auch nicht auf Beendigungsvereinbarungen 1 1 3 7 oder Kündigungen des Arbeitsvertrags. 1138 Allerdings bedarf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder durch Auflösungsvertrag seit dem l . M a i 2 0 0 0 von Gesetzes wegen der Schriftform (vgl § 623). bb)

Deklaratorische Formvorschriften

Sehr häufig dient die Formvorschrift aber nur deklaratorischen Zwecken. Dies ist immer dann

474

anzunehmen, wenn die nachträgliche B e u r k u n d u n g vorgesehen ist. Der Abschluß eines Berufsausbildungsvertrages erfolgt in aller Regel schriftlich. Er kann jedoch auch mündlich oder sogar - wenn auch selten - konkludent erfolgen. Nach näherer Maßgabe des $ 4 Abs 1 BBiG hat der Ausbildende unverzüglich nach Abschluß des Berufsausbildungsvertrages, spätestens vor Beginn der Berufsausbildung, den wesentlichen I n h a l t des Vertrages schriftlich niederzulegen. Nach § 4 Abs 2 BBiG ist die Niederschrift von dem Ausbildenden, dem Auszubildenden und dessen gesetzlichen Vertreter zu unterzeichnen, nach S 4 Abs 3 BBiG hat der Ausbildende dem Auszubildenden und dessen gesetzlichen Vertreter eine Ausfertigung der unterzeichneten Niederschrift unverzüglich auszuhändigen. Das Schriftformerfordernis hat hier eindeutig nur deklaratorische Bedeutung; den Vertragsparteien, wie auch den gesetzlichen Vertretern des Auszubildenden, soll jederzeit eine Orientierung über die gegenseitigen Rechte und Pflichten möglich sein. 1 1 3 9 Wird in Tarifverträgen, zB in § 4 Abs 1 BAT, $ 2 Abs 1 Unterabs 2 MTV Nds Metallindustrie, für den Abschluß eines Arbeitsvertrages ganz pauschal eine bestimmte Form, in der Regel die Schriftform, vorgeschrieben, so ist die Form im Zweifel nur deklaratorisch gemeint. Der Arbeitnehmer soll eine eindeutige Festlegung seiner Arbeitsbedingungen verlangen können. 1 1 4 0 c)

Nachweisgesetz

Nach näherer Maßgabe des Nachweisgesetzes 1 1 4 1 haben Arbeitnehmer dann, wenn ein Arbeitsvertrag nur mündlich geschlossen worden ist, Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsvertrages spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederlegt, er die Niederlegung unterzeichnet und er sie dem Arbeitnehmer aushändigt (§ 2 Abs 1 S 1 NachwG). Änderungen wesentlicher Vertragbedingungen sind dem Arbeitnehmer ebenfalls binnen Monatfrist mitzuteilen ($ 3 S 1 NachwG). Keine Pflicht zur Mitteilung nach dem Nachweisgesetz besteht, wenn sich gesetzliche Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und ähnliche Regelungen ändern ($ 3 S 2 NachwG).

475

Der Rat der Europäischen Gemeinschaft hat am 14.10. 1991 die Richtlinie 91/533/EWG über die Pflichten des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (sog Nachweis-Richtlinie) erlassen. 1 1 4 2 Zur Um-

476

setzung der Richtlinie in nationales staatliches Recht ist der deutsche Gesetzgeber mit dem Nachweisgesetz - wenn auch verspätet 1 1 4 3 - nachgekommen, auch im Hinblick auf die Beweislast, die sich nach nationalem Recht richtet. 1 1 4 4

1136 BAG 27.3.87 - 7 AZR 527/85 - AP BGB $242 Betriebliche Übung Nr 29. 1137 BAG 16.5. 2000 - 9 AZR 245/99 - AP BGB § 125 Nr 15. 1138 BAG 6.7. 2000 - 2 AZR 513/99 - AP BGB $ 125 Nr 16. 1139 Staudinger/Ri'cftardi13 J 611 Rn 34. 1140 Zu $ 4 Abs 1 BAT: BAG 1.6.94 - 7 AZR 7/93 - AP AÜG s 10 Nr 12; 9.9.81 - 4 AZR 213/81 - AP BAT $ 4 Nr 7; allgemein: Däubler Tarifvertragsrecht Rn 859; Kempen/Zachert $ 1TVG Rn 30; Wiedmann $ 1TVG Rn 458 ff. Harald Schliemann

1141 Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz - NachwG) vom 20.7. 1995 (BGBl I 946), zuletzt geändert durch Gesetz ν 24.3. 1999 (BGBl I 388). 1142 AblEG Nr L 288/32. 1143 Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie lief am 30.6. 1993 ab. 1144 EuGH 4.12.97 - Rs C 253 -258/96 - Kampelmann - AP EWG-Richtlinie Nr 91/533 Nr 3auf Vorlage von LAG Hamm, 9.7.96 - 4 Sa 668/94 - AP EWG-Richtlinie Nr 91/ 533 Nr 1

155

S 6X1 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

aa)

Persönlicher Geltungsbereich

4 7 7 Nach seinem S 1 gilt das NachwG grundsätzlich für alle Arbeitnehmer. Eine Ausnahme besteht für solche, die zur vorübergehenden Aushilfe von einem Monat eingestellt werden. Die vormaligen Ausnahmen für Beschäftigte mit höchstens 400 Stunden im Jahr oder die hauswirtschaftliche, erzieherische oder pflegerische Tätigkeiten in einem Familienhaushalt, wenn die Tätigkeit die Grenzen des § 8 Abs 1 SGBIV nicht überschreitet, ist mit der Neuregelung über die Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte ab 1. April 1999 weggefallen.1145 Für arbeitnehmerähnliche Personen gilt das NachwG nicht. 1146 bb)

Inhalt des Nachweises - Inland

4 7 8 Die Nachweispflicht ($ 2 NachwG) besteht darin, daß der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen hat. Die Niederschrift muß mindestens enthalten: 1. 2. 3. 4.

5. 6.

7. 8. 9. 10.

den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, bei befristeten Arbeitsverhältnissen die vorhersehbare Dauer, den Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, einen Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, die kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie andere Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, die vereinbarte Arbeitszeit, die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

4 7 9 Entsprechung der (nationalen) Zielsetzung des Gesetzgebers bei der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ist bei Arbeitnehmern, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB III ausüben, im Nachweis ein Hinweis auf die Möglichkeit der gesetzlichen Rentenversicherung aufzunehmen ($ 2 Abs 1 S 3 NachwG). cc)

Auslandseinsätze

4 8 0 Für Auslandseinsätze regelt S 2 Abs 2 NachwG zusätzlich, daß dann, wenn Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung länger als einen Monat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen haben, die Niederschrift dem Arbeitnehmer vor seiner Abreise ausgehändigt werden muß und folgende zusätzliche Angaben enthalten muß: 1. 2. 3. 4.

die Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit, die Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird, ein zusätzliches, mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes Arbeitsentgelt und damit verbundene zusätzliche Sachleistungen, die vereinbarten Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.

1145 Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3. 1999 (BGBl I 388).

156

Harald Schliemann

1146 ErfKomm/Pras J 1 NachwG Rn 5.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 III. Zustandekommen des Arbeitsvertrags

dd)

Verweisungen

Die umfangreichen einzelvertraglichen Angaben nach Abs 1 S 2 Nr 6-9 und Abs 2 Nr 2 und 3 können 481 nach näherer Maßgabe des $ 2 Abs 3 S 1 NachwG durch einen Hinweis auf die einschlägigen Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen oder ähnliche Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten, ersetzt werden. Nach $ 2 Abs 3 S 2 NachwG kann hinsichtlich des Erholungsurlaubs und der Kündigungsfristen auf die gesetzlichen Regelungen verwiesen werden, falls nur diese gelten, ersetzt werden. Bei Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen hat der Arbeitnehmer Anspruch darauf, daß ihm spätestens einen Monat nach der Änderung die geänderten Bedingungen schriftlich mitgeteilt werden. Dies gilt wiederum nicht, wenn sich die gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen oder ähnliche Regelungen ändern, die für das Arbeitsverhältnis gelten. Für bei Inkrafttreten des Nachweisgesetzes bestehende Arbeitsverhältnisse enthält S 4 eine Übergangsvorschrift, wonach dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen innerhalb von zwei Monaten eine Niederschrift auszuhändigen ist, es sei denn, daß ihm schon früher eine entsprechende Niederschrift ausgehändigt wurde oder das zwischen den Parteien ein dem Nachweisgestz entsprechender schriftlicher Arbeitsvertrag besteht. Die Vorschriften des Nachweisgesetzes sind zwingend, von ihnen kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 5 NachwG). Soweit auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen uä Regelungen verwiesen wird, muß geklärt werden, ob es sich um eine statische oder um eine dynamische Verweisung handelt. 1147 Bei einer statischen Verweisung werden nur bereits bestehende Regelungen in den Vertrag einbezogen, künftige Änderungen bleiben unberücksichtigt. Bei einer dynamischen ist dagegen die jeweilige Fassung der Regelung, auf die verwiesen wird, maßgebend. 1148 Diese Entscheidung wird durch $ 3 S 2 NachwG nicht überflüssig. Lediglich dann, wenn im Arbeitsvertrag eine dynamische Verweisung vereinbart worden ist, entfällt die Nachweispflicht künftiger Änderungen für den Arbeitgeber. Soweit auf Betriebsvereinbarungen oder auf Tarifverträge verwiesen worden ist, besteht jedoch eine Publizitätspflicht insoweit, als der Arbeitgeber die jeweils geltenden Fassungen der Tarifverträge bzw Betriebsvereinbarungen auszulegen hat ($ 8 TVG, $ 77 Abs 2 S 3 BetrVG). Unklar ist dagegen, was unter „ähnliche Regelungen" iSd § 3 S 2 NachwG zu verstehen ist. Derartige „ähnliche Regelungen" sind im Katalog der Bedingungen, die nach $ 2 Abs 1 NachwG in den Nachweis aufzunehmen sind, vor allem dort in S 2 Nr 10 NachwG, nicht enthalten, wohl aber in S 2 Abs 3 S 1 NachwG. Unter „ähnliche Regelungen" werden vor allem die allgemeinen Arbeitsbedingungen der Kirchen und ihrer Untergliederungen, zB die Arbeitsvertragsrichtlinien oder die sog kirchliche Fassung des BAT (BAT-KF), zu verstehen sein. Ob dagegen auch vom Arbeitgeber in betriebsratslosen Betrieben einseitig gesetzte „allgemeine Arbeitsbedingungen", „Arbeitsordnungen" und ähnliches zu verstehen ist, erscheint zumindest zweifelhaft. ee)

Alternative: Schriftliche Arbeitsverträge

Nach § 2 Abs 4 NachwG entfällt die Verpflichtung zur Aushändigung des Nachweises, wenn dem 482 Arbeitnehmer ein den Anforderungen des Nachweisgesetzes inhaltlich entsprechender Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist. Angesichts dieser Bestimmung empfiehlt es sich, mit den Arbeitnehmern, die in den Anwendungsbereich des Nachweisgesetzes fallen, schriftliche Arbeitsverträge zu schließen. Denn erst dann, wenn auch der Arbeitnehmer seinerseits den Arbeitsvertrag unterzeichnet hat, ist deutlich, daß er mit den derart „nachgewiesenen" Arbeitsbedingungen einverstanden ist. Eine von beiden Seiten unterschriebene Vertragsurkunde (Arbeitsvertrag) hat die Vermutung der Vollständigkeit und der Richtigkeit der darin niedergelegten Bedingungen für sich. 1149 ff)

Rechtsfolgen

Werden die Bestimmungen des Nachweisgesetzes durch den Arbeitgeber nicht eingehalten, so richten 483 sich die individuellen Rechtsfolgen mangels spezieller Regelungen im Nachweisgesetz selbst nach den 1147 BAG 28.5.97 - 4 AZR 663/95 - AP TVG S 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 6; Wiedemann/Oerter $ 3 TVG Rn 204 ff; Hanau/Preis Π V 60 Rn 24 ff. Harald Schliemann

1148 1149

G. Müller RdA 90 321 ff. BAG 9.2.95 - 2 AZR 389/94 - NZA 96 249, 250.

157

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs.1150 Dies betrifft insbesondere Fragen des Schadenersatzes. Rechtsgrund kann ein Anspruch wegen positiver Vertragsverletzung sein. Besteht der Schaden allerdings nur in den Kosten eines verlorenen arbeitsgerichtlichen Prozesses, so kann der unterlegene Arbeitnehmer die nicht erstattungsfähigen Kosten des ersten Rechtszugs mit Rücksicht auf S 12a Abs 1 S 1 ArbGG auch nicht als materiellen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen. 1151 Deliktsrechtlich kommt nur ein Schadenersatzanspruch nach $ 823 Abs 2 BGB in Betracht. Dies setzt voraus, daß die Bestimmungen des Nachweisgesetzes als Schutzgesetz iSd S 823 Abs 2 BGB verstanden werden. 1152 Ähnlich der Bestimmung über die Schriftform des Ausbildungsvertrags ($ 4 BBiG), an deren Inhalt die Nachweisrichtlinie - RL 91/533 EWG - nichts geändert hat, 1153 dient auch das Nachweisgesetz dem Schutz des Einzelnen. Indessen wird es insoweit an einen von S 823 Abs 2 erfaßten Schaden fehlen. Ersatzfähig sind nach § 823 Abs 2 nur solche Schäden, gegen deren Entstehung die verletzte Norm schützen soll. Geschützt wird das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers an der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der für sein Arbeitsverhältnis geltenden rechtlichen Bedingungen. Die auf eine Verletzung des Nachweisgesetzes zurückzuführende Unsicherheit über die Vertragsbedingungen wird aber in aller Regel nicht über Schaden für einen vergeblichen Prozeßaufwand hinausgehen. Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs 2 Nr 1 BetrVG zwar das Recht, darüber zu wachen, daß gesetzliche Bestimmungen und damit auch die des Nachweisgesetzes eingehalten werden. Bei Verwendung von Formulararbeitsverträgen nur dann einen Anspruch auf Vorlage der ausgefüllten Arbeitsverträge, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit weiterer Informationen bestehen. 1154 4 8 4 Das Nachweisgesetz enthält keine ausdrücklichen Beweislastregeln. Eine Beweislastregel ist europarechtlich weder durch die NachweisRL1155 noch durch BeweislastRL1156 vorgegeben. Vielmehr gelten insoweit die Beweislastregelungen des nationalen Rechts.1157 Die Vermutungsregelung des § 154 BGB ist nicht anwendbar. Denn es geht nicht um eine Zweifelsregelung darüber, ob ein Vertrag geschlossen worden ist, sondern darum, daß die Bedingungen eines bereits geschlossenen Vertrages nachträglich schriftlich festgehalten werden, wenn auch nur von einer Seite, nämlich vom Arbeitgeber. Ebensowenig sind die Auslegungsregelungen für formbedürftige Rechtsgeschäfte1158 anzuwenden, denn es handelt sich nicht um die Beurkundung eines Rechtsgeschäftes durch eine beiderseits unterzeichnete Vertragsurkunde, sondern um die nachträgliche schriftliche einseitige Fixierung bereits ausgehandelter Arbeitsbedingungen. Zugunsten des Arbeitnehmers kann man lediglich davon ausgehen, daß im Nachweis festgehaltene Arbeitsbedingungen solche sind, an die der Arbeitgeber gebunden ist. Dagegen läßt sich dem Nachweisgesetz keine Umkehr der Beweislast zugunsten des Arbeitnehmers für den Fall entnehmen, daß im Nachweis nicht aufgeführte Arbeitsbedingungen auch nicht vereinbart seien. Eine solche Regelung hatte der Bundesrat in seinen Empfehlungen vorgeschlagen und insoweit die Aufnahme eines zusätzlichen $ 6 in das Nachweisgesetz angeregt. 11S9 Danach sollte der Arbeitgeber bei Verletzung seiner Nachweispflicht die Beweislast tragen, „wenn er sich auf die Vereinbarung einer Vergütung, die niedriger als die übliche Vergütung sein soll, oder auf sonstige Vertragsbedingungen berufen will, die sich im Einzelfall zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken". Die Bundesregierung hat dies in ihrer Gegenäußerung ausdrücklich abgelehnt. 1160 Ob in der Nichterteilung des Nachweises bzw dann wohl gleichstehend - der Nichtaufnahme einer besonderen arbeitsvertraglichen Bedingung in den Nachweis ein Verhalten des Arbeitgebers zu sehen ist, das ihn - wenn er sich hierauf im Prozeß beruft dem Verdacht aussetzt, fahrlässig die Beweisführung durch den Arbeitnehmer als beweisbelasteter USO Birk NZA 96 281, 289. 1151 BAG 3 0 . 5 . 9 2 - 8 AZR 288/91 - AP ArbGG $ 12a 1979 Nr 6. 1152 Bejahend Birk NZA 96 281, 289; E r f K o m m / P r m Einf NachwG Rn 12. 1153 BAG 21. 5 . 9 7 - 5 AZR 713/96 - AP BBiG § 4 Nr 1 1154 BAG 1 9 . 1 0 . 9 9 - 1 ABR 75/98 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr 58. 1155 RL 91/533/EWG über die Pflichten des Arbeitgebers z u r U n t e r r i c h t u n g des Arbeitnehmers über die f ü r seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (sog Nachweis-Richtlinie) - (AblEG L 288/32).

158

Harald Schliemann

1156 RL 97/80/EG des Rates über die Beweislast bei Diskriminierung a u f g r u n d des Geschlechts (sog Beweislast-Richtlinie) - (AblEG L 14/6), geändert durch RL 98/ 52/EG V 1 3 . 7 . 9 8 (AblEG L 205/66). 1157 E u G H 4 . 1 2 . 9 7 - Rs C 253-258/96 - K a m p e l m a n n - A P EWG-Richtlinie N r 91/533 Nr 3 auf Vorlage von LAG H a m m , 9 . 7 . 9 6 - 4 Sa 668/94 - AP EWG-Richtlinie N r 91/ 533 Nr 1. 1158 Vgl dazu: Kmer-Nieland in BGB-RGRK 12 $ 125 Rn 6 ff. 1159 BR-Drs 353/1/94, 4 f. 1160 BT-Drs 13/668, 24.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 III. Zustandekommen des Arbeitsvertrags Partei vereitelt zu haben, so daß in Anlehnung an $ 4 4 4 ZPO eine Entlastung des Arbeitnehmers von der Beweisführung vorzunehmen ist, 1 1 6 1 erscheint zumindest zweifelhaft. Eine bloß fahrlässige Nichterfüllung der Pflicht aus $ 2 NachwG genügt für § 4 4 4 ZPO nicht. Denn Voraussetzung für die Beweiserleichterung des $ 4 4 4 ZPO ist, daß eine Urkunde von einer Partei in der Absicht, ihre Benutzung dem Gegner zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht worden ist. Die Nichterteilung des Nachweises steht der Beseitigung einer Urkunde nicht gleich. Anders liegt der Fall dann, wenn ein erteilter Nachweis beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht wird. 4.

Arbeitsverhältnisse kraft Fiktion

Die Begründung eines Arbeitsvertrages setzt grundsätzlich eine Willensbetätigung der ArbeitsvertragsParteien voraus. Gleichwohl entstehen Arbeitsverhältnisse kraft Fiktion, nämlich zum einen dann, wenn befristete Arbeitsverhältnisse und Ausbildungsverhältnisse über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortgesetzt werden, zum anderen durch unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung. a)

Beschäftigung nach Fristablauf

Bei Dauerschuldverhältnissen werden die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien häufig über das zunächst vorgesehene Vertragsende hinaus tatsächlich fortgesetzt. Daraus ergibt sich ein besonderes Regelungsbedürfnis. aa)

486

Arbeitsverhältnisse

Für Dienst- und unbefristete Arbeitsverhältnisse regelt § 6 2 5 BGB (s $ 625 Rn 2 ff), für befristete Arbeitsverhältnisse bestimmt seit dem 1. Januar 2001 $ 15 Abs 5 TzBfG (s § 620 Rn 267 ff) die Rechtsfolgen bei einer über das Ende des Arbeitsvertrags hinausgehenden Beschäftigung. bb)

485

487

Berufsausbildungsverhältnisse

Das Berufsausbildungsverhältnis endet nach $ 14 Abs 1 BBiG mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Es endet nach $ 14 Abs 2 BBiG indessen mit dem Bestehen der Abschlußprüfung, wenn der Auszubildende sie vor Ablauf der Ausbildungszeit besteht. Besteht der Auszubildende die Abschlußprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens um ein Jahr ($ 14 Abs 3 BBiG). Demgemäß kann der Auszubildende sogar die Vertragsverlängerung bis zur zweiten Wiederholungsprüfung, längstens aber bis zum Ablauf der Verlängerungsjahres verlangen. 1 1 6 2 Die Abschlußprüfung hat der Aus-

488

zubildende iSd $ 14 Abs 2 BBiG erst bestanden, wenn die Prüfung abgeschlossen und das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt worden ist. 1 1 6 3 Diese Voraussetzung ist in der Regel erfüllt, wenn der Prüfungsausschuß über das Ergebnis der Prüfung einen Beschluß gefaßt und diesen bekannt gegeben hat. Etwas anderes gilt, wenn die gem S 4 1 BBiG von der zuständigen Stelle erlassene Prüfungsordnung einen anderen Zeitpunkt festlegt, zu welchem die Prüfung als „bestanden" anzusehen ist. 1 1 6 4 Gilt derart ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als zustande gekommen, so steht dem ehemaligen Auszubildenden eine Vergütung nach $ 612 Abs 1, 2 BGB zu. Soweit das fingierte Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung tarifvertraglichen Regelungen unterliegt, sind die in Tarifverträgen getroffenen Bestimmungen über den Zeitpunkt, von welchem an die tarifvertragliche Vergütung zu zahlen ist, zu beachten; dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen die Tage der Prüfungsleistungen und die Tage der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses auseinanderfallen. 1165

1161 So Birk NZA 96 281, 289. 1162 BAG 15.3. 2000 - 5 AZR 622/98 - BBiG $ 14 Nr 10. 1163 BAG 16.2.94 - 5 AZR 251/93 - AP BBiG § 14 Nr 6 (gem Anm zu Nr 6, 7 und 8: HJ. Weber); - 5 AZR 303/93 AP aaO Nr 7; - 5 AZR 434/93 - AP aaO Nr 8. Harald Schliemann

1164 BAG 5.4.84 - 2 AZR 54/83 - EzBBiG $ 14 Abs 2 Nr 18. 1165 BAG 16.2.94 - 5 AZR 251/93 - AP BBiG S 14 Nr 6 (gem Anm zu Nr 6, 7 und 8: HJ. Weber) betr Arbeiter Saarbergbau; - 5 AZR 303/93 - AP aaO Nr 7; betr Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Saarland; - 5 AZR 159

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

4 8 9 Die Parteien des Ausbildungsvertrages sind nicht verpflichtet, nach Abschluß der Berufsausbildung ein Arbeitsverhältnis zu begründen; insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem BBiG. 1166 Sog Weiterarbeitsklauseln, die vor Ablauf von sechs Monaten vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vereinbart werden, sind nach § 5 Abs 1 BBiG nichtig. Dies führt in der Praxis häufig dazu, daß die Parteien des Ausbildungsvertrages keine Regelung darüber treffen, was nach Beendigung des Berufsausbildungsvertrages zu geschehen hat. Eine an $ 625 BGB angelehnte Regelung enthält § 17 BBiG: Wird der Auszubildende im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis beschäftigt, ohne daß hierüber ausdrücklich etwas vereinbart worden ist, so gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. b)

Übernahmeanspruch der Jugendvertreter

4 9 0 Kraft Fiktion entsteht ein Arbeitsverhältnis nach $ 78a Abs 2 BetrVG, wenn ein Auszubildender, der Mitglied einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrates, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrates ist, innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung verlangt (Rn 449). c)

Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung

4 9 1 Kraft Fiktion gilt zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis als begründet, wenn der Arbeitsvertrag zwischen dem gewerbsmäßigen Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr 1 AÜG unwirksam ist ($ 10 Abs 1 S 1 AÜG). Ein derart kraft Fiktion zustande gekommenes Arbeitsverhältnis steht einem vertraglich begründeten Arbeitsverhältnis gleich; es kann, wenn es unbefristet ist, nur durch Kündigung oder Auflösungsvertrag beendet werden. 1167 Unwirksam sind nach § 9 Nr 1 ÄUG Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach $ 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat. Die gewerbsmäßige Überlassung zur Arbeitsleistung nach $ 1 ÄUG bedarf der Erlaubnis. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung im Betrieb eines Dritten erbringt und dieser (Entleiher) den Arbeitnehmer nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie einen eigenen Arbeitnehmer einsetzt; die Arbeitskräfte müssen voll in den Betrieb des Dritten eingegliedert sein; außerdem muß der Arbeitnehmer den Weisungen des Dritten oder dessen Repräsentanten hinsichtlich der Arbeitsausführung unterliegen. 1168 Nachdem $ 13 AÜG mit Wirkung vom 1.4.1997 ersatzlos weggefallen ist, 1169 entsteht in den Fällen der nach SS 1 Abs 2, 3 Abs 1 Nr 6 AÜG wegen Überschreitung der Überlassungsdauer vermuteten Arbeitsvermittlung zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer kein Arbeitsverhältnis mehr. 1170 Wird ein Arbeitsverhältnis kraft Fiktion zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer begründet, so hat dies nicht die automatische Beendigung des (Leih-)Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher zur Folge. 1171 5.

Arbeitsvertrag und Mitbestimmung

4 9 2 Nach $ 99 Abs 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Einstellung anzuhören. Das BAG versteht unter Einstellung iSd § 99 Abs 1 BetrVG nur die Aufnahme bzw Zuweisung der tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb, nicht aber schon den Abschluß des dieser Beschäftigung zugrundeliegenden Arbeitsvertrages.1172 Auf die Rechtsgrundlage für die tatsächliche Beschäftigung kommt es 434/93 - AP aaO Nr 8 = BetrR 94 155 (Krodel), betr Eisenund Stahlindustrie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen Dillenburg, Niederschelden und Wissen. 1166 BAG 5 . 4 . 8 4 - 2 AZR 513/82 - AP BBiG $ 17 Nr 2 (Herschel) unter Π 1 d Gr mwN. 1167 BAG 30.1.91 - 7 AZR 497/89 - AP ÄUG $ 10 Nr 8 = NZA 92 19, 817 (Dauner-Lieb). 1168 Zusammenfassend: BAG 1 . 6 . 9 4 - 7 AZR 7/93 - AP AÜG J 10 Nr 11 unter I 2 a d Gr mwN.

160

Harald Schliemann

1169 Durch Art 63 Nr 9 des Arbeitsförderungs-ReformG - AFRG - ν 24.3. 1997 (BGBl I 594). 1170 BAG 28.6. 2000 - 7 AZR 100/99 - AP AÜG § 13 Nr 3. 1171 BAG 15.4.99 - 7 AZR 437/97 - AP AÜG S 13 Nr 1 unter ausdrücklicher Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung BAG 10.2.77 - 2 ABR 80/76 - AP BetrVG 1972 $ 103 Nr 9. 1172 BAG 28.4.98 - 1 ABR 63/97 - AP BetrVG 1972

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 m. Zustandekommen des Arbeitsvertrags nicht an. 1 1 7 3 Seine frühere, insoweit nicht stets zwischen Eingliederung in den Betrieb und Abschluß des Arbeitsvertrages unterscheidende Rechtsprechung hatte das BAG in seinem Urteil vom 28. April 1992 ausdrücklich aufgegeben. 1 1 7 4 Diese restriktive Auslegung des Mitbestimmungstatbestandes führt dazu, daß der mit dem Arbeitnehmer geschlossene Arbeitsvertrag trotz fehlender Z u s t i m m u n g des Betriebsrats zur Einstellung n i c h t unwirksam ist. Vielmehr kann der Betriebsrat nur verlangen, daß der Arbeitnehmer, zu dessen Einstellung er seine Zustimmung nach $ 99 BetrVG rechtmäßig verweigert hat, nicht im Betrieb beschäftigt wird. 1 1 7 5 Insbesondere unterliegt der Inhalt des Arbeitsvertrages nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. 1 1 7 6 Der Betriebsrat ist rechtlich nicht in der Lage, seine Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers mit der Begründung zu verweigern, eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitsbedingung oder dessen Befristung sei urwirksam. 1 1 7 7 Allerdings darf der Arbeitgeber die Einstellung eines Bewerbers nicht davon abhängig machen, daß dieser keiner Gewerkschaft angehört. Ein solches Auswahlkriterium verstößt gegen das nach Art 9 GG geschützte Recht des Arbeitnehmers, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein. Der Verstoß berechtigt den Betriebsrat, die Zustimmung zur Einstellung zu verweigern. 1 1 7 8 Bedarf danach der Abschluß des Arbeitsvertrages nicht der Zustimmung des Betriebsrates, so folgt daraus indessen nicht notwendig, daß es genüge, den Betriebsrat erst nach Abschluß des Arbeitsvertrages zu unterrichten und die Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers, nämlich zu dessen geplanter Beschäftigung im Betrieb, einzuholen. Vielmehr hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nach $ 99 Abs 1 S 1 BetrVG „vor der Einstellung" zu unterrichten und die Zustimmung zu der „geplanten Einstellung" einzuholen. Versteht man unter Einstellung die Zuweisung oder die Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung im Betrieb, so erfolgt eine Unterrichtung des Betriebsrats auch dann noch „vor der Einstellung", wenn sie zwar nach Abschluß des Arbeitsvertrages, aber noch vor Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung durchgeführt wird. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß eine solche in der Zwischenzeit stattfindende Beteiligung des Betriebsrats den Anforderungen des Gesetzes genügen und dem Sinn dieser Mitbestimmungsbeteiligung gerecht wird. Vielmehr m u ß die Beteiligung des Betriebsrats an Maßnahmen des Arbeitgebers zu einer Zeit erfolgen, zu der noch keine abschließende oder endgültige Entscheidung getroffen worden ist oder - wie etwa bei einer Kündigung - eine solche noch ohne Schwierigkeiten zurückgenommen werden kann. Mit dem Abschluß des Arbeitsvertrages ist die Entscheidung, den Arbeitnehmer auch im Betrieb zu beschäftigen, in diesem Sinne abschließend gefallen. Auch der Umstand, daß $ 99 Abs 1 S 1 und 2 BetrVG von „Bewerbungsunterlagen", von „Auskünften über die Person der Beteiligten" und von dem „in Aussicht genommenen Arbeitsplatz" sowie von einer „vorgesehenen Eingruppierung" spricht, deutet daraufhin, daß die U n t e r r i c h t u n g des Betriebsrats vor Abschluß des Arbeitsvertrages zu erfolgen hat. Denn wenn mit dem Abschluß des Arbeitsvertrages die Entscheidung gefallen ist, gibt es keinen Bewerber um einen Arbeitsplatz mehr, der beschäftigt werden könnte, sondern nur noch den bereits vertraglich gebundenen Arbeitnehmer. 1 1 7 9

493

Diese Grundsätze gelten auch für die Beteiligung des Personalrates nach $ 75 Abs 1 Nr 1 BPersVG. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich die Mitbestimmung des Personalrates nach $ 75 Abs 1 Nr 1 BPersVG nicht auf den Abschluß des Arbeitsvertrages und dessen Inhalt, sondern allein auf die Eingliederung des Einzustellenden in die Dienststelle; das mit der Ein-

494

stellung in aller Regel zu begründende Beschäftigungsverhältnis (Arbeits- oder Dienstverhältnis) sei nicht Gegenstand der Mitbestimmung. 1 1 8 0 Landespersonalvertretungsgesetze können dieselben Rege-

$ 99 Einstellung Nr 22; aA Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG § 99 Rn 28 ff. 1173 BAG 22.4.97 - 1 ABR 74/96 - AP BetrVG 1072 $ 99 Einstellung Nr 18. 1174 BAG 28.4.92 - 1 ABR 73/91 - AP BetrVG 1972 S 99 Nr 98 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner entgegenstehenden bisherigen Rechtsprechung, insbesondere im Beschluß vom 14.5.74 - 1 ABR 40/73 - AP BetrVG 1972 S 99 Nr 2. 1175 BAG 13.4.94 - 7 AZR 651/93 - AP LPVG NW $ 72 Nr 7 unter Β Π 2 c aa d Gr; 3.10.89 - 1 ABR 73/88 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 74 zu Β Π I d Gr mwN. Harald Schliemann

1176 BAG 28.4.92 - 1 ABR 73/91 - AP BetrVG 1972 J 99 Nr 98. 1177 BAG 28.3. 2000 - 1 ABR 16/99 - AP BetrVG 1972 $99 Einstellung Nr 27; 28.4.92 - 1 ABR 73/91 - AP BetrVG 1972 J 99 Nr 98. 1178 BAG 28.3. 2000 - 1 ABR 16/99 - AP BetrVG 1972 $ 99 Einstellung Nr 27. 1179 BAG 13.4.94 - 7 AZR 651/93 - AP LPVG NW $ 72 Nr 7; 3.10.89 - 1 ABR 73/88 - AP BetrVG 1972 $99 Nr 74. 1180 BVerwG 25.8.88 - 6 Ρ 36.85 - AP BPersVG $ 75 Nr 27. 161

S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag lungen enthalten, wie sie im BPersVG zu finden sind. 1 1 8 1 Es ist aber auch möglich, daß ein LPVG weitergehende Mitbestimmungsrechte einräumt, wie zB $ 72 Abs 1 Nr 1 LPVG Nordrhein-Westfalen bezüglich der Befristung von Arbeitsverhältnissen. 1 1 8 2 6. 495

Mängel des Arbeitsvertrags

Der Arbeitsvertrag bzw die auf seinen Abschluß gerichteten Willenserklärungen können - wie andere Rechtsgeschäfte auch - nichtig oder anfechtbar sein. Hierauf kann sich keine Vertragspartei mehr berufen, wenn der nichtige oder anfechtbare Arbeitsvertrag nach den §§ 141, 144 bestätigt worden

a)

Nichtigkeit

496

Die Nichtigkeit kann sich bei Arbeitsverträgen nicht nur aus entsprechenden Beschäftigungsverboten (vgl Rn 4 5 7 ff, 459) ergeben, sondern auch aus anderen gesetzlichen Verboten mit entsprechendem Schutzzweck, auch aus Diskriminierungsverboten wie § 612a BGB (s dort Rn 24). Indessen ist bei nichtigen oder unwirksamen E i n z e l b e s t i m m u n g e n i m Arbeitsvertrag stets zu prüfen, ob dies gem S 139 BGB die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags insgesamt zur Folge hat oder nur die der jeweiligen Einzelbestimmung. Im Regelfall würde die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags insgesamt dem Schutzzweck der Verbotsnorm widersprechen, wenn nur einzelne Bestimmungen des Arbeitsvertrags wegen ihrer Unvereinbarkeit mit Arbeitnehmerschutznormen unwirksam oder nichtig sind. Demgemäß bleibt abweichend von § 139 BGB der übrige Teil des Arbeitsvertrags ohne die nichtige Bestimmung wirksam. 1 1 8 4 Häufig sind Vergütungsabreden wegen Verstoßes gegen Diskriminierungsverbote bzw gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder wegen Lohnwuchers unwirksam (vgl § 612a Rn 22 ff). Vor allem in solchen Fällen ist nicht der Arbeitsvertrag insgesamt nichtig; vielmehr wird dann idR eine Vergütung nach § 612 Abs 1 , 2 BGB geschuldet (vgl $ 612 Rn 30, Rn 79). Soweit einzelne Vertragsbestimmungen gegen die Berufsausübungsfreiheit nach Art 12 GG verstoßen, hat das BAG zum Teil auch eine regelungserhaltende Reduktion in Form einer verfassungskonformen Auslegung vorgenommen. In solchen Fällen war die Regelung nur insoweit zu beanstanden, als sie - gemessen an Art 12 GG - überzogen war. 1 1 8 5 Diese Rechtsprechung hat Kritik erfahren, weil die verfassungskonforme Auslegung als Prinzip für Vertragsklauseln verfehlt sei. 1 1 8 6 Der Kritik ist nicht zu folgen. Keineswegs führt diese Rechtsprechung in der Praxis dazu, daß Arbeitgeber überschießende Vertragsklauseln in Formularverträgen verwenden können, ohne besondere rechtliche Risiken einzugehen. Die verfassungskonforme Auslegung kann durchaus auch zur Folge haben, daß eine gestaltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht kommt oder in weitaus geringerem Maße, als

497

Als - aus unterschiedlichen Gründen - nichtig wurden unter anderem angesehen: Der Abschluß eines Arbeitvertrags zur Vorführung von Geschlechtsverkehr a u f der B ü h n e , 1 1 8 7 eine Vereinbarung zur

der Arbeitgeber bei der Klauselformulierung vor Augen hatte.

Täuschung des Steuerfiskus 1 1 8 8 oder der Arbeitsverwaltung, 1 1 8 9 die Verlustbeteiligung des Arbeitnehmers ohne angemessenen Ausgleich, 1 1 9 0 sittenwidriger Lohnverzicht (künftiger Lohn), 1 1 9 1 Vergü-

1181 BVerwG 26.1. 2000 - 6 Ρ 2.99 - AP MitbestG Schleswig-Holstein § 51 Nr 2; 17.8.89 - 6 Ρ 11.87 - AP LPVG Bremen § 64 Nr 1. 1182 BAG 13.4.94 - 7 AZR 651/93 - AP LPVG NW § 72 Nr 7; 3 . 1 0 . 8 9 - 1 ABR 73/88 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr 74. 1183 BAG 21.2.91 - 2 AZR 449/90 - AP BGB $ 123 Nr 35. 1184 MünchKommBGB/MKÍkr-GtóÉe S 61 Rn 331. 1185 Vgl zu Nebentätigkeitsverboten: BAG 6.9.90 2 AZR 165/90 - AP BGB S 615 Nr 47; zu einzelvertraglichen Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten: BAG 6 . 9 . 9 5 - 5 AZR 241/94 - AP BGB $611 Ausbildungsbeihilfe Nr 23.

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Harald Schliemann

1186 Preis Grundfragen der Vertragsgestaltung bei Arbeitsverhältnissen, § 7 II; Fastrich Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, $ 3 III. 1187 1.4.76 - 4 AZR 96/75 - AP BGB § 138 Nr 34. 1188 BGH 23.1.92-IZR265/90-APBGBJ 138Nr48; LAG Nürnberg 4.7.94 - LAGE BGB § 138 Nr 8. 1189 Hessisches LAG 11.3.98 - 8 Sa 439/92 - LAGE BGB J 138 Nr 13. 1190 BAG 1 0 . 1 0 . 9 0 - 5 AZR 404/89 - AP BGB $138 Nr 47. 1191 LAG Berlin 17.2.97 - 9 Sa 124/96 - LAGE BGB $ 138 Nr 9.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 m . Zustandekommen des Arbeitsvertrags

tung für 14-tägige Probearbeit nur bei Abschluß eines endgültigen Arbeitsvertrags,1192 die Bindung eines Arbeitnehmers durch vereinbarte Vorschüsse auf eine Provisionsvereinbarung mit schlechterdings unerreichbaren Umsätzen,1193 Lohnwucher (vgl $ 612 Rn 22 ff), außergerichtliche deutlich überzogene Schuldanerkenntnisse von Arbeitnehmern über Schadenersatz, 1194 nachvertragliche Transferentschädigungen im Berufssport. 1195 Dieselben Grundsätze wie für letztwillige Verfügungen zugunsten nichtehelicher Lebensgefährten gelten für die Hinterbliebenenversorgung der Lebensgefährtin 1196 und für Geliebtenarbeitsverhältnisse. 1197 b)

Anfechtbarkeit

Die auf den Abschluß des Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärungen unterliegen der Anfechtbar- 4 9 8 keit wegen Erklärungsirrtums (§ 119 Abs 1 BGB), 1198 Irrtum über ein verkehrswesentliche Eigenschaft, zB wegen langfristiger krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bei einem neu eingestellten Arbeitnehmer (§ 119 Abs 2 BGB), 1199 wegen unrichtiger Übermittlung ($ 120 BGB), aber auch wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung (§ 123 BGB). 1200 Die Anfechtung stellt keine Kündigung dar. Die allgemeinen wie auch die besonderen Kündigungsbeschränkungen, etwa nach dem Kündigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz usw sind auf die Anfechtung nicht anzuwenden.1201 Ebensowenig bedarf die Erklärung der Anfechtung des Arbeitsvertrags bzw der zustimmenden Willenserklärung hierzu der vorherigen Anhörung der Betriebsrats nach S 102 BetrVG.1202 Allerdings können die Anfechtung und die außerordentliche Kündigung wahlweise und nebeneinander erklärt werden, der Anfechtungsgrund im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung noch hinreichende Wirkung hat. 1203 Die Irrtumsanfechtung nach den §§ 119,120 BGB muß unverzüglich erklärt werden (§121 BGB); nach Ansicht des BAG innerhalb der Zweiwochenfrist des $ 626 Abs 2 BGB. 1204 Die Umdeutung einer Anfechtungserklärung in eine außerordentliche Kündigung ist denkbar; das BAG hat sie jedoch abgelehnt, wenn der Anfechtungsberechtigte seine Wahl klar und eindeutig bezeichnet hat. 1205 Die Umdeutung einer ordentlichen Kündigung in eine Anfechtungserklärung ist wegen der weiterreichenden Folgen der Anfechtung als einem rückwirkenden, zumindest aber sofort wirkenden Beendigungstatbestand nicht möglich, 1206 wohl aber kann eine außerordentliche Kündigung in eine Anfechtungserklärung umgedeutet werden.1207 Abweichend von der Grundregel, wonach die Nichtigkeitsfolge im Fall der Anfechtung zurückwirkt, ist 4 9 9 bei der Anfechtung einer auf den Abschluß des Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung (Arglistanfechtung) nicht der Fall, soweit der Arbeitsvertrag durch die Erbringung von Arbeitsleistung in Vollzug gesetzt worden ist (vgl Rn 146). Dagegen ist die Einschränkung der Rückwirkungsfolge nicht geboten, soweit keine Arbeitsleistung erbracht worden ist, sondern zB nur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dies hat das BAG im Urteil vom 3.12.1998 unter ausdrücklicher

1192 LAG Köln 18.3.98 - 8 Sa 1662/97 - LAGE BGB S 138 Nr 10. 1193 OLG Düsseldorf 26.2.99 - 22 U 193/98 - LAGE BGB $ 138 Nr 14; Thüringer LAG 10.9.98 - 5 Sa 104/97 LAGE BGB $ 138 Nr 12; BAG 20.6.89 - 3 AZR 504/87 AP HGB $ 87 Nr 8; LAG Berlin 3.11.86 - 9 Sa 65/86 - AP HGB S 65 Nr 7. 1194 Vgl BAG 22.10.98 - 8 AZR 457/97 - AP BGB $ 781 Nr 5 mwN. 1195 BGH 27.9.99 - Π ZR 377/98 - AP BGB §611 Berufssport Nr 17 (Eishockey); BAG 20.11.96 - 5 AZR 518/95 - AP BGB S 611 Berufssport Nr 12 (Eishockey); EuGH 15.12.95 - Rs C 415-93 - Bosman - BGB § 611 Berufssport Nr 10 (Fußball); BAG 15.11.89 - 5 AZR 590/ 88 - AP BGB s 611 Berufssport Nr 6 (Eishockey). 1196 BAG 16.8.83 - 3 AZR 34/81 - AP BetrAVG $ 1 Hinterbliebenenversorgung Nr 2. 1197 LAG Nürnberg 4.7.94 - LAGE BGB $ 138 Nr 8.

Harald Schliemann

1198 BAG 3 0 . 1 0 . 8 7 - 7 AZR 115/87 - AP BGB $ 119 Nr 8. 1199 Std Rspr: BAG 26.7.89 - 5 AZR 491/88 - AP LohnFG $ 1 Nr 87; 28.3.74 - 2 AZR 92/73 - AP BGB $119 Nr 3. 1200 Std Rspr BAG 20.5.99 - 2 AZR 320/98 n- AP BGB § 123 Nr 50. 1201 ErfKomm/Pre« S 611 Rn 470 mwN. 1202 BAG 11.11.93 - 2 AZR 467/93 - AP BGB $ 123 Nr 38. 1203 BAG 21.2.91 - 2 AZR 449/90 - AP BGB $ 123 Nr 35. 1204 BAG 14.12.79 - 7 AZR 38/78 - AP BGB S 119 Nr 4; aA Staudinger/Ricfterdi $ 611 Rn 164. 1205 BAG 14.12.79 - 7 AZR 38/78 - AP BGB $ 119 Nr 4. 1206 BAG 1 4 . 1 0 . 7 5 - 2 AZR 365/74 - AP MuSchG $ 9 Nr 4. 1207 Ddrner AR-Blattei SD 60 Rn 105.

163

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung1208 entschieden.1209 Inwieweit eine Rückwirkung bei einer Irrtumsanfechtung eintritt, ist noch nicht entschieden.1210

IV. Dauer und Beendigung des Arbeitsvertrags 5 0 0 In der Masse der Fälle werden Arbeitsverträge auf unbestimmte Dauer geschlossen. Vermehrt sind aber auch Arbeitsverträge anzutreffen, die auf bestimmte Zeit, dh befristet, abgeschlossen werden. Seltener sind Arbeitsverträge anzutreffen, die unter eine auflösende Bedingung gestellt sind. 1.

Beendigung durch vorherige vertragliche Gestaltung (Befristung, auflösende Bedingung)

5 0 1 Die Befristung von Arbeitsverhältnissen, sei es als Zeitbefristung, sei als Zweckbefristung, hat durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz ab 1. Januar 2001 1211 eine Neuregelung erfahren (vgl insgesamt die Erläuterungen zu S 620 Rn 66 ff). Die Eingehung eines befristeten Arbeitsvertrags bedarf grundsätzlich eines Sachgrundes ($ 14 Abs 1 TzBfG), es sei denn, daß die Ausnahmeregelungen des S 14 Abs 2 und 3 TzBfG eingreifen. Die Befristung selbst bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform ($14 Abs 4 TzBfG). Die Beendigung befristeter Arbeitverträge richtet sich, auch wenn Rechtsgrundlage für die Befristung nicht das TzBfG ist, nicht mehr nach § 620 BGB, sondern ausschließlich nach dem TzBfG ($ 620 Abs 3 BGB nF). Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist ($ 15 Abs 3 TzBfG). Für Arbeitsverhältnisse, die unter eine auflösende Bedingung gestellt sind, gelten bestimmte Normen für befristete Arbeitsverträge entsprechend ($ 21 TzBfG). 2.

Beendigung durch nachträgliche vertragliche Gestaltung

5 0 2 Die Parteien können ihren Arbeitsvertrag jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag bzw Auflösungsvertrag beenden 1212 (vgl insgesamt: Corts vor § 620). 3.

Beendigung durch Kündigung

5 0 3 Die Beendigung des Arbeitsvertrages auf unbestimmte Zeit kann durch eine Kündigung herbeigeführt werden (vgl dazu ausführlich: $ 620 Rn 453 ff). Als auf unbestimmte Zeit geschlossen werden dabei auch Arbeitsverträge angesehen, in denen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichen des regelmäßigen Rentenalters bzw des 65. Lebensjahres vereinbart ist. Eine ordentliche Kündigung ist rechtlich ausgeschlossen, wenn der Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet abgeschlossen worden ist und die Parteien nicht vereinbart haben, daß der Arbeitsvertrag auch vor Ablauf seiner Befristung ordentlich gekündigt werden kann (§15 Abs 3 TzBfG - vgl $ 620 Rn 275 ff). Dagegen ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung auch bei einem befristet abgeschlossenen Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen ($ 626 Rn 71). 4.

Sonstige Beendigungsgründe

a)

Rücktritt, Unmöglichkeit, Wegfall der Geschäftsgrundlage

5 0 4 Ein Arbeitsvertrag kann - außer im Fall besonderer vertraglicher Vereinbarung - nicht durch Ausübung des Rücktrittsrechts ($ 349 BGB) beendet werden; vielmehr werden die gesetzlichen Rücktrittsvorschriften durch die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitsvertrages ersetzt ($ 620 Rn 31). Entspre1208 BAG 18.4.68 - 2 AZR 145/67 - AP Nr 32 zu § 63 HGB; 16.9.82 - 2 AZR 228/80 - Nr 24 zu $ 123 BG; 20.2.86 - 2 AZR 244/85 - AP Nr 24 und 31 zu $ 123 BGB. 1209 BAG 3 . 1 2 . 9 8 - 2 AZR 754/97 - AP BGB $ 123 Nr 49. 1210 BAG 29.4.84 - 7 AZR 34/83 - AP BGB $ 123 Nr 27.

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Harald Schliemann

1211 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge(Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) vom 21.12. 2000 (BGBl I 1966). 1212 BAG 30.9.95 - 2 AZR 268/93 - AP BGB S 123

Nr 37 (Boemke).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 IV. Dauer und Beendigung des Arbeitsvertrags

chendes gilt für den Fall der nachträglichen Unmöglichkeit ($ 620 Rn 32). Allerdings ist ein Arbeitsvertrag von Anfang an nichtig, wenn er auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet ist (5 306 BGB). Dabei wird die subjektive Unmöglichkeit dann der objektiven gleichgestellt, wenn der Arbeitnehmer persönlich zur Leistung verpflichtet ist und ihm die Arbeitsleistung unzumutbar ist. 1213 In der Regel führt auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zum Erlöschen des Arbeitsvertrages; anderes ist angenommen worden, wenn die tatsächlichen Grundlagen für die Beschäftigung durch unbeeinflußbare äußere Ereignisse, nämlich Kriegswirren, für beide Vertragsparteien erkennbar auf unabsehbare Zeit weggefallen ist. 1 2 1 4 b)

Betriebsübergang, Arbeitnehmerüberlassung

Von Gesetzes wegen wird ein Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber im Fall des rechtsge- 5 0 5 schäftlichen Betriebsüberganges beendet. In dem Augenblick, in welchem der Betriebsübergang wirksam wird und der Arbeitnehmer gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen hat, erlischt das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber. An seine Stelle tritt der Betriebsübernehmer als neuer Arbeitgeber ($ 613a Rn 61) Wird ein Arbeitsverhältnis kraft Fiktion zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer begründet, so hat dies nicht die automatische Beendigung des (Leih-)Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher zur Folge. 1215 c)

Tod

Der Tod des Arbeitnehmers hat in der Regel, soweit die Dienste nach $ 613 BGB persönlich von ihm zu leisten waren, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Gesetzes wegen zur Folge (SS 613 Rn 6). Der Tod des Arbeitgebers löst diese Rechtsfolge grundsätzlich nicht aus (SS 613 Rn 8). d)

506

Altersgrenzen

Die Erreichung von Altersgrenzen, insbesondere der Eintritt in das sog Rentenalter, hat nicht für sich 5 0 7 allein die Beendigung des Arbeitsvertrages zur Folge. Möglich ist allerdings, derartige Beendigungstatbestände zu vereinbaren (vgl § 620 Rn 167 ff). e)

Formnichtigkeit

Vom formfehlerhaft geschlossenen Arbeitsvertrag können sich die Parteien des Arbeitsvertrages ohne 5 0 8 weiteres für die Zukunft lossagen, es sei denn, daß die Formnichtigkeit geheilt worden ist. Für die Vergangenheit hat ein solches Lossagen vom formnichtigen Arbeitsvertrag nur Folgen, soweit das Arbeitsverhältnis nicht in Vollzug gesetzt worden ist. 1216 f)

Gerichtliche Auflösung

Durch gerichtliche Entscheidung können ebenfalls Arbeitsverträge beendet werden, insbesondere durch ein Auflösungsurteil im Kündigungsschutzprozeß nach den SS 9, 10 KSchG ($ 620 Rn 7 1 7 733).

509

Das nach S 78a BetrVG fingierte Arbeitsverhältnis von Jugend Vertretern pp endet ebenfalls aufgrund 5 1 0 arbeitsgerichtlicher Entscheidung nach $ 78a Abs 4 BetrVG; insoweit trifft das Gericht eine rechtsgestaltende Auflösungsentscheidung.1217 Dagegen wird nicht der Arbeitsvertrag aufgelöst, sondern nur eine vorläufige personelle Maßnahme beendet, wenn das Gericht nach $ 100 Abs 3 BetrVG durch 1213 Schaub § 35 Rn 2. 1214 BAG 3 . 1 0 . 6 1 - 3 AZR 138/60 - AP BGB § 242 Geschäftsgrundlage Nr 4. 1215 BAG 1 5 . 4 . 9 9 - 7 AZR 4 3 7 / 9 7 - AP AÜG $ 13 Nr 1 unter ausdrücklicher Aufgabe der entgegenstehenden

Harald Schliemann

Rechtsprechung BAG 1 0 . 2 . 7 7 - 2 ABR 80/76 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr 9. 1216 BAG 1 5 . 1 1 . 5 7 - 1 AZR 189/57 - AP BGB $ 125 Nr 2; vgl auch Rn 146. 1217 BAG 1 1 . 1 . 9 5 - 7 AZR 574/94 - AP BetrVG 1972 $ 78a Nr 24 = AR-Blattei ES 4 0 0 Nr 85 (Krause).

165

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

rechtskräftige Entscheidung ablehnt, die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung eines Arbeitnehmers nach S 99 BetrVG zu ersetzen, oder wenn es feststellt, daß die vorläufige personelle Maßnahme, die in der Beschäftigung des Arbeitnehmers ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats liegt, aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Insoweit wird dem Arbeitgeber nur die Beschäftigung untersagt; das der Beschäftigung zugrundeliegende Rechtsgeschäft bleibt jedoch unberührt. 1218

V.

Inhaltsnormen des Arbeitsvertrags

5 1 1 Zur grundgesetzlich garantierten Vertragsfreiheit (Art 2 Abs 1, Art 12 Abs 1 GG) zählt nicht nur die Abschlußfreiheit, dh die grundsätzliche Freiheit zu entscheiden, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll (s Rn 444-460), sondern grundsätzlich auch die Inhaltsfreiheit. Auch der inhaltlichen Gestaltung können allerdings Grenzen gesetzt werden. Daneben gibt es ansatzweise seit dem 1. Januar 2001 einen Kontrahierungszwang über Teilzeit hinsichtlich der Arbeitszeitmenge und -läge ($ 8 TzBfG). Hierdurch ist eine neue Dimension der Beschränkung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit für Arbeitsverträge geschaffen worden. 1.

Vertragspraxis

5 1 2 In der Vertragspraxis zeigt sich, daß hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Arbeitsvertragsbedingungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern häufig kein Gleichgewicht herrscht. Soweit es um die Relation von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt geht, kommt es zwar vorrangig auf die wirtschaftliche Durchsetzungsfähigkeit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und damit auf deren Stellung am jeweiligen örtlichen und zeitlichen Arbeitsmarkt an. 1 2 1 9 Besteht Bedarf an der betreffenden Arbeitskraft und hat der Arbeitgeber keine Ausweichmöglichkeiten, so kann es dem Arbeitnehmer durchaus gelingen, ein höheres Arbeitsentgelt auszuhandeln. Ist dies nicht der Fall oder besteht gar ein erheblicher Arbeitskräfteüberhang, so ist es häufig für die Arbeitgeberseite möglich, schlechtere Entgeltbedingungen zu vereinbaren. In großen Bereichen des Arbeitslebens, vorrangig solchen, die aus öffentlichen Kassen finanziert werden, ist es nahezu ausgeschlossen, vom Tarifentgelt abweichende, höhere Entgeltbedingungen zu vereinbaren. Insofern stellen die tarifvertraglichen Mindestbedingungen zugleich faktisch Höchstbedingungen dar. 1220 In der Privatwirtschaft sind sehr häufig Zusatzleistungen über die vereinbarten Arbeitsvertragsvergütungen hinaus anzutreffen, seien es ausdrücklich beiderseits bindend vereinbarte Zusatzleistungen, seien es einseitig vom Arbeitgeber gewährte und in aller Regel widerruflich ausgestaltete Sonderleistungen. 5 1 3 Tatsächlich ist die Freiheit der inhaltlichen Gestaltung von Arbeitsverträgen hinsichtlich der einzelnen Arbeitsvertragsbedingungen unabhängig von der Frage des wirtschaftlichen Gleichgewichts zwischen dem jeweiligen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber stark eingeschränkt. Dies beruht auf dem in der Regel anzutreffenden Bestreben der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer ebenso wie auf dem verständlichen Bestreben nach einer Rationalisierung und Vereinfachung der Personalarbeit und -Verwaltung. 1221 Die Möglichkeit eines einzelnen Arbeitnehmers, derart vorgefertigte Arbeitsbedingungen anders auszuhandeln, ist marginal, weil „der individuelle Arbeitsvertrag für die Unternehmer gar nicht praktikabel" ist. 1 2 2 2 Der vorformulierte Arbeitsvertrag ist die Regel, der individuell ausgehandelte stellt die Ausnahme dar. 1223 5 1 4 Die Vorformulierung von Arbeitsverträgen und Arbeitsvertragsbedingungen beruht, soweit auf das Arbeitsverhältnis keine tarifvertraglichen Bestimmungen anzuwenden sind und auch nicht zu erwarten ist, daß sie anwendbar werden, in der Regel auf einseitig vom Arbeitgeber aufgestellten Bedingungen. In der Praxis handelt es sich um allgemeine Vertragsbedingungen iSd Gesetzes über 1218 $ 100 1219 1220

166

BAG 18.10.88 - 1 ABR 36/87 - AP BetrVG 1972 Nr 4 (Sundermann). Vgl MünchArb/Ricftardi $ 12 Rn 2. Schliemann ZTR 90 135; vgl zur Frage der „Lei-

Harald Schliemann

stungsvergütung": Frese PersR 95 357; Tondorf PersR 94 511. 1221 Hanau/Preis Der Arbeitsvertrag I Β Rn 3 mwN. 1222 Zöllner AcP 176 (1976) 221, 233. 1223 Hanau/Preis Der Arbeitsvertrag I Β Rn 3 mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Inhaltsnormen des Arbeitsvertrags

allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBG). Sie unterliegen der richterlichen Arbeitsvertragskontrolle (vgl Rn 157). Das BAG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 23 AGBG angenommen, daß die allgemeinen Rechtsgedanken, die im AGBG ihren Niederschlag gefunden haben, auch für Arbeitsverträge gelten und bei der Inhaltskontrolle zu berücksichtigen sind. 1224 Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber in S 10 Abs 4 Satz 2 BGB nF aufgegriffen. Muß der Arbeitgeber mit der zwingenden Anwendung tarifvertraglicher Regelungen rechnen, 5 1 5 insbesondere dann, wenn er selbst tarifgebunden ist und es insoweit nur noch auf eine denkbare Tarifbindung des Arbeitnehmers ankommt, so finden sich in vorformulierten Arbeitsverträgen häufig Verweisungsnormen auf die einschlägigen Tarifverträge. 1225 Es wird im (Formular-)Arbeitsvertrag, 1226 im „Bestätigungsschreiben"1227 oder formlos 1228 die Anwendung dieser tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie unmittelbar und zwingend gelten (vgl zu den Rechtswirkungen Rn 519 ff, 523 ff). Der weit überwiegende Teil aller Arbeitsverträge verweist auf Tarifverträge; für den größeren Teil der Arbeitnehmer gelten damit die tarifvertraglichen Bedingungen nicht kraft Tarifgebundenheit ($ 3 TVG), sondern (lediglich) aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung.1229 Ferner wird in der übergroßen Zahl aller vorformulierten Arbeitsverträge auf Betriebsvereinbarungen, bestehende Arbeits- und Betriebsordnungen und allgemeine Arbeitsbedingungen verwiesen. Je größer die Regelungsdichte der Bestimmungen ist, auf die verwiesen wird, desto weniger muß im 5 1 6 Arbeitsvertrag selbst geregelt werden. Im Bereich des öffentlichen Dienstes beschränken sich schriftliche Arbeitsverträge in der Regel ebenfalls auf ganz wenige Regelungspunkte, nämlich Beginn und ggf Befristung des Arbeitsverhältnisses, grobe Umschreibung des Inhaltes der geschuldeten Arbeitsleistung, Hinweis auf die tarifliche Eingruppierung und im übrigen eine Verweisung auf die Regelungen der einschlägigen Tarifverträge einschließlich der sie ändernden, ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge. Unter der Formularklausel „Nebenabreden" finden sich in der Regel keine Eintragungen. Dabei ist nicht stets erkennbar, daß derartig formulierte Verträge den Anforderungen der Nachweisgesetzes genügen (vgl dazu Rn 475 ff, 482 f). 2.

Rechtsgrundlagen und Rangfolgen

Grundsätzlich sind die individuellen Abreden aus dem Einzelvertrag Rechtsgrundlage für die 5 1 7 beiderseits nach $ 611 BGB geschuldeten Pflichten. Die freie Vereinbarung findet insoweit ihre Grenze, soweit Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebvereinbarung normativ gelten und vorrangig zu berücksichtigen sind. Insoweit ist die Freiheit zur inhaltlichen Gestaltung des Arbeitsvertrages vielfach beschnitten. Dies betrifft nicht nur individuell ausgehandelte Abreden, sondern auch die Formulierung allgemeiner Vertragsbedingungen. In vielen Fällen ist es Aufgabe der Rechtsprechung, derartige Vorrangfragen zu klären oder - soweit solche Regelungen nicht bestehen - ihrerseits durch Vertragskontrolle Vorkehrungen zum Schutz der Berufsfreiheit gegen vertragliche Beschränkungen zu schaffen, wenn es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt. 1230 a)

Zwingendes Gesetzesrecht

Inhaltsnormen des Arbeitsvertrags müssen dem zwingenden Gesetz genügen. Soweit sie gegen 5 1 8 zwingendes Gesetzesrecht verstoßen, sind sie gem §§ 134,138 BGB nichtig (vgl Rn 496 f). Die Nichtigkeitsfolgen sind jedoch auf den Zeitraum begrenzt, in welchem der Arbeitsvertrag nicht in Vollzug gesetzt war (Rn 146). Soweit einzelne Vertragsbedingungen wegen Verstoßes gegen zwingendes Ge-

1224 BAG 2 9 . 1 1 . 9 5 - 5 AZR 447/94 - EzA S 611 BGB Inhaltskontrolle Nr 4 mwN; kritisch: Schwarz BB 9 6 1 4 3 4 . 1225 Vgl MünchArbR/Ricftardi $ 12 Rn 15 f. 1226 BAG 4 . 9 . 9 6 - 4 AZR 135/95 - AP TVG $ 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 5.

Harald Schliemann

1227 BAG 2 8 . 5 . 9 7 - 4 AZR 663/95 - AP TVG $ 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 6. 1228 BAG 1 9 . 1 . 9 9 - 1 AZR 606/98 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 9. 1229 Hanau/Preis Der Arbeitsvertrag I Β Rn 4 mwN. 1230 BVerfGE 81 342 = AP GG Art 12 Nr 65 (Canaris).

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J 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

setzesrecht nichtig sind, berührt dies die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages im übrigen nicht; vielmehr tritt die zulässige gesetzliche Regelung an die Stelle der gesetzwidrigen B e s t i m m u n g . 1 2 3 1 b) 519

U n m i t t e l b a r u n d zwingend geltendes Tarifvertragsrecht

Die Freiheit der einzelvertraglichen Vereinbarung ist ferner eingeschränkt durch $ 4 Abs 3 TVG. Nach dieser Bestimmung sind vom Tarifvertrag abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Dabei gelten die R e c h t s n o r m e n des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen (§ 4 Abs 1 S 1 TVG). Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Tarifgebundenheit besteht nach § 3 Abs 1 TVG infolge der Mitgliedschaft des Arbeitnehmers wie auch des Arbeitgebers in einer der Tarifvertragsparteien; tarifgebunden ist auch der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist. Entsprechendes gilt im Fall der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags nach $ 5 TVG. Sie hat die Wirkung, daß der Tarifvertrag auch für nichttarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber unmittelbar und zwingend gilt. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist mit dem Grundgesetz vereinbar. 1 2 3 2 Für die Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche u n d betriebs verfassungsrechtliche Fragen bedarf es allerdings nur der Tarifbindung auf der Seite des Arbeitgebers ($ 3 Abs 2 TVG).

520

Nach Ablauf der Tarifgebundenheit, sei es durch Beendigung des Tarifvertrags, Ende der Nachbindung gem $ 3 Abs 3 TV oder Beendigung der Allgemeinverbindlicherklärung wirken die Tarifnormen mit dem Inhalt, den sie in diesen Zeitpunkt hatten, gem § 4 Abs 5 TVG nach (vgl Rn 546).

521

Nach dem tarifvertraglichen Günstigkeitsprinzip ($ 4 Abs 3 TVG) haben arbeitsvertragliche Vereinbarungen und Regelungen auf anderen Rechtsgrundlagen Vorrang vor den Regelungen des Tarifvertrags, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind (Rn 147-150). Gemessen an S 4 Abs 3 TVG ungünstigere Vereinbarungen oder Regelungen werden bei zwingender und unmittelbarer Tarifgeltung durch die Bestimmungen des Tarifvertrages verdrängt, aber nicht endgültig vernichtet. Frühere einzelvertragliche Klauseln leben wieder auf, sobald die entgegenstehende tarifvertragliche Bestimmung wegfällt, ihr insoweit auch keine Nachwirkung zukommt, oder aber wenn sie durch eine andere tarifvertragliche Bestimmung ersetzt wird, die - gemessen an einzelvertraglichen Klauseln - für den Arbeitnehmer weniger günstig ist. 1 2 3 3 c)

522

Vereinbarte Tarifanwendung

Treffen die zwingende und unmittelbare Geltung des Tarifvertrags und die Verinbarung der Anwendbarkeit des Tarifvertrags aufeinander, so hat die zwingende und unmittelbare Geltung Anwendungsvorrang. Abweichungen vom Tarifvertrag sind dann nur im Rahmen von § 4 Abs 3 TVG möglich. Anders verhält es sich, wenn die Anwendbarkeit der tarifvertraglichen Normen lediglich einzelvertraglich vereinbart werden. Aufgrund der Vertragsfreiheit ist es möglich, derartige tarifvertragliche Regelungen insgesamt zu übernehmen, aber auch, nur bestimmte tarifvertragliche Regelungen, nicht aber alle. Vor allem kommt vor, daß tarifvertragliche Bestimmungen im allgemeinen übernommen werden, nicht aber die Vergütungssätze. Derartige vertragliche I n b e z u g n a h m e n müssen b e s t i m m t und eindeutig sein. Es muß eindeutig erkennbar sein, auf welche Bestimmungen aus welchem Tarifvertrag im einzelnen verwiesen wird. 1 2 3 4 Die in Bezug genommene tarifliche Regelung muß so genau bezeichnet werden oder bestimmbar sein, daß Irrtümer ausgeschlossen sind. 1 2 3 5 Die Verweisung kann eine sog statische sein, dh sich nur auf die Tarifverträge in der Fassung beziehen, wie sie beim Abschluß des Arbeits1231 Std Rspr, statt vieler: BAG 1.11.95 - 5 AZR 84/94 - und - 5 AZR 880/94 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 45 und 46. 1232 BVerfGE 44 322 = AP TVG $ 5 Nr 15; BAG 22.9.93 - 10 AZR 371/92 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Gerüstbau Nr 2.

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1233 BAG 1 4 . 1 2 . 9 1 - 8 AZR 166/90 - AP TVG § 3 Nr 10; Wiedemann/Wank J 4 TVG Rn 371; Löwisch/ Rieble S 4 TVG Rn 52; Kempen/Zachert $ 4 TVG Rn 12. 1234 BAG 2.3.88 - 4 AZR 595/87 - AP TVG $ 1 Form Nr 11. 1235 BAG 8.3.95 - 4 AZR 595/87 - AP TVG $ 1 Ver-

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 V. Inhaltsnormen des Arbeitsvertrags

Vertrages vorgelegen haben; sie kann aber auch dynamisch sein mit der Folge, daß für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Geltung haben. Sofern die Verweisung selbst nicht eindeutig auf tarifliche Regelungen in einer bestimmten Fassung verweist, versteht die jüngere Rechtsprechung des BAG Verweisungsklauseln im Zweifel als dynamische Verweisung, nämlich eine Verweisung auf den Tarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung. 1236 Dies ist insbesondere bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers anzunehmen. Ist der Arbeitgeber tarifgebunden, so ist die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf die nach ihrem 5 2 3 Geltungsbereich einschlägigen Tarifverträge in der Regel als sog Gleichstellungsabrede zu verstehen. 1 2 3 7 Eine Gleichstellungsabrede hat regelmäßig den Zweck, die Gleichstellung der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer mit denen herbeizuführen, für die der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gem § § 4 Abs 1, 3 Abs 1 TVG unmittelbar und zwingend gilt. 1238 Dasselbe ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber unter den fachlichen/betrieblichen und sonstigen Geltungsbereich von Tarifwerken fällt, von denen einzelne Tarifverträge immer wieder oder gar nur vereinzelt für allgemeinverbindlich erklärt werden. Auch in solchen Fällen spricht der Regelfall dafür, anzunehmen, daß der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmer eben dieselben Bedingungen im Arbeitsvertrag vereinbart, die bei durchgängiger Allgemeinverbindlicherklärung zwingend und unmittelbar gelten. Werden der in Bezug genommene einschlägige Tarifvertrag bzw das einschlägige Tarifswerk (zB „Tarifverträge der . . . Industrie")im Arbeitsvertrag bezeichnet, so kann die Bezugnahmeklausel über den Wortlaut des Tarifvertrags hinaus nur dann als Bezugnahme auf den (anderen) jeweils für den Betrieb/Betriebsteil fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag (sog große dynamische Verweisungsklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt; der bloße Umstand, daß es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt, genügt hierfür nicht. 1239 Soweit der früheren Rechtsprechung1240 anderes zu entnehmen war, hat das BAG daran nicht festgehalten.1241 Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, so kommt eine Einschränkung der Bezugnahme auf die nach 5 2 4 ihrem Geltungsbereich einschlägigen Tarifverträge eher in Betracht. 1242 Allerdings kann auch in solchen Fällen die Auslegung des Arbeitsvertrags ergeben, daß der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer eben die Tarifbedingungen als anwendbar vereinbart hat, die sonst bei Tarifgebundenheit zwingend und unmittelbar gelten. Wird dagegen auf ein branchenfremdes Tarifwerk im Arbeitsvertrag Bezug genommen, so ist eine korrigierende Auslegung der Verweisungsklausel dahin, daß die Verweisung auf das Tarifwerk erfolgen solle, dem Arbeitgeber unterliegt, nicht möglich. 1243 d)

Betriebsvereinbarungen

Betriebsvereinbarungen wirken auf das Arbeitsverhältnis nach $ 77 Abs 4 BetrVG unmittelbar und 5 2 5 zwingend. Unmittelbare Geltung bedeutet, daß es auf den Willen und die Kenntnis der Arbeitsvertragsparteien nicht ankommt. 1244 Eine lediglich formlose Regelungsabrede oder auch eine zwar schriftlich niedergelegte, aber nicht von den Parteien unterzeichnete Regelung oder Richtlinie hat diese unmittelbare Wirkung nicht. 1 2 4 5 Innerhalb ihres betrieblichen, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereichs erfaßt die förmliche Betriebsvereinbarung kraft ihrer zwingenden Geltung alle Arbeitsverhältnisse. Ähnlich wie tarifvertragliche Regelungen durch das Ordnungsprinzip abgelöst werden, gilt dies auch für Betriebsvereinbarungen: Eine neuere Betriebsvereinbarung kann eine ältere Weisungstarifvertrag Nr 5; 9 . 7 . 8 0 - 4 AZR 564/78 - AP TVG J 1 Form Nr 7 fWiedemann); Wiedemann/Oetter $ 3 TVG Rn 233 mwN. 1236 BAG 4 . 9 . 9 6 - 4 AZR 135/95 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 5; 2 0 . 3 . 9 1 - 4 AZR 455/90 AP TVG S 4 Tarifkonkurrenz Nr 20 (Hanau/Kania). 1237 Std Rspr: BAG 25. 10. 2000 - 4 AZR 506/99 - EzA TVG S 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 15; BAG 19.1.99 - 1 AZR 606/98 - AP TVG $ 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 9 unter m 3 d Gr; 4 . 9 . 9 9 - 5 AZR 642/98 - AP TVG S 1 Tarifverträge: Papierindustrie. 1238 BAG 30.8. 2000 - 4 AZR 581/99 - AP TVG $ 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 12. Harald Schliemann

1239 BAG 30.8. 2000 - 4 AZR 581/99 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 12. 1240 BAG 4 . 9 . 9 6 - 4 AZR 135/95 - AP TVG $ 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 5. 1241 BAG 30.8. 2000 - 4 AZR 581/99 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 12 unter I 1 c bb d Gr. 1242 BAG 19.1.99 - 1 AZR 606/98 - AP TVG $ 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 9 unter i n 3 d Gr. 1243 BAG 25.10. 2000 - 4 AZR 506/99 - EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr 15. 1244 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 S 77 Nr 17. 1245 BAG 2 0 . 4 . 9 9 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Betriebsvereinbarung über denselben Gegenstand ablösen. Im Verhältnis zu günstigeren einzelvertraglichen oder auf Allgemeinzusagen (nicht Betriebsvereinbarungen) beruhenden günstigeren Arbeitsbedingungen müssen ablösende Betriebsvereinbarungen jedoch den Anforderungen des Günstigkeitsprinzips, wie es von der Rechtsprechung des BAG entwickelt worden ist, genügen. 1 2 4 6 526

Eine Betriebsvereinbarung verdrängt einzelvertragliche Vereinbarungen, die für den Arbeitnehmer ungünstiger sind. Dabei wird - soweit es nicht um Sozialleistungen geht - die bestehende vertragliche Regelung lediglich für die Wirkungsdauer der Betriebsvereinbarung verdrängt; sie bleibt latent bestehen und lebt wieder auf, wenn die Betriebsvereinbarung keine Wirkung mehr hat. 1 2 4 7 Anders verhält es sich dagegen bei arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen oder Gesamtzusagen. Deren Ablösung ist zulässig, wenn sich im Wege des kollektiven Günstigkeitsvergleichs zeigt, daß lediglich eine Umstrukturierung der Leistungen vorgenommen worden ist, insgesamt aber keine Verschlechterung eingetreten ist. 1 2 4 8 Sind dagegen einzelvertragliche Vereinbarungen getroffen worden, in denen auf die Geltung der Betriebsvereinbarungen in der jeweiligen Form verwiesen worden ist, so stehen auch einzelvertragliche Vereinbarungen einer späteren Änderung durch Betriebsvereinbarung offen. 1 2 4 9 Andererseits kann ein Arbeitnehmer einzelvertraglich gegenüber den Regelungen einer Betriebsvereinbarung günstiger gestellt werden. Als allgemeiner Grundsatz gilt das Günstigkeitsprinzip auch für das Verhältnis von Inhaltsnorm einer Betriebsvereinbarung zu günstigeren vertraglichen Abreden (Rn 152-155). Eine Betriebsvereinbarung ist allerdings im Hinblick auf den Tarifvorbehalt des $ 77 Abs 3 BetrVG wirkungslos, wenn die Arbeitsbedingungen im Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, 1 2 5 0 es sei denn, daß der Tarifvertrag eine betriebliche Regelung als Tariföffnungsklausel ausdrücklich zuläßt. 1 2 5 1 So ist eine Betriebsvereinbarung, mit der ausschließlich die Erhöhung der bisherigen Vergütung und Weihnachtsgratifikation geregelt werden, wegen Verstoßes gegen $ 77 Abs 3 BetrVG nichtig, wenn entsprechende tarifvertragliche Regelungen bestehen oder üblich sind; dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. 1 2 5 2 Die Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung hat gegenüber den Arbeitnehmern zur Folge, daß ihre Regelungen nicht unmittelbar und zwingend gelten können. Will der Arbeitgeber den normativen Gehalt sder Betriebsvereinbarung in die Arbeitsverhältnisse einführen, so kann dies immer noch durch eine ausdrückliche einvernehmliche Änderung der Arbeitsverträge geschehen. 1 2 5 3 Ggfs kann die in der Betriebsvereinbarung enthaltene Erklärung des Arbeitgebers sogar als ein entsprechendes Vertragsangebot des Arbeitgebers zu sehen sein, das die Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Erklärung annehmen können. 1 2 5 4 Insoweit kann eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung entstehen; verfolgt sie das Ziel, kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit normativ geltende Tarifbedingungen zu verdrängen, so kann dies die kollektive Koalitionsfreiheit verletzen und zu einem entsprechenden Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft gegen den Arbeitgeber führen. 1 2 5 5 e)

527

Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen

Die katholische und die evangelischen Kirchen in Deutschland setzen Arbeitsbedingen auf dem Dritten Weg. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß aufgrund kirchlicher Gesetze unabhängige, paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzte Kommissionen Arbeitsrechtsregelungen geschaffen werden. Lediglich die Nordelbischen Evangelische Kirche und die evangelische Kirche in Berlin/Brandenburg haben Tarifverträge unter gleichzeitigem Verzicht der Gewerkschaft auf Arbeitskampf abgeschlossen. Die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen lehnen sich weitgehend an die Tarifregelungen des säku-

1246 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 17. 1247 BAG 28.3.2000 - 1AZR 366/99 - AP BetrVG 1972 S 77 Nr 83; 21.9.89 - 1 AZR 454/88 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 43 (Löwisch). 1248 BAG (GS) 16.9.86 - GS 1/82 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 17. 1249 Richardi NZA 90 331, 333. 1250 BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9 Nr 89 unter Β II 1 b aa d Gr. 170

Harald Schliemann

1251 BAG 20.4.99 - 1 AZR 631/98 - AP BetrVG 1972 S 77 Tarifvorbehalt Nr 12. 1252 BAG 24.1.96 - 1 AZR 597/95 - AP BetrVG 1972 S 77 Tarifvorbehalt Nr 8. 1253 BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9 Nr 89 unter Β Π 1 b bb d Gr. 1254 BAG 24.1.96 - 1 AZR 597/95 - AP BetrVG 1972 S 77 Tarifvorbehalt Nr 8. 1255 BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9 Nr 89 unter Β Π 2 d Gr.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 V. Inhaltsnormen des Arbeitsvertrags

laren öffentlichen Dienstes an, sie sind aber keine Tarifverträge. 1 2 5 6 Sie werden „Dienstvertragsordnungen" oder .Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR)", aber auch ,,ΒΑΤ-KF" („Bundes-Angestelltentarifvertrag kirchliche Fassung") genannt (vgl ausführlich: $ 6 3 0 Anhang „Kirchenarbeitsrecht", Rn 77 ff, 161 ff). Die Anwendbarkeit dieser Arbeitsrechtsregelungen in der jeweils gültige Fassung wird im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbart. 1 2 5 7 Allerdings beginnen einzelne evangelische Kirchen in ihren Regelungen die normative Geltung derart beschlossener Arbeitsrechtsregelungen vorzusehen. 1 2 5 8 f)

Allgemeine Arbeitsbedingungen

Allgemeine Arbeitsbedingungen können den Inhalt des Arbeitsvertrages ebenfalls bestimmen. Unter allgemeinen Arbeitsbedingungen sind solche zu verstehen, die ihre Rechtsgrundlage nicht in einem K o l l e k t i w e r t r a g haben, die aber insofern betriebseinheitlich sind, als sie für die gesamte Belegschaft oder auch Gruppen von Arbeitnehmern innerhalb einer Belegschaft einen generellen Bedingungs- und/ oder Leistungsplan aufstellen, der die den einzelnen Arbeitnehmern zukommenden Bedingungen und/ oder Leistungen untereinander in Bezug setzt und dadurch eine einheitliche Ordnung innerhalb des Betriebes begründet. 1 2 5 9 Andere sehen allgemeine Arbeitsbedingungen als vom Arbeitgeber aufgestellte tatsächliche Normen für die inhaltliche Gestaltung der betrieblichen Arbeitsverhältnisse a n . 1 2 6 0 Diese einseitige Normsetzung durch den Arbeitgeber kann inhaltlich der Normsetzung in einer Betriebsvereinbarung entsprechen. Sie hat jedoch nicht die Wirkung einer Betriebsvereinbarung, weil es an ihrer Form mangelt. Dies betrifft insbesondere Betriebe, in denen kein Betriebsrat besteht; in solchen Betrieben kann keine Betriebsvereinbarung geschaffen werden. Auf den einzelnen Arbeitsvertrag wirken derartige allgemeine Arbeitsbedingungen nicht normativ. W i r k u n g auf den einzelnen Arbeitsvertrag bzw dessen Inhalt haben derartige allgemeine Arbeitsbedingungen dann, wenn sie ausdrücklich im Arbeitsvertrag, zB in Form einer Verweisung, vereinbart worden sind (vgl $ 305 ff, § 310 Abs 4 Satz 2 BGB nF). Sie können auch formlos und damit auch konkludent zum Inhalt des Arbeitsvertrags werden. Es ist schließlich auch daran zu denken, daß sie - ähnlich der betrieblichen Übung - unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Bestandteil der Arbeitsverträge werden. 1 2 6 1 g)

Betriebliche Ü b u n g

Zum Inhalt des Arbeitsvertrages kann eine betriebliche Ü b u n g werden. Von der betrieblichen Übung ist die Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses auf bestimmte tatsächliche Übungen zu unterscheiden (vgl Rn 535). aa)

528

529

Grundsatz

Als betriebliche Übung ist die regelmäßige Wiederholung b e s t i m m t e r Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen seine Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder

530

eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Gegenstand der betrieblichen Ü b u n g kann jede Vergünstigung sein, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in seinem Arbeitsverhältnis erfährt. 1 2 6 2 Aus dem (wiederholten) Verhalten des Arbeitgebers, das als seine (wiederholten) Willenserklärungen zu werten ist, die von den Arbeitnehmern stillschweigend (§ 151 BGB) angenommen worden ist, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordene Leistung oder Vergünstigung. Dabei kommt es auf einen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers nicht an. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte oder nicht, ist danach zu beurteilen, inwieweit Arbeitnehmer dies aus dem Erklärungsverhalten

1256 BAG 11.6.97 - 7 AZR 313/96 - AP AVR Caritasverband Nr 19 mwN. 1257 BAG 2 8 . 1 . 9 8 - 4 AZR 491/96 - AP AVR Caritas s 12 Nr 11; 6 . 1 1 . 9 6 - 5 AZR 334/95 - AP AVR Caritasverband J 10a Nr 1. 1258 ZB s 3 ARRG der ev Kirche von Westfalen - Κ ABl Westfalen 2000, 51 ff. Harald Schliemann

1259 Hilger/Stumpf FS Gerhard Müller (1981), 209 f; zust Pfarr BB 83 2001. 1260 Säcker Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht (1972), 81. 1261 Vgl MünchArbR/Ricftard! $ 12 Rn 15 f. 1262 Vgl die Entscheidungssammlungen in AP bzw EzA unter $ 242 BGB Betriebliche Übung.

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S 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie aller Umstände des Einzelfalles gem $ 133, 157 BGB schließen dürfen. 1263 5 3 1 Auf das Bestehen einer betrieblichen Übung darf nicht vorschnell geschlossen werden. Die bloße Wiederholung eines dem Arbeitnehmer günstigen Verhaltens des Arbeitgebers für sich allein genügt nicht, um eine betriebliche Übung annehmen zu dürfen. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Ist der Arbeitgeber zB aufgrund Betriebsvereinbarung zu jährlichen Gehaltsüberprüfungen verpflichtet, so lassen auch mehrfache Gehaltserhöhungen nach denselben Kriterien regelmäßig keine betriebliche Übung entstehen, die den Arbeitgeber zu weiteren jährlichen Gehaltserhöhungen verpflichtet. 1264 Ebenso wenig kommt es zu einer betrieblichen Übung auf künftige Gewährung von Weihnachtsgeld, wenn - für den Arbeitnehmer erkennbar - die Zuwendung nach Gutdünken des Arbeitgebers dreimal in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird; in solchem Fall muß der Arbeitnehmer davon ausgehen, daß der Arbeitgeber die Zuwendung nur für das jeweilige Jahr gewähren will. 1 2 6 S Zwar ist eine betriebliche Übung bei jedem Verhalten des Arbeitgebers denkbar; jedoch bei Fragen der Organisation des Betriebes wie etwa Schichtplänen im Zweifel nicht anzunehmen, weil solche Fragen üblicherweise auf kollektiver Ebene mit dem Betriebsrat geregelt werden; die Festlegung eines bestimmten Schichtsystems kann als eine betriebliche Übung nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn erkennbar dem Interesse der betroffenen Arbeitnehmer an einer bestimmten Form des Schichtbetriebs entsprochen werden sollte. 1 2 6 6 bb) 532

Für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst gelten diese Grundsätze allerdings nicht uneingeschränkt. Die durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzlichen Regelungen, vor allem aber durch die Festlegungen des Haushaltsplans, gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind - anders als private Arbeitgeber - gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu beachten. Im Zweifel gilt Normvollzug. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muß grundsätzlich davon ausgehen, daß ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst deshalb auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen, die den Rahmen der ausdrücklichen rechtlichen Verpflichtung überschreiten, nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet weitergewährt. Er muß vielmehr damit rechnen, daß eine fehlerhafte Rechtsanwendung auch zu seinem Nachteil korrigiert wird. 1 2 6 7 cc)

533

Öffentlicher Dienst

Schriftformhindernis

Allerdings kann einem Anspruch aufgrund betrieblicher Übung ein arbeitsvertragliches oder tarifvertragliches Schriftformerfordernis entgegenstehen. Vom Schriftformerfordernis des $ 4 Abs 2 BAT werden auch solche Nebenabreden erfaßt, die auf eine betriebliche Übung gestützt werden. 1268 Auch ein einzelvertragliches Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen oder -ergänzungen verhindert das Entstehen einer betrieblichen Übung (vgl Rn 473). 1 2 6 9

1263 Std Rspr, statt vieler: BAG 21.1.97 -1AZR 572/96 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 64; 12.1.94 - 5 AZR 41/93 AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 43; 23.6.88 - 6 AZR 137/86 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 33. 1264 BAG 16.9.98 - 5 AZR 598/97 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 54. 1265 BAG AP $ 611 -10 AZR 516/95 - Gratifikation Nr 192. 1266 BAG 21.1.97 - 1 AZR 572/96 - AP BetrVG 1972 S 77 Nr 64. 172

Harald Schliemann

1267 BAG 1 1 . 1 0 . 9 5 - 5 AZR 802/94 - AP BGB $611 Arbeitszeit Nr 9 mwN; 14.9.94 - 5 AZR 679/93 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 46; Ausnahme für Versorgungszusage nach beamtenrechtliche Grundsätzen: BAG 16.7.96 - 3 AZR 352/95 - AP BetrAVG $ 1 Nr 7 Betriebliche Übung Nr 7. 1268 BAG 13.11.86 - 6 AZR 567/83 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 27 unter Π 4 d Gr mwN (Bichel). 1269 BAG 27.3.87 - 7 AZR 527/85 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 29 unter Π 2 d Gr mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 V. Inhaltsnormen des Arbeitsvertrags

dd)

Geltungsbereich und -dauer

Eine betriebliche Übung kommt grundsätzlich allen Arbeitnehmern zugute, mit denen unter der Geltung der Übung ein Arbeitsverhältnis begründet wird oder bereits bei Beginn der betrieblichen Übung bestand. 1 2 7 0 Wird die von einem neu eingestellten Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit von einer kraft betrieblicher Übung eingeführten Gehaltsgruppenordnung erfaßt, so ist der Arbeitgeber zur Eingruppierung des neu eingestellten Arbeitnehmers in dieser Gehaltsgruppenordnung ebenso verpflichtet wie zur Beteiligung des Betriebsrats an dieser Eingruppierung. 1271 Der Arbeitgeber kann jedoch seine von ihm gesetzte betriebliche Übung einstellen, beseitigen oder ändern. Dies hat zur Folge, daß erst danach begründete Arbeitsverhältnisse der bisherigen betrieblichen Übung nicht mehr unterliegen. Umgekehrt kann eine betriebliche Übung dadurch geändert, beseitigt oder eingestellt, daß Arbeitnehmer einer neuen Handhabung über einen hinlänglichen Zeitraum (Weihnachtsgratifikation: 3 Jahre) nicht widersprechen. 1272 Soweit durch die betriebliche Übung Leistungen erfolgt sind, ist für die Arbeitsverhältnisse, die bei Beendigung der betrieblichen Übung bestanden haben, danach zu unterscheiden, ob die Leistungen vorbehaltlos erfolgt sind oder widerruflich. Sind sie widerruflich erfolgt, kann der Widerruf unter Beachtung von § 315 BGB vorgenommen werden. 1273 Allein daraus, daß der Arbeitgeber einmalig die durch betriebliche Übung begründeten Ansprüche nicht erfüllt, läßt sich auf eine Aufgabe der betrieblichen Übung nicht schließen, 1274 ebenso wenig aus der Ankündigung, in diesem Jahr wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten anders als bisher kein Weihnachtsgeld zahlen zu können. 1 2 7 5 h)

Konkretisierung

Der Inhalt der arbeitsvertraglichen Arbeitsbedingungen kann sich schließlich aus einer Konkretisierung der Arbeitsleistungspflicht ergeben. In Ausnahmefällen ist eine derartige Verengung des weiten vertraglichen Rahmens des Direktionsrechtes im Sinne einer solchen Vertragsänderung denkbar. Es müssen dann jedoch neben einem bloßen, erheblich langen Zeitablauf weitere vertrauensbegründende Maßnahmen der Umstände hinzutreten, aus denen der einzelne Arbeitnehmer schließen durfte, er müßte nur noch bestimmte Tätigkeiten verrichten oder werde nur noch zu bestimmten Arbeitszeiten oder an bestimmten Orten eingesetzt. 1276 i)

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Rangfolge der Inhaltsbestimmungen

Für die Rangfolge und Wirkung der ihrer Art nach unterschiedlichen Normen auf den Inhalt des Arbeitsvertrages kommt es entscheidend auf deren Hierarchie und jeweils zwingende Geltung an. Grundsätzlich ist von einer Rangfolge auszugehen, nach der an der Spitze unmittelbar geltende Bestimmungen des Europäischen Rechts stehen, nämlich die Bestimmungen des EG-Vertrages und der auf dem EG-Vertrag beruhenden Verordnungen. Darunter stehen die Bestimmungen des Grundgesetzes, unter ihnen die des einfachen Gesetzes, denen die der Rechtsverordnungen folgen. Es schließen sich dann die tarifvertraglichen Inhaltsnormen an, sodann folgen - entsprechend dem Tarifvorrang 1277 ($ 77 Abs 3 BetrVG) - die Inhaltsnormen von Betriebsvereinbarungen. Danach folgen die Individualbestimmungen, wie sie im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden sind, wie sie sich aber auch aus allgemeinen Arbeitsbedingungen und betrieblichen Übungen, ggf auch aus einer Konkretisierung der Leistungspflichten des Arbeitnehmers, ergeben können. Soweit es um (technisches) Arbeitnehmerschutzrecht geht, haben - oft mit Wirkungen wie die einer Rechtsverordnung - die auf

1270 BAG 1 0 . 8 . 8 8 - 5 AZR 571/87 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 32. 1271 BAG 2 3 . 1 1 . 9 3 - 1 ABR 34/93 - AP BetrVG 1972 S 99 Nr 111. 1272 BAG 4 . 5 . 9 9 - 1 0 AZR 290/98 - BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 55; 2 6 . 3 . 9 7 - 10 AZR 612/96 - AP BGB S 242 Betriebliche Übung Nr 50. 1273 BAG 2 3 . 1 1 . 9 3 - 1 ABR 34/93 - AP BetrVG 1972 $ 9 9 Nr 111. Harald Schliemann

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1274 BAG 1 0 . 8 . 8 8 - 5 AZR 571/87 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr 32. 1275 BAG 1 4 . 8 . 9 6 - 10 AZR 69/96 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr 47. 1276 BAG 2 3 . 6 . 9 2 - 1 AZR 57/92 - AP BGB $ 6 1 1 Arbeitszeit Nr 1; 1 9 . 6 . 8 5 - 5 AZR 57/84 - AP BAT $ 4 Nr 11; 1 2 . 4 . 7 3 - 2 AZR 291/72 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 24 (Schnorr von Carobfeld). 1277 BAG 2 0 . 4 . 9 9 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9 Nr 89.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

$ 15 SGB VII beruhenden Unfall Verhütungsvorschriften Wirkung auf den Arbeitsvertrag. Diese grundsätzliche Ordnung iS einer Normenpyramide ist jedoch nicht starr: Wenn und soweit eine höherrangige N o r m dispositiv ist, hat die abweichende Regelung Vorrang. Dabei ist - j e nach erlaubtem Instrument („Öffnungsklausel") - für die abweichende Regelung zwischen einzelvertragsdispositiven, tarifvertragsdispositiven und/oder - häufig hieraus abgeleitet - betriebsvereinbarungsdispositiven Bestimmungen zu unterscheiden. Vereinzelt finden sich auch Öffnungsklauseln für kirchliche Arbeitsrechtsregelung (vgl S 630 Anhang „Kirchenarbeitsrecht" Rn 152 ff). Bei Regelungen, die tarifdispositiv ausgestaltet sind, ist ferner zu unterscheiden, ob eine durch den Tarifvertrag abgeänderte Regelung nur anwendbar ist, wenn Tarifgebundenheit besteht, oder auch dann, wenn die Anwendung des Tarifvertrages lediglich vereinbart worden ist. Voraussetzung für j e d e Normenwirkung auf den Inhalt des Arbeitsvertrags ist aber das Bestehen des Arbeitsvertrags.

VI. Änderungen der rechtlichen Arbeitsbedingungen 1. 537

Änderungen der rechtlichen Arbeitsbedingungen können sich aus unterschiedlichen Rechtsquellen ergeben. Der Arbeitsvertrag selbst kann Änderungs- oder Vorbehaltsklauseln enthalten. Deren Ausübung hat ohne Änderung des Vertragsinhaltes eine Änderung der rechtlichen Arbeitsbedingungen infolge einseitiger Leistungsbestimmung pp zur Folge. a)

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Änderungen innerhalb des Arbeitsvertrags

Versetzungs- und Einsatzklauseln

Häufig sind im Arbeitsvertrag Änderungsvorbehalte zugunsten des Arbeitgebers enthalten. Solche Vorbehalte sind grundsätzlich zulässig, sie dürfen jedoch nicht zur Umgehung zwingenden Arbeitnehmerschutzrechts führen. Geläufig ist eine arbeitsvertragliche Versetzungs- und Einsatzklausel, wonach es dem Arbeitgeber vorbehalten bleibt, dem Arbeitnehmer auch eine andere als die vereinbarte Tätigkeit im selben Betrieb oder einem anderen betrieb des Unternehmens oder sogar des Konzerns zuzuweisen. Insoweit wird das Direktionsrecht erweitert, ohne daß es zu einer Arbeitsvertragsänderung kommt. Zuweilen bleibt auch vorbehalten, dem Arbeitnehmer unter Beibehaltung seiner Bezüge eine geringwertigere Tätigkeit zuzuweisen. Ohne eine solche Klausel wäre eine solche Zuweisung vom Direktionsrecht nicht gedeckt. 1 2 7 8 Eine einzelvertragliche Vereinbarung, wonach es dem Arbeitgeber vorbehalten bleibt, eine geringerwertige Tätigkeit mit Entgeltverringerung zuzuweisen, ist wegen Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes unwirksam. Ebensowenig kann dem Arbeitgeber auch durch Vereinbarung im Arbeitsvertrag vorbehalten bleiben, einseitig die Arbeitszeitmenge um den Preis der Entgeltreduzierung einseitig zu verringern, 1 2 7 9 wohl aber können auch gegen den Willen der betroffenen Arbeitnehmer vorübergehend eine Erhöhung 1 2 8 0 oder Reduzierung 1 2 8 1 der regelmäßigen Arbeitszeit ohne (vollen) Lohnausgleich gegen Bestandschutzsicherung durch Tarifvertrag vorgenommen werden. b)

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Gestaltungsvorbehalte

Keine Änderung des Arbeitsvertrages stellt es dar, wenn der Arbeitgeber im Bereich zusätzlicher Entgelte (Jahreszahlungen, Gratifikationen) oder entgeltwerter Leistungen (Personalrabatte, 1282 soziale Leistungen) von rechtlichen Gestaltungsvorbehalten, zB von einem - zulässig vereinbarten - Widerrufsrecht oder von einem ebenso zulässig vereinbarten Freiwilligkeitvorbehalt Gebrauch gemacht. Zudem sind Anrechnungsvorbehalte möglich. Es werden dann nicht die arbeitsvertraglichen Bedin-

1278 BAG 24.4.96 - 5 AZR 1031/94 - AP BGB s 611 Direktionsrecht Nr 48. 1279 BAG 1 2 . 1 2 . 8 4 - 7 AZR 509/83 - AP KSchG 1969 S 2 Nr 6. 1280 BAG 20.4.99 - 1 AZR 631/98 - $ 77 BetrVG 1972 S 77 Tarifvorbehalt Nr 12. 174

Harald Schliemann

1281 BAG 25.10. 2000 - 4 AZR 438/99 - EzA TVG § 1 Arbeitszeit Nr 1. 1282 BAG 11.12.96 - 5 AZR 336/95 - AP BGB S 611 Sachbezüge Nr 5.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VI. Änderungen der rechtlichen Arbeitsbedingungen gungen verändert, sondern es wird der Gestaltungsrahmen benutzt, den die zuvor vereinbarten arbeitsvertraglichen Bedingungen lassen. aa)

Freiwilligkeitsvorbehalt

Der Freiwilligkeitsvorbehalt dient von vornherein der Verhinderung der E n t s t e h u n g eines Rechts-

540

a n s p r u c h s , 1 2 8 3 der sich vor allem unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der betrieblichen Übung (vgl Rn 531) ergeben könnte. Die Formulierung des Vorbehaltes m u ß eindeutig zum Ausdruck bringen, daß der Arbeitgeber nicht nur freiwillig leistet, sondern auch daß ein Rechtsanspruch für die Zukunft ausgeschlossen wird. 1 2 8 4 Der Vorbehalt muß, soweit er nicht im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist, dem Arbeitnehmer gegenüber vor, spätestens aber bei Erbringung der freiwilligen Leistung erklärt werden. 1 2 8 5 Wird der Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag vereinbart, so hindert dies die Entstehung einer betrieblichen Übung, aus der für die Zukunft ein Anspruch auf die freiwillige Leistung folgen könnte (vgl Rn 533). Vielmehr kann der Arbeitgeber dann in jedem Jahr erneut entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen und welchen Arbeitnehmern die freiwillige Leistung, zB eine Gratifikation, erbracht werden soll. 1 2 8 6 Die bloße Auflistung,freiwilliger sozialer Leistungen" im Arbeitsvertrag stellt keine hinreichenden rechtlichen Freiwilligkeitvorbehalt im Sinne des Ausschlusses eines Rechtsanspruchs d a r . 1 2 8 7 Eine Klausel, wonach nur „unter Vorbehalt" geleistet werde, stellt mangels Bestimmtheit der Klausel keinen (hinreichenden) Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt dar. 1 2 8 8 bb)

Widerrufsvorbehalt

Der Widerrufsvorbehalt behält sich eine der Vertragsparteien, idR der Arbeitgeber vor, die unter diesem Vorbehalt stehende Leistungszusage zu widerrufen und damit die Leistungspflicht für die Zukunft zu beseitigen. Wegen der grundsätzlichen, aber widerruflichen Leistungspflicht unterscheidet sich der Widerrufsvorbehalt vom Freiwilligkeitsvorbehalt, der seinerseits darauf gerichtet ist, bereits die Entstehung des Anspruch zu verhindern. Denkbar ist, eine Leistung sowohl unter den Freiwilligkeitsvorbehalt als auch unter den Widerrufsvorbehalt zu stellen. Das Widerrufsrecht muß vereinbart sein; ein Widerrufsvorbehalt ist nicht schon deshalb als vereinbart anzusehen, weil die Leistung ihrerseits eine „zusätzliche" ist oder unter Freiwilligkeitsvorbehalt steht. 1 2 8 9 Ist das Recht zur einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen vertraglich vereinbart, so handelt es sich - unabhängig von der gewählten Bezeichnung - um den Vorbehalt eines Widerrufes. 1 2 9 0 Widerrufsvorbehalte unterliegen einer z w e i stufigen rechtlichen Prüfung. Die Rechtsprechung prüft in der ersten Stufe, ob die Widerrufsklausel zulässig vereinbart worden ist, in der zweiten Stufe, ob die Ausübung des Widerrufsrechts rechtmäßig

541

ist. Unwirksam ist eine Widerrufsklausel, wenn sie in den Kernbestand des arbeitsvertraglichen Synallagmas eingreift. Hierzu gehören vor allem die Vergütungspflicht und der Kündigungsschutz (Bestandsschutz). 1 2 9 1 Eine Verletzung des Kernbereichs wird idR nur selten von der Rechtsprechung angenommen. 1 2 9 2 Für übertarifliche Leistungen wird der Widerrufsvorbehalt grundsätzlich als zulässig erachtet. 1 2 9 3 Keine Umgehung des Kündigungsschutzes wurde angenommen bei der Widerruflichkeit einer Leistungszulage von 2 0 % 1 2 9 4 bzw zwischen 19 und 31% zum tariflichen Bruttogehalt, 1 2 9 5 bei einer widerruflichen Provisionsregelung in Höhe von 20% der Gesamtbezüge, 1 2 9 6 einer wider-

1283 Std Rspr, statt vieler: BAG 6.12.95 - 10 AZR 198/ 95 - AP BGB s 611 Gratifikation Nr 187. 1284 BAG 26.5.92 - 9 AZR 174/91 - AP BUrlG § 1 Treueurlaub Nr 1. 1285 ErfKomm/Preis $ 611 BGB Rn 531. 1286 BAG 21.1. 2000 - 10 AZR 840/98 - AP S 611 BGB Gratifikation Nr 223. 1287 BAG 11.4. 2000 - 9 AZR 255/99 - AP $ 611 BGB Gratifikation Nr 227. 1288 LAG Hamm 5.6.98 - 10 Sa 1564/97 - LAGE $611 BGB Gratifikation Nr 47. 1289 Vgl für Personalrabatt: BAG 14.6.95 - 5 AZR 126/ 94 - AP BGB $ 611 Personalrabatt. Harald Schliemann

1290 BAG 7.10.82 - 2 AZR 455/80 - AP BGB S 620 Teilkündigung Nr 5. 1291 BAG 15.11.95 - 2 AZR 521/95 - AP TVG $ 1 Tarifverträge Lufthansa Nr 20. 1292 Kritisch dazu: Leuchten NZA 94 721, 725. 1293 BAG 21.4.93 - 7 AZR 297/92 - KSchG 1969 $ 2 Nr 34; 1 5 . 1 1 . 9 5 - 2 AZR 521/95 - AP TVG $ 1 Tarifverträge Lufthansa Nr 20. 1294 BAG 7.1.71 - 5 AZR 92/70 - AP BGB $ 315 Nr 12. 1295 BAG 13.7.87 - 5 AZR 125/86 - AP BGB $ 305 Billigkeitskontrolle Nr 4. 1296 BAG 7.10.82 - 2 AZR 455/80 - AP BGB $ 620 Teilkündigung Nr 5. 175

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

ruflichen außertariflichen Funktionszulage in Höhe von ca 15%, 1297 einer Anpassungs- und Entwicklungsklausel in einem Chefarztvertrag im Fall der Absenkung der Einnahmen im dienstlichen Bereich um 25%, im Liquidationsbereich um ca 35%. 1298 Die Widerrufsausübung muß billigem Ermessen entsprechen, 1299 auch wenn ausdrücklich die freie Widerrufbarkeit vereinbart worden ist. 1300 Billigem Ermessen entspricht die durch Ausübung des Widerrufsvorbehalts vorgenommene einseitige Leistungsbestimmung nach $ 513 BGB, wenn die wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und die gegenseitigen Interessen hinreichend abgewogen worden sind. 1301 cc)

Anrechungsvorbehalt

S 4 2 Verbreitet sind auch Anrechungsvorbehalte, wonach freiwillige und/oder übertarifliche Leistungen, vor allem auf Tarifentgelterhöhungen, aber auch auf Entgeltsteigerungen aus anderen gründen angerechnet werden können. Eine solche Anrechungsmöglichkeit auf Tariflohnerhöhungen, nicht jedoch auf Lohnausgleich wegen tariflicher Arbeitszeitverkürzung,1302 wird von der Rechtsprechung auch ohne ausdrückliche arbeitsvertragliche Regelung im Wege der Auslegung des Arbeitsvertrags angenommen, soweit mit der übertariflichen Bezahlung kein besonderer Leistungszweck verfolgt wird. 1303 Für die Umstände, aus denen sich ergeben soll, daß die übertarifliche Leistung nicht auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar ist, trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.1304 c)

Befristung einzelner Arbeitsbedingungen

5 4 3 Für die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen im Arbeitsvertrag gelten ansatzweise dieselben Anforderungen wie für die Befristung des Arbeitsvertrags selbst; iR ist für die Wirksamkeit der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen ein sachlich rechtfertigender Grund erforderlich, soweit der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses von der Befristung betroffen ist. 1305 Hierin liegt kein Wertungswiderspruch im Hinblick auf die Zulässigkeit von Widerrufsvorbehalten außerhalb des Kernbereichs des Synallagmas (vgl Rn 541). Denn die Befristung bedarf wegen der Umgehung zwingenden, den Kernbereich schützenden Kündigungsschutzrechts (Bestandschutzrechts) der sachlichen Rechtfertigung (vgl zur Befristung von Arbeitsbedingungen § 620 Rn 45, 46). Das stellt höhere Anforderungen als die Ausübung billigen Ermessens beim Widerruf begünstigender Arbeitsbedingungen. 2.

Änderung des Arbeitsvertrags durch Individualrecht

5 4 4 Änderungen des Vertragsinhaltes sind jederzeit im Einvernehmen der Arbeitsvertragsparteien möglich. Besonders häufig ist eine Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen anzutreffen, wenn die vereinbarte Vergütung erhöht wird. Gegen den Willen einer Arbeitsvertragspartei können die individuell vereinbarten Bedingungen des Arbeitsvertrages indessen nur mit Hilfe der Änderungskündigung ($ 620 Rn 482 ff) verändert werden. Nach $ 8 TzBfG kann ein Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz bestehen. Rechtstechnisch ist dies ein Anspruch auf die Zustimmung des Arbeitgebers zu einer Änderung des Arbeitsvertrags, nämlich zur einzelvertraglichen Absenkung der Arbeitszeit und auf Festlegung ihrer Lage (vgl Rn 448 ff).

1297 BAG 15.11.95 - 2 AZR 521/95 Tarifverträge Lufthansa Nr 20. 1298 BAG 28.5.97 - 5 AZR 125/96 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr 36. 1299 BAG 7.10.82 - 2 AZR 455/80 Teilkündigung Nr 5. 1300 BAG 13.7.87 - 5 AZR 125/86 Billigkeitskontrolle Nr 4. 1301 BAG 15.11.95 - 2 AZR 521/95 Tarifverträge Lufthansa Nr 20.

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Harald Schliemann

- AP TVG S 1 AP BGB $611 AP BGB $ 620 AP BGB $ 305 - AP TVG $ 1

1302 BAG 15.3. 2000 - 5 AZR 557/98 - AP TVG $ 4 Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung. 1303 Std Rspr, BAG 7.2.95 - 3 AZR 402/94 - AP TVG $ 4 Verdienstsicherung Nr 6. 1304 BAG 23.3.93 - 1 AZR 520/92 - AP BetrVG 1972 S 87 Tarifvorrang Nr 26. 1305 BAG 2 1 . 4 . 9 3 - 7 AZR 297/92 - KSchG 1969 $ 2 Nr 34.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VI. Änderungen der rechtlichen Arbeitsbedingungen

3.

Änderung infolge Kollektivrechts

Aufgrund Kollektivrechts kann der Inhalt des Arbeitsvertrags bzw der Inhalt der für den Arbeitsvertrag 5 4 5 zwingend geltenden kollektivrechtlichen Regelungen (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) geändert werden. a)

Änderungen des Tarifvertrags

Soweit tarifvertragliche Regelungen zwingend gelten (vgl Rn 519-521), führt eine Tarifvertragsän- 5 4 6 derung automatisch auch zur Änderung der für den Arbeitsvertrag zwingend geltenden tarifvertraglichen Inhaltsnormen. Dies ist sowohl im Fall der Änderung bestehender Tarifverträge als auch im Fall der Neuschaffung von Tarifverträgen, wie auch im Fall der Beendigung von Tarifverträgen möglich. Soweit Tarifverträge (ordentlich) gekündigt werden oder infolge ihrer Befristung enden, ist allerdings deren Nachwirkung ($ 4 Abs 5 TVG) zu beachten; sie hält an, bis die Rechtsnormen des gekündigten Tarifvertrags durch eine andere Abmachung ersetzt werden. 1306 Die Nachwirkung hat allerdings eine andere Rechtsqualität. Der Tarifvertrag wirkt nicht mehr normativ; seine Wirkung kann daher mit individualrechtlichen Mitteln, dh im gegenseitigen Einvernehmen der Parteien des Arbeitsvertrages, notfalls im Wege der Änderungskündigung beseitigt werden. 1307 Im Stadium der Nachwirkung verändern sich die Tarifnormen nicht, auch wenn sich eine in ihnen in Bezug genommene Größe, auf die dynamisch verwiesen wird, ändert. 1308 Die Nachwirkung betrifft nur Arbeitsverhältnisse, die vor ihrem Eintritt begründet waren, nicht dagegen solche, die erst nach Beginn des Nachwirkungszeitraumes geschlossen worden sind. 1309 Tarifunterworfene müssen damit rechnen, daß die Nachwirkung rückwirkend beseitigt wird; insoweit steht ihnen kein Vertrauensschutz in den Bestand der nachwirkenden Tarifnormen zur Seite. 1310 Soweit im Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit der für den Betrieb einschlägigen tarifvertraglichen Be- 5 4 7 Stimmungen in der jeweils gültigen Fassung (dynamische Verweisung) vereinbart (vgl Rn 481, 522 ff) worden ist, gelten entsprechende Erwägungen, und zwar auch dann, wenn die Anwendbarkeit des Tarifvertrags in seiner jeweiligen Fassung und der ihn ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart worden ist und diese zu geringeren Ansprüchen führen. 1311 b)

Änderung der Tarifgebundenheit, Nachwirkung

Zur Änderung des Inhalts des Arbeitsvertrags kann es auch dadurch kommen, daß die Tarifgebun- 5 4 8 denheit herbeigeführt oder beendet wird. Herbeigeführt wird die Tarifgebundenheit durch den Beitritt zu der jeweiligen Tarifvertragspartei. Die Normen des Tarifvertrags über den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlangen nur dann Geltung, wenn beide Seiten des Arbeitsvertrags tarifgebunden sind ($$ 4 Abs 1 S 1; 3 Abs 1 TVG); für die betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Normen des Tarifvertrags genügt die Tarifbindung des Arbeitgebers ($$ 4 Abs 1 S 2; 3 Abs 2 TVG). Auf dem Inhalt des Arbeitsvertrags wirken die Tarifnormen kraft Verbandszugehörigkeit sofort, wenn der Verbandsbeitritt auf beiden Seiten vorliegt bzw vorgenommen worden ist. Häufig ist zu beobachten, daß bisher nicht gewerkschaftszugehörige Arbeitnehmer der einschlägigen Gewerkschaft beitreten. Besteht dann auch für den Arbeitgeber Verbandszugehörigkeit, so gelten die Inhaltsnormen der einschlägigen Tarifverträge sofort zwingend. Anders verhält es sich dagegen beim Verbandsaustritt, dh beim Austritt aus der Gewerkschaft bzw aus dem Arbeitgeberverband als den Tarifabschlußparteien. In solchen Fällen sind die Fortgeltung der Tarifbindung nach $ 3 Abs 3 TVG und - soweit der Tarifvertrag gekündigt worden ist - dessen Nachwirkung nach $ 4 Abs 5 TVG zu beachten. Nach $ 3 Abs 3 TVG bleibt die Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet. 1306 Std Rspr, zB BAG 8 . 1 0 . 9 7 - 4 AZR 87/96 AP TVG § 4 Nachwirkung Nr 29. 1307 BAG 17.5. 2000 - 4 AZR 363/99 - AP TVG § 3 Verbandsaustritt Nr 8. 1308 BAG 24.11.99 - 4 AZR 666/98 - AP TVG $ 4 Nachwirkung Nr 34 mwN. Harald Schliemann

1309 BAG 22.7.98 - 4 AZR 403/97 - AP TVG $ 4 Nachwirkung Nr 32. 1310 BAG 8.9.99 - 4 AZR 661/98 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr 33. 1311 BAG 25.10. 2000 - 4 AZR 438/99 - EzA TVG $ 1 Arbeitszeit Nr 1.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Mit der Beendigung des Tarifvertrages nach S 3 Abs 3 TVG ist allerdings die Bindungswirkung für den Ausgetretenen noch nicht beendet. Vielmehr tritt nach Beendigung des Tarifvertrages gem $ 4 Abs 5 TVG dessen Nachwirkung ein. 1 3 1 2 5 4 9 Soll die Nachwirkung eines Tarifvertrags ($ 4 Abs 5 TVG) ausgeschlossen werden, bedarf es dazu einer Vereinbarung der Tarifvertragsparteien.1313 Wird die Nachwirkung nicht ausgeschlossen, so wirken die Rechtsnormen weiter, bis sie für das einzelne Arbeitsverhältnis verbindlich durch eine andere Abmachung ersetzt werden. 1314 Mitglieder eines tarifvertragschließenden Verbandes, die aus dem Verband ausscheiden, bleiben gem § 3 Abs 3 TVG an die zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifverträge gebunden; auch für sie verbleibt es bei der Anordnung und der Nachwirkung nach $ 4 Abs 5 TVG so lange, bis die nachwirkenden Tarifnormen durch eine andere Abmachung ersetzt worden sind. 1315 Diese Tarifnormen wirken nur statisch nach, dh in dem Zustand, den die Normen bei Beginn der Nachwirkung hatten. 1316 Soweit in nachwirkenden Normen auf andere Regelungen, zB einen fremden Tarifvertrag oder eine gesetzliche Regelung dynamisch Bezug genommen wird, nehmen sie an der Entwicklung der in Bezug genommenen Bestimmung nicht mehr teil. 1317 Wirkt ein Tarifvertrag nur nach, so können von ihm abweichende arbeitsvertragliche Vereinbarungen ohne Beschränkung durch S 4 Abs 3 TVG getroffen werden. Im Nachwirkungszeitraum begründete Arbeitsverhältnisse unterliegen kraft Gesetzes nicht den Normen eines nur nachwirkenden Tarifvertrags.1318 c)

Allgemeinverbindlicherklärung

5 5 0 Ohne Rücksicht auf die Frage der Verbandszugehörigkeit der Arbeitsvertragsparteien wirken die Inhaltsnormen eines Tarifvertrags auf den Inhalt des Arbeitsvertrags zwingend, wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist ($ 5 Abs 4 TVG). Die Wirkung entfällt (wieder), wenn die Allgemeinverbindlicherklärung ausläuft oder aufgehoben wird ($ 5 Abs 5 TVG), allerdings wirken die Normen des vormals allgemeinverbindlichen Tarifvertrags entsprechend § 4 Abs 5 TVG nach. 1319 d)

Betriebsvereinbarung

5 5 1 Soweit die arbeitsvertraglichen Bedingungen durch Betriebsvereinbarung gestaltet sind, ändern sie sich, wenn die Betriebsvereinbarung zB infolge Fristablaufs oder Kündigung beendet ist. 1 3 2 0 Nach § 77 Abs 6 BetrVG wirken Betriebsvereinbarungen über Angelegenheiten, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann (erzwingbare Betriebsvereinbarung), nach. Freiwillige Betriebsvereinbarungen, die keinen Gegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung regeln, wirken nach ihrer Beendigung nicht kraft Gesetzes nach; die Betriebspartner können aber die Nachwirkung vereinbaren.1321 Wirkt die Betriebsvereinbarung nach, so tritt die Änderung der Arbeitsbedingungen erst ein, wenn eine andere Abmachung hierüber erfolgt ist, 1 3 2 2 sei es im Arbeitsvertrag, sei es auf kollektivrechtlicher Ebene. Im Fall der vereinbarten Nachwirkung einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sind im Zweifel dieselben Grundsätze der Beendigung der Nachwirkung, notfalls auch durch Spruch der Einigungsstelle anzuwenden wie bei der von Gesetzes wegen nachwirkenden erzwingbaren Betriebsvereinbarung.1323 1312 BAG 17.5. 2000 - 4 AZR 363/99 - AP TVG § 3 Verbandsaustritt Nr 8. 1313 BAG 8 . 1 0 . 9 7 - 4 AZR 87/96 - AP TVG $ 4 Nachwirkung Nr 29. 1314 Std Rspr, statt vieler: BAG 2 . 1 2 . 9 2 - 4 AZR 277/92 - AP TVG S 3 Nr 14. 1315 BAG 17.5. 2000 - 4 AZR 363/99 - AP TVG $ 3 Verbandsaustritt Nr 8; 1 3 . 1 2 . 9 5 - 4 AZR 1062/94 - AP TVG S 3 Verbandsaustritt Nr 3. 1316 Std Rspr, statt vieler: BAG 2 4 . 1 1 . 9 9 - 4 AZR 666/ 98 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr 34. 1317 BAG 17.5. 2000 - 4 AZR 363/99 - AP TVG $ 3 Verbandsaustritt Nr 8 (Bezugnahme auf Tarifvertrag);

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Harald Schliemann

2 2 . 7 . 9 8 - 4 AZR 403/97 - AP TVG $ 4 Nachwirkung Nr 32 (Bezugnahme auf Gesetz). 1318 Std Rspr, statt vieler: BAG 2 2 . 7 . 9 8 - 4 AZR 403/97 - AP TVG S 4 Nachwirkung Nr 32. 1319 BAG 25.10. 2000 - 4 AZR 212/00 - EzA TVG $ 4 Nachwirkung Nr 32. 1320 BAG 1 7 . 1 . 9 5 - 1 ABR 29/94 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nachwirkung Nr 7. 1321 BAG 2 8 . 4 . 9 8 - 1 ABR 43/97 - AP BetrVG 1972 S 77 Nachwirkung Nr 11. 1322 BAG 2 6 . 1 0 . 9 3 - 1 AZR 46/93 - AP BetrVG 1972 S 77 Nachwirkung Nr 6. 1323 BAG 2 8 . 4 . 9 8 - 1 ABR 43/97 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr 11.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag

S 611

VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

4.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

In dem Fall beiderseitigen Rechtsirrtums der Arbeitsvertragsparteien bei Begründung des Arbeitsver-

552

hältnisses kommt dessen Anpassung für die Zukunft nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ebenso in Betracht1324 wie in anderen Fällen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 1325 Vorrang genießt allerdings die Änderungskündigung. 1 3 2 6 Von praktischer Bedeutung ist die Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor allem bei betrieblichen Versorgungszusagen.1327 Für die Vertragsanpassung der Arzt-Krankenhaus-Verträge hat der Gesetzgeber zT besondere Rechtsgrundlagen geschaffen. 1328

VII. Pflicht zur Arbeitsleistung Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers besteht darin, die vertraglich versprochenen Dienste, nämlich die

553

versprochene Arbeit, zu leisten. Daneben treffen ihn zahlreiche Nebenpflichten (siehe im einzelnen Rn 674-724). 1.

Versprochene Dienste

Die Arbeitspflicht beruht ausschließlich auf dem Arbeitsvertrag. Der Vertrag bestimmt die äußeren

554

Grenzen der Arbeitspflicht; grundsätzlich geht sie nicht über den Inhalt des Arbeitsvertrages hinaus. Dies betrifft sowohl die Art als auch den Umfang der versprochenen Dienste, vor allem auch die vertraglich geschuldete Arbeitszeit. Dieselbe Grenze gilt auch umgekehrt. Der Inhalt des Arbeitsvertrages beschreibt auch, inwieweit der Arbeitgeber verpflichtet ist, Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgegenzunehmen (vgl § 615 Rn 34). Durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können die zeitlichen Grenzen der Verpflichtung zur Arbeitsleistung vorübergehend weiter oder enger gezogen werden, soweit diese Regelungen auf das Arbeitsverhältnis zwingend anzuwenden sind oder der Arbeitsvertrag insoweit für diese Regelungen geöffnet ist. 1329 Dagegen ist eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die bei arbeitszeitabhängiger Vergütung den Arbeitgeber berechtigen soll, die zunächst festgelegte Arbeitszeit später einseitig nach Bedarf zu reduzieren, wegen objektiver Umgehung zwingender Vorschriften des Kündigungsschutzrechtes ($ 2 KSchG iVm $ 1 Abs 2 und Abs 3 KSchG, $ 622 BGB) unwirksam, weil insoweit die wesentliche Pflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag, nämlich seiner Hauptleistungspflicht, zur Disposition des Arbeitgebers gestellt werden würde. 1330 Es stellt keine Abweichung von Prinzip der Bestimmung der geschuldeten Leistung durch den Arbeitsvertrag dar, wenn dem Arbeitnehmer in S 8 TzBfG ein gesetzlicher Anspruch gegen den Arbeitgeber eingeräumt wird, in die Verringerung seiner Arbeitszeit und die Fixierung ihrer zeitlichen Lage einwilligen zu müssen (Teilzeitanspruch - vgl Rn 652 ff). Der Inhalt der versprochenen Dienste besteht qualitativ darin, die geschuldete Arbeit zu leisten, nicht

555

aber darin, einen bestimmten Arbeitserfolg herbeizuführen. Andererseits ist die Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht darauf reduziert, sich nur zur Arbeit bereitzuhalten, sondern die vorgesehene Arbeitsleistung ist tatsächlich zu erbringen. 1331

1324 BAG 9.7.86 - 5 AZR 44/85 - AP BGB $ 242 Geschäftsgrundlage N r 7. 1325 Vgl BAG 17.3.82 - 5 AZR 1047/79 - AP BGB § 612 Nr 33. 1326 BAG 6.3.98 - 2 ABR 15/85 - AP KSchG 1969 $ 15 Nr 19. 1327 Vgl BAG 22.2. 2000 - 3 AZR 39/99 - AP BetrAVG $ 1 Beamtenversorgung Nr 13; 9.11.99 - 3 AZR 502/98 AP BetrAVG $ 1 Überversorgung Nr 8; 9.11.99 - 3 AZR 361/98 - AP BetrAVG § 7 Nr 96; 27.8.98 - 3 AZR 100/98 AP BetrAVG S 1 Überversorgung Nr 4; 23.9.97 - 3 ABR 85/96 - AP BetrAVG $ 1 Ablösung Nr 26, jeweils mwN. 1328 BAG 1 0 . 1 2 . 9 2 - 2 AZR 269/92 - AP BGB § 611

Harald Schliemann

Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr 27; zu $ 26 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG): BAG 22.1.97 - 5 AZR 441/95 AP BGB J 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr 33; 20.1.98 - 9 AZR 547/96 - AP BGB $611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr 37. 1329 AUg Ansicht; aA anscheinend MiinchArbR/Biomeyer $ 46 Rn 3. 1330 BAG 12.12.84 - 7 AZR 509/83 - AP KSchG § 2 Nr 6. 1331 BAG 8.2.57 - 1 AZR 338/55 - AP BGB S 615 Betriebsrisiko Nr 2; MünchArbR/Biomo'er $ 46 Rn 4 m w N auch der gegenteiligen Ansicht.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

556

Die versprochene Arbeit wird im Arbeitsvertrag in der Regel nur mehr oder weniger rahmenmäßig umschrieben. Hieran ändert auch $ 2 Abs 1 S 2 Nr 5 und 7 NachwG nichts, wonach in den schriftlichen Arbeitszeitnachweis bzw Arbeitsvertrag eine kurze „Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit" und „die vereinbarte Arbeitszeit" aufzunehmen sind (vgl zum NachweisG: Rn 475 ff). Wird im Arbeitsvertrag die Arbeitsaufgabe nach Art einer Stellenbeschreibung festgehalten oder wird darin auf eine Stellenbeschreibung Bezug genommen, so ist zu prüfen, ob der Inhalt der Stellenbeschreibung arbeitsvertragfest sein soll oder ob darin nur der derzeitige, grundsätzlich aber zur Disposition des Arbeitgebers stehende Stand der geschuldeten Arbeitsaufgaben wiedergegeben wird (vgl Rn 538).

557

Im Rahmen des Arbeitsvertrags und der ihm vorrangigen kollektiven und gesetzlichen Regelungen erfolgt dann die weitere inhaltliche Konkretisierung der Arbeitspflicht hinsichtlich des Inhaltes bzw ihrer Menge und Art, 1 3 3 2 ihrer Intensität und Qualität, 1 3 3 3 des Arbeitsortes 1 3 3 4 und der Arbeitszeit 1 3 3 5 durch den Arbeitgeber im Rahmen des ihm kraft Arbeitsvertrags zustehenden Weisungsoder Direktionsrechtes. 1 3 3 6 Sowohl die vertraglich vereinbarte Arbeitspflicht als auch ihre nähere Ausgestaltung durch Weisungen des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechtes unterliegen in mehrfacher Hinsicht gesetzlichen Schranken. Derartige Beschränkungen ergeben sich primär aus zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen. In spezialgesetzlichen Regelungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen sind insoweit vor allem das dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dienende Arbeitszeitgesetz 1337 sowie die zahlreichen Bestimmungen über den Arbeitsschutz (vgl $ 618 Rn 18 f)zu beachten. Beschränkungen können sich aber auch aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, vor allem solchen über die Arbeitszeit (§ 87 Abs 1 Nr 2, 3 BetrVG), ergeben. 2.

Personengebundenheit

558

Im Zweifel ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitspflicht in eigener Person zu erfüllen ($ 613 S 1 BGB, vgl die Erläuterungen dort). Indessen kann ein Arbeitnehmer auch ausdrücklich oder stillschweigend berechtigt werden, einen Teil seiner Arbeitsleistung durch Dritte erbringen zu lassen. Dies wird vor allem für Hausmeisterehepaare angenommen, bei denen in der Regel der Ehemann im Arbeitsverhältnis als Hausmeister steht, aber berechtigt ist, einen Teil der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung auch durch seine Ehefrau erbringen zu lassen. Teilweise werden derartige Verträge jedoch auch mit dem Inhalt geschlossen, daß sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau Arbeitnehmer sind. Ähnlich verhält es sich in GruppenarbeitsVerhältnissen (Rn 317 ff).

559

Umgekehrt ist der Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung nach § 613 S 2 BGB im Zweifel auch nicht übertragbar. Dies schließt zwar den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Fall des rechtsgeschäftlichen Betriebsüberganges nach $ 613a BGB nicht aus; dabei ist jedoch zu beachten, daß dem Arbeitnehmer insoweit ein Widerspruchsrecht zusteht (vgl § 613a Rn 73-80). Anders verhält es sich dagegen in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer ausdrücklich zur Arbeitsleistung bei Dritten eingestellt worden ist. Dies ist grundsätzlich der Fall bei Arbeitnehmern, die als Leiharbeitnehmer („Zeitarbeitnehmer") eingestellt werden; Inhalt solcher Arbeitsverträge ist, daß der Arbeitnehmer sich verpflichtet, die versprochenen Dienste bei einem Dritten derart zu erbringen, daß der Dritte den Arbeitnehmer wie einen eigenen Arbeitnehmer einsetzen darf. 1 3 3 8 Keine Arbeitnehmerüberlassung liegt indessen vor, wenn einem bei einem Verkehrsunternehmen angestellten Fahrer die Aufgabe übertragen wird, Fahrzeuge eines anderen Unternehmens zu führen, die arbeitsvertraglichen Weisungsrechte jedoch beim vertraglichen Arbeitgeber verbleiben; in solchen Fallen wird nicht etwa der Anspruch auf die Arbeitsleistung abgetreten. 1339 Ähnlich verhält es sich in Arbeitsverhältnissen mit Montagearbeitnehmern.

133Z 1333 1334 1335 1336 180

S S S S S

Rn Rn Rn Rn Rn

568-574. 575-579. 580-588. 589-673. 561-567.

Harald Schliemann

1337 S Rn 589-673. 1338 BAG 2 2 . 6 . 9 4 - 7 AZR 286/93 - AP AÜG $ 1 Nr 16, unter IV 2 b d Gr. 1339 BAG 1 7 . 1 . 7 9 - 5 AZR 248/78 - A P BGB $ 613 Nr 2 (von Hoytiingen-Huene).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

Häufig sind bei Konzernen Arbeitsvertragsgestaltungen anzutreffen, in denen sich der Arbeitnehmer 5 6 0 verpflichtet, sich konzernweit einsetzen zu lassen. In solchen Fällen ist durch Auslegung zu ermitteln, ob hierunter nur die Bereitschaft zur konzernweiten Arbeitnehmerüberlassung zu verstehen ist (vgl $ 1 Abs 3 Nr 2 AÜG) oder auch die Bereitschaft, ein Arbeitsverhältnis zu gleichen Bedingung in jedem anderen Konzernunternehmen als neuem Arbeitgeber einzugehen. Möglich ist auch, daß ein Tarifvertrag die zeitweilige Überlassung von Arbeitnehmern zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen vorsieht (vgl S 1 Abs 3 Nr 1 AÜG). 3.

Direktionsrecht

Als Direktionsrecht oder auch Weisungsrecht bezeichnet man das Recht des Arbeitgebers, die im 5 6 1 Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers einseitig nach S 315 Abs 1 BGB durch Weisungen zu konkretisieren. Kraft seines Direktionsrechts bestimmt der Arbeitgeber die näheren Einzelheiten der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung, vor allem deren Ort, Zeit und ihren näheren Inhalt. a)

Rahmen des Direktionsrechts

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder 5 6 2 Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Insbesondere von der Fassung des Einzelarbeitsvertrages hängt ab, inwieweit für den Arbeitgeber ein Direktionsrecht eröffnet ist. Je weniger konkret die Arbeitsleistung nach Art, Inhalt und Zeit darin bestimmt ist, desto weitgehender ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Es erhält zusätzliche Erweiterungen, wenn im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist, daß der Arbeitnehmer bereit ist, in anderen Betrieben des Unternehmens oder in und für andere Unternehmen des Konzerns tätig zu sein, bereit zu sein, seine Tätigkeit im gesamten Inland oder gar im Ausland auszuüben. Ferner wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers in zeitlicher Hinsicht dadurch erweitert, daß der Arbeitnehmer sich bereiterklärt, in mehr oder minder definiertem Umfang Mehrarbeit zu leisten oder auch - in der Praxis allerdings selten - Kurzarbeit hinzunehmen. Eine wesentliche Beschränkung des Direktionsrechts durch Einzelvertrag liegt in der vertraglichen Fixierung der tariflichen Feingruppierung. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes darf dem Arbeitnehmer nach dem dort typischen Arbeitsvertrag keine Tätigkeiten übertragen, die geringerwertigen Merkmalen entspricht und nur im Wege des Bewährungsaufstiegs die Eingruppierung in die für den Arbeitnehmer maßgebliche Tarifgruppe ermöglicht. 1340 Zudem kann sich der Arbeitgeber durch Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer bei der Ausübung des Direktionsrechts selbst binden, insbesondere die Ausübung von Widerrufsrechten auf bestimmte Fälle beschränken. Überträgt der Arbeitgeber vorläufig eine höherwertige Tätigkeit und macht er die Übertragung auf Dauer nur von der Bewährung abhängig, so darf er dem Arbeitnehmer die höherwertige Tätigkeit nicht aus anderen Gründen entziehen. 1341 b)

Billiges Ermessen

Soweit hiernach der Arbeitgeber sein Direktionsrecht ausüben kann, muß er die Grenzen billigen Ermessens iSd § 315 Abs 1 BGB einhalten. 1342 Die Ausübung billigen Ermessens setzt voraus, daß alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. 1343 Bei der Ausübung des billigen Ermessens ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. 1344 Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt und alle Umstände abgewogen worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Insoweit kommt dem Revisionsgericht ein 1340 BAG 24.4.96 - 4 AZR 976/94 - AP BGB § 7611 Direktionsrecht Nr 49 mwN. 1341 BAG 1 7 . 1 2 . 9 7 - 5 AZR 332/96 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 52. 1342 Std Rspr, statt vieler: BAG 11.2.98 - 5 AZR 472/97 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 54; 24.4.96 - 5 AZR 1031/94-AP BGB S 611 Direktionsrecht Nr 48; 11.10.95 - 5 AZR 1009/94 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 45; Harald Schliemann

563

23.6.93 - 5 AZR 337/92 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr 42, jeweils mwN. 1343 Std Rspr, statt vieler: BAG 1 1 . 2 . 9 8 - 5 AZR 472/97 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr 54; 24.4.96 - 5 AZR 1031/94 - AP BGB $611 Direktionsrecht Nr 48. 1344 BAG 1 1 . 1 0 . 9 5 - 5 AZR 1 009/94 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 45 ; 28.11.84 - 3 AZR 510/69 - AP

BGB J 305 Nr 1 (M. Wolß.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

unbeschränktes Überprüfungsrecht z u . 1 3 4 5 Dabei hat die Partei, der das Recht zur Leistungsbestimmung zusteht, zu beweisen, daß ihre Bestimmung gem $ 315 Abs 3 S 1 BGB der Billigkeit entspricht. 1 3 4 6 c) 564

Schranken des Direktionsrechts

Die Beschränkung des Direktions- oder Weisungsrechtes durch das Gesetz beruht vor allem auf zwingenden gesetzlichen N o n n e n , vor allem solchen des Arbeitsschutzrechtes, aber auch strafrechtlichen B e s t i m m u n g e n . Ebensowenig dürfen Weisungen gegen die guten Sitten oder gegen Grundrechte der Arbeitnehmer verstoßen. Gesetz- oder sittenwidrige Weisungen des Arbeitgebers sind entsprechend den §§ 134, 138 BGB nichtig; sie müssen vom Arbeitnehmer nicht beachtet werden. 1 3 4 7 So kann ein Arbeitnehmer, ohne gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu verstoßen, eine weisungsgemäße Durchführung der Fahrt mit einem Straßenverkehrsfahrzeug ablehnen, wenn er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist und er sich durch das Führen des Fahrzeuges strafbar macht. 1 3 4 8 Die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit einer Weisung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß Arbeitnehmer sie befolgen oder sie sich ausdrücklich einverstanden erklären. Die Durchführung einer Veranstaltung des Arbeitgebers zur Vorbereitung der eigentlichen auf Gewinnerzielung gerichteten betrieblichen Tätigkeit durch Schulung der - freiwillig mitwirkenden - Arbeitnehmer über aktuelle handwerkliche Fertigkeiten ist wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ($ 9 ArbZG, vormals $ 105b Abs 1 S 1 GewO) unzulässig. 1 3 4 9 Die hierauf gerichtete Weisung des Arbeitgebers ist nach $ 134 BGB nichtig; sie m u ß von den angewiesenen Arbeitnehmern nicht beachtet werden. Wesentlich ist stets, ob die Weisung objektiv gegen eine den Schutz (auch) des Arbeitnehmers bezweckende Vorschrift verstößt; unerheblich ist, ob dem Arbeitgeber die jeweilige Anweisung ausdrücklich verboten ist. Insoweit gelten vergleichbare Überlegungen wie zur Frage der Nichtigkeit von Arbeitsverträgen, die verbotswidrig abgeschlossen worden sind. 1 3 5 0 Gleiches gilt, soweit Weisungen gegen Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften verstoßen. Sie sind zwar nicht im formellen, aber im materiellen Sinne Gesetze. Ebensowenig dürfen Weisungen gegen zwingende Regelungen in Kraft beiderseitiger Tarifbindung zwingend anwendbaren Tarifverträgen oder gegen nach § 77 Abs 4 BetrVG unmittelbar und zwingend geltende Betriebsvereinbarungen verstoßen. 1 3 5 1 d)

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Ermessensgrenzen

Im Rahmen des billigen Ermessens hat der Arbeitgeber bei seiner Einzelweisung auch Gewissenskonflikte des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Bei verfassungskonformer Auslegung des S 315 BGB darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen, die den Arbeitnehmer in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringt. Bei der erforderlichen Interessenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer bei der Eingehung des Arbeitsverhältnisses mit einem Gewissenskonflikt hat rechnen müssen, ob der Arbeitgeber aus betrieblichen Erfordernissen auf diese Arbeitsleistung durch diesen Arbeitnehmer bestehen muß oder ob dem Arbeitnehmer eine andere Arbeit zugewiesen werden k a n n . 1 3 5 2 Entscheidend kommt es darauf an, inwieweit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seinen Gewissenskonflikt offenbart hat. Maßgebend ist der sog subjektive Gewissensbegriff. Er setzt voraus, daß der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei es wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. 1 3 5 3 Läßt sich aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall ein Gewissenskonflikt 1345 BAG 1 1 . 1 0 . 9 5 - 5 AZR 1 009/94 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 45. 1346 BAG 1 1 . 1 0 . 9 5 - 5 AZR 1 009/94 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 45. 1347 Kothe NZA 89 161, 163 f; MünchArbR/B/omeyer $ 46 Rn 30. 1348 BAG 23.6.88 - 8 AZR 300/85 - AP BGB $611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 94 (HJ. Weier). 1349 BayObLG 22.1.86 - 3 Ob OWi 136/85 - AP GewO $ 105b Nr 6.

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Harald Schliemann

1350 BAG 8.9.88 - 2 AZR 102/88 - AP MuSchG 1968 S 8 Nr 8 (Fastrich). 1351 BAG 6.4.89 - 6 AZR 622/87 - AP BAT $ 2 SR 2r Nr 2. 1352 BAG 20.12.84 - 2 AZR 436/83 - AP BGB S 611 Direktionsrecht Nr 27 (Brox). 1353 BAG 24.5.89 - 2 AZR 285/88 - AP BGB $611 Gewissensfreiheit Nr 1 (1. Kraft/Raab, 2. Berger-Dethey).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner gerichtlichen Kontrolle. Insoweit findet nur eine Plausibilitätskontrolle statt. 1354 So kann ein Kriegsdienstverweigerer nicht wirksam verpflichtet werden, kriegsverherrlichende Schriften zu drucken. 1355 Ärzte und ärztliche Hilfskräfte dürfen sich weigern, Medikamente zu entwickeln, die einen verlängerten Einsatz von Soldaten im Nuklearkrieg ermöglichen sollen. 1356 In solchen Fällen kann dem Arbeitnehmer auch nicht gekündigt werden. Er verliert jedoch seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt (§ 326 Abs 1 BGB), weil weder er selbst noch der Arbeitgeber die Unmöglichkeit dieser Arbeitsleistung zu vertreten haben; § 616 Abs 1 BGB ist auf einen solchen Fall nicht anzuwenden.1357 Aus strukturell vergleichbaren Erwägungen kann ein Arbeitnehmer gegen seinen Willen nicht angewiesen werden, sog Streikarbeit zu leisten. 1358 Der Einsatz von Beamten zu solcher Streikarbeit bei der Post ist vom BVerfG zwar mangels hinreichender gesetzlicher Grundlage für den darin liegenden Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Postgewerkschaft (Art 9 Abs 3 GG) als verfassungswidrig angesehen worden. 1359 Gleichwohl haben die Beamten ihrer Gehorsamspflicht zu genügen. 1360 Bei der Ausübung des Weisungsrechtes durch den Arbeitgeber sind die Mitbestimmungsrechte des 5 6 6 Betriebsrates bzw des Personalrates zu beachten. Dies betrifft in allererster Linie alle generellen Regelungen des Arbeitgebers über Fragen der Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb ($ 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG) bzw in der Dienststelle ($ 75 Abs 3 Nr 15 BPersVG sowie entsprechende Länderbestimmungen) und die Lage und Verteilung von Arbeitszeit und Pausen bzw die vorübergehende Verlängerung und Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit ($ 87 Abs 1 Nr 2,3 BetrVG). Das Mitbestimmungsrecht des $ 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG bezieht sich auf das sog Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer,1361 nicht aber auf arbeitsnotwendige Anordnungen oder Maßnahmen. 1 3 6 2 Soweit Arbeitgeber selbst bindend verpflichtet sind, bestimmte Anordnungen zu treffen, entfällt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.1363 Mitbestimmungsrechte des Betriebs- oder Personalrates bestehen auch unter allen anderen rechtlichen Gesichtspunkten des § 87 Abs 1 BetrVG bzw § 75 Abs 3 BPersVG und entsprechenden Ländernormen. Soweit Arbeitnehmer ohne Änderung des Arbeitsvertrages iSd § 95 Abs 3 BetrVG versetzt werden sollen, muß hierzu der Betriebsrat vorher angehört werden ($ 99 Abs 1 BetrVG). Entsprechendes gilt für die Versetzung von Arbeitnehmern des Bundes, sowie deren Abordnung für die Dauer von mehr als drei Monaten oder Zuweisungen (§ 75 Abs 1 Nr 3, 4 BPersVG) sowie für Arbeitnehmer der Länder nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder. e)

Nichtbefolgung von Weisungen

Weigert sich der Arbeitnehmer zu Unrecht, der zulässigen Weisung des Arbeitgebers Folge zu leisten, so kann dies - nach vorheriger einschlägiger Abmahnung - grundsätzlich eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (vgl § 620 Rn 650). Nach der aufgehobenen Bestimmung des $ 123 Abs 3 GewO aF war die „beharrliche Verweigerung der Arbeitsleistung" ein außerordentlicher Kündi-

1354 BVerfGE 69 1, 23 = NJW 85 1519. 1355 BAG 20.12.84 - 2 AZR 436/83 - AP BGB S 611 Direktionsrecht Nr 27 (Brox). 1356 BAG 24.5.89 - 2 AZR 285/88 - AP BGB $611 Gewissensfreiheit Nr 1 (1. Kraft/Raab, 2. Berger-Delhey). 1357 Kraft/Raab Anm zu AP BGB $611 Gewissensfreiheit Nr 1; Henssler AcP 190 (1990) 538,567; aA WenddingSchröder BB 88 1746; s aber auch BAG 3 . 1 2 . 8 0 - 5 AZR 477/78 - AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr 4. 1358 BAG 10.9.85 - 1 AZR 262/84 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 86 (Mayer-Maly). 1359 BVerfGE 88 103, 116 ff = AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 126. 1360 BVerfG 7.11.94 - 2 BvR 1117/94 ua - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 144. 1361 Std Rspr, statt vieler: BAG 25.1.2000 - 1 A B R 3/99 Harald Schliemann

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- AP BetrVG 1972 $ 87 Ordnung des Betriebes Nr 34 (vorzeitige Abgabe von Krankheitsattesten); 8.6.99 1 ABR 67/98 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr 31 (Namensangabe auf Geschäftsbriefen); 19.1.99 - 1 ABR 499/98 - AP BetrVG 1972 $ 87 Ordnung des Betriebes Nr 28 (betriebliches Tabakrauchverbot); 8.11.94 - 1 ABR 22/94 - AP BetrVG 1972 $ 87 Ordnung des Betriebes Nr 24 (Formalisierte Krankengespräche). 1362 Std Rspr, statt vieler: BAG 13.5.97 - 1 ABR 2/97 AP BetrVG 1972 Nr 37 (Abmeldung zur Betriebsratsarbeit); 23.7.96 - 1 ABR 17/96 - AP BetrVG 1972 § 8 7 Ordnung des Betriebes Nr 26 (Anordnung einer Dienstreise). 1363 BAG 9.7.91 - 1 ABR 57/90 - AP BetrVG 1972 $ 87 Ordnung des Betriebes Nr 19; 26.5.88 - 1 ABR 9/87 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr 14.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

gungsgrund, 1 3 6 4 in der Regel allerdings erst nach einer vorherigen Abmahnung. 1 3 6 5 Ggfs schuldet der Arbeitnehmer auch Schadenersatz (vgl Rn 745). 4. 568

Vertraglicher Inhalt der Arbeitspflicht

Der Gegenstand (Inhalt) der Arbeitspflicht richtet sich nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Parteien. In der Regel werden in Arbeitsverträgen jedoch k e i n e genauen Inhalte der jeweiligen Arbeitspflicht vereinbart, sondern lediglich mehr oder weniger weit gefaßte r a h m e n m ä ß i g e Umschreibungen (Rn 5 5 6 , 5 5 7 ) . Deshalb bedarf ein Arbeitsvertrag in der Regel mangels konkreter Bestimmungen des Inhaltes der Arbeitspflicht und ihrer Grenzen der Auslegung. a)

Hauptsächlich versprochene Arbeit

569

Ist ein Arbeitnehmer lediglich als „Angestellter" angestellt worden, so ist der Gegenstand bzw Inhalt seiner Arbeitspflicht sehr weit gefaßt; in der Regel können ihm durch Arbeitgeberweisung alle Tätigkeiten übertragen werden, die die Merkmale der m a ß g e b e n d e n Vergütungsgruppe des einschlägigen Tarifvertrages erfüllen. 1 3 6 6 Dagegen schuldet der Arbeitnehmer keine Tätigkeit, die nur die Merkmale einer niedrigeren Vergütungsgruppe erfüllt und die nur die Eingruppierung in die ursprünglich maßgebende Vergütungsgruppe im Wege des Bewährungsaufstiegs ermöglicht. 1 3 6 7 Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer auch dann keine niedriger zu bewertende Tätigkeit zuweisen, wenn er dem Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte höhere Vergütung bezahlt, die seiner bisherigen Tätigkeit entspricht. 1 3 6 8 Ähnlich verhält es sich wenn jemand als „Arbeiter" eingestellt wird. Zuweilen sehen tarifvertragliche Regelungen vor, daß dem Arbeiter ohne Änderung des Arbeitsvertrages bei Erfüllung der tarifvertraglichen Erfordernisse einseitig andere, auch nach einer niedrigeren Lohngruppe zu vergütende Tätigkeiten zugewiesen werden dürfen; insoweit wird der äußerst weite Rahmen der gegenständlich geschuldeten Arbeitstätigkeit nicht einmal mehr durch deren Wertigkeit im Hinblick auf die Lohngruppe begrenzt. 1 3 6 9 IdR zulässig ist es, Zuschlagspflichtige Aufgaben im Wege des Direktionsrechts unter Wegfall der Tätigkeitszulage gem $ 315 Abs 1 wieder zu entziehen. 1 3 7 0

570

Sehr häufig werden Gegenstand bzw Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag durch die Angabe herkömmlicher Berufsbezeichnungen umschrieben, zB Schlosser, Drucker, KraftfahrzeugMechaniker, Redakteur, Lehrer usw, häufig unter gleichzeitiger Angabe der relevanten Vergütungsgruppe bzw Lohngruppe. Mit solcher Beschreibung ist den Anforderungen des $ 2 Abs 1 S 2 Nr 5 NachwG Genüge getan. In solchen Fällen richtet sich der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung zunächst nach dem damit umschriebenen h e r k ö m m l i c h e n Berufsbild einschließlich dessen Entwickl u n g unter Berücksichtigung der Branche, des Ortes und ggf auch des Betriebes. 1 3 7 1 Damit darf jedoch nicht starr an herkömmlichen Berufsbildern festgehalten werden; vielmehr ist für den Inhalt der Arbeitspflicht auch die allgemeine Weiterentwicklung innerhalb der unterschiedlichen Berufe und innerhalb des Betriebes zu berücksichtigen. 1 3 7 2

571

Die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitspflicht kann nach Gegenstand und Inhalt auch im Arbeitsvertrag stärker konkretisiert sein. Dies kann zum einen durch eine genaue Bezeichnung der Aufgabe im Arbeitsvertrag selbst geschehen. Die Parteien des Arbeitsvertrages können aber auch die einschlägige Stellenbeschreibung zum Inhalt des Arbeitsvertrages machen. Möglich ist auch, zur genaueren 1364 BAG 17.3.88 - 2 AZR 576/87 - BGB $ 626 Nr 99, 37, 45 f. 1365 BAG 17.2.94 - 2 AZR 616/93 - AP BGB S 626 Nr 116. 1366 BAG 30.8.95 - 1 AZR 47/95 - AP BGB $611 Direktionsrecht Nr 44; 23.6.93 - 5 AZR 337/92 - AP BGB S 611 Direktionsrecht Nr 42; 9.2.89 - 6 AZR 174/ 87 - AP BeschFG 1985 S 2 Nr 4. 1367 Vgl für den öffentlichen Dienst: BAG 24.4.96 4 AZR 976/94 - AP BGB $611 Direktionsrecht Nr 49; 30.8.95 - 1 AZR 47/95 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 44.

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1368 BAG 12.12.84 - 7 AZR 509/83 - AP KSchG 1969 S 2 Nr 2. 1369 BAG 22.5.85 - 4 AZR 427/83 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr 7 (Weiss). 1370 BAG 24.4.96 - 5 AZR 1032/94 - PersR 1997,17918.

1371 BAG 20.11.96 - 5 AZR 414/95 - AP BGB $611 Lehrer, Dozenten Nr 127; MiinchArbR/Biomgifr § 46 Rn 20. 1372 LAG Hamm 8.6.94 - 14 Sa 2054/93 - LAGE BGB $611 Direktionsrecht Nr 20.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

Beschreibung der geschuldeten Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag die hierarchische Stellung des einzustellenden Arbeitnehmers, seinen Aufgaben- und Verantwortungsbereich und seine Zuordnung zu bestimmten Führungsebenen zu vereinbaren. In derartigen Fällen wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers erheblich eingeschränkt, weil die geschuldete Arbeitsaufgabe enger abgegrenzt worden ist. Dagegen ändern sog „Zielvereinbarungen" in aller Regel den Inhalt des Arbeitsvertrages im Hinblick auf den Gegenstand und den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung nicht. Wird zB mit einem Automobilverkäufer eine Zielvereinbarung über zu verkaufende Automobile geschlossen, so schuldet dieser Automobilverkäufer nicht die Erreichung dieses Zieles, sondern eine hinreichende Verkäufertätigkeit, die ihrerseits dazu führt, daß das „vereinbarte" Ziel möglichst erreicht wird. Umgekehrt stellt das Verfehlen des vereinbarten Zieles für sich allein keine Verletzung des Arbeitsvertrages dar, sondern idR nur einen massiven Anlaß zu prüfen, weshalb das Ziel verfehlt worden ist. b)

Nebenarbeiten

Als Teil der vereinbarten Arbeitsleistung schuldet ein Arbeitnehmer in der Regel Nebenarbeiten, soweit 5 7 2 diese im unmittelbaren Zusammenhang mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stehen. Derartige Nebenarbeiten gehören zur Arbeitspflicht. Sie umfassen zB die Pflege der Arbeitsmittel, die Säuberung des Arbeitsplatzes, Dienstgänge und Dienstreisen, Teilnahme an Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen des Arbeitgebers, Nebendienstleistungen wie zB das Zubereiten warmer Getränke durch die Sekretärin im Vorzimmer, das Einordnen von Nachlieferungen von Loseblatt-Werken durch Schreibkräfte und vieles andere mehr. Derartige Nebenarbeiten können auch einen erheblichen Zeitaufwand erfordern und von dem Arbeitnehmer eine größere Verantwortung abverlangen. Inwieweit derartige Nebenarbeiten geschuldet sind, hängt in der Regel vom üblichen Berufsbild ab; insoweit darf jedoch ebenfalls nicht nur auf die Vergangenheit geblickt werden, sondern es müssen auch Weiterentwicklungen des Berufsbildes berücksichtigt werden. So ist zB ein für den Unterricht an allgemeinbildenden Schulen angestellter Lehrer auch ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag verpflichtet, eintägige oder mehrtägige Klassenausflüge und -reisen durchzuführen, denn dies entspricht dem herkömmlichen Berufsbild des Lehrers. 1373 Ein als Verwaltungsangestellter beschäftigter Arbeitnehmer, der im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis für Personenkraftwagen ist, schuldet in aller Regel auch, den Dienstwagen auf Dienstreisen selbst zu führen und ggf Arbeitskollegen darin mitzunehmen. 1374 Eine Bäckereifachverkäuferin muß auch eine im Ladengeschäft aufgestellte Anlage zum Brötchenbacken bedienen. 1375 c)

Zusatzarbeiten

Inhalt und Gegenstand der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung können durch Zusatzarbeiten 5 7 3 verändert werden. Dies ist auch dann möglich, wenn sich dadurch die geschuldete Vergütung des Arbeitnehmers ändert und er beim Entzug der zusätzlichen Aufgabe eine geringere Vergütung erhält. Rechtsgrundlage hierfür können tarifvertragliche Bestimmung sein, so zB beim Wegfall der Zusatzaufgabe des Check-Purser in der Passagierluftfahrt1376 oder beim Widerruf der Bestellung zum Vorarbeiter im öffentlichen Dienst, 1377 aber auch einzelvertragliche Regelungen, zB beim Wegfall der Zusatzaufgabe „Vorzimmertätigkeit" für eine Schreibkraft.1378 In allen genannten Fällen verringerten sich dementsprechend auch die Bezüge der Arbeitnehmer; darin lag angesichts des Umfanges der Reduzierung der Bezüge keine Umgehung zwingender Kündigungsschutzbestimmungen.1379 Anders verhält es sich dagegen, wenn durch eine einseitige Veränderung der Leistungsinhalte und vor allem der Leistungsmenge das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich gestört wird. 1373 BAG 20.11.96 - 5 AZR 414/95 - AP BGB $ 611 Lehrer, Dozenten Nr 127; 2 6 . 4 . 8 5 - 7 AZR 432/82 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr 48. 1374 BAG 29.8.91 - 6 AZR 593/88 - AP BGB $611 Direktionsrecht Nr 38. 1375 LAG Hamm 8.6.94 - 14 Sa 2054/93 - LAGE BGB S 611 Direktionsrecht Nr 20.

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1376 BAG 15.11.95 - 2 AZR 521/95 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr 20 (Check-Purser-Tätigkeit). 1377 BAG 10.11.92 - 1 AZR 185/92 - AP LPVG NW S 72 (Vorarbeiter) Nr 6. 1378 BAG 24.4.96 - 5 AZR 1032/94 - nv. 1379 BAG 15.11.95 - 2 AZR 521/95 - AP TVG S 1 Tarifverträge: Lufthansa (Check-Purser-Tätigkeit) Nr 20; 10.11.92 - 1 AZR 185/92 - AP LPVG NW S 72 Nr 6.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Möglich sind aber auch insoweit vertraglich vorbehaltene Abänderungen, zB der Verkaufsbezirk eines Werkreisenden, solange sich die Gebietsänderung nicht übermäßig auf die Einkommenshöhe auswirkt und der Vertrag in seinen prägenden Bestimmungen nicht berührt wird (vgl Rn 537 ff). d)

Veränderungen

5 7 4 Veränderungen des Gegenstands oder des Inhalts der geschuldeten Arbeitsleistung bedürfen der Änderung des Arbeitsvertrages bzw einer hierauf gerichteten Änderungskündigung, wenn hierdurch der vertragliche Rahmen überschritten wird (Rn 544, § 620 Rn 457 ff und Rn 692 ff). Veränderungen innerhalb des vertraglichen Rahmens können dagegen vom Arbeitgeber einseitig vorgenommen werden (vgl Rn 538-541 und 573). 5.

Arbeitsintensität und -qualität

5 7 5 Mit der Bestimmung der geschuldeten Arbeitsleistung nach ihrem Gegenstand (Inhalt) ist noch nichts darüber gesagt, mit welcher Intensität und Qualität der Arbeitnehmer Arbeit zu leisten versprochen hat. Diese Fragen stellen sich unabhängig davon, welche Arbeitszeitmenge im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist. a)

Arbeitsintensität, Arbeitstempo

5 7 6 Die Arbeitsintensität kann (theoretisch) im Arbeitsvertrag vereinbart sein. In der Regel ist sie es nicht. Wenn sie nicht individualrechtlich vereinbart worden ist, hängt die Arbeitsintensität von einem individuellen Leistungsmaßstab ab. Maßgeblich für die Beurteilung der geschuldeten Arbeitsleistung ist unter diesem Gesichtspunkt nicht eine arbeitswissenschaftlich ermittelte Normal- oder Durchschnittsleistung an einem bestimmten Arbeitsplatz, sondern allein das persönliche Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. 1380 Das bedeutet jedoch nicht, daß ein Arbeitnehmer die mögliche Arbeitsleistung bewußt und in erheblichem Umfang zurückhalten darf. 1381 Dagegen ist der Arbeitnehmer rechtlich nicht verpflichtet, im Interesse einer möglichst intensiven Arbeitsleistung so angespannt zu arbeiten, daß er seine Gesundheit beschädigt oder gefährdet. 1382 Konstitutionsbedingte Schwankungen in der Arbeitsintensität sind in der Regel hinzunehmen. Dagegen verstößt der Arbeitnehmer gegen seine vertragliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wenn er sich durch Nebentätigkeiten oder anderweitige Betätigungen derart erschöpft, daß er nicht mehr in der Lage ist, die ihm ohne diese Erschöpfung mögliche Intensität der Arbeitsleistung zu erbringen. Umgekehrt ist der Arbeitnehmer prinzipiell nicht gehindert, einer Nebenbeschäftigung nachzugehen, solange er die Arbeitsleistung nach Art, Umfang und Intensität erbringt; denn er schuldet nur die Leistung der versprochenen Dienste, nicht aber seine gesamte Arbeitskraft.1383 5 7 7 Die Intensität der Arbeit hängt ua auch vom Arbeitstempo ab. Ausdrücklich wird einem Arbeitnehmer in der Regel kein Arbeitstempo vorgegeben. Gleichwohl ergeben sich rein tatsächlich Tempovorgaben sehr häufig aus der Organisation der Arbeit, zB durch Taktzeiten am Fließband, Zulieferung zu bearbeitender Werkteile und deren Abholung usw. Arbeitet der Arbeitnehmer langsamer, als es ihm sein individuelles Arbeitstempo ermöglicht, so handelt es sich wiederum um eine vertragswidrige Zurückhaltung der Arbeitsleistung. 5 7 8 Arbeitet der Arbeitnehmer im Leistungslohn, so haben Arbeitsintensität und Arbeitstempo in aller Regel einen unmittelbaren Einfluß auf seine Entlohnung. Arbeitet er weniger intensiv oder langsamer, so sinkt in aller Regel sein Arbeitsentgelt. Arbeitet der Arbeitnehmer allerdings so langsam, daß er die für den Leistungslohn vorausgesetzte Normalleistung ständig nicht erreicht, so kann darin eine Verletzung des Arbeitsvertrages liegen. 1384 Nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage der Arbeitsintensität 1380 BAG 13.7.88 - 2 AZR 576/87 - AP BGB $ 626 Nr 99; 20.3.69 - 2 AZR 283/68 - AP GewO S 123 Nr 27 (Canaris). 1381 BAG 17.7.70 - 3 AZR 423/69 - AP MuSchG 1968 S 11 Nr 3 (Fenn).

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1382 MünchArbR/Biomeyer $ 46 Rn 56. 1383 BAG 14.8.69 - 2 AZR 184/68 - AP ArbKrankhG § 1 Nr 45 (Haschet). 1384 BAG 20.3.69 - 2 AZR 283/68 - AP GewO § 123 Nr 27 (Canaris).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 vn. Pflicht zur Arbeitsleistung und des Arbeitstempos besteht bei Regelungen über den (echten) Leistungslohn ein betriebsverfassungsrechtliches Mitbestimmungsrecht, auch über den Geldfaktor, nach S 87 Abs 1 Nr 11 BetrVG. 1 3 8 5 b)

Arbeitsqualität

Hinsichtlich der Arbeitsqualität fehlt es im Arbeits- und Dienstvertragsrecht an einem dem $ 243 Abs 1

579

BGB entsprechenden Maßstab. Es wird keine Arbeitsleistung „mittlerer Art und Güte" geschuldet. Vielmehr muß der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeit unter Anspannung der ihm möglichen Fähigkeiten ordnungsgemäß verrichten, dh, er muß sorgfältig und konzentriert und unter Anspannung der ihm möglichen Fähigkeiten und Fertigkeiten arbeiten. 1 3 8 6 Bei Arbeiten im Akkordoder Prämienlohn wird häufig einzelvertraglich, tarifvertraglich oder auch im Wege der Betriebsvereinbarung geregelt, welchen Qualitätsanforderungen die gefertigten Arbeiten genügen müssen, um einen ungekürzten Entgeltanspruch auszulösen. 1 3 8 7 6.

Ort der Arbeitsleistung

Ort der Arbeitsleistung oder Leistungsort ist für die Erbringung der Arbeitspflicht der Platz, an welchem der Arbeitnehmer seine Leistungshandlungen vorzunehmen hat. Dies ist zugleich der Erfüllungsort, denn der Arbeitnehmer schuldet lediglich die Leistunghandlungen, nicht aber den Leistungserfolg. a)

580

Arbeitsvertragliche Regelung

Der Ort der Arbeitsleistung (Erfüllungsort) richtet sich in erster Linie nach den Vereinbarungen i m Arbeitsvertrag. Die Angabe des Arbeitsortes oder der Hinweis auf wechselnde Arbeitsorte ist nach $ 2 Abs 1 S 2 Nr 4, Abs 4 NachwG notwendiger Inhalt des Arbeitsnachweises bzw des schriftlichen Arbeitsvertrages. Soweit sie keine eindeutige Regelung enthalten, ist durch Auslegung zu ermitteln, wo der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat. Lediglich dann, wenn der Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuld Verhältnisses, zu entnehmen ist, hat die Leistung nach § 2 6 9 Abs 1 BGB an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, nach dem Erfüllungsort bzw dessen örtlichen Schwerpunkt richtet sich auch die Anwendung des räumlich geltenden Tarifvertrags. 1 3 8 8 Auch ohne ausdrückliche Bestimmung des Erfüllungsortes ergibt sich jedoch der Ort der zu erbringenden Arbeitsleistung in der Regel aus den Umständen und der Natur des Arbeitsverhältnisses, nämlich aus der geschuldeten Arbeitsleistung. Wird jemand als Fabrikarbeiter eingestellt, so ist selbstverständlich, daß er seine Arbeitsleistung in der Fabrik zu erbringen hat und nicht etwa in seiner Wohnung. Aus ausdrücklicher Vereinbarung wie auch aus den Umständen kann sich auch

581

ergeben, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung an verschiedenen Orten (wechselnden Einsatzorten) oder als Reisender zu erbringen hat. Bei Außendienstarbeitnehmern mit Reisetätigkeit kann als Erfüllungsort sowohl der Betriebssitz als auch die davon abweichende Wohnung des Arbeitnehmers in Betracht kommen. Selbst wenn letzteres anzunehmen ist, folgt daraus nicht notwendig, daß sich dort auch der Gerichtsstand für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis befindet. 1 3 8 9 Dienstreisen zählen in der Regel zum Berufsbild, sie können vom Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts angeordnet werden. 1 3 9 0 Häufig wird in Arbeitsverträgen der Ort der Leistung konkret vereinbart. Regelmäßig ist damit zugleich

582

allerdings auch eine Klausel verbunden, nach der der Arbeitnehmer an einen anderen Ort der Arbeits1385 BAG 13.9.83 - 1 ABR 32/81 - AP BetrVG 1972 S 87 Prämie. 1386 BAG 13.7.88 - 2 AZR 576/87 - AP BGB $ 626 Nr 99; 14.1.86 - 1 ABR 75/83 - AP BetrVG 1972 $87 Ordnung des Betriebes Nr 10 (von Hoyningen-Huene). 1387 BAG 15.3.60 - 1 AZR 301/57 - AP BGB $611 Akkordlohn Nr 13. Harald Schliemann

1388 BAG 3.12.85 - 4 AZR 325/84 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Großhandel Nr 5; ErfKomm/Prei's $611 BGB Rn 929. 1389 Vgl ErfKommPreiî $ 611 BGB Rn 929. 1390 Vgl Loritz NZA 97 1188, 1190.

187

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

leistung versetzt oder umgesetzt werden kann (vgl Rn 538). Solche Versetzungsvorbehalte können einzelvertraglich, aber auch tarifvertraglich vereinbart werden. 1 3 9 1 b) 583

Tätigkeiten m i t wechselnden Einsatzorten

Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung kann sich aus der Art der geschuldeten Arbeitsleistung ergeben, daß der Arbeitnehmer an wechselnden Einsatzorten tätig zu sein hat, so zB bei Handlungsreisenden, Gebietsverkäufern, Bauarbeitern u n d Montagearbeitern, aber auch bei Mitarbeiter von Reinigungsunternehmen. So ist mangels eindeutiger anderweitiger Vereinbarung der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts befugt, einer bei einem Gebäudereinigungsunternehmen tätige Raumpflegerin örtlich jeweils unterschiedlich einzusetzen. 1 3 9 2 Auch bei Tätigkeiten, die ihrer Art nach einen ständig wechselnden Einsatzort erfordern, steht dem Arbeitgeber kein uneingeschränktes Direktionsrecht zu. Unterhält der Arbeitnehmer mehrere Betriebe, so sind auch Arbeitnehmer mit diesen Tätigkeiten in der Regel einem Betrieb zugeordnet; der Arbeitgeber ist dann nicht ohne weiteres in der Lage, den Arbeitnehmer einem anderen, räumlich weit entfernten Betrieb zuzuordnen und ihn von dort aus einzusetzen. Anders kann es dagegen bei räumlich benachbarten Betrieben desselben Arbeitgebers liegen. Auch ohne Wechsel der betrieblichen Zuordnung dürfen derartige Arbeitnehmer n i c h t an n i c h t oder k a u m erreichbare Arbeitsplatze geschickt werden. 1 3 9 3 Aus dem Umstand, daß ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg ständig an einem bestimmten Ort oder bestimmten Orten beschäftigt worden ist, ohne daß der Arbeitgeber jeweils erneut von seinem Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch gemacht hätte, kann für sich allein nicht darauf geschlossen werden, daß sich der Ort der Arbeitsleistung konkretisiert habe (vgl dazu auch Rn 535). 1 3 9 4

584

Auslandseinsätze kann der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts in der Regel nur anordnen, wenn der Arbeitnehmer sich im Arbeitsvertrag zur Auslandstätigkeit verpflichtet hat. Auch insoweit bedarf es der Aufnahme dieser Möglichkeit in den schriftlichen Arbeitszeitnachweis bzw schriftlichen Arbeitsvertrag (S 2 Abs 1 S 2 Nr 4, Abs 2 NachwG). Eine Vereinbarung des Auslandseinsatzes ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil die geschuldete Arbeit überhaupt an wechselnden Einsatzorten auszuführen ist (zB als Bauarbeiter), wohl aber, wenn die geschuldete Tätigkeit ihrer Art oder Beschreibung nach (auch) im Ausland zu erfolgen hat, zB als Auslandskorrespondent, Auslandsmonteur. Anderenfalls bedarf es einer ausdrücklichen Regelung über den Einsatz (auch) im Ausland. In der Praxis werden für längere Entsendungen ins Ausland in der Regel gesonderte Verträge geschlossen. 1 3 9 5 c)

585

M i t b e s t i m m u n g a m Einzelfall

Ein M i t b e s t i m m u n g s r e c h t des Betriebsrates nach § 99 Abs 1 BetrVG entfällt, soweit nach dem Arbeitsvertrag eine Tätigkeit m i t wechselnden Einsatzorten geschuldet ist, denn dies gilt nicht als Versetzung iSd BetrVG ($ 95 Abs 3 S 2 BetrVG). Liegen die Voraussetzungen des $ 95 Abs 3 S 2 BetrVG nicht vor, so stellt in der Regel der Wechsel des Ortes, an welchem die Arbeitsleistung zu erbringen ist, eine Versetzung iSd BetrVG dar, so daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gewahrt werden muß, auch wenn es keiner Veränderung des Arbeitsvertrages bedarf. 1 3 9 6 Entsprechendes gilt für Versetzungen von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst des Bundes nach § 75 Abs 1 Nr 3 BPersVG bzw für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse den Länderpersonalvertretungsgesetzen unterliegen.

1391 BAG 16.10.65 - 5 AZR 55/65 - AP BGB $ 611 Direktionsrecht Nr 20 (A. Hueck); 22.5.85 - 4 AZR 88/ 84 - AP TVG § 1 Tarifverträge Bundesbahn Nr 6. 1392 LAG Berlin 25.4.88 - 9 Sa 15/88 - LAGE $ 611 BGB Direktionsrecht Nr 2. 1393 Vgl für mutterschutzrechtliche Ersatztätigkeit: BAG 21.4.99 - 5 AZR 174/98 - AP MuSchG 1968 Nr 5. 188

Harald Schliemann

1394 BAG 22.5.85 - 4 AZR 88/84 - AP TVG $ 1 Tarifverträge Bundesbahn Nr 6; LAG Berlin 25.4.88 - 9 Sa 15/ 88 - LAGE § 611 BGB Direktionsrecht Nr 2. 1395 Vgl zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers beim Auslandseinsatz: Schliemann BB 2001 1302. 1396 BAG 18.2.86 - 1 ABR 27/84 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr 33 (Misera) betr Einsatz in Japan.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VIL Pflicht zur Arbeitsleistung

d)

Ortswechsel bei ortsfester Tätigkeit

Der Wechsel des Einsatzorts eines an nur einem Ort beschäftigten Arbeitnehmers kann verschieden vorgenommen werden. Dabei kommt es auf den Begriff des Einsatzortes an. Wird der räumliche Arbeitsplatz des Arbeitnehmers innerhalb desselben Betriebs und derselben Betriebsstätte lediglich von einem Raum in einen anderen verlegt oder von einer Werkhalle in eine andere oder ähnliches, so handelt es sich in der Regel nicht um Versetzungen, sondern um bloße Umsetzungen, 1397 wenn die Aufgabenstellung ansonsten unverändert bleibt. 1398 Anders verhält es sich dagegen, wenn die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes mit einem Wechsel des Betriebslokals oder sogar einem Wechsel der politischen Gemeinde verbunden ist. Insoweit handelt es sich in der Regel um eine Versetzung iSd §§ 99 Abs 1,95 Abs 3 BetrVG, dies zumindest dann, wenn die Zuweisung länger als einen Monat dauern soll. 1399 Ob der Arbeitsvertrag eine derartige Versetzung durch einseitige Anordnung des Arbeitgebers erlaubt oder ob es hier zu einer Änderung des Arbeitsvertrages bedarf, ist durch Auslegung des Arbeitsvertrages selbst zu ermitteln. Grundsätzlich braucht ein ortsfest angestellter Arbeitnehmer es ohne anderweitige Vereinbarung nicht hinzunehmen, an einen anderen Arbeitsort im Sinne einer anderen politischen Gemeinde oder im Sinne einer größeren Entfernung von seinem bisherigen Arbeitsort hinzunehmen. 1400 Ist der Arbeitnehmer in solchen Fällen mit seiner Versetzung an einen anderen Arbeitsort nicht einverstanden, so kann der Arbeitgeber seine Vorstellung nur mit Hilfe einer in der Regel ordentlichen Änderungskündigung durchsetzen. e)

586

Betriebsverlegung

Wird ein ortsfester Betrieb örtlich verlegt, so hat dies in aller Regel für den Arbeitnehmer einen 5 8 7 Wechsel des geographischen Ortes seiner Arbeitsleistung zur Folge. Einen solchen Wechsel hat der Arbeitnehmer jedoch, soweit es ihm zumutbar ist, hinzunehmen. Denn er hat sich vertraglich zur Arbeitsleistung in der Regel im Betrieb verpflichtet und nicht etwa an einen bestimmten geographischen Ort. Insoweit ist ein im Rahmen des Zumutbaren liegender Wechsel der örtlichen Lage der Betriebsstätte und damit des Ortes der Arbeitsleistung durch den Arbeitsvertrag gedeckt. Bei der Abwägung der Zumutbarkeit ist vor allem darauf abzustellen, inwieweit für den Arbeitnehmer höherer Fahrtaufwand, sei es in Form von Fahrzeit, sei es in Form von Fahrtkosten, entsteht. Nach näherer Maßgabe des $ 111 BetrVG unterliegt die Verlegung des ganzen Betriebes oder wesent- 5 8 8 licher Betriebsteile als Betriebsänderung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Voraussetzung hierfür ist, daß durch die Verlegung des Betriebes wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder für erhebliche Teile der Belegschaft entstehen können. Unter Verlegung eines Betriebes oder eines Betriebsteiles iSd S 111 S 2 Nr 2 BetrVG ist jede nicht nur geringfügige Veränderung der örtlichen Lage des Betriebs oder Betriebsteiles zu verstehen. Als nicht nur geringfügige Veränderung der örtlichen Lage hat das BAG die Verlegung einer Verlagsabteilung von der Stadtmitte in eine 4,3 km entfernte, am Stadtrand gelegene Betriebsstätte angesehen.1401 Der Ausgleich der Nachteile kann in verschiedener Art und Weise vorgenommen werden, ua durch (befristete) Fahrgeldzuschüsse, Einrichtung von Werksbusverkehr, Anpassung der Lage der regelmäßigen Arbeitszeit an die geänderten Verkehrsverhältnisse usw. Dagegen entfällt im Fall der Betriebsverlegung in aller Regel ein Mitbestimmungsrecht nach $ 99 Abs 1 S 1 BetrVG. Es stellt keine Entsendung der Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsort und damit keine nach $ 99 Abs 1 S 1 BetrVG zustimmungspflichtige Versetzung iSd $ 95 Abs 2 BetrVG dar, wenn der Betrieb oder ein vom übrigen Betrieb räumlich getrennter Betriebsteil, welchem der Arbeitnehmer angehört, insgesamt räumlich verlegt wird, weil dadurch die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer in ihrer Beziehung zum betrieblichen Umfeld wie auch die Arbeitsvorgänge und ähnliches unverändert bleiben. 1402 Regelmäßig eröffnet eine Betriebsveräußerung mit gleichzeitiger Verlagerung des Betriebssitzes durch den Erwerber Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § l l l S 2 N r 2 BetrVG. 1403 1397 MünchArbR/Btomeyer $ 46 Rn 79 mwN. 1398 BAG 29.2. 2000 - 1 ABR 5/99 - AP BetrVG 1972 S 95 Nr 36. 1399 BAG 19.2.91 - 1 ABR 36/90 - AP BetrVG 1972 S 95 Nr 26. 1400 BAG 10.11.55 - 2 AZR 591/54 - AP BGB $ 611 Beschäftigungspflicht Nr 2 (A. Hueck). Harald Schliemann

1401 BAG 17.8.82 - 1 ABR 40/80 - AP BetrVG 1972 S 111 Nr 11 (Richardi). 1402 LAG Berlin 22.10.91 - 6 TaBV 3/91 - NZA 92 854. 1403 BAG 20.4.89 - 2 AZR 431/88 - AP BGB $ 613a Nr 81 (Kreitner).

189

589

§ 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

7.

Zeit der Arbeitsleistung

Ein Arbeitnehmer hat nach seinem Arbeitsvertrag die versprochene Arbeit nicht nur einmalig, sondern für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zu erbringen. Dabei wechseln sich Zeiten, in denen der Arbeitnehmer zu arbeiten hat, mit solchen ab, in denen er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Infolge dieses ständigen Wechsels muß bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, zu welcher Zeit und mit welcher Dauer der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Zentralbegriff hierbei ist die Arbeitszeit. Der Begriff Arbeitszeit wird indessen - zuweilen sprachlich unterschiedlich - in mehrfacher Hinsicht verwendet. Wegen der unterschiedlichen Normzwecke und Anknüpfungspunkte, aber auch der unterschiedlichen Regelungsmethoden, läßt sich der Begriff der Arbeitszeit nicht in jedem Zusammenhang gleichermaßen abgrenzen.

590

Der Begriff Arbeitszeit ist gesetzlich zwar in $ 2 Abs 1 S 1, l . H S ArbZG beschrieben. Hiernach ist Arbeitszeit die Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen: Diese Definition gilt ihrem Wortlaut nach jedoch nur für das Arbeitszeitgesetz und damit für den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz. Das bürgerliche Recht hat den Begriff der Arbeitszeit gesetzlich nicht bestimmt. Vielmehr wird er dort ebenso vorausgesetzt wie im Betriebsverfassungsgesetz (zB § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG) und im Personalvertretungsrecht. Auch Tarifverträge verzichten in der Regel auf eine eigene Definition des Begriffs Arbeitszeit. Insbesondere können die Arbeitszeit im Sinne des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes einerseits und im Sinne der zu bezahlenden Arbeitsleistung auseinanderfallen. a)

591

Arbeitszeitrecht - Regelungszusammenhang

Prinzipiell übergeordnet ist das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitschutzrecht. Es kann jedoch nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes seinerseits durch kollektivrechtliche Normen, die dem Privatrecht zuzuordnen sind, erweitert werden, nämlich durch Tarifvertrag oder durch auf Tarifvertrag beruhender Betriebsvereinbarung. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Arbeit zu leisten, geht zwar einerseits über den R a h m e n des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes nicht hinaus. Inwieweit innerhalb dieser Grenzen die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung besteht, richtet sich jedoch in erster Linie nach seinem Arbeitsvertrag. Die regelmäßige Arbeitszeitmenge kann aber auch tarifvertraglich geregelt sein. Dann stellt sich die Frage, inwieweit eine vom Tarifvertrag abweichende arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Arbeitszeitmenge - gemessen an den Regelungen des Tarifvertrages - wirksam ist oder nicht. Die jeweils zu leistende Arbeitsmenge kann aber auch durch Betriebsvereinbarungen über Mehrarbeit bzw Kurzarbeit ($ 87 Abs 3 Nr 1 BetrVG) vorübergehend vergrößert oder verringert werden. Für die Fälligkeit der Arbeitsleistung ist die zeitliche Lage der zu erbringenden Arbeit einschließlich der Pausen am jeweiligen Kalendertag maßgeblich. Sie wird in der Regel vom Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechtes bestimmt. Dabei sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach $ 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG bzw die des Personalrates nach $ 75 Abs 1 Nr 3 und Abs 4 BPersVG bzw nach den entsprechenden Bestimmungen in den Personalvertretungsgesetzen der Länder zu beachten. b)

592

Gesetzlicher Arbeitszeitschutz

Das Arbeitszeitgesetz 1 4 0 4 regelt für den größten Teil aller Arbeitsverhältnisse den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz. Mit seinem Inkrafttreten sind frühere arbeitszeitrechtliche Bestimmungen außer Kraft gesetzt worden, insbesondere die Arbeitszeitordnung, die Bestimmungen über die Arbeitszeit in der Gewerbeordnung, über die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen und die Sonntagsarbeit sowie die Arbeitszeitregelungen für Pflegekräfte in Krankenhäusern. 1 4 0 5 Indessen sind die nach bishe-

1404 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6.6. 1994 (BGBl I 1171), verkündet als Art 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts (Arbeitszeitrechtsgesetz - ArbZRG) vom 6.6. 1994 (BGBl I 190

Harald Schliemann

1170), in Kraft getreten am 1.7. 1994 (Art 21 S 1 ArbZRG), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21.12. 2000 (BGBl I 1983). 1405 Art 21 S 2 ArbZRG vom 6.6. 1994 (BGBl 11170).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 v n . Pflicht zur Arbeitsleistung

rigem Arbeitszeitschutzrecht geläufigen Eckdaten des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes im ArbZG im wesentlichen erhalten geblieben, nämlich der Achtstundentag, die Sechstagewoche und die grundsätzliche Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen mit Ausnahmemöglichkeiten. Völlig neu geregelt ist dagegen der Komplex Nachtarbeit; bei Sonn- und Feiertagsarbeit gibt es ebenfalls bedeutende Neuerungen. aa)

Allgemeiner Anwendungsbereich

Das Arbeitszeitgesetz gilt für den allergrößten Teil der Arbeitnehmer. Das öffentlich-rechtliche Arbeits- 5 9 3 zeitschutzrecht ist in dessen nicht nur im Arbeitszeitschutzgesetz normiert. Trotz der angestrebten Normenvereinfachung regeln eine Vielzahl weiterer Gesetze und Rechtsverordnungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen und Wirtschaftsbereiche den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz. bb)

Jugendliche

Höchstgrenzen für die Beschäftigung jugendlicher Arbeitnehmer enthält das JArbSchG. 1406 Es gilt für 5 9 4 die Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren anstelle des Arbeitszeitgesetzes ($ 18 Abs 3 ArbZG). Es sieht neben dem Verbot der Kinderarbeit bis zum 14. Lebensjahr ($ 5 JArbSchG) mit Ausnahmemöglichkeiten (S 6 JArbSchG) und dem eingeschränkten Verbot der Beschäftigung Jugendlicher unter 15 Jahren ($ 7 JArbSChG) für Jugendliche, dh Menschen zwischen 14 und 18 Jahren (§ 2 Abs 2 JArbSChG), Arbeitszeitregelungen vor, die im Verhältnis zum Arbeitszeitgesetz wesentlich enger gefaßt sind. Für jugendliche Arbeitnehmer normiert $ 8 Abs 1 JArbSchG als Grundsatz eine Höchstarbeitszeit von acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Daneben sind längere Mindestarbeitspausen und weitergehende Freizeiten anstelle von Ruhezeiten nach dem Ende und vor Beginn der nächsten Arbeitszeit vorgesehen. cc)

Mutterschutzrecht

Für werdende und stillenden Mütter, die als Arbeitnehmerinnen beschäftigt werden, enthält das 5 9 5 Mutterschutzgesetz arbeitsrechtliche Sonderregelungen. 1407 Als besonderes Gesetz haben seine arbeitsrechtlichen Bestimmungen Vorrang vor entsprechenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. Neben den Beschäftigungsverboten nach den $$ 3 und 4 MuSchG, die grundsätzlich keine Minderung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt zu Folge haben, sind im Gesetz vor- und nachgeburtliche Schutzfristen für Mütter vorgesehen, während derer sie mit der Arbeitsleistung aussetzen, insofern steht ihnen Mutterschaftsgeld nebst einem - erheblichen - , vom Arbeitgeber zu leistenden Zuschuß zu. 1408 Die derart ausgefallene Arbeitszeit ist von der Mutter nicht nachzuholen. Arbeitet die werdende oder stilllende Mutter, so sind die speziellen Mehr- und Nachtarbeitsregelungen nach $ 8 Abs 1 MuSchG und die besonderen Regelungen über Ruhezeiten und Stillpausen zu beachten. dd)

Ladenschluß, Bäckereien

Arbeitszeitrechtliche Bedeutung hat auch das Ladenschlußgesetz. 1409 Nach näherer Maßgabe des $ 17 5 9 6 LadSchlG ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen auf die erlaubten Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten begrenzt. Das LadSchlG geht in seinen arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen als das speziellere Gesetz den Normen des ArbZG vor. Die im LadSchlG vorgesehenen Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen sind durch das 1406 Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz - JArbSchG) vom 12.4. 1976 (BGBl I 1965), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21.12. 2000 (BGBl I 1983). 1407 Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG) idF der Bekanntma-

Harald Schliemann

chung vom 17.1. 1997 (BGBl I 22, ber 293), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.11. 2000 (BGBl I 1638). 1408 BAG 6.6.94 - 5 AZR 501/93 - AP MuSchG 1968 $ 14 Nr 11; 31.7.96 - 5 AZR 9/95 - NZA 96 1205. 1409 Gesetz über den Ladenschluß (LadSchlG) vom 28.11. 1956 (BGBl I 875), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21.12. 2000 (BGBl 1 1983).

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

ArbZRG nicht berührt worden. 1410 Die besonderen arbeitszeitrechtlichen Regelungen für Bäckereien im Bäckerarbeitszeitgesetz und der dazu ergangenen Rechtsverordnung 1411 sind durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß und zur Neuregelung der Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien mit Wirkung ab 1. November 1996 aufgehoben worden. 1412 Die Arbeitszeit für Arbeitnehmer in Bäckereien und Konditoreien richtet sich nunmehr nach dem ArbZG bzw den in Kraft gebliebenen besonderen Gesetzen für bestimmte Arbeitnehmergruppen. ee) 597

Die Grenzen der Arbeitszeit der Arbeitnehmer in Gast- und Schankwirtschaften richten sich ebenfalls nur noch nach dem ArbZG. Die früheren besonderen arbeitszeitrechtlichen Regelungen für Arbeitnehmer in diesen Bereichen, nämlich die Freizeitanordnung, Anordnung über Ruhezeiten, Anordnung über die Freizeit von Gewerkschaftsmitgliedern in Gast- und Schankwirtschaften, sind aufgehoben worden. 1413 ff)

598

Luftfahrt

Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Besatzungsmitglieder von Luftfahrzeugen gelten nach $ 20 ArbZG anstelle des Arbeitszeitgesetzes die Vorschriften über Flug-, Flugdienst- und Ruhezeiten der 2. Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgeräte in der jeweils geltenden Fassung. 1416 Für die Beschäftigung der Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen im übrigen gelten die Bestimmungen des ArbZG. hh)

600

Fahrpersonal im Straßenverkehr

Für Beschäftigung und Tätigkeit des Fahrpersonals von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen auf öffentlichen Straßen gelten die besonderen arbeitszeitrechtlichen Bestimungen weiter, vor allem das Fahrpersonalgesetz, die hierzu ergangene Verordnung, die EWG-Verordnung über Sozialvorschriften im Straßenverkehr und das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehrs tätigen Fahrpersonals. 1414 Dagegen ist die Verordnung über die Beschäftigung von Frauen auf Fahrzeugen ersatzlos aufgehoben worden. 1415 gg)

599

Gast- und Schankwirtschaften

Schiffahrt

Besondere arbeitszeitrechtliche Bestimmungen gelten auch in der Schiffahrt. Für Seeleute als Besatzungsmitglieder von Kauffahrteischiffen ist die Arbeitszeit im Seemannsgesetz geregelt. 1417 Für die Beschäftigung von Seeleuten bzw Arbeitnehmer von Seereedereien mit anderen Tätigkeiten bzw auf anderen Schiffen gelten dagegen die Bestimmungen des ArbZG ($ 18 Abs 3 ArbZG). Die Binnenschiff-

1410 OVG Koblenz 1 4 . 1 0 . 9 4 - 1 1 Β 12552/94 - OWiG NJW 95 741, 742. 1411 Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien und in Konditoreien (Bäckerarbeitszeitgesetz - BArbZG) vom 26.6. 1936 (RGBl I 521); Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 30.6. 1936 (RGBl I 527), beide zuletzt geändert durch das ArbZRG vom 6 . 6 . 1 9 9 4 (BGBl 11170). 1412 Gesetz vom 30.7. 1996 (BGBl 11186). 1413 Art 2 1 S 2 Nr 9 , 1 0 und 11 ArbZRG vom 6 . 6 . 1 9 9 4 (BGBl I 1170). 1414 Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen (Fahrpersonalgesetz - FPersG) idF vom 1 9 . 2 . 1 9 8 7 (BGBl 1640); Verordnung zur Durchführung des Fahrpersonalgesetzes (Fahrpersonalverordnung - FPersVO) vom 2 2 . 8 . 1969 (BGBl 1 1307); Verord-

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Harald Schliemann

nung (EWG) Nr 3802/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Abi EG Nr L 370/1), Europäisches Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr tätigen Fahrpersonals (AETR), bekanntgegeben am 31.7. 1985 (BGBl Π 889). 1415 Art 21 S 2 Nr 19 ArbZRG vom 6 . 6 . 1994 (BGBl I 1170). 1416 Vom 13.3. 1982 (BAnz Nr 62 vom 31.3. 1982), zuletzt geändert durch VO vom 6 . 1 . 1999 (BAnz 497). 1417 Seemannsgesetz (BGBl Π Gliederungsnummer 9513-1), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 2 1 . 1 2 . 2000 (BGBl 11983); vgl des näheren: Bemm in ArbR-BGB 1 = BGB-RGRK 12 § 630 Anhang Π, Teil I Das Arbeitsrecht des Seeschiffahrt Rn 75-81.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

fahrt unterliegt den Bestimmungen des ArbZG, soweit die besonderen Ruhezeitvorschriften nach den speziellen binnenschiffahrtsrechtlichen Bestimmungen keinen Vorrang haben (§2 1 ArbZRG).1418 ii)

Krankenpflege

Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Krankenpflegeanstalten sowie Einrichtungen zur Be- 6 0 1 handlung, Pflege und Betreuung von Menschen gilt anstelle der aufgehobenen Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten1419 das Arbeitszeitgesetz uneingeschränkt. Die Änderung arbeitszeitrechtlicher Schutzvorschriften ist insbesondere im ärztlichen Bereich wesentlich vergrößert worden; ausgenommen von den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes sind insoweit nur noch die Chefärzte (S 18 Abs 1 Nr 1 ArbZG). jj)

Eisen- und Stahlindustrie, Papierindustrie

Für die Eisen- und Stahlindustrie sowie für die Papierindustrie gelten Verordnungen über die Aus- 6 0 2 nähme von Verbot über die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen. 1420 Dagegen sind die besonderen Verordnungen über die Arbeitszeit in Druckereien und Hochofenwerken, in Metallhütten und Stahlwerken und in der Zementindustrie mit der Folge aufgehoben worden, daß an ihrer Stelle die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes getreten sind. 1421 kk)

Gefährliche Arbeiten

Für gefahrliche Arbeiten (vgl dazu $ 618 Rn 95 ff) bestehen weiterhin besondere Arbeitszeitbegrenzungen, zB nach S 21 der Druckluftverordnung1422 und nach $ 15a der Gefahrstoffverordnung.1423 c)

603

Wirkung des Arbeitszeitschutzes

Alle öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitregelungen haben insoweit auf die arbeitsvertragliche Gestal- 6 0 4 tung Einfluß, als eine Vereinbarung einer über die gesetzlichen Grenzen hinausgehenden Arbeitszeit nichtig ist. Ob die Folgen der Nichtigkeit dieser Vereinbarung den Vertrag insgesamt ergreift oder nur dessen Arbeitszeitregelung und ob diese dann durch die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeitregelung ersetzt wird, ist eine Frage des Einzelfalles; im allgemeinen wird mit Rücksicht auf den Schutzzweck des Arbeitszeitrechtes, nämlich den Schutz des Arbeitnehmers, nur eine Reduzierung der Arbeitszeit zu bejahen sein (vgl insgesamt Rn 457 ff). Die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers bei mehreren Arbeitgebern aus gleichzeitig bestehenden Arbeits- 6 0 5 Verhältnissen ist nach § 2 Abs 1 S 1 2. HS ArbZG zusammenzurechnen. Überschreitet sie infolge der Zusammenrechnung die höchstzulässige Arbeitszeit, so stellt sich die Frage, ob alle Arbeitsverträge oder - wenn nicht - welcher dieser Arbeitsverträge hinsichtlich der Arbeitszeitregelung nach S 134 BGB nichtig ist. Das BAG hat angenommen, die Nichtigkeitsfolge ergreife die Arbeitszeitregelungen des später abgeschlossenen Arbeitsvertrages, dies allerdings auch nur für die Zeit, in der der Arbeitnehmer aufgrund dieses Vertrages noch keine Arbeit geleistet hat. 1 4 2 4 Wird dagegen durch den Vollzug des 1418 Vgl des näheren: Bemm in ArbR-BGB1 = BGBRGRK12 J 630 Anhang Π, Teil I Das Arbeitsrecht der Binnenschiffahrt Rn 28-45. 1419 Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten (KrAZVO AZOKr) vom 13.2. 1924, aufgehoben durch Art 21 S 2 Nr 3 ArbZRG vom 6.6.1994 (BGBl I 1170). 1420 Verordnung über die Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Eisen- und Stahlindustrie vom 31.7. 1968 (BGBl I 885), geändert durch Art 14 ArbZRG vom 6.6. 1994 (BGBl I 1170); Verordnung über die Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Papierindustrie (BGBl III, Harald Schliemann

Gliederungsnummer 7107-5), geändert durch Art 14 ArbZRG vom 6.6. 1994 (BGBl I 1170). 1421 Art 21 S 2 Nr 4 , 6 , 7 und 8 ArbZRG vom 6.6.1996 (BGBl I 1170). 1422 Druckluftverordnung vom 4.10. 1972 (BGBl I 1909), zuletzt geändert durch VO vom 19.6. 1997 (BGBl 1 1384). 1423 Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Gefahrstoffverordnung - GefstoffVO) vom 26.10. 1993 (BGBl I 1782), zuletzt geändert durch Art 2 § 38 G vom 20.7. 2000 (BGBl I 1045). 1424 BAG 19.6.59 - AZR 565/57 - AP BGB $ 611 Doppelarbeitsverhältnis Nr 1 (Dersch).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

später abgeschlossenen zweiten Arbeitsvertrages (Mitspielen in einer Tanzkapelle nur am Wochenende) die höchstzulässige Arbeitszeit aus beiden Arbeitsverhältnissen nur gelegentlich überschritten, so ist nach Ansicht des BAG nicht die Vereinbarung über die Arbeitszeit im zweiten Arbeitsvertrag nach § 134 BGB nichtig; vielmehr unterliegt die Durchführung dieses zweiten Arbeitsvertrages den Grenzen des Arbeitsschutzrechtes mit der Folge, daß - soweit diese Grenzen überschritten werden - weder eine Arbeitspflicht besteht noch ein Anspruch auf Arbeitsentgelt.1425 Übt der Arbeitgeber sein Direktionsrecht dahingehend aus, daß der Arbeitnehmer durch dessen Befolgung die Grenzen des öffentlichrechtlichen Arbeitszeitschutzes überschreiten müßte, so darf der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung hinsichtlich des überschreitenden Teiles verweigern, ohne seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt zu verlieren; die überschreitende Weisung ist entsprechend den $$ 134, 138 BGB nichtig. d)

Begriffe zur Arbeitszeit

6 0 6 Die Begriffe zur Arbeitszeit haben - je nach Regelungsziel und -Zusammenhang - teilweise unterschiedliche Abgrenzungsmerkmale. In ihren Begriffskernen stimmen sie indessen weitestgehend überein. aa)

Arbeitszeit

6 0 7 Nach $ 2 Abs 1S 1 HS 1 ArbZG ist „Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen". Ob diese Definition der Vorgabe der RL 93/104 EG entspricht, kann angesichts der Simap-Entscheidung des EuGH 1426 bezweifelt werden, zumal wenn man nicht von der deutschsprachigen, sondern von der französischsprachigen Fassung des Art 2 Nr 1 der Richtlinie ausgeht, der auszugsweise lautet: „... toute periode durant laquelle le travailleur est au travail". Die Worte „au travail" lassen sich zwanglos als „bei (oder auf) der Arbeit" iSv Arbeitsstelle oder Arbeitsplatz (im Betrieb) verstehen. Dagegen entspricht der in § 2 Abs 1 S 1 HS 1 ArbZG definierte Begriff der Arbeitszeit vom Wortlaut wie vom Inhalt her dem früheren Begriff der Arbeitszeit in § 2 Abs 1 AZO. In vergleichbarer Weise definiert § 4 Abs 1 JArbSchG als ebenfalls öffentlich-rechtliche Arbeitszeitschutznorm als tägliche Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der täglichen Beschäftigung ohne die Ruhepausen. Mit diesen öffentlich-rechtlichen Normen stimmt der privatrechtliche Begriff der Arbeitszeit weitgehend überein, soweit es um die Verpflichtung zur Leistung von Arbeit geht. Soweit von Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinn die Rede ist, kann der Begriff der Arbeitszeit jedoch hierüber hinausgehen und Zeiträume erfassen, in denen der Arbeitnehmer nicht iSd Arbeitszeitgesetzes arbeitet, wohl aber vergütungsrechtliche Ansprüche erwirbt, zB bei Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, teilweise für Wegezeiten und Reisezeiten, zum Teil auch für sog bezahlte Pausen. 6 0 8 Der Begriff der Arbeit in $ 2 Abs 1 S 1 ArbZG ist im Gesetz selbst ebenso wenig definiert wie der privatrechtliche Begriff der Arbeit. Für den Begriff der Arbeit in diesem Sinne kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer eine im wirtschaftlichen Sinne produktive Arbeitsleistung tatsächlich erbringt. Erforderlich, aber ausreichend ist, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Leistung der versprochenen Dienste, nämlich der Arbeit, am vom Arbeitgeber bestimmten Ort zur Verfügung steht. 1427 In die Arbeitszeit fallen sowohl im öffentlich-rechtlichen Sinne als auch privatrechtlich auch Stillstandszeiten, in denen der Arbeitnehmer keine produktive Leistung erbringen kann, weil er zB am Arbeitsplatz warten muß, bis ihm wieder Arbeitsmaterial zur Verfügung steht, bis eine Maschine repariert oder gewartet ist usw. Ebensowenig kommt es für den Begriff der Arbeit in diesem Zusammenhang darauf an, ob es sich bei der vom Arbeitnehmer tatsächlich geleisteten Arbeit um solche handelt, die er nach seinem Arbeitsvertrag nach Gegenstand oder Inhalt schuldet oder ob er eine andere als im Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit für denselben Arbeitgeber verrichtet. Entsprechendes gilt für die Verrichtung sog Nebenarbeiten. Zur Arbeitszeit sowohl im arbeitsschutzrechtlichen Sinne wie in der Regel auch 1425 BAG 14.12 67 - 5 AZR 74/67 - AP AZO S 1 Nr 2 (Gitter). 1426 EuGH 3.10.2000 - Rs C 303/98 - Simap - EzA $ 7 ArbZG Nr 1. 194

Harald Schliemann

1427 Vgl ausführlich: BayObLG 23.3.92 - 3 OBOWi 18/ 92 - NZA 92 811 f.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 VU. Pflicht zur Arbeitsleistung im vergütungsrechtlichen Sinne zählen auch die Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers oder mit dessen Duldung über die Grenzen der einzelvertraglich oder tarifvertraglich festgelegten Arbeitszeitmenge hinaus bzw außerhalb der üblichen betrieblichen Arbeitszeit arbeitet. Arbeitet der Arbeitnehmer nicht nur innerhalb des Betriebes, sondern nimmt er Arbeit mit nach Hause, so ist auch die Zeit, die der Arbeitnehmer hierauf zu Hause verwendet, Arbeitszeit im arbeitszeitschutzrechtlichen Sinne. Dies wiederum kann jedoch vergütungsrechtlich anders sein. Vor- und Abschlußarbeiten (vgl § 14 Abs 2 Nr 2 ArbZG), das Aufräumen des Arbeitsplatzes, das

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Zuendebedienen der Kundschaft und ähnliche Tätigkeiten zählen ebenfalls zur Arbeitszeit iSd Arbeitszeitschutzrechtes. Üblicherweise zählen sie auch vergütungsrechtlich zur Arbeitszeit. bb)

Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

Für die Frage, inwieweit Arbeit iSd § 2 Abs 1 S 1 HS 1 ArbZG, aber auch inwieweit sie i m vergütungsrechtlichen Sinne vorliegt, ist zu untercheiden, ob es sich hierbei um Vollarbeit handelt oder um eine Arbeitsleistung m i t minderer Intensität oder aber eine Bereitschaft, die möglicherweise vergütungsrechtliche Folgen zugunsten des Arbeitnehmers auslöst, gleichwohl aber nicht zur Arbeitszeit iSd Arbeitszeitschutzrechtes zu rechnen ist. Auch insoweit kommt es primär auf die Art der geschuldeten Tätigkeit an. Die einzel- oder tarifvertraglichen Regelungen sind entscheidend für die Frage, inwieweit der Arbeitnehmer angesichts einer unterschiedlichen Intensität der von ihm abgeforderten Arbeitsleistung oder des sich hierfür Bereithaltens Vergütungsansprüche erwirbt.

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Vollarbeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die geschuldete volle Arbeitsleistung erbringt, er also seine Arbeitskraft entsprechend dem Arbeitsvertrag für die betrieblichen Zwecke seines Arbeitgebers einsetzt. Sie liegt nicht nur vor, wenn der Arbeitnehmer mit gleichbleibender Intensität zur Arbeit herangezogen wird oder Arbeitsleistung erbringt. Auch eine schwankende Intensität der Arbeitsleistung kann insgesamt arbeitsschutzrechtlich wie vergütungsrechtlich als Vollarbeit anzusehen sein. Derartige Schwankungen kommen insbesondere vor, wenn Arbeitnehmer die Aufgabe der Überwachung und Kontrolle haben.

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Arbeitsbereitschaft unterscheidet sich von Vollarbeit dadurch, daß der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit zeitweilig zur Arbeit herangezogen wird, zeitweilig jedoch nicht. Eine gesetzliche Definition des Begriffs der Arbeitsbereitschaft gibt es unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszeitschutzes ebenso wenig wie unter anderen Gesichtspunkten arbeitszeitlicher Regelungen. Der Begriff der Arbeitsbereitschaft spielt vor allem eine Rolle im Zusammenhang mit abweichenden tarifvertraglichen Regelungen hinsichtlich der Verlängerung der Arbeitszeit ($ 7 Abs 1 Nr l a ArbZG). Dabei hat der Gesetzgeber des Arbeitszeitgesetzes den Begriff der Arbeitsbereitschaft ebenso vorausgesetzt, wie er zuvor im Rahmen der Arbeitszeitordnung ($ 7 AZO) vorausgesetzt war.

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Arbeitsbereitschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG die zeitweise Aufmerksamkeit im Zustande der E n t s p a n n u n g . 1 4 2 8 Diese Entscheidungen des BAG sind zu vergütungsrechtlichen Fragen ergangen, vorrangig zur Auslegung von Tarifverträgen. Die hierzu gewonnenen Erkenntnisse lassen

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sich jedoch auf den Begriff der Arbeitsbereitschaft iSd ArbZG übertragen. Ob bei einer Tätigkeit lediglich Arbeitsbereitschaft oder noch Vollarbeit, wenn auch m i t schwankender Intensität vorliegt, läßt sich nicht dadurch beantworten, daß geprüft wird, welche Arbeitsleistung nach dem Arbeitsvertrag geschuldet wird und ob - daran gemessen - eine weniger intensive Leistung Arbeitsbereitschaft oder gar noch einen geringeren Grad darstellt. Vielmehr richtet sich für den arbeitsschutzrechtlichen Begriff der Arbeitsbereitschaft iSd ArbZG die Unterscheidung zwischen Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft nach dem Grad der Beanspruchung des Arbeitnehmers. Die Tarifvertragsparteien haben jedoch häufig in Tarifverträgen, zB im Tarifvertrag für Arbeiter des Bundes ( $ 1 8 MTB II) und der Länder (§ 18 MTL II), auf die gesetzliche Arbeitszeitregelungen und damit auch auf den darin verwendeten Begriff der

1428 BAG 30.1.96 - 3 AZR 1030/94 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: DRK Nr 5; 30.1.85 - 7 AZR 446/82 - AP Harald Schliemann

BAT S 35 Nr 2; 28.1.81 - 4 AZR 892/78 - AP MTL Π $ 18 Nr 1 (Zmarzlik). 195

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Arbeitsbereitschaft für die Berechnung der Vergütung verwiesen.1429 Zwar ist der Arbeitnehmer während der Arbeitsbereitschaft nicht dazu verpflichtet, dauernd konkrete Arbeitsleistungen zu erbringen. Er muß jedoch während der Arbeitsbereitschaft jederzeit damit rechnen, eine bestimmte Tätigkeit aufnehmen und erbringen zu müssen, zB die Entgegennahme von Telefonanrufen zu solchen Zeiten, in denen Anrufe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht oder nur in Ausnahmefällen oder in geringem Umfang zu erwarten sind. 1430 Soweit in die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fallt, kann die tägliche Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus auch ohne Ausgleich durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung verlängert werden (§ 7 Abs 1 Nr la ArbZG).1431 Grundsätzlich wird arbeitszeitschutzrechtlich die Leistung von Arbeitsbereitschaft der Arbeitszeit zugerechnet. Sie wird als in ihr enthalten zugrunde gelegt, soweit es um die Verlängerung der zulässigen Arbeitszeit nach $ 7 Abs 1 Nr la ArbZG geht. Auch unter vergütungsrechtlichen Gesichtspunkten zählt Arbeitsbereitschaft in der Regel zu den vergütungspflichtigen Tätigkeiten des Arbeitnehmers. Dabei können Tarifverträge allerdings durchaus auch abweichende Regelungen treffen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob volle Vergütung oder nur anteilige Vergütung geleistet wird. So wird zB nach $ 18 Abs 2 des Manteltarifvertrags für Arbeiter der Länder (MTL II) Arbeitsbereitschaft bei der Lohnabrechnung nur mit 50 vH als Arbeitszeit bewertet. 6 1 4 Was unter Bereitschaftsdienst zu verstehen ist, ist von Gesetzes wegen ebenfalls nicht bestimmt worden. Auch das ArbZG hat auf eine entsprechende Definition verzichtet, sondern setzt diesen Begriff in $ 7 Abs 2 Nr 1 ArbZG voraus. Nach der Rechtsprechung liegt Bereitschaftsdienst vor, wenn sich der Arbeitnehmer, ohne daß von ihm wache Aufmerksamkeit gefordert wird, für Zwecke des Betriebes an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen kann. 1432 Indessen ist nicht zu übersehen, daß in Tarifverträgen wie auch im Sprachgebrauch der Parteien des Arbeitsvertrages die Ausdrücke „Bereitschaftsdienst" bzw „Dienstbereitschaft" oder „Arbeitsbereitschaft" oder vergleichbare Worte mit unterschiedlichen Inhalten belegt werden. 1433 Unter der Geltung der Arbeitszeitordnung war umstritten, inwieweit Bereitschaftsdienst arbeitsschutzrechtlich zur Arbeitszeit zur Ruhezeit zu rechnen ist. 1 4 3 4 Das BAG hatte diese Frage ausdrücklich offengelassen.1435 Nach Auffassung des BVerwG hängt die Zuordnung eines bestimmten Bereitschaftsdienstes zur Arbeit oder zur Ruhezeit davon ab, in welchem Maße dieser Dienst in seiner konkreten Ausprägung den Betroffenen binde oder belaste. 1436 Nach dem ArbZG sind Bereitschaftsdienst wie auch Rufbereitschaft nicht der Arbeitszeit, sondern der Ruhezeit zuzuordnen. 1437 Dies folgt aus S 7 Abs 2 Nr 1 ArbZG. 1438 Indessen ist fraglich, ob diese Rechtsetzung mit den Anforderungen der RL 93/104 EG entsprechen, nachdem der EuGH erkannt hat, daß jedenfalls der Bereitschaftsdienst spanischer Ärzte als Arbeitszeit anzusehen ist. 1 4 3 9 Aus dieser Entscheidung des EuGH ergibt sich indessen keine unmittelbare Wirkung für die Frage der Bezahlung. Nach wie vor ist es Sache der Tarifvertragsparteien bzw der Arbeitsvertragsparteien, dies zu regeln. 1440 Vergütungsrechtlich bzw nach den Bestimmungen des BAT stellt Bereitschaftsdienst keine volle Arbeitsleistung dar. 1441 Werden jedoch Arbeitnehmer während des Bereit-

1429 BAG 28.1.81 - 4 AZR 892/78 - AP MTL Π $ 18 Nr 1 (Zmarzlik). 1430 BAG 14.4.66 - 2 AZR 424/64 - AP BAT $ 15 Nr 2 (Spiertz). 1431 ZB nach $ 15 Abs 2 BAT: BAG 12.2.86 - 7 AZR 358/84 - AP BAT § 15 Nr 7. 1432 EuGH 3.10.2000 - Rs C 303/98 - Simap - EzA $ 7 ArbZG Nr 1; BAG 13.11.86 - 6 AZR 567/83 - AP BGB s 242 Betriebliche Übung Nr 27 (Bickel); BVerwG 19.1.88 - I C 11/85 - NZA 88 881. 1433 ZB BAG 27.2.85 - 7 AZR 552/82 - AP BAT $ 17 Nr 12 (Scheurig). 1434 Denecke/Neumann $ 7 AZO Rn23, 27, 512 Rn3; Schaub $ 158 Π 1; Schlüter Anm zu BAG AP AZO $ 12 Nr 10.

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1435 BAG 10.6.59 - 4 AZR 567/56 - AP AZO $ 7 Nr 5 (Böhm). 1436 BVerwG 19.1.88 - 1 C 11/85 - NZA 88 881. 1437 BT-Drs 12/5888, 27. 1438 Schliemann HzA Gruppe 12 Rn 65; Baeck/Deutsch $ 2 ArbZG Rn 42; Dobberahn ArbZRG Rn 47; Erasmy NZA 941105,1107; Zmarzlik BB 93 2009,2010; aA Buschmann/ Ulber J 7 ArbZG Rn 18; ähnlich Anzinger/Zmardik $ 2 ArbZG Rn 15. 1439 EuGH 3.10. 2000 - Rs C 303/98 - Simap - AP EWG-Richtlinie 93/104 Nr 2. 1440 BAG 22.11. 2000 - 4 AZR 612/99 - AP TVG J 1 Tarifverträge: DRK Nr 10. 1441 BAG 9.8.78 - 4 AZR 77/77 - AP BAT $ 17 Nr 5 mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung schaftsdienstes (wie auch während der Rufbereitschaft) zur Leistung von Arbeit in Anspruch g e n o m m e n , so stellt die Zeit dieser Inanspruchnahme wiederum Vollarbeit und damit auch Arbeitszeit iSd $ 2 Abs 1 l . H S ArbZG dar. 1 4 4 2 Rufbereitschaft ist als gesetzlicher Begriff zwar im ArbZG ebenfalls verwendet (§§ 5 Abs 3; 7 Abs 2

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Nr 1), jedoch ebenfalls nicht definiert, sondern vorausgesetzt. In der Arbeitszeitordnung und hierauf abstellende tarifvertragliche Bestimmungen ist anerkannt worden, daß sich die Rufbereitschaft vom Bereitschaftsdienst dadurch unterscheidet, daß der Arbeitnehmer sich an e i n e m in der Regel von i h m selbst b e s t i m m t e n , dem Arbeitgeber nur anzugebenden Ort zur Arbeit bereitzuhalten h a t . 1 4 4 3 Allerdings ist der Arbeitnehmer in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei. Zwischen dem Abruf und der möglichen Arbeitsaufnahme darf nur eine solche Zeitspanne liegen, daß hierdurch der Einsatz nicht gefährdet wird und im Bedarfsfall die Arbeitsaufnahme gewährleistet ist; der Arbeitnehmer muß bei Abruf seine Arbeit alsbald aufnehmen k ö n n e n . 1 4 4 4 Demgegenüber liegt im Fall des Bereitschaftsdienstes eine Aufenthaltsbeschränkung vor, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf sofort tätig zu werden. 1 4 4 5 Nicht mehr um Rufbereitschaft handelt es sich, wenn der Arbeitgeber bestimmt, daß die Arbeit im unmittelbaren Anschluß an die Beendigung der regelmäßigen Arbeitszeit fortzusetzen ist, andererseits der Arbeitnehmer aber im Anschluß an seine regelmäßige Arbeitszeit dienstplanmäßig zur Rufbereitschaft eingeteilt war. Dann hat der Arbeitgeber den Dienstplan geändert und nicht etwa von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Arbeitnehmer aus der Rufbereitschaft zur Arbeit abzurufen. 1 4 4 6 Auch die Rufbereitschaft stellt keine Arbeitszeit iSd $ 2 Abs 1 l . H S ArbZG d a r . 1 4 4 7 Ihre bloße Anordnung zwischen zwei Arbeitsschichten verstößt auch nicht gegen S 5 ArbZG, wonach Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit mit bestimmten Mindestdauern, normalerweise elf Stunden, zu gewähren ist. 1 4 4 8 Ist Arbeitseinsatz vor Ablauf der Ruhezeit angefallen, so muß die Ruhezeit nach dem Ende ihrer Unterbrechung durch Arbeit in vollem Umfang grundsätzlich nachgewährt werden; insoweit sind jedoch für bestimmte Bereiche Abweichungen nach J 5, $ 7 ArbZG möglich. cc)

Umkleide- u n d Waschzeit

Die Zuordnung von Umkleide- u n d Waschzeiten zur Arbeit oder zur arbeitsfreien Zeit ist umstritten. Insoweit kommt es in erster Linie darauf an, welche Arbeit geschuldet wird. Bei einem als Arbeitnehmer tätigen Model zählt das Umkleiden in der Regel zur Arbeitszeit iSd $ 2 Abs 1 1 . HS ArbZG, ebenso auch zu seiner vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Denn die arbeitsvertragliche Aufgabe besteht gerade darin, verschiedene Kleidungsstücke nacheinander vorzuführen oder sich in ihnen zu präsentieren, zB zur Herstellung von Fotoaufnahmen. Entsprechendes gilt für Schauspieler für die Zeit des Umkleidens und Schminkens bzw Abschminkens. Handelt es sich jedoch nicht um derartige spezielle Aufgaben, so erbringt ein Arbeitnehmer in der Regel während des Umkleidens oder auch durch das Umkleiden nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Dementsprechend hat das BAG angenommen, die Zeit des Umkleidens oder Waschens vor bzw nach der Arbeit zähle, von beruflichen Besonderheiten abgesehen, nicht zur Arbeitszeit (iSd § 2 Abs 1AZO). 1 4 4 9 Insoweit kommt es jedoch stets auf die Verhältnisse im Einzelfall an. Hierfür sind in erster Linie die organisatorischen Gegebenheiten des jeweiligen Betriebs und die konkreten Anforderungen an den Arbeitgeber maßgebend, wie sie sich aus den betrieblichen Regelungen und Handhabungen tatsächlich ergeben; dies gilt vor allem für die Frage, inwieweit die Zeit des Waschens und Umkleidens zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zu rechnen ist oder nicht. 1 4 5 0 1442 BAG 10.1.91 - 6 AZR 352/89 - AP MTB Π $ 18 Nr 4. 1443 BAG 3.12.86 - 4 AZR 7/86 - AP MTB Π S 30 Nr 1. 1444 BAG 19.12.91 - 6 AZR 592/89 AP BMT-G II S 67 Nr 1; 12.2.69 - 4 AZR 308/69 - AP TV AL II § 9 Nr 1. 1445 BAG 19.12.91 - 6 AZR 592/89 - AP BMT-G II $ 67 Nr 1. 1446 BAG 26.11.92 - 6 AZR 455/91 - AP BAT $ 17 Nr 20 (Zängl). 1447 BVerwG 19.1.88 -1 C 11.85 - NZA 88 881; BAG 12.2.69 - 4 AZR 308/69 - AP TV AL II $ 9 Nr 1. Harald Schliemann

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1448 OLG Karlsruhe 29.4.81 - 3 Ss 288/80 - AP BGB S 611 Arbeitsbereitschaft Nr 7. 1449 BAG 25.4.62 - 4 AZR 213/61 - AP BGB S 611 Mehrarbeitsvergütung Nr 6. 1450 BAG 11.10. 2000 - 5 AZR 112/99 - AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr 20 (Waschen, An- und Ablegen von Schutzkleidung - Abfallwirtschaft); 22.3.95 - 5 AZR 934/93 AP BGB $ 611 Arbeitszeit Nr 8(An- und Ablegen der Kleidung eines Kochs); 28.7.94 - 6 AZR 220/94 - AP BAT § 15 Nr 32 (Dobberahn) (Umkleidezeit für Krankenschwestern auf Anordnung der Krankenhausleitung); LAG Baden197

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

dd)

Wegezeiten

Der Zeitaufwand für den Weg zwischen W o h n u n g u n d Betrieb gehört grundsätzlich nicht zur Arbeit und damit auch n i c h t zur Arbeitszeit, und zwar weder vergütungsrechtlich noch zur Arbeitszeit iSd S 2 Abs 1 l . H S ArbZG. 1 4 5 1 Inwieweit Zeitaufwand für Wege innerhalb des Betriebes der Arbeitszeit zuzurechnen ist, regelt das Gesetz nicht ausdrücklich. Insoweit kommt es vorrangig darauf an, an welchem P u n k t innerhalb des Betriebes die Arbeitszeit b e g i n n t . Bis zum Erreichen dieses Punktes ist die Wegezeit grundsätzlich nicht der Arbeitszeit zuzurechnen, ab Erreichen dieses Punktes zählt sie grundsätzlich zur Arbeitszeit. Dies betrifft auch die Fälle, in denen ausdrücklich geregelt ist, daß die Arbeitszeit nicht an dem konkreten Arbeitsplatz, sondern an der Dienststelle oder Arbeitsstelle beg i n n t . 1 4 5 2 Im übrigen richtet sich die Vergütungsfrage für Wegezeiten nach der j eweiligen einzel- oder tarifvertraglichen Vereinbarung. So sind zB nach dem Bundesrahmentarifvertrag Garten-, Landschaftsund Sportplatzbau Wegegelder zu zahlen für Arbeiten auf auswärtigen Baustellen; das sind Baustellen außerhalb des Betriebssitzes oder des Bauhofes. 1 4 S 3 Vergleichbare Regelungen finden sich auch im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe („Wegegeld") und für vergleichbare Tätigkeiten, zB für Montagearbeiter. ee)

Reisezeiten

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Reisezeiten für Dienstreisen und dienstliche Wegezeiten zählen uneingeschränkt zur Arbeitszeit des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit seine vertraglich versprochene Arbeit erbringt. Diese Zeiten sind eindeutig der Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 S 1 HS 1 ArbZG zuzuordnen. Eine solche Reisetätigkeit beginnt jedoch erst von dem Zeitpunkt an, in welchem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung als Reisetätigkeit ausübt. Nicht zu seiner Reisetätigkeit zählen die Wege, die er von seiner Wohnung zum Betrieb oder zum Beginn seiner Reisetätigkeit zurückzulegen hat.

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Bei anderen Arbeitnehmern, deren versprochene Leistung nicht darin besteht, Reisetätigkeiten auszuüben, zählt die Zeit einer Dienstreise dann arbeitszeitrechtlich wie auch vergütungsrechtlich zur Arbeitszeit, soweit sie sich auch hinsichtlich ihrer zeitlichen Lage mit der für den Arbeitnehmer sonst geltenden Arbeitszeit überschneidet, nicht dagegen, soweit die Reise zeitlich außerhalb dieser Zeiten liegt. 1 4 5 4 Geht die Reisezeit über die übliche Arbeitszeit dieses Arbeitnehmers hinaus, so ist der überschießende Teil arbeitszeitrechtlich dann der Arbeitszeit zuzurechnen, wenn der Arbeitnehmer während der Reise die von ihm in der Sache geschuldete Arbeit leistet, zB zur Vorbereitung an einer auswärtigen Konferenz während der Bahnfahrt dienstliche Akten bearbeitet. 1 4 5 5 Dagegen kann die derart überschießende Reisezeit nicht schon deshalb der Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 S 1 l . H S ArbZG zugerechnet werden, weil sie der Arbeitnehmer im betrieblichen Interesse zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht aufwendet. 1 4 5 6 Inwieweit eine B e z a h l u n g für Reisezeiten zu auswärtigen Einsätzen geschuldet wird, ist Frage des Einzelfalles. 1 4 5 7 Deren Beantwortung richtet sich vorrangig nach dem Arbeitsvertrag bzw tarifvertraglichen Regelungen. Soweit die Reisezeit in die Arbeitszeit fällt, besteht auf jeden Fall ein Vergütungsanspruch. 1 4 5 8 Soweit dies nicht der Fall ist und keine andere ausdrückliche Regelung besteht, richtet sich nach $ 6 1 2 Abs 1, ob ein Vergütungsanspruch besteht oder nicht (vgl § 6 1 2 Rn 15).

Württemberg 12.2.87 - 6 Sa 195/85 - HD - AiB 87 246 (Degen) (An- und Ablegen von Sicherheitskleidung); LAG Berlin 16.6.86 - 9 TaBV 3/86 - LAGE § 76 BetrVG 1976 Nr 24 (Umkleidezeit für Flugzeugpersonal). 1451 Vgl BAG 8.12.60 - 5 AZR 304/58 - AP BGB $611 Wegezeit Nr 1 (Schnorr v. Carolsfeld). 1452 Vgl zu s 15 Abs 7 BAT: BAG28.7.94-6 AZR 220/ 94 - AP BAT $ 15 Nr 32. 1453 BAG 15.3.89 - 4 AZR 51/89 - AP BGB $611 Wegezeit Nr 9. 198

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1454 Strittig, vgl ua BAG 22.2.78 - 4 AZR 579/76 - AP BAT $ 17 Nr 3; MünchArbR/Btomiyer $ 46 Rn 97; Loritz/ Koch BB 87 1107, jeweils mwN. 1455 Schliemann HzA Gruppe 12 Erläuterungen Rn 79; Zmarzlik/Anzinger $ 2 ArbZG Rn 10; zT aA Eis BB 86 2192. 1456 AA MünchArbR/Btomeyer § 46 Rn 97. 1457 BAG 3.9.97 - 5 AZR 428/96 - AP GB § 611 Dienstreise Nr 1 unter Aufgabe von BAG 28.3.68 - 5 AZR 209/62 - AP BGB $ 611 Wegezeiten Nr 3. 1458 Loritz/Koch BB 87 1107.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung ff)

Ruhepause

Die Ruhepausen zählen arbeitszeitrechtlich nicht zur Arbeitszeit. Eine Ruhepause ist eine vorherseh-

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bare Unterbrechung der Arbeitszeit von vorher bestimmter Dauer, die der E r h o l u n g des Arbeitnehmers und/oder der E i n n a h m e von Getränken oder Mahlzeiten durch den Arbeitnehmer dienen soll. 1 4 5 9 Ruhepausen sind einerseits von Ruhezeiten zu unterscheiden. Ruhezeiten sind nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit zu gewähren, Ruhepausen unterbrechen die tägliche Arbeitszeit. Ruhepausen sind andererseits von Arbeitsunterbrechungen aus anderen Gründen abzugrenzen, insbesondere von Betriebspausen oder betrieblich veranlaßten Wartezeiten. Wird jedoch der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber während der Unterbrechung der Arbeit aus solchen technischen Gründen von seiner Verpflichtung freigestellt, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu halten, und steht diese Unterbrechung von vornherein hinreichend, auch hinsichtlich ihrer Dauer, fest, so kann der Arbeitgeber dadurch, sofern die Mindestzeit für die Ruhepause von 15 Minuten nicht unterschritten wird, zugleich seiner Pflicht zur Gewährung von Ruhepausen nachkommen, so zB bei Überlagerzeiten im Omnibuslinienverkehr, 1 4 6 0 bei Wendezeiten im Personenzugverkehr 1 4 6 1 oder Wartezeiten für Fernfahrer im Güterkraftverkehr. 1 4 6 2 Wartezeiten können unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in (nicht zu bezahlende) Ruhepausen iSd $ 4 ArbZG umgewandelt werden. 1 4 6 3 Einem Arbeitnehmer wird eine Ruhepause nur gewährt, wenn er während des Pausenzeitraumes von jedweder Arbeitsleistung, auch solchen geringerer Beanspruchung wie etwa Arbeitsbereitschaft, vollkommen freigestellt wird. 1 4 6 4 Unzureichend ist, wenn den Arbeitnehmern zwar gestattet ist, entsprechende Pausen zu nehmen, ihnen dies jedoch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist. 1 4 6 5 Nach S 4 ArbZG muß die Ruhepause im voraus feststehen. Dies entspricht dem bisherigen Stand der Rechtsprechung. 1 4 6 6 Die Lage der Pausen muß daher zu Beginn der täglichen Arbeitszeit feststehen; dem Arbeitgeber ist jedoch möglich, für die Lage der Pause lediglich einen Rahmen vorzugeben. 1 4 6 7 Die zeitliche Lage der Pausen regelt $ 4 ArbZG, wonach bei einer Arbeitszeit bis zu sechs Stunden keine Pause zu gewähren ist, bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden mindestens 3 0 Minuten Pause und bei einer Arbeitszeit über neun Stunden mindestens 45 Minuten Pause gewährt werden muß. Die Pausen können gestückelt werden, die Mindestdauer beträgt 15 Minuten.

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Grundsätzlich sind Ruhepausen nicht zu vergüten, denn sie gehören nicht zur Arbeitszeit. Aber auch insoweit sind einzelvertragliche wie tarifvertragliche Abweichungen möglich. Insbesondere tarifvertragliche Regelungen über bezahlte Ruhepausen finden sich häufig für Arbeiten im Dreischichtbetrieb. 1 4 6 8

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gg)

Ruhezeit

Eine u n u n t e r b r o c h e n e Ruhezeit von mindestens elf Stunden müssen Arbeitnehmer nach Beendigung 6 2 3 der täglichen Arbeitszeit haben (% 5 Abs 1 ArbZG). Als Ruhezeit wird der Zeitraum zwischen d e m E n d e der täglichen Arbeitszeit u n d d e m B e g i n n der nächsten täglichen Arbeitszeit bzw der Zeitraum zwischen zwei Arbeitsschichten desselben Arbeitnehmers genannt. 1 4 6 9 Arbeitsbereitschaft ist keine Ruhezeit, weil sie eine zeitweise wache Aufmerksamkeit dem Zustand der Entspannung erfordert und

1459 Std Rspr, statt vieler: BAG 23.9.92 - 4 AZR 562/91 - AP AZO Kr J 3 Nr 6 (Zmarzlik); 17.2.92 - 6 AZR 478/90 - AP AZO Kr § 3 Nr 5; 5 . 5 . 8 8 - 6 AZR 658/85-AP AZO Kr $ 3 Nr 1, jeweils mwN. 1460 BAG 2 3 . 1 1 . 6 0 - 4 AZR 257/59-AP AZO $ 12ΝΓ6 (Denecke). 1461 BAG 14.4.66 - 2 AZR 503/63 - AP AZO $ 13 Nr 2 (Wertenbruch). 1462 BAG 19.8.87 - 4 AZR 128/87 - AP TVG $ 1 Fernverkehr Nr 3. 1463 BAG 23.6.88 - 6 AZR 137/86 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 33. Harald Schliemann

1464 BAG 5.5.88 - 6 AZR 658/85 - AP AZO Kr $ 3 Nr 1. 1465 BAG 23.9.92 - 4 AZR 562/91 - AP AZO Kr $ 3 Nr 6 (Zmarzlik). 1466 BAG 5.5.88 - 6 AZR 658/85 - AP AZO Kr § 3 Nr 1. 1467 BAG 27.2.92 - 6 AZR 478/90 - AP AZO Kr $ 3 Nr 5. 1468 ZB BAG 24.11.99 - 4 AZR 479/98 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr 35; 16.5.90 - 4 AZR 45/ 90 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 91. 1469 BAG 13.2.92 - 6 AZR 638/89 - AP AZO $ 12 Nr 13; 2 3 . 1 1 . 6 3 - 4 AZR 257/59 - AP AZO § 12 Nr 6.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

unter diesem Gesichtspunkt Arbeitszeit i s t . 1 4 7 0 Dagegen sind Bereitschaftsdienst u n d Rufbereitschaft Ruhezeiten iSd S 5 ArbZG, 1 4 7 1 mögen sie auch vergütungsrechtlich als - in der Regel geringer bezahlte Arbeitzeit gewertet werden. Nach Ansicht des EuGH ist indessen jedenfalls der Bereitschaftsdienst spanischer Ärzte in Gesundheitseinrichtungen als Arbeitszeit iSd RL 93/104 EG zu werten (vgl Rn 61 5 ) . 1 4 7 2 Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber frei, durch welche Gestaltung der Arbeitszeit er die Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeit erreicht. Maßgebend ist insoweit nur, daß der Mindestzeitraum der Ruhezeit arbeitsfrei 1 4 7 3 bleibt. Die Einhaltung der Ruhezeit kann sich mithin aufgrund unterschiedlicher Formen der Nichtinanspruchnahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ergeben. Zeiten des Urlaubs, arbeitsfreie Feiertage, sonstige Zeiten der Arbeitsbefreiung erfüllen regelmäßig auch die Voraussetzungen der Ruhezeit. 1 4 7 4 Entscheidend ist, daß die Ruhezeit u n u n t e r b r o c h e n gewährt wird; wird ein Arbeitnehmer während der Ruhezeit, zB infolge der Anordnung von Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft, tatsächlich zur Arbeit herangezogen, so ist die Ruhezeit unterbrochen. Soweit nach dem Ende einer solchen Arbeitsleistung kein hinreichender Zeitraum bis zum nächsten geplanten Beginn der nächsten Arbeitszeit mehr verbleibt, um die Mindestruhezeit von elf Stunden (§ 5 Abs 1 ArbZG) zu gewähren, muß der Beginn der Arbeit hinausgeschoben werden. 1 4 7 5 Eine Verkürzung der gesetzlichen Mindestruhezeit auf zehn Stunden ermöglicht $ 5 Abs 2 ArbZG. In Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen können Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahme während des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, wenn sie nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen (§ 5 Abs 3 ArbZG). Soweit Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften für Kraftfahrer oder Beifahrer geringere Ruhezeiten zulassen, gelten abweichend von § 5 Abs 1 ArbZG diese Vorschriften ($ 5 Abs 4 ArbZG). 624

Vergütungsrechtlich zählen Ruhezeiten nicht zu den Arbeitszeiten. Soweit jedoch Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst angeordnet worden ist, ist dies in aller Regel mit Zahlung einer einzelvertraglich oder tarifvertraglich geregelten besonderen Vergütung verbunden. Ohne solche Regelungen steht einem Arbeitnehmer jedoch nicht stets eine Vergütung als übliche Vergütung iSd $ 6 1 2 BGB zu, wenn er Rufbereitschaft zu leisten h a t . 1 4 7 6

625

Für Jugendliche ordnet S 13 JArbSchG eine ununterbrochene Freizeit von mindestens 12 Stunden an; für werdende oder stillende M ü t t e r ist die besondere Ruhezeit Vorschrift des § 8 Abs 4 MuSchG zusätzlich zu beachten. e)

626

Arbeitszeitmenge, -dauer

Das Leistungsversprechen des Arbeitnehmers wird hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der geschuldeten Arbeitsleistung in der Regel durch die M e n g e oder Dauer der versprochenen Arbeitszeit bestimmt. Der zeitliche Umfang der vom Arbeitnehmer versprochenen Dienste steht in synallagmatischer Verknüpfung mit dem Arbeitsentgelt; es ist genau wie dieses auf den Zeitraum eines oder mehrerer Tage, Wochen, Monats- oder des ganzen Jahres bezogen. Die Vereinbarung einer Jahresarbeitszeit iS einer auf das Jahr bezogenen geschuldeten Arbeitszeitmenge ist zu unterscheiden von Regelungen über „JahresSoll-Arbeitszeiten", wie sie (vermehrt) in tarifvertraglichen Regelungen oder auch Betriebsvereinbarungen über flexible Arbeitszeiten anzutreffen sind. Mit derartigen Jahres-Soll-Arbeitszeiten wird nicht die im Jahr geschuldete Gesamtstundenzahl bezeichnet, sondern die durchschnittliche Wochenarbeitszeit, bezogen auf den Ausgleichszeitraum eines Jahres. 1 4 7 7 Grundsätzlich wird die geschuldete Arbeitsmenge über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit bestimmt. Hiervon sind insoweit Ausnahmen möglich, als die geschuldete Arbeitsmenge nicht mit Hilfe der Arbeitszeit, sondern anderen Maßen 1470 BAG 28.1.81 - 4 AZR 892/78 - AP MTL II $ 18 Nr 1 (Zmarzlik). 1471 BT-Drs 12/5888, 27. 1472 EuGH 3.10. 2000 - Rs C 303/98 - Simap - AP EWG-Richtlinie 93/104 Nr 2. 1473 Schliemann HzA Gruppe 12 Erläuterungen Rn 334 mwN. 1474 BAG 13.2.92 - 6 AZR 638/89 - AP AZO $ 12 Nr 13.

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Harald Schliemann

1475 Schliemann HzA Gruppe 12 Erläuterungen Rn 335 mwN. 1476 BAG 17.3.82 - 5 AZR 1047/79 - AP BGB $612 Nr 33 (Weitnauer). 1477 BAG 28.11.89 - 1 ABR 94/88 - AP BetrVG 1972 $ 77 Auslegung Nr 5; 25.4.89 - 1 ABR 46/88 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 38.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung definiert wird. Mit dem Wort Vertrauensarbeitszeit werden (noch) zwei grundlegend verschiedene Sachverhalte bezeichnet, nämlich der Verzicht a u f Arbeitszeiterfassung einerseits und der völlige Verzicht auf die Einhaltung von Arbeitszeiten, indem eine arbeitsergebnisbezogene Steuerung durch Zielvereinbarungen oder Zielvorgaben erfolgt. Dies kann zur Arbeitsverdichtung führen. Trotz solcher Zielvereinbarungen schuldet der Arbeitnehmer nicht mehr Arbeitsergebnisse, als er in seiner Arbeitszeit bei hinlänglicher Arbeitsintensität und -anstrengung (vgl Rn 576 ff) zu erreichen vermag. aa)

Regelmäßige Arbeitszeitmenge

Die einzelvertragliche Vereinbarung der Menge oder Dauer der Arbeitszeit kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Bei Vollzeitarbeitnehmern wird in vielen Fällen von der Vereinbarung einer ausdrücklichen Arbeitszeitmenge abgesehen. So ist im öffentlichen Dienst üblich, zu bezeichnen, ob ein Arbeitnehmer als Vollzeitkraft oder als Teilzeitkraft eingestellt wird. Wird er als Vollzeitkraft eingestellt, fehlt es an einer Angabe der als Normalarbeitszeit geschuldeten Arbeitsstunden. Insoweit beschränken sich Arbeitsverträge häufig auf eine Verweisung auf Tarifverträge oder ggf Betriebsvereinbarungen, und zwar vor allem dann, wenn auf das Arbeitsverhältnis Tarifverträge zwingend oder kraft Vereinbarung anzuwenden sind und der Arbeitnehmer als Vollzeitarbeitnehmer im Sinne der tariflichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit eingestellt werden soll. 1 4 7 8 Entsprechendes gilt für Betriebsvereinbarungen, soweit in ihnen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit geregelt ist. Ist die Arbeitszeit weder ausdrücklich noch durch unmittelbare oder mittelbare Verweisung auf einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung, sondern lediglich stillschweigend vereinbart worden, so ist nach $ 157 BGB der Arbeitsvertrag so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern; die Auslegung führt in der Regel dazu, daß die betriebsübliche Arbeitszeit 1 4 7 9 als vereinbart anzusehen ist. 1 4 8 0 Vereinzelt wird Arbeitnehmern im Tarifvertrag das Recht eingeräumt, ihre regelmäßige Arbeitszeitmenge selbst zu wählen. 1 4 8 1

627

Mit Teilzeitarbeitnehmern wird die Menge der Arbeitszeit pro Zeiteinheit, zB Stunden pro Woche, im Arbeitsvertrag vereinbart (vgl Rn 6 5 2 ff). Grundsätzlich kann dies durch eine Zahlenangabe geschehen. In der Regel handelt es sich dann um eine fest vereinbarte Arbeitszeitmenge, die sich nicht entsprechend ändert, wenn die regelmäßige Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer, zB durch Tarifvertrag, verändert wird. Möglich ist aber auch die Vereinbarung eines Bruchteils der für Vollzeitarbeitnehmer geltenden regelmäßigen Arbeitszeit. Wird letzteres vereinbart, so ändert sich die (anteilige) Teilarbeitszeitmenge entsprechend der Änderung der in Bezug genommenen Vollarbeitszeitmenge. Im Wege der Vertragsauslegung kann sich jedoch auch eine in Stundenzahlen beschriebene Teilarbeitszeitmenge als lediglich verkappte Angabe eines Bruchteils der Vollarbeitszeit herausstellen. 1 4 8 2

628

bb)

Tarifliche Höchstarbeitszeit

Umstritten ist, ob einzelvertraglich eine längere Arbeitszeit als i m Tarifvertrag vorgesehen vereinbart werden kann. Hierbei kommt es zunächst darauf an, welchen Regelungsinhalt die tarifvertragliche B e s t i m m u n g hat. Beschränkt sie sich - wie sehr häufig - darauf, einerseits eine regelmäßige Arbeitszeit zu bezeichnen, andererseits zu regeln, in wieweit bei Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit Mehrarbeitszuschläge zu zahlen sind, so ist ihr lediglich ein Vergütungsmaßstab zu entnehmen. Insoweit bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Vereinbarung einer über

629

die in diesem Sinne regelmäßige tarifvertragliche Wochenarbeitszeit hinausgehenden individuellen regelmäßigen Arbeitszeit, vorausgesetzt, daß die Höhe des Entgeltes nicht hinter den tarifvertraglichen Regelungen zurückbleibt. Denkbar ist auch, daß ein Tarifvertrag einerseits für eine zulässige Arbeitszeit eine absolute Obergrenze setzt, andererseits für die Überschreitung der unterhalb dieser Obergrenze 1478 MünchArbR/Biomow $ 46 Rn 103; Staudinger/Kichardi13 $ 611 BGB Rn 334; jeweils mwN. 1479 Vgl zum Begriff BAG 1 2 . 1 . 9 4 - 4 AZR107/93 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Verkehrsgewerbe Nr 2. 1480 Schaub s 45 Rn49; MünchArbR/Btomgier $46 Rn 108. Harald Schliemann

1481 Vgl BAG 2 8 . 1 0 . 9 9 - 6 AZR 301/98 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Techniker-Krankenkasse Nr 2. 1482 Vgl BAG 29.1.92 - 4 AZR 293/91 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 16.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

liegende Normalleistung Vergütungszuschläge anordnen. So ist die zulässige Flugzeit für Bordpersonal nach § 4 MTV Nr 3a Lufthansa auf höchstens 71 Stunden monatlich festgesetzt. Die ebenfalls im selben Tarifvertrag enthaltene Begrenzung auf 53 Flugstunden (§ 9 MTV) regelt nicht die tarifliche Arbeitszeit, sondern hat nur Bedeutung für die Frage, von welcher Flugstunde an Mehrflugstundenzuschläge zu zahlen sind. 1483 6 3 0 Für tarifvertragliche Regelungen, die ausdrücklich eine tarifvertragliche Höchstarbeitszeit normieren, wird die Frage der Möglichkeit einzelvertraglicher Vereinbarungen einer darüber hinausgehenden Arbeitszeit in der Regel unter dem Günstigkeitsprinzip ($ 4 Abs 3 TVG) diskutiert. 1484 Zum Teil wird den entsprechenden tariflichen Regelungen ein öffentliches Interesse unterstellt mit der Folge, daß ein Günstigkeitsvergleich unzulässig sein soll. 1485 Teilweise wird angenommen, ein Günstigkeitsvergleich scheide deshalb aus, weil das Maß der Freiheit nicht mit dem Maß des erzielten Arbeitsentgeltes verglichen werden könne. 1486 Die Annahme, derartige tarifvertragliche Bestimmungen über die wöchentliche Höchstarbeitszeit könnten schon deshalb nicht einzelvertraglich überschritten werden, weil diese Bestimmung im öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes des einzelnen Arbeitnehmers liege, überzeugt angesichts der Neuregelung der höchstzulässigen Arbeitszeiten im Arbeitszeitgesetz nicht. Die Regelungen im Arbeitszeitgesetz gehen weit über das Maß der tarifvertraglich zulässigen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit hinaus. Zudem ist es vorrangig Aufgabe des Gesetzgebers, Regelungen für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu erlassen. Mit dem Arbeitszeitgesetz hat der Gesetzgeber den aus seiner Sicht einzuhaltenden Rahmen gesteckt. 1487 6 3 1 Zu prüfen bleibt jedoch, inwieweit die Höchstnormen für die individuelle regelmäßige Arbeitszeit in Tarifverträgen dem Gesichtspunkt der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art 9 Abs 3 S 1 GG) der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien anheim gestellt sind. Fehlt die Regelungskompetenz hierfür, so ist die Tarifnorm insoweit unbeachtlich. Sie kann dann entgegenstehende Abmachungen im Arbeitsvertrag nicht berühren. Tarifvertragliche Regelungen mit ausdrücklicher individueller Höchstarbeitszeit bestehen. 1488 Fraglich ist, inwieweit derartige Regelungen noch der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen des einzelnen Gewerkschaftsmitgliedes zu dienen geeignet sind und inwieweit die Grenzziehung mit der individuellen Berufsfreiheit auch es Gewerkschaftsmitgliedes vereinbar ist. Selbst wenn man das Ziel einer Obergrenze der jedem Arbeitnehmer „zustehenden" Arbeitszeit als rechtlich mögliches tarifpolitisches Ziel durch Art 9 Abs 3 S 1 GG gedeckt ansieht, bleibt eine solche Zielsetzung fragwürdig. Denn es könnte keinem Arbeitnehmer, auch einem solchen, der der Gewerkschaft angehört, untersagt werden, ein weiteres (Neben-)Arbeitsverhältnis einzugehen und dadurch weit über die tarifliche Höchstarbeitszeit hinaus zu arbeiten. Darüber hinaus würden durch die tarifvertragliche Regelung zwingend zwar nur die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer betroffen werden, nicht aber die nichtorganisierten Arbeitnehmer. Mittelbar werden jedoch auch nichtorganisierte Arbeitnehmer betroffen, wenn tarifvertragliche Regelungen für den Betrieb durchschnittliche individuelle Höchstarbeitszeiten vorsehen. Von daher ist auch die Frage der negativen Koalitionsfreiheit aufgeworfen. Zulässig sind tarifvertragliche Regelungen über Höchstarbeitszeiten bzw über eine vorübergehenden Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit ohne vollen Lohnausgleich, wenn dem Arbeitnehmer, dessen Freiheit hinsichtlich der Arbeitszeitmenge durch den Tarifvertrag beschränkt wird, eine Gegenleistung, zB in Form eines verbesserten Bestandsschutzes,

1483 BAG 21.2.90 - 4 AZR 604/89 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr 16. 1484 Vgl aus der vielfaltigen Literatur BengelsdorfZfA 90 563; ders AuA 94 97; Büchner NZA 86 377; ders in Hromadka (Hrsg), Arbeitszeitrecht im Umbruch, 1988 3; ders DB 89 2029; Däubkr DB 89 2535; Heinze DB 96 729, 733; Kramer DB 94 426; Leinemann DB 90 732; Löwisch NZA 85 170; ders DB 89 1185; ders BB 91 59; Loritz ZfA 90 144; Mager in Hromadka (Hrsg), Arbeitsrecht im Umbruch, 1988,45; Richardi ZfA 90 221; ders DB 90 613; Waltermann 202

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RdA 96 130; Zachert DB 90 987; Zöllner DB 89 2121; Wiedemann in Wiedemann, TVG S 1 Rn 328 ff, jeweils mwN. 1485 Zachert DB 90 987 f. 1486 LAG Baden-Württemberg 22.3.89 - 9 Sa 140/88 LAGE S 4 TVG Metallindustrie Nr 17, 13. 1487 Vgl Leinemann DB 90 734. 1488 ZB BAG 20.4.99 - TV zur Beschäftigungssicherung für die niedersächsische Metallindustrie vom 5.3. 1994.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

vorübergehenden Kündigungsschutzes usw zusteht. 1489 Zulässig sind ebenso Erhöhungen der tariflichen Arbeitszeit ohne volle Bezahlung, zB im Rahmen von Konsolidierungstarifverträgen. Über die Frage, inwieweit gegenüber tarifvertraglichen Regelungen größere Arbeitszeitmengen 6 3 2 einzelvertraglich oder - im Rahmen betrieblicher Öffnungsklauseln - durch Betriebsvereinbarung 1 4 9 0 vereinbart werden können, wird aber auch unter dem Gesichtspunkt diskutiert, inwieweit der individuellen Vereinbarung prinzipiell Vorrang vor dem Tarifvertrag einzuräumen ist. 1491 Dieser Vorrang läßt sich unter dem Gesichtspunkt des Günstigkeitsvergleiches ($ 4 Abs 3 TVG) erörtern: Man kann es als günstiger ansehen, wenn dem Arbeitnehmer die Freiheit verbleibt, die Menge seiner Arbeitszeit im Arbeitsvertrag selbst zu vereinbaren und hierbei nicht an tarifvertragliche Vorgaben gebunden zu sein. Hierfür spricht auch der Umstand, daß niemand Anstand daran nimmt, wenn Arbeitnehmer eine geringere als die tarifvertragliche regelmäßige Arbeitszeit im Arbeitsvertrag vereinbaren. Die Frage nach einer geringeren Arbeitszeit als der, die im Tarifvertrag als normale Arbeitszeit vorgesehen ist, stellt sich jedoch nicht prinzipiell anders als die Frage nach der Höchstarbeitszeit. Dagegen ist $ 4 Abs 3 TVG uneingeschränkt anwendbar, wenn die über den Tarifvertrag hinausgehenden Arbeitszeit untertariflich bezahlt wird. 1492 Ob allerdings dann die übertarifliche Arbeitsleistung zu untertariflicher Bezahlung einerseits mit der Gegenleistung des Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen andererseits unter dem Gesichtspunkt des $ 4 Abs 3 TVG nicht miteinander verglichen werden können („Äpfel und Birnen"), 1493 erscheint zumindest fraglich. 1494 cc)

Veränderung der regelmäßigen Vollarbeitszeit

Die Veränderung einer einzelvertraglich vereinbarten Arbeitszeitmenge auf Dauer unterliegt Be- 6 3 3 schränkungen. Grundsätzlich sind die Arbeitsvertragsparteien an die vereinbarte Arbeitszeitmenge gebunden. Allerdings können Arbeitnehmer aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften Anspruch auf eine Veränderung der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeitmenge und ggfs -läge, insbesondere einen sog Teilzeitanspruch haben (vgl des näheren: Rn 652 ff) Eine Einzelvertragsvereinbarung, wonach bei arbeitszeitabhängiger Vergütung der Arbeitgeber berechtigt ist, die zunächst festgesetzte Arbeitszeit später einseitig nach Bedarf zu reduzieren, stellt eine objektive Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften ($ 2 KSchG iVm $ 1 Abs 2 und Abs 3 KSchG, $ 622 BGB) dar und ist deshalb nach $ 134 BGB nichtig. 1495 Derartige Bedenken bestehen jedoch nicht, wenn mit dem Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, vormals kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (Kapovaz) genannt, nach $ 12 TzBfG vereinbart wird. In solchen Fällen haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festzulegen ($ 12 Abs 1S 2 TzBfG). Ist dies nicht geschehen, so gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart (§12 Abs 1S 3 TzBfG). Zur Arbeitsleistung ist der Arbeitnehmer in solchen Fallen nur verpflichtet, wenn der Arbeitgeber eine Ankündigungsfrist von vier Tagen einhält ($12 Abs 2 TzBfG); mangels anderweitiger Vereinbarung einer bestimmten Dauer der täglichen Arbeitszeit muß der Arbeitnehmer an mindestens drei aufeinander folgenden Stunden beschäftigt werden (§12 Abs 1 S 4 TzBfG). Durch Tarifvertrag kann von § 12 Abs 1 und 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden; die Anwendbarkeit der Tarifregelungen können auch arbeitsvertraglich vereinbart werden ($ 12 Abs 3 TzBfG). Eine solche Tarifnorm ist, soweit sie von der Festlegung einer bestimmten Dauer der Arbeitszeit absieht, nicht wegen Verstoßes gegen zwingende Vorschriften des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechtes unwirksam.1496

1489 BAG 25.10. 2000 - 4 A2R 438/99 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Internationaler Bund Nr 1; Schliemann ZTR 2000 198, 201. 1490 BAG 20.4.99 - 1 AZR 631/98 - AP BetrVG 1972 S 77 Tarifvorbehalt Nr 12. 1491 BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/98 - AP Nr 89 zu Art 9 GG mwN; Richardi NZA 84 389; ders NZA 85 173; ders ZfA 90 232 ff, 240 f; ders DB 90 1616 f; ähnlich Heinze NZA 91 329, 335; Joost ZfA 84 183 f. 1492 BAG 20.4.99 - 1 AZR 631/98 - AP BetrVG 1972 S 77 Tarifvorbehalt Nr 12. Harald Schliemann

1493 BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/98 - AP Nr 89 zu Art 9 GG. 1494 Vgl die in juris Nr: KARE503 angeführten Besprechungen und Aufsätze zu BAG 20.4.99 - 1 ABR 72/98 AP Nr 89 zu Art 9 GG. 1495 BAG 1 2 . 1 2 . 8 4 - 7 AZR 509/83 - AP KSchG $ 2 Nr 6. 1496 BAG 20.6.95 - 3 AZR 539/93 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Nährmittelindustrie N r l ; 1 2 . 3 . 9 2 - 6 AZR 311/ 90 - AP BeschFG 1985 $ 4 Nr 1 (Mosler).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

6 3 4 Eine Verkürzung oder -Verlängerung der Vollarbeitszeit durch Direktionsrecht des Arbeitgebers ist indessen in engen Grenzen aufgrund Tarifvertrages (zB § 15 Abs 2 BAT, § 3 Abs 7 MTV für die niedersächsische Metallindustrie vom 18. April 1994) auch auf unbestimmte Zeit und nicht nur vorübergehend möglich, 1497 vor allem dann, wenn in die Arbeitszeit Zeiten mit geringerer Arbeitsintensität fallen. 1498 Indessen ist eine Tarifnorm, die dem Arbeitnehmer ein die allgemeine menschliche Leistungsfähigkeit und Zumutbarkeit überschreitendes Arbeitspensum abverlangt, wegen Verstoßes gegen den Rechtsgedanken des S 306 BGB und die Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG) unwirksam, wie das BAG für die Arbeitszeit der Krankenhausärzte und den ärztlichen Bereitschaftsdienst nach der Sonderregelung 2c zum BAT (aF) entschieden hat; 1 4 9 9 die Tarifregelung ist inzwischen geändert worden. Von dieser Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers auf die Arbeitszeitmenge durch den Tarifvertrag ist die Veränderung der Arbeitszeit durch den Tarifvertrag selbst zu unterscheiden. Ein tarifvertragliches Wahlrecht der regelmäßigen Vollarbeitszeitmenge kann auch für Arbeitnehmer bestehen. 1500 Legt ein Tarifvertrag Quoten fest, nach denen ein Teil der Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen Arbeitszeit bis zu 40 Wochenstunden beschäftigt werden darf, j edoch im Durchschnitt der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum eine betriebliche Arbeitszeit von 35 Wochenstunden nicht überschreiten darf, so folgt hieraus keine Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers, sondern nur eine Beschränkung der Vertragsfreiheit. Denn solche Arbeitszeiten müssen mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden, es ist aber Sache des Arbeitgebers, dafür Sorge zu tragen, daß er den tariflichen Durchschnittswert nicht überschreitet.1501 635 Durch Betriebsvereinbarung können zwar grundsätzlich Regelungen der individuell vereinbarten Arbeitszeitmenge nicht verändert werden, es sei denn, daß der Arbeitsvertrag insoweit ausdrücklich betriebsvereinbarungsoffen gestaltet ist. Gleichwohl eröffnen Tarifverträge, die ihrerseits Öffnungsklauseln für eine Regelung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit im Wege der Betriebsvereinbarung ermöglichen, den Weg zur Veränderung auch der jeweiligen individuellen Arbeitszeit des Arbeitnehmers, sofern der Arbeitsvertrag hinsichtlich der Arbeitszeitregelung auf diese Tarifverträge verweist oder seinerseits betriebsvereinbarungsoffen gestaltet ist und zwar auch für die nichttarifgebundenen Arbeitnehmer.1502 Diese Rechtsprechung ist dogmatisch umstritten; höchst fraglich ist, ob mit der Erwägung, es handele sich insoweit um Betriebsnormen, für die die einseitige Bindung des Arbeitgebers genüge ($ 3 Abs 2 TVG), eine Erstreckung der Arbeitszeitverteilungsregelung durch Betriebsvereinbarung auf nichtorganisierte Arbeitnehmer möglich ist. 1503 Dies wirft die Frage auf, inwieweit Betriebsnormen überhaupt geeignet sind, einzelvertragliche Inhaltsnormen zu verändern. Grundsätzlich ist dies abzulehnen. 1504 Indessen bestehen diese Bedenken nur, wenn die Anwendung der tarifvertraglichen Bestimmungen nicht bereits im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist. dd)

Mehrarbeit, Überstunden

6 3 6 Die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit kann vorübergehend überschritten werden. Die über diese Zeit hinausgehende Menge der Arbeitszeit wird mit unterschiedlichen Begriffen belegt wie zB Mehrarbeit, 1 5 0 5 Überstunden 1506 oder Überschicht. 1507 Bemühungen zur Vereinheitlichung des Sprachgebrauches sind bisher relativ erfolglos geblieben. 1508 Indessen zeichnet sich in der neueren Rechtsprechung eine relative Tendenz dahingehend ab, den Ausdruck Mehrarbeit für die Arbeitszeiten zu verwenden, die über die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers hinaus1497 ZB BAG 26.6.85 - 4 AZR 585/83 - AP TVAL II $ 9 Nr 4 (Herschel); 28.11.84 - 5 AZR 195/83 - AP TVG $ 4 Bestimmungsrecht Nr 2 (Wiedemann). 1498 BAG 22.11. 2000 - 4 AZR 612/99 - AP TVG J 1 Tarifverträge: DRK Nr 10. 1499 BAG 24.2.82 - 4 AZR 223/80 - AP BAT $ 17 Nr 7 (Meisel). 1500 Vgl BAG 28.10.9 - 6 AZR 301/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Techniker-Krankenkasse Nr 2. 1501 BAG 17.6.97 - 1ABR 3/97-AP TVG $ 3 Betriebsnormen Nr 2.

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1502 BAG 18.8.87 - AP BetrVG 1972 $ 77 Nr 23 (von Hoyningen-Huene). 1503 MünchArbR/Bfomeyer $ 4 6 Rn 110; Waltermann NZA 96 357; ders RdA 96 129 1504 Schliemann in FS für P. Hanau, 577, 588. 1505 BAG 31.5.72 - 4 AZR 309/71 - AP BGB § 611 Bergbau Nr 16. 1506 BAG 4.9.85 - 7 AZR 240/83 - AP MTB II § 48 Nr 1. 1507 BAG 15.9.71 - 4 AZR 93/71 - AP BGB §611 Bergbau Nr 15 (Meisel). 1508 Vgl zB MiinchArbR/Btomçyer $ 46 Rn 118 mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

gehen. 1509 Dies entspricht auch neueren Fassungen in Tarifverträgen und Gesetzen. 1510 In anderen Branchen wird dagegen der Ausdruck Überstunden verwendet.1511 Arbeitsschutzrechtlich wird unter Mehrarbeit die über die regelmäßige gesetzliche Höchstarbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit verstanden. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Arbeit über die Dauer der von ihm vertraglich 6 3 7 vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit hinaus bedarf einer besonderen Rechtsgrundlage. Aufgrund seines allgemeinen Weisungsrechtes kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne eine solche Rechtsgrundlage - außer in Notfällen - nicht zur Leistung solcher Mehrarbeit anweisen. 1512 Das Weisungsrecht beschränkt sich darauf, die im Arbeitsvertrag rahmenmäßig umschriebenen Pflichten des Arbeitnehmers im einzelnen zu bestimmen; sie begründen aber keine Möglichkeit für den Arbeitgeber, den Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung gegen den Willen des Arbeitnehmers einseitig zu erhöhen. Die Verpflichtung zur Leistung von Mehrarbeit oder Überstunden muß nach $ 2 Abs 1 S 2 Nr 7 NachwG in den schriftlichen Nachweis oder schriftlichen Arbeitsvertrag aufgenommen werden, soweit sie sich nicht aus der zulässigen Verweisung auf Tarifverträge pp ergibt. 1513 Allerdings sind in der Praxis häufig entsprechende Vereinbarungen in Arbeitsverträgen anzutreffen, nach denen sich der Arbeitnehmer verpflichtet hat, Mehrarbeit oder Überstunden auf Weisung oder Anforderung bzw mit Duldung des Arbeitgebers zu leisten. Häufig ist die Befugnis zur Anordnung von Mehrarbeit durch den Arbeitgeber auch in Tarifverträgen geregelt. Zuweilen ordnen die Tarifverträge eine entsprechende ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung solcher Überstunden oder Mehrarbeit an, zuweilen bleibt unklar, ob die Tarifverträge die Leistung von Mehrarbeit anordnen oder nur nicht hindern wollen oder ob die tarifvertragliche Regelung sich auf die Frage der Bezahlung oder des Ausgleichs tatsächlich geleisteter Mehrarbeit beschränkt. Im Einzelfall ist durch Auslegung des Arbeitsvertrages zu ermitteln, inwieweit sich der Arbeitnehmer 6 3 8 zur Leistung von Mehrarbeit oder Überstunden verpflichtet hat (vgl wegen Teilzeit: Rn 668). Geht ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis in einem Betrieb ein, in welchem - für ihn erkennbar - üblicherweise Mehrarbeit geleistet wird und ist keine besondere Vereinbarung getroffen worden, so wird die Auslegung der arbeitsvertraglichen Absprachen in der Regel zu dem Ergebnis führen, daß sich der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung im betriebsüblichen Umfang und damit auch zur Leistung betriebsüblicher Überstunden oder Mehrarbeit verpflichtet hat. Bei Angestellten in herausgehobenen, leitenden Stellungen darf der Arbeitgeber ein besonderes Maß an Arbeitsleistung erwarten und verlangen, auch wenn dadurch die im Betrieb sonst übliche Arbeitszeit überschritten wird. 1514 Dagegen berechtigt der Umstand, daß möglicherweise Arbeit in außergewöhnlichen Fällen nach $ 14 ArbZG zulässig ist, nicht zu der Annahme, daß die Arbeitnehmer bereits aus diesem Gesichtspunkt verpflichtet sind, diese Mehrarbeit zu leisten. 1515 Ledig in Notfällen iSd $ 14 Abs 1 ArbZG darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Leistung notwendiger Mehrarbeit nach Treu und Glauben fordern. Werdende und stillende Mütter dürfen nach § 8 Abs 1 MuSchG nicht mit Mehrarbeit, dh Arbeit über 8 bzw 8 Stunden täglich und 80 bzw 90 Stunden in der Doppelwoche ($ 8 Abs 2 MuSchG) beschäftigt werden, es sei denn, daß die Aufsichtsbehörde im begründeten Einzelfall eine Ausnahme nach § 8 Abs 4 MuSchG zuläßt. Für jugendliche Arbeitnehmer gilt grundsätzlich der Acht-Stunden-Tag in einer Fünf-Tage-Woche (§§8, 11 JArbSchG); Ausnahmen hiervon sind nach § 2 1 JArbSchG möglich und auszugleichen. Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freizustellen ($ 46 SchwbG). Unter Mehrarbeit iS dieser Bestimmung ist eine Arbeitsleistung zu verstehen, die werktäglich den Zeitraum von acht Stunden überschreitet ($ 3 ArbZG). Auf die Ausgleichsregelungen zur Erreichung einer durchschnittlichen regelmäßigen werktäglichen Arbeitszeit ($ 3 S 2 ArbZG) kann 1509 Vgl die in AP $ 611 BGB Mehrarbeitsvergütung, EzA $611 BGB Mehrarbeit sowie in LAGE §611 BGB Mehrarbeit abgedruckten Entscheidungen. 1510 ZB s 8 MuSchG; $ 46 SchwbG; § 5 MTV für die niedersächsische Metallindustrie; S 3 MTV Chemie ; S 4 MTV für die Nährmittel- und Feinkostindustrie Hessen; S 3.2. BRTV-Bau; § 4 MTV Groß- und Einzelhandel Nordrhein-Westfalen. Harald Schliemann

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1511 ZB § 17 BAT. 1512 Schaub §45 Rn68; MûnchArbR/Btomçper § 4 6 Rn 119. 1513 EuGH 8.2. Ol - Rs C 350/99 - Lange - AP NachwG § 2 Nr 4. 1514 BAGE 19 288, 294 f - AP BGB §618 Nr 15 (A. Hueck) = SAE 67 273 (Sieg). 1515 AA Schaub § 45 Rn 68.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

insoweit nicht zurückgegriffen werden. Die Gleichsetzung des Begriffs der Mehrarbeit mit den entsprechenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes ist angesichts des Gleichklanges der Schutzrichtungen geboten; beide Gesetze dienen dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer vor einer zeitlich übermäßigen Arbeitsbeanspruchung. Dagegen ist unter Mehrarbeit iSd $ 46 SchwbG nicht die über die individuell vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit des Schwerbehinderten hinausgehende (tägliche) Arbeitsleistung anzusehen. 1516 In Notfallen und außergewöhnlichen Fällen iSd S 14 ArbZG kann jedoch das Verlangen des Schwerbehinderten, von der Leistung von Mehrarbeit freigestellt zu sein, rechtsmißbräuchlich sein. 1 5 1 7 640

In der Regel stellt sich die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit als eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit dar. Hierbei hat der Betriebsrat nach § 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG mitzubestimmen, soweit es sich um einen kollektiven Tatbestand handelt. Unter diesem Gesichtspunkt scheidet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur aus, wenn die Leistung von Mehrarbeit oder Überstunden auf einer Berücksichtigung individueller Wünsche einzelner Arbeitnehmer beruht. Auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer kommt es indessen nicht an; sie ist nur Indiz für das Bestehen eines kollektiven Tatbestandes. 1518 Auch bei nicht vorhersehbaren betrieblichen Gründen handelt es sich grundsätzlich um einen kollektiven Tatbestand, auch wenn Überstunden oder Mehrarbeit nur für einen einzelnen Arbeitnehmer angeordnet wird, zB zum Entladen eines verspätet ankommenden Lastkraftwagens. 1519 Für Eilfälle können jedoch Arbeitgeber und Betriebsrat Regelungen im voraus treffen; das Mitbestimmungsrecht wird insoweit nicht eingeschränkt. Es bleibt bestehen und wird wirksam ausgeübt, auch wenn solche Arbeiten aus betrieblichen Gründen mit einer gewissen Regelmäßigkeit anfallen und unabhängig vom Einverständnis und von der Zahl der Arbeitnehmer erledigt werden müssen. 1 5 2 0 Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf alle im Zusammenhang mit Überstunden anfallenden Fragen, insbesondere darauf, von welchen Arbeitnehmern in welchem Umfang zu welchen Zeiten Überstunden oder Mehrarbeit geleistet werden soll. Nicht nur die Anordnung, sondern auch die Duldung von Überstunden (Entgegennahme und Bezahlung) lösen das Mitbestimmungsrecht nach S 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG aus, wenn ein kollektiver Tatbestand vorliegt. 1521 Erhält der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zur Anordnung von Überstunden nicht, so verletzt er dessen Beteiligungsrecht, wenn er einen Strohmann zur Erledigung der in Überarbeit zu erbringenden Arbeiten einschaltet. 1522 Das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der vorabergehenden Verlängerung oder Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit bezieht sich auch auf Teilzeitbeschäftigte, für die unterschiedliche Wochenarbeitszeiten gelten. 1 5 2 3 Die völlige Rückkehr zur Normalarbeitszeit, dh der Abbau von Mehrarbeit oder Überstunden bzw von Kurzarbeit, ist mitbestimmungsfrei. 1 5 2 4

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Im öffentlichen Dienst unterliegt nur die Lage, nicht aber die Anordnung der Mehrarbeitsstunden der Mitbestimmung des Personalrats, zB nach § 75 Abs 3 Nr 1 BPersVG. 1525 An diesen Rahmen sind auch die Länder gebunden. Deshalb ist $ 86 Abs 1 Nr 1 LPVG Hamburg dahin auszulegen, daß der Personalrat nicht bei der Anordnung von Überstunden mitzubestimmen hat; sie unterliegen als organisatorische Angelegenheit der Direktionsbefugnis des Dienststellenleiters. Bei der generellen mitbestimmungspflichtigen Anordnung von Überstunden hinsichtlich der Arbeitszeit der einzelnen Dienstkräfte ist die Mitbestimmung gem $ 86 Abs 3 LPVG Hamburg auf den Abschluß von Dienstvereinbarungen über Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen beschränkt, wenn die Dienstzeit für 1516 BAG 8 . 1 1 . 8 9 - 5 AZR 642/88 - AP SchwbG § 46 Nr 1; ThielefTerdenge HzA Gruppe 7, Rn 210; aA Neumann/ Pahlen $ 46 Rn 3. 1517 Thiele/Terdetige HzA Gruppe 7 Rn 208/9. 1518 BAG 1 6 . 7 . 9 1 - ABR 69/90 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr 44; 1 0 . 6 . 8 6 - 1 ABR 61/84 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr 18. 1519 Fitting/KaiserfHeitherfEngels § 18 BetrVG Rn 111 mwN auch der gegenteiligen Ansicht. 1520 BAG 1 7 . 1 1 . 9 8 - 1 ABR 12/98 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 79 mwN; 2 1 . 1 2 . 8 2 - 1 ABR 14/81 AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 9 (Gast); vgl für eine vorsorgliche Regelungsabrede: BAG 1 0 . 3 . 9 2 - 1 ABR 31/ 91 - AP BetrVG 1972 $ 77 Regelungsabrede Nr 1.

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1521 BAG 2 5 . 2 . 9 7 - 1 AZR 642/96 - ZTR 97 574; 2 7 . 1 1 . 9 0 - 1 ABR 77/89 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr 41. 1522 BAG 2 2 . 1 0 . 9 1 - 1 ABR 28/91 - AP BetrVG 1972 S 87 Arbeitszeit Nr 48. 1523 BAG 1 6 . 7 . 9 1 - 1 ABR 69/90 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 44. 1524 BAG 1 1 . 7 . 9 0 - 5 AZR 557/89 - AP BGB $ 615 Betriebsrisiko Nr 32; Klebe in Däubler/Kittner/KIebe, $ 87 BetrVG Rn 90. 1525 BVerwG 2 . 6 . 9 2 - 6 Ρ 14/90 - AP BPersVG § 75 Nr 34.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

einen bestimmten Kreis von Dienstkräften nach nicht voraussehbaren Erfordernissen - zB bei Krankheitsfällen - unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden muß. 1526 cc)

Kurzarbeit

Unter Kurzarbeit wird allgemein die auf einem vorübergehend gesunkenen Arbeitsbedarf beruhende 642 Unterschreitung der vereinbarten individuellen Arbeitszeit in Anlehnung an § 63 AFG bezeichnet. Sie geht in der Regel mit einer Absenkung der betriebsüblichen Arbeitszeit einher. Die Kurzarbeit muß sich jedoch nicht auf den gesamten Betrieb beziehen, sondern kann auch nur bestimmte, organisatorisch abgrenzbare Teile eines Betriebes oder Betriebsteiles selbst betreffen. Durch die Einführung von Kurzarbeit sollen Arbeitsplätze auf längere Sicht dadurch erhalten bleiben, daß der Betrieb vorübergehend durch Senkung der Personalkosten entlastet wird. Für den Begriff der Kurzarbeit ist unerheblich, ob die Arbeitszeit der Arbeitnehmer lediglich um einzelne Stunden verkürzt wird, ob an bestimmten Wochentagen überhaupt nicht gearbeitet wird oder gar mehrere Wochen hintereinander die Arbeit ausfällt („Kurzarbeit Null"). Die Einführung von Kurzarbeit bedarf einer besonderen Rechtsgrundlage, es sei denn, daß die 643 Möglichkeit zur Einführung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber bereits im Arbeitsvertrag selbst vereinbart worden ist. Lediglich aufgrund seines Direktionsrechtes kann der Arbeitgeber ohne entsprechende arbeitsvertragliche Gestaltung rechtswirksam keine Kurzarbeit anordnen (vgl des näheren: $ 615 Rn 129-144). Die Beendigung der Kurzarbeit und damit die Rückkehr zur betrieblichen Normalarbeitszeit ist ohne Vertragsänderung jederzeit möglich und mitbestimmungsfrei. 1527 f)

Arbeitszeitlage

Mit der Festlegung der Lage der Arbeitszeit wird die Leistungspflicht, die durch die Menge der 644 Arbeitszeit nur umfangmäßig bestimmt ist, endgültig konkretisiert. Als Lage der Arbeitszeit werden die Zeitpunkte beschrieben, zu welchen die Arbeit am Tage beginnt und endet und zu welchen sie durch Pausen unterbrochen ist. Die Lage der Arbeitszeit kann jedoch nur bestimmt werden, wenn zuvor die Arbeitszeitmenge festliegt. Die konkrete Festlegung der Zeitpunkte, zu welchen die Arbeit zu leisten ist, gehört zwar nicht zum vertragliche Synallagma, sie gehört jedoch als Konkretisierung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers zu dem von ihm geschuldeten Leistungsinhalt. 1528 Mit der Festlegung der Lage der Arbeitszeit wird die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers zur Fixschuld konkretisiert. Hält der Arbeitnehmer die derart fixierte Arbeitszeit nicht ein, so hat dies zur Folge, daß die nicht erbrachte Arbeitsleistung als nicht nachholbar endgültig unmöglich wird; für den Schuldnerverzug bleibt insoweit kein Raum. Die Festlegung der Lage der Arbeitszeit ist auch von wesentlicher Bedeutung für die Frage, ob dem 645 Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Feiertagslohn zusteht und wie viele Urlaubstage ihm konkret zu gewähren sind. Fällt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung zu erbringen hat, so entfällt auch jedweder Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Umgekehrt besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn der Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert ist, die auch der zeitlichen Lage nach geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. 1529 Feiertagsentgeltfortzahlung hat ein Arbeitnehmer ebenfalls nur zu beanspruchen, wenn die für ihn zeitlich festgelegte Arbeitsleistung lediglich infolge des Feiertages entfällt. 1530 Ist der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nach Werktagen bemessen, so muß er in Arbeitstage umgerechnet werden, wenn

1526 BVerwG 8.5.92 - 6 Ρ 22.91 - AP BPersVG $ 75 Nr 33. 1527 BAG 11.7.90 - 5 AZR 557/89 - AP BGB $ 615 Betriebsrisiko Nr 32; Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, $ 87 BetrVG Rn 90. 1528 Staudinger/Ricfterdi'13 S 611 BGB Rn 337; MünchArbR¡Blomeyer $ 46 Rn 127. Harald Schliemann

1529 Std Rspr, statt vieler: BAG 10.7.96 - 5 AZR 284/95 - AP TVG $ 1 Tarifverträge Metallindustrie Nr 142. 1530 BAG 2 4 . 1 . 0 1 - 4 AZR 538/99 - NZA Ol, 1026; 9.10.96 - 5 AZR 345/95 - AP EntgeltFG J 2 Nr 3; 10.7.96 - 5 AZR 113/95 -AP FeiertagslohnzahlungsG § 1 Nr 69.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

die Arbeitszeit für den Arbeitnehmer nicht auf alle Werktage einer Woche verteilt ist. 1531 Entsprechendes gilt, wenn die regelmäßige Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf einen Zeitraum verteilt ist, der mit einer Kalenderwoche nicht übereinstimmt und der Urlaub nach Arbeitstagen bemessen wird. 1532 aa)

Rechtsgrundlagen

6 4 6 Die Lage der Arbeitszeit kann im Arbeitsvertrag festgelegt sein. Dies ist aus praktischen Gründen selten anzutreffen (vgl jedoch wegen Teilzeitarbeit: Rn 655). Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien bei Abschluß des Arbeitsvertrages die zu diesem Zeitpunkt im Betrieb geltende Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, so liegt nicht schon dann eine individuelle Arbeitszeitvereinbarimg, die gegenüber einer späteren Veränderung der betrieblichen Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung Bestand hätte. Will der Arbeitnehmer für sich eine von der betriebsüblichen Lage der Arbeitszeit unabhängige Lage der Arbeitszeit festsetzen, so muß er diese Unabhängigkeit mit dem Arbeitgeber auch dann (ausdrücklich) vereinbaren, auch wenn die zur Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrags geltende betriebliche Arbeitszeit den Interessen des Arbeitnehmers entspricht. 1533 In der Regel ist der Arbeitgeber mangels eindeutiger arbeitsvertraglicher Regelung im Rahmen seines Direktionsrechts befugt, die Lage der Arbeitszeit einseitig anderweitig festzulegen 1534 und zB den Wechsel von Nachtarbeit zur Tagarbeit oder umgekehrt 1535 bzw die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten 1536 anzuordnen. Der Umstand, daß ein Arbeitnehmer seit Abschluß des'Arbeitsvertrages über mehrere Jahre nur zu der anfangs üblichen Arbeitszeit gearbeitet hat, hat weder eine stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrages durch Konkretisierung noch eine entsprechende betriebliche Übung zur Folge. 1537 6 4 7 In Betrieben mit Betriebsrat bilden regelmäßig Betriebsvereinbarungen nach $ 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG die Rechtsgrundlage für die Festlegung der Lage der Arbeitszeit einschließlich der Pausen. Dagegen sind tarifvertragliche Regelungen über die Lage der Arbeitszeit selten anzutreffen. Häufig und üblich in Tarifverträgen ist allerdings eine Regelung, wonach die regelmäßige Arbeitszeit auf die Tage von Montag bis Freitag gelegt ist. Dies schließt jedoch eine Festlegung der Lage der Arbeitszeit auf andere Tage nicht aus, soweit es sich nicht um die regelmäßige Arbeitszeit im Sinne einer ausschließlichen Lage handelt, sondern - sehr häufig - um die Umschreibung der zuschußfreien Arbeitszeiten. Bei der Ausübung des Direktionsrechtes des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitszeit ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach $ 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG bzw das des Personalrates nach $ 75 Abs 3 Nr 1 BPersVG und entsprechenden landesrechtlichen Regelungen zu beachten. Es betrifft die regelmäßige Arbeitszeit, nämlich deren Dauer, Lage und Verteilung auf die Wochentage einschließlich des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit sowie die Lage und die Dauer der Pausen. Anwendungsfalle sind zB die Einführung oder der Abbau von Schichtarbeit, die Einführung und Änderungen der grundlegenden Arbeitszeitregelungen, die Aufstellung einzelner Schichtpläne, die Grundsätze der Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf Teilzeitbeschäftigte wie auf die Einführung einer gleitenden Arbeitszeit. Ebenso besteht es für die Aufstellung von Dienstplänen, die Einrichtung von Rufbereitschaft 1 5 3 8 oder Bereitschaftsdienst, 1539 die Einführung und Ausgestaltung rollierender Arbeitseinsatzsysteme sowie die Arbeitszeitverlegungen, zB anläßlich des Weihnachtsfestes oder aus Anlaß von Brückentagen. 1540 Für alle diese Regelungen steht den Betriebsräten bzw Personalräten auch ein Initiativrecht zu. Uneingeschränkt besteht das Mitbestimmungsrecht einschließlich des hierauf ge1531 BAG 8.9.98 - 9 AZR 161/97 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Bau Nr 216; 2 7 . 1 . 8 7 - 8 AZR 579/84- AP BUrlG $ 13 Nr 30. 1532 BAG 22.10.91 - 9 AZR 621/90 - AP BUrlG $ 3 Nr 6. 1533 BAG 23.6.92 - 1 AZR 57/92 - AP BGB S 611 Arbeitszeit Nr 1. 1534 BAG 30.3. 2000 - 6 AZR 680/98 - AP BAT-0 $15 Nr 2. 1535 LAG Berlin 29.4.91 - 9 Sa 9/91 - LAGE $611 BGB Direktionsrecht Nr 9. 208

Harald Schliemann

1536 BAG 11.2.98 - 5 AZR 472/97 - AP BGB $611 Direktionsrecht Nr 54. 1537 BAG 11.10.95 - 5 AZR 802/94 - AP BGB $ 611 Arbeitszeit Nr 9; 23.6.92 - 1 AZR 57/92 - AP BGB $ 611 Arbeitszeit Nr 1. 1538 BAG 2 1 . 1 2 . 8 2 - 1 ABR 14/81 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 9. 1539 BAG 29.2. 2000 - 1 ABR 15/99 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 81. 1540 Vgl statt vieler Fitting/Kaiser/Heither/Engels $ 8 7 BetrVG Rn 85-107 mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung

richteten Initiativrechts des Betriebsrates nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch dann, wenn durch die zeitliche Lage der Arbeitszeit mittelbar die Ladenöffnungszeit in Ladengeschäften beeinflußt wird. 1541 Dies ist jedoch nicht unumstritten.1542 Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist allerdings, daß ein kollektiver Tatbestand vorliegt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates muß auch vorrangige Tarifregelungen beachten. Bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Arbeitszeit einschließlich der Pausen muß der öffentlich- 6 4 8 rechtliche Arbeitszeitschutz (vgl Rn 592-605) beachtet werden. Soweit der öffentlich-rechtliche Arbeitszeitschutz durch Weisung des Arbeitgebers verletzt wird, steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Der Arbeitgeber darf Verstöße gegen den gesetzlichen Arbeitszeitschutz auch nicht hinnehmen. bb)

Gestaltungsformen

Die Lage der Arbeitszeit kann in unterschiedlichen Formen gestaltet werden. Weitgehend üblich ist 6 4 9 immer noch die feste Arbeitszeit, dh eine Fixierung der Arbeitszeit über die Wochentage hinweg auf dieselbe zeitliche Lage. Die Arbeitszeit kann aber auch in der Weise fest gestaltet werden, daß sie auf die einzelnen Wochentagen ungleichmäßig verteilt ist. In der Regel beruht die Verteilung der Arbeitszeit in diesen Fällen auf der Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Denkbar ist auch eine variable Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, wobei es der Vertragsgestaltung überlassen bleibt, ob insoweit nur dem Arbeitgeber ein Direktionsrecht zusteht oder ob der Arbeitnehmer seinerseits - möglicherweise auch nur in gewissen Grenzen - in der Lage ist, seine Arbeitszeit selbst zu verteilen, um am Wochenende oder am Ende der Abrechnungsperiode seine Sollarbeitszeit erfüllt zu haben. Vertrauensarbeitszeit ist eine besondere Art der Führung der Arbeitnehmer mit Hilfe von Zielvereinbarungen. Primär kommt es dabei nicht auf die Einhaltung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeitmenge an, sondern auf das Erreichen vereinbarter Ziele (Arbeitsergebnisse) zum vereinbarten Zeitpunkt. Damit wird die Arbeitszeit amorph. Zuweilen wird unter Vertrauensarbeitszeit aber auch der bloße Verzicht auf die Erfassung und/oder Kontrolle der nach wie vor maßgeblichen Arbeitszeitmenge. cc)

Flexibilisierung der Arbeitszeit

Unter dem Stichwort der Flexibilisierung der Arbeitszeit werden verschiedene Gestaltungsformen 6 5 0 zusammengefaßt, vor allem die Teilzeitarbeit, die Abrufarbeit, die kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit, das Job-Sharing sowie die Verkürzung der Lebensarbeitszeit oder die Einführung von Altersteilzeit. Gesetzliche Regelungen für diese verschiedenen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung finden sich nur punktuell. Flexibel ist eine Arbeitszeit, wenn entweder die zeitliche Lage oder die auf Wochen bzw Monate bezogene Dauer oder beide Faktoren, die die Arbeitszeit bestimmen, ständig veränderbar sind, ohne daß es einer Änderung des Arbeitsvertrags bedarf. 1543 dd)

Gleitzeit

Die verbreitetste Form der flexiblen Arbeitszeit ist die Gleitzeit. Bei ihr sind zwei Typen zu unter- 6 5 1 scheiden. Bleibt der Arbeitnehmer an seine tägliche Arbeitszeitmenge oder -dauer gebunden, so handelt es sich um ein Modell der einfachen Gleitzeit. Dem Arbeitnehmer steht es in diesem Modell nur frei, seine Arbeitszeit innerhalb eines gewissen Rahmens zu erbringen, wobei er in der Regel die Kernarbeitszeit einzuhalten hat. Um qualifizierte Gleitzeit handelt es sich dagegen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur über die Lage seiner täglichen Arbeitszeit, sondern auch über deren tägliche Dauer und die Herbeiführung eines Ausgleichs zum Erreichen des Durchschnitts der geschuldeten Arbeitszeit innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens entscheiden darf. Zur Kontrolle der Vertragserfüllung werden für Arbeitnehmer bei der qualifizierten Gleitzeit nicht nur Arbeitszeitaufzeichnungen (Beginn, Ende der 1541 BAG 1 3 . 1 0 . 8 7 - 1 ABR 10/86 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 24; sa BVerfG 1 8 . 1 2 . 8 5 - 1 BvR 143/83 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 15. 1542 Statt vieler: Hess/Schlochauer/Glüubitz $ 87 BetrVG Harald Schliemann

Rn 175; Fitting/Kaiscr/Heither/Engels § 87 BetrVG Rn 105, jeweils mwN der unterschiedlichen Ansichten. 1543 Schliemann HzA Gruppe 12/1 Rn 37.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Arbeitszeit, unbezahlte Ruhepausen) geführt, sondern Gleitzeitkonten oder Arbeitszeitkonten. Für die qualifizierte Gleitzeit werden idR bestimmte Bandbreiten (äußere Zeitpunkte für Beginn und Ende der Arbeit) bzw Gleitspannen (Anfang und Ende der Zeiträume, in welchen der Arbeitnehmer frühestens anfangen darf bzw spätestens anfangen muß bzw seine Arbeit beenden darf oder beenden muß) und/ oder Kernzeiten (Zeiten, zu denen der Arbeitnehmer arbeiten muß) sowie die Lage und die Dauer der Pausen nach genauer Uhrzeit oder Dauer und Lage innerhalb eines bestimmten Rahmens vorgegeben. Zusätzlich sind die arbeitstägliche Höchstarbeitszeit (höchstens 10 Stunden, vgl S 3 S 2 ArbZG) sowie die Höchstmaße des Arbeitszeitsaldos und der Ausgleichszeitraum vorgegeben, zuweilen gibt es Kappungsgrenzen für Arbeitszeitguthaben. Mit einer Gleitzeitregelung kann auch verbunden sein, daß in einem rollierenden System eine Mindestzahl von Arbeitnehmern untereinander wechselnd während der gesamten Bandbreite arbeiten und die Arbeitnehmer im übrigen von der Gleitzeit Gebrauch machen können. Auch in solchen Fällen darf jedoch die werktägliche Höchstarbeitszeit nach $ 3 S 2 ArbZG nicht überschritten werden. Für werdende Mütter und für Jugendliche, die in Vollzeitarbeitsverhältnissen stehen, ist die Gleitzeitmöglichkeit erheblich eingeschränkt, weil bei ihnen grundsätzlich keine über acht Stunden werktäglich hinausgehende Arbeitszeit erlaubt ist (vgl § 8 MuSchG, $ 8 JArbSchG). Auch bei Gleitzeit muß der Arbeitgeber dem Aufzeichnungsgebot des S 16 Abs 2 ArbZG nachkommen; insoweit ist unerheblich, ob die Überschreitung einer werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden auf der eigenen Einteilung des Arbeitnehmers beruht. Soweit der Arbeitnehmer die durch die Gleitzeitregelung vorgeschriebene arbeitstägliche Mindestarbeitszeit erbringt, kommt er seiner Leistungsverpflichtung für diesen Tag nach. Ob der Arbeitnehmer indessen seine arbeitsvertragliche Arbeitszeitmenge durch Arbeitsleistung erbracht hat, ist idR im Rahmen qualifizierter Gleitzeitregelungen erst am Ende des jeweils vor zu bestimmenden Referenz- oder Berechnungszeitraumes als Saldo des Gleitzeitkontos erkennbar. Von daher ist es regelmäßig erforderlich, im Rahmen der Gleitzeitregelungen zu bestimmen, wie Zeiten des Arbeitsausfalls (zB infolge Urlaubsgewährung, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, Wahrnehmung von Ehrenämtern usw), aber auch Zeiten der Tätigkeit außerhalb der Zeiterfassung (zB Dienstreisen, auswärtige Arbeit) in das Gleitzeitkonto einfließen. Soweit innerhalb des Gleitrahmens Arbeit aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers ausfällt, treten weder eine Verletzung des Arbeitsvertrags noch Unmöglichkeit ein, weil es insoweit an einer vorangegangenen zeitlichen Fixierung der Arbeitszeit fehlt. Der auf den Abrechungsstichtag (Ende des Berechnungszeitraumes) errechnete Endsaldo des Gleitzeitkontos ist auszugleichen. Ein positiver Endsaldo ist idR mit entsprechenden Zuschlägen für Mehrarbeit zu bezahlen. Dagegen bestehen bei einem positiven Zwischensaldo idR keine Ansprüche auf Mehrarbeitszuschlag.1544 Ein negativer Endsaldo stellt idR einen Gehalts- oder Lohnvorschuß dar, der mit einem restlichen Arbeitsentgeltguthaben verrechnet werden darf (vgl $ 614 Rn 17 ff) 1545 . Fällt Arbeitszeit im Rahmen von Gleitzeitmodellen infolge eines Arbeitskampfes aus, so kann in aller Regel nicht das Gleitzeitkonto gekürzt werden, vielmehr ist die Vergütung zu kürzen. Es ist aber möglich, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag Regelungen zu treffen, wonach Zeiten der Teilnahme am Arbeitskampf mit dem Gleitzeitkonto verrechnet werden. 1546 8.

Teilzeit

6 5 2 Eine Reihe rechtlicher Besonderheiten sind im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit zu beachten. Teilzeitarbeit wird seit etlichen Jahren politisch sowohl von Tarifvertragsparteien als auch vom Gesetzgeber aus unterschiedlichen Motiven gefördert. Das am 1.Januar 2001 in Kraft getretenen Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) 1547 dient der Umsetzung der Richtlinie 97/91 EG des Rates (sog Teilzeit1544 BAG 16.2. 2000 - 4 AZR 933/98 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 170. 1545 BAG 13.12. 2000 - 5 AZR 334/99 - BB Ol 1565. 1546 BAG 3 0 . 8 . 9 4 - 1 ABR 10/94 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 132; 3 0 . 8 . 9 4 - 1 AZR 765/93 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 131. 1547 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG), ver210

Harald Schliemann

kündet als Art I des Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen vom 2 1 . 1 2 . 2 0 0 0 (BGBl I 1966). Materialien: RegE BR-Drs 591/00 vom 2 9 . 8 . 2 0 0 0 , BT-Drs 14/4374 vom 2 4 . 1 0 . 2000, Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drs 14/4625 vom 15.11. 2000.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 ΥΠ. Pflicht zur Arbeitsleistung

richtlinie) 1548 sowie der Richtlinie 99/70 EG des Rates (sog Befristungsrichtlinie).1549 Ziel des TzBfG ist, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu vermeiden ($ 1 TzBfG), ua durch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Herabsetzung der Arbeitszeit und durch Gleichbehandlungsgebote bzw Benachteiligungsverbote. a)

Teilzeitansprüche

Arbeitnehmer können auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen einen Anspruch auf Herabsetzung ihrer 6 5 3 Arbeitszeit haben. Grundsätzlich allen Arbeitnehmer gibt § 8 TzBfG einen allgemeinen Teilzeitanspruch. Daneben gibt es - gem § 23 TzBfG unberührt bleibende - spezielle gesetzliche Teilzeitansprüche und -regelungen während der Elternzeit ($15 Abs 4-7 BErzGG 1550 ), der Schwerbehinderten (S 14 Abs 4 SchwbG1551), der Beschäftigten im Bundesdienst wegen Familienpflichten (J 12 ff BGleiG 1552 ) sowie der im öffentlichen Dienst einzelner Bundesländer stehenden Arbeitnehmer (und Beamten) nach verschiedenen Ländergesetzen.15S3 Tarifverträge können einen Anspruch auf Altersteilzeit 1 5 5 4 nach dem Altersteilzeitgesetz sowie auf Teilzeit aus anderen Gründen 1555 schaffen. b)

Allgemeiner Teilzeitanspruch

Nach § 8 TzBfG hat grundsätzlich jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Herabsetzung und auf 6 5 4 Festlegung der Lage seiner Arbeitszeit - sog Teilzeitanspruch - gegen seinen Arbeitgeber. Damit hat der Gesetzgeber den Anforderungen der RL 97/81 EG mehr als Genüge getan. In der ihr zugrundeliegenden Rahmenvereinbarung ist insoweit nur vorgesehen, daß die Arbeitgeber, soweit dies möglich ist, Anträge von Vollzeitbeschäftigten auf Wechsel in ein im Betrieb zu Verfügung stehendes Teilzeitarbeitsverhältnis berücksichtigen sollten (§ 5 Abs 3 Buchst a Rahmenvereinbarung zu RL 97/81 EG). 1556 Dagegen gewährt S 8 TzBfG nicht nur einen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Besetzung vorhandener Teilzeitarbeitsplätze, sondern einen solchen auf - letztlich - Umwandlung eines vorhandenen Vollzeitarbeitsplatzes in Teilzeitarbeitsplätze. Zudem wird mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Festsetzung er Lage der Teilzeitarbeit nach seinen Wünschen etwas gewährt, was EG-rechtlich nicht geboten ist. Beides greift wird deutlich in die unternehmerische Freiheit (Art 12 Abs 1GG) hinsichtlich der Arbeitsorganisation und in das Herzstück des Direktionsrechts des Arbeitgebers ein. Dieser Eingriff ist nur verfassungskonform, wenn die Anforderungen an die betrieblichen Gründe ($ 8 Abs 4 TzBfG) nicht überspannt werden, die der Arbeitgeber dem Teilzeitanspruch und der Fixierung er Lage der Arbeitszeit nach Wünschen des Arbeitnehmers entgegenhalten darf. 1557 Dem kann nicht die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art 12 Abs 1 GG) hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Arbeitsleistung entgegengehalten werden. Ihr hat sich der Arbeitnehmer dadurch begeben, daß er in den Arbeitsvertrag und damit in das darin bestimmte Maß der Arbeitsmenge und in das darin vereinbarte Direktionsrecht des Arbeitgebers eingewilligt hat.

1548 Richtlinie 97/81 EG des Rates zu der von UNICE, CEEP und („and") EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit vom 15.12.1997 (AblEG 1998 Nr L 14/9), zuletzt geändert durch RL 98/23/EG vom 7.4.1998 (AblEG L 131/10). 1549 Richtlinie 99/70 EG des Rates zu der von UNICE, CEEP und („and") EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 28.6.1999 (AblEG Nr L 175/43). 1550 IdF des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 12.10.2000, in Kraft getreten am 1.1.2001 (BGBl 2000 I 1426. 1551 IdF des Gesetzes zur Bekämpfung der ArbeitsloHarald Schliemann

sigkeit Schwerbehinderter vom 29.9. 2000, in Kraft getreten am 1.10. 2000 (BGBl 1 1394). 1552 Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG), verkündet als Art 1 des G zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern - DGleiG vom 30.11.2001 (BGBl I 3234). 1553 Vgl I. Weber HzA Gruppe 6/2 mwN. 1554 Vgl § 3 Abs 1 Nr 3 AltersteilzeitG. 1555 ZB $ 15b BAT/BAT-O. 1556 Kliemt NZA 01 63, 64; Rolfs RdA Ol 129,132. 1557 Vgl Rolfs RdA 01 129, 132.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

aa)

Anspruchsberechtigung und -gegenständ

Nach $ 8 Abs 1 TzBfG kann ein Arbeitnehmer ein Verlangen auf Herabsetzung seiner Arbeitszeit erst stellen, wenn sein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer (auch in leitenden Positionen, vgl $ 6 TzBfG), gleichgültig, ob sie vollzeitig oder teilzeitig, unbefristet oder befristet beschäftigt sind. 1 5 5 8 Damit kann auch ein bisher schon teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer verlangen, daß seine Arbeitszeit herabgesetzt wird. Anspruchsschuldner ist ein Arbeitgeber, der in seinem Unternehmen unabhängig von der Zahl der Personen in Berufsausbildung idR mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt ($ 8 Abs 7 TzBfG). Im Gegensatz zu zB $ 23 KSchG werden vorhandene Teilzeitkräfte nicht nur anteilig, sondern nach Köpfen gezählt. Denkbar ist, daß die Schwellenzahl des § 23 Abs 1 KSchG nicht erreicht ist, wohl aber die des § 8 Abs 7 TzBfG. Die in $ 8 Abs 1 TzBfG als Bestand des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzte Wartezeit von mehr als sechs Monaten stellt auf des Bestehen des Arbeitsvertrages, nicht aber auf die Durchführung des Arbeitsverhältnisses ab. Ausfallzeiten zB infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ändern am rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses nichts. Anders als bei S 1 Abs 1 KSchG dürften Beschäftigungsverhältnisse auf anderer Rechtsgrundlage, zB Ausbildungsverhältnisse, nicht auf die Wartezeit anzurechnen sein. 1 5 5 9 Denn es geht bei der Wartezeit nicht um die Einräumung von Schutzrechten, sondern um ein Mindestmaß an Beibehaltung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeitvereinbarung. Gegenstand des Anspruch sind die Verringerung der Arbeitszeit und der damit verbundene Wunsch nach einer bestimmten Lage der Teilzeitarbeitszeit. Der Wunsch nach nur einer anderen Lage der Arbeitszeit bei unveränderter Arbeitszeitmenge, sei es Vollzeit, sei es Teilzeit, ist von $ 8 TzBfG nicht erfaßt und auch nicht von § 6 Abs 1 TzBfG gedeckt. Insoweit ist allerdings S 315 BGB zu beachten. bb)

Geltendmachung

656

Nach § 8 Abs 2 S 1 TzBfG muß der Arbeitnehmer die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn geltend machen, nach $ 8 Abs 2 S 2 TzBfG soll er dabei die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben. Die (mindestens) dreimonatige Ankündigungsfrist für die Arbeitszeitverringerung beginnt mit der Stellung des Verlangens. Das Verlangen kann formlos gestellt werden, auch wenn sich dies als unzweckmäßig und unausgewogen erweisen dürfte, 1560 zumal der Arbeitgeber die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung schriftlich mitzuteilen hat ($ 8 Abs 5 S 1 TzBfG). Zweckmäßig ist für alle Beteiligten, das Verlangen schriftlich zu stellen, weil es auch die gewünschte Arbeitszeitverteilung enthalten soll. Empfanger der Verlangenserklärung ist der Arbeitgeber; er hat - wie auch sonst im Umgang mit seinen Mitarbeitern - durch Organisationsentscheidung festzulegen, wer in seinem Unternehmen hierfür zuständig ist. Das Verlangen kann nach Ablauf der Wartefrist jederzeit gestellt werden, so daß die Verringerung der Arbeitszeit nicht etwa an den Beginn üblicher Abrechnungszeiträume (zB Kalendermonat, Kalenderwoche) geknüpft sein muß. Allerdings wird dem Arbeitgeber zuzubilligen sein, die Herabsetzung und Neuverteilung der Arbeitszeit aus betrieblichen Gründen nur zu den üblichen Abrechnungs- und Organisationsstichtagen oder -abschnitten nachzukommen. Liegen zwischen der Stellung des Verlangens und dem gewünschten Änderungsbeginn weniger als drei Monate, so hat dies nicht die völlige Unwirksamkeit des Verlangens zu Folge. Vielmehr wirkt das Verlangen dann erst auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der drei Monate. Die Fristberechung richtet sich nach den SS 187 Abs 1,188 Abs 2 BGB, nicht jedoch nach § 193 BGB (kein Fristablauf an Wochenenden und Feiertagen), weil es um den Schutz des Erklärungsempfängers geht. 1 5 6 1

657

Der Arbeitgeber hat mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen, und hat mit dem Arbeitnehmer Einvernehmen über die von ihm festzulegende Verteilung der Arbeitszeit zu erzielen. Dies stellt, obwohl nur der Arbeitgeber

1558 J.-H. Bauer NZA 2000 1039, 1040; Kliemt NZA Ol 63, 64; Rolfs RdA Ol 129, 133. 1559 AA Rolfs RdA 01 129, 133. 212

Harald Schliemann

1560 Kliemt NZA Ol 63, 66; Rolfs RdA Ol 129, 134. 1561 BAG 5 . 3 . 9 0 - 2 AZR 1 1 2 / 6 9 - A P BGB $ 193 Nr 1.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung etwas zu tun hat, eine Verhandlungs- u n d Einigungsobliegenheit für beide S e i t e n 1 5 6 2 dar, denn zum Verhandeln gehören beide Seiten. Sanktionen werden an die Verletzung des Verhandlungsgebotes selbst indessen nicht geknüpft. Die Verhandlungen müssen mit Rücksicht die Beantwortungsregelung des $ 8 Abs 5 S 1 TzBfG spätesten einen Monat vor dem vom Arbeitnehmer gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung abgeschlossen sein. Kommt es zur Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über alle Punkte des Änderungsver-

658

langens, so ist die Einigung nunmehr umzusetzen. Einigen sich die Beteiligten nicht über alle Punkte, so ist das Verlangen des Arbeitnehmers, das vertragsrechtlich als Angebot zu verstehen ist, in der Sache abgelehnt. In beiden Fällen, nicht nur im Fall der Ablehnung, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung spätestens einen Monat vor dem vom Arbeitnehmer gewünschten Beginn der Änderung schriftlich mitzuteilen (§ 8 Abs 5 S 1 TzBfG). Insoweit errichtet das Gesetz einen formellen Beantwortungszwang. Dabei gibt das Gesetz abweichen von der Grundregel des $ 150 BGB Einigungsfiktionen vor, wenn sich die Beteiligten nicht über alle Punkte der Änderungsverlangens geeinigt haben. Geht dem Arbeitnehmer die schriftliche Ablehnung seines Verlangens, sei es hinsichtlich der Verringerung der Arbeitszeit, sei es hinsichtlich deren Verteilung nicht oder nicht rechtzeitig zu, so gelten gemäß den Wünschen des Arbeitnehmers die Arbeitszeit als verringert bzw deren Verteilung als festgelegt. Die M i t b e s t i m m u n g s r e c h t e des Betriebsrats bleiben von S 8 TzBfG unberührt. Kommt es zu einer Änderung der Arbeitszeitdauer und -läge mit dem einzelnen Arbeitnehmer, so löst dies das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG aus, wenn es noch zu einer Festlegung der konkreten Arbeitszeit durch den Arbeitgeber 1 5 6 3 oder zu vorübergehenden Verlängerungen der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten 1 5 6 4 kommt. Ob dagegen bei der vertraglichen oder fingierten Einigimg über die Lage der Arbeitszeit mit dem Arbeitnehmer gleichwohl noch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach $ 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG besteht, 1 5 6 5 erscheint zumindest fraglich. In der Herabsetzung (wie auch in der Heraufsetzung) der Wochenarbeitszeit liegt kein Mitbestimmungstatbestand, vor allem keine Einstellung oder Versetzung, iSd $ 99 BetrVG. 1 5 6 6 Ein erneutes Teilzeitverlangen darf der Arbeitnehmer frühestens nach Ablauf von zwei Jahren verlangen, nachdem der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat (§ 8 Abs 6 TzBfG). Dagegen kann der Arbeitgeber gem $ 8 Abs 5 S 4 TzBfG jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat die einvernehmlich oder fiktiv festgelegte Lage der Arbeitszeit wieder ändern (Änderungsrecht), wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der Lage seiner Arbeitszeit erheblich überwiegt. cc)

659

Ablehnungsgründe

Der Arbeitgeber hat der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit nicht betriebliche Gründe entgegenstehen ($ 8

660

Abs 4 S I TzBfG). In der Erstfassung des Referentenentwurfs war noch von „dringenden betrieblichen Gründen" die Rede. 1 5 6 7 Die Entwurfsbegründung ist trotz Änderung des Vorschlags für den Normtext unverändert geblieben. 1 5 6 8 Der Arbeitgeber darf den Änderungswunsch des Arbeitnehmers nur ablehnen, wenn und soweit keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Wegen der Formulierung des Gesetzes ( „ s o w e i t . . . nicht") trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- u n d Beweislast für die Umstände, aus denen folgen soll, daß solche entgegenstehenden Gründe vorliegen. Welche Gründe dies im ein1562 Vgl zu ähnlichen Bestimmungen wie S 2 MHG, $ 593 BGB nF, $ 12 ArbNErfG: Martinek AcP 98 329, 355 ff. 1563 BAG 13.10.87 - 1 ABR 10/86 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr 24. 1564 BAG 23.7.96 - 1 ABR 13/96 - AP BetrVG 1972 S 87 Arbeitszeit Nr 68. 1565 BAG 28.9.88 - 1 ABR 41/87 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 29. 1566 BAG 16.7.91 - 1 ABR 71/90 - AP BetrVG 1972 Harald Schliemann

$ 95 Nr 28; aA für die dauerhafte und erhebliche Heraufsetzung der Arbeitszeit: BVerwG 23.3.99 - 6 Ρ10.97 - AP BPersVG $ 75 Nr 73. 1567 Abdruck in NZA 2000 1045 ff. 1568 Vgl RegE BR-Drs 591/00 vom 29.8. 2000, BT-Drs 14/4374 vom 24.10. 2000, Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BTDrs 14/4625 vom 15.11. 2000; vgl Kliemt NZA 01 63, 65 Fn 14.

213

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

zelnen sein können, bestimmt das Gesetz nicht. Die Aufzählung von Ablehnungsgründen in § 8 Abs 4 S 2 TzBfG ist nicht abschließend, aber auf jeden Fall durchschlagend („insbesondere"), denn sie stellen Regelbeispiele dar. Hiernach sind liegen betriebliche Gründe insbesondere dann vor, wenn „die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht. 1 5 6 9 Dem Wortlaut nach beziehen sich diese Regelbeispiele nur auf die Verringerung der Arbeitszeit. Indessen kann für die der vom Arbeitnehmer gewünschten Lage der Arbeitszeit nichts anderes gelten. Beispielsweise kann gleichzeitige und konkurrierende Wunsch nach Teilzeitarbeit in synchroner Arbeitszeitlage (Beispiel: Drei in einem rollierenden Schichtsystem tätige Mütter wünschen mit Rücksicht auf Familienpflichten Teilzeittätigkeit nur am Vormittag) zu nicht hinzunehmenden Kosten führen, weil bei gleichzeitiger Beschäftigung mindestens ein (räumlicher) Arbeitsplatz zusätzlich eingerichtet werden müßte. Für die entgegenstehenden betrieblichen Gründe genügt es, wenn „rationale, nachvollziehbare G r ü n d e " vorliegen. 1 5 7 0 Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Aspekt des gesetzgeberischen Eingriffs in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers hinsichtlich seiner Unternehmerentscheidung und des daraus resultierenden, im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer vereinbarten Direktionsrechts ist es nicht zulässig, an die betrieblichen Gründe allzu hohe Anforderungen zu stellen. Die Mäßigung der Anforderungen ist auch deshalb geboten, weil nach $ 8 Abs 4 S I bereits „betriebliche" Gründe und nicht etwa „dringende betriebliche" Gründe (vgl insoweit zB § 15 Abs 7 Nr 4 BErzGG) für die begründete Ablehnung des Teilzeitanspruchs genügen. Insgesamt kommt es für die betrieblichen Gründe zunächst darauf an, wie der Arbeitgeber im Rahmen seiner freien U n t e r n e h m e r e n t s c h e i d u n g den Betrieb und die Arbeitsabläufe nach Art und Zeit organisiert hat. Der Teilzeitanspruch kann zwar nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil seine Stattgabe auf jeden Fall eine Organisationsänderung bedeutet - dann gäbe es einen solchen Anspruch nicht - , wohl aber dann, wenn infolge der Stattgabe organisatorische Änderungen notwendig wären, die die vorhandene Organisation wesentlich beeinträchtigen, weil sich der Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers sich nicht mir dem vorgegebenen Organisationskonzept in Übereinstimmung bringen l ä ß t . 1 5 7 1 Die grundlegenden Entscheidungen, welche Arbeiten durch Vollzeitkräfte, welche durch Teilzeitkräfte erledigt werden sollen, mithin über einen Gesichtspunkt des Arbeitskonzepts, über das Arbeitszeitsystem usw sind zu den rechtliche geschützten, von den Arbeitsgerichten grundsätzlich hinzunehmenden freien Unternehmerentscheidungen zu rechnen. 1 5 7 2 Nach § 8 Abs 4 S 3 TzBfG können die Ablehnungsgründe (auch) durch Tarifvertrag festgelegt werden, dessen Anwendbarkeit auch bei fehlender Tarifbindung vereinbart werden kann. 661

Ein betrieblicher Grund liegt auch vor, wenn es dem Arbeitgeber unmöglich ist, für den durch die gewünschte Arbeitszeitverringerung ungedeckt werdenden Arbeitsbedarf in etwa zeitgerecht eine gleichwertige Ersatzkraft zu finden.1573 Dies wird zB bei Arbeitszeitreduzierungen um nur wenige Wochenstunden der Fall sein können. Je nach den Umständen werden vom Arbeitgeber insoweit mehr oder weniger substantiierte Darlegungen der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu verlangen sein. Betriebliche Gründe können auch darin liegen, daß an den Arbeitgeber von verschiedenen Arbeitnehmern konkurrierende Teilzeitansprüche gerichtet werden, von denen uU jeder für sich tragbar wäre, deren Summierung dazu führt, daß zum Beispiel unverhältnismäßige Kosten oder Beeinträchtigungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsabläufe entstehen. Hier wird er Arbeitgeber unter Berücksichtigung vor allem des Anlasses für das jeweilige Teilzeitverlangen, ggfs auch der Reihenfolge der Teilzeitwünsche, eine Prioritätsentscheidung mit der Folge zu treffen haben, daß er nicht alle Teilzeitwünsche gleichermaßen berücksichtigen kann.

1569 Anders wegen der Kosten beim Wahlrecht für die regelmäßige Vollarbeitszeit nach dem Techniker-TV: BAG 28.10.99 - 6 AZR 301/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Techniker-Krankenkasse Nr 2. 1570 BT-Drs 14/4374, 17. 1571 Preis/Gotthardt DB 2000 2065, 2068; mutier ZIP 20001961,1964; Schiefer OB 2000 2118,2120; Kliemt NZA 01 63, 65.

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Harald Schliemann

1572 ZB BAG 12.8.99 - 2 AZR 12/99 - AP KSchG 1969 S 1 Soziale Auswahl Nr 44; 3 . 1 2 . 9 8 - 2 AZR 341/98 - AP KSchG 1969 $ 1 Soziale Auswahl Nr 39; 19.5.93 - 2 AZR 584/92 - AP KSchG 1969 $ 2 Nr 39. 1573 ArbG Mönchengladbach 30.5. Ol - 5 Ca 1157/01 EzA TzBfG s 8 Nr 1; BT-Drs 14/4374,17;J-H. Bauer NZA 2000 1039, 1041; Däubler ZIP 2000 1961, 1963; Richardi/ Annuß BB 2000 2201, 2202; Rolfs RdA Ol 129, 136.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VII. Pflicht zur Arbeitsleistung dd)

Gerichtliche Durchsetzung

Der Anspruch auf Arbeitszeitverringerung nach $ 8 Abs 1 TzBfG ist wegen der Pflichten, die den Arbeitgeber nach $ 8 Abs 4 S I TzBfG treffen, grundsätzlich klagbar. Der Arbeitgeber hat dem Verrin-

662

gerungsverlangen des zuzustimmen und die gewünschte Verteilung festzulegen. Damit werden dem Arbeitgeber jeweils eine Willenserklärung (Zustimmung) wegen der Arbeitszeitverringerung und wegen der Arbeitszeitverteilung abverlangt. Demgemäß muß der Arbeitnehmer seine ggfs als Stufenklage aufzubauenden Anträge auf die Verurteilung des Arbeitgebers auf die Abgabe entsprechender Willenserklärungen richten. Die Vollstreckung richtet sich nach S 8 9 4 ZPO. 1 5 7 4 c)

Besondere Teilzeitansprüche

Nach § 23 TzBfG bleiben ua besondere Regelungen über Teilzeitarbeit nach anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt. Dies hat zur Folge, daß zwischen dem allgemeinen Teilzeitanspruch nach $ 8 TzBfG und besonderen Teilzeitansprüchen (vgl Rn 653) Konkurrenzen entstehen können. Sie sind regelmäßig dadurch zu lösen, daß den spezielleren Teilzeitansprüchen Vorrang einzuräumen ist. Dagegen regelt das TfBfG nicht das Verhältnis des allgemeinen gesetzlichen Teilzeitanspruchs zu tarifvertraglichen Teilzeitansprüchen. Die Schutzvorschriften des TzBfG, vor allem das Benachteiligungsverbot ($ 4 Abs 1) und das Diskriminierungsverbot (§ 5), gelten für alle teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, gleichgültig, aus welchem Grund Teilzeittätigkeit ausgeübt wird. aa)

663

Teilzeit i n der Elternzeit

Seit dem 1. Januar 2001 haben Erziehungsbeurlaubte während der Elternzeit nicht mehr nur Anspruch auf Zustimmung des Arbeitgebers zur Teilzeitbeschäftigung in einem Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber, sondern auch auf eine Verringerung der Arbeitszeit gegenüber dem eigenen Arbeitgeber (S 15 Abs 4 - 7 BErzGG 1 5 7 5 ). Dieser Anspruch ähnelt dem nach $ 8 TzBfG, die gesetzlichen Regelungen weisen jedoch erhebliche, zT in ihrer Sinnhaftigkeit kaum nachvollziehbare Unterschiede auf. Nach $ 15 Abs 7 Nr 1 und 2 BErzGG setzt der Anspruch auf Erziehungsteilzeit voraus, daß der Arbeitgeber idR m e h r als 15 Arbeitnehmer beschäftigt und daß das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden hat. $ 15 Abs 7 Nr 3 BErzGG soll die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit für mindestens drei Monate auf einen Umfang von 15 bis 3 0 Wochenstunden verringert werden. Eine solche Vorgabe des Verringerungsumfangs ist nur vor dem Hintergrund verständlich, festzulegen, welcher Beschäftigungsumfang nicht erziehungsgeldschädlich ist. Nach $ 15 Abs 7 N r 5 s i e h t d i e s c h r i f t l i c h e G e l t e n d m a c h u n g b i n n e n e i n e r F r i s t v o n a c h t W o c h e n vor Beginn der Arbeitszeitherabsetzung vor. Über den Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung „sollen" sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber binnen vier Wochen einigen ($ 15 Abs 5 S 1 BErzGG). Dem Anspruch dürfen keine dringenden betrieblichen Gründe - Ablehnungsgründe - entgegenstehen ( $ 1 5 Abs 7 Nr 5 BErzGG). Regelungen für den Fall der Nichteinigung enthält das BErzGG nicht, wohl aber normiert es das - bürgerlich-rechtlich selbstverständliche - Recht des Arbeitnehmers auf

664

Fortsetzung eines bisherigen Teilzeittätigkeit, soweit § 15 Abs 4 beachtet ist, und auf Rückkehr zur Arbeitszeit, die vor Beginn der Elternzeit gegolten hat (S 15 Abs 5 S 2 BErzGG). bb)

Teilzeit bei Schwerbehinderung

Schwerbehinderte Menschen haben nach S 81 Abs 5 SGB IX einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäf-

665

tigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen der Art und Schwere der Behinderung notwendig ist; dabei gilt S 81 Abs 4 Satz 3 SGB IX - Ablehnung durch den Arbeitgeber wegen Unzumutbarkeit oder zu hoher Kosten für den Arbeitgeber - entsprechend. 1 5 7 6

1574 ArbG Mönchengladbach 30.5. Ol - 5 Ca 1157/01 EzA TzBfG $ 8 Nr 1; Kliemt NZA Ol 63, 67.

Harald Schliemann

1575 IdF der Bekanntmachung vom 1.12.2000 (BGBl I 1645). 1576 IdF des G vom 19.6.2000 (BGBl 11046). 215

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

cc)

Teilzeit wegen Frauenförderung

6 6 6 Nach den %% 12 bis 14 des nur für die Beschäftigten des Bundes geltenden Bundesgleichstellungsgesetzes 1577 sind Beschäftigten mit Familienpflichten im Rahmen der gesetzlichen, tarifvertraglichen oder sonstigen Regelungen der Arbeitszeit und der dienstlichen Möglichkeiten geänderte tägliche und wöchentliche Arbeitszeiten einzuräumen. Während das Gesetz nähere Einzelheiten für Arbeitnehmer des Bundes nicht regelt, haben Beamte aufgrund der $$ 79a Abs 1BBG, 48a Abs 1BRRG einen Anspruch auf Ermäßigung der Arbeitszeit auf die Hälfte der regulären Arbeitszeit und Beurlaubung bis zu drei Jahren unter Fortfall der Dienstbezüge, sofern nicht zwingende dienstliche Belange entgegenstehen.1578 Rechtstechnisch räumt das BGleiG Arbeitnehmern des Bundes keinen unmittelbaren Rechtsanspruch des Inhaltes ein, daß sie einseitig ihre wöchentliche Arbeitszeit herabsetzen oder ihre tägliche Arbeitszeit verändern könnten. Indessen haben sie Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Arbeitgebers über seine Zustimmung zu einer vertraglichen Herabsetzung der regelmäßigen Arbeitszeit oder Veränderung der täglichen Arbeitszeit. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Anspruch auf Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit nach S 10 des Landesgleichstellungsgesetzes Berlin. 1 5 7 9 Hiernach ist ua eine (befristete) Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit möglich. Bei der Entscheidung über einen Antrag eines Arbeitnehmers auf Herabsetzung der Arbeitszeit sind die dienstlichen Belange und das Interesse der Dienstkräfte an einer auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Gestaltung der Arbeitszeit zu berücksichtigen; indessen ist den Arbeitnehmern kein Rechtsanspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit eingeräumt worden. Vielmehr ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Entscheidung willkürfrei und unter besonderer Beachtung der Vorschriften und Ziele des Landesgleichstellungsgesetzes zu treffen, die ihrerseits, falls sie den Anforderungen nicht genügt, durch gerichtliches Urteil ersetzt werden kann. 1580 Vergleichbare Bestimmungen gibt es auch in anderen Bundesländern.1581 Lehrer an nordrhein-westfälischen Ersatzschulen, mit denen vertraglich die Anwendung der beamtenrechtlichen Grundsätze vereinbart ist, soweit sie nicht auf der Eigenart des öffentlichen Dienstes beruhen, können entsprechend $ 85a LBG NW einen Anspruch auf Beurlaubung oder Ermäßigung der Arbeitszeit zur Kinderbetreuung haben. 1582 dd)

Tarifliche Teilzeitansprüche

6 6 7 Im Gegensatz zu gesetzlichen Teilzeitansprüchen läßt das TzBfG tarifvertragliche Teilzeitansprüche nicht unberührt. Dies folgt im Umkehrschluß aus § 23 TzBfG. Allgemeine Teilzeitansprüche, zT familienpolitisch motiviert, finden sich in verschiedenen Tarifwerken, nicht zuletzt in § 15b des BundesAngestelltentarifvertrags in der für die alten und für die neuen Bundesländer geltenden Fassungen (BAT/BAT-O). Nach $ 15b Abs 1 BAT/BAT-O soll mit vollzeitbeschäftigten Angestellten eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen nach ärztlichen Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen und dringende dienstliche bzw betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Die Teilzeitbeschäftigung ist auf Antrag bis zu fünfJahren zu befristen; sie kann auf Antrag verlängert werden. In $ 15b Abs 2 BAT/BAT-O ist für Angestellte, die aus anderen gründen eine Teilzeitbeschäftigung vereinbaren wollen, ein Recht zur Erörterung mit dem Arbeitgeber mit dem Ziel der Einigimg normiert. Ansprüche älterer Arbeitnehmer auf Herabsetzung ihrer regelmäßigen Arbeitszeitmenge können durch Tarifvertrag begründet werden, die auf das Altersteilzeitgesetz abgestellt sind. 1583

1577 Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG), verkünden als Art 1 des G vom 3 0 . 1 1 . 0 1 (BGBl I, 3234). 1578 Siehe zum Zweiten GleichberechtigungsG und zum FFG: Mittmann NJW 94 3048, 3051 f. 1579 (Berliner) Landesantidiskriminierungsgesetz (nachmals: Landesgleichstellungsgesetz - GleichstG BE) vom 3 1 . 1 2 . 1990 (GVBl 1991, 8), geändert durch Gesetz vom 2 1 . 6 . 1994 (GVBl 182). 216

Harald Schliemann

1580 BAG 2 9 . 1 1 . 9 5 - 5 AZR 753/94 - AP LandesgleichstellungsG Berlin $ 10 Nr 1. 1581 Vgl I. Weber HzA Gruppe 6/2 mwN. 1582 BAG 2 9 . 1 . 9 2 - 5 AZR 266/90 - AP BGB $ 611 Lehrer, Dozenten Nr 104. 1583 Altersteilzeitgesetz, verkündet als Art 1 des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 2 3 . 7 . 1 9 9 6 (BGBl 11078), in Kraft getreten 1.8. 1996 (Art 10).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 Vn. Pflicht zur Arbeitsleistung d)

Teilarbeitszeit, Mehrarbeit

Bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ist davon auszugehen, daß für sie ohne besondere Regelungen im Arbeitsvertrag idR keine Mehrarbeitspflicht besteht, sie also nicht verpflichtet sind, über die vereinbarte Teilarbeitszeit hinaus Mehrarbeit oder Überstunden zu leisten. 1 5 8 4 Beruht indessen das

668

Recht des Arbeitgebers, Mehrarbeit anzuordnen, auf einem Tarifvertrag, so gilt diese Bestimmung grundsätzlich auch für Teilzeitbeschäftigte, es sei denn, es wäre eine Sonderregelung getroffen worden. 1 5 8 5 e)

Diskriminierungsverbote, Benachteiligungsverbot

Nach § 4 Abs 1 S 1 TzBfG dürfen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen ihrer Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen - Behandlungsdiskriminierung (vgl dazu auch $$ 61 la, 6 1 2 Abs 3 ). Dies entspricht der vorangegangenen Regelung in S 2 Abs 2 BeschFG 1985. Hinzu kommt das der Sache nach einen Unterfall der Behandlungsdiskriminierung bildende und insoweit in der Sache nicht neue, sondern zuvor ebenfalls unter $ 2 Abs 2 BeschFG subsumierte Verbot der Entgeltdiskriminierung in § 4 Abs 1 S 2 TzBfG. Die zu S 2 Abs 2 BeschFG ergangene Rechtsprechung ist auch für $ 4 Abs 1 S 1 und 2 TzBfG heranzuziehen. Die diskriminierende Behandlung kann zugleich gegen andere Diskriminierungsnormen sowie gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßen. § 5 TzBfG ergänzt die Diskriminierungsverbote durch das Verbot, Arbeitnehmer wegen der Wahrnehmung von Rechten nach diesem Gesetz zu benachteiligen (vgl dazu $ 612a). Hinsichtlich der Frage der unterschiedlichen Behandlung wegen der Teilzeit bzw des sie sachlich rechtfertigenden Grundes kommt es vor allem auf den Zweck der Leistung bzw den Anlaß u n d das Ziel der Behandlung oder Regelung

aa)

669

Behandlungsdiskrimierung

Das Gebot der Gleichbehandlung erstreckt sich sowohl auf einseitige M a ß n a h m e n als auch auf vertragliche Vereinbarungen. 1 5 8 7 Eine Tarifnorm, die Teilzeitbeschäftigte von der sog tarifvertraglichen U n k ü n d b a r k e i t des Arbeitsverhältnisses ausnimmt 1 5 8 8 oder den Eintritt der Unkündbarkeit von einer längeren Dienstzeit als bei Vollzeitarbeitnehmern abhängig macht, 1 5 8 9 ist wegen Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG unwirksam. Dient eine Verkürzung der (regelmäßigen) wöchentlichen Arbeitszeit vollbeschäftigter Arbeitnehmer dem Ausgleich besonderer Belastungen, so können grundsätzlich auch Teilzeitbeschäftigte einen solchen (anteiligen) Anspruch haben; 1 5 9 0 er besteht jedoch dann nicht, wenn der Arbeitgeber nachweist, daß die besonderen Belastungen, deren Ausgleich die Arbeitszeitverkürzung dient, beim Teilzeitbeschäftigten auch nur anteilig nicht gegeben sind. 1 5 9 1 Ähnlich verhält es sich bei der aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer zeitlichen Begrenzung der Bildschirmarbeit. Ein Arbeitgeber, der aus solchen Gründen vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nur zur Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit mit Arbeiten am Bildschirm betraut, verletzt § 4 Abs 1 TzBfG nicht, wenn er

670

Teilzeitbeschäftigte mit der Hälfte der regelmäßigen Vollarbeitszeit zu 75% ihrer Teilarbeitszeit zu Bildschirmarbeiten heranzieht; die unterschiedliche Behandlung erfolgt dann weder „wegen der Teilzeit" noch aus unsachlichen Gründen, wenn es dem Arbeitgeber bei der Begrenzung des Anteils der Bildschirmarbeit bei Vollzeitkräften darum gegangen ist, die Entstehung von Bildschirmarbeitsplätzen iS unfallverhütungsrechtlicher Richtlinien zu vermeiden. 1 5 9 2 Auch hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit ist das Benachteiligungsverbot des $ 4 Abs 1 TzBfG zu beachten, zB bei der Heranziehung zu Wochen1584 Schaub $ 44 Rn 23. 1585 BAG 1 2 . 2 . 9 2 - 5 A2R 566/90 - AP BAT S 15Nr20. 1586 Std Rspr, statt vieler: BAG 20.7.93 - 3 AZR 52/93 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 11. 1587 Std Rspr, statt vieler: BAG 25.1.89 - 5 AZR 161/88 - AP BeschFG 1985 S 2 Nr 2 (Berger-Delhey). 1588 BAG 18.9.97 - 2 AZR 592/96 - AP BAT $ 53 Nr 5.

Harald Schliemann

1589 BAG 1 3 . 3 . 9 7 - 2 AZR 175/96 -AP BeschFG s 2 Nr 54. 1590 BAG 30.9.98 - 5 AZR 18/98 - AP BeschFG $ 2 Nr 70. 1591 BAG 29.1.92 - 5 AZR 518/90 - AP BeschFG $ 2 Nr 18. 1592 BAG 9.2.89 - 6 AZR 174/87 - AP BeschFG s 2 Nr 4.

1985 1985 1985 1985

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

enddiensten. Zwar stellt es keine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeittätigkeit dar, wenn hälftig teilzeitbeschäftigtes Pflegepersonal zur selben Zahl von Wochenenddiensten herangezogen wird wie Vollzeitkräfte; es kann jedoch gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs 1 TzBfG verstoßen, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht im selben Verhältnis wie bei Vollzeitarbeitnehmern auf die Wochenenddienste verteilt wird. 1 5 9 3 Teilzeitbeschäftigte Frauen, deren tägliche Arbeitszeit spätestens um 12.00 Uhr endet, haben keinen Anspruch auf (anteilige) bezahlte Freistellung an Tagen, an denen der Arbeitgeber ab 12.00 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge gewährt. 1 5 9 4 bb)

Entgeltdiskriminierung

671

Zusätzlich ist in § 4 Abs 1 S 2 TzBfG der von der Rechtsprechung entwickelte pro-rata-temporis-Grundsatz 1 5 9 5 für die Vergütung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers aufgenommen worden. Hierdurch wird die Entgeltdiskriminierung wegen Teilzeitbeschäftigung untersagt (vgl dazu § 612 Rn 4 0 ff). Allerdings enthält $ 4 Abs 1 S 2 TzBfG nicht die in S 1 derselben Bestimmung vorgesehene Ausnahme der Differenzierung aus sachlichen Gründen. Insoweit handelt es sich um ein Redaktionsversehen, 1 5 9 6 wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt. Dort heißt es ausdrücklich: „Keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot stellt es dar, wenn die Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Dies ist zB der Fall wenn bei nur kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen die anteilige Gewährung von bestimmten Zusatzleistungen nur zu sehr geringfügigen Beträgen führt, die in „keinem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Leistung s t e h e n " . 1 5 9 7 Anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß dem Teilzeitbeschäftigten „mindestens" die gleichen Leistungen pro rata temporis zu gewähren sind wie einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer. 1 5 9 8 Insoweit muß vielmehr die Frage der Diskriminierung der Vollzeitbeschäftigten aufgeworfen werden. Allerdings steht dem Teilzeitbeschäftigten dann nicht der gleiche Lohn pro rata temporis zu, wenn der Vollzeitbeschäftigte zB individuell eine übertarifliche Vergütung ausgehandelt und vereinbart hat. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gibt es im deutschen Recht nicht. 1 5 9 9

672

Nebenberufliche Teilzeitarbeitnehmer dürfen nicht deswegen schlechter bezahlt werden, weil sie einen Hauptberuf ausüben oder Zusatzversorgung beziehen. 1 6 0 0 Ebensowenig dürfen sie deswegen von der Zusatzversorgung ausgenommen werden. 1 6 0 1 Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dürfen nicht deshalb mit einem geringeren Bruttolohn als entsprechende Vollzeitarbeitnehmer bezahlt werden, weil sie zB als Studenten sozialversicherungsfrei s i n d . 1 6 0 2 Auf Mehrarbeitszuschläge hat der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im selben M a ß Anspruch wie der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Sehen tarifvertragliche Regelungen vor, daß Mehrarbeitszuschläge erst ab Überschreitung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit zu leisten sind, so haben teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für Arbeitszeiten, die nur ihre persönliche Wochenarbeitszeit, nicht aber die regelmäßige Wochenarbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer überschreiten. 1 6 0 3 Teilzeitarbeitnehmer dürfen auch in tarifvertraglichen Regelungen nicht von Spät- und Nachtarbeitszuschlägen ausgenommen werden. 1 6 0 4 Tarifregelung, die für Vollzeit- und Teilzeitarbeitnehmer die Kürzung von Weihnachtsgeld um einen einheitlichen festen Betrag vorsieht, verstößt gegen § 4 Abs 1 S 2 T z B f G . 1 6 0 5 Der Ausschluß geringfügig

1593 BAG 24.4.97 - 2 AZR 352/96 - AP KSchG 1969 S 2 Nr 42; 1.12.94 - 6 AZR 501/94 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 41. 1594 BAG 2.5.93 - 5 AZR 184/92 - AP EWG-Vertrag Art 199 Nr 42. 1595 BAG 21.4.99 - 5AZR 200/98 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 72 mwN. 1596 Kliemt NZA Ol 63, 69; Ruhardi/Annuß BB 2000 2201, 2201; aA Rolfs RdA Ol 129, 131; Däubler ZIP 2000 1961, 1963. 1597 BT-Drs 14/4374, 16. 1598 So aber Däubler ZIP Ol 217, 218 1599 BAG 21.6. 2000 - 5 AZR 806/98 - AP BGB $ 612 Nr 60. 1600 BAG 1.11.95 - 5 AZR 84/94 - AP BeschFG 1985 218

Harald Schliemann

S 2 Nr 45 unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen entgegenstehenden Rechtsprechung; BAG 1.11.95 - 5 AZR 880/94 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 46; 9 . 1 0 . 9 6 - 5 AZR 338/95 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 50. 1601 BAG 9 . 1 0 . 9 6 - 5 AZR 338/95 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 50. 1602 BAG 12.6.96 - 5 AZR 960/94 - AP BGB $ 611 Werkstudent Nr 4. 1603 BAG 21.4.99 - 5AZR 200/98 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 72 mwN; EuGH 15.12.94 - Rs C 399/92 ua - AP BGB J 611 Teilzeit Nr 7. 1604 BAG 15.12.98 - 3 AZR 239/97 - AP BeschFG 1985 S 2 Nr 71. 1605 BAG 24.5. 2000 - 10 AZR 629/99 - AP BeschFG 1985 S 2 Nr 79.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 Vin. Nebenpflichten des Arbeitnehmers

Beschäftigter (§ 8 Abs 1SGBIV) aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ist jedenfalls bis zum 31. März 1999 sachlich gerechtfertigt. 1606 Beihilfeansprüche nach § 40 BAT nF bzw S 40 MTA dürfen für teilzeitbeschäftigte Angestellte pro rata temporis gekürzt werden. 1607 f)

Abrufarbeit, Arbeitsplatzteilung

Für sog Abrufarbeit teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer enthält § 12 TzBfG Rahmenregelungen, die im 6 7 3 wesentlichen denen im vorangegangenen Art 1 S 4 BeschFG 1985 entsprechen. Die Vereinbarung von Abrufarbeit ist zulässig, sie muß jedoch eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen (§ 12 Abs 1S 1,2 TzBfG). Gleichwohl ist eine Vereinbarung, die diese Festlegungen nicht enthält, nicht unwirksam. Die fehlenden Festlegungen werden vielmehr durch $ 12 Abs 1 S 3, 4 ersetzt, wonach eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart gilt und die Arbeitsleistung mindestens für drei aufeinanderfolgende Stunden in Anspruch zu nehmen ist (5 12 Abs 1 S 3 TzBfG). Bei derartiger kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit - Kapovaz - ist der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung nur verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit mindestens vier Tage im voraus mitteilt (§12 Abs 2 TzBfG). Diese Regelungen sind tarifdispositiv. Von ihnen kann auch zuungunsten der Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe des $ 12 Abs 3 TzBfG durch Tarifvertrag abgewichen werden. 1608 Für das Job-Sharing und das Job-Pairing enthalten die Vorschriften über die Arbeitsplatzteilung in § 13 TzBfG (vormals: Art 1 $ 5 BeschFG) Regelungen über die gegenseitigen Vertretungspflichten; sie treten nur aufgrund entsprechender einzelvertraglicher Vereinbarung ein. Von Job-Sharing ist die Rede, wenn ein Vollzeitarbeitsplatz auf Betreiben des Arbeitgebers geteilt wird. Dagegen liegt kein Job-Sharing, sondern ein Job-Pairing vor, wenn zwei Arbeitnehmer von sich aus ihre Arbeitskraft dergestalt anbieten, daß sie insgesamt den Arbeitsplatz eines Vollzeitarbeitnehmers (oder eine geringere Menge) ausfüllen und sie insoweit dem Arbeitgeber wie eine Arbeitnehmergruppe gegenübertreten. Für das Job-Pairing fehlen nähere gesetzliche Ausgestaltungsregeln, soweit es um die Arbeitszeit geht.

VIII. Nebenpflichten des Arbeitnehmers 1.

Begriff und Entwicklung

Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Unter den Sammel- 6 7 4 begriffen Nebenpflichten bzw Treuepflichten des Arbeitnehmers werden alle diejenigen Verpflichtungen des Arbeitnehmers außerhalb seiner Hauptleistungspflicht zusammengefaßt, die darauf gerichtet sind, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Dabei ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitgebers „in jeder Weise wahrzunehmen". 1609 Soweit sich überhaupt ein für diese unterschiedlichen Pflichten gemeinsamer Maßstab finden läßt, hat der Arbeitnehmer die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, „wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann". 1 6 1 0 Dies hat als Grundsatz der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme in allen Schuldverhältnissen in $ 241 Abs 2 BGB nF Ausdruck gefunden. Nebenpflichten sind nicht nur nach ihrer Struktur, sondern auch nach ihrer Bedeutung und rechtlichen Stringenz unterschiedlich gestaltet. Die Gefahr eines gemeinsamen Maßstabs birgt nicht nur die Gefahr in sich, daß dem Arbeitnehmer Pflichten auferlegt werden, die weit über das rechtsgeschäftliche Leistungsversprechen hinausgehen und damit 1606 BAG 22.2.2000 - 3 AZR 845/98 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr 44. 1607 BAG 1 9 . 2 . 9 8 - 6 AZR 460/96-AP BAT S 40 Nr 12; 19.2.98 - 6 AZR 744/96 - AP BeschFG 1985 Nr 68, siehe aber auch BAG 25.6.97 - 6 AZR 65/96 - AP BeschFG 1985 S 2 Nr 63. 1608 Vgl zum vorangegangen Rechtsstand (Art I $ 6 BeschFG 1985): BAG 12.3.92 - 6 AZR 311/90 - AP BeschFG 1985 S 4 Nr 1. Harald Schliemann

1609 So aber (noch) Alfred Hueck in Hueck/Nipperdey, Bd l 7 (1963), 241. 1610 Staudinger/Ricftardi13 $ 611 BGB Rn 381; MiinchArbRJBlomeyer S 49 Rn 1, jeweils unter Hinweis auf § 77 des Entwurfs der Arbeitsgesetzbuchkommission (beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung) für ein Arbeitsvertragsgesetz (1977).

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

die vertragsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers relativieren. 1611 Umgekehrt besteht genauso die Gefahr, daß im Gesetz ausdrücklich normierte Nebenpflichten des Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers unter das gesetzlich vorgesehene Maß abgeschwächt werden. Der allgemeine Maßstab für die den Arbeitnehmer treffenden Nebenpflichten oder Treuepflichten kann daher nur als besondere arbeitsrechtliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) für die Fälle verstanden werden, in denen es an einer besonderen Rechtsgrundlage für solche Nebenpflichten mangelt. 675

Der Begriff der Treuepflicht beruht auf zwei unterschiedlichen geschichtlichen Ansätzen, nämlich einmal auf der deutsch-rechtlichen Vorstellung, wonach der Dienstvertrag seinen Inhalt nicht allein nach den Regeln des Austauschverhältnisses erfährt, 1 6 1 2 zum anderen auf der nationalsozialistischen Arbeitsverfassung. 1613 Erst in den 70er Jahren trat an die Stelle eines allumfassenden Begriffs der Treuepflichten die Ansicht, neben den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten bestehen zahlreiche Nebenpflichten, die - jedenfalls im Ergebnis - weniger weit gehen als eine allgemeine Treuepflicht des Arbeitnehmers. 1614 Gleichwohl ist der Begriff der Treuepflichten nicht aus der arbeitsrechtlichen Terminologie verschwunden. Verschiedene Nebenpflichten lassen sich als einzelne Treuepflichten charakterisieren. Sie haben dementsprechend auch unterschiedliche Inhalte und Anwendungsbereiche und vor allem auch eine unterschiedliche Intensität. 1615

676

Das Bestehen derartiger Nebenpflichten hindert den Arbeitnehmer rechtlich nicht, seine eigenen Interessen mit den gesetzlich zulässigen Mitteln durchaus auch auf Kosten des Arbeitgebers zu fördern und zu verfolgen. So begeht er keinen Arbeitsvertragsverstoß und keinen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten, wenn er an einem regulären Arbeitskampf teilnimmt. Der Arbeitnehmer kann auch unter Kündigungsandrohung versuchen, eine Lohnerhöhung zu erreichen, sich mit seinen Arbeitskollegen zur Erreichung gemeinsamer Zwecke verbinden oder einem Arbeitnehmerverband beitreten. 1616 In seinem privaten Bereich braucht er grundsätzlich auf die Interessen des Arbeitgebers keine besonderen Rücksichten zu nehmen. Umgekehrt muß er jedoch alles unterlassen, was die vertragsrechtliche Position des Arbeitgebers beeinträchtigt, insbesondere den Eintritt des Betriebserfolges. 1617

6 7 7 Je nach Leistungsrichtung lassen sich die Nebenpflichten (Rücksichtnahmepflichten - $ 241 Abs 2 nF) des Arbeitnehmers einerseits in Unterlassungspflichten und andererseits in Verhaltens- und Handlungspflichten aufteilen. Die nachfolgende Wiedergabe einzelner Nebenpflichten des Arbeitnehmers erhebt angesichts der Vielzahl dieser Verpflichtungen, die den Arbeitnehmer treffen können, keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen hiermit nur die in der bisherigen Rechtsentwicklung typischen Nebenpflichten zusammenfassend dargestellt werden. 2. 678

Unterlassungspflichten

Für Arbeitnehmer bestehen vor allem insoweit Pflichten, als es um die Unterlassung von Wettbewerb während des Arbeitsverhältnisses oder nach dessen Beendigung geht. Unterlassungspflichten bestehen auch in Gestalt der Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers und des Schmiergeldverbotes. Hinzu kommen Unterlassungspflichten im Rahmen der betrieblichen Ordnung (zB Rauchverbot, Alkoholverbot) und des betrieblichen Zusammenlebens, zB nach dem Beschäftigtenschutzgesetz. Im außerbetrieblichen Bereich haben auch Nebentätigkeitsverbote oder -beschränkungen ebenso ihre Bedeutung wie die allgemeine Pflicht, Betätigungen zu unterlassen, die der Stellung oder der Tendenz des Arbeitgebers entgegenwirken oder gar den Eintritt des Betriebserfolges unrechtmäßig beeinträchtigen oder verhindern.

1611 Staudinger/Ricftardi13 $ 6 1 1 BGB Rn 382. 1612 von Gierke Deutsches Privatrecht ΙΠ (1917), 590 f. 1613 ZB S 2 Abs 2 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20.1. 1934 (RGBl I 45), wonach die „Gefolgschaft", dh die Arbeitnehmer des Betriebes, dem

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Harald Schliemann

„Betriebsführer", dh dem Arbeitgeber, „die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten" hatten. 1614 Schaub S 53 Rn 1. 1615 MünchArbR/BIomeyer $ 49 Rn 17. 1616 Schaub $ 53 Rn 3. 1617 Staudinger/Ricftardi13 $ 611 BGB Rn 384.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 Vm. Nebenpflichten des Arbeitnehmers

a)

Gesetzliches Wettbewerbsverbot

Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich jede 6 7 9 Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt, auch wenn der Einzelarbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelung enthält. Dieses Verbot endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, so ist der Arbeitnehmer auch während eines deswegen schwebenden Kündigungsschutzrechtsstreits nicht mehr an das Verbot nach § 60 HGB gebunden, sondern nur ein nachvertragliches Wertbewerbsverbot (vgl dazu Rn 687). 1618 aa)

Anwendungsbereich

Für Handlungsgehilfen ist dies in $ 60 Abs 1 HGB ausdrücklich geregelt. Er darf ohne Einwilligung des 6 8 0 Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelsgewerbe des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Die Vorschrift konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken (vgl nunmehr: § 241 Abs 2 BGB nF). Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 Abs 1 HGB hinaus ein gesetzliches Wettbewerbsverbot für alle Arten von Arbeitsverhältnissen ein. 1 6 1 9 Das während des Arbeitsverhältnisses bestehende Konkurrenzverbot gilt auch für die sog freien Berufe, so zB für Architekten, 1620 für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater 1621 und für Rechtsanwälte. 1622 bb)

Gegenstand

Gegenstand des gesetzlichen Konkurrenzverbotes ist, daß der Arbeitnehmer im sog Marktbereich 6 8 1 seines Arbeitgebers Dienste oder Leistungen nicht Dritten erbringen oder anbieten darf. Dem Arbeitgeber soll sein Geschäftsbereich voll und ohne Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer jede Tätigkeit verboten, die für seinen Arbeitgeber Konkurrenz bedeutet. 1623 Das Verbot der Konkurrenztätigkeit entfällt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer berechtigt fristlos gekündigt hat; insoweit hat der Arbeitgeber nur einen Anspruch auf Ersatz des Auflösungsschadens, der nur den Zeitraum bis zur nächstmöglichen fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses umfaßt. 1624 Ist der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber von seiner Arbeitspflicht suspendiert worden, zB bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, so besteht das Wettbewerbsverbot grundsätzlich für diesen Zeitraum weiter, sofern die Suspendierung selbst rechtmäßig war. 1625 cc)

Inhalt

Das Verbot, ein Handelsgewerbe zu betreiben, bezieht sich nach $ 60 HGB auf das entsprechende 6 8 2 Handelsgewerbe des Arbeitgebers, das Verbot, dem Arbeitgeber Konkurrenz zu machen, auf das Betätigungsfeld des Unternehmers bzw des Betriebs, für den der Arbeitnehmer eingestellt ist. Vorbereitungshandlungen für ein eigenes Handelsgewerbe oder einen eigenen Betrieb werden vom gesetzlichen Wettbewerbsverbot nur erfaßt, wenn sie die aktuellen Geschäftsinteressen des Arbeitgebers gefährden. Kein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot liegt deshalb vor, soweit es sich nur um technische Vorbereitungshandlungen handelt, wie die Anmietung von Räumen, die Einrichtung und Ausstattung der Betriebsstätte, den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages und die Anwerbung von 1618 LAG Köln 4.7.95 - 9 Sa 484/95 - AP HGB $ 75 Nr 9. 1619 BAG 16.8.90 - 2 AZR 113/90 - AP BGB §611 Treuepflicht Nr 10 (unter ΠΙ 2 a der Gründe). 1620 BAG 16.6.76 - 3 AZR 73/5 - AP BGB § 611 Treuepflicht Nr 8. 1621 BAG 6.8.87 - 2 AZR 226/87 - AP BGB $ 626 Nr 97 (Baumgärtel); 6 . 1 0 . 8 8 - 2 AZR 150/88 - RzK I 5i 41. Harald Schliemann

1622 BAG 16.8.90 - 2 AZR 113/90 - AP BGB $611 Treuepflicht Nr 10. 1623 BAG 16.8.90 - 2 AZR 113/90 - AP BGB § 611 Treuepflicht Nr 10 (unter m 2 c aa d Gr mwN. 1624 BAG 9.5.75 - 3 AZR 352/74 - AP BGB $ 628 Nr 8 (Lieb). 1625 BAG 30.5.78 - 2 AZR 598/76 - AP HGB $ 60 Nr 9 (Schröder).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Mitarbeitern, soweit sie nicht beim bisherigen Arbeitgeber abgeworben werden.1626 Kein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot liegt auch in der bloßen Einholung von Informationen bei Lieferanten oder dem Abschluß von Franchise-Verträgen 1627 oder der Erfüllung formaler Voraussetzung wie der Eintragung in das Handelsregister. 1628 Unzulässig ist es dagegen, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses als Wettbewerber auftritt, 1629 vor allem das Eindringen in den Kundenkreis des Arbeitgebers.1630 683

Unter Konkurrenztätigkeit oder Geschäftemachen ist jede, wenn auch nur spekulative, auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr zu verstehen, die sich nicht in der Befriedung privater Bedürfnisse des Handlungsgehilfen oder Arbeitnehmers erschöpft.1631 Insoweit kommt es nur auf das Ziel, nicht aber auf den Erfolg oder die Intensität der Geschäftstätigkeit an. Unzulässig ist jede Wettbewerbstätigkeit, auch wenn derzeit noch keine konkreten Vertragsabschlüsse folgen, zB das Anwerben von Kunden für ein anderes Unternehmen oder vorbereitende Gespräche, das sog Vorfühlen, bei Kunden des bisherigen Arbeitgebers für eine spätere eigenständige Geschäftstätigkeit.1632 dd)

Rechtsfolgen

6 8 4 Sobald ein Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbs verbot vorliegt, kann der Arbeitgeber nach $ 61 Abs 1 HGB zwischen Schadenersatz oder Selbsteintritt in das verbotswidrige Geschäft wählen. Zur Vorbereitung seiner Wahl hat er einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung. 1633 Diese und alle anderen aus dem Wettbewerbsverstoß hergeleiteten Ansprüche des Arbeitgebers unterliegen der dreimonatigen Verjährungsfrist des S 61 HGB. 1634 ee) 685

Abweichende Vereinbarungen

Das gesetzliche Konkurrenzverbot ist dispositiv. Der Arbeitgeber kann in eine Konkurrenztätigkeit seines Arbeitnehmers ganz oder teilweise einwilligen. Eine Einwilligung wird gesetzlich unwiderleglich vermutet, wenn dem Arbeitgeber schon seit der Einstellung des Handlungsgehilfen bzw Arbeitnehmers positiv bekannt ist, daß dieser ein Handelsgewerbe betreibt und er bei der Einstellung die Aufgabe dieses Betriebes nicht ausdrücklich vereinbart ($ 60 Abs 2 HGB).

6 8 6 Das gesetzliche Konkurrenzverbot kann durch ein vertragliches Konkurrenzverbot nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit erweitert werden. Eine solche die wirtschaftliche Betätigung des Arbeitnehmers hindernde Einschränkung aufgrund seines Arbeitsvertrags, muß jedoch im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) darauf beschränkt bleiben, daß damit schützenswerten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers gedient wird, zB dann, wenn die Ausübung den Dienstbetrieb des Arbeitgebers dadurch nicht beeinträchtigt, daß sie nicht während der betrieblichen Arbeitsstunden stattfindet. 1635 b)

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

6 8 7 Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet die Pflicht des Arbeitnehmers, sich der Konkurrenz gegenüber dem Arbeitgeber zu enthalten; eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus der nachvertraglichen Treuepflicht.1636 Die nachvertragliche Treuepflicht setzt keine Schranken, die über all1626 BAG 12.5.72 - 3 AZR 401/71 - AP HGB S 60 Nr 6 (Fenn). 1627 BAG 3 0 . 5 . 7 8 - 2 AZR 598/76 - AP HGB $ 60 Nr 9 (Schröder). 1628 BAG 7 . 9 . 7 2 - 2 AZR 486/71 - AP HGB $ 60 Nr 7. 1629 BAG 3 . 5 . 8 3 - 3 AZR 62/81 - AP HGB $ 60 Nr 9; 2 1 . 1 0 . 7 0 - 3 AZR 479/69 - AP BGB $ 242 Auskunftspflicht Nr 13 (Lüderitz). 1630 BAG 12.5.72 - 3 AZR 401/71 - AP HGB $ 60 Nr 6 (Fenn). 1631 BAG 15.2.62 - 5 AZR 79/61 - AP HGB $ 61 Nr 1 (Hefermehl).

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1632 BAG 2 4 . 4 . 7 0 - 3 AZR 324/69 - AP HGB S 60 Nr 65 (Weitnauer/Emde). 1633 BAG 12.5.72 - 3 AZR 401/71 - AP HGB $ 60 Nr 6 (Fenn). 1634 BAG 11.4. 2000 - 9 AZR 131/99 - AP HGB $ 61 Nr 3. 1635 BAG 2 6 . 8 . 7 6 - 2 AZR 377/75 - AP BGB $ 626 Nr 68 (Löwisch/Röder). 1636 BAG 19.5.98 - 9 AZR 394/97 - AP BGB $ 6 1 1 Treuepflicht Nr 11.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VIII. Nebenpflichten des Arbeitnehmers

gemeine Gesetze, zB $$ 1UWG, 823,836 BGB, hinausgehen. Diese Grenzen werden überschritten, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer Kunden des bisherigen Arbeitgebers zum Vertragsbruch verleitet. 1637 Gegen die nachvertragliche Konkurrenz durch einen ehemaligen Arbeitnehmer kann sich der Arbeitgeber nur schützen, wenn er mit ihm ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ausdrücklich vereinbart. Dabei gilt der Grundsatz der bezahlten Karenz. Ohne hinreichenden finanziellen Ausgleich kann eine spätere Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers rechtlich nicht wirksam verhindert werden. Mit der Zustimmung zur vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses unter erheblicher Aufstokkung der Versorgungsbezüge wird ein Arbeitnehmer nicht zugleich verpflichtet, sich jeder Konkurrenztätigkeit zu enthalten. Vielmehr ist er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Verwertung seiner beruflichen Kenntnisse und seines redlich erworbenen Erfahrungswissens grundsätzlich frei, solang kein wirksames Wettbewerbsverbot vereinbart worden ist. Soweit der Arbeitnehmer dabei seine aus dem Arbeitsverhältnis nachwirkende Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt, ist er nicht gehindert, sein Erfahrungswissen auch für eine Beschäftigung im Dienst eines Wettbewerbers zu nutzen. 1638 aa)

Beschränkung der Berufsfreiheit

Die Kollision der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers sowie seiner Interessen an der nachvertrag- 688 liehen Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einerseits und der Wettbewerbsfreiheit eines ehemaligen Arbeitnehmers andererseits werden von den Bestimmung der $$ 74 ff HGB, SS 823, 826 BGB, SS 1» 17 UWG geregelt. Diese Bestimmungen stellen eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmung iSd Art 12 und 14 Abs 1S 2 GG dar. 1639 Dabei erkennt die den $ 74 ff HGB zugrundeliegende gesetzgeberische Entscheidung zwar ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an, sich durch ein Wettbewerbsverbot vor Konkurrenztätigkeit des ehemaligen Arbeitnehmers und den damit für den Bestand seines Unternehmens verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen zu schützen. Das Gesetz sieht aber die Freiheit des Arbeitnehmers, über sein berufliches Fortkommen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses selbst zu bestimmen, vor allem seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, diesem Interesse als grundsätzlich übergeordnet an. Denn dies trägt der durch Art 12 Abs 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Rechnung. 1640 bb)

Anwendungsbereich

Ähnlich wie beim gesetzlichen Wettbewerbsverbot während der Dauer des Arbeitsverhältnisses werden 689 die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für Handlungsgehilfen auf alle Arbeitnehmer und sogar auf freie Mitarbeiter angewendet; dabei wird dann allerdings den Besonderheiten der jeweiligen Einzelfällen außerhalb des Handelsgesetzbuches Rechnung getragen. 1641 cc)

Karenzvereinbarung

Ausnahmslos bedarf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot der Vereinbarung. Wird das Wettbe- 690 werbsverbot bereits im (ersten) Arbeitsvertrag oder während der Dauer des Arbeitsverhältnisses vereinbart, so unterliegt es den Vorschriften der SS 74 ff HGB. Diese Vorschriften sind einseitig zwingend; nach $ 75d S 1 HGB kann der Arbeitgeber sich auf eine Vereinbarung, durch die zum Nachteil des Arbeitnehmers von den $S 74-75c HGB abgewichen wird, nicht berufen. Dies gilt auch von solchen Vereinbarungen, durch die die gesetzlichen Vorschriften über das Mindestmaß der Entschädigung durch Verrechnung oder auf sonstige Weise umgangen werden sollen ($ 75d S 2 HGB). Den Schutzvorschriften muß nicht nur bei Abschluß der Wettbewerbsabrede, sondern auch zur Zeit ihres 1637 BGH 24.2.94 - I ZR 74/92 - DB 94 1134. 1638 BAG 15.6.93 - 9 AZR 558/91 - AP BGB § 6 1 1 Konkurrenzklausel Nr 40 (Reinfeld); 15.12 87 - 3 AZR 474/86 - AP BGB $ 6 1 1 Betriebsgeheimnis Nr 5; BGH 28.3.77 - v m ZR 242/75 - AP BGB $ 6 1 1 Konkurrenzklausel Nr 28.

Harald Schliemann

1639 BVerfG 10.10.89 - 1 BvR 663/88 - AP BGB $ 611 Betriebsgeheimnis Nr 5a zu 2c, d d Gr. 1640 BAG 15.6.93 - 9 AZR 558/91 - AP BGB $ 6 1 1 Konkurrenzklausel Nr 40 (Reinfeld); BGH 27.9.83 - VI ZR 294/81 - AP HGB $ 75f Nr 2. 1641 BAG 2 1 . 1 . 9 7 - 9 AZR 778/95 - AP BGB $ 611 Konkurrenzklausel Nr 44.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Inkrafttretens oder Wirksamwerdens genügt sein. 1642 Vereinbaren Arbeitsvertragsparteien ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot, so ist im Zweifel davon auszugehen, daß es nur dann Gültigkeit erhalten soll, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit tatsächlich aufgenommen hat. Werden das Arbeitsverhältnis vor der Arbeitsaufnahme gekündigt und der Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt, so entfallen die Wirkungen des Wettbewerbsverbots. Dem Arbeitnehmer steht dann auch kein Anspruch auf Karenzentschädigung zu. 1643 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muß den Anforderungen der §§ 74 ff HGB auch dann genügen, wenn es noch im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und seiner Abwicklung vereinbart wird. 1644 Nach Beendigung des Arbeitsvertrages abgeschlossene Wettbewerbsverbote müssen dagegen den Regelungen der 5$ 74 ff HGB nicht genügen. 1645 Auf sog Mandantenschutzklauseln sind die Vorschriften über Wettbewerbsverbote entsprechend anzuwenden.1646 6 9 1 Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot stellt eine Wettbewerbsabrede dar; sie liegt bei allen Vereinbarungen vor, die den Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsvertrages in der freien Verwertung seiner Arbeitskraft beschränken. Hierzu gehört auch das Verbot, berufliches Erfahrungswissen tatsächlich oder rechtlich zu verwerten. Ein vertragliches Verbot, bekannt gewordene Kundenanschriften für einen anderen Arbeitgeber oder selbst zu nutzen, stellt in der Sache ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dar. Aus der Verpflichtung, Verschwiegenheit über Kundenlisten zu bewahren, folgt noch nicht die Verpflichtung, die Kunden des Arbeitgebers nicht zu umwerben. Will der Arbeitgeber dies verhindern, so muß er ein Wettbewerbsverbot nach näherer Maßgabe der §§ 74 ff HGB vereinbaren.1647 dd)

Form und Verbindlichkeit

6 9 2 Das Wettbewerbsverbot ist ein gegenseitiger Vertrag, dessen Abschluß der Schriftform nach $ 74 Abs 1 HGB bedarf. Eine nicht unterzeichnete Wettbewerbsklausel genügt diesem Formerfordernis nur, wenn sie fest mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag verbunden ist und wenn im Arbeitsvertrag auf die Wettbewerbsklausel verwiesen wird. 1648 Inhalt der Urkunde müssen die vereinbarten Bedingungen sein, also die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung und die des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung. 693

Verbindlich ist ein vertragliches Wettbewerbsverbot indessen nur, wenn es zum einen den berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers dient 1649 und wenn es zum anderen eine Entschädigungsleistung vorsieht. Das Wettbewerbsverbot darf höchstens für die Dauer (Karenzzeit) von zwei Jahren abgeschlossen werden. Die zu zahlende Entschädigung muß mindestens für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom Arbeitgeber zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreichen (§ 74 Abs 2 HGB). Eine Vereinbarung, die dahinter zurückbleibt, ist nicht verbindlich. Fehlt es an jedweder Entschädigungszusage, so ist eine solche Vereinbarung sogar nichtig, während eine nur zu gering bemessene Entschädigung dem Arbeitnehmer das Recht einräumt, zwischen Einhaltung des Verbots bei Zahlung der vereinbarten Entschädigung oder entschädigungsloser Befreiung vom Verbot zu wählen. 1650 Üblich und für die Gültigkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung ausreichend ist es, wenn am Vertrag über die Wettbewerbsabrede auf die §§ 74 ff HGB Bezug genommen wird oder der Vertrag den Hinweis enthält, wonach die gesetzlichen Bestimmimg gelten. 1651

1642 BAG 28.1.66 - 3 AZR 374/65 - AP HGB $ 74 Nr 18. 1643 BAG 26.5.92 - 9 AZR 27/91 - AP HGB $ 74 Nr 63 (von Veenroy). 1644 BAG 3.5.94 - 9 AZR 606/92 - AP HGB § 74 Nr 65. 1645 BAG 3.5.94 - 9 AZR 606/92 - AP HGB $ 74 Nr 65. 1646 BAG 27.9.88 - 3 AZR 59/87 - AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr 35. 1647 BAG 1 5 . 1 2 . 8 7 - 3 AZR 474/86 - AP BGB $ 611 Betriebsgeheimnis Nr 5.

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Harald Schliemann

1648 BAG 3 0 . 1 0 . 8 4 - 3 AZR 213/82 - AP HGB § 74 Nr 46 (ßeitzke). 1649 BAG 21.1.97 - 9 AZR 778/95 - AP BGB S 611 Konkurrenzklausel Nr 44. 1650 BAG 13.9.69 - 3 AZR 138/68 - AP BGB $611 Konkurrenzklausel Nr 24 fWiedemann/Steinberg). 1651 BAG 14.8.75 - 3 AZR 333/74 - AP HGB $ 7 4 Nr 35.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 Vin. Nebenpflichten des Arbeitnehmers Unverbindlich ist ein Wettbewerbsverbot insoweit, als es nicht z u m Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient ($ 74a Abs 1 S 1 HGB) 1 6 5 2 oder soweit es unter Berück-

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sichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält (§ 74a Abs 1 S 2 HGB). Bei Beginn der Karenzzeit muß sich der Arbeitnehmer entscheiden, ob er sich auf die Unverbind-

695

lichkeit des Wettbewerbsverbots berufen will oder ob er dem Wettbewerbsverbot nachkommt. Der Arbeitnehmer braucht diese Wahl gegenüber dem früheren Arbeitgeber jedoch nicht ausdrücklich zu erklären, sondern es genügt, wenn er sich endgültig für das Wettbewerbsverbot entscheidet und tatsächlich das Verbot einhält. In einem solchen Fall kann allerdings der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Ausübung seines Wahlrechts auffordern; nach Ablauf der Frist geht das Wahlrecht auf den Arbeitgeber über. 1 6 5 3 ee)

Verzicht

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wird durch Verzicht des Arbeitgebers nach § 75a HGB bzw dann unwirksam, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers kündigt oder wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne für die Kündigung einen erheblichen Anlaß in der Person des Arbeitnehmers zu haben oder dem Arbeitnehmer die vollen bisherigen Bezüge für die Dauer des Verbots weiterzugewähren ($ 75 HGB). Der Verzicht des Arbeitgebers m u ß vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung erfolgen; die Wirkung liegt darin, daß der Arbeitgeber mit Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird (§ 75a HGB). ff)

Karenzentschädigung

Hält sich der Arbeitnehmer berechtigt an das Wettbewerbsverbot, so hat er Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung. Sie liegt bei mindestens der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Bruttovergütungen einschließlich aller Einkommensbestandteile, auch Einmalzahlungen freiwilliger oder verpflichtender Art, Jubiläumszuwendungen usw. Fälligkeiten oder Auszahlungsdaten sind nicht erheblich; vielmehr kommt es auf die Zeiträume an, für die die Vergütung gezahlt wird. 1 6 5 4 Die Aufnahme eines Studiums berührt den Anspruch des Angestellten bzw Arbeitnehmers auf die vertraglich geschuldete Karenzentschädigung nicht. 1 6 5 5 gg)

696

697

Anrechnung anderweitigen Erwerbs

Auf die Karenzentschädigung muß sich jedoch der Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe des $ 74c HGB anrechnen lassen, was er während des Karenzzeitraumes durch anderweitige Verwertung seiner

698

Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrages den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsgemäßen Leistungen um mehr als Vio, bei Wohnungssitzwechsel um mehr als 1 ¡4 übersteigen würde. Die Berechnung des anderweitigen Erwerbs erfolgt nach denselben Regeln wie die Berechnung der Karenzentschädigung. 1 6 5 6 Der Arbeitgeber ist indessen nicht berechtigt, einem in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Arbeitnehmer das nach dem SGB III gezahlte Übergangsgeld auf die von ihm geschuldete Karenzentschädigung anzurechnen. Das Übergangsgeld steht Arbeitseinkommen nicht gleich. 1 6 5 7 Dagegen

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muß sich ein Arbeitnehmer, der durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden und wäh1652 BAG 2 1 . 1 . 9 7 - 9 AZR 778/95 - AP BGB $ 611 Konkurrenzklausel Nr 44. 1653 BAG 22.5.90 - 3 AZR 647/88 - AP HGB S 74 Nr 60; anders noch BAG 13.5.86 - 3 AZR 85/85 - AP HGB s 74 Nr 51 und BAG 1 6 . 1 2 . 8 6 - 3 AZR 73/86 - AP HGB $ 74 Nr 53. 1654 BAG 9.1.90 - 3 AZR 110/88 - AP HGB $ 74 Nr 59 Harald Schliemann

unter Aufgabe von BAG 20.4.67 - 3 AZR 314/66 - AP HGB S 74 Nr 20. 1655 BAG 13.2.96 - 9 AZR 931/94 - AP HGB $ 74c Nr 18; 3.9.90 - 3 AZR 96/89 - AP HGB $ 74 Nr 61. 1656 BAG 9.1.90 - 3 AZR 110/88 - AP HGB $ 74 Nr 59. 1657 BAG 7.11.89 - 3 AZR 796/87 - AP HGB S 74c Nr 15. 225

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

rend der Karenzzeit arbeitslos ist, das Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung entsprechend S 74c HGB anrechnen lassen. 1658 Nimmt der Arbeitnehmer, der einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterworfen ist, während der Karenzzeit unter Einhaltung der Karenz eine selbständige Tätigkeit auf, sind seine Geschäftsergebnisse jedoch geringer als das Arbeitslosengeld, welches er beanspruchen könnte, wenn er arbeitslos gemeldet wäre, so liegt in der Aufnahme der selbständigen Geschäftstätigkeit keine Böswilligkeit; der Arbeitgeber kann nicht entsprechend S 74c Abs 1 HGB das entgangene Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung anrechnen. 1659 Der (frühere) Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß sein früherer Arbeitnehmer anderweitigen Erwerb durch Verwertung seiner Arbeitskraft böswillig unterlassen hat. 1 6 6 0 c)

Verschwiegenheitspflicht, Schweigegebot, Loyalitätspflicht

700 Für den Arbeitnehmer bestehen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen verschiedene Verschwiegenheitspflichten und Schweigegebote während des Arbeitsvertrages wie auch nach seiner Beendigung. aa)

Rechtsgrundlagen

701 Nach S 17 Abs 1UWG droht dem Arbeitnehmer Freiheitsstrafe, wenn er ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihm wegen seines Arbeitsverhältnis anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses unbefugt jemandem zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Geschäftsinhaber Schaden zuzufügen, mitteilt. Entsprechendes gilt für den, der sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch Anwendung technischer Mittel, der Herstellung verkörperter Wiedergabe des Geheimnisses oder Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist, unbefugt verschafft oder sichert oder derart beschaffte Geheimnisse unbefugt verwertet oder jemanden mitteilt ($ 17 Abs 2 UWG). Neben diese gesetzlich normierten Verschwiegenheitspflicht tritt die Verschwiegenheitspflicht als vertragliche Nebenpflicht. Als Rechtsgrundlage kommen auch § 823 und $ 826 BGB in Betracht. Zuweilen sind auch Tarifverträge Rechtsgrundlage für die Verschwiegenheitspflichten (zB S 9 Abs 1 BAT). Hinzu kommen zahlreiche Verschwiegenheitspflichten aufgrund spezialgesetzlicher Normen, so zB nach S 79 BetrVG für Betriebsratsmitglieder und betriebliche Amtsträger. bb)

Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis

702 Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis liegt vor, wenn Tatsachen im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb, die nur einem engbegrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind, nach dem Willen des Arbeitgebers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheimgehalten werden. 1661 Offenkundig ist, was sich jeder Interessierte ohne besondere Mühe selbst an Kenntnis verschaffen kann, insbesondere aufgrund von Veröffentlichungen in einer Fachzeitschrift, oder was dem Stand der Technik entspricht. Dagegen ist zB die Rezeptur eines Reagenzes nicht offenkundig, wenn die quantitative Analyse für ausgebildete Chemiker einen mittleren Schwierigkeitsgrad bietet und die sinnvolle Verwendung der Bestandteile nicht ohne Detailkenntnisse und erst nach entsprechenden Überlegungen und Untersuchungen möglich ist. 1 6 6 2 In der Regel gehören auch Kundenkarteien zu den Geschäftsgeheimnissen oder Betriebsgeheimnissen eines Unternehmens; auch sie müssen jedoch, um eine Verschwiegenheitspflicht der Arbeitnehmer auszulösen, nach dem Willen des Arbeitgebers geheimzuhalten sein. Der Wille muß den Arbeitnehmern gegenüber erklärt, zumindest für sie aber erkennbar sein.

1658 BAG 25.6.85 - 3 AZR 305/83 - AP HGB S 74c Nr 11 (Beitzke). 1659 BAG 2.6.87 - 3 AZR 626/85 - AP HGB S 74c Nr 13 (Kästner/von Manteuffel). 1660 BAG 13.2.96 - 9 AZR 931/94 - AP HGB $ 74c Nr 18; 3.9.90 - 3 AZR 96/89 - AP HGB $ 74 Nr 61. 226

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1661 BAG 16.3.82 - 3 AZR 83/79 - AP BGB $ 611 Betriebsgeheimnis Nr 1. 1662 BAG 16.3.82 - 3 AZR 83/79 - AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr 1.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 VITI. Nebenpflichten des Arbeitnehmers

cc)

Dauer der Verschwiegenheitspflicht

Die Verschwiegenheitspflicht besteht während des Arbeitsverhältnisses. Eine nachvertragliche Ver- 7 0 3 schwiegenheitspflicht kann im Arbeitsvertrag wirksam vereinbart werden; die Verbindlichkeit solcher Geheimhaltungsklauseln hängt nicht von der Zusage einer Entschädigung ab. 1 6 6 3 Wirkt allerdings die Vereinbarung der Verschwiegenheitspflicht tatsächlich wie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, so muß den Anforderungen der § 74 ff HGB genüge getan sein. Umgekehrt folgt aus dem bloßen Verschwiegenheitsgebot noch nicht die Verpflichtung des (ehemaligen) Arbeitnehmers, die Kunden des (früheren) Arbeitgebers nicht zu umwerben; um dies zu verhindern, muß vielmehr ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot entsprechend den $$ 74 ff HGB vereinbart werden. 1664 dd)

Rechtsfolgen

Hat ein (früherer) Arbeitnehmer seinem (früheren) Arbeitgeber unter Verletzung des Betriebsgeheim- 7 0 4 nisses unlauteren Wettbewerb gemacht, so kann der Arbeitgeber den entstandenen Schaden im Wege der „Lizenzanalogie" berechnen. 1665 Der Arbeitgeber kann den jeweiligen Arbeitnehmer aber auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Er muß dann jedoch im Prozeß das zu wahrende Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis hinreichend genau bezeichnen. 1666 ee)

Schweigegebot, Loyalitätspflicht

Ohne Rücksicht auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag ein 7 0 5 Schweigegebot hinsichtlich geschäftsschädigender Äußerungen. Es darf nicht gegen Art 5 Abs 1 S 1 GG verstoßen. Soweit eine Äußerung eine Meinung zum Inhalt hat, kann sich der Arbeitnehmer je nach Sachlage auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art 5 Abs 1 S 1 GG) stützen. Dieses Recht gilt zwar nur innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze. Sie sind aber ihrerseits im Lichte des Verfassungsrechtes auszulegen. Rufschädigende oder kreditschädigende Äußerungen des Arbeitnehmers über den Arbeitgeber oder dessen Unternehmen oder Betrieb gegenüber Dritten verletzen grundsätzlich den Arbeitsvertrag, und zwar auch dann, wenn die Mitteilungen der Wahrheit entsprechen. Anders ist es nur, wenn rechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers diese Mitteilung notwendig erscheinen lassen oder wenn der Arbeitnehmer insoweit einer gesetzlichen Aussagepflicht unterliegt. Strafanzeigen oder Anzeigen von Ordnungswidrigkeiten hat das BAG zwar als Verstoß gegen Ver- 7 0 6 schwiegenheitspflichten aus dem Arbeitsvertrag angesehen. 1667 Dem kann jedoch nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden. In zahlreichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, vor allen Dingen für Betriebsbeauftragte wie den Beauftragten für Immissionsschutz (§§ 53 ff BImSchG), für Abfall ($§ I I a ff AbFG), für Gewässerschutz (§$ 21a ff WHG), für Datenschutz (§ 36 BDSG) und für vergleichbare Beauftragte besteht grundsätzlich das Recht, sich an die Behörden zu wenden, wenn vorherige hinreichende Versuche, einen zu beanstandenden Mißstand durch den Arbeitgeber unmittelbar abstellen zu lassen, erfolglos verlaufen sind. d)

Schmiergeldverbot

Nach § 12 Abs 2 UWG wie auch - allgemein - kraft arbeitsvertraglicher Nebenpflicht unterliegt ein Arbeitnehmer dem Schmiergeldverbot.

707

Um Schmiergelder handelt es sich im allgemeinen, wenn die Zuwendungen nach Zweck und Umfang 7 0 8 darauf gerichtet sind, den Arbeitnehmer gefügig zu machen. Gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke 1663 BAG 16.3.82 - 3 AZR 83/79 - AP BGB S 611 Betriebsgeheimnis Nr 1. 1664 BAG 1 5 . 1 2 . 8 7 - 3 AZR 474/86 - AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr 5; aA MünchArbR/B/omeyer $51 Rn 55 mwN zum Meinungsstand.

Harald Schliemann

1665 BAG 24.6.86 - 3 AZR 486/86 - AP BGB $611 Betriebsgeheimnis Nr 4 (Hubmann). 1666 BAG 24.6.86 - 3 AZR 486/86 - AP BGB $ 611 Betriebsgeheimnis Nr 4 (Hubmann). 1667 BAG 5.2.59 - 2 AZR 60/56 - AP HGB § 70 Nr 2 (A. Hueck).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

(zB Kalender, Feuerzeug, Kugelschreiber usw) wie auch - in manchen Berufszweigen - Trinkgelder werden von diesem Verbot nicht erfaßt; bei ihnen handelt es sich nicht um Schmiergelder. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, insbesondere dann, wenn es sich um wertvollere Gelegenheitsgeschenke handelt. 709

Die Zusage wie auch die Gewährung von Schmiergeldern sind sittenwidrig. 1 6 6 8 Ihre Entgegennahme rechtfertigt in der Regel eine (fristlose) Kündigung. 1 6 6 9 Allerdings ist nicht jedes außerdienstliche Verlangen eines Arbeitnehmers nach Geld geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Fordert und kassiert ein Arbeitnehmer außerdienstlich eine „Vermittlungsprovision" für die Einstellung eines anderen Arbeitnehmers, so führt ein solches außerdienstliches Verhalten nicht zur Kündigung, wenn es weder zur konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses noch zur konkreten Gefährdung im Vertrauensbereich geführt hat. 1 6 7 0 Ob dieser Rechtsprechung uneingeschränkt zu folgen ist, erscheint zumindest zweifelhaft. 1 6 7 1 e)

Betriebliche Ordnung, Betriebsfrieden

710

Zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers zählt auch die Wahrung der betrieblichen Ordnung. Die Regelungen hierzu werden vom Arbeitgeber aufgestellt. Autonome Regelungen des Arbeitgebers zur Ordnung des Betriebes sind nur verbindlich, wenn das Mitbestimmungsrecht gewahrt ist (§ 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG, § 75 Abs 3 Nr 15 BPersVG sowie entsprechende Ländernormen). Nicht mitbestimmungspflichtig sind solche Regelungen, zu denen der Arbeitgeber anderweitig rechtlich verpflichtet ist, zB durch Behördenauflagen.

711

Gegenstand der betrieblichen Ordnung sind die unterschiedlichsten Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes, zB Torkontrollen, 1 6 7 2 Regelungen über das Verlassen des Betriebes während der Pausen, 1 6 7 3 Parkplatzordnung, 1 6 7 4 Kleiderordnung, 1 6 7 5 Radiohören im Betrieb, 1 6 7 6 Rauchverbote, 1 6 7 7 Alkoholverbote, 1678 formalisierte Krankengespräche, 1 6 7 9 die generelle Weisung zur Abgabe ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vor dem dritten Krankheitstag 1 6 8 0 oder zum formalisierten Nachweis eines Arztbesuches während der Arbeitszeit. 1 6 8 1 Soweit es allerdings um das arbeitsleistungsbezogene Direktionsrecht des Arbeitgebers geht, besteht kein Mitbestimmungsrecht, zB hinsichtlich Dienstreiseordnungen. 1 6 8 2 Bei der Prüfung, inwieweit der Arbeitnehmer kraft arbeitsvertraglicher Nebenpflichten die Einhaltung der betrieblichen Ordnung schuldet, ist abzuwägen, inwieweit hierdurch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers angegriffen wird und inwieweit dieser Eingriff den berechtigten betrieblichen Belangen des Arbeitgebers dient. Zu den berechtigten persönlichen Belangen des Arbeitgebers zählen auch der Gesundheitsschutz und die Wahrung des Persönlichkeitsrechts der anderen Arbeitnehmer des Betriebes.

712

Zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers zählt auch die Wahrung des Betriebsfriedens. Soweit es um Meinungsäußerungen geht, gilt das Grundrecht der freien Meinungsäuße-

1668 Statt vieler BGH 14.12.72 - II ZR 141/71 - NJW 73 363. 1669 BAG 8.2.62 - 2 AZR 252/60 - AP BGB S 611 Erfinder Nr 1 (Vollmer); LAG Hamburg 26.9.90 - 4 Sa 77/88 - LAGE BGB $ 626 Nr 58 für Schmieren durch verbilligte Handwerkerleistungen. 1670 BAG 24.9.87 - 2 AZR 26/87 - AP KSchG 1969 $ 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr 19. 1671 Vgl van Veenroy Anm zu AP KSchG 1969 $ 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr 19. 1672 BAG 26.5.88 - 2 AZR 252/60 - AP BetrVG 1972 $ 87 Ordnung des Betriebes Nr 14. 1673 BAG 21.8.90 - 1 AZR 567/89 - AP BetrVG 1972 5 87 Ordnung des Betriebes Nr 17. 1674 BAG 28.9.89 - 8 AZR 120/88 - AP BGB $611 Parkplatz Nr 5. 1675 BAG 1.12.92 - 1 AZR 260/92 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr 20.

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1676 BAG 1 4 . 1 . 8 6 - 1 ABR 75/83 - AP BetrVG 1972 S 87 Ordnung des Betriebes Nr 10 (von Hoyningen-Huene). 1677 BAG 19.1.99 - 1 ABR 499/98 - AP BetrVG 1972 S 87 Ordnung des Betriebes Nr 28; 15.12.61 - 1 ABR 3/60 - AP BetrVG s 56 Ordnung des Betriebes Nr 3 (Küchenhoff). 1678 BAG 23.6.86 - 1 AZR 83/85 - AP BPersVG § 75 Nr 20. 1679 BAG 8.11.94 - 1 ABR 22/94 - AP BetrVG 1972 5 87 Ordnung des Betriebes Nr 24. 1680 BAG 25.1. 2000 - 1 ABR 3/99 - AP BetrVG 1972 S 87 Ordnung des Betriebes Nr 34. 1681 BAG 21.1.97 - 1 ABR 53/96 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr 24. 1682 BAG 8 . 1 2 . 8 1 - 1 ABR 91/79 - AP BetrVG 1972 $ 87 Lohngestaltung Nr 6 (Kraft).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 VIII. Nebenpflichten des Arbeitnehmers

rung (Art 5 Abs 1GG) auch für Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes. Es wird jedoch durch die aus dem Arbeitsvertrag folgende Nebenpflicht der Rücksichtnahme und der Loyalität eingeschränkt. Politische Gespräche und Betätigungen sind, soweit der Arbeitnehmer dadurch nicht die eigene Arbeitspflicht verletzt oder andere Arbeitnehmer des Betriebes von der Arbeitsleistung abhält, grundsätzlich zulässig. 1 6 8 3 Für Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmt § 74 Abs 2 S 2 BetrVG, daß sie Betätigungen zu unterlassen haben, durch die der Arbeitslauf oder der Frieden des Betriebes beeinträchtigt werden. Sie haben auch jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen; die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer oder wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, wird hierdurch nicht berührt ($ 74 Abs 2 S 3 BetrVG). Diese Bestimmungen stellen nur eine Konkretisierung der allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht dar. 1684 Individualrechtlich ergibt sich eine Beschränkung der Meinungsäußerung im Betrieb lediglich aufgrund des Arbeitsvertrages. Angesichts der hohen Bedeutung der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit ist jede arbeitsvertragliche Beschränkung ihrerseits im Lichte dieses Grundrechtes auszulegen; Maßstab hierfür sind die $$ 138, 226, 242, 315 BGB und die ihnen zugrundeliegende Gesamtwertung.1685 Derartige Interessenlagen, aus denen eine Beschränkung der Meinungsfreiheit zu folgern ist, zeigen sich insbesondere im Verhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber, 1686 aber auch im Verhältnis des Arbeitnehmers zu anderen Arbeitnehmern des Betriebes. 1687 Soweit es um gewerkschaftliche Betätigungen und Meinungsäußerungen geht, steht Arbeitnehmern wie auch Betriebsratsmitgliedern mit Rücksicht auf Art 9 Abs 3 GG ein erheblicher Freiraum zu. 1 6 8 8 In Arbeitsverhältnissen der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen werden die arbeitsvertraglichen 7 1 3 Rücksichtspflichten bei der Meinungsäußerung vor allem durch die fundamentalen Grundsätze bestimmt, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirche ergeben. Dementsprechend ist der Arbeitnehmer auch beim Gebrauch seiner Meinungsfreiheit und seiner sonstigen Freiheiten zur Beachtung, mindestens aber zur Respektierung der kirchlichen Sitten- und Glaubenslehre verpflichtet. Insoweit bestehen weitergehende Loyalitätspflichten als in Arbeitsverhältnissen mit anderen Arbeitgebern.1689 Gesteigerte Loyalitätspflichten gelten auch für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes 1690 sowie in Tendenzbetrieben.1691 Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Einhaltung des Betriebsfriedens hat auch grundsätzlich zur 7 1 4 Folge, daß Arbeitnehmer zur Rücksichtnahme gegenüber anderen Arbeitnehmern desselben Betriebes gehalten sind. 1692 Sog „Mobbing" stellt in der Regel einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar; 1693 der gemobbte Arbeitnehmer hat uU Anspruch auf Schadenersatz gegen den Mobber. 1694 Unter Mobbing ist ein Verhalten zu verstehen, bei welchem ein Arbeitnehmer über einen anderen „herfällt", sei es, daß er üble Nachreden verbreitet, sei es, daß er ihn herabwürdigend behandelt, insbesondere auch, daß er ihn in seiner geschlechtlichen Ehre verletzt. Der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist durch das Beschäftigtenschutzgesetz 1695 ausdrücklich geregelt. 1696 Ein Verstoß hiergegen oder ein einem solchen Verstoß nahekommendes Verhalten kann eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen. 1697

1683 Kissel NZA 88 145, 151. 1684 BVerfGE 42 133 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr 2. 1685 Kissel NZA 88 145, 149 mwN. 1686 ZB BAG 11.8.82 - 5 AZR 1089/79 - AP GG § 5 Meinungsfreiheit Nr 9; 26.5.77 - 2 AZR 632/76 - AP BGB $611 Beschäftigungspflicht Nr 5 (H. Weber); 28.9.72 2 AZR 469/71 - AP BGB $ 134 Nr 2. 1687 BAG 9.12.82 - 2 AZR 620/80 - AP BGB § 626 Nr 73. 1688 BVerfG 14.1.95 - 1 BvR 601/92 - AP GG Art 9 Nr 80. 1689 BVerfG 4.6.85 - 12 BvR 1703/83, 1718/83 und 856/84 - BVerfGE 70 338 = AP GG Art 140 Nr 24. 1690 BVerfGE 39 334 = AP GG Art 33 Abs 5 Nr 2; 2.3.82 - 1 AZR 694/79 - AP GG Art 5 Meinungsfreiheit

Harald Schliemann

Nr 8; 14.2.96 - 2 AZR 274/95 - AP BGB $ 626 Verdacht strafbarer Handlung. 1691 Kissel NZA 88 145, 152. 1692 Haller/Koch NZA 95 356, 359 mwN. 1693 Grunewald NZA 93 1071, 1072. 1694 LAG Hamm 30.11. 2000 - 8 Sa 878/00 - EzA-SD 11/01 S 6. 1695 Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz - BeSchuG), verkündet als Art 10 des Zweiten Gleichberechtigungsgesetzes vom 24.6. 1994 (BGBl I 1406), in Kraft getreten am 1.9. 1994. 1696 WorzallaOas Beschäftigtenschutzgesetz in der Praxis, NZA 94 1018 f. 1697 LAG Sachsen 10.3. 2000 - 2 Sa 635/99 - NZA-RR Ol 468.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

f)

Nebentätigkeitsverbote und -beschränkungen

715 Unter Nebentätigkeit ist jede Tätigkeit zu verstehen, in welcher der Arbeitnehmer außerhalb seines (Haupt-)Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Hierzu zählen nicht nur entgeltliche Arbeitsverhältnisse, sondern auch unentgeltliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten, sofern sie die Arbeitskraft des Arbeitnehmers in Anspruch nehmen. 1698 Soweit sie nicht selbständig ausgeübt werden, besteht in der Regel hinsichtlich der Nebentätigkeiten ein Arbeitsverhältnis mit einem dritten Arbeitgeber. Es ist aber auch möglich, daß mit demselben Arbeitgeber ein Hauptarbeitsverhältnis und gleichzeitig ein Nebenarbeitsverhältnis besteht. 7 1 6 Grundsätzlich ist die Ausübung einer Nebentätigkeit für den Arbeitnehmer genehmigungsfrei. Insoweit steht ihm das Grundsrecht der Berufsfreiheit des Art 12 Abs 1 GG zur Seite. Im Rahmen seines (Haupt-)Arbeitsverhältnisses verpflichtet sich der Arbeitnehmer nur zur Leistung der versprochenen Dienste (§611 Abs 1), nicht aber dazu, dem Arbeitgeber seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. 1699 7 1 7 Ohne besondere Vereinbarung ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag eine Grenze der Nebentätigkeit insoweit, als die Nebentätigkeit nicht mit der aus dem Arbeitsvertrag selbst resultierenden Arbeitspflicht kollidieren darf, zB durch zeitliche Überlagerung1700 oder durch Überschreitung der nach dem Arbeitszeitgesetz und anderen Regeln des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes höchstzulässigen Arbeitszeit.1701 7 1 8 Eine Nebentätigkeit muß dem Arbeitgeber auch ohne ausdrücklich vereinbarte Verpflichtung hierzu angezeigt werden, wenn dadurch dessen Interessen bedroht sind, zB durch Unvereinbarkeit mit der geschuldeten Arbeitsleistung.1702 Für geringfügig Beschäftigte besteht auch dann, wenn derartige Pflichtenkollisionen nicht eintreten, die Verpflichtung, die Aufnahme einer weiteren geringfügigen Beschäftigung dem Arbeitgeber des bisherigen Arbeitsverhältnisses anzuzeigen. Die Verletzung dieser Verpflichtung kann den Arbeitnehmer schadenersatzpflichtig machen. 1703 In der Regel verstößt der Arbeitnehmer auch dann gegen seinen Arbeitsvertrag, wenn er - ohne sonstige Pflichtenkollision während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit einer anderweitigen (entgeltlichen) Nebenbeschäftigung nachgeht. 1704 Andererseits hat das BAG angenommen, weder der Urlaubsanspruch noch der Anspruch auf Urlaubsentgelt entfalle, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit ausübe. 1705 Ein mittelbares Nebentätigkeitsverbot besteht, wenn die Nebentätigkeit gegen das gesetzliche Konkurrenzverbot des $ 60 HGB verstößt (Rn 679 ff). 7 1 9 Nebentätigkeitsverbote und -beschränkungen können nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit im Arbeitsvertrag auch über das Maß hinaus vereinbart werden, in welchem sie ohnehin als grundsätzliche vertragsimmanente Beschränkungen bestehen. Mit Rücksicht auf Art 12 Abs 1 GG ist jedoch ein absolutes Verbot jedweder Nebentätigkeit nicht zulässig. 1706 Zulässig sind lediglich Vereinbarungen, soweit durch die Nebentätigkeit die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung beeinträchtigt wird bzw die einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Genehmigung der Nebentätigkeit gewähren. 1707 720 Nebentätigkeitsverbote mit Genehmigungsvorbehalt können auch in Tarifverträgen vereinbart werden. 1708 Insbesondere im öffentlichen Dienst sind derartige Tarifregelungen verbreitet. Nach S 11 BAT sind hinsichtlich der Nebentätigkeit die für Beamte geltenden Vorschriften entsprechend 1698 MünchArbR/Biomeyer $ 53 Rn 1. 1699 Allg Ansicht, zB BAG 14.8.69 - 2 AZR184/68 - AP ArbKrankheitsG § 1 Nr 45 (Herschel); MünchArbR/B/omeyer $ 53 Rn 3 mwN. 1700 MünchArbR/Btomeyer $ 53 Rn 4 mwN. 1701 ZB BAG 26.8.93 - 2 AZR 154/93 - AP BGB $ 626 Nr 112 (Bertling)·, Schliemann HzA Gruppe 12/1 Rn 90 ff. 1702 BAG 18.1.96 - 6 AZR 314/95 - AP BGB $ 242 Auskunftspflicht Nr 25. 1703 BAG 18.11.88 - 8 AZR 12/86 - AP BGB $ 611 Doppelarbeitsverhältnis Nr 3 (Gitter). 1704 BAG 26.8.93 - 2 AZR 154/93 - AP BGB $626 230

Harald Schliemann

Nr 112 (Bernini); andererseits: BAG 13.11.79 - 6 AZR 934/77 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr 5 (Herschel)·, MünchArbR¡Blomeyer § 53 Rn 6. 1705 BAG 25.2.88 - 8 AZR 596/85 - AP BUrlG $ 8 Nr 3 (Clemens). 1706 MünchKomm/Möifer-GWge S 611 Rn 447; MiinchArbR/Blomeyer § 53 Rn 6. 1707 MünchKommIMüller-Glöge § 611 Rn 447; MünchArbR¡Blomeyer $ 53 Rn 6. 1708 BAG 18.1.96 - 6 AZR 314/95 - EzA § 242 BGB Auskunftspflicht Nr 5.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 Vm. Nebenpflichten des Arbeitnehmers

anzuwenden; dementsprechend bedürfen Angestellte des öffentlichen Dienstes bei Ausübung einer Nebentätigkeit der Genehmigung, und zwar auch dann, wenn es sich um teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer handelt und durch die Nebentätigkeit die Arbeitszeit eine Vollzeitarbeitnehmers nicht überschritten wird. 1709 Entsprechende Regelungen gelten tarifvertraglich auch für Arbeiter des Bundes und der Länder. Ähnliches gilt für Musiker in Kulturorchestern.1710 Deren Nebentätigkeiten müssen dem Arbeitgeber angezeigt werden, soweit dadurch dessen Interessen bedroht sind. Dies ist der Fall, wenn die Nebentätigkeit mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht vereinbart ist und die Ausübung in Nebentätigkeit somit eine Verletzung der Arbeitspflicht darstellt. 1711 Ob dagegen Nebentätigkeitsverbote oder -beschränkungen durch Betriebsvereinbarungen angeordnet werden können, ist umstritten. 1712 Ist die Nebentätigkeit unter Genehmigungsvorbehalt gestellt worden, so muß der Arbeitgeber hierüber unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen befinden. Er darf die Nebentätigkeit versagen, wenn eine hinreichende Beeinträchtigung seiner Interessen zu besorgen ist. 1713 g)

721

Außerdienstliches Verhalten

Grundsätzlich wird die Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Arbeitsvertrag nicht betroffen. 7 2 2 Arbeitsvertragliche Nebenpflichten können jedoch auch dort zu beachten sein. So kann der Arbeitnehmer durchaus durch außerdienstliches Verhalten gegen seine Loyalitätspflicht als einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht verstoßen, zB durch Straftaten gegen ein konzernangehöriges Unternehmen 1714 oder durch illoyale Äußerungen.1715 Es stellt jedoch keinen Verstoß gegen eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht dar, wenn sich ein Arbeitnehmer zahlreichen Lohnpfändungen und Abtretungen ausgesetzt hat, deren Bearbeitung für den Arbeitgeber als in Anspruch genommenem Drittschuldner erheblichen Aufwand verursacht; gleichwohl kann in extremen Fällen eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein, 1716 weil der Arbeitnehmer übermäßige Kosten verursacht. 3.

Handlungs- und Verhaltenspflichten

Als arbeitsvertragliche Nebenpflicht können den Arbeitnehmer auch vereinzelt Handlungs- und Verhaltenspflichten treffen (siehe nunmehr $ 241 Abs 2).

723

Eine solche Nebenpflicht stellt die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung dar, wie sie in § 5 EFZG normiert ist. Auch in anderen Fällen nicht vorhersehbarer Arbeitsverhinderung ist der Arbeitnehmer gehalten, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten. 1 7 1 7 Ein Arbeitnehmer hat in aller Regel auch die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, mögliche oder drohende Sachbeschädigungen oder Störungen des Betriebsablaufs mit zumutbaren Mitteln zu verhindern oder zumindest unverzüglich anzuzeigen. Die Pflicht zur sicheren Verwahrung von Arbeitsmitteln oder Wertgegenständen trifft den Arbeitnehmer in der Regel als Teil seiner Hauptleistungspflicht. 1718 In Not und Katastrophenfällen, zB nach einer Überschwemmung, ist ein Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht auch gehalten, durch an sich nicht geschuldete Arbeit und Mehrarbeit zur Schadenbeseitigung beizutragen. 1719

724

1709 BAG 3 0 . 5 . 9 6 - 6 AZR 537/95 - EzA $ 611 BGB Abmahnung Nr 34. 1710 BAG 1 8 . 1 . 9 6 - 6 AZR 314/95 - EzA § 242 BGB Auskunftspflicht Nr 5. 1711 BAG 1 8 . 1 . 9 6 - 6 AZR 314/95 - EzA $ 242 BGB Auskunftspflicht Nr 5. 1712 Bejahend: Schaub $ 43 Rn 7; verneinend: MünchArbRIBlomeyer § 53 Rn 23. 1713 BAG 2 1 . 9 . 9 9 - 9 AZR 759/98 AP BGB $ 611 Nebentätigkeit Nr 6 (Rechtsanwaltstätigkeit als Nebentätigkeit für einen DGB-Rechtssekretär; BAG 2 4 . 6 . 9 9 - 6 AZR 605/97 AP BGB $ 6 1 1 Nebentätigkeit Nr 5 (Rundfunk-

Harald Schliemann

sprecher beim Wettbewerber); BAG 3 0 . 5 . 9 6 - 6 AZR 537/95 - AP BGB $ 6 1 1 Nebentätigkeit Nr 2. 1714 BAG 2 0 . 9 . 8 4 - 2 AZR 233/83 - AP KSchG 1969 $ 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr 13. 1715 BAG 2 4 . 9 . 8 7 - 2 AZR 26/87 - AP KSchG 1969 $ 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr 19 (van Veenroy). 1716 BAG 4 . 1 1 . 8 1 - 7 AZR 264/79 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr 4 (von HoyningenHuene). 1717 BAG 1 5 . 7 . 9 2 - 7 AZR 466/91 - AP BGB S 611 Abmahnung Nr 9 (Conze). 1718 BAG 2 8 . 9 . 8 9 - 8 AZR 73/88 - NZA 90 847. 1719 MünchArbR/B/omfryer § 52 Rn 8 mwN.

231

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

IX. Berechtigte Nichtleistung der Arbeit 725

Aus unterschiedlichen Gründen und Anlässen kann der Arbeitnehmer berechtigt sein, die geschuldete Arbeitsleistung nicht zu erbringen. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob er gleichwohl seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt behält oder ob der Arbeitgeber im Umfang der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitsentgeltes frei wird. 1.

726

Arbeitsleistung u n d betriebliche Ämter

Soweit Arbeitnehmer im Rahmen der Betriebsverfassung betriebliche Ämter wahrnehmen, erbringen sie die vertraglich versprochene Arbeitsleistung nicht. Gleichwohl verstoßen sie mit der Nichterbringung der Arbeitsleistung nicht gegen ihren Arbeitsvertrag, denn sie sind von der Arbeitsleistung im Rahmen der erforderlichen Betriebsratstätigkeit oder als ausdrücklich Freigestellte (§§ 37 Abs 2, 3 8 BetrVG) befreit. 1 7 2 0 Gleiches gilt für Personalratsmitglieder ($ 46 Abs 2-4 BPersVG sowie entsprechende Bestimmungen in den Personalvertretungsgesetzen der Länder). 1 7 2 1 Die Freistellung dient der eigentlichen Amtsausübung ebenso wie der Teilnahme an notwendigen oder geeigneten Schulungsveranstaltungen (S 3 7 Abs 6, 7 BetrVG, $ 4 0 Abs 6, 7 BPersVG bzw entsprechende Länderbestimmungen). Entsprechendes gilt für alle übrigen Amtsträger der materiellen Betriebsverfassung bzw materiellen Mitbestimmung oder Personalvertretung einschließlich der Vertrauensleute für Schwerbehinderte. Die Einordnung dieser Aufgaben als E h r e n ä m t e r ist derart ausgestaltet, daß die Amtsträger für die Dauer der notwendigen Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte bzw der notwendigen oder gesetzlich zulässigen Teilnahme an Schulungsveranstaltungen ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt nicht verlieren.

727

Entsprechendes gilt auch für Betriebsbeauftragte. Unter diesem Begriff werden Personen verstanden, die vom Arbeitgeber aus ganz unterschiedlichen Gründen zur Einhaltung oder Kontrolle rechtlicher Vorschriften bestellt werden müssen, insbesondere im Bereich der Arbeitssicherheit, des Umweltschutzes und des datenrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. 1 7 2 2 Die grundsätzliche Idee der Bestellung von Betriebsbeauftragten liegt in einem Kooperationsmodell, bei welchem der Arbeitgeber durch die Bestellung von Beauftragten eine Selbstkontrolle unter staatlicher Aufsicht im Vorfeld einer allumfassenden behördlichen Kontrolle durchführt.

728

Zwischen dem Beauftragten und dem Arbeitgeber bestehen grundsätzlich zwei Rechtsverhältnisse, nämlich das Beauftragtenverhältnis und - soweit es sich um Arbeitnehmer handelt - ein Arbeitsverhältnis. Der Betriebsbeauftragte erfüllt die Aufgaben aus einem Arbeitsverhältnis, wenn und soweit dieses darauf gerichtet ist, daß er als Betriebsbeauftragter tätig wird, so zB als Fachkraft für die Arbeitssicherheit oder als Betriebsarzt. 1 7 2 3 Besteht die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsaufgabe dagegen darin, andere Arbeitsleistungen zu erbringen, so hat die Bestellung eines solchen Arbeitnehmers zu einem Betriebsbeauftragten zur Folge, daß er, wenn er die Aufgaben des Betriebsbeauftragten ausübt, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt; er erleidet jedoch insoweit keinen Ausfall an Arbeitsentgelt. Wird der Beauftragte abberufen, so ändert dies für sich allein am Bestand seines Arbeitsverhältnisses nichts. Er hat dann wieder dieselbe Arbeitsleistung im selben Umfang zu erbringen wie zu der Zeit, als er noch nicht zum Betriebsbeauftragten bestellt war. Entsprechendes gilt, wenn er selbst das Amt als Beauftragter niederlegt, was ihm grundsätzlich jederzeit freisteht. Zur Niederlegung des Amtes als Betriebsbeauftragter ist er prinzipiell auch berechtigt, auch wenn der Arbeitsvertrag auf die Erfüllung dieser Aufgabe gerichtet i s t . 1 7 2 4

1720 Std Rspr, statt vieler: BAG 3.12.97 - 7 AZR 490/93 - AP BetrVG 3 37 Nr 124; hM, statt vieler Fitting/Kaiser/ Heither/Engels $ 37 Rn 14; Wiese GK-BetrVG, Bd 1 $37 Rn 17, jeweils mwN. 1721 BAG 29.6.88 - 7 AZR 651/87 - AP BPersVG $ 24 Nr 1. 232

Harald Schliemann

1722 Vgl die Aufzählung bei Pulte NZA 2000 234, 239. 1723 BAG 24.3.88 - 2 AZR 369/87 - AP ASiG S 9 Nr 1. 1724 Ehrich Amt, Anstellung und Mitbestimmung bei betrieblichen Beauftragten, 1993.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 IX. Berechtigte Nichtleistung der Arbeit 2.

Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechte

Der Arbeitnehmer darf seine Arbeitsleistung zurückhalten bzw die Leistung von Arbeit nur verweigern, wenn ihm ein entsprechendes Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht zusteht.

729

Die Einrede des nichterfüllten Vertrages ($ 320) steht dem Arbeitnehmer nicht zu, auch wenn der Arbeitgeber die geschuldete Vergütung nicht erbracht hat (vgl $ 614 Rn 33), wohl aber die Unsicherheitseinrede (S 321 BGB nF) und das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. 1 7 2 5 Alle diese Einreden oder Zurückbehaltüngsrechte setzen voraus, daß der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag nicht nachgekommen ist. Sie ermächtigen den Arbeitnehmer zur Selbsthilfe, um durch seine Leistungsverweigerung Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Ihre Ausübung setzt in der Regel voraus, daß der Arbeitnehmer den Arbeitgeber entsprechend vergeblich zur Erfüllung der dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen aufgefordert hat.

730

In der Praxis bedeutsam ist das Zurückbehaltungsrecht wegen Verletzung sonstiger Pflichten durch den Arbeitgeber, vor allem auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes (vgl $ 618 Rn 205 ff). Ein Leistungsverweigerungsrecht kann auch aus Gewissensgründen für den Arbeitnehmer bestehen. 1726 Übt er es aus diesem Grunde aus, so verliert er in der Regel seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt.

731

Nimmt ein Arbeitnehmer an einem rechtmäßigen Arbeitskampf teil, so sind die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag suspendiert. Insoweit begehrt der Arbeitnehmer keinen Arbeitsvertragsverstoß, wenn er seine Arbeitsleistung verweigert. Ebenso ruhen die Arbeitspflicht und die damit verbundenen Nebenpflichten des Arbeitnehmers im Sonderurlaub. 1727

732

3.

Leistungsverweigerung aus persönlichen Gründen

Ist der Arbeitnehmer aus tatsächlichen Gründen persönlich an der Arbeitsleistung gehindert, so wird er hierdurch in der Regel von seiner Arbeitspflicht befreit. Zahlreiche Vorschriften des Arbeitsrechts gewähren dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Erholungsurlaub und für die im einzelnen aufgezählten sonstigen Fälle persönlicher Leistungsverhinderung, zB infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (vgl die Erläuterungen zu den $§ 615-617). In anderen Fällen entfällt dagegen eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Arbeitsentgeltes, vor allem dann, wenn es sich um die Erfüllung öffentlichrechtlicher Verpflichtungen handelt wie Wehrdienst oder Zivildienst oder bei der Ausübung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten. Die Verpflichtung zur Arbeitsleistung entfällt auch bei der Arbeitsbefreiung zur Pflege eines erkrankten pflegebedürftigen Kindes (S 45 Abs 3 SGB V) oder bei der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub (§$ 15, 16 BErzGG). Bei Beschäftigungsverboten verletzt der Arbeitnehmer ebenfalls seine arbeitsvertragliche Leistungspflicht nicht, wenn er ihnen nachkommt. Inwieweit ihm gleichwohl ein Anspruch auf Arbeitsentgelt zusteht, ist eine hiervon zu trennende Frage. 4.

733

Unmöglichkeit der Arbeitsleistung

Ist die Arbeitsleistung von Anfang an unmöglich, so hatte dies nach $ 306 BGB aF die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages zur Folge. Dies war jedenfalls dann der Fall, wenn die Arbeitsleistung schon bei Vertragsschluß objektiv, dh für jedermann, unmöglich war. Dabei kommt es vor allem auf das Leistungsvermögen von Menschen an. So ist eine Verpflichtung zu einer mehr als 24 Stunden andauernden ärztlichen Tätigkeit (Tag-/Bereitschaft-/Tag-Dienst) ohne ausreichende Ruhezeiten nach § 275 Abs 1 BGB nF unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG) unwirksam. 1 7 2 8 Umstritten war, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn lediglich ein anfängliches subjektives Unvermögen vorliegt, ob nämlich den Arbeitnehmer insoweit eine Erfüllungshaftung trifft, 1 7 2 9 oder ob 1725 MiinchArbR/Btomeyer $47 Rn50; aA Schaub zu S 320 BGB J 50 Rn 3. 1726 ZB BAG 24.5.89 - 2 AZR 285/88 - AP BGB $611 Gewissensfreiheit Nr 1 (1. Kraft/Raab, 2. Berger-Delhey). 1727 ErfKomm/Proj $611 BGB Rn 975 ff. Harald Schliemann

734

1728 So zu § 306 BGB aF: BAG 24.2.82 - 4 AZR 223/80 - AP BAT $ 17 Nr 7 (Meisel). 1729 BAG 27.2.71 - 4 AZR 544/72 - AP BGB $ 306 Nr 2 (Hadding).

233

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienswertrag Zweites Kapitel

Der Arbeitsvertrag

bei einer höchstpersönlichen Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung der Vertrag auch insoweit nichtig ist. 1730 Nach S 323 BGB nF kommt es grundsätzlich darauf an, ob und welche der Vertragsparteien die Verzögerung der Leistung oder die Schlechtleistung zu vertreten hat. Ist es der Arbeitgeber, so behält der Arbeitnehmer den Entgeltanspruch ($ 324 Abs 1 BGB); dagegen verliert der Arbeitnehmer ihn, wenn er die Verzögerung der Leistung oder Schlechtleistung zu vertreten hat. Hat keine der beiden Arbeitsvertragsparteien die nachträgliche Unmöglichkeit zu vertreten, so entfallen die beiderseitigen Verpflichtungen ($ 326 Abs 1 BGB nF). Für das Arbeitsrecht hat dieses Prinzip erhebliche Modifikationen erfahren (vgl §§ 615 Rn 7 ff, 616 Rn 4 ff, 8 ff). Ist die Arbeitsleistung trotz ihres grundsätzlichen Fixschuldcharakters noch nachholbar, so ist der Arbeitnehmer grundsätzlich hierzu verpflichtet. Der Arbeitnehmer kann, sofern er die Unmöglichkeit zu vertreten hat, auch auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden. 1731 Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Arbeitsleistung selbst eine Fixschuld darstellt, deren Nichterbringung ihre Unmöglichkeit der Leistungserbringung zur Folge hat; in solch einem Fall ist der Arbeitnehmer zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er die Nichterbringung der Arbeitsleistung zum fixierten Zeitpunkt zu vertreten hat (vgl S 325 BGB nF).

X. 735

Pflichtverletzungen und Haftung des Arbeitnehmers

Hinsichtlich der Pflichtverletzungen des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer ist danach zu unterscheiden, ob er seine Arbeitspflicht nicht erfüllt (Vertragsbruch), ob er gegen eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verstößt und/oder ob er bei betrieblicher Tätigkeit seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. 1.

736

Vertragswidrige Nichtleistung der Arbeit

Die völlige schuldhafte vertragswidrige Nichterbringung der Arbeitsleistung wird als Vertragsbruch bezeichnet. Der Vertragsbruch umfaßt im allgemeinen nur den Fall, daß ein Arbeitnehmer vorsätzlich und rechtswidrig die Arbeit nicht aufnimmt oder daß er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Vertragszeit oder vor Ablauf der Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet. Ein Vertragsstrafeversprechen für den Fall des Vertragsbruchs ist in der Regel nur auf derartige Fallkonstellationen gerichtet. 1732 Von der Sache her stellt es aber nicht nur einen Bruch des Arbeitsvertrages dar, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Verpflichtung endgültig nicht erfüllt, sondern auch dann, wenn er vorübergehend an einzelnen Tagen ohne rechtfertigenden Grund mit der Arbeit aussetzt (Arbeitsbummelei) oder wenn er seine zeitlich fixierte Pflicht zur Arbeitsleistung dadurch verletzt, daß er zu spät kommt oder die Arbeitserbringung zu früh beendet.

737

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber zwar gegen den Arbeitnehmer Anspruch darauf, daß die vertraglich zu leistende Arbeitsleistung nach Art, Zeit und Umfang erbracht wird. Der Arbeitgeber kann (theoretisch) auch auf die Erfüllung des Arbeitsvertrages klagen; denkbar wäre sogar eine hierauf gerichtete einstweilige Verfügung. Erfüllt der Arbeitnehmer schuldhaft seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht, so entfällt sein Anspruch auf Arbeitsentgelt. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer in einem solchen Fall dem Arbeitgeber gegenüber auch z u m Schadenersatz verpflichtet, wenn dem Arbeitnehmer ein hinreichender Verschuldensgrad zur Last fällt. Ohne Nachweis eines konkreten Schadens kann der Arbeitgeber allerdings vom Arbeitnehmer keine Zahlung verlangen, es sei denn, daß eine Vertragsstrafe für den Fall des Vertragsbruchs vereinbart worden wäre. Soll die Vertragsstrafe auch den Fall umfassen, daß der Arbeitnehmer schuldhaft die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Arbeitgebers veranlaßt, so muß dies ausdrücklich vereinbart werden. 1733

738

Der Arbeitgeber ist im Falle des Arbeitsvertragsbruchs jedoch nicht auf das Geltendmachen von Schadenersatzansprüchen angewiesen. In der Regel kann er das Arbeitsverhältnis - häufig erst nach 1730 MiinchArbRIBlomeyer $ 55 Rn 14 ff m w N der unterschiedlichen Ansichten. 1731 MiinchArbR/Btomçyer § 55 Rn 29 ff.

234

Harald Schliemann

1732 BAG 18.9.91 - 5 AZR 650/90 - AP BGB $ 339 Nr 14. 1733 BAG 18.9.91 - 5 AZR 650/90 - AP BGB $ 339 Nr 14.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 X. Pflichtverletzungen und Haftung des Arbeitnehmers

vorheriger Abmahnung - in den Fällen des Arbeitsvertragsbruchs ordentlich, in kraß gelagerten Fällen auch außerordentlich kündigen (vgl § 626 Rn 105 ff). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertragliche Nebenpflichten nicht erfüllt. In diesen Fällen ist häufig weniger an Schadenersatz zu denken als an eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. 2.

Schlechtleistung

Unter Schlechtleistung werden im Arbeitsrecht im wesentlichen die Fälle zusammengefaßt, in denen 7 3 9 der Arbeitnehmer seiner Arbeitsverpflichtung nachkommt, er jedoch dabei eine mängelbehaftete Arbeitsleistung erbringt oder er bei seiner Arbeitsleistung Personenschäden oder Sachschäden verursacht. Zu den Formen der Schlechtleistung zählen die zu langsame Arbeit ebenso wie die - im Ergebnis - zu flüchtige oder nicht hinreichend sorgfältige Arbeit und das Erbringen einer anderen Arbeitsleistung als der geschuldeten, zB deswegen, weil der Arbeitnehmer einen Arbeitsauftrag nicht oder falsch verstanden hat. Schlechtleistungen müssen ihre Ursache aber nicht nur beim Arbeitnehmer haben. Sie können auch darauf zurückzuführen sein, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer überfordert, indem er zB neuartige Leistungen verlangt, zu deren Erbringung dem am Beginn des Arbeitsverhältnisses hinreichend ausgebildeten Arbeitnehmer keine hinreichenden Kenntnisse über die neuen fachlichen Entwicklungen vermittelt worden sind. Die Schlechtleistung kann den Arbeitgeber unter bestimmten Umständen berechtigen, das Arbeits- 7 4 0 entgelt zu mindern (a), ggf den Arbeitnehmer durch Kündigung zu entlassen (b) oder aber den Arbeitnehmer auf Schadenersatz in Anspruch nehmen (c). a)

Entgeltminderung

Grundsätzlich schuldet der Arbeitnehmer für die Arbeitszeit keinen bestimmten Arbeitserfolg. Er hat 7 4 1 nur mit hinreichender Anspannung seiner Kräfte sachgemäß zu arbeiten. Im Gegensatz zum Kaufrecht, Mietrecht oder Werkvertragsrecht sieht das Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches grundsätzlich keine Gewährleistungsverpflichtung des Dienstleistenden, insbesondere des Arbeitnehmers, vor. Hat der Arbeitnehmer ein mängelbehaftetes Arbeitsergebnis erbracht, ohne daß er die Mängel zu vertreten hat, so ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, das Arbeitsentgelt ungeschmälert zu zahlen. Lediglich eine völlig unbrauchbare Arbeit kann uU als völlige Nichterfüllung der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers zu werten sein 1734 und insoweit zur Entgeltminderung führen. Dies gilt grundsätzlich auch für die Leistungsentlohnung, sofern nichts abweichendes vereinbart worden ist. Minderungsmöglichkeiten ergeben sich jedoch - je nach Vereinbarung - bei der Akkord- oder 7 4 2 Prämienentlohnung und bei Zielerreichungsprämien. Derartige Entlohnungssysteme knüpfen nicht (allein) an die Dauer der vereinbarten Arbeitszeit an, sondern an die Zahl oder an das Maß der fertigzustellenden Arbeitsergebnisse, bei Zielvereinbarungen idR zu einem vorher vereinbarten Termin. Wird dabei vereinbart, daß nur mangelfreie Arbeitsergebnisse bezahlt werden, so ist zu prüfen, ob eine solche Klausel für den Fall, daß Arbeitsergebnisse nicht mangelfrei sind, nur dazu führen soll, daß der Arbeitnehmer die Mangel ohne zusätzliche Bezahlung zu beseitigen hat, oder ob der Arbeitgeber zur Entgeltminderung berechtigt sein soll, soweit der Arbeitnehmer die Ergebnismängel zu vertreten hat. Eine Vereinbarung, nach der nur mangelfreie Arbeit bezahlt wird, ist grundsätzlich zulässig. Ist dies vereinbart, so braucht der Arbeitgeber mangelbehaftete Arbeiten nicht entgegenzunehmen; er ist dann auch nicht darauf angewiesen, die Arbeitsentgeltforderungen mit Schadenersatzansprüchen aufzurechnen. 1735 Ohne eine solche ausdrückliche Abrede, wonach nur mangelfreie Arbeit überhaupt bezahlt wird, verbleibt es jedoch in der Regel dabei, daß der Arbeitnehmer zunächst Anspruch auf das vereinbarte Arbeitsentgelt hat und der Arbeitgeber andererseits auf Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer angewiesen ist.

1734

Staudinger/Ríriiaráí13 S 611 Rn 475.

Harald Schliemann

1735 BAG 24.9.59 - 2 AZR 28/57 - AP BGB $611 Akkordlohn Nr 11.

235

S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

b)

Kündigung wegen Schlechtleistung

7 4 3 Verletzt der Arbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag durch Schlechtleistung, so kann dies - regelmäßig erst nach vorheriger Abmahnung - eine in der Regel nur ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach sich ziehen. Dabei handelt es sich um eine personenbedingte Kündigung, wenn die Schlechtleistung oder Fehlleistung auf mangelnder Eignung beruht, um eine verhaltensbedingte, wenn sie auf fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers zurückzuführen ist (ausführlich: $ 620 Rn 628, 650, § 626 Rn 105 ff). 7 4 4 Auch die Verletzung von Nebenpflichten kann eine ordentliche, ggf auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. In der Regel setzt dies jedoch eine vorherige Abmahnung voraus. So kann die schuldhaft vergeblich abgemahnte Verletzung der Nebenpflicht zur unverzüglichen Mitteilung krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ($ 5 Abs 1 EFZG, vormals $ 3 Abs 1 S 1 LohnFG) eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen und zwar auch dann, wenn es nicht zu einer Störung der Arbeitsorganisation und des Betriebsfriedens gekommen ist (ausführlich: S 620 Rn 610 ff, 648, § 626 Rn 82 ff, 93 ff). c)

Schadenersatz

7 4 5 Verursacht der Arbeitnehmer einen Schaden, so hat er dem Arbeitgeber - abweichend von $ 280 Abs 1 BGB nF - Ersatz für den aus der Verletzung seiner Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat ($ 619a BGB nF). Der Haftungsmaßstab ist auch für den Fall des Vertretenmüssens zu Gunsten des Arbeitnehmers erheblich abgemildert. aa)

Personenschäden

7 4 6 Für Personenschäden von Arbeitskollegen bzw Arbeitnehmern des Betriebes haften der Unternehmer (Arbeitgeber) wie auch der Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe der unfallversicherungsrechtlichen Bestimmungen ($$ 104 ff SGB VII) nur beschränkt (Einzelheiten: $ 618 Rn 225-254). Uneingeschränkt besteht eine Haftung nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Personenschadens oder dann, wenn der Schaden auf einem nach § 8 Abs 2 Nr 1 - 4 SGB VU versicherten Weg herbeigeführt worden ist, dh als sog Wegeunfall. Dies gilt auch bei der Zusammenarbeit mehrerer Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen im selben Betrieb nach näherer Maßgabe des S 106 SGB VII. 7 4 7 Gegenüber Sozialversicherungsträgern haften Personen, deren Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, dann, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben; die Haftung ist jedoch beschränkt (§110 SGB VII). Gerichte, die über Ersatzansprüche der in den §§ 104-107 SGB VII genannten Art zu entscheiden haben, sind an eine unanfechtbare Entscheidung nach dem SGB VII oder dem Sozialgerichtsgesetz in der jeweils geltenden Fassung gebunden hinsichtlich der Fragen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist ($ 108 Abs 1 SGB VII); ggf haben sie gerichtliche Verfahren auszusetzen bis eine derartige Entscheidung ergangen ist ($ 108 Abs 2 SGB VII). bb)

Sach- und Vermögensschäden

7 4 8 Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist für Sach- und Vermögensschäden aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Regelungen über den innerbetrieblichen Schadensausgleich begrenzt. Nach Art 30 Abs 1 Nr 1 Einigungsvertrag hat der Gesetzgeber ua das Arbeitsvertragsrecht zu kodifizieren; hierzu gehört auch die Regelung über den innerbetrieblichen Schadensausgleich. Unabhängig hiervon ist von Rechtswissenschaft und Rechtspraxis nahezu einhellig eine gesetzliche Regelung über den betrieblichen Schadensausgleich gefordert worden. 1736 Dem ist der 1736 ZB der 56. Deutsche Juristentag (1986): HJ. Otto Gutachten „E", Abstimmungsergebnisse (NJW 86 3074).

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Harald Schliemann

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 X. Pflichtverletzungen und Haftung des Arbeitnehmers

Gesetzgeber mit der Schuldrechtsnovelle nur insoweit nachgekommen, als er gemäß $ 619a BGB nF die Haftung des Arbeitnehmers auf von ihm zu vertretende Pflichtverletzungen beschränkt gelassen hat (Rn 745). Die (dogmatisch umstrittenen) von der Rechtsprechung entwickelten Haftungserleichterungen für den Arbeitnehmer sind daneben zu beachten. 1957 entschied der Große Senat des BAG, ein Arbeitnehmer, der fahrlässig den Arbeitsunfall eines 7 4 9 anderen Arbeitnehmers desselben Betriebes oder Unternehmens verursacht habe, hafte dem Geschädigten nicht, wenn und soweit ihm eine Belastung mit solchen Schadenersatzansprüchen deshalb nicht zugemutet werden könne, weil seine Schuld im Hinblick auf die besondere Gefahr der ihm übertragenen Arbeiten nach den Umständen des Falles nicht schwer sei. 1737 Hieran anschließend entwickelte das BAG 1959 seine Grundsätze zur gefahrgeneigten Arbeit. 1738 Nach nicht immer gleichförmiger Entwicklung der Rechtsprechung sowohl zum Anlaß für den Haftungsausschluß als auch für den inneren Haftungsmaßstab beschloß der sodann zuständige Achte Senat des BAG im Jahre 1987, im Rahmen der gefahrgeneigten Arbeit gelte ein dreistufiges Haftungsmodell für den innerbetrieblichen Schadensausgleich: Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber überhaupt nicht für Sach- und Vermögensschäden. Dagegen haftet der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz in der Regel uneingeschränkt. Bei normaler Schuld (auch normale, leichte oder mittlere Fahrlässigkeit oder mittleres Verschulden genannt) werden die Schäden, die ein Arbeitnehmer bei gefahrgeneigter Arbeit nicht grobfahrlässig verursacht, in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt, wobei die Gesamtumstände von Schadensanlaß und Schadensfolgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen sind. 1739 1989 hat der Achte Senat des BAG dem Großen Senat des BAG angerufen, weil er die Auffassung 7 5 0 vertreten wollte, daß die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nach dem Urteil des Achten Senats vom 24. November 1987 abweichend von der Auffassung des Großen Senats in seinem Beschluß vom 25. Oktober 1957 auch für nichtgefahrgeneigte Arbeiten gelten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet werden. 1740 Der Große Senat des BAG hat sodann mit Beschluß vom 12. Juni 1992 den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen, denn der BGH hatte die Rechtsprechung des BAG zur Haftungsbegrenzung in den Fällen der gefahrgeneigten Arbeit übernommen. 1741 Der Sechste Senat des BGH stimmte dem Vorhaben des Großen Senats des BAG im Ergebnis, nicht aber in allen Teilen der Begründung, zu; hierauf stellte der Gemeinsame Senat das Verfahren ein. Der Große Senat des BAG entschied sodann mit seinem Beschluß vom 27. September 1994: „Die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gelten für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, auch wenn diese Arbeiten nicht gefahrgeneigt sind." 1 7 4 2 Haftungsausfüllend ist nach wie vor das dreistufige Haftungsmodell des Achten Senats des BAG aus 7 5 1 seinem Urteil vom 24. November 1987 1 7 4 3 anzuwenden (Rn 749), denn hierauf hatte der Achte Senat in seinem Vorlagebeschluß an den Großen Senat vom 12. Oktober 1989 verwiesen.1744 Es ist indessen weiterentwickelt worden. Bei einer vorsätzlichen Vertrags- oder Eigentumsverletzung haftet der Arbeitnehmer für den daraus entstandenen Schaden jedenfalls dann, wenn sich sein Vorsatz nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Schadenseintritt bezog; in diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die Verletzungshandlung für den Schaden adäquat ursächlich war. 174S Bei vorsätzlicher vertragswidriger Handlung - Vortäuschen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit - haftet der Arbeitnehmer uneingeschränkt für die zur Aufklärung erforderlichen Detektivkosten.1746 Auch bei grober Fahrlässigkeit sind Haftungserleichterungen zugunsten des Arbeitnehmers nicht aus1737 BAG (GS) 2 5 . 9 . 5 7 - GS 4/56 - AP RVO $$ 8 9 8 , 8 9 9 Nr 4. 1738 BAG 1 9 . 3 . 5 9 - 2 AZR 402/55 - AP BGB $ 6 1 1 Haftung des Arbeitnehmers Nr 8 (A. Hueck). 1739 BAG 2 4 . 1 1 . 8 7 - 8 AZR 524/82 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 93 (Brox). 1740 BAG 1 2 . 1 0 . 8 9 - 8 AZR 741/87 - AP BGB $ 6 1 1 Haftung des Arbeitnehmers Nr 98. 1741 BAG (GS) 1 2 . 6 . 9 2 - GS 1/89 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 101. Harald Schliemann

1742 BAG (GS) 2 7 . 9 . 9 4 - GS 1/89 - AP BGB $ 6 1 1 Haftung des Arbeitnehmers Nr 103. 1743 BAG 2 4 . 1 1 . 8 7 - 8 AZR 524/82 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 93. 1744 BAG 1 2 . 1 0 . 8 9 - 8 AZR 741/87 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 98. 1745 BAG 1 0 . 5 . 9 0 - 8 AZR 209/89 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 110. 1746 BAG 1 7 . 9 . 9 8 - 8 AZR 5/97 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 113.

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geschlossen, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers im deutlichen Mißverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko steht; das ist nicht schon der Fall, wenn der Schaden nicht erheblich über einem Bruttomonatseinkommen liegt 1747 oder wenn der Arbeitnehmer freiwillig eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. 1 7 4 8 Eine summenmäßige Haftungsbegrenzung ist jedoch weder im Gesetz noch von Rechtsprechung vorgesehen, auch wenn hierfür unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ein Bedürfnis der Praxis anzuerkennen ist. Dagegen hat die Versicherbarkeiten des eingetretenen Schadens Bedeutung für die Bestimmung des Haftungsumfangs. Bestehende Versicherungen muß der Arbeitgeber vorrangig in Anspruch nehmen. Er muß sich generell so behandeln lassen, als habe er zumutbare und übliche Versicherungen abgeschlossen; allerdings haftet der Arbeitnehmer auf die übliche Selbstbeteiligung. 1749 Ohne summenmäßige Beschränkung hat eine Schadensteilung zu erfolgen, soweit dem Arbeitnehmer normales Verschulden zur Last fällt. Die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit ist zwar für die Grundvoraussetzung der Haftungserleichterung unerheblich; innerhalb der Schadensteilung kommt es jedoch auf die Gefahrneigung der Tätigkeit an. 1 7 5 0 Über die Grundsätze der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers bei betrieblicher Tätigkeit hinaus ist bei der Haftung ein Mitverschulden des Arbeitgebers zu berücksichtigen, das auch darin bestehen kann, keine hinreichenden Kontrollen des Verhaltens des Arbeitsnehmers durchgeführt zu haben. 1751 Das Verschulden und den Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber - unter Beachtung einer gestuften Darlegungslast - darzulegen und zu beweisen. 1752 7 5 2 Durch die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs wird die Außenhaftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten nicht eingeschränkt. 1753 Eine entsprechende Rechtsfortbildung hat der BGH ausdrücklich abgelehnt. Indessen kann sich der Arbeitnehmer gegenüber dem geschädigten Dritten auf Haftungserleichterungen berufen, die im Verhältnis des Arbeitgebers dieses Arbeitnehmers zu dem Dritten gelten. 1754 Soweit der schädigende und im Außenverhältnis zum Schadenersatz verpflichtete Arbeitnehmer nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches gegenüber seinem Arbeitgeber nicht zu haften hat, steht ihm gegen den Arbeitgeber ein Freistellungsanspruch zu. 1 7 5 5 Allerdings trägt der Arbeitnehmer das Risiko, seinen Freistellungsanspruch auch realisieren zu können. 7 5 3 Diese Haftungserleichterung nach den Grundregeln des innerbetrieblichen Schadensausgleiches gelten auch, wenn der Arbeitnehmer nicht wegen Vertragsverletzung, sondern nach Deliktsrecht oder aufgrund von Gefährdungshaftung haftet. 1756 3.

Mankohaftung, Fehlgeldentschädigung

7 5 4 Für Kassenfehlbestände haftet der Arbeitnehmer nach den vorgenannten allgemeinen Regelungen iVm $ 619a nF zwar grundsätzlich; indessen ist sehr schwer nachzuweisen, daß den Arbeitnehmer eine Pflichtwidrigkeit bzw ein hierfür ursächliches Verschulden trifft. Die Praxis behilft sich insoweit mit vereinbarter Mankohaftung. Kraft besonderer Mankovereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verpflichtet sich der Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber ein erwachsenes Kassenmanko zu ersetzen. Grundsätzlich ist ein solcher Vertrag wirksam, wenn er eine sinnvolle, den Eigenarten des Betriebs und der Beschäftigung angepaßte Beweislastverteilung enthält oder eine vom Verschulden des Arbeitnehmers unabhängige Haftung für solche Fehlbeträge darstellt, die in seinem ihm persönlich zuzuordnenden und von ihm persönlich verantworteten Arbeits- und Kontrollbereich aufkommen. 1747 BAG 12.11.98 - 8 AZR 221/97 Haftung des Arbeitnehmers Nr 117. 1748 BAG 25.9.97 - 8 AZR 288/96 Haftung des Arbeitnehmers Nr 111. 1749 BAG 2 4 . 1 1 . 8 7 - 8 AZR 524/82 Haftung des Arbeitnehmers Nr 93. 1750 BAG 19.2.98 - 8 AZR 645/96 Nr 8. 1751 BAG 16.2.95 - 8 AZR 493/93 Haftung des Arbeitnehmers Nr 106.

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AP BGB $611 AP BGB $ 611 AP BGB § 611 AP BGB $ 254 AP BGB $611

1752 BAG 17.9.98 - 8 AZR 175/97 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 116. 1753 BGH 21.12.93 - VI ZR 103/93 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 104; BGHZ 108 305 = NZA 90 100. 1754 BGH 21.12.93 - VI ZR 103/93 - AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 104. 1755 BAG 23.6.88 - 8 AZR 300/85 - AP BGB $611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 94 (HJ. Weber). 1756 Einschränkend: BGH 21.12.93 - VI ZR 103/93 AP BGB $ 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 104.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 XI. Pflichten des Arbeitgebers (Überblick) Für die Gültigkeit von Mankovereinbarungen hat die Rechtsprechung eine Reihe strenger Kriterien aufgestellt, indem sie diese Abrede an § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) bzw $ 242 BGB (Treu und Glauben) mißt. Mankoabreden müssen klar u n d eindeutig vereinbart sein und dem Arbeitnehmer m u ß für die

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Ü b e r n a h m e der M a n k o h a f t u n g ein angemessener wirtschaftlicher Ausgleich vertraglich gewährt werden. 1 7 5 7 Die Begründung einer Erfolgshaftung des Arbeitnehmers durch Mankoabrede ohne besondere Mankovergütung oder über die Höhe des vereinbarten Mankogeldes ist unzulässig; die Abrede wird regelmäßig dahin auszulegen sein, der Arbeitnehmer solle auch bei größeren Schäden jedenfalls bis zu Höhe des Mankogeldes haften. 1 7 5 8 Voraussetzung für die Mankohaftung des Arbeitnehmers ist ferner, daß Arbeitgeber ein Tatsachenlage geschaffen hat, nach der er nicht Besitzer der Sache w a r . 1 7 5 9 Der Arbeitnehmer haftet für den Fehlbestand nach den Grundsätzen der Mankohaftung, wenn er den alleinigen Zugang und Zugriff zu der ihm anvertrauten Kasse bzw dem ihm anvertrauten Geldoder Warenbestand h a t . 1 7 6 0 Hieran hat die Neufassung des S 276 BGB nichts geändert. Die Wirkung von Mankoabreden liegt in einer Beweiserleichterung für den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist in der Regel nur für den Abschluß der Mankoabrede, den Schaden und die haftungsbegründende Kausalität darlegungs- und beweispflichtig. 1 7 6 1 Allerdings ist im Wege der Auslegung der Mankoabrede zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer für den Bestand des ihm anvertrauten Geldes oder der ihm anvertrauten Waren eine verschuldensfreie Garantiehaftung übernimmt oder lediglich für ein von ihm verschuldetes M a n k o einzutreten hat, dann allerdings ohne Begrenzung der H ö h e . 1 7 6 2 Die Auslegung der Mankoabrede kann aber auch ergeben, daß lediglich eine Beweisvereinbarung über das Manko getroffen worden ist, zB daß sich der Arbeitnehmer auf die Unregelmäßigkeit von Inventuren nicht berufen darf, wenn er an ihnen teilgenommen hat oder seine Teilnahme daran zu Unrecht verweigert h a t . 1 7 6 3 Die Haftung wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung ($ 619a nF) ist unabhängig von der etwaigen Garantiehaftung aus Vertrag zu beurteilen. 1 7 6 4

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Ohne besondere Mankoabrede kann der Arbeitnehmer wegen Verletzung seines Arbeitsvertrages auch für das Abhandenkommen von Waren oder Geld haften, wenn deren Verwahrung zu seinen arbeitsvertraglichen Aufgaben zählt und ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last fallt. So haftet ein Autobusfahrer bereits dann, wenn er e i n g e n o m m e n e s Bargeld während der Pause im Autobus zurückläßt, ohne den Autobus abgeschlossen zu haben. 1 7 6 5 Wird ein Kassierer wegen eines Kassenfehlbestandes vom Arbeitgeber in Anspruch genommen, so muß der Arbeitgeber beweisen, daß der Kassierer den alleinigen Zugang zur Kasse hatte und in welchem Umfang er Geld eingenommen hat; dagegen hat der Kassierer den Verbleib des eingenommenen Geldes zu beweisen, wobei er seine eigenen Buchungen gegen sich gelten lassen m u ß . 1 7 6 6

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XI. Pflichten des Arbeitgebers (Überblick) Der Arbeitgeber ist zur Gewährung der vereinbarten V e r g ü t u n g 1 7 6 7 verpflichtet. Dies ist nach S 6 1 1 Abs 1 HS 2 seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Unter Vergütung ist das Arbeitsentgelt zu verstehen, gleichgültig, in welcher Art es zu leisten ist (Geld- oder Naturallohn) oder auf welchen

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näheren Rechtsgrundlagen es b e r u h t 1 7 6 8 und wie es im Einzelfall zu bemessen i s t . 1 7 6 9 Das geschuldete Arbeitsentgelt wird häufig mit freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers ergänzt. 1 7 7 0 In zahlreichen 1757 BAG 17.9.98 - 8 AZR 175/97 - AP BGB $611 Mankohaftung Nr 2; 27.2.70 - 1 AZR 150/69 - AP BGB $611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 54 (A. Hueck). 1758 BAG 2.12.99 - 8 AZR 386/98 - AP BGB $611 Mankohaftung Nr 3 unter Fortführung von BAG 17.9.98 - 8 AZR 175/97 - AP BGB $ 611 Mankohaftung Nr 2. 1759 BAG 22.5.97 - 8 AZR 562/95 - AP BGB $611 Mankohaftung Nr 1. 1760 BAG 22.11.73 - 2 AZR 580/72 - AP BGB $ 626 Nr 67. 1761 BAG 13.2.74 - 4 AZR 13/73 - AP BGB $611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 77. Harald Schliemann

1762 Schaub $ 52 Rn 102. 1763 BAG 13.2.74 - 4 AZR 13/73 - AP BGB $611 Haftung des Arbeitnehmers Nr 77; Schaute $ 52 X 2 a. 1764 BAG 2.12.99 - 8 AZR 386/98 - AP BGB $ 611 Mankohaftung Nr 3. 1765 BAG 28.9.89 - 8 AZR 73/88 = NZA 90 847. 1766 BAG 22.11.73 - 2 AZR 580/72 - AP BGB $ 626 Nr 67. 1767 S Rn 763-845. 1768 S Rn 771-775, 776-808. 1769 S Rn 819-844. 1770 S Rn 798-807, 845.

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Fällen schuldet der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung, ohne daß dem eine Arbeitsleistung gegenübersteht. 1771 7 5 9 Im Bereich des Arbeitsentgeltes treffen den Arbeitgeber zahlreiche Nebenpflichten, vor allem die zur Berechnung und Zahlbarmachung des Arbeitsentgeltes einschließlich der Berechnung und Abführung von Lohnabzugsbeträgen 1772 und der Beachtung von Lohnpfändungen und -abtretungen. 1773 7 6 0 Neben dem Arbeitsentgelt schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Aufwendungsersatz, soweit der Arbeitnehmer Aufwendungen für den Arbeitgeber erbracht hat. 1 7 7 4 7 6 1 Auch außerhalb von Arbeitsentgelt und Aufwendungsersatz hat der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer zahlreiche weiteren Pflichten und Obliegenheiten zu erfüllen. Der Arbeitgeber hat das Persönlichkeitsrecht 1775 des Arbeitnehmers zu wahren und dem Arbeitnehmer gegenüber die Beschäftigungspflicht zu erfüllen. 1776 Der Arbeitgeber hat andererseits auch Beschäftigungsverbote zu beachten. 1777 Des weiteren treffen den Arbeitgeber zahlreiche auf dem Arbeitsverhältnis beruhende Schutzpflichten gegenüber dem Arbeitnehmer einschließlich dazu gehöriger besonderer Haftungsregeln. 1778 Im Interesse des einzelnen Arbeitnehmers, aber auch im Interesse der Allgemeinheit, sind dem Arbeitgeber zahlreiche Pflichten und Obliegenheiten im öffentlichen Recht, insbesondere im Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht, auferlegt worden. 1779 7 6 2 Bei allen Behandlungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuteil werden läßt, hat der Arbeitgeber neben dem das Recht insgesamt beherrschende allgemeine Verfassungsgebot der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art 3 Abs 2 GG) und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot (Art 3 Abs 3 GG) insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, ferner die ausdrücklichen Verbote ungerechtfertigter Ungleichbehandlung von Mann und Frau (Art 141 EG ex Art 119 EWG, EWG-Richtlinie 75/117 und 76/207 sowie die $$ 611a, 611b, 612 Abs 3 BGB) sowie die allgemeinen und die speziellen Diskriminierungs- und Benachteiligungsverbote.

XII. Arbeitsentgelt - Begriff und Rechtsgrundlagen 1.

Begriff des Arbeitsentgelts

7 6 3 Der Begriff des Arbeitsentgelts ist ebenso wie der der Vergütung weder im nationalen Arbeitsrecht noch im europäischen Arbeitsrecht gesetzlich bestimmt. Allgemein stellt das Arbeitsentgelt die Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers dar. Insoweit steht es als Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers im Synallagma des Arbeitsvertrages. 7 6 4 Der Begriff Arbeitsentgelt wird in der Sprache des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht verwendet. Der dort verwendete Begriff Vergütung umfaßt einerseits das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, andererseits aber auch das Dienstleistungsentgelt des freien Dienstnehmers. Soweit die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Dienstvertrag auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden sind, ist der Begriff der Vergütung allerdings mit dem des Arbeitsentgeltes gleichbedeutend. 765

Die Verwendung des Begriffs Arbeitsentgelt ist im Arbeitsrecht uneinheitlich. Einerseits umfaßt der Begriff des Arbeitsentgeltes alles, was als vertragliche Gegenleistung des Arbeitgebers zu bezeichnen ist, zB das laufende Gehalt oder den laufenden Stundenlohn, jede Mehrarbeitsvergütung, alle Lohnzulagen und Zuschläge und sämtliche freiwilligen Leistungen und Gratifikationen, Zusagen und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, Naturalleistungen wie die Bereitstellung eines Personenkraftwagens zur privaten Nutzung oder die Abgabe von Deputaten an Arbeitnehmer sowie sämtliche sog „Sozialleistungen" zB die Verbilligung des Mittagessens. Auf der anderen Seite ist ein derart weit gefaßter 1771 1772 1773 1774 ersatz; 1775

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S Rn 852-893. S Rn 894-898. Schaub*§ 89. Kültner/Griese Personalbuch 1996, AufwendungsRn 1 - 2 2 . S Rn 116, 910. Harald Schliemann

1776 S Rn 900-903. 1777 S Rn 904-910. 1778 S Rn 911, 912. 1779 ZB SchauΡ SS 33 (Arbeitspapiere), 34 (Meldepflichten), 71 (Lohnabzüge).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 XII. Arbeitsentgelt - Begriff und Rechtsgrundlagen

Begriff zu unpräzise, um die jeweils geschuldete bzw in Rede stehende Leistung von anderen Leistungen abzugrenzen. Insoweit kommt es, soweit der Begriff des Arbeitsentgeltes verwendet wird, immer auf den Sinnzusammenhang, den Rechtsgrund und den Zweck der Leistung, die Art der Leistung und weitere Abgrenzungsmerkmale an. So unterscheidet das Bundesarbeitsgericht für im inländischen Recht hinsichtlich der Frage, inwieweit 7 6 6 die Leistungspflichten des Arbeitgebers durch eine ablösende Betriebsvereinbarung verändert werden können, ob es sich um Sozialleistungen einerseits und Ansprüche auf laufendes Entgelt, Mehrarbeitszuschläge usw. andererseits handelt. 1780 Andererseits ist eine einmalig im Jahr aus besonderem Anlaß geleistete Sonderzuwendung, nämlich eine Anwesenheitsprämie, als Arbeitsentgelt im weiteren Sinne bezeichnet worden. 1781 In anderem Zusammenhang war zwischen Arbeitsentgelt im engeren Sinne, mit dem ausschließlich die laufende Arbeitsleistung bezahlt wird, von einem Arbeitsentgelt im weiteren Sinne zu unterscheiden, nämlich einer Zahlung für Betriebstreue.1782 Zum Arbeitsentgelt iSd $ 63 Abs 3 S 1 BAT, nämlich zu den dort genannten Bezügen, zählte das BAG dagegen nur das laufende Entgelt. 1783 Selbst bei einheitlich bezeichneten Zahlungen können unterschiedliche Anteile unterschiedlich zu behandeln sein, weil sie zum Teil Arbeitsentgelt darstellen, zum Teil Aufwendungsersatz.1784 Im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung wird der Begriff Lohngestaltung in einem umfassenden Sinne verwendet (§ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, S 75 Abs 3 Nr 4 BPersVG sowie entsprechende Bestimmungen der Länder). Mit dem Begriff Lohn ist in diesem Zusammenhang allgemein das Arbeitsentgelt gemeint, einschließlich der zum Arbeitsentgelt zu zählenden Sachleistungen.1785 In diesem Sinne zählen zum Lohn auch betriebliche Sozialleistungen wie die Altersversorgung.1786 Der Begriff Lohn wird dagegen in anderem Zusammenhang sehr eng verstanden, nämlich als die traditionelle Bezeichnung des auf Stunden geleisteter Arbeit bezogenen Arbeitsentgeltes für Arbeiter. Soweit es allerdings um leistungsbezogene Vergütungen geht, verwenden das BetrVG bzw das BPersVG den Ausdruck leistungsbezogene Entgelte ($ 87 Abs 1 Nr 11 BetrVG; $ 75 Abs 3 Nr 4 BPersVG).

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Der europarechtliche Begriff Entgelt iSd Art 141 EG ex Art 119 EWG ist umfassend zu verstehen; er bezieht sich auf sämtliche Vergütungsbestandteile1787 einschließlich aller Formen der Altersversorgung sowie der vom Arbeitgeber selbst bezahlten Renten 1788 oder des Zuschusses des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld.1789

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Aber auch unter den weiten Begriff des Arbeitsentgeltes fallen nicht alle Geld- oder geldwerten 7 6 9 Leistungen des Arbeitgebers, insbesondere nicht der Aufwendungsersatz. Aufwendungsersatz zählt weder zur Vergütung iSd $$ 611 ff BGB noch zum Lohn iSd $ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, denn er stellt keine Gegenleistung für Dienste dar, sondern ist Ersatz für Vermögensaufwendungen.1790 Eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes stellt arbeitsrechtlich kein Arbeitsentgelt dar; sie kann jedoch sozialversicherungsrechtlich als Entgelt anzusehen sein, soweit sie an die Stelle des Entgeltes bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses tritt. 1791 Inwieweit Leistungen Dritter zum Arbeitsentgelt zu rechnen sind, hängt von den Umständen des 7 7 0 Einzelfalles ab. Die Liquidationsberechtigung angestellter Krankenhausärzte (Chefärzte) wird in der Regel als Teil ihres Arbeitsentgeltes verstanden.1792 Dies gilt auch für die Beteiligung nachgeordneter Ärzte an einem sog Liquidationspool, der aus Anteilen der Privatliquidationen vorgesetzter Chefärzte 1780 BAG 21.9.89 - 1 AZR 454/88 - AP BetrVG 1972 S 77 Nr 43 (Löwisch). 1781 BAG 15.2.90 - 6 AZR 381/88 - AP BGB $ 611 Anwesenheitsprämie Nr 15 (Mayer-Maly). 1782 BAG 24.10.90 - 6 AZR 156/89 - AP BGB S 611 Gratifikation Nr 135. 1783 BAG 21.2.91 - 6 AZR 406/89 - AP BAT § 63 Nr 9. 1784 ZB BAG 5.4. 2000 - 7 AZR 213/99 - AP BetrVG 1972 s 37 Nr 131; 10.2.88 - 7 AZR 36/87 - AP BetrVG 1972 $ 37 Nr 64. 1785 BAG 30.3.82 - 1 ABR 55/80 - AP BetrVG 1972 S 87 Lohngestaltung Nr 10 (Weiss). 1786 BAG 9.5.89 - 3 AZR 439/88 - AP BetrVG 1972 S 87 Altersversorgung Nr 18. Harald Schliemann

1787 EuGH 11.3.81 - Rs C 69/80 - NJW 81 2637; allg Ansicht, statt vieler: Buchner ZfA 93 279,316. 1788 Statt vieler: EuGH 10.2.2000 - Rs C 270 und 271/ 97 - Sievers und Schräge - AP EG-Vertrag Art 119 Nr 18; 13.5.86 - Rs C 170/84 - Bilka - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 10. 1789 EuGH 13.2.96 - Rs C 342/93 Gillespie - AP EWGVertrag Art 119 Nr 74; BAG 31.7.96 - 5 AZR 9/95 - AP MuSchG 1968 $ 14 Nr 15. 1790 BAG 10.2.88 - 7 AZR 36/87 - AP BetrVG 1972 $ 27 Nr 64; 21.8.85 - 7 AZR 199/83 - AP BGB $ 618 Nr 19 (Mühl). 1791 BSG 21.2.90 - 12 RK 20/88 - NZA 90 751. 1792 BAG 15.11.94 - 5 AZR 604/93 - AP BGB $ 611

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

in einem Krankenhaus gespeist wird. 1793 Für Croupiers wird das Arbeitsentgelt nach näheren landesrechtlichen Regelungen aus dem Tronc entnommen, der seinerseits ausschließlich aus Trinkgeldern der Spieler einer Spielbank gespeist wird. 1794 Auch das an Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs 2 BetrVG fortzuzahlende Entgelt ist dem Tronc zu entnehmen. 1795 Dagegen gehören Trinkgelder, die dem Bedienungspersonal in Gaststätten von den Gästen freiwillig gegeben werden, jedenfalls bei Fehlen einer besonderen arbeitsvertraglichen Vereinbarung hierüber für Zeiten des Urlaubs, der Arbeitsunfähigkeit und der Betriebsratstätigkeit nicht zum vom Arbeitgeber fortzuzahlenden Arbeitsentgelt. 1796 2.

Arten des Arbeitsentgelts

7 7 1 Die Arbeitsvergütung (Arbeitsentgelt) besteht idR in einer Geldforderung Der Arbeitgeber erfüllt die Geldforderung meistens in Form von Geldzahlungen, sei es - im Schwinden begriffen - als Barzahlung, sei es als unbare Zahlung. Dazu gehört auch die Hingabe von Scheck oder Wechsel. 1797 7 7 2 Als Naturalvergütung, Sachbezug, Sachleistung uä wurden Entgeltformen bezeichnet, bei denen für den Arbeitnehmer keine Geldforderungen gegen den Arbeitgebers entstehen, sondern sonstige Vergütungen Zuwendungen oder geldwerte Vorteile. Sie sind grundsätzlich als Arbeitsentgelt anzusehen. 7 7 3 Sachleistungen sind insbesondere Deputate. Unter Deputat versteht man allgemein die kostenlose oder kostenbegünstigte Überlassung von Gegenständen oder Erzeugnissen des Unternehmens oder Betriebes, in welchem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, zB die Einkaufsmöglichkeit mit Personalrabatt 1798 die Überlassung von Hausbrandkohle - Kohledeputat - für Arbeitnehmer eines Kohle-Bergbauunternehmens, 1799 die kostenlose oder kostenbegünstigte Überlassung von Kost und Logis im Betrieb oder im Haus des Arbeitgebers.1800 Im Fall des Personalverkaufs ist nach wie vor das Truckverbot (Kreditverbot) nach den §§ 115 bis 118 GewO zu beachten. Unbeschränkt zulässig ist der Verkauf von Waren an die eigenen Arbeitnehmer gegen Barzahlung, mögen die Mittel hierfür auch über ein Kreditinstitut finanziert sein. 1801 Nach $ 115 Abs 2 S 2 GewO darf der Arbeitgeber gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern, gewerblichen Angestellten), Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden keine Waren kreditieren, wohl aber den Handlungsgehilfen (vgl § 154 Abs 1 Nr 2 GewO). Bestimmte Waren sind vom Truckverbot ausgenommen (vgl § 115 Abs 2 Nr 2 GewO). Kraftfahrzeuge fallen unter das Truckverbot, 1 8 0 2 auch beim Verkauf an die Ehefrau des Arbeitnehmers.1803 Als Naturallohn bzw Sachbezüge sind auch Zuwendungen zu qualifizieren, die Arbeitnehmern im Rahmen sog Cafeteria-Pläne zugewendet werden. Hierbei ergeben sich für Unternehmen und Arbeitnehmer Vorteile aus der Verlagerung geldwerter Einkünfte in den steuerlich in der Regel begünstigten Bereich der Besteuerung von Sachbezügen. Zu Cafeteria-Plänen gehören vor allem die (kostenlose oder begünstigte) Überlassung gebrauchter Dienstwagen, die Risikovorsorge bei Alter und Krankheit, Finanzleistungen bei Darlehn, Sparplänen, Belegschaftsaktien, Programme zur Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital des Unternehmens, Incentive-Reisen und vieles andere mehr. Die Überlassung von Wohnraum stellt einen Sachbezug dann dar, wenn dies kostenlos erfolgt oder aber das dafür vereinbarte Nutzungsentgelt erheblich geringer ist als die ortsübliche Miete. 7 7 4 Zu den Sachbezügen zählt auch die kostenfreie Überlassung des Dienstwagens zur privaten Benutzung. 1 8 0 4 Ist die Privatnutzung des Dienstwagens ausdrücklich vereinbart worden, so kann der ArArzt-Krankenhaus-Vertrag Nr 31; 25.2.88 - 2 AZR 246/ 87 - AP BGB s 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr 18. 1793 BAG 17.2.93 - 7 AZR 373/92 - AP LPVG Rheinland-Pfalz $ 42 Nr 2. 1794 BAG 3.3.99 - 5 AZR 363/98 - AP BGB $611 Croupier Nr 21; 28.4.93 - 4 AZR 329/92 - AP BGB $611 Croupier Nr 16; 1.3.89 - 4 AZR 639/88 - AP BGB $ 611 Croupier Nr 14. 1795 BAG 27.4.81 - 7 ABR 76/89 - AP BetrVG 1972 §41 Nr 1. 1796 BAG 28.6.95 - 7 AZR 1001/94 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr 112. 1797 BAG 7.11.96 - 5 AZB 19/96 - EzA $ 2 ArbGG Nr 34.

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1798 BAG 11.12.96 - 5 AZR 336/95 - AP BGB $ 611 Sachbezüge Nr 5; 14.6.95 - 5 AZR 126/94 - AP BGB $ 611 Personalrabatt Nr 1. 1799 BAG 21.2.86 - 3 AZR 123/86 - AP BGB $611 Deputat Nr 9 (Fastrich). 1800 Siehe zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung die jährlich angepaßte SachbezugsVO. 1801 BGH 12.7.75 - ΠΙ ZR 39/73 - NJW 75 1515. 1802 BAG 20.3.74 - 5 AZR 351/73 - AP GewO $ 115 Nr 1. 1803 OLG Hamm 26.5.89 - 19 U 289/88 - NJW 90 55. 1804 BAG 16.11.95 - 8 AZR 240/95 - AP BGB $ 611 Sachbezüge Nr 4.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 6 1 1 ΧΠ. Arbeitsentgelt - Begriff und Rechtsgrundlagen beitnehmer den Dienstwagen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses benutzen, auch während mutterschutzbedingten Arbeitsausfalls. 1 8 0 5 Der unberechtigte Entzug der privaten Nutzung hat einen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit zur Folge. 1 8 0 6 Anders verhält es sich dagegen, wenn die Privatnutzung des Dienstwagens n i c h t vereinbart worden ist; in solchem Fall kann der Arbeitgeber die Privatnutzung des Dienstwagens jederzeit unter Beachtung der Grenzen billigen Ermessens w i d e r r u f e n . 1 8 0 7 Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die private Nutzung des Dienstwagens vertraglich zugesagt und schuldet er dem Arbeitnehmer gem. §§ 3 2 5 , 2 5 1 BGB Schadenersatz wegen unterbliebener Bereitstellung eines Pkw auch zur privaten Nutzung, so kann der Arbeitnehmer im Fall der tatsächlichen Nutzung seines gleichwertigen privaten Pkw für die hierfür aufgewendeten Kosten Ersatz verlangen. Eine abstrakt nach der Tabelle Sanden/DannerfKüppasbusch ermittelte Nutzungsausfallentschädigung steht dem Arbeitnehmer nicht z u . 1 8 0 8 Dagegen stellt die Gestellung von Arbeitsschutzmitteln und Dienstkleidung, auch wenn sie durch den Arbeitgeber bezahlt oder bezuschußt wird, keinen Naturallohn dar. Vielmehr kann für den Arbeitnehmer sogar eine Verpflichtung zum Tragen von Dienstkleidung bestehen, die sie sich selbst zu auf eigene Kosten zu beschaffen haben. 1 8 0 9 Insoweit kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Das gleiche gilt für die Teilnahme an der Kantinenverpflegung. Andererseits kann der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht wirksam verpflichten, entgeltlich an der Kantinenverpflegung teilzunehmen. 1 8 1 0 3.

Rechtsgrundlagen für das Arbeitsentgelt

F ü r den Anspruch auf Arbeitsentgelt bildet der Arbeitsvertrag die wesentliche Rechtsgrundlage. Nach § 6 1 1 Abs 1 HS 2 BGB schuldet der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung. Dies korrespondiert damit, daß der Arbeitsvertrag zugleich die wesentliche Rechtsgrundlage für die versprochenen Dienste, nämlich die Arbeitsleistung, bildet, zu der sich der Arbeitnehmer verpflichtet hat (Rn 3 6 3 - 3 6 6 und Rn 5 5 3 - 5 5 7 ) . Dies gilt auch für den Fall, daß sich die Parteien des Arbeitsvertrages zwar über die Arbeitsleistung, nicht aber über deren Vergütung geeinigt haben (Einzelheiten: $ 612 Rn 3 ff). a)

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776

Arbeitsvertragliche Vergütung

In der Regel wird das Arbeitsentgelt im Arbeitsvertrag fest vereinbart. Dies kann ausdrücklich durch Angabe eines bestimmten Betrages pro Zeiteinheit geschehen, zB durch Angabe eines zahlenmäßig definierten Monatsgehalts oder eines DM-Betrages pro Stunde, Woche oder (selten) Monat als Arbeitslohn. Es kann aber auch dadurch geschehen, daß die versprochene Arbeitsleistung ihrer tariflichen Wertigkeit im Arbeitsvertrag angegeben wird, oder daß vereinbart wird, der Arbeitnehmer sei in eine bestimmte Vergütungsgruppe des Tarifvertrages oder eines firmeneigenen Entgeltsystems eingruppiert. Dies ist, soweit es im schriftlichen Nachweis oder im schriftlichen Arbeitsvertrag geschieht, im

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Hinblick auf $ 2 Abs 2 S 2 Nr 6, Abs 3 S 1 NachweisG zulässig, wenn den Anforderungen an die kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit Genüge getan ist. Zusätzlich zu der festvereinbarten Vergütung finden sich häufig variable Vergütungsbestandteile, insbesondere Provisionen. Wird vereinbart, daß ein Arbeitnehmer ausschließlich Provision und kein Fixum oder keine Provisionsgarantie erhalten soll, so ist dies grundsätzlich zulässig. Wegen Verstoßes

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gegen $ 138 BGB ist eine solche Vereinbarung jedoch nichtig, wenn von vornherein feststeht oder absehbar ist, daß der Arbeitnehmer aus den Provisionen bei Erbringung einer normalen Arbeitsleistung keinen angemessenen Verdienst erreichen k a n n . 1 8 1 1 Sond arbeitvertraglich neben einer festen untertariflichen Vergütung auch Provisionen vereinbart, so hat dies nicht nach $ 4 Abs 3 TVG zur Folge, daß 1805 BAG 11.10. 2000 - 5 AZR 240/99 - AP BGB § 611 Sachbezüge Nr 13. 1806 BAG 27.5.99 - 8 AZR 415/98 - AP BGB $611 Sachbezüge Nr 12. 1807 Schaub §68 Rn6; Küttner/Griese Personalbuch, Dienstwagen Rn 9, 10.

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1808 BAG 16.11.95 - 8 AZR 240/95 - AP BGB § 611 Sachbezüge Nr 4. 1809 BAG 19.5.98 - 9 AZR 307/96 - AP BGB §670 Nr 31. 1810 BAG 11.7.2000 - 1 AZR 551/98 - AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr 16. 1811 Küttner/Griese Personalbuch, Provision Rn 3 mwN.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

die Provisionen zusätzlich zum tariflichen Mindestgehalt zu zahlen sind; jedoch dürfen die monatlichen Gesamtleitungen nicht den Betrag des Tarifgehaltes unterschreiten.1812 Üblich und zulässig ist es, mit Arbeitnehmern, die neben der Provision ein Festgehalt (Fixum) beziehen, befristete Provisionsregelungen zu treffen oder sich den Widerruf derartiger Provisionsregelungen vorzubehalten, solange hierdurch der gesetzliche Schutz gegen Änderungskündigungen ($ 2 KSchG) nicht umgangen wird (Rn 543) 1813 . Als Lohngestaltung unterliegen Provisionsregelungen der betrieblichen Mitbestimmung, 1 8 1 4 idR dem $ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, uU auch als Regelung über leistungsbezogenes Entgelt dem $ 87 Abs 1 Nr 11 BetrVG. 7 7 9 Für freiwillige Leistungen wird in Arbeitsverträgen häufig vereinbart, daß ihre Gewährung keinen Rechtsanspruch auslöst, auch wenn sie wiederholt gewährt werden, und daß der Arbeitgeber berechtigt ist, die freiwilligen Leistungen zu widerrufen, einzustellen oder mit anderweitigen Entgelterhöhungen, insbesondere Tariferhöhungen, zu verrechnen. Durch derartige (vertragliche) Vorbehalte wird dem Entstehen von Arbeitnehmeransprüchen vorgebeugt (Einzelheiten: Rn 539-542). b)

Tarifvertragliche Vergütung

aa)

Anwendbarkeit des Tarifvertrags

7 8 0 Die Inhaltsnormen eines Tarifvertrags oder mehrerer zusammenhängender Tarifverträge können Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach Grund oder Höhe sein. Tarifvertragsnormen gelten zwingend und unmittelbar infolge Tarifgebundenheit oder Allgemeinverbindlicherklärung (Rn519), so daß von ihnen nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann (Rn 520). Tarifverträge können aber auch kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag anwendbar sein (Rn 522-524); besteht daneben keine zwingende und unmittelbare Geltung, so kann trotz $ 4 Abs 3 TVG von ihnen auch zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Arbeitsentgelte werden häufig eine besondere außerhalb des Tarifvertrag vereinbart, die Anwendbarkeit der Tarifregelungen wird in solchen Fällen nur ,4m übrigen" vereinbart. Bei Änderungen der Tarifgebundenheit und bei Beendigung des Tarifvertrags treten die Nachgeltung bzw Nachbindung ein (Rn 546-550). bb)

Wirkung auf die Vergütung

7 8 1 Tarifliche Arbeitsbedingungen sind bei zwingender Anwendbarkeit des Tarifvertrags Mindestbedingungen zugunsten des Arbeitnehmers. Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten ($ 4 Abs 3 TVG). Diese Bestimmungen erhalten ihr wesentliches Gewicht gerade, soweit es um die Vergütung des Arbeitnehmers geht. Bei zwingender Geltung des Tarifvertrages hat der Arbeitnehmer Anspruch auf das Tarifentgelt einschließlich aber tariflichen Nebenleistungen, soweit deren Voraussetzungen vorliegen. Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind (Öffnungsklausel) oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (Günstigkeitsprinzip). Für die Frage, ob Abmachungen zugunsten des Arbeitnehmers vorliegen, sind die ausdrücklichen Vereinbarungen mit den Regelungen des Tarifvertrages zu vergleichen. Die abweichenden Abmachungen können im Arbeitsvertrag enthalten sein, aber auch in Betriebsvereinbarungen. Der Vergleich der Bedingungen iS des $ 4 Abs 3 TVG ist als Sachgruppenvergleich durchzuführen. Dabei sind auf die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers abzustellen; in den Vergleich einzubeziehen sind die Bestimmungen des Tarifvertrages auf der einen Seite und die abweichenden Vereinbarungen auf der anderen Seite, die in sich in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehen (Rn 147-150). Ein Vergleich von effektiv untertariflicher Entlohnung gegen Verzicht auf betriebsbedingte Entlassungen ist nach Ansicht des BAG unstatthaft (,.Äpfel und Birnen")· 1815

1812 BAG 19.1. 2000 - 4 AZR 814/98 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr 73. 1813 BAG 2 1 . 4 . 9 3 - 7 AZR 2 9 7 / 9 2 - A P KSchG 1969$ 2 Nr 34.

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1814 Statt vieler: BAG 2 6 . 7 . 8 8 - 1 AZR 54/87 - AP BetrVG 1972 § 87 Provision Nr 6. 1815 BAG 2 0 . 4 . 9 9 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 8 Nr 89.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 XII. Arbeitsentgelt - Begriff und Rechtsgrundlagen

Tarifregelungen bestimmen das Arbeitsentgelt in mehrfacher Hinsicht. Ihre wesentliche Bedeu- 7 8 2 tung liegt zum einen darin, daß sie das Arbeitsentgelt für die qualitative Normalleistung im Sinne der Entgeltwertigkeit bestimmen. In der Regel geschieht dies dadurch, daß in den tarifvertraglichen Regelungswerken Vergütungsgruppen oder Lohngruppen gebildet werden. Sie beschreiben, welche Arten von Arbeitsleistungen ein Arbeitnehmer zu erbringen hat, um Vergütung nach einer bestimmten Vergütungs- oder Lohngruppe beanspruchen zu können. Derartige Beschreibungen sind auf fast allen Tarifgebieten anzutreffen; im öffentlichen Dienst sind sie besonders ausgeprägt. Aber auch in der Privatwirtschaft sind derartige Vergütungs- oder Lohngruppenregelungen in Tarifverträgen äußerst verbreitet. Vergütung- oder Lohngruppenregelungen findet man entweder in Manteltarifverträgen oder in besonderen Vergütungs- oder Lohngruppentarifverträgen. Korrespondierend zu den Vergütungs- und Lohngruppen pflegen die Tarifvertragsparteien weitere Tarifverträge über die Höhe der Gehälter oder Löhne zu vereinbaren, bei denen die Vergütungssätze den einzelnen Vergütungsgruppen oder Lohngruppen zugeordnet sind. Die Frage, in welche Vergütungs- oder Lohngruppe der Arbeitnehmer eingruppiert oder eingereiht 7 8 3 ist, richtet sich nach den vertraglichen Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers, zuweilen - soweit dies als tarifvertragliche Voraussetzung ausdrücklich normiert ist - auch nach seiner Ausbildung und seinen besonderen Kenntnissen oder Erfahrungen. Dabei hat der Eingruppierungsakt in der Regel keine konstitutive, sondern nur eine deklaratorische Bedeutung; gleichwohl hat der Arbeitnehmer Anspruch darauf, eingruppiert zu werden. 1816 Wird dem Arbeitnehmer ein neuer Arbeitsbereich übertragen, so muß der Arbeitgeber die (bisherige) Eingruppierung in die tarifliche Vergütungs- oder Lohngruppe erneut überprüfen. 1817 Ist der Arbeitgeber infolge unrichtiger Tatsachenfeststellung oder falscher Anwendung der Tarifnormen zu einer falsche Eingruppierung gelangt, so kann er diesen Fehler im Wege der korrigierenden Rückgruppierung - zumindest für die Zukunft - wieder beseitigen. 1818 Die Eingruppierung wie auch die Umgruppierung des Arbeitnehmers unterliegt dem Mitbestim- 7 8 4 mungsrecht des Betriebsrates nach $ 99 BetrVG. Dies gilt nicht nur für tarifvertragliche Vergütungsgruppen, sondern ebenso für sonstige, im Betrieb des Arbeitgebers als betriebliches Entlohnungssystem angewendete Vergütungsordnungen. 1819 Soweit ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach $ 99 Abs 4 BetrVG eine bestimmte Entgeltgruppe als zutreffend ermittelt oder als unzutreffend ausgeschlossen hat, kann der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch unmittelbar auf die gerichtliche Entscheidung stützten. Sein Anspruch hängt nicht von einer erneuten Überprüfung der Eingruppierungsvoraussetzungen ab; andererseits ist der Arbeitnehmer aber nicht gehindert, gegenüber dem Arbeitgeber eine günstigere Eingruppierung geltend zu machen, als sie im Beschlußverfahren als richtig erkannt worden ist. 1820 Denn nach bisheriger Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer in einem solchen Eingruppierungsverfahren nicht nach $ 83 ArbGG zu beteiligen. 1821 Der Betriebsrat darf seine Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers nicht mit der Begründung verweigern, daß die Eingruppierung des einzustellenden Arbeitnehmers vom Arbeitgeber nicht oder fehlerhaft vorgenommen worden sei 1 8 2 2 oder der Arbeitnehmer untertariflich bezahlt werde. 1823 Nach § 99 Abs 2 BetrVG kann die Zustimmung zur Eingruppierung nur aus den im Gesetz genannten Gründen verweigert werden; ein Zustimmungsverweigerungsrecht ist nur insoweit gegeben, als der Zustimmungsverweigerungsgrund zur Folge hätte, daß die zustimmungspflichtige Maßnahme insgesamt zu unterbleiben hat. 1 8 2 4 Im Bereich des Personalvertretungsrechts steht dem Personalrat bei der Eingruppierung ein umfassendes Mitbestimmungsrecht ohne Bindung an bestimmte Zustimmungsverweigerungsgründe zu ($ 75 Abs 1 Nr 2 BPersVG; vgl entsprechende Ländernormen). 1816 Std Rspr, statt vieler: BAG 31.10.95 - 1ABR 5/95 - AP BetrVG 1972 $ 99 Eingruppierung Nr 5. 1817 BAG 21.3.95 - 1 ABR 46/94 - AP BetrVG 1972 $ 99 Eingruppierung Nr 4. 1818 BAG 16.2. 2000 - 4 AZR 62/99 - AP Nr 3 zu S 2 NachwG. 1819 BAG 23.11.93 - 1 ABR 34/93 - AP BetrVG 1972 $ 9 9 Nr 111. 1820 BAG 3.5.94 - 1 ABR 58/93 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr 2. Harald Schliemann

1821 BAG 17.5.83 - 1 ABR 5/80 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 18 (Faute); Hauck $ 83 ArbGG Rn 12, mwN. 1822 BAG 2 0 . 1 2 . 8 8 - 1 ABR 68/87 - AP BetrVG 1972 S 99 Nr 62; 10.2.76 - 1 ABR 49/74 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr 4 (Kraft). 1823 BAG 28.3. 2000 - 1 ABR 16/99 - AP BetrVG 1972 $ 99 Einstellung Nr 27. 1824 BAG 28.6.94 - 1 ABR 59/93 - AP BetrVG 1972 $ 99 Einstellung Nr 4.

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7 8 5 Tarifregelungen wirken aber auch insoweit auf das Arbeitsentgelt ein, als in ihnen beschrieben ist, welche quantitative Normalleistung, nämlich welche Arbeitszeitmenge, durch die tarifliche Grundvergütung abgegolten sein soll. In der Sprache der Tarifverträge wird die Normalleistung hinsichtlich ihres zeitlichen Umfanges üblicherweise als regelmäßige Arbeitszeit bezeichnet. Wird die regelmäßige Arbeitszeit überschritten, so fällt Mehrarbeit (Rn 636 ff) an. In der Regel fällt in diesem Sinne Mehrarbeit an, wenn entweder die regelmäßige Arbeitszeit pro Arbeitstag überschritten wird oder aber die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Zunehmend wird dieser Regelungsmechanismus jedoch im Hinblick auf die Arbeitszeitflexibilisierung in der Weise aufgelöst, daß Über- oder Unterschreitungen der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit oder der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit innerhalb von Ausgleichszeiträumen ausgeglichen werden können, ohne daß Mehrarbeit iSd Tarifvertrages oder Mehrarbeitszuschläge anfallen (Rn 650,651). 1825 Verbreitet sind aber auch tarifvertragliche Regelungen über Zuschläge zum Arbeitsentgelt wegen der Lage der Arbeitszeit, zB Zuschläge für Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, Spätarbeit usw. Weitverbreitet sind Tarifvertragsregelungen über Erschwerniszuschläge zum Arbeitsentgelt. 7 8 6 Außerhalb des Bereichs der laufenden Bezahlung regeln Tarifverträge in weiten Teilen besondere Arten der Vergütung, so zB Urlaubsgeld, höhere oder längere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld), vermögenswirksame Leistungen und vieles andere mehr. Zum Teil wird auch die betriebliche Altersversorgung durch Tarifverträge geregelt. c)

Betriebsvereinbarungen über Arbeitsvergütungen

7 8 7 Als Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Vergütung des Arbeitnehmers kommt auch eine Betriebsvereinbarung (vgl Rn 525 ff) in Betracht, soweit deren Wirksamkeit nicht am Tarifvorbehalt des § 77 Abs 4 BetrVG scheitert. Regelungsabreden können insoweit als Anspruchgrundlage für Vergütungsforderungen in Betracht kommen, als sie durch stillschweigende Annahme der in ihnen liegenden Vertragsangebote des Arbeitgebers zum Inhalt des Arbeitsvertrags werden (vgl Rn 527). aa)

Tarifvorbehalt, Regelungssperre

7 8 8 Nach § 77 Abs 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (vgl Rn 526), es sei denn, daß ein Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuläßt. 1826 Diese Regelungssperre infolge des Tarifvorbehalts wird nur durch eine tarifliche Regelung ausgelöst, nicht aber durch gesetzliche Regelungen. Die Sperrwirkung greift ein, wenn die Arbeitsbedingungen im Tarifvertrag geregelt sind und der Tarifvertrag nach seinem Geltungsbereich einschlägig ist. 1827 Für die Auslösung der Sperrwirkung kommt es dagegen nicht darauf an, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist. 1828 Ebenso wird die Sperrwirkung ausgelöst, wenn die Arbeitsbedingungen üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt wird. Hierfür genügt es, daß die Arbeitsbedingung bereits einmal durch einen Tarifvertrag geregelt war und anzunehmen ist, sie werde auch künftig wieder durch Tarifvertrag geregelt werden, auch wenn zur Zeit keine tarifliche Regelung besteht. 1829 Die Wirkung der Regelungssperre besteht darin, daß eine unter Mißachtung des § 77 Abs 3 BetrVG abgeschlossene Betriebsvereinbarung unwirksam ist. 1830 Eine vor Inkrafttreten des Tarifvertrags abgeschlossene Betriebsvereinbarung wird mit Inkrafttreten der tariflichen Regelung verdrängt.1831

1825 BAG 16.2. 2000 - 4 AZR 933/98 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 170; Eich NZA 95 149, 152. 1826 BAG 2 0 . 4 . 9 9 - 1AZR 631/98 - AP BetrVG 1972 $ 77 Tarifvorbehalt Nr 12. 1827 BAG 2 7 . 1 . 8 7 - 1 ABR 66/85 - AP BetrVG $ 99

Nr 42 (Zängl).

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1828 BAG 2 0 . 4 . 9 9 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9 Nr 89. 1829 Strittig, wie hier: BAG 2 3 . 1 0 . 8 5 - 4 AZR 119/84 AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 33. 1830 BAG 2 0 . 4 . 9 9 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art 9 Nr 89.

1831 Kreaiz/GKBetrVG J 77 Rn 111; Fitting/Kaiser/Heither/Engels S 77 BetrVG Rn 88; jeweils mwN.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 ΧΠ. Arbeitsentgelt - Begriff und Rechtsgrundlagen

bb)

Gegenstände der Betriebsvereinbarungen über Vergütungsregelung

Betriebsvereinbarungen über Fragen der Vergütung bzw des Arbeitsentgeltes oder des Arbeits- 7 8 9 lohnes können nach näherer Maßgabe des $ 87 Abs 1 Nr 10 und 11 BetrVG geschlossen werden, also über Fragen der Gestaltung sowie Regelungen über Akkord- oder Prämienlohn oder vergleichbare leistungsbezogene Entgelte (Rn 811 ff). 183Z Solche Betriebsvereinbarungen über Entgeltfragen sind wirksam, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Durch den Tarifvorrang des § 87 Abs 1 Eingangssatz BetrVG wird die Mitbestimmung des Betriebsrates nach $ 87 Abs 1 BetrVG nur dann ausgeschlossen, wenn eine inhaltliche und abschließende tarifliche Regelung über den Mitbestimmungsgegenstand besteht; das ist nicht der Fall, wenn das Mindestentgelt im Tarifvertrag geregelt ist, der Arbeitgeber aber darüber hinaus eine betriebliche über-/außertarifliche Zulage gewährt. Der Tarifvorbehalt des $ 77 Abs 3 BetrVG steht einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr 10 und 11 BetrVG bei der Festlegung Kriterien für über-/außertarifliche Zulagen nicht entgegen. 1833 Betriebsvereinbarungen enthalten auch häufig Vergütungsregelungen im Zusammenhang mit be- 7 9 0 trieblichen Regelungen der Lage der Arbeitszeit einschließlich der Lage und Dauer der Pausen (§ 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG) und der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (Mehrarbeit, Überstunden). Wird im Wege der Betriebsvereinbarung Kurzarbeit eingeführt, so hat der Arbeitnehmer den Verlust der Entgeltansprüche infolge der eingeschränkten Arbeitszeit grundsätzlich hinzunehmen; er behält jedoch seinen Lohnanspruch in Höhe des Kurzarbeitergeldes, wenn das Kurzarbeitergeld vom Arbeitsamt für eine mit dem Betriebsrat vereinbarte Kurzarbeitsperiode rückwirkend widerrufen wird. Für eine Regelung zur finanziellen Abmilderung der Einkommensverluste bei Kurzarbeit durch Zuzahlung des Arbeitgebers besteht kein zwingendes Mitbestimmungsrecht, 1834 auch wenn das Mitbestimmungsrecht des $ 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG den Arbeitnehmer auch vor Einkommenseinbußen schützen soll. 1835 Dagegen sind auch insoweit freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG möglich. In der Praxis häufig anzutreffen sind auch Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung. d)

Betriebliche Übung

Rechtsgrundlage für Ansprüche der Arbeitnehmer auf Vergütung kann auch eine betriebliche Übung 7 9 1 sein (Rn 529-534), insbesondere für angeblich freiwillige Leistungen wie zB Gratifikationen, 1836 betriebliche Altersversorgung, 1837 kostenloser Transport zur Arbeitsstelle 1838 oder für die Zahlung einer Heimzulage trotz Fehlens der statuarischen Voraussetzungen.1839 Zahlt ein öffentlicher Arbeitgeber eine übertarifliche Zulage rechtsgrundlos in der irrigen Annahme des Bestehens einer entsprechenden tariflichen Verpflichtung, so kann er sich von der Weitergewährung einseitig ohne Änderungskündigung und ohne Einschaltung des Personalrates lossagen. 1840 Betriebliche Übung können auch jährliche Gehaltsanpassungen sein, nämlich dann, wenn aus dem 7 9 2 Verhalten des Arbeitgebers auf dessen Bindungswillen auch für die Zukunft zu schließen ist. Ist im Bereich des öffentlichen Dienstes eine über Jahre hinweg erfolgte Anpassung einer vertraglich vereinbarten Vergütung an die jeweilige Erhöhung der Beamtenbesoldung daraufhin zu würdigen, ob insoweit eine betriebliche Übung entstanden ist, so ist dabei für solche Erwägungen kein Raum, die bei freiwilligen oder übertariflichen Leistungen im Bereich des öffentlichen Dienstes gegen das Vorliegen einer betrieblichen Übung sprechen. 1841 Erhöht ein Arbeitgeber der Privatwirtschaft die Gehälter seiner außertariflichen Angestellten während mehrerer Jahre jeweils zum 1. Januar in Anlehnung an

1832 S Rn 826-831. 1833 BAG (GS) 3 . 1 2 . 9 1 - GS 2/90 - AP BetrVG 1972 S 87 Lohngestaltung Nr 51. 1834 BAG 1 1 . 8 . 9 0 - 11. Juli 1990 - AP BGB $ 611 Betriebsrisiko Nr 32. 1835 BAG 2 1 . 1 1 . 7 8 - 1 ABR 67/76 - AP BetrVG 1972 $ 87 Arbeitszeit Nr 2 (Wiedemann/Moll). 1836 Std Rspr, statt vieler: BAG 2 8 . 2 . 9 6 - 10 AZR 516/ 95 - AP BGB s 611 Gratifikation Nr 192. Harald Schliemann

1837 BAG 2 9 . 1 0 . 8 5 - 3 AZR 462/83 - AP BetrAVG $ 1 Betriebliche Übung Nr 2. 1838 BAG 9 . 7 . 8 5 - 1 AZR 631 /80 - AP BPersVG $ 75 Nr 16. 1839 BAG 26.5.93 - 4 AZR 130/93 - AP AVR S 12 Diakonisches Werk Nr 3. 1840 BAG 7 . 5 . 8 6 - 4 AZR 556/83 - AP BAT $ 4 Nr 12. 1841 BAG 5 . 2 . 8 6 - 5 AZR 632/84 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr 21 (Scheuring).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

eine Tarifentwicklung des Vorjahres, teilt er jedoch seine Erwägungen im jeweiligen Einzelfall dem begünstigten Angestellten mit, so entstehen aus diesem Verhalten weder kraft einzelvertraglicher Zusage noch kraft betrieblicher Übung Ansprüche auf entsprechende Gehaltserhöhungen auch in den Folgejahren; der Arbeitgeber wird hierdurch auch nicht verpflichtet, zukünftig über die Frage der Gehaltserhöhung nach billigem Ermessen iSd $ 315 BGB zu entscheiden. 1842 Ist der Arbeitgeber aufgrund einer Betriebsvereinbarung zur jährlichen Gehaltsüberprüfungen verpflichtet, so lassen auch mehrfache, jährlich wiederholte Gehaltserhöhungen nach immer denselben Kriterien keine betriebliche Übung entstehen, die zu weiteren Gehaltserhöhungen verpflichtet.1843 e)

Gleichbehandlung, Diskriminierungs- und Benachteiligungsverbote

7 9 3 Die allgemein vom Arbeitgeber zu beachtenden unterschiedlichen Gleichbehandlungs- und Gleichberechtigungeregelungen (vgl Rn 762), vor allem der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (Rn 117 ff, 120-126), die speziellen Gleichbehandlungsgebote beim Entgelt zB der Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau nach § 612 Abs 3 (Einzelheiten: $ 612 Rn 40-80) und EGRecht sowie die verschiedenen Diskriminierungsverbote, zB nach § 4 TzBfG (vgl wegen Teilzeit: Rn 671, 672, wegen Befristung: $ 620 Rn 48 ff) können Rechtsgrundlage für Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern sein. Dies betrifft vor allem freiwillige Leistungen, 1844 die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung, 1845 aber auch andere Vergünstigungen. f)

Gesetz

7 9 4 Als Rechtsgrundlage für Ansprüche auf Arbeitsentgelt kommt schließlich auch das Gesetz in Betracht. Dies betrifft nach geltendem Recht allerdings nur die Fälle der nicht oder unwirksam getroffenen Vergütungsvereinbarung; in solchen Fällen richtet sich die Vergütung nach den $§612 Abs 1 und 2 BGB (Einzelheiten: § 612 Rn 3-39). Dagegen gibt es keine anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen des Inhaltes, wonach eine bestimmte Arbeit oder bestimmte Arten von Arbeit mit einem bestimmten Mindestlohn zu bezahlen sind. Das Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen 1846 besteht zwar, es hat jedoch angesichts des darin normierten Vorrangs der Bildung von Arbeitsbedingungen durch freie Vereinbarung zwischen Tarifvertragsparteien durch Tarifverträge ($ 1 Abs 1) keine praktische Bedeutung erlangt. Zudem sind die vorgesehenen materiellen Mindestarbeitsbedingungen nicht festgesetzt worden. Auch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz 1847 gewährt dem einzelnen Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Mindestarbeitsbedingungen, sondern schreibt lediglich unter Wettbewerbsgesichtspunkten Mindestbedingungen aufgrund von Tarifverträgen für entsandte Arbeitnehmer im Baugewerbe und in der Seeschiffahrtsassistenz vor. 1848 Die Tarifverträge werden durch eine Rechtsverordnung für verbindlich erklärt. Das Verfahren ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verletzt Arbeitgeber des Baugewerbes nicht in ihrem Grundrecht der Koalitionsfreiheit.1849 Dagegen bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, eine tarifgerechte Entlohnung mit Hilfe sogenannter Tariftreueerklärungen durchsetzen zu wollen, die Bieter gegenüber öffentlichen Auftraggebern abzugeben haben. 1850

1842 BAG 4.9.85 - 7 AZR 262/83 - AP BGB $ 242 Betriebliche Übung Nr 22. 1843 BAG 16.9.98 - 5 AZR 598/97 - AP BGB S 242 Betriebliche Übung Nr 54. 1844 ZB BAG 19.4.95 - 10 AZR 344/94 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 124; 25.4.95 - 9 AZR 690/93 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr 130. 1845 ZB BAG 7.3.95 - 3 AZR 282/94 - AP BetrAVG S 1 Gleichbehandlung Nr 26. 1846 Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vom 11.1. 1952 (BGBl I 17). 248

Harald Schliemann

1847 Gesetz Uber zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (ArbeitnehmerEntsendegesetz - AEntG) vom 26.2. 1996 (BGBl I 227), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.12. 2000 (BGBl I 1983). 1848 P. Hanau NJW 96 1369. 1849 BVerfG 18.7.2000 - 1 BvR 948/00 - AP AEntG $ 1 Nr 4 1850 BGH 18.1. 2000 - KVR 23/98 - AP GWB S 20 Nr 1 (Vorlagebeschluß an das BVerfG).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag § 611 ΧΠ. Arbeitsentgelt - Begriff und Rechtsgrundlagen

4.

Änderungen der Entgeltregelungen

Bei der Änderung der Entgeltregelungen sind grundsätzlich die Fälle der Entgelterhöhung von den 7 9 5 Fällen der Entgeltabsenkung oder Strukturveränderung zu unterscheiden. Bei der Entgelterhöhung werden in aller Regel Schutznormen zugunsten des Arbeitnehmers nicht berührt, anders dagegen bei der Absenkung von Arbeitsentgelten oder deren Strukturveränderung. a)

Entgelterhöhungen

Die Erhöhung des Arbeitsentgeltes bzw der Vergütung des Arbeitnehmers ist arbeitsrechtlich relativ 7 9 6 unproblematisch. Arbeitsvertraglich kann die Arbeitsvergütung ganz oder teilweise jederzeit durch Vereinbarung er- 7 9 7 höht werden. Derartige Vereinbarungen können ausdrücklich getroffen werden; soweit allgemeine Entgelterhöhungen durch freiwillige Handhabung des Arbeitgebers erfolgen, kommen in der Regel stillschweigende Vereinbarungen zustande. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist unbeachtlich, soweit Gehaltserhöhungen individuell ausgehandelt und vereinbart werden. Dagegen gilt er für freiwillige Gehaltserhöhungen, soweit der Arbeitgeber dabei nach abstrakten Regeln verfährt.1851 Ist die Höhe der Arbeitsvergütung im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich geregelt, sondern ergibt sie sich 7 9 8 aus einem Tarifvertrag, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Tariflohnerhöhung, wenn der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung zwingend gilt (Rn519) oder wenn seine dynamische Anwendung im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist (522,523). Über- oder außertarifliche Zulagen pp können auf die Tariflohnerhöhung angerechnet werden, soweit diese Entgeltbestandteile als freiwillig, widerruflich bzw als auf die Tariflohnerhöhung anrechenbar vereinbart worden sind. 1852 Die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen und der Widerruf von 7 9 9 über-/außertariflichen Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung unterliegen dann nach § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt; dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung erfolgt oder sich automatisch, zB aufgrund einer Regelung im Arbeitsvertrag, vollzieht. 1853 Kein Mitbestimmungsrecht besteht allerdings, wenn durch die Anrechnung alle übertariflichen Zulagen entfallen oder die gesamte Tariflohnerhöhung angerechnet wird; ebenso besteht kein Mitbestimmungsrecht, wenn sich durch die Anrechnung - ausnahmsweise - das Verhältnis der einzelnen Tarifzulagen zueinander nicht ändert. Ein kollektiver Tatbestand, der ein Mitbestimmungsrecht nach sich zieht, liegt in der Regel vor, wenn die Tariflohnerhöhung gegenüber einzelnen Arbeitnehmern aus Leistungsgründen angerechnet, bei anderen jedoch voll weitergegeben wird. 1854 Entsprechendes gilt bei ungleichmäßiger Anrechnung infolge zu langer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. 1855 Dagegen liegt kein kollektiver, zur Mitbestimmung führender Tatbestand vor, wenn die Tariflohnerhöhung einem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber mit Rücksicht darauf nicht vorgenommen wird, daß dieser trotz Umsetzung auf einen tariflich niedriger bewerteten Arbeitsplatz unverändert die bisherige Arbeitsvergütung erhalten hat. 1856 Ähnlich verhält es sich bei einer Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf Wunsch eines Arbeitnehmers zur Vermeidung steuerlicher Nachteile.1857 Mitbestimmungspflichtig ist aber der Fall, daß der Arbeitgeber eine Tariflohnerhöhung zunächst voll anrechnet, auf der Grundlage eines einheitlichen Konzeptes jedoch „wenig später" die Zusage einer

1851 BAG 15.11.94 - 5 AZR 682/93 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 121. 1852 BAG 3.6.87 - 4 AZR 44/87 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 58; sa die Nachweise in BAG (GS) 3.12.91 - GS 2/90 - AP BetrVG 1972 $ 87 Lohngestaltung Nr 51. 1853 BAG (GS) 3.12.91 - GS 2/90 - AP BetrVG 1972 S 87 Lohngestaltung Nr 51. Harald Schliemann

1854 BAG 22.9.92 - 1 AZR 459/90 $ 87 Lohngestaltung Nr 56 (Hennsler). 1855 BAG 22.9.92 - 1 AZR 460/90 S 87 Lohngestaltung Nr 60 (Hennsler). 1856 BAG 22.9.92 - 1 AZR 461/90 S 87 Lohngestaltung Nr 57 (Hennsler). 1857 BAG 27.10.92 - 1 ABR 17/92 $ 87 Lohngestaltung Nr 61.

AP BetrVG 1972 AP BetrVG 1972 AP BetrVG 1972 AP BetrVG 1972

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

neuen übertariflichen Leistung, auch einer Einmalzahlung, erklärt 1858 oder wenn der Arbeitgeber bei einer zweistufigen Lohnerhöhung nur die zweite, nicht aber die erste Tariflohnerhöhung anrechnet und dies wiederum auf einem einheitlichen Regelungskonzept beruht. 1859 b)

Absenkungen, Strukturveränderungen

8 0 0 Zu Lasten des Arbeitnehmers wirkende Absenkungen oder Strukturveränderungen des Arbeitsentgelts bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer entsprechenden Rechtsgrundlage. 8 0 1 Individualrechtlich sind derartige Veränderungen auf der Grundlage des Arbeitsvertrages möglich, soweit die Vergütungsleistungen des Arbeitgebers freiwillig, widerruflich oder in vergleichbarer Weise derart geregelt sind, daß sie zur Disposition des Arbeitgebers stehen (Rn 540-542). Absenkungen des Arbeitsentgeltes können auch eintreten, wenn Entgeltbedingungen inhaltlich flexibel gestaltet sind und sich das Arbeitsentgelt nach variablen Größen richtet, wie zB Provisionen, Gewinnbeteiligungen, Tantiemen, Indexklauseln oder Spannungsklauseln.1860 8 0 2 Einzelvertragliche Änderungen der Vergütungsbedingungen oder -höhe sind jederzeit möglich. Dadurch dürfen jedoch Tarifentgelte nicht unterschritten werden (§ 4 Abs 3 TVG), soweit die Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung oder Allgemeinverbindlicherklärung zwingend und unmittelbar gelten ($$ 4 Abs 1; 3 Abs 1; 5 Abs 4 TVG - vgl Rn 519 ff). 803

Erzielen die Arbeitsvertragsparteien keine Einigung über die Änderung der Entgeltbedingungen, so bleibt hierfür nur der Weg der Änderungskündigung. Wird mit ihr die Absenkung der Arbeitsentgeltbedingungen oder deren Strukturveränderung angestrebt, so wird sie in aller Regel vom Arbeitgeber ausgesprochen. Sie bedarf dann im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes der sozialen Rechtfertigung. 1 8 6 1 Dabei stellen weder der Entschluß, die Lohnkosten zu senken, noch eine zu diesem Zweck ausgesprochene Änderung der Kündigung selbst einen im Kündigungsschutzprozeß von den Gerichten als vorgegeben hinzunehmende, grundsätzlich bindende Unternehmerentscheidung dar. 1862 Das dringende Bedürfnis, eine unselbständige Betriebsabteilung (Werkstatt) wegen zu hoher Kostenbelastung zu sanieren, begründet für sich allein noch kein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung zum Zwecke der Streichung außertariflicher Zulagen gegenüber der in der Werkstatt beschäftigten Arbeitnehmern; abzustellen ist vielmehr auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des ganzen Betriebes. 1863 Die Wirksamkeit der Änderungskündigung hängt von der Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (§ 102 BetrVG) bzw des Personalrates (§ 79 BPersVG und entsprechenden Normen der Landespersonalvertretungsgesetze) ab. 1 8 6 4

8 0 4 Entsprechendes gilt für Strukturveränderungen hinsichtlich des Arbeitsentgeltes. Wenn die Struktur des Arbeitsentgeltes auf einer Betriebsvereinbarung beruht, kann eine Änderung mit individualrechtlicher Wirkung durch den Abschluß der neuen Betriebsvereinbarung über Entgeltstrukturen herbeigeführt werden, denn derartige Betriebsvereinbarungen wirken nach § 77 Abs 4 BetrVG für das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend. Soweit Betriebsvereinbarungen indessen nicht greifen, können derartige Strukturveränderungen nicht ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers herbeigeführt werden. Denkbar ist allerdings, vor allem hinsichtlich Provisionsvereinbarungen widerrufliche oder befristete Regelungen im Arbeitsvertrag zu treffen. Hierdurch dürfen allerdings nicht die Regelungen des gesetzlichen Änderungsschutzes umgangen werden (Rn 541).

1858 BAG 17.1.95 - 1 A B R 1 9 / 9 4 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr 71. 1859 BAG 14.2.95 - 1 ABR 41/94 - AP BetrVG 1972 $ 87 Lohngestaltung Nr 72. 1860 MünchArbR/Hanau § 60 Rn 91 mwN. 1861 Std Rspr, statt vieler: BAG 23.11. 2000 - 2 AZR 547/99 - AP KSchG 1969 § 2 Nr 62; 17.6.98 - 2 AZR 336(97) - AP KSchG 1969 $ 2 Nr 49.

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1862 BAG 2 0 . 3 . 8 6 - 2 AZR 294/85 - AP KSchG 1969 S 2 Nr 14. 1863 BAG 11.10.89 - 2 AZR 61/89 - AP KSchG 1969 $ 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr 47 (Berger-Delhey). 1864 BAG 17.6.98 - 2 AZR 336 (97) - AP KSchG 1969 S 2 Nr 49.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 ΧΠΙ. Arbeitsentgelt - Bemessung

XIII. Arbeitsentgelt - Bemessung Die Bemessung des Arbeitsentgeltes richtet sich nach den für das Arbeitsverhältnis abzuwendenden 80S Rechtsgrundlagen Soweit es nicht um freiwillige Leistungen geht, sondern um geschuldetes Arbeitsentgelt, sind vier Grundformen zu unterscheiden: Zeitbezogenes Arbeitsentgelt, leistungsbezogene Vergütung, Zuschläge für besondere Leistungen und Zulagen. Die Terminologie ist, vor allem bei Zuschlägen und Zulagen, uneinheitlich. 1.

Zeitbezogenes Entgelt

Zeitbezogen ist das Arbeitsentgelt, wenn es für die Arbeitsleistung während einer bestimmten Zeit- 8 0 6 dauer bemessen ist. Zeitbezogenes Entgelt kann der Arbeitnehmer beanspruchen, sobald er die Arbeitsleistung für den 8 0 7 Bemessungs- oder Abrechnungszeitraum erbracht hat oder ihm aus anderen Gründen der Vergütungsanspruch zusteht. Insoweit kommt es auf den vom Arbeitgeber mit der Arbeitsleistung bezweckten Erfolg nicht an. a)

Gehalt

Als Gehalt wird die einem Arbeitnehmer für seine in einem Kalendermonat anfallende regelmäßige 8 0 8 Arbeitsleistung gezahlte gleichbleibende Vergütung bezeichnet. Für die Höhe des Gehaltes ist unerheblich, wie viele Arbeitstage im jeweiligen Kalendermonat anfallen. Das Gehalt ist die übliche zeitbezogene Vergiitungsbemessungsform für Angestellte und für Handlungsgehilfen. Monatsbezogen ist auch das Fixum, dh die monatliche Grundvergütung für Angestellte, die gegen eine solche Grundvergütung und leistungsbezogene Vergütung, in der Regel gegen Provision, tätig sind. Von der Bemessung nach Monatsabschnitten ist die Fälligkeit des Gehaltes bzw des Fixums zu unterscheiden. Kaufmännische Angestellte (Handlungsgehilfen) iSd Handelsgesetzbuches haben Anspruch auf Zahlung des ihnen zukommenden Gehaltes am Schluß jeden Monats; eine Vereinbarung, nach der die Zahlung des Gehalts später erfolgen soll, ist nichtig ($ 64 HGB). Für andere Angestellte fehlt es an einer entsprechenden zwingenden Regelung. Jedoch sind, soweit nichts anderes vereinbart ist, Gehälter nach S 614 BGB am Schluß des laufenden Monats zu zahlen (Einzelheiten bei S 614). b)

Lohn

Die typische zeitbezogene Entgeltform für Arbeiter ist dagegen der Stundenlohn, dh ein fester Betrag 8 0 9 für jede geleistete Arbeitsstunde. Je nach Zahl der Arbeitsstunden schwankt der Lohn, auch wenn er in festen Zeitabschnitten, in der Regel einmal pro Monat, zuweilen auch noch einmal pro Woche oder - nur noch selten - tageweise abgerechnet wird. Soweit in diesem Zusammenhang Ausdrücke wie Wochenlohn oder Monatslohn verwendet werden, ist häufig nicht die Bemessung des Entgeltes gemeint, sondern die Abrechnungsperiode iSd S 614 S 2 BGB. Bei Arbeitern ist eine Tendenz zur Angleichung der Entgeltbemessung an Angestellte festzustellen, insbesondere durch Abschluß gemeinsamer Tarifverträge. 1865 Die damit verbundene Tendenz zur Entgeltverstetigung wird nicht zuletzt durch die erhöhte Flexibilisierung der Lage der Arbeitszeit (dazu Rn 649-651 und Rn673) gefördert ($614 Rn 17 ff). c)

Höhe, Eingruppierung, Mitbestimmung

Die Höhe der zeitbezogenen Vergütung richtet sich in erster Linie nach der arbeitsvertraglichen 8 1 0 Vereinbarung bzw als Mindestentgelt (vgl $ 4 Abs 3 TVG) nach den Bestimmungen der zwingend und unmittelbar geltenden Tarifverträge (Rn 519 ff).Die maßgebliche Höhe des tariflichen Arbeitsentgel1865 ZB Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie vom 18.7.87 (NZA 87 768) und ablösende Tarifvertrage; (gemeinsamer) Lohn- und GehaltsrahmentarifHarald Schliemann

vertrag für die Beschäftigten der niedersächsischen Metallindustrie vom 17.10. 1994; Hundt AuA 93 199.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

tes folgt aus den einschlägigen Vergütungsgruppen oder Lohngruppen des Tarifvertrages, meistens eines Mantel- oder Lohnrahmentarifvertrags in Verbindung mit der dazu gehörigen tariflichen Entgeltregelung (Rn 783, 784). Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine tarifgerechte Eingruppierung oder Einreihung in die zutreffende Vergütungsgruppe oder Lohngruppe (Rn 783). Bei in ihrer tariflichen Wertigkeit gemischten Tätigkeiten entscheidet in der Regel die (zeitlich) überwiegende Tätigkeit, es sei denn, daß der Tarifvertrag ausdrücklich andere Regelungen enthält. 1866 Ändert sich die tarifliche Bewertung der dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeit oder wird ihm eine tariflich höherwertige Tätigkeit zugewiesen oder übertragen, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine entsprechende Umgruppierung, 1867 es sei denn, daß mit dem Arbeitnehmer ein bestimmtes Arbeitsentgelt vereinbart worden ist und Tarifverträge nicht zwingend anzuwenden sind. 2.

Leistungsbezogenes Entgelt

81Í Die Bemessung des Arbeitsentgeltes braucht aber nicht von der Arbeitszeit abhängig gemacht zu sein, die der Arbeitnehmer geleistet hat, sondern kann statt dessen von der Menge der geleisteten Arbeit abhängig gemacht werden. Hierzu können unterschiedliche Anknüpfungen an die Arbeitsleistung vereinbart werden. a)

Akkordlohn

812 Die verbreitetste leistungsbezogene Entgeltform ist der Akkordlohn. Bei ihm sind zwei Gruppen zu unterscheiden, nämlich der Geldakkord und der Zeitakkord. Beim Geldakkord wird das Entgelt für die einzelne Arbeitsleistung, in der Regel das einzelne Werkstück, durch einzelne gegenständliche Dienstleistung (zB Wartung einer Maschine) festgelegt; Grundlage ist üblicherweise eine grobe Schätzung der zur Herstellung des Stückes oder zur Erbringung der kompletten Dienstleistung erforderlichen Zeit unter Berücksichtigung des Akkordrichtsatzes. Beim Zeitakkord wird dem Arbeitnehmer für das fertigzustellende Werkstück oder die fertigzustellende Dienstleistung eine bestimmte Zeit vorgegeben, der sog. Zeitwert. Er wird meistens in Zeitminuten, zuweilen auch in Industrieminuten, vorgegeben. Jede Akkordminute wird dann mit dem Akkordsatz multipliziert. Die Höhe des erzielbaren Akkordlohns richtet sich nach der Akkordvorgabe. Beim Geldakkord ist sie der für die Leistungseinheit festgesetzte Geldwert, beim Zeitakkord ist sie der Zeitwert. Die Akkordvorgabe erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung des Akkordrichtsatzes, dh der Beschreibung, welchen Verdienst ein Akkordarbeiter bei normaler Arbeitsleistung pro Arbeitsstunde erreichen soll. 1868 In der jeweiligen Rechtsgrundlage für den Akkordlohn sind häufig Mindestlohngarantien vereinbart, um zu gewährleisten, daß das Einkommen des Arbeitnehmers nicht zu tief absinkt; in den Tarifverträgen ist üblich, daß die Mindestgarantie für den Akkordlohn den Tariflohn überschreitet. b)

Prämienlohn

813 Der Prämienlohn ist ebenfalls eine leistungsbezogene Vergütungsform. Bei ihm werden die Leistungen des Arbeitnehmers insgesamt oder einzelne Aspekte der Leistungserbringung gemessen und zu einer Bezugsleistung (Normalleistung) ins Verhältnis gesetzt. 1869 Der Zweck des Prämienlohnes und damit seine Ausrichtung kann sehr unterschiedlich sein. Er kann zur Erhöhung der Menge der Arbeit ebenso eingesetzt werden wie zur Erhöhung der Qualität der Arbeit, zB für Mängelfreiheit der gearbeiteten Werkstücke oder der Arbeitsleistung insgesamt. Er kann auch zur besseren Nutzung der

1866 Std Rspr, vgl f ü r die Privatwirtschaft BAG 7 . 1 1 . 9 0 - 4 AZR 67/90 - AP TVG $ 1 Tarifverträge Einzelhandel Nr 41; vgl f ü r den öffentlichen Dienst: BAG 2 4 . 8 . 8 3 4 AZR 302/83 - AP BAT SS 22, 23 Nr 79. 1867 BAG 6 . 6 . 8 4 - 4 AZR 203/82 - AP BAT SS 22, 23 Nr 91.

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1868 Siehe i m einzelnen: Fitting/KaiserfHeither/Engeb S 87 BetrVG Rn 489 ff. 1869 BAG 1 3 . 9 . 8 3 - 1 ABR 32/81 - AP BetrVG 1972 S 87 Prämie N r 3 (Hanau).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 ΧΙΠ. Arbeitsentgelt - Bemessung betrieblichen Anlagen oder zur größeren Ausnutzung von Materialien oder zur Belohnung von Ersparnissen bei Rohstoffen, Energie oder Zeit eingesetzt werden. 1 8 7 0 Prämienlohn kann auch als Zulage zum Zeitlohn ausgestaltet sein. c)

Leistungslohn und -Zulagen

Neben Akkordlohn und Prämienlohn gibt es auch noch sonstige vergleichbare leistungsbezogene

814

Entgelte. Auch bei ihnen wird ein vom Arbeitnehmer jedenfalls beeinflußbares Arbeitsergebnis errechnet und in das Verhältnis zu einer Bezugsleistung (Normalleistung) gesetzt. Hierzu gehören insbesondere Leistungszulagen, zB für das Arbeitsergebnis, die Arbeitsausführung, den Arbeitseinsatz, die Arbeitssorgfalt, Arbeitssicherheit, Termintreue, die - vom Arbeitnehmer beeinflußbar und in das Verhältnis zur Normalleistung gesetzt - als Zulagen oder Zuschläge zum Normalentgelt gezahlt werden. 1 8 7 1 So kann zB das Ergebnis und die Höhe einer persönlichen Zulage vom Ergebnis einer methodischen Leistungsbeurteilung des Arbeitnehmers abhängig gemacht werden; wird dies in das Verhältnis zu einer Normalleistung eines durchschnittlichen Arbeitnehmers gesetzt, so handelt es sich um leistungsbezogenes Arbeitsentgelt. 1 8 7 2 Zielerreichungsprämien können - j e nach Ausgestaltung - der Sache nach Leistungs- oder Prämienlohn oder entsprechende Zulagen darstellen. Nicht zu den sonstigen leistungsbezogenen Entgelten zählen idR die sog Leistungszulagen, denn sie werden idR nicht für das kontrollierte Erreichen einer Zielvorgabe oder -Vereinbarung gezahlt, sondern nur in Erwartung einer nicht unterdurchschnittlichen Leistung. Ebensowenig zählen T a n t i e m e n oder Jahresabschlußvergütung hierzu, denn bei ihnen wird nicht an den Arbeitserfolg der einzelnen Arbeitnehmers angeknüpft, sondern an das idR wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens. d)

Provision

Bei Provisionen handelt es sich zwar auch um leistungsbezogene Entgelte; es ist jedoch bei ihnen danach zu unterscheiden, ob sie an eine Normalleistung anknüpfen oder an welchen Parametern, zB Umsatz, Bruttoertrag usw, sie zu messen sind. Das BAG hatte zunächst reine Abschlußprovisionen als leistungsbezogene Entgelte iSd § 87 Abs 1 Nr 11 BetrVG angesehen. 1 8 7 3 Es hat diese Ansicht jedoch hinsichtlich der reinen Abschlußprovision aufgegeben; sie stellt kein vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt iSd $ 87 Abs 1 Nr 11 BetrVG dar. 1 8 7 4 Diese Ansicht ist nicht unumstritten. 1 8 7 5 Der neueren Ansicht des BAG dürfte in den Fällen zuzustimmen sein, in denen die Provisionssätze unabhängig vom Leistungsverhalten des Arbeitnehmers bleiben. Verändern sich jedoch die Provisionssätze, zB in Form von Staffelprovisionen bei höheren Umsätzen oder größeren Bruttoerträgen, so wird innerhalb des Systems an eine Normalleistung angeknüpft; dies hat zur Folge, daß derartige Provisionen dann ein leistungsbezogenes Entgelt darstellen. Bei sog Anteils- oder Leistungsprovisionen handelt es sich dagegen nicht um leistungsbezogenes Entgelt. Sie fließen Vorgesetzten innerhalb einer Außendienst-

815

organisation zu und beruhen nicht unmittelbar auf deren persönlichen Einsatz; insoweit fehlt es an einer (meßbaren) Leistungsbezogenheit. 1 8 7 6 3.

Entgeltzuschläge

Zusätzlich zum normalen Arbeitsentgelt haben Arbeitnehmer sehr häufig aufgrund besonderer Rechts-

816

grundlage Anspruch auf Entgeltzuschläge, insbesondere auf Mehrarbeitszuschläge, Zuschläge für die Leistung von Überstunden oder Zuschläge für Dienst zu ungünstigen Zeiten, zB für Nachtarbeit, Spätarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit. Derartige Zuschläge fallen nur an, soweit die Arbeit in dem Umfang bzw zu den Zeiten geleistet wird, für die die Zuschläge bestimmt sind. 1870 Kiittner/Griese Personalbuch Lohnformen Rn 6. 1871 Fitting/KaiserfHeither/Engels 5 87 BetrVG Rn 517 ff mwN. 1872 BAG 28.2.84 - 1 ABR 37/82 - AP BetrVG 1972 S 87 Tarifvorrang Nr 4. 1873 BAG 29.3.77 - 1 ABR 123/74 - AP BetrVG 1972 $ 87 Provision Nr 1 (Schulze-Osterloh). Harald Schliemann

1874 BAG 13.3.84 - 1 ABR 57/82 - AP BetrVG 1972 S 87 Provision Nr 4 (Hanau). 1875 Fitting/Kaiser/Heither/Engels $87 BetrVG Rn520 mwN. 1876 BAG 28.7.81 - 1 ABR 56/78 - AP BetrVG 1972 s 87 Provision Nr 2 (Schulze-Osterloh).

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

8 1 7 Nach $ 6 Abs 5 ArbZG ist allerdings für die während der Nachtzeit (iSD ArbZG) geleistete Arbeit eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder ein angemessener Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt zu zahlen, soweit keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht. Die Bemessung des gesetzlichen Nacharbeitsausgleichs ist eine Frage der Billigkeit.1877 Die frühere gesetzliche Mehrarbeitsvergütung ($15 AZO) ist mit dem Außerkrafttreten der Arbeitszeitordnung am 30.6.1994 1878 weggefallen. 8 1 8 Zuschläge für Mehrarbeit oder Arbeit zu ungünstigen Zeiten sind nur zu zahlen, soweit dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag geregelt ist, uU auch als übliche Vergütung iSd S 612 BGB. Denkbar ist auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung über Mehrarbeitszuschläge, soweit keine tarifliche Regelung besteht oder üblich ist. Sieht ein Tarifvertrag einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge nur für Arbeitsstunden vor, die über die tarifliche wöchentliche und über die in diesem Rahmen betrieblich festgelegte regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehen, so haben Teilzeitbeschäftigte nicht schon dann einen Anspruch auf Überstundenzuschläge, wenn ihre persönliche regelmäßige (Teil-)Arbeitszeit überschritten ist, sondern erst dann, wenn sie in dem Umfang arbeiten, der auch für Vollzeitbeschäftigte einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge auslöst (Rn 672). 8 1 9 Mehrere Zuschläge für verschiedene Zwecke können auch zusammentreffen. Soweit eine anderweitige Regelung besteht, sind diese Zuschläge kumulativ zu zahlen. In vielen Tarifverträgen besteht allerdings ein Kumulationsverbot mit der Folge, daß nur der jeweils höchste Zuschlag zu zahlen ist. 4.

Zulagen

8 2 0 Häufig werden zur Grundvergütung Zulagen aus verschiedenen Anlässen und zu verschiedenen Zwekken gezahlt. Sie beruhen in der Regel auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, zum Teil sind sie auch freiwillige Leistungen. 8 2 1 Im öffentlichen Dienst gibt es nicht nur für Beamte, sondern auch für Arbeiter und Angestellte Familienzuschläge, nämlich den Ortszuschlag in verschiedenen Stufen, je nach dem, ob der Arbeitnehmer alleinstehend oder verheiratet ist bzw ob er unterhaltsberechtigte Kinder hat. Derartige Sozialzulagen gibt es auch außerhalb des öffentlichen Dienstes, wenn auch dort weit weniger verbreitet. Das Kindergeld stellt keinen Lohnzuschlag dar, sondern eine besondere staatliche Leistung; soweit es durch Arbeitgeber berechnet und ausgezahlt wird, fungieren die Arbeitgeber lediglich als Zahlstelle. 8 2 2 In zahlreichen Varianten werden Erschwerniszulagen gezahlt, in der Regel für erschwerende Umstände, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist. Rechtsgrundlage hierfür sind in der Regel tarifvertragliche Regelungen, zuweilen auch (freiwillige) Betriebsvereinbarungen. Erschwerniszulagen sind in Arbeitsverträgen nur selten geregelt. 8 2 3 Vielfach werden auch allgemeine Leistungszulagen gezahlt, in der Regel meistens aufgrund entsprechender tarifvertraglicher Regelungen oder Betriebsvereinbarungen. Soweit diese Leistungszulagen nicht ausnahmsweise leistungsbezogen sind (Rn 814), sind sie in der Regel zeitbezogen. Dabei ist nicht immer zu erkennen, worin die „Leistung" im einzelnen zu sehen ist. Häufig sind Leistungszulagen nur übertarifliche Vergütungsteile. Der Widerruf einer derart vorbehaltlos gewährten Leistungszulage ist unzulässig; 1879 ist sie widerruflich, so kann der Widerruf nur nach billigem Ermessen erfolgen (Rn 541). 5.

Betriebliche Altersversorgung

8 2 5 Eine Sonderform der Vergütung stellt die Versorgungszusage bzw Betriebsrente dar. Soweit es sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, findet sich die Rechtsgrundlage in einer betrieblichen Versorgungsregelung bzw Betriebsvereinbarung. Versorgungsregelungen in Tarifverträgen bzw im Einzelarbeitsvertrag sind ebenfalls gebräuchlich. Nach § 1 BetrAVG sind unter betrieblicher Altersversorgung Leistungen der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung zu 1877 Vgl dazu BAG 26.8.97 - 1 A B R 1 6 / 9 7 - AP BetrVG 1972 s 87 Arbeitszeit Nr 74. 1878 Art 21 S 2 Nr 1 ArbZRG vom 6.6. 1994 (BGBl I 1170, 1182).

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1879 BAG 16.7.76 - 5 AZR 270/75 - AP BGB $ 6 1 1 Lohnzuschläge Nr 7.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 XIV. Entgeltfortzahlung

verstehen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind. Bei den Leistungen handelt es sich damit um Zuwendungen an den Versorgungsberechtigten, in der Regel in Form laufender Renten oder eines Kapitalbetrages. Denkbar ist aber auch, daß Sachleistungen oder Nutzungsleistungen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind, etwa die Lieferung von Hausbrandkohle oder die Einräumung eines Wohnrechts. Die Leistung muß stets dem Versorgungszweck dienen, dh der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung; sie wird im Versorgungsfall fällig. Die Durchführungsformen können sein eine Direktzusage, eine Direktversicherung, das Versprechen einer Leistung durch eine Pensionskasse oder aber auch die Leistung im Versorgungsfall durch eine Unterstützungskasse, die Entgeltumwandlung und die beitragsorientierte Leistungszusage (vgl insgesamt § 1 BetrAVG). Für die Änderung und den Widerruf von Versorgungszusagen kommt es maßgeblich auf die Rechtsgrundlage an. Soweit es sich um vertragsfeste Zusagen handelt, kann der Arbeitgeber in der Regel hiervon nicht einseitig abrücken. Rechtsgrundlage kann aber auch eine Betriebsvereinbarung sein; sie kann aufgehoben, geändert oder gekündigt werden. Soweit hieraus Rechte erwachsen sind, bleiben sie dem Arbeitnehmer erhalten.

826

Scheidet der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, so bleibt ihm die Versorgungszusage erhalten, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist oder wenn die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit der Anwartschaft eingetreten sind. Das Gesetz über die betriebliche Altersversorgung regelt neben dem unter Tarifvorbehalt gestellten ($ 17, $ 30h BetrAVG) Individualanspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung (§ la BetrAVG), den - je nach Durchführungsform etwas unterschiedlichen - Unverfallbarkeitsvoraussetzungen und der Höhe der unverfallbaren Anwartschaft ($$ 1, 2 BetrAVG), der Frage der Abfindung bzw Übertragung von Versorgungszusagen (SS 3, 4 BetrAVG), dem Auszehrungsverbot und der Altersgrenze ($$ 5, 6 BetrAVG) vor allem die Insolvenzsicherung (SS 7 - 1 5 BetrAVG) und die Anpassungsprüfung für laufende Versorgungsleistungen ($ 16 BetrAVG). Der Anwendungsbereich des Gesetzes umfaßt zunächst die Privatwirtschaft; für den öffentlichen Dienst gelten besondere Regelungen ($$ 17, 18 BetrAVG). 1880

827

6.

Freiwillige Leistungen

Arbeitsentgelte beruhen in der Regel auf rechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers. Zusätzlich zum normalen Arbeitsentgelt und zu den aufgrund Arbeitsvertrags bzw Tarifvertrags geschuldeten entgeltlichen Leistungen des Arbeitgebers werden in vielen Fällen jedoch auch freiwillige Leistungen ohne rechtliche Verpflichtung gewährt. Gleichwohl kann durch betriebliche Übung auf derartige freiwillige Leistungen ein Rechtsanspruch erwachsen (Rn 540). Für die Bemessung der freiwilligen Leistung kommt es auf den Leistungszweck an. Die Bemessung kann - trotz Freiwilligkeitsvorbehalts dem Grund nach - mit dem Arbeitnehmer vereinbart sein, zB in Form einer freiwilligen übertariflichen Zulage, die sich in einem festen Betrag oder Prozentsatz vom normalen Arbeitsentgelt ausdrückt. Sie kann aber auch einseitig auf dem Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers beruhen. Verfährt der Arbeitgeber dabei nach einer von im aufgestellten Regelhaftigkeit, so ist er an die gesetzlichen Gleichbehandlungsregelungen (vgl Rn 793) gebunden.

828

XIV. Entgeltfortzahlung Aus unterschiedlichen Rechtsgründen ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer Arbeitsentgeh zu zahlen oder Entgeltfortzahlung zu leisten, auch wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung für diese Zeiträume erbracht wird. Dies betrifft nicht nur Fälle der vom Arbeitgeber zu vertretenden Unmöglichkeit der Arbeitsleistung oder des Annahmeverzuges des Arbeitgebers, sondern zahlreiche weitere Falle der gesetzlichen Pflicht zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes, zB für Feiertage ($ 616 Rn 234 ff), während des Erholungsurlaubs, für sonstige bezahlte Freistellungen (Rn 844 und $ 616 1880

Vgl ausführlich zB Griebeling Betriebliche Alters-

Harald Schliemann

829

Versorgung; zur Umwandlung von Tarifentgelt: Schliemann DB 2000 2554.

255

J 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

Rn 19-46), aber auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ($ 616 Rn 57-120) und bei Beschäftigungsverboten (Mutterschutz: Rn 855 ff; andere Gründe: Rn 458 ff und 868-873). 1.

Urlaub

8 3 0 Zu den Pflichten des Arbeitgebers zählt auch die Erteilung von Urlaub. Dabei sind der Erholungsurlaub von anderen Beurlaubungen zu unterscheiden. Des weiteren ist je nach Art des Urlaubs zu unterscheiden, ob und welche Urlaubsvergütung dem Arbeitnehmer zusteht. In den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein haben Arbeitnehmer gesetzliche Ansprüche auf bezahlten Bildungsurlaub (Rn 840). Urlaubsähnlichen Charakter hat auch die Elternzeit (vormals: Erziehungsurlaub Rn 841). a)

Erholungsurlaub

8 3 1 Nach $ 1 iVm $ 3 Abs 1 BUrlG haben Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von mindestens 24 Werktagen. Arbeitnehmer iSd Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten; als Arbeitnehmer gelten auch arbeitnehmerähnliche Personen (J 2 S 1, 2 BUrlG). Für Heimarbeitnehmer gibt es eine besondere Regelung für den bezahlten gesetzlichen Mindesterholungsurlaub in $ 12 BUrlG. Aus Tarifverträgen, aber auch aus dem Arbeitsvertrag kann sich eine längere Urlaubsdauer ergeben, häufig bis zu 30 Arbeitstagen. Schwerbehinderte haben nach näherer Maßgabe des $ 125 SGB IX Anspruch auf einen bezahlten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. 8 3 2 Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Urlaubsentgelt für die Zeit des gesetzlichen Erholungsurlaubs ist § 611 BGB iVm S 1 BUrlG. 1881 Urlaubsentgelt ist die Fortzahlung der Arbeitsvergütung für die Zeit der urlaubsbedingten Freistellung von der Arbeitspflicht. 1882 Besteht zwischen den Parteien für eine bestimmte Zeit keine Arbeitspflicht, so kann in diesem Zeitraum kein Urlaub gewährt werden, da eine Freistellung von der Arbeitspflicht nicht möglich ist; für diese Zeit hat der Arbeitnehmer dann auch keinen Anspruch auf Urlaubsentgelt.1883 8 3 3 Die Bemessung des Urlaubsentgelts ist in $ 11 Abs 1 BUrlG geregelt. Hiernach bemißt sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes ($11 Abs 1S 1 BUrlG). Damit stellt das BUrlG auf das Referenzprinzip ab. Der Referenzzeitraum ist entsprechend den §§ 188 Abs 2,187 Abs 1 BGB für die Zeit unmittelbar vor Beginn des (jeweiligen) Erholungsurlaubs zu berechnen. Nach $ 11 Abs 1S 1 BUrlG sind der Berechnung der Urlaubsvergütung die Arbeitsentgelte zugrunde zu legen, die der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum jeweils als Gegenleistung für seine Tätigkeit in den maßgeblichen Abrechnungszeiträumen erhalten hat, nicht jedoch Überstundenvergütungen.1884 Tarifvertraglich kann bestimmt sein, daß auch Überstundenvergütungen einzubeziehen sind. 1885 Aufwendungsersatz oder solche Lohnbestandteile die dem Arbeitnehmer zwar aufgrund seines Arbeitsvertrages zufließen, mit denen aber nicht die Arbeitsleistung in durch den Referenzzeitraum bestimmten Abrechnungsabschnitten abgegolten worden ist, bleiben dagegen außer Ansatz. 1886 Dies betrifft insbesondere Einmalleistungen wie Gratifikationen, Tantiemen und Gewinnbeteiligungen, Jubiläumsgelder oder beihilfeähnlichen Leistungen; sie erhält der Arbeitnehmer unabhängig davon, ob er Urlaub nimmt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit einer Zahlung eine auf einen bestimmten Zeitabschnitt entfallende Arbeitsleistung

1881 BAG 9.11.99 - 9 AZR 771/98 - AP BUrlG $ 11 Nr 47. 1882 Std Rspr statt vieler: BAG 24.11.92 - 9 AZR 564/ 91 - AP BUrlG § 11 Nr 34. 1883 BAG 19.4.94 - 9 AZR 713/92 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr 7.

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Harald Schliemann

1884 BAG 9.11.99 - 9 AZR 771/98 - AP BurlG $ 11 Nr 47. 1885 BAG 16.3.99 - 9 AZR 315/98 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Großhandel Nr 13. 1886 BAG 24.11.92 - 9 AZR 564/91 - AP BUrlG $ 11 Nr 34.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 XIV. Entgeltfortzahlung

vergütet worden ist. 1887 Auch Sachbezüge, die während des Erholungsurlaubs nicht weitergewählt werden, sind für die Bemessung des Urlaubsentgeltes zu berücksichtigen ($11 Abs 1S 4 BUrlG). 1888 Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Referenzzeitraumes oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Derartige Verdiensterhöhungen können infolge von einer Erhöhung des Tariflohnes, 1889 der Erhöhung der Arbeitszeit, des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe, 1890 des Übergangs von Teilzeitarbeit zu Vollzeitarbeit1891 oder des Übergangs aus einem Ausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis 1892 eintreten. Dagegen bleiben Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, für die Berechnung des Urlaubsentgeltes außer Betracht (S 11 Abs 1 S 3 BUrlG).1893 Die Berechnung der Bezüge im Referenzzeitraum führt zum Geldfaktor für das Urlaubsentgelt. Der 8 3 4 dem Arbeitnehmer zu zahlende Betrag des Urlaubsentgeltes berechnet sich hieraus allerdings nur in Verbindung mit dem Zeitfaktor, dh der Menge der für den jeweiligen Urlaub gewährten Urlaubstage. Hierzu ist der Urlaubsanspruch entsprechend der in diesem Zeitraum fallenden Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers umzurechnen, insbesondere bei sog Freischichtmodellen. 1894 Für Teilzeitbeschäftigte ist deren kürzere Arbeitszeit für den Zeitraum der Urlaubsgewährung in Vollarbeitszeit umzurechnen denn der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch steht teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unter den gleichen Voraussetzungen und in entsprechendem Umfang zu wie vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. 1895 Für die Berechnung des Geldfaktors ist jedoch auf die Teilzeittätigkeit abzustellen, denn insoweit handelt es sich nicht um eine Verdienstkürzung iSd § 11 Abs 1 S 2 BUrlG. Allerdings steht einem Teilzeitarbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsentgelt in anteiliger Höhe wie für Vollzeitarbeitnehmer zu, wenn die Vergütung des Teilzeitarbeitnehmers unter Verstoß gegen Art 1 § 2 Abs 1 BeschFG zu gering bemessen worden ist. 1896 Beim Zeitfaktor sind auch die Überstunden zu berücksichtigen, die der Beurlaubte während des Urlaubs zu leisten gehabt hätte. 1897 Hinsichtlich des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Erholungsurlaubs gelten 8 3 5 diese Grundsätze entsprechend, es sei denn, daß insoweit abweichende Regelungen, zB im Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag, getroffen worden sind. Von den gesetzlichen Regelungen über den Mindesturlaub kann nach § 13 Abs 1 BUrlG nur hinsieht- 8 3 6 lieh der $$ 1,2 und 3 Abs 1 in Tarifverträgen abgewichen werden. Derart abweichende Tarifregelungen haben auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern Geltung, wenn die Anwendung der einschlägigen tariflichen Urlaubsregelung im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist ($ 13 Abs 1 S 2 BUrlG). Für das Baugewerbe und sonstige Wirtschaftszweige, in denen als Folge häufigen Ortswechsels Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfange üblich sind, können abweichende Tarifregelungen getroffen werden (§ 13 Abs 2 BUrlG). Weitere Abweichungen sind im Bereich der Deutschen Bahn AG und der Post möglich ($ 13 Abs 3 BUrlG). Zusätzlich zum Urlaubsentgelt ist sehr häufig ein Urlaubsgeld, auch Urlaubsgratifikation genannt, zu 8 3 7 zahlen. Das Urlaubsgeld ist eine zusätzliche, über das Urlaubsentgelt hinausgehende, für die Dauer des Erholungsurlaubs gezahlte Vergütung. Für den Anspruch des Arbeitnehmers auf zusätzliches Urlaubsgeld bedarf es einer besonderen Rechtsgrundlage. Sehr häufig regeln Tarifverträge Ansprüche auf zusätzliches Urlaubsgeld. Auch freiwillige Betriebsvereinbarungen können Rechtsgrundlage für An-

1887 BAG 21.7.88 - 8 AZR 331/86 - AP BUrlG S U Nr 24. 1888 MünchArbR/Lci'nemann $ 88 Rn 18. 1889 BAG 17.11.98 - 9 AZR 431/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Klempnerhandwerk. 1890 Schaub S 102 Rn 91. 1891 BAG 21.5.70 - 5 AZR 421/69 - AP BUrlG § 11 Teilzeitarbeit Nr 1 (Richardi). 1892 BAG 29.11.84 - 6 AZR 238/82 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr 22 (Natzel). 1893 BAG 27.6.78 - 6 AZR 753/76 - AP BUrlG $ 1 1 Nr 15 (Boldt); MünchArbR/Ieinemann $ 88 Rn 23, 24. Harald Schliemann

1894 BAG 24.9.96 - 9 AZR 204/95 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Papierindustrie; 8.11.94 - 9 AZR 576/90 - AP BuriG § 1 1 (Freischichten - Sparkassenmodell) Nr 36; 8.11.94 - 9 AZR 477/91 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie (Freischichten Metallindustrie Nordrhein-Westfalen) Nr 122. 1895 BAG 14.2.91 - 8 AZR 97/90 - AP BUrlG § 3 Teilzeit Nr 1. 1896 BAG 24.10.89 - 8 AZR 5/89 - AP BUrlG $ 11 Nr 29. 1897 BAG 9.11.99 - 9 AZR 771/98 - AP BurlG J 11 Nr 47.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

sprüche auf zusätzliches Urlaubsgeld sein. 1898 Das zusätzliche Urlaubsgeld wird für die Dauer des Erholungsurlaubs gezahlt. Für den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte besteht ein Anspruch auf Urlaubsentgelt nur, wenn dies vereinbart ist. Nimmt eine tarifliche Regelung für die Urlaubsdauer auf das Schwerbehindertengesetz Bezug und sieht sie ein zusätzliches Urlaubsgeld vor, das neben dem Urlaubsentgelt zu zahlen ist, kann der Schwerbehinderte auch für den ihm zustehenden Zusatzurlaub Urlaubsgeld verlangen. Ist der Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld im Tarifvertrag auf die tariflich festgelegte Urlaubsdauer begrenzt, so scheidet ein Anspruch auf Urlaubsgeld für den Zusatzurlaub aus. 1899 Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld nur im Verhältnis ihrer Teilzeitarbeit zur Arbeitszeit vollzeittätiger Arbeitnehmer des Betriebes.1900 838 Kann der Erholungsurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten ($ 7 Abs 4 BUrlG). Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach S 7 Abs 4 BUrlG bezieht sich nicht nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern umfaßt den gesamten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht erfüllt ist. 1901 Hinsichtlich des den gesetzlichen Mindesturlaub überschreitenden Teiles sind insoweit allerdings abweichende Abmachungen im Tarifvertrag oder auch im Einzelarbeitsvertrag möglich. 1902 Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach $ 7 Abs 4 BUrlG entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ist ein Surrogat des Urlaubsanspruchs. Dies setzt grundsätzlich voraus, daß der Anspruch auf Urlaubsgewährung ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch zu erfüllen wäre und nicht zB bereits erloschen war, als das Arbeitsverhältnis endete. 1903 Die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs fehlt für Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. 1904 Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß ein Arbeitnehmer einerseits erwerbsunfähig, gleichzeitig jedoch arbeitsfähig ist, so daß ihm der Urlaubsabgeltungsanspruch erhalten bleibt. 1905 In Tarifverträgen ist zuweilen geregelt, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann zu erfüllen ist, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist. 1906 Hat der Arbeitnehmer seinen Urlaubsgewährungsanspruch rechtzeitig vergeblich geltend gemacht, so kann er vom Arbeitgeber die Zahlung eines der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrages als Schadenersatz fordern. 1907 839 Die Urlaubsabgeltung entspricht der Höhe nach dem Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer während einer urlaubsbedingten Freistellung fortzuzahlen gewesen wäre. Trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält der Arbeitnehmer als Abgeltung Arbeitsentgelt für die Arbeitszeitmenge, die ihm als Freizeit zu gewähren wäre, bestünde das Arbeitsverhältnis fort. 1908 b)

Bildungsurlaub

840 In einigen Bundesländern haben Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe der dortigen gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf bezahlten Bildungsurlaub. 1909 Der gesetzliche Freistellungsanspruch ent1898 BAG 9.2.89 - 8 AZR 310/87 - AP BetrVG 1972 S 77 Nr 40 (Richardi). 1899 BAG 30.7.86 - 8 AZR 241/83 - AP SchwbG § 44 Nr 7. 1900 BAG 24.10.89 - 8 AZR 5/89 - AP BUrlG $ 11 Nr 29. 1901 BAG 28.2.91 - 8 AZR 196/90 - AP BUrlG $ 6 Nr 4. 1902 BAG 18.10.90 - 8 AZR 490/89 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr 56. 1903 BAG 7.12.93 - 9 AZR 683/92 - AP BUrlG $ 7 Nr 15. 1904 BAG 28.2.91 - 9 AZR 346/92 - AP BUrlG S 6 Nr 4. 1905 BAG 8.2.94 - 9 AZR 332/92 - AP BAT $ 47 Nr 17. 1906 BAG 9 . 8 . 9 4 - 9 AZR 3 4 6 / 9 2 - A P BUrlG $ 7 Abgeltung Nr 65. 1907 BAG 24.11.92 - 9 AZR 549/91 - AP BUrlG § 1 Nr 23. 1908 BAG 31.5.90 - 8 AZR 161/89 - AP BUrlG $ 7 Abgeltung Nr 54.

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1909 Berlin: Berliner Bildungsurlaubsgesetz (BiUrlG) vom 24.10. 1990 (GVB1 2209); Brandenburg: Gesetz zur Regelung und Förderung der Weiterbildung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Weiterbildungsgesetz - BbgWBG) vom 15.12. 1993 (GVB1 498), VO über die Anerkennung von Weiterbildungsveranstaltungen zur Bildungsfreistellung nach dem BbGWBG vom 22.11. 1995; Bremen: Bremisches Bildungsurlaubsgesetz vom 18.12. 1974 (Gbl 348); Hamburg: Hamburgisches Bildungsurlaubsgesetz vom 21.1. 1974 (GVB11 113); Hessen: Hessisches Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub vom 16.10. 1984 (GVB1 I 261); Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz über den Bildungsurlaub für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Niedersächsisches Bildungsurlaubsgesetz - NBildUG) idF vom 25.1. 1991 (GVB1 29); Nordrhein-Westfalen: Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung - Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG) vom 6.11.1984 (GVB1678); Rhein-

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag $ 611 XIV. Entgeltfortzahlung

spricht im Grundsatz dem Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz. Die Berechnung des für die Dauer des Bildungsurlaubs fortzuzahlenden Arbeitsentgeltes ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Nach urlaubsrechtlichen Gesichtspunkten, nämlich nach § 11 BUrlG, richtet sich die Berechnung in den Ländern Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein. In den Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind insoweit die Bestimmungen für die Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen heranzuziehen, während in Berlin das Lohnausfallprinzip gilt. 1 9 1 0 Die gesetzlichen Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung beim Weiterbildungsurlaub nach den Regelungen der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen sind mit dem Grundgesetz (Art 12, 2, 14 GG) vereinbart.1911 c)

Elternzeit

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben zwecks Betreuung und Erziehung ihrer Kinder nach 8 4 1 näherer Maßgabe des S 15 Abs 1 BErzGG 1912 Anspruch auf Elternzeit (vormals: Erziehungsurlaub). In der Elternzeit ruhen grundsätzlich die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. 1913 Damit entfällt auch jeder Anspruch auf Urlaubsentgelt für die Dauer der Elternzeit. Dies schließt jedoch nicht aus, daß der Arbeitgeber trotz der Inanspruchnahme der Elternzeit zu bestimmten Leistungen an den Arbeitnehmer verpflichtet bleibt, insbesondere bei Gratifikationen oder sonstigen Sonderzahlungen, die zwar während der Elternzeit fällig werden, aber schon ganz oder teilweise vor der Elternzeit verdient worden sind. Inwieweit solche Leistungen mit Rücksicht auf die Elternzeit gekürzt werden können oder ganz entfallen, hängt von der Regelung ab, die Grundlage dieser Leistung ist, insbesondere von entsprechenden tarifvertraglichen Bestimmungen, Betriebsvereinbarungen oder den Bestimmungen des Arbeitsvertrags.1914 d)

Sonderurlaube

Für Sonderurlaube besteht grundsätzlich keine gesetzliche Pflicht zur Entgeltfortzahlung. Der 8 4 2 Sonderurlaub ist vom Erholungsurlaub zu unterscheiden. Der Erholungsurlaub hat der Erholung des Arbeitnehmers zu dienen, der Sonderurlaub kann unterschiedlichen Zwecken dienen. Dies schließt nicht aus, daß im Anschluß an den Erholungsurlaub Sonderurlaub gewährt wird, zB um einen ausländischen Arbeitnehmer einen hinreichend langen Aufenthalt in seinem Heimatland zu ermöglichen. Zuweilen sehen jedoch Tarifverträge die Gewährung bezahlten Sonderurlaubs vor, zB § 50 BAT. 8 4 3 Kommen in solchen Fällen für die vom Arbeitnehmer begehrte Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung unterschiedliche Anspruchsgrundlagen in Betracht, so muß der Arbeitgeber nicht nur entscheiden, ob er dem Freistellungsantrag entsprechen will, sondern auch bestimmen, welchen Anspruch des Arbeitnehmers er erfüllen will. Ein vor der Arbeitsbefreiung erklärter Vorbehalt des Arbeitgebers, der ihm ermöglichen soll, nach Gewährung eines bezahlten Sonderurlaubs (§ 50 Abs 1 BAT) die Freistellung ggf mit tariflichem Erholungsurlaub zu verrechnen, ist unwirksam.1915 2.

Bezahlte Arbeitsfreistellung

Aus besonderen Anlässen haben Arbeitnehmer teils von Gesetzes wegen, teils aufgrund tarifvertraglicher Regelungen Anspruch auf bezahlte Arbeitsfreistellung. Auch Betriebsvereinbarungen können dies regeln; möglich sind auch entsprechende einzelvertragliche Vereinbarungen. Daneben besteht in land-Pfalz: Landesgesetz über die Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für Zwecke der Weiterbildung (Bildungsfreistellungsgesetz - BFG) vom 30.3. 1993 (GVB1 157); Saarland Saarländisches Weiterbildungs- und Bildungsfreistellungsgesetz (SWBG) vom 15.9. 1994 (Amtsbl 1359); Schleswig-Holstein: Bildungsfreistellungs- und Q.ualifizierungsgesetz (BFQG) für das Land Schleswig-Holstein vom 7.6. 1990 (GVOB1 364). 1910 Hauck HzA Gruppe 4/2 Rn 1085. Harald Schliemann

844

1911 BVerfGE 77 308 = AP GG Art 12 Nr 62. 1912 IdF der Bekanntmachung vom 1.12.2000 (BGBl I 1645). 1913 BAG 22.6.88 - 5 AZR 526/87 - AP BErzGG $ 15 Nr 1 (Sowka). 1914 BAG 14.9.94 - 10 AZR 216/93 - AP BGB $ 611 Gratifikation Nr 166; 5.8.92 - 10 AZR 88/90 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr 143. 1915 BAG 1.10.91 - 9 AZR 290/90 - AP BUrlG S 7 Nr 12.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

zahlreichen Fällen Anspruch auf unbezahlte Arbeitsfreistellung. Die Arbeitsfreistellung beruht auf einem besonderen Freistellungsakt des Arbeitgebers; er kann ausdrücklich oder konkludent vorgenommen werden. Damit unterscheidet sich die Arbeitsfreistellung von den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert wird; in solchen Fällen bleibt ihm der Anspruch auf Arbeitsentgelt erhalten (Einzelheiten: § 616 BGB). Im Fall der gesetzlichen Arbeitsfreistellung liegen die Gründe hierfür nicht in der Person des Arbeitnehmers, sondern in von ihm übernommenen Aufgaben oder in enumerativ aufgezählten persönlichen Lebensumständen und -ereignissen. a)

Gesetzliche Arbeitsfreistellung für betriebliche Amtsträger

845

Betriebsratsmitglieder sind nach S 3 7 Abs 2 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit o h n e Minderung des Arbeitsentgelts z u befreien, soweit dies nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Nach näherer Maßgabe des $ 38 BetrVG besteht ein Anspruch auf völlige bezahlte Arbeitsfreistellung. Nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes bekleidet das Betriebsratsmitglied ein E h r e n a m t ( $ 3 7 Abs 1 BetrVG). Mit der Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben erfüllt es keine Arbeitspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, sondern nimmt sein Ehrenamt war, wie das BAG im Vorlagebeschluß vom 2 0 . 1 0 . 1993 an den EuGH ausdrücklich betont hat. 1 9 1 6 Dies betrifft auch die Fälle der erforderlichen Schulungsteilnahme nach $ 37 Abs 6 BetrVG; auch hierfür bleibt dem Betriebsratsmitglied der Entgeltanspruch lediglich erhalten. Die Teilnahme begründet keinen eigenständigen Entgeltanspruch. Demgegenüber vertritt der EuGH die Ansicht, unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Diskriminierung verstoße es gegen Art 119 EWGVertrag und die Richtlinie 75/117 EWG für die Anwendung des Grundsatzes gleichen Entgelts für Männer und Frauen, wenn das nationale Recht zur Folge habe, daß teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder - bei vollzeitiger Teilnahme an derartigen Schulungsmaßnahmen - nur ihre Teilzeitvergütung weiterbezahlt erhielten, es sei denn, daß der Mitgliedsstaat nachweise, daß diese Regelung durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei, die mit einer Diskriminierung nichts zu tun haben. 1 9 1 7 Nach § 37 Abs 3 und 6 BetrVG nF sind Betriebsratstätigkeiten bzw Betriebsratsschulungen, auch soweit sie in der Freizeit stattfinden, ausgleichs- bzw entgeltpflichtig. 1 9 1 8 Dies ändert jedoch nichts daran, daß Anspruchsgrundlage für die Entgeltfortzahlung bei erforderlicher Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs 2 BetrVG bzw bei Teilnahme an erforderlichen Schulungsmaßnahmen ($ 37 Abs 6 BetrVG) S 6 1 1 Abs 1 BGB ist. 1 9 1 9

846

Dem Betriebsratsmitglied ist das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, daß er gem $ 6 1 1 Abs 1 BGB erzielt hätte, wenn er gearbeitet und nicht statt dessen erforderliche Betriebsratstätigkeit geleistet oder an einer erforderlichen Schulungsmaßnahme teilgenommen hätte (Lohnausfallprinzip). 1920 Im Rahmen des Lohnausfallprinzips des $ 37 Abs 2 BetrVG sind neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen zu zahlen, die das Betriebsratsmitglied ohne Arbeitsbefreiung verdient hätte, insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Erschwernis- und Sozialzulagen. 1 9 2 1 Soweit die Zahlung sonst lohnsteuerbefreiter Zuschläge dadurch steuerpflichtig wird, daß der Steuerbefreiungstatstand wegen Nichtleistung der Arbeit n i c h t erfüllt ist, ist der Arbeitgeber nicht gehalten, dem Betriebsratsmitglied die steuerliche Differenz zu zahlen oder insoweit seinen Nettolohn zu erhöhen. 1 9 2 2 Nicht zum Arbeitsentgelt iSd $ 37 Abs 2 BetrVG gehören Beträge, die nicht für die Arbeitsleistung selbst, sondern als Aufwendungsersatz gezahlt werden, zB Wegegeld, Auslösungen, Beköstigungs-

1916 BAG 20.10.93 - 7 AZR 581/92 (A) - AP BetrVG 1972 J 37 Nr 90. 1917 EuGH 6.2.95 - Rs C 457/93 (1ewark) - AP EWGVertrag Art 119 Nr 72. 1918 Siehe zur Konsequenz aus der Antwort: BAG 5.3.97 - 7 AZR 581/92 - AP BetrVG 1972 $ 37 Nr 123. 1919 StdRspr, statt vieler: BAG 15.3.95-7AZR643/94 - AP BetrVG 1972 S 37 Nr 105. 260

Harald Schliemann

1920 BAG 13.7.94 - 7 AZR 477/93 - AP BetrVG 1972 S 37 Nr 97. 1921 BAG 13.7.94 - 7 AZR 477/93 - AP BetrVG 1972 S 37 Nr 97. 1922 BAG 29.7.80 - 6 AZR 231/78 - AP BetrVG 1972 S 37 Nr 37 (Bernert).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 XIV. Entgeltfortzahlung

Zulagen usw, es sei denn, daß der Aufwendungsersatz tatsächlich der Verbesserung des Lebensstandards der Arbeitnehmer dient und ihm insoweit keine tatsächlich entstehenden Aufwendungen gegenüberstehen. 1923 Aufgrund gesetzlicher Verweisung gilt entsprechendes auch für die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats 8 4 7 (S 50 Abs 1 S 1 BetrVG) und des Konzernbetriebsrats ($ 59 Abs 1 BetrVG), die Mitglieder der Jugendund Auszubildendenvertretung ($ 65 Abs 1 BetrVG) und der Gesamtjugend- und -auszubildendenvertretung (§ 73 Abs 2 BetrVG), für die Mitglieder der Bordvertretung (§115 Abs 4 S I BetrVG) und die Mitglieder des Seebetriebsrates ($ 116 Abs 3 BetrVG). Werden Arbeitnehmer als Mitglieder des Wahlvorstandes ($ 18 BetrVG) oder als Vermittler ($ 18a BetrVG) tätig, so darf das Arbeitsentgelt nach $ 20 Abs 3 BetrVG nicht gemindert werden. Entsprechendes gilt für die Teilnahme von Arbeitnehmern an Wahlen zum Betriebsrat und an regelmäßigen Betriebs- und Abteilungsversammlungen (§ 44 Abs 1 BetrVG). Betriebsangehörige Beisitzer einer betrieblichen Einigungsstelle haben nach § 76a Abs 2 BetrVG Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung ihrer Vergütung. Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeits- 8 4 8 zeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes ($37 Abs 3 BetrVG). Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren, ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Nach S 37 Abs 6 haben Betriebsratsmitglieder Anspruch auf die erforderlichen Schulungsmaßnah- 8 4 9 men; insoweit hat der Arbeitgeber die Kosten zu tragen und das Arbeitsentgelt gem $ 37 Abs 2 BetrVG fortzuzahlen (vgl wegen der Teilnahme teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder Rn 845). Zudem haben Betriebsratsmitglieder nach $ 37 Abs 7 BetrVG Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde als geeignet anerkannt worden sind; 1924 für erstmals gewählte Mitglieder des Betriebsrats erhöht sich der Anspruch auf vier Wochen. Im Sprecherausschußgesetz findet sich hinsichtlich der Entgeltfortzahlung für die Wahrnehmung 8 5 0 von Amtsaufgaben oder sonstigen Aufgaben nach dem Sprecherausschußgesetz eine dem Betriebsverfassungsgesetz vergleichbare Konzeption. 1925 Im Gegensatz zu Betriebsratsmitgliedern haben Sprecherausschußmitglieder jedoch keinen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung zum Besuch von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen; die Regelungen des $ 37 Abs 6 und 7 BetrVG wurden nicht in das SprAuG übernommen. 1926 Vertrauensleute der Schwerbehinderten sind nach § 26 Abs 4 SchwbG von ihrer beruflichen Tätigkeit 8 5 1 ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Insoweit haben sie grundsätzlich die gleiche Rechtsstellung wie Mitglieder des Betriebsrates. 1927 In gesetzlich mitbestimmten Unternehmen ergibt sich die Befugnis des Arbeitnehmervertreters für 8 5 2 die zur Wahrnehmung seines Aufsichtsrats-Mandats erforderliche Zeit der Arbeit fernzubleiben, ohne seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt zu verlieren, aus dem Verbot, in der Ausübung seiner Tätigkeit gestört oder behindert zu werden (zB $ 26 S 1 MitBestG). Allerdings besteht der Anspruch auf Erstattung des Ausfalls des Arbeitsentgelts nicht, wenn die Aufsichtsratsvergütung nicht hinter dem Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zurückbleibt. 1928 Die notwendige Arbeitsbefreiung im Bereich der Personalvertretung ist im wesentlichen gleichartig 8 5 3 und in weitgehender Konkordanz zu den betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften geregelt, vor allem in $ 46 Abs 3 BPersVG.1929

1923 Std Rspr, statt vieler: BAG 5.4. 2000 - 7 AZR 213/ 99 - AP BetrVG 1972 $ 37 Nr 131. 1924 BAG 1 1 . 8 . 9 3 - 7 ABR 52/92 - AP BetrVG 1972 S 37 Nr 92 (Schiefer). 1925 Hromadka s 14 SprAuG Rn 1. 1926 Hromadka § 14 SprAuG Rn 11. Harald Schliemann

1927 BAG 21.9.89 - 1 AZR 465/88 - AP SchwbG $ 25 Nr 1. 1928 Strittig, vgl Hanau/Ulmer $ 26 MitbestG Rn 6, 7; Naendrup GK-MitbestG, S 26 Rn 17, jeweils mwN. 1929 Lorenz/Eckstein BPersVG § 46 Rn 50 ff.

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S 611

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

b)

Arbeitsfreistellungen

8 5 4 Tarifverträge gewähren sehr häufig Anspruch auf bezahlte Arbeitsfreistellung für Anlässe im persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers, so zB aus Anlaß eigener Hochzeit, in Sterbefällen, beim Umzug, bei der Geburt eines Kindes uä (Einzelheiten: $ 616 Rn 19-46) Darüber hinaus enthalten manche Tarifverträgen zuweilen Regelungen über die bezahlte Arbeitsbefreiung von Gewerkschaftsmitgliedern zur Teilnahme an Tarifverhandlungen oder für bestimmte Gewerkschaftsfunktionen.1930 Insoweit kommt es auf die jeweilige Tarifregelung im Einzelfall an. Auch wenn der Tarifvertrag nicht zwingend, sondern nur kraft Vereinbarung anzuwenden ist, hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf entsprechende bezahlte Arbeitsbefreiung. Rechtstechnisch sehen die Tarifregelungen üblicherweise vor, daß der Anspruch auf das Arbeitsentgelt aus § 611 Abs 1 BGB erhalten bleibt. Der Umfang der Entgeltfortzahlung richtet sich entweder nach dem Lohnausfallprinzip oder dem Referenzprinzip. Hinzu kommen gesetzliche Freistellungen, idR zur Wahrnehmung staatsbürgerlicher Aufagben oder Ehrenämter (Einzelheiten: $ 616 Rn 19-46). 3.

Mutterschutzlohn, Mutterschaftsgeld

8 5 5 Werdende Mütter haben nach § 11 Abs 1 S 1 MuSchG Anspruch auf Mutterschutzlohn, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots nach $$ 3 Abs 1; 4, 6 Abs 2 oder 3 oder wegen des Verbots zur Leistung von Mehr-, Nacht- oder Sonntagsarbeit nach dem $ 8 Abs 1, 3 oder 5 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. Entsprechendes gilt, wenn wegen dieser Verbote die Beschäftigung oder die Entlohnungsart wechselt ($11 Abs 1 S 2 MuSchG). Mutterschutzlohn nach § 11 Abs 1S 1 MuSchG wird nur geschuldet, wenn allein das ärztliche Beschäftigungsverbot für die Nichtleistung der Arbeit ursächlich ist. 1931 Ist die werdende Mutter arbeitsunfähig krank, so löst ein für denselben Zeitraum angeordnetes ärztliches Beschäftigungsverbot (§ 3 Abs 1 MuSchG) keinen Anspruch auf Mutterschaftslohn (5 11 Abs 1 S 1 MuSchG) aus. 1932 Dem mutterschutzrechtlichen ärztlichen Beschäftigungsverbot kommt ein hoher Beweiswert zu; es kann jedoch widerlegt werden, und zwar nicht nur durch eine anderweitige ärztliche Untersuchung, sondern auch durch tatsächliche Umstände, die den Schluß zulassen, daß das Beschäftigungsverbot auf nicht zutreffenden Angaben der Schwangeren, auch hinsichtlich ihrer Beschwerden, beruht. 1933 8 5 6 Bei der Berechnung des Mutterschutzlohns ist der Durchschnittsverdienst zugrunde zu legen, den die Arbeitnehmerin im Berechnungszeitraum (§11 Abs 1 S 1 MuSchG) durch ihre Arbeitsleistung erzielt hat. Dabei ist nicht auf das Entgelt abzustellen, daß der Arbeitnehmerin im Berechnungszeitraum tatsächlich zugeflossen ist, sondern auf das für diesen Zeitraum geschuldete Arbeitsentgelt.1934 Verdiensterhöhungen, die nach Beginn der Schwangerschaft auf Dauer eintreten, führen zu einer entsprechenden Erhöhung des Mutterschutzlohnes (§11 Abs 2 S 1 MuSchG).1935 Nicht zu berücksichtigen sind dagegen Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation, Tantiemen oder Prämien für einen Verbesserungsvorschlag. Verdienstkürzungen infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht (§11 Abs 2 S 2 MuSchG). 8 5 7 Während der vor- und nachgeburtlichen Schutzfristen haben Arbeitnehmerinnen gegen den Arbeitgeber Anspruch auf einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld, wenn sie einen Anspruch auf Mutterschutzgeld nach § 200 Abs 1, 2 S 1 - 4 und Abs 3 RVO, § 29 Abs 1, 2 und 4 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte oder nach § 13 Abs 2 MuSchG haben (§ 14 S 1 MuSchG). Dasselbe betrifft den Tag der Entbindung. Als Zuschuß zum Mutterschaftsgeld hat der Arbeitgeber den Unterschiedsbetrag zwischen 25,- DM und dem kalendertäglich berechneten Nettoentgelt, berechnet nach dem Referenzprinzip für die letzten drei Monate, zu zahlen (§ 14 Abs 1 S 2, 3 MuSchG).

1930 BAG 21.2. Ol - 4 AZR 23/00 - AuR Ol 282 (MTV Hess Einzelhandel). 1931 Std Rspr, statt vieler: BAG 5.7.95 - 5 AZR 135/94 - AP MuSchG. $ 3 Nr 7. 1932 BAG 1 . 1 0 . 9 7 - 5 AZR 685/96 - AP MuSchG $ 3 Nr 11.

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Harald Schliemann

1933 BAG 1 . 1 0 . 9 7 - 5 AZR 685/96 - AP MuSchG $ 3 Nr 11; 31.7.96 - 5 AZR 474/95 - AP S 3 MuSchG Nr 11. 1934 BAG 28.11.84 - 5 AZR 243/83 - AP MuSchG $ 1 1 Nr 10 (Clemens). 1935 Buchner/Becker $ 11 MuSchG Rn 124 ff.

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 611 XV. Abrechnung und Zahlung des Arbeitsentgelts, Ausschlußfristen Vereinbart eine Frau mit einem Arbeitgeber einen unbezahlten Sonderurlaub und ist sie in dieser Zeit ohne Anspruch auf Krankengeld versichert, so steht ihr kein Anspruch auf Mutterschaftsgeld zu, wenn

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in den unbezahlten Sonderurlaub auch die Zeit der Schutzfristen fällt. 1 9 3 6 In einem solchen Fall besteht dann auch kein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Erfolgt eine E n t b i n d u n g früher als nach dem Zeugnis des Arztes anzunehmen war und beginnt der Sechswochenzeitraum für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld gem $ 200 Abs 3 S 1 RVO dementsprechend früher, so besteht auch der Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld entsprechend früher, und zwar auch dann, wenn die Frau in dem vom Zeitpunkt der früheren Entbindung her berechneten Sechswochenzeitraum arbeitsunfähig krank gewesen ist. 1 9 3 7 Für die B e r e c h n u n g des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ist der Bruttoverdienst im Referenzzeiträum zugrunde zu legen; hieraus ist der kalendertägliche Nettoverdienst zu errechnen. Für die Bemessung des Bruttoverdienstes kommt es - ähnlich wie beim Mutterschutzlohn - darauf an, welche Beträge für den Referenzzeitraum als Arbeitsentgelt geschuldet waren. Für die Zusatzberechnung ist eine rückwirkende E r h ö h u n g der Vergütung auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erst nach dem Berechnungszeitraum von drei Monaten vor Beginn der Schutzfrist - $ 14 Abs 1 S 2 MuSchG - vorgenommen werden, es sich aber auf den Berechnungszeitraum (Referenzzeitraum) auswirken. 1 9 3 8 Andererseits sind auch Lohnminderungen zu berücksichtigen, zB infolge wirksamer vertraglicher Herabsetzung der Arbeitszeit von einem innerhalb der Schutzfrist liegenden Zeitpunkt an. 1 9 3 9 Zu den gesetzlichen Lohnabzügen, die für die Berechnung des Nettoentgeltes zu berücksichtigen sind, gehören auch solche, die nicht der Arbeitgeber, sondern die Arbeitnehmerin aufgrund gesetzlicher Bestimmungen abzuführen hat. 1 9 4 0 Die Höhe des (fiktiv) berechneten Nettoentgeltes kann durch eine nachträgliche Wahl einer „günstigeren" Steuerklasse erheblich beeinflußt werden. Eine nach S 14 MuSchG anspruchsberechtigte Frau handelt rechtsmißbräuchlich, wenn sie durch Änderung von steuerlichen Merkmalen (Steuerklasse, Freibeträge) die Höhe der ihr im Bezugszeitraum zufließenden Nettovergütung allein deshalb beeinflußt, um einen höheren Zuschuß des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld zu erlangen. 1 9 4 1 Auch die erstmalige Wahl einer Steuerklassenkombination nach der Eheschließung kann in bezug auf den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld rechtsmißbräuchlich sein. 1 9 4 2 4.

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Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Kuren

Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter ArbeitsUnfähigkeit und bei Kuren (Einzelheiten: $ 616 Rn 60-120). Während der dadurch bedingten Ausfallzeiten gerät der Arbeitnehmer nicht in Schuldnerverzug. Täuscht er krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, so kann dies zur ggfs sogar außerordentlichen Kündigung führen.

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XV. Abrechnung und Zahlung des Arbeitsentgelts, Ausschlußfristen Zur jeweiligen Fälligkeit hat der Arbeitgeber die Vergütung für den Arbeitnehmer abzurechnen, dabei die Lohnabzugsbeträge zu berechnen und abzuführen sowie das Nettoentgelt unter Berücksichtigung

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etwaiger Abtretungen und Pfändungen an den Arbeitnehmer auszuzahlen (Einzelheiten: § 614). Ab 1. Januar 2 0 0 2 haben die Lohnabrechungen und Lohnzahlungen in E u r o zu erfolgen. 1 9 4 3 Die Umstellung der für das Arbeits- und Sozialrecht zu beachtenden gesetzlichen Geldbetragsanggaben ist durch das Vierte Euro-Einführungsgesetz erfolgt. 1 9 4 4 1936 1937 Nr 4. 1938 Nr 15; 1939 Nr 3. 1940 Nr 8.

BSG 8.3.95 - 1 RK 10/94 - AP MuSchG $ 14 Nr 12. BAG 7 . 1 0 . 8 7 - 5 AZR 50/85 - AP MuSchG § 14 BAG 31.7.96 - 5 AZR 9/95 - AP MuSchG § 14 6.6.94 - 5 AZR 501/93 - AP MuSchG $ 14 Nr 11. BAG 11.6.86 - 5 AZR 365/85 - AP MuSchG S 14 BAG 1.6.88 - 5 AZR 464/87 - AP MuSchG S 14

Harald Schliemann

1941 BAG 2 2 . 1 0 . 8 6 - 5 AZR 733/85 - AP MuSchG $ 14 Nr 5 (HJ. Weber). 1942 BAG 18.9.91 - 5 AZR 581/90 - AP MuSchG $ 14 Nr 10. 1943 Kaindl Die Einführung des Euro - Auswirkungen auf das Arbeitsrecht, NZA 98 841, 843. 1944 Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften (4. Euro-Einführungsgesetz) vom 21.12. 2000 (BGBl I 1983). 263

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

8 6 2 Die vom Arbeitgeber geschuldete Vergütung ist grundsätzlich eine Bruttovergütung. 1945 Schuldet der Arbeitgeber Bruttolohn, so hat er hiervon die Lohnsteuerabzugsbeträge sowie die hälftigen bzw anteiligen Sozialversicherungsbeträge abzurechnen und abzuführen. Möglich ist jedoch auch eine Nettolohnvereinbarung, und zwar sowohl durch Einzelarbeitsvertrag als auch durch Tarifvertrag. Bei einer Nettolohnvereinbarung übernimmt es der Arbeitgeber, die auf das Arbeitsentgelt zu leistenden Lohnabzugsbeträge selbst zu tragen. Aus einer Formel „Brutto=Netto" läßt sich nicht ohne weiteres auf eine Nettolohnvereinbarung schließen. Dies gilt auch für die Vereinbarungen von Abfindungen.1946 8 6 3 Ansprüche auf Arbeitsentgelt unterliegen der dreijährigen Verjährung nach S 195 BGB. Sie können aber aufgrund von Ausschlußfristen oder auch Verfallfristen in kürzerer Zeit verfallen oder nicht mehr durchsetzbar sein (Einzelheiten: $ 614 Rn 35—44).

XVI. Schutz- und Verhaltenspflichten des Arbeitgebers 8 6 4 Aus dem Arbeitsvertrag hat der Arbeitgeber nicht nur die Stellung des Gläubigers hinsichtlich der Arbeitsleistung und die des Schuldners hinsichtlich der Arbeitsvergütung. Vielmehr treffen den Arbeitgeber auch zahlreiche Schutz- und Verhaltenspflichten zugunsten des Arbeitnehmers. 1.

Beschäftigungspflicht

8 6 5 Aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers folgt dessen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung während des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber. Dies hat das BAG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 10.11. 1955 anerkannt 1947 und im Beschluß des Großen Senats vom 27. Februar 1985 über die Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses nochmals deutlich hervorgehoben.1948 Der Arbeitnehmer muß sich nicht darauf verweisen lassen, von der Arbeit ferngehalten zu werden und nur die vereinbarte Arbeitsvergütung entgegennehmen zu dürfen; vielmehr sind besondere Gründe erforderlich, die es gestatten, einem Arbeitnehmer keine Möglichkeit zur Arbeitsleistung zu geben. 1949 866 Der Beschäftigungsanspruch ist dispositiv; der Arbeitnehmer kann auf den Beschäftigungsanspruch ausdrücklich oder auch stillschweigend verzichten. Häufig wird bereits im Arbeitsvertrag vereinbart, daß dem Arbeitgeber das Recht zur Suspendierung des Arbeitnehmers für den Fall einer ordentlichen Kündigung, gleichgültig von welcher Seite, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zustehen soll. Derartige Vereinbarungen sind, soweit die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers hierdurch nicht beeinträchtigt werden, grundsätzlich zulässig. Sie unterliegen jedoch der richterlichen Inhaltskontrolle, wenn hierdurch Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers beseitigt werden. Sieht zB ein Arbeitsvertrag für die Dauer der Betriebsferien zwischen Weihnachten und Neujahr unbezahlten Sonderurlaub vor, weil der Arbeitnehmer seinen vollen Jahresurlaub schon genommen hat, so wird durch eine solche Regelung der gesetzliche Anspruch auf Feiertagsbezahlung nicht berührt. 1950 Dagegen ist eine Suspendierung kraft Direktionsrechts des Arbeitgebers nicht uneingeschränkt zulässig. Insbesondere besteht ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich auch nach Ausspruch einer Kündigung während der Kündigungsfrist. In dieser Zeit ist eine Freistellung des Arbeitnehmers gegen dessen Willen nur zulässig, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen dies gebieten. 1951 8 6 7 Neben dem allgemeinen Beschäftigungsanspruch wird zuweilen in Arbeitsverträgen ein Beschäftigungsanspruch ausdrücklich vereinbart, insbesondere bei Künstlern oder Arbeitnehmern, die auf eine ständige arbeitsmäßige Betätigung zur Erhaltung ihrer Arbeitsbefähigung angewiesen sind.

1945 BAG 18.1. 2000 - 9 AZR 122/95 (B) - AP 5 288 Nr 3. 1946 LAG Köln 18.12.95 - 4 (11) Sa 962/95 - LAGE KSchG J 9 Nr 27. 1947 BAG 10.11.55 - 2 AZR 591/54 - AP BGB S 611 Beschäftigungspflicht Nr 2 (A. Hueck).

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Harald Schliemann

1948 BAG (GS) 27.2.85 - GS 1/84 - AP BGB $ 611 Beschäftigungspflicht Nr 14. 1949 MûnchArbR/B/omçyer § 93 Rn 3. 1950 BAG 6.4.82 - 3 AZR 1079/79 - AP FeiertagslohnzahlungsG S 1 Nr 36. 1951 BAG 19.8.76 - 3 AZR 173/75 - AP BGB $611 Beschäftigungspflicht Nr 4 (Birk).

Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag S 6X1 XVI. Schutz- und Verhaltenspflichten des Arbeitgebers

2.

Beschäftigungsverbote

Durch Beschäftigungsverbote ist die tatsächliche Beschäftigung bestimmter Arbeitnehmer oder Ar- 8 6 8 beitnehmergruppen oder von Arbeitnehmern in bestimmten Situationen gesetzlich untersagt. Beschäftigungsverbote wenden sich vorrangig an den Arbeitgeber, zuweilen aber auch an beide Parteien des Arbeitsverhältnisses. Weist ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer beschäftigungsverbotswidrig Arbeiten zu, so kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung verweigern, ohne seinen Entgeltanspruch zu verlieren. Bei Beachtung von Beschäftigungsverboten steht dem Arbeitnehmer indessen nicht grundsätzlich ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zu, sondern nur dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist oder es sich aus anderen Rechtsgrundlagen, zB aus Tarifverträgen, ergibt. Ein generelles Beschäftigungsverbot besteht für ausländische Arbeitnehmer, die nicht aus EG-Mit- 8 6 9 gliedsstaaten stammen. Sie bedürfen nach $ 284 SGB ΠΙ grundsätzlich einer Arbeitsgenehmigung; dabei ist es grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, sich diese Erlaubnis zu beschaffen. 1952 Fehlt die Arbeitserlaubnis, so kann dies zu einer ordentlichen personenbedingten Kündigung führen. 1953 Beschäftigungsverbote können sich auch aus seuchenpolizeilichen Vorschriften ergeben, so zB beim Verkehr mit Lebensmitteln ($17 BSeuchG) oder im Zusammenhang mit der Tuberkuloseuntersuchung für Lehrer nach $ 47 BSeuchG. 1954

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Im Gastronomiegewerbe kann nach $ 21 Abs 1 GaststättenG die Beschäftigung von Personen untersagt werden, die die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen.

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Die vorgenannten Beschäftigungsverbote sind primär im Interesse der öffentlichen Ordnung geschaffen 8 7 2 worden. Sowohl dem Allgemeininteresse als auch dem besonderen Interesse der durch das Beschäftigungsverbot geschützten Personen dienen dagegen die Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz (SS 3 , 4 , 6 MuSchG) und nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz. Nach $ 5 Abs 1 JArbSchG ist die Beschäftigung von Kindern grundsätzlich verboten. Hiervon läßt das Gesetz jedoch Ausnahmen zu ($ 5 Abs 2 und 3 JArbSchG). Es ermöglicht auch behördliche Ausnahmeerlaubnisse ($ 6 JArbSchG). Keine absoluten Beschäftigungsverbote, aber das Verbot, Arbeitnehmer mit bestimmten Tätigkeiten 8 7 3 zu betrauen, folgt vielfach aus verkehrspolizeilichen Vorschriften. So dürfen Arbeitnehmer, die nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sind, nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen eingesetzt werden. 3.

Schutzpflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht nur durch Erfüllung eines 8 7 4 Beschäftigungsanspruchs zu wahren, sondern auch durch die Art des Umgangs mit dem Arbeitnehmer. Besondere Pflichten erlegt ihm und allen anderen Arbeitnehmern hierzu das Beschäftigtenschutzgesetz auf. Es schützt vor sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Den Arbeitgeber treffen auch Schutzpflichten für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers. Sie beruhen einerseits auf Privatrecht, nämlich $ 62 HGB und $ 618 BGB (Einzelheiten: $ 618, 619). 4.

875

Fürsorgepflicht

Als Fürsorgepflicht werden im allgemeinen alle Nebenpflichten des Arbeitgebers bezeichnet. Sie 8 7 6 bilden einen Teil des Äquivalents zur Einordnung des Arbeitnehmers in die betriebliche Organisation und seine Unterordnung unter das organisatorische Weisungsrecht des Arbeitgebers. Allerdings herrscht sprachlich großes Durcheinander. Der traditionelle Begriff der,.Fürsorge" wird zuweilen durch den Begriff der „Rücksicht", aber auch durch den Begriff der „Schutzpflichten" oder der „Förderungspflichten", ersetzt. Gelegentlich findet man den Ausdruck „Obsorge" oder den Ausdruck „Sorgepflicht". Schließlich wird angemahnt, man solle auf alle diese schlagwortartigen Bezeichnungen verzichten.1955 Im Grundsatz herrscht jedoch Einigkeit, daß der Arbeitgeber zur Wahrung der Arbeitnehmerbelange 1952 BAG 19.1.77 - 3 AZR 66/75 - AP AFG $ 19 Nr 3. 1953 BAG 7.2.90 - 2 AZR 359/89 - EzA S 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr 8 (Hergenröder). Harald Schliemann

1954 BAG 24.3.82 - 7 AZR 957/79 - AP BSeuchG $ 47 Nr 1 (Küchenhof/). 1955 MünchArbR/Buchner § 94 Rn 1 mwN.

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Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Zweites Kapitel Der Arbeitsvertrag

verpflichtet ist, soweit diese für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses relevant sind. 1 9 S 6 Dieser Gedanke kommt auch in § 2 4 1 Abs 2 BGB hF zum Ausdruck. 877

Die Fürsorgepflicht bereitet trotz aller Einigkeit im Ergebnis indessen ein großes rechtsdogmatisches Problem. Es wird dadurch ausgelöst, den Rahmen der Pflicht möglichst weit zu ziehen und jedwede Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, die nicht darin besteht, ihm das Arbeitsentgelt zu zahlen, auf eine Fürsorgepflicht zurückzuführen. Eine Generalklausel, die den Arbeitgeber verpflichten würde, „im Rahmen des Arbeitsverhältnisses sich für den Arbeitnehmer einzusetzen, ihm Schutz und Fürsorge zuteil werden zu lassen und alles zu unterlassen, was die Interessen des Arbeitnehmers zu schädigen geeignet i s t " 1 9 5 7 ist verführerisch weit gefaßt; jedes dem Schutzgedanken des Arbeitsrechts verpflichtetes Arbeitsgericht ist versucht, hieraus alle möglichen Pflichten des Arbeitgebers abzuleiten, solange sie dem Arbeitnehmer nur nützlich sind. Diese allgemeine Form läßt sich mit dieser Klausel mit dem geltenden Schutzrecht nicht vereinbaren. Aus der Fürsorgepflicht sind zunächst erst einmal alle Hauptleistungspflichten des Arbeitgebers auszugrenzen. Dazu zählt die Lohnzahlungspflicht ebenso wie die Urlaubsgewährung oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Entsprechendes gilt für solche Arbeitgeberpflichten, die m i t der Hauptleistungspflicht als Nebenpflichten eng verknüpft sind. Als Entgeltschuldner ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch die Leistung von Arbeitsentgelt „so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern" ($ 242 BGB). Dazu gehören dann aber auch Abrechnungspflichten, Auskunftspflichten, Rechenschaftspflichten und ggf Aufklärungspflichten, die das Arbeitsentgelt betreffen oder sich aus öffentlichem Recht, wie Lohnsteuerrecht oder Sozialversicherungsrecht ergeben. Letztlich sind auch diese Aufklärungs- und Erläuterungsfragen nicht zur allgemeinen Fürsorgepflicht zu rechen, sondern unter die Nebenpflichten zur Entgeltzahlung.

878

Die Fürsorgepflicht an sich betrifft den Schutz der Arbeitnehmerinteressen, die infolge der Einordnung des Arbeitnehmers in den Betrieb und in die Belegschaft einer besonderen Gefährdung unterliegen. Diese Formel läßt sich ihrerseits untergliedern. Die in $ 6 1 8 BGB geregelte Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers, geht weit über die Schutzpflicht hinsichtlich der vom Arbeitnehmer in den Betrieb eingebrachten Gegenstände hinaus und schützt vor allem seine Persönlichkeit und seine körperliche Unversehrtheit. Die neuere Lehre von den schuldrechtlichen Schutzpflichten bringt hier einen klaren und relativ zielsicheren Ansatz. Etwas übersteigert lassen sich diese Pflichten auch als „Integritätspflichten" verstehen. 1 9 5 8 Diese schuldrechtlichen Schutzpflichten ergeben sich allgemein aus der arbeitsvertraglichen Sonderbindung zwischen den Parteien und ähneln der Haftung für unerlaubte Handlung, wenn auch aufgrund der vertraglichen Beziehungen. Diese Schutzpflicht des Arbeitgebers umfaßt die körperliche Integrität des Arbeitnehmers, seine Vermögensinteressen, insbesondere hinsichtlich des gelegentlich oder für die Arbeit eingebrachten Eigentums, aber auch seine Persönlichkeit.

879

Indessen sind die Schutzpflichten auch auf dieser Basis nicht grenzenlos. Die Fürsorgepflicht findet ihre innere Grenze, entsprechend ihrer Grundlage der vertraglichen Sonderverbindung, darin, daß nur auf die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen ist, die für das Arbeitsverhältnis relevant sind. Diese wiederum können jedoch sehr eng oder auch sehr weit gefaßt sein. Dagegen sind die Familieninteressen des Arbeitnehmers in aller Regel von den Schutzpflichten nicht mehr erfaßt; gleichwohl ist der Arbeitgeber, so er sich solcher Interessen annimmt, nicht haftungsfrei. Eine äußere Grenze bildet zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser allgemeine Grundsatz beschränkt eine an sich zulässige Rechtsausübung insoweit, als sie verhältnismäßig und erforderlich sein muß. Der Arbeitgeber ist danach keineswegs verpflichtet, eigene überwiegende oder schutzwerte Interessen zu vernachlässigen, nur um die Interessen des Arbeitnehmers nicht zu beschädigen. Im einzelnen ist zunächst festzustellen, ob die Schutzmaßnahme auch zum Schutz der Arbeitnehmerinteressen erforderlich ist. Insoweit ist stets zu einer Interessensabwägung geboten. Für das Vertretenmüssen des Arbeitgebers gilt $ 2 8 0 Abs 1 BGB nF.

1956 ErfKomm/Dirtericft GG Art 2 Rn 80. 1957 Hueck/Nipperdey Arbeitsrecht I, 390.

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Harald Schliemann

1958 Picker AcP 183 83 369, 393 ff; ders JZ 87 1941, 1947 ff.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung

4.

S 611a

Bindungsklauseln, Rückzahlungsklauseln

Häufig werden Arbeitnehmer einzelvertraglich oder tarifvertraglich indirekt an das Arbeitsverhältnis 880 gebunden, indem vereinbart wird, daß freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, zB Gratifikationen, oder vom Arbeitgeber getragene Kosten von Weiterbildungsmaßnahmen ganz oder teilweise zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer auf seinen Wunsch vor Ablauf der vereinbarten oder tariflichen Bindungsfrist ausscheidet. Grundsätzlich sind solche Rückzahlungsklauseln zulässig. Als einzelvertragliche Klauseln unterliegen sie jedoch im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art 12 Abs 1 GG) der richterlichen Inhaltskontrolle (Rn 157-159). Rückzahlungsklauseln bei Weihnachtsgratifikationen sind unwirksam, wenn die Gratifikation 881 DM 200,- nicht übersteigt;1959 beträgt die Gratifikation bis zu einem Monatsbruttogehalt, ist eine Bindung bis zum 31. März des Folgejahres,1960 bei noch höherer Gratifikation bis zum 30. Juni des Folgejahres zulässig.1961 Für tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln hat die Rechtsprechung eine längere Bindungsdauer anerkannt, nicht aber für solche in Betriebsvereinbarungen.1962 Die Zulässigkeit einzelvertraglicher Rückzahlungsklauseln für Fort- und Weiterbildungskosten hängt 882 wesentlich vom Fort- oder Weiterbildungsaufwand (ua Dauer, Teilnahmekosten pp) einerseits und dem Nutzen ab, der dem Arbeitnehmer für seine künftige berufliche Entwicklung verbleibt.1963 Tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln sind (nur) daran zu messen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen.1964

s 611a

Geschlechtsbezogene Benachteiligung

(1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, daß nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist. (2) Verstößt der Arbeitgeber gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, so kann der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen; ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht nicht. (3) Wäre der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, so hat der Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von höchsten drei Monatsverdiensten zu leisten. Als Monatsverdienst gilt, was dem Bewerber bei regelmäßiger Arbeitszeit in

1959 BAG 17.3.82 - 5 AZR 1185/79 - AP BGB $ 611 Gratifikation Nr 108. 1960 BAG 9.6.93 - 10 AZR 529/92 - AP BGB $611 Gratifikation Nr 150. 1961 BAG 9.6.93 - 10 AZR 529/92 - AP BGB $ 611 Gratifikation Nr 150.

Harald Schliemann

1962 BAG 9.10.69 - 5 AZR 48/69 - AP BGB $ 6 1 1 Gratifikation Nr 68. 1963 Zusammenfassend: BAG 6.9.95 - 5 AZR 241/94 AP BGB $ 611 Ausbildungsbeihilfe Nr 23. 1964 BAG 6.11.96 - 5 AZR 498/95 - AP BAT $ 2 SR 2a Nr 7; 6.9.95 - 5 AZR 174/94 - AP BGB $ 611 Ausbildungsbeihilfe Nr 22.

267

S 611a

Geschlechtsbezogene Benachteiligung I. Entstehung und Zweck der Regelung

dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis hätte begründet werden sollen, an Geld- und Sachbezügen zugestanden hätte. (4) Ein Anspruch nach den Absätzen 2 und 3 muß innerhalb einer Frist, die mit dem Zugang der Ablehnung der Bewerbung beginnt, schriftlich geltend gemacht werden. Die Länge der Frist bemißt sich nach einer für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im angestrebten Arbeitsverhältnis vorgesehenen Ausschlußfrist; sie beträgt mindestens zwei Monate. Ist eine solche Frist für das angestrebte Arbeitsverhältnis nicht bestimmt, so beträgt die Frist sechs Monate. (5) Die Absätze 2 bis 4 gelten beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den Aufstieg kein Anspruch besteht. Übersicht

I. II. III.

IV. V.

I.

Rn Entstehung und Zweck der Regelung 1,2 Konkurrierende Diskriminierungsverbote . . . 3 Das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung (Abs 1 Satz 1) 4, 5 1. Geschützte Personen 6,7 2. Normadressaten 8 a) Arbeitgeber 9,10 b) Betriebsparteien 11 c) Tarifvertragsparteien 12 3. Vereinbarung, Maßnahme 13 a) Begründung eines Arbeitsverhältnisses . 14-16 b) Beruflicher Aufstieg 17 c) Weisung 18 d) Kündigung 19 4. Benachteiligung wegen des Geschlechts . . . 20 a) Abstrakte Benachteiligung 21 b) Unmittelbare und mittelbare Benachteiligung 22 5. Geschlechtspezifische Förderung 23 Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung (Abs 1 Satz 2) 24 Geschlechtsneutrale sachliche Rechtfertigungen 25 1. C&ialifikationsunterschiede 26

VI.

VII.

VIII. IX. X. XI.

Rn 2. Rechtliche Vorgaben 27 Beweislast (Abs 1 Satz 3 ) 28 1. Darlegung und Beweis der Benachteiligung . 29 2. Glaubhaftmachung der Benachteiligungsvermutung 30,31 3. Beweis der Nichtdiskriminierung 32 Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen 5 611aAbs 1 BGB 33 1. Allgemeine Rechtsfolgen 34,35 2. Entschädigung wegen Diskriminierung (Abs 2,3) 36 a) Entschädigungstatbestände 37 b) Entschädigung des Bestqualifizierten (Abs 2) 38 aa) Kein Anspruch auf Einstellung . . . 39 bb) Bemessung der Entschädigung . . . 40,41 c) Entschädigung des Nächstqualifizierten (Abs 3) 42 Geltendmachung (Abs 4) 43-45 Gerichtliche Geltendmachung 46 Entschädigung wegen Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg (Abs 5) 47 Aushangpflicht 48

Entstehung und Zweck der Regelung

1 Die Regelung in S 611a dient zusammen mit den Bestimmungen in $ 611b, § 612 Abs 3 und § 612a BGB der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art 3 Abs 2 S 1 GG) und des Verbots der geschlechtsspezifischen Bevorzugung oder Benachteiligung (Art 3 Abs 3 S 1 GG).1 Nach diesen Grundrechtsnormen müssen Frauen die gleichen Erwerbschancen haben wie Männer.2 Gleichermaßen dienen diese Bestimmungen der Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht. Dies betrifft vor allem die Richtlinie des Rates 76/207 EWG vom 9.2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207 EWG).3 Zugleich wurden durch die 55 611a, 611b, 612 Abs 3 und $ 612a BGB auch Bestimmungen der Richtlinie des Rates 75/177 EWG vom 10.2.1975 über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (RL 75/117 EWG)4 und - in geringerem Maße - solche der Richtlinie des Rates 77/187 EWG vom 14.2. 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen (RL 77/187 EWG)5 in nationales Recht umgesetzt. 1 BVerfG 1 6 . 1 1 . 9 3 - 1 BvR 258/86 - AP BGB $ 6 1 1 a Nr 9 (Schlachter). 2 BVerfG 2 8 . 1 . 9 2 - 1 BvR 1025/82 ua - AP AZO $ 19 Nr 2. 3 AblEG L 3 9 , 4 0 (GleichbehandlungsRL). 4 AblEG L 4 5 , 1 9 , geändert durch Abkommen über den

268

Harald Schliemann

Europäischen Wirtschaftsraum ν 3 . 1 . 9 4 , AblEG L 1/489 (LohngleichheitsRL). S AblEG L 6 1 , 2 6 , geändert durch Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum ν 3 . 1 . 9 4 , AblEG L 1/490, und durch RL 98/50/EG ν 2 9 . 6 . 8 9 , AblEG L 201/98 (BetriebsübergangsRL).

Geschlechtsbezogene Benachteiligung S 611a II. Konkurrierende Diskriminierungsverbote S 611a ist mit Wirkung vom 21. August 1980 geschaffen und bisher zweimal geändert worden. 6 Stets waren beanstandende Urteile des EuGH Anlaß für den Gesetzgeber, die Regelungen dieser Norm

2

„europarechtskonform" zu gestalten. 7 Ihre jetzt gültige Fassung erhielt diese Bestimmung durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 29. Juni 1998." Mit dieser Novelle reagierte der Gesetzgeber rasch auf das Urteil des EuGH vom 22. April 1997 - Draempaehl - , 9 das auf Vorlage des Arbeitsgerichts Hamburg in einem möglicherweise aus rechtspolitischen Gründen bewußt herbeigeführten Verfahren ergangen ist. 1 0 Der EuGH hatte die in der damaligen Fassung des $ 61 l a normierte Begrenzung der Entschädigung auf drei Bruttomonatsbezüge, bei mehreren Bewerbern auf insgesamt höchstens sechs Bruttomonatsbezüge, und das Erfordernis schuldhaften Handelns als nicht mit der RL 76/207 EWG vereinbar erklärt. In dem Bestreben, „diesmal eine europarechtskonforme Regelung zu schaffen" entfiel das Verschuldenserfordernis; die Höhe der Entschädigung wurde für den Bestqualifizierten nicht begrenzt und für jeden der übrigen Bewerber auf höchstens drei Bruttomonatsbezüge festgesetzt, jedoch ohne Begrenzung auf eine Gesamtsumme im Fall der Diskriminierung mehrerer Nächstqualifizierter. Diese Änderungen sind europarechtskonf o r m , 1 1 auch soweit man nicht nur auf den Stand der umzusetzenden EG-Richtlinien im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes vom 29. Juni 1988 abstellt, sondern auch auf die zeitlich nachfolgenden EGRichtlinien bzw Richtlinienänderungen, vor allem auf die Beweislast-RL 12 und auf die Gleichbehandlungs-Rahmen-RL vom 27. November 2000, deren „Zweck die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten" ist (Art 1); sie muß nach näherer Maßgabe ihres Art 18 bis zum 2. Dezember 2003 umgesetzt sein. 1 3 Mit dem deutschen Ausdruck „benachteiligen" wird in der Sache nichts anderes bezeichnet als mit dem Wort „diskriminieren" im europarechtlichen Sprachgebrauch. Die Auslegung der deutschen Bestimmungen muß europarechtskonform erfolgen (§ 611 Rn 102). 1 4

II.

Konkurrierende Diskriminierungsverbote

S 611a Abs 1 S 1 untersagt dem Arbeitgeber jede Diskriminierung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts. Die Rechtsordnung kennt weitere Diskriminierungsverbote, die mit § 611a konkurrieren können. Als die speziellere Regelung hat $ 6 1 2 Abs 3 - Verbot der Geschlechtsdiskriminierung beim Arbeitsentgelt - Vorrang, soweit es (nur) um Fragen der Vergütung geht; Entsprechendes gilt für das europarechtliche Gebot der Lohngleichheit von Mann und Frau nach Art 141 EG ex Art 119 EWG (vgl § 6 1 2 Rn 2 2 , 4 0 ff). Geht es indessen um andere Folgen der Geschlechtsdiskriminierung, so hat § 61 l a als die speziellere Norm Vorrang vor dem grundgesetzlichen Gleichberechtigungsgebot des Art 3

3

Abs2GG und vor dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ( $ 6 1 1 Rn 117 ff). Zu mittelbaren Konkurrenzen kann es zwischen § 611a und den Benachteiligungsverboten wegen Teilzeit oder wegen Befristung ($ 4 TzBfG) vor allem unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung kommen. § 611a hat jedoch Vorrang, wenn das Geschlecht Teil eines

6 Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz ν 13.8.80, BGBl 11308; Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Zweites Gleichberechtigungsgesetz - 2. GleiBG) ν 24.6.94, BGBl 11406, 2103; Gesetz zur Änderung des BGB und des ArbGG ν 29.6.98, BGBl I 1694. 7 Vgl ausführlich: Schliemann in FS Dieterich (1999), 569-583. 8 BGBl I 1694. 9 EuGH 22.4.97 - RS C 180/95 - Draempaehl - Slg I 1997 I, 2195. 10 Oetker ZIP 97 804. 11 Vgl ausführlich: Schliemann in FS Dieterich (1999), 569, 580. Harald Schliemann

12 Richtlinie 97/80 EG des Rates über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ν 15.12.97, AblEG L ν 20.1.98 - Nr 40, 6, geändert durch RL 98/52 EG V 13.3.98, ABLEG L 205/66. 13 Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ν 27. November 2000, AblEG L 303/16 (Gleichbehandlungs-RahmenRL). 14 EuGH 14.7.94 - Faccini Dori - Slg. 1994, 1-3347, 3356; BAG 5.3.96 - 1 AZR 590/92 (A) - AP GG Art 3 Nr 226.

269

5 611a

Geschlechtsbezogene Benachteiligung ΠΙ. Das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung

Motivbündels für die diskriminierende Entscheidung oder Handlung des Arbeitgebers war. 15 Gleiches gilt für die Schwerbehindertendiskriminierung nach § 81 Abs 2 SGB IX.

III. Das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung (Abs 1 Satz 1) 4

§ 6 1 1 a ist geschlechtsneutral formuliert, auch wenn seine wesentliche Bedeutung darin liegt, der beruflichen Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken. $ 611a untersagt nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Geschlechtsdiskriminierung (vgl zum Begriff: § 61 IRn 165). 1 5 Dies entspricht sowohl der europarechtskonformen Auslegung der RL 76/207 EWG als auch der Begründung zu $ 611a BGB. 1 7 Art 2 Abs 2 RL 97/80 EG (Beweislast-RL) normiert das Verbot der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung für das Arbeitsrecht ausdrücklich. 18 Das Diskriminierungsverbot bezieht sich auf die Geschlechter selbst. Es erfaßt von daher - zumindest im Wege europarechtskonformer Auslegung - auch transsexuelle Personen, 1 9 allerdings erst nach ihrer Geschlechtsumwandlung. 20 5 611a schützt dagegen nicht gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. 2 1

5

Das gesetzliche Diskriminierungsverbot des § 611a Abs 1 S 1 ist wie die ganze Regelung des S 611a zwingend und kann deshalb weder durch Arbeitsvertrag noch durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abbedungen werden. 22 Ebensowenig kann sich ein Arbeitgeber darauf berufen, der Arbeitnehmer habe der Benachteiligung nicht widersprochen. 23 1.

Geschützte Personen

6

Geschützt werden nach dem Wortlaut des Gesetzes Arbeitnehmer. Arbeitnehmer ist jemand erst, wenn er in einem Arbeitsverhältnis steht. Bewerber stehen noch nicht in einem Arbeitsverhältnis zu demjenigen, bei dem sie sich um die Einstellung auf einen Arbeitsplatz bewerben. Die Auslegung des Gesetzes ergibt jedoch, daß der Schutz gerade auch Stellenbewerbern gilt. 2 4 Dies folgt zum einen daraus, daß das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung in § 611a Abs 1 S 1 BGB ausdrücklich auch bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses angeordnet ist, zum anderen auch aus der gebotenen europarechtskonformen Auslegung der Bestimmung im Hinblick auf die RL 76/107 EWG.

7

Zu den Arbeitnehmern im Sinne dieser Bestimmung zählen auch die aufgrund privatrechtlichen Vertrags zu ihrer Berufsausbildung oder beruflichen Fort- oder Weiterbildung Beschäftigten sowie entsprechende Bewerber, 25 nicht aber Personen, die Dienste auf anderer Grundlage als einem Arbeitsvertrag leisten (zB arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, freie Dienstnehmer, freie Mitarbeiter) oder keinen solchen Vertrag anstreben, sowie mangels privatrechtlichen Vertrags Beamte, Richter, Soldaten ($ 611 Rn 227 ff). Der Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Ämtern ergibt sich - unbeschadet des Typus des jeweiligen Rechtsverhältnisses - bereits aus Art 33 Abs 2 GG. Der Bund und einige Bundesländer haben für ihre Verwaltungen und Gerichte zudem Frauenförderpläne bzw Gleichstellungsgesetze erlassen, so zB das Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes. 26

15 BVerfG 1 6 . 1 1 . 9 3 - 1 BvR 258/86 - AP BGB $ 611a Nr 9. 16 Schlachter NZA 95 393. 17 BT-Drs VIU/3317, 8. 18 Richtlinie 97/80 EG des Rates über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ν 1 5 . 1 2 . 9 7 , AblEG L V 2 0 . 1 . 9 8 - Nr 40, 6, geändert durch RL 98/52 EG V 1 3 . 3 . 9 8 , ABLEG L 205/66. 19 Vgl zu RL 76/207 EWG: EuGH 3 0 . 4 . 9 6 - Rs C 13/94 - P/S u. Cornwall County Council, NZA 96 695. 20 KR/Pfeiffer $ 611a Rn 36. 21 BAG 1 5 . 5 . 9 7 - 6 AZR 26/96 - AP BAT $ 29 Nr 12; sa

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Harald Schliemann

EuGH 1 7 . 2 . 9 8 - Rs C 249/96 - Grant - AP Art 199 EGVertrag Nr 9. 22 Suadinger/Richardi/Annuß S 61 l a Rn 8. 23 BT-Drs 8/3317, 7. 24 BVerfG 1 6 . 1 1 . 9 3 - 1 BvR 258/86 - AP BGB $ 611a Nr 9.; Staudinger/Ricftflrdi/Annuß $ 611a Rn 24. 25 BT-Drs 8/3317, 7; Trieschmann RdA 79 407; Pfarr/ Bertelsmann Gleichbehandlungsgesetz Rn 32; Knigge BB 80 1272, 1273. 26 Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG, verkündet als Art 1 des G vom 3 0 . 1 1 . Ol (BGBl I, 3234).

Geschlechtsbezogene Benachteiligung S 611a 3. Vereinbarung, Maßnahme

2.

Normadressaten

Nach seinem Wortlaut wendet sich $ 611a Abs 1 S 1 an den Arbeitgeber. Auch dies bedarf der Aus- 8 legung, vor allem im Hinblick darauf, ob sich die Norm auch an die Betriebsparteien und an die Tarifvertragsparteien wendet. a)

Arbeitgeber

Arbeitgeber iS dieser Bestimmung ist nicht nur derjenige, der den betreffenden Arbeitnehmer bereits 9 aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt, sondern auch der, der mit ihm ein Arbeitsverhältnis eingehen will bzw zur Bewerbung um ein solches auffordert oder dazu Gelegenheit gibt. Insoweit korrespondiert die Auslegung dieses Begriffs mit der des Arbeitnehmers. Die Vorschrift wendet sich indessen nicht nur an den sogenannten Vertragsarbeitgeber, sondern bei einer sogenannten gespaltenen Arbeitgeberstellung wie zB bei der Leiharbeit (§ 611 Rn 295 ff) oder im gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen (§ 611 Rn 310) auch den Arbeitgeber, der nur Teilfunktionen, vor allem im Wege des Direktionsrechts, ausübt.27 Denn es geht bei $ 61 la Abs 1S 1 nicht nur um Maßnahmen auf der Ebene der vertraglichen Gestaltung, sondern um jedwede Maßnahme im Arbeitsverhältnis. b)

10

Betriebsparteien

Der Arbeitgeber ist aber auch als Betriebspartei an $ 61 la Abs 1S 1,2 gebunden. Dabei ist allerdings zu 1 1 berücksichtigen, daß er zB beim Abschluß einer Betriebsvereinbarung nicht allein handelt. Dieser Umstand entbindet ihn indessen nicht von der Pflicht, das Diskriminierungsverbot des S 611a Abs 1 S 1, 2 zu beachten. Dagegen wendet sich diese Norm nicht direkt an den Betriebsrat als der anderen Betriebspartei. Indessen besteht insoweit eine indirekte Bindung, als Arbeitgeber und Betriebsrat nach $ 75 Abs 1 BetrVG darüber zu wachen haben, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden (HS 1) und daß jede unterschiedliche Behandlung von Personen ua wegen ihres Geschlechtes unterbleibt (HS 2). Zu den Grundsätzen iS des Halbsatzes 1 zählen nicht nur Art 3 Abs 2 und 3 GG, sondern auch das Diskriminierungsverbot des § 61 la Abs 1S 1, 28 Der Betriebsrat hat darüber hinaus nach $ 80 Abs 1 Nr 2a BetrVG ausdrücklich die „allgemeine Aufgabe, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg zu fördern". 29 Entsprechendes gilt für Personalvertretungsräte (§ 68 Abs 1 Nr 2, Nr 5a BPersVG bzw entsprechende Ländergesetze). c)

Tarifvertragsparteien

Dagegen wendet sich § 61 la Abs 1S 1 nicht unmittelbar an die Tarifvertragsparteien.30 Nur hinsichtlich eines Firmentarifvertrags trifft den Arbeitgeber indessen dieselbe Pflicht, wie er sie auch als Betriebspartei einzuhalten hat (Rn 9). Indessen sind die Tarifvertragsparteien grundsätzlich an das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung in Art 3 Abs 2 GG gebunden.31 3.

12

Vereinbarung, Maßnahme

$ 61 la Abs 1S 1 verbietet die Geschlechtsdiskriminierung umfassend. Mit Vereinbarungen wird das 1 3 rechtsgeschäftliche Verhalten umschrieben, mit Maßnahme jedes rechtliche oder auch nur tatsächliche Arbeitgeberverhalten. Besonders hervorgehoben ist das Verbot der Diskriminierung wegen des 27 Saudinger/Richardi/Annuß J 611a Rn 22. 28 FKHE, s 75 BetrVG Rn 45 ff, 47. 29 $ 80 Abs 1 Nr 2a BetrVG wurde eingeführt durch das Zweite GleichberechtigungsG ν 24.6.94, BGBl I 1406, 2103. 30 KR ¡Pfeiffer § 61 la BGB Rn 9; aA ErfKomm/Stfiforfiter s 611a Rn 6; Staudinger/Ri'riiardi/AnnuK $ 611a Rn 23. Harald Schliemann

31 Vgl Zur Bindung der Tarifvertragsparteien an höherrangige Normen: Schliemann Arbeitsgerichtliche Kontrolle von Tarifverträgen, ZTR 2000 198; Zur arbeitsgerichtlichen Kontrolle kollektiver Regelungen, ders in FS Hanau, 577 ff.

271

S 611a

Geschlechtsbezogene Benachteiligung III. Das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung

Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung. Eine benachteiligende Maßnahme kann auch darin liegen, daß der Arbeitgeber den Gleichbehandlungsanspruch durch eine unfaire Vorgehensweise verletzt.32 Insgesamt will das Gesetz alle in Betracht kommenden benachteiligenden Handlungen des Arbeitgebers unterbinden. Auf die Absicht der Benachteiligung kommt es nicht an; es können auch „wohlmeinende" Maßnahmen, etwa solche zum Schutz gegen Überbelastung, unter S 61 la Abs 1S 1 fallen. Dies wirft die Frage auf, ob den Arbeitgeber insoweit nicht nur eine Pflicht zur Unterlassung von Handlungen trifft, die gegen §611a Abs 1 S 1 verstoßen, sondern ggfs auch eine Handlungspflicht zur Beseitigung geschlechtsdiskriminierender Zustände. Prinzipiell dürfte eine solche Beseitigungspflicht zu bejahen sein, soweit der Arbeitgeber für die geschlechtsdiskriminierenden Zustände mit Rücksicht auf sein Organisations- und Direktionsrecht ohne Rücksicht auf sein Verschulden als objektiver Verursacher einzustehen hat. a)

Begründung eines Arbeitsverhältnisses

14 Die in der Praxis der Arbeitsgericht wichtigste Fallgruppe betrifft die geschlechtsdiskriminierende Nichtbegründung von Arbeitsverhältnissen.33 $ 611a stellt dabei nicht auf die formale Position eines bereits durch die Einreichung einer Bewerbung begründeten „Status" als „Bewerber", sondern auf die materiell zu bestimmende objektive Eignung als Bewerber für die Stelle ab. 34 Es muß sich maW um eine für den Bewerbungsempfänger ernst zu nehmende Bewerbung handeln. „ B l i n d b e w e r b u n g e n " für irgendeinen, nicht konkret zur Besetzung anstehenden „Arbeitsplatz" werden von $ 611a BGB nicht erfaßt. 15 Bei der geschlechtsdiskriminierenden Nichtberücksichtigung von Bewerbungen steht wiederum die Frauendiskriminierung im Vordergrund, vor allem, wenn Bewerbungen von Frauen für üblicherweise von Männern ausgeübte Arbeiten unberücksichtigt bleiben. Allerdings sind auch Auseinandersetzungen zu beobachten, bei denen Männer geltend gemacht haben, ihre Bewerbung für eine „typische" Frauenarbeit sei geschlechtsdiskriminierend unberücksichtigt geblieben, ohne daß hierfür ein nach § 61 la zu respektierender Grund vorliegt (Männerdiskriminierung) 35 In beiden Grundkonstellationen haben traditionelle Grundverständnisse über die sogenannten Geschlechterrollen nach wie vor eine große praktische Bedeutung. Auf solche tradierten, aber wenig reflektierten Grundhaltungen sind viele Argumentationsmuster zurückzuführen, mit denen ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung reklamiert werden soll. 16 Die Ablehnung der Bewerbung einer schwangeren Frau 36 verstößt auch und gerade dann gegen § 61 la Abs 1 S 1 BGB, wenn sie darauf beruht, daß die Schwangere nicht eingestellt werde, weil sie aus mutterschutzrechtlichen Gründen von Anfang an vorübergehend die auf der auf Dauer ausgeschriebenen Stelle zu verrichtende Arbeit, zB als OP-Schwester in einem Krankenhaus, nicht leisten dürfe. Eine andere Ansicht wäre mit Art 2 Abs 1 und 3 RL 76/207 EWG nicht vereinbar. Diese Normen verbieten es schlechthin, eine schwangere Frau deshalb nicht auf eine unbefristete Stelle einzustellen, weil sie für die Dauer der Schwangerschaft wegen eines aus ihrem Zustand folgenden gesetzlichen Beschäftigungsverbots auf dieser Stelle von Anfang an nicht beschäftigt werden darf. 37 Damit ist die frühere Rechtsprechung des BAG überholt, wonach die Frage nach der Schwangerschaft vor Einstellung einer Arzthelferin ausnahmsweise dann sachlich gerechtfertigt war, wenn sie objektiv dem Schutz der Bewerberin 32 BVerfG 16.11.93 - 1 BvR 258/86 - AP BGB § 611a Nr 9 m Anm Schlachter. 33 Michels-Holl in ArbR BGB1 § 611a Rn 7 m w N = BGBRGRK 12 . 34 BAG 12.11.98 - 8 AZR 365/97 - AP BGB $ 6 1 1 a Nr 16 (Bewerbung eines Mannes mit bewerbungshandschriftlichem Bewerbungsschreiben auf die Stelle einer „Gleichstellungsbeauftragten" in einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen). 35 ZB EuGH 2 2 . 4 . 9 7 - Rs C180/95 - Draempaehl - Slg. I 1997 I, 2195 (Bewerbung eines Mannes auf die Stelle einer „Assistentin"); BAG 12.11.98 - 8 AZR 365/97 - AP

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Harald Schliemann

BGB$ 611aNr 16(Bewerbung eines Mannes auf die Stelle einer „Gleichstellungsbeauftragten" in einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen); BVerfG 1 6 . 1 1 . 9 3 - 1 BvR 258/ 86 - AP BGB J 611a Nr 9 m Anm Schlachter (Bewerbung einer ausgebildeten Lehrerin mit zusätzlicher abgeschlossener Ausbildung zur Maschinenschlosserin auf eine die Ausbildung zum Maschinenschlosser voraussetzenden Stelle in einem Drittmittelprojekt an einer Universität). 36 Ausführlich: W. Paul DB 2000 974. 37 EuGH 3 . 2 . 2 0 0 0 - Rs C 207/98 - Mahlburg - AP BGB S 611a Nr 18.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung $ 611a 3. Vereinbarung, Maßnahme

und des ungeborenen Kindes diente. 38 Grundsätzlich muß es bei Unzulässigkeit der Befragung nach der Schwangerschaft39 bleiben. Ob anderes dann anzunehmen ist, wenn die Bewerberin sich zur befristeten Einstellung auf eine Stelle beworben hat, die vor Ablauf der nachgeburtlichen Schutzfrist ausläuft, und auf der Stelle Aufgaben zu erledigen sind, die bei Schwangerschaft ein gesetzliches Beschäftigungsverbot ohne Befreiungsmöglichkeit nach sich ziehen, ist noch nicht entschieden. Insoweit dürften die besseren Gründe dafür sprechen anzunehmen, daß ein solches Verhalten, nämlich die Frage nach einer vorliegenden Schwangerschaft und die Nichtberücksichtigung der Bewerbung, nach $ 611a Abs 1 S 1 BGB wie auch nach RL 76/207 EWG vom Sinn und Zweck der Bestimmungen nicht untersagt ist. Anderes wäre zumindest im Hinblick auf Art 14 und 12 GG fragwürdig, weil die Schwangere in solchem Fall nur noch Ansprüche erwürbe, ohne in dem befristeten Arbeitsverhältnis mit Rücksicht auf schwangerschaftsbedingte Beschäftigungsverbote jemals zur Arbeitsleistung verpflichtet zu sein. Darüber dürfte sich mit Rücksicht auf den „Solange II"-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts40 auch europäisches Recht nicht hinwegsetzen. b)

Beruflicher Aufstieg

Unter dem Begriff beruflicher Aufstieg ist alles zu verstehen, was der beruflichen Entwicklung, vor 1 7 allem in höher dotierte oder sonst höherwertige Stellen und Arbeitsplätze dient, angefangen von der beruflichen Leistungsbeurteilung über die Zuweisung qualifizierender Tätigkeiten mit und ohne Chance auf ein höheres Arbeitsentgelt oder einen Vergütungsgruppenaufstieg bis hin zur beruflichen Fort- und Weiterbildung. Insgesamt geht es um eine Verbesserung in der Hierarchie oder sonstigen Wertigkeit des Arbeitsplatzes. Eine diskriminierende Lohnfindung kann unter $ 612 Abs 3 BGB fallen. c)

Weisung

Die Hervorhebung des Merkmals der Weisung macht nochmals deutlich, daß es dem Gesetzgeber des 1 8 S 611a darauf ankommt, möglichst alle Formen der Benachteiligung durch Maßnahmen zu erfassen. Geschlechtsdiskriminierend kann insbesondere auch die Zuteilung von Arbeitsaufgaben 41 sein, indem zB der Arbeitgeber den Angehörigen des einen Geschlecht die leichteren oder beliebteren Arbeitsaufgaben und/oder Arbeitszeiten zuweist und dem anderen Geschlecht nur die weniger beliebten Tätigkeiten oder Arbeitszeiten. d)

Kündigung

Zu den hervorgehobenen Tatbeständen gehört auch das Verbot der geschlechtsdiskriminierenden 1 9 Kündigung durch den Arbeitgeber. Dieses Verbot spielt in der Praxis des Kündigungsschutzes nur eine geringe Rolle. 42 Im Hinblick auf den europarechtlichen Begriff der Entlassung in Art 5 Abs 1 RL 76/ 207 EWG fallen unter § 611a Abs 1 S 1 BGB aber nicht nur Kündigungen, sondern auch (geschlechtsdiskriminierende) Befristungen, so zB eine generelle Politik des Arbeitgebers, Arbeitsverhältnisse jeweils dann zu beenden, wenn das für Männer und Frauen unterschiedliche Regelalter für die Altersrente erreicht ist, 43 oder geschlechtsspezifische Altersgrenzenvereinbarungen.44 Allerdings gestattet Art 6 der Gleichbehandlungs-Rahmen-RL4S bestimmte „gerechtfertigte" Ungleichbehandlungen der Geschlechter wegen des Alters.

38 So noch BAG 1 . 7 . 9 3 - 2 AZR 25/93 - AP BGB $ 123 Nr 36. 3 9 BAG 1 5 . 1 0 . 9 2 - 2 AZR 227/92 - AP BGB $ 61 l a Nr 8. 4 0 BVerfG 2 2 . 1 0 . 8 6 - 2 BvR 197/83 - NJW 87 577 (Solange Π). 41 LAG Köln 1 0 . 5 . 9 0 - 8 Sa 62/89 - DB 90 1728; E ich NJW 80 2329. 4 2 Horstkötte/Schiek ArbuR 98 227; Schick NZA 98 863. Harald Schliemann

43 EuGH 1 2 . 7 . 9 0 - Rs C 188/89 - Foster ua ./. British Gas plc - NJW 91 3086. 4 4 KRJPfeiffer $ 611a BGB Rn 24. 45 Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ν 27. November 2000, AblEG L 303/16 (Gleichbehandlungs-RahmenRL).

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S 611a

4.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung ΠΙ. Das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung

Benachteiligung wegen des Geschlechts

2 0 Ob die Vereinbarung oder Maßnahme zu einer Benachteiligung wegen des Geschlechts führt, muß durch einen Vergleich mit dem Beschäftigten des anderen Geschlechts ermittelt werden. Dabei kann zum Vergleich eine derzeit auf einem gleichen Arbeitsplatz beschäftigte Person ebenso herangezogen werden wie eine Person, die auf demselben Arbeitsplatz zuvor oder hinterher tätig war oder ist. a) 21

Abstrakte Benachteiligung

Die Vorschrift setzt aber nicht voraus, daß Mann und Frau im konkreten Fall konkurrieren. Vielmehr ist von einem abstrakten Begriff der Benachteiligung auszugehen. Es reicht aus, wenn die Vereinbarung oder Maßnahme abstrakt an geschlechtsspezifische Merkmale anknüpft, wie der EuGH zu Art 119 EWG Vertrag (jetzt: Art 141 EGV) erkannt hat. 46 b)

Unmittelbare und mittelbare Benachteiligung

2 2 Erfaßt ist sowohl die unmittelbare wie auch die mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts. Auf eine Absicht der Benachteiligung kommt es nicht an. Die Feststellung, ob die Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist, erfolgt durch das Gericht im Wege wertender Feststellung. Es genügt, wenn der geschlechtsdiskriminierende Umstand Teil mehrerer Beweggründe war.47 Die Frage der Kausalität von Zugehörigkeit zu einem Geschlecht und Benachteiligung wegen dieser Zugehörigkeit ist mit Rücksicht auf Art 2 Abs 1 RL 76/207 EWG je nach dem, ob es sich um eine unmittelbare oder um eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts handelt, unterschiedlich zu beurteilen. Zwar kommt dies im Wortlaut des § 611a BGB nicht unmittelbar zum Ausdruck; der Gesetzgeber wollte jedoch die RL 76/207 EWG vollständig umsetzen. Zudem ist das Verbot der unmittelbaren wie das der mittelbaren Diskriminierung in Art 2 der Gleichbehandlungs-Rahmen-RL48 erfaßt. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts wird in der Regel dadurch nahegelegt, daß das eine Geschlecht in wesentlich stärkerem Umfang als das andere Geschlecht von der ihm gegenüber nachteiligen Regelung betroffen ist. Allerdings liegt eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung nicht bereits vor, wenn unter von einer Rechtsnorm nachteilig betroffenen Gruppe mehr Angehörige des einen als des anderen Geschlechts sind; es muß vielmehr hinzukommen, daß das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter unter den Begünstigten wesentlich anders ist. 49 Trotz scheinbarer Geschlechtsbezogenheit werden solche Benachteiligungen von $ 611a nicht erfaßt, die auf anderen Ursachen, zB auf Teilzeitbeschäftigung (S 4 Abs 1 TzBfG), beruhen. Stehen mehrere Diskriminierungsverbote in Idealkonkurrenz, so hat der speziellere Tatbestand Vorrang vor dem allgemeineren. 5.

Geschlechtspezifische Förderung

2 3 Weder $ 611a Abs 1 S 1 BGB noch die RL 76/207 ÈWG verbieten a limine eine geschlechtsspezifische Förderung, die im Hinblick auf das andere Geschlecht auch als „umgekehrte Diskriminierung" bezeichnet wird.50 Die Kompensation traditioneller Benachteiligungen, vor allem der Frauen, durch Regelungen, die zu einer relativen Bevorzugung der Frauen bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips führen, läßt sich auf Art 3 Abs 2 GG stützen, weil Art 3 Abs 2 GG nicht nur als Diskriminierungsverbot, sondern auch als Gebot der Chancengleichstellung verstanden werden kann.51 Nach Art 2 Abs 4 RL 76/207 EWG steht die Richtlinie nicht Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit

46 EuGH 8 . 1 1 . 9 0 - Rs C 177/88 - Dekker - AP EWGVertrag Ar. 119 Nr 23. 47 BVerfG 1 6 . 1 1 . 9 3 - 1 BvR 258/86 - AP BGB $ 611a Nr 9 (Schlachter) aA Loritz SAE 95 221. 48 Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ν 27. November 2000, AblEG L 303/16 (Gleichbehandlungs-RahmenRL).

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Harald Schliemann

4 9 BAG 5 . 3 . 9 7 - 7 AZR 581/92 - AP BetrVG 1972 $ 37 Nr 123; kritisch Saudinger/Richardi/Annuß $611a Rn 3 2 - 4 1 . 50 EuGH 2 8 . 3 . 2 0 0 0 - Rs C158/97 - Badeck - AP EWGRichtlinie 76/207 - Nr 20; ErfKomm/Schlächter § 611a Rn 17; Staudinger/Rtcfterdi/Annuß $ 611a Rn 49. 51 MiinchKommBGB/Müller-Glöge $ 611a Rn 12 mwN.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung $ 611a 1. Qualifikationsunterschiede

von Mann und Frau entgegen. Dementsprechend sind Maßnahmen zur Chancengleichheit möglich, nicht aber solche, die auf eine Gleichheit im Ergebnis mit Hilfe starrer Quoten oder gar unbedingte Vorrangregelungen für ein bestimmtes Geschlecht gerichtet sind. 52 Nach Art 7 der GleichbehandlungsRahmen-RL 53 sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, benachteiligungsausgleichende positive und spezifische Maßnahmen durchzuführen.

IV.

Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung (Abs 1 Satz 2)

Das Geschlecht rechtfertigt nach § 611a Abs 1 S 2 die unterschiedliche Behandlung, wenn eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und das Geschlecht für die Tätigkeit unverzichtbare Voraussetzung ist. Unverzichtbar ist das Geschlecht nur, wenn ein Angehöriger des anderen Geschlechts die vertraglich oder im Rahmen der sonstigen Maßnahme, vor allem der Weisung des Arbeitgebers, geschuldete Tätigkeit ihrer Art nach nicht oder nur völlig unzureichend erfüllen könnte. Ob dies der Fall ist, richtet sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers, sondern muß anhand objektiver Merkmale der geschuldeten Leistung festgestellt werden. Dabei können auch das Verhalten der Kunden oder Geschäftspartner oder kulturelle Eigenheiten des (fremden) Kulturkreises, in dem die Leistung zu erbringen ist, objektive Merkmale darstellen. Indessen können tradierte Vorstellungen im Inland nicht dazu dienen, das traditionelle Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung anzusehen. Der Beruf der Hebamme ist in diesem Sinn nicht geschlechtsspezifisch; es gibt auch den Entbindungspfleger. Gleiches gilt für den Beruf der Sekretärin 54 oder des Schlossers. 55 Auch in diesen Berufen ist die Beschäftigung von Angehörigen des jeweils anderen Geschlechts nicht aufgrund objektiver Merkmale der geschuldeten Leistung ausgeschlossen. Noch weniger kann die Geschlechtsspezifik mit „erfahrungsgemäßen" Feststellungen begründet werden, wenn es sich um Berufe handelt, die völlig neu sind und gerade dazu dienen sollen, Geschlechtsdiskriminierung zurückzudrängen wie zB bei einer Bewerbung eines Mannes auf die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten in einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen. 56 Es bleiben nur wenige geschlechtsspezifische Tätigkeiten, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Von daher bedarf auch der Katalog geschlechtsspezifischer Berufe und Arbeitstätigkeiten, den die Bundesregierung anläßlich der Umsetzung des Urteils des EuGH vom 2 1 . 5 . 8 5 erstellt hat, 57 der kritischen Überprüfung.

V.

Geschlechtsneutrale sachliche Rechtfertigungen (Abs 1 Satz 3)

Die Geschlechtsneutralität der Regelungen in S 611a Abs 1 S 1 setzt sich auch fort in der Anforderung des $ 611a Abs 1 S 3, wonach nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Der sachliche Grund für eine unterschiedliche Behandlung muß sich auf die Vereinbarung oder Maßnahme des Arbeitgebers beziehen. 1.

24

25

Qualifikationsunterschiede

Solche Gründe können zunächst und vor allem in beruflichen Qualifikationsunterschieden der Arbeitnehmer bzw Stellenbewerber liegen, und zwar sowohl in der formalen, durch den beruflichen 52 EuGH 2 8 . 3 . 2 0 0 0 - Rs C 158/97 - Badeck - AP EWG Richtlinie Nr 76/207 Nr 20; BAG 5 . 3 . 9 6 - 1 AZR 590/92 (A) (Kaianke II) - AP GG Art 3 Nr 226 (Schiek)·, EuGH 1 7 . 1 0 . 9 5 - Rs C 450/93 - Kaianke - AP EWG Richtlinie Nr 76/207 Nr 6. 53 Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ν 27. November 2000, AblEG L 303/16 (Gleichbehandlungs-RahmenRL). 54 ZB EuGH 2 2 . 4 . 9 7 - Rs C180/95 - Draempaehl - Slg. I 1997 I, 2195 (Bewerbung eines Mannes auf die Stelle einer „Assistentin"). Harald Schliemann

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55 BVerfG 1 6 . 1 1 . 9 3 - 1 BvR 258/86 - AP BGB $ 611a Nr 9 m Anm Schlächter (Bewerbung einer ausgebildeten Lehrerin mit zusätzlicher abgeschlossener Ausbildung zur Maschinenschlosserin auf eine die Ausbildung zum Maschinenschlosser voraussetzenden Stelle in einem Drittmittelprojekt an einer Universität). 56 BAG 1 2 . 1 1 . 9 8 - 8 AZR 365/97 - AP BGB $ 611a Nr 16; MünchKommBGB/MüiZer-Gföge S 611a R n 2 9 mwN; aA für eine Frauenreferentin in einer politischen Partei: LAG Berlin 1 4 . 1 . 9 8 - 8 Sa 118/97 - NZA 98 312. 57 BArbBl 87 Nr 11, 40; Abdruck bei Michels-Holl in ArbR BGB 1 § 611a Rn 14.

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S 611a

Geschlechtsbezogene Benachteiligung VI. Beweislast

Ausbildungs- und Werdegang durch Abschlußzeugnisse, Examina, Arbeitszeugnisse usw darstellbaren Qualifikation als auch in den weniger objektivierbaren, nicht oder nur wenig formalisierten Ergebnissen der Bewerberauswahl mit Hilfe von Assessment-Center-Verfahren oder herkömmlichen Bewerbergesprächen oder anderen Methoden. Gerade auch der persönliche Eindruck kann ein solcher Grund sein; indessen darf er nicht nur vorgeschoben werden. Vor allem eine für die Tätigkeit vorausgesetzte einschlägige Berufsausbildung kann die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.58 Entsprechendes gilt für die Berufserfahrung. Während der EuGH die berufliche Anciennität durchweg als sachlichen Grund anerkennt,59 hält das Bundesverfassungsgericht die Sachgerechtheit des Kriteriums der Berufserfahrung iSd Art 3 Abs 3 GG für nicht stetsgegeben.60 Das BAG läßt Berufserfahrung als Unterscheidungsmerkmal zu, fordert jedoch insoweit einen substantiierten Nachweis der Erfahrungsunterschiede. 61 2.

Rechtliche Vorgaben

2 7 Auf sachlichen Gründen beruht eine unterschiedliche Behandlung auch, wenn sie arbeitsrechtlich relevante Beschäftigungsverbote berücksichtigt. Dies setzt aber voraus, daß das Beschäftigungsverbot seinerseits nicht geschlechtsdiskriminierend ist, sondern auf anderen, sachlichen Gründen beruht und es seinerseits den Anforderungen des EG-Rechts genügt. Angesichts der Entwicklung der letzten Jahre ist stets Vorsicht geboten, ob die wenigen gesetzlichen Beschäftigungsverbote europarechtskonform sind. 62

VI.

Beweislast (Abs 1 Satz 3)

2 8 Auch für $ 611a gilt die Grundregel, daß derjenige, der aus dieser Norm günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, die Beweislast für das Vorliegen der erforderlichen Tatsachen trägt. Indessen ordnet S 611a Abs 1 S 3 hiervon insoweit eine Ausnahme an* daß der Arbeitgeber sowohl hinsichtlich des nicht auf das Geschlecht bezogenen sachlichen Grundes zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung als auch hinsichtlich der Unverzichtbarkeit des Geschlechtes für die auszuübende Tätigkeit die Beweislast trägt, wenn der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen. Diese Regelung entspricht der EG-rechtlichen Vorgabe über die Beweislastverteilung durch die Richtlinie 97/80 des Rates EG vom 15.12.1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Beweislastrichtlinie).63 Diese Richtlinie ist nach ihrem Art 3 Abs la auch auf die Gleichbehandlungsrichtlinie (RL 76/207 EWG) anzuwenden und sieht in Art 4 Abs 1 vor, daß die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, nach denen es dem Arbeitgeber obliegt zu beweisen, daß keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat, wenn sich Personen durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw einer anderen zuständigen Stelle die Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen. Verfassungsrechtlich ist es unbedenklich, daß dem Arbeitgeber die Beweislast dafür obliegt, daß die Voraussetzungen für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts vorliegen.64

58 EuGH 17.10.89 - Rs C 109/88 - AP EWG-Vertrag Art 199 Nr 27. 59 EuGH 17.10.89 - Rs C 109/88 - AP EWG-Vertrag Art 199 Nr 27. 60 BVerfG 16.11.93- 1 BvR 258/86 - AP BGB $ 611a Nr 9 m Anm Schlachter (Bewerbung einer ausgebildeten Lehrerin mit zusätzlicher abgeschlossener Ausbildung zur Maschinenschlosserin auf eine die Ausbildung zum

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Harald Schliemann

Maschinenschlosser voraussetzenden Stelle in einem Drittmittelprojekt an einer Universität). 61 BAG 2 . 1 2 . 9 4 - 4 AZR 152/92 - AP BAT $ 23a Nr 28. 62 EuGH 20.1. 2000 - Rs C 285/98 - Tanja Kreil - AP EWG-Richtlinie 76/207 Nr 19 (Zugang von Frauen zum Beruf des Soldaten in Kampfeinheiten der Bundeswehr). 63 AblEG L ν 14. Januar 98 Nr 14, 6. 64 BVerfG 23.8.2000 - 1 BvR 1032/00 - AP BGB $ 611a Nr 19.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung S 611a 2. Glaubhaftmachung der Benachteiligungsvermutung

1.

Darlegung und Beweis der Benachteiligung

Ausgehend vom Grundsatz, derjenige müsse die Tatsachen beweisen, der aus ihnen für sich günstige 2 9 Rechtsfolgen herleiten will, muß der Arbeitnehmer grundsätzlich darlegen und ggfs beweisen, daß er benachteiligt worden ist. Dafür wird in der Regel genügen darzulegen, daß ein mit dem Arbeitnehmer vergleichbarer Bewerber „besser" behandelt worden ist. Der bloße Umstand, daß zB eine Bewerbung keinen Erfolg gehabt hat, besagt noch nichts über eine Benachteiligung, denn es kann durchaus sein, daß überhaupt kein Bewerber erfolgreich war. Insoweit wird ein einzelner Bewerber häufig keine Tatsachen aus eigenem Wissen vortragen können. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar für Art 33 Abs 2 GG angenommen, der unterlegene Bewerber um eine Beförderungsstelle müsse innerhalb einer für seine Rechtsschutzentscheidung ausreichenden Zeitspanne vor der Ernennung des Mitbewerbers durch eine Mitteilung des Dienstherrn Kenntnis vom Ausgang des Auswahlverfahrens erlangen können.65 Diese zur beamtenrechtlichen Konkurrentenklage entwickelten Rechtssätze lassen sich auf Konkurrentenklagen um Arbeitsverhältnisse im Rahmen von § 611a BGB allenfalls dann übertragen, wenn es sich um den Zugang zu einem öffentlichen Amt iSd Art 33 Abs 2 BGB handelt und die Stelle noch nicht besetzt ist. 66 Für Arbeitsverhältnisse außerhalb des Anwendungsbereichs des Art 33 Abs 2 GG fehlt es dagegen an einer entsprechenden Rechtsgrundlage für eine solche Mitteilungs- oder auch nur Auskunftspflicht. Insbesondere räumt die BeweislastRL67 demjenigen, der sich benachteiligt fühlt, keinen Anspruch auf entsprechende Auskunft darüber ein, aus welchen Gründen er nicht berücksichtigt worden ist. 58 Die Darlegung der Benachteiligung für sich allein besagt indessen noch nicht, daß diese wegen des Geschlechts erfolgt sei. 2.

Glaubhaftmachung der Benachteiligungsvermutung

Bei der Glaubhaftmachung der Hilfstatsachen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts 3 0 vermuten lassen, handelt es sich hinsichtlich der Glaubhaftmachungsmittel nicht um solche iSd § 294 ZPO.69 Es genügt nicht, die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen an Eides statt zu versichern. Vielmehr muß sich der Petent der üblichen Beweismittel und Beweisantritte bedienen. Seine Wirkung entfaltet S 613 Abs 1S 3 erst im Rahmen von $ 286 ZPO. Es ist nicht mehr der „volle" Beweis erforderlich, sondern es genügt für die Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung, daß das Gericht Tatsachen als festgestellt annehmen darf oder muß, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts liege wahrscheinlich vor. In Fällen der nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung dürfte insoweit die Vorlage der Stellenausschreibung zB aus einer Tageszeitung bereits genügen, um diese Glaubhaftmachung zu bewirken.70 Auch bei einer unmittelbar geschlechtsbezogenen Benachteiligung bei anderen Maßnahmen dürfte die Glaubhaftmachung in der Regel möglich sein. Insgesamt ordnet § 611a Abs 1 S 3 an, daß die Anforderungen an den Beweis für diese Tatsachen geringer zu sein haben. Schwieriger ist es im Fall der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung. Insoweit kommt es zunächst 3 1 auf die Darlegung an, daß - gemessen an den zutreffenden Vergleichsgruppen - von der in Rede stehenden Maßnahme wesentlich mehr Angehörige des Geschlechts betroffen sind, der auch der Petent angehört, als Angehörige des anderen Geschlechts. Insoweit können seriöse Statistiken hilfreich sein. Es genügt aber nicht, die nur zahlenmäßige Unterlegenheit des anderen Geschlechts darzulegen, sondern es muß hinzukommen, daß auch die Zusammensetzung der beiden Geschlechtergruppen mituntersucht wird, um feststellen zu können, ob tatsächlich ein Fall mittelbarer Geschlechtsdiskriminierung vorliegt.71 Zudem muß der Unterschied der Anteile der beiden Geschlechter erheblich sein. 72 65 BVerfG 19.9.89 - 2 BvR 1576/88 - NJW 90 501. 66 Vgl zu arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage im Rahmen des Art 33 Abs 2 GG: BAG 2.12.97 - 9 AZR 445/96 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 40. 67 Richtlinie 97/80 EG des Rates über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ν 15.12.97, AblEG L ν 20.1.98 - Nr 40, 6, geändert durch RL 98/52 EG ν 13.3.98, ABLEG L 205/66. 68 EriKomm/Schlachter $ 611a Rn 24. Harald Schliemann

69 Saudingei/Ruhardi/Annuß S 611a Rn 101. 70 BVerfG 16.11.93 - 1 BvR 258/86 - AP BGB § 611a Nr 9; BAG 14.3.89 - 8 AZR 447/87 - AP BGB S 61 la Nr 5; BAG 1 4 . 3 . 8 9 - 8 AZR 351/86 - AP BGB § 611a Nr 6. 71 MünchKommBGB/MüJkr-Gtó¿e § 611a Rn20, 21 mwN. 72 Wißmann in FS Wlotzke (1996), 807,817; ders ZTR 94 223, 224.

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S 611a

3.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung VII. Rechtsfolgen eines Verstoßes

Beweis der Nichtdiskriminierung

3 2 Gelingt die Glaubhaftmachung der Hilfstatsache, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, so ist hierdurch nicht etwa der Tatbestand des $ 292 ZPOgegeben,73 sondern der Beweis iSd Beweisrechts. Demgemäß kann der Arbeitgeber die Wirkung dieses Beweises auch nicht durch die Glaubhaftmachung von Gegentatsachen erschüttern. 74 Vielmehr muß er insoweit vollen Gegenbeweis antreten. Ist die Hilfstatsache, die die Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten läßt, gem $ 611a Abs 1 S 3 glaubhaft gemacht, dh aufgrund geringerer Beweisanforderung iSd § 286 ZPO bewiesen, so trifft den Arbeitgeber die uneingeschränkte Beweislast dafür, daß die Benachteiligung bzw unterschiedliche Behandlung auf sachlichen, nicht auf das Geschlecht bezogenen Gründen beruht oder daß die Tätigkeit das Geschlecht zur unverzichtbaren Voraussetzung habe. 75 Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. 75

VII. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen S 611a Abs 1 BGB 3 3 Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen $ 611a Abs 1 sind hinsichtlich der Entschädigung in S 611a Abs 2-4, ggfs iVm $ 61b ArbGG geregelt. Diese Regelungen schließen andere Rechtsfolgen als Schadensersatzansprüche (dazu Rn 35, 36) wegen Verletzung des $ 611a - zB Unwirksamkeit einer geschlechtsdiskriminierenden Kündigung - nicht aus. Diese anderen Rechtsfolgen richten sich nach allgemeinem Recht. 1.

Allgemeine Rechtsfolgen

3 4 Eine Vereinbarung zwischen dem benachteiligten Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, die gegen § 611a Abs 1 S 1 BGB verstößt, ist nach § 134 BGB nichtig. Dagegen werden Vereinbarungen, die der Arbeitgeber mit einem Dritten, zB mit dem geschlechtsdiskriminierend bevorzugten Bewerber, abgeschlossen hat, von § 134 BGB nicht erfaßt. Unter § 134 BGB fallen auch einseitige Rechtsgeschäfte, so daß eine gegen $ 611a verstoßende Kündigung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer ohne weiteres nichtig ist. Hierauf kann sich jeder Arbeitnehmer berufen, auch der, der keinen Schutz des Kündigungsschutzgesetzes genießt. Eine gegen S 611a BGB verstoßende Weisung des Arbeitgebers muß der hierdurch benachteiligte Arbeitnehmer nicht beachten; insoweit steht ihm ein Leistungsverweigerungsrecht zu. 3 5 Dagegen stehen dem Arbeitnehmer keine Ansprüche auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung aus § 823 Abs 2 BGB zu, denn § 611a BGB ist kein Schutzgesetz, sondern stellt eine eigenständige Regel dar. 77 Der Arbeitnehmer kann wegen Verletzung des § 611a BGB auch keinen Schadensersatz wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts (mehr) verlangen. Die frühere, durch die Rechtsprechung des BAG mit dem Ziel der Erfüllung europarechtlicher Vorgaben entwickelte Rechtsprechung, wonach die Verletzung des §611a Abs 1 S 1 BGB zum Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts führen konnte, 78 ist überholt. 79 2.

Entschädigung wegen Diskriminierung (Abs 2, 3)

3 6 Der Anspruch auf Entschädigung bei Geschlechtsdiskriminierung stellt die wichtigste Rechtsfolge im System der $$ 611a, 611b BGB dar. Die Rechtsfolge ist nunmehr europarechtskonform gefaßt worden (Rn 2). Sie betrifft indessen nicht alle Diskriminierungstatbestände, vor allem nicht die Kündigung durch den Arbeitgeber oder dessen Weisung. Die jetzige Regelung des § 61 la ist abschließend; Schadens73 So aber Knigge BB 80 1273. 74 AA Eich NJW 80 2329, 2332. 75 Art 3 Abs 1 lit b, Art 4 Richtlinie 97/80 EG des Rates ν 15.12. 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Beweislastrichtlinie), AblEG L ν 14. Januar 98 Nr 14, 6; Umsetzungfrist: 1.1. 2001.

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Harald Schliemann

76 BVerfG 23.8. 2000 - 1 BvR 1032/00 - AP BGB $ 611a Nr 19. 77 MünchKommBGB/Mü¡fcr-G¡óxe §611a R n 4 1 mwN auch der abweichenden Ansichten. 78 BAG 14.3.89 - 8 AZR 251/86 - AP BGB S 61 l a Nr 6 (Scholz). 79 Schliemann in FS Dieterich (1999), 569, 580.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung S 611a 2. Entschädigung wegen Diskriminierung

ersatz wegen Geschlechtsdiskriminierung iSd § 611a kann aufgrund anderer Rechtsgrundlagen nicht mehr verlangt werden.80 a)

Entschädigungstatbestände

Eine Entschädigung sieht $ 611a BGB nur in den Fällen der geschlechtsdiskriminierenden Nichtbe- 3 7 gründung eines Arbeitsverhältnisses oder Nichtberücksichtigung beim beruflichen Aufstieg vor. Durch die Novelle vom 29. Juni 199881 wurde auf das europarechtswidrige82 Erfordernis des Verschuldens verzichtet. Die vom EuGH postulierte Differenzierung zwischen dem Bestqualifizierten und dem Nächstqualifizierten83 ist durch die Novelle ebenfalls umgesetzt worden. Für den Bestqualifizierten richtet sich die Entschädigung nach Abs 2, für den Nächstqualifizierten nach Abs 3. Die bisherige Kumulationsgrenze, wonach der Arbeitgeber höchstens sechs bzw zwölf Monatsbezüge als Entschädigung schuldete, wenn mehr als ein Stellenbewerber Entschädigung wegen Geschlechtsdiskriminierung geltend macht (§ 61b ArbGG aF), ist ersatzlos entfallen. Geblieben sind allerdings die besonderen Vorschriften über die gerichtliche Geltendmachung (§ 61b ArbGG nF). b)

Entschädigung des Bestqualifizierten (Abs 2)

Das Gesetz sieht für den Bestqualifizierten eine „angemessene Entschädigung in Geld" vor, falls der 3 8 Arbeitgeber bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gegen das in Abs 1 geregelte Benachteiligungsverbot verstößt (S 611a Abs 2 HS 1), schließt jedoch einen Anspruch auf Begründung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich aus ($ 61 la Abs 2 HS 2). Das Gesetz unterscheidet den Bestqualifizierten und die Nächstqualifizierten dadurch, daß es unterstellt, die benachteiligungsfreie Auswahl hätte immer den Bestqualifizierten getroffen. Diese Annahme ist nicht zwingend. Denkbar sind auch Fälle, bei denen die Benachteiligung nicht auf dem Geschlecht beruht, sie aber aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Das ändert aber nichts daran, daß in Abs 2 nur der Bewerber angesprochen ist, der ohne Verstoß gegen Abs 1 erfolgreich gewesen wäre. aa)

Kein Anspruch auf Einstellung

Der Ausschluß des Einstellungsanspruchs stimmt mit der RL 76/207 EWG überein.84 $ 611a Abs 1 3 9 HS 2 schließt jedoch nicht aus, daß dem Stellenbewerber ein Einstellungsanspruch aus anderen Rechtsgründen zustehen kann, vor allem nach Art 33 Abs 2 GG.85 Fraglich ist, ob einem bestqualifizierten Bewerber auch dann eine Entschädigung nach $ 61 la Abs 2 HS 1 zusteht, wenn seine Bewerbung geschlechtsdiskriminierend abgelehnt worden ist, er jedoch den auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhenden Einstellungsanspruch gerichtlich durchsetzt. Dies ist zu bejahen, denn der Umstand, daß die Bewerbung unter Verstoß gegen S 611a Abs 1 abgelehnt worden ist, stellt bereits einen prinzipiell zum Anspruch auf Entschädigung führenden Nachteil dar. Dies entspricht dem System des § 611a BGB und der RL 76/207 EWG, wonach eine Entschädigung auch denjenigen geschuldet wird, die nicht die beste Qualifikation unter den Stellenbewerbern aufweisen. bb)

Bemessung der Entschädigung

Für die Bemessung der „angemessenen Entschädigung in Geld" für den Bestqualifizierten gibt es keine 4 0 Begrenzung der Höhe nach. Dies entspricht der Vorgabe in RL 76/207 im Verständnis des EuGH.86 Aus dem Zusammenhang der Regelungen in den Absätzen 2 und 3 ist zu folgern, daß die Entschädigung für 80 BT-Drs 13/10242, 7, 8. 81 Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes ν 29. Juni 1998, BGBl I 1694. 82 EuGH 8.11.90 - Rs C 177/88 - Dekker - AP EWGVertrag Art 119 Nr 23. 83 EuGH 22.4.97 - Rs C 180/95 - Draempaehl - Slg. I 1997 I, 2195. Harald Schliemann

84 EuGH 10.4.84 - RS C 14/83 - AP BGB $ 611a Nr 1. 85 Vgl zu arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage im Rahmen des Art 33 Abs 2 GG: BAG 2.12.97 - 9 AZR 445/96 - AP GG Art 33 Abs 2 Nr 40. 86 EuGH 22.4.97 - Rs C 180/95 - Draempaehl - Slg. I 1997 I, 2195.

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$ 611a

Geschlechtsbezogene Benachteiligung VIII. Geltendmachung

den Bestqualifizierten in der Regel höher auszufallen hat als die für die Bewerber, die auch bei beanstandungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wären. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Entschädigung für den Bestqualifizierten der Höhe nach nicht begrenzt.87 Allerdings bedeutet dies nicht, daß die Entschädigung nach Abs 2 stets mehr als drei Monatsbezüge betragen muß. So kann auch die Entschädigung nach Abs 2 weniger als drei Monatsbezüge betragen, zB wenn die zu besetzende Stelle ohnehin auf einen Zeitraum von weit weniger als drei Monaten befristet ausgeschrieben war. Stets muß jedoch die Relation der Entschädigungen nach den Absätzen 2 und 3 gewahrt bleiben. 4 1 Für die Bemessung des nach $ 611a BGB aF zu leistenden Schadensersatzes wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts hatte das BAG auf die Art und Schwere der Beeinträchtigung, ihre Nachhaltigkeit und Fortwirkung und auf die Beweggründe des Arbeitgebers abgestellt.88 Ob auf diese Rechtsprechung für die jetzt angeordnete Entschädigung noch zurückgegriffen werden darf, erscheint fraglich. Denn der EuGH zieht ausdrücklich auch die Sanktionswirkung der Entschädigung für deren Bemessung heran, 89 dieser Gesichtspunkt spielt beim Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts keine Rolle. Bei der Bemessung der Entschädigung müssen alle drei wesentlichen Elemente einbezogen werden, nämlich der denkbare materielle Schaden, zB entgangenes Arbeitsentgelt, die immaterielle Beschädigung und der Sanktionscharakter.90 Dabei ist zu berücksichtigen, daß entgangener Arbeitsverdienst nur bei der Benachteiligung des Bestqualifizierten denkbar ist, denn die Nächstqualifizierten wären auch bei beanstandungsfreier Behandlung ihrer Bewerbungen nicht eingestellt worden, und daß neben der Entschädigung nach S 611a kein Schadensersatz verlangt werden kann. 91 c)

Entschädigung der Nächstqualifizierten (Abs 3)

4 2 Abs 3 billigt auch jedem Nächstqualifizierten, dh jedem Bewerber, der auch bei einer nicht gegen Abs 1 verstoßenden Auswahlentscheidung nicht eingestellt worden wäre, eine Entschädigung zu, allerdings begrenzt auf höchstens drei Monatsverdienste. Die Entschädigung selbst ist nicht der Monatsverdienst, vielmehr gibt der Monatsverdienst nur den Maßstab für die Höchstgrenze ab. Entfallen ist allerdings die frühere Summenbegrenzung (§ 61b ArbGG aF) für den Fall, daß mehr als ein Bewerber Entschädigung verlangt. Für die Bemessung der Entschädigung selbst kann im Gegensatz zu Abs 2 nicht auf den entgangenen Arbeitsverdienst abgestellt werden, denn den hätte ein Nächstqualifizierter auch bei beanstandungsfreier Aus wähl nichterzielt. Ansonstensind grundsätzlich diegleichen Erwägungen maßgebend wie im Fall des Abs 2. Dabei kann auch eine Differenzierung nach Bewerberchancen in Betracht kommen. 92

VIII. Geltendmachung (Abs 4) 4 3 Zur Wahrung des Anspruchs auf Entschädigung ist die Einhaltung doppelter Ausschlußfristen, nämlich für die schriftliche und für die gerichtliche Geltungmachung, erforderlich. Nach §611a Abs 4 muß der Anspruch auf Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 innerhalb einer Ausschlußfrist schriftlich geltend gemacht werden. Nach $ 61b ArbGG muß die Klage auf Entschädigung nach § 611a Abs 2 zudem innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung erhoben werden. Werden diese Fristen nicht gewahrt, so erlischt der Anspruch. Diese Rechtsfolge wird zwar weder in S 61 la BGB noch in S 61b ArbGG ausdrücklich angeordnet; sie ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck der Regelung.93 4 4 Auch die Regelung über die Ausschlußfristen sind europarechtskonform. Der EuGH hat - wenn auch in anderem Zusammenhang - betont, daß Ausschlußfristen, unter die gemeinschaftsrechtliche oder auf 87 Vgl zur Frage der Systemgerechtigkeit mit dem herkömmlichen Schadenersatzrecht: Wendelmg-Schräder in Brennpunkte des Arbeitsrechts 2000 (11. Arbeitsrechtliche Jahrestagung des DAI), 245 ff, 2S3 ff. 88 BAG 14.3.89 - 8 AZR 447/87 - AP BGB S 61 la Nr 5 im Anschluß an BGH 22.1.85 - VI ZR 28/83 - NJW 85 1617. 89 EuGH 22.4.97 - Rs C 180/95 - Draempaehl - Slg. I 1997 I, 2195.

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Harald Schliemann

90 Vgl im einzelnen: Wendeling-Schröder in Brennpunkte des Arbeitsrechts 2000 (11. Arbeitsrechtliche Jahrestagung des DAI), 245 ff, 259 ff. 91 BT-Drs 13/10242, 7, 8. 92 Vgl im einzelnen: Wendeling-Schröder in Brennpunkte des Arbeitsrechts 2000 (11. Arbeitsrechtliche Jahrestagung des DAI), 245 ff, 265 ff. 93 GMP/Germelmann § 61b Rn 13.

Geschlechtsbezogene Benachteiligung $ 611a XI. Aushangpflicht

EG-Recht beruhende Ansprüche gestellt werden, nicht kürzer sein dürfen als für Ansprüche nach nationalem Recht.94 Dem werden S 61 la Abs 1 BGB, $ 61b Abs 1 ArbGGgerecht.95 Die Regelung nimmt nach ihrem Wortlaut auf den Kenntnisstand des Bewerbers über die Gründe seiner Ablehnung keine Rücksicht. Wollte man die Ausschlußfrist ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder die Möglichkeit der Kenntnis des Petenten beginnen lassen, stünde dies im Widerspruch zum EG-Recht.96 Ein europarechtskonformes Verständnis des $ 61 la Abs 4 S I muß dazu führen, daß die Ausschlußfrist erst beginnt, wenn dem Bewerber auch die Umstände bekannt sind oder aus von ihm zu vertretenden Gründen unbekannt geblieben sind, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen.97 Als in der Praxis schwierig dürfte sich die Bestimmung über die Länge der Ausschlußfrist iSd S 611a 4 5 Abs 4 S 2 für die schriftliche Geltendmachung erweisen, soweit sie kürzer sein soll als die in Satz 3 geregelte Frist von sechs Monaten. Es muß, nur um die Länge der Ausschlußfrist zu ermitteln, der Teil des Inhalts des fiktiven Arbeitsverhältnisses festgestellt werden, dessen Kenntnis erforderlich ist, um erkennen zu können, ob und welcher Ausschlußfrist Schadensersatzansprüche aus dem Arbeitsverhältnis unterliegen, sei es aufgrund Tarifvertrags, sei es aufgrund Arbeitsvertrags. Die hierzu erforderlichen Kenntnisse dürften, außer im Fall der Tarifbindung des Arbeitnehmers - meistens nur auf der Seite des Arbeitgebers zu finden sein. Von daher dürfte es Sache des Arbeitgebers sein darzulegen und ggfs zu beweisen, welche Ausschlußfrist im Fall der Eingehung 98 des Arbeitsverhältnisses für Schadensersatzansprüche Geltung zu beanspruchen gehabt hätte.

IX. Gerichtliche Geltendmachung Nach S 61b Abs 1 ArbGG muß eine Entschädigungsklage binnen drei Monaten nach der schriftlichen 4 6 Geltendmachung erhoben werden. Die Zuständigkeit für die erste solcher Klagen, bezogen auf das jeweils selbe Bewerbungsverfahren, richtet sich nach allgemeinen Regeln. Demnach ist in aller Regel das für den Sitz des Arbeitgebers oder seiner Niederlassuung örtlich zuständige Gericht anzurufen. Für alle folgenden, dasselbe Bewerbungsverfahren betreffenden Klagen ist das Gericht zuständig, das für die erste dieser mehreren Klagen örtlich zuständig ist ($ 61b Abs 2 S 1 ArbGG). Nach $ 61b Abs 3 ArbGG findet die mündliche Verhandlung über solche Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Erhebung der ersten Klage statt.

X.

Entschädigung wegen Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg (Abs 5)

Beim beruflichen Aufstieg gelten die Entschädigungsregelungen der Absätze 2 und 3 wie auch die 4 7 Vorschriften über die Geltendmachung (Abs 4) entsprechend. Für die Bemessung der Entschädigung ist zu beachten, daß es bei der Bewerbung um einen beruflichen Aufstieg nicht um die Begründung eines völlig neuen Arbeitsverhältnisses geht, sondern lediglich um eine Verbesserung der beruflichen Stellung gegenüber demselben Arbeitgeber wie zuvor. Für die Entschädigung des Bestqualifizierten - materieller Teil - wie auch die der Nächstqualifizierten ist daher nicht das volle Monatsentgelt als Ausgangsbasis heranzuziehen, sondern lediglich die Differenz zwischen dem bisherigen und dem bei beruflichem Aufstieg zu zahlenden Entgelt.

XI. Aushangpflicht In Betrieben mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern müssen die Texte der $$ 611a, 611b, 612 4 8 Abs 3, 612b BGB und $ 61b ArbGG ausgehängt oder ausgelegt werden. 99 94 EuGH 10.7.97 - Rs C 261/95 - Palmisani - NZA 97 1041, 1043. 95 Zweifelnd: Zwanziger BB 98 1330,1333; Treber NZA 98 856, 859. 96 EuGH 10.7.97 - Rs C 261/95 - Palmisani - NZA 97 1041, 1043; Treber NZA 98 856, 859. Harald Schliemann

97 Vgl Schliemann in FS Dieterich (1999), 569, 582. 98 Vgl Schliemann in FS Dieterich (1999), 569,582. 99 Art 2 Arbeitsrechtliches EG-AnpassungG ν 13.8.80 idF des Art 9 des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes ν 29. Juni 1998, BGBl I 1694.

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S 611b

Arbeitsplatzausschreibung Π. Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung

S 611b

Arbeitsplatzausschreibung

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebs nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, daß ein Fall des S 611a Abs. 1 Satz 2 vorliegt. Übersicht I. II.

I.

Entstehung und Zweck der Regelung Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung . . . . 1. Stellenausschreibung 2. Normadressaten

Rn 1,2 3 4 5-7

3. Geschlechtsneutralität der Stellenausschreibung 4. Geschlechtsspezifische Stellenausschreibung III. Durchsetzung, Rechtsfolgen IV. Aushangpflicht

8-10 11 12,13 14

Entstehung und Zweck der Regelung

1 Die Vorschrift stellt eine Ergänzung der Regelung in § 61 la dar und dient wie diese der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art 3 Abs 2 S 1 GG) und des Verbots der geschlechtsspezifischen Bevorzugung oder Benachteiligung (Art 3 Abs 3 S 1 GG). Ebenso dient sie der Umsetzung von EG-Richtlinien über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Erwerbsleben, vor allem der Umsetzung der Richtlinie des Rates 76/207 EWG vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207 EWG).1 S 611b war mit Wirkung ab 21. August 1980 zunächst als Sollvorschrift durch Art I Nr 2 des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes eingeführt worden.2 Das Zweite Gleichberechtigungsgesetz vom 24. Juni 1994 3 änderte die Vorschrift in zwingendes Recht („darf nicht"), weil die bis dahin geltende Soll-Vorschrift nur unzureichend beachtet worden war.4 2 $ 611b enthält lediglich eine zwingende Anordnung für die außer- und innerbetriebliche Stellenausschreibung, jedoch keine Rechtsfolgenanordnung. Gleichwohl ist sie europarechtskonform; sie war es bereits in ihrer vorherigen Fassung, stellt allerdings für sich allein keine Erfüllung einer durch die RL 76/ 207 EWG auferlegten Verpflichtung dar, weil diese Richtlinie keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten begründet, Rechtsvorschriften mit allgemeiner Geltung für die Ausschreibung von Arbeitsplätzen zu erlassen.5 Die Wirkung des § 611b besteht indessen darin, daß eine gegen diese Norm verstoßende Stellenausschreibung beweiserleichternd iSd § 611a Abs 1 S 3 wirkt, nämlich als Glaubhaftmachung von Tatsachen anzusehen ist, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen.6 Insoweit hat § 611b eine Hilfsfunktion im Verhältnis zu $ 611a. 7

II.

Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung

3 Der Norminhalt erschöpft sich im zwingenden Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung. 1. 4

Stellenausschreibung

Der Begriff der Stellenausschreibung im Sinne dieser Vorschrift ist - entsprechend ihrem Regelungszweck - weit zu verstehen, nämlich als jede an eine unbekannte Vielzahl von Adressaten gerichtete Ankündigung des Arbeitgebers, daß jemand als Arbeitnehmer eingestellt werden soll. Hierunter fallen Stellenanzeigen^Mitteilungen am Schwarzen Brett, im Intranet oder im Internet ebenso wie Handzettel 1 AblEG L 39, 40 (GleichbehandlungsRL). 2 Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz vom 13.8. 80, BGBl I 1308. 3 Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Zweites Gleichberechtigungsgesetz - 2. GleiBG) ν 2 4 . 6 . 9 4 , BGBl I 1406, 2103.

282

Harald Schliemann

4 BT-Drs 12/5468, 44. 5 EuGH 2 1 . 5 . 8 5 - RS C 248/83 - NJW 85 2076. 6 BVerfG 1 6 . 1 1 . 9 3 - 1 BvR 258/86 - AP BGB S 611a Nr 9; BAG 1 4 . 3 . 8 9 - 8 AZR 447/87 - AP BGB S 61 l a Nr 5; 1 4 . 3 . 8 9 - 8 AZR 351/86 - AP BGB $ 611a Nr 6. 7 MänchKommBGB/Müller-Glöge 5 611b Rn 2.

Arbeitsplatzausschreibung S 611b 3. Geschlechtsneutralität der Stellenausschreibung

und ähnliche Publikationen. Dagegen stellt die gezielte Aufforderung an eine Einzelperson, sich auf eine Stelle zu bewerben, keine Stellenausschreibung dar, auch wenn die Aufforderung schriftlich vorgenommen wird. 8 Ob eine solche nur auf eine Person gezielte Bewerbungsaufforderung ihrerseits gegen $ 61 l a verstößt, ist eine gesondert zu prüfende Frage. 2.

Normadressaten

Die Vorschrift wendet sich ihrem Wortlaut nach nur an den Arbeitgeber. Arbeitgeber im Sinne dieser S Bestimmung ist derjenige, der aufgrund der Stellenausschreibung ein Arbeitsverhältnis mit einem Bewerber eingehen will bzw zur Bewerbung um ein solches auffordert oder dazu Gelegenheit gibt. Insoweit korrespondiert die Auslegung dieses Begriffs mit der des Arbeitnehmers, obwohl es gerade noch an dem Arbeitsvertrag fehlt, der seinerseits erst die Stellung als Arbeitgeber bzw als Arbeitnehmer begründet. Gleichermaßen wie bei $ 611a ist der Arbeitgeber aber auch als Betriebspartei (vgl 5 611a Rn 11) an S 61 l b gebunden. Eine innerbetriebliche Stellenausschreibung, die auf einem Verlangen des Betriebsrats beruht (5 93 BetrVG), wäre nicht privilegiert, auch wenn das Verlangen seinerseits den Anforderungen der 5S 611b, 611a nicht genügte.

6

Dagegen spricht $ 611b Dritte wie beispielsweise Personalrekrutierungsunternehmen, Unternehmensberater und dergleichen, die zur Mitarbeitergewinnung eingesetzt werden, nicht unmittelbar an. 9 Insoweit stellt sich die Frage, inwieweit der Arbeitgeber sich zB eine rechtswidrig nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung zurechnen lassen muß. 1 0 Eine Zurechnung über § 831 scheidet aus, weil es sich bei $ 61 l b nicht um ein Schutzgesetz iSd § 823 Abs 2 handelt. 11 Eine Zurechnung über S 278 BGB ist problematisch, weil es bei der Ausschreibung selbst noch an einer Verbindlichkeit im Sinne dieser Bestimmung fehlt. Zu einer solchen kommt es erst, wenn sich jemand auf die Stellenausschreibung beworben hat. Erst mit der Bewerbung entsteht ein bürgerliches Rechtsverhältnis, welches Verbindlichkeiten erzeugen kann. Für die Bundesanstalt für Arbeit bzw für deren Arbeitsämter regelt der Dienstblatt-Runderlaß 98/86 vom 2 .Juli 1986 die Frage der Geschlechtsneutralität (und andere Inhaltsund Gestaltungsfragen) bei der Entgegennahme von Stellen- oder Ausbildungsplatzangeboten und deren Veröffentlichung. 12

7

3.

Geschlechtsneutralität der Stellenausschreibung

$ 611b untersagt es grundsätzlich, eine Stelle nur für Männer oder nur für Frauen auszuschreiben. Ein Blick in die Stellenanzeigen in Tageszeitungen zeigt, daß diese Bestimmung trotz ihrer Eindeutigkeit und ihres formal zwingenden Charakters immer noch weitgehend ignoriert wird. Nach wie vor ist die geschlechtsspezifische Stellenanzeige weit verbreitet.

8

Die Bestimmung wirft zunâchît die Frage auf, ob und inwieweit eine Stellenausschreibung nur dann als geschlechtsneutral angesehen werden kann, wenn die Berufsbezeichnung sowohl in den Formen der beiden Geschlechter oder ein geschlechtsunabhängiger Oberbegriff verwendet werden. 13 S 611b selbst verwendet nur die männliche Form. Dies deutet darauf hin, daß der Gesetzgeber sachliche, nicht aber bemüht sprachliche Geschlechtsneutralität verlangt. Die Verwendung der herkömmlichen geschlechtsspezifischen Sprachformen ist - jedenfalls in der Gesetzessprache - zulässig und stellt für sich allein keinen Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Geschlechter dar. 1 4 Gleiches gilt für betriebliche Regelungen, zB in einem Versorgungswerk. 15

9

Als geschlechtsneutral iSd $ 61 l b ist eine Stellenausschreibung anzusehen, wenn sie nach ihrer sprachliehen und sonstigen Ausdrucksweise denkbare Bewerbungen von Angehörigen beider Geschlechter

10

8 ErfKomm/Schlachter $ 611b Rn 2. 9 AA wohl ErfKomm/Srfilfliftter § 611b Rn 2. 10 Bejahend: MünchKommBGB/Mü/fcr-Gfóge § 6 1 1 b Rn 3; Worzalla DB 9 4 2446, 2449. 11 MünchKommBGB/Mü/fer-Gfó£e $ 61 l b Rn 7; Erman/ P. Hanau $ 611b Rn 1; Soergei/Raab $ 611b Rn 8 mwN. Harald Schliemann

12 Vgl hierzu Slupik-Holpner RdA 90 24; Erman/P. Hanau § 611b Rn 3. 13 ErfKomm/Scftîacfticr $ 61 l b Rn 3. 14 Erman/P. Hanau $ 611b Rn 2. 15 BAG 1 . 1 . 8 6 - 3 ABR 74/85 - AP BetrAVG $ 1 Gleichberechtigung Nr 4.

283

S 611b

Arbeitsplatzausschreibung IV. Aushangpflicht

in gleicher Weise anspricht. Hierzu kann auch eine nicht geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung dienen, wenn sich insgesamt aus der Stellenausschreibung ergibt, daß sie sich an beide Geschlechter gleichermaßen wendet. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß die deutsche Sprache weitestgehend männliche wie weibliche Formen der Stellen-, Aufgaben oder Berufsbezeichnungen ermöglicht. Von daher ist es aus Gründen der Plausibilität vorzuziehen, in Stellenausschreibungen entweder eine geschlechtsneutrale Sachbezeichnung oder aber die Bezeichnungen sowohl für das eine wie für das andere Geschlecht (Stelle in der Buchhaltung; Hebamme/Entbindungspfleger, Kraftfahrer/in usw) zu wählen. Umgekehrt kann auch eine insoweit geschlechtsneutral formulierte Stellenanzeige tatsächlich aufgrund ihres Gesamtinhalts als nicht geschlechtsneutral zu verstehen sein, zB dann, wenn Tätigkeiten oder Fähigkeiten so dargestellt werden, daß der Leser sie herkömmlich und gewollt eindeutig nur einem bestimmtes Geschlecht zuordnet. 4. 11

Geschlechtsspezifische Stellenausschreibung

Eine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung erlaubt $ 611b nur, wenn ein Fall des S 611a Abs 1 S 2 vorliegt, also das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist (vgl 5 611a Rn 24).

III. Durchsetzung, Rechtsfolgen 12

Auch wenn § 611b keine eigene Rechtsfolgenanordnung enthält, ist die Norm durchsetzbar. Die Verletzung des $ 61 l b löst in aller Regel die Vermutung der geschlechtsspezifischen Benachteiligung iSd § 611a Abs 1 S 3 aus. 16

13

Mittelbar dient der Durchsetzung des $ 61 l b auch der Umstand, daß Betriebs- und Personalräte nicht nur die allgemeine Aufgabe haben, darüber zu wachen, daß die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze eingehalten werden (§ 80 Abs 1 Nr 1 BetrVG, $ 68 Abs 1 Nr 2 BPersVG und entsprechende Ländergesetze), sondern daß ihnen ausdrücklich aufgetragen ist, „die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg zu fördern" ($ 80 Abs 1 Nr 2a BPersVG; $ 68 Abs 1 Nr 5a BPersVG sowie entsprechende Ländergesetze). Zudem wird angenommen, der Betriebsrat dürfe seine Zustimmung zur Einstellung nach $ 99 Abs 2 Nr 5 verweigern, falls eine von ihm nach $ 93 BetrVG verlangte Stellenausschreibung $ 611b verletze. 17

IV.

Aushangpflicht

1 4 In Betrieben mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern müssen die Jexte des § 611a, § 611b, § 612 Abs 3, § 612b BGB und § 61b ArbGG ausgehängt oder ausgelegt werden. 18

16 BVerfG 16.11.93 - 1 BvR 258/86 - AP BGB $ 611a Nr 9; BAG 14.3.89 - 8 AZR 447/87 - AP BGB $ 611a Nr 5; 14.3.89 - 8 AZR 351/86 - AP BGB $ 611a Nr 6.

17 MünchKommBGB/Müller-Gläge $ 611b Rn6; Er(Komm/Schlachter § 611b Rn 4; DKKIKittner $ 99 BetrVG Rn 198; aA Schlochauer in: Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG J 93 Rn 4, S 99 Rn 133; differenzierend nach In-

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Harald Schliemann

halt des Ausschreibungsverlangens: Kraft in: GK-BetrVG, $ 99 Rn 134. 18 Art 2 Arbeitsrechtliches EG-AnpassungG ν 13.8.80 idF des Art 9 des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes ν 29. Juni 1998, BGBl I 1694.

Vergütung S 612 I. Gegenstände und Entstehung der Regelungen

$ 612

Vergütung

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist beim Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. (3) Bei einem Arbeitsverhältnis darf für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung wird nicht dadurch gerechtfertigt, daß wegen des Geschlechts besondere Schutzvorschriften gelten. S 611a Abs. 1 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Übersicht I. Π.

Gegenstände und Entstehung der Regelungen . Vergütungspflicht bei fehlender Vergütungsvereinbarung (Abs 1) 1. Zweck der Regelung 2. Wirksamer Arbeitsvertrag 3. Fehlende Vergütungsvereinbarung a) Von Anfang an fehlende Vergütungsabrede b) Rechtstypusverfehlung c) Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit. . d) Nachträgliche Entlohnung e) Mehrleistungen aa) Mehrarbeit, Überstunden bb) Reise- und Wegezeiten cc) Höherwertige Tätigkeit dd) Schutzrechtsfähige Dienst- oder Arbeitsergebnisse 4. Gesetzwidrige Vergütungsvereinbarung . . . a) Gleichheitsgebote, Diskriminierungstatbestände b) Lohnwucher c) Untertarifliche Bezahlung d) Mitbestimmungswidrige dauernde Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit 5. Fehlgeschlagene Vergütungserwartung . . . 6. Umstände für eine Vergütungserwartung . . 7. Darlegungs- und Beweislast 8. Rechtsfolgen ΠΙ. Höhe der Vergütung (Abs 2) 1. Anwendungsbereich 2. Taxmäßige Vergütung 3. Übliche Vergütung a) Übliche Vergütung im Arbeitsrecht . . . b) Tarifentgelt als übliche Vergütung . . . . c) Ermittlung der üblichen Vergütung . . . 4. Leistungsbestimmungsrecht, ergänzende Vertragsauslegung 5. Darlegungs- und Beweislast IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung (Abs 3) 1. Zweck der Regelung

I.

Rn 1,2 3 4 5-7 8 9 10 11 12 13 14 15 16-19 20 21 22 23,24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41,42

Rn 2. Andere Gleichbehandlungsnormen 43 a) Gleichbehandlung der Geschlechter . . . 44,45 b) Normvorrang des S 612 Abs 3 46,47 3. Anwendungsbereich 48 a) Arbeitsverhältnisse 49 b) Vereinbarungen 50,51 4. Gleiche und gleichwertige Arbeit 52 a) Gleiche Arbeit 53 b) Gleichwertige Arbeit 54,55 c) Systeme zur Bewertung der Arbeit . . . . 56 aa) Arbeitsbewertung durch Vergütungsordnungen 57 bb) Analytische und summarische Arbeitsbewertung 58,59 5. Vergütung und Vergütungsbemessung . . . 60 a) Arbeitsentgelte 61 aa) Lohndifferenzierungen 62 bb) Zulagen 63 b) Bezahlte Freistellungen 64 c) Betriebliche Altersversorgung 65 aa) Altersversorgung als Vergütung . . 66 bb) Rentenzugangsalter 67 cc) Teilzeit und betriebliche Altersversorgung 68 dd) Sonstige Fragen der Geschlechtsdiskriminierung bei der betrieblichen Altersversorgung 69 d) Bewährungsaufstieg 70 e) Ausschluß von der Entgeltfortzahlung. . 71 6. Vergütungsvergleich, Geschlechtsbedingtheit 72 a) Geringere Vergütung 73 b) Geschlechtsbedingtheit 74 c) Geschlechtsspezifischer Arbeitsschutz . . 75 d) Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung 76 e) Nichtgeschlechtsbezogene Differenzierungsgründe 77 7. Beweislast 78 8. Rechtsfolgen 79 9. Aushangpflicht 80

Gegenstände und Entstehung der Regelungen

$ 612 betrifft drei verschiedene Regelungskomplexe, nämlich die Vergütungspflicht beim Fehlen 1 einer Vergütungsvereinbarang (Abs 1), die Bestimmung der Vergütungshöhe bei fehlender vertragHarald Schliemann

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J 612

Vergütung II. Vergütung bei fehlender Vergütungsvereinbarung

licher Vereinbarung (Abs 2) und - erst seit 1980 - das Verbot geschlechtsdiskriminierender geringerer Entlohnung (Abs 3). Die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 betreffen alle Arten von Dienstverhältnissen und alle Arbeitsverhältnisse. 2

Die Regelungen in § 612 Abs 1 und 2 bestehen seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches unverändert. Abs 3 ist durch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz mit Wirkung vom 21. August 1980 geschaffen worden. 1

II. 3

Grundsätzlich richtet sich nach der Vereinbarung der Parteien des Dienst- oder Arbeitsvertrags, ob und in welcher Höhe eine Vergütung geschuldet wird ($ 611 Rn 444, 805). Fehlt es an solcher Vereinbarung oder erweist sie sich als unwirksam, richtet sich nach § 612 Abs 1, ob eine Vergütung dem Grunde nach geschuldet wird, und nach $ 612 Abs 2, wie hoch diese Vergütung zu sein hat. Anders als § 10 BBiG oder $ 59 oder $ 87 HGB (ggfs iVm $ 65 HGB) ordnet $ 612 Abs 1 keine Vergütungspflicht an. Es gibt in der deutschen Rechtsordnung keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung wegen Erbringung einer Dienst- oder Arbeitsleistung. 2 $ 612 Abs 1 enthält nur die widerlegbare Vermutung einer stillschweigenden Vergütungsvereinbarung. 1.

4

Zweck der Regelung

§ 612 Abs 1 hat den Zweck, das Zustandekommen von Verträgen über entgeltliche Dienst- oder Arbeitsleistungen nicht an der fehlenden Einigung über die Frage scheitern zu lassen, ob eine Vergütung geschuldet wird. Die Norm verhindert das NichtZustandekommen des auf eine entgeltliche Leistung gerichteten Dienst- oder Arbeitsvertrags wegen Nichteinigung über die Entgeltlichkeit (versteckter Dissens § 155), indem eine Vergütungsvereinbarung dem Grunde nach als stillschweigend getroffen angenommen wird, wenn die Erbringung einer Dienst- oder Arbeitsleistung vereinbart, keine wirksame Einigung über die Entgeltlichkeit oder die Unentgeltlichkeit der Leistungserbringung vorliegt und die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. 3 Nach anderer Ansicht soll sich der Zweck des $ 612 Abs 1 darin erschöpfen, entgeltliche Dienst- oder Arbeitsleistungen von unentgeltlichen in der Weise abzugrenzen, daß im Zweifel Entgeltlichkeit anzunehmen ist. 4 2.

5

Vergütung bei fehlender Vergütungsvereinbarung (Abs 1)

Wirksamer Arbeitsvertrag

§ 612 Abs 1 setzt voraus, daß sich die Parteien überhaupt auf einen Dienst- oder Arbeitsvertrag geeinigt haben. Diese Einigung auf den Dienst- oder Arbeitsvertrag kann sich aus ausdrücklicher Abrede, aber auch aus konkludentem Handeln ergeben. 5 § 612 Abs 1 ersetzt nicht den Dienst- oder Arbeitsvertrag insgesamt, sondern nur die von Anfang an dem Grunde nach fehlende oder eine rechtsunwirksame Vergütungsvereinbarung. Ist der auf die Leistungserbringung gerichtete Vertrag insgesamt unwirksam, weil die Leistung selbst sittenwidrig ist, so kommen auch keine Ansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis in Betracht. 6 Ist dagegen ein Arbeitsvertrag geschlossen worden und erweist er sich aus anderen Gründen als rechtsunwirksam, zB infolge einer wirksamen Anfechtung, so ist das Arbeitsverhältnis, soweit es vollzogen worden ist, nach den Regeln über das faktische Arbeitsverhältnis zu behandeln. Im Ergebnis läuft dies auf eine Reduktion der Rückwirkung der Nichtigkeitsfolgen hinaus. Soweit der Vertrag tatsächlich durch Arbeitsleistung vollzogen worden ist, wird er für die Vergangenheit gleich einem wirksamen Arbeitsvertrag behandelt (vgl $ 611 Rn 146). 1 Gesetz zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) ν 1 3 . 8 . 8 0 , BGBl I 1308 2 Wiedemann Anm zu AP BAT SS 22, 23 Nr 54. 3 BAG 11.10. 2000 - 5 AZR 122/99 - AP BGB $ 611 Arbeitszeit Nr 20; BAG 1 9 . 2 . 7 0 - S AZR 241/69 - AP BGB S 612 Nr 26; ErfKomm/Preis $ 612 Rn 1; MünchKommBGB/ScftflUii S 612 Rn 4.

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Harald Schliemann

4 Lieb Arbeitsrecht S 3 I 3 Rn 245; Palandt/Pufco § 612 Rn 1; Canaris BB 67 165. 5 ErfKomm/Preis $ 611 Rn 426, 429. 6 BAG 1 . 4 . 7 6 - 4 AZR 96/75 - NJW 76 1958 - Arbeitsvertrag über die Erbringung von Geschlechtsverkehr auf einer Bühne.

Vergütung J 612 3. Fehlende Vergütungsvereinbarung

Für S 612 Abs 1 muß die Voraussetzung der vertraglichen Einigung über die Erbringung der Dienste 6 oder der Arbeit auch in den Fällen der vorläufigen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während eines Rechtsstreits über den Bestand des Arbeitsverhältnisses erfüllt sein. Dementsprechend ist § 612 Abs 1 anwendbar, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während der Dauer eines Streites über den Bestand des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben (vertragliche vorläufige Weiterbeschäftigung).7 Dagegen ist § 612 Abs 1 unanwendbar, wenn die vorläufige Weiterbeschäftigung gegen den Willen des Arbeitgebers erzwungen worden ist; in solchen Fällen fehlt es an der vertraglichen Einigung über die Beschäftigung. Dann besteht für den Arbeitnehmer nur ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Arbeitgeber, soweit dieser um den Wert der Arbeitsleistung bereichert ist.8 Ebenso ist nach Bereicherungsrecht und nicht nach § 612 Abs 1 zu verfahren, wenn es um eine Beschäftigung nach Wegfall des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses geht.9 Von der Voraussetzung, daß ein Arbeitsvertrag zustande gekommen sein muß, macht die Rechtspre- 7 chung des BAG indessen eine Ausnahme für die Fälle der sogenannten fehlgeschlagenen Vergütungserwartung (Rn 28). 3.

Fehlende Vergütungsvereinbarung

Im Rahmen des S 612 Abs 1 sind die Fälle der von Anfang an fehlenden Vergütungsvereinbarung von 8 denen zu trennen, in denen eine Vergütungsvereinbarung zwar getroffen worden ist, diese sich jedoch nachträglich als nichtig oder rechtsunwirksam erweist. In den zuerst genannten Fällen bedarf es sehr sorgfältiger Prüfung, ob die Dienstleistung tatsächlich den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war. Dagegen ist in den zuletzt genannten Fällen die Voraussetzung in der Regel als gegeben anzusehen. a)

Von Anfang an fehlende Vergütungsabrede

Sind sich die Parteien über die Leistungserbringung einig, ohne eine Abrede über die Vergütung 9 getroffen zu haben, so ist die Vergütungsfrage nach $ 612 Abs 1, 2 zu beantworten. So wurde einem Geschäftsführer einer in Konkurs gefallenen GmbH ein Anspruch auf Vergütung nach § 612 Abs 1, 2 zuerkannt, der nach der Konkurseröffnung vom Konkursverwalter ohne Vereinbarung über eine Bezahlung der Arbeit mit Konkursabwicklungsarbeiten (weiter)beschäftigt worden war.10 Für die Anwendung von $ 612 Abs 1 ist aber kein Raum, wenn die Unentgeltlichkeit der Dienst- oder die Arbeitsleistung (wirksam) vereinbart worden11 oder aber ausdrücklich keine Einigung über die Vergütung erzielt worden und deshalb der Vertrag über die Erbringung der Arbeitsleistung mit Rücksicht auf § 154 BGB gerade nicht, auch nicht konkludent, zustande gekommen ist. 12 Dagegen ist $ 612 Abs 1 anwendbar, wenn sich die Parteien über die Erbringung der Dienste oder der Arbeit einig geworden sind und vereinbarungsgemäß über die Frage der Vergütung erst später Einigkeit erzielt werden sollte, diese aber nicht erreicht worden ist. 13 Im Gegensatz hierzu hat das BAG die $$ 315, 316 angewendet, als Arbeitnehmer und Arbeitgeber die nach $ 5 Abs 3 BRTV-Bau vorgesehene einzelvertragliche Einigung über die Vergütung dafür nicht erzielt hatten, daß der Arbeitnehmer in seinem Fahrzeug Bauarbeiter (Arbeitskollegen) außerhalb der Arbeitszeit zur und von der Baustelle mitnahm. 14

7 BAG 4.9.86 - 8 AZR 636/84 - AP BGB $611 Beschäftigungspflicht Nr 22. 8 BAG 10.3.87 - 8 AZR 146/84 - AP BGB S 611 Weiterbeschäftigung Nr 1. 9 BAG 30.4.97 - 7 AZR 122/96 - AP BGB S 812 Nr 20. 10 OLG Köln 14.4.59 - 9 U 119/58 - AP BGB S 612 Nr 3. Harald Schliemann

11 ErfKomm/Pre« $ 612 Rn 1. 12 LAG Berlin 1.6.90 - 6 Sa 27/90 - LAGE BGB $ 154 Nr 1. 13 Erman/P. Hanau $ 612 Rn 1. 14 BAG 20.9.89 - 4 AZR 282/89 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Bau Nr 121.

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$ 612

Vergütung II. Vergütung bei fehlender Vergütungsvereinbarung

b)

Rechtstypusverfehlung

1 0 Die Vergütungsabrede des 5 611 knüpft als Bestandteil des Vertrages an das Rechtsverhältnis an, das den Parteien bei Abschluß des Dienst- oder Arbeitsvertrags vorgeschwebt hat. Der rechtliche Charakter dieses Vertragsverhältnisses, dh seine Qualifizierung als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis, Werkvertragsverhältnis usw richtet sich indessen nicht nach dem Vertragswortlaut und darin vorgenommenen rechtlichen Einordnungen, sondern nach dessen tatsächlicher Durchführung; insoweit besteht keine Freiheit der Rechtstypenwahl, sondern Rechtstypuszwang (§ 611 Rn 163 ff). § 612 Abs 1, 2 sind anzuwenden, wenn aufgrund des Rechtstypuszwangs die Rechtsgrundlage für die erbrachten Dienste oder Arbeiten nicht (mehr) der vertraglichen Vereinbarung entspricht, so zB, wenn sich herausgestellt hat, daß die Tätigkeit nicht in einem freien Dienstvertrag gegen idR gegenüber dem Arbeitsentgelt höhere Honorare erbracht worden ist, sondern es sich dabei tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat. 15 Gleiches gilt, wenn die vertragliche Vergütungsabrede wegen der abweichend vom Vertrag tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in der Sache nicht zutrifft, sondern ins Leere geht. 16 Umgekehrt kann die Verfehlung des Rechtstypus auch zum Entstehen von Vergütungsansprüchen führen, so zum Beispiel, wenn sich herausstellt, daß die Betätigung nicht als im Rahmen familiärer Mithilfe, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht worden ist. c)

Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit

1 1 § 612 Abs 1 ist aber nicht nur anzuwenden, wenn feststeht, daß eine Vereinbarung über die Entgeltlichkeit von Anfang an nicht getroffen worden ist, sondern auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob die (Arbeits-)Vertragsparteien die Leistungserbringung als eine entgeltliche oder unentgeltliche gewollt haben. 17 d)

Nachträgliche Entlohnung

1 2 Nach § 612 Abs 1,2 ist auch zu verfahren, wenn es nicht zur vereinbarten nachträglichen Entlohnung des Arbeitnehmers kommt. Nicht selten erhält ein Arbeitnehmer zu Lebzeiten des Arbeitgebers keine oder eine nur unzureichende Vergütung, wobei mit dem Arbeitgeber als Vergütung oder an deren Stelle vereinbart wird, den Arbeitnehmer auf den Todesfall testamentarisch zu bedenken. Solche Abreden sind vor allem bei Altenpflegefällen oder der Haushaltführung im Alter nicht selten. Eine solche Zusage hindert den Arbeitgeber indessen rechtlich nicht, zu Lebzeiten über den Nachlaß derart zu verfügen, daß das Erbe wirtschaftlich ausgehöhlt bleibt. Ist dies der Fall oder unterbleibt eine insoweit zu Gunsten des Arbeitnehmers (Pflegekraft, Haushälterin) wirksame testamentarische Regelung, so kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung nach § 612 Abs 1 haben. 18 e)

Mehrleistungen

1 3 Zu den Fällen der fehlenden Vergütungsabrede sind systematisch auch die zu rechnen, in denen eine den Dienst- oder Arbeitsvertrag quantitativ oder qualitativ übersteigende Mehrleistung erbracht wird, ohne daß die Vertragsparteien über deren Bezahlung etwas vereinbart haben. aa)

Mehrarbeit, Überstunden

1 4 Die Leistung von Mehrarbeit oder Überstunden kann, soweit sie nicht durch die im Arbeitsvertrag vereinbarte oder nach Tarifvertrag geschuldete Vergütung abgegolten ist, einen Anspruch auf Vergütung nach $ 612 Abs 1 auslösen, wenn diese Mehrleistung den Umständen nach nur gegen Zahlung einer besonderen Vergütung zu erwarten war. Indessen muß sorgfältig geprüft werden, ob dies der Fall ist. Einen allgemeinen Rechtssatz, wonach jede zeitliche Mehrarbeit oder jede dienstliche oder dienst-

15 16

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BAG 2 1 . 1 . 9 8 - 5 AZR 50/97-AP BGB s 612 Nr 55. BAG 1 3 . 3 . 9 1 - 5 AZR 160/90 - nv.

Harald Schliemann

17 MünchKommBGB/SíAaiíb S 612 Rn 4; Erman/P. Hanau§612Rn2. 18 BAG 30.9.71 - 5 AZR 177/71 - AP BGB $ 612 Nr 27.

Vergütung $ 612 3. Fehlende Vergütungsvereinbarung

lieh veranlaßte Anwesenheit, die über die vereinbarte oder betriebsübliche Arbeitszeit hinausgeht, zu bezahlen sei, gibt es nicht.19 Bei außertariflichen oder leitenden Arbeitnehmern ist die Leistung von Mehrarbeit oder Überstunden weitgehend durch die Höhe ihrer Bezüge abgegolten, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart ist.20 Bei anderen Arbeitnehmern wird die Leistung von Mehrarbeit oft nach den Umständen nur gegen Bezahlung oder - gleichstehend - gegen Zeitausgleich zu erwarten sein.21 Dies darf jedoch nicht pauschal angenommen werden, denn es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Sie müssen ergeben, daß die Mehrarbeit nur gegen Bezahlung erwartet werden darf. Eine solche Erwartung nach den Umständen besteht nicht, wenn und soweit die geleistete Mehrarbeit vereinbarungsgemäß (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag) durch Freizeit ausgeglichen werden soll. Dann führt erst der vereinbarungswidrige Nichtausgleich geleisteter Mehrarbeit, zB infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zur Frage der Vergütungspflicht. Dies gilt erst recht, wenn es dem Arbeitnehmer selbst oblag, seine Arbeitsleistung so zu erbringen, daß der Zeitausgleich möglich war.22 Nach den Umständen gehört auch bei einem teilzeitbeschäftigten Schullehrer die Teilnahme an einer Klassenreise zu der mit der Teilzeitbezahlung ausgeglichenen Tätigkeit, auch wenn während der Klassenreise dieselbe Leistung erbracht wird, die eine vollzeittätige Lehrkraft zu erbringen hat. bb)

Reise- und Wegezeiten

Reisezeiten, die ein Arbeitnehmer außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit im Interesse des Ar- 15 beitgebers aufwendet, hat der Arbeitgeber als Arbeitszeit zu vergüten, wenn dies vereinbart oder eine Vergütung den Umständen nach zu erwarten ist. Ist eine Regelung nicht getroffen worden, sind die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Einen Rechtssatz, daß solche Reisezeiten stets oder regelmäßig zu vergüten sind, gibt es nicht. Die frühere Rechtsprechung, der uU zu entnehmen sein konnte, Reisezeiten seien, auch soweit sie außerhalb der Arbeitszeit geleistet werden, „in der Regel" zu bezahlen,23 ist überholt; vielmehr ist bei der Prüfung der Umstände (auch) auf die Üblichkeit in der Branche abzustellen.24 Waschen und Umkleiden vor und nach der Arbeit sind idR keine Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers, sondern Nebenpflichten, für die keine Vergütung zu erwarten ist.25 cc)

Höherwertige Tätigkeit

Entsprechend anwendbar ist $ 612 Abs 1 auch, wenn und soweit die Arbeitsleistung qualitativ das 16 Niveau überschreitet, was nach dem vertraglichen Synallagma mit der in bestimmter Höhe vereinbarten Arbeitsvergütung ausgeglichen werden soll. Einem als „Orga-Inspektor" beschäftigten Versicherungsangestellten wurde nach $ 612 Abs 1, 2 die höhere Vergütung für einen „Bezirksdirektor" zuerkannt, nachdem ihm ohne Zusage einer zusätzlichen oder höheren Vergütung nach und nach dessen Aufgaben - nicht nur vorübergehend oder zur Erprobung - übertragen worden sind.26 Zwar sind Arbeitnehmer idR nach Treu und Glauben verpflichtet, vorübergehend, zB als Urlaubs-, 17 Krankheits- oder Vakanzvertretung, uU auch zur Erprobung, höherwertige Tätigkeiten ohne Erhöhung ihrer Vergütung zu verrichten.27 Indessen sind dem, was als vorübergehend und damit als letztlich hinsichtlich der Höherwertigkeit unentgeltlich zu leisten erwartet werden darf, Grenzen gesetzt. So kann die Erbringung höherwertiger Dienste auf einer vakanten Stelle ohne Abrede über die Vergütung nach zwei Monaten einen entsprechend höheren Vergütungsanspruch nach sich ziehen.28 Dagegen kann die Erprobung eines Arbeitnehmers auf einer höherwertigen Stelle je nach Unterschied 19 ErfKomm/Pre« § 612 Rn 18. 20 BAG 4.5.94 - 4 AZR 445/93 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt Nr 1 - Heimleiter eines Seniorenzentrums; 17.3.82 - 5 AZR 1047/79 - AP BGB $ 612 Nr 33 - Leitender Krankenhausarzt; 17.11.66 - 5 AZR 225/66 - AP BGB § 611 Leitende Angestellte Nr 1. 21 Erfkomm/Proi § 612 Rn 18. 22 BAG 4.5.94 - 4 AZR 445/93 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt Nr 1; LAG Köln 20.5.92 7 Sa 847/91 - NZA 93 24. Harald Schliemann

23 BAG 28.3.68 - 5 AZR 209/62 - AP S 611bGB Wegezeiten Nr 3. 24 BAG 3.9.97 - 5 AZR 428/96 - AP BGB S 611 Dienstreise Nr 1. 25 BAG 11.10. 2000 - 5 AZR 122/99 - AP BGB $ 611 Arbeitszeit Nr 20. 26 BAG 16.2.78 - 3 AZR 723/76 - AP BGB $ 612 Nr 31. 27 BAG 17.3.82 - 5 AZR 1047/79 - AP BGB $612 Nr 33; 4 . 1 0 . 7 2 - 4 AZR 475/71 - AP BAT § 24 Nr 2. 28 BAG 4 . 1 0 . 7 2 - 4 AZR 475/71 - AP BAT $ 24 Nr 2.

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s 612

Vergütung II. Vergütung bei fehlender Vergütungsvereinbarung

der Anforderungen zur bisherigen Tätigkeit - durchaus auch längere Zeiten, ggfs sogar 6 Monate - in Anspruch nehmen, ohne daß die höhere Vergütung geschuldet wird.29 Nach näherer Maßgabe des § 38 SeemG bzw der $$ 35, 18 MTV-See haben Besatzungsmitglieder einen Anspruch auf Verteilung der ersparten Heuer, wenn das Seeschiff die Reise trotz Unterbemannung antritt oder fortsetzt, ohne daß die Besatzung ergänzt wurde. 1 8 Als im Sinne der vereinbarten Vergütung höherwertige Tätigkeit kann es auch anzusehen sein, wenn Werke von nach Gagen bezahlten darstellenden Künstlern durch Medienübertragungen (Fernsehen, Rundfunk) einem erheblich größeren Publikum zugänglich gemacht werden als den Zuschauern oder Zuhörern der jeweiligen Werkaufführung.30 Hier ist allerdings zu fragen, ob$ 612 Abs 1 die zutreffende Rechtsgrundlage ist oder ob insoweit Urheberrecht heranzuziehen gewesen wäre. 1 9 Nimmt ein Einzelhandelsunternehmen mit einem beim ihm angestellten Schaufensterdekorateur erfolgreich an einem Herstellerwettbewerb teil, so steht dem Dekorateur kein Anspruch auf Wertersatz des vom Arbeitgeber gewonnenen ausgelobten Wettbewerbspreises oder auf Sondervergütung

dd)

Schutzrechtsfähige Dienst- oder Arbeitsergebnisse

2 0 Schafft ein Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis oder im Zusammenhang damit urheberrechtlich oder gewerblich schutzfähige Werke, ohne daß etwas über die Vergütung für die Übertragung von Nutzungsrechten vereinbart worden ist, so ist für die Frage, ob ihm deshalb ein Anspruch auf Geld zusteht, zwischen der Frage nach dem Ausgleich für die Einräumung von Nutzungsrechten an dem Werk, der Diensterfindung oder dem technischen Verbesserungsvorschlag einerseits und der nach der Vergütung der zur Werkschaffung verwendeten Zeit außerhalb des Arbeitsverhältnisses zu unterscheiden. Ausgleiche oder Entgelte für Nutzungsrechte unterfallen grundsätzlich nicht der Regelung in $ 612 Abs 1, denn es geht in aller Regel nicht um die Erbringung von Diensten oder von Arbeit, sondern um die Bezahlung von Nutzungsrechten.32 Dagegen kann ein über die normale Arbeitszeit hinausgehender Zeitaufwand einen Vergütungsanspruch nach $ 612 Abs 1 nach sich ziehen. 4.

Gesetzwidrige Vergütungsvereinbarung

2 1 $ 612 Abs 1, 2 ist auch in den Fällen der nach §§ 134, 138 nichtigen oder aus anderen Gründen unwirksamen Vergütungsabrede anwendbar. An die Stelle der nichtigen oder unwirksamen, zB gesetzwidrigen Vergütungsabrede tritt die nach § 612 Abs 1, 2 ggfs unter Berücksichtigung von Diskriminierungsverboten zu bestimmende Vergütung. Dies gilt auch, wenn die Vergütungsabrede selbst nicht im Arbeitsvertrag getroffen worden, sondern Inhalt eines unmittelbar und zwingend geltenden oder kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anzuwendenden Tarifvertrags ist, oder wenn der Tarifvertrag bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern nicht oder schlechter berücksichtigt und dies gegen höherrangiges Recht verstößt. a)

Gleichheitsgebote, Diskriminierungstatbestände

2 2 Vergütungsabreden, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen oder Gleichbehandlungsgebote (vgl $ 611 Rn 907 ff, 911 f, § 612 Rn 40 ff) verletzen, sind rechtsunwirksam bzw nichtig. In solchen Fällen ist regelmäßig keine Umdeutung (§ 140) möglich. Diskriminierungsverbote enthalten im deutschen Recht vor allem die speziellen Normen des § 612 Abs 3 (Verbot der Geschlechtsdiskriminierung, vgl J 612 Rn 40 ff), bis zum 31.12. 2000 3 3 § 2 Abs 2 BeschFG 1985 (Verbot der Teilzeitdiskriminierung wegen Teilzeitbeschäftigung), seit dem 1.1.2001 $ 4 Abs 2 TzBfG (Verbote der Diskriminierung

29 Erman/P. Hanau $ 612 Rn 2. 30 BAG 8.3.89 - 5 AZR 92/88 - AP UrhG $ 43 Nr 4; Bühnenoberschiedsgericht Frankfurt/M 7.6.57 - OSchG 5/57 - AP BGB $611 Bühnenengagementsvertrag Nr 3. 31 BAG 12.3.97 - 5 AZR 669/95 - AP UrhG $ 2 Nr 1.

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Harald Schliemann

32 BAG 13.9.83 - 3 AZR 371/81 - AP UrhG $ 43 Nr 2. 33 Art 3, 4 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen - TzBfG - ν 21.12. 2000, BGBl I 1966.

Vergütung J 612 4. Gesetzwidrige Vergütungsvereinbarung

wegen Teilzeitbeschäftigung (vgl $611 Rn669ff) oder wegen Befristung des Arbeitsverhältnisses). Zudem sind europarechtliche Diskriminierungsverbote zu beachten. b)

Lohnwucher

Ebenso wird $ 612 Abs 1 angewendet, wenn die getroffene Entgeltvereinbarung zB wegen Lohnwu- 2 3 chers nichtig war. 34 Ob ein Fall des Lohnwuchers mit der Folge vorliegt, daß die getroffene Vereinbarung über die Vergütung nach $ 138 Abs 2 BGB unwirksam ist, bedarf sorgfältiger Prüfung. Als Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein auffälliges Mißverhältnis zwischen den gewährten oder versprochenen Leistungen und der Gegenleistung stehen, wird vielfach zur Bemessung des Wertes der Arbeitsleistung der Tariflohn herangezogen.35 Gegen eine schematische Heranziehung der Tarifentgelte bestehen indessen Bedenken, denn die Tariflöhne gelten unmittelbar und zwingend nur für die tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse, nicht aber für solche zwischen Außenseitern. Schon von daher ist die Annahme zweifelhaft, der Wert der erbrachten oder zu erbringenden Arbeitsleistung entspreche dem Tarifentgelt. Dies wird höchstens dann anzunehmen sein, wenn sich die Entlohnung nach dem Tarifvertrag in dessen Geltungsbereich durchgesetzt hat. Ob für Bereiche, für die keine tarifvertragliche Entgeltregelung besteht, verwandte Tarifverträge heranzuziehen sind,36 ist rechtlich zweifelhaft. Denn für das auffällige Mißverhältnis kommt es nicht primär auf Tarifentgelte, sondern auf die (orts)üblichen Entgelte an. Sie können in Bereichen, in denen „nach T a r i f gearbeitet wird, mit den Tarifbedingungen übereinstimmen. Ist die Entgeltabrede wegen Lohnwuchers nichtig, so ist nicht etwa die niedrigste, noch nicht wucherische, Vergütung geschuldet, sondern die nach $ 612 Abs 2 zu bemessende Vergütung.37 Anhand der Umstände des Einzelfalles ist zu klären, ob ein Mißverhältnis der sich gegenüberstehen- 2 4 den Leistung vorliegt und ob dieses Mißverhältnis auffällig ist. Nicht jede Unterschreitung des Tariflohnes kann als auffälliges Mißverhältnis angesehen werden. Es liegt (noch) kein auffälliges Mißverhältnis vor, wenn der vereinbarte Lohn in einem nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnis 26% unter dem Tariflohn liegt. 38 Ob für die Feststellung des Lohnwuchers iSd $ 138 Abs 2 BGB die Rechtsprechung des BGH herangezogen werden kann, wonach die Anwendung des S 302a StGB aF (§291 StGB nF) erwogen wird, wenn der an tschechische Bauarbeiter im bayerischen Grenzgebiet gezahlte Stundenlohn 12,70 DM, der Tariflohn dagegen 19,05 DM beträgt, 39 erscheint zumindest zweifelhaft.40 Zumindest hätte es der Klärung bedurft, ob Tariflohn für die erbrachte oder geschuldete Tätigkeit als Maurer üblich ist, denn der Tariflohn kann nur dann als maßgeblich angesehen werden, wenn er sich am Ort durchgesetzt hat. Anspruch auf Tariflohn haben nur die tarifgebundenen Arbeitnehmer, nicht aber Außenseiter. Zudem müssen zur Feststellung, ob ein Fall des Lohnwuchers iSd $ 138 Abs 2 BGB vorliegt, die dort genannten weiteren Momente hinzukommen. Sittenwidrig iSd § 138 Abs 2 BGB war eine Lohnvereinbarung von 1,- DM pro Stunde anstelle üblicher 5,45 DM. 41 Als Verstoß gegen $ 138 Abs 2 ist auch eine Vereinbarung angesehen worden, wonach die Arbeit in einer 14-tägigen Probezeit nur bezahlt werden solle, wenn der Arbeitsvertrag zustande komme. 42 c)

Untertarifliche Bezahlung

Ein Rückgriff auf $ 612Abs 1 ist unzulässig, wenn lediglich ein Fall der untertariflichen Bezahlung bei zwingender und unmittelbarer Geltung des Tarifvertrags infolge Tarifgebundenheit (SS 4 Abs 1, 3

34 BAG 10.3.60 - 5 AZR 426/58 - AP BGB § 138 Nr 2. 35 G. Reinecke NZA 2000,Sonderbeil 3, 23 ff, 32; ErfKomm/Prm $ 612 Rn 3. 36 ErfKomm/Prm $ 612 Rn 3. 37 LAG Bremen 3.12.92 - AiB 93 834; aA Sack RdA 75 171,178. 38 BAG 22.3.89 - 5 AZR 151/88 - nv; 1. Instanz ArbG Hagen 24.6.87 - 3 Ca 167/87 - NZA 87 610. Harald Schliemann

39 40 BB 41 42 Nr

25

BGH 22.4.97 - 1 StR 701/96 - AP BGB $ 138 Nr 52. G. Reinecke NZA 2000, Sonderbeil 3, 23 ff, 32; Nägele 97 2162. BAG 24.2.81 - 5 AZR 1008/78 - nv. LAG Köln 18.3.98 - 8 Sa 1662/97 - LAGE BGB S 138 10.

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J 612

Vergütung Π. Vergütung bei fehlender Vergütungsvereinbarung

Abs 1 TVG) oder Allgemeinverbindlichkeit ($ 5 Abs 4 TVG) vorliegt. Die Tarifbedingungen gelten in solchen Fällen unmittelbar und zwingend und verdrängen die mit Rücksicht auf S 4 Abs 3 TVG tarifwidrigen arbeitsvertraglichen Abreden.43 d)

Mitbestimmungswidrige dauernde Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit

2 6 Nach der früheren Rechtsprechung des BAG bedurfte es eines Rückgriffs auf § 612 Abs 1, 2, um die geschuldete Vergütung zuerkennen zu können, wenn einem Arbeitnehmer unter Verletzung von Mitbestimmungsvorschriften wie S 99 BetrVG, $ 75 BPersVG eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden war, denn die Änderung des Arbeitsvertrags wurde wegen Verletzung des personellen Mitbestimmungsrechts als unwirksam angesehen.44 Diese Rechtsprechung ist überholt. Die Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird nicht berührt, wenn mitbestimmungswidrig die Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats nicht eingeholt oder nicht ersetzt worden ist.45 Ist der Vertrag aber wirksam und besteht deshalb ein vertraglicher Vergütungsanspruch, so ist für § 612 Abs 1, 2 kein Raum. 5.

Fehlgeschlagene Vergütungserwartung

2 7 $ 612 Abs 1 wird entsprechend angewendet, wenn jemand ohne zeitgerechte angemessene Bezahlung in der berechtigten Erwartung Arbeit leistet, ihm werde der Empfänger der Arbeit diese Leistung durch eine künftige Vermögenszuwendung, zB durch testamentarische Vermögensverfügung, Hof- oder Betriebsübergabe, vergelten (fehlgegangene Vergütungserwartung; vgl zur Nichteinhaltung der Zusage einer nachträglichen Vergütung Rn 12). Wird die Vergütungserwartung nicht erfüllt, so stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein Ausgleich für die erbrachten Dienste geleistet werden muß. Das Reichsarbeitsgericht hatte insoweit lediglich auf einen Bereicherungsanspruch erkannt.46 Das BAG und der BGH haben dagegen in solchen Fällen einen Vergütungsanspruch aus $ 612 Abs 1, 2 zugesprochen.47 Fälle der fehlgegangenen Vergütungserwartung treten seit einigen Jahren nur noch vereinzelt auf, weil zunehmend auch von der Seite der Arbeitnehmer schon im Interesse ihrer sozialversicherungsrechtlichen Absicherung darauf geachtet wird, daß der Arbeitsleistung auch in der tatsächlichen Durchführung ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt. Wegen der ausführlichen Darstellung der Einzelheiten der fehlgegangenen Vergütungserwartung wird auf die Vorauflage verwiesen.48 6.

Umstände für eine Vergütungserwartung

2 8 Eine Vergütung gilt nach S 612 Abs 1 nur dann als stillschweigend vereinbart, wenn die Leistung der Dienste oder Arbeit den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Zur Ermittlung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, sind alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Entscheidend ist hierfür die objektive Gesamtlage des jeweiligen Einzelfalles; dabei sind insbesondere die Verkehrssitte, Art, Umfang und Dauer der Dienst- oder Arbeitsleistung, die Beziehung der Beteiligten untereinander und ihre Berufs- und Erwerbsverhältnisse zu berücksichtigen.49 Familienrechtliche Mitarbeit, Freundschafts- und Gefälligkeitsdienste haben in der Regel keine Vergütungspflicht zur Folge.50 Eine bloße, nach den Umständen nicht gerechtfertigte, subjektive Erwartung desjenigen, der die Dienste oder Arbeit leistet oder geleistet hat, reicht nicht aus, um ihm Vergütung nach $ 612 Abs 1 zuzuerkennen. Vielmehr muß die Erwartung objektiv gerechtfertigt sein. Unerheblich ist auch, ob sich der Empfänger der Arbeits- oder Dienstleistung dessen bewußt war, daß diese Leistungen den Um-

43 BAG 2 1 . 9 . 9 8 - 1 AZR 454/88 - AP BetrVG $ 77 Nr 43. 4 4 BAG 1 0 . 3 . 8 2 - 4 AZR 541/79 - AP BPersVG § 75 Nr 7; 1 4 . 6 . 7 2 - 4 AZR 315/72 - AP BAT §§ 22, 23 Nr 54. 45 BAG 1 6 . 1 . 9 1 - 4 AZR 301/90 - AP MTA § 24 Nr 3. 46 RAG ARS 36 286 4 7 BAG in std Rspr seit 2 4 . 9 . 6 0 - 5 AZR 3/60 - AP BGB

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Harald Schliemann

s 612 Nr 15; BGH 2 3 . 2 . 6 5 - VI ZR 281/63 - AP BGB $ 196 Nr 3. 4 8 Hilger in ArbR-BGB 1 $ 612 Rn 29-54 = BGB-RGRK 12 . 4 9 BAG 1 9 . 2 . 7 0 - 5 AZR 241/69 - AP BGB $ 612 Nr 26. 50 ErfKomm/Preii $ 612 Rn 13, 14; MünchKommBGB/ Schaub S 612 Rn 14.

Vergütung

J 612

8. Rechtsfolgen

ständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten war,51 von daher ist eine Anfechtung des zugrundeliegenden Vertrages wegen Irrtums über die Vergütungspflicht ausgeschlossen.52 7.

Darlegungs- und Beweislast

Wer für geleistete Arbeit oder Dienst gem § 612 Abs 1 Vergütung beansprucht, hat darzulegen und zu 29 beweisen, daß ein Vertrag zustande gekommen ist, nach welchem die Leistung der Dienste oder der Arbeit den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten war.53 Soweit Vergütung nach § 612 Abs 1 verlangt wird, weil die Entgeltabrede nichtig oder rechtsunwirksam ist, liegen die Darlegungsund Beweislast, ggfs mit gesetzlich vorgesehenen Erleichterungen (vgl § 611a Rn 28 ff), ebenfalls bei demjenigen, der die Umstände geltend macht. Dagegen trägt wegen der Regelung, daß eine Vergütung in diesem Fall stillschweigend als vereinbart gilt ($ 612 Abs 1), der Empfänger der Dienste oder der Arbeit die Beweislast dafür, daß ausdrücklich oder stillschweigend Unentgeltlichkeit vereinbart worden ist.54 8.

Rechtsfolgen

Die Rechtsprechung zieht aus der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung unter- 30 schiedliche Rechtsfolgen. Bei einem Verstoß gegen das allgemeine Gebot der Gleichbehandlung ziehen einzelne Senate des BAG nicht $ 612 Abs 1, 2 heran, sondern erkennen die gleichheitsgemäße, in der Regel höhere Vergütung unmittelbar durch „Anpassung nach oben" bzw nach 5 242 iVm Art 3 Abs 1 GG zu, wenn tarifliche Regelungen deshalb unwirksam sind,55 weil die darin geregelten Ausschlüsse vom tariflichen Anwendungsbereich gleichheitswidrig sind.56 Dagegen nimmt der Fünfte Senat in ständiger Rechtsprechung an, daß sich der Anspruch auf die rechtskonforme Vergütung nicht unmittelbar aus der verletzten Norm iVm § 242 ergibt, sondern daß die Unwirksamkeit der rechtswidrigen Vergütungsregelung zur Anwendbarkeit des S 612 Abs 1, 2 führt.57 Auf dieser Grundlage ist in aller Regel dann die Vergütung geschuldet, die dem jeweiligen Gleichbehandlungsgebot entspricht; dies kann die tarifliche Vergütung sein.58 Bei einem Verstoß der Entgeltabrede gegen das Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung bildet indessen § 612 Abs 3 die Rechtsgrundlage für die geschuldete nichtdiskriminierende Vergütung.59

III.

Höhe der Vergütung (Abs 2)

Die Höhe der Vergütung richtet sich im Regelfall nach der vertraglichen Vereinbarung bzw nach 3 1 zwingend und unmittelbar anzuwendenden tarifvertraglichen Engeltbestimmungen iVm § 4 Abs 3 TVG, zuweilen - soweit $ 77 Abs 3 BetrVG nicht entgegensteht - auch nach betrieblichen Regelungen. Soweit eine solche Vergütungsregelung wirksam getroffen worden ist, bleibt für die Anwendung des S 612 Abs 2 kein Raum. Ähnlich wie S 612 Abs 1 die fehlende oder nichtige bzw unwirksame Vereinbarung über den Grund der Vergütung ersetzt, schließt § 612 Abs 2 die Lücke, wenn lediglich die Vereinbarung über die Höhe der Vergütung fehlt, nichtig oder rechtsunwirksam ist. Das Fehlen bzw die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung kann sich aus letztlich denselben Umständen, Bestimmungen und Gründen ergeben wie bei der Vereinbarung über die Vergütung dem Grunde nach (vgl Rn 9 ff, Rn 21 ff). 51 BAG 15.3.60 - 5 AZR 409/58 - AP BGB $ 612 Nr 13. 52 ErfKomm/Preis $ 612 Rn 11. 53 BAG 19.2.70 - 5 AZR 241/69 - AP BGB $ 612 Nr 26. 54 ErfKomm/Preis $ 612 Rn 34. 55 BAG 1 5 . 1 2 . 9 8 - 3 AZR 239/97 - AP BeschFG 1985 $ 2 N r 71. 56 BAG 4.4. 2000 - 3 AZR 729/98 - AP TVG S 1 Gleichbehandlung N r 2; 13.5.97 - 3 AZR 66/96 - AP BetrAVG S 1 Gleichbehandlung N r 36; 7.3.95 - 3 AZR 282/94 AP BetrAVG S 1 Gleichbehandlung N r 26; 28.3.96 - 6 AZR 501/95 - AP BeschFG 1985 § 2 N r 49.

Harald Schliemann

57 Statt vieler: BAG 21.4.99 - 5 AZR 200/98 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 72; 9 . 1 0 . 9 6 - 5 AZR 338/95 - AP BeschFG 1985 N r 50; 1.11.95 - 5 AZR 880/94 - AP BeschFG 1985 N r 46. 58 BAG 16.6.93 - 4 AZR 317/92 - AP BeschFG 1985 Nr 26; 26.9.90 - 5 AZR 112/90 - AP BeschFG 1985 Nr 9. 59 BAG 10.12.97 - 4 AZR 264/96 - AP BGB $612 Diskriminierung Nr 3; 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 N r 48; anders noch BAG 26.5.93 - 5 AZR 184/92 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 42.

293

s 612

Vergütung m . Höhe der Vergütung

1.

Anwendungsbereich

3 2 § 612 Abs 2 gilt sowohl für freie Dienstverhältnisse als auch für Arbeitsverhältnisse. Die Bestimmung betrifft alle Arten der Vergütung für geleistete Dienst oder Arbeit, auch besondere Vergütungsarten wie Provisionen, Gewinnanteile, Tantiemen, Gratifikationen oder Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.60 Ist eine bestimmte Vergütung vereinbart worden, so findet $ 612 Abs 2 wie Abs 1 nur insoweit Anwendung, als diese Vereinbarung bestimmte Arbeiten oder Dienste nach ihrer Quantität, Qualität oder ihrer Art nicht erfaßt. 61 2.

Taxmäßige Vergütung

3 3 Die taxmäßige Vergütung spielt im Arbeitsrecht keine Rolle (mehr),62 wohl aber bei den freien Dienstverträgen. 3.

Übliche Vergütung

3 4 Vielmehr ist die klassische Rechtsfolge nach $ 612 Abs 2 im Arbeitsrecht der Anspruch auf die übliche Vergütung. Im Fall der geschlechtsdiskriminierenden Entlohnung folgt der Anspruch allerdings nicht aus $ 612 Abs 2, sondern aus S 612 Abs 3 (Rn 23, 79). 63 Dagegen folgt der Anspruch auf die zutreffende Vergütung im Fall der Teilzeitdiskriminierung aus $ 612 Abs 1, 2, allerdings mit der Besonderheit, daß als üblich die Vergütung pro rata temporis geschuldet wird, die eine Vollzeitkraft erhält. 64 Insoweit ist indessen erwägenswert, als Rechtsgrundlage für die dann geschuldete höhere Vergütung unmittelbar in § 4 Abs 1 TzBfG zu suchen, denn damit würde auch systematisch eine Angleichung an die Rechtsprechung zum Vergütungsanspruch bei Geschlechtsdiskriminierung erreicht. a)

Übliche Vergütung im Arbeitsrecht

3 5 Was als übliche Vergütung im Arbeitsrecht anzusehen ist, ist bei aller Übereinstimmung in den Grundannahmen in den Einzelheiten umstritten bzw noch nicht dogmatisch geklärt. Grundsätzlich wird als übliche Vergütung das angesehen, was einem Dienstleister oder Arbeitnehmer für die gleiche (oder vergleichbare) Dienste oder Arbeit in demselben Gewerbe oder Beruf am gleichen Ort unter Berücksichtigung von Lebensalter, Familienstand und Kinderzahl gezahlt wird.65 Diese allgemeine Formel begegnet Bedenken in den Fällen, in denen die übliche Vergütung nicht nur aus der Zahlung unmittelbaren Arbeitsentgeltes besteht, sondern aus weiteren Zuwendungen wie beispielsweise vermögenswirksamen Leistungen66, Verbilligungen für Arbeitnehmer (Personalrabatte), Deputaten, Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld,67 Urlaubsgeld68 usw. Insoweit ist nicht auf die bloße Zahlung der Lohnes oder Gehaltes abzustellen, sondern auf alles, was dem gleichermaßen oder vergleichbar eingesetzten Arbeitnehmer üblicherweise zufließt. Zudem ist die Formel insoweit unzureichend, als nicht auf Unterschiede in den Vergütungsniveaus der unterschiedlichen Branchen abgestellt wird. Diese beiden Gesichtspunkte müssen bei der Feststellung der üblichen Vergütung ebenfalls berücksichtigt werden.

60 ErfKomm/Preis $612 Rn35; MünchKommBGB/ Schaub J 612 Rn 209. 61 BAG 17.3.82 - 5 AZR 1047/79 - AP BGB $612 Nr 33. 62 MünchArbR/Ηαπα« $ 61 Rn 12; vgl zur früheren Rechtslage: Hilger in ArbR-BGB1 $612 Rn56 = BGBRGRK12. 63 BAG 10.12.97 - 4 AZR 264/96 - AP BGB $612 Diskriminierung Nr 3; 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $612 Nr 48; anders noch BAG 26.5.93 - 5 AZR 184/92 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 42.

294

Harald Schliemann

64 BAG in std Rspr, statt vielen 21.4.99 - 5 AZR 200/98 AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 72. 65 ErfKomm/Pre« $ 612 Rn35; MünchKommBGB/ Schaub $ 612 Rn 204. 66 BAG 4.9.91 - 5 AZR 129/91 - nv; 22.4.92 - 5 AZR 397/91 - nv. 67 BAG 6 . 1 2 . 9 0 - 5 AZR 161/88 AP BeschFG 1985 Nr 2; 4.9.91 - 5 AZR 129/91 - nv. 68 BAG 15.11.90 - 8 AZR 283/89 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 11.

Vergütung S 612 5. Darlegungs- und Beweislast b)

Tarifentgelt als übliche Vergütung

Als übliche Vergütung wird in Teilen des Schrifttums grundsätzlich die tarifvertragliche Vergütung angesehen. 6 9 D e m ist n i c h t o h n e weiteres zu folgen. Ein solcher Rechtssatz läßt sich in dieser

36

Allgemeinheit auch der Rechtsprechung des BAG nicht entnehmen. Zwar findet sich im Urteil des Vierten Senats vom 2 6 . 5 . 9 3 die Formulierung, es sei „im Regelfall die tarifliche Vergütung als übliche Vergütung anzusehen". 7 0 Die dort zum Beleg der Ansicht in Bezug genommenen Entscheidungen des Fünften Senats vom 2 6 . 9 . 9 0 7 1 und vom 2 9 . 1 . 9 2 7 2 belegen diese Ansicht indessen gerade nicht. Vielmehr wird vor allem im Urteil vom 2 6 . 9 . 9 0 7 3 deutlich gemacht, daß die tarifliche Vergütung als übliche Vergütung iSd S 6 1 2 Abs 2 anzusehen ist, wenn - wie im öffentlichen Dienst - allgemein nach T a r i f vergütet wird. Die übliche Vergütung kann nach den Umständen des Einzelfalles die tarifvertragliche sein. 7 4 Sie ist aber nicht ohne weiteres identisch mit der tarifvertraglichen Vergütung, sondern k a n n j e nach den Umständen h ö h e r oder, in besonderen Fällen, auch niedriger liegen. 7 5 Liegt die tatsächliche Vergütung für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer über dem Tarifniveau und werden Teilzeitbeschäftigte mit gleichen Tätigkeiten dagegen nur nach Tarif bezahlt, so ist die höhere Vergütung als die übliche gem S 6 1 2 Abs 2 geschuldet, weil die vertragliche Entgeltregelung gegen § 2 Abs 2 BeschFG verstieß und deshalb nichtig war. 76 c)

E r m i t t l u n g der üblichen Vergütung

Fehlt es an einem Tarifvertrag als einem Ausgangspunkt für die Bemessung der üblichen ArbeitsVergütung, so m u ß diese anhand anderer Umstände, ggfs durch Umfragen, Auskünfte der Kammern 7 7 usw ermittelt werden. 4.

Leistungsbestimmungsrecht, ergänzende Vertragsauslegung

Läßt sich keine übliche Vergütung ermitteln, weil es hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt, so kann der Arbeitnehmer sein Leistungsbestimmungsrecht nach § 316 ausüben. Hierbei hat der Arbeitnehmer nach § 315 Abs 1 billiges Ermessen walten zu lassen, sonst erfolgt die Bestimmung der Gegenleistung gem § 315 Abs 2 durch dasGericht. 78 Ergibt sich, daß die Parteien des Arbeitsvertrages die Bestimmung der Gegenleistung nach $ 316 ausgeschlossen haben, so hat das Gericht nach § 157 eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen und die angemessene Vergütung selbst zu bemessen. 7 9 5.

37

38

Darlegungs- und Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast für die im Prozeß als übliche Vergütung geforderte Zahlung liegt bei

39

demjenigen, der diese Forderung geltend macht. 8 0 Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen gem § 162 Abs 3 eine nicht geschlechtsdiskriminierende Vergütung verlangt wird (vgl Rn 78).

IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung (Abs 3) Das Verbot der geschlechtsdiskriminierenden geringeren Entlohnung ist eine Umsetzung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Dieser Grundsatz stellt in der deutschen Rechtsordnung 69 ErfKomm/Prw $ 612 Rn35; MünchKommBGB/ Schaub § 612 Rn 204. 70 BAG 26.5.93 - 4 AZR 461/92 - AP BGB $612 Diskriminierung Nr 2 unter ΙΠ 2 b. 71 BAG 26.9.90 - 5 AZR 112/90 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 9. 72 BAG 2 9 . 1 . 9 2 - 5 AZR 518/90-AP BeschFG 1985 5 2 Nr 18. 73 BAG 26.9.90 - 5 AZR 112/90 - AP BeschFG 1985 $ 2 Nr 9. 74 BAG 16.6.93 - 4 AZR 317/92 - AP BeschFG 1985 Nr 26; 26.9.90 - 5 AZR 112/90 - AP BeschFG 1985 Nr 9. Harald Schliemann

40

75 BAG 21.1.98 - 5 AZR 50/97 - AP BGB § 612 Nr 55; 14.6.94 - 9 AZR 89/93 - AP TVG $ 3 Verbandsaustritt Nr 2 unter 2 d Gr. 76 BAG 26.5.93 - 4 AZR 461/92 - AP BGB $612 Diskriminierung Nr 2. 77 Vgl den Fall in BAG 3.9.97-5AZR428/96-APBGB $ 611 Dienstreise Nr 1. 78 BAG 2 1 . 1 1 . 9 1 - 6 AZR 551/89 - AP BAT $ 34 Nr 2. 79 BAG 8.3.89 - 5 AZR 92/88 - AP UrhG § 43 Nr 4. 80 BAG 29.1.86 - 4 AZR 465/84 - AP BAT §$ 22, 23 Nr 115 .

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s 612

Vergütung IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung

keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage dar, sondern bedarf der Umsetzung in Anspruchsgrundlagen wie $ 612 Abs 3. 81 Von daher ist eine Norm wie $ 612 Abs 3 nicht entbehrlich. $ 612 Abs 3 ist unabdingbar. 1.

Zweck der Regelung

4 1 Mit $ 612 Abs 3 wollte der Gesetzgeber das sich mittelbar bereits aus $ 611a und vielen anderen Bestimmungen (Rn 43 ff) ergebende Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung wegen seiner besonderen tatsächlichen Bedeutung nochmals hervorheben und zugleich die Bestimmungen der Richtlinie des Rates 75/177 EWG vom 10. Februar 1975 über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (RL 75/117 EWG)82 in nationales Recht umsetzen.83 Soweit es um betriebliche Versorgungszusagen geht, dient 5 612 Abs 3 in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung zugleich auch der Umsetzung der RL 86/378 EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit.84 4 2 § 612 Abs 3 enthält seinem Wortlaut nach das Verbot der Vereinbarung einer geschlechtsdiskriminierenden niedrigeren Vergütung. Trotz seines Wortlautes beschränkt sich § 612 Abs 3 nicht auf einen Verbotstatbestand, sondern enthält zugleich die Anspruchsgrundlage auf die dem Gebot der Gleichbehandlung der Geschlechter entsprechende geschlechterneutrale Arbeitsvergütung (vgl Rn 79). 85 2.

Andere Gleichbehandlungsnormen

4 3 Das Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung ist unmittelbar und mittelbar in einer Vielzahl unterschiedlicher Normen mit unterschiedlicher rechtlicher Wirkung und Verbindlichkeit enthalten oder aus ihnen anzuleiten. a)

Gleichbehandlung der Geschlechter

4 4 Nach Art 2 des ILO-Übereinkommens Nr 100 vom 29.6.1951 hat jedes Mitglied der ILO den „Grundsatz der Gleichheit des Entgeltes männlicher und weiblicher Arbeitskräfte . . . sicherzustellen". Die Bundesrepublik hat dieses Übereinkommen ratifiziert (vgl § 611 Rn 97). 86 1973 stimmte die Bundesrepublik Deutschland dem von ihr 1968 unterzeichneten Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu. 87 Er sieht in Art 7 als grundsätzliches Gebot vor, daß Frauen für gleiche Arbeit gleiches Entgelt zu erhalten haben wie Männer. Mit Ausnahme einzelner Artikel stimmte die Bundesrepublik Deutschland 1964 der Europäischen Sozialcharta (ESC) zu, die 1961 von den Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet worden ist. 88 In Art 4 Nr 3 ESC haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, „das Recht männlicher und weiblicher Arbeitnehmer auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit anzuerkennen. Unmittelbar und zwingend gilt Art 141 EG (ex Art 119 EWG). Diese Bestimmung normiert den Grundsatz gleichen Entgeltes „für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit". Als in den Mitgliedstaaten der EG unmittelbar geltende89 gesetzliche Bestimmung hat diese Norm Vorrang vor dem nationalen Recht. 90 Art 141 EG wird durch die RL 75/117 EWG ergänzt. 81 BAG 21.6. 2000 - 5 AZR 806/98 - AP BGB $ 612 Nr 60. 82 AblEG L 45,19, geändert durch Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum ν 3 . 1 . 9 4 , AblEG L 1 , 4 9 0 (LohngleichheitsRL). 83 BT-Drs 8/3317, 10. 84 Vom 2 4 . 7 . 8 6 - AblEG L 2 2 5 , 4 0 , geändert durch RL 96/97 EG ν 20.12.96 - AblEG L 4 6 , 2 0 ; vgl auch MiinchKommlSchaub $ 612 Rn 252. 85 BAG 10.12.97 - 4 AZR 264/96 - AP BGB S 612 Diskriminierung Nr 3; 2 0 . 1 1 . 9 6 - 5 AZR 401/95 - AP BGB S 242 Gleichbehandlung Nr 133; 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48 (unter Π 2 1 b d Gr mwN); Walker Anm zu AP BGB $ 612 Diskriminierung Nr 3

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Harald Schliemann

mwN; anders noch BAG 2 6 . 5 . 9 3 - 5 AZR 184/92 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 42. 86 BGBl II 1956, 23 87 ZustimmungsG ν 23.11.73 (BGBl Π 1569); sa Ζuleeg RdA 74 321. 88 ZustimmungsG ν 19.9.64 und Text der Europäischen Sozialcharta ν 18.10.61: BGBl Π 1964, 1261, 1262 ff Text ua veröffentlicht in Nipperdey Arbeitsrecht Nr 1095. 89 Statt vieler: EuGH 3 1 . 3 . 8 1 - Rs 96/80 - AP EWGVertrag Art 119 Nr 2. 90 Vgl zum Vorrang des EG-Rechts: EuGH 1 5 . 7 . 6 4 Costa./.E.N.E.L. - Slg. 1964, 1251, 1269.

Vergütung S 612 3. Anwendungsbereich

Aus dem grandgesetzlichen Gleichberechtigungsgebot (Art 3 Abs 2 GG) läßt sich das Verbot ge- 4 5 schlechtsdiskriminierender Entlohnung ebenfalls herleiten,91 ebenso auch aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ($ 611 Rn 117 ff). Dagegen ist der allgemeine Grundsatz „Gleicher Lohn fur gleiche Arbeit" in der deutschen Rechtsordnung keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage, sondern bedarf der Umsetzung in Anspruchsgrundlagen wie $ 612 Abs 3. 9 2 b)

Normvorrang des S 612 Abs 3

Im Verhältnis zu allen diesen Bestimmungen stellt § 612 Abs 3 die speziellere Norm dar; sie verdrängt 4 6 alle vorgenannten Bestimmungen bis auf Art 141 EG (ex Art 119 EWG).93 Das europarechtliche Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen (Art 141 EG ex Art 119 EWG, RL 75/117 EWG) ist durch die gemeinschaftskonform auszulegende Bestimmung des S 612 Abs 3 in innerstaatliches Recht umgesetzt worden.94 Art 141 EG (ex Art 119 EWG) ist anzuwenden, soweit es um einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht geht. 95 Mit den Diskriminierungsverboten wegen Teilzeit ($ 4 Abs 1 TzBfG) kann $ 612 Abs 3 unter dem 4 7 rechtlichen Gesichtspunkt der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung ($ 611a Rn 22) konkurrieren. In solchen Fällen der Normenkonkurrenz gibt die Rechtsprechung des BAG der spezielleren Norm den Vorrang, die unmittelbar verletzt ist, wenn der Fall bei Anwendung dieser Norm erschöpfend geklärt werden kann. So war im Fall des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot wegen Teilzeit (bis zum 31. Dezember 2000: $ 2 Abs 2 BeschFG, seitdem $ 4 Abs 1 TzBfG - vgl Rn 22), bei dem gleichzeitig $ 611a im Wege der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung verletzt sein konnte, nur der Gesichtspunkt der Teilzeitdiskriminierung zu behandeln, weil die inkriminierte Tarifnorm bereits wegen Verstoßes gegen § 2 Abs 2 BeschFG nichtig war.96 Dagegen muß auf die Bestimmungen des $ 611a bzw des § 612 Abs 3 zurückgegriffen werden, wenn ein Verstoß gegen § 2 Abs 2 BeschFG (nunmehr $ 4 Abs 1 TzBfG) wegen Vorliegens eines „sachlichen" Differenzierungsgrundes ausscheidet, denn ein solcher Rechtfertigungsgrund ist in S 611a bzw in S 612 Abs 3 nicht vorgesehen.97 Entsprechendes gilt für das Diskriminierungsverbot wegen Befristung des Arbeitsverhältnisses ($ 4 Abs 2 TzBfG). Auch insoweit können sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.98 3.

Anwendungsbereich

$ 612 Abs 3 verbietet es, bei Arbeitsverhältnissen geschlechtsdiskriminierende Vergütungen zu verein- 4 8 baren. a)

Arbeitsverhältnisse

Nach dem Wortlaut der Norm bezieht sich der Anwendungsbereich des $ 612 Abs 3 nur auf Arbeits- 4 9 Verhältnisse (vgl $ 611 Rn 160 ff, 361). Die Bestimmung ist indessen auf Berufsausbildungsverhältnisse nach $ 3 Abs 2 BBiG und auf sonstige Ausbildungsverhältnisse nach S 19 BBiG anzuwenden. Dagegen ist die Anwendbarkeit des $ 612 Abs 3 auf freie Dienstverhältnisse im Gesetz nicht vorgesehen. 99 Indessen wird im Schrifttum angenommen, $ 612 Abs 3 müsse nach Sinn und Zweck auch auf die Dienstverhältnisse arbeitnehmerähnlicher Personen und Heimarbeiter unmittelbar 100 oder ana91 BAG 20.11.90 - 3 AZR 613/89 - AP BetrAVG $ 1 Gleichberechtigung Nr 8. 92 BAG 21.6. 2000 - 5 AZR 806/98 - AP BGB $ 612 Nr 60. 93 BAG 10.12.97 - 4 AZR 264/96 - AP BGB $612 Diskriminierung Nr 3; 3.6.97 - 3 AZR 910/95 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 35; 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB § 612 Nr 48 unter II 2 1 b d Gr mwN; 20.11.96 - 5 AZR 401/95 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 133. 94 BAG 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48 unter Π 2 1 b d Gr mwN. Harald Schliemann

95 ErfKomm/Pre« $ 612 Rn 46. 96 BAG 7.11.91 - 6 AZR 392/88 - AP BAT $ 62 Nr 14. 97 BAG 28.7.92 - 3 AZR 173/92 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 18. 98 Vgl schon BAG 1 3 . 1 2 . 9 4 - 3 AZR 367/94 - AP BetrAVG S 1 Gleichbehandlung Nr 2. 99 ErfKomm/Pre« § 612 Rn 49; Erman/P. Hanau S 612 Rn 27; MünchKomm/Scftauf) $ 612 Rn 243. 100 ErfKomm/Preu $ 612 Rn 49; Erman/P. Hanau $ 612 Rn 27; MiinchKomm/Scftaai § 612 Rn 243.

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s 612

Vergütung IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung

log 101 bzw angewendet werden. Dem ist nicht zu folgen. Die Dienstverhältnisse der arbeitnehmerähnlichen Personen und die Rechtsverhältnisse der Heimarbeiter stellen keine Arbeitsverhältnisse dar, sondern gehören systematisch zu den freien Dienstverhältnissen ($611 Rn275ff). Es besteht auch rechtlich kein Bedürfnis für eine derart erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung des $ 612 Abs 3. Denn insoweit besteht keine Gesetzeslücke. Das Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung von arbeitnehmerähnlichen Personen und Heimarbeitern läßt sich aus Art 3 Abs 2 GG entwickeln. Aus vergleichbaren Erwägungen ist $ 612 Abs 3 auch nicht auf in freien Dienstverhältnissen tätige Organmitglieder juristischer Personen anzuwenden.102 Europarechtlich ist dies nicht geboten, denn auch diese Regelungen betreffen nur Arbeitsverhältnisse und ähnliche weisungsabhängige Beschäftigungen. Der europäische Begriff des Arbeitnehmers stellt darauf ab, daß jemand „während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält" (vgl S 611 Rn 183 mwN). Er läßt damit auch andere Rechtsgrundlagen als den privatrechtlichen Arbeitsvertrag, zB Beamtenverhältnisse, für die Annahme genügen, es handele sich bei dem Dienstleistenden um einen Arbeitnehmer.103 Indessen muß es sich um eine weisungsgebundene Tätigkeit im Unterordnungsverhältnishandeln.104 Daran fehlt es im Rahmen freier Dienstverträge. b)

Vereinbarungen

5 0 Das Verbot, eine geschlechtsdiskriminierende Arbeitsvergütung zu vereinbaren, ist typus- und rechtformneutral gefaßt. Es betrifft jede Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, gleichgültig, ob es sich um eine vertragliche Abrede, eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung, eine Gesamtzusage oder eine betriebliche Übunghandelt. 105 Unter $612 Abs 3 fällt auch, wenn der Arbeitgeber Frauen nur die tarifvertragliche Vergütung zahlt, er jedoch mit Männern dagegen durchweg eine übertarifliche Vergütung vereinbart.106 5 1 Umstritten ist dagegen, ob auch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen unter § 612 Abs 3 fallen. 107 Das BAG hat dies noch nicht entschieden. Allerdings stellt sich diese Frage nicht, wenn die Anwendbarkeit solcher kollektiven Regelungen arbeitsvertraglich vereinbart worden ist, denn dann liegt bereits eine für das Arbeitsverhältnis geltende Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien vor. 108 Die Annahme, daß Tarifverträge und Betriebs- und Dienstvereinbarungen nicht unter $ 612 Abs 3 fallen, läßt sich nicht damit begründen, daß die Parteien solcher Kollektiwereinbarungen an Art 3 Abs 1 GG gebunden und überdies der Gleichberechtigungssatz, das Benachteiligungsverbot und der Lohngleichheitssatz auch in $ 75 BetrVG und § 67 BPersVG enthalten seien. 109 Vielmehr gebietet die europarechtskonforme Auslegung des $ 612 Abs 3, die genannten Kollektiwerträge als Vereinbarungen iS dieser Norm anzusehen. Nach Art 4 der RL 75/117 EWG treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Regelungen, „um sicherzustellen, daß mit dem Grundsatz des gleichen Entgeltes unvereinbare Bestimmungen in Tarifverträgen, Lohn- und Gehaltstabellen oder -Vereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen nichtig sind oder für nichtig erklärt werden können". Entsprechendes gilt nach Art 5 Abs 2 der RL 6/207 EWG, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, daß mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung (der Geschlechter) unvereinbare Bestimmungen in Tarifverträgen oder Einzelarbeitsverträgen, in Betriebsvereinbarungen . . . für nichtig erklärt oder geändert werden können". Eine Auslegung, wonach Tarifvertragsnormen und Betriebs-

101 Soergel/RíMi $612 Rn48; Hilger in ArbR-BGB1 $ 612 Rn 69 = BGB-RGRK12. 102 AA MünchKomm/Sdiawii § 612 Rn 243. 103 EuGH 20.1. 2000 - Rs C 285/98 - Tanja Keil - AP EWG-Richtlinie 76/207 Nr 19 (Zugang von Frauen zum Beruf des Soldaten in Kampfeinheiten der Bundeswehr). 104 EuGH 8.6.99 - Rs C 337/97 - Meussen - Slg 99 1-3289. 105 ErfKomm/Prew § 612 Rn 50; Erman/P. Hanau S 612 Rn 27; MünchKomm/Scftaufr $ 612 Rn 245. 298

Harald Schliemann

106 BAG 23.9.92 - 4 AZR 30/92 - AP BGB $612 Diskriminierung Nr 1. 107 Bejahend: ErfKomm/Prei'j $ 612 Rn 50; Erman/P. Hanau §612 Rn27, verneinend: MünchKomm¡Schaub S 612 Rn 246. 108 BAG 10.12.97 - 4 AZR 264/96 - AP BGB $ 612 Diskriminierung Nr 3 . 109 So aber MiinchKomm/Scftaufc § 612 Rn 246.

Vergütung $ 612 4. Gleiche und gleichwertige Arbeit Vereinbarungsnormen unter S 6 1 2 Abs 2 fallen, stimmt auch damit überein, daß nach der Rechtsprechung des EuGH Tarifverträge gegen Art 141 EG (ex Art 119 EWG) verstoßen können. 1 1 0 4.

Gleiche u n d gleichwertige Arbeit

Bezugspunkt für die Vergütungsvereinbarung ist die gleiche oder gleichwertige Arbeit. Für sie darf wegen des Geschlechts keine geringere Vergütung vereinbart werden. a)

Gleiche Arbeit

Das Gesetz bestimmt ebensowenig wie die ihm zugrundeliegenden europarechtlichen Bestimmungen, wann eine Arbeit „gleich" ist. Bei der Gleichheit der Arbeit handelt es sich um einen rein qualitativen Begriff, der sich ausschließlich auf die Art der betreffenden Arbeitsleistungbezieht. 1 1 1 Um gleiche Arbeit handelt es sich, wenn Arbeitnehmer zeitgleich oder nacheinander an denselben technischen Arbeitsplätzen identische oder gleichartige Tätigkeiten verrichten. 1 1 2 Ob die Arbeit gleich ist, ist durch einen Gesamtvergleich zu ermitteln. Dabei kommt es auf die jeweiligen Arbeitsvorgänge und das Verhältnis dieser Vorgänge zueinander an. Soweit Tätigkeiten oder deren Merkmale voneinander abweichen, ist auf die jeweils überwiegende Tätigkeit abzustellen. Einzelne gleiche Arbeitsvorgänge genügen nicht für die Annahme, die insgesamt jeweils geschuldete Arbeitstätigkeit sei gleich. Dies ist auch zu beachten, wenn für einen vorübergehenden Zeitraum gleiche Arbeiten ausgeübt werden. Auch in solchen Fällen kommt es darauf an, die Arbeitstätigkeiten in einem dem Einzelfall gerecht werdenden repräsentativen Zeitraum zu vergleichen. 1 1 3 Insgesamt müssen die Arbeitnehmer - gemessen an der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit - miteinander austauschbar sein. 1 1 4 Allerdings stellt die Ausübung gleicher Tätigkeiten auch über einen längeren Zeitraum keine gleiche Arbeit dar, wenn sie auf verschiedenen Berufsberechtigungen beruht, die ihrerseits auf unterschiedliche Berufsausbildungen und -abschlüsse zurückzuführen sind. 1 1 5 b)

52

53

Gleichwertige Arbeit

§ 612 Abs 3 beschränkt das Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung indessen nicht auf die gleiche Arbeit, sondern erstreckt es auch auf die gleichwertige Arbeit. Dies entspricht Art 141 EG (ex Art 119 EWG) ebenso wie Art 1 R L 7 5 / 1 1 7 / E W G . 1 1 6 D i e s g i l t a u c h , wenn dieselben Tarifvertragsparteien für verschiedene Berufe unterschiedliche, jeweils für sich allein nicht geschlechtsdiskriminierende Tarifverträge abgeschlossen haben. 1 1 7

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Was als gleichwertige Arbeit anzusehen ist, bestimmt das Gesetz nicht. Auch aus Art 141 EG (ex Art 119 EWG) oder aus der RL 75/117/EWG ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Begriffsbestimmung der gleichwertigen Arbeit. 1 1 8 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu S 6 1 2 Abs 3 sind Arbeiten gleichwertig, wenn sie nach objektiven Maßstäben der Arbeitsbewertung denselben Arbeitswert haben; dafür können die Praxis der Tarifvertragsparteien und die Verkehrsanschauung Anhaltspunkte geb e n . 1 1 9 Für die Frage der Gleichwertigkeit der Arbeit ist wie bei Prüfung der Gleichheit der Arbeit auf den Gegenstand der Arbeitsleistung abzustellen. Ob Arbeiten gleichwertig sind, kann nur festgestellt werden, indem die geschuldeten Tätigkeiten insgesamt miteinander verglichen werden. Für die

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qualitative Wertigkeit einer Arbeit ist ua das Maß der erforderlichen Vorkenntnisse und Fähigkeiten nach Art, Vielfalt u n d Qualität bedeutsam. Je größer diese Anforderungen sind, desto höher ist der Wert der Arbeit einzuschätzen. Steht ein Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag für eine Vielzahl 110 Vgl EuGH 27.6.90 - Rs C 33/89 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 21. 111 EuGH 27.3.80 - Rs C 129/79 - NJW 80 2014. 112 BAG 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48; MünchKomm/Scfteaii S 612 Rn 255. 113 BAG 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48 unter III 1 a aa d Gr mwN. 114 ErfKomm/Prró § 612 Rn 62.

Harald Schliemann

115 EuGH 11.5.99 - Rs C 309/97 - Wiener Gebietskrankenkasse - AP EG 141 EG-Vertrag Nr 1. 116 EuGH 30.3.2000 - Rs C 336/98 -Jämställdhetsombudsman - AP EWG-Richtlinie 75/117. 117 EuGH 27.10.93 - Rs C 127/92 - Enderby - AP EWG-Vertrag Art 199 Nr 50. 118 BAG 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48 unter III 1 b aa d Gr mwN. 119 BT-Drs 8/3317, 10. 299

s 612

Vergütung IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung

verschiedener Arbeiten zur Verfügung, so kann schon dies eine insgesamt höhere Bewertung der von ihm geschuldeten Arbeit rechtfertigen oder gar erfordern als für die jeweilige Einzeltätigkeit anzunehmen sein kann. Allerdings wird die Feststellung der Gleichwertigkeit der Art nach unterschiedlicher Arbeiten dadurch erheblich erschwert, daß objektive Maßstäbe der Bewertung nicht vorhanden sind. 1 2 0 c) 56

Systeme z u r B e w e r t u n g der Arbeit

Die Ergebnisse der Bewertung der Arbeit hängen wesentlich davon ab, welches Bewertungssystem angewendet wird. 1 2 1 Grundlegend lassen sich kollektiwertragliche Bewertungssysteme, die meist auf einem Synallagma („Ecklöhne") und Ableitungen daraus beruhen, einerseits von der sogenannten objektivierten Arbeitswertfeststellung durch analytische oder summarische Arbeitsbewertungsmethoden unterscheiden. aa)

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Arbeitsbewertung d u r c h Vergütungsordnungen

Anhaltspunkte für die Bewertung der Arbeit bieten zunächst die tarifvertraglichen und ggfs - soweit $ 7 7 Abs 3 BetrVG nicht entgegensteht - betriebsverfassungsrechtlichen Bewertungssysteme. 1 2 2 Sie treten in der Regel als Vergütungs-, Gehalts- oder Lohngruppensysteme oder -Ordnungen auf. Die Wertigkeit der Arbeit wird dann nur an deren Gegenwert gemessen, nämlich an dem Entgelt oder an ihrer Einordnung in das Vergütungsschema. Indessen sind solche Systeme nur zugrundezulegen, soweit sie ihrerseits den Lohngleichheitsgeboten genügen. Geschlechtsspezifische Lohnabschlagsklauseln oder Lohngruppen sind idR unzulässig. 1 2 3 Nach § 6 1 2 Abs 3 kann auch zu prüfen sein, ob verschiedenartige Tätigkeiten gleichwertig sind. Indessen setzt ein solcher Vergleich voraus, daß die verschiedenen Tätigkeiten derselben Vergütungsordnung in räumlicher und sachlicher Hinsicht unterliegen. Richtet sich die Vergütung des Arbeitnehmers nach einer Vergütungsordnung, muß diese für die Prüfung, ob sie eine gegen das Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen verstoßende Regelung enthält, einer Gesamtbetrachtung unterzogen werden. Beispielsweise kann eine mittelbare Entgeltdiskriminierung von Sozialarbeitern (mit Fachhochschulabschluß) nicht allein aus dem Vergleich mit der für ihre Eingruppierung geltenden speziellen Tätigkeitsmerkmalen mit denjenigen für technische Angestellte abgeleitet werden. Vielmehr müssen in die vergleichende Betrachtung auch alle übrigen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte anderer Berufe mit Fachhochschulabschluß und entsprechender Tätigkeit einbezogen werden. 1 2 4 Allerdings geben tarifvertragliche Vergütungsordnungen nur die Mindestv e r g ü t u n g e n wieder (vgl § 4 Abs 3 TVG). Auf sie allein kann nicht zurückgegriffen werden, wenn fast die Hälfte der Männer, dagegen nur V i o der Frauen übertariflich bezahlt werden; vielmehr muß dann geprüft werden, ob es sich um eine nicht auf das Geschlecht bezogene systematische Lohndifferenzierung handelt. 1 2 5 bb)

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Analytische u n d s u m m a r i s c h e Arbeitsbewertung

Die analytische Arbeitsbewertung arbeitet mit den Methoden des Rangreihenverfahrens und des Stufenwertverfahrens. Beim Rangreihenverfahren werden alle Arbeiten des zu bewertenden Bereichs hinsichtlich jedes Anforderungs- und Belastungsmerkmales miteinander verglichen und anschließend angeleitet durch Richtbeispiele oder sog. Schlüsselarbeiten - in eine Rangreihe eingeordnet. Die so gebildete Rangreihe wird - in Zahlenwerten ausgedrückt - zur Bildung der Vergütungsskala verwendet. Beim Stufenwertverfahren werden alle Anforderungs- und Belastungsmerkmale so verbal umschrieben, daß sich das jeweilige Ergebnis in Bewertungstafeln oder -diagramme einordnen läßt. Der Wert der Arbeit ergibt sich dann aus der Summe aller wertgebenden Faktoren. 120 BAG 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48 unter ΠΙ 1 b aa d Gr mwN; MünchKomm/Scftaui $ 612 Rn 259. 121 ErfKomm/Pre« $ 612 Rn 63; Schlächter Wege zur Gleichberechtigung, 205 ff. 122 MünchKomm/Scftauii $ 612 Rn 269; ErfKomm/P rets S 612 Rn 63.

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Harald Schliemann

123 BAG 2.3.55 - 1 AZR 246/54 - AP GG Art 3 Nr 6; 1.12.61 - 1 AZR 357/60 - AP GG Art 3 Nr 70; 23.3.57 1 AZR 64/56 - AP GG Art 3 Nr 18. 124 BAG 1 0 . 1 2 . 9 7 - 4 AZR 264/96 - AP BGB $ 612 Diskriminierung Nr 3. 125 BAG 23.9.92 - 4 AZR 30/92 - AP $ 612 Diskriminierung Nr 1.

Vergütung J 612 5. Vergütung und Vergütungsbemessung Im Rangfolgeverfahren, einer Art der s u m m a r i s c h e n Arbeitsbewertung, werden alle zu bewertenden

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Arbeiten aufgelistet und in der Weise bewertet, daß die Arbeitsanforderungen jeder Tätigkeit mit denen der anderen Tätigkeiten in Relation gesetzt wird. Das Verfahren ist schwierig und eignet sich in der Regel nur für kleine, in sich geschlossene Prüfungsumfänge. Verbreiteter ist dagegen das Lohngruppenverfahren. Bei ihm werden die Anforderungen, Belastungen und Schwierigkeiten des jeweiligen Arbeitsplatzes summarisch beschrieben und vorher definierten Stufen (Lohngruppen) zugeordnet. Den Stufen werden in der Umsetzung sodann Richtbeispiele oder vergleichbare Tätigkeiten zugeordnet. In der Praxis sind Lohngruppenverfahren weit verbreitet, sie spiegeln sich vor allem in der Tarifwirklichkeit bei der synallagmatischen Lohnfindung wieder. 5.

Vergütung u n d Vergütungsbemessung

Als Vergütung iSd $ 6 1 2 Abs 3 sind jedes Entgelt, jede entgeltgleiche oder geldwerte Leistung

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anzusehen, die dem Arbeitnehmer als Gegenleistung zufließt oder zufließen soll. Dies ist weit mehr als nur das unmittelbare Arbeitsentgelt (vgl Rn 3 5 für die „übliche" Vergütung). Ein solch weites Verständnis entspricht der europarechtlich gebotene Auslegung des Begriffs der Vergütung, die sich am Begriff der Vergütung iSd Art 141 EG (ex Art 119 EWG) auszurichten h a t . 1 2 6 Dieser Begriff ist umfassend zu verstehen. 1 2 7 Richtet sich die Vergütung des Arbeitnehmers nach einer tariflichen, betriebsverfassungsrechtlichen oder sonstigen, zB kirchlichen Vergütungsordnung, so muß diese für die Prüfung, ob sie eine gegen das Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen verstoßende Regelung enthält, in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. 1 2 8 a)

Arbeitsentgelte

Für eine nach Zeit bezahlte Arbeit muß das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich sein (Art 141 EG ex

61

Art 119 EWG Abs 2 Buchst a). Sind männliche und weibliche Arbeitnehmer mit der gleichen Arbeit beschäftigt und entlohnt der Arbeitgeber fast die Hälfte der Männer, dagegen nur V i o der Frauen übertariflich, so liegt hierin ein Verstoß gegen S 6 1 2 Abs 3, wenn die höhere Entlohnung der Männer nicht durch Gründe gerechtfertigt werden kann, die nicht auf das Geschlecht bezogen sind. 1 2 9 aa)

Lohndifferenzierungen

Geschlechtsspeziflsche Lohnabschlagsklauseln bei nach Stunden oder anderen Zeitabschnitten be-

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messener Vergütung verstoßen gegen $ 6 1 2 Abs 3. Die Nichtigkeit solcher heute in dieser Offenheit kaum noch anzutreffenden Klauseln ist bereits früher ebenso angenommen worden 1 3 0 wie die einer tarifvertraglichen, im Verhältnis zu Männern niedriger bewerteten Lohngruppe „Arbeiterinnen". 1 3 1 Beim Leistungslohn müssen alle Faktoren, vor allem der Geldfaktor, für beide Geschlechter gleich sein (Art 141 EG ex Art 119 EWG Abs 2 Buchst b). Dagegen hat das BAG zunächst tarifliche Leichtlohngruppen, bei denen allein auf das Maß der Muskelbeanspruchung abgestellt wurde, nicht als Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Geschlechter angesehen. 1 3 2 Später hat das BAG den Begriff der körperlich leichten Arbeit nach der Verkehrsanschauung bestimmt und dabei alle Umstände berücksichtigt, die auf den Menschen belastend wirken und zu körperlichen Reaktionen führen; dazu gehören auch die Arbeitspulsfrequenz, 1 3 3 aber auch die notwendige Körperhaltung, die nervliche oder sensorische Belastung bei taktgebundener oder repetierender Arbeit, der Lärm und die sonstigen Umgebungseinwirkungen sowie ggfs auch soziale Belastungsfaktoren. 1 3 4 Der EuGH fordert im Hin126 BAG 5 . 1 0 . 9 3 - 3 AZR 695/92 - AP BetrAVG $ 1 Lebensversicherung Nr 20. 127 EuGH 11.3.81 - Rs 69/80 - NJW 81 2637. 128 BAG 1 0 . 1 2 . 9 7 - 4 AZR 264/96 - AP BGB § 612 Diskriminierung Nr 3. 129 BAG 23.9.92 - 4 AZR 30/92 - AP BGB $612 Diskriminierung Nr 1. 130 BAG 2.3.55 - 1 AZR 246/54 - AP GG Art 3 Nr 6; 1.12.61 - 1 AZR 357/60 - AP GG Art 3 Nr 70. Harald Schliemann

131 BAG 2 3 . 3 . 5 7 - 1 AZR 64/56 - AP GG Art 3 Nr 18. 132 BAG 17.8.66 - 4 AZR 398/65 - nv; vgl Lorenz DB 96 1234. 133 BAG 27.4.88 - 4 AZR 707/87 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 63 mwN. 134 BAG 29.7.92 - 4 AZR 502/91 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr 32.

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J 612

Vergütung IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung

blick auf die Grundsätze der RL 75/117 EWG eine Ausgestaltung eines solchen Systems, wonach auch andere Faktoren berücksichtigt werden müssen, wenn es die Art der in Frage stehenden Tätigkeit zuläßt. 135 bb) 63

Zulagen

Gewährt der Arbeitgeber mehrere verschiedene übertarifliche Zulagen, so muß bei jeder dieser Zulagen geprüft werden, welchem Zweck sie dient und ob sie auch unter diesem Gesichtspunkt mit dem Lohngleichheitssatz vereinbar ist. 136 Zulagen sind Vergütungen iSd § 612 Abs 3. Sie dürfen nicht geschlechtsspezifisch gewährt werden;137 ebensowenig darf die Gewährung von Zulagen für Männer ohne und für Frauen nur auf Antrag und Nachweis geregelt sein. 138 Dagegen stellt es keine geschlechtsdiskriminierende Minderentlohnung dar, wenn nur Männern eine Nachtschichtzulage gewährt wird, weil tatsächlich nur sie Nachtarbeitleisten.139 Die Zahlung einer Arbeitsmarktzulage nur an Männer verstößt nicht gegen den Lohngleichheitssatz, wenn diese Arbeitsplätze anders nicht zu besetzen sind, wohl aber dann, wenn sie gezahlt wird, weil Männer nicht bereit sind, zum gleichen Lohn wie am gleichen Arbeitsplatz unter gleichen Bedingungen tätigen Frauen zu arbeiten. 140 Eine Zulage für ungünstige Arbeitszeit darf nicht bei der Berechnung des nach Art 141 EG (ex Art 119 EWG) zugrunde zu legenden Vergleichslohnes berücksichtigt werden. Wird ein solcher Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen der Männer und der Frauen festgestellt und ergibt sich aus statistischen Daten, daß Frauen einen wesentlich größeren Anteil an der benachteiligten Gruppe haben als Männer, so muß der Arbeitgeber diesen Unterschied aus Gründen rechtfertigen, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben; Entsprechendes gilt bei einer als Ausgleich für die Arbeit im Drei-Schicht-Betrieb gewährten Verkürzung der Arbeitszeit. 141 b)

Bezahlte Freistellungen

6 4 Bezahlte Freistellungen fallen angesichts des weiten Begriffs der Vergütung ebenfalls unter $ 612 Abs 3. Teilzeitbeschäftigte Frauen, deren regelmäßige tägliche Arbeitszeit spätestens um 12.00 Uhr endet, haben keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung an Tagen, an denen der Arbeitgeber tarifvertraglich ab 12.00 Uhr bezahlte Freistellung zu gewähren hat. 142 Nach Ansicht des EuGH fällt auch die Versagung der Bezahlung teilzeitbeschäftigter weiblicher Betriebsratsmitglieder während der Teilnahme an einer die Teilzeit überschreitenden Betriebsratsschulung (§ 37 Abs 2, 3, 6 BetrVG) als mittelbare Geschlechtsdiskriminierung unter Art 141 EG (ex Art 119 EWG).143 Für den europarechtlichen Entgeltbegriff genügt es, daß die Vergütung wenigstens mittelbar aufgrund eines Arbeitsverhältnisses erfolgt. 144 Allerdings ist die Ungleichbehandlung durch die sozialpolitischen Ziele der gesetzlichen Regelung in § 37 BetrVG gerechtfertigt.145 c)

Betriebliche Altersversorgung

6 5 Zur Vergütung iSd $ 612 Abs 3 zählt auch das Recht auf Teilhabe an der betrieblichen Altersversorgung.

135 EuGH 1.7.86 - Rs C 237/85 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 13. 136 BAG 25.8.82 - 5 AZR 107/80 - AP BGB $242 Gleichbehandlung Nr 53. 137 Vgl BAG 9.9.81 - 3 AZR 1182/79 - AP GG Art 3 Nr 117. 138 BAG 20.4.77 - 4 AZR 7 3 2 / 7 5 - A P G G A r t 3 N r l l l . 139 EuGH 1.7.86 - Rs C 237/85 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 13. 140 BAG 25.8.82 - 5 AZR 107/80 - AP BGB $ 242 Gleichbehandlung Nr 53. 141 EuGH 30.3.2000 - Rs C 336/98 - Jämställdhetsombudsman - AP EWG-Richtlinie 75/117.

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Harald Schliemann

142 BAG 26.5.93 - 5 AZR 184/92 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 42. 143 EuGH 4.6.92 - Rs C 360/90 - Botel - AP EWGVertrag Art 119 Nr 39. 144 EuGH 13.7.2000 - Rs C 166/99 - Defreyn - ; EuGH 7.3.96 - Rs C 278/93 - Freers/Speckmann - Slg 1996,11182 Rn 17; EuGH 6.2.96 - Rs C 457/93 - Lewark - AP E WG-Vertrag Art 119 Nr 72. 145 EuGH 6.2.96 - Rs C 457/93 - Lewark - AP EWGVertrag Art 119 Nr 72; BAG 5.3.97 - 7 AZR 581/92 - AP BetrVG 1973 $ 37 Nr 37.

Vergütung S 612 5. Vergütung und Vergütungsbemessung aa)

Altersversorgung als Vergütung

Dies ergibt eine europarechtskonforme Auslegung der Bestimmung ua im Hinblick auf Art 141 EG (ex Art 119 EWG) und auf die RL 86/378 EGW (Rn 40). Nach dem Verständnis des BAG dient die betriebliche

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Altersversorgung idR der Förderung und Belohnung der Betriebstreue sowie der Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb. 1 4 6 Dagegen rechnet der EuGH in ständiger Rechtsprechung die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung zur Vergütung. 1 4 7 Die Beseitigung von Geschlechtsdiskriminierung bei der betrieblichen Alterversorgung ist zudem Ziel der europäischen Rechtsetzung, wie die RL 86/378/ EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit 1 4 8 zeigt. bb)

Rentenzugangsalter

Das unterschiedliche Rentenzugangsalter für Frauen und Männer kann als u n m i t t e l b a r geschlechtsdiskriminierend anzusehen sein. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 17. Mai 1990 - Barber - solche unterschiedlichen Altersgrenzen für den Rentenzugang als Verstoß gegen Art 141 EG (ex Art 119 EWG) angesehen. 1 4 9 Die Rückwirkung seiner Rechtsprechung hat er jedoch dahin eingeschränkt, daß „die unmittelbare Wirkung von Art 119 EWG-Vertrag zur Stützung der Forderung nach Gleichbehandlung auf dem Gebiet der betrieblichen Renten nur für Leistungen geltend gemacht werden kann, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990 geschuldet werden", vorbehaltlich zuvor erhobener Rechtsmittel. Die gleiche Wirkung ergibt sich für den Wert von Transferleistungen und Kapitalbetragszahlungen. 1 5 0 Inhaltlich ist diese Rechtsprechung im Vertrag von Maastricht in die Protokollerklär u n g zu Art 141 EG (ex Art 119 EWG) übernommen worden. 1 5 1 Der rückwirkend geschaffene $ 30a BetrAVG enthält eine besondere Regelung für die Inanspruchnahme betrieblicher Altersversorgung durch Männer vor Vollendung des 65. Lebensjahres für Beschäftigungszeiten vor dem Urteil vom 1 7 . 5 . 1990 - Barber - des E u G H . 1 5 2 Für eine Übergangszeit verstoßen Regelungen in Versorgungsverträgen, die das Rentenzugangsalter für Männer auf 65, für Frauen auf 6 0 Jahre festlegen, nicht gegen Art 3 Abs 3 GG, denn nach Art 3 Abs 2 GG dürfen die für Frauen noch bestehenden Nachteile im Berufsleben durch die Festlegung eines früheren Rentenalters ausgeglichen werden. 1 5 3 Indessen verstößt eine solche Regelung gegen Art 141 EG (ex Art 119 EWG); hierauf kann sich ein Mann nur berufen, soweit bei der Berechnung der Betriebsrente und der Anwartschaft Zeiten nach dem 17. Mai 1990 zu berücksichtigen sind. 1 5 4 Ob an dieser Rechtsprechung noch festzuhalten ist, ist fraglich geworden, seit Art 141 EG (ex Art 119 EWG) um die Regelung in Abs 4 und damit um die Möglichkeit der geschlechtsspezifischen Förderung zur Herstellung der Gleichbehandlung ergänzt worden ist. Nach dieser Bestimmung hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben die Mitgliedstaaten nicht

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daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.

146 BAG 13.12.94 - 3 AZR 367/94 - AP BetrAVG S 1 Gleichbehandlung Nr 2. 147 Statt vieler: EuGH 10.2. 2000 - Rs C 270 und 271/ 97 - Sievers und Schräge - AP EG-Vertrag Art 119 Nr 18; 13.5.86 - Rs C 170/84 - Bilka - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 10. 148 Vom 24.7.86, AblEG L 225/40, geändert durch RL 96/97 EG ν 20.12.96, AblEG L 46/20. 149 EuGH 17.5.90 - Rs C 262/88 - Barber - AP EWGVertrag Art 119 Nr 20. 150 EuGH 6.10.93 - Ri C 109/93 - Ten Oever - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 49; 14.12.93 - Rs C 110/91 Moroni - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr 16. Harald Schliemann

151 Gesetz ν 28.12.92 zum Vertrag über die Europäische Union ν 7.2.92 (BGBl II 1251), geändert durch den Beitrittsvertrag ν 24.6.94 (BGBl II 2022) idF des Beschlusses ν 1.1.95 (AblEG L 1/1). 152 a BetrAVG wurde mit Wirkung ν 17.5.1990 eingefügt durch Art. 8 iVm Art 33 RRG 1999 ν 16.12.97 (BGBl I 2998). 153 BAG 3.6.97 - 3 AZR 910/95 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr 35. 154 BAG 3.6.97 - 3 AZR 910/95 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung Nr 35 unter Hinweis auf EuGH 17.5.90 - Rs C 262/88 - Barber - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 20.

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S 612

Vergütung IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung

cc) 68

Teilzeit und betriebliche Altersversorgung

Besondere Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang bei der Teilzeitbeschäftigung. Insoweit liegt häufig der Tatbestand der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung vor. Den Ausschluß unterhälftig beschäftigter Teilzeitbeschäftigter von der tarifvertraglich geregelten betrieblichen Altersversorgung hat das BAG als Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gewertet und insoweit sogar eine über die Grenze der Protokollerklärung zu Art 141 EG (ex Art 119 EWG)155 hinausgehende Rückwirkung angenommen, weil die Protokollerklärung nicht die Anwendbarkeit des Art 3 Abs 1 GG einschränke.156 Für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Anschluß an ein Betriebsrentensystem gilt die Rückwirkungsgrenze nicht.1S7 Allerdings hat auch der EuGH erkannt, daß der Ausschluß teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer von einem Betriebsrentensystem eine nach Art 141 EG (ex Art 119 EWG) verbotene Diskriminierung darstellt, wenn die Maßnahme einen wesentlich höheren Prozentsatz weiblicher als männlicher Arbeitnehmer trifft und nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, die nicht mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben,158 und daß insoweit eine Rückwirkung der unmittelbaren Anwendung des Art 141 EG (ex Art 119 EWG) zur Berechnung der Leistungen auf den Tag der Verkündung des Urteils vom 8.4. 1976 - Defrenne II - , bei vorheriger Geltendmachung oder Klage auch auf einen früheren Zeitpunkt, möglich ist, aber auch, daß diese Beschränkung weitergehenden nationalen Vorschriften nicht entgegensteht.159 Dagegen verstößt es weder gegen § 612 Abs 3 noch stellt es eine Geschlechtsdiskriminierung dar, wenn sozialrentenversicherungsfrei geringfügig Beschäftigte (§ 8 SGB IV) von der Betriebsrente ausgeschlossen werden, die zusammen mit der gesetzlichen Sozialversicherungsrente ein Gesamtversorgungssystem bildet; dies gilt jedenfalls für die Zeit bis zum 31. März 1999.160 dd)

Sonstige Fragen der Geschlechtsdiskriminierung bei der betrieblichen Altersversorgung

69 Indessen beschränken sich die Probleme der Gleichbehandlung der Geschlechter bei der betrieblichen Altersversorgung nicht auf die vorgenannten Fragenkomplexe der mittelbaren oder unmittelbaren Geschlechtsdiskriminierung beim Rentenzugang, sondern gehen weit darüber hinaus. Insoweit stehen in aller Regel allerdings Tatbestände der Frauendiskriminierung im Vordergrund wie beim unterschiedlichen Eintrittshöchstalter für den Eintritt in die betriebliche Altersversorgung (Frauen bis zum 50., Männer bis zum 55. Lebensjahr) und gleicher Berücksichtigung ruhegeldfähiger Dienstzeiten161 und beim Ausschluß der Witwerversorgung. 162 Art 141 EG (ex Art 119 EWG) steht einer Ungleichbehandlung der Geschlechter in einem betrieblichen Versorgungssystem hinsichtlich des Alters, von dem an hinterbliebene Ehegatten Hinterbliebenenversorgung beanspruchen dürfen, vom 17. Mai 1990 an entgegen.163 Dagegen fällt nicht unter $ 612 Abs 3 noch ist es sonst geschlechtsdiskriminierend, wenn die Altersversorgung nur für Arbeitnehmer in gehobenen Positionen, mithin hierarchisch oder berufstätigkeitsspezifisch vorgesehen ist und Frauen daran nicht teilhaben, weil sie keine Tätigkeiten ausüben, die in die derart definierte Versorgungsregelung fallen.164

155 Gesetz ν 28.12.92 zum Vertrag über die Europäische Union ν 7.2.92 (BGBl Π 1251), geändert durch den Beitrittsvertrag ν 24.6.94 (BGBl Π 2022) idF des Beschlusses V 1.1.95 (AblEG L 1/1). 156 BAG 16.1.96 - 3 AZR 767/94 - AP GG Art 3 N r 222; BAG 7.3.95 - 3 AZR 282/94 - AP BetrAVG Gleichbehandlung N r 26. 157 EuGH 24.10.96 - Rs C 435/93 - Dietz - AP EWGVertrag Art 119 N r 75. 158 EuGH 10.2. 2000 - Rs C 50/96 - Deutsche Telekom./.Lilli Schröder - EzA EG-Vertrag Art 141 N r 2. 159 EuGH 10.2. 2000 - Rs C 50/96 - Schröder - AP BetrAVG $ 1 Teilzeit Nr 14.

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Harald Schliemann

160 BAG 22.2. 2000 - 3 AZR 845/98 - AP BetrAVG $ 1 Gleichbehandlung N r 44; auch schon BAG 12.3.96 3 AZR 993/94 - AP TV Arb Bundespost $ 24 N r 1. 161 BAG 31.8.78 - 3 AZR 313/77 - AP BetrAVG Gleichberechtigung Nr 1. 162 BAG 5.9.89 - 3 AZR 575/88 - AP BetrAVG $ 1 Hinterbliebenenversorgung Nr 8. 163 EuGH 25.5. 2000 - Rs C 50/99 - Podestà - AP EG Art 141 Nr 2. 164 BAG 11.11.86 - 3 ABR 74/85 - AP BetrAVG $ 1 Gleichberechtigung N r 4.

Vergütung S 612 6. Vergütungsvergleich, Geschlechtsbedingtheit

d)

Bewährungsaufstieg

Als mittelbar geschlechts-, nämlich frauendiskriminierend und damit als Verstoß gegen § 612 Abs 3 ist 7 0 es entgegen früherer Rechtsprechung,165 die das BAG ausdrücklich aufgegeben hat, 165 anzusehen, wenn für Teilzeitbeschäftigte unter dem Gesichtspunkt derselben Stundenzahl für den Bewährungsaufstieg eine pro rata temporis kalendermäßig längere Bewährungszeit als für Vollzeitbeschäftigte verlangt wird. 167 Beurlaubungen zur Kinderbetreuung führen bis zur Dauer von 5 Jahren gem S 23a Nr 4 BAT idF vom 24.4.91 nicht zur Unterbrechung der Bewährungszeit des $ 23a BAT, 168 wohl aber liegt kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vor, wenn nach $ 23a Nr 4 BAT Zeiten des Erziehungsurlaubs auf die 12-jährige Bewährungszeit nicht anzurechnen sind. 169 e)

Ausschluß von der Entgeltfortzahlung

Zur Vergütung iSd $ 612 Abs 3 zählt auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der 7 1 Ausschluß Teilzeitbeschäftigter von der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung darstellen.170 6.

Vergütungsvergleich, Geschlechtsbedingtheit

Ein Verstoß gegen $ 612 Abs 3 setzt voraus, daß bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine durch 7 2 Vergütungsvergleich ermittelte Lohndifferenzierung vorliegt und diese auf das Geschlecht des Arbeitnehmers zurückzuführen ist. a)

Geringere Vergütung

Ob eine geringere Vergütung vereinbart worden ist, ist durch einen Vergleich der Vergütungen zu 7 3 ermitteln. In den Vergütungsvergleich müssen alle Vergütungsbestandteile unter Berücksichtigung des Leitungszweckes einbezogen werden. Dementsprechend sind andererseits bestimmte Vergütungsbestandteile nicht mit in die Berechnung der Vergleichsbezüge einzubeziehen wie beispielsweise Zulagen für ungünstige Arbeitszeiten oder eine Verkürzung oder ein Ausgleich der Arbeitszeit im Drei-Schicht-Betrieb.171 b)

Geschlechtsbedingtheit

Ob eine geschlechtsbedingte Entgeltdifferenzierung vorliegt, ist grundsätzlich anhand der Merkmale 7 4 zu prüfen, aus denen die Differenzierung folgt. 172 Ein bloßer tatsächlicher Vergütungsunterschied für sich allein besagt noch nichts über dessen Grund oder Anlaß. Vielmehr bedarf es weiterer Umstände, aus denen der Schluß zu ziehen ist, daß es sich um eine Differenzierung wegen des Geschlechts und nicht etwa aus anderen, von $ 612 Abs 3 nicht erfaßten Gründen handelt. Dies gilt insbesondere für die Fälle der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung ($ 61 la Rn 22). Sie liegt im Rahmen des $ 612 Abs 3 vor, wenn die Lohnhöhe und -Zusammensetzung nach Merkmalen differenziert, die bei einem Geschlecht tatsächlich in wesentlichem Umfang nicht oder seltener auftreten als bei dem anderen Geschlecht und wenn die Unterscheidungsmerkmale nicht auf Umstände zurückzuführen sind, die nichts mit dem Geschlecht des Arbeitnehmers zu tun haben, sondern auf andere Gründe zurückzuführen sind. 173 Hierzu kann auch die allgemeine Arbeitsmarktlage zählen. 174 165 BAG 14.9.88 - 4 AZR 351/88 - AP BAT $ 23a Nr 24. 166 BAG 2.12.92 - 4 AZR 152/92 - AP BAT $ 23a Nr 28. 167 EuGH 7.2.91 - RS C 184/89 - Nimz - AP BAT $ 23a Nr 25; BAG 9.3.94 - 4 AZR 301/93 - AP BAT $ 23a Nr 31. 168 BAG 9.3.94 - 4 AZR 228/93 - AP BAT $ 23a Nr 32. 169 BAG 9.11.94 - 10 AZR 3/94 - AP BAT S 23a Nr 33. 170 EuGH 13.7.89 - RS C 171/88 - AP EWG-Vertrag Nr 16; vgl zur aufgehobenen Regelung des früheren S 1 Abs 3 Nr 3 LohnFG: BAG 9.10.91 - 5 AZR 598/90 - AP LohnFG S 1 Nr 95. Harald Schliemann

171 EuGH 30.3.2000 - Rs C 336/98 -Jämställdhetsombudsman - AP EWG-Richtlinie 75/117. 172 ErfKomm/Pre« S 612 Rn 61. 173 EuGH 30.3.2000 - Rs C 336/98 - Jämställdhetsombudsman - AP EWG-Richtlinie 75/117 - AP EWG-Richtlinie 75/117 Nr 15. 174 EuGH 27.10.93 - Rs C 127/92 - Enderby - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 50.

305

s 612

Vergütung IV. Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung

c)

Geschlechtsspezifischer Arbeitsschutz

7 5 Für Frauen gibt es zahlreiche geschlechtsspezifische Arbeitsschutzvorschriften, die sich wirtschaftlich nachteilig für den Arbeitgeber auswirken. Dies betrifft vor allem die gesetzlichen Mutterschutzvorschriften. Nach $ 612 Abs 3 S 2 wird die Vereinbarung einer geringeren Vergütung nicht dadurch gerechtfertigt, daß wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers besondere Schutzvorschriften gelten. Insoweit wird dem Grundanliegen, daß nur geschlechtsneutrale Beweggründe eine Vergütungsdifferenzierung rechtfertigen können, nochmals Ausdruck verliehen. Wird dagegen für eine bestimmte Tätigkeit Vergütung gezahlt, die Frauen deshalb nicht erhalten, weil sie diese Tätigkeit nicht ausüben, so liegt darin kein Verstoß gegen den Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau. 175 d)

Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung

7 6 Das Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung kann keine geschlechtsspezifische Vergütungsdifferenzierung rechtfertigen. $ 612 Abs 3 verweist nicht auf $ 611a Abs 1 S 2, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts zulässig ist, soweit eine Vereinbarung die Art der vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeit zum Gegenstand hat (vgl dazu § 61 la Rn 24). Allerdings ist von Ausnahmefällen wie beispielsweise Chorsänger/Chorsängerinnen abgesehen - kaum anzunehmen, daß trotz der Notwendigkeit eines bestimmten Geschlechtes für die Tätigkeit eine gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt.176 e)

Nichtgeschlechtsbezogene Differenzierungsgründe

7 7 Nach $ 612 Abs 3 S 3 ist § 611a Abs 1 S 3 entsprechend anzuwenden (vgl § 611a Rn 25 ff). Demgemäß verstoßen mittelbar geschlechtsdiskriminierend wirkende Entgeltvereinbarungen nicht gegen $ 612 Abs 3 S 1, wenn bewiesen wird, daß die Entgeltdifferenzierung ausschließlich auf anderen sachlichen Beweggründen, zB auf einem unternehmerischen oder sozialpolitischen Bedürfnis beruht. Dagegen genügt es nicht, wenn neben die Geschlechtsdiskriminierung lediglich ein sachlicher Beweggrund hinzutritt und insoweit ein Motivbündel vorliegt. 7.

Beweislast

7 8 Grundsätzlich hat der Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen, daß die Voraussetzungen des § 612 Abs 3 S 1 vorliegen. Im ersten Schritt muß er darlegen und ggfs beweisen, daß die Arbeiten gleich oder gleichwertig sind und daß mit ihm eine geringere Vergütung vereinbart worden ist. 177 Die Umstände, aus denen zu schließen sein soll, daß die Vergütungsbenachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt, muß der Anspruchsteller bezeichnen.178 Er muß ihr Vorliegen indessen nicht beweisen, sondern nur glaubhaft machen, denn ihm kommen insoweit die Beweiserleichterungen des $ 611a Abs 1 S 3 zugute (vgl. $ 611a Rn 28 ff). Diese Glaubhaftmachung stellt eine materielle Erleichterung der Beweiswürdigung dar; sie kann sich jedoch nicht mit den prozessualen Mitteln der Glaubhaftmachung (eidesstattliche Versicherung pp) erfolgen, sondern bedarf der üblichen Beweismittel. Ist in diesem Sinne die Glaubhaftmachung erfolgt, so ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen und ggfs zu beweisen, daß keine Benachteiligung vorliegt, daß sie nicht durch das Geschlecht bedingt oder daß die mittelbare Benachteiligung sachlich gerechtfertigt ist. 8.

Rechtsfolgen

7 9 Verstößt die Vergütungsvereinbarung gegen $ 612 Abs 3 S 1, so ist sie nach $ 134 nichtig. Dies gilt nicht nur für arbeitsvertragliche Vereinbarungen, sondern auch für die gegen $ 612 Abs 3 S 1 verstoßende Normen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. In aller Regel erhebt der benach175 EuGH 1.7.86 - Rs C 237/85 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 13. 176 Vgl BT-Drs 8/3317, 10. 177 BAG 10.12.97 - 4 AZR 264/96 - AP BGB S 612

306

Harald Schliemann

Diskriminierung Nr 3; 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48. 178 EuGH 27.10.93 - Rs C 127/92 - Enderby - AP E WG-Vertrag Art 199 Nr 50.

Maßregelungsverbot S 612a I. Entstehung und Zweck der Regelung

teiligte Arbeitnehmer bei einem Verstoß gegen S 612 Abs 3 S 1 indessen keine Klage auf eine entsprechende isolierte Feststellung, sondern auf Leistung der nicht geschlechtsdiskriminierenden höheren Vergütung. In solchem Fall bildet S 612 Abs 3 S 1 zugleich die Rechtsgrundlage für die geschuldete nichtdiskriminierende Vergütung.179 9.

Aushangpflicht

In Betrieben mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern müssen die Texte des $ 611a, § 611b, S 612 Abs 3, S 612b BGB und $ 61b ArbGG ausgehängt oder ausgelegt werden.180

$ 612a

80

Maßregelungsverbot

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Übersicht I. Entstehung und Zweck der Regelung Π. Konkurrierende Maßregelungsverbote ΠΙ. Normadressaten 1. Arbeitgeber 2. Arbeitnehmer IV. Benachteiligung wegen Rechtsausübung . . . . 1. Begriff 2. Ursachenzusammenhang V. Vereinbarung, Maßnahme 1. Begriffe 2. Einzelfälle

I.

Rn 1,2 3-5 6 7 8 9 10 11,12 13 14 15

Rn a) Arbeitskampf 16 b) Kündigung 17 aa) Kündigung durch den Arbeitgeber 18,19 bb) Klageverzicht 20 cc) Widerspruch gegen Betriebsübergang und soziale Auswahl 21 c) Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit . 22 VI. Beweislast 23 VU. Rechtsfolgen 24 VIH. Aushangpflicht 25

Entstehung und Zweck der Regelung

Die Vorschrift ist zusammen mit den $$ 611a, 611b, 613 Abs 3 mit Wirkung ab 21. August 1980 durch 1 Art I Nr 3 des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes eingeführt worden.1 Sie dient der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, geht aber hierüber in ihrem Regelungsgehalt hinaus. Nach Art 7 RL 76/207 EWG2 wie auch nach Art 5 RL 75/117 EWG3 wäre nur erforderlich gewesen, „Maßnahmen zu treffen, die den Arbeitnehmer vor jeder Entlassung schützen, die eine Reaktion des Arbeitgebers auf eine Beschwerde im Betrieb oder auf eine Klage auf Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung" bzw „des gleichen Entgeltes darstellt". Der deutsche Gesetzgeber hat es hiermit jedoch nicht bewenden lassen, sondern ein umfassendes Maßregelungsverbot erlassen wollen und erlassen.4

179 BAG 10.12.97 - 4 AZR 264/96 - AP BGB § 612 Diskriminierung Nr 3 m zust Anm Walker, BAG 23.8.95 - 5 AZR 942/93 - AP BGB $ 612 Nr 48, anders noch BAG 26.5.93 - 5 AZR 184/92 - AP EWG-Vertrag Art 119 Nr 42. 180 Art 2 Arbeitsrechtliches EG-AnpassungsG ν 13.8.80 idF des Art 9 des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes V 29. Juni 1998, BGBl I 1694. Harald Schliemann

1 Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz ν 13.8.80, BGBL I 1308. 2 Vom 9.2.76, AblEG L 39,40 (GleichbehandlungsRL). 3 Vom 10.2.75, AblEG L 45, 19, geändert durch Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum ν 3.1.94, AblEG L 1/489 (LohngleichheitsRL). 4 Vgl BT-Drs 8/3317 und BR-Drs 353/79.

307

S 612a

2

Maßregelungsverbot III. Normadressaten

§ 612a stellt ein - auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung zu beachtendendes - allgemeines Benachteiligungsverbot dar, denn die Ausübung gesetzlicher Rechte ist regelmäßig zulässig und darf schon deshalb keine Benachteiligung nach sich ziehen. 5 $ 612a ist zwingendes Recht.

II.

Konkurrierende Maßregelungsverbote

3

Als die speziellere Norm geht § 612a der allgemeinen Regelung in § 138 und $ 242 vor. 6 Nach $ 5 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge - TzBfG 7 - darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem TzBfG benachteiligen. Indessen fragt sich, weshalb der Gesetzgeber entschlossen hat, trotz des seit 1980 bestehenden umfassenden Benachteiligungsverbotes des $ 612a zusätzlich noch das besondere Benachteiligungsverbot des $ 5 TzBfG zu erlassen. Der Begründung des Gesetzentwurfs 8 läßt sich hierzu nichts entnehmen. Zudem bestehen spezielle Benachteiligungsverbote für Schwerbehinderte Menschen ( $ 8 1 Abs 2 SGB IX), betriebsverfassungsrechtliche Amtsträger (§ 78 Abs 2 BetrVG), für sexuell belästigte Arbeitnehmer (§ 4 Abs 3 des BeschäftigtenschutzG), für Beauftragte (ua Sicherheitsbeauftragter: § 22 SGB VII; Datenschutzbeauftragter: $ 36 Abs 3 S 3 BDSG), für Wehr- und Zivildienstleistende (§ 6 Abs 1 ArbPlSchG, S 78 ZDG). Als speziellere Normen haben besondere Benachteiligungsverbote Vorrang vor § 612a.

4

Neben der gesetzlichen Regelung finden sich regelmäßig in Tarifverträgen Normen, die eine Benachteiligung der Arbeitnehmer verbieten, die an Arbeitskampfmaßnahmen zwecks Herbeiführung der materiellen Tarifänderungen teilgenommen haben. Tarifvertragliche Maßregelungsverbote können in ihrem Schutz- und Anwendungsbereich hinter S 612a zurückbleiben. Tarifvertragliche Maßregelungsverbote schließen die Anwendbarkeit des $ 612a nicht aus, auch wenn sie als speziellere Normen anzusehen sind. Dies folgt daraus, daß § 612a zwingendes Recht ist.

5

Unterstützend zu allen Benachteiligungsverboten gibt $ 84 BetrVG jedem Arbeitnehmer ausdrücklich das - eigentlich selbstverständliche - Recht, sich „bei" den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise benachteiligt fühlt. Nach $ 84 Abs 2 BetrVG hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über eine solche Beschwerde zu bescheiden, nach Abs 3 derselben Bestimmung dürfen dem Arbeitnehmer wegen der Erhebung einer Beschwerde keine Nachteile entstehen. Dieses allgemeine, durch ein spezielles Benachteiligungsverbot unterstützte Beschwerderecht des Arbeitnehmers ist in allen Betrieben gegeben; es setzt - trotz seiner Regelung im Betriebsverfassungsgesetz - das Bestehen eines Betriebsrats nicht voraus.

ΠΙ. Normadressaten 6

Die Bestimmung gilt nur für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut ist ihre Anwendung auf andere, vor allem auf freie Dienstverhältnisse bzw die Vertragsparteien solcher Dienstverhältnisse ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere auch für die Rechtsverhältnisse mit arbeitnehmerähnlichen Personen 9 oder mit Heimarbeitern. Denn diese sind keine Arbeitnehmer, mögen sie auch ähnlich einem Arbeitnehmer schutzbedürftig sein. Unbeschadet dessen ist jedoch zu prüfen, inwieweit in solchen von § 612a nicht erfaßten Fällen aus anderen Bestimmungen, beispielsweise aus $ 138 oder aus S 242 unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit 10 ein Maßregelungsverbot folgt.

5 Erman/P. Hanau $ 612a Rn 1 mwN. 6 BAG 2 . 4 . 8 7 - 2 AZR 227/86 - AP BGB $ 612a Nr 1 unter II 3 b aa d Gr. 7 Vom 21. Dezember 2001, BGBl 11966. 8 BT-Drs 14/4374 (Regierungsentwurf); BT-Drs 14/ 4625 (Ausschußbericht und -empfehlung).

308

Harald Schliemann

9 AA Staudinger/Rtcherdl § 612a Rn 9; MünchKomm/ Schaub S 612a Rn 5. 10 Vgl für den Fall der Kündigung: KBJFriedrich J 13 KSchG Rn 141.

Maßregelungsverbot $ 612a 2. Ursachenzusammenhang

1.

Arbeitgeber

Der Begriff des Arbeitgebers ist derselbe wie in $ 611a (vgl dort Rn 9 f). Wie dort wendet sich die 7 Vorschrift nicht nur an den sogenannten Vertragsarbeitgeber, sondern bei einer sogenannten gespaltenen Arbeitgeberstellung wie bei der Leiharbeit, ($ 611 Rn 295 ff) oder im gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ($ 611 Rn 310) auch den Arbeitgeber, der nur Teilfunktionen, vor allem im Wege des Direktionsrechts, ausübt. Denn es geht bei § 61 la Abs 1S 1 nicht nur um Maßnahmen auf der Ebene der vertraglichen Gestaltung, sondern um jedwede Maßnahme im Arbeitsverhältnis. 2.

Arbeitnehmer

Geschützt sind nach $ 612a Arbeitnehmer. Insoweit wird derselbe Begriff verwendet wie in § 61 la. Wie 8 dort fallen Stellenbewerber auch in den Schutzbereich des $ 612a, nicht indessen arbeitnehmerähnliche Personen oder Heimarbeiter (vgl $ 6 1 1 a R n 6 f ) .

IV. Benachteiligung wegen Rechtsausübung S 612a verbietet jede Benachteiligung wegen der Ausübung von rechten. Strukturell ähnelt die Be- 9 Stimmung der in § 61 la Abs 1 (vgl dort Rn 21). Indessen können - anders als dort - weder eine abstrakte Benachteiligung noch eine mittelbare Diskriminierung für § 612a ausreichen, denn es fehlt insoweit an einem rechtlich relevanten Unterscheidungsmerkmal, das der insoweit vorauszusetzenden Abstraktion zugänglich wäre. 1.

Begriff

Der Begriff der Benachteiligung wird in § 612a nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Eine Benachteiligung ist durch einen Vergleich der tatsächlichen und rechtlichen Lagen vor und nach der Maßnahme des Arbeitgebers zu ermitteln. S 612a erfaßt auch jede Form der Benachteiligung, nämlich sowohl die unmittelbare Benachteiligung zB in Form von Einbußen oder Verlusten tatsächlicher oder rechtlicher Positionen als auch die mittelbare Benachteiligung, vor allem in Form der Vorenthaltung von Vorteilen, die andere erhalten, weil sie ihre gleichermaßen gegebenen Rechte nicht ausgeübt haben.11 2.

10

Ursachenzusammenhang

Wegen des strengen Kausalitätserfordernisses („weil") genügt für $ 612a nicht jede Benachteiligung, 1 1 sondern sie muß ursächlich darauf zurückzuführen sein, daß der benachteiligte Arbeitnehmer seine Rechte ausgeübt hat. Im Gegensatz zu $ 61 la genügt für § 612a auch keine abstrakte Benachteiligung, sondern es muß festgestellt werden können, daß die benachteiligende Maßnahme oder Vereinbarung tragend darauf zurückzuführen ist, daß der durch sie Benachteiligte seine Rechte ausgeübt hat. 12 Andererseits erfordert die Benachteiligung bei einer Vereinbarung oder bei einer Maßnahme wegen der 1 2 Rechtsausübung nicht notwendig einen konkreten Bezug zu anderen Arbeitnehmern. Vielmehr ist eine Benachteiligung iSd % 612a auch dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber auf eine zulässige Rechtsausübung mit einer Maßnahme oder Vereinbarung reagiert, die er gegenüber einem anderen Arbeitnehmer, der seine Rechte nicht ausgeübt hat, nicht ergriffen hätte. 13 Dies setzt indessen voraus, daß die Rechtsausübung nicht nur in irgendeiner Weise mitursächlich oder gar nur äußerer Anlaß gewesen ist; sie muß vielmehr tragender Beweggrund der Maßnahme oder Vereinbarung gewesen sein.

11 BAG 1 1 . 8 . 9 2 - 1 AZR 103/92-APGG Art 9 Arbeitskämpf Nr 124; Staudinger/Richard« $ 612a Rn 11. 12 BAG 2.4.87 - 2 AZR 227/86 - AP BGB § 612a Nr 1 unter Π 1 d bb d Gr. Harald Schliemann

13 BAG 2.4.87 - 2 AZR 227/86 - AP BGB $ 612a Nr 1 unter II 1 d bb d Gr.

309

J 612a

V.

Maßregelungsverbot V. Vereinbarung, Maßnahme

Vereinbarung, Maßnahme

1 3 S 612a verbietet, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer „bei" (und nicht etwa „durch") eine Vereinbarung oder Maßnahme benachteiligt. Es ist damit nicht erforderlich, daß die Vereinbarung oder Maßnahme ihrerseits das Instrument der Benachteiligung darstellt, sondern es genügt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beispielsweise dadurch benachteiligt, daß er ihn von einer Begünstigung, die er anderen Arbeitnehmern zuteil werden läßt, ausschließt. 1.

Begriffe

1 4 Die Begriffe der Vereinbarung bzw der Maßnahme sind dieselben wie in $ 611a (vgl dort Rn 13) und ebenso wie dort umfassend zu verstehen. Auch Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden fallen unter den Begriff der Vereinbarungen bzw Maßnahmen. Tatsächliche „Vergeltungen" für die Wahrnehmung von Rechten fallen ebenfalls unter $ 612a, so zB die Beschäftigung mit sinnlosen Arbeiten nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage.14 2.

Einzelfälle

1 5 In der Praxis der Gerichte zeigen sich der Sache nach sehr unterschiedliche Maßnahmen bzw Vereinbarungen, bei denen bzw durch die Arbeitnehmer wegen Ausübung ihrer Rechte benachteiligt werden. Insoweit kann - der Idee nach - auch auf Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die die Wirksamkeit der Maßnahme oder Vereinbarung auch an anderen Verbotsnormen mißt, wenn sich die Maßnahme oder Vereinbarung als Reaktion des Arbeitgebers auf die Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer darstellt. Aus der Rechtsprechung sind insbesondere Fälle im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf und mit Kündigungen zu erwähnen. a)

Arbeitskampf

1 6 Bei Arbeitskämpfen ist rechtlich zu unterscheiden, ob die Differenzierung der Behandlung zwischen Arbeitnehmern, die am Streik teilnehmen, und solchen, die dies nicht tun, dh eine unterschiedliche Behandlung von Streikteilnehmern und Streikbrechern sich als Maßnahme des Arbeitskampfes selbst darstellt oder ob sie eine Reaktion auf die Streikteilnahme ist. Als Reaktion auf die Streikteilnahme verstößt eine unterschiedliche Behandlung in aller Regel sowohl gegen entsprechende tarifvertragliche Maßregelungsverbote als auch gegen § 612a. Indessen ist nicht schon wegen der objektiv unterschiedlichen Behandlung ein solcher Verstoß anzunehmen. Die Abgrenzung zwischen dem grundsätzlich erlaubten Arbeitskampfmittel und der verbotenen Maßregelung ist nach dem Grundsatz der freien Wahl der Arbeitskampfmittel vorzunehmen. Echte, während es Arbeitskampfes gezahlte Streikbruchprämien verstoßen nicht gegen $ 612a. 15 Gleiches ist anzunehmen, wenn der bestreikte Arbeitgeber die Prämie oder Zuwendung während des Arbeitskampfes zugesagt hat. Denn in beiden Fällen handelt es sich um Arbeitskampfmittel, weil dadurch die Bereitschaft zur Streikteilnahme verringert werden soll. 16 Anders verhält es sich dagegen, wenn eine Vergünstigung erst nach Beendigung des Arbeitskampfes zugesagt oder eingeräumt wird. Mit einer solchen nachträglichen Maßnahme kann der Arbeitgeber das Arbeitskampfgeschehen bzw die Arbeitskampfteilnahme nicht mehr beeinflussen. Solche Maßnahmen verstoßen gegen $ 612a und gegen tarifvertragliche Maßregelungsverböte, wenn sie sich als Reaktion auf die Teilnahme bzw Nichtteilnahme am Arbeitskampf herausstellen.17 Allerdings ist dies dann nicht anzunehmen, wenn zB für eine Prämienzahlung an Arbeitnehmer, die nicht am Arbeitskampf teilgenommen haben, andere Gründe maßgebend sind. Es ist nicht als Verstoß gegen 5 612a angesehen worden, wenn solche Arbeitnehmern eine Ausgleichszahlung für besondere Belastungen durch die während des Arbeitskampfes geleistete Arbeit erhalten.18 Durch Streikteilnahme 14 ErfKomm/Preis $ 612a BGB Rn 8 mwN. 15 BAG 1 3 . 7 . 9 3 - 1 A Z R 676/92 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 127; offengelassen noch in BAG 2 8 . 7 . 9 2 1 AZR 87/92- AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 123; kritisch Schwarz RdA 93 264.

310

Harald Schliemann

16 Rolfs DB 94 1237, 1241. 17 BAG 1 1 . 8 . 9 2 - 1 AZR 103/92 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 124. 18 BAG 2 8 . 7 . 9 2 - 1 AZR 87/92- AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 123.

Maßregelungsverbot S 612a 2. Einzelfälle

bedingte Kürzungen ausgelobter Anwesenheitsprämien verstoßen nicht gegen § 612a oder ein entsprechendes tarifliches Maßregelungsverbot, soweit die Kürzung proportional zur Nichtleistung der Arbeit wegen Teilnahme am Streik erfolgt.19 Bei überproportionalen Kürzungen kann dagegen ein Verstoß gegen $ 612a oder ein tarifvertragliches Maßregelungsverbot vorliegen.20 Allerdings liegt keine Überproportionalität vor, wenn ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz ohne Rücksicht auf dessen Dauer zum völligen Wegfall der monatlichen Anwesenheitsprämie führt. 21 b)

Kündigung

Im Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber taucht die Frage 1 7 auf, ob und inwieweit die Kündigung selbst, die Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes oder die soziale Auswahl auch an $ 612a zu messen sein können. aa)

Kündigung durch den Arbeitgeber

Die Rechtswirksamkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann - unbeschadet der Anwend- 1 8 barkeit des Kündigungsschutzgesetzes - auch anhand allgemeiner Rechtsnormen geprüft werden. Vor Inkrafttreten des $ 612a haben Schrifttum und Rechtsprechung geprüft, ob eine Kündigung unwirksam ist, weil sie sittenwidrig ($ 138 BGB) oder treuwidrig ($ 242 BGB) ist, wobei hierzu keine Umstände herangezogen werden durften, die unter den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen.22 § 612a erfaßt einen Sonderfall der Sitten- oder Treuwidrigkeit, nämlich den der Maßregelung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber wegen Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer. Demgemäß ist eine Kündigung wegen Verstoßes gegen § 612a als unwirksam angesehen worden, die darauf zurückzuführen war, daß der Arbeitnehmer einen tarifvertraglichen Anspruch auf Vorruhestand geltend gemacht hat. 23 Ebenso verstieß es gegen $ 612a, daß der Arbeitgeber kündigte, weil der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Freistellung wegen Erkrankung eines Kindes ($ 45 Abs 3 S 1 SGB V) geltend gemacht24 oder weil er sich gewerkschaftlich betätigt hat 25 oder wenn der Arbeitnehmer zuvor selbst gekündigt hatte. 26 Gegen S 612a verstieß es auch, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einem gewonnenen Kündigungsschutzprozeß mit unsinnigen Arbeiten und diskriminierenden Kontrollmaßnahmen maßregelte.27 Andererseits verstößt es nicht gegen $ 612a, wenn der Arbeitgeber wegen krankheitsbedingter Ar- 1 9 beitsunfähigkeit kündigt und bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung auch die Kosten der krankheitsbedingten Entgeltfortzahlung berücksichtigt werden28 oder wenn während der Probezeit wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gekündigt wird. 29 Dem steht $ 8 Abs IS 1 EFZG nicht entgegen, wonach der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht dadurch berührt wird, daß der Arbeitgeber aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt. bb)

Klageverzicht

Als Verstoß gegen § 612a ist es anzusehen, wenn in einem Sozialplan der Anspruch auf die Sozial- 2 0 planabfindung rechtlich davon abhängig gemacht wird, daß der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt, er also Klageverzicht übt und sich damit seines Rechts auf den gesetzlichen Kündigungsschutz enthält. 30 Die Sozialplanabfindung hat den Zweck, die mit dem Verlust des Arbeits19 BAG 31.10.95 - 1 AZR 217/95 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 140; 26.10.94 - 10 AZR 482/92 - AP BGB $ 611 Anwesenheitsprämie Nr 18. 20 B. Gaul NJW 94 1025. 21 Vgl BAG 3 1 . 1 0 . 9 5 - 1 AZR 217/95 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 140. 22 KRJFriedrich $ 13 KSchG Rn 118, 232 f mwN. 23 BAG 2.4.87 - 2 AZR 227/86 - AP BGB $ 612a Nr 1. 24 LAG Köln 13.10.93 - 7 Sa 690/93 - LAGE BGB S 612a Nr 7. 25 LAG Hamm 18.12.87 - 17 Sa 1225/87 - LAGE BGB S 612a Nr 1. Harald Schliemann

26 LAG Nürnberg 7.10.88 - 6 Sa 44/87 - LAGE BGB S 612a Nr 2. 27 LAG Schleswig-Holstein 25.7.89 - 1 (3) Sa 557/88 LAGE BGB $ 612a Nr 4. 28 Vgl BAG 27.3.93 - 2 AZR 155/93 AP KSchG 1969 $ 1 Krankheit Nr 27. 29 LAG Sachsen-Anhalt 27.7.99 - 8 Sa 1066/98 - LAGE BGB § 612a Nr 6. 30 Vgl BAG 20.12.83 - 1 AZR 442/82 - AP BetrVG 1972 $ 122 Nr 17; StegefWeinspach BetrVG SS 111-113 Rn 87h.

311

S 612a

Maßregellingsverbot VI. Beweislast

platzes verbundenen Nachteile zu mildern, nicht aber, auf den gesetzlichen Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes zu verzichten. Andererseits ist es zulässig, im Sozialplan die Fälligkeit der Sozialplanabfindung auf den Eintritt der Rechtskraft der Beendigung eines eventuellen Kündigungsschutzstreits hinauszuschieben und zu bestimmen, daß eine Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG bzw eine entsprechende „freiwillige", einzelvertraglich oder im Wege des gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs vereinbarte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes auf die Sozialplanabfindung und umgekehrt anzurechnen ist. 31 cc)

Widerspruch gegen Betriebsübergang und soziale Auswahl

2 1 Als Verstoß gegen § 612a dürfte es dagegen nicht anzusehen sein, wenn - wie das BAG erkannt hat - ein Arbeitnehmer, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses (§ 613a Abs 1 S 1) widersprochen hat, die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl nur rügen darf, wenn er für den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses einen sachlichen, erheblichen Grund darlegt.32 In solchem Fall liegt keine Benachteiligung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber vor, sondern es ist der Arbeitnehmer, der durch seinen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses die Gefahr der betriebsbedingten Kündigung herbeiführt. Dies rechtfertigt, die Zulässigkeit des Widerspruchs gegen die soziale Auswahl im Vergleich mit solchen Arbeitnehmern, die vom Betriebsteilsübergang mangels Zugehörigkeit zum übergegangenen Betriebsteil nicht betroffen waren, davon abhängig zu machen, daß für den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ein sachlicher, erheblicher Grund vorgelegen hat. c)

Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit

2 2 Es verstößt nicht gegen § 612a, wenn gemäß der betrieblichen Regelung über Anwesenheitsprämien, Gratifikationen oder andere Sonderzahlungen die Kürzung solcher Sondervergütungen bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorgenommen wird. Der Gesetzgeber hat in S 4a (bis 31.12.1998: § 4b) EFZG ausdrücklich eine solche Kürzung erlaubt.33 Diese Bestimmung hat Vorrang vor dem allgemeinen Maßregelungsverbot des $ 612a. S 4a EFZG gibt dem Arbeitgeber indessen keine Rechtsgrundlage für die Kürzung,34 sondern stellt nur klar, daß eine entsprechende anderweitige Regelung jedenfalls insoweit gesetzeskonform ist. 35 $ 4a (vormals $ 4b) EFZG läßt die Möglichkeiten zur Kürzung von Vergütungen oder Sonderzahlung aus anderen als Gründen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unberührt.36 Die Kündigung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit verstößt als solche nicht gegen $ 612a (Rn 19).

VI.

Beweislast

2 3 Die Beweislast für das Vorliegen aller Voraussetzungen des S 612a liegt - wie sonst auch - bei demjenigen, der hieraus günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, mithin in der Regel beim Arbeitnehmer.37 Die Beweiserleichterung des $ 611a (vgl dort Rn 28 ff) ist im Rahmen von S 612a nicht anwendbar.38 Es fehlt zum einen an einer gesetzlichen Anordnung; zum anderen wäre eine solche Erleichterung - da nur auf Geschlechtsdiskriminierung bezogen - unzureichend, weil § 612a jede Maßregelung wegen der Wahrnehmung von Rechten untersagt. Indessen kann dem Beweispflichtigen eine Beweiserleichterung durch den Beweis des ersten Anscheines zugute kommen, wenn erkennbar ein 31 BAG 20.6.85 - 2 AZR 427/84 - AP BetrVG 1972 S 112 Nr 33. 32 BAG 7.3.93 - 2 AZR 449/91 Β - AP KSchG 1969 S 1 Soziale Auswahl Nr 22; kritisch dazu ErfKomm/Preis S 612a Rn 14. 33 ErfKomm/Dornfr § 4a EFZG Rn 3. 34 ErfKomm/Dorner $ 4a EFZG Rn 2. 35 BAG 15.12.99 - 10 AZR 626/98 - AP BGB $ 611 Gratifikation Nr 221.

312

Harald Schliemann

36 BT-Drs 13/4612, 16. 37 Vgl BAG 2.4.87 - 2 AZR 227/86 - AP BGB $ 612a Nr 1; LAG Schleswig-Holstein 25.7.89 - 1 (3) Sa 557/88 LAGE BGB S 612a Nr 4. 38 BAG 2.4.87 - 2 AZR 227/86 - AP BGB $ 612a Nr 1; KRjPfeifer $612a BGB Rn 12; ErfKomm/Preis § 612a BGB Rn 22.

Unübertragbarkeit S 613 I. Vorbemerkung

Zusammenhang zwischen der Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme oder Vereinbarung besteht, der die ursächliche Verknüpfung nahelegt.39

VII. Rechtsfolgen S 612a selbst ordnet keine Rechtsfolge an. Die Bestimmung ist eine Verbotsnorm iSd S 134. Verstößt ein 2 4 Rechtsgeschäft gegen § 612a, so hat dies gem $ 134 dessen Nichtigkeit zur Folge. Dies betrifft vor allem Kündigungserklärungen des Arbeitgebers. Ist eine vom Arbeitgeber erklärte Kündigung wegen Verstoßes gegen § 612a nach $ 134 nichtig, so kann der Arbeitgeber wegen dieser Kündigung keinen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG stellen, denn die Kündigung ist nicht (allein) mangels sozialer Rechtfertigung, sondern aus einem anderen Grund (vgl 5 13Abs 3 KSchG) nichtig. Demgemäß kann der Verstoß der Kündigung gegen $ 612a auch außerhalb der Klagefrist des $ 4 KSchG geltend gemacht werden. Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, etwa Weisungen oder Anordnungen des Arbeitgebers, sind 2 5 hinsichtlich ihrer rechtlichen Wirksamkeit entsprechend $ 134 zu behandeln. Eine gegen § 612a verstoßende und damit entsprechend § 134 nichtige Weisung kann der Arbeitnehmer unbeachtet lassen, ohne sich auf das Zurückbehaltungsrecht des $ 273 berufen zu müssen.40 Soweit die gegen S 612a verstoßende Maßnahme darin besteht, daß der Arbeitnehmer von einer begünstigenden Regelung ausgeschlossen wird, kann er Schadensersatz, auch in Form von Erfüllung, fordern; häufig wird in solchen Fällen jedoch eine Anspruchskonkurrenz, etwa mit $ 612 Abs 1, 2, bestehen.

VIII. Aushangpflicht In Betrieben mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern müssen die Texte des S 61 la, S 61 lb, S 612 Abs 3, S 612b BGB und S 61b ArbGG ausgehängt oder ausgelegt werden.41

$ 613

25

Unübertragbarkeit

Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar.

I.

Vorbemerkung

$ 613 ist eine Auslegungsregel. Vorrangig ist immer die Regelung im Vertrag, der zunächst auszulegen 1 ist.1 Die Auslegungsregel gilt sowohl für selbständige Dienst- als auch für Arbeitsverträge. Die Norm findet erst Anwendung, wenn nach der Auslegung des Vertrages offen bleibt, ob die Möglichkeit gegeben sein soll, die Verpflichtung durch einen anderen erbringen zu lassen. Ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen sind bei selbständigen Dienstverpflichtungen bezüglich der Erbringung von Hilfstätigkeiten üblich.2 In Arbeitsverträgen ist die Arbeitsleistung regelmäßig in Person zu 39 BAG 11.8.92 - 1 A Z R 103/92 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 124 (B1 4R aE). 40 Anders noch Michels-Holl in ArbR BGB1 § 612a Rn 11 = BGB-RGRK12 mwN. 41 Art 2 Arbeitsrechtliches EG-AnpassungG ν 13.8.80 idF des Art 9 des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen

Reiner Ascheid

Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes ν 29. Juni 1998, BGBl. I 1694. 1 MünchKomm/Scftauft3 $ 613 Rn 1, 21; Staudinger/Rlchardi12 $ 613 Rn 6. 2 Vgl Lieb Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts ΠΙ 201; Erman/Hanau» § 613 Rn 3; Staudinger/Ricftardf12 $ 613 Rn 8.

313

S 613

Unübertragbarkeit II. Persönliche Dienstleistungspflicht

erbringen, 3 vgl zu Ausnahmen Rn 8. Die Pflicht zur höchst persönlichen Leistungspflicht kann auch im Arbeitsverhältnis ausdrücklich oder konkludent abbedungen werden. 4 Eine gesetzliche Sonderregelung enthalten

2

1 2 , 1 3 TzBfG mit der Möglichkeit des J o b - S h a r i n g " . 5

II.

Persönliche Dienstleistungspflicht

1.

Möglichkeit der Leistungserbringung

Vor der Schuldrechtsreform war ein Arbeitsvertrag nach § 306 aF nichtig, wenn er auf eine Leistung gerichtet war, die niemand erbringen kann. Nach S 31 l a nF steht es der Wirksamkeit eines Vertrags nicht entgegen, daß der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nF nicht zu leisten braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluß vorlag. Die Rechte des Gläubigers im Hinblick auf die Leistung bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326 nF. Abweichend von § 280 Abs 1 nF hat der Arbeitnehmer nur zu haften, wenn er die Verletzung seiner Pflicht aus dem Vertrag zu vertreten hat (S 619a). Die Leistungspflicht des Arbeitnehmers ist nach $ 275 Abs 1 bis 3 nF nicht schon dann ausgeschlossen, wenn er sich gegenüber mehreren Arbeitgebern zur Arbeitsleistung verpflichtet hat. Beide Verträge bleiben wirksam; auch wenn der Arbeitnehmer aber nur einen der beiden erfüllen kann. I m Zweifel darf er die Arbeitsleistung nicht durch einen Dritten erbringen lassen. Will oder kann der Arbeitnehmer aus von ihm zu vertretenden Gründen die Arbeit nicht leisten, so haftet er hierfür; ggfs kommt auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. 2.

Personaler B e z u g

3

Der Dienstverpflichtete hat die ihm nach § 6 1 1 Abs 1 obliegenden Dienste im Zweifel in Person zu leisten. $ 613 enthält eine Grundregel des Arbeitsrechts. 6 Er kann die (Haupt-)Dienstleistung nicht durch einen Ersatzmann erbringen lassen. Daraus folgt aber auch, daß er nicht eine Ersatzperson stellen muß, wenn er selbst zur Leistung außerstande ist. 7 Bei der arbeitsvertraglichen Erfüllung kann er sich im Zweifel auch nicht hinsichtlich von Hilfsverrichtungen eines Erfüllungsgehilfen bedienen. 8 Andererseits ist er aber auch nicht verpflichtet, im Falle der Verhinderung für Ersatz zu sorgen. 9 Kann die Arbeit nur zusammen mit anderen erbracht werden (Musiker in Kapelle), so können j e nach Vertragsgestaltung die Regeln über das Gruppenarbeitsverhältnis Anwendung 1 0 finden.

4

Wird einem Arbeitnehmer, der im Rahmen der Erledigung seines Auftrags auch einen Firmenwagen zu fahren hat, die Fahrerlaubnis entzogen, kann er die Fahrleistung nicht durch seine Ehefrau erbringen lassen. 1 1 Hingegen wird angenommen, ein Hausmeister könne für Einzelleistungen auch seine Ehefrau einsetzen. 1 2 Wird der Dritte im Einverständnis mit dem Arbeitgeber tätig, gelten die Regeln über das mittelbare Arbeitsverhältnis. 13

5

Ist der Dienstverpflichtete berechtigt, sich durch einen Dritten vertreten zu lassen, kommt in der Regel während des Vertretungszeitraums ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber zustande. Zieht er berechtigterweise einen Gehilfen, einen Dritten, hinzu, kommt es zu einem mittelbaren Arbeitsverhältnis zwischen dem Dienstberechtigten und dem Dritten. 1 4 Es kann allerdings auch gewollt sein und ist durch Auslegung der Vertragsbedingungen festzustellen, daß in allen Fällen der Dritte in direkten Vertragsbedingungen zum Dienstberechtigten stehen soll. 1 5 Im übrigen sind gesetzliche Sonderregelungen zu beachten, wie zB $ 25 Abs 5 HRG.

3 Staudinger/Ricftardi12 $ 613 Rn 7; ErfK/Prets S 613 Rn 3. 4 ErfK/Pre« $ 613a Rn 3; MiinchKomm/Scftaui3 $ 613a Rn 3. 5 Vgl ErfK/Preu $ 613a Rn 4. 6 ErfK/Proî J 613 Rn 1. 7 MünchKomm/ScftauiP J 613 Rn 11. 8 ErfK/Prró $ 613 Rn 2. 9 Erman/Hanau9 §613 Rn 1; MünchKomm/Sdiaufr3 § 613 Rn 11; Staudinger/Ricftflrdi12 § 613 Rn 3-5. 314

Reiner Ascheid

10 Staudinger/Ricftardf'12 $ 613 Rn 7. 11 BAG 14.2.91 - 2 AZR 525/90 - RzK I 6a Nr 70. 12 RAG DR 40 1248; AG Frankfurt/M MDR 60 676; ErfK/Prets $ 613 Rn 3; MünchKomm/Stfiauft3 S 613 Rn 5; Staudinger/Ritfiardr12 S 613 Rn 7. 13 Vgl hierzu insb MiinchKomm/Schaub3 § 613 Rn 20. 14 MiinchKomm/Schaub3 $ 613 Rn 20. 15 MünchKomm/Scfteufc3 $ 613 Rn 18.

Unübertragbarkeit J 613 3. Dienstleistung bei Dritten

3.

Tod des Dienstverpflichteten

Ist die Leistung in Person zu erbringen, so erlischt die Dienstpflicht mit dem Tod des Dienstverpflichteten. Von den Erben kann die Arbeitsleistung nicht verlangt werden. Die Erben können ihrerseits nicht die Haupt-Leistungspflichten des Dienstberechtigten verlangen. 16 Die Erben können jedoch vermögensrechtliche Ansprüche, die zum Zeitpunkt des Todes des Dienstverpflichteten entstanden waren oder durch seinen Tod entstanden sind, verlangen. 17 Die Erben des Dienstverpflichteten haben nach $ 1967 jedoch die Ansprüche zu erfüllen, die unabhängig von der persönlichen Leistungsverpflichtung bestehen wie zB die Herausgabe von Dienstkleidung, Werkzeugen und anderen Materialien, die dem Dienstverpflichteten überlassen waren. 18 Mit dem Erlöschen der Dienstpflicht erlischt auch der Anspruch auf Befreiung von ihr, der Urlaub sowie der Urlaubsabgeltungsanspruch. 19 Nur der Arbeitnehmer, nicht sein Erbe, kann im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses den Antrag stellen, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. 20 Haben die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart und stirbt der Arbeitnehmer vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses, kann der Erbe die Abfindung jedenfalls verlangen, wenn das Erleben des Auflösungstermins durch den verstorbenen Arbeitnehmer nicht Grundlage für den Vergleichsschluß war. 21 Ansprüche auf bereits verdiente Vergütungen gehen auf den Erben über. 22

6

ΠΙ. Die Übertragbarkeit der Leistungspflicht - § 613 S 2 1.

Inhalt

Im Zweifel ist der Anspruch auf die Dienste nicht übertragbar. Aus der Unübertragbarkeit folgt die Unpfändbarkeit, $ 851 Abs 1 ZPO. 23 Die Vorschrift hat in der Praxis im Hinblick auf die speziellere Regelung in $ 613a weitgehend ihre Bedeutung verloren. 24 Sie ist noch von Belang bei rein personenbezogenen Leistungen, wie Pflege eines Kranken. 25 2.

Vererblichkeit

Hinsichtlich der Vererblichkeit enthält das Gesetz keine Regelung. Nicht ausgeschlossen ist durch S 2 der Übergang des Anspruchs auf Dienste bei Gesamtrechtsnachfolge wie zB bei Erbgang. 26 Eine Unvererblichkeit des Anspruchs ist jedoch nach $ 399 1. Altern, bei personenbezogenen Diensten anzunehmen. 27 Wird in einem Übernahmevertrag - wenn ein Fall des Betriebsübergangs oder der Gesamtrechtsnachfolge nicht vorliegt - die Übernahme des bisherigen Arbeitnehmers vorgesehen, beinhaltet dies in der Regel nur ein Rechtsgeschäft zwischen bisherigem Dienstgeber und neuem Betriebsinhaber, den bisherigen Dienstverpflichteten weiter zu beschäftigen. Im Einzelfall kann darin eine Bestimmung zugunsten jedes einzelnen Dienstverpflichteten iSd S 328 zu erblicken sein. 28 3.

7

8

Dienstleistung bei Dritten

$ 613 S 2 hindert nicht die Verpflichtung, die Arbeit für den ursprünglichen Arbeitgeber in einem fremden Betrieb zu erbringen. 29 Ohne besondere Vereinbarung nicht möglich ist jedoch die Eingliede16 Staudinger/Ricftardi'i2 S 613 Rn 12. 17 MünchKomm/Scfcaui)3 $ 613 Rn 13. 18 Vgl MünchKomm/Scftaufr3 $ 613 Rn 12. 19 RAG ArbRSamml 4 4 1 8 5 ; BAG 2 0 . 4 . 5 6 - 1 A Z R 448/ 54 - AP BGB s 611 Urlaubsrecht Nr 7; 1 8 . 7 . 8 9 - 8 AZR 44/88 - AP BUrlG $ 7 Abgeltung Nr 49; 2 3 . 6 . 9 2 - 9 AZR 111/91 - AP BUrlG $ 7 Abgeltung Nr 59; Staudinger/Richardi12 $ 613 Rn 14; kritisch ErfK/Preij $ 613 Rn 6. 20 Staudinger/Rtcfcardi12 $ 613 Rn 15; ErfK/Preis § 613 Rn 7; MiinchKomm¡Schaub 3 $ 613 Rn 13. 2 1 Vgl Fn 26 sowie BAG 1 6 . 1 0 . 6 9 - 2 AZR 373/68 - AP ZPO $ 794 ZPO Nr 20. Reiner Ascheid

9

22 Vgl zur Fortsetzung eines KSch-Prozesses durch den Erben LAG Hamm, NZA 87 669. 23 ErfK /Preis $ 613 Rn 13. 24 So richtig MünchKomm/Schaub 3 S 613 Rn 1. 25 MünchKomm/Sc/maft3 § 613 Rn 23. 26 ErfK/PreiJ S 613 Rn 11. 27 BAG 2 . 5 . 5 8 - AP BGB $ 626 Nr 20; 2 8 . 1 . 6 6 - 3 AZR 374/65 - AP HGB $ 74 HBG Nr 18 (Zöllner); Erman/Hanau9 J 613 Rn 4; MünchKomm/Scftauft3 § 613 Rn 23; Staudinger/R¡chard/12 S 613 Rn 17. 28 BAG 2 6 . 5 . 5 5 - AP BGB $ 613 BGB Nr 1 (A. Hueck). 29 MünchKomm/Schaub 3 $ 613 Rn 24: Montagearbeits-

315

J 613a

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang Übersicht

rung in einen anderen Betrieb. 30 Das ist anzunehmen, wenn der Dienstgeber die Leistung nicht nur gegenüber dem Dritten erbringen läßt, sondern diesen befugt, den Dienstverpflichteten nach seinen Vorstellungen einzusetzen. 31 Werden zB bei Großaufträgen sog. Arbeitsgemeinschaften gebildet, kann ein neues Arbeitsverhältnis begründet werden. § 9 BRTV-Bau sieht in diesen Fällen die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses vor, so daß es nicht zur Übertragung des ursprünglichen Leistungsanspruchs kommt. 3 2 Während der Zeit der Freistellung ruht das Arbeitsverhältnis zum Stammarbeitgeber.

$ 613a

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird. (2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht. (3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person durch Verschmelzung, Aufspaltung oder Umwandlung erlischt. (4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt. Übersicht I. II.

Entstehungsgeschichte und Normzweck . . . . Voraussetzungen des gesetzlichen Übergangs von Arbeitsverhältnissen - $ 613a Abs 1 S 1 1. Betriebsinhaber - Betriebserwerber 2. Arbeitnehmer 3. Betriebsbegriff a) Einführung b) Betrieb und Teilbetrieb: Wirtschaftliche Einheit, die Identität bewahrt

Rn 1-6

7,8 9-14 15-18 19-29

Verhältnis; Staudinger/R/cftardi 12 $ 613 Rn 18; vgl dazu auch BAG 1 7 . 1 . 7 9 - AP BGB § 613 Nr 2 (von HoyningenHtiene). 30 Erman/Hanaa 9 § 613 Rn 4 . 316

Reiner Ascheid

c) Maßgebende Kriterien d) Gewichtung der im konkreten Fall festgestellten Kriterien 4. Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils . 5. Rechtsgeschäft iSv $ 613a a) Allgemeines b) Besondere Bereiche c) Insolvenzverfahren 6. Rechtsfolgen 3 1 Staudinger/Ri'cíidrdí12 $ 6 1 3 Rn 20. 3 2 Vgl Erman/Hanaa 9 § 6 1 3 a R n 5 ; Schaub3 J 613 Rn 26.

Rn 30-40 41 42-46 47-51 52-56 57-58

MiinchKomm/

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

S 613a

I. Entstehungsgeschichte und Normzweck

ΠΙ.

I.

a) Allgemeines 59-63 b) Betriebszugehörigkeit 64 c) Ansprüche und Verbindlichkeiten . . . . 65-67 d) Annahmeverzug 68 e) Provisionsansprüche 69 f) Gestaltungsrechte 70 g) Altersversorgung 71 h) Handelsrechtliche Vollmachten 72 7. Verhinderung der Rechtsfolgen - Widerspruch 73-80 Auswirkung auf kollektivrechtliche Regelungen 1. Regelungszweck 81,82 2. Eintritt des Erwerbers in Tarifverträge a) Kollektivrechtliche Geltung 83-85 b) Individualrechtliche Weitergeltung von Tarifverträgen, $ 613a Abs 1 S 2 . . . . 86-97 c) Betriebsverfassungsrechtliche Fragen und Eintritt des Erwerbers in Betriebsvereinbarungen 98-105 3. Ausschluß der Transformation von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in das Arbeitsverhältnis,$ 613aAbs 1 S 3 106-112 4. Bedeutung des S 613a Abs 1 S 4 für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen . . . 113-115

IV.

Haftung für Verbindlichkeiten aus der Zeit vor Betriebsübergang, $ 613a Abs 2 1. Haftung des Betriebserwerbers und des bisherigen Arbeitgebers 2. Haftungsrechtliche Folgen bei Insolvenz . 3. Regelungsgehalt s 613a Abs 3 V. Kündigung wegen Betriebsübergangs, S 613a Abs 4 1. Regelungszweck 2. Abgrenzung S 613a Abs 4 BGB zu $ 1 KSchG 3. Regelungsgehalt von s 613a Abs 4 4. Beschäftigungs-/Wiedereinstellungs- bzw. Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers VI. Fragen der Darlegungs- und Beweislast . . . . VII. Prozessuale Probleme 1. Vor dem Betriebsübergang abgeschlossenen Prozesse 2. Kündigung des früheren Arbeitgebers . . . 3. Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit Individualansprüche

116-122 123-125 126

127-129 130-133 134-137

138-144 145,146

147 148,149 150-152

Entstehungsgeschichte und Normzweck

S 613a wurde bei der Novellierung des BetrVG 1972 durch §122 BetrVG 1972 in das BGB eingefügt und trat mit dem BetrVG am 19.1. 1972 in Kraft. Wegen der ursprünglichen Fassung der Norm und der weiteren Modifizierung der Regelung durch EG-Recht und nationales Recht sowie wegen zeitlich begrenzter Übergangsregelungen in den neuen Bundesländern vgl ArbR-BGB/Aírfieúi1 Rn 1 bis 5, 70, 71,76,107. Eine Neuerung ist inzwischen insoweit eingetreten, als die Richtlinie 77/187/EG vom 14.2. 1977 durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29.6.1998 insb hinsichtlich der Konkretisierung des Betriebsbegriffs geändert worden ist1 und (auszugsweise) jetzt wie folgt lautet:

1

TEIL I Artikel 1 (1) a) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar. b) Vorbehaltlich Buchstabe a und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Hauptoder Nebentätigkeit TEIL Π Artikel 4 (1) Der Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Unternehmens- bzw Betriebsteils stellt als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung steht etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.... Artikel 5 (1) Sofern das Unternehmen, der Betrieb oder der Unternehmens- bzw. Betriebsteil seine Selbständigkeit behält, bleiben die Rechtsstellung und die Funktion der Vertreter oder der Vertretung der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer unter den gleichen Bedingungen erhalten, wie sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder aufgrund einer Vereinbarung 1

Vgl Gaul B B 9 9 5 2 6 .

Reiner Ascheid

317

S 613a

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang I. Entstehungsgeschichte und Normzweck

bestanden haben, sofern die Bedingungen für die Bildung der Arbeitnehmervertretung erfüllt s i n d — (2) Erlischt das Mandat der Vertreter der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer aufgrund des Übergangs, so gelten für diese Vertreter weiterhin die nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten vorgesehenen Schutzmaßnahmen. 2

Für die Auslegung der Richtlinie ist zu beachten, daß sie nicht in Insolvenzverfahren gilt, soweit diese unter staatlicher Aufsicht abgewickelt werden. 2 Jedoch ist § 613a in Deutschland auch bei Veräußerungen in der Insolvenz zu beachten, wobei hinsichtlich der Haftung des Erwerbers die Vorschrift teleologisch reduziert wird (Rn 123 ff). Ebenso gilt die Richtlinie, wenn eine Gesellschaft in freier Liquidation ihre Aktiva ganz oder teilweise auf eine andere Gesellschaft überträgt, die sodann den Arbeitnehmern Weisungen erteilt, deren Ausführung die Gesellschaft in Liquidation anordnet. 3 Es ist bei Berücksichtigung älterer Entscheidungen außerdem zu beachten, daß die Rechtsprechung sich zunächst weitgehend an der zeitlich früheren nationalen Norm des $ 613a BGB und dem Umstand, daß sie auch aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen (Weiterbestehen des Betriebsrats) geschaffen worden war, orientiert und bei der Subsumtion maßgebend darauf abgestellt hat, was unter einer bloßen Funktion, was unter einem Betrieb und was unter einem Betriebsteil zu verstehen sei. Es blieb hierbei unbeachtet, daß die RL 77/1987/EWG bereits in ihrer ersten Fassung von Betrieben, Produktionsstätten, Nebenbetrieben oder sonstigen arbeitsorganisatorischen E i n h e i t e n oder Teilen von diesen, sprach. Wenn der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Auslegung der RL 77/187/EWG zur Definition des Betriebsübergangs von einer organisatorischen Einheit, die ihre Identität bewahrt hat, ausgegangen ist, entsprach das uneingeschränkt dem Regelungsgehalt der Richtlinie. Ebenso hat das BAG vor der EuGH-Entscheidung vom 1 4 . 4 . 1994 die Belegschaft als solche nicht als organisierte wirtschaftliche Einheit erachtet. Zur früheren Rechtsprechung des BAG wird verwiesen auf die Kommentierung ArbRBGB/Ascheid 1 Rn 35 ff.

3

S 613a schützt die Arbeitnehmer, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft den Inhaber wechselt. 4 Der Schutz betrifft einmal die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses und seinen inhaltlichen Bestand, § 613a Abs 1 und 4. § 613a Abs 2 bewirkt außerdem, daß zumindest zeitlich befristet keine Haftungsverschlechterung eintritt. Damit werden die bestehenden Arbeitsverhältnisse geschützt und es wird die Kontinuität des amtierenden Betriebsrats gewährleistet. Zugleich wird geregelt, wie Tarif- und Betriebsnormen weiter gelten. Die Haftung des alten und des neuen Arbeitgebers ist normiert und schließlich wird eine Kündigung für unwirksam erklärt, die von dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ausgesprochen wird. 5 S 613 a schließt damit eine Lücke im Kündigungsschutzrecht. 6 Die Begründung des Regierungsentwurfs (Drs VI/1786, 59) zeigt, daß durch die angestrebte Regelung entgegen eines Vorschlags des DGB (Vorschläge des DGB zur Anhörung des BetrVG 1970, 30) dem Betriebsrat eine Mitbestimmung bei dem Betriebsübergang als solchem nicht zuerkannt werden sollte. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sollte sich jedoch auch gegen den neuen Arbeitgeber richten, wenn dieser Maßnahmen beabsichtigt, die nachteilige Auswirkungen für die Arbeitnehmer haben können. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des $ 613a vgl ArbR-EGB/Ascheid1

4

2 EuGH 12.3.98 - Rs C-319 (Jules Dethier Equipement) - EAS RL 77/187/EWG Art 1 Nr 15. 3 EuGH 12.11.98 - RS C-399/96 (Sanders) - EAS RL 77/ 187/EWG Art 1 Nr 16. 4 ErfK/Preis $ 613a BGB Rn 2. 5 Vgl Erman/Ηαπακ9 $ 613a Rn 3,4; Staudinger/Ricftardi1 § 613a Rn 10. 6 ErfK/Preis $ 613a BGB Rn 3, 5; Staudinger/Rtcfterdi12 § 613a Rn 36. 318

§ 613a BGB Rn 6-8.

J 613a ist zwingendes Recht in dem Sinn, daß durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Betriebsveräußerer und -erwerber der Übergang eines Arbeitsverhältnisses im vorhinein weder ausgeschlossen noch zum Nachteil des Arbeitnehmers modifiziert werden kann. 7 Eine Änderung der Arbeitsbedingungen mit dem neuen Erwerber ist möglich, wenn das innerstaatliche Recht eine solche Änderung unabhängig von einem Unternehmensübergang zuläßt. 8

Reiner Ascheid

7 BAG 2 9 . 1 0 . 7 5 - 5 AZR 444/74 - AP BGB $ 613a Nr 2; 14.7.81- 3 AZR 517/80 - AP BGB § 613a Nr 27; Erman/ Hanau' § 613a Rn 70; ErfK /Preis $ 613a BGB Rn 54; KR/ Pfeiffei* S 613a BGB Rn 5; MünchKomm/Scftaui)3 $ 613a Rn 65; Staudinger/Rtcftardi'12 $ 613a Rn 31. 8 EuGH 10.2.88 - Rs 324/86 (Daddy's Dance Hall) EAS Arti Nr4 Rn 13; EuGH 18.11.92 - Rs C 209/91 (Anne Watson Rask) - Art 1 Nr 8 Rn 28.

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang S 613a I. Entstehungsgeschichte und Normzweck

Hiervon zu unterscheiden sind Vereinbarungen des Betriebsveräußerers oder des -erwerbers mit den S betroffenen Arbeitnehmern. 9 S 613a schränkt die Vertragsfreiheit nicht ein. 1 0 Aufhebungsverträge sind daher uneingeschränkt zulässig, wenn sie auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet sind. 11 Hingegen ist ein Aufhebungsvertrag wegen objektiver Gesetzesumgehung nichtig, wenn er lediglich die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt. 12 Er schützt den Arbeitnehmer allerdings vor ungerechtfertigten Nachteilen. Genauso wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Arbeitsvertragsinhalt ändern können, 1 3 können sie auch Änderungen im Rahmen eines Betriebsübergangs vereinbaren. 14 Werden abweichende Vereinbarungen getroffen, ist es Sache des nationalen Gerichts zu klären, ob der vom Erwerber angebotene Arbeitsvertrag eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers zur Folge hat. 1 5 Ein bloßer Lohnverzicht aus Anlaß eines Betriebsübergangs ist zulässig, wenn hierfür sachliche Gründe vorliegenen. 16 Hierfür reicht es nicht aus, daß Nachteile aus dem Verzicht durch entsprechende anderweitige Vorteile ausgeglichen werden. 17 Trifft der Arbeitnehmer mit dem Veräußerer vor dem Betriebsübergang eine vertragliche Absprache, geht das Arbeitsverhältnis mit dem Inhalt auf den Erwerber über, den es zum Zeitpunkt des Übergangs hatte. Das gilt auch für die Rechtsfolgen wirksamer Änderungskündigungen des Veräußerers. Auch der Erwerber kann mit den Arbeitnehmern den Arbeitsvertragsinhalt ändern. 18 Insbesondere kann das Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit ihm beendet werden. 19 Spielen allein Haftungsfragen eine Rolle, sind außerhalb des Geltungsbereichs von $ 613a die VorSchriften SS 414 ff BGB und SS 25 ff HGB zu beachten. 20 Das gilt insbesondere für die Haftung für Versorgungsansprüche bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedener Arbeitnehmer. 21 Bringt ein Arbeitgeber sein Unternehmen in eine Kommanditgesellschaft ein, haftet der frühere Einzelunternehmer nach S 28 Abs 1 S 1 HGB. Die Haftung wird nicht eingeschränkt durch $ 613a Abs 2 S 1 BGB. 2 2 Wird eine Unterstützungskasse von einem Betriebserwerber übernommen, muß die Unterstützungskasse die Versorgungsansprüche der bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer weitererfüllen. 2 3 Wegen möglicher anderer Haftungsgrundlagen ist auf die Prüfung arbeitsvertraglicher Restbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Veräußerer, auf eine mögliche Ausfallbürgschaft, auf den Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung und eventuell auf Ansprüche aufgrund konzernrechtlichen Verlust- und Nachteilsausgleichs zu verweisen. 24

9 Vgl Staudinger/Rtcftardi12 $ 613a Rn 33. 10 EuGH 1 2 . 3 . 9 8 - Rs C-319/94 Gules Dethier Equipement) - EAS RL 77/187/EWG Nr 15. 11 BAG 1 0 . 1 2 . 9 8 - 8 AZR 324/97 - EzA BGB $ 613a Nr 174; ErfK/Preis § 613a BGB Rn 56; vgl auch Pietzko ZIP 90 1105. 12 BAG 2 9 . 1 0 . 7 5 - 5 AZR 444/74 - AP BGB $ 613a Nr 2; 1 0 . 1 2 . 9 8 - 8 AZR 324/97 - EzA BGB $ 613a Nr 174. 13 Vgl Hromadka Änderung von Arbeitsbedingungen, 1990. 14 Vgl hierzu EuGH 1 4 . 9 . 2 0 0 0 - Rs C-343/98 (Collino) - AP EWG-Richtlinie Nr 77/187 Nr 29. 15 EuGH 1 2 . 1 1 . 9 8 - Rs C-399/96 /Sanders) - EAS RL 77/187/EWG Art 1 Nr 16. 16 BAG 1 8 . 8 . 7 6 - 5 AZR 95/75 - AP BGB $ 613a Nr 4 (Mayer-Maly); 2 6 . 1 . 7 7 - 5 AZR 302/75 - AP BGB S 613a Nr 5; 1 7 . 1 . 8 0 - 3 AZR 160/79 - AP BGB § 613a Nr 18 (Heinze) betr Versorgungsgrundsätze; 2 7 . 4 . 8 8 - 5 AZR 358/87 - AP BGB $ 613a Nr 71; aA Kraft 25 Jahre BAG,

Reiner Ascheid

6

299, 312; Seiter Anm AP Nr 5 zu $ 613a; vgl auch Erman/ Hanau9 S 613a Rn 72. 17 EuGH 1 0 . 2 . 8 8 - Rs 324/86 - Slg 1988, 739 (Daddys Dance Hall); EFTA-Gerichtshof 2 5 . 9 . 9 6 - EwiR Art 1 RL 77/187/EWG 3/97; Wank in Wiedemann TVG 6 § 4 Rn 662. 18 Vgl BGH 2 6 . 3 . 8 7 - IX ZR 69/86 - AP BGB S 613a Nr 66. 19 BAG 2 9 . 1 0 . 7 5 - 5 AZR 444/74 - AP BGB S 613a Nr 2. 20 Vgl Erman/Ηαπα«9 $ 613a Rn 73, 74. 21 Vgl BAG 2 4 . 3 . 7 7 - 3 AZR 649/76 - AP BGB § 613a Nr 6 (Blomeyer); 2 4 . 3 . 8 7 - 3 AZR 384/85 - AP HGB $ 26 Nr 1; 2 9 . 1 . 9 1 - 3 AZR 593/89 - AP BetrAVG § 7 Nr 64; Erman/Hanau8 $ 613a Rn 46. 22 BAG 2 3 . 1 . 9 0 - 3 AZR 171/88 - AP BetrAVG $ 7 Nr 56. 23 Vgl dazu BAG 2 8 . 2 . 8 9 - 3 AZR 29/88 - AP BetrAVG $ 1 Unterstützungskassen Nr 20. 24 Vgl BAG 1 9 . 1 . 8 8 - 3 AZR 263/86 - AP BGB § 613a Nr 70.

319

S 613a

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang Π. Voraussetzungen des gesetzlichen Übergangs von Arbeitsverhältnissen

II.

Voraussetzungen des gesetzlichen Übergangs von Arbeitsverhältnissen $ 613a Abs 1 S 1

1.

Betriebsinhaber - Betriebserwerber

7 Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen setzt den Übergang des Betriebs oder Betriebsteils auf einen „anderen Inhaber" voraus. Der bisherige Inhaber erscheint begrifflich im Text der Norm nicht. Dennoch ist ein „Übergang" eines Betriebs oder Betriebsteils nur denkbar, wenn bereits vor dem „anderen Inhaber" ein früherer Inhaber vorhanden war. § 613a „fordert" allerdings keinen „Arbeitgeberwechsel",25 sondern hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des S 613a einen solchen zur Folge. Nach Art 2 Abs la) RL 77/187/EWG ist „Veräußerer" jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs iSv Art 1 Abs 1 RL 77/187/EWG als Inhaber aus dem Unternehmen, dem Betrieb oder dem Unternehmensbzw. Betriebsteil ausscheidet. Nach Art 2 Abs 1 b) RL 77/187 EWG ist „Erwerber" jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs iSv Art 1 Abs 1 RL 77/187/EWG als Inhaber in das Unternehmen, den Betrieb oder den Unternehmens- bzw Betriebsteil eintritt. Allein der Umstand, daß jemand alleiniger Kommanditist einer KG wird, rechtfertigt nicht die Annahme eines Betriebsübergangs auf ihn. 26 § 613a ist auch anzuwenden, wenn sich ein Betriebsübergang zwischen zwei Gesellschaften desselben Konzerns vollzieht.27 8 Der bisherige Betriebsinhaber oder der Betriebserwerber kann eine natürliche Person, eine Personalgesellschaft (OHG, KG) oder eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts sein. 28 Die dem S 613a zugrunde liegende RL 77/187/EG ist nicht auf die Übertragung hoheitlicher Aufgaben anzuwenden. 29 Das bezieht sich nur auf die Übertragung von Aufgaben im Zug einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere.30 Wird ein Notar aus dem Amt entlassen und von der Justizbehörde ein neuer bestellt, rechtfertigt das nicht die Anwendung von $ 613a. 31 Die Richtlinie ist anwendbar, wenn eine öffentliche Einrichtung, die ein erstes Unternehmen mit ihrem Haushilfedienst für Personen in einer Notlage oder mit der Bewachung bestimmter eigener Räumlichkeiten beauftragt hat, beschließt, nach Ablauf oder nach Kündigung des Vertrags mit diesem Unternehmen ein zweites zu beauftragen, sofern im übrigen die Voraussetzungen für den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit vorliegen.32 $ 613a greift bei der Privatisierung von Aufgaben des öffentlichen Dienstes, wenn im übrigen seine Voraussetzungen vorliegen. 33 Ebenso greift die Vorschrift, wenn eine Gemeinde Aufgaben von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt, sofern die Identität der Einheit gewahrt bleibt. 34 2.

Arbeitnehmer

9 S 613a Abs 1 erfaßt nur Arbeitsverhältnisse und keine freien Dienstverträge. Nach Art 2 d) RL 77/187/ EWG ist „Arbeitnehmer" jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist. Es macht keinen Unterschied, ob es sich um Arbeiter, Angestellte oder leitende Angestellte handelt, ebenso zählen Auszubildende (vgl $ 3 Abs 2 BBiG) dazu.35 Arbeitnehmer kann auch sein, wer wirtschaftlich an einer Gesellschaft beteiligt ist und zugleich in 25 So mißverständlich BAG 6.9.78 - 4 AZR162/77 - AP BGB $ 613a Nr 13. 26 BAG 3.11.98 - 3 AZR 484/97 nv. 27 EuGH 2.12.99 - Rs C-234/98 (Allen) - AP EWGRichtlinie Nr 77/187 Nr 28. 28 BAG 6.9.78 - 4 AZR 162/77 - AP BGB $ 613a Nr 13; 6.2.80 - AP BGB S 613a Nr 21; Erman/Hanau9 §613a Rn 7; MünchKomm/Scftfluft3 S 613a Rn 19; Staudinger/R Rn24; Soergel/Kra^iz Rn 22 mwN. 513 Vgl Otto Einführung in das Arbeitsrecht2,1997, S S Π 8 Rn 184. 514 Vgl Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd 1 1963, § 48 II 5, 397. 515 Allg Auffassung, vgl nur Palandt/Putzo60, Rn 8. 516 RG 10.2.30 - VI 270/29 - RGZ 127 218, 224; RAG 1.12.28 - RAG 194/28 - ARS 4 257, 258. 516

Hans-Wolf Friedrich

517 MiinchKomm/Lorenz3 Rn 72; Wlotzke FS Hilger/ Stumpf, 723, 750. 518 Herzberg Die Verantwortung für Arbeitsschutz und Unfallverhütung im Betrieb, 1984, 267 f; vgl auch Soergel/Kraft12 Rn 26; Erman/D. W. Belling10 Rn 26. 519 RG 10.2.30 - VI 270/29 - RGZ 127 218, 224; vgl auch BGH I 8.10.51 - III ZR 138/50 - NJW 52 217; Herzberg Die Verantwortung für Arbeitsschutz und Unfallverhütung im Betrieb, 1984, 267; abw Nikisch Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd 13 1961, $ 36 V 3, 487.

Pflicht zu Schutzmaßnahmen S 618 4. Schadenersatzanspruch

ten Arbeitskraft übertragen hat. 5 2 0 Der verletzende Arbeitnehmer haftet, auch wenn er Erfüllungsgehilfe ist, dem geschädigten Arbeitskollegen nur nach den §§ 823 ff; eine vertragliche ist die Pflicht zur Unfallvermeidung nur für den Arbeitgeber. Zur Haftung der Arbeitskollegen untereinander bei Arbeitsunfällen vgl $ 105 Abs 1 SGB VII sowie unten Rn 244 ff. c)

Beweislast

Der Anspruch aus positiver Vertragsverletzung iVm § 618 Abs 3 setzt voraus, daß der eingetretene Schaden nach den Regeln des adäquaten Kausalzusammenhangs verursacht worden ist. 521 Außerdem muß den Arbeitgeber oder seinen Erfüllungsgehilfen ein Verschulden treffen, dh Vorsatz oder Fahrlässigkeit. 522 Insbesondere Unfallverhütungsvorschriften geben wieder, welche Maßnahmen nach der Erfahrung in dem betreffenden Gewerbe zum Schutz vor Arbeitsunfällen geboten und daher aufgrund der Fürsorgepflicht nach § 618 erforderlich ($ 276) sind (vgl dazu unten Rn 253).

212

Mit Rücksicht auf den sozialen Schutzcharakter des § 618 und des Eintritts des Schadensfalles in der Sphäre des Arbeitgebers ist die weitgehende Heranziehung der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins oder der Beweislastregel der §§ 2 8 2 , 2 8 5 anerkannt. Dem Arbeitnehmer wird die Beweislast in beiden Richtungen erleichtert. Es genügt, daß er das Vorhandensein eines ordnungswidrigen Zustandes nachweist, der nach der Lebenserfahrimg bei normalem Ablauf der Dinge geeignet ist, einen Schaden, wie er tatsächlich entstanden ist, herbeizuführen, der selbst bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte vermieden werden können, der also den Schluß auf ein Verschulden des Arbeitgebers oder seiner Hilfspersonen zuläßt. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, den Gegenbeweis dafür zu erbringen, daß besondere Umstände eine andere Ursache des entstandenen Schadens erkennen lassen oder daß ihn und seine Erfüllungsgehilfen kein Verschulden trifft. 523 Auch für ein Mitverschulden des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber beweispflichtig. 524

213

In der Rechtsprechung des RG war demgemäß anerkannt, daß, wenn eine Arbeitsstätte Mängel hat, die nach dem natürlichen Lauf der Dinge geeignet sind, gewisse (tatsächlich eingetretene) Krankheiten hervorzurufen oder zu fördern, es Sache des Dienstberechtigten ist, besondere Umstände nachzuweisen, die nicht nur selbst Krankheitsursache sein können, sondern auch jene Mängel als Ursache oder Mitursache ausschließen. 525

214

d)

Mitverschulden

Der Anspruch auf Schadenersatz kann durch mitwirkendes Verschulden des Dienstpflichtigen (Arbeitnehmers) gemindert sein. Anders als im Unfallversicherungsrecht (vgl unten Rn 225 ff) fällt Mitverursachung und Mitverschulden des Arbeitnehmers grundsätzlich ins Gewicht. Die besondere Situation im Arbeitsleben ist jedoch stets zu beachten, so daß ein Mitverschulden oft zu verneinen sein wird. Bei der Prüfung eines etwaigen Mitverschuldens des verletzten Arbeitnehmers ist nämlich immer zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber der Verantwortliche für die Einhaltung des Arbeitsschutzes ist und der Arbeitnehmer oft nicht wird hinreichend prüfen können, ob er die Arbeit zu Recht verweigern konnte, weil sie oder eine Arbeitgeberweisung arbeitsschutzwidrig waren. 526 Die Arbeitnehmer werden sich bei der Übernahme der Arbeit vielfach in einer gewissen Zwangslage befinden und trotz besserer 520 Vgl RG 6 . 1 . 2 2 - III 489/21 - RGZ 103 374; 1 3 . 2 . 2 3 - III 395/22 - RGZ 106 293; Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd 1 1963, $ 48 II 5, 398. 521 Eingehend dazu Seewald BG 90 146. 522 Es wird nicht nur für grobe Fahrlässigkeit gehaftet, vgl dazu Seewald BG 90 146, 155. 523 RG 7 . 1 0 . 3 2 - III 139/32 - RGZ 138 37,38; BAGE12 1 5 , 1 8 = AP Nr 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers, zu II 1; BAG 8 . 6 . 5 5 - 2 AZR 200/54 - AP Nr 1 zu s 618 BGB; 2 7 . 2 . 7 0 - 1 AZR 258/69 - AP Nr 16 zu $ 618 BGB; BGHZ 27 79, 84; Baumgärtel Handbuch der Beweislast 2 , Bd 1,1991, $ 618 Rn 2 und Anh $ 282, Rn 33, 38; ders Beweislastpraxis im Privatrecht 1996 Rn 510 ff; Hans-Wolf Friedrich

215

Soergel/Wiedemann12 vor § 275 Rn 541; Heinemann Die Beweislastverteilung bei positiven Forderungsverletzungen, 1988, 173 f mwN. 524 Vgl BAG 2 7 . 2 . 7 0 - 1 AZR 258/69 - AP Nr 16 zu $ 618 BGB. 525 RG 1 1 . 1 0 . 2 1 - 239/21 III - JW 22 485; RAG 1 3 . 5 . 4 2 - RAG 175/41 - ARS 44 272; vgl dazu Hueck/ Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd 11963, § 48 II 5, 399; weitere Einzelfille bei StaudingetfNipperdey/Mohnen11 Rn 46. 526 Wlotzke FS Hilger/Stumpf, 723,750; MünchKomm/ Lorenz3 Rn 73.

517

S 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen Vm. Rechtsfolgen im Falle einer Pflichtverletzung Einsicht gefährliche Beschäftigungen übernehmen. In der Übernahme einer gefährlichen Arbeit kann nicht ohne weiteres ein mitwirkendes Verschulden erblickt werden. 5 2 7 Den Dienstberechtigten wird stets das entscheidende Verschulden treffen, wenn er etwa gefahrbringende Räume oder Gerätschaften dem Dienstpflichtigen überläßt. 5 2 8 Ein mitwirkendes Verschulden des Arbeitnehmers kann aber zu berücksichtigen sein, wenn Sicherheitsmängel für den Arbeitgeber nicht offensichtlich erkennbar waren, diese dem Arbeitnehmer aber bekannt waren und er dem Arbeitgeber dennoch keine Mitteilung gemacht h a t . 5 2 9 Ein Mitverschulden kann auch darin liegen, daß der Arbeitnehmer eine Stelle übernimmt oder eine Tätigkeit weiter ausübt, deren Belastung er gesundheitlich nicht gewachsen ist, oder darin, daß er sich nicht selbst um seine Entlastung bemüht h a t . 5 3 0 Ferner muß sich der Arbeitnehmer selbst durch Anspannung seiner Aufmerksamkeit vor Schaden schützen, 5 3 1 insbesondere wenn er selbst sachkundig ist. 5 3 2 e) 216

Der Dienstberechtigte (Arbeitgeber) hat dem Dienstpflichtigen (Arbeitnehmer) den unmittelbaren Schaden zu ersetzen, außerdem ist er aufgrund der Verweisung in Abs 3 zum Ersatz der Erwerbsund Fortkommensnachteile ($$ 842, 843) verpflichtet und kann zudem Ansprüchen der Hinterbliebenen bei Tötung des Dienstpflichtigen ausgesetzt sein (SS 8 4 4 - 8 4 6 ) . Der Schadenersatzanspruch folgt im übrigen den Regeln des Vertragsrechts. Er umfaßt somit kein Schmerzensgeld. 5 3 3 Der Schadenersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung in Verbindung mit $ 6 1 8 Abs 3 verjährt in 3 0 Jahren. 5 3 4 f)

217

218

Umfang

Deliktische Ansprüche

Neben dem vertraglichen Schadenersatzanspruch kann zugleich auch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gegeben sein. Die Beweislast richtet sich dann nach den dort anzuwendenden Regeln. Der Anspruch aus unerlaubter Handlung gibt dem Geschädigten ein Recht auf Schmerzensgeld ($ 847). Der Anspruch auf Schmerzensgeld unterliegt als Deliktsanspruch der Verjährungsfrist des $ 852. Soweit der Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung hergeleitet wird, steht dem Arbeitgeber, wenn die Handlung von einem Verrichtungsgehilfen des Arbeitgebers begangen wird, der Entlastungsbeweis nach § 831 zu. Als konkurrierende Anspruchsgrundlage kommt vor allem § 823 Abs 1 (Gesundheitsverletzung) in Betracht.

219

Im Falle des $ 823 Abs 2 muß ein Schutzgesetz verletzt sein, zB $$ 223 ff StGB. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, daß die Masse der Arbeitsschutzvorschriften Schutzgesetze iSd § 823 Abs 2 sind, weil sie unmittelbar auf den Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer abzielen. 5 3 5 Keine Schutzgesetze sind idR Organisationsgesetze, zB das Arbeitssicherheitsgesetz als Ganzes, da es in erster Linie der Errichtung einer innerbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation dient. 5 3 6 Rechtsprechung 5 3 7 und h M 5 3 8 sehen die berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften wegen ihres Charakters als spezifisch gestaltete Sonderordnung nicht als Schutzgesetze a n . 5 3 9 Immerhin ist nicht zu verkennen, daß die Unfallverhütungsvorschriften zumindest auch den Schutz des Arbeit-

527 Vgl RAG 1.12.28 - RAG 194/28 - ARS 4 257, 260. 528 Staudinger/Nipperdey/Moftnen11 Rn 47 mwN. 529 RG 21.12.12 - JW 12 529; RGRK/Denecfen, Anm 10.

530 BAG 13.3.67 - 2 AZR 133/66 - AP Nr 15 zu S 618 BGB (A. Hu eck). 531 BAG 8.6.55 - 2 AZR 200/54- AP Nr 1 zu $ 618 BGB (A. Hueck). 532 Soergel/Kraft12 Rn 28. 533 RAG 19.4.39 - RAG 196/38 - ARS 36 34. 534 RAG 27.4.38 - RAG 288/37 - ARS 33 61; BAG 27.11.58 - 2 AZR 9/58 - AP Nr 69 zu $ 1TVG Auslegung (Tophoven). 518

Hans-Wolf Friedrich

535 Eingehend dazu Herschel RdA 64 7,44; ders RdA 78 69; Wlotzke FS Hilger/Stumpf, 723,732 ff; ders in MiinchArbR2 S 209 Rn 37. 536 Wlotzke FS Hilger/Stumpf, 723,733; ders in MünchArbR2 J 209 Rn 37. 537 BGH 10.10.67 - VI ZR 50/66 - NJW 68 641; BGH 2.6.69 - vn ZR 76/67 - VersR 69 827; wN bei MünchArbR2/Wlotzke $ 207 Rn 36 Fn 82. 538 MünchKomm/Merteni3 § 823 Rn 184, 202 mwN. 539 AA Herschel RdA 78 69, 72; Wlotzke FS Hilger/ Stumpf, 723, 735; ders in MünchArbR2 $ 207 Rn36, S 209 Rn 37; Staudinger/Ocffer13 Rn 321.

Pflicht zu Schutzmaßnahmen S 618 5. Kündigung aus wichtigem Grund nehmers bezwecken. Deshalb spricht viel für die im Vordringen begriffene Ansicht, daß auch Unfallverhütungsvorschriften Schutzgesetze iSd $ 823 Abs 2 sind. Schutzgesetze iSd $ 823 Abs 2 zugunsten der Arbeitnehmer sind aber nach wohl überwiegender Auf-

220

fassung die Standardrechtsnormen des technischen Arbeitsschutzes, in denen auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik (§ 3 Abs 1GSG; zum Schutzgesetzcharakter dieser Vorschrift zugunsten der Verwender vgl oben Rn 71), die allgemein anerkannten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen und hygienischen Regeln (§ 3 Abs 1 ArbStättV, $ 17 Abs 1 GefStoffV 5 4 0 ) oder auf den Stand von Wissenschaft und Technik (zB 5 28 Abs 1 StrahlenschutzVO) verwiesen wird. Diese Vorschriften dienen auch dem Individualschutz der Arbeitnehmer und begründen selbständige Handlungspflichten des Arbeitgebers. 5 4 1 Ob § 618 zugleich als Schutzgesetz iSd S 823 Abs 2 zu gelten hat, ist zweifelhaft und nach wie vor umstritten. Im Hinblick darauf, daß die Vorschrift dem Vertragsrecht angehört und die Rechtsfolgen in Abs 3 eigenständig ausgestaltet sind, verneint die h M 5 4 2 diese Frage. Dem wurde zwar entgegengehalten, daß die Parallelvorschriften des $ 120a GewO und des $ 62 HGB über $$ 120d, 120e, 139g GewO iVm $ 147 Abs 1 Nr 1 und 2 GewO Schutzgesetze 5 4 3 sind und es widersprüchlich ist, im wesentlich inhaltsgleichen und auf denselben Zweck gerichteten Vorschriften einen unterschiedlichen rechtlichen Charakter beizumessen. 5 4 4 § 6 1 8 soll vertragliche Verhaltenspflichten konkretisieren. 5 4 5 Führte jede Verletzung einer vertraglichen Verhaltenspflicht zugleich zu einer deliktischen Haftung, so wäre die in § 6 1 8 Abs 3 angeordnete entsprechende Anwendung der $§ 842, 846 überflüssig. Das muß zu einem Umkehrschluß führen. 5 4 6

221

Die praktische Bedeutung einer Verletzung von Schutzgesetzen ist dadurch wesentlich eingeschränkt, daß Schadenersatzansprüche einschließlich Schmerzensgeldansprüchen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten nach den $$ 104 ff SGB VII durch öffentlich-rechtliche Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft abgelöst werden. $ 823 Abs 2 kann aber dadurch Bedeutung behalten, als, soweit Arbeitsschutznormen Schutzgesetze iSd S 823 Abs 2 sind, sie ohne die Einschränkung durch die $§ 104 ff SGB VII Grundlage für eine vorbeugende Unterlassungsklage sein können. 5 4 7 Der Arbeitnehmer kann zB auf Beseitigung ihm drohender Gefahren, die von nicht sicherheitsgerechten Maschinen ausgehen, klagen.

222

g)

Verschuldensunabhängige Schadenersatzansprüche

Verschuldensunabhängige Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers aus § 6 7 0 analog kommen nicht

223

in Betracht (vgl dazu unten Rn 260 ff). 5.

Kündigung aus wichtigem Grund

Bei schwerwiegenden Verstößen gegen Arbeitsschutzpflichten kann der davon betroffene Arbeitnehmer zur außerordentlichen Kündigung berechtigt sein, wenn ihm die weitere Arbeitsleistung nicht zumut-

224

bar ist (S 626). 5 4 8

540 Bejahend Böttcher AiB 87 34, 35; MünchArbR2/ Wlotzke $ 209 Rn 37. 541 Wlotzke FS Hilger/Stumpf, 723, 736 mwN; ders in MünchArbR2 $ 209 Rn 37 542 Soergel/Krafl12 Rn 7; Erman/D. W. Belling"> Rn 30; Staudinger/Oeffer" Rn 322; RAG 27.11.35, ARS 26 13; RAG 19.4.39, ARS 36 34, anders noch RAG 12.10.35, ARS 25 115. 543 Für§ 120a GewO vglRG6.12.22-VI 115/22-RGZ 105 336. Hans-Wolf Friedrich

544 Herschel RdA 64 7, 10; RdA 78 69, 72; Wlotzke FS Hilger/Stumpf, 723, 735; für $ 62 HGB als Schutzgesetz iSd J 823 Abs 2: Etzel GK-HGB5, 1997, $ 62 Rn 25 mwN. 545 Staudinger/Ortter13 Rn 322. 546 Erman/D. W. Betting10 Rn 30; so im Ergebnis jetzt auch MünchArbR2/Wlotzke § 209 Rn 37. 547 Wlotzke FS Hilger/Stumpf, 723, 737 f; MünchArbR2/W¡0ízfce $ 209 Rn 23; vgl auch Ermann/D. W. Belling10 Rn 31. 548 Erman/D. W. Bellingw Rn 32. 519

S 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen IX. Exkurs: Zur Haftungsersetzung gemäß $$ 104,105 SGB VII

IX. Exkurs549: Zur Haftungsersetzung gemäß $§ 104,105 SGB VIISS0 1.

Inhalt der Haftungsersetzung

2 2 5 Durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8. 1996551 wurde die Regelung der gesetzlichen Unfallversicherung aus der Reichsversicherungsordnung mit Wirkung ab 1.1.1997 als SGB VU in das Sozialgesetzbuch überführt. Die §§ 636, 637 RVO wurden zu den $$ 104, 105 SGB VII. Eine inhaltliche Änderung war damit im wesentlichen nicht verbunden. Rechtsprechung und Literatur zu SS 636, 637 RVO sind deshalb nach wie vor heranzuziehen. Mit den $$ 104, 105 SGB VII löst die gesetzliche Unfallversicherung für Personenschäden aus Arbeitsunfällen die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers und des Arbeitskollegen des Geschädigten durch das System der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Die gesetzliche Unfallversicherung erfaßt - ebenso wie zur Zeit ihrer Einführung 552 vor allem Personen, die in persönlich abhängiger Stellung beschäftigt sind. Diesen Beschäftigten nebst Angehörigen wird ein Schutz vor den Folgen eines Arbeitsunfalls einschließlich des Wegeunfalls (S 8 SGB VII) und der Berufskrankheit (S 9 SGB VII) gewährt, S 7 Abs 1 SGB VII. Die Mittel werden allein aus Beiträgen der Unternehmer aufgebracht ($ 150 SGB VII). 2 2 6 Für die Ausgestaltung des Rechts der sozialen Unfallversicherung waren zwei Prinzipien ausschlaggebend, die auch heute noch im Grundsatz maßgebend sind. 553 Das eine Prinzip ist das „soziale Schutzprinzip". 554 Der soziale Schutz des Arbeitnehmers und seiner Familie soll durch Einräumung eines vom Verschulden unabhängigen Entschädigungsanspruchs gegen eine leistungsfähige Genossenschaft der Unternehmer sichergestellt werden. Dementsprechend knüpft das Unfallversicherungsrecht an den Arbeitsunfall als Versicherungsfall ($ 7 Abs 1 SGB VII) an: Der Unfallversicherungsträger gewährt bei Vorliegen von Arbeitsunfällen (Wegeunfällen) und Berufskrankheiten ($ 9 SGB νπ) die gesetzlich geregelten Leistungen ohne Rücksicht auf die Verschuldensfrage. Ob eine bürgerlichrechtliche Haftung des Arbeitgebers gegeben ist, spielt keine Rolle; die Gewährung der Leistung hängt nicht davon ab, ob den Unternehmer ein Verschulden oder den Verletzten ein Mitverschulden trifft. Das andere Strukturprinzip ist das der „Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz". Durch die Unfallversicherung soll die zivilrechtliche Haftpflicht des Unternehmers gegenüber seinen Arbeitnehmern abgelöst werden. An die Stelle der privatrechtlichen Haftpflicht des Unternehmers wurde die Gesamthaftung der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer gesetzt. 2 2 7 Dem Arbeitnehmer steht nicht die Wahlmöglichkeit zu, ob er seine Ansprüche nach dem SGB VII gegen die Berufsgenossenschaft oder aber seine zivilrechtlichen Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber als Schädiger geltend macht. $ 104 SGB VII entzieht dem Arbeitnehmer, der gegen seinen Arbeitgeber Ansprüche auf Ersatz von Personenschaden hat, weil der Arbeitgeber fahrlässig oder grob fahrlässig einen Arbeitsunfall verursacht hat, diese Ansprüche. Der Verlust der Ansprüche greift nur dann nicht Platz, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei einer nach S 8 Abs 2 Nr 1-4 SGB VII versicherten Tätigkeit (Fälle der Teilnahme am allgemeinen Verkehr iSd $ 636 Abs 1 RVO) eingetreten ist. Der grundsätzliche Anspruchsverlust tritt nach $ 105 SGB VII auch ein, wenn nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitskollege durch eine betriebliche Tätigkeit fahrlässig oder grob fahrlässig einen Arbeitsunfall verursacht hat. Das bezieht sich nicht nur auf Arbeitnehmer des Betriebs, sondern auch auf nicht betriebsangehörige Beschäftigte, die durch eine nach § 8 Abs 2 SGB VII versicherte Tätigkeit einen Arbeitsunfall eines betriebsangehörigen versicherten Arbeitnehmers herbeigeführt haben. Der Haftungsausschluß besteht auch dann, wenn der Unternehmer haftpflichtversichert ist. 555 549 Es werden nur einige Grundzüge dargestellt. Im übrigen wird auf die ausführlichen Darlegungen von Steffen RGRK-BGB12 Vorbem vor $ 823 Rn 74 ff Bezug genommen. 550 Schrifttum: Marschner Schadenersatz und Sozialversicherung, AR-Blattei SD 1400.4; Geigel/Kolb22 31. Kapitel, 1340 ff; Erlenkämper/Fichte Sozialrecht 4 , Kapitel 7, 552 ff, 7.5., 566; Gitter Sozialrecht 4 , $ 18, 222 ff; HzS/ Brock Gruppe 4 Teil Β Stand 5/2000 Rn 396 ff. 551 BGBl I 1254.

520

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552 Unfallversicherungsgesetz vom 6.7.1884, RGBl 69 - Zur Entstehung des Gesetzes vgl den Überblick bei Kotz Deliktsrecht 4 1988, Rn 577 ff, 204 f. 553 Vgl BVerfG 7.11.72 - 1 BvL 4/71, 17/71, 10/72; BVerfGE 34 118, 129 f = AP Nr 6 zu $ 636 RVO = NJW 73 502. 554 BVerfGE 34 118, 129 im Anschluß an Gitter Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969, 38. 555 BGH 8.5.73 - VI ZR 148/72 - NJW 73 1326 = VersR 73 736.

Pflicht zu Schutzmaßnahmen $ 618 1. Inhalt der Haftungsersetzung

Die Ersetzung der Unternehmerhaftung durch den Unfallversicherungsschutz kann im Einzelfall dazu 228 führen, daß der Verletzte vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung weniger erhält, als er nach allgemeinem Haftungsrecht vom Arbeitgeber erhielte. Andererseits erlangt der Geschädigte durch die Haftungsersetzung aber auch Vorteile. Bei den Ansprüchen des Arbeitnehmers und seiner Familie gegen den Träger der gesetzlichen Unfall- 2 2 9 Versicherung stellt sich die Frage nach dem Verschulden des Schädigers oder dem Mitverschulden des Geschädigten nicht. Nach Eintritt des Arbeitsunfalls erbringt die zuständige Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Leistungen, vor allem Heilbehandlung und Verletztengeld, Verletztenrente sowie gegebenenfalls Leistungen an Hinterbliebene (vgl § 26 ff SGB VII). Anders als bei zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen ist bei der Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung ein Schadensnachweis nicht erforderlich. Für die Verletztenrente gilt der bewußt pauschalierende Grundsatz der „abstrakten Schadensberechnung".556 Viele Verletzte erleiden heute durch Arbeitsunfälle keinen ins Gewicht fallenden Verdienstausfall mehr und erhalten gleichwohl nach dem Grundsatz der „abstrakten Schadensberechnung" eine Rente, die nach dem Grade der (abstrakt festgestellten) Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit (MdE) ermittelt wird. Die Haftungsfreistellung greift aber auch dann, wenn kein Anspruch auf Rente besteht, also wenn die MdE unter dem rentenberechtigenden Grad von 20% liegt (S 56 Abs 1 SGB VII).557 Das Leistungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung sieht die Gewährung eines Schmerzensgel- 2 3 0 des nicht vor, so daß der durch einen Arbeitsunfall geschädigte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Ersatz seines immateriellen Schadens hat. Bei leichten bis mittelschweren Verletzungen wiegt die Rente aus der Unfallversicherung aufgrund der abstrakten Schadensberechnung ein entgangenes Schmerzensgeld auf. 558 Bei darüber hinausgehenden Verletzungen ist die Funktion eines immateriellen Schadensausgleiches nicht mehr erfüllt. Im Ausschluß des Schmerzensgeldanspruchs (§ 847 BGB) liegt kein Verstoß gegen Art 3 GG, weil das Ausgleichssystem des SGB VII mit anderen Schadenersatzregelungen nicht vergleichbar ist.559 Bei einem Vergleich des Leistungssystems der gesetzlichen Unfallversicherung mit dem Schadenersatzrecht nach bürgerlichem Recht wird deutlich, daß die Ablösung der zivilrechtlichen Haftung durch Versicherungsschutz den Arbeitnehmer - insgesamt betrachtet - nicht benachteiligt.560 Rechtsprechung561 und Lehre562 haben die Haftungsprivilegierung des Arbeitgebers, die die Rechts- 2 3 1 position der Betroffenen intensiv berührt und sich auch auf immaterielle Ansprüche des Geschädigten bezieht, mit mehreren Überlegungen begründet. Die Haftungsablösung ist zum einen dadurch gerechtfertigt, daß allein die Arbeitgeber die Aufwendungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragen haben und damit kollektiv für einen Schadensausgleich sorgen (Finanzierungsargument). Der Geschädigte findet im Versicherungsträger einen stets zahlungsfähigen Schuldner (Liquiditätsargument). Darüber hinaus werden im Interesse des Betriebsfriedens Schadenersatzstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vermieden.563 Schließlich ist die Betriebsgemeinschaft eine Gefahrengemeinschaft, so daß es gerechtfertigt erscheint, wenn der Arbeitnehmer, der als Schädiger von der Haftungsablösung profitiert, als Geschädigter dann auch mögliche Nachteile in Kauf nehmen muß 564 . Im übrigen wird mit der Ausdehnung der Haftungsersetzung auf die Ansprüche gegen den Arbeitskollegen die Haftungsfreistellung des Arbeitgebers abgesichert. Nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadenausgleichs müßte nämlich der Arbeitgeber den Betriebsangehörigen von seiner Haftung aus schadensgeneigter Arbeit ganz oder teilweise freistellen. Um dieses Ergebnis zu

556 Vgl mwN Kötz Deliktsrecht 4 1988, Rn 589, 208. 557 Dazu Gitter Sozialrecht 5 , 223. 558 BVerfGE 34 118, 132 f = AP Nr 6 zu $ 636 RVO. 559 BVerfGE 34 118 = AP Nr 6 zu § 636 RVO. 560 Vgl Lepa VersR 85 8,9 mwN; aA Staudinger/Oeffer 13 Rn 362 mwN. 561 BAGE 5 1 = AP Nr 4 zu $$ 898, 899 RVO; BAG 24.5.89 - 8 AZR 240/87 - AP Nr 16 zu S 636 RVO; BGHZ 63 313, 315; BGHZ 79 216, 220; BVerfGE 34 118, 130, 132, 136. Hans-Wolf Friedrich

562 Bley/Kreikebohm Sozialrecht 7 1993, Rn893 mwN; Gitter Sozialrecht 4 , 113 f; krit Kötz Deliktsrecht 5 1991 Rn 600, 213 f. 563 Auf den Betriebsfrieden hat der Gesetzgeber bei der Ausdehnung der Haftungsbefreiung auf alle Betriebsangehörigen durch das Unfall-Neuregelungsgesetz von 1963, BT-Drs IV/120 62 f, abgestellt; so auch ein Teil der Literatur; vgl HzS/Brocfc Gruppe 4 Teil Β Rn 400. 564 Upa VersR 85 8, 9.

521

S 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen IX. Exkurs: Zur Haftungsersetzung gemäß $$ 104, 105 SGB VII vermeiden, hatte die Rechtsprechung 5 6 5 schon vor Einführung des $ 6 3 7 RVO dem Arbeitnehmer den Schadenersatzanspruch gegen den in demselben Betrieb oder Unternehmen tätigen Schädiger unter den Voraussetzungen der gefahrengeneigten Arbeit abgesprochen. Der Gesetzgeber ist bei der Neuregelung des $ 6 3 7 RVO von dieser Rechtsprechung ausgegangen und hat die Haftungsbefreiung ganz allgemein auf die Betriebsangehörigen ausgedehnt. 5 6 6 2.

Haftungsausschluli zugunsten des Unternehmers

a)

Umfang des Haftungsausschlusses

232

Nach $ 104 Abs 1 SGB VII ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten oder Versicherten, die zu seinem Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen zum Ersatz eines Personenschadens, den ein Arbeitsunfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall auf einem nach S 8 Abs 2 Nr 1 - 4 SGB VII versicherten Weg eingetreten ist. Der Haftungsausschluß gilt für alle Schadenersatzansprüche, also in gleicher Weise für solche aus unerlaubter Handlung, Gefährdungshaftung und für solche aus Fürsorgepflichtverletzung 5 6 7 und damit auch für Ansprüche aus $ 618.

233

Die Haftungsfreistellung gilt für den Personenschaden. Eine Vermögensbeeinträchtigung stellt einen Personenschaden dar, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird. Um einen Personenschaden handelt es sich auch bei den Beerdigungskosten. 5 6 8 Auch die Kosten, die durch die Besuche von Angehörigen im Krankenhaus entstanden sind, sind Personenschäden iSd $ 104 SGB VII. 5 6 9 $ 104 Abs 1 SGB VU gilt auch für Personenschäden, die ein Arbeitnehmer bei vorbeugenden ärztlichen Untersuchungen erleidet, die wegen besonderer gesundheitlicher Gefahren der betrieblichen Tätigkeit auf Anordnung des Arbeitgebers durchgeführt werden. 5 7 0 Auch der Schmerzensgeldanspruch ist nach hM ausgeschlossen; 5 7 1 der Ausschluß ist nicht verfassungswidrig (vgl Rn 230). Nicht ausgeschlossen sind Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachschäden, da diese mit Ausnahme der Schäden an Körperersatzstücken und größeren Hilfsmitteln ( $ $ 2 7 , 31, vgl auch $ 8 Abs 3 SGB VII) durch die Unfallversicherung nicht gedeckt sind. b)

Arbeitsunfall, Berufskrankheiten

234

Die Haftungsablösung setzt voraus, daß der Schaden bei einem Arbeitsunfall ($ 8 SGB VII) entstanden ist. 5 7 2 Der Arbeitsunfall wird in $ 8 SGB VII als ein Unfall definiert, den ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach $$ 2 , 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleidet. $ 8 SGB VII setzt voraus, daß sich ein Arbeitsunfall bei der versicherten Tätigkeit ereignet. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (haftungsbegründende Kausalität). 5 7 3 Der Unfall m u ß seinerseits wiederum ursächlich zu dem eingetretenen Körperschaden geführt haben (haftungsausfüllende Kausalität). Ob ein Unfallgeschehen in den Kreis der gesetzlich anerkannten Arbeitsunfälle einzureihen ist oder nicht, ist aus der Sicht des Verletzten zu entscheiden. 5 7 4

235

Der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist nicht mehr gegeben bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten. Die schwierige Abgrenzung der versicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit von einer nichtgeschützten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit hat zu einer umfangreichen Kasuistik der Rechtsprechung geführt. 5 7 5 So gehören zB Nahrungsaufnahme und Aufenthalt am Ort der Nahrungsauf565 Seit der Entscheidung des Großen Senats, BAGE 5 1 = AP Nr 4 zu $§ 898, 899 RVO. 566 Vgl BVerfGE 34 118, 137. 567 Vgl BGH 28.5.65 - VI ZR 22/64 - VersR 65 806 f mwN. 568 BAG 2 5 . 5 . 8 9 - 8 AZR 240/87-AP Nr 16 zu s 636 RVO = NJW 89 2838. 569 BAG 6 . 1 1 . 7 4 - 5 AZR 22/74-AP Nr 8 zu $ 636 RVO (Ottow).

522

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570 BAG 1 8 . 1 0 . 9 0 - 8 AZR 344/89 - DB 91 870. 571 BAG 8 . 1 2 . 7 0 - 1 AZR 81/70-AP Nr 4 zu $ 636 RVO (std Rspr). 572 Überblick zum Begriff des Arbeitsunfalls bei Gitter Sozialrecht4, § 17.1, 194 ff; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch9 2000, $ 109 ΙΠ Rn 13 ff. 573 BSG 6.12.89 - 2 RU 5/89 - NJW 90 1064. 574 BAG 6 . 1 1 . 7 4 - 5 AZR 22/74-AP Nr 8 zu $ 636 RVO (Ottow).

Pflicht zu Schutzmaßnahmen S 618 2. Haftungsausschluß zugunsten des Unternehmers nähme ebenso wie die Benutzung der Toiletten zum privaten und daher unversicherten Bereich, anders der Weg von der Arbeitsstelle dorthin. 5 7 6 Auch während der Teilnahme am betrieblichen Ausgleichssport ist der Versicherte geschützt, wenn ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gegeben ist. 5 7 7 Durch Alkoholgenuß kann eine Lösung von der versicherten Tätigkeit eintreten, wenn dieser nicht nur einen Leistungsabfall bedingt, sondern wenn der Versicherte wegen der Menge des Alkohols einen Vollrausch erleidet und keine dem Unternehmen förderliche Tätigkeit mehr verrichten k a n n . 5 7 8 Weiter ist erforderlich, daß die betriebsbezogene Tätigkeit für den Unfall im Sinne der im Sozialversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung 5 7 9 ursächlich war. Der Begriff des Unfalls ist nach $ 8 Abs 1 S 2 SGB VII ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper

236

einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Das entspricht im wesentlichen der Rechtsprechung zur RVO. 5 8 0 Als zeitlich begrenzt wird das Ereignis angesehen, wenn es sich innerhalb einer Arbeitsschicht abgespielt hat. 5 8 1 Soweit gefordert ist, das Ereignis müsse „von außen" auf den Menschen einwirken, soll damit lediglich ausgedrückt werden, daß ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis nicht als Unfall anzusehen ist. „Von außen" kommt die Einwirkung immer schon dann, wenn ihre Ursache nicht in der Person des Arbeitnehmers liegt. Erfaßt wird etwa der Fall, daß ein Arbeitnehmer bei der Arbeit stolpert und sich beim Aufprall auf dem Fußboden verletzt. 5 8 2 Ganz überwiegend sind Infarkte, Bänder- und Muskelrisse und idR auch Erkältungskrankheiten auf eine innere Ursache zurückzuführen. Anders ist jedoch zu entscheiden, wenn bei einem Unfall aus innerer Ursache die betriebliche Tätigkeit die Art und Schwere der Verletzung wesentlich mitbedingt. 5 8 3 Als Arbeitsunfall gilt nach $ 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII auch ein Arbeitsgeräteunfall. Dies ist ein Unfall bei einer mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung oder Erneuerung von Arbeitsgeräten, und zwar auch dann, wenn es vom Versicherten gestellt wird. 5 8 4 S 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII dehnt den Versicherungsschutz auf bestimmte Handlungen des Versicherten in bezug auf die Schutzausrüstung aus. Der Begriff der Schutzausrüstung ist - wie nach wie vor der Begriff des Arbeitsgeräts - im Gesetz nicht definiert. Der Begriff „Schutzausrüstung" umfaßt nicht nur Schutzkleidung, sondern alles, was zur Schutzausrüstung gehört, wie Schutzhelme, Schutzhandschuhe, Schutzschuhe. Eigentliche Arbeitskleidung, die zum Schutz vor Schmutz oder vor anderen Beeinträchtigungen getragen wird (Kittel, Uniformen, „Friesennerze", orangefarbene Jacken der Straßenwärter oder Straßenbauarbeiter), gehören nicht dazu. S 8 5 Nach $ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und vom Ort der Tätigkeit. Die Rechtsprechung hat sich immer wieder mit Abgrenzungen befaßt, wann der Weg zur Arbeit beginnt und endet, welche Unterbrechungen rechtserheblich sind. Danach beseitigen kurze und geringfügige Unterbrechungen den Zusammenhang des Weges mit der Betriebstätigkeit selbst dann nicht, wenn sie eigenwirtschaftlicher Natur sind. Es kommt darauf an, ob die Unterbrechungen üblicherweise örtlich und zeitlich noch als Teile des Weges in seiner Gesamtheit angesehen werden können. 5 8 6

237

Den Gesundheitsbeschädigungen durch Arbeitsunfälle werden in S 9 SGB VII Berufskrankheiten gleichgestellt. Die Zuordnung zur beruflichen bzw zur privaten Sphäre ist wesentlich schwieriger als bei Arbeitsunfällen. Nach $ 9 Abs 1 SGB VII gelten als Berufskrankheiten nur die in der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) 5 8 7 enumerativ aufgezählten Krankheiten. In der BKVO werden entsprechend

238

$ 9 Abs 1 S 2 SGB VII solche Krankheiten bezeichnet, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen 575 Vgl näher Brackmann Handbuch der Sozialversicherung" Stand 6/2000, J 8 Rn 58 ff. 576 BSG 6.12.89 - 2 RU 5/89 - NJW 90 1064 mwN. 577 Vgl dazu BSG 19.3.91 - 2 RU 23/90 - NZA 91 823. 578 BSGE 48 224; BSG 30.4.91 - 2 RU 11/90 - NZA 92 93; vgl Brackmann/Krasney Handbuch der Sozialversicherung12, $ 8 Rn 171 Stichwort alkoholgenuß". 579 Vgl zB BSG 14.8.86 - 2 RU 50/85 - NZA 87 862. 580 Vgl Kater/Leube SGB VII 1997 $ 8 Rn 12.

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581 BSGE 15 112,113; vgl KaterfLeube SGB VII 1997$ 8 Rn 12. 582 BSG 28.7.77 - 2 RU 15/76 - SozR 2200 $ 550 Nr 35. 583 Vgl Kater/Leube SGB VII 1997 $ 8 Rn 19, 24. 584 Dazu im einzelnen Brackmann/Krasney Handbuch der Sozialversicherung12 Stand 11/1999 Rn 286 ff. 585 Kater/Leube SGB VII 1997 $ 8 Rn 250. 586 Vgl mwN BSG 19.3.91 - 2 RU 45/90 -NZA 91 825. 587 BKVO vom 31.10.97 (BGBl I 623) abgedr bei Nipperdey II, Textsammlung Arbeitssicherheit, Nr 703. 523

s 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen IX. Exkurs: Zur Haftungsersetzung gemäß SS 104,105 SGB VII durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. In der derzeit geltenden BKVO vom 31. Oktober 1997 sind 67 namentlich bezeichnete Berufskrankheiten aufgeführt, die zum größten Teil auf chemische oder physikalische Einwirkungen zurückzuführen sind (zB Erkrankungen durch Benzol, Staublungenerkrankungen). Auch bei Berufskrankheiten ist eine kausale Verursachung durch die berufliche Tätigkeit erforderlich. Allerdings ist bei den bezeichneten Krankheiten ein erleichterter Kausalnachweis möglich, da die Wahrscheinlichkeit für eine beruflich bedingte Verursachung der Krankheit spricht. 5 8 8 Nach $ 9 Abs 2 SGB VII haben die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO genannt ist, wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, sofern nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Berufskrankheitenreife erfüllt ist. 239

Die rechtliche Würdigung des Trägers der Unfallversicherung oder eines Sozialgerichts ist aufgrund von $ 108 Abs 1 SGB VII für die Frage, ob ein Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen ist, für die ordentlichen Gerichte bzw. die Arbeitsgerichte bindend. Die Bindungswirkung hindert die Zivilgerichte nicht, in Schadenersatzprozessen in den Fällen, in denen mehrere Personen als Unternehmer in Frage kommen, festzustellen, daß der Unfall auch einem anderen Unternehmen als Arbeitsunfall zuzurechnen ist als dem, auf den sich der Bescheid der Berufsgenossenschaft bzw. das Urteil des Sozialgerichts bezieht. 5 8 9 c)

240

Der Haftungsausschluß besteht zugunsten des Unternehmers (§ 104 Abs 1 SGB VII). Unternehmer ist derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) geht ($ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Maßgebend sind insoweit die tatsächlichen Verhältnisse, dh entscheidend ist, für wessen Rechnung wirtschaftlich gesehen das Unternehmen geht. 5 9 0 Bei Kapitalgesellschaften sind die Gesellschafter selbst dann keine Unternehmer, wenn sie durch erhebliche Kapitalbeteiligung die Geschicke des Unternehmens beeinflussen können. 5 9 1 Verstöße eines Unternehmers gegen für seinen Betrieb geltende öffentlich-rechtliche Bestimmungen stehen seiner Eigenschaft als Unternehmer iSd S 136 Abs 3 SGB VII nicht entgegen. 5 9 2 Das Haftungsprivileg gilt nicht nur zugunsten gewerblicher Unternehmer. Auch ein Privatmann, der kein Gewerbe betreibt, kann von seiner Haftung für die Verletzung des Verunglückten befreit sein, wenn dieser für ihn - sei es auch nur aus Gefälligkeit und nur vorübergehend - tätig wird und hierbei einen Schaden erleidet, sofern dessen Tätigkeit mit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Arbeiten vergleichbar und deshalb in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist. 5 9 3 Die Haftungsfreistellung greift auch dann ein, wenn Beschäftigungsbetrieb und Unfallbetrieb zwar organisatorisch selbständig sind, aber Personenidentität des Unternehmers besteht; zB ist bei Einrichtungen des Bundes Unternehmer die Bundesrepublik. 5 9 4 d)

241

Unternehmer

Tätigkeit i m U n f a l l u n t e r n e h m e n

Das Unternehmerprivileg greift nur dann ein, wenn ein innerer Bezug des Unfalls zum Unfallunternehmen vorliegt. Die Haftungsablösung ist nur gerechtfertigt, wenn der Versicherte den Arbeitsunfall bei einer Tätigkeit im Unfallunternehmen erleidet. Der Verunglückte muß einem Arbeitnehmer des Unfallbetriebes gleichstehen. Daran fehlt es zB, wenn der Krankenhauspatient Anweisungen des Pflegepersonals befolgt. Die Mitwirkung des Patienten an seiner eigenen Genesung kann ihrer Art nach nicht mit Tätigkeiten von Betriebsangehörigen verglichen werden. Er ist „Außenstehender", nicht

588 BSG 10.5.88 - 2 RU 33/87 - NZA 88 823. 589 BGH 11.7.72 - VI ZR 21/71 - NJW 72 1990 = VersR 72 945; vgl auch OLG Hamm 22.3.99 - 6 W13/99 - VersR 2000 602. 590 BGH 4.10.88 - VI ZR 7/88 - VersR 88 1276; 5.7.77 - VI ZR 134/76 - VersR 77 968, 969; BSGE 17 273. 591 BSGE 45 279; zur Problematik der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer vgl Wolber NZA 87 147, 149 mwN. 524

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592 BGH 5.7.77 - VI ZR 134/76 - VersR 77 968, 969. 593 BGH 2.12.80 - VI ZR 265/78 - AP Nr 11 zu $ 636 RVO = NJW 81760; OLG Düsseldorf 17.1.78 - 4 U 201/77 = NJW 78 1694; vgl auch Kater/Leube SGB VII 1997 S 2 Rn 435 f. 594 BGH 10.12.74 - VI ZR 73/73 - DB 75 842 = NJW 75 537.

Pflicht zu Schutzmaßnahmen § 618 2. Haftungsausschluß zugunsten des Unternehmers anders als ein Besucher 5 9 5 oder allgemein der Arbeitnehmer, der für seinen Arbeitgeber als Kunde in einem Geschäft etwas besorgt und dort einen Unfall erleidet. 5 9 6 I m Unfallunternehmen wird auch nicht tätig, wer als Nothelfer im Fall einer gemeinen Gefahr Hilfe leistet. Die Hilfeleistung schafft ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis iSd § 2 Abs 2 SGB VII nicht; sie ist deshalb auch nicht iSd $ 104 Abs 1 SGB VII im Unfallunternehmen geleistet. Der „Nothelfer" im Dienste einer Rettungsaufgabe ist Außenstehender, so daß die Haftungsablösung aus $ 104 Abs 1 SGB VII nicht eingreift. 5 9 7 Dies gilt auch, wenn der Verletzte für sein eigenes Unternehmen tätig bzw eigenwirtschaftlich tätig wird. Für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit des Verletzten kommt es insoweit darauf an, ob Aufgaben des Unfallbetriebes oder Aufgaben des eigenen Unternehmens des Verletzten seiner Tätigkeit das Gepräge gegeben haben. Es ist eine wertende Beurteilung aller Umstände vorzunehmen. Dient eine Hilfestellung für den Unfallbetrieb dem Interesse auch des eigenen Unternehmens, so ist in der Regel anzunehmen, daß der Verletzte allein zur Förderung der Belange seines (Stamm-)Unternehmens tätig geworden ist; der Versicherungsschutz im Unfallbetrieb wird in einem solchen Fall nicht ausgelöst. 5 9 8

e)

Unfallversicherte Beschäftigte

$ 104 Abs 1 SGB VII verlangt weiter, daß der Geschädigte ein im Unfallbetrieb „tätiger" Versicherter ist. Wer Versicherter ist, bestimmt sich nach $ 2 SGB VII. Allerdings setzt $ 104 SGB VII nicht voraus, daß die Tätigkeit des verunglückten Versicherten auf einem arbeitsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zu dem Unternehmer des Unfallbetriebs beruht, das als Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII unfallversichert ist. So genügt es, wenn der Verunglückte - sei es auch nur vorübergehend - eine Tätigkeit für den Unternehmer ausgeübt hat, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit der aufgrund solcher Beschäftigungsverhältnisse geleisteten in den Versicherungsschutz des Unfallunternehmers nach § 2 Abs 2 SGB VII einbezogen ist. 5 9 9 Die Erweiterung des betroffenen Personenkreises in $ 104 Abs 1 S 1 SGB VII macht deutlich, daß in solchen Fällen der Unternehmer, für den der Verunglückte in dieser Weise tätig geworden ist, an der Haftungsfreistellung auch dann teilnimmt, wenn der Verunglückte einem anderen („weiteren") Unternehmen angehörte. Weil der im Unfallbetrieb Tätige, auch ohne Arbeitnehmer des Unfallbetriebs zu sein, wegen seiner arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit für den Unfallbetrieb am Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs 2 SGB VII ebenso wie ein Arbeitnehmer dieses Betriebs teilnimmt, belastet ihn das Gesetz andererseits ebenso wie einen Arbeitnehmer des Unfallbetriebes mit dem Unternehmerprivileg des § 104 SGB VII. 6 0 0 An dieser Wechselwirkung von Versicherungsschutz und Anspruchsverlust ändert sich auch dann nichts, wenn der Geschädigte sowohl in seinem Stammbetrieb als auch im Unfallbetrieb Versicherungsschutz genießt. 6 0 1

242

Abgrenzungsprobleme, ob bei der Überschneidung von Tätigkeiten der Unfall dem Stammbetrieb

243

oder dem Unfallbetrieb zuzuordnen ist, haben die Rechtsprechung des B G H 6 0 2 und des BAG zur Haftungsablösung wiederholt beschäftigt. Die Rechtsprechung hat S 2 Abs 2 SGB VII weit ausgelegt mit der Folge einer entsprechenden Ausdehnung der Haftungsablösung. Ein betriebsfremder Geschädigter wird iSd 5 2 Abs 2 SGB VII im Unfallbetrieb tätig, wenn er in diesen „eingegliedert" ist. Ein Abhängigkeitsverhältnis wirtschaftlicher oder persönlicher Art zu dem Unfallbetrieb m u ß nicht vorliegen. Die Tätigkeit des Geschädigten kann in einer Hilfeleistung bestehen, sofern sie über eine bloße „Arbeitsberührung" hinausgeht und in unmittelbarem Zusammenhang mit den Arbeitsvorgängen des

595 Vgl für Teilnehmer einer Betriebsbesichtigung BGH 11.4.78 - VI ZK 259/76 - VersR 78 721; $ 3 Abs 1 Nr 2 SGB VII. 596 BGHZ 79 216 = AP Nr 12 zu § 636 RVO = VersR 81 350 = NJW 81 627. 597 BGH 10.3.79 - VI ZR 14/78 - NJW 79 1410 = AP Nr 10 zu s 636 RVO = VersR 79 668; BGH 2.12.80 - VI ZR 265/78 - AP Nr 11 zu $ 636 RVO. 598 BGH 28.10.86 - VI ZR 181/85 - AP Nr 14 zu S 636 RVO = VersR 87 384 = NJW 87 1022; BGHZ 105 263 = AP Hans-Wolf Friedrich

Nr 15 zu $ 636 RVO; BGH 17.4.90 - VI ZR 244/89 - NJWRR 90 1050. 599 Vgl BGH 6.12.77 - VI ZR 79/76 - AP Nr 10 zu $ 637 RVO = VersR 78 150, 151 = NJW 78 2553. 600 BGHZ 79 216 = AP Nr 12 zu $ 636 RVO = VersR 81 350. 601 BGH 3.5.83 - VI ZR 68/81 - AP Nr 15 zu $ 637 RVO = VersR 83 728. 602 Lepa VersR 85 8, 11 mit Beispielen zu den Anwendungsgrundsätzen. 525

S 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen IX. Exkurs: Zur Haftungsersetzung gemäß SS 104,105 SGB VII Unfallbetriebs steht. 6 0 3 Die bloße „Arbeitsberührung", bei der der Verunglückte bei der Verrichtung von Tätigkeiten für seinen Stammbetrieb von den Gefahren des fremden Unfallbetriebes wie ein Außenstehender betroffen wird, unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 2 SGB VII und damit auch der §§ 104 ff SGB VII. 6 0 4 Andererseits genießen Leiharbeitnehmer, die von ihrem Stammbetrieb in den Unfallbetrieb entsendet worden sind, Unfallversicherungsschutz auch in diesem Unternehmen. 6 0 5 In einem Fall, in dem der Verletzte sowohl Zwecke des Stammbetriebs als auch des Unfallbetriebs erfüllt, kommt es für die Zuordnung seiner Tätigkeit darauf an, welche Aufgabe ihr das Gepräge gegeben h a t . 6 0 6 3.

Haftungsausschluß zugunsten der Betriebsangehörigen und aller betrieblich Tätigen

244

§ 105 SGB VII hat einen gegenüber S 6 3 7 Abs 1RVO erweiterten Anwendungsbereich, in den nicht nur Betriebsangehörige, sondern darüber hinaus auch alle betrieblich Tätigen einbezogen sind. S 105 SGB VII behält aber die in § 6 3 7 RVO vorgesehene Beschränkung der erfaßten Schädigung auf solche aus dem betrieblichen Bereich bei. $ 105 SGB VII betrifft also Schädigungen durch eine betriebliche Tätigkeit von Versicherten desselben Betriebes. Die Haftungsbeschränkung gilt nur für Personen, die für denselben Betrieb - nicht für dasselbe Unternehmen - tätig sind. Die wiederholt geforderte Ausdehnung der Haftungsbeschränkung auf alle im Unternehmen Tätigen hat der Gesetzgeber nicht eingeführt.

245

Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. Das gilt auch dann, wenn sie den Unfall auf einem nach § 8 Abs 2 Nr 1 - 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.

246

Die Haftungsbefreiung nach $ 105 Abs 1 SGB VII setzt weiter voraus, daß der Schädiger in demselben „Betrieb" wie der Verletzte tätig ist. Insoweit verlangt § 105 Abs 1 SGB VII mehr als $ 104 Abs 1 SGB v n , der nur voraussetzt, daß der Verletzte im „Unternehmen" tätig ist. Nicht ausgeschlossen werden damit nach hM Ansprüche von Arbeitnehmern, die zwar in demselben Unternehmen, nicht aber in demselben Betrieb tätig sind. 6 0 7 Der Normzweck, der auf die Sicherung des „Betriebsfriedens" abstellt, rechtfertigt dieses Ergebnis.

247

Schließlich verlangt $ 105 Abs 1 SGB VII, wiederum über $ 104 Abs 1 SGB v n hinausgehend, daß der Geschädigte durch eine „betriebliche T ä t i g k e i t " verletzt worden ist. Betriebliche Tätigkeit bedeutet, daß die Tätigkeit, die den Schaden verursacht hat, betriebsbezogen gewesen sein muß. Die Tätigkeit muß unmittelbar mit dem Zweck der betrieblichen Beschäftigung zusammenhängen und dem Betrieb dienlich sein. 6 0 8 Das Verlassen des Arbeitsplatzes einschließlich des Weges auf dem Werksgelände (sog Betriebsweg) bis zum Werkstor (,um nach Hause zu fahren·) stellt wegen des engen Zusammenhangs mit der eigentlichen Arbeitsleistung und betriebliche Tätigkeit dar (Betriebsangehöriger A verletzt mit seinem Pkw den einen Handwagen zwischen zwei Betriebsgebäuden ziehenden Werksangehörigen W). 6 0 9 Keine Rolle spielt, ob die Tätigkeit fehlerhaft erledigt oder ob bei der Arbeit leichtsinnig gehandelt wird. 6 1 0 Durch eine betriebliche Tätigkeit iSd $ 105 Abs 1 SGB VII kann ein Arbeitsunfall auch dann verursacht worden sein, wenn er sich bei der Teilnahme an dem innerbetrieblichen Werksverkehr ereignet hat. 6 1 1

603 BAG 15.1.85 - 3 AZR 59/82 - AP Nr 16 zu $ 637 RVO = DB 85 2697; BGH 8.4.86 - VI ZR 61/85 - AP Nr 18 zu $ 637 RVO = DB 86 1816; BAG 28.2.91 - 8 AZR 521/89 = DB 91 1681. 604 BAGE 42 194 = AP Nr 13 zu S 637 RVO (Denck) = DB 83 2258. 605 BGH 6.12.77 - VI ZR 79/76 - AP Nr 10 zu S 637 RVO = VersR 78 150 = NJW 78 2553; Kater/Leube SGB VII 1997 S 104 Rn 20. 606 BAG 28.2.91 - 8 AZR 521/89 - DB 91 1681 mwN. 526

Hans-Wolf Friedrich

607 Vgl unten Steffen Vorbem vor S 823 Rn 94 mwN. 608 BAGE 19 41 = AP Nr 1 zu $ 637 RVO; BGHZ 67 279, 281 = NJW 77 296. 609 BAG 1 4 . 1 2 . 0 0 - 8 AZR 92/00 - AP Nr 1 zu $ 105 SGB TO. 610 BAGE 19 41 = AP Nr 1 zu $ 637 RVO; BAG 14.3.67 - 1 AZR 310/66 - AP Nr 1 zu S 636 RVO. 611 BAG 14.3.74 - 2 AZR 155/73 - AP Nr 8 zu S 637 RVO; Kater/Leube SGB VII 1997 $ 105 Rn 7.

Pflicht zu Schutzmaßnahmen S 618 5. Ansprüche des Verletzten gegen einen außerhalb stehenden Drittschädiger 4.

Fortfall der Haftungsersetzung

Nach den $$ 104, 105 SGB VII bleiben dem Verletzten die zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Unternehmer oder gegen betrieblich tätige Personen nur dann erhalten, wenn diese den Arbeits- oder Betriebswegeunfall (Betriebswege sind Teil der versicherten Tätigkeit und nach $ 8 Abs 1 SGB VII

248

versichert. Das sind alle Wege, die der Versicherte im Auftrag oder im Interesse des Betriebes innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte unternimmt. 6 1 2 ) vorsätzlich herbeigeführt haben oder wenn sich der Geschädigte bei dem Unfall auf einem gem $ 8 Abs 2 Nr 1 - 4 SGB VII versicherten Weg befindet. Darauf, ob der Arbeits- oder Wegeunfall „bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr" eingetreten ist, kommt es nicht mehr an. Allerdings beschränkt sich der jeweilige Anspruch auf die „Spitze" des Anspruchs, die nach Abzug der unfallbedingten Leistungen der Sozialversicherungsträger verbleibt ($ 104 Abs 3 SGB VII). Die Ansprüche aus vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles sind wegen des hochgradigen Unrechtsgehalts nicht ausgeschlossen. Diese Ausnahme von der Haftungsersetzung hat in der Rechtsprechung nur eine geringe Rolle gespielt. Es ist nämlich zu beachten, daß sich entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes der Vorsatz nicht nur auf die Verletzung einer Verhaltensnorm, sondern auf die (dadurch herbeigeführte) Verursachung des Arbeitsunfalls beziehen muß. Der Schädiger m u ß den Eintritt des Unfalls wollen oder - ihn voraussehend - billigen. 6 1 3 Ein Arbeitsunfall ist nicht schon dann vorsätzlich herbeigeführt, wenn der Arbeitgeber die Unfallverhütungsvorschriften vorsätzlich mißachtet und der Unfall hierauf beruht. 6 1 4 Auch ein bedingt vorsätzliches Handeln würde voraussetzen, daß der Schädiger den Erfolg seines Handelns gekannt und für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf genommen hat. 6 1 5 Anders ist es, wenn auch der Unfall selbst gewollt und gebilligt wurde. 6 1 6 Ist der Unternehmer eine juristische Person, haftet diese dem Versicherten gegenüber für vorsätzlich durch ein Organmitglied herbeigeführte Arbeitsunfälle nicht. 6 1 7

249

Ob ein Unfall auf einem nach S 8 Abs 2 Nr 1 - 4 SGB VII versicherten Weg vorliegt (sog Wegeunfall) oder ein Betriebwegeunfall (vgl Rn 248) vorliegt, ist nicht selten zweifelhaft. Holt der Arbeitgeber versicherte Arbeitnehmer von zu Hause ab oder fährt er sie zur Wohnung zurück oder geschieht das auf Veranlassung des Arbeitgebers und ereignet sich ein Unfall, für den der Arbeitgeber einzustehen hat, entfällt die Haftungsbefreiung. 6 1 8 Anders ist es, wenn sich der Unfall auf einer Fahrt auf werkseigenem Gelände mit einem betriebseigenen Fahrzeug zum Transport von Gütern von der Halle A zur Halle Β ereignet. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber anordnet, Waren von außerhalb herbei zu schaffen, die im Betrieb dringend benötigt werden. In diesen Fällen dient die Fahrt der Erfüllung betrieblicher Aufgaben. Es handelt sich um Betriebswegeunfälle. 6 1 9

250

5.

Ansprüche des Verletzten gegen einen außerhalb des Sozialversicherungsverhältnisses stehenden Drittschädiger

Hat ein nichtbetriebsangehöriger Dritter neben dem Arbeitgeber den Arbeitsunfall verschuldet, so

251

stehen dem geschädigten Arbeitnehmer zunächst Ansprüche gegen den Sozialversicherungsträger zu. Könnte der Arbeitnehmer daneben den Dritten als Gesamtschuldner (vgl $ 421) in voller Höhe in Anspruch nehmen, so wäre dieser angesichts der Haftungsbeschränkung des Arbeitgebers (§ 104 SGB VII) endgültig allein mit der vollen Haftung belastet. Deswegen kann der geschädigte Arbeitnehmer den Dritten insoweit nicht auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, wie der für den Unfall mitverantwort612 Vgl insoweit Kater/Leube SGB VII 1997 $ 104 Rn 40 iVm J 2 Rn 53 ff. 613 Mit ausführlicher Begründung BAG 27.6.75 3 AZR 457/74 - AP Nr 9 zu $ 636 RVO (Weitnauer/Hohkamp); BGHZ 75 328, 331 = NJW 80 996 = VersR 80 164; OLG Bremen 29.7.80 - 1 U 32/80 - VersR 81 929. 614 BAG 27.6.75 - 3 AZR 457/74 - AP Nr 9 zu S 636 RVO. 615 BAG 24.5.89 - 8 AZR 240/87 - AP Nr 16 zu $ 636 RVO mwN. 616 BAG 3 1 . 1 0 . 9 1 - 8 AZR 637/90 - EzB RVO $$ 636, Hans-Wolf Friedrich

637 Nr 5 = HV-Info 92 1459 ff = SGb 92 503; OLG Hamburg 17.2.00 - 6 U 205/99 - RuS 2000 329; OLG Celle 6.10.99 - 9 U 24/99 - VersR 99 1550; vgl dazu Dahm SozVers 2000 66 ff. 617 DäublerJuS 86 425,426; vgl auch LG Fulda 9.4.87 2 O 389/86 - NJW-RR 87 1438. 618 Marburger BB 2000 1781,1783; vgl HzS/Brock Gruppe 4 Β Rn 411. 619 Vgl HzS/Brock Gruppe 4 Rn 412; Brackmatin/Krasney Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 5/1998 $ 104 Rn 23. 527

S 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen IX. Exkurs: Zur Haftungsersetzung gemäß SS 104, 105 SGB VII liehe Arbeitgeber ohne seine Haftungsfreistellung ($ 104 SGB VII) im Verhältnis zu dem Dritten (§§ 4 2 6 , 254) für den Schaden aufkommen m ü ß t e . 6 2 0 Ist im Innenverhältnis zwischen Drittschädiger und Arbeitgeber vereinbart, daß der Drittschädiger von der Haftung ganz freigestellt sein soll, so haftet der Drittschädiger auch im Außenverhältnis dem Verletzten nicht. 6 2 1 6.

Regreßansprüche der Sozialversicherungsträger

a)

Der selbständige Rückgriffsanspruch g e m S 110 SGB VII

252

$ 110 SGB VII weist gegenüber $ 640 RVO zwei wesentliche Änderungen auf: Nach S 110 Abs 1 S 1 SGB VII ist der Aufwendungsersatz in seiner Höhe auf den zivilrechtlichen Schaden begrenzt. Abs 1 S 3 beendet den Streit, ob sich das Verschulden nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen hat oder auch den Schaden erfassen muß, indem vorgeschrieben wird, daß sich das Verschulden nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen erstrekken muß. Das Verschulden muß sich auf den Verletzungserfolg beziehen; der grob fahrlässige Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften reicht nicht aus. 6 2 2 Der Normzweck liegt darin, daß es in den Fällen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schädigung als nicht mehr angezeigt erscheint, den Schaden auf alle Unternehmer in der Berufsgenossenschaft zu verteilen. 6 2 3 Außerdem soll sie zugleich der Prävention dienen. 6 2 4 Nach feststehender Rechtsprechung ist der Anspruch privatrechtlicher Natur, so daß die ordentlichen Gerichte zuständig sind. 6 2 5 In der Praxis wird das Risiko des Arbeitgebers/ Unternehmers und seiner leitenden Angestellten, nicht aber das der normalen Arbeitnehmer, idR durch die Betriebshaftpflicht abgesichert. 6 2 6 Deshalb wird vorgeschlagen, daß der Unfallversicherungsträger nicht Regreß nehmen darf, wenn der Arbeitgeber/Unternehmer oder dessen leitender Angestellter für diesen Schadensfall Versicherungsschutz hätten. 6 2 7

253

Rückgriffsansprüche werden idR auf die Verletzung der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften gestutzt. Unfallverhütungsvorschriften sollen vor typischen Gefährdungen eines Gewerbes schützen. Sie geben wieder, welche Maßnahmen in dem betreffenden Gewerbe zum Schutz vor Arbeitsunfällen geboten und erforderlich (§ 276) sind. 6 2 8 Der Arbeitgeber ist den Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet, die Erfüllung der Unfallverhütungsvorschriften sicherzustellen. 6 2 9 Nicht jeder Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften ist schon als ein grob fahrlässiges Verhalten iSd S 110 SGB VII zu werten. 6 3 0 Regelmäßig liegt aber eine objektive schwere Pflichtwidrigkeit vor, wenn gegen eine Unfallverhütungsvorschrift verstoßen wird, die mit eindeutigen Sicherungsanweisungen vor tödlichen Gefahren schützen soll. 6 3 1 Gegenüber dem Rückgriffsanspruch ist der Einwand des Mitverschuldens des Geschädigten ausgeschlossen, da J 110 SGB VII einen originären Regreßanspruch enthält und nicht aus der Person des Unfallopfers abgeleitet ist. 6 3 2 Der Ersatzpflichtige kann sich aber auf ein Mitverschulden des Sozialversicherungsträgers berufen. 6 3 3 Aus $ 110 Abs 2 SGB VII kann sich eine Verpflichtung des Trägers der Sozialversicherung ergeben, auf den Ersatzanspruch zu verzichten, wenn der Verzicht durch billiges Ermessen geboten erscheint. 6 3 4 620 BGHZ 61 51 = DB 73 1695 = NJW 73 1648; vgl dazu Κätz Deliktsrecht5 1991, Rn 610 f, 216 f; Medicus Bürgerliches Recht18 1999, $ 35 II, Rn 928 ff, insb Rn 934. 621 BGH 17.2.87 - VI ZR 81/86 - NJW 87 2669. 622 Otto/Schwarze Die Haftung des Arbeitnehmers3 1998, Rn 600, 390. 623 Brackmann/Krasney Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 5/1998 S HO Rn 3, dort auch zur Kritik. 624 Brackmann/Krasney Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 5/1998 S 110 Rn 3 und BGH 18.10.88 - VI ZR 15/ 88 - AP Nr 4 zu § 640 RVO sowie Otto/Schwarze Die Haftung des Arbeitnehmers3 1998 Rn 599, dort auch zur dogmatischen Einordnung. 625 BAG 1 9 . 1 2 . 6 7 - 1 AZR 185/67 - AP Nr 1 zu S 640 RVO; BSGE 37 20 = VersR 74 801. 626 Vgl $ 4 Abs 1 Nr 3 AHB; vgl zur rechtspolitischen Kritik Otto/Schwarze Die Haftung des Arbeitnehmers3 1998 Rn 604.

528

Hans-Wolf Friedrich

627 Otto/Schwarze Die Haftung des Arbeitnehmers3 1998 Rn 604; Rolfs Haftung unter Arbeitskollegen 1995, 250. 628 BGH 17.1.74 - Π ZR 61 /73 - VersR 74 565; 11.3.80 - VI ZR 66/79 - NJW 80 1745; MünchKomm/ Mertens3 S 823 Rn 184a mwN. 629 BGH 9 . 6 . 7 0 - V I ZR 311/67-DB 70 1496. 630 Vgl BGH 8.5.84 - VI ZR 296/82 - NZA 84 205, 206 mwN. 631 BGH 18.10.88 - VI ZR 15/88 - AP Nr 4 zu S 640 RVO = DB 89 525 = VersR 89 109. 632 BGH 15.5.73 - VI ZR 160/71 - VersR 73 818; 15.5.73 - VI ZR 161/71 - VersR 73 922; aA Kühne VersR 73 207. 633 Vgl BGH 15.1.74 - VI ZR 137/72 - NJW 74 797. 634 BGHZ 57 96, 99 = NJW 72 107; BSGE 37 20, 27 = VersR 74 801; vgl Kater/Leube SGB VII 1997 $ 110 Rn 20 ff.

Pflicht zu Schutzmaßnahmen S 618 1. Allgemeines b)

Regreßanspruch gegen betriebsfremde Dritte

Betriebsfremde Dritte kommen als Regreßschuldner in Frage, wenn sie für den Arbeitsunfall verantwortlich und daher dem Verletzten ersatzpflichtig sind. Bei nichthaftungsprivilegierten Personen ist

254

ebenfalls ein Ausgleich zwischen Verletztem, Drittschädiger und Sozialversicherungsträger erforderlich, um auszuschließen, daß der Verletzte vom Drittschädiger und vom Sozialversicherungsträger Leistungen erhält, und um weiter zu vermeiden, daß der Drittschädiger Vorteile aus dem Bestehen des Unfallversicherungsschutzes zieht. Diesen Komplex regelt $ 116 SGB X 6 3 5 (früher: § 1542 RVO), der anordnet, daß die Haftpflichtansprüche, die dem verletzten Arbeitnehmer (oder seinen Hinterbliebenen) gegen den Dritten zustehen, kraft Gesetzes auf die Sozialversicherungsträger übergehen, als diese Leistungen an den Versicherten oder seine Hinterbliebenen zu gewähren haben. Auch für den auf den Sozialversicherungsträger übergehenden Ersatzanspruch des Verletzten gegen den Dritten (vgl Rn 251) gilt, daß er von vornherein auf den Schadensteil beschränkt wird, der im Innenverhältnis zu Arbeitgeber und Arbeitskollegen dem Verantwortungsanteil des Dritten entspricht. 6 3 6

X.

Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber nach Ablehnung unfallversicherungsrechtlicher Ansprüche?

1.

Allgemeines

Ursprünglich erfaßte die gesetzliche Unfallversicherung nur bestimmte Betriebsarten, in denen die Unfallgefahren besonders groß erschienen. 6 3 7 Auch erst in der Folgezeit wurde die Unfallversicherung auf den kaufmännischen und verwaltenden Teil der Unternehmen ausgedehnt. Seit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl 1107) waren die Art des Betriebes und die Höhe der Unfallgefahr für den Versicherungsschutz nicht mehr maßgebend. 6 3 8 Zwischen dem Inkrafttreten des Unfallversicherungsgesetzes im Jahre 1885 und dem Erlaß der RVO im Jahre 1911 waren Berufskrankheiten überhaupt nicht erfaßt. Danach bestand eine Ermächtigung, bestimmte Krankheiten in den Versicherungsschutz einzubeziehen, doch erst seit 1925 werden Berufskrankheiten von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt. 6 3 9 Mit der Ausdehnung der Unfallversicherung ist in gleichem Maße auch der Umfang der Freistellung des Unternehmers von der zivilrechtlichen Unfallhaftung erweitert worden. 6 4 0 Entsprechend hatte das RG aber noch vielfach über Schadenersatzansprüche von Arbeitnehmern wegen Gesundheitsschäden aus positiver Vertragsverletzung iVm $ 6 1 8 Abs 3 bzw aus $ 823 zu entscheiden. 6 4 1

255

Gelegentlich ist die Frage erörtert worden, inwieweit Schadenersatzansprüche wegen GesundheitsSchäden gegen den Arbeitgeber trotz Unfallversicherungsrecht noch möglich und ob solche Ansprüche nach Ablehnung unfallversicherungsrechtlicher Ansprüche erfolgversprechend sind. 6 4 2

256

Der Versicherungsfall Berufskrankheit umfaßt nicht sämtliche arbeitsbedingten Krankheiten. Neben den Berufskrankheiten gibt es die sog arbeitsbedingten Erkrankungen. Dieser Begriff wird in $ 3 Abs 1 Nr 3c ASiG und $ 2 0 Abs 2 SGB V verwendet, aber nicht näher erläutert. In der Arbeitsmedizin ist noch nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen tätigkeitsbezogene Gesundheitsgefahren zu bestimmten, meist unspezifischen Erkrankungen führen können. 6 4 3 Schadenersatzansprüche wegen sonstiger arbeitsbedingter Schäden an Leben und Gesundheit sind bisher Ausnahmeerscheinungen geblieben. 6 4 4

257

635 Überblick bei KassKomm/Keier Stand 12/1998 S 116 SGB X Rn 3 ff; zu den einzelnen Problemen bei der Anwendung dieser Vorschrift in der Praxis vgl den Überblick bei Kötz Deliktsrecht5 1991, Rn 610 ff, 216 ff. 636 BGHZ 51 37; 58 355; s dazu Median Bürgerliches Recht18 1999, s 35 Π, Rn 934 ff. 637 Vgl den kurzen historischen Überblick bei Wannagat NJW 60 1597, 1601. 638 Vgl dazu BGHZ 24 247, 249 f unter Hinweis auf Jantz RArbBl 42 Teil Π, 209. 639 Kote Deliktsrecht51991,Rn 583,208; DäuMerJuS 86 425, 429 mwN. Hans-Wolf Friedrich

640 Vgl dazu BGHZ 24 247, 250. 641 Vgl m zahlrN zB Staudinger¡Nipferdey/Mahnen11 Rn 41 ff; Soergel/Wlotzke/Volze9 Rn 24 f. 642 Vgl Däubler JuS 86 425, 430; ders Das Arbeitsrecht 2 » 1998,4.6.2.3 Rn 441 ff; Battenstein SGb 88 482; Leichsenring/Petermann SGb 89 464, ausführlich Seewald BG 90 146 und 232. 643 Vgl Spinnarke Sicherheitstechnik, Arbeitsmedizin, Arbeitsplatzgestaltung2 1990, 44. 644 Vgl dazu Däubler JuS 86 425,430; Degen AiB 91309.

529

S 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen X. Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber Aus der Rechtsprechung des BAG ist lediglich der Fall bekannt, daß ein Arbeitgeber dafür haftbar gemacht wurde, einen Schwerbehinderten leitenden Angestellten nicht vor Überarbeitung geschützt und so dessen Schlaganfall verschuldet zu haben. 6 4 5 Singular geblieben ist eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg, die einem durch Tabakrauch gesundheitlich geschädigten Arbeitnehmer Ersatz des Verdienstausfalls sowie ein Schmerzensgeld zusprach. 64 ® 258

Ist das Vorliegen der Berufskrankheit erst deshalb abzulehnen, weil nach früheren oder neueren Erkenntnissen ($ 9 Abs 1, 2 SGB VII) der medizinischen Wissenschaft der notwendige „erheblich höhere Grad" der gesundheitsgefährdenden Einwirkungen nicht vorliegt, scheidet der Versicherungsfall „Berufskrankheit" tatbestandsmäßig aus mit der Folge, daß der Schutz des Unfallversicherungsrechts weder zugunsten des Geschädigten noch zugunsten des Unternehmers eingreift. 6 4 7 Gleichwohl sind in einem solchen Fall zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber eher gedanklich möglich, in der Praxis aber vor allem bei in die Vergangenheit zurückreichenden Sachverhalten kaum erfolgreich. 6 4 8 2.

259

Auch bei der für Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung iVm $ 618 Abs 3 gebotenen Heranziehung der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins (vgl dazu oben Rn 182) wird es in der Praxis kaum gelingen, Schadenersatzansprüche des erkrankten Arbeitnehmers in den Fällen zu begründen, in denen eine Berufskrankheit wegen Fehlens der qualifizierten Voraussetzungen des $ 9 Abs 2 SGB VII verbindlich abgelehnt worden ist. Dies wird insbesondere für Sachverhalte gelten, die weit in die Vergangenheit zurückreichen und bei denen mit Rücksicht auf die Nichtkenntnis bestimmter Gefahrenlagen Adäquanz und Verschulden nicht vorliegen. Erforderlich wäre zunächst, daß ein typischer Zusammenhang zwischen betrieblichen Ursachen und Gesundheitsschäden nach allgemeiner Lebenserfahrung bekannt wäre, was aber wiederum nur aufgrund medizinisch-naturwissenschaftlicher Erfahrung möglich ist. Der Arbeitgeber wird zur Entkräftung einer Vermutung auch vielfach die Möglichkeit einer anderen Krankheitsursache dartun können oder es wird der seinerzeitige Kenntnisstand über die Gefährlichkeit von Verhaltensweisen, zB im Umfang mit Gefahrstoffen, zu verneinen sein. 6 4 9 Dem Arbeitgeber wird es in vielen Fällen gelingen, seine Schuldlosigkeit zu belegen. 6 5 0 Das gleiche gilt für Ansprüche aus S 823. 3.

260

Verschuldensabhängige Anspruchsgrundlagen

Verschuldensunabhängige Ansprüche aus S 6 7 0 analog

Im Schrifttum ist vereinzelt vorgeschlagen worden, § 6 7 0 entsprechend anzuwenden, und so den Arbeitgeber in den Fällen, in denen die Arbeitsbedingtheit der Erkrankung belegt werden kann, zu verpflichten, auch ohne eigenes Verschulden das „Gesundheitsopfer" des Arbeitnehmers finanziell abzugleichen. 6 5 1 Auszugehen sei von der Erwägung, das Schadensrisiko demjenigen zuzurechnen, der aus einer Tätigkeit Nutzen zieht. Beim Ersatz von Sachschäden des Arbeitnehmers sei die Rechtsprechung 6 5 2 diesen Weg gegangen; bei Opfern an Leben und Gesundheit mehr Zurückhaltung zu üben, sei nicht einzusehen. 6 5 3

261

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Auch wenn im allgemeinen Zivilrecht Gesundheitsschäden auch Ansprüche aus $ 6 7 0 rechtfertigen können, 6 5 4 folgt daraus nicht, daß arbeitsbedingte Krankheiten auch verschuldensunabhängige Ansprüche erzeugen können. Im allgemeinen Zivilrecht sind bislang lediglich dann Personenschäden unter Anwendung von § 670 ersetzt worden, wenn das

645 BAGE 19 288 = AP Nr 15 zu S 618 BGB; BAG 27.2.70 - 1 AZR 258/69 - AP Nr 16 zu § 618 BGB. Die Urteile betreffen den gleichen Sachverhalt. 646 ArbG Hamburg - 13 Ca 340/87 - DB 89 1142 = AiB 89 264. 647 Seewald BG 90 146, 151; aA Leichsenring/Petermann SGb 89 464, 467. 648 Eingehend zu der Problematik Seewald BG 90 146, 232; aA zur Erfolgsaussicht Battenstein SGb 88 482. 649 Seewald BG 90 146, 152, 155. 530

Hans-Wolf Friedrich

650 Däubler Das Arbeitsrecht 2 " 1999,4.6.2.3 Rn 443. 651 Däubler JuS 86 425, 430; ders Das Arbeitsrecht 2 8 1998,4.6.2.3 Rn 443; Kohte AuR 86 251,255; Battenstein SGb 88 482, 484; vgl auch Palandt/Puteo59 Rn 8. 652 Seit der Entscheidung des Großen Senats, BAGE 12 15 = AP Nr 2 zu $ 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers. 653 Däubler JuS 86 425, 430. 654 Vgl zB BGHZ 92 270, 271.

Unabdingbarkeit der Fürsorgepflichten $ 619 I. Normzweck und Reichweite der zwingenden Wirkung Schadensereignis als Auftrag oder Zumindestens im weiteren Sinn als Geschäftsbesorgung (iSd 662, 683 oder 675) angesehen werden konnte, die Beeinträchtigung der Gesundheit somit gezielt vom Geschäftsführer selbst veranlaßt worden war. 6 5 5 Im Arbeitsrecht ist die Heranziehung des $ 670 als verschuldensunabhängige Grundlage für Schadenersatzansprüche auf Sachschäden begrenzt (vgl näher Anmerkungen zu $ 611). Dabei handelt es sich um Richterrecht, mit dem die vertraglichen und deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen ergänzt worden sind nach Maßgabe einer Risikoabgrenzung. Voraussetzung ist, daß der Schaden nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen muß, weil er dafür eine besondere Vergütung erhält. 6 5 6 Hinsichtlich der Anwendung von S 6 7 0 im Arbeitsrecht kann die Beschränkung auf den Ersatz von Sachschäden als Ergänzung z u m Unfallversicherungsrecht (und dessen Beschränkung auf Personenschäden) verstanden werden. 6 5 7 Eine Weiterentwicklung des Anwendungsbereichs des S 670 hin zu einer arbeitsrechtlichen Grundlage für Ansprüche auf Schadenersatz auch für Personenschäden würde zu einer Kollision mit dem geltenden Recht führen. Könnten die nicht anerkennungsfähigen Fälle der Gesundheitsschäden grundsätzlich über $ 6 7 0 entschädigt werden, würde das gesamte Berufskrankheitenrecht (§ 9 SGB VII) in seiner Existenz betroffen und entsprechend das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung seine Funktion als Haftpflichtversicherung des Unternehmers verlieren. 658

$ 619

262

Unabdingbarkeit der Fürsorgepflichten

Die dem Dienstberechtigten nach den SS 617, 6 1 8 obliegenden Verpflichtungen k ö n n e n n i c h t im voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Übersicht I. Π.

I.

Normzweck und Reichweite der zwingenden Wirkung Geltungsbereich

Rn 1 2-3

ΠΙ. Rechtsfolge IV. Grenzen der Unabdingbarkeit

Rn 4 5

Normzweck und Reichweite der zwingenden Wirkung

Durch diese die zwingende Wirkung der sozialen Schutzvorschriften der $$ 617, 618 festlegende Vorschrift wird verhindert, daß der Dienstpflichtige auf die Geltendmachung des ihm nach §$ 617, 6 1 8

1

eingeräumten Rechtes auf Schutz gegen Gefahren für Leben oder Gesundheit im voraus, dh vor Eintritt des Schadens, durch Vertrag ganz oder zum Teil rechtsgültig verzichtet. Die besonderen Fürsorgepflichten der $$ 617, 618 können im voraus weder durch Einzelvertrag noch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung wirksam abbedungen werden. 1 Aus dem Normzweck des $ 6 1 8 ergibt sich zB, daß die Kosten für die vielfach nach Unfallverhütungsvorschriften vorgeschriebene Schutzausrüstung (zB Sicherheitsschuhe) dem Arbeitgeber zur Last fallen. Diese Kostentragungspflicht kann gem S 619 nicht im voraus ganz oder teilweise abbedungen werden. Vereinbarungen, die eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers vorsehen, sind lediglich dann zulässig, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über 655 Vgl zB BGHZ 38 270, 275; MiinchKomm/Seifer3 $ 670 Rn 14 ff m zahlr Beisp. 656 BAGE 33 108 = AP Nr 6 zu S 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers. 657 Ausführlich Seewald BG 90 145,156; vgl auch Otto/ Schwarze Die Haftung des Arbeitnehmers31998, Rn 612 ff zu dem komplementären Zusammenhang. Hans-Wolf Friedrich

658 Seewald BG 90 145, 232. 1 Soergel/Kra/t'2 Rn 1; Erman/D. W. Belling10 Rn 1; zum Tarifvertrag Soergel/Oeffar" Rn 9 mwN, zur Betriebsvereinbarung BAG 10.3.76 - 5 AZR 34/75 - AP Nr 17 zu $ 618 BGB (Herschel).

531

S 619 Unabdingbarkeit der Fürsorgepflichten IV. Grenzen der Unabdingbarkeit seine gesetzliche Verpflichtung hinaus Vorteile bei der Benutzung oder Verwendung der Schutzausrüstung anbietet und der Arbeitnehmer von diesem Angebot freiwillig Gebrauch macht. 2 Aus $ 619 ergibt sich zB auch, daß der Anspruch auf Nichtraucherschutz aus $ 618 für die Zukunft nicht verzichtbar ist. Diese gesetzliche Entscheidung kann auch nicht durch die Heranziehung der Grundsätze über den Rechtsmißbrauch über % 2 4 2 negiert werden. 3

II.

Geltungsbereich

2

Die unabdingbare Wirkung gilt für alle Dienstverhältnisse. Für Handlungsgehilfen gilt die inhaltsgleiche Vorschrift des S 62 Abs 4 HGB. Die unabdingbare Wirkung erfaßt auch Auftragsverhältnisse dienstvertraglicher Art. 4 Soweit § 618 auch auf einen Werkvertrag Anwendung findet (vgl. § 618 Rn 14 f), sind die sich hieraus ergebenden Ansprüche der Arbeitnehmer des Werkunternehmers ebenfalls unabdingbar. 5 Soweit den Besteller im Rahmen eines Werkvertrages analog § 6 1 8 eine Fürsorgepflicht trifft, kann diese jedoch abbedungen werden, wenn sie den Unternehmer oder dessen Subunternehmer schützen soll. 6 Dieses unterschiedliche Ergebnis ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Die Vorschrift des $ 619 will die Dienstpflichtigen, die den Weisungen des Dienstberechtigten unterliegen, daher Anspruch auf dessen Fürsorge haben, aus sozialpolitischen Gründen schützen. Anders als abhängige Arbeitnehmer können der Werkunternehmer oder seine Subunternehmer in der Regel die Vertragsbedingungen, zu denen sie tätig werden wollen, aushandeln. 7

3

Dem sachlichen Geltungsbereich nach bezieht sich $ 619 nur auf die Verpflichtungen des Dienstberechtigten aus den $§ 6 1 7 , 6 1 8 . Das in S 619 zum Schutz von Leben und Gesundheit aufgestellte Verbot des Haftungsausschlusses gilt nicht analog für eine Verpflichtung, die zum Schutz geringwertiger Rechtsgüter besteht, zB für eingebrachte Sachen; 8 hier wird oft eine über die Kontrolle der Sittenwidrigkeit nach § 138 hinausgehende Billigkeitskontrolle hinsichtlich vertraglicher Einheitsregelungen stattfinden 9 (vgl dazu Anmerkungen zu § 611).

HI. Rechtsfolge 4

Eine gegen § 619 verstoßende Vereinbarung ist nichtig ($ 134). 1 0 Entgegen S 139 bleibt der übrige Vertrag wirksam, weil anderenfalls der soziale Schutzzweck der Norm sich gegen den Dienstpflichtigen kehren würde. 1 1

IV. S

Grenzen der Unabdingbarkeit

Nach Schadenseintritt kann der Arbeitnehmer auf den Schadenersatzanspruch ganz oder zum Teil verzichten. 12 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift. Auch ein Vergleich über entstandene Schadenersatzansprüche ist zulässig. Verzicht und Vergleich müssen aber nach allgemeinen Grundsätzen wirksam, dürfen aber insbesondere nicht in sittenwidriger Weise zustande gekommen sein. 2 BAG 10.3.76 - 5 AZR 34/75 - AP Nr 17 zu $ 618 BGB 7 BGHZ 56 269, 274 = NJW 71 1931; Staudinger/Oct(Herschel) = AR-Blattei Unfallverhütung Entsch 1 (Strecket) her12 Rn 7. = SAE 7712 (Sieg); LAG Düsseldorfs. 1 1 . 7 7 - 11 Sa 1005/ 8 BAGE 7 280 = AP Nr 26 zu J 611 BGB Fürsorgepflicht 77 - AR-Blattei ES 1610 Nr 2; BAGE 40 50 = AP Nr 18 zu (A. Hueck); vgl dazu MünchKomm/Scftaui3 Rn 4 mwN. S 618 BGB (M. Lorenz); 21.8.85 - 7 AZR 199/83 - AP Nr 19 9 BAGE 63 63 = AP Nr 5 zu § 611 BGB Parkplatz (Brox). zu S 618 BGB (Mühl); LAG Hamm 9.12.99 - 17 Sa 1455/ 10 Staudinger/Oetfcer13 Rn 3, 23 mwN; aA Erman/D. W. 99 - ZTR 00 182 = PersR 2000 257. Belling10 Rn 4. 3 Leßmann Rauchverbote am Arbeitsplatz, 1991, 259 f 11 Allg Auffassung vgl Soergel/Kraft12 Rn 1; Münchunter Auseinandersetzung mit dem Urteil ArbG HamKomm/Schaub1 Rn 8 mwN; Staudinger/Ortfer13 Rn 23. burg 31.7.90 - 1 Ca 160/90 - AiB 91 29. 12 Hueckfsipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts Bdl 7 4 BGHZ 16 265,273 = AP Nr 4 zu § 618 BGB (A. Hueck) = 1963 $48 Π 7, 405; Stzudingei/Nipperdey/Mohnen11 LM Nr 2 zu s 618 BGB. Rn 5; Soergel/Krajü12 Rn 2; Palandt/Puföo60 Rn 1; Staudin5 BGHZ 26 365, 372 = AP Nr 1 zu $ 1542 RVO. gei/Oetker13 Rn 21 f. 6 BGHZ 56 269 = NJW 71 1931.

532

Hans-Wolf Friedrich

Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers $ 619a m . Wirkung

$ 619a

Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers

Abweichend von $ 280 Abs. 1 hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat.

I.

Entstehung und Zweck der Regelung

Die Vorschrift wurde auf Vorschlag des Rechtsausschusses1 in das Gesetz zur Modernisierung des 1 Schuldrechts aufgenommen und ist am 1 Januar 2002 in Kraft getreten. 2 Ihr Zweck besteht darin, die durch $ 280 Abs 1 BGB nF ausgelöste widerlegliche Vermutung, daß der Schuldner die Verletzung einer Pflicht aus dem Schuldverhältnis zu vertreten hat, nicht für die Haftung des Arbeitnehmers wegen einer Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis eintreten zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes traf den Schuldner die Beweislast nach $ 282 BGB aF, 2 wenn unklar war, ob er die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht. 3 Hieran anknüpfend wurde $ 280 Abs 1 BGB nF geschaffen. Der zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hatte sich das Bundesarbeitsgericht in einem Fall angeschlossen, in dem es um die Haftung des Arbeitgebers ging. 4 Der Siebte Senat des BAG hat diese Grundsätze sodann auf den Fall der Haftung für ein Defizit einer von einem Arbeitnehmer geführten Kasse angewendet.5 Diese Rechtsprechung ist nicht aufrechterhalten worden. Vielmehr erkannte das Bundesarbeitsgericht, $ 282 BGB aF sei im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung nicht anzuwenden.6 Dem entspricht die Regelung in $ 619a BGB nF.

II.

Geltungsbereich

Die Vorschrift betrifft nur die Haftung des Arbeitnehmers im Verhältnis zum Arbeitgeber. Für die Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer gilt die Grundregel des § 280 Abs 1 BGB nF. Ebensowenig betrifft S 619a BGB nF die Haftung des Arbeitnehmers für Schäden Dritter infolge Verletzung des Arbeitsvertrages.

3

III. Wirkung Nach S 619a BGB nF muß der Arbeitgeber nicht nur die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers darlegen 4 und ggfs beweisen, sondern auch dessen Vertretenmüssen.7 Dabei ist indessen weiterhin die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte abgestufte Darlegungslast des Arbeitnehmers zugrunde zu legen. 8 Der Maßstab für die Haftung des Arbeitnehmers und die zur Arbeitnehmerhaftung entwickelten Grundsätze ($ 611 Rn 748 ff) sind durch $ 280 Abs 1 BGB nF mit Rücksicht auf die Ausnahmeregelung in $ 619a BGB nF nicht verändert worden.9 Insoweit ist vielmehr $ 276 BGB nF anzuwenden. Nach § 276 Abs 1 Satz I BGB nF hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Die mildere Haftung des Arbeitnehmers ergibt sich aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

1 BT-Drucks 14/7072 S. 64. Ζ G zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11. 2001 (BGBl I, 3138,3139), Inkraftsetzung: Art 9 (S 3187), Übergangsregelung: Art 229 $ 5 EGBGB (S3171). 3 BGH 1 3 . 2 . 6 9 - TO ZR 14/67 - AP BGB $ 282 Nr 6 unter Π 1 d Gr. 4 BAG 2 8 . 7 . 7 2 - 3 AZR 468/71 - AP BGB $ 282 Nr 7 unter 4 d Gr. Harald Schliemann

5 BAG 2 9 . 8 . 8 4 - 7 AZR 292/81 - AP TV Ang Bundespost S l i a Nr 1 unter Π 4 d Gr. β BAG 1 7 . 9 . 9 8 - 8 AZR 175/97 - AP BGB $ 611 Mankohaftung Nr 2 unter Π 2 c aa d Gr. 7 BT-Drucks 14/7072 S 204. 8 BAG 1 7 . 9 . 9 8 - 8 AZR 175/97 - AP BGB $ 6 1 1 Mankohaftung Nr 2 unter II 2 c aa d Gr. 9 BT-Drucks 14/7072 S 204.

533

Vor S 620 II. Abgrenzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von anderen Tatbeständen

Vor $ 620 Übersicht I. II.

Einführung Abgrenzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von anderen Tatbeständen 1. Allgemeines 2. Suspendierung 3. Beendigung vorläufiger personeller Einzelmaßnahmen ΠΙ. Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung 1. Befristung 2. Auflösende Bedingung 3. Aufhebungsvertrag a) Allgemeines b) Voraussetzungen

I.

Rn 1 2 3-8 9,10 11 12 13-15 16-18

c) Anfechtung d) Widerruf e) Aufklärungspflichten 4. Anfechtung und Nichtigkeit des Arbeitsvertrags 5. Rücktritt 6. Unmöglichkeit 7. Wegfall der Geschäftsgrundlage 8. Tod des Arbeitnehmers 9. Tod des Arbeitgebers 10. Fristlose Entlassung als Disziplinarmaßnahme 11. Widerspruch bei Unternehmensumwandlung

Rn 19-22 23 24 25-27 28,29 30 31 32 33 34 35

Einführung

1 S 620 regelt die Beendigung von Dienstverhältnissen. Arbeitsverhältnisse als Unterfall der Dienstverhältnisse können nach § 620 Abs 2 entsprechend der Vorschrift des $ 622 gekündigt werden. § 620 enthält keine Regelung über Rechtsnatur und Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung. Diese sind in einer Vielzahl von Gesetzen geregelt. Hierbei ist insbes der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG und der Kündigungsschutz für besondere Arbeitnehmergruppen (werdende Mütter und Wöchnerinnen, Kündigungsschutz während der Elternzeit, Schwerbehinderte, Wehrdienst- und Zivildienstleistende, Mitglieder von Organen der Betriebs- und Personalverfassung, Auszubildende ua) zu unterscheiden. Ebenso sind bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen Normen in Tarifverträgen (insbes Formvorschriften und Kündigungserschwerungen gegenüber älteren Arbeitnehmern mit längerer Betriebszugehörigkeit) zu beachten, gelegentlich auch Normen in Betriebsvereinbarungen.

II.

Abgrenzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von anderen Tatbeständen

1.

Allgemeines

2 Die Kündigung ist eine privatrechtliche einseitig gestaltende Willenserklärung, mit der ein Dauerschuldverhältnis unter Beachtung einer Frist oder fristlos für die Zukunft beendet werden soll. Dies geschieht nur, wenn das gesamte Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten der Vertragsparteien auf Dauer aufgehoben wird. 2.

Suspendierung

3 Das Arbeitsverhältnis wird nicht beendet, wenn die beiderseitigen Hauptleistungspflichten nur ruhen sollen. In diesem Falle spricht man von Suspendierung des Arbeitsverhältnisses. Die Suspendierung erfolgt durch Vertrag oder Gesetz (§ 1 ArbPlSchG, § 1 EignÜbungsG). Nach std Rspr des BAG1 werden die beiderseitigen Hauptleistungspflichten2 auch durch zulässige Maßnahmen des Arbeitskampfes suspendiert. Eine einseitige Suspendierung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber läßt die

1 BAG 2 1 . 4 . 7 1 - GS 1/78 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 43; 2 5 . 1 0 . 8 8 - 1 AZR 368/87 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 110 (Brox). 1 BAG 3 . 8 . 9 9 - 1 AZR 735/98 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 156 spricht zT ungenau von Hauptpflichten,

534

Jochen Corts

die jedoch auch Nebenleistungspflichten, wie zB die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb, umfassen, während Nebenpflichten gem $ 242 nur die Art und Weise der Leistungserbringung betreffen (dazu Herschel BB 78 569).

Vor S 620 2. Suspendierung

Rechtsordnung sonst nicht zu. 3 Bei ihr würde es sich um eine unzulässige befristete Teilkündigung handeln, die dazu führte, daß der Arbeitgeber sich die Arbeitskraft des Arbeitnehmer sicherte, dieser kein anderes Arbeitsverhältnis eingehen könnte und kein Arbeitsentgelt erhielte. Er würde damit schlechter stehen als bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Grds ist der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses nicht nur zur Lohnzahlung verpflichtet, er muß den Arbeitnehmer auch beschäftigen, wie sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung gem § 157 ergibt. 4 Dies gilt auch für die Zeit bis zur Erteilung einer behördlichen Zustimmung zur Kündigung 5 und für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. 6

4

Bei der Beschäftigungspflicht handelt es sich um eine nicht im Synallagma stehende Nebenleistungs- 5 pflicht des Arbeitgebers. Ihre Suspendierung erfolgt durch Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts. 7 Dieses kann ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt sein, 8 etwa für die Zeit ab Ausspruch einer ordentlichen Kündigung 9 oder sogar bereits im Vorfeld einer Kündigung, 10 kann sich aber auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung gem $ 1 5 7 ergeben, wenn die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers überwiegen, 11 zB weil der Arbeitnehmer sich dem schwerwiegenden Verdacht einer Straftat zu Lasten seines Arbeitgeber ausgesetzt hat 1 2 oder gegen ihn erhebliche Vorwürfe erhoben werden, die sich nicht sofort aufklären lassen; nach Ablauf der zur Klärung des Sachverhaltes erforderlichen Zeit muß der Arbeitgeber sich entscheiden, ob er den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen oder das Arbeitsverhältnis kündigen will. 13 Als weitere Suspendierungsgründe kommen in Betracht gravierender Auftragsmangel 14 oder sonstige unzumutbare wirtschaftliche Belastung analog § 1 0 2 Abs 5 S 2 Nr 2 BetrVG, 15 ein unüberbrückbares Zerwürfnis mit dem Arbeitgeber, drohender Ansehensverlust des Unternehmens, 16 Abwanderung zur Konkurrenz 17 sowie Einblick in Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse oder aktuelle Lieferanten- oder Kundenbeziehungen während der Kündigungsfrist, sofern nicht eine vorübergehende Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich und zumutbar ist. 1 8 Zur Suspendierung berechtigt ist der Arbeitgeber schließlich immer dann, wenn ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, er aber durch die Gewährung bes Kündigungsschutzes am sofortigen Ausspruch einer solchen Kündigung gehindert ist, wie dies der Fall ist bei den Kündigungsverboten mit behördlichem Erlaubnisvorbehalt gem § 9 MuSchG, $ 18 BErzGG und $$ 85, 91 Abs 1 SGB IX 1 9 sowie während der Äußerungsfrist des Betriebsrats gem § 102 Abs 2 S 3 BetrVG oder bis zur Zustimmungsersetzung im Verfahren gem $ 103 Abs 2 S 1 BetrVG. 20

3 BAG 4 . 6 . 6 4 - 2 AZR 310/63 - AP BGB S 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr 15 (A. Hueck). 4 LAG Berlin 2 5 . 1 . 9 1 - 6 Sa 73/90 - nv; ähnlich BAG 1 5 . 5 . 9 1 - 5 AZR 271/90 - AP BGB S 611 Beschäftigungspflicht Nr 23, das freilich auch § 242 als Anspruchsgrundlage angibt, der jedoch nur die Art und Weise der Leistungserbringung regelt. 5 BAG 2 0 . 1 2 . 7 6 - 5 AZR 736/75 - AP SchwbG S 18 Nr 1 (Schnorr yon Carolsfeld). 6 BAG 1 9 . 8 . 7 6 - 3 AZR 173/75 - AP BGB J 611 Beschäftigungspflicht Nr 4 (Birk). 7 Ähnlich Gahlen Suspendierung 36; KBK Kap 2 Rn 44; aA Bauer/Baeck NZA 89 784, 787. 8 LAG Hamburg 1 0 . 6 . 9 4 - 6 Sa 42/94 - LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr37; ArbG Köln 9 . 5 . 9 6 8 Ga 80/96 - NZA-RR 97 186; Schaub § 95 Rn 20, der allerdings in der weitergehenden Vereinbarung eines Wegfalls des Vergütungsanspruchs eine unzulässige Umgehung der Grundsätze der fristlosen Kündigung sieht; eb KüttnerlKreitner PersB 2001 „Freistellung von der Arbeit" Rn 8; noch strenger LAG Hamm 5 . 5 . 7 5 - 2 Sa 232/ 75 - DB 75 1131, das sogar die Vereinbarung einer Reduzierung auf das Grundgehalt ablehnt; zum Ausschluß der privaten Nutzung eines Dienstwagens S 615 Rn 101. 9 ErfK¡Müller-Glöge $ 620 BGB Rn 217, der allerdings fälschlich von einer Freistellung von der Arbeitspflicht, Jochen Corts

der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers, spricht; zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle bei Individual- und Formularverträgen Kramer Kündigungsvereinbarungen 170 ff; einschränkend bei offensichtlich unwirksamer Kündigung ErfK/Preis $ 6 1 1 BGB R n 8 3 1 ; noch weiter einschränkend Hanau/Preis Der Arbeitsvertrag, 1997, Π F 10 Rn 18 f. 10 Gau/NZA, Beil 3/00 51, 63. 11 BAG 2 7 . 2 . 8 5 - GS 1/84 - AP BGB $ 611 Beschäftigungspflicht Nr 14. 12 BAG 1 5 . 6 . 7 2 - 2 AZR 345/71 - AP BGB § 628 Nr 7; Preis Prinzipien 463; Luckey NZA 92 873, 875. 13 MünchKommBGB/ScftwenííBer Vor § 620 Rn 8. 14 LAG Hamm 1 8 . 7 . 9 1 - 17 Sa 827/91 - LAGE BGB § 615 Nr 29; AK-BGB/Derfeder § 611 Rn 95. 15 Ruhl/Kassebohm NZA 95 497, 501. 16 KBK Kap 2 Rn 46. 17 BAG 2 2 . 2 . 8 0 - 7 AZR 236/78 - nv; LAG Hamm 3 . 1 1 . 9 3 - 15 Sa 1592/93 - LAGE BGB S 611 Beschäftigungspflicht Nr 36. 18 Salje FS Kissel, 983, 990. 19 Vgl Gahlen Suspendierung 101. 20 Gahlen Suspendierung 99; Richardi BetrVG $ 103 Rn 82; KüttnerlKreitner PersB 2001 „Freistellung von der Arbeit" Rn 20.

535

Vor S 620 II. Abgrenzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von anderen Tatbeständen

6 Da sich die Suspendierung auf die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers beschränkt und die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers unberührt läßt, 21 gerät der Arbeitgeber gem $ 296 S1 in Annahmeverzug, ohne daß es auch nur eines wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf. Daraus ergibt sich, daß der Arbeitgeber gem § 615 S1 zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet bleibt, 22 ohne daß der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. Wird dem Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung allerdings unzumutbar, ist der Arbeitnehmer schon nicht in der Lage, seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß anzubieten, und liegt folglich Unvermögen des Arbeitnehmers vor, das gem $ 297 Annahmeverzug ausschließt23 und eine Suspendierung entbehrlich macht. Dieses Unvermögen bewirkt zugleich, daß der Arbeitnehmer gem § 275 Abs 1, $ 326 Abs S 1, $ 441 Abs 3 auch seinen Vergütungsanspruch verliert.24 Mit Rücksicht auf die gesetzgeberische Wertung in den Vorschriften über einen bes Kündigungsschutz (Rn 5), dem Arbeitnehmer bis zum Ausspruch der Kündigung die wirtschaftliche Sicherheit des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zu erhalten, genügt freilich das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd § 626 Abs 1 nicht, sondern ist erforderlich, daß eine akute Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers, seiner Familienangehörigen oder anderer Arbeitnehmer vorliegt, deren Schutz Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Verdienstes verdient.25 Dem steht eine noch nicht rechtskräftige Zustimmungsersetzung gem $ 103 Abs 2 S1 BetrVG nicht gleich. 26 7 Bei einer einverständlichen Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist braucht dieser sich anderweitiges Einkommen nicht gem § 615 S 2 anrechnen zu lassen.27 Einer ausdrücklichen Abbedingung dieser Vorschrift bedarf es nicht. 28 Aufgrund des in der Freistellungsvereinbarung liegenden Verzichtsvertrag kann der Arbeitgeber schon nicht in Annahmeverzug geraten, weshalb auch $ 615 S 2 nicht zur Anwendung kommen kann, während der arbeitsvertragliche Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers unberührt bleibt. 29 8 Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Beschäftigungspflicht, kann der Arbeitnehmer - idR nach Abmahnung - zur außerordentlichen Kündigung berechtigt sein (§ 626 Rn 190). 3.

Beendigung vorläufiger personeller Einzelmaßnahmen

9 Nach $ 99 Abs 2 S1 BetrVG bedarf die Einstellung der Zustimmung des Betriebsrats. Eine Einstellung liegt vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmer den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen.30 Der Arbeitgeber kann aber nach $ 100 Abs 1 BetrVG die Einstellung zunächst als vorläufige vornehmen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, bevor der Betriebsrat sich geäußert oder wenn dieser die Zustimmung verweigert hat. Bestreitet der Betriebsrat, daß die Einstellung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, endet das Recht zur vorläufigen Durchführung der Maßnahme nach $ 100 Abs 2 BetrVG, wenn der Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die 21 BAG 28.4.88 - 2 AZR 770/87 - RzK Π 3 Nr 15, wo zutr darauf hingewiesen wird, daß selbst die rechtskräftige Bestätigung eines Hausverbots insoweit unerheblich ist. 22 BAG 4.6.64 - 2 AZR 310/63 - AP BGB $ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr 13 (A. Hueck); für eine Lohnminderung gem S 323 Absl HS 2 KR/Wolß Grunds Rn 245. 23 Hanau JuS75 505, 507; GK-BetrVG/Kraft $102 Rn 155. 24 AA Konzen/Weber Anm zu BAG AP BGB $ 615 Nr 42; KR/Etzel S 103 Rn 144 f, der nur bei Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung mittels einstweiliger Verfügung eine Ausnahme machen will; anders auch $ 615 Rn 55. 25 Vgl BAG 26.4.56 - GS 1/56 - AP MuSchG S 9 Nr 5 (A. Hueck); 29.10.87 - 2 AZR 144/87 - AP BGB S 615 Nr 42

536

Jochen Corts

(Konzen/Weber); LAG Berlin 27.11.95 - 9 Sa 85/95 - NZARR 96 283 bei dringendem Verdacht sexuellen Mißbrauchs von Kleinkindern durch einen Erzieher. 26 BAG 11.11.76 - 2 AZR 457/75 - AP BetrVG 1972 $ 103 Nr 8 (G. Hueck); Thiele SAE 79 239; aA P. Nipperdey DB 75 1891; FKHE $ 103 Rn 28. 27 LAG Hamm 11.10.96 - 10 Sa 104/96 - NZA-RR 97 287. 28 AA LAG Schleswig-Holstein 20.2.97 - 4 Sa 567/96 NZA-RR 97 286. 29 BAG 30.9.82 - 6 AZR 802/79 - nv; LAG Brandenburg 17.3.98 - 2 Sa 670/97 - AP BGB § 615 Nr 78; 2 Sa 670/97 - LAGE BGB $ 615 Nr 56; Hemming AR-Blattei SD 725 Rn 87 f; Nägele DB 98 518; Meier Streitwerte Rn 296; aA Bauer/Baeck NZA 89 784. 30 BAG 1.8.89 - 1 ABR 54/88 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 68.

Vor $ 620 3. Aufhebungsvertrag

Feststellung beantragt, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Hat der Arbeitgeber dagegen das Arbeitsgericht angerufen, endet die Maßnahme nach $ 100 Abs 3 BetrVG erst mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung, mit der das Gericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ablehnt bzw feststellt, daß offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Die Beendigung der vorläufigen personellen Einzelmaßnahme ist gesetzlich angeordnete Rechtsfolge 1 0 einer Unterlassung des Arbeitgebers ($ 100 Abs2 S3 BetrVG) bzw einer rechtskräftigen Entscheidung. Sie hat keine mit einer Kündigung vergleichbare Wirkung, weil sie das der Einstellung zugrundeliegende Rechtsgeschäft, das noch nicht einmal ein Arbeitsvertrag zu sein braucht,31 bestehen läßt. Der Arbeitgeber darf die Person, die er einzustellen beabsichtigte, nur nicht beschäftigen.32

III. Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung 1.

Befristung

Gem $ 620 Abs 3 gilt für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden, das Teilzeit- und 1 1 Befristungsgesetz. Danach endet ein kalendermäßig befristetes Arbeitsverhältnis33 mit Ablauf der vereinbarten Zeit ($ 15 Abs 1 TzBfG), während ein zweckbefristetes Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Zwecks endet, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung (§15 Abs 2 TzBfG). 2.

Auflösende Bedingung

Der Eintritt eines bestimmten Ereignisses, das zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll, 1 2 kann gewiß oder ungewiß sein. Wenn der Eintritt des zukünftigen Ereignisses ungewiß ist, liegt keine Zweckbefristung, sondern eine auflösende Bedingung vor.34 Auf die genaue Abgrenzung kommt es nicht mehr an, weil für die auflösende Bedingung aufgrund Verweisung des $ 21 TzBfG die Regelung für zweckbefristete Arbeitsverhältnisse in § 15 Abs 2 TzBfG entspr gilt. Dies hat zur Folge, daß auch ein auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts endet (dazu § 620 Rn 352). 3.

Aufhebungsvertrag

a)

Allgemeines

Die Parteien können das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beenden. Von der Vereinbarung 1 3 einer Befristung oder einer Bedingung unterscheidet sich der Aufhebungsvertrag dadurch, daß er nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages ist, sondern erst nach dessen Zustandekommen geschlossen wird. Da das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung für den Abschluß eines Aufhebungsvertrages ist, besteht für den Arbeitnehmer keine Drucksituation wie bei der Begründung eines befristeten oder auflösend bedingten Arbeitsverhältnisses, die idR nur zustande kommen, wenn der Arbeitnehmer Befristung bzw auflösende Bedingung hinnimmt. Der Arbeitnehmer kann im bestehenden Arbeitsverhältnis idR frei entscheiden, ob er sich bei einem Wunsch des Arbeitgebers nach dessen Beendigung auf die einschlägigen Kündigungsschutzbestimmungen berufen will oder einen Aufhebungsvertrag schließt. Deshalb bedarf es grds keiner Inhaltskontrolle. 35

31 BAG 15.4.86 - 1 ABR 44/84 - AP BetrVG 1972 $ 99 Nr 35 (Strecket). 32 BAG 2.7.80 - 5 AZR 1241/79 - AP GG Art 33 Abs 2 (Misera). 33 Der Gesetzgeber spricht ungenau von „befristeter Arbeitsvertrag", obwohl der Vertrag lediglich Begründungstatbestand für das Arbeitsverhältnis ist. Jochen Corts

34 Zur Abgrenzung BAG 12.2.92 - 7 AZR 100/91 - AP BGB $620 Altersgrenze Nr 5; Hromadka NJW 94 911; Enderlein RdA 98 90, der auf den Willen der Parteien zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses abstellt. 35 BAG 11.12.97 - 8 AZR 654/95 - NZA 99 262; Germelmann NZA 97 236; aA Zwanziger DB 94 982.

537

Vor S 620 III. Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung 14

Etwas anderes gilt allerdings für den aufschiebend bedingten Aufhebungsvertrag. Dieser ist nur unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung rechtswirksam. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer zB, daß das Arbeitsverhältnis endet, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf seines Urlaubs die Arbeit zu dem vorgesehenen Termin nicht wieder aufnimmt, so ist diese Abrede wegen Umgehung zwingenden Kündigungsschutzrechts unwirksam. 3 6 Das gleiche gilt für eine einzelvertragliche Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis zum Urlaubsende aufgelöst, dem Arbeitnehmer jedoch gleichzeitig die Wiedereinstellung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unter der Bedingung zugesagt wird, daß er dies spätestens an einem bestimmten, nach dem Urlaubsende liegenden Termin beantragt. 3 7 Eines sachlichen Grundes soll es auch bedürfen, wenn der Regelungsgehalt eines Aufhebungsvertrags nicht auf die Beendigung, sondern auf die befristete Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichtet ist. 3 8

15

Soweit der Aufhebungsvertrag wirksam zustande gekommen ist, endet das Arbeitsverhältnis. Kündig u n g s s c h u t z b e s t i m m u n g e n finden in diesem Falle keine Anwendung. Auch braucht der Betriebsrat nicht beteiligt zu werden. Der Aufhebungsvertrag kann grds nicht mit Rückwirkung vereinbart werden. 3 9 Es wäre funktionswidrig, eine Rückwirkung anzuordnen und für die Zwischenzeit Ansprüche aufgrund eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses zu gewähren. 4 0 Anders verhält es sich, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt worden war. 4 1 Auch mit Wirkung gegenüber Dritten kann ein in der Vergangenheit liegender Endtermin allerdings dann vereinbart werden, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Streit war und dieses nicht mehr vollzogen worden ist. 4 2 b)

Voraussetzungen

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Angesichts der weitreichenden Bedeutung des Aufhebungsvertrages m u ß der Wille zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf beiden Seiten deutlich e r k e n n b a r sein. Immerhin verzichtet der Arbeitnehmer mit dem Aufhebungsvertrag auf den gesamten Kündigungsschutz. Außerdem nimmt er eine Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld in Kauf ($ 144 Abs 1 Nr 1 SGBΙΠ). Der „Annahme" einer Kündigung oder der Bitte um Aushändigung der Arbeitspapiere nach Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber kann nicht entnommen werden, daß der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis einverständlich beenden will. Allenfalls kann aus einem solchen Verhalten geschlossen werden, daß der Arbeitnehmer die Kündigung für rechtswirksam hält. Für die Behauptung des Einverständnisses mit einer fristlosen Kündigung bedarf es näherer Darlegung von Ort, Zeit, Gesprächspartner und Inhalt der in Frage stehenden Erklärung. 4 3 Mit Rücksicht auf das seit dem 1.5. 2 0 0 0 in § 623 normierte Schriftformerfordernis ist für konkludente mündliche Auflösungsvereinbarungen ohnehin kein Raum mehr.

17

Grds kann der Arbeitnehmer zwar nach einer Kündigung in einer sog Ausgleichsquittung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten; in einem solchen Falle kann in der Ausgleichsquittung ein Aufhebungsvertrag liegen. 4 4 Der Beendigungswille muß aber aus Gründen der Rechtsklarheit in der Urkunde selbst zweifelsfrei zum Ausdruck kommen. Diesem Erfordernis genügt die Formulierung „Ich erkläre hiermit, daß mir aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Ansprüche mehr zustehen" 4 5 nicht, weil das Recht, Kündigungsschutzklage zu erheben, sich aus dem Gesetz selbst herleitet ($ 4 KSchG) und es nicht um einen Anspruch geht, der sich - wie etwa die Zahlung einer Karenzentschädigung oder die Gewährung von betrieblichem Ruhegehalt - aus der Beendigung

36 BAG 19.12.74 - 2 AZR 565/73 - AP BGB S 620 Bedingung Nr 3 (C. Hueck). 37 BAG 13.12.84 - 2 AZR 294/83 - AP BGB $620 Bedingung Nr 8 (Bichel); 25.6.87 - 2 AZR 541/86 - AP BGB s 620 Nr 14 (Eickel). 38 BAG 12.1.00 - 7 AZR 48/99 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 16 (Adam). 39 Ernst Aufhebungsverträge 282 ff; aA allerdings beiläufig BAG 28.4.83 - 2 AZR 446/83 - AP AFG § 117 Nr 3 (Brackmann). 40 LAG Düsseldorf 18.11.60 - 3 Sa 370/60 - BB 61253;

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Jochen Corts

MünchKommBGB/Scftwerdtncr Vor $ 620 Rn 16; aA Staudinger/NíumuBB Vorbem zu $$ 620 ff Rn 11. 41 BAG 10.12.98 - 8 AZR 324/97 - AP BGB § 613a Nr 185. 42 BAG 20.8.80 - 5 AZR 227/79 - AP LohnFG $ 6 Nr 14 (Brackmann); Emst Aufhebungsverträge 287 ff. 43 BGH 22.4.82 - VII ZR 160/81 - NJW 82 1708 (Deubner). 44 BAG 29.6.78 - 2 AZR 681/76 - AP KSchG 1969 $ 4 Nr 5 (Bemert). 45 BAG 3.5.79 - 2 AZR - 679/77 - AP KSchG 1969 $ 4 Nr 6 (Grunsky).

Vor s 620 3. Aufhebungsvertrag des Arbeitsverhältnisses ergeben kann. Hat der Arbeitnehmer bereits Kündigungsschutzklage erhoben, so kann einer vom Arbeitgeber vorformulierten Ausgleichsquittung, in der unter vielem anderen die Wendung enthalten ist, der Arbeitnehmer verpflichte sich, keine Kündigungsschutzklage zu erheben, ein Aufhebungsvertrag nicht entnommen werden. Der Aufhebungsvertrag bedarf gem $ 623 HS 1 zu seiner Wirksamkeit der Schriftform, die gem HS 2 dieser Vorschrift nicht durch eine gem § 126 Abs 3 sonst zulässige elektronische Signatur ersetzt

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werden kann. c)

Anfechtung

Die auf einen Aufhebungsvertrag gerichtete Willenserklärung des Arbeitnehmers kann gem $$ 119 ff angefochten werden. In der Praxis bedeutsam ist die Anfechtung von Aufhebungsverträgen wegen widerrechtlicher Drohung. Es geht vor allem um die Fälle, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Fall, daß dieser einer einverständlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht zustimmt, mit einer außerordentlichen Kündigung droht. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG 4 6 ist die Anfechtung begründet, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Kündigung, wäre sie ausgesprochen worden, rechtswirksam gewesen wäre. Für die Widerrechtlichkeit der Drohung ist eine h o h e Wahrscheinlichkeit der Unwirksamkeit der angedrohten Kündigung erforderlich. 47 Ob ein verständiger Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung ernsthaft erwogen hätte, richtet sich nicht allein nach dem tatsächlichen subjektiven Wissensstand des Arbeitgebers. Zu berücksichtigen sind auch die Ergebnisse weiterer Ermittlungen, die ein verständiger Arbeitgeber angestellt hätte. Entscheidend ist also nach der Rechtsprechung der objektiv mögliche und damit hypothetische Wissensstand des Arbeitgebers. 48 Ähnliches gilt für die Drohung mit einer Strafanzeige für den Fall, daß sich der Arbeitnehmer weigert, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Die Androhung einer Strafanzeige dient nicht der Überprüfung eines Vorwurfs, sondern ist ein Mittel, um den Arbeitnehmer durch Druckausübung zur einverständlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu bewegen. Auch diese Druckausübung ist aber nur widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine Strafanzeige nicht ernsthaft in Erwägung zöge. Die Drohung mit einer Strafanzeige ist rechtmäßig, wenn der Wunsch nach Abschluß eines Aufhebungsvertrag mit einer Straftat in einem inneren Zusammenhang steht. 4 9 Die Versagung erbetener Bedenkzeit stellt keine Drohung iSd Inaussichtstellens eines Übels dar. 5 0 Auch in der Ankündigung einer ordentlichen Kündigung soll eine zur Anfechtung berechtigende Drohung liegen. 5 1 Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß bei genauer Betrachtung das in

19

20

21

Aussicht gestellte Übel nicht im Ausspruch einer Kündigung zu sehen ist, da diese bei Fehlen eines Grundes keine rechtliche Wirkung entfalten kann, sondern in der daran anknüpfenden tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit allen ihren negativen Konsequenzen für den Arbeitnehmer. Während nun diese Entlassung mit dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung regelmäßig zusammenfällt, kommt es bei einer ordentlichen Kündigung darauf an, ob der Arbeitnehmer nicht bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist ein erstinstanzliches Urteil im Kündigungsschutzprozeß erwirken kann. 5 2 Der Irrtum einer schwangeren Arbeitnehmerin über die mutterschutzrechtlichen Folgen eines Auf-

22

hebungsvertrages berechtigt nicht zu einer Anfechtung nach J 119, weil es sich um einen bloßen Rechtsfolgeirrtum handelt. 5 3

46 BAG 20.11.69 - 2 AZR 51/69 - AP BGB $ 123 Nr 16 51 BAG 16.1.92 - 2 AZR 412/91 -EzA BGB § 123 Nr 36. (Hörschel); 22.12.82 - 2 AZR 282/82 - AP BGB $ 123 Nr 23 52 Noch weitergehend Bauer NJW 94 980, der die Dro(Kramer). hung mit einer ordentlichen Kündigung als einer bloßen 47 BAG 9.3.95 - 2 AZR 644/94 - BB 96 434. Alltagserscheinung niemals für rechtswidrig hält; vgl auch BGH 28.1.76 - 2 StR 696/75 - NJW 76 760, wo zutr 48 BAG 1 6 . 1 1 . 7 9 - 2 AZR 1041/77 - AP BGB $ 123 darauf hingewiesen wird, daß der Gebrauch eines zuläsNr 21 (Kramer); krit Weber/Ehrich NZA 97 414. sigen Rechtsbehelfs nicht durch Strafdrohung behindert 49 BAG 30.1.86 - 2 AZR 196/85 - NZA 87 91. werden darf. 50 BAG 16.2.83 - 7 AZR 134/81 - AP BGB $ 123 Nr 22 (Herschel); vgl auch Roxi/t JR 76 71, 73. 53 BAG 16.1.92 - 2 AZR 412/91 - EzA BGB $ 123 Nr 36. Jochen Corts

539

Vor J 620 III. Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung

d)

Widerruf

2 3 Ein Aufhebungsvertrag ist nicht allein deshalb wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gem $ 242 unwirksam, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt hat. 54 $ 312 Abs 1 S 1 Nr 1, der für sog Haustürgeschäfte zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher an seinem Arbeitsplatz diesem ein Widerspruchsrecht einräumt, findet weder unmittelbare noch analoge Anwendung.55 e)

Aufklärungspflichten

2 4 Bei einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses muß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ungefragt auf drohende Versorgungsschäden hinweisen,56 sofern er nicht davon ausgehen kann, daß der Arbeitnehmer nicht informationsbedürftig ist, und er selbst die Versicherungsabläufe nicht kennen kann.57 Auch hat er ihn auf die Gefahr einer Sperrfrist für das Arbeitslosengeld gem $ 144 Abs 1 Nr 1 SGB III aufmerksam zu machen.58 Eine Verletzung dieser Aufklärungspflichten führt allerdings lediglich zu einem Schadenersatzanspruch auf Geldersatz, nicht hingegen auf Beseitigung des Aufhebungsvertrags59. Ob den Arbeitgeber auch eine Hinweispflicht hinsichtlich des Verlustes eines Sonderkündigungsschutzes trifft, erscheint fraglich,60 weil es sich dabei um eine für den Arbeitnehmer erkennbare notwendige Konsequenz aus der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses handelt. 4.

Anfechtung und Nichtigkeit des Arbeitsvertrags

2 5 Die Anfechtung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die gem § 142 Abs 1 grds die rückwirkende Nichtigkeit der angefochtenen Vertragserklärung und damit auch den Wegfall des Vertrags herbeiführt (vgl $ 151 S1). Das Arbeitsverhältnis beendet die Anfechtung dagegen idR nur mit Wirkung für die Zukunft. 61 Eine Rückwirkung läßt das BAG nur für die Zeiten zu, in denen das Arbeitsverhältnis noch nicht aktualisiert bzw wieder außer Funktion gesetzt worden ist, 62 was allerdings bereits durch eine unwirksame Kündigung des Arbeitgebers63 oder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers64 bewirkt wird. 2 6 Auch die sich aus $$ 134, 138 ergebende Nichtigkeit eines Arbeitsverhältnisses wirkt - soweit das Arbeitsverhältnis aktualisiert worden ist - nur für die Zukunft. Die Rechtsfolgen von Anfechtung und Nichtigkeit sind damit den Wirkungen einer fristlosen Kündigung angenähert. 2 7 Ebenso können sich die in den $$ 119,123 geregelten Anfechtungsgründe und die Nichtigkeitsgründe nach den §§ 134 und 138 mit Kündigungsgründen decken. Der wesentliche Unterschied zur Kündigung besteht aber darin, daß Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages vorliegen müssen, während die Kündigungsgründe sich zumeist auf die Zeit nach Vertragsabschluß zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beziehen. Deshalb haben die Vorschriften über die Anfechtung, welche die Willensfreiheit einer Arbeitsvertragspartei schützen sollen, und die gesetzliche Regelung der Nichtigkeit von Arbeitsverträgen eigenständige Bedeutung neben der Kündigung. Wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen und Funktionen von Anfechtung und Nichtigkeit einerseits sowie der Kündigung andererseits können die Vorschriften des KSchG und S 626 nicht analog 54 BAG 30.9.93 - 2 AZR 268/93 - AP BGB $ 123 Nr 37 (Boemke). 55 Vgl nur Vorläufervorschrift $ 1 Abs 1 HausTWG Weber/Ehrich NZA 97 414, 420; aA ArbG Berlin 6.9.00 - 31 Ca 6027/00 - nv; Lorenz JZ 97 277; Vorschläge für eine gesetzliche Regelung bei Pauly ZRP 97 228. 56 BAG 13.11.84 - 3 AZR 255/84 - AP BetrAVG $ 1 Zusatzversorgungskassen Nr 5 (Weinert). 57 BAG 1 3 . 1 2 . 8 8 - 3 AZR 322/87 - AP BetrAVG $ 1 Zusatzversorgungskassen Nr 23. 58 BAG 10.3.88 - 8 AZR 420/85 - AP BGB $611 Fürsorgepflicht Nr 99. 59 WeberlEhrich NZA 97 414, 420; vgl auch BAG

540

Jochen Corts

13.11.84 - 3 AZR 255/84 - AP BetrAVG S 1 Zusatzversorgungskassen Nr 5 (Weinert). 60 Dafür MünchKommBGB/Sdiwerdrner Vor $ 620 Rn 27. 61 Vgl BGH 16.1.95 - Π ZR 26/94 - BB 95 477; aA Oetker Dauerschuldverhältnis 449. 62 BAG 1 6 . 9 . 8 2 - 2 AZR 228/80 - AP BGB § 123 Nr 24 (Brox); 29.8.84 - 7 AZR 34/83 - AP BGB $ 123 Nr 27. 63 BAG 16.9.82 - 2 AZR 228/80 - AP BGB $ 123 Nr 24 (Brox). 64 BAG 3.12.98 - 2 AZR 754/97 - AP BGB § BGB $ 123 Nr 49.

Vor $ 620 9. Tod des Arbeitgebers

auf die Anfechtung bzw Nichtigkeit angewendet werden. Aus den gleichen Gründen scheidet eine analoge Anwendung von $ 9 MuSchG, §$ 18 ff BErzGG, $$ 85,91 SGBIX) aus.65 Weiteres $ 626 Rn 15 f. 5.

Rücktritt

Der Rücktritt ist ein Gestaltungsrecht wie die Kündigung (§ 349). Er bewirkt die Beseitigung des 2 8 Vertrags und begründet ein Abwicklungsverhältnis, in dem beide Parteien verpflichtet sind, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§ 346). Die Parteien können sich den Rücktritt im Vertrag vorbehalten; im Zusammenhang mit Leistungsstörungen sieht das Gesetz (§§ 325 f) ein Rücktrittsrecht vor. Die Rücktrittsvorschriften werden durch das Kündigungsrecht als Spezialregelung für Dauerschuld- 2 9 Verhältnisse verdrängt. 66 Insbes ein Rücktritt aufgrund beliebiger vertraglich vereinbarter Gründe würde dem Zweck des Kündigungsschutzes widersprechen und wird deshalb nicht zugelassen. Auch ein Rücktritt aufgrund der $ § 323 ff kommt neben der Kündigung nicht in Betracht, weil beim wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach $ 626 Abs 1 auf die jeweiligen Besonderheiten des Vertragsverhältnisses Rücksicht zu nehmen ist und diese Anpassung an die Besonderheiten des jeweiligen Dauerschuldverhältnisses nicht durch die Rücktrittsvorschriften erreicht werden kann. 6.

Unmöglichkeit

Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung - etwa aufgrund dauernder Arbeitsunfähigkeit infolge Krank- 3 0 heit - führt nicht zur automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieses kann vielmehr nur durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung beendet werden.67 7.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Eine wesentliche Veränderung oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Abschluß des Arbeits- 3 1 Vertrages ist rechtlich idR nur erheblich, wenn deswegen eine außerordentliche Kündigung erklärt wird. Zu einer Ausnahme $ 626 Rn 9. 8.

Tod des Arbeitnehmers

Mit dem Tod des Arbeitnehmers endet das Arbeitsverhältnis immer. Dies ergibt sich bereits aus S 613 3 2 S1, wonach der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste im Zweifel in Person zu leisten hat. Noch nicht erfüllte Ansprüche gegen den Arbeitgeber sind vererblich, soweit sie nicht höchstpersönlicher Natur sind. 68 9.

Tod des Arbeitgebers

Der Tod des Arbeitgebers berührt das Arbeitsverhältnis grds nicht. Ob ausnahmsweise ein außerordent- 3 3 liches Kündigungsrecht besteht, wenn die Dienste ganz oder überwiegend für die Person des Arbeitgebers zu leisten waren (zB Krankenschwester, die speziell für die Pflege des Arbeitgebers eingestellt wurde), ist höchst zweifelhaft. Zwar ist mit dem Tod des Arbeitgebers die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Daraus muß sich aber noch nicht die Unzumutbarkeit zur Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ergeben. Insoweit gilt nichts anderes als im Falle der Betriebsstillegung. In Betracht kommt jedoch die Annahme einer Zweckbefristung, verbunden mit einer Auslauffrist von zwei Wochen ab Unterrichtung des Arbeitnehmers vom Tod des AG gem $ 15 Abs 2 TzBfG. 69 Weiteres $ 626 Rn 160. 65 BAG 1 4 . 1 2 . 7 9 - 7 AZR 38/78 - AP BGB $ 119 Nr 4 (Mühl). 66 Ascheid KSchR Rn 91. 67 BAG 25.11.82 - 2 AZR 401/89 - AP KSchG 1969 $ 1 Krankheit Nr 25 (Meisel). Jochen Corts

68 BAG 28.5.75 - 4 AZR 375/74 - AP Beihilfevorschriften Nr3 Nr 4 für den Beihilfeanspruch und 13.11.85 - 4 AZR 269/84 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr 35 (Beitzke) für den Urlaubsanspruch. 69 Vgl LAG Berlin 13.7.90 - 6 Sa 41/90 - BB 90 1909.

541

S 620 Beendigung des Dienstverhältnisses

10.

Fristlose Dienstentlassung als Disziplinarmaßnahme

3 4 Von der außerordentlichen Kündigung ist die in Dienstordnungen aufgrund SS 351ffRVOund$$ 144 ff SGB VII für Bedienstete der Sozialversicherungsträger (Dienstordnungs-Angestellte) vorgesehene fristlose Dienstentlassung als Disziplinarmaßnahme zu unterscheiden. Sowohl bei der außerordentlichen Kündigung als auch bei der fristlosen Dienstentlassung wird zwar das Arbeitsverhältnis durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mit Wirkung für die Zukunft beendet. Die Funktionen der beiden Rechtsinstitute decken sich jedoch nicht völlig: Die Entlassung als Dienststrafe bedeutet für den betroffenen Arbeitnehmer immer ein Unwerturteil; er gilt für den öffentlichen Dienst künftig als untragbar. Demgegenüber ist eine außerordentliche Kündigung keine Sanktion, sondern das von der Rechtsordnung vorgesehene Mittel, ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Hierfür können auch Tatsachen ausreichen, aus denen ein persönliches Unwerturteil nicht entnommen werden kann (zB Kündigung wegen anstekkender oder abschreckender Krankheit oder wegen politischer Betätigung). Fristlose Dienstentlassung und außerordentliche Kündigung stehen nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis zueinander.70 Weiteres § 626 Rn 13. 11.

Widerspruch bei Unternehmensumwandlung

3 5 Gem S 324 UmwG bleibt $ 613aAbs 1 und 4 durch die Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt. Damit steht jedem Arbeitnehmer auch in einem solchem Fall das Recht zu, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen71 (allgem dazu $ 613a Rn 160 ff). Da Verschmelzung, Aufspaltung und Vermögensvollübertragung jedoch zu einem Erlöschen der bisherigen Rechtsträger führen, bewirkt die Ausübung des Widerspruchsrechts wegen Wegfalls des Vertragspartners auch ein automatisches Erlöschen des Arbeitsverhältnisses, ohne daß es noch des Ausspruchs einer Kündigung bedarf.72 Nach Vollzug dieser Umwandlungsformen scheiterte ein solcher ohnehin am Fehlen eines Adressaten.

$ 620

Beendigung des Dienstverhältnisses

(1) Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist. (2) Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der SS 621, 622 kündigen. (3) Für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit geschlossen werden, gilt das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge.

70 BAG 2 5 . 2 . 9 8 - 2 AZR 256/97 - AP BGB S 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr 69. 71 Spirolke Betriebsübergang 66 ff; Müller-Ehlen Übergang 80 ff; aA Hennrichs ZIP 95 794, 799.

542

Hans-Jürgen Dörner

72 Bauer/Lingemann NZA 94 1057, 1061; Lutter/Joort UmwG $ 324 Rn 28; KR/Pfeiffer § 613a BGB Rn 64; aA Wlotzke DB 95 40, 43; Kreßel BB 95 925, 930; Bachner NJW 95 2881, 2882.

Beendigung des Dienstverhältnisses

$ 620

Übersicht

Erster Abschnitt Befristete Arbeitsverträge Übersicht Rn I. Π.

ΠΙ. S ι

S 2 S3

S4

S5 SS 6 S14

Grundlagen des Befristungsrechts seit dem 1. Januar 2001 Entwicklung des Befristungsrechts 1. Die Entwicklung des Befristungskontrollrechts in der Rechtsprechung a) Das Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Kündigungsschutzrecht b) Die Lösungsversuche des Reichsarbeitsgerichts c) Die Rechtsprechung des BAG aa) bis 1960 bb) ab 1960 (1) Objektive Gesetzesumgehung . . . (2) Sachgrund (3) Darlegungslast (4) Zeitpunkt (5) Rechtsfolgen cc) Die Stellungnahme des Schrifttums d) Neue Rechtsprechung zur Bedeutung der Grundrechte 2. Die Entwicklung in der Gesetzgebung a) Gesetzliche Regelungen zum Sachgrund b) Gesetzliche Vorschriften zur sachgrundlosen Befristung Die Befristungskontrolle nach dem TzBfG Zielsetzung 1. Normgeschichte 2. Anwendungsbereich Begriff des Teilzeitbeschäftigeten Begriff des befristet beschäftigten Arbeitnehmers 1. Normgeschichte und Normzweck a) Normgeschichte b) Normzweck 2. Der befristete Arbeitsvertrag a) Anknüpfungspunkt Vertrag b) DieZeitbefristung aa) Arten von Zeitbefristungen bb) Inhalt von Zeitbefristungen c) Die Zweckbefristung aa) Statthaftigkeit bei Arbeitsverhältnissen bb) Sachgrund cc) Vereinbarungsinhalt d) Befristungen einzelner Bedingungen. . . Verbot der Diskriminierung 1. Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten 2. Diskriminierung der befristet Beschäftigten a) Der Grundsätze zu S 4 Abs 2 b) Verbot der Diskriminierung beim Arbeitsentgelt c) Sonstige Beschäftigungsbedingungen . . Benachteiligungsverbot bis 13 Zulässigkeit der Befristung 1. Normgeschichte und Normzweck a) Entstehungsgeschichte b) Normzweck 2. Grundsätze der Befristungskontrolle

Hans-Jürgen Dörner

1-3

4,5 6,7 8 9 10,11 12,13 14 15 16 17,18 19-22

23 24-27

28,29 30-32 33

34 35 37,38 39 40

41 42 43,44 45,46 47-57 47

48-50 51-54 55-57 58 59

60 61-65 66-68

Rn 3. Prüfungsgegenstand a) Kettenarbeitsverträge und Einzelbefristungen 69 b) Mehrere Verträge 70 aa) Rechtsprechung 71-75 bb) Schrifttum 76 cc) Annex 77,78 c) Nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses 79, 80 4. Sachgrundbefristungen nach S 14 Abs 1 a) Grundsätze der Sachgrundbefristungen aa) Definition des sachlichen Grundes 81 bb) Sachgrund und Dauer der Befristung 82-85 cc) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines S a c h g r u n d s . . . . 86,87 dd) Darlegungs- und Beweislast Grundsätze 88-91 (1) Darlegung und Beweis der Befri(2) stung 92 Darlegungs- und Beweislast für (3) den Sachgrund 93-97 98 ee) Revisionsrecht b) Vorübergehender betrieblicher Bedarf an Arbeitskräften, S 14 Abs 1 S 2 Nr 1 99 aa) Abgrenzung Sachgrund zu allgemeiner Ungewißheit 100-102 bb) Prognose 103-107 cc) Saison- und Kampagnebetriebe. . 1 0 8 , 1 0 9 c) Anschlußbeschäftigung nach Ausbildung, S 14 Abs 1 S 2 Nr 2 110-117 d) Vertretung, S 14 Abs 1 S 2 Nr 3 aa) Unmittelbare Vertretung 118-127 bb) Mittelbare Vertretungen 128-131 cc) Gesamtvertretung 132-135 e) Eigenart der Arbeitsleistung, $ 14 Abs 1 S 2 Nr 4 136 aa) Künstler 137-144 bb) Mitarbeiter in Rundfunk- und Fernsehanstalten 145-149 cc) Sporttrainer 150-152 f) Probearbeitsverhältnis, S 14 Abs. 1 S 2 Nr 5 aa) Grundsatz 153-155 bb) Probezeit und Befristungen nach S 14 Abs 2 TzBfG 156 157 cc) In der Person des Arbeitnehmers liegende 158 Gründe, $ 14 Abs 1 S 2 Nr 6 aa) Befristungen auf Wunsch des Arbeitnehmers 159 bb) Zeitverträge zur Verbesserung der sozialen Situation 160, 161 cc) Nebenbeschäftigung/Teilzeitbe162, 163 dd) Befristete Arbeitsverträge mit Studenten 164 ee) Altersgrenzen 165

543

$620

Beendigung des Dienstverhältnisses Erster Abschnitt Befristete Arbeitsverträge Rn Die befristungsrechtliche Einordnung der Altersgrenzenbestimmungen 166 (2) Altersgrenzen als Sachgrand . . . 167-176 ff) Fehlender Bezug zur Muttersprache 177-180 h) Haushaltsmittel, S 14 Abs 1 S 2 Nr 7 . . 181 aa) Bisherige Rechtsprechung 182-188 bb) Neue Rechtslage 189-191 i) Gerichtlicher Vergleich, § 14 Abs 1 S 2 Nr 8 192 aa) Vergleiche mit Hilfe des Gerichts . 193 bb) Vergleiche ohne Hilfe des Gerichts (Außergerichtliche Vergleiche) . . 194 j) Anerkannte Sachgründe außerhalb des gesetzlichen Katalogs aa) Drittmittelfinanzierung 195,196 bb) Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. 197,198 cc) Sozialhilfemaßnahmen 199, 200 dd) Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung 201, 202 ee) Gesicherte Rückkehrmöglichkeit. 203 ff) Mitarbeiter einer Parlamentsfraktion 204 gg) Aufenthaltserlaubnis 205 Sachgrundlose Befristungen nach S 14 Abs 2 a) Vorgänger Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 206 aa) Grundsätze des BeschFG 207-209 bb) Die Verlängerung nach S 1 Abs 1 S 2 BeschFG 1996 210 (1) Verlängerungsgegensund . . . . 211 (2) Verlängerungszeitpunkt 212 (3) Verlängerangsinhalt 213 cc) Das Anschlußverbot des $ 1 Abs 3 BeschFG 1996 214 (1) Enger sachlicher Zusammenhang 215-217 (2) Vorangegangenes befristetes Arbeitsverhältnis nach $ 1 Abs 1 . 218 (3) Vorangegangenes unbefristetes Arbeitsverhältnis 219-226 dd) Arbeitnehmer nach Vollendung des 60. Lebensjahres, $ 1 Abs 2 BeschFG 96 227 b) Das Recht der sachgrundlosen Befristungen im TzBfG 228 aa) Höchstdauer 229 bb) Ersteinstellung nach $ 14 Abs 2 S 1 und 2 230 cc) Verlängerung, $ 14 Abs 2 S 1 2. Satzhälfte 231-233 c) Tarifregelungen nach $ 14 Abs 2 S 3 und 4 aa) Altes Recht 234,235 bb) Neues Recht 236-239 Sachgrundlose Befristungen nach S 14 Abs 3 240-242 Schriftform S 14 Abs 4 a) Normgeschichte 243 b) Anwendungsbereich 244, 245 c) Inhalt der Schriftform 246 d) Rechtsfolgen 247 Befristungen nach dem Bundesangestelltentarifvertrag 248 a) Die Grundsätze der Nr 1 und der Nr 2 der SR 2y aa) Geltungsbereich 249 (1)

5.

6. 7.

8.

544

Hans-Jürgen Dörner

Rn Sachgrunderfordernis für alle Befristungen - Ausnahmen . . . . 2 5 0 , 2 5 0 cc) Formerfordernis 252-256 dd) Höchstgrenze 257-259 ee) Der Rechtscharakter der Nr 1 und Nr 2 der SR 2y BAT 260, 261 b) Die Tatbestände der Nr 1 der SR 2y zum BAT 262 aa) Zeitangestellte nach Nr la . . . . 262 bb) Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer nach Nr l b . . . 263 cc) Aushilfsangestellte nach der Nrlc 264,265 c) Bestimmungen anderer Tarife 266 Ende des befristeten Arbeitsvertrags 267-295 1. Überblick 267, 268 2. Die Beendigung des wirksam befristeten Zeitvertrags 269 3. Ende der Zweckbefristung a) Zweckerreichung 270 b) Schriftliche Unterrichtung 271-273 c) Dauer 274 4. Kündigungsmöglichkeiten a) Kündigung nach s 15 Abs 3 275-278 b) Kündigung nach § 15 Abs 4 279 5. Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach s 15 Abs 5 TzBfG 280 a) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses . . 281 b) Wissen des Arbeitgebers 282,283 c) Widerspruch 284 d) Besonderheiten der Zweckbefristung. . 285 6. Ausnahmen von den Beendigungsregeln a) Wegfall des sachlichen Grundes und Wiedereinstellung 286 b) Rechtsmißbrauch 287 c) Vertrauensschutz 288-291 d) Zusage 292 e) Tarifvertragliche Einstellungsvorschriften 293 f) Verlängerungsklauseln 294 g) Nichtverlängerungsanzeigen 295 Folgen unwirksamer Befristung 1. Überblick 296, 297 2. Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis 298 3. Kündigungsmöglichkeiten 299-304 Anrufung des Arbeitsgerichts 1. Normgeschichte und Normzweck 305-307 2. Klageart a) Klagen nach altem Recht 308 b) Klagen nach neuem Recht 309 3. Die Klagefrist des S 17 S 1 TzBfG 310 a) Sachlicher Geltungsbereich 311-313 b) Zeitlicher Geltungsbereich 314 c) Rechtsfolgen bei Versäumung der Klagefrist 315-317 d) Berechnung der Klagefrist 318-320 4. Die Klagefrist nach $ 17 S 3 TzBfG 321 a) Anwendungsbereich bei Weiterarbeit . 322,323 b) Anwendungsbereich Zweckbefristung und auflösende Bedingung 324 Information über unbefristete Arbeitsplätze . 325-328 Aus- und Weiterbildung 329-330 Information der Arbeitnehmervertretung . . . 331-332 Auflösend bedingte Arbeitsverträge 1. Rechtsgrundlagen 333,334 2. Abgrenzung zur Befristung 335-337 3. Entsprechende Anwendung des $ 4 Abs 2 TzBfG 338 bb)

§ 15

§ 16

S 17

$ $ S S

18 19 20 21

Beendigung des Dienstverhältnisses

S 620

I. Grundlagen des Befristungsrechts seit dem 1. Januar 2 0 0 1 Rn 4. Entsprechende Anwendung des $ 14 Abs 1 und 4 339,340 a) Sachgrund Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung 341 aa) Berufsunfähigkeit 342-346 bb) Erwerbsunfähigkeit 347-349 b) Erlaubnisvorbehalte 350 c) Anderweiter Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit 351 5. Entsprechende Anwendung des S 15 Abs 2, 3 und 5 a) Auslauffrist 352 b) Kündigung 353 c) Fiktion des s 15 Abs 5 354 6. Entsprechende Anwendung der $$ 16 bis 20 355 S 22 Abweichende Vereinbarungen 1. Grundsätze 356,357 2. Einschränkung des Befristungsschutzes zu Lasten des Arbeitnehmers 358 3. Erweiterung des Befristungsschutzes zu Gunsten des Arbeitnehmers 359 a) Sachgrund nach 5 14 Abs 1 TzBfG . . . 360 b) Sachgrundlose Befristungen, S 14 Abs 2 und Abs 3 TzBfG 361 c) Formvorschriften, § 14 Abs 4 TzBfG . . 362 d) Ende des befristeten Arbeitsvertrags, J 15 TzBfG 363, 364 e) Anrufung des Arbeitsgerichts 365 S 23 Besondere gesetzliche Regelungen 366 IV. Befristungen nach dem Hochschulrahmengesetz und dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal in Forschungseinrichtungen 1. Einführung a) Neuer Gesetzesentwurf 367 b) Rechtslage ab 1985 367a 2. Die Befristung von Arbeitsverträgen nach S 57a HRG a) Personenkreis 373 b) Arten der Befristung 374 c) Verhältnis zu den anderen Regelungen aa) Befristungskontrolle nach dem TzBfG 375 bb) Sachgrundlose Befristungen . . . 376 cc) Tarifverträge 377 3. Sachliche Gründe für die Befristung nach S 57b HRG

I.

Rn a) Grundsätze des $ 57b Abs 1 378 b) Die Befristungsgründe nach $ 57b Abs 2 HRG aa) Weiterbildung (Nr 1) 379-382 bb) Haushalt (Nr 2) 383-385 cc) Erwerb und Einbringung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Nr 3) 386-388 dd) Drittmittelfinanzierung (Nr 4) . . 389-393 ee) Erstvertrag (Nr 5) 394-398 c) Die Befristung nach $ 57b Abs 3 HRG . 3 9 9 - 4 0 4 d) Befristungen bei wissenschaftlichen Hilfskräften (Abs 4) 405-408 e) Angabe des Befristungsgrundes (Abs 5) 406 f) Einstellungsgrenze (Abs 6) 409 4. Dauer der Befristung nach $ 57c HRG a) Grandsatz 410 b) Höchstgrenze für Verträge mit wissenschaftlichen Mitarbeitern 411-414 c) Ausnahme bei Promotionsvorbereitung nach $ 57c Abs 3 HRG 415 d) Ärzte in der Weiterbildung aa) In der Hochschule und staatlichen Forschungseinrichtungen 416—418 bb) Außerhalb der Hochschule . . . . 419 e) Wissenschaftliche Hilfskräfte (Abs 5 ) . . 420 f) Nicht anrechenbare Zeiten 421-423 5. Kündigung der Drittmittelverträge nach S 57d HRG 424-426 6. Privatdienstvertrag nach $ 57e HRG . . . . 4 2 7 - 4 2 9 V. Gesetzliche Sonderregelungen im AÜG und im BErzGG 430 § 9 AÜG Unwirksamkeit 1. Grundsätze 431 2. Erstbefristung 432,433 3. Wiederholte Befristungen 434-437 § 21 BErzGG 1. Norminhalt 438 2. Verhältnis zu anderen gesetzlichen Vorschriften 439,440 3. Befristungsvoraussetzungen 441—443 4. Befristungsdauer 444 5. Zweckbefristung und Bedingung 445 VI. Die Mitwirkung und Mitbestimmung von Betriebsrat und Personalrat 1. Die Mitwirkung des Betriebsrats 446,447 2. Die Mitwirkung des Personalrats 448-452

Grundlagen des Befristungsrechts seit dem 1. Januar 2001

Die Vorschriften des § 620 BGB galten wie alle Bestimmungen des Sechsten Titels im Siebten Abschnitt des Zweiten Buches des Bürgerlichen Gesetzbuchs ($$ 611 bis 630 BGB) seit der Verabschiedung des BGB und trotz der Entwicklung eines selbständigen Rechts der abhängigen Arbeit nicht nur für den gesetzlich genannten Dienstvertrag, sondern auch für dessen wichtigste Fallgruppe, den Arbeitsvertrag. § 620 BGB blieb Anknüpfungspunkt für ein sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelndes Sondergebiet im Arbeitsrecht, das Recht des befristeten Arbeitsvertrags und seiner gerichtlichen Kontrolle.

1

Das gilt seit dem 1. Januar 2001 nicht mehr. In dem durch Art 2 Nr 2 des „Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen" vom 21. Dezember 2000 1 eingefügten S 620 Abs 3 BGB findet $ 620 Abs 1 und Abs 2 BGB fortan nur für

2

1 BGBl 1 1 9 6 6 (das Gesetz beruht auf einem Referentenentwurf vom 5. September 2 0 0 0 - m a 4 / I I I a l - 3 1 3 2 5 - der bereits am 2 5 . September 2 0 0 0 m i t Änderungen von der Bundesregierung in die parlamentarischen Beratungen Hans-Jürgen Dörner

eingebracht wurde - BT-Drs 1 4 / 4 3 7 4 . Die Änderungsempfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung datieren vom 15. November 2 0 0 0 - BT-Drs 14/ 4625). 545

S 620 Beendigung des Dienstverhältnisses Erster Abschnitt Befristete Arbeitsverträge

Dienstverträge Anwendung, die keine Arbeitsverträge sind. Für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit geschlossen worden sind, gilt seit dieser Zeit das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG). 2 Die Aussage betrifft aber nur das Verhältnis von $ 620 Abs 1 und Abs 2 BGB zum TzBfG. 3 Die von der Anfügung des $ 620 Abs 3 BGB nicht betroffenen gesetzlichen Befristungstatbestände zB des HRG und des BErzGG sind weiterhin anwendbar.4 3

Das TzBfG ist der vorläufige Abschluß einer Rechtsentwicklung, die zunächst durch die Rechtsprechung des BAG (die Anfänge finden sich sogar in Urteilen des Reichsarbeitsgerichts)5 und begleitende Gesetzgebung des Bundesgesetzgebers insbesondere in den letzten 20 Jahren des vergangenen Jahrhunderts geprägt ist. Das neue Gesetz hat das vorhergehende Richter- und Gesetzesrecht aufgenommen. Der Gesetzgeber des Jahres 2000 hat dabei teilweise bestehende gesetzliche Regelungen zB aus dem Beschäftigungsförderungsgesetz verändert, andere unverändert gelassen wie zB die Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes (siehe aber die Änderungen durch das HRG 2001, Rn 367) und schließlich einige Grundsätze und Aussagen des BAG erstmals in Normen gefaßt wie zB in § 14 Abs 1 TzBfG 6 mit der Aufzählung der Sachgründe. Das zwingt zur Beachtung der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage, die wiederum nur aus ihrer historischen Entwicklung verständlich ist.

II.

Entwicklung des Befristungsrechts

1.

Die Entwicklung des Befristungskontrollrechts in der Rechtsprechung

a)

Das Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Kündigungsschutzrecht

4

Die Vorschriften des $ 620 BGB standen für das Arbeitsverhältnis spätestens seit der Schaffung eines sozialstaatlichen Arbeitnehmerschutzrechts nach dem 2. Weltkrieg in Form eines allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzrechts (Kündigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Schwerbehindertengesetz, Arbeitsplatzschutzgesetz ua) in einem Spannungsverhältnis zu den Kündigungsschutzbestimmungen, die den sozialen Bestandsschutz ausmachen. Die den Gedanken der Vertragsfreiheit verkörpernde Berechtigung, befristete Dienstverträge abzuschließen, war damit nicht in Einklang zu bringen, weil die eine Kündigung erschwerenden Vorschriften der genannten Gesetze bei der Beendigung durch Zeitablauf nicht eingreifen konnten. Aber auch der bescheidene Kündigungsschutz, den das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 gebracht hatte, vertrug sich mit der sofortigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf oder Zweckerreichung nicht. Bemühungen vor 1945, gesetzliche Beschränkungen für Zeitverträge in Arbeitsvertragsgesetze zu übernehmen, scheiterten (vgl § 154 des Entwurfs eines Allgemeinen Arbeitsvertragsgesetzes von 1923 und die $$ 3 1 - 3 4 des Entwurfs über das Arbeitsverhältnis von 1938, aufgestellt vom Arbeitsrechtsausschuß der Akademie des Deutschen Rechts). Es blieb der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts (siehe unten Rn 6 f) überlassen, das Spannungsverhältnis im Einzelfall aufzulösen.

5

Diese Situation veränderte sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Das Bedürfnis zu einer verträglichen Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Vertragsfreiheit und sozialem Kündigungsschutz war wegen des verbesserten und verfeinerten gesetzlichen Kündigungsschutzes noch stärker geworden. Trotzdem überließ es der Gesetzgeber der Rechtsprechung/ Regeln zu finden, den auch grundgesetzlich abgesicherten Positionen8 der Vertragsparteien gerecht zu werden. Spätere Versuche, die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse allgemein in einem Arbeitsgesetzbuch zu normieren, scheiterten bisher wie alle vormaligen Versuche, das Arbeitsvertragsrecht zu kodifizieren. Neuere gesetzliche Regelungen für bestimmte Teilbereiche wie im Hochschulrahmengesetz, im 2 Art 1 des Gesetzes vom 21.12. 2000. 3 Trotz dieser auf die Zeitbefristung zugeschnittenen Formulierung kommt das TzBfG künftig auch bei zweckbefristeten Arbeitsverträgen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung zur Anwendung. 4 Dazu siehe Rn 367-445. 5 Einzelheiten bei Rn 6.

546

Hans-Jürgen Dörner

6 Paragraphen ohne Gesetzesbezeichnung sind künftig solche des TzBfG. 7 Verschlüsselter Hinweis in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kündigungsschutzgesetz, RdA 51 63. 8 Dazu ausführlich BAG 2 5 . 2 . 9 8 - 7 AZR 641/96 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr 11 und 1 1 . 3 . 9 8 - 7 AZR 700/96 - AP TVG $ 1 Tarifverträge: Luftfahrt Nr 12.

Beendigung des Dienstverhältnisses § 620 II. Entwicklung des Befristungsrechts

Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Forschungseinrichtungen und im Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung sowie ferner zeitlich eingeschränkt nach den Beschäftigungsförderungsgesetzen 1985, 1990 und 1996 fanden für ihren Geltungsbereich eine gesetzliche Lösung unterhalb der von der Rechtsprechung des BAG entwickelten und damit inzidenter anerkannten Grenzen. Sie führten aber noch zu keiner umfassenden Lösung. Im einzelnen ist folgende Entwicklung festzuhalten: b)

Die Lösungsversuche des Reichsarbeitsgerichts

Das Reichsarbeitsgericht hat alsbald nach seiner Errichtung ein einmalig befristetes Arbeitsverhältnis 6 für wirksam gehalten.9 Den Gesichtspunkt einer Gesetzesumgehung (dort $ 17 SchwBeschG idF vom 12. Januar 1923) hat es nicht geprüft. Danach wurde das Reichsarbeitsgericht vielfach mit mehreren zeitlich nacheinander und unmittelbar aneinander anschließenden befristeten Arbeitsverhältnissen sogenannten Kettenarbeitsverträgen - konfrontiert.10 Im Mittelpunkt dieser Entscheidungen stand das Problem der Wiederholbarkeit von befristeten Arbeitsverträgen, weniger die Frage der Rechtfertigung einer Befristung. Dabei entwickelte das Reichsarbeitsgericht die Theorie von der subjektiven Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften. 11 Danach waren die in Kettenarbeitsverträgen enthaltenen Befristungsabreden unwirksam, wenn der Arbeitgeber die Absicht gehabt hatte, den Schutz zu umgehen, den gesetzliche Kündigungsvorschriften gewährten. Später benutzte das Reichsarbeitsgericht die Verletzung einer nicht näher bezeichneten Fürsorgepflicht zur Begründung dieses Ergebnisses. Das seinerzeitige Schrifttum billigte die Rechtsprechung weitgehend.12 Kritisch wurde lediglich die 7 Subsumtion im Einzelfall betrachtet.13 c)

Die Rechtsprechung des BAG

aa)

bis 1960

Die Rechtsprechung des BAG läßt sich nach zwei zeitlichen Abschnitten darstellen. In den Urteilen der 8 50er Jahre wird die Auffassung des Reichsarbeitsgerichts nur noch referiert, zugleich aber ausgesprochen, daß „es nicht angehe, im Fall der aneinandergereihten befristeten Arbeitsverträge den Gedanken des Bestandsschutzes, der dem Arbeitnehmer im Kündigungsschutzgesetz gegenüber Kündigungen gewährt wird, grundsätzlich außer acht zu lassen und nur im Fall der Umgehungsabsicht oder bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht Schutz zu gewähren".14 Nach dem so fast unbemerkt vollzogenen Abschied von der subjektiven Umgehung wurden noch recht diffus Gesichtspunkte wie Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz des Bestandsschutzes, die fehlende (wirtschaftliche) Vertragsparität und die Haltung des verständigen Arbeitgebers, aber auch erstmals der sachliche Grund (besondere Gründe) als Abgrenzungskriterien genannt.15 Zu Recht sind diese Maßstäbe später weitgehend als zu unbestimmt und damit unpraktikabel bezeichnet worden.16 bb)

ab 1960

Eine Zäsur in der Beurteilung befristeter Arbeitsverhältnisse durch die höchstrichterliche Rechtspre- 9 chung bildet der Beschluß des Großen Senats des BAG vom 12. Oktober I960, 1 7 nach dessen Grundsätzen das BAG eine nicht unter die gesetzlichen Neuregelungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts oder 9 RAG ARS 2 171. 10 RAG ARS 3 3; zuletzt ARS 32 174. 11 Zweifelnd MünchKomm/Scftwerdmer' $ 620 Rn 13. 12 A. Hueck Anm zu RAG ARS 4 360, iers in Hueck/ Nipperdey/Dietz, AOG, Vorbem $ 56 Rn 5; Molitor Die Kündigung, 1935,126; ders noch in der 2. Aufl 1951,167. 13 Dersch Anm ARS 16 70. 14 BAG 2 1 . 1 0 . 5 4 - 2 AZR 25/53 - AP KSchG S 1 Nr 7 (A. Hueck). Hans-Jürgen Dörner

15 BAG 2 1 . 1 0 . 5 4 - 2 AZR 25/53 - AP KSchG $ 1 Nr 7 (A. Hueck); erstmals Entscheidung zu einer einmaligen Befristung BAG 12.5.55 - 2 AZR 23/54 - AP BGB $ 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 2; zuletzt BAG 6.10.60 2 AZR 153/59 - AP BGB $ 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr 15. 16 KR/Hillebrechfi $ 620 Rn 74. 17 BAG 12.10.60 - GS 1/59 - AP BGB $ 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr 16.

547

S 620 Beendigung des Dienstverhältnisses Erster Abschnitt Befristete Arbeitsverträge

unter tarifliche Besonderheiten fallende Befristung bis zum 31. Dezember 2000 überprüft hat, 18 mag es auch in Detailfragen Abweichungen und Schwankungen gegeben haben. Danach galten für die Kontrolle befristeter Arbeitsverträge folgende Grundregeln: (1)

Objektive Gesetzesumgehung

1 0 Die Wirksamkeit der befristeten Arbeitsverträge war nach dem Tatbestand der Gesetzesumgehung von Kündigungsschutzvorschriften zu beurteilen. Denn es ging bei der Lösung des Problems darum, ob die Vertragspartner die rechtlich anerkannte Rechtsform des befristeten Arbeitsvertrags, die auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit beruht, anwenden durften, wenn sie dadurch zwingende Bestimmungen des Kündigungsrechts umgingen. 1 1 Eine Gesetzesumgehung lag dann vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm des Kündigungsschutzrechts dadurch vereitelt wurde, daß andere rechtlich statthafte Gestaltungsmöglichkeiten mißbräuchlich verwendet wurden. Der Sinn und Zweck der zwingenden Rechtsnormen des Kündigungsschutzes erforderte es, befristete Arbeitsverträge daraufhin zu prüfen, ob sie eine Umgehung dieses Schutzes bedeuteten. Dabei kam es nicht auf eine Umgehungsabsicht oder eine bewußte Mißachtung des zwingenden Rechtsschutzes an. Entscheidend war die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Denn die Autorität der Rechtsordnung forderte es, zwingende Regeln gegen auch nur objektiv zuwiderlaufende Vereinbarungen durchzusetzen, selbst wenn diese den Schein des Rechts wahrten. Bei der Prüfung nach einer Gesetzesumgehung der Befristungsvereinbarung waren die unverzichtbaren Bestimmungen des Kündigungsrechts auf ihren Zweckgehalt zu prüfen. Es handelte sich in erster Linie um die besonders wichtige Regelung des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz, aber auch um den gesetzlichen Kündigungsschutz besonderer Personengruppen wie der Schwerbeschädigten (Schwerbehinderten), der werdenden Mütter, der Betriebsratsmitglieder usw. Ferner gehörten dazu auch die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über Mindestkündigungsfristen und die durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelten unabdingbaren Bestimmungen eines Kündigungsschutzes. (2)

Sachgrund

1 2 Andererseits waren befristete Arbeitsverträge nicht generell unzulässig. Sie mußten aber „im Gefüge der Grundprinzipien des deutschen Arbeitsrechts einen verständigen, die Befristung sachlich rechtfertigenden Grund haben". Die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse der Parteien oder jedenfalls einer Partei mußten für die Verträge sprechen. Sie mußten ihre sachliche Rechtfertigung in sich tragen, so daß sie mit Recht und aus gutem Grund von den Kündigungsschutzvorschriften nicht betroffen wurden. Fehlte es dagegen an sachlichen Gründen für die Befristung oder waren solche nur vorgeschoben, so fehlte ein schutzwertes Interesse für den Abschluß dieser Verträge. Dann trat die objektive Funktionswidrigkeit des Vertrags zutage, weil er den Arbeitnehmer des Bestandsschutzes für sein Arbeitsverhältnis beraubte. Der Tatbestand der Umgehung des Gesetzes war gegeben. Der befristete Arbeitsvertrag war dann als ein Mißbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten anzusehen. 1 3 Als sachliche Gründe, die eine Befristung rechtfertigen können, führte der Große Senat des BAG19 beispielhaft an Arbeitsverträge zur Probe, Aushilfsarbeitsverträge, Arbeitsverträge im Saisongewerbe, Verträge im Baugewerbe, Verträge mit Künstlern und Verträge, in denen auf besonderen Wunsch des Arbeitnehmers eine Befristung vereinbart wurde. Weiter stellte der Große Senat auf die Frage der Üblichkeit im Arbeitsleben ab und legte darauf Gewicht, was verständige und verantwortungsbewußte Parteien zu vereinbaren pflegen.

18 BAG 29.9.99 - 7 AZR 205/98 - RzK I 9c Nr 33; 15.4.99 - 7 AZR 734/97 - AP BAT $ 2 SR 2y Nr 18.

548

Hans-Jürgen Dörner

19 BAG 12.10.60 - GS 1/59 - AP BGB $ 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr 16.

Beendigung des Dienstverhältnisses $ 620 Q. Entwicklung des Befristungsrechts (3)

Darlegungslast

Grundsätzlich war nach Auffassung des Großen Senats der Arbeitnehmer dafür darlegungs- und beweispflichtig, daß für den Abschluß des befristeten Arbeitsvertrags keine sachlich vernünftigen

14

Gründe vorgelegen hatten oder daß solche Gründe nur vorgeschoben waren. Die Gesetzesumgehung sei zwar von den Gerichten ohne weiteres zu beachten, wenn sie sich aus dem gegebenen Sachverhalt ergebe. Zunächst spreche aber eine Vermutung für die Rechtswirksamkeit von befristeten Arbeitsverträgen. Diese sei nur dann in Frage gestellt, wenn keine sachlichen Gründe für die Befristung vorgelegen haben. Diese grundsätzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Schloß jedoch nicht aus, daß sich die Beweisführungslast nach Lage des jeweiligen Falles dahin ändern konnte, daß der Arbeitgeber seinerseits das Vorbringen des Klägers, das dem ersten Anschein noch zutreffend ist, durch Gegendarlegungen und Gegenbeweise zu entkräften hat. (4)

Zeitpunkt

Als maßgebend für die Prüfung der Gesetzesumgehung, dh ob ein Sachgrund für die Befristung vorgelegen hat, hat der Große Senat des BAG den Zeitpunkt der Vereinbarung des befristeten Arbeitsverhältnisses angenommen. Das gilt bis heute. Nachträglich eingetretene Ereignisse wie zB eine Schwangerschaft können dem Arbeitgeber das einmal einwandfrei entstandene Recht nicht nehmen, sich auf eine Befristung des Arbeitsvertrags zu berufen. Das gebietet auch nicht die nachwirkende Fürsorgepflicht. Liegt daher ein rechtswirksam befristeter Arbeitsvertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor, so endet dieser mit seinem Zeitablauf, auch wenn die Arbeitnehmerin zwischenzeitlich schwanger geworden ist. (5)

Rechtsfolgen

Die Gesetzesumgehung führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrags überhaupt. Es handelt sich bei den umgangenen Kündigungsbestimmungen um Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer. Ihr Zweck und damit die Vereitelung der Umgehung wird dadurch erreicht, daß die umgangene Norm auf den Arbeitsvertrag Anwendung findet, dh daß anstelle des befristeten Arbeitsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis auf u n b e s t i m m t e Dauer tritt. Dabei ist es im Grundsatz auch nach Verabschiedung des TzBfG verblieben (unten Rn 296 ff). cc)

15

16

Die S t e l l u n g n a h m e des Schrifttums

Der Große Senat des BAG hatte für seine Theorie von der objektiven Gesetzesumgehung im Schrifttum i m Ergebnis Z u s t i m m u n g erfahren, 2 0 wenn auch vielfach andere dogmatische Lösungen gesucht wurden wie die teleologische Reduktion des § 6 2 0 , 2 1 die analoge Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes 2 2 oder eine Billigkeitskontrolle nach $ 3 1 5 . 2 3

17

Diese Auffassungen setzten sich in der Rechtsprechung nicht durch. Die hohe Akzeptanz der Grund-

18

satzentscheidung des Großen Senats vom 12. Oktober 1960 in der gerichtlichen Praxis rechtfertigte die Beibehaltung des dort gefundenen dogmatischen Ansatzes und die daraus folgenden grundsätzlichen Erwägungen. An dieser Auffassung hielt die Rechtsprechung zu Recht auch fest, als zu erkennen war, daß die Ausgestaltung der Grundsätze manchen Schwankungen unterworfen war und in einigen Teilbereichen eine Abkehr von Einzelaussagen des Großen Senats nicht zu vermeiden war (vgl zB Rn 9 4 ff und 150 ff).

20 APS /Backhaus $ 620 BGB Rn 51; Staudinger/Preis14 $ 620 Rn 9 ff; MünchKomm/Scftwerdiner3 $ 620 Rn 18 ff, KBK3 Rn 34-40, Schaub* S 39 I 3; enger Frohner/Pieper ArbuR 92 97; vgl auch die Aufstellung des Schrifttums bei Bickel JuS 87 861 und in dessen Anm AP BGB $ 620

Hans-Jürgen Dörner

BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr 8 sowie bei APS /Backhaus S 620 BGB Rn 47 ff. 21 ErfK/Mäller-Glöge2 $ 620 BGB Rn 37 f mwN. 22 Blomeyer RdA 67 406; Koch BB 78 1218. 23 Eich DB 78 1785; Säcker RdA 76 96; Söllner SAE 66 255.

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S 620 Beendigung des Dienstverhältnisses Erster Abschnitt Befristete Arbeitsverträge d) 19

Neue Rechtsprechung z u r B e d e u t u n g der Grundrechte

Wie sehr die Rechtsprechung zur Befristung einer ständigen Anpassung an moderne Entwicklungen im Tatsächlichen wie im Rechtlichen unterworfen war, zeigte die Rechtsprechung des Siebten Senats Ende der 90er Jahre, mit der er sein Verständnis vom Verhältnis der Befristungskontrolle zu den Grundrechten der betroffenen Vertragsparteien und Tarifvertragsparteien neu definierte. 2 4

20

Alle Vereinbarungen und Normen, die eine Befristung des Arbeitsvertrags und damit den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben, beschränken den Arbeitnehmern in seinen grundrechtlich verbürgten Freiheiten, vorrangig in seinem Recht auf die arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit 2 5 nach Art 12 Abs 1 GG. Andererseits sind auch grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber aus Art 2, Art 12 und Art 14 in der Form einer Freiheitsbeschränkung betroffen. Das gilt für Einzelverträge ebenso wie für Normen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Jahrelang war diese Erkenntnis rechtlich und sozialpolitisch vernachlässigt. Erst die Diskussion um die Zulässigkeit von Altersgrenzen bei Vollendung des 65. Lebensjahrs und zu einem früheren Zeitpunkt, ausgelöst durch die Fassung des § 41 Abs 3 SGB VI durch das Rentenreformgesetz 1992, schärfte den Blick für die verfassungsrechtlichen Auswirkungen jeglicher Befristungsregeln. 2 6

21

Auch das BAG nahm nach langjähriger Umgehung des Problems die Auseinandersetzung um die einfach-rechtliche Wirksamkeit von Altersgrenzen erstmals zum Anlaß, die verfassungsrechtliche Bedeutung seiner Rechtsprechung näher zu untersuchen und nicht im Ergebnis, wohl aber in der Begründung der gewandelten verfassungsrechtlichen Vorstellung von den Aufgaben des Zivilrechts gegenüber den Freiheitsrechten der Bürger anzupassen. Das BAG verstand seither die bis damals gesetzlich nur fragmentarisch geregelte arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle als eine Maßnahme zur Ausübung grundrechtlicher Schutzpflichten mit den Mitteln des Zivilrechts. 2 7 Mit der Überprüfung befristeter Arbeitsverträge kamen die staatlichen Gerichte ihren Pflichten als Grundrechtsadressaten nach Art 1 Abs 3 GG nach, indem sie den unbestimmten Rechtsbegriff des sachlichen Grunds so konkretisieren, daß die grundrechtlichen Belange der beteiligten Vertragsparteien im Wege praktischer Konkordanz zu einem Ausgleich geführt werden. Das führte dazu, daß die verfassungsrechtlichen Belange in die Sachgrundprüfung integriert wurden mit der weiteren Folge, daß mit dem Vorliegen eines Sachgrunds zugleich eine Verletzung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers verneint wird. Umgekehrt kann der Arbeitgeber keine Beschränkung seiner grundrechtlichen Positionen aus Art 2 Abs 1, Art 12 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG reklamieren, wenn das Fehlen eines Sachgrunds bemängelt wird. Denn seine aus den Grundrechten abgeleiteten Interessen wurden in die einfach-rechtliche Bewertung eingestellt. 2 8

22

Diesen Ansatz verfolgte das BAG auch bei Tarifnormen, die Befristungstatbestände enthalten. 2 9 Auch hier verzichtete der Siebte Senat darauf, Normen über Altersgrenzen wie hoheitliche Eingriffe in die Berufswahlfreiheit zu kontrollieren. Dazu bedurfte es allerdings noch einer zusätzlichen Begründung, die sich mit dem Verhältnis der Tarifnormen zu den Freiheitsrechten des Grundgesetzes auseinandersetzte (dazu unten Rn 170 ff).

24 Das Thema behandeln ausführlich zwei arbeitsrechtliche Verfassungsrechtler: Dieterich FS Schaub, 117 und Söllner NZA 96 897. 25 BVerfG 27.1.98 - 1 BvL 15/87 - AP KSchG 1969 $ 23 Nr 17 (Kleinbetriebsklausel); 24.4.91 - 1 BvR 1341/90 AP GG Art 12 Nr 70 (Warteschleife). 26 Boeckeη Gutachten zum 62. DJT mit vielen Nachweisen; Schmidt FS Dieterich, 585; vgl auch Frohner/Pteper ArbuR 92 97 mit einem an der praktischen Konkordanz

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Hans-Jürgen Dörner

des BVerfG orientierten, inzwischen überholten Formulierungsvorschlag an den Gesetzgeber zu § 620 BGB. 27 BAG 11.6.97 - 7 AZR 186/96 - AP SGB VI $ 41 Nr 7; ebenso APS/Backhaus $620 BGB Rn52; BBDW/Baer 13 und 14 entsprechende Anwendung. (2) Für die Amtszeit der Vertrauensperson und der sie stellvertretenden Personen gelten die SS 15 bis 18 entsprechend. (3) Wahlberechtigt sind alle in der Dienststelle beschäftigten Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. (4) Für die Wählbarkeit gilt $ 10 entsprechend. S 51 Aufgaben der Vertrauensperson der Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (1) Die Vertrauensperson hat die Eingliederung Schwerbehinderter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Dienststelle zu fördern, ihre Interessen in der Dienststelle zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen. Sie hat vor allem a) darüber zu wachen, daß die zugunsten der Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Dienststelle geltenden Rechtsvorschriften, Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen eingehalten werden, b) Maßnahmen, die den Schwerbehinderten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dienen, bei den zuständigen Stellen zu beantragen, 1072

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

Kirchenarbeitsrecht $ 630 Anhang 2. MVG-EKD, Regelungsschwerpunkte

c) Anregungen und Beschwerden von Schwerbehinderten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit der Dienststellenleitung auf Erledigung hinzuwirken, wobei sie die Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten hat. (2) In Dienststellen mit in der Regel mindestens 300 Schwerbehinderten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kann die Vertrauensperson nach Unterrichtung der Dienststellenleitung die mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Person zu bestimmten Aufgaben heranziehen. (3) Die Vertrauensperson ist von der Dienststellenleitung in allen Angelegenheiten, die einzelne Schwerbehinderte oder die Schwerbehinderten als Gruppe berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören, die getroffene Entscheidung ist der Vertrauensperson unverzüglich mitzuteilen. (4) Schwerbehinderte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben das Recht, bei Einsicht in die über sie geführten Personalakten die Vertrauensperson hinzuzuziehen. (5) Die Vertrauensperson hat das Recht, an allen Sitzungen der Mitarbeitervertretung beratend teilzunehmen. Erachtet sie einen Beschluß der Mitarbeitervertretung als erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, so ist auf ihren Antrag der Beschluß auf die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlußfassung an auszusetzen. Die Aussetzung hat keine Verlängerung einer Frist zur Folge. (6) Die Vertrauensperson hat das Recht, mindestens einmal im Jahr eine Versammlung der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Dienststelle durchzuführen. Die für die Mitarbeiterversammlung geltenden Vorschriften der SS 3 1 und 32 gelten dabei entsprechend. S 52 Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauensperson der Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (1) Für die Rechtsstellung der Vertrauensperson der Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gelten die SS bis 22 entsprechend. (2) Die Räume und der Geschäftsbedarf, die der Mitarbeitervertretung für deren Sitzungen, Sprechstunden und laufende Geschäftsführung zur Verfügung gestellt werden, stehen für die gleichen Zwecke auch der Vertrauensperson offen, soweit ihr hierfür nicht eigene Räume und Geschäftsbedarf zur Verfügung gestellt werden. S 53 Vertrauensmann der Zivildienstleistenden In Dienststellen, in denen nach S 37 des Zivildienstgesetzes in Verbindung mit S 2 Absatz 1 des Zivildienstvertrauensmanngesetzes ein Vertrauensmann der Zivildienstleistenden zu wählen ist, hat dieser das Recht, an den Sitzungen der Mitarbeitervertretung beratend teilzunehmen, soweit sie Angelegenheiten der Zivildienstleistenden betreffen. k)

Gesamtausschuß der Mitarbeitervertretung

210

X. Abschnitt Gesamtausschuß der Mitarbeitervertretungen S 54 Bildung von Gesamtausschüssen (1) Die Gliedkirchen können in ihren Regelungen vorsehen, daß für den Bereich einer Gliedkirche, des jeweiligen Diakonischen Werks oder für beide Bereiche gemeinsam ein Gesamtausschuß der Mitarbeitervertretungen im kirchlichen und diakonischen Bereich gebildet wird. Einzelheiten über Aufgaben, Bildung und Zusammensetzung des Gesamtausschusses regeln die Gliedkirchen. (2) Für die Gesamtausschüsse gelten im übrigen die Bestimmungen dieses Kirchengesetzes mit Ausnahme des S 20 sinngemäß.

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

S 55 Aufgaben des Gesamtausschusses (1) Dem Gesamtausschuß sollen insbesondere folgende Aufgaben zugewiesen werden: a) Beratung, Unterstützung und Information der Mitarbeitervertretungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, Rechte und Pflichten, b) Förderung des Informations- und Erfahrungsaustausche zwischen den Mitarbeitervertretungen sowie Förderung der Fortbildung von Mitgliedern der Mitarbeitervertretungen, c) Erörterung arbeits-, dienst- und mitarbeitervertretungsrechtlicher Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, sofern hierfür nicht andere Stellen zuständig sind. (2) Sofern der Gesamtausschuß an der Bildung der Arbeitsrechtlichen Kommission beteiligt ist, kann er Stellungnahmen zu beabsichtigten Neuregelungen des kirchlichen Arbeitsrechts abgeben. 2 1 1 1)

Der Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche

In Streitigkeiten des Mitarbeitervertretungsrechts ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht eröffnet. 308 Dies folgt bereits aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gem Art 140 GG/137 Abs 3 WRV. Damit wird zum einen der Tatsache Rechnung getragen, daß es sich beim Mitarbeitervertretungsrecht um Kirchenrecht handelt, 309 so daß die Kirchen befugt sind, eine eigene Rechtskontrolle durch entsprechende Institutionen vorzunehmen. Zum anderen wird der Status der Mitarbeitervertretung als kirchliches Amt berücksichtigt und damit das Selbstverwaltungsrecht im kirchlichen Ämterrecht beachtet.310 Dies wird bereits deutlich an der Exemtion des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts in $ 118 Abs 2 BetrVG und in $ 112 BPersVG. Folgerichtig wird das kollektive kirchliche Arbeitsrecht in der Enumeration der Rechtsmaterien, für die die staatlichen Arbeitsgerichte zuständig sind, in S 2a ArbGG nicht aufgeführt. „Für Streitigkeiten zwischen einer Mitarbeitervertretung nach dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht und dem Arbeitgeber . . . ist die Gerichtsbarkeit der staatlichen Gerichte zumindest dann nicht gegeben, wenn über solche Streitigkeiten eine Schlichtungsstelle entscheidet, die den Mindestanforderungen an ein Gericht entspricht". 311 Die kirchlichen Schlichtungsstellen genügen den Mindestanforderungen, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen an ein Gericht zu stellen sind. Die persönliche und sachliche Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit sowie die Befähigung zu rechtsstaatsgemäßer Rechtsprechung folgt aus den Voraussetzungen, die die kirchlichen Rechtsnormen an die Mitglieder der Schlichtungsstellen bzw, in der zweiten Instanz in der evangelischen Kirche, an die Mitglieder des VG für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD stellen. 312 . 313 2 1 2 Gem §$ 56 ff MVG-EKD sind erstinstanzlich Schlichtungsstellen in der in $ 60 aufgeführten Weise zuständig. Kernstück ist die in § 60 Abs 1 normierte Generalklausel, wonach die Schlichtungsstelle über alle Streitigkeiten entscheidet, die sich aus der Anwendung des MVG-EKD zwischen den jeweils Beteiligten ergeben. Mit Wirkung vom 1. Januar 1994 ist durch das KG über das Verwaltungsgericht für

308 So einhellig die Literatur (für alle: Richarii HdbStKirchR II, 927, 955) und die höchstrichterliche Rechtsprechung: BAG 1 1 . 3 . 8 6 - 1 ABR 26/84 - AP Art 140 GG Nr 25 = ZevKR 32 (1987) 88 ff; 2 5 . 4 . 8 9 - 1 ABR 88/87 - AP Art 140 GG Nr 34 = ZevKR 34 (1989) 456 ff; 9 . 9 . 9 2 - 5 AZR 456/91 - AP Art 140 GG Nr 40 = ZevKR 38 (1993) 474 ff. Auf die ausführliche Auseinandersetzung mit der Literatur in den jeweiligen Entscheidungsbegründungen des BAG kann hier verwiesen werden. So auch kirchlicherseits entschieden durch VG für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD, Beschluß vom 3 0 . 1 . 9 7 - 0124//A 1 3 - 9 6 - , RsprB ABl EKD 98 29 ff, 30. 1074

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

309 S nur Richardi eb, 955 ff. 310 Dazu BAG AP Art 140 GG Nr 25. 311 Amtlicher Leitsatz zu BAG AP Art 140 GG Nr 34. Dazu zuletzt Eder Kirchengerichtliche und arbeitsrechtliche Verfahren gegen Diözesanbischöfe im Bereich des Dritten Weges, KuR 99 10. 312 S dazu u $$ 58 Abs 2, 59 Abs 1 S 1 MVG-EKD und $$ 2, 5 Abs 3 , 6 Abs 1 KG über das VG für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD (Verwaltungsgerichtsgesetz - VGG-EKD), abgedruckt ab S 1120. 313 Zu Besonderheiten hinsichtlich des Rechtsschutzes im kollektiven kirchlichen Arbeitsrecht in der katholischen Kirche s unten Rn 240 f.

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 2. MVG-EKD, Regelungsschwerpunkte

mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD (Verwaltungsgerichtsgesetz - VGG-EKD)314 eine Rechtsmittelinstanz errichtet worden.315 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus $ 63 MVG-EKD. Seine Entscheidungen sind endgültig ($ 15 VGG). Für das Verfahren in beiden Instanzen des kirchlichen Rechtsschutzes im Mitarbeitervertretungsrecht in 2 1 3 der evangelischen Kirche sind im übrigen die Vorschriften der staatlichen VwGO (außer den Vorschriften über Zwangsmaßnahmen) für anwendbar erklärt worden (§ 62 MVG-EKD bzw S 16 VGG). Diese Verweisung ist umstritten.316 XI. Abschnitt Kirchlicher Rechtsschutz (Schlichtungsstelle, Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland) S 56 Rechtsschutz Zu gerichtlichen Entscheidungen sind die Schlichtungsstellen in erster Instanz und in zweiter Instanz das Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen. S 57 Bildung von Schlichtungsstellen (1) Für den Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihres Diakonischen Werks, einer Gliedkirche und des gliedkirchlichen Diakonischen Werks oder von mehreren Gliedkirchen und deren Diakonischen Werken gemeinsam sind Schlichtungsstellen zu bilden, die aus einer oder mehreren Kammern bestehen. (2) Durch Vereinbarungen mit Institutionen außerhalb des Geltungsbereichs dieses Kirchengesetzes kann bestimmt werden, daß eine Schlichtungsstelle für diese Institutionen zuständig ist, sofern die Institutionen die Bestimmungen dieses Kirchengesetzes oder Bestimmungen wesentlich gleichen Inhalts für ihren Bereich anwenden. S 58 Bildung und Zusammensetzung der Kammern (1) Eine Kammer besteht aus drei Mitgliedern. Die Gliedkirchen können andere Besetzungen vorsehen. Vorsitzende und beisitzende Mitglieder müssen zu kirchlichen Ämtern in einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland wählbar sein. Sofern die Schlichtungsstelle auch für Freikirchen zuständig ist, können auch deren Mitglieder berufen werden. Für jedes Mitglied wird mindestens ein stellvertretendes Mitglied berufen. (2) Vorsitzende sowie deren Stellvertreter und Stellvertreterinnen müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Sie dürfen nicht in öffentlich-rechtlichen Dienst- oder privatrechtlichen Dienstund Arbeitsverhältnissen zu einer kirchlichen Körperschaft oder einer Einrichtung der Diakonie innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland stehen. (3) Für die Berufung von Vorsitzenden und deren Stellvertretern oder Stellvertreterinnen soll ein einvernehmlicher Vorschlag der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite vorgelegt werden. (4) Für jede Kammer werden als beisitzende Mitglieder mindestens je ein Vertreter oder eine Vertreterin der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und ein Vertreter oder eine Vertreterin der Dienstgeber berufen; das gleiche gilt für die stellvertretenden Mitglieder. (5) Einzelheiten bestimmen der Rat für die Evangelische Kirche in Deutschland sowie die Gliedkirchen für ihre Bereiche.

314 Abgedruckt im Anhang an die Kommentierung, S 1120. 315 Aus der Literatur dazu: Gehring Das Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtiiche Streitigkeiten Heinrich Gehring/Christoph Thiele

der Evangelischen Kirche in Deutschland - seine Zuständigkeit und sein Verfahren, ZMV Sonderheft 98 43 ff. 316 Näheres hierzu s u Rn 280.

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

S 59 Rechtsstellung der Mitglieder der Schlichtungsstelle (1) Die Mitglieder der Schlichtungsstelle sind unabhängig und nur an das Gesetz und ihr Gewissen gebunden. Sie haben das Verständnis für den Auftrag der Kirche zu stärken und auf eine gute Zusammenarbeit hinzuwirken. Sie unterliegen der richterlichen Schweigepflicht. (2) Die Amtszeit der Mitglieder der Schlichtungsstelle beträgt fünf Jahre. Solange eine neue Besetzung nicht erfolgt ist, bleiben die bisherigen Mitglieder im Amt. (3) S 19 Absatz 1 bis 3, S 21 und S 22 Absatz 1 S 1 bis 3 und 5 sowie Absatz 2 gelten entsprechend. S 60 Zuständigkeit der Schlichtungsstelle (1) Die Schlichtungsstelle entscheidet auf Antrag unbeschadet der Rechte des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin über alle Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung dieses Kirchengesetzes zwischen den jeweils Beteiligten ergeben. (2) In den Fällen, in denen die Schlichtungsstelle wegen des Abschlusses von Dienstvereinbarungen angerufen wird (S 36), kann die Schlichtungsstelle nur einen Vermittlungsvorschlag unterbreiten. (3) In den Fällen der Mitberatung ($ 46) stellt die Schlichtungsstelle nur fest, ob die Beteiligung der Mitarbeitervertretung erfolgt ist. Ist die Beteiligung unterblieben, hat dies die Unwirksamkeit der Maßnahme zur Folge. (4) In den Fällen, die einem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht unterliegen (SS 42 und 43), hat die Schlichtungsstelle lediglich zu prüfen und festzustellen, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach S 41 vorliegt. Stellt die Schlichtungsstelle fest, daß fur die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung vorliegt, gilt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung als ersetzt. In den Fällen des S 42 entscheidet die Schlichtungsstelle abschließend. (5) In den Fällen der Mitbestimmung (SS 39 und 40) entscheidet die Schlichtungsstelle über die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle muß sich im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften sowie im Rahmen der Anträge von Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung halten. (6) In den Fällen der Nichteinigung über Initiativen der Mitarbeitervertretung (S 47 Absatz 2) stellt die Schlichtungsstelle fest, ob die Weigerung der Dienststellenleitung, die von der Mitarbeitervertretung beantragte Maßnahme zu vollziehen, rechtswidrig ist. Die Dienststellenleitung hat erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Schlichtungsstelle über den Antrag der Mitarbeitervertretung zu entscheiden. (7) Die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist verbindlich. Die Gliedkirchen können bestimmen, daß ein Aufsichtsorgan die Entscheidung der Schlichtungsstelle auch durch Ersatzvornahme durchsetzen kann, sofern die Dienststellenleitung die Umsetzung der Entscheidung verweigert. S 61 Durchführung der Schlichtung (1) Sofern keine besondere Frist für die Anrufung der Schlichtungsstelle festgelegt ist, beträgt die Frist zwei Monate nach Kenntnis einer Maßnahme oder eines Rechtsverstoßes im Sinne von S 60 Absatz 1. (2) Der oder die Vorsitzende der Kammer hat zunächst durch Verhandlungen mit den Beteiligten auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (Einigungsgespräch). Gelingt diese nicht, so ist die Kammer einzuberufen. Im Einvernehmen der Beteiligten kann der oder die Vorsitzende der Kammer allein entscheiden. (3) Das Einigungsgespräch findet unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. (4) Die Beteiligten können zu ihrem Beistand jeweils eine Person hinzuziehen, die Mitglied einer Kirche sein muß, die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehört. Die Übernahme der 1076

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 2. MVG-EKD, Regelungsschwerpunkte

hierdurch entstehenden Kosten ist zuvor bei der Dienststellenleitung zu beantragen. Im Streitfall entscheidet der oder die Vorsitzende der Kammer. (5) Der oder die Vorsitzende der Kammer kann den Beteiligten aufgeben, ihr Vorbringen schriftlich vorzubereiten und Beweise anzutreten. Die Kammer entscheidet aufgrund einer von dem oder der Vorsitzenden anberaumten, mündlichen Verhandlung, bei der alle Mitglieder der Kammer anwesend sein müssen. Die Kammer tagt öffentlich, sofern nicht nach Feststellung durch die Kammer besondere Gründe den Ausschluß der Öffentlichkeit erfordern. Der Mitarbeitervertretung und der Dienststellenleitung ist in der Verhandlung Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Die Kammer soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken. Im Einvernehmen mit den Beteiligten kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen und ein Beschluß im schriftlichen Verfahren gefaßt werden. (6) Die Kammer entscheidet durch Beschluß, der mit Stimmenmehrheit gefaßt wird. Stimmenthaltung ist unzulässig. Den Anträgen der Beteiligten kann auch teilweise entsprochen werden. (7) Der Beschluß ist zu begründen und den Beteiligten zuzustellen. Er wird mit seiner Zustellung wirksam. (8) Der oder die Vorsitzende der Kammer kann einen offensichtlich unbegründeten Antrag ohne mündliche Verhandlung zurückweisen. Gleiches gilt, wenn die Schlichtungsstelle für die Entscheidung über einen Antrag offenbar unzuständig ist oder eine Antragsfrist versäumt ist. Die Zurückweisung ist in einem Bescheid zu begründen. Der Bescheid ist zuzustellen. Der Antragsteller oder die Antragstellerin kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides mündliche Verhandlung beantragen. (9) Für das Verfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten, die zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig waren, trägt die Dienststelle. Über die Notwendigkeit entscheidet im Zweifelsfall der oder die Vorsitzende der Kammer abschließend. (10) Kann in Eilfällen die Kammer nicht rechtzeitig zusammentreten, trifft der oder die Vorsitzende auf Antrag einstweilige Anordnungen. Gegenstand von Diskussionen hinsichtlich der Durchführung der Schlichtung ist verschiedentlich die 2 1 5 Beistandsregelung des $ 61 Abs 4. Anlässe zur Kritik werden etwa in der Frage gesehen, welche Voraussetzungen die jeweilige Beistandsperson erfüllen muß. Fraglich ist zunächst, ob es sich bei dem Beistand im Rahmen der Schlichtung nicht nur um rechts- oder sachkundige Vertreter von Mitarbeitervereinigungen, sondern auch um Rechtsanwälte handeln kann. Entgegen einer Ansicht von Baumann-Czichon/Germer,317 die zwischen Beistand und anwaltlicher Vertretung scharf unterscheiden, weil vom Anwalt als Organ der Rechtspflege nicht die in S 61 Abs 4 vorausgesetzte Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche erwartet werden könne, 318 hat das VG für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD festgestellt, daß die klare Unterscheidung zwischen Beistand und Rechtsanwalt, wie sie in § 90 ZPO für den Zivilprozeß getroffen ist, im kirchlich-diakonischen Schlichtungsverfahren nicht gilt. 3 1 9 Im übrigen kann von dem Anwalt/der Anwältin, gerade weil sie Organe der Rechtspflege sind, aus der Sicht des kirchlichen Selbstverständnisses die Kirchenzugehörigkeit und damit die Bindung an die Schrift verlangt werden. Die ACK-Klausel des $ 61 Abs 4 ist Ausdruck des kirchlichen Selbstverständnisses. Sie fußt rechtstheologisch auf 1. Kor 6, 5, wo Paulus verlangt, daß Streitigkeiten zwischen Gemeindegliedern von Schiedsrichtern „unter euch", also ohne Beiziehung von nicht in der Gemeinde Stehenden, entschieden werden sollen. 320 Die ACK-Klausel verstößt darüber hinaus nicht gegen höherrangiges staatliches Recht, insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht.321

317 MVG.EKD 1997, $ 61 Rn 7. 318 Zur sog „ACK-Klausel" bezüglich Beiständen sogleich. 319 VG für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD, Beschluß vom 10.7.97 - 0124/A 1696.126 - , RsprB ABl EKD 98 24 f = ZevKR 43 (1998) 264. Heinrich Gehring/Christoph Thiele

320 VG für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD, eb. 321 VG für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD, eb, mwN.

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht

VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

Die Kosten eines juristischen Beistandes der Mitarbeitervertretung 322 in einem Verfahren vor der Schlichtungsstelle muß die Dienststellenleitung nur tragen, wenn auch sie sich ihrerseits anwaltlich vertreten lassen würde oder die tatsächliche und rechtliche Schwierigkeit des Falles derart groß ist, daß ein Auftreten ohne Rechtsbeistand der Mitarbeitervertretung nicht zumutbar ist. 323 Nach Sinn und Zweck des in § 61 vorgesehenen Einigungsgespräches kommt je nach Lage des Falles die Beiziehung eines Rechtsbeistandes uU gar nicht in Betracht.324 Die Frage, ob die Rechtsanwaltskosten von der Dienststellenleitung zu tragen sind, muß gem § 61 Abs 4 S 2 beantragt und vor der Beauftragung des Anwalts entschieden sein. S 62 Verfahrensordnung Im übrigen sind für das Verfahren vor der Schlichtungsstelle die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden. Die Vorschriften über Zwangsmaßnahmen sind nicht anwendbar. S 63 Rechtsmittel (1) Das Rechtsmittel der Beschwerde ist gegeben gegen Beschlüsse der Schlichtungsstelle a) darüber, ob eine Maßnahme im Einzelfall der Mitberatung oder Mitbestimmung unterliegt, b) darüber, welche Rechte und Pflichten den Beteiligten im Einzelfall aus der Mitberatung oder Mitbestimmung erwachsen, c) über Zuständigkeit, Geschäftsführung und Rechtsstellung der Mitarbeitervertretung, d) in Angelegenheiten der eingeschränkten Mitbestimmung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen ($ 43), e) über Wahlberechtigung und Wählbarkeit, f) aufgrund einer Anfechtung der Wahl, g) über Bestehen oder Nichtbestehen von Dienstvereinbarungen, h) bei grundsätzlicher Bedeutung von Rechtsfragen. (2) Zuständig ist das Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland. (3) Das Rechtsmittel ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses der Schlichtungsstelle schriftlich einzulegen. 2 1 7 m)

Schlußbestimmungen

XII. Abschnitt Inkrafttreten, Schlußbestimmungen S 64 Inkrafttreten (1) Dieses Kirchengesetz tritt mit Wirkung für die Evangelische Kirche in Deutschland am 1. Januar 1993 in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen bei den Dienststellen der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. Oktober 1972 (ABl. EKD S. 670) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 8. November 198S (ABl. EKD S.426) außer Kraft. Soweit in weitergeltenden Bestimmungen auf nach S 1 aufgehobene Bestimmungen verwiesen ist, treten die Vorschriften dieses Kirchengesetzes an deren Stelle.

322 Zur Rechtslage in der katholischen Kirche hinsichtlich dieses Problems s Thiel Kosten der Mitarbeitervertretung wegen Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Beratung ZMV 98 213 ff. 1078

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

323 Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden, Beschluß vom 17.7.98 - 1 Sch 21/98 - (rechtskräftig), RSprB ABl EKD 99 19 f. 324 Eb, RSprB ABl EKD 99 20.

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

(3) Dieses Kirchengesetz tritt mit Wirkung für die Gliedkirchen in Kraft, wenn alle Gliedkirchen ihr Einverständnis erklärt haben. Jede Gliedkirche kann es für ihren Bereich zu einem früheren Zeitpunkt in Geltung setzen. S 65 Übernahmebestimmungen (1) Die Gliedkirchen können in den Übernahmebestimmungen regeln, daß Maßnahmen abweichend von diesem Kirchengesetz weiterhin der Mitbestimmung unterliegen, soweit Regelungen der Gliedkirchen dies bisher vorsehen. (2) Darüber hinaus kann bestimmt werden, daß Maßnahmen, die bisher einem Beteiligungsrecht unterlagen, das in seiner Wirkung nicht über die eingeschränkte Mitbestimmung hinausgeht, der eingeschränkten Mitbestimmung unterworfen werden. S 66 Übergangsbestimmungen (1) Die ersten allgemeinen Mitarbeitervertretungswahlen im Geltungsbereich dieses Kirchengesetzes nach S 15 finden im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 1994 statt. (2) Bestehende Mitarbeitervertretungen bleiben bis zum Abschluß ihrer Wahlperiode im Amt, soweit sie bei Inkrafttreten dieses Kirchengesetzes noch nicht länger als ein Jahr im Amt sind. In allen anderen Dienststellen sind in der ersten allgemeinen Wahlzeit Mitarbeitervertretungen zu wählen. Die Arbeitsgemeinschaften, Gesamtmitarbeitervertretungen und Schlichtungsstellen arbeiten auf den bisherigen Rechtsgrundlagen weiter, bis die erforderlichen gliedkirchlichen Regelungen getroffen worden sind. S 67 - gestrichen 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte Im folgenden kommt der Wortlaut der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung - 2 1 8 MAVO in der Fassung des einstimmigen Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 20. November 1995 zum Abdruck. Einzelne Regelungsaspekte werden erläutert, soweit die jeweilige Fragestellung bei entsprechender Vergleichbarkeit nicht bereits im Zusammenhang mit dem MVG-EKD kommentiert worden ist. 325 Präambel 326 Grundlage und Ausgangspunkt für den kirchlichen Dienst ist die Sendung der Kirche. Diese Sendung umfaßt die Verkündigung des Evangeliums, den Gottesdienst und die sakramentale Verbindung der Menschen mit Jesus Christus sowie den aus dem Glauben erwachsenden Dienst am Nächsten. Daraus ergibt sich als Eigenart des kirchlichen Dienstes seine religiöse Dimension. Als Maßstab für ihre Tätigkeit ist sie Dienstgebern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgegeben, die als Dienstgemeinschaft den Auftrag der Einrichtung erfüllen und so an der Sendung der Kirche mitwirken. Weil die Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter den Dienst in der Kirche mitgestalten und mitverantworten und an seiner religiösen Grundlage und Zielsetzung teilhaben, sollen sie auch aktiv an der Gestaltung und Entscheidung über die sie betreffenden Angelegenheiten mitwirken unter Beachtung der Verfaßtheit der Kirche, ihres Auftrages und der kirchlichen Dienstverfassung. Dies erfordert von Dienstgebern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit. Deshalb wird aufgrund des Rechtes der katholischen Kirche, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, unter Bezugnahme auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993 die folgende Ordnung für Mitarbeitervertretungen erlassen. 3Z5 Im übrigen ist hinzuweisen auf die o Rn 170 aufgeführte Literatur. Zur für 2002 vorgesehenen Novellierung der MAVO s o Rn 178, Fn 263. Heinrich Gehring/Christoph Thiele

326

Zur Präambel s oben Rn 171 f.

1079

$ 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

2 1 9 a)

Allgemeine Vorschriften

I. Allgemeine Vorschriften $ 1 Geltungsbereich327 (1) Diese Mitarbeitervertretungsordnung gilt für die Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig geführten Stellen - nachfolgend als Einrichtungen) bezeichnet 1. der Diözese, 2. der Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen, 3. der Verbände der Kirchengemeinden, 4. der Diözesancaritasverbände und deren Gliederungen, soweit sie öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts sind, 5. der sonstigen öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts. (2) Diese Mitarbeitervertretungsordnung ist auch anzuwenden im Bereich der sonstigen kirchlichen Rechtsträger und ihrer Einrichtungen sowie des Verbandes der Diözesen Deutschlands, des Deutschen Caritasverbandes und der anderen mehrdiözesanen328 und überdiözesanen329 Rechtsträger, unbeschadet ihrer Rechtsform. Die vorgenannten Rechtsträger und ihre Einrichtungen sind gehalten, die Mitarbeitervertretungsordnung für ihren Bereich rechtsverbindlich zu übernehmen. (3) In den Fällen des Abs 2 ist in allen Einrichtungen eines mehrdiözesanen oder überdiözesanen Rechtsträgers die Mitarbeitervertretungsordnung der Diözese anzuwenden, in der sich der Sitz der Hauptniederlassung (Hauptsitz) befindet. Abweichend von S 1 kann auf Antrag eines mehrdiözesan oder Uberdiözesan tätigen Rechtsträgers der Diözesanbischof des Hauptsitzes im Einvernehmen mit den anderen Diözesanbischöfen, in deren Diözese der Rechtsträger tätig ist, bestimmen, daß in den Einrichtungen des Rechtsträgers die Mitarbeitervertretungsordnung der Diözese angewandt wird, in der die jeweilige Einrichtung ihren Sitz hat, oder eine Mitarbeitervertretungsordnung eigens für den Rechtsträger erlassen. $ 1 a Bildung von Mitarbeitervertretungen (1) In den Einrichtungen der in § 1 genannten kirchlichen Rechtsträger sind Mitarbeitervertretungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu bilden. (2) Unbeschadet des Abs 1 kann der Rechtsträger regeln, was als Einrichtung gilt. Der Mitarbeitervertretung ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Regelung bedarf der Genehmigung des Ordinarius. S 2 Dienstgeber (1) Dienstgeber im Sinne dieser Ordnung ist der Rechtsträger der Einrichtung. (2) Für den Dienstgeber handelt dessen vertretungsberechtigtes Organ oder die von ihm bestellte Leitung. Der Dienstgeber kann eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter in leitender Stellung schriftlich beauftragten, ihn zu vertreten. S 3 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sinne dieser Ordnung sind alle Personen, die bei einem Dienstgeber ($ 2) aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, aufgrund ihrer Ordenszugehörigkeit, aufgrund eines Gestellungsvertrages oder zu ihrer Ausbildung tätig sind. 327 Hierzu bereits oben Rn 180 f. 328 Das sind solche,die in mehreren, nicht jedoch in allen Diözesen im Gebiet der Deutschen Bischofskonferenz Einrichtungen unterhalten. 1080

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

329 Das sind solche, die im gesamten Konferenzgebiet Einrichtungen unterhalten,

Kirchenarbeitsrecht $ 630 Anhang 3. M AVO, Regelungsschwerpunkte

(2) Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten nicht: 1. die Mitglieder eines Organs, das zur gesetzlichen Vertretung berufen ist, 2. Leiterinnen und Leiter von Einrichtungen im Sinne des S 1. 3. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zur selbständigen Entscheidung über Einstellungen, Anstellungen oder Kündigungen befugt sind, 4. sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in leitender Stellung, 5. Geistliche einschließlich Ordensgeistliche im Bereich des S 1 Abs 1 Nrn. 2 und 3, 6. Personen, deren Beschäftigung oder Ausbildung überwiegend ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, beruflichen und sozialen Rehabilitation oder Erziehung dient. Die Entscheidung des Dienstgebers zu den Nrn. 3 und 4 bedarf der Beteiligung der Mitarbeitervertretung gem. § 29 Abs 1 Nr 18. Die Entscheidung bedarf bei den in S 1 Abs 1 genannten Rechtsträgern der Genehmigung des Ordinarius. Die Entscheidung ist der Mitarbeitervertretung schriftlich mitzuteilen. (3) Die besondere Stellung der Geistlichen gegenüber dem Diözesanbischof und die der Ordensleute gegenüber den Ordensoberen werden durch diese Ordnung nicht berührt. Eine Mitwirkung in den persönlichen Angelegenheiten findet nicht statt. S 4 Mitarbeiterversammlung Die Mitarbeiterversammlung ist die Versammlung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kann nach den dienstlichen Verhältnissen eine gemeinsame Versammlung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht stattfinden, so sind Teilversammlungen zulässig. S 5 Mitarbeitervertretung Die Mitarbeitervertretung ist das von den wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewählte Organ, das die ihm nach dieser Ordnung zustehenden Aufgaben und Verantwortungen wahrnimmt. Die Begriffsbestimmungen in den Allgemeinen Vorschriften der MAVO entsprechen im wesentlichen denen, die dem MVG-EKD zugrunde liegen. Eine Sonderregel ergibt sich insofern, als gem $ la Abs 2 der Rechtsträger (also der Dienstgeber iSv $ 2) aufgrund seines Organisationsrechts regeln kann, was als Einrichtung gilt. 3 3 0 Jedenfalls aber ist er zur Errichtung einer MAV verpflichtet ($ la Abs 1, Präambel). In § 3 Abs 2 sind bzgl der Feststellung des persönlichen Geltungsbereichs der MAVO in einem Katalog aufgeführte Personen, insbesondere Geistliche und solche, die in leitender Stellung tätig sind, aus dem Begriff der „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" ausgenommen. 331 Dies hat Konsequenzen hinsichtlich der Mitarbeiterzahlen, die für die Errichtung einer MAV in Anrechnung gebracht werden. Etwas unglücklich, weil irreführend, operiert $ 3 Abs 2 im Rahmen der Definition mit einem unterschiedlichen Mitarbeiterbegriff, wenn zB in Nr 4 als „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" nicht gelten „sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in leitender Stellung".

220

b)

221

Die Mitarbeitervertretung

II. Die Mitarbeitervertretung S 6 Voraussetzung für die Bildung der Mitarbeitervertretung - Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung (1) Die Bildung einer Mitarbeitervertretung setzt voraus, daß in der Einrichtung in der Regel

330 Näher dazu BleisteiniThiel Kommentar zur MAVO, $ l a Rn 9 f. 331 Anders das MVG-EKD, daß mit seinem umfassenHeinrich Gehring/Christoph Thiele

den Mitarbeiterbegriff auch die Mitglieder der Dienststellenleitungen erfaßt.

1081

S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

mindestens fünf wahlberechtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ($ 7) beschäftigt werden, von denen mindestens drei wählbar sind (S 8). (2) Die Mitarbeitervertretung besteht aus 5-15

wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,

3 Mitgliedern bei 16-50

I

Mitglied

bei

wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,

5 Mitgliedern bei 51-100 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 7 Mitgliedern bei 101-200 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 9 Mitgliedern bei 201-300 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, I I Mitgliedern bei 301-600 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 13 Mitgliedern bei 601-1000 wahlberechtigtenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 15 Mitgliedern bei 1001 und mehr wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. (3) Für die Wahl einer Mitarbeitervertretung in einer Einrichtung mit einer oder mehreren nicht selbständig geführten Stellen kann der Dienstgeber eine Regelung treffen, die eine Vertretung auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nicht selbständig geführten Stellen in Abweichung von S i l Abs 6 durch einen Vertreter gewährleistet, und zwar nach der Maßgabe der jeweiligen Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen. Eine solche Regelung bedarf der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. (4) Der Mitarbeitervertretung sollen jeweils Vertreter der Dienstbereiche und Gruppen angehören. (5) Maßgebend für die Zahl der Mitglieder ist der Tag, bis zu dem Wahlvorschläge eingereicht werden können ($ 9 Abs 5 S 1). S 7 Aktives Wahlrecht (1) Wahlberechtigt sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens sechs Monaten ohne Unterbrechung in einer Einrichtung desselben Dienstgebers tätig sind. (2) Wer zu einer Einrichtung abgeordnet ist, wird nach Ablauf von drei Monaten in ihr wahlberechtigt; im gleichen Zeitpunkt erlischt das Wahlrecht bei der früheren Einrichtung. S 1 gilt nicht, wenn feststeht, daß die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter binnen weiterer sechs Monate in die frühere Einrichtung zurückkehren wird. (3) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Ausbildungsverhältnis sind nur bei der Einrichtung wahlberechtigt, von der sie eingestellt sind. (4) Nicht wahlberechtigt sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 1. für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur vorübergehend bestellt ist, 2. die am Wahltage für mindestens noch sechs Monate unter Wegfall der Bezüge beurlaubt sind, 3. deren Beschäftigungsverhältnis - ggf zusammengerechnet mit unmittelbar vorausgegangenen Beschäftigungsverhältnissen bei demselben Dienstgeber - bis zu einem Jahr befristet ist, 4. die geringfügig im Sinne von S 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV beschäftigt sind. S 8 Passives Wahlrecht (1) Wählbar sind die wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am Wahltag seit mindestens einem Jahr ohne Unterbrechung im kirchlichen Dienst stehen, davon mindestens seit sechs Monaten in einer Einrichtung desselben Dienstgebers tätig sind. (2) Nicht wählbar sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 1. deren Beschäftigungsumfang unter 50% des Beschäftigungsumfangs einer vergleichbaren vollbeschäftigten Mitarbeiterin oder eines vergleichbaren vollbeschäftigten Mitarbeiters liegt, 1082

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

Kirchenarbeitsrecht J 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

2. die zur selbständigen Entscheidung in anderen als den in § 3 Abs 2 Nr 3 genannten Personal- I angelegenheiten befugt sind. I Die Regelung des aktiven Wahlrechts entspricht bei geringen Abweichungen denen des MVG-EKD. 222 Allerdings weicht die erforderliche Zugehörigkeitsdauer zur Einrichtung ab. In Abweichung von der Regelung in der MAVO von 1985 wurde hinsichtlich des passiven Wahlrechts - anders als im MVG-EKD mit der dort in J 10 Abs lb) vorgesehenen „ACK-Klausel" - auf das Erfordernis der Gebundenheit in der katholischen Kirche verzichtet. Folglich können grundsätzlich auch ausschließlich nichtkatholische Mitarbeiter eine Mitarbeitervertretung bilden. Dies korrespondiert mit den Grundsätzen von Art 4 der Grundordnung,332 der die Beschäftigung von katholischen (Abs 1), nicht katholisch christlichen (Abs 2) und nichtchristlichen (Abs 3) Mitarbeitern vorsieht. Sofern das Grundverhältnis eines Mitarbeiters erhalten bleibt und eine Weiterbeschäftigung infolge von in Art 5 Grundordnung genannten Gründen nicht entfällt, bleibt die betreffende Person wählbar zur Mitarbeitervertretung.333 Gern § 14 Abs 1 als allerdings nicht zwingende Vorschrift „soll" die oder der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung katholisch sein. S 9 Vorbereitung der Wahl

223

(1) Spätestens acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit der Mitarbeitervertretung bestimmt die Mitarbeitervertretung den Wahltag. Er soll spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Amtszeit der Mitarbeitervertretung liegen. (2) Die Mitarbeitervertretung bestellt spätestens acht Wochen vor Ablauf ihrer Amtszeit die Mitglieder des Wahlausschusses. Er besteht aus drei oder fünf Mitgliedern, die, wenn sie Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter sind, wahlberechtigt sein müssen. Der Wahlausschuß wählt seine Vorsitzende oder seinen Vorsitzenden. (3) Scheidet ein Mitglied des Wahlausschusses aus, so hat die Mitarbeitervertretung unverzüglich ein neues Mitglied zu bestellen. Kandidiert ein Mitglied des Wahlausschusses für die Mitarbeitervertretung, so scheidet es aus dem Wahlausschuß aus. (4) Der Dienstgeber stellt dem Wahlausschuß zur Aufstellung des Wählerverzeichnisses spätestens sieben Wochen vor Ablauf der Amtszeit eine Liste aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den erforderlichen Angaben zur Verfügung. Der Wahlausschuß stellt die Liste der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf und legt sie mindestens vier Wochen vor der Wahl für die Dauer von einer Woche zur Einsicht aus. Die oder der Vorsitzende des Wahlausschusses gibt bekannt, an welchem Ort, für welche Dauer und von welchem Tage an die Listen zur Einsicht ausliegen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter kann während der Auslegungsfrist gegen die Eintragung oder Nichteintragung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters Einspruch einlegen. Der Wahlausschuß entscheidet über den Einspruch. (5) Der Wahlausschuß hat sodann die wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzufordern, schriftliche Wahlvorschläge, die jeweils von mindestens drei wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterzeichnet sein müssen, bis zu einem von ihm festzusetzenden Termin einzureichen. Der Wahlvorschlag muß die Erklärung der Kandidatin oder des Kandidaten enthalten, daß sie oder er der Benennung zustimmt. Der Wahlausschuß hat in ausreichender Zahl Formulare für Wahlvorschläge auszulegen. (6) Die Kandidatenliste soll mindestens doppelt soviel Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber enthalten wie Mitglieder nach S 6 Abs 2 zu wählen sind. (7) Der Wahlausschuß prüft die Wählbarkeit und läßt sich von der Wahlbewerberin oder dem Wahlbewerber bestätigen, daß kein Ausschlußgrund im Sinne des S 8 vorliegt. (8) Spätestens eine Woche vor der Wahl sind die Namen der zur Wahl vorgeschlagenen und vom Wahlausschuß für wählbar erklärten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in alphabetischer Reihenfolge durch Aushang bekanntzugeben. Danach ist die Kandidatur unwiderruflich. 332

Fundstelle s o K n 179.

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333 BleisteinfThiel Kommentar zur MAVO, § 8 Rn 4; Thiel ZMV 96 4; Frey KuR 4/95 18 f.

1083

S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

S 10 Dienstgeber - Vorbereitungen zur Bildung einer Mitarbeitervertretung (1) Wenn in einer Einrichtung die Voraussetzungen für die Bildung einer Mitarbeitervertretung vorliegen, hat der Dienstgeber Spätestens nach drei Monaten zu einer Mitarbeiterversammlung einzuladen. Er leitet sie und kann sich hierbei vertreten lassen. Die Mitarbeiterversammlung wählt den Wahlausschuß, der auch den Wahltag bestimmt. Im Falle des Ausscheidens eines Mitglieds bestellt der Wahlausschuß unverzüglich ein neues Mitglied. (1 a) Absatz 1 gilt auch, 1. wenn die Mitarbeitervertretung ihrer Verpflichtung gem. S 9 Abs 1 und 2 nicht nachkommt, 2. im Falle des S 12 Abs 5 S 2, 3. im Falle des § 13 Abs 2 S 3, 4. in den Fällen des S 13a nach Ablauf des Zeitraumes, in dem die Mitarbeitervertretung die Geschäfte fortgeführt hat, 5. nach Feststellung der Nichtigkeit der Wahl der Mitarbeitervertretung durch die Schlichtungsstelle in anderen als den in S 12 genannten Fällen, wenn ein ordnungsgemäßer Wahlausschuß nicht mehr besteht. (2) Kommt die Bildung eines Wahlausschusses nicht zustande, so hat auf Antrag mindestens eines Zehntels der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nach Ablauf eines Jahres der Dienstgeber erneut eine Mitarbeiterversammlung zur Bildung eines Wahlausschusses einzuberufen. (3) In neuen Einrichtungen entfallen für die erste Wahl die in den SS 7 Abs 1 und 8 Abs 1 festgelegten Zeiten. S 11 Durchführung der Wahl (1) Die Wahl der Mitarbeitervertretung erfolgt unmittelbar und geheim. Für die Durchführung der Wahl ist der Wahlausschuß verantwortlich. (2) Die Wahl erfolgt durch Abgabe eines Stimmzettels. Der Stimmzettel enthält in alphabetischer Reihenfolge die Namen aller zur Wahl stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (S 9 Abs 8 S 1). Die Abgabe der Stimme erfolgt durch Ankreuzen eines oder mehrerer Namen. Es können so viele Namen angekreuzt werden, wie Mitglieder zu wählen sind. Der Wahlzettel ist in Anwesenheit von mindestens zwei Mitgliedern des Wahlausschusses in die bereitgestellte Urne zu werfen. Die Stimmabgabe ist in der Liste der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vermerken. (3) Bemerkungen auf dem Wahlzettel und das Ankreuzen von Namen von mehr Personen, als zu wählen sind, machen den Stimmzettel ungültig. (4) Im Falle der Verhinderung ist eine vorzeitige Stimmabgabe durch Briefwahl möglich. Der Stimmzettel ist in dem für die Wahl vorgesehenen Umschlag und zusammen mit dem persönlich unterzeichneten Wahlschein in einem weiteren verschlossenen Umschlag mit der Aufschrift „Briefwahl" und der Angabe des Absenders dem Wahlausschuß zuzuleiten. Diesen Umschlag hat der Wahlausschuß bis zum Wahltag aufzubewahren und am Wahltag die Stimmabgabe in der Liste der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vermerken, den Umschlag zu öffnen und den für die Wahl bestimmten Umschlag in die Urne zu werfen. Die Briefwahl ist nur bis zum Abschluß der Wahl am Wahltag möglich. (5) Nach Ablauf der festgesetzten Wahlzeit stellt der Wahlausschuß öffentlich fest, wieviel Stimmen auf die einzelnen Gewählten entfallen sind und ermittelt ihre Reihenfolge nach der Stimmenzahl. Das Ergebnis ist in einem Protokoll festzuhalten, das vom Wahlausschuß zu unterzeichnen ist. (6) Als Mitglieder der Mitarbeitervertretung sind diejenigen gewählt, die die meisten Stimmen erhalten haben. Alle in der nach der Stimmenzahl entsprechenden Reihenfolge den gewählten 1084

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Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

Mitgliedern folgenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind Ersatzmitglieder. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los. (7) Das Ergebnis der Wahl wird vom Wahlausschuß am Ende der Wahlhandlung bekanntgegeben. Der Wahlausschuß stellt fest, ob jede oder jeder Gewählte die Wahl annimmt. Bei Nichtannahme gilt an ihrer oder seiner Stelle die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter mit der nächstfolgenden Stimmenzahl als gewählt. Mitglieder und Ersatzmitglieder der Mitarbeitervertretung werden durch Aushang bekanntgegeben. (8) Die gesamten Wahlunterlagen sind für die Dauer der Amtszeit der gewählten Mitarbeitervertretung aufzubewahren. Die Kosten der Wahl trägt der Dienstgeber. SS 11 a bis c Vereinfachtes Wahlverfahren334 S i l a Voraussetzungen (1) In Einrichtungen mit bis zu 20 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Mitarbeitervertretung anstelle des Verfahrens nach den SS 9 bis 11 im vereinfachten Wahlverfahren zu wählen.335 (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn die Mitarbeiterversammlung mit der Mehrheit der Anwesenden, mindestens jedoch einem Drittel der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spätestens acht Wochen vor Beginn des einheitlichen Wahlzeitraums die Durchführung der Wahl nach den SS 9 bis 11 beschließt. S 11 b Vorbereitung der Wahl (1) Spätestens drei Wochen vor Ablauf ihrer Amtszeit lädt die Mitarbeitervertretung die Wahlberechtigten durch Aushang oder in sonst geeigneter Weise, die den wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit der Kenntnisnahme gibt, zur Wahlversammlung ein und legt gleichzeitig die Liste der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus. (2) Ist in einer Einrichtung eine Mitarbeitervertretung nicht vorhanden, so handelt der Dienstgeber gemäß Abs 1. S 11 c Durchführung der Wahl (1) Die Wahlversammlung wird von einer Wahlleiterin oder einem Wahlleiter geleitet, die oder der mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt wird. Im Bedarfsfall kann die Wahlversammlung zur Unterstützung der Wahlleiterin oder des Wahlleiters Wahlhelfer bestimmen. (2) Mitarbeitervertreterinnen und Mitarbeitervertreter und Ersatzmitglieder werden in einem gemeinsamen Wahlgang gewählt. Jede wahlberechtigte Mitarbeiterin und jeder wahlberechtigte Mitarbeiter kann Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl vorschlagen. (3) Die Wahl erfolgt durch Abgabe des Stimmzettels. Auf dem Stimmzettel sind von der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter die Kandidatinnen und Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge unter Angabe von Name und Vorname aufzuführen. Die Wahlleiterin oder der Wahlleiter trifft Vorkehrungen, daß die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme geheim abgeben können. Unverzüglich nach Beendigung der Wahlhandlung zählt sie oder er öffentlich die Stimmen aus und gibt das Ergebnis bekannt. (4) S 9 Abs 7, S 11 Abs 2 Sätze 3,4 und 6, S 11 Abs 6 bis 8 und S 12 gelten entsprechend; an die Stelle des Wahlausschusses tritt die Wahlleiterin oder der Wahlleiter. S 12 Anfechtung der Wahl (1) Jede wahlberechtigte Mitarbeiterin und jeder wahlberechtigte Mitarbeiter oder der Dienstgeber hat das Recht, die Wahl wegen eines Verstoßes gegen die $S 6 bis 11 c innerhalb einer Frist 334 335

Muster für eine diözesane Wahlordnung. Die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen Heinrich Gehring/Christoph Thiele

und Mitarbeiter kann abweichend hiervon durch diözesane Regelung festgelegt werden.

1085

S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

von einer Woche nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses schriftlich anzufechten. Die Anfechtungserklärung ist dem Wahlausschuß zuzuleiten. (2) Unzulässige oder unbegründete Anfechtungen weist der Wahlausschuß zurück. Stellt er fest, daß die Anfechtung begründet ist und dadurch das Wahlergebnis beeinflußt sein kann, so erklärt er die Wahl für ungültig; in diesem Falle ist die Wahl unverzüglich zu wiederholen. Im Falle einer sonstigen begründeten Wahlanfechtung berichtigt er den durch den Verstoß verursachten Fehler. (3) Gegen die Entscheidung des Wahlausschusses ist die Anrufung der Schlichtungsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Entscheidung zulässig. (4) Eine für ungültig erklärte Wahl läßt die Wirksamkeit der zwischenzeitlich durch die Mitarbeitervertretung getroffenen Entscheidungen unberührt. (5) Die Wiederholung einer erfolgreich angefochtenen Wahl obliegt dem Wahlausschuß. Besteht kein ordnungsgemäß besetzter Wahlausschuß ($ 9 Abs 2 S 2) mehr, so findet S 10 Anwendung. § 13 Amtszeit der Mitarbeitervertretung (1) Die regelmäßigen Wahlen zur Mitarbeitervertretung finden alle vier Jahre in der Zeit vom l.März bis 30. Juni (einheitlicher Wahlzeitraum) statt 3 3 6 . (2) Die Amtszeit beginnt mit dem Tag der Wahl oder, wenn zu diesem Zeitpunkt noch eine Mitarbeitervertretung besteht, mit Ablauf der Amtszeit dieser Mitarbeitervertretung. Sie beträgt vierJahre.Sieendetj edoch vorbehaltlich der Regelung in Abs 5 spätestens am 30. Juni des Jahres, in dem nach Abs 1 die regelmäßigen Mitarbeitervertretungswahlen stattfinden. (3) Außerhalb des einheitlichen Wahlzeitraumes findet eine Neuwahl statt, wenn 1. an dem Tage, an dem die Hälfte der Amtszeit seit Amtsbeginn abgelaufen ist, die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Hälfte, mindestens aber um 50, gestiegen oder gesunken ist, 2. die Gesamtzahl der Mitglieder der Mitarbeitervertretung auch nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder um mehr als die Hälfte der ursprünglich vorhandenen Mitgliederzahl gesunken ist, 3. die Mitarbeitervertretung mit der Mehrheit ihrer Mitglieder ihren Rücktritt beschlossen hat, 4. die Wahl der Mitarbeitervertretung mit Erfolg angefochten worden ist, 5. die Mitarbeiterversammlung der Mitarbeitervertretung gemäß S 22 Abs 2 das Mißtrauen ausgesprochen hat, 6. die Mitarbeitervertretung im Falle grober Vernachlässigung oder Verletzung der Befugnisse und Verpflichtungen als Mitarbeitervertretung durch Beschluß der Schlichtungsstelle aufgelöst ist. (4) Außerhalb des einheitlichen Wahlzeitraumes ist die Mitarbeitervertretung zu wählen, wenn in einer Einrichtung keine Mitarbeitervertretung besteht und die Voraussetzungen für die Bildung der Mitarbeitervertretung ($ 10) vorliegen. (5) Hat außerhalb des einheitlichen Wahlzeitraumes eine Wahl stattgefunden, so ist die Mitarbeitervertretung in dem auf die Wahl folgenden nächsten einheitlichen Wahlzeitraum neu zu wählen. Hat die Amtszeit der Mitarbeitervertretung zu Beginn des nächsten einheitlichen Wahlzeitraumes noch nicht ein Jahr betragen, so ist die Mitarbeitervertretung in dem übernächsten einheitlichen Wahlzeitraum neu zu wählen. S 13 a Weiterführung der Geschäfte Ist bei Ablauf der Amtszeit ($ 13 Abs 2) noch keine neue Mitarbeitervertretung gewählt, führt die Mitarbeitervertretung die Geschäfte bis zur Übernahme durch die neugewählte Mitarbeiterver336

1086

Beginn und Ende des einheitlichen Wahlzeitrau-

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mes können abweichend durch diözesane Regelung festgelegt werden.

Kirchenarbeitsrecht $ 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

tretung fort, längstens für die Dauer von sechs Monaten vom Tag der Beendigung der Amtszeit an gerechnet. Dies gilt auch in den Fällen des 5 13 Abs 3 Nrn. 1 bis 3. § 13 b Ersatztnitglied, Verhinderung des ordentlichen Mitglieds und ruhende Mitgliedschaft (1) Scheidet ein Mitglied der Mitarbeitervertretung während der Amtszeit vorzeitig aus, so tritt an seine Stelle das nächstberechtigte Ersatzmitglied ( S i l Abs 6 S 2). (2) Im Falle einer zeitweiligen Verhinderung eines Mitglieds tritt für die Dauer der Verhinderung das nächstberechtigte Ersatzmitglied ein. Die Mitarbeitervertretung entscheidet darüber, ob eine zeitweilige Verhinderung vorliegt. (3) Die Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung ruht, solange dem Mitglied die Ausübung seines Dienstes untersagt ist. Für die Dauer des Ruhens tritt das nächstberechtigte Ersatzmitglied ein. S 13 c Erlöschen der Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung erlischt durch 1. Ablauf der Amtszeit der Mitarbeitervertretung, 2. Beschluß der Schlichtungsstelle bei Verlust der Wählbarkeit, 3. Niederlegung des Amtes, 4. Ausscheiden aus der Einrichtung, 5. Beschluß der Schlichtungsstelle im Falle grober Vernachlässigung oder Verletzung der Befugnisse und Pflichten als Mitarbeitervertreterin oder Mitarbeitervertreter. In § 14 ist die Geschäftsführung der Mitarbeitervertretung geregelt. Ein Muster für die gem $ 14 Abs 8 2 2 6 mögliche Geschäftsordnung einer Mitarbeitervertretung ist entworfen bei Bleisteinflhiel Kommentar zur MAVO, § 14, Rn 80. S 14 Tätigkeit der Mitarbeitervertretung (1) Die Mitarbeitervertretung wählt bei ihrem ersten Zusammentreten, das innerhalb einer Woche nach der Wahl stattfinden soll und von der oder dem Vorsitzenden des Wahlausschusses einzuberufen ist, mit einfacher Mehrheit aus den Mitgliedern ihre Vorsitzende oder ihren Vorsitzenden. Die oder der Vorsitzende soll katholisch sein. Außerdem sollen eine stellvertretende Vorsitzende oder ein stellvertretender Vorsitzender und eine Schriftführerin oder ein Schriftführer gewählt werden. Die oder der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung oder im Falle ihrer oder seiner Verhinderung deren Stellvertreterin oder Stellvertreter vertritt die Mitarbeitervertretung im Rahmen der von ihr gefaßten Beschlüsse. Zur Entgegennahme von Erklärungen sind die oder der Vorsitzende, deren Stellvertreterin oder Stellvertreter oder ein von der Mitarbeitervertretung zu benennendes Mitglied berechtigt. (2) Die Mitarbeitervertretung kann ihrer oder ihrem Vorsitzenden mit Zweidrittelmehrheit der Mitglieder das Vertrauen entziehen. In diesem Fall hat eine Neuwahl der oder des Vorsitzenden stattzufinden. (3) Die oder der Vorsitzende oder bei Verhinderung deren Stellvertreterin oder Stellvertreter beruft die Mitarbeitervertretung unter Angabe der Tagesordnung zu den Sitzungen ein und leitet sie. Sie oder er hat die Mitarbeitervertretung einzuberufen, wenn die Mehrheit der Mitglieder es verlangt. (4) Die Sitzungen der Mitarbeitervertretung sind nicht öffentlich. Sie finden in der Regel während der Arbeitszeit in der Einrichtung statt. Bei Anberaumung und Dauer der Sitzung ist auf die dienstlichen Erfordernisse Rücksicht zu nehmen. (5) Die Mitarbeitervertretung ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist. Die Mitarbeitervertretung beschließt mit Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

(6) Über die Sitzung der Mitarbeitervertretung ist eine Niederschrift zu fertigen, die die Namen der An- und Abwesenden, die Tagesordnung, den Wortlaut der Beschlüsse und das jeweilige Stimmenverhältnis enthalten muß. Die Niederschrift ist von der oder dem Vorsitzenden zu unterzeichnen. Soweit die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle oder deren Beauftragte oder Beauftragter an der Sitzung teilgenommen haben, ist ihnen der entsprechende Teil der Niederschrift abschriftlich zuzuleiten. (7) Der Dienstgeber hat dafür Sorge zu tragen, daß die Unterlagen der Mitarbeitervertretung in der Einrichtung verwahrt werden können. (8) Die Mitarbeitervertretung kann sich eine Geschäftsordnung geben. (9) Die Mitarbeitervertretung kann in ihrer Geschäftsordnung bestimmen, daß Beschlüsse im Umlaufverfahren gefaßt werden können, sofern dabei Einstimmigkeit erzielt wird. Beschlüsse nach S 1 sind spätestens in der Niederschrift der nächsten Sitzung im Wortlaut festzuhalten. (10) Die Mitarbeitervertretung kann aus ihrer Mitte Ausschüsse bilden, denen mindestens drei Mitglieder der Mitarbeitervertretung angehören müssen. Den Ausschüssen können Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen werden; dies gilt nicht für die Beteiligung bei Kündigungen sowie für den Abschluß und die Kündigung von Dienstvereinbarungen. Die Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung erfordert eine Dreiviertelmehrheit der Mitglieder. Die Mitarbeitervertretung kann die Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung durch Beschluß mit Stimmenmehrheit ihrer Mitglieder widerrufen. Die Übertragung und der Widerruf sind dem Dienstgeber schriftlich anzuzeigen. 227 Die Rechtsstellung der Mitarbeitervertretung 337 ist in den $$ 15 bis 20 geregelt. $ 15 Abs 1 stellt ausdrücklich fest, daß es sich bei der Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung um die Ausübung eines Ehrenamtes handelt. Die Mitarbeitervertreter sind für ihre Tätigkeit im notwendigen Umfang von der Arbeit freizustellen. Auf Antrag der Mitarbeitervertretung greift eine Staffelregelung ein. Eine vollständige Freistellung eines oder mehrerer Mitglieder der Mitarbeitervertretung ist, anders als in J 20 Abs 2 MVG-EKD, nicht vorgesehen. Dies hat den Vorteil, daß die betreffende Person mit mindestens der Hälfte der Arbeitszeit in die Arbeitsabläufe eingebunden bleibt.338 Andererseits entfällt die Chance zu optimaler Konzentration der Mitarbeitervertretungsarbeit.339 Auch sind in höherem Maße arbeitsorganisatorische Probleme vorstellbar. Besondere Schutz- und Kündigungsschutzrechte sind in § 18 bzw 5 19 normiert. Zur Schweigepflicht ($ 20) vgl die Ausführungen zum MVG-EKD. S 15 Rechtsstellung der Mitarbeitervertretung (1) Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. (2) Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung sind zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben im notwendigen Umfang von der dienstlichen Tätigkeit freizustellen. (3)340 Auf Antrag der Mitarbeitervertretung sind von ihrer dienstlichen Tätigkeit jeweils für die Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer oder eines Vollbeschäftigten freizustellen in Einrichtungen mit - im Zeitpunkt der Wahl - mehr als 300 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwei Mitarbeitervertreterinnen oder Mitarbeitervertreter, 600 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern drei Mitarbeitervertreterinnen oder Mitarbeitervertreter, 1000 wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vier Mitarbeitervertreterinnen oder Mitarbeitervertreter. Dienstgeber und Mitarbeitervertretung können sich für die Dauer der Amtszeit dahingehend einigen, daß das Freistellungskontingent auf mehr oder weniger Mitarbeitervertreterinnen oder Mitarbeitervertreter verteilt werden kann. 337 338

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Für das MVG-EKD vgl oben Rn 195 f. Bleistein/Thiel Kommentar zur MAVO, S 15 Rn 32.

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339 340

Vgl dazu oben Rn 195 a. E. Muster für eine diözesane Fassung.

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

(4) Finden Sitzungen und andere von der Mitarbeitervertretung festgelegte Termine regelmäßig außerhalb der Arbeitszeit eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung statt, so ist der Mitarbeitervertreterin oder dem Mitarbeitervertreter auf Antrag entsprechender Freizeitausgleich zu erteilen. (5) Kommt es in den Fällen nach den Absätzen 2 und 4 nicht zu einer Einigung, entscheidet auf Antrag der Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle. S 16 Schulung der Mitarbeitervertretung und des Wahlausschusses (1) Den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung ist auf Antrag der Mitarbeitervertretung während ihrer Amtszeit bis zu insgesamt drei Wochen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zu gewähren, wenn diese die für die Arbeit in der Mitarbeitervertretung erforderlichen Kenntnisse vermitteln, von der (Erz-) Diözese oder dem Diözesan-Caritasverband als geeignet anerkannt sind und dringende dienstliche oder betriebliche Erfordernisse einer Teilnahme nicht entgegenstehen. Bei Mitgliedschaft in mehreren Mitarbeitervertretungen kann der Anspruch nur einmal geltend gemacht werden. (2) Die Mitglieder des Wahlausschusses erhalten für ihre Tätigkeit und für Schulungsmaßnahmen, die Kenntnisse für diese Tätigkeit vermitteln, Arbeitsbefreiung, soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben erforderlich ist. Abs 1 S 2 gilt entsprechend. S 17 Kosten der Mitarbeitervertretung (1) Der Dienstgeber trägt die für die Wahrnehmung der Aufgaben der Mitarbeitervertretung notwendigen Kosten einschließlich der Reisekosten im Rahmen der für den Dienstgeber geltenden Reisekostenregelung. Zu den notwendigen Kosten gehören auch die Kosten für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen im Sinne des § 16. (2) Der Dienstgeber stellt unter Berücksichtigung der bei ihm vorhandenen Gegebenheiten die sachlichen und personellen Hilfen zur Verfügung. S 18 Schutz der Mitglieder der Mitarbeitervertretung (1) Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung dürfen in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert und aufgrund ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. (2) Mitglieder der Mitarbeitervertretung können gegen ihren Willen in eine andere Einrichtung nur versetzt oder abgeordnet werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung dieser Mitgliedschaft aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar ist und die Mitarbeitervertretung gemäß § 33 zugestimmt hat. (3) Erleidet eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, die oder der Anspruch auf Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen hat, anläßlich der Wahrnehmung von Rechten oder in Erfüllung von Pflichten nach dieser Ordnung einen Unfall, der im Sinne der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften ein Dienstunfall wäre, so sind diese Vorschriften entsprechend anzuwenden. (4) Beantragt eine in einem Berufsausbildungsverhältnis stehende Mitarbeiterin oder ein in einem Berufsausbildungsverhältnis stehender Mitarbeiter, die oder der Mitglied der Mitarbeitervertretung oder Sprecherin oder Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden ist, spätestens einen Monat vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses für den Fall des erfolgreichen Abschlusses ihrer oder seiner Ausbildung schriftlich die Weiterbeschäftigung, so bedarf die Ablehnung des Antrages durch den Dienstgeber der Zustimmung der Mitarbeitervertretung gemäß S 33, wenn der Dienstgeber gleichzeitig andere Auszubildende weiterbeschäftigt. Die Zustimmung kann nur verweigert werden, wenn der durch Tatsachen begründete Verdacht besteht, daß die Ablehnung der Weiterbeschäftigung wegen der Tätigkeit als Mitarbeitervertreterin oder Mitarbeitervertreter erfolgt. Verweigert die Mitarbeitervertretung die vom Dienstgeber beantragte Zustimmung, so kann dieser gemäß S 33 Abs 4 die Schlichtungsstelle anrufen. In diesem Schlichtungsverfahren ist das Mitglied Beteiligter.

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

S 19 Kündigungsschutz (1) Einem Mitglied der Mitarbeitervertretung kann nur gekündigt werden, wenn ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt. Abweichend von S 1 kann in den Fällen des Artikels 5 Abs 3 bis 5 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse auch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten ebenfalls innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit, es sei denn, die Mitgliedschaft ist nach S 13 c Nrn. 2, 3 oder 5 erloschen. (2) Nach Ablauf der Probezeit darf einem Mitglied des Wahlausschusses vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, einer Wahlbewerberin oder einem Wahlbewerber vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlages an, jeweils bis sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses nur gekündigt werden, wenn ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt. Für die ordentliche Kündigung gilt Abs 1 S 2 entsprechend. (3) Die ordentliche Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung, eines Mitglieds des Wahlausschusses oder einer Wahlbewerberin oder eines Wahlbewerbers ist auch zulässig, wenn eine Einrichtung geschlossen wird, frühestens jedoch zum Zeitpunkt der Schließung der Einrichtung, es sei denn, daß die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Wird nur ein Teil der Einrichtung geschlossen, so sind die in S 1 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einen anderen Teil der Einrichtung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, gilt S 1. S 20 Schweigepflicht Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung haben über dienstliche Angelegenheiten oder Tatsachen, die ihnen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Mitarbeitervertretung bekannt geworden sind und Verschwiegenheit erfordern, Stillschweigen zu bewahren. Das gilt auch für die Zeit nach Ausscheiden aus der Mitarbeitervertretung. 228

c)

Mitarbeiterversammlung

III. Mitarbeiterversammlung $ 21 Einberufung der Mitarbeiterversammlung (1) Die Mitarbeiterversammlung (§ 4) ist nicht öffentlich. Sie wird von der oder dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung einberufen und geleitet. Die Einladung hat unter Angabe der Tagesordnung mindestens eine Woche vor dem Termin durch Aushang oder in sonst geeigneter Weise, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit der Kenntnisnahme gibt, zu erfolgen. (2) Die Mitarbeiterversammlung hat mindestens einmal im Jahr stattzufinden. Auf ihr hat die oder der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. (3) Auf Verlangen von einem Drittel der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die oder der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung die Mitarbeiterversammlung unter Angabe der Tagesordnung innerhalb von zwei Wochen einzuberufen. Das gleiche gilt, wenn der Dienstgeber aus besonderem Grunde die Einberufung verlangt. In diesem Fall ist in der Tagesordnung der Grund anzugeben. An dieser Versammlung nimmt der Dienstgeber teil. (4) Notwendige Fahrtkosten für jährlich höchstens zwei Mitarbeiterversammlungen sowie für die auf Verlangen des Dienstgebers einberufene Mitarbeiterversammlung (Abs 3) werden von dem Dienstgeber nach den bei ihm geltenden Regelungen erstattet. S 22 Aufgaben und Verfahren der Mitarbeiterversammlung (1) Die Mitarbeiterversammlung befaßt sich mit allen Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit der Mitarbeitervertretung gehören. In diesem Rahmen ist die Mitarbeitervertretung der Mitarbeiter-

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Kirchenarbeitsrecht J 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

Versammlung berichtspflichtig. Sie kann der Mitarbeitervertretung Anträge unterbreiten und zu den Beschlüssen der Mitarbeitervertretung Stellung nehmen. (2) Spricht mindestens die Hälfte der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Mitarbeiterversammlung der Mitarbeitervertretung das Mißtrauen aus, so findet eine Neuwahl statt (S 13 Abs 3 Nr 5) (3) Jede ordnungsgemäß einberufene Mitarbeiterversammlung ist ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig. Die Beschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit aller anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Anträge der Mitarbeiterversammlung gelten bei Stimmengleichheit als abgelehnt. (4) Anträge und Beschlüsse sind in einer Niederschrift festzuhalten und von der oder dem Vorsitzenden und der Schriftführerin oder dem Schriftführer der Mitarbeitervertretung zu unterzeichnen. Der Niederschrift soll eine Anwesenheitsliste beigefügt werden. Bei Teilversammlungen (S 4 S 2) und im Falle des Abs 2 ist eine Anwesenheitsliste beizufügen. d)

Besondere Formen der Vertretung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

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IV. Besondere Formen der Vertretung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern S 23 Sondervertretung341 (1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von ihrem Dienstgeber einer Einrichtung eines anderen kirchlichen oder nichtkirchlichen Rechtsträgers zugeordnet worden sind, bilden eine Sondervertretung. (2) Die Sondervertretung wirkt mit bei Maßnahmen, die vom Dienstgeber getroffen werden. Bei Zuordnung zu einem kirchlichen Rechtsträger ist im übrigen die Mitarbeitervertretung der Einrichtung zuständig. (3) Das Nähere, einschließlich der Einzelheiten des Wahlverfahrens, wird in Sonderbestimmungen geregelt. $ 24 Gesamtmitarbeitervertretung342 (1) Bestehen bei einem Dienstgeber (§ 2) mehrere Mitarbeitervertretungen, so kann im Einvernehmen zwischen Dienstgeber und allen Mitarbeitervertretungen eine Gesamtmitarbeitervertretung gebildet werden. (2) Jede Mitarbeitervertretung entsendet in die Gesamtmitarbeitervertretung ein Mitglied. Außerdem wählen die Sprecherinnen oder Sprecher der Jugendlichen und Auszubildenden und die Vertrauensperson der Schwerbehinderten der beteiligten Mitarbeitervertretungen aus ihrer Mitte je eine Vertreterin oder einen Vertreter und je eine Ersatzvertreterin oder einen Ersatzvertreter in die Gesamtmitarbeitervertretung. (3) Die Gesamtmitarbeitervertretung wirkt bei den Angelegenheiten im Sinne der $$ 26 bis 38 mit, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Zuständigkeitsbereich mehrerer Mitarbeitervertretungen betreffen. In allen übrigen Angelegenheiten wirkt die Mitarbeitervertretung der Einrichtung mit, unabhängig davon, wer für den Dienstgeber handelt. (4) Für die Gesamtmitarbeitervertretung gelten im übrigen die Bestimmungen dieser Ordnung sinngemäß mit Ausnahme des $ 15 Abs 3. S 25 Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen343 (1) Die Mitarbeitervertretungen im Anwendungsbereich dieser Ordnung bilden die „Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im (Erz-)Bistum . . . " 341 342

Musterfür eine diözesane Fassung. Muster für eine diözesane Fassung. Heinrich Gehring/Christoph Thiele

343

Muster für eine diözesane Fassung.

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$ 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

(2) Zweck der Arbeitsgemeinschaft ist 1. gegenseitige Information und Erfahrungsaustausch mit den vertretenen Mitarbeitervertretungen, 2. Beratung der Mitarbeitervertretungen in Angelegenheiten des Mitarbeitervertretungsrechtes, 3. Förderung der Anwendung der Mitarbeitervertretungsordnung, 4. Sorge um die Schulung der Mitarbeitervertreterinnen und Mitarbeitervertreter, 5. Erarbeitung von Vorschlägen zur Fortentwicklung der Mitarbeitervertretungsordnung, 6. Erarbeitung von Anregungen an die Vertreterinnen und Vertreter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bistums-/Regional-KODA und der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes. (3) Organe der Arbeitsgemeinschaft sind - die Mitgliederversammlung - der Vorstand. Zusammensetzung der Mitgliederversammlung und Wahl des Vorstandes werden in Sonderbestimmungen geregelt. (4) Das (Erz-)Bistum trägt im Rahmen der der Arbeitsgemeinschaft im (Erz-)Bistumshaushalt zur Wahrnehmung der Aufgaben zur Verfügung gestellten Mittel die notwendigen Kosten einschließlich der Reisekosten entsprechend der für das (Erz-)Bistum geltenden Reisekostenregelung. Für die Teilnahme an der Mitgliederversammlung und für die Tätigkeit des Vorstandes besteht Anspruch auf Arbeitsbefreiung, soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft erforderlich ist und kein unabwendbares dienstliches oder betriebliches Interesse entgegensteht. (5) Die Arbeitsgemeinschaft kann sich mit Arbeitsgemeinschaften anderer (Erz-)Diözesen zu einer Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen zur Wahrung folgender Aufgaben zusammenschließen: 1. Förderung des Informations- und Erfahrungsaustausches unter ihren Mitgliedern, 2. Erarbeitung von Vorschlägen zur Anwendung des Mitarbeitervertretungsrechts, 3. Erarbeitung von Vorschlägen zur Entwicklung der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung, 4. Kontaktpflege mit der Kommission für Personalwesen des Verbandes der Diözesen Deutschlands. Desweiteren hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen das Recht, Anregungen an die Vertreterinnen und Vertreter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der ZentralKODA zu richten. Das Nähere bestimmt die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands. 2 3 0 Die gem § 25 Abs 5 von der Vollversammlung der Diözesen Deutschlands vorgesehene nähere Bestimmung für die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen ist durch Beschluß von Richtlinien für die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen erfolgt, die idF vom 21. Juni 1993 abgedruckt sind bei Bleistän/Thiel Kommentar zur MAVO, $ 25 Rn 35. e)

Das System der Beteiligungsrechte nach der MAVO

2 3 1 Kernstück der MAVO ist die Regelung der Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung in den $$ 26 bis 39. Wie beim Mitarbeitervertretungsrecht nach dem MVG-EKD sind die Beteiligungsrechte der MAVO nicht an das Vorbild des Betriebsverfassungsrechts, sondern an das des staatliche Personalvertretungsrechts angelehnt. 2 3 2 Die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitervertretung und Dienstgeber sind in den §S 26 und 27 geregelt. Diese entsprechen inhaltlich im wesentlichen den $§ 33 bis 35 MVG-EKD, 1092

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Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

weshalb auf die Ausführungen in Rn 200 verwiesen werden kann. Entscheidende Kriterien sind auch hier das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ($ 26 Abs. 1), dessen spezielle Ausprägung die gegenseitige Informationspflicht ($ 27 Abs 1 S 1, zwingend in den Fällen eines in $ 27 Abs 2 normierten Kataloges) und der Anspruch auf Aussprache über die Angelegenheiten, die die Dienstgemeinschaft betreffen ($ 27 Abs 1 S 2) sind. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit findet eine weitere Konkretisierung in der Regelung des $ 39 über Gemeinsame Sitzungen und Gespräche von Mitarbeitervertretung und Dienstgeber. Die Formen der Beteiligung sind in den $$ 28 ff bestimmt, in § 28 genannt: Das Recht auf Anhörung 233 und Mitberatung besteht in den abschließend in $ 29 Abs 1 genannten Fällen. Es handelt sich dabei um eine formalisierte und qualifizierte Form der Erörterung mit dem Dienstgeber in Fragen, die vor allem die Arbeitsorganisation betreffen. Führen in diesem Zusammenhang vorgetragene Einwendungen der Mitarbeitervertretung nicht zu einer gemeinsamen Position, so besteht ein bindendes Letztentscheidungsrecht des Dienstgebers, das der Überprüfung durch die Schlichtungsstelle verschlossen bleibt. 344 Bei dem Recht auf Anhörung und Mitberatung bei ordentlicher Kündigung nach Ablauf der Probezeit (S 39) und dem Recht auf Anhörung und Mitberatung bei außerordentlicher Kündigung nach Ablauf der Probezeit (§ 31) geht es um qualifizierte Fälle des Anhörungs- und Mitberatungsrechts, die jeweils einem detailliert festgelegten Verfahren folgen. Ist das Verfahren jeweils ordnungsgemäß durchgeführt worden, so kann der Dienstgeber auch bei Einwendungen der Mitarbeitervertretung die ordentliche bzw außerordentliche Kündigung aussprechen. Mit dem „Vorschlagsrecht" des § 32 steht der Mitarbeitervertretung ein Initiativrecht zu in einem 234 Teilbereich der Fälle des Anhörungs- und Mitberatungsrechts nach $ 29. Kommt es zu keiner Einigung im Rahmen des vorgesehenen Verfahrens, so teilt der Dienstgeber seine Ablehnung des Vorschlags schriftlich mit. S 33 legt das Verfahren fest für die Behandlung jener Angelegenheiten, die der Zustimmung der 235 Mitarbeitervertretung unterliegen. Dabei handelt es sich insbesondere erstens um die Fälle der Zustimmung bei Einstellung oder Anstellung ($ 34), die die Mitarbeitervertretung - nur - verweigern kann, wenn ein Verstoß gegen die Rechtsordnung oder die Störung des Arbeitsfriedens in der Einrichtung zu besorgen ist. Zweitens geht es um die Zustimmung bei sonstigen persönlichen Angelegenheiten wie Ein- oder Höhergruppierung oder Abordnung, die verweigert werden kann, wenn wiederum ein Rechtsverstoß oder eine Benachteiligung der betreffenden Person befürchtet wird. Ferner besteht in den in S 36 abschließend aufgeführten Fällen ein Recht auf Beachtung der Zustimmung bei Angelegenheiten der Dienststelle. Gem $ 37 besteht ein Antragsrecht in enumerativ genannten Angelegenheiten. Anders als beim Vor- 236 schlagsrecht führt die Ablehnung des Antrags durch den Dienstgeber auf Antrag der Mitarbeitervertretung zu einem Verfahren vor der Schlichtungsstelle. Dienstvereinbarungen nach $ 38 sind nicht, wie in der Evangelischen Kirche, in nicht eingegrenzten 237 Anwendungsfällen, sondern nur in den in Abs 1 genannten zulässig. Im übrigen stehen sie unter dem Vorbehalt der anderweitigen Anwendung einer kirchlichen Arbeitsvertragsordnung oder einer sonstigen kirchengesetzlichen Regelung. Über diese zusammenfassende Beschreibung hinaus ist beim folgenden Abdruck der Beteiligungsrechte 238 nach SS 26 ff MAVO eine weitergehende Erläuterung aus Raumgründen nicht möglich. Auf die in Rn 170 genannte Literatur wird verwiesen. V. Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung

239

S 26 Allgemeine Aufgaben der Mitarbeitervertretung (1) Der Dienst in der Kirche verpflichtet Dienstgeber und Mitarbeitervertretung in besonderer Weise, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und sich bei der Erfüllung der Aufgaben gegenseitig zu unterstützen. Dienstgeber und Mitarbeitervertretung haben darauf zu achten, daß alle Mit344 Im einzelnen Bleistein/Thiel Kommentar zur MAVO, S 29. Heinrich Gehring/Christoph Thiele

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S 630 Anhang

Kirchenarbeitsrecht

VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

arbeiterinnen und Mitarbeiter nach Recht und Billigkeit behandelt werden. In ihrer Mitverantwortung für die Aufgabe der Einrichtung soll auch die Mitarbeitervertretung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Verständnis für den Auftrag der Kirche stärken und für eine gute Zusammenarbeit innerhalb der Dienstgemeinschaft eintreten. (2) Der Mitarbeitervertretung sind auf Verlangen die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Personalakten dürfen nur mit schriftlicher Zustimmung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters eingesehen werden. (3) Die Mitarbeitervertretung hat folgende allgemeine Aufgaben: 1. Maßnahmen, die der Einrichtung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dienen, anzuregen, 2. Anregungen und Beschwerden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, vorzutragen und auf ihre Erledigung hinzuwirken, 3. die Eingliederung und berufliche Entwicklung Schwerbehinderter und anderer schutzbedürftiger, insbesondere älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern, 4. die Eingliederung ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Einrichtung und das Verständnis zwischen ihnen und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu fördern, 5. Maßnahmen zur beruflichen Förderung Schwerbehinderter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuregen, 6. mit den Sprecherinnen oder Sprechern der Jugendlichen und der Auszubildenden zur Förderung der Belange der jugendlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Auszubildenden zusammenzuarbeiten, 7. sich für die Durchführung der Vorschriften über den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und die Gesundheitsförderung in der Einrichtung einzusetzen, 8. auf frauen- und familienfreundliche Arbeitsbedingungen hinzuwirken. S 27 Information (1) Dienstgeber und Mitarbeitervertretung informieren sich gegenseitig über die Angelegenheiten, welche die Dienstgemeinschaft betreffen. Auf Wunsch findet eine Aussprache statt. (2) Der Dienstgeber informiert die Mitarbeitervertretung insbesondere über - Stellenausschreibungen, - Änderungen und Ergänzungen des Stellenplanes, - Behandlung der von der Mitarbeitervertretung vorgetragenen Anregungen und Beschwerden, - während der Probezeit ausgesprochene Kündigungen. S 28 Formen der Beteiligung, Dienstvereinbarung (1) Die Beteiligung der Mitarbeitervertretung an Entscheidungen des Dienstgebers vollzieht sich im Rahmen der Zuständigkeit der Einrichtung nach den 29 bis 37. Formen der Beteiligung sind: - Anhörung und Mitberatung, - Vorschlagsrecht, - Zustimmung, - Antragsrecht. (2) Dienstvereinbarungen sind im Rahmen des S 38 zulässig.

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Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. M AVO, Regelungsschwerpunkte

S 29 Anhörung und Mitberatung (1) Das Recht der Anhörung und der Mitberatung ist bei folgenden Angelegenheiten gegeben: 1. Maßnahmen innerbetrieblicher Information und Zusammenarbeit, 2. Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung oder Beauftragung bedürfen, sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im liturgischen Dienst, 3. Regelung der Ordnung in der Einrichtung (Haus- und Heimordnungen), 4. Festlegung von Richtlinien zur Durchführung des Stellenplans, 5. Verpflichtung zur Teilnahme oder Auswahl der Teilnehmerinnen oder Teilnehmer an beruflichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, 6. Durchführung beruflicher Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die die Einrichtung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbietet, 7. Einführung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen sowie deren Einstellung, 8. Fassung von Musterdienst- und Musterarbeitsverträgen, 9. Regelung zur Erstattung dienstlicher Auslagen, 10. Abordnung von mehr als drei Monaten oder Versetzung an eine andere Einrichtung von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung oder Beauftragung bedürfen, 11. vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter die Mitwirkung beantragt, 12. Entlassung aus einem Probe- oder Widerrufs Verhältnis in Anwendung beamtenrechtlicher Bestimmungen, wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter die Mitwirkung beantragt, 13. Überlassung von Wohnungen, die für Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter vorgesehen sind, 14. grundlegende Änderungen von Arbeitsmethoden, 15. Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufes, 16. Festlegung von Grundsätzen für die Gestaltung von Arbeitsplätzen, 17. Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen von ihnen, 18. Bestellung zur Mitarbeiterin oder zum Mitarbeiter in leitender Stellung gemäß S 3 Abs 2 Nrn. 3 und 4. (2) In den in Abs 1 genannten Fällen wird die Mitarbeitervertretung zu der vom Dienstgeber beabsichtigten Maßnahme oder Entscheidung angehört. Diese ist der Mitarbeitervertretung rechtzeitig mitzuteilen. (3) Erhebt die Mitarbeitervertretung binnen einer Frist von einer Woche keine Einwendungen, so gilt die vorbereitete Maßnahme oder Entscheidung als nicht beanstandet. Auf Antrag der Mitarbeitervertretung kann der Dienstgeber eine Fristverlängerung um eine weitere Woche bewilligen. Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen, so werden die Einwendungen in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel der Verständigung beraten. (4) Hält die Mitarbeitervertretung auch danach ihre Einwendungen aufrecht und will der Dienstgeber den Einwendungen nicht Rechnung tragen, so teilt er dies der Mitarbeitervertretung schriftlich mit. (5) Der Dienstgeber kann bei Maßnahmen oder Entscheidungen, die der Anhörung und MitHeinrich Gehring/Christoph Thiele

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

beratung der Mitarbeitervertretung bedürfen und der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Die Mitarbeitervertretung ist über die getroffene Regelung unverzüglich zu verständigen. § 30 Anhörung und Mitberatung bei ordentlicher Kündigung nach Ablauf der Probezeit (1) Der Mitarbeitervertretung sind vor jeder ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung und die Gründe hierfür mitzuteilen. (2) Will die Mitarbeitervertretung gegen die Kündigung Einwendungen geltend machen, so hat sie diese unter Angabe der Gründe dem Dienstgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Erhebt die Mitarbeitervertretung innerhalb der Frist keine Einwendungen, so gilt die beabsichtigte Kündigung als nicht beanstandet. Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen und hält der Dienstgeber an der Kündigungsabsicht fest, so werden die Einwendungen in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel einer Verständigung beraten. Der Dienstgeber setzt den Termin der gemeinsamen Sitzung fest und lädt hierzu ein. (3) Als Einwendung kann insbesondere geltend gemacht werden, daß nach Ansicht der Mitarbeitervertretung 1. die Kündigung gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, kircheneigene Ordnung oder sonstiges geltendes Recht verstößt, 2. der Dienstgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiterin oder des zu kündigenden Mitarbeiters soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, 3. die zu kündigende Mitarbeiterin oder der zu kündigende Mitarbeiter an einem anderen Arbeitsplatz in einer Einrichtung desselben Dienstgebers weiter beschäftigt werden kann, 4. die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder 5. eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Diese Einwendungen bedürfen der Schriftform und der Angabe der konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Gründe. (4) Kündigt der Dienstgeber, obwohl die Mitarbeitervertretung Einwendungen gemäß Abs 3 Nrn. 1 bis 5 erhoben hat, so hat er der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter mit der Kündigung eine Abschrift der Einwendungen der Mitarbeitervertretung zuzuleiten. (5) Eine ohne Einhaltung des Verfahrens nach den Absätzen 1 und 2 ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. $31 Anhörung und Mitberatung bei außerordentlicher Kündigung nach Ablauf der Probezeit (1) Der Mitarbeitervertretung ist vor einer außerordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung mitzuteilen. (2) Will die Mitarbeitervertretung gegen die Kündigung Einwendungen geltend machen, so braucht sie das Einverständnis der oder des Betroffenen. Sie hat ihre Einwendungen unter Angabe der Gründe dem Dienstgeber innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen. Diese Frist kann vom Dienstgeber auf 48 Stunden verkürzt werden. Erhebt die Mitarbeitervertretung innerhalb der Frist keine Einwendungen, so gilt die beabsichtigte Kündigung als nicht beanstandet. Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen, so entscheidet der Dienstgeber über den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung. (3) Eine ohne Einhaltung des Verfahrens nach den Absätzen 1 und 2 ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. 1096

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Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

S 32 Vorschlagsrecht (1) Die Mitarbeitervertretung hat in folgenden Angelegenheiten ein Vorschlagsrecht: 1. Maßnahmen innerbetrieblicher Information und Zusammenarbeit, 2. Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fur pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung oder Beauftragung bedürfen, sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im liturgischen Dienst, 3. Regelung der Ordnung in der Einrichtung (Haus- und Heimordnungen), 4. Durchführung beruflicher Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die die Einrichtung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbietet, 5. Regelung zur Erstattung dienstlicher Auslagen, 6. Einfuhrung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen und deren Einstellung, 7. Überlassung von Wohnungen, die für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgesehen sind, 8. grundlegende Änderungen von Arbeitsmethoden, 9. Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufes, 10. Festlegung von Grundsätzen für die Gestaltung von Arbeitsplätzen, 11. Regelungen gemäß S 6 Abs 3. (2) Will der Dienstgeber einem Vorschlag der Mitarbeitervertretung im Sinne des Abs 1 nicht entsprechen, so ist die Angelegenheit in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel der Einigung zu beraten. Kommt es nicht zu einer Einigung, so teilt der Dienstgeber die Ablehnung des Vorschlages der Mitarbeitervertretung schriftlich mit. S 33 Zustimmung (1) In den Angelegenheiten der SS 34 bis 36 sowie des S 18 Absätze 2 und 4 kann der Dienstgeber die von ihm beabsichtigte Maßnahme oder Entscheidung nur mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung treffen. (2) Der Dienstgeber unterrichtet die Mitarbeitervertretung von der beabsichtigten Maßnahme oder Entscheidung und beantragt ihre Zustimmung. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht binnen einer Woche nach Eingang des Antrages bei ihr Einwendungen erhebt. Auf Antrag der Mitarbeitervertretung kann der Dienstgeber die Frist um eine weitere Woche verlängern. Wenn Entscheidungen nach Ansicht des Dienstgebers eilbedüftig sind, so kann er die Frist auf drei Tage, bei Anstellungen und Einstellungen auch bis zu 24 Stunden unter Angabe der Gründe verkürzen. (3) Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen, so haben Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel der Einigung zu verhandeln, falls nicht der Dienstgeber von der beabsichtigten Maßnahme oder Entscheidung Abstand nimmt. Der Dienstgeber setzt den Termin für die Verhandlung fest und lädt dazu ein. Die Mitarbeitervertretung erklärt innerhalb von drei Tagen nach Abschluß der Verhandlung, ob sie die Zustimmung erteilt oder verweigert. Äußert sie sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt die Zustimmung als erteilt. (4) Hat die Mitarbeitervertretung die Zustimmung verweigert, so kann der Dienstgeber gemäß S 41 Abs 1 Nr 6 die Schlichtungsstelle anrufen. (5) Der Dienstgeber kann in Angelegenheiten der SS 34 bis 36, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Er hat unverzüglich der Mitarbeitervertretung die vorläufige Regelung mitzuteilen und zu begründen und das Verfahren nach den Absätzen 2 bis 4 einzuleiten oder fortzusetzen.

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

S 34 Zustimmung bei Einstellung und Anstellung (1) Die Einstellung und Anstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedarf der Zustimmung der Mitarbeitervertretung, es sei denn, daß die Tätigkeit geringfügig im Sinne von § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV ist oder es sich um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung handelt, die zur ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung oder Beauftragung bedürfen. (2) Die Mitarbeitervertretung kann die Zustimmung nur verweigern, wenn 1. die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, kircheneigene Ordnungen oder sonstiges geltendes Recht verstößt oder 2. durch bestimmte Tatsachen der Verdacht begründet wird, daß die Bewerberin oder der Bewerber durch ihr oder sein Verhalten den Arbeitsfrieden in der Einrichtung in einer Weise stören wird, die insgesamt für die Einrichtung unzuträglich ist. (3) Bei Einstellungs- oder Anstellungsverfahren ist die Mitarbeitervertretung für ihre Mitwirkung über die Person der oder des Einzustellenden zu unterrichten. Der Mitarbeitervertretung ist auf Verlangen im Einzelfall Einsicht in die Bewerbungsunterlagen der oder des Einzustellenden zu gewähren. S 35 Zustimmung bei sonstigen persönlichen Angelegenheiten (1) Die Entscheidung des Dienstgebers bedarf in folgenden persönlichen Angelegenheiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zustimmung der Mitarbeitervertretung: 1. Eingruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 2. Höhergruppierung oder Beförderung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 3. Rückgruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 4. nicht nur vorübergehende Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit, 5. Abordnung von mehr als drei Monaten oder Versetzung an eine andere Einrichtung, es sei denn, daß es sich um Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung handelt, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung oder Beauftragung bedürfen, 6. Versagen und Widerruf der Genehmigung einer Nebentätigkeit, 7. Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus, 8. Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze, 9. Anordnungen, welche die Freiheit in der Wahl der Wohnung beschränken mit Ausnahme der Dienstwohnung, die die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter kraft Amtes beziehen muß. (2) Die Mitarbeitervertretung kann die Zustimmung nur verweigern, wenn 1. die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, kircheneigene Ordnungen, eine Dienstvereinbarung oder sonstiges geltendes Recht verstößt, 2. der durch bestimmte Tatsachen begründete Verdacht besteht, daß durch die Maßnahme die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter ohne sachliche Gründe bevorzugt oder benachteiligt werden soll. 5 36 Zustimmung bei Angelegenheiten der Dienststelle (1) Die Entscheidung bei folgenden Angelegenheiten der Dienststelle bedarf der Zustimmung der Mitarbeitervertretung, soweit nicht eine kirchliche Arbeitsvertragsordnung oder sonstige kirchliche gesetzliche Regelung Anwendung findet: 1. Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, 2. Festlegung der Richtlinien zum Urlaubsplan und zur Urlaubsregelung, 1098

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Kirchenarbeitsrecht $ 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

3. Planung und Durchführung von Veranstaltungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 4. Errichtung, Verwaltung und Auflösung sozialer Einrichtungen, 5. Inhalt von Personalfragebogen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 6. Beurteilungsrichtlinien für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 7. Richtlinien für die Gewährung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen, 8. Durchführung der Ausbildung, soweit nicht durch Rechtsvorschriften oder durch Ausbildungsvertrag geregelt, 9. Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überwachen, 10. Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen, 11. Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung von wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen von ihnen. (2) Abs 1 Nr 1 findet keine Anwendung auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung oder Beauftragung bedürfen, sowie auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im liturgischen Dienst. (3) Muß für eine Einrichtung oder für einen Teil der Einrichtung die tägliche Arbeitszeit gemäß Abs 1 Nr 1 nach Erfordernissen, die die Einrichtung nicht voraussehen kann, unregelmäßig oder kurzfristig festgesetzt werden, ist die Beteiligung der Mitarbeitervertretung auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne, insbesondere für die Anordnung von Arbeitsbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden beschränkt. S 37 Antragsrecht (1) Die Mitarbeitervertretung hat in folgenden Angelegenheiten ein Antragsrecht, soweit nicht eine kirchliche Arbeitsvertragsordnung oder sonstige kirchliche gesetzliche Regelung Anwendung findet: 1. Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, 2. Festlegung der Richtlinien zum Urlaubsplan und zur Urlaubsregelung, 3. Planung und Durchführung von Veranstaltungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 4. Errichtung, Verwaltung und Auflösung sozialer Einrichtungen, 5. Inhalt von Personalfragebogen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 6. Beurteilungsrichtlinien für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 7. Richtlinien für die Gewährung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen, 8. Durchführung der Ausbildung, soweit nicht durch Rechtsvorschriften oder durch Ausbildungsvertrag geregelt, 9. Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überwachen, 10. Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen, 11. Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung von wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen von ihnen. (2) S 36 Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. (3) Will der Dienstgeber einem Antrag der Mitarbeitervertretung im Sinne des Abs 1 nicht entsprechen, so teilt er ihr dies schriftlich mit. Die Angelegenheit ist danach in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung zu beraten. Kommt es nicht zu einer Einigung, so kann die Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle anrufen. S 38 Dienstvereinbarungen (1) Dienstvereinbarungen sind in folgenden Angelegenheiten zulässig: 1. Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; S 36 Abs 2 gilt entsprechend, 2. Festlegung der Richtlinien zum Urlaubsplan und zur Urlaubsregelung, 3. Planung und Durchführung von Veranstaltungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 4. Errichtung, Verwaltung und Auflösung sozialer Einrichtungen, 5. Inhalt von Personalfragebogen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 6. Beurteilungsrichtlinien für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 7. Richtlinien für die Gewährung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen, 8. Durchführung der Ausbildung, soweit nicht durch Rechtsvorschriften oder durch Ausbildungsvertrag geregelt, 9. Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überwachen, 10. Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen, 11. Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung von wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen von ihnen. (2) Dienstvereinbarungen sind nur zulässig, soweit nicht eine kirchliche Arbeitsvertragsordnung oder sonstige kirchliche gesetzliche Regelung Anwendung findet, es sei denn, daß diese den Abschluß von Dienstvereinbarungen ausdrücklich zulassen. Bestehende Dienstvereinbarungen werden mit dem Inkraftsetzen der Regelung gemäß S 1 unwirksam. (3) Dienstvereinbarungen werden durch Dienstgeber und Mitarbeitervertretung gemeinsam beschlossen, sind schriftlich niederzulegen, von beiden Seiten zu unterzeichnen und in geeigneter Weise bekanntzumachen. Dienstvereinbarungen können von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende schriftlich gekündigt werden. (4) Im Falle der Kündigung wirkt die Dienstvereinbarung in den Angelegenheiten des Abs 1 nach. S 39 Gemeinsame Sitzungen und Gespräche (1) Dienstgeber und Mitarbeitervertretung kommen mindestens einmal jährlich zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Eine gemeinsame Sitzung findet ferner dann statt, wenn Dienstgeber oder Mitarbeitervertretung dies aus besonderem Grund wünschen. Zur gemeinsamen Sitzung lädt der Dienstgeber unter Angabe des Grundes und nach vorheriger einvernehmlicher Terminabstimmung mit der Mitarbeitervertretung ein. Die Tagesordnung und das Besprechungsergebnis sind in einer Niederschrift festzuhalten, die vom Dienstgeber und von der oder dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung zu unterzeichnen ist. Dienstgeber und Mitarbeitervertretung erhalten eine Ausfertigung der Niederschrift. (2) Außer zu den gemeinsamen Sitzungen sollen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung regel1100

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Kirchenarbeitsrecht § 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

mäßig zu Gesprächen über allgemeine Fragen des Dienstbetriebes und der Dienstgemeinschaft I sowie zum Austausch von Anregungen und Erfahrungen zusammentreffen. I f)

Der Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche

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Für Rechtsstreitigkeiten in Fragen des Mitarbeitervertretungsrechts ist in der katholischen Kirche gem SS 40,41 MAVO der Rechtsweg zu Schlichtungsstellen eröffnet. Der staatliche Rechtsweg kommt nicht in Betracht. Für die katholische Kirche gelten insofern die gleichen Grundsätze, wie sie für den Bereich der evangelischen Kirche bereits in Rn 211 dargelegt worden sind. Darauf wird verwiesen. Gem $ 41 Abs 1 findet das Schlichtungsverfahren statt in Regelungsstreitigkeiten, die enumerativ aufgezählt sind, also in solchen Angelegenheiten, die sich auf die Regelungen der MAVO beziehen. $ 41 Abs 2 normiert die erweiterte Zuständigkeit der Schlichtungsstelle für alle sonstigen Rechtsstreitigkeiten mitarbeitervertretungsrechtlicher Art. Von einer eingehenderen Kommentierung der sogleich abgedruckten Regelungen über die Schlichtungsstellen und das Schlichtungsverfahren wird hier abgesehen. Bei den $$ 40, 41 MAVO idF vom 20. November 1995 handelt es sich lediglich um eine vorläufige Regelung,345 die nur bis zum Inkrafttreten der Regelungen über eine umfassende kirchliche Gerichtsbarkeit nach Art 10 Abs 2 Grundordnung gilt. Die demgemäß vorgesehene Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) liegt in Entwürfen vor, mit ihrem Beschluß ist in Kürze zu rechnen. Zu erwarten ist, daß das Schlichtungswesen, wie es bislang vorgesehen ist, verändert wird. Wesentliche Teile des bisherigen Zuständigkeitsbereiches der Schlichtungsstellen wird einer kirchlichen Arbeitsgerichtsbarkeit mit eventuell ausgeprägtem Instanzenzug zugewiesen werden. VI. Schlichtungsverfahren

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S 40 Schlichtungsstelle (1) Für den Bereich der (Erz-)Diözese besteht eine Schlichtungsstelle. (2) Die Schlichtungsstelle besteht aus der oder dem Vorsitzenden und der oder dem stellvertretenden Vorsitzenden sowie vier Beisitzerinnen oder Beisitzern und vier stellvertretenden Beisitzerinnen oder Beisitzern. (3) Die oder der Vorsitzende und die oder der stellvertretende Vorsitzende 1. müssen die Befähigung zum Richteramt haben, 2. dürfen nicht im kirchlichen Dienst stehen, 3. müssen der katholischen Kirche angehören und 4. dürfen in der Ausübung ihrer allgemeinen Gliedschaftsrechte nicht gehindert sein. (4) Die Beisitzerinnen oder Beisitzer und die stellvertretenden Beisitzerinnen oder Beisitzer 1. müssen im kirchlichen Dienst in der (Erz-)Diözese stehen, 2. müssen der katholischen Kirche angehören, 3. dürfen in der Ausübung ihrer allgemeinen Gliedschaftsrechte nicht gehindert sein. (5) Die Schlichtungsstelle tritt zusammen und entscheidet in der Besetzung mit der oder dem Vorsitzenden und den vier Beisitzerinnen oder Beisitzern. Im Falle der Verhindertung treten an ihre Stelle die Stellvertreterinnen oder Stellvertreter. (6) Die oder der Vorsitzende und die oder der stellvertretende Vorsitzende werden aufgrund eines gemeinsamen Vorschlags der Beisitzerinnen und Beisitzer vom Diözesanbischof ernannt. Kommt ein gemeinsamer Vorschlag innerhalb einer vom Diözesanbischof gesetzten Frist nicht zustande, ernennt der Diözesanbischof die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und die stellvertretende 345 Thiel Novelle der Rahmenordnung für eine MAVO, ZMV 96 7. Heinrich Gehring/Christoph Thiele

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

Vorsitzende oder den stellvertretenden Vorsitzenden nach vorheriger Anhörung des Vorstandes der diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen. (7) Zwei Beisitzerinnen oder Beisitzer und deren Stellvertreterinnen oder Stellvertreter werden vom Generalvikar bestellt. Die weiteren Beisitzerinnen oder Beisitzer und deren Stellvertreterinnen oder Stellvertreter bestellt der Vorstand der diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen. Besteht keine diözesane Arbeitsgemeinschaft, so wählt die beim Generalvikariat/ Ordinariat bestehende Mitarbeitervertretung und die beim Diözesancaritasverband bestehende Mitarbeitervertretung je eine Beisitzerin oder einen Beisitzer. (8) Die Amtszeit der Mitglieder der Schlichtungsstelle beträgt vier Jahre. Sie beginnt, wenn die Beisitzerinnen oder Beisitzer bestellt und die oder der Vorsitzende und deren Stellvertreterin oder Stellvertreter vom Diözesanbischof ernannt worden sind. Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Mitglieds findet für die restliche Dauer der Amtszeit eine Nachernennung bzw. Nachbestellung statt. Die Mitglieder der Schlichtungsstelle bleiben nach Ablauf der Amtszeit bis zur Ernennung bzw. Bestellung der Nachfolgerinnen oder Nachfolger im Amt. $ 41 Schlichtungsverfahren346 (1) Das Schlichtungsverfahren findet statt: 1. bei einem Verstoß des Dienstgebers gegen S 10 Abs 1, la und 2 auf Antrag mindestens eines Zehntels der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 2. im Falle des S 12 Abs 3 bei Anrufung durch eine wahlberechtigte Mitarbeiterin oder einen wahlberechtigten Mitarbeiter oder den Dienstgeber gegen Entscheidungen des Wahlausschusses oder der Wahlleiterin oder des Wahlleiters ($ 11 c Abs 4), 3. im Falle des S 13 Abs 3 Nr 6 auf Antrag des Dienstgebers oder eines Viertels der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in den Fällen des § 13 c Nrn. 2 und 5 auf Antrag des Dienstgebers, der Mitarbeitervertretung oder eines Viertels der wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 4. gemäß S 15 Abs 5 und im Falle des S 16 auf Antrag der Mitarbeitervertretung bei ablehnender Entscheidung des Dienstgebers über die Teilnahme, 5. auf Antrag der Mitarbeitervertretung bei einem Verstoß des Dienstgebers gegen die SS 3 Abs 2 S 2,11 Abs 8 S 2,17,18 Abs 1, 26 Abs 2, 27 Abs 2, 29 bis 32, 33 Abs 1, 2 oder 3, 34 Abs 1 oder 3, 35 Abs 1, 36 oder 37 Abs 3 S 1 und 2 und 39 Abs 1, 6. gemäß S 33 Abs 4 und S 37 Abs 3 S 3, 7. auf Antrag der Mitarbeitervertretung über die Zulässigkeit einer vorläufigen Regelung gemäß S 33 Abs 5, 8. auf Antrag des Dienstgebers oder der Mitarbeitervertretung bei wiederholten Verstößen gegen Inhalte einer Dienstvereinbarung gemäß S 38. Die Schlichtungsstelle entscheidet ferner über Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit einer Wahl der Mitarbeitervertretung. (2) Darüber hinaus kann die Schlichtungsstelle in allen sonstigen Rechtsstreitigkeiten mitarbeitervertretungsrechtlicher Art einschließlich solcher des Wahl- und Schlichtungsverfahrensrechts angerufen werden. Antragsberechtigt sind 1. in Angelegenheiten der Mitarbeitervertretungsordnung einschließlich des Schlichtungsverfahrensrechts die Mitarbeitervertretung und der Dienstgeber,

346 Diese Regelung ist vorläufig und gilt bis zum In-

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krafttreten der Regelungen über eine umfassende kirchliche Gerichtsbarkeit nach Art 10 Abs 2 Grundordnung.

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. MAVO, Regelungsschwerpunkte

2. in Angelegenheiten des Wahlverfahrensrechts die Mitarbeitervertretung, der Dienstgeber und jede Mitarbeiterin oder jeder Mitarbeiter, 3. in Angelegenheiten des § 25 die Organe der Arbeitsgemeinschaften, jeder Dienstgeber und das (Erz-)Bischöfliche Ordinariat. Der Antrag ist nur zulässig, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller geltend macht, durch eine Handlung oder Unterlassung in ihren oder seinen Rechten verletzt zu sein. (3) Die Schlichtungsstelle verhandelt nicht öffentlich. Dem Dienstgeber und der zuständigen Mitarbeitervertretung ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Auf Antrag eines Beteiligten soll eine mündliche Verhandlung stattfinden. Es können Zeugen und sachkundige Dritte herangezogen werden. (4) Die Schlichtungsstelle hat in jedem Fall eine Einigung anzustreben und soll deshalb den Parteien einen Einigungsvorschlag unterbreiten. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Schlichtungsstelle. Sie gibt dem Antrag statt oder lehnt ihn ab. In den Fällen der $$ 34 Abs 2 und 35 Abs 2 stellt sie fest, ob ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung vorliegt. $ 42 Entscheidung der Schlichtungsstelle (1) Die Schlichtungsstelle entscheidet durch Beschluß. Der Beschluß wird mit Stimmenmehrheit gefaßt. Er ist den Beteiligten zuzustellen und hat den zugrundeliegenden Sachverhalt und die Begründung zu enthalten. Im übrigen wird das Verfahren in einer besonderen vom Bischof zu erlassenden Verfahrensordnung geregelt. (2) Der Beschluß bindet die Beteiligten. Der Dienstgeber kann durch den Beschluß nur insoweit gebunden werden, als fUr die Maßnahmen finanzielle Deckung in seinen Haushalts-, Wirtschaftsund Finanzierungsplänen ausgewiesen ist. (3) Die für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens entstehenden notwendigen Kosten trägt der Dienstgeber nach Maßgabe der Verfahrensordnung. g) Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und Auszubildenden, Vertrauensperson der Schwerbehinderten, Vertrauensmann der Zivildienstleistenden

242

VII. Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden, Vertrauensperson der Schwerbehinderten, Vertrauensmann der Zivildienstleistenden S 43 Wahl und Anzahl der Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden In Einrichtungen, bei denen Mitarbeitervertretungen gebildet sind und denen in der Regel mindestens fünf Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter - unter 18 Jahren (Jugendliche) oder - zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Auszubildende), angehören, werden von diesen Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden gewählt. Als Sprecherinnen und Sprecher können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom vollendeten 16. Lebensjahr bis zum vollendeten 26. Lebensjahr gewählt werden. Es werden gewählt - eine Sprecherin oder ein Sprecher bei 5 bis 10 Jugendlichen und Auszubildenden sowie - drei Sprecherinnen oder Sprecher bei mehr als 10 Jugendlichen und Auszubildenden.

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$ 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VI. Das Mitarbeitervertretungsrecht im kirchlichen Bereich

S 43 a Versammlung der Jugendlichen und Auszubildenden (1) Die Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und Auszubildenden können vor oder nach einer Mitarbeiterversammlung im Einvernehmen mit der Mitarbeitervertretung eine Versammlung der Jugendlichen und Auszubildenden einberufen. Im Einvernehmen mit der MitarbeiterVertretung und dem Dienstgeber kann die Versammlung der Jugendlichen und Auszubildenden auch zu einem anderen Zeitpunkt einberufen werden. Der Dienstgeber ist zu diesen Versammlungen unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen. Er ist berechtigt, in der Versammlung zu sprechen. S 2 Abs 2 S 2 findet Anwendung. An den Versammlungen kann die oder der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung oder ein beauftragtes Mitglied der Mitarbeitervertretung teilnehmen. Die Versammlung der Jugendlichen und Auszubildenden befaßt sich mit Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit der Mitarbeitervertretung gehören, soweit sie Jugendliche und Auszubildende betreffen. (2) S 21 Abs 4 gilt entsprechend. S 44 Amtszeit der Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und Auszubildenden Die Amtszeit der Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden beträgt zwei Jahre. Die Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden bleiben im Amt, auch wenn sie während der Amtszeit das 26. Lebensjahr vollendet haben. S 45 Mitwirkung der Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und Auszubildenden (1) Die Sprecherinnen und Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden nehmen an den Sitzungen der Mitarbeitervertretung teil. Sie haben, soweit Angelegenheiten der Jugendlichen und Auszubildenden beraten werden, 1. das Recht, vor und während der Sitzungen der Mitarbeitervertretung Anträge zu stellen. Auf ihren Antrag hat die oder der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung eine Sitzung in angemessener Frist einzuberufen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt wird, auf die Tagesordnung zu setzen, 2. Stimmrecht, 3. das Recht, zu Besprechungen mit dem Dienstgeber eine Sprecherin oder einen Sprecher der Jugendlichen und Auszubildenden zu entsenden. (2) Für eine Sprecherin oder einen Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden gelten im übrigen die anwendbaren Bestimmungen der SS 7 bis 20 sinngemäß. Die gleichzeitige Kandidatur für das Amt einer Sprecherin oder eines Sprechers der Jugendlichen und Auszubildenden und das Amt der Mitarbeitervertreterin oder des Mitarbeitervertreters ist ausgeschlossen. S 46 Mitwirkung der Vertrauensperson der Schwerbehinderten (1) Die in Einrichtungen, in den wenigstens fünf Schwerbehinderte nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten nimmt an den Sitzungen der Mitarbeitervertretung teil. Die Vertrauensperson hat, soweit Angelegenheiten der Schwerbehinderten beraten werden, 1. das Recht, vor und während der Sitzungen der Mitarbeitervertretung Anträge zu stellen. Auf ihren Antrag hat die oder der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung eine Sitzung in angemessener Frist einzuberufen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt wird, auf die Tagesordnung zu setzen, 2. Stimmrecht, 3. das Recht, an Besprechungen bei dem Dienstgeber teilzunehmen, 4. das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung der Schwerbehinderten durchzuführen. (2) Für die Vertrauensperson der Schwerbehinderten gelten die SS 15 bis 20 entsprechend. 1104

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Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 3. MAVO, Regel ungsschwerpunkte

$ 46 a Rechte des Vertrauensmannes der Zivildienstleistenden (1) Der Vertrauensmann der Zivildienstleistenden kann an den Sitzungen der Mitarbeitervertretung beratend teilnehmen, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die auch die Zivildienstleistenden betreffen. (2) Ist ein Vertrauensmann nicht gewählt, so können sich die Zivildienstleistenden an die Mitarbeitervertretung wenden. Sie hat auf die Berücksichtigung der Anliegen, falls sie berechtigt erscheinen, beim Dienstgeber hinzuwirken. h)

Schulen, Hochschulen

245

Vili. Schulen, Hochschulen S 47 (1) Die Ordnung gilt auch fur die Schulen und Hochschulen im Anwendungsbereich des S l· 3 4 7 (2) Bei Hochschulen finden die für die Einstellung und Anstellung sowie die Eingruppierung geltenden Vorschriften keine Anwendung, soweit es sich um hauptberuflich Lehrende handelt, die in einem förmlichen Berufungsverfahren berufen werden. (3) Lehrbeauftragte an Hochschulen sind keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter im Sinne dieser Ordnung. i)

Schlußbestimmungen

246

IX. Schlußbestimmungen S 48 Durch anderweitige Regelungen oder Vereinbarung kann das Mitarbeitervertretungsrecht nicht abweichend von dieser Ordnung geregelt werden. §49 (1) Vorstehende Ordnung gilt ab (2) Beim Inkrafttreten bestehende Mitarbeitervertretungen bleiben für die Dauer ihrer Amtszeit bestehen. Sie führen ihre Tätigkeit weiter nach Maßgabe der Bestimmungen in den Abschnitten ΠΙ, IV, V und VI.

VIL Kirche und Koalitionen Schrifttum: Bieback in: Däubler (Hrsg), Arbeitskampfrecht, 2. Aufl 1987; Düte Mitbestimmung in kirchlichen Wirtschaftsbetrieben, in: Farthmann/Hanau/Isenhardt/Preis (Hrsg), Arbeitsgesetzgebung und Arbeitsrechtsprechung, FS Stahlhacke, 1996,101 ff; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht. Ein Lehrbuch, Bd 1,1997; Grethlein Der Rechtsstatus der Koalitionen (Art 9 m GG) in der Kirche, ZevKR 33 (1988) 257; Hagemeier/Kempen/Zachert/ Zilitis Tarifvertragsgesetz. Kommentar für die Praxis. 2. Aufl 1984; Mayer-Maly Das staatliche Arbeitsrecht und die Kirchen, Essener Gespräche 10 (1976) 127; Stein Evangelisches Kirchenrecht. Ein Lernbuch, 3. Aufl 1992; Wiedemann/Siump/Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl 1977; ferner die unter Fn 4 und 8 aufgeführte Literatur.

1. Die individuelle Koalitionsfreiheit im Bereich der Kirchen - die Dienstnehmer der Kirchen als Verbandsmitglieder Anders als die Inhaber eines geistlichen Amtes sowie Ordensangehörige und Diakonissen können die 2 4 7 Arbeitnehmer (Dienstnehmer, Mitarbeiter) der Kirchen und ihrer Einrichtungen von dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 3 GG) Gebrauch machen und sich zur Wahrung und Förderung ihrer Arbeitsbedingungen zu Koalitionen zusammenschließen. Allerdings wird hier verlangt, die 347 Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Schulen,

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die im Dienste eines Bundeslandes stehen, können Sonderregelungen getroffen werden.

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VII. Kirche und Koalitionen

Besonderheit des kirchlichen Dienstes (Verkündigung und tätige Nächstenliebe) zu respektieren,348 wie es jetzt von Art 6 Abs 2 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.9.1993 (GrO) ausdrücklich verlangt wird (Text der GrO NJW 941394 ff und NZA 94 112 ff). Das hat zur Folge, daß der sonst übliche Gewerkschaftsbegriff 349 im kirchlichen Bereich nur modifiziert gelten kann. Zwar ist zu fordern, daß die im kirchlichen Bereich tätigen Verbände (Gewerkschaften) unabhängig und gegnerfrei sind, sie brauchen aber nicht die Bereitschaft zum Arbeitskampf aufzuweisen, 350 zumal da Art 7 Abs 2 GrO Streik und Aussperrung ausschließt (Näheres s u 253). 2.

Die kollektive Koalitionsfreiheit im Bereich der Kirchen

a)

Das Zutrittsrecht der Gewerkschaften

2 4 8 Das Bundesverfassungsgericht (Zweiter Senat) hat in seinem Beschluß vom 17. Februar 1981 (BVerfG 57 220, AP GG Art 140 Nr 9 -„Volmarstein"-) ein gewerkschaftliches Zutrittsrecht zu kirchlichen Einrichtungen verneint. 351 Der durch das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und der ihnen zugeordneten Einrichtungen gewährleistete Freiraum wirke sich auch auf die Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als kirchliche Einrichtung und der Gewerkschaft (hier ÖTV) aus. Ein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsangehöriger in den Bereich einer (Kirche oder) kirchlichen Einrichtung könnte nur bejaht werden, wenn das kirchliche Selbstbestimmungsrecht durch ein „für alle geltendes Gesetz" iSv Art 137 Abs 3 WRV eine verfassungsrechtlich zulässige Einschränkung erfahren hätte. An einer solchen gesetzlichen Regelung fehle es jedoch. 2 4 9 In Art 9 Abs 3 GG, der wegen seiner Drittwirkung als ein für alle geltendes Gesetz in Betracht kommen könnte, sei ein Zutrittsrecht für betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte vom Wortlaut her nicht festgeschrieben. Es lasse sich auch nicht durch Auslegung ableiten. Zwar gehöre zu der den Koalitionen gewährleisteten Betätigung auch die Werbung neuer Mitglieder, die ohne entsprechende Information und Selbstdarstellung seitens der Gewerkschaften nur schwer verwirklicht werden könnte. Die Verfassung garantiere jedoch selbst diese Tätigkeiten der Koalitionen nicht schrankenlos, sondern schütze sie nur in einem Kernbereich. Es sei Sache des Gesetzgebers, die Befugnisse der Koalitionen näher zu regeln. Art 9 Abs 3 GG verbürge verfassungskräftig gewerkschaftliche Betätigung nur insoweit, als diese für die Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition als unerläßlich betrachtet werden müsse. Daß ohne berufsverbandliches Zutrittsrecht für betriebsexterne Gewerkschaftsangehörige die Erhaltung und Sicherung der Koalition gefährdet wäre, sei jedenfalls dort, wo die Gewerkschaft bereits durch Mitglieder vertreten sei, auszuschließen. Hier könnten die organisierten Betriebsangehörigen werbend und unterrichtend tätig werden. Daß externe Gewerkschaftsbeauftragte effektivere Gewerkschaftsarbeit leisten könnten, erfordere nicht von Verfassungs wegen ihren Einsatz im Betrieb selbst. Ein berufsverbandliches Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter sei auch nicht durch einfaches Gesetz ausgewiesen. Dem Zutrittsbegehren der Gewerkschaft fehle danach die Rechtsgrund-

348 Vgl Frank HdbStKR I, l.Aufl 1974, 669, 692 (der Koalitionsfreiheit auch für Pfarrer und Kirchenbeamte anerkennt); Hesse FS Werner Weber 447, 457; Rüftier Essener Gespräche 7 (1972) 9, 22 (diese Autoren vertreten besonders nachhaltig den Standpunkt, daß das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen der Drittwirkung des Art 9 Abs 3 S 2 GG Schranken setzen könne); Richardi Arbeitsrecht in der Kirche § 9 Rn 24; Pahlke Kirche und Koalitionsrecht 157; Janssen Streikrecht 37; Grethlein ZevKR 33 (1988) 257, 258 f. 349 Vgl BAG 15.3.77 - AP GG Art 140 Nr 24 (Wiedemann) sowie 14.3.78 - AP TVG § 2 Nr 30 (Wiedemann). 350 Vgl nur Richardi Arbeitsrecht in der Kirche § 11 Rn 7 ff sowie Grethlein wie zuvor, 260 ff - beide mwN. Aus der Rechtsprechung vgl in diesem Zusammenhang 1106

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BVerfGE 18 18, 30 ff, AP TVG $ 2 Nr 15: Verband der katholischen Hausgehilfinnen, sowie BAG 27.11.75 AP BetrVG 1972 S 118 Nr 6 (Richardi): angestellte und beamtete Ärzte des Marburger Bundes. 351 Aus der wissenschaftlichen Erörterung zu dieser Problematik sei nur verwiesen auf Richardi Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb, DB 78 1736,1742 f; ders Das Betätigungsrecht der Koalitionen in kirchlichen Einrichtungen, FS Beitzke 873; ders MiinchHdb ArbR § 188, R n 3 4 f f ; Mayer-Maly Gewerkschaftliche Zutrittsrechte, Beil 4/79 zu Heft 9/79 1; Grabing Das Koalitionsrecht der Arbeitnehmer in der Krise, AuR 86 297. Kritisch zu dem genannten Beschluß des BVerfG vor allem Otto EzA Anm. Zu GG Art 9 Nr 2, und Herschel AuR 81 265, 267.

Kirchenarbeitsrecht $ 630 Anhang 2. Die kollektive Koalitionsfreiheit im Bereich der Kirchen läge. Ihm stehe im konkreten Fall das kirchliche Selbstbestimmungsrecht entgegen (244 ff = C II 3 , 4 und 5 der Gründe). Im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesarbeitsgericht in

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seinem Urteil vom 19. J a n u a r 1982 (AP GG Art 140 Nr 10) klargestellt, daß die Gewerkschaften jedenfalls dann keinen unmittelbar aus Art 9 Abs 3 GG ableitbaren Anspruch auf Duldung gewerkschaftlicher Werbe-, Informations- und Betreuungstätigkeit durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte in kirchlichen Einrichtungen haben, wenn sie in diesen Einrichtungen bereits durch betriebsangehörige Mitglieder vertreten sind. Hinzugefügt ist der Hinweis, daß sich das umstrittene Zutrittsrecht auch nicht aus dem Übereinkommen Nr 135 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1971 ergebe. In späteren Entscheidungen zu Art 9 Abs 3 GG hat sich das Bundesverfassungsgericht (Erster Senat) nicht mehr auf die Kernbereichsformel gestützt. 3 5 2 Damit sollte nicht von der früheren Rechtsprechung abgerückt, sondern nur eine Klarstellung vorgenommen werden, wie im Beschluß vom 1 4 . 1 1 . 1995 (BVerfGE 93 352, 358 ff) ausgeführt ist. In dem dort entschiedenen Fall ging es darum, ob der freigestellte Betriebsratsvorsitzende gegen seine Vertragspflicht verstoßen hatte, weil er einem Arbeitskollegen während dessen Arbeitszeit eine gewerkschaftliche Druckschrift ausgehändigt hatte. Dieses Verhalten wurde vom Arbeitgeber abgemahnt. Das BAG hielt die Abmahnung für begründet: Die Verteilung gewerkschaftlichen Werbematerials während der Arbeitszeit sei für die Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Gewerkschaft nicht unerläßlich gewesen. Der Kläger hätte seine Arbeitskollegen in ihrer arbeitsfreien Zeit ansprechen können. Mangels einer gesetzlichen Regelung der Werbeund Informationstätigkeit der Gewerkschaften im Betrieb komme es allein darauf an, ob die Verteilung von Werbe- und Informationsmaterial durch Betriebsangehörige während der Arbeitszeit als unerläßlich für die Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Gewerkschaft angesehen werden müsse. Diese Betätigung gehöre - anders als die Mitgliederwerbung durch Plakate im Betrieb - nicht zum Kernbereich der Koalitionsfreiheit. Die nur auf einen Kernbereich beschränkte verfassungsrechtliche Garantie einer koalitionsmäßigen Betätigung und damit der Werbe- und Informationstätigkeit einer Gewerkschaft besage gleichzeitig, daß eine über diesen Kernbereich hinausgehende Betätigung nicht ebenfalls ihre rechtliche Grundlage in Art 9 Abs 3 GG finden könne und außerhalb dieses Kernbereichs einer gesetzlichen Regelung bedürfe, an der es aber fehle.

251

Das BVerfG entschied, das BAG habe bei der Auslegung des Arbeitsvertrages des Klägers (und jetzigen Beschwerdeführers) den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit verkannt. Für die Mitgliederwerbung habe Grundrechtsschutz bestanden. Der Schutz des Art 9 Abs 3 GG beschränke sich nicht auf diejenigen Tätigkeiten, die für die Erhaltung und die Sicherung des Bestandes der Koalition unerläßlich seien; er umfasse alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Dazu gehöre auch die Mitgliederwerbung durch die Koalition und ihre Mitglieder. Eine besondere Rechtsgrundlage für das vom BAG beanstandete Verhalten des Beschwerdeführers sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht erforderlich. Anders als in der Entscheidung des BVerfG vom 1 7 . 2 . 1981 (BVerfGE 57 220), bei der es um das Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter gegangen sei, werde hier über eine Vertragsverletzung gestritten. Ob sie vorliege, hänge allein vom Inhalt des Arbeitsvertrages ab und nicht von einer speziellen gesetzlichen Regelung (BVerfGE 93, 352, 358, 359, LS 360, 361). Durch den Beschluß vom 1 4 . 1 1 . 1995 ist die frühere Entscheidung vom 1 7 . 2 . 1981 nicht wegen Änderung der Rechtsprechung für die Zukunft gegenstandslos geworden. Sie ist weiter verbindlich nach § 31 Abs 1 iVm § 13 Nr 8a BVerfGG. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG binden auch die „tragenden Gründe" der Entscheidung, soweit sie sich zur Auslegung der Verfassung äußern. 3 5 3 Der

252

Beschluß vom 1 7 . 2 . 1981 enthält nähere Ausführung des Gerichts zu dem Spannungsverhältnis von Art 9 Abs 3 GG und dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht des Art 140 GG iVm Art 137 Abs 3 WRV. Diese Ausführungen zur Verfassungsauslegung sind bindend bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Gerichts. 3 5 4 352 Vgl die Beispiele in BVerfGE 93 352, 360. 353 BVerfGE 1 14,37 („Südweststaat"); 19 377,392; 20 56, 87; 40 88, 93 f. Vgl dazu Schiaich Das Bundesverfas-

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sungsgericht. Stellung, Verfahren, Entscheidungen. 3. Aufl, 1994, Rn 449. 354 Vgl Richardi Arbeitsrecht in der Kirche $ 11 Rn 21 mwN. Anders EríK/Dieterich Art 4 GG Rn 54 a. E. 1107

S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht Vin. Kündigungsschutz für Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer

b)

Kein Streik in Kirche und kirchlichen Einrichtungen

2 5 3 Nach Art 7 Abs 2 GrO scheiden Streik und Aussperrung für den Bereich der katholischen Kirche aus. In der evangelischen Kirche besteht keine derartige kirchengesetzliche Regelung. In der Literatur ist umstritten, ob Arbeitskampfmaßnahmen im kirchlichen Bereich zulässig sind. Weit überwiegend wird jedoch - allerdings mit unterschiedlicher Akzentsetzung in der Begründung - ein Streikrecht der kirchlichen Dienstnehmer verneint. 355 Mag auch die praktische Bedeutung der Streikfrage in Wirklichkeit sehr gering sein, so ist ein Streikrecht mit der herrschenden Meinung ohne Einschränkung abzulehnen. Die Kirchen und ihre Einrichtungen sind keine Unternehmer, die sich ihre (wirtschaftlichen) Ziele selbst setzen. Der - im Gegensatz dazu nicht selbst gewählte - Auftrag der Kirchen (Verkündigung und tätige Nächstenliebe) muß ständig erfüllt werden. Jede Mitarbeit in der Kirche ist Teilhabe an der Ausführung des der Kirche erteilten Auftrags in Gestalt der christlichen Dienstgemeinschaft. Deren Bedingungen bedürfen zwar der rechtlichen Ordnung, sind aber schon für sich genommen Streik und Aussperrung als den typischen Mitteln des auf Druck und Auseinandersetzung gerichteten Arbeitskampfes von ihrem Wesen her nicht zugänglich. Hinzukommt, daß die Kirchen regelmäßig die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes übernehmen und auf diese Weise den Grundsatz der Lohngerechtigkeit zu erfüllen suchen. Bei diesem Befund müßte ein Streik mit dem Ziel der Änderung der Arbeitsbedingungen als unverhältnismäßig und damit als unzulässig angesehen werden. Hinzu kommt, daß die Kirchen ihrerseits die Aussperrung ausdrücklich ablehnen und daher bei einem Streik die eine Seite allein das Kampfgeschehen bestimmen würde. Das aber wäre nicht zulässig.356 Auch eine Abstufung nach der Nähe zum Auftrag der Kirche ist nicht möglich.357 Die Dienstgemeinschaft kann nicht aufgespalten werden in Tätigkeiten, die dem kirchlichen Auftrag unmittelbar und solche, die ihm nur unterstützend dienen. Überdies bestimmt die Kirche selbst, was zu ihrem Auftrag gehört. 358 Das adäquate Instrument zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen im kirchlichen Bereich ist das Arbeitsrechtsregelungsverfahren mit endgültiger Schlichtung.359

VIII. Kündigungsschutz für Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer Schrifttum: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, mitbegründet von Becker und Hillebrecht 5. Aufl, 1998; ferner die unter I Fn 3 angegebene Literatur.

1.

Das Kündigungsschutzrecht als für alle geltendes Gesetz

2 5 4 Das staatliche Kündigungsschutzrecht ist als „für alle geltendes Gesetz" iSd Art 137 Abs 3 S 1 WRV auch auf die Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer anzuwenden. Bei verhaltensbedingter Kün355 Frank HdbStKR I, 1. Aufl 1974, 669, 693; ders RdA 79 86, 93; Grethlein/Spengler BB Beil 10/80 zu Heft 30/80 13; Grethlein FS Obermayer 173; Janssen Das Streikrecht der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst und der „Dritte Weg" der Kirchen, 1982,20; Jurina Das Dienstund Arbeitsrecht im Bereich der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland 84; Pahlke Kirche und Koalitionsrecht 55 f, 161 ff; ders NJW 86 350, 353; Mayer-Maly Essener Gespräche 10 (1976) 127, 140; ders BB Beil 3/77 zu Heft 24/77 1, 8; Müller RdA 79 71, 77; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche J 10 Rn 5 ff; ders FS 25 Jahre BAG, 429, 447 ff; NZA Beil 1/86 zu Heft 3/86 9 Fn45; ders MünchHdb ArbR $ 187 Rn 77 ff.; Scholz Anm zu BVerfG 17.2.81 = SAE 81 265, 266; Schaub 1570; Schliemann FS Hanau 594; Stein 157; Thüsing ZevKR 41 (1996) 52, 57 ff; von Tiling RdA 79 103, 109; Wiedemann/Stumpf TVG S 1 Rn 54; aA (für Streikrecht, teilweise jedoch differenzierend nach der Art der Tätigkeit) Bieback in Däubler (Hrsg), Arbeitskampfrecht, 2. Aufl, 395 ff; ErfK/Dieterich GG Art 4 Rn53; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bdl 1108

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

1997, 140 ff; ders FS Zeuner 49 f; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius TVG 2. Aufl, Einleitung Rn 126; Keßler Die Kirchen und das Arbeitsrecht 275 ff; Naendrup BlStSozArbR 79 353, 367; Otto MünchHdb ArbR § 278 Rn 207, 211 ff; Vogt Der „Dritte Weg" der evangelischen Kirchen und die Tarifautonomie, Diss. Darmstadt, 1989, 98 ff; Zeuner ZfA 85 127. 356 Vgl insoweit BAG GS 21.4. 1971 - AP GG Art 9 Arbeitskampf Nr 43 (zu B l d . Gr.); Richardi Arbeitsrecht in der Kirche S 10 Rn 12. 357 So aber Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht 1117 f; ders FS Zeuner 49 f; Otto MünchHdb ArbR $278 Rn 211 ff. 358 BVerfGE 70 138, 168; vgl Richardi Arbeitsrecht in der Kirche § 10 Rn 7, 8; Düte FS Farthmann 101, 108; ErfK/Dieterich GG Art 4 Rn 53. 359 Statt vieler nur Richardi Arbeitsrecht in der Kirche S 10 Rn 25; vgl auch Otto MünchHdb ArbR § 278 Rn 220; ErfK/Dieterich GG Art 4 Rn 53.

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 1. Das Kündigungsschutzrecht als für alle geltendes Gesetz

digung kommen - besonders bei der Bestimmung des Umfangs der Loyalitätspflicht - dem kirchlichen Selbstverständnis und dem Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft jedoch erhebliche Bedeutung zu. Für beide bildet das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen die Grundlage. Das folgt aus dem für das Kündigungsschutzrecht richtungweisenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985.360 Schließen die Kirchen mit ihren Mitarbeitern wie alle anderen Arbeitgeber Arbeitsverträge ab, bedienen 2 5 5 sie sich also wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt aber deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten" der Kirche nicht auf. Vielmehr bleibt die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich. Daher können die Kirchen den von ihnen geschlossenen Arbeitsverträgen das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde legen und von ihren Arbeitnehmern verlangen, die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten. Welche Grundverpflichtungen dabei als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach den von der verfaßten Kirche anerkannten Maßstäben. Es bleibt grundsätzlich den Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was „spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was „Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als Verstoß hiergegen anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob eine „Abstufung" der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist eine dem Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit. An diese den anerkannten Maßstäben der verfaßten Kirchen entsprechenden Vorgaben (die in Zwei- 2 5 6 felsfällen durch Rückfrage bei den Kirchenbehörden aufgeklärt werden müssen) sind die Arbeitsgerichte bei der Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten gebunden - es sei denn, die Gerichte begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art 3 Abs 1 GG) sowie in dem Begriff der „guten Sitten" ($ 138 Abs 1 BGB) und des ordre public (Art 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Es bleibt daher Aufgabe der Gerichte sicherzustellen, daß die Kirchen und ihre Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen. Kommen die Gerichte zu dem Ergebnis einer Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten, so ist die 2 5 7 weitere Frage, ob diese Verletzung eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, nach den Vorschriften der §§ 1 KSchG, 626 BGB zu beantworten. Diese Vorschriften unterliegen als für alle geltendes Gesetz im Sinne des Art 137 Abs 3 S 1 WRV umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungskompetenz. Dabei haben die Arbeitsgerichte jedoch im Rahmen der kündigungsschutzrechtlichen Interessenabwägung dem Selbstverständnis der Kirche das von der Verfassung geforderte Gewicht beizumessen, weil andernfalls die Freiheit der Kirche, ihre Angelegenheiten selbständig zu regeln, in verfassungswidriger Weise beschränkt werden würde. 361 Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts hat im Schrifttum zumeist zustimmende Resonanz 2 5 8 gefunden. 362 Seine wesentliche Bedeutung liegt darin, daß entgegen der früheren Rechtsprechung 360 BVerfGE 70 138 = AP GG Art 140 Nr 24. 361 BVerfGE 70138,165 ff = AP eb, zu Β II 1 d bis Β II 4 d der Gründe. 362 Vgl nur Richardi Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Arbeitsrecht NZA Beil 1/86 zu Heft 3/86 3,8; Dätz Das Bundesverfassungsgericht zur Kündigung kirchlicher Arbeitsverhältnisse, wie zuvor, 10; ders Kirchliehe Festlegung arbeitsvertraglicher Kündigungsgründe?, NJW 90 2025; Rüthers Wie kirchentreu müssen kirchliehe Arbeitnehmer sein?, NJW 86 356; ders bereits früher: Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, NJW 76 1918; Spengler Die Rechtsprechung zum Arbeitsrecht in kirchlichen Angelegenheiten - insbesondere zur Loyalitätspflicht der kirchlichen Mitarbeiter, NZA 87 833; Rüftier Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Dienst, Zum Verhältnis von Staat und Kirche im IndividualarHeinrich Gehring/Christoph Thiele

beitsrecht, FS Universität zu Köln, 797; ders Individualrechtliche Aspekte des kirchlichen Dienst- und Arbeitsrechts, HdbStKirchR II 901 ff; v. Campenhausen Kirchliches Selbstbestimmungsrecht und Arbeitsrecht, FS Geiger 580; Listi Die Religions- und Kirchenfreiheit in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, FS Geiger 539, 563; Mummenhoff Loyalität im kirchlichen Arbeitsverhältnis, NZA 90 585; Niebier Abgestufte Loyalität? Probleme bei der Kündigung kirchlicher Mitarbeiter, ArchkathKR 159 (1990) 464 ff; Otto Das Spannungsverhältnis zwischen der Regelungsautonomie der Kirchen und dem Grundrechtsschutz von Ehe, Familie und Religionsfreiheit, FamRZ 94 929 ff; Krüger Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, ZTR91 11; Vogler Grundrechte und kirchliches Selbstbestimmungsrecht-dargestellt am Beispiel der Kündigung

1109

S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht VIII. Kündigungsschutz für Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer des BAG, welche bei verhaltensbedingten Kündigungen im kirchlichen Bereich die Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer nach der übertragenen Aufgabe und der Nähe zum Verkündigungsauftrag bestimmte, 3 6 3 den Kirchen und nicht den staatlichen Gerichten die Entscheidung über Inhalt und Umfang von Loyalitätspflichten und den Grad ihrer Verletzung zusteht. 3 6 4 Das hat weitreichende Bedeutung für die bei der Interessenabwägung im Rahmen der $$ 1 KSchG, 626 BGB vorzunehmende Gewichtung der zu beachtenden Umstände, von denen einige verfassungsrechtliche Relevanz aufweisen. 2. 259

Die kirchlichen Grundverpflichtungen im Arbeitsverhältnis

1.) Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4 . 6 . 1 9 8 5 richtet sich die Beantwortung der Frage, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, nach den von der verfaßten Kirche anerkannten Maßstäben. 36S Hierzu ist von besonderer Bedeutung die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse", die von den katholischen deutschen Bischöfen am 2 2 . 9 . 1993 beschlossen worden ist. 3 6 6 Die „Grundordnung" enthält wesentliche Aussagen zu den Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes, den Loyalitätsobliegenheiten und zu Verstößen hiergegen. 3 6 7 Die Aussagen der Grundordnung sind im Kündigungsschutzprozeß zu berücksichtigen als „von der verfaßten Kirche anerkannte Maßstäbe" im Sinne des Beschlusses des BVerfG vom 4 . 6 . 1985. In der evangelischen Kirche gibt es keine der „Grundordnung" entsprechende Regelung. Die evangelische Kirche beschränkt sich hinsichtlich der Loyalitätspflichten ihrer Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer auf Generalklauseln. 368

260

2.) In der Rechtsprechung des BAG spielen ganz bestimmte Kündigungsgründe bei Arbeitsverhältnissen kirchlicher Mitarbeiter immer wieder eine entscheidende Rolle: Kirchenaustritt, 369 kirchenrechtlich ungültige Eheschließung, besonders bei Heirat mit einem geschiedenen Partner, 3 7 0 Verhaltensweisen, bei denen die Glaubwürdigkeit der Kirche oder ihrer Einrichtungen ohne Kündigung leiden müßte. 3 7 1 kirchlicher Mitarbeiter wegen Wiederverheiratung, RdA 93 257 ff; ablehnend besonders Struck Entwicklung und Kritik des Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich, NZA 91 249; ferner Weland Der Staat 25 (1986) 321 ff, 339 ff; Czermak Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen unter besonderer Berücksichtigung und kritischer Würdigung des Kündigungsschutzrechts, PersR 95 455 ff; Geck/Schimmel Grenzen der Kündigung kirchlicher Arbeitsverhältnisse, AuR 95 177 ff. 363 ZB BAG 25.4.78 - AP GG Art 140 Nr 2; 14.10.80 AP eb, Nr 7; 23.3.84 - AP eb Nr 10. 364 Vgl nur KR-Fischermeier 5. Aufl, $ 625 BGB Rn 123 mwN. 365 BVerfGE 70 138, 166. 366 Abgedruckt (mit Begründung) NJW 94 1394 ff sowie NZA 94 112 ff; vgl ferner oben C I Fn 8 zu Rn 47. 367 Zu der Grundordnung ausführlich Diitz NJW 94 1369 und Richardi NZA 94 19 ff. Kritisch zur Grundordnung Klimpe-Auerbach AuR 95 170 ff. 368 v. Campenhausen Staatskirchenrecht 202. S aber jetzt die inhaltlich an die katholische „Grundordnung" angelehnte Arbeitsrechtsregelung über die berufliche Mitarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und ihrer Diakonie für den Bereich der privatrechtlichen Dienstverhältnisse vom 21.11.2000, KAB1 2001 5, in Kraft seit 1.1.2001. Dazu Triebet ZMV 2001 60. 369 BAG 4.3.80 - 1 AZR 1151/78 - AP GG Art 140 Nr 4 (eine an einer katholischen Privatschule in kirchlicher Trägerschaft beschäftigte Fachlehrerin für Gymnastik und Textilgestaltung war aus der katholischen Kirche ausgetreten und hatte dies bei ihrer Einstellung verschwiegen); BAG 12.2.84 - 7 AZR 418/83 - AP GG Art 140 Nr 21 (Dütz) (ein in einem katholischen Kranken-

1110

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

haus beschäftigter Assistenzarzt trat aus der katholischen Kirche aus). 370 BAG 25.4.78 - 1 AZR 70/76 - AP GG Art 140 Nr 2 (Meyer-Maly) (die katholische Leiterin eines katholischen Kindergartens heiratete standesamtlich einen geschiedenen Mann); BAG 14.10.80 - 1 AZR 1274/79 - AP GG Art 140 Nr 7 (Schiaich) (katholische Angestellte einer Caritas-Geschäftsstelle mit karitativen Aufgaben heiratete nach eigener Scheidung noch zu Lebzeiten ihres Ehemannes standesamtlich erneut); BAG 3 1 . 1 0 . 8 4 - 7 AZR 232/ 83 - AP GG Art 140 Nr 20 (Dütz) (eine bei einem katholischen Missionsgymnasium beschäftigte katholische Lehrerin heiratete einen geschiedenen Mann); BAG 4.3.80 1 AZR 125/78 - AP GG Art 140 Nr 3 (Stein) (Leiterin des Pfarrkindergartens einer katholischen Kirchengemeinde heiratete standesamtlich einen nicht laisierten katholischen Priester). 371 So hat das BAG die ordentliche Kündigung eines in einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Arztes wegen öffentlichen Eintretens für den Schwangerschaftsabbruch (nach Aufhebung der Vorentscheidung durch BVerfGE 70 138) gebilligt: BAG 15.1.86 - 7 AZR 545/ 85 - ; 24.4.97 - 2 AZR 268/96 - AP BGB S 611 Kirchendienst Nr 27 (Thüsing) (bekannt gewordener Ehebruch eines in der Öffentlichkeitsarbeit tätigen Sprechers der Mormonenkirche als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach $ 626 BGB). BAG 30.6.83 - 2 AZR 524/81 - AP GG Art 140 Nr 15 (Richardi) (außerdienstlich ausgeübte homosexuelle Praxis eines Konfliktberaters im Dienst der Diakonie). BAG 25.5.88 - 7 AZR 88 - AP GG Art 140 Nr 36 (Verlust der missio canonica bei einer kirchlichen Lehrkraft).

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 1. Streitigkeiten aus dem Individualarbeitsrecht Ob daher die standesamtliche Wiederheirat eines geschiedenen, bei einer katholischen Kirchengemeinde beschäftigten Handwerkers (Anstreichers) nach heutiger Beurteilung noch einen Grund zur Kündigung darstellen würde (wie BAG 3 1 . 1 . 5 6 , AP KSchG $ 1 Nr 15 angenommen hat), wird zu Recht bezweifelt. 3 7 2

IX. Kirchenarbeitsrecht und Rechtsschutz Schrifttum: Baumann-Czichon/Germer MVG.EKD. Praxiskommentar; Βerchtenbreiter Kündigungsschutzprobleme im kirchlichen Arbeitsverhältnis, 1984; Fey/Rehren (Hrsg), MVG.EKD. Praxiskommentar, 1994; Gehring Das Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland - seine Zuständigkeit und sein Verfahren, ZMV Sonderheft 98 43; Kästner Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, Jus ecclesiasticum, Bd 41, 1991; Kienitz Der kirchengerichtliche Rechtsschutz bei Streitigkeiten nach dem MVG.EKD, NZA 96 963; Kissel ErfK, GG Art 9; Maurer Die kirchliche Gerichtsbarkeit der evangelischen Kirche, in: EvStL I Sp 1083 ff; ders System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, FS Menger 1985,285; May Die kirchliche Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche, in: EvStL I Sp 1089 ff; Neumann Kirchliches Schlichtungsverfahren, ZTR 97 241; Puza Kirchliche Gerichtsbarkeit. Katholische Kirche in: Staatslexikon Zweiter Band, 1986, Sp 913 ff; Richardi Das kollektive Dienst- und Arbeitsrecht, HdbStKirchR Π 927, 955; Riifner Zuständigkeit staatlicher Gerichte in kirchlichen Angelegenheiten, HdbStKirchR II 1081; Sachs Staatliche und kirchliche Gerichtsbarkeit, DVB1 89 487; Schilberg Rechtsschutz bei Pfarrern im Angestelltenverhältnis, ZevKR 36 (1991) 42 ff; Weber, H. Weltlich wirksame Rechtsprechung der Kirchengerichte?, Deutsches Verwaltungsblatt DVBl 70 250 ff; ders Staatliche und kirchliche Gerichtsbarkeit, NJW 89 2217 ff; ders Rechtsschutz der Kirchen durch staatliche Gerichte, HdbStKirchR II 1047; Winter Kirchliche Gerichtsbarkeit. Evangelische Kirche, in: Staatslexikon, Zweiter Band, 1986, Sp 916 ff; Wölbing Pfarrer im Angestelltenverhältnis und die Problematik ihres Rechtsschutzes, ZevKR 28 (1983) 62 ff. F ü r S t r e i t i g k e i t e n aus d e m Individualarbeitsrecht - hier handelt es sich u m staatliches Recht - sind

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die Arbeitsgerichte zuständig. Die Rechtsetzung im „Dritten W e g " und das gesamte Mitarbeitervertretungsrecht (Kollektivarbeitsrecht) sind dagegen K i r c h e n r e c h t . Eine Zuständigkeit staatlicher Gerichte ist hier nicht gegeben, vielmehr sind k i r c h l i c h e I n s t i t u t i o n e n (Schlichtungsausschüsse, kirchliche Gerichte) zuständig. 1.

S t r e i t i g k e i t e n aus d e m Individualarbeitsrecht

Z u r O r d n u n g d e r e i g e n e n A n g e l e g e n h e i t e n iSv Art 140 GG und Art 137 Abs 3 WRV g e h ö r t außer der

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Rechtsetzung a u c h die R e c h t s k o n t r o l l e in Gestalt einer eigenen G e r i c h t s b a r k e i t . 3 7 3 Hiervon haben die Kirchen seit langem Gebrauch g e m a c h t . 3 7 4 Die kircheneigene Gerichtsbarkeit ist aber beschränkt auf die Anwendung kirchlichen Rechts. Geht es dagegen u m die Anwendung staatlichen Rechts, ist die Zuständigkeit staatlicher Gerichte gegeben. 3 7 5 D e r Staat b e s t i m m t die Z u s t ä n d i g k e i t s g r e n z e n seiner Gerichte.376 Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis besteht die ausschließliche Zuständig-

263

keit der Gerichte für Arbeitssachen im Urteilsverfahren (§ 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG). Das bedeutet: Für bürgerliche R e c h t s s t r e i t i g k e i t e n aus d e m Arbeitsverhältnis von A r b e i t n e h m e r n (Arbeitern und Angestellten) einerseits sowie d e n K i r c h e n n e b s t allen E i n r i c h t u n g e n einschließlich Caritas und

372 Vgl hierzu KR-Fischermeier J 626 Rn 123 mwN. Das LAG Rheinland-Pfalz hat die Kündigung einer katholischen Altenpflegerin bei der Deutschen Caritas wegen standesamtlicher Wiederheirat nach Scheidung nicht gebilligt, weil hier der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht bei der Interessenabwägung den Vorrang habe (U v. 12.9.91 - 4 Sa 72/91 = NZA 92 648). 373 Richardi Arbeitsrecht in der Kirche $ 20 Rn 1; v. Campenhausen Staatskirchenrecht 369; Maunz in Maunz/ Dürig, GG, Art 140 Rn 18; Wolf Gerichtsverfassungsrecht 114 f; Düte Essener Gespräche 18 (1984) 67,103. Aus der Heinrich Gehring/Christoph Thiele

Rechtsprechung vgl nur BAG 25.4.89 - AP GG Art 140 Nr 34, zu 2 a der Gründe. 374 Einführend (mit Literaturangaben): Maurer Die kirchliche Gerichtsbarkeit der ev. Kirche (EvStL I Sp 1083 ff) und May Die kirchliche Gerichtsbarkeit der kath. Kirche (eb, Sp 1089 ff); Puza Kirchliche Gerichtsbarkeit. Kath. Kirche (Staatslexikon II Sp 91 3 ff) und Winter Kirchliche Gerichtsbarkeit. Ev. Kirche (eb Sp 916 ff). Vgl weiter v. Campenhausen Staatskirchenrecht 369 f mwN. 375 Vgl Sachs DVBl 89 487, 490 mwN. 376 Vgl nur v. Campenhausen Saatskirchenrecht 365 mwN. 1111

$ 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht IX. Kirchenarbeitsrecht und Rechtsschutz Diakonie andererseits sind die staatlichen Arbeitsgerichte zuständig. Das ist heute allgemeine Ansicht. 3 7 7 264

Die Arbeitsgerichte haben ihre Zuständigkeit auch meistens als selbstverständlich angenommen. 3 7 8 So hat das BAG die Frage der Zuständigkeit erst in einer späteren Entscheidung ausdrücklich aufgegriffen, sich dabei aber auch nur auf eine kurze Begründung beschränkt. 3 7 9

265

Werden Pfarrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt, 3 8 0 · 3 8 1 fallen Rechtsstreitigkeiten aus diesem Anstellungsverhältnis in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. 3 8 2 Soweit ihr Anstellungsvertrag auf Teile des Pfarrerdienstgesetzes Bezug nimmt, wird dadurch der materielle Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses entsprechend gestaltet, an der gerichtlichen Zuständigkeit ändert sich dagegen nichts. 3 8 3 · 3 8 4

266

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Ansprüche aus dem Individualarbeitsrecht kann nicht durch eine Schiedsklausel ausgeschlossen werden, weil dem die einschränkende Regelung des § 101 Abs 2 ArbGG entgegensteht (s ferner § 110 ArbGG). 385

267

In einigen Landeskirchen und im diakonisch-karitativen Bereich sind zur gütlichen Beilegung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten Schlichtungsstellen eingerichtet. 3 8 6 Sie schließen die Zuständigkeit 377 Frank HdbStKirchR I, l.Aufl 1974, 669, 693 (Fn 151), 702; v. Campenhausen Staatskirchenrecht 381; ders AÖR 112 (1987) 623, 650; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche $ 20 Rn 3; ders ZevKR 15 (1970) 219, 235 f; ders HdbStKirchR II 927, 955; Wölbing ZevKR 28 (1983) 62,75; Jurina Das Dienst- und Arbeitsrecht im Bereich der Kirchen 171; Duhnenkamp 36; Isensee FS Obermayer 211; H. Weber DVB170 250,252; ders NJW 89 2217,2221,2224; ders HdbStKirchR II 1047, 1061; Wolf Gerichtsverfassungsrecht 115; Berchtenbreiter 63; Grethlein ZevKR 24 (1979) 270, 294); Maurer FS Menger 285, 297, 302; Sachs DVB1 89 487, 495; Listi DÖV 89 401, 412; Kästner Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit 33 ff, 215 f. 378 BAG 31.1.56 - AP KSchG S 1 Nr 15; 25.4.78 - AP GG Art 140 Nr 2; 14.10.80 - AP GG Art 140 Nr 7. Vgl aber LAG Berlin 16.4.69 - 1 Sa 1/69 - ZevKR 17 (1972) 165, die Entscheidung befaßt sich allerdings nicht mit der grundsätzlichen Frage des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten, sondern führt im Hinblick auf $ 101 ArbGG näher aus, für Streitigkeiten aus einem kirchlichen Arbeitsverhältnis seien die Arbeitsgerichte auch dann zuständig, wenn ein kirchliches Gesetz bestimmt, daß solche Streitigkeiten von einem kirchlichen Schlichtungsausschuß endgültig entschieden werden. Da Streitgegenstand ein Anspruch aus zusätzlicher Altersversorgung, also ein Entgeltanspruch war, ist die Entscheidung richtig. 379 BAG 11.3.86 - AP GG Art 140 Nr 25 (Dute). Nach dem Hinweis auf S 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG wird lediglich ausgeführt, soweit sich die Kirchen der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen bedienten, finde auf diese Rechtsverhältnisse das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach Art 140 GG, Art 137 Abs 3 WRV beeinflusse nur den Inhalt des anwendbarem materiellen Arbeitsrechts und führe nur in Ausnahmefällen zu einer Einschränkung des staatlichen Rechtsschutzes, nämlich bei innerkirchlichen Maßnahmen, die im staatlichen Recht keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfalteten. 380 Allgemein hierzu für den Bereich der ev. Kirche: Wölbing ZevKR 28 (1983) 62 ff sowie Schilberg ZevKR 36 (1991) 42 ff. 381 Auch mit Klerikern kann ein Arbeitsverhältnis begründet werden (Richardi Arbeitsrecht in der Kirche $ 6

1112

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

Rn 16), etwa zur Erteilung von Religionsunterricht an einer Schule in kirchlicher Trägerschaft. Von einem Arbeitsverhältnis scharf zu unterscheiden ist das durch die Aufnahme in den Klerikerstand begründete rein kirchenrechtliche Dienstverhältnis (Inkardinationsverhältnis). Für Vergütungsansprüche aus einem derartigen, aufgrund innerkirchlicher Maßnahme begründeten Rechtsverhältnis ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht eröffnet (BAG 7.2.90 - 5 AZR 84/89 - AP GG Art 140 Nr 37 (Stein). 382 Nur teilweise ebenso Wölbing Fn 8, 75; wie hier Schilberg Fn 8, 52; vgl weiter Kästner Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit 92. 383 Zutreffend ArbG Kassel 27.10.82 - 4 Ca 356/82 ZevKR 28 (1983) 91. 384 Abzulehnen jedoch Urt. des Landeskirchengerichts der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck v. 22.5.82 LKGer. 1/1981 - ZevKR 28 (1983) 84, das den Rechtsweg zum LKG bejaht bei Streitigkeiten zwischen angestelltem Pfarrer und Landeskirche über die - durch Bezugnahme auf das Pfarrerdienstgesetz zum Vertragsinhalt gewordene - Residenzpflicht des Pfarrers. Hier liegt keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, sondern eine solche aus dem Arbeitsverhältnis. - Wie hier Schilberg Fn 8, 48. 385 Richardi ZevKR 15 (1970) 219, 236; Rüfner HdbStKirchR I, 759, 790; LAG Berlin, ZevKR 17 (1972) 165; Pahlke Kirche und Koalitionsrecht 255; vgl weiter Schilderg Fn 8, 49 ff (gleichzeitig für die folgende Fußnote). 386 Baden: Nach $ 51 Abs 3 MVG vom 13.4.89 (GVB1 175) wirkt der (für Mitarbeitervertretungsangelegenheiten gebildete) Schlichtungsausschuß auf Vergleiche in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten hin. Der Ausschuß ist ebenfalls zustandig für das Diakonische Werk der Landeskirche ($53 MVG); Kurhessen-Waldeck: S 34 Abs 1 S 2 MVG vom 4.5. 1972 (KAB1 47, mit späteren Änderungen) enthält eine ähnliche Regelung. $ 45 Abs 5 des Gemeins. MVG der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen idF der Bekanntmachung ν 5.4.1979 (ABl Braunschweig 127) ermöglicht die Beauftragung der Schiedsstelle mit Vergleichsbemükungen. Nach $ 22 Abs 1 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (Stand 15.6.1990) sind Dienstgeber und Mitarbeiter verpflichtet, bei Meinungsverschiedenheiten aus

Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang 2. Streitigkeiten aus dem Kollektivarbeitsrecht

der Arbeitsgerichte (ausdrücklich) nicht aus und haben auch keinen Einfluß auf die Einhaltung von gerichtlichen Anrufungsfristen. Streitig ist, ob die Arbeitnehmer sich vertraglich verpflichten können, vor der Anrufung des Arbeitsgerichts die Schlichtungsstelle einzuschalten. 387 Eine derartige Verpflichtung ist zu verneinen, weil die Anrufung des Arbeitsgerichts nicht erschwert werden darf. Soweit kircheneigene Gerichte zur - für die Arbeitsgerichte bindenden - Entscheidung von Vor- 2 6 8 fragen des innerkirchlichen Bereichs (Dienstgemeinschaft, Loyalitätspflichten) gefordert worden sind, 388 können diese Anliegen inzwischen durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.6. 1985 als überholt angesehen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Arbeitsgerichte verpflichtet, die für die Entscheidung erheblichen, anerkannten Maßstäbe der Kirchen im Zweifel durch Rückfrage bei den zuständigen kirchlichen Instanzen aufzuklären und sodann bei seiner Rechtsfindung als bindend anzuwenden (BVerfGE 70 138, 168 = AP GG Art 140 Nr 24). Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis sind aber nur Streitigkeiten aus dem Bereich des Indivi- 2 6 9 dualarbeitsrechts.389 Dazu gehören das (Dienst-)Vertragsrecht, das besondere Arbeitnehmerschutzrecht (Schwerbehinderten-, Mutter- und Jugendarbeitsschutz, die Grundzüge des Urlaubsrechts, das Recht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle)390 einschließlich des technischen Arbeitsschutzrechts, 391 das regelmäßig öffentlich-rechtlicher Natur ist und nur wegen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (S 242 BGB) auch Wirkungen privatrechtlicher Art im Arbeitsverhältnis haben kann. Auch das Kündigungsschutzrecht ist zu nennen (zu den Anwendungsbeschränkungen dieses Rechts BVerfGE 70 138, 168 = AP GG Art 140 Nr 24). Im übrigen können die Arbeitsgerichte wie alle staatlichen Gerichte im Bereich der eigenen Angelegen- 2 7 0 heiten der Kirchen nur prüfen, ob das für alle geltende Gesetz verletzt ist. 392 Dagegen haben sie kirchliches Recht inzidenter auf seine Anwendbarkeit zu prüfen und anzuwenden (etwa Mitarbeitervertretungsrecht im Kündigungsschutzverfahren).393 Kirchliche Entscheidungen haben sie zu respektieren (Tatbestandswirkung).394 Keinerlei arbeitsgerichtliche Zuständigkeit besteht in Angelegenheiten der Lehrbeanstandung, auch 2 7 1 nicht bei Pfarrern im Angestelltenverhältnis. Bei Fragen der Lehre handelt es sich um innerkirchliche Angelegenheiten, bei denen jede staatliche Zuständigkeit entfällt (BVerfG 6.4.79 - B. gem § 93a BVerfGG - 2 BvR 356/79 = ZevKR 24 (1979) 389). Ebenso ist der Entzug der „missio canonica" ein innerkirchlicher Akt, der aufgrund des kirchlichen 2 7 2 Selbstbestimmungsrechts einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist (BAG 25.5.88 - 7 AZR 506/87 - AP GG Art 140 Nr 36). 2.

Streitigkeiten aus dem Kollektivarbeitsrecht

Die Rechtsetzung im „Dritten Weg" und alle Streitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht (Kol- 2 7 3 lektivarbeitsrecht) sind aus der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ausgeklammert.

dem Dienstverhältnis zunächst die bei dem zuständigen Diözesancaritasverband errichtete Schlichtungsstelle anzurufen, der es obliegt, aufgetretene Streitfalle zu schlichten. Ähnlich J 44 AVR des DW der EKD (abgedruckt bei Scheffer/Mayer Kommentar zu den AVR DW EKD, Stand März 1990; hier sind auch weitere Beispiele arbeitsrechtlicher Schlichtungsverfahren aufgeführt: $ 44 Erl 4,303). 387 Bejahend Schejjer/Mayer wie zuvor, S 44 Erl. 2; wohl auch Janna ZevKR 29 (1984) 171, 187; verneinend Kämmerer BB 86 1986, 1992; H. Weber DVB1 70 256. 388 Berchtenbreiter Kündigungsschutzprobleme im kirchlichen Arbeitsverhältnis 63 f; Düte Essener Gespräche 18 (1984) 106; Geiger ZevKR 26 (1981) 156, 164. 389 Richardi ZevKR 19 (1974) 275, 282. 390 Aus S 5 Abs 3 Nr 3 und 4 SchwbG folgt eine Beschäftigungspflicht auch für die Kirchen. S 21 a JArbSchG Heinrich Gehring/Christoph Thiele

ermöglicht den Kirchen bestimmte Abweichungen „in ihren Regelungen". 391 Verkehrs- und Sicherheitsvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften, vgl Neumann FS G. Müller 353,365. 392 BAG 25.4.89 - AP GG Art 140 Nr 34 (Stein) mit Hinweis auf v. Campenhausen Staatskirchenrecht 2. Aufl 1983, 209, 215 und Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 1. Aufl, 194, 195. 393 Statt vieler Pahlke Kirche und Koalitionsrecht 255 sowie Richardi Arbeitsrecht in der Kirche § 20 Rn 5, § 21 Rn 19; aus der Rechtsprechung sind zu nennen BAG 10.12.92 - AP GG Art 140 Nr 41 sowie die beiden nicht veröffentlichten Urteile des BAG vorn 4.7.91 (2 AZR 16/ 91) und vom 19.1.83 (7 AZR 60/81). 394 Vgl nur v. Campenhausen Staatskirchenrecht 370 sowie Neumann ZTR 97 241, 243.

1113

§ 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht IX. Kirchenarbeitsrecht und Rechtsschutz 274

a)

Streitigkeiten aus dem Arbeitsrechtsregelungsverfahren

aa)

ev. Kirche: Für Streitigkeiten aus dem Arbeitsrechtsregelungsverfahren besteht nur eine ganz

begrenzte Zuständigkeit kirchlicher Institutionen (Schlichtungsausschüsse, Schlichtungskommissionen, Schlichtungsstellen), wie oben unter Rn 1 0 5 , 1 0 6 aufgezählt. 3 9 5 Zum Verfahren vgl oben Rn 107 bis 110. bb) kath. Kirche: Hier ist Art 10 Abs 2 u n d Abs 3 GrO zu beachten, der Bestimmungen über den gerichtlichen Rechtsschutz trifft. Nach Abs 2 werden auf den Gebieten der kirchlichen Ordnungen für ein Arbeitsvertrags- und des Mitarbeitervertretungsrechts für den gerichtlichen Rechtsschutz unabhängige kirchliche Gerichte gebildet. Nach Abs 3 sind die Richter von Weisungen unabhängig und nur an das kirchliche und staatliche Recht gebunden. Sie müssen die zur Rechtsprechung erforderliche Qualifikation haben. Die in der Grundordnung vorgesehenen Gerichte sind noch nicht gebildet. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt die Übergangsregelung des S 23a: Für alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich der Bistums-/RegionalKODA-Ordnung ist die mitarbeitervertretungsrechtliche Schlichtungsstelle des jeweiligen Bistums zuständig. Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Gebiet der Zentral-KODA-Ordnung kann die mitarbeitervertretungsrechtliche Schlichtungsstelle der Erzdiözese Köln angerufen werden ($ 19a der genannten Ordnung). S auch oben Rn 147 ff. Die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommissionen u n d der Schlichtungsausschüsse sind verbindlich und setzen innerkirchliches R e c h t . 3 9 6 Die Schlichtungsausschüsse haben den Charakter von Rechtsetzungsorganen und auch gleichzeitig kirchlicher Gerichte. 3 9 7 Staatliche Gerichte und damit auch die Arbeitsgerichte können nur inzidenter die Anwendbarkeit von Dienstvertragsordnungen (Arbeitsvertragsrichtlinien) klären und sind darüberhinaus auf die Untersuchung beschränkt, ob die Beschlüsse der Kommissionen und der Schlichtungsausschüsse das für alle geltende Gesetz (Art 140 GG, 137 Abs 3 WRV) wahren. 3 9 8 b)

Das Beschlußverfahren nach $ 2 a ArbGG

275

Die Regelung des 5 2a ArbGG über das Beschlußverfahren h a t für das Mitarbeitervertretungsrecht k e i n e unmittelbare, wohl aber - wie unten zu 3. aufgezeigt - ein mittelbare Bedeutung. Das mitarbeitervertretungsrechtliche Beschlußverfahren wird in der Enumeration der Rechtsmaterien, für die die Arbeitsgerichte zuständig sind, nicht aufgeführt. Der staatliche Gesetzgeber nimmt eine Zuständigkeit seiner Gerichte hierfür nicht in Anspruch. 3 9 9 Daher haben die Gerichte für Arbeitssachen ihre Zuständigkeit insoweit auch zu Recht verneint.

276

Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Beschlüssen klargestellt, daß Streitigkeiten aus dem Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts nicht der Zuständigkeit staatlicher Gerichte unterliegen. Im Beschluß vom 1 1 . 3 . 1 9 8 6 (AP GG Art 140 Nr 25) ging es um die Frage, welche Anforderungen die Kirchen an die Wählbarkeit von Arbeitnehmern zu kirchlichen Mitarbeitervertretungen aufstellen dürfen. Dem Beschluß vom 2 5 . 4 . 1 9 8 9 (AP GG Art 140 Nr 34) lag ein Streit zwischen einer Mitarbeitervertretung und dem Arbeitgeber (Diakonie) über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten zugrunde. Der Beschluß vom 9 . 9 . 1992 (AP GG Art 140 Nr 40) hatte über die Zuständigkeit zu entscheiden bei einem Streit zwischen Mitarbeitervertretung und Dienstgeberseite wegen Kostenerstattung.

277

Die Entscheidungen setzen sich ausführlich mit der Literatur auseinander, so daß auf die jeweiligen Begründungsausführungen verwiesen werden kann. Die Entscheidungen haben in der Literatur, wenigstens hinsichtlich des gefundenen Ergebnisses, Zustimmung gefunden (Düte Anm zu BAG AP GG

395 396 397 927, 398 1114

Vgl auch Pahlke Kirche und Koalitionsrecht 256 ff. Vgl nur Pahlke eb, 227 ff. Vgl oben Rn 100 sowie Richardi HdbStKirchR Π 956. Pahlke eb, 255; Richardi AR-Blattei, SD KirchenbeHeinrich Gehring/Christoph Thiele

dienstete 960, Rn 100 m Hinw auf BAG 10.12.92 - AP GG Art 140 Nr 41; ders HdbStKirchR Π 927, 955 f. 399 Zutreffend Richardi Anm in AR-Blattei Kirchenbedienstete Entscheidungen 6/9 (LAG Hamm ν 8.9.75), zu II 4.

Kirchenarbeitsrecht $ 630 Anhang 2. Streitigkeiten aus dem Kollektivarbeitsrecht

Art 140 Nr 25; Richardi Anm in AR-Blattei Kirchenbedienstete Entscheidungen 30/32; Stein Anm zu BAG AP GG Art 140 Nr 34; alle mit zahlreichen weiteren Nachweisen). c)

Streitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht

Das von den Kirchen geschaffene Mitarbeitervertretungsrecht ist Kirchenrecht. 4 0 0 Für diese Rechtsmaterie können die Kirchen aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts eine eigene Rechtskontrolle durch entsprechende Institutionen einführen. 401 Für den Bereich der Mitarbeitervertretung haben die Kirchen als eigene Kontrollinstitutionen Schlichtungsstellen errichtet. Sie haben die Rechtsqualität kirchlicher Gerichte. 4 0 2

278

Für die katholische Kirche bestimmt Art 10 Abs 2 GrO, 4 0 3 daß für Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet (auch) des Mitarbeitervertretungsrechts für den gerichtlichen Rechtsschutz unabhängige kirchliche Gerichte gebildet werden. Die dafür erforderliche Regelung ist noch nicht ergangen, steht aber in Kürze bevor. Mit ihr wird die Einführung eines Instanzenzuges und einer näheren Verfahrensordnung erwartet.

279

Für die evangelische Kirche sind diese Voraussetzungen bereits erfüllt. § 56 MVG-EKD stellt klar: Zu gerichtlichen Entscheidungen sind die Schlichtungsstellen in erster Instanz und in zweiter Instanz das Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der EKD berufen. Die Rechtsmittelinstanz wurde durch das Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG-EKD) vom 1 2 . 1 1 . 1 9 9 3 errichtet. 4 0 4 Die Zuständigkeit des VerwG-EKD ist begrenzt auf die in § 63 Abs 1 MVG-EKD aufgeführten Fälle ($ 3 Abs 1 VGG-EKD). Für das Verfahren vor der Schlichtungsstelle und vor dem Verwaltungsgericht sind ergänzend die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuwenden, jedoch ohne die Bestimmungen über Zwangsmaßnahmen, (5 62 MVG-EKD, § 16 VGG-EKD). Die Verweisung auf die VwGO ist rechtssystematisch verfehlt. 405 Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle und vor dem VerwGEKD ist seiner Rechtsnatur nach ein Beschlußverfahren, wie es die $$ 2a, 80 ff, 87 ff ArbGG für Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz vorsehen. Die Schlichtungsstellen entscheiden durch Beschluß ($ 61 Abs 6 MVG-EKD), folgerichtig wird das Rechtsmittel als Beschwerde bezeichnet (S 63 Abs 1, Abs 3 MVG-EKD). Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist arbeitsrechtlicher Natur und daher dem Privatrecht zuzuordnen, dagegen hat es keine Ähnlichkeit mit dem öffentlich-rechtlichen Streitverfahren nach §S 40 ff VwGO. 406 Die ergänzende Anwendung der VwGO führt in der Praxis zu einer unnötigen terminologischen Unklarheit und Unsicherheit. 407 Von diesem Schönheitsfehler abge-

280

4 0 0 Richardi Arbeitsrecht in der Kirche S 17 Rn 16; Christoph ZevKR 32 (1987) 47, 55, 65; Dütz Anm zu BAG AP Nr 25 zu Art 140 GG unter 2; Kammerer BB 85 1986,1991; BAG AP GG Art 140 Nr 34 (Stein), zu 2 a der Gründe. 401 Vgl nur die von BAG GG Art 140 Nr 34 angeführte Literatur. 402 Zu den ausführlichen Nachweisen vgl Fn 401; weiter Kammerer BB 85 1990. 403 Abgedruckt NZA 94 112 ff sowie NJW 94 1394 ff. Dazu näher Düte NJW 94 1369 ff sowie Richardi NZA 94 19 ff. 404 ABl EKD 1993, 515, zul geänd am 5 . 1 1 . 1 9 9 8 (ABl EKD 478), Text abgedruckt oben Rn 212, Fn 37. 405 Das wird auch von der Kommentarliteratur so gesehen, vgl Jessen in Fey/Rehren, Praxiskommentar MVGEKD, Stand August 2001, $ 62 Rn 2; ausführlicher Baumann-Czichon/Germer MVG-EKD. Kommentar, 1997, $ 62 Rn 3 bis 6. Ausführlich Gehring ZMV Sonderheft 98 43 ff. 406 Auch für Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht, für die die Verwaltungsgerichte zuständig sind, schreibt § 83 BPersVG die entsprechende Anwendung der Bestimmungen über das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren vor. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß das MVG der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen für das Verfahren vor den Schiedsstelle Heinrich Gehring/Christoph Thiele

(= Schlichtungsstellen) ergänzend die Regelungen des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens für entsprechend anwendbar bestimmt hat (AusführungsVO vom 16.12. 1996, KAB1 Hannover Nr 15/1996). - Für die ergänzende Anwendung der VwGO Kienitz NZA 96 963, 968, 970, der allerdings die Novellierung des MVGEKD vom 6 . 1 1 . 1 9 9 6 (ABl EKD, 521) noch nicht berücksichtigen konnte. 407 Vgl den Hinweis von Baumann-Czichon/Germer MVG.EKD, Kommentar, S 62 Rn 6, der dem Leser des Gesetzestextes die Orientierung erleichtern soll: VwGO MVG Kläger Beklagter Klage Urteil Verwaltungsgericht Oberverwaltungsgericht Berufung

- Antragsteller - Antragsgegner - Antrag - Beschluß - Schlichtungsstelle - VerwG EKD - Beschwerde

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht IX. Kirchenarbeitsrecht und Rechtsschutz

sehen, werden die kirchengesetzlichen Regelungen über die Schlichtungsstellen und das VerwG EKD in jeder Beziehung rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht. 281 Das VerwG EKD ist als Tatsacheninstanz ausgestaltet (arg e § 128 VwGO), muß aber teilweise auch die Funktion einer Revisionsinstanz wahrnehmen (arg e S 130 VwGO). Für sein Verfahren gilt der eingeschränkte Untersuchungsgrundsatz (arg e § 129 VwGO), wie er für das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren selbstverständlich ist ($ 83 Abs 1 ArbGG).

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Heinrich Gehring/Christoph Thiele

Kirchenarbeitsrecht § 630 Anhang Anhang zu § 11 Abs 1 S 1 MVG-EKD, Rn 188 Anhang zu $ 11 Abs 2 S 1 MVG-EKD, Rn 188

Wahlordnung zum Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 23. Juli 1993 (ABl EKD 1993 405) Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat aufgrund S 11 Absatz 2 des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 1992 (ABl. EKD S. 445) folgende Rechtsverordnung erlassen: S 1 Durchführung der Wahl, Zusammensetzung des Wahlvorstandes (1) Die Wahl der Mitarbeitervertretung wird von einem Wahlvorstand vorbereitet und durchgeführt. (2) Der Wahlvorstand besteht aus drei Mitgliedern. Gleichzeitig ist eine entsprechende Zahl von Ersatzmitgliedern zu bestellen. (3) Mitglied oder Ersatzmitglied kann nur sein, wer die Wählbarkeit zur Mitarbeitervertretung besitzt ($ 10 MVG). Mitglieder und Ersatzmitglieder dürfen der bestehenden Mitarbeitervertretung der Dienststelle nicht angehören. Wird ein Mitglied oder Ersatzmitglied zur Wahl aufgestellt, so scheidet es aus dem Wahlvorstand aus; an seine Stelle tritt das Ersatzmitglied, das bei der Bildung des Wahlvorstandes die nächst niedrigere Stimmenzahl erhalten hat. S 2 Bildung des Wahlvorstandes (1) Der Wahlvorstand wird spätestens drei Monate vor Ablauf der regelmäßigen Amtszeit der Mitarbeitervertretung in einer von der amtierenden Mitarbeitervertretung einzuberufenden Mitarbeiterversammlung ($31 NIVG) durch Zuruf und offene Abstimmung gebildet, sofern nicht mindestens ein Drittel der wahlberechtigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine geheime Abstimmung beantragt. (2) In den Fällen des § 16 Absatz 1 MVG (Neuwahl der Mitarbeitervertretung vor Ablauf der Amtszeit) ist unverzüglich von der Dienststellenleitung oder der Gesamtmitarbeitervertretung eine Mitarbeiterversammlung zur Bildung des Wahlvorstandes einzuberufen. Die Leitung dieser Mitarbeiterversammlung wird von dieser durch Zuruf und offene Abstimmung bestimmt. S 3 Geschäftsführung des Wahlvorstandes (1) Der Wahlvorstand wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden oder die Vorsitzende sowie den Schriftführer oder die Schriftführerin. Hierzu beruft das älteste Mitglied den Wahlvorstand binnen drei Tagen nach seiner Wahl ein. (2) Über alle Sitzungen des Wahlvorstandes und die im Folgenden bestimmten Handlungen sind Niederschriften zu erstellen, die von dem oder der Vorsitzenden und dem Schriftführer oder der Schriftführerin zu unterzeichnen sind. S 4 Wählerliste (1) Der Wahlvorstand stellt für die Wahl eine Liste zusammen, aus der die nach S 9 MVG Wahlberechtigten und die nach § 10 MVG wählbaren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hervorgehen. Beide Listen sind mindestens vier Wochen vor der Wahl in der Dienststelle zur Einsicht auszulegen oder den Wahlberechtigten in anderer geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. (2) Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin kann innerhalb einer Frist von einer Woche nach Auslegung oder Zurverfügungstellung der Listen gegen die Eintragung oder Nichteintragung von Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen Einspruch einlegen. Der Wahlvorstand entscheidet unverzüglich über den Einspruch und erteilt darüber einen schriftlichen Bescheid. (3) Die Dienststellenleitung und andere kirchliche Stellen haben bei der Aufstellung der in Absatz 1 genannten Listen Amtshilfe zu leisten. S 5 Wahltermin und Wahlausschreiben (1) Der Wahlvorstand setzt den Termin für die Wahl der Mitarbeitervertretung fest. Der Termin darf nicht später als drei Monate nach der Bildung des Wahlvorstandes liegen. Der Wahlvorstand erläßt spätestens vier

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht Anhang zu $ 11 Abs 1 S 1 MVG-EKD, Rn 188 Wochen vor dem Wahltag ein Wahlausschreiben, das in geeigneter Weise bekanntzumachen ist. Auswärtig beschäftigte Wahlberechtigte erhalten das Wahlausschreiben durch Zusendung. (2) Das Wahlausschreiben muß Angaben enthalten über a) Ort und Tag seines Erlasses, b) Ort, Tag und Zeit der Wahl, c) Ort und Zeit der Auslegung der in § 4 Absatz 1 genannten Listen zur Einsichtnahme, d) den Hinweis, daß Einsprüche gegen die Wählerliste binnen einer Woche nach Auslegung oder Zurverfügungstellung beim Wahlvorstand eingelegt werden können, e) die Zahl der zu wählenden Mitglieder der Mitarbeitervertretung, f) die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen ($ 6), g) die Voraussetzungen und das Verfahren für die Briefwahl ($ 9). (3) Auf 12 MVG (Vertreter der Berufsgruppen und Arbeitsbereiche) ist besonders hinzuweisen. S 6 Wahlvorschläge (1) Mindestens drei Wahlberechtigte können binnen zwei Wochen nach Auslegung oder Zurverfügungstellung des Wahlausschreibens einen von ihnen unterzeichneten Wahlvorschlag beim Wahlvorstand einreichen. (2) Der Wahlvorstand prüft unverzüglich die Ordnungsmäßigkeit der Wahlvorschläge und die Wählbarkeit der Vorgeschlagenen. Er überzeugt sich, daß die Vorgeschlagenen mit ihrer Nominierung einverstanden sind. Beanstandungen sind dem ersten Unterzeichner des Wahlvorschlages unverzüglich mitzuteilen; sie können innerhalb der Einreichungsfrist behoben werden. S 7 Gesamtvorschlag und Stimmzettel (1) Der Wahlvorstand stellt alle gültigen Wahlvorschläge zu einem Gesamtvorschlag zusammen und führt darin die Namen der Vorgeschlagenen in alphabetischer Reihenfolge auf. Art und Ort der Tätigkeit der Wahlbewerber sind anzugeben. (2) Der Gesamtvorschlag soll mindestens doppelt soviel Namen enthalten wie Mitglieder der Mitarbeitervertretung zu wählen sind. Er ist den Wahlberechtigten spätestens eine Woche vor der Wahl durch Aushang oder schriftliche Mitteilung bekanntzugeben. (3) Die Stimmzettel sind entsprechend der Gliederung des Gesamtvorschlags (Absatz 1) herzustellen. Sie müssen die gleiche Größe, Farbe, Beschaffenheit und Beschriftung haben und die Zahl der zu wählenden Mitglieder der Mitarbeitervertretung angeben. S 8 Durchführung der Wahl (1) Die Wahl findet in Anwesenheit von mindestens zwei Mitgliedern des Wahlvorstandes statt. Diese führen die Wählerliste und bezeichnen darin die Wahlberechtigten, die gewählt haben. Vor Beginn der Stimmenabgabe hat der Wahlvorstand festzustellen, daß die Wahlurnen leer sind, sie sind bis zum Abschluß der Wahlhandlung verschlossen zu halten. (2) Das Wahlrecht wird durch Abgabe des Stimmzettels ausgeübt, der zusammengefaltet in die verschlossene Wahlurne gelegt wird. Es können auch Wahlumschläge für die Wahlzettel ausgegeben werden. Vor der Ausgabe des Stimmzettels ist festzustellen, ob der Wähler wahlberechtigt ist. (3) In Bedarfsfallen können mehrere Stimmbezirke eingerichtet werden. In diesem Fall kann der Wahlvorstand seine Ersatzmitglieder zur Durchführung der Wahl heranziehen. In jedem Stimmbezirk müssen zwei Mitglieder des Wahlvorstandes oder ein Mitglied und ein Ersatzmitglied anwesend sein. Für die nötigen Arbeiten im Wahlraum kann der Wahlvorstand Wahlhelfer hinzuziehen. (4) Es dürfen höchstens soviel Namen auf dem Stimmzettel angekreuzt werden, wie Mitglieder in die Mitarbeitervertretung zu wählen sind. (5) Die unbeobachtete Kennzeichnung der Stimmzettel ist zu gewährleisten. Körperlich behinderte Wahlberechtigte können sich einer Person ihres Vertrauens bedienen.

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Kirchenarbeitsrecht S 630 Anhang Anhang zu S11 Abs 1 S 1 MVG-EKD, Rn 188 S 9 Stimmabgabe durch Briefwahl (1) Wahlberechtigte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die aus dienstlichen oder persönlichen Gründen verhindert sind, zur Wahl zu kommen, können ihr Wahlrecht im Wege der Briefwahl ausüben. (2) Auf Antrag werden diesen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Stimmzettel, ein neutraler Wahlumschlag und, soweit notwendig, ein mit Anschrift versehener freigemachter Wahlbriefumschlag durch den Wahlvorstand übersandt. Der Antrag muß eine Woche vor der Wahl dem Wahlvorstand vorliegen. Wer den Antrag für einen anderen Wahlberechtigten stellt, muß nachweisen, daß er dazu berechtigt ist. Eine Ablehnung ist dem Antragsteller unverzüglich mitzuteilen. (3) Im Wege der Briefwahl abgegebene Stimmen können nur berücksichtigt werden, wenn sie bis zum Ende der Wahlhandlung beim Wahlvorstand eingegangen sind. (4) Der Wahlvorstand sammelt die eingehenden Wahlbriefe und bewahrt sie bis zum Schluß der Wahlhandlung gesondert auf. Er vermerkt die Stimmabgabe in der Wählerliste, in der auch die Aushändigung des Wahlbriefes zu vermerken ist. Nach Abschluß der Wahlhandlung öffnet der Wahlvorstand alle bis dahin vorliegenden Wahlbriefumschläge, entnimmt ihnen die Wahlumschläge und legt diese in die Wahlurne. (5) Ein Wahlbrief ist ungültig, wenn er erst nach Beendigung der Wahlhandlung eingegangen ist. Ein ungültiger Wahlbrief ist samt seinem Inhalt auszusondern und zu den Wahlunterlagen zu nehmen. $ 10 Feststellung des Wahlergebnisses (1) Nach Beendigung der Wahl stellt der Wahlvorstand unverzüglich fest, wie viele Stimmen auf die einzelnen Gewählten entfallen sind und ermittelt ihre Reihenfolge nach der Stimmenzahl. Das Ergebnis ist in einem Protokoll festzuhalten, das vom Wahlvorstand zu unterzeichnen ist. Die Auszählung der Stimmen ist für die Wahlberechtigten öffentlich. (2) Sind nach S 8 Absatz 3 mehrere Stimmbezirke eingerichtet, so stellt der Wahlvorstand erst nach Abschluß der Wahlhandlung in allen Stimmbezirken das Gesamtergebnis fest. Absatz 1 S 3 gilt entsprechend. (3) Als Mitarbeitervertreter oder Mitarbeitervertreterin sind die Vorgeschlagenen gewählt, auf die die meisten Stimmen entfallen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. (4) Ersatzmitglieder sind die Vorgeschlagenen, auf welche die in der Reihenfolge nächst niedrigere Zahl der Stimmen entfällt oder die bei der Feststellung der gewählten Mitglieder der Mitarbeitervertretung durch Los ausgeschieden sind. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. (5) Ungültig sind Stimmzettel, a) die bei der Verwendung von Wahlumschlägen nicht in einem Wahlumschlag abgegeben worden sind, b) die nicht vom Wahlvorstand ausgegeben worden sind, c) auf denen mehr Namen als nach $ 8 Absatz 4 zulässig angekreuzt worden sind oder aus denen sich der Wille des Wählers nicht zweifelsfrei ergibt, d) die einen Zusatz enthalten. S i l Bekanntgabe des Wahlergebnisses Der Wahlvorstand gibt das Wahlergebnis unverzüglich in geeigneter Weise bekannt und benachrichtigt die Gewählten schriftlich. Die Wahl gilt als angenommen, sofern sie nicht binnen einer Woche nach Zugang der Benachrichtigung gegenüber dem Wahlvorstand schriftlich abgelehnt wird. Wird die Wahl abgelehnt, tritt an die Stelle des oder der Gewählten der oder die Vorgeschlagene mit der nächst niedrigeren Stimmenzahl. § 12 Vereinfachte Wahl (1) In Einrichtungen mit nicht mehr als 50 Wahlberechtigten wird die Mitarbeitervertretung in einem vereinfachten Wahlverfahren gewählt. Die Wahl erfolgt in einer Versammlung der wahlberechtigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, für die Einberufung gilt $ 2 entsprechend. Die Einberufung muß schriftlich oder durch Aushang erfolgen und die Namen der wahlberechtigten und wählbaren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen enthalten sowie die Anzahl der zu wählenden Mitglieder der Mitarbeitervertretung. Es ist daraufhinzuweisen, daß Wahlvorschläge schon vor der Versammlung vorbereitet und dann in ihr eingebracht werden können. (2) Die Versammlung wählt aus ihrer Mitte einen Versammlungsleiter oder eine Versammlungsleiterin, der oder die die Aufgaben des Wahlvorstandes übernimmt. Er oder sie erläutert die Voraussetzungen und die Form des vereinfachten Wahlverfahrens. Danach fordert der Versammlungsleiter oder die Versammlungsleiterin die Versammlung auf, durch Zuruf oder schriftlich Wahlvorschläge abzugeben. Über die Wahlvorschläge wird Heinrich Gehring/Christoph Thiele

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht Anhang zu $$ 56 ff MVG-EKD, Rn 212 durch geheime Wahl abgestimmt. Für die Wahl gelten die allgemeinen Grundsätze über die Durchführung von Wahlen nach $ 8 entsprechend. Eine Briefwahl findet nicht statt. Für die Stimmauszählung hat der Versammlungsleiter oder die Versammlungsleiterin einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin aus der Versammlung hinzuziehen, der oder die selbst nicht zur Wahl stehen darf. Für die Feststellung und Bekanntgabe des Wahlergebnisses gilt S 11 entsprechend. (3) In Dienststellen mit mehr als 15 wahlberechtigten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kann die Versammlung beschließen, daß das vereinfachte Wahlverfahren nicht stattfindet. In diesem Fall wählt die Versammlung einen Wahlvorstand, der die Wahl in nicht vereinfachter Weise vorbereitet und durchführt. S 13 Wahlakten Die Wahlakten (Niederschriften, Wählerlisten, Listen der Wahlberechtigten, Wahlausschreiben, Wahlvorschläge, Stimmzettel usw.) sind von der Mitarbeitervertretung fünf Jahre lang aufzubewahren. S 14 Wahl der Vertretung der Jugendlichen und der Auszubildenden (1) Sofern Sprecher der Jugendlichen und der Auszubildenden zu wählen sind ($ 49 MVG), erfolgt die Wahl unter Leitung des Wahlvorstandes in einem gesonderten Wahlgang, soweit die Wahl zeitlich im Zusammenhang mit dem allgemeinen Wahltermin fällt. (2) Vorschläge zur Wählerliste können von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen abgegeben werden, die berechtigt sind, die Vertretung der Jugendlichen und der Auszubildenden zu wählen. (3) Von den wahlberechtigten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen können soviel Stimmen abgegeben werden, wie Personen in die Vertretung der Jugendlichen und der Auszubildenden zu wählen sind. (4) Im übrigen gelten für das Wahlverfahren die Bestimmungen dieser Wahlordnung sinngemäß. S 15 Wahl der Vertrauensperson der Schwerbehinderten (1) Wahlberechtigt sind alle Schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienststelle. (2) Für die Wahl der Vertrauensperson der Schwerbehinderten gelten die Vorschriften über die Wahl der Mitarbeitervertretung entsprechend. Wird die Wahl abgelehnt, tritt an die Stelle des oder der Gewählten der oder die Vorgeschlagene mit der nächst niedrigeren Stimmenzahl. S 16 Inkrafttreten, Außerkrafttreten (1) Diese Rechtsverordnung tritt am 1. August 1993 in Kraft. (2) Gleichzeitig tritt die Wahlordnung zum Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen bei den Dienststellen der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. August 1983 außer Kraft.

Anhang zu §$ 56 ff MVG-EKD, Rn 212

Verwaltungsgerichtsgesetz - VGG - EKD vom 12. November 1993 (ABl EKD 515), zul geänd durch KG vom 5.11. 1998 (ABl EKD 478) S 1 Errichtung des Verwaltungsgerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten (1) Die Evangelische Kirche in Deutschland errichtet ein Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten. Es führt die Bezeichnung „Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland". (2) Das Verwaltungsgericht hat seinen Sitz in Hannover. S 2 Richterliche Unabhängigkeit Die Richter und Richterinnen sind unabhängig und nur dem in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Recht unterworfen. S 3 Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts (1) Das Verwaltungsgericht ist zuständig für Streitigkeiten nach § 63 des Mitarbeitervertretungsgesetzes. 1120

Heinrich Gehring/Christoph Thiele

Kirchenarbeitsrecht J 630 Anhang Anhang zu SS 56 ff MVG-EKD, Rn 212 (2) Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts kann durch Kirchengesetz um Streitigkeiten aus anderen Bereichen erweitert werden. Die Kosten der Inanspruchnahme des Verwaltungsgerichts sind zu erstatten. (3) Durch Vereinbarungen mit Institutionen außerhalb des Geltungsbereiches des Mitarbeitervertretungsgesetzes kann die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts begründet werden, wenn diese Institutionen Bestimmungen wesentlich gleichen Inhalts anwenden. S 4 Kammer des Verwaltungsgerichts Das Verwaltungsgericht besteht aus einer Kammer; bei Bedarf können weitere Kammern gebildet werden. S 5 Besetzung der Kammer (1) Die Kammer entscheidet in der Besetzung mit drei Mitgliedern. (2) Für jedes Mitglied der Kammer wird ein erstes und ein zweites stellvertretendes Mitglied bestellt. (3) Die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Kammer müssen zu kirchlichen Ämtern wählbar sein. Mitglied oder stellvertretendes Mitglied kann nicht sein, wer einem kirchenleitenden Organ der Evangelischen Kirche in Deutschland oder gliedkirchlicher Zusammenschlüsse oder einem leitenden Organ des Diakonischen Werkes angehört. S 6 Vorsitzender oder Vorsitzende (1) Die den Vorsitz führende Person wird vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland als Vorsitzender Richter oder Vorsitzende Richterin auf Lebenszeit, auf Zeit, im Nebenamt oder im Ehrenamt ernannt; auf die Rechtsstellung findet das Kirchenbeamtengesetz entsprechende Anwendung. Der oder die Vorsitzende muß die Befähigung zum Richteramt haben; für die Stellvertretung gilt entsprechendes. (2) Den ersten Stellvertreter oder die erste Stellvertreterin und den zweiten Stellvertreter oder die zweite Stellvertreterin beruft der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf die Dauer von sechs Jahren, diese üben ihr Richteramt ehrenamtlich aus. Erneute Berufung ist zulässig. (3) Die Dienstaufsicht über die Mitglieder des Verwaltungsgerichts übt unbeschadet der richterlichen Unabhängigkeit der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland aus. S 7 Berufung und Amtszeit der übrigen Mitglieder und Stellvertreter oder Stellvertreterinnen (1) Die übrigen Mitglieder und ihre Stellvertreter oder Stellvertreterinnen werden vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf die Dauer von sechs Jahren berufen; erneute Berufung ist zulässig. (2) Die übrigen Mitglieder und Stellvertreter oder Stellvertreterinnen werden aus zwei Vorschlagslisten berufen, die dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vom Kirchenamt und der Gesamtmitarbeitervertretung vorgelegt werden. Aus jeder Vorschlagsliste werden ein Mitglied sowie das erste und zweite stellvertretende Mitglied berufen. Das Kirchenamt legt die Liste im Benehmen mit den Gliedkirchen und dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland vor, für deren Bereich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gegeben ist. Die Gesamtmitarbeitervertretung stellt bei ihren Vorschlägen das Benehmen mit den Gesamtausschüssen der Mitarbeitervertretungen der entsprechenden Gliedkirchen her. (3) Wird während der Amtszeit infolge Ausscheidens eines Mitglieds oder eines stellvertretenden Mitglieds die Berufung eines Ersatzmitglieds notwendig, so endet dessen Amtszeit mit dem Ablauf der Amtszeit der übrigen Mitglieder. S 8 Verpflichtung Vor Beginn ihrer Tätigkeit werden die Mitglieder des Verwaltungsgerichts und ihre Stellvertreter oder Stellvertreterinnen durch den Vorsitzenden oder die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland verpflichtet, ihr Richteramt in der Bindung an Gottes Wort, an Recht und Gesetz unparteiisch auszuüben. Die Verpflichtung kann auch schriftlich erfolgen. S 9 Ehrenamt, Aufwandsentschädigung Die Stellvertreter und Stellvertreterinnen des oder der Vorsitzenden und die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichts und ihre Stellvertreter und Stellvertreterinnen üben ihr Richteramt ehrenamtlich aus. S 10 Beendigung des Richteramts (1) Das Amt eines Mitglieds des Verwaltungsgerichts ist für beendet zu erklären, wenn a) die rechtlichen Voraussetzungen seiner Berufung weggefallen sind, Heinrich Gehring/Christoph Thiele

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S 630 Anhang Kirchenarbeitsrecht Anhang zu §§ 56 ff MVG-EKD, Rn 212 b) das Mitglied sein Amt niederlegt, c) das Mitglied infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen zur Ausübung seines Amtes nicht mehr in der Lage ist, d) das Mitglied kirchliche Amtspflichten gröblich verletzt hat, e) das Ergebnis eines straf-, disziplinar- oder berufsgerichtlichen Verfahrens eine weitere Tätigkeit im Verwaltungsgericht nicht mehr zuläßt. (2) Das Amt eines Mitglieds ruht, wenn a) gegen das Mitglied ein strafgerichtliches Hauptverfahren eingeleitet ist, b) gegen das Mitglied ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet ist, c) dem Mitglied die Ausübung seines Amtes in einem kirchlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder die Ausübung einer sonstigen beruflichen Tätigkeit durch ein nach staatlichem Recht vorgesehenes Ehrengericht vorläufig untersagt worden ist. (3) Die Entscheidungen nach Absatz 1 trifft auf Antrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland oder des betroffenen Mitglieds der Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Die Feststellungen nach Absatz 2 trifft der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. (4) Die vorstehenden Absätze gelten entsprechend für die stellvertretenden Mitglieder. S 11 Geschäftsstelle Es wird eine Geschäftsstelle für das Verwaltungsgericht gebildet, die ihren Sitz beim Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland hat. Das Kirchenamt hat für die erforderliche Personal- und Sachausstattung zu sorgen. S 12 Amtshilfe kirchlicher Dienststellen (1) Die Dienststellen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Gliedkirchen (einschließlich ihrer Diakonie), für deren Bereich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gegeben ist, leisten dem Verwaltungsgericht Amtshilfe. Sie sind zur Vorlage von Urkunden und Akten und zu Auskünften verpflichtet. Soweit die Einsicht in Urkunden oder Akten oder die Erteilung von Auskünften gesetzlich beschränkt ist oder wenn es sich um Vorgänge handelt, die ihrem Wesen nach geheimzuhalten sind, kann die Dienststelle die Einsicht oder die Auskunftserteilung beschränken oder verweigern. Auf Antrag eines Beteiligten entscheidet das Verwaltungsgericht durch Beschluß, ob die Verweigerung berechtigt ist. Die zuständige oberste Dienstbehörde ist in diesem Verfahren beizuladen. (2) Die Rechts- und Amtshilfe staatlicher Behörden richtet sich nach staatlichen Vorschriften. S 13 Kosten (1) Für das Verfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. (2) Das Verwaltungsgericht entscheidet nach billigem Ermessen über die von einem Beteiligten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. $ 14 Entschädigung in Beweisaufnahmen Zeugen und Zeuginnen sowie Sachverständige sind nach dem „Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen" in der jeweils geltenden Fassung zu entschädigen. $ 15 Endgültigkeit der Entscheidung Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist endgültig. $ 16 Anwendung der staatlichen Verwaltungsgerichtsordnung Im übrigen sind für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Vorschriften der „Verwaltungsgerichtsordnung der Bundesrepublik Deutschland" in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden. Die Vorschriften über Zwangsmaßnahmen sind nicht anwendbar. S 17 Inkrafttreten Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Januar 1994 in Kraft.

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Sachregister Die fetten Zahlen verweisen auf die Paragraphen, die mageren auf die Randnummern.

Abdingbares Recht - Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 99 ff - Arbeitnehmer-Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung 619 5 - Arbeitsverhinderung und Entgeltfortzahlung 616 53 ff - Beschäftigungsanspruch 611 866 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 203 ff - Fortsetzungsfiktion nach Vertragsablauf 625 33 ff - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 17 - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 36 - und Kündigung aus wichtigem Grund 626 66 ff - Kündigungsfristen 622 162 - Kündigungsschutz 620 591 f - Vergütungs- und Schadensersatzpflicht im Kündigungsfall 628 3 Abfindung - Auflösungsurteil im Kündigungsschutzverfahren 620 728 ff Abgeordneter - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 32 Abhängigkeit - Dienstvertrag/Arbeitsvertrag 611 7 - Eigenart jeweiliger Tätigkeit 611 199 - Einzelkriterien persönlicher - 611 201 ff - Entgeltzahlungen, Modalitäten 611 212 - und Kündigungsschutz 620 570 - Örtliche Weisungsgebundenheit 611 208 f - Organisation, zu berücksichtigende 611 199 - Organisatorische Weisungsgebundenheit 611 210ff - Persönliche- 611 197ff - und Rangprinzip 630 4 - Wirtschaftliche- 611 200 - Zeitliche Weisungsgebundenheit 611 202 ff - und Zeugnisanspruch 630 2, 9 Abkehr - und außerordentliche Kündigung 626 11 f Abkehrwille - des Arbeitnehmers 620 646 626 79 Ablauf der Dienstzeit - und Fortsetzungsfiktion 625 11 ff Ablehnung - des Arbeitsangebots 615 51 ff

ABM-Kräfte - Arbeitsverhältnisse 611 238 Abmahnung - und ao Kündigung 626 40, 264 - bei Arbeitsverweigerung 626 111 - Nichtbefolgung von Weisungen 611 567 - Personenbedingte Kündigung 620 606 - Verhaltensbedingte Kündigung 620 630 ff Abrechnungsvereinbarungen - Fälligkeit der Vergütung 614 15 ff Abrufarbeitsverhältnisse - KAPOVAZ-Verhältnisse 611 325 - und Rahmenvereinbarung, abzugrenzende 611 325 - Teilzeitarbeit 611 673 Abschlagszahlungen - und Arbeitgeberdarlehen, Abgrenzung 614 24 - Begriff 614 25 Abschluß des Arbeitsvertrags - Abschlußgebote, gesetzliche 611 448 ff - Abschlußgebote, kollektivrechtliche 611 455 f - Abschlußverbote 611 457 ff -Anfechtbarkeit 611 4 9 8 f - Beschäftigung nach Fristablauf 611 486 ff - Form, Nachweisgesetz 611 466 ff - Geschäftsfähigkeit 611 4 6 2 f - Mängel des Vertrags 611 495 ff - N i c h t i g k e i t 611 496 f - Nichtigkeitsfolgen 611 443 - Verpflichtung, erforderliche 611 443 - Vertragsfreiheit 611 444 ff - Vertretung 611 464 f - Weiterbeschäftigung, vorläufige 611 4 5 4 Abschlußarbeiten - und Arbeitszeit 611 609 Abtretung - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 412 - Arbeitsentgelt 614 29 - Krankenfürsorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 7 Abwehrmaßnahmen - gegen rechtswidrigen Arbeitskampf 615 166 Abweichklauseln - im Arbeitsschutzrecht 618 61 Abwerbung - durch anderen Arbeitnehmer 620 647 626 80 - Gemeinsames Pläneschmieden 626 80

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Sachregister Änderung Änderung - Arbeitsbedingungen 611 537ff -Arbeitsentgeltregelungen 611 796ff - der Arbeitspflicht 611 574 - des Arbeitsvertrags durch Individualrecht 611 544 - des Arbeitsvertrags infolge Kollektivrechts 611 545 ff - Arbeitszeit (Vollarbeitszeit) 611 633 ff - Befristung einzelner Arbeitsbedingungen 611 534 - Betriebliche Altersversorgung 611 826 - Betriebliche Übung 611 534 - Betriebsvereinbarung 611 551 -Gestaltungsvorbehalte 611 539ff - Jährliche Gehaltsanpassungen 611 792 - Tarifgebundenheit 611 548 - Tarifvertrag 611 546 - Versetzungs- und Einsatzklauseln 611 538 - Wegfall der Geschäftsgrundlage 611 552 - Zeugnisinhalt 630 93 ff, 103 Änderungskündigung s Kündigung (Änderungskündigung) Ärzte in der Weiterbildung - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 416 ff Ärztliche Anordnungen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 94 Ärztliche Behandlung - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 26 - Sozialversicherung 611 76 Ärztliche Berufe - Arbeitnehmereigenschaft 611 267 Ärztliche Fragebögen - bei der Einstellung 611 433 Ärztliche Schweigepflicht - Betriebsarzt 618 132 - und krankheitsbedingte Kündigung 620 615 Ärztliche Untersuchungen - Arbeitsbereiche und Einstellungsuntersuchungen 618 110 ff - Arbeitsunfähigkeit 616 135 ff - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 611 436 - Einstellungsuntersuchung 611 408, 439 - Schweigepflicht 611 439 - Vorsorgeuntersuchungen, arbeitsmedizinische und allgemeine Untersuchungen 618 113 Äußeres Erscheinungsbild - und außerordentliche Kündigung 626 132 AIDS - Ansteckungsschutz 618 118 - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 406 - und außerordentliche Kündigung 626 81 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 92 Akkordlohn - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 184 - als leistungsbezogene Vergütung 611 812

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Aktiengesellschaft - und Kündigungsberechtigung 626 229 -Organmitglieder 611 258f - Vertragsabschluß im Gründungsstadium 611 465 Aktiva - und Betriebsübergang 613a 32 ff Alkohol - und außerordentliche Kündigung 626 82 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 91 - Kündigung wegen betrieblichen Verbots 620 648 - Kündigung, krankheitsbedingte 620 621 - und Zeugnisinhalt 630 42 Allgemein anerkannte Regel - Technikregeln und Arbeitsschutz 618 52 Allgemeine Arbeitsbedingungen - Inhalt des Arbeitsvertrags 611 528 - Rangfolge 611 536 Allgemeinverbindlichkeitserklärung - s Tarifrecht Allgemeine Ungewißheit - und wirtschaftliche Entwicklung 620 99 ff Altenheimvertrag - Kündigung bei übermäßig langer Bindung 624 10 Altersgrenzen - und Beendigung des Arbeitsvertrags 611 507 - Befristete Arbeitsverhältnisse 620 165 ff - Kündigung aufgrund Lebensalters 620 622 f - Rentenzugangsalter und Geschlechterdiskriminierung 612 67 Altersstruktur - und betriebliche Interessen 620 682 Altersversorgung s Betriebliche Altersversorgung Amateurfußballspieler - Dienstverhältnis 611 249 Amtshilfe - und Auskunftserteilung über Arbeitnehmer 611 438 Amtsträger - und Betriebsübergang 613a 45 Anbahnung - des Arbeitsvertrags s Vorvertragliches Schuldverhältnis Anfechtung - Anfechtung und Kündigung 611 498 - der Kündigungserklärung 620 502 - des Arbeitsverhältnisses, formfreie 623 38 - Arbeitsvertrag 611 146, 434, 498 f Vor 620 25 - Aufhebungsvertrag Vor 620 19 ff - und außerordentliche Kündigung, Abgrenzung 626 15 f - Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach Ablauf der Dienstzeit 625 3 - Umdeutung unwirksamer ao Kündigung in eine - 623 66 - Zeugnisinhalt 630 94

Sachregister Arbeitgeber Anforderungsprofile - und Mitbestimmung 611 433 Angebot - der Arbeitsleistung 615 34 ff Angestellte - und Arbeiter, tarifvertragliche Differenzierung bei den Kündigungsfristen 622 95 ff - und Arbeiter, Unterscheidung 611 336 ff - Arbeitspflicht 611 569 - Außertarifliche, übertarifliche - 611 345 - BAG-Rechtsprechung zur Abgrenzung 611341 - Evangelische Pfarrer 630 Anh 68 - Gesetzliche Unterschiede 611 340 - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 130 - Kirchenbeschäftigter 630 Anh 72 - Komplementärbegriff des Arbeiters 611 341 - Kündigungsfristen, Vereinheitlichung 622 1 ff - Leitende Angestellte s dort - Mehrarbeit 611 638 - Mitbestimmung 611 340 - Rentenversicherung 611 77 - Tarifrecht 611 342 - Verfassungsmaäßigkeit der Unterscheidung 611 339 Anhörungsrecht - zu Beurteilungen 630 85 Anhörungsverfahren - nach Kündigung des Arbeitsvertrags 620 518 ff Anlagen - Überwachungsbedürftige - 618 87 Anlaßkündigung - Kündigung und Arbeitsunfähigkeit 616 153 ff Annahme - der Arbeitsleistung 615 62 f Annahmeverzug s Verzug (Annahmeverzug) Anpassung - Vergütungsanspruch 612 30 Anrechnung - Tariflohnerhöhung auf Zulagen 611799 Anrechnung anderweitigen Erwerbs - bei Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 83 ff - Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung 611 698 f Anrechnungsvorbehalt - Leistungen und - 611 542 Anschlag am schwarzen Brett - und Abmahnungserfordernis 620 635 Anspruchsentstehung - und Freriwilligkeitsvorbehalt 611 540 Ansteckungsschutz - als Arbeitsschutz 618 117ff Antisemitismus - und außerordentliche Kündigung 626 114 Anwesenheitsprämien - und Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 77 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 187

Anzeige - des Arbeitnehmers gegen Arbeitgeber 620 649, 626 85 f - Kündigungsschutz bei Massenentlassungen 620 744 ff - Nichtverlängerungsanzeige 623 37 Anzeigepflicht - Arbeitsverhinderung durch Krankheit 616 121 ff - bei Arbeitsverhinderung 616 47 Arbeit - und Arbeitszeitbegriff 611 607 f - Begriff, Verpflichtung 611 193 f - Gleiche und gleichwertige Arbeit 612 52 ff - auf privatrechtlicher/anderer Grundlage 611 195 f Arbeiter - und Angestellte, tarifvertragliche Differenzierung bei den Kündigunfsfristen 622 95 ff - und Angestellte, Unterscheidung 611 336 ff - und Arbeitsentgelt 611 767 - Arbeitspflicht 611 569 - BAG-Rechtsprechung zur Abgrenzung 611 341 - Gesetzliche Unterschiede 611 340 - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 130 - Kirchenbeschäftigter 630 Anh 72 - Komplementärbegriff des Angestellten 611 341 - Kündigungsfristen, Vereinheitlichung 622 1 ff - Mitbestimmung 611 340 - Rentenversicherung 611 77 - Tarifrecht 611 342 - Verfassungsmaäßigkeit der Unterscheidung 611 339 Arbeitgeber - Abschlußfreiheit, Abschlußgebote 611 447 ff - und Allgemeine Arbeitsbedingungen 611 528 - Annahmeverzug s Verzug (Annahmeverzug des Arbeitgebers) - Arbeitnehmerangriff in unangemessener Form 626 143 - Arbeitsschutz s dort - Begriff 611 356 - Betriebliche Übung s dort - und Bundesanstalt für Arbeit 615 110 ff - Fragerecht s dort - Gemeinschaftsbetrieb 620 579 - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 9 - Gespaltene Funktion 611 356 - und Individual-Arbeitsrecht 611 109 ff -Koalitionsrecht 611 36ff - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 1 ff - Leistungsbestimmung s dort - Maßregelungsverbot 612 7 - Meinungsfreiheit und Betriebsfrieden 611 712 -Nachweispflicht 611 478ff - Offenbarungspflichten bei Anbahnung 611 387 f - Pflichten (Überblick) 611 758 ff

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Sachregister Arbeitgeberverband -

Schutz-und Verhaltenspflichten 611 865 ff Tarifbindung, fehlende 611 524 Tarifgebundenheit 611 523 Unterrichtungspflichten bei Anbahnung 611 387 f - Zahlungsschwierigkeiten 611 388 - als Zeugnisaussteller 630 13 Arbeitgeberverband - Aussperrungsbeschluß 615 187 Arbeitnehmer - Abhängigkeit s dort - Abschlußfreiheit 611 445 ff - Äußeres Erscheinungsbild 626 132 - Angestellte s dort - Anordnungen, arbeitsnotwendige gegenüber 611 566 - A n w e r b u n g 611 369 ff - Arbeiter s dort - und arbeitnehmerähnliche Personen 611 170 - Arbeitsleistung s Leistungspflicht - und Arbeitsrecht 611 219 - Arbeitsverhinderung und Entgeltfortzahlung s Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung - Auskunft über - 630 88 ff - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 6 1 1 4 3 6 ff - Befristungsgründe in der Person des - 620 158 ff - Begriff (unbestimmter Rechtsbegriff) 611 161 f, 613a 9 ff - Begriffsbildung im Schrifttum 611 215 ff - Begriffseinheitlichkeit 611 181 - Begriff, zentraler des Arbeitsrechts 611 167 f - Belehrung über Gesundheitsgefahren 618 105 ff - Bergbau s dort - Berufszugehörigkeit 611 3 5 2 f f - und Beschäftigtengruppen 6 1 1 1 7 5 - Beschäftigungsanspruch 611 865 ff - Betriebliche Ordnung, Wahrung 611 710 ff - Betriebliche Übung 611 534 - Betriebseingliederung 611 211 - Beurteilungen 630 81 ff - BGB-Sprachgebrauch 611 171 ff - Bundesarbeitsgericht 611 192 - Bundesfinanzhof 611 189 f - Bundesgerichtshof 611 187 - Bundessozialgericht 611 188 - Bundesverfassungsgericht 611 184 ff - Bundesverwaltungsgericht 611 191 - DDR-Recht 611 226 - im Dienste eines anderen 611 197 ff - Eignung und Arbeitgeberfragerecht 611 400 - Einheitliche Begriffsbildung 611 222 - Erfüllungsgehilfe 611 294 - Erwerbstätigkeit und dauerndes Arbeitsverhältnis 617 9 ff - Europäischer Gerichtshof 611 183 - Gerichtliche Klärung der Eigenschaft als - 611 166

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- Geschäftsinhalt der Arbeitnehmereigenschaft 611 163 f - Gewerbliche - 611 353 - Gewissenskonflikte 611 565 - und Gleichbehandlungsgrundsatz s dort - Gruppenarbeitsverhältnis 611 3 1 7 f f - Haartracht, Kleidung 626 132 - Haftung s dort - Handlungs- und Verhaltenspflichten als Nebenpflichten 611 723 f - Handlungsgehilfen 611 354 - und Individual-Arbeitsrecht 611 109 ff - Kirchlicher Bereich s dort -Koalitionsrecht 611 3 6 f f - Körperschutzausrüstungen 618 108 f - KSchG-Voraussetzung 620 570 ff - und Kündigungsfristen 622 10 - Legaldefintion, fehlende 6 1 1 1 6 9 f, 178 ff - Leistungspflicht s dort -Leistungsverpflichtung 611 1 9 3 f - Maßregelungsverbot 612 8 -Nachweisanspruch 611 4 7 8 f f - Nebenpflichten 611 6 7 4 f f -Nebentätigkeit 611 715 ff - Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 725 ff - Öffentlich-rechtliche Gesetze 611 176 - Offenbarungspflichten bei Vertragsanbahnung 611 390 f - Ordnungsverhalten 611 566 - Persönliche Daten 611 401 - Persönliches Leistungsvermögen 611 576 - Persönlichkeitsrecht s dort - Personenbedingte Kündigung 620 606 ff - Rechtsfolgen der Eigenschaft als - 611 165 - Rechtstypenwahl 611 164 - Schutz s Arbeitsschutz; Schutz des Arbeitnehmers - und Selbständigkeit 611 220 - Soziale Sicherheit 611 73 ff - Sozialwissenschaftliche Begriffsbildung 611 218 - als Statusbegriff 611 161 f - Tauglichkeitsuntersuchung 611 439 - Typologische Abgrenzung 611 200 - Unkündbarer - 624 23 - Verschwiegenheit, Schweigegebot 611 700 ff - Vertragliche Grundlage 611 195 f - Vertragsbruch 628 24 f - Vorvertragliche Pflichten 611 389 ff - Vorzeitiges Kündigungsrecht nach Ablauf von 5 Jahren 624 24 ff - Wettbewerbsverbot s dort Arbeitnehmer-Entsendegesetz - Mindestbedingungen 611 794 Arbeitnehmerähnliche Personen - und Arbeitnehmer 611 170 - Arbeitnehmer, Abgrenzung 611 274 ff - Arbeitsschutz 618 31 - B e i s p i e l e 611 280 f

Sachregister Arbeitskampf -

und Betriebsübergang 613a 14 Dienstleister, abzugrenzende 611 276 Einheitliche Begriffsbildung 611 282 f Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 7 - Heimarbeiter 611 275, 278 - Kündigungsfristen 622 14 - Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen 612 49 - NachweisG, nicht anwendbares 611 477 - Prozessuale Bedeutung 611 278 -Tarifrecht 611 277ff - Typenzwang 611 277 - Vertragsfreiheit 611 277 - Wirtschaftliche Abhängigkeit 611 278 ff - und Zeugnisanspruch 630 9 Arbeitnehmeranzahl - und Kündigungsschutz 620 580 ff Arbeitnehmergruppen - und Kündigungsschutz 620 752 ff Arbeitnehmerinteressen - und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers 611 Arbeitnehmerüberlassung - und Arbeitskampf 626 107 - Arbeitsschutz (Fürsorgepflicht) 618 12 - Arbeitsvertrag 611 296 f, 301 - AÜG-Grundlage 611 299 - Betriebsverfassungsrecht 611 303 - Ditteinsatz, abzugrenzender 611 300 - Drittbeziehung (Dienst- und Werkverträge) 298 - Erlaubnis, erforderliche 611 301 f - Geräte mit Bedienungspersonal, Abgrenzung 611 308 - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 10 - Gestellungsvertrag, Abgrenzung 611 297, - Gewerbesmäßige - 611 301 ff - Kündigungsfristen 622 28 f - Nichtgewerbsmäßige - 611 304 - Pflichtverletzungen des Leiharbeitnehmers 134 - Unerlaubte - 611 491 - Wiederholte Befristungen 620 431 ff - Wirtschaftszweig, derselbe 611 306 f Arbeitsabläufe - Arbeitsschutz und Organisation der - 618 Arbeitsbedingungen - Befristung einzelner - 620 45 f Arbeitsbereitschaft - und Arbeitnehmerstatus 611 206 - und Arbeitszeit 611 612 - Begriff 611 613 - Bereitschaftsdienst 611 614 - und Rufbereitschaft 611 615 - Tarifrecht 611 613 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 197 f

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626

121 ff

Arbeitsbescheinigung - bei Beendigung des Arbeitsvertrags 630 137 ff Arbeitsbewertung - Gleiche und gleichwertige Arbeit 612 52 ff - System zur - 612 56 ff Arbeitsentgelt s Entgelt Arbeitserfolg - und Leistungsverpflichtung 611 555 Arbeitserlaubnis - und außerordentliche Kündigung 626 87 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 113 - Kündigung 620 624 - Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 615 45 Arbeitsförderung - AFG 611 74 - Berufs- und Arbeitsmarktforschung 611 74 - als sozialstaatliche Aufgabe 611 74 - und Sozialversicherung 611 75 Arbeitsfreistellung s Freistellung von der Arbeit Arbeitsgeräteunfall - als Arbeitsunfall 618 237 Arbeitsgestaltung - Arbeitnehmeranspruch auf menschengerechte 618 21, 23 ff Arbeitskampf - Abwehrmaßnahmen 615 166 - Änderungskündigung seitens Arbeitnehmers 626 90 - und Arbeitnehmerkündigung 626 193 - und Arbeitslosenversicherung 615 204 ff - Arbeitsvertrag und Streik 615 177 ff - Arbeitsvertrag und Aussperrung 615 191 ff - Ausschreitungen 626 89 - und außerordentliche Kündigung 626 88 ff - Aussperrung, Rechtsfragen 615 184 ff - BAG-Rechtsprechung 615 155 - Betriebsbesetzungen 615 164 - Betriebsstörungen und Arbeitskampfrisiko 615 149 ff - Betriebsstörung, arbcitskampbedingte 615 216 ff - Betriebsverfassungsrechtliche Streitfragen 615 160 - und Betriebsverfassung 615 202 - Blockaden 615 164 - Boykott 615 195 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 114 - und Erhaltungsarbeiten 615 199 ff - Friedenspflicht 615 167 - Gesetzliche Regelung, fehlende 615 154 - von Gewerkschaft getragener Streik 615 176 - und Kirchenarbeitsrecht 630 Anh 253 - Kollektives Arbeitsrecht 611 110 - und Maßregelungsverbot 612 16 - Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 732 - Politischer Arbeitskampf 615 158

1127

Sachregister Arbeitskraft - Rechtmäßiger Arbeitskampf 615 156 ff - Rechtswidriger Arbeitskampf, Rechtsfolgen 615 168 ff - Schlichtung 615 210 ff - Soziale Selbstverwaltung 611 42 - und Sozialversicherung 615 203 ff - Strafbare Handlungen 615 165 - Streik, Rechtsfragen 615 173 ff - Sympathiearbeitskampf 615 158 - und Tarifautonomie 611 40 - Tarifwidriger Arbeitskampf 615 158 ff - Tarufautonomie 615 155 - Ultima-ratio-Prinzip 615 161 ff - Verhältnismäßigkeit 615 186 - Waffengleichheit 615 185 - Warnstreik 615 174 - Wiedereinstellungsklauseln 611 455 - Wilde Streiks 615 158 - und Zeugnisinhalt 630 44 - Zurückbehaltungsrecht und Streik, Abgrenzung 615 175 Arbeitskraft - und Minderung der Arbeitsleistung 626 113 Arbeitsleistung s Leistungspflicht Arbeitslosengeld - Lohnersatzanspruch als Auflösungsschaden 628 60 Arbeitslosenversicherung - u n d Streik 615 204 ff Arbeitslosigkeit - Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 106 ff Arbeitsmarkt - und Arbeitsvertragspraxis 611 512 Arbeitsmedizin - Unfallverhütungsvorschrift Arbeitsmedizinische Vorsorge 618 113 - Vorsorgeuntersuchung 611 439 618 113 Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren - BImSchG 618 88 - Europäisches Recht 618 187 - als Gefahrenursache 618 71 ff - Gentechnologie/Biotechnologie 618 90 ff -Gerätesicherheitsgesetz 618 74 ff - Haftung wegen mangelhafter Geräte 618 80 ff - Medizinisch-technische Geräte 618 86 - StörfallVO 618 89 - Überwachungsbedürftige Anlagen 618 87 - Unfallverhütungsvorschriften 618 85 Arbeitsort s Leistungsort Arbeitspapiere - Beendigung des Arbeitsverhältnisses 630 136 ff - Nichtvorlage 626 91 Arbeitsplätze - Information über unbefristete - 620 325 ff - Versetzung statt Kündigung 620 608

1128

Arbeitsplatzfreiheit - und Berufsfreiheit 611 22 Arbeitsplatz teilung - Teilzeitarbeit 611 673 Arbeitsplatzwahl - und Zwischenzeugnisausstellung 630 23 Arbeitsplatzwechsel - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 194 - und außerordentliche Kündigung als ultima ratio 626 41 Arbeitsqualität - Maßstab 611 579 Arbeitsrecht - Abdingbares Recht s dort - Abkommen, Übereinkommen 611 96 ff - Äußere Gestaltung, Ordnung des - 611 105 - und Arbeitnehmerschutz 611 23 ff - Autonome Regelungen 611 90 ff - Begriff 611 13 ff - und Berufsfreiheit 611 21 f - Bestandteile 611 16 - Betriebliche Übungen 611 95 - Betriebsvereinbarungen s dort - Bundesrecht 611 86 - Dienstvertragsrecht, anwendbare Normen 611 12 - und Drittbeteiligung 611 293 ff - Entwicklung 611 9 ff - Europäisches Recht s dort - Gesetzgebungszuständigkeit 611 16 - Gewerbeordnung 611 353 - Gewohnheitsrecht 611 89 - Gleichberechtigung s dort - Grundgesetz 611 85 - Individual- 611 109 ff - Internationales - 611 107 - Kirchenarbeitsrecht s dort - Kollektives Arbeitsrecht 611 110 - Landesrecht 611 87 - Leistung abhängiger Arbeit 611 7 - Mitbestimmung s dort - Ordnung im Betrieb 611 95 - und Rechtsprechung 611 104 - Rechtsquellen 611 84 ff - Rechtssystematik 611 112 - Regelungsziel 611 17 - und soziale Selbstverwaltung 611 35 ff - Soziale Sicherheit 611 73 ff - und Statusrecht, abzugrenzendes 611 15,161 - Tarifrecht s dort - Zersplitterung 611 88, 105 - Zielvostellungen 611 18 ff - und Zivilrecht 611 115 ff Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung s Gleichbehandlungsgrundsatz, arbeitsrechtlicher

Sachregister Arbeitsschutz Arbeitsrechtsregelungsverfahren - Staatlicher Gesetzgeber und kirchliche - 630 Anh 152 ff Arbeitsrechtsschutz - Anrufung bei rechtsunwirksamer Befristung 620 305 ff - Arbeitnehmerähnliche Personen 611 278 f - ArbGG 611 69 ff, 111 - Gerichtsbarkeit, besondere 611 68 - Kirchenarbeitsrecht 630 Anh 262 ff - Klage, Klagbarkeit s dort - Kündigungsschutzrecht s dort - und Rechtswirklichkeit 611 72 - Richterstellung 611 72 Arbeitsschutz - Ärztliche Untersuchungen und Arbeitsaufnahme 618 110 ff - Allgemein anerkannte Regeln 618 52 - Anlagen, überwachungsbedürftige 618 87 - Ansteckungsschutz 618 117 f - Anweisungen 618 104 - und Arbeitnehmereigentum 618 5 - und Arbeitnehmerpflichten 618 48 - Arbeitnehmerschutz/Arbeitsverhältnis 618 44 ff - Arbeitsabläufe, Organisation 618 121 ff - Arbeitsmedizin s dort - Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren s dort - Arbeitsschutzgesetz 618 30 ff - Arbeitssicherheitsgesetz 618 126 ff - Arbeitssicherheitsgesetz und Mitbestimmung 618 177 - Arbeitsstätten s dort - Arbeitsstoffe s dort - Arbeitsunfall s dort - Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse 618 55 ff - Arbeitszeitschutz 618 27 - Auftragsverhältnis 618 16 - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 195 - Autonomes Recht (Unfallverhütungsvorschriften) 618 38 ff - Beamtenverhältnis 618 17 - Beitrittsgebiet 618 161 ff - Beläastigungsschutz, abzugrenzender 618 21 - Belehrung 618 105 ff -Berufskrankheiten 618 234 ff - Besondere Schutzbedürftigkeit 618 20 - Betriebs- oder Gefahrenschutz 618 27 - Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure 618 128 ff - Betriebsanweisung 618 122 - Betriebsbeauftragte 618 143 - Betriebsvereinbarungen 618 174 - Betriebsverfassungsrecht, Betriebsratsbeteiligung 618 165 ff -Beweislastfragen 618 212 ff - BImSchG 618 88 - Dienst- und Arbeitsverhältnisse 618 11 ff - Dogmatische Fragen 618 29

- Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers 618 196 ff - Erste-Hilfe-Organisation 618 140 - Europäisches Recht 618 185 ff - Europäisches Recht und Umsetzung in nationales Recht 618 192 ff - Fachkräfte für Arbeitssicherheit 618 128 ff - als Fürsorgepflicht 618 1 - Gefahren für Leben und Gesundheit 618 1 - Gefahrenbegriff, zugrundeliegender 618 22 - Gemeinschaftsunterkünfte 618 156 ff - Gentechnologie/Biotechnologie 618 90 ff - Gerätesicherheitsgesetz s dort - Geschlechtsspezifischer - 612 75 - Gewerbegehilfen 618 4 - Gewerbeordnung 618 2, 6 - Gewerbeordnung/RVO 618 39 - Grenzen der Fürsorgepflicht 618 18 ff - Häusliche Gemeinschaft, Aufnahme 618 156 ff - Haftungsersetzung SGB v n s Arbeitsunfall; Unfallversicherung - Handlungsgehilfen 618 4 - Heimarbeiter 618 28 - Hilfspersonen 618 210 f - Jugendarbeitsschutz 618 28 - und kirchliches Selbstbestimmungsrecht 630 Anh 23 - Klagbare Verhaltenspflichten 618 3, 8, 196 ff - Körperschutzausrüstungen, persönliche 618 108 ff - Kontrolle 618 42 - Leben und Gesundheit 618 5, 6 - Leiharbeitsverhältnis 618 12 - Leistungsverweigerungsrecht 618 205 ff - Lohnschutz 618 27 - Materien 618 25 ff - Medizinisch-technische Geräte 618 86 - Menschengerechte Arbeitsgestaltung 618 21, 23 ff - Mittelbares Arbeitsverhältnis 618 13 - Mitverschulden 618 215 - Mutterschutz 618 4, 28 - Nichtraucherschutz 618, 125, 144 ff - Öffentlich-rechtlicher Schutz als Begrenzung 618 18ff - Öffentlich-rechtlicher Betriebs- oder Gefahrenschutz 618 30 ff - Öffentlich-rechtlicher - 618 7 - Öffentlicher Dienst 618 180 ff - Öffentliches Recht und Mitbestimmung 618 171 - Öffentliches Recht, Transformation 618 24 ff - Ordnungswidrigkeitenrecht 618 141 f - Organisation der Arbeitsabläufe 618 121 ff - Personalvertretungsrecht 618 184 - Personenbezogene Maßnahmen 618 103 ff - Pflichtverletzungen 618 196 ff - Positive Vertragsverletzung 618 9, 209 ff - Rechtsgüter, geschützte 618 5, 6

1129

Sachregister Arbeitsschutzausschuß - Sachlicher Inhalt und Gliederung des - 618 25 ff - Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen 618 209 ff - Schwerbehinderung 618 4, 28 - Seeleute 618 4 -Sicherheitsbeauftragte 618 137ff - Sicherheitsingenieure 618 128 ff - Sondervorschriften 618 4 - Stand von Wissenschaft und Technik 618 53 f - Störfall-VO 618 89 -Tarifrecht 618 178 f - Technik als Regelungsmaterie 618 49 ff - Technikregeln, allgemein anerkannte 618 52 - Technische Normen 618 58 ff - Technisches Arbeitsschutzrecht 618 34 - Überforderung, gesundheitsschädigende 618 119f - Unerlaubte Handlung 618 217 ff - Unfallverhütungsvorschriften s dort - Unfallversicherung s dort - und Unternehmerhaftung, ersetzte 618 232 ff - Vertragliche Vereinbarungen 618 44 ff - Vorsorgeuntersuchungen, arbeitsmedizinische 618 113 ff - Wahrung von Sitte und Anstand 618 154 f - Werkvertrag 618 14 f - WHO-Verständnis 618 21 - Zielgruppen, einzelne 618 28 - Zwingendes Recht 619 1 ff Arbeitsschutzausschuß - Bildung 618 135 Arbeitsschutzmittel - Zuverfügungstellung 611 775 Arbeitssicherheit - und Betriebsbeauftragter 611 727 f - Fachkräfte für - 618 127 ff Arbeitssicherheitsgesetz - Innerbetriebliche Sicherheitsorganisation 618 126 ff Arbeitsstätten - Anforderungen, allgemeine 618 68 - und Arbeitsablauforganisation 618 121 ff - ArbeitsstättenVO 618 65 - ArbeitsstättenRL 618 69 - Europäisches Recht 618 187 - Gefahrlose, hygienische Ausgestaltung 618 67 - Klima, Beleuchtung, Schadstoffe, Lärm 618 68 - Rauchen 618 125 - Raumbegriff 618 64 - Spezielle Rechtsvorschriften 618 70 Arbeitsstoffe - Chemikaliengesetz 618 94 - GefahrstoffVO 618 95 ff - und Gesundheitsschutz 618 93 - Sprengstoffgesetz 618 102 - Strahlen- und RöntgenschutzVO 618 101 Arbeitsunfähigkeit - und außerordentliche Kündigung 626 93 ff, 268

1130

- und Krankenkasse 616 225 ff - im Krankheitsfall 616 63 ff Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Beweiswert 616 136 - und Fortsetzungserkrankung 616 175 - Verletzung der Vorlagepflicht 626 94 Arbeitsunfall - Ablehnung unfallversicherungsrechtlicher Ansprüche 618 255 ff - Begriff 618 234 ff - und Berufskrankheiten 618 238 - Drittschädiger 618 251 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 89 - Haftungsersetzung, Fortfall 618 248 ff - Haftungsuasschluß zugunsten Betriebsangehöriger/betrieblich Tätiger 618 244 ff - Krankenfürsorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 6 - Regreßansprüche der Sozialversicherungsträger 618 252 ff - und System gesetzlicher Unfallversicherung 618 225 ff - Tätigkeit im Unfallunternehmen, erforderliche 618 241 - Unfallversicherter Beschäftigter 618 242 f - und Unternehmerbegriff 618 240 Arbeitsverhältnis - und Arbeitsvertrag 611 7 - Freies Dienstverhältnis/ArbeitsVerhältnis 611 8 Arbeitsverhinderung s Leistungsverhinderung Arbeitsvermittlung - Rechtliche Grundlagen 611 369 ff Arbeitsvertrag s a Arbeitgeber; Arbeitnehmer - Abrufarbeitsverhältnis 611 325 - Abschluß s dort - Änderungen s dort - Änderungen der Arbeitsbedingungen 611 537 ff - und Allgemeine Arbeitsbedingungen 611 528 - Altersgrenze 620 169 - Anbahnung s Vorvertragliches Schuldverhältnis -Anfechtbarkeit Vor62025 611 146,434,498« - Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 99 ff - Arbeitgeber s dort - Arbeitnehmer s dort - und Arbeitnehmerschutz 618 44 ff - Arbeitnehmeriiberlassung 611 301 - und Arbeitsmedizin 618 113 - und Arbeitsverhältnis 611 7 - Arbeitszeit s dort - Ausbildungsverhältnisse s dort - Ausdrückliche Abrede 612 5 - Aushilfe 611 324 - Ausschreibung s Stellenausschreibung - und Aussperrung 615 191 ff - Beendigung s dort - Befristung s dort

Sachregister

Arbeitszeit

Begriff, Funktion 611 362 ff und Berufsausübungsfreiheit 611 447, 457 und Berufsfreiheit 611 445 Bestandsschutz 611 23 Betriebsratsanhörung vor Einstellung 611 492 ff und Betriebsvereinbarung (Günstigkeitsprinzip) 611 155, 525 f und Betriebszugehörigkeit 611 367 und Betriebszuordnung 613a 11 Bindungsklauseln 611 880 Dauer 611322, 500 ff Dauerndes Arbeitsverhältnis 617 9 ff und Dienstvertrag - Typologischer Zusammenhang 611 1 ff - Unterscheidung, grundsätzliche 611 6 ff Dienstvertrag, Werkvertrag, Oberbegriff Arbeitsvertrag 611 5 und Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 562 Entgelt s dort und Entgeltfortzahlung s dort Entgeltvereinbarung, fehlende 612 3 ff Form s dort Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach Ablauf der Dienstzeit 625 1 ff und freie Mitarbeit 611 197 Freizeitanspruch zum Aufsuchen anderen Dienstverhältnisses 629 1 ff Geschlechtsdiskriminierende Nichtbegründung 611a 14 ff Gesellschaftsrechtliche Grundlage 611 245 ff Gesetzesrecht, zwingendes 611 518 Gleichbehandlungsgrundsatz s dort Günstigkeitsprinzip 611 147 Inhaltsfreiheit 611511 Kernbestand 620 464 Konkludentes Handeln 612 5 Konkretisierung durch tatsächliche Übungen 611 529, 535 kraft Fiktion 611 485 ff Krankenfürsorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 9 ff Kündigung s dort Kündigungsfristen s dort und Kurzarbeit 615 129 ff Lebens-oder Dauerstellung 624 16 ff Leistungspflicht s dort Mittelbares Arbeitsverhältnis 611 314ff und Nebentätigkeit 611 715 ff Nichtigkeit 611 146 Normaltyp auf unbestimmte Zeit 611 322 und persönliche Abhängigkeit 611 7 Persönliche Dienstleistungspflicht 613 1 ff Privatrechtlicher- 611 195f Rahmenvereinbarung 611 325 Rangfolge inhaltlicher Bestimmungen 611 536 Rechte und Pflichten (Betriebsübergang) 613a 59 ff Rechtsgrundlagen und Rangfolgen 611 517 ff

- Rechtypusverfehlung 612 10 - Richterliche Vertragskontrolle 611 157 ff -Rückzahlungsklauseln 611 880 ff - Stellenausschreibung s dort - u n d Streik 615 177 ff - Suspendierung Vor 620 3 ff - Synallagma und Widerrufsklausel 611 541 - und Tarifvertragsrecht 611 519 ff - Teilzeitarbeit s dort - Vertragsfreiheit s dort - Vollzeitarbeitsverhältnis, Sonderformen 611 323 ff - Vorvertragliches Schuldverhältnis s dort - und Widerrufsvorbehalt 620 463 ff Arbeitsvertragskontrolle - und Arbeitsvertragspraxis 611 513 ff Arbeitsverweigerung - als Kündigungsgrund 620 650, 626 105 ff Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse - Arbeitsschutz und gesicherte - 618 55 ff - und Arbeitsstätteneinrichtung 618 67 Arbeitszeit - Achtstundentag 611 592 - Änderung regelmäßiger Vollarbeitszeit 611 633 ff - Arbeitnehmerschutz 618 27 - Arbeitsbegriff 611 608 - Arbeitsbereitschaft 611 612f, 623 - und Arbeitsunfähigkeit 616 166 - Arbeitsvertrag 611 591 - Arbeitszeitlage 611 644 f - Arbeitszeitmenge, Arbeitszeitdauer 611 626 ff - Bäckereien 611 596 - Beginn, Ende täglicher - 611 646 - B e g r i f f 611 589 f, 606 ff - und Beschäftigungsverbot 611 459 - Betriebsvereinbarungen 611 591, 635, 647 633 554 - Dienstpläne 611 647 - Direktionsrecht 611 634 - Eckdaten des ArbZG 611 592 - Eisen- und Stahlindustrie 611 602 - und Entgeltbemessung 611 806 ff - und Entgeltfortzahlung 611 645 - und Entgeltverpflichtung 611 610 - Fahrpersonal 611 598 - und Feiertagslohn 611 645 - Fixschuld 611 644 - Flexibilisierung 611 650 - Flexible Arbeitszeit unf Arbeitsentgelt 614 17 ff - Gast- und Schankwirtschaften 611 597 - Gefährliche Arbeiten 611603 - Geldkonten 614 18 - Gesetzlicher Arbeitsschutz 611 592 - Gestaltung der Lage der - 611 649 - Gleitzeit 611 651 - Gleitzeitregelungen 614 19 - Höchstarbeitszeit, tarifliche 611 629 ff

1131

Sachregister Arzt ohne Approbation -

Jugendliche 611 594 und Kirchenmitarbeiter 630 Anh 153 ff Konkretisierung 611 644 f Krankenpflege 611 601 Kurzarbeit 611 591 611 642f und Kurzarbeit 615 129 ff Ladenschluß 611 596 Lage der Arbeitszeit 611 644 ff Leistungspflicht 633 554 Luftfahrt 611 599 Mehrarbeit 611 591, 636 ff, 668 Mehrheit von Arbeitgebern 611 605 Mitbestimmung 611 640 Mutterschutz 611 595, 639 Nichtigkeit bei ArbZG-Verstoß 611 604 Öffentlich-rechtliches Arbeitszeitschutzrecht 611 591 - Öffentlicher Dienst 611 641 - Papierindustrie 611 602 - Regelungsziele, heterogene 611 33 - Reisezeiten 611 618 f - Rufbereitschaft 611 615, 647 - Ruhepause 611 620 -Ruhezeiten 611620, 623 ff - Schiffahrt 611 600 - Schutz des Arbeitnehmers 611 33 - Stillstandszeiten 611 608 - Tarifrecht 611 591 633 554 - Teilzeit s dort -Überstunden 611 636ff - Umkleide- und Waschzeit 611 616 - Verlegung und Annahmeverzug 615 123 ff - Verteilung aufgrund Direktionsrechts 611 204 - Vollarbeit 611 611 - Vor- und Abschlußarbeiten 611 609 - Wegezeiten 611 617 - Weisungsgebundenheit und Arbeitnehmerstatus 611 201 ff - Zeitwertkonten 614 18 Arzt ohne Approbation - Beschäftigung 611 459 Arzt im Praktikum - Rechtsverhältnis 611 333 Arztbesuch - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 26 ff Assessment-Center - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 611 437 Aufenthaltserlaubnis - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 205 Auffanggesellschaft - und Betriebsübergang 613a 26 Aufhebung des Vertrags - und Abwicklungsmodalitäten 623 51 - Abwicklungsvertrag 623 57 - Anfechtung Vor 620 19 ff - anläßlich Betriebsübergangs 613a 5 - Arbeitslosengeld Vor 620 16

1132

- Aufhebungsvertrag Vor 620 13 - Aufklärungspflichten Vor 620 24 - Auflösungsverschulden und Schadensersatz 626 33 - Aufschiebende bedingte - Vor 620 14 - Ausgleichsquittung Vor 620 17 623 54 - Bedingte Auflösung 623 56 - Ergänzungen, Änderungen 623 45 - Formerfordernis, fehlendes und Grundsatz von Treu und Glauben 623 70 ff - Formverstoß 623 67 ff - Gerichtlich protokollierter Vergleich 623 53 - Inhalt des Vertrags 623 50 f - Kündigungsschutz, nicht anwendbarer Vor 620 15 - Rückwirkender Zeitpunkt 623 46 - Schriftformerfordernis 623 9 ff, 13 f, 44 ff - Stillschweigender Abschluß, ausgeschlossener 623 49 - Umdeutung unwirksamer ao Kündigung in ein Angebot auf - 623 65 626 251 - Vertragsfreiheit 623 44 - Widerruf Vor 620 23 - und Zeugnisanspruch 630 19 - und Zeugnisinhalt 630 31 Aufklärung - Aufhebungsvertrag Vor 620 24 Auflösungsurteil - im Kündigungsschutzprozeß 611 509 - im Kündigungsschutzverfahren 620 717 ff - und Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschuldens 626 36 Aufsichtsrat - Unternehmensmitbestimmung 611 852 Aufspaltung - Zuordnung von Arbeitsverträgen 613a 11 Aufsuchen anderen Dienstverhältnisses - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 1 ff Auftrag - Arbeitsschutz (Fürsorgepflicht) 618 16 - und Ersatz von Vorstellungskosten 629 19 ff Aufwandsentschädigung - und Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 79 f - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 193 Aufwendungen - Annahmeverzug des Arbeitgebers und ersparte 615 87 ff - und außerordentliche Kündigung 628 16 ff Aufwendungsersatz - Arbeitgeberpflicht zur Leistung 611 760 - und Arbeitsentgelt, Abgrenzung 611 766, 769 - und Urlaubsentgelt 611 833 Ausbildung - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 402 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 201 Ausbildungsverhältnisse - Abschlußprüfung, nicht bestandene 611488 - Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 145 ff

Sachregister Baugewerbe - Arbeitsverhältnis und Berufsausbildung, fehlende Identität 62S 7 - Auflösungsverschulden 628 21 - Auszubildender, geschützter 611 S10 - Beendigung 625 7 - Befristetes Arbeitsverhältnis als Anschlußbeschäftigung 620 110 ff - Berufsausbildung 611 327 ff - Berufsschule 616 43 - Beschäftigung im Anschluß an - 611 489 - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 42 - Fälligkeit der Vergütung 614 13 - Freizeitanspruch zum Aufsuchen neuer Dienststelle 629 5 - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 7 - Kirchenbeschäftigter 630 Anh 72 - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 12 - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 513 f - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 17 ff - Kündigungsfristen 622 20 ff, 169 - Kündigungsschutz 620 588, 757 - Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen 612 49 - Praktikanten 611 334 - im Sinne Berufsbildungsgesetz 611 331 - Tarifliche Übernahmeklauseln 611 455 - und Übernahmewunsch, späterer 620 126 - Vermittlung 611 370 - Volontär, Arzt im Praktikum 611 332f - Weiterarbeitsklauseln 611 489 - Weiterbeschäftigung eines geschützten Auszubildenden 611 449 Ausgleichsverfahren - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 224 Aushang - Ausschreibung, geschlechtsneutrale 611b 14 - Geschlechtsdiskriminierende Vergütung 612 80 - Gleichberechtigung von Mann und Frau 611a 48 - Maßregelungsverbot 612 25 Aushilfsarbeitsverhältnis - Befristung 611 324 - Begriff 611 324 - als dauerndes Dienstverhältnis 629 4 - Kündigungsfristen 622 146 ff Auskunft - über anderweitigen Erwerb 615 97 f - unter Arbeitgebern 611 438 - über Arbeitnehmer 630 88 ff - über Arbeitnehmer, unerlaubte 630 111 - über erhaltenen Urlaub 630 159 - über Fortsetzungserkrankung 616 175 Ausländer - Arbeitserlaubnis, fehlende 611 459, 869 Ausländerfeindlichkeit - und außerordentliche Kündigung 626 114

Ausländische Arbeitnehmer - Beschäftigungsgrundlage 611 372 Ausland - Arbeitnehmererkrankung im - 616 133 Auslandsbeschäftigung - und Kündigungsschutz 620 581 Auslandseinsatz - und Nachweisanspruch 611 480 - Arbeitnehmerverpflichtung 611 584 Auslauffrist - bei außerordentlicher Kündigung 626 23 ff Auslegung - und europäisches Recht 611 102 Auslegungsregel - Persönliche Dienstleistungspflicht 613 1 ff Auslösungen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 193 Ausschlußfristen - Arbeitsentgelt 614 44 ff - und Betriebsübergang 613a 68 - Kündigung, außerordentliche 626 213 ff - Schadensersatzanspruch wegen Zeugniserteilung 630 116 - Zeugnisanspruch 630 75 Ausschreibung s Stellenausschreibung Außerdienstliches Verhalten - und Arbeitnehmer-Nebenpflichten 611 722 - und außerordentliche Kündigung 626 115 ff - und Zeugnisinhalt 630 37 Außergewöhnliche Fälle - Arbeit in - 611 638 Außerordentliche Kündigung s Kündigung (außerordentliche) Aussperrung - und Arbeitsvertrag 615 191 ff - und außerordentliche Kündigung 626 10 - Lösende Aussperrung 615 190 - und Massenänderungskündigung 615 189 - Rechtsfragen 615 184 ff - Suspendierende Wirkung 615 190 Auswahl der Arbeitnehmer - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 611436 ff Autonome Regelungen -Arbeitsrecht 611 90 ff Bäckereien - Arbeitszeit 611 596 BAT - Befristungen 620 248 ff Baugewerbe - Arbeitnehmer-Entsendegesetz 611 794 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 148 - Europäisches Arbeitsschutzrecht 618 187 - Lohnnachweiskarte 630 162 ff - Mindestarbeitsbedingungen 611 45 - Urlaub 611 836

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Sachregister Bausparkassenvertreter Bausparkassenvertreter - und Arbeitnehmerbegriff 611 164 Beamte - und Arbeitnehmerbegriff 611 196 - Arbeitskampf, Streikarbeit 611 232 - Arbeitsschutz 618 31 - Arbeitsschutz (Fürsorgepflicht) 618 17 - Dienstordnungs-Angestellte, Abgrenzung 611 233 - Nichtige Ernennung 611 229 - und Nichtraucherschutz 618 151 - Öffentlich-rechtliche Grundlagen 611 228 ff Bedienungspersonal - Trinkgelder 611 770 Bedingung - Altersgrenzenbestimmung 620 166 - Anstellung auf mehr als 5 Jahre 624 20 - Arbeitsverhältnis, Dauer 611 322, 501 Vor 620 12 - Auflösungsvertrag 620 332 - und Befristung, Abgrenzung 620 335 ff - Kündigung 622 34 - Kündigungserklärung 620 468 - Streit über Eintritt auflösender - 620 324 Beendigung des Arbeitsvertrags - Altersgrenzen s dort - Anfechtung und Nichtigkeit Vor 620 25 ff - und Annahmeverzug, beendeter 615 57 ff - Arbeitnehmerüberlassung 611 505 - und Arbeitspapiere 630 136 ff - Aufhebungsvertrag, Auflösungsvertrag s dort - des befristeten Arbeitsvertrags 620 269 ff - Befristung, Bedingung 611 501 Vor 620 12 - Betriebliche Altersversorgung 611 827 - Betriebsübergang s dort - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 153 ff - Erwerbsminderung 620 341 ff - Formnichtigkeit 611 508 - Freizeitanspruch zum Aufsuchen neuer Dienststelle 629 7 - Gerichtliche Auflösung 611 509 f - und gesetzliches Wettbewerbsverbot 611 679 - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 31 - Kündigung s dort - ohne Kündigung Vor 620 11 ff -Rücktritt 6 1 1 5 0 4 Vor 620 28 f - Suspendierung, Abgrenzung zur - Vor 620 3 - Tod des Arbeitnehmers, des Arbeitgebers 611 506 Vor 620 32 f -Unmöglichkeit 611 504 Vor 620 30 - Urlaubsgewährung, Urlaubsabgeltung 611 838 f - Wegfall der Geschäftsgrundlage 611 504 Vor 620 31 Befragung - Arbeitgeber-Fragerecht s Fragerecht des Arbeitgebers

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Befristete Arbeitsverträge - Abendpersonal Oper/Theater 620 144 - Ärzte in der Weiterbildung 620 416 ff - Altersgrenzen 620 165 ff - Annex 620 77 - Anschlußbeschäftigung nach Ausbildung 620 110 ff - Arbeitnehmerwunsch 620 159 - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 620 197 f - Arbeitsgericht-Anrufung 620 305 ff - Arbeitslosigkeit, drohende 620 161 - Aufenthaltserlaubnis 620 205 - und auflösend bedingte Arbeitsverträge 620 333 ff - Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung 620 201 f, 329 f - Aushilfsarbeitsverhältnisse 611 324 620 101 - Ausländische Arbeitnehmer 620 177 ff - BAT-Befristungen 620 248 ff - Bedingungen, befristete 620 45 f, 55 ff - Beendigung des Arbeitsverhältnisses Vor 62011, 269 ff - Befristungskontrolle, Rechtsentwicklung 620 4ff - Befristungskontrolle, Grundsätze 620 66 ff - B e g r i f f 620 37 ff - Benachteiligungsverbot 611a 3 - Berufswahlfreiheit 620 20 - Beschäftigungsförderungsgesetz 620 24 ff, 206 ff - Betrieblicher Bedarf, vorübergehender 620 99 ff - Betriebsverfassungsrecht 620 446 ff - Bühnenarbeitsrecht 620 295 - Bühnentechniker 620 143 - Bundeserziehungsgeldgesetz 620 438 ff - Darlegungs- und Beweislast 620 88 ff - Dauer der Befristung und Sachgrund 620 82 ff - Diskriminierungsverbot 620 48 ff - Drittmittelfinanzierung 620 195, 389 ff - Eigenart der Arbeitsleistung 620 136 ff -Entgeltdiskriminierung 620 51 ff - Fernsehproduktionen 620 138 -Forschungseinrichtungen 620 367 ff - Forschungsprojekt 620 195 - Fortsetzung nach Vertragsablauf 625 25 - Freizeitanspruch zum Aufsuchen anderer Dienststelle 629 7 - Gerichtlicher Vergleich 620 192 ff - Gesamtvertretung 620 132 ff -Gesetzesumgehung 611141 ff 620 10f - Gesetzgeberisches Programm 611 143 - Gruppenmitglieder 620 141 - Haushaltsmittel, beschränkte 620 181 ff - Haushaltsmittel für Hochschulen 620 383 - Hochschulpersonal 620 367 ff - Information der Arbeitnehmervertretung 620 331 f - Information über unbefristete Arbeitsplätze 620 324 ff

Sachregister Beruflicher Werdegang Kettenarbeitsverträge und Einzelbefristungen 620 69 ff Klage wegen Nichtbeendigung 620 305 ff Kleinbetriebe 620 68 Konjunkturelle Schwankungen 620 100 Kündigung 611 501 620 454 Kündigung nach unwirksamer Befristung 620 299» Kündigungsfristen 622 8 Kündigungsmöglichkeiten 620 275 ff Künstler 620 137 ff Leiharbeitnehmer 620 431 ff Mehrbedarf 620 101 Mittelbare Vertretungen 620 128 ff Muttersprache, fehlender Bezug 620 177 ff Nachträgliche Befristung 620 79 f Nebenbeschäftigung 620 162 f Nichtverlängerungsmitteilung 620 139 f Öffentlicher Dienst 620 107, 341 Parlamentsfraktion, Mitarbeiter 620 204 Personenbedingte Sachgründe 620 158 ff Probearbeitsverhältnis 620 153 ff 622 57 Prognose 620 103 Promotionsvorbereitung 620 415 Rechtsmißbrauch 620 287 Revisionsrecht 620 98 Rückkehrmöglichkeit, gesicherte 620 203 Rundfunk- und Fernsehanstalten 620 145 ff Sachgrundbefristungen 620 60 ff Sachgrundbefristungen, sachlicher Grund 620 81 ff Sachgrundlose Befristungen 620 206 ff Sachgrund, wegfallender 620 286 Saison- und Kampagnebetriebe 620 108 f Schauspieler 620 137 ff Soziale Situation, verbesserte 620 160 f Sozialhilfemaßnahmen 620 199 f Sporttrainer 620 150 ff und Stellenausschreibungszwang 611 377 Studenten 620 164 Tarifrecht 620 293, 377 Teilzeit- und BefristungsG 1.1.2001 611 501 Teilzeitbeschäftigung 620 162 f TzBfG 620 28 ff Überbrückungszweck 620 160 f Unterrichtung über Besetzungspläne ohne Befristung 611 377 Unwirksame Befristung 620 296 ff Verlängerungsklauseln 620 294 Vertragfreiheit und Kündigungsschutzrecht 620 4 ff Vertrauensschutz 620 288 ff Vertretung eines anderen Arbeitnehmers 620 118 ff Wirtschaftliche Entwicklung, ungeiwsse 620 99 Wissenschaftliches Personal 620 367 ff Zeitbefristung 620 39 ff Zeitpunkt für vorliegenden Sachgrund 620 86 f

- und Zeugnisanspruch 630 20 - Zusage nach Fristablauf 620 292 - Zweckbefristung, Ende 620 270 ff - Zweckbefristung 620 41 ff - Zwingende Mindestregelungen 620 356 ff Befristung einzelner Arbeitsbedingungen - und Kernbereich des Arbeitsverhältnisses 611 543 Behördenvorladung - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 25 Behördliche Anordnungen - als Betriebsstörung 615 23 Beiderseitige Pflichtverletzung - und Wegfall wechselseitiger Schadensersatzansprüche 628 31 f Beitrittsgebiet - und betrieblicher Arbeitsschutz 618 161 ff - Kündigungsfristen 622 5 f - und Kündigungsschutz 620 773 ff Belästigungen - und Nichtraucherschutz 618 144 ff Belästigungsschutz - und Gesundheitsschutz, Abgrenzung 618 21 Belehrung - Arbeitgeberpflicht betr. Gesundheitsgefahren 618 105 ff Beleidigung - und außerordentliche Kündigung 626 118 ff, 143 - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 196 Beleuchtung - und Arbeitsstätte 618 68 Benachteiligungsverbote - Arbeitgeberverpflichtung zur Beachtung 611 762 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 58 - Maßregelungsverbot s dort - Teilzeitarbeit 620 58 Bereitschaft s Arbeitsbereitschaft Bergbau - Arbeitnehmergruppe, besondere 611 355 - Sozialversicherung 611 77 Bergmannsversorgungsschein - Abschlußgebot 611 452 - Kündigungsschutz 620 764 Berichtigung - Zeugnisinhalt 630 101 ff Berufliche Bildung - und Arbeitnehmerstatus 611 214 Beruflicher Aufstieg - Entschädigung wegen Diskriminierung 611a 47 - und geschlechtsbezogene Diskriminierung 611a 17 Beruflicher Werdegang - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 402

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Sachregister Berufs- und Arbeitsmarktforschung Berufs- und Arbeitsmarktforschung - als sozialstaatliche Aufgabe 611 74 Berufsausbildung - und Ausbildungsverhältnis 611 326ff Berufsausbildungsstätte - Ausbildungsteilnehmer 611 330 Berufsausübungserlaubnis - Kündigung 620 624 Berufsausübungsfreiheit - und Abschlußverbote, zwingende Vorschriften zum Vertragsinhalt 611 457 Berufsbezeichnungen - und Arbeitspflicht 611 570 Berufserfahrung - als sachliche Rechtsfertigung 611a 26 Berufsfreiheit - und Arbeitsrecht 611 21 f, 447 - und Nebentätigkeit 611 719 - und Wettbewerbs verbot 611 686, 688 Berufsgenossenschaften - Arbeitsschutz, konkretisierter 618 7 - Öffentlich-rechtliches Betriebsschutzrecht 618 38 ff - und Sicherheitsbeauftragtenbestellung 618 138 Berufsgenossenschaften - Unfallverhütungsvorschriften s dort Berufsgenossenschaft - Unfallversicherung s dort Berufskrankheit - und arbeitsbedingte Erkrankung 618 257 - und Arbeitsunfall 618 238 Berufsunfähigkeit - und Beendigung des Arbeitsverhältnisses 620 341 ff Berufswahl - und Arbeitsplatzfreiheit 611 22 Berufszugehörigkeit - und Arbeitnehmergruppen 611 352ff Beschäftige - Begriff des ArbSchG 618 31 Beschäftigtengruppen - und Arbeitnehmerbegriff 611 175 Beschäftigtenzahl - und Kündigungsschutz 620 580 ff Beschäftigungsanspruch - des Arbeitnehmers 611 865 ff - nach Betriebsübergang 613a 138 ff Beschäftigungsart - und Zeugnisinhalt 630 33 Beschäftigungsdauer - und Zeugnisinhalt 630 32 Beschäftigungsförderung - Arbeitsrechtliches Gesetzgebungsziel 611 28 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 24 ff, 206 ff - BeschäftigungsförderungsG 611 28 - und gesetzliche Erleichterungen 611 29 - Teilzeitarbeit 611 30

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Beschäftigungsförderungsgesetz - und Kirchenmitarbeiter 6 3 0 A n h l 5 8 f Beschäftigungsmöglichkeit - Beendigung des Arbeitsvertrags bei Wegfall der - 620 351 Beschäftigungspflicht - und Suspendierung Vor 620 5 Beschäftigungsverbot - Arbeitgeberverpflichtung zur Beachtung 611 761, 768 ff - Arbeitszeitgesetz und relatives - 611 459 - Ausländer ohne Arbeitserlaubnis 611 459 - Jugendliche 611 459 - Kinder 611 459 - Sachlicher Grund für unterschiedliche Behandlung 611a 27 - Tarifvertragliches - 611 460 - Verstoß gegen gesetzliches - 611 458 Bestätigung - Ausschluß bei formunwirksamer Kündigung 623 63 Bestandsschutz - Schutz des einzelnen Arbeitnehmers 611 23 BetrAVG s Betriebliche Altersversorgung Betrieb - und Arbeitnehmeranzahl 613a 15 - und Arbeitsschutz 618 32 - Begriff, Bedeutung 611 357 f - Betriebsübergang und Betriebsbegriff 613a 15 ff - Existenzgefährung 615 21 - und Funktionsnachfolge 613a 28 - Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen 611 312 - Gemeinschaftsbetrieb 620 579 - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 126 - und Haushalt 613a 16 - Integration eines Betriebs in einen vorhandenen - 613a 63 - und Kündigungsschutz, allgemeiner 620 576 ff - und Sozialauswahl 620 679 - Stillegung und Kündigung 613a 135 - Stillegung, Schließung 613a 26 - und Teilbetrieb 613a 19 ff - und Unternehmen, Unterscheidung 611 359 - Zugehörigkeit 613a 64 - Zuordnung von Arbeitsverträgen 613a 11 Betriebgemeinschaft - als Gefahrengemeinschaft 618 231 Betriebliche Altersversorgung - Änderung, Widerruf 611 826 - Arbeitnehmerbegriff 611 172 - Arbeitsentgelt, besonderes 611 825 - Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis 611 827 - BetrAVG-Regelungen, Anwendungsbereich 611 827 - Betriebliche Übung 611 791 - und Betriebsübergang 613a 71

Sachregister Betriebsübergang - Deferred compensation 614 20 - Frauendiskriminierung 612 69 - Gleichbehandlungsgrundsatz, arbeitsrechtlicher 611 120, 793 - und Lohngleichheitssatz 612 65 ff - Rentenzugangsalter 612 67 - Teilzeit 612 68 - Vergütungsbegriff 612 66 - Witwerversorgung 612 69 Betriebliche Ordnung - Arbeitnehmer-Nebenpflicht zur Wahrung der 611 710 ff - Gegenstand der - 611 711 Betriebliche Übung -Arbeitsvergütung 611 791 f - Begriff, Inhalt 611 530 - Einstellung, Beseitigung, Änderung 611 534 - Formerrfordernisse 611 473 - Geltungsbereich, Geltungsdauer 611 534 - Jährliche Gehaltsanpassungen 611 792 - und Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses 611 529 - Öffentlicher Dienst 611 532 - Rangfolge 611 536 - Rechtsnatur 611 95 - Schriftformerfordernis 611 533 - Treu und Glauben 611 530 - Wiederholung, bloße 611 531 Betriebliche Verhältnisse - und Nichtraucherschutz 618 152 Betrieblicher Bedarf - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 99 ff Betriebsablauf - und krankheitsbedingte Kündigung 620 616 Betriebsanweisung - Arbeitsschutzanweisung, generelle 618 122 Betriebsarzt - Arbeitssicherheitsgesetz 618 127 - Einstellungsuntersuchung 611 439 - und Überprüfung der Krankschreibung 626 95 - Unfallverhütungsvorschriften 618 128 - Weisungsfreiheit 618 132 Betriebsbeauftragte - und berechtigte Nichtleistung der Arbeit 611727 - für Teilgebiete des Arbeitsschutzes 618 143 Betriebsbedingte Kündigung s Kündigungsschutzgesetz Betriebsbesetzung - als rechtswidriger Arbeitskampf 615 164 Betriebsbuße - und Kündigung 620 643 Betriebseingliederung - und Arbeitnehmerstatus 611211 Betriebsferien - und Annahmeverzug 615 126 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 101

Betriebsfrieden - Arbeitnehmer-Nebenpflicht zur Wahrung des 611 712 - und außerordentliche Kündigung 626 122 - Betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht 611 712 - Kündigung wegen Störung 620 651 - und Leistungssystem gesetzlicher Unfallversicherung 618 231 Betriebsgruppe - als Gruppenarbeitsverhältnis 611 318 Betriebsmittel - und Betriebsübergang 613a 32 ff Betriebsordnung - als konkrete Ordnung im Betrieb 611 95 Betriebsparteien - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 11 - Geschlechtsneutrale Ausschreibung 611b 6 Betriebsrisiko - und Lohnanspruch des Arbeitnehmers 615 16 ff Betriebsstillegung - und Ausschlußfrist für außerordentliche Kündigung 626 225 - und außerordentliche Kündigung 626 121 - und Betriebsübergang 613a 26,135 - und Nachteilsausgleich für kündigenden Arbeitnehmer 628 28 Betriebsstörungen - und Arbeitskampfrisiko 615 149 ff, 216 ff Betriebsübergang - Ähnlichkeit der Tätigkeit vor/nach dem - 613a 38 - Aktive, Übergang 613a 32 f - Annahmeverzug, fortgesetzter 613a 68 - Ansprüche/Verbindlichkeiten 613a 65 ff - Arbeitgeber-Vertragspartnerwechsel 613a 61 - Arbeitnehmer als Betriebsmittel 613a 34 - Arbeitnehmerabreden 613a 5 - Arbeitnehmerähnliche Personen 613a 14 - Arbeitnehmer, geschützte 613a 9 ff - Arbeitnehmerschutz 613a 3 - Arbeitnehmerzahl 613a 15 - Auffanggesellschaft 613a 26, 48 - Aufhebung des Vertrags 613a 5 - Aufrechterhaltung des Vertrags, inhaltlicher Bestand 613a 3 - Auftragsverlust 613a 23 - und beendete Arbeitsverträge 613a 12 - Beendigung des Arbeitsverhältnisses 611 505 - Belegschaft, Bedeutung 613a 34 - Beschäftigungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung 613a 138 ff - Besitzstand, geschützter 613a 62 - Betätigungsmöglichkeit, Abgrenzung 613a 29 - Betriebliche Absprachen, Regelungsabreden 613a 103 - Betriebliche Altersversorgung 613a 71

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Sachregister Betriebsübergang -

Betriebsbegriff 613a 15 ff Betriebsinhaberwille 613a 42 Betriebsinhaber/Betriebserwerber 613a 7 f Betriebsinhaberwechsel und Betriebsratsmitgliedschaft 613a 99 - Betriebsintegration 613a 63 -Betriebsteil 613a 19ff - Betriebsvereinbarungen, Ausschluß der Transformation 613a 106 ff - und Betriebs Vereinbarungen 613a 98 ff -Betriebsverfassungsrecht 6 1 3 a 9 6 f f - Betriebszugehörigkeit, erhaltene 613a 64 - Beweislastfragen 613a 145 ff - auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit 613a 27 - Eigentumswechsel 613a 42 - Einwilligung des Arbeitnehmers, nicht erforderliche 613a 60 - Einzelne Bestandteile des Betriebs 613a 21 - Erbfolge 613a 53 - Erfahrungen, Kenntnisse 613a 34 f - Erwerbereintritt in Rechte/Pflichten 613a 59 ff - Erwerbereintritt in Tarifverträge 613a 83 ff - EuGH/BAG zum Betriebsbegriff 613a 19 - Europäisches Recht 613a 1 ff - Firmentarifvertrag 613a 84 - durch Fortführung des Betriebs 613a 26 - Fortsetzungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung 613a 138 ff - Funktionsnachfolge, abzugrenzende 613a 28 - Gesamtbetriebsvereinbarung 613a 104 - Gesamtrechtsnachfolge 613a 53 -Gesamtschuldnerschaft 613a 116ff - Gesellschaftsrechtliche Zuordnungswechsel 613a 50 - Gesellschaftsvertrag 613a 48 - Gesetzlicher Übergang 613a 7 ff - Gestaltungsrechte 613a 70 - Gestaltungsrecht des ArbeitnehmerWiderspruchs 613a 74 - Gewichtung der Kriterien für einen - 613a 41 - Haftung des Erwerbers wie die des Veräußerers 613a 67 - Haftung für Verbindlichkeiten vor - 613a 116 ff - Haftungsfragen, Geltung allgemeiner Vorschriften 613a 6 - Haftungsrechtliche Folgen bei Insolvenz 613a 123 ff - Haftungssystem, zwingendes 613a 59 - Handelsrechtliche Vollmachten 613a 72 - Heimarbeiter 613a 14 - Hoheitliche Aufgaben und Betriebsübergang 613a 8 - Identitätswahrung, erforderliche 613a 19 ff - Identitätswahrung, maßgebende Kriterien 613a 30 ff - Insolvenz und EG-Recht 613a 2 - Insolvenzeröffnung und - 613a 58

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Insolvenz Verwaltertätigkeit 613a 45 Juristische Personen 613a 14 Kenntnisse der Belegschaft 613a 34 und kollektivrechtliche Regelungen 613a 81 ff kraft Gesetzes 613a 52 kraft Hoheitsaktes 613a 52 Kündigung wegen Betriebsübergangs, unwirksame 613a 127 ff Betriebsbedingte Kündigung 613a 130 ff wegen Betriebsstillegung 613a 135 wegen Betriebsübergang durch früheren Arbeitgeber 613a 148 f und Wiedereinstellungsanspruch 613a 138 ff - und Kündigungsfristen 622 51 - Kundschaft, Übernahme 613a 37 - Leitungsmacht 613a 40 - Mängel des Arbeitsvertrags 613a 10 - und Maßregelungsverbot 612 21 - Nutzungsberechtigung auf Zeit 613a 49 - Öffentlichrechtliche Pflichten 613a 67 - Organmitglieder 613a 14 - Pacht, Nießbrauch 613a 49 - Pachtverhältnis und Betriebsrückgabe 613a 25 - Personal, Wesentlichkeit als Betriebsmittel 613a 34 - Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen 613a 46 - Provisionsansprüche 613a 69 - Prozessuale Fragen 613a 147 ff - Qualifikationsgrad der Arbeitnehmer, Bedeutung 613a 36 - Rechte/Pflichten, Erwerbereintritt 613a 59 ff - Rechtsfolgen 613a 59 ff - Rechtsgeschäft 613a 47 ff - nach Rechtshängigkeit 613a 150 ff - Rechtslage, bindend festgestellte vor - 613a 147 - Ruhestandsverhältnisse 613a 13 - Stillegung, vorübergehende 613a 26 - Substanzbereich, erfaßte 613a 18 - Substratträgerzuordnungswechsel 613a 43 - Tätigkeit vor/nach dem - 613a 38 -Tarifrecht 6 1 3 a 8 1 ff - Tarifrecht, Ausschluß der Transformation 613a 106 ff -Teilbetrieb 613a 19 ff - Testamentsvollstreckung 613a 45, 56 - Treuhandschaft 613a 44 - Übergang gegen Betriebsinhaberwillen 613a 42 - Übertragung uno actu 613a 49 - Umwandlungsvorgänge 613a 50 - Unterbrechung der Geschäftstätigkeit 613a 39 - Veräußerung insgesamt 613a 17 - Verbandstarifverträge 613a 88 - Verbindlichkeiten/Ansprüche 613a 65 ff - Vermächtnis 613a 48 - Vertragliche Beziehungen Veräußerer/ Erwerber 613a 49

Sachregister Betriebsverfassungsrecht - Vertragsfreiheit und Arbeitnehmervereinbarungen 613a 5 - Vertragspartnerwechsel auf der Arbeitgeberseits 613a 61 - Vollmachten 613a 72 - Weiterführung, Wiederaufnahme 613a 25 - Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Vertragsübergang 613a 73 ff - Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung 613a 138 ff - Wirtschaftliche Betätigungen, erfaßte 613a 16 - Wirtschaftliche Einheit, gewahrte 613a 17, 19 - und Zeugnisausstellung 630 13 - Zuordnung von Arbeitsverträgen 613a 11 - Zwangsvollstreckung, Zwangsverwaltung 613a 54 f - Zwingendes Recht 613a 4 Betriebsveräußerung - und Gesetzesumgehung 611 144 Betriebsvereinbarungen - Änderung des Arbeitsvertrags 611 551 - Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 99 ff - Arbeitsschutz 618 174 - Arbeitsvergütung 611 787 ff - und Arbeitsvertragsinhalt 611 525 f - Arbeitszeitlage 611 647 - und Arbeitszeitveränderung 611 635 - Aufeinanderfolgende - 611153 - Ausschlußfristen für Arbeitsentgelt 614 47 - als autonomes Recht 611 93 - und Beschäftigungsverbot 611 460 - und Betriebsübergang 613a 101 ff - Betriebsübergang und Transformationsausschluß 613a 106 ff, 113 ff - und Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 562 - und Einheitsregelungen, vorherige 611 154 - und Einigungsstellenentscheidungen 611 93 - Gesamtbetriebsvereinbarung und Werkausgliederung 613a 104 - Gleichbehandlungsgrundsatz, Verstoß 611 134 - Günstigkeitsprinzip 611155 - Höchstarbeitsgrenzen 611 632 - Kündigungsfristen 622 124 ff - Kurzarbeit 615 132,137 - Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen 612 51 - als objektives Recht 611 93 - Rangfolge 611 536 - Sozialauswahl 620 689 - Strukturveränderungen und Entgeltminderungen 611 804 - und vertragliche Abreden 611 155 - Zeitliche Grenzen der Arbeitspflicht 633 554 Betriebsverfassungsrecht - Abschlußgebote 611 456 - Arbeiter, Angestellte 611 340 - Arbeitnehmerauswahl 611 437 - Arbeitnehmerverhalten 611 566

-

Arbeitnehmerzahl 613a 15 Arbeitsbefreiungsanspruch 611 848 Arbeitskampf und Beteiligungsrechte 615 202 und Arbeitskampfrecht 615 160 Arbeitsort 611 585 Arbeitsschutz 618 7 Arbeitsschutz und Betriebsratsbeteiligung 618 165 ff Arbeitsvertrag und Mitbestimmung 611 492 ff Arbeitszeitlage 611 647 Aussperrung von Betriebsratsmitgliedern 615 192 Auswahlrichtlinien, personelle 611 456 Auszubildender, geschützter 611 449, 490 Bedenken gegen außerordentliche Kündigung 620 557 Befristete Arbeitsverträge 620 331 f, 446 ff Berufsausbildung, Ausbildungsverhältnis 611 327 f Betriebliche Ämter und berechtigte Nichtleistung der Arbeit 611 726ff Betriebliche Amtsträger, Arbeitsfreistellung und Vergütung 611 845 ff Betriebliche Mitbestimmung 611 48 ff Betriebs- und Abteilungsversammlungen 611 847 Betriebsbegriff 611 357f Betriebsferien 615 126 ff Betriebsratstätigkeit und Zeugnisinhalt 630 46 und Betriebsübergang 613a 98 ff Betriebsveräußerung im Ganzen 613a 99 Betriebsverlegung 611 588 Betriebszusammenlegung 613a 98 Bewerbungsunterlagen 611 441 Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 566 und Druckkündigung 626 123 ff Ehrenamt 611 845 Eingruppierung, Umgruppierung 611 784 Formvorschriften 611 468 f Gesamtbetriebsrat 611 847 Günstigkeitsvergleich, kollektiver 611 152ff Jugend- und Auszubildendenvertretung 611 847 Konzernbetriebsrat 611 847 Kündigung und Betriebsratsbeteiligung s Kündigung (Mitbestimmung) Kündigung von Organen der Betriebsverfassung 620 455 626 238 Kündigungsgründe, nachgeschobene 626 245 Kündigungsschutz bei Massenentlassungen 620 744 ff Kündigungsschutz für Organe der Betriebsverfassung 620 767 f Kündigung, Umdeutung außerordentlicher 626 260 Kurzarbeit 615 131 Leiharbeiternehmer-Stellung 611 303 Lohnausfallprinzip 611 846 Lohngestaltung 611 767

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Sachregister Betriebsverlegung - Mandatsträger-Pflichtverletzungen 626 135 ff - und Maßregelungsverbot 612 5 - Mehrarbeit, Überstunden 611 640 - Meinungsfreiheit und Betriebsfrieden 611 712 - und Nichtraucherschutz 618 144 ff - Ordnung des Betriebs 611 566 - Parteipolitische Betätigung, Verbot 626 141 ff -Personalfragebögen 611 431 ff - Provisionsregelung 611 778 - Schulungsmaßnahmen 611 849 - Schulungsteilnahme 611 845 - und Sicherheitsbeauftragtenbestellung 618 137 ff - Stellenausschreibung 611 374, 379 - Teilbetriebsübergang 613a 98 - Teilzeitbeschäftigtes BR-Mitglied 611 845 - und Übertragung höherwertiger Tätigkeit 612 26 - Versetzung 626 46 - Widerspruch gegen ordentliche Arbeitnehmerkündigung 620 554 ff - Wiedereinstellungsgebote 611 456 - Zustimmungsverweigerungsrecht 611 460 Betriebsverlegung - und Arbeitsort 611 587 Betriebsversammlungen - Arbeitnehmerteilnahme 611 847 - und Streik 615 183 Beurteilungen - während des Arbeitsverhältnisses 630 81 ff Beurteilungsspielraum - und Zeugnisinhalt 630 64 ff Bewährungsaufstieg - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 612 70 Beweislast - Angebot der Arbeitsleistung 615 68 f - Befristungskontrolle 620 88 ff - Benachteiligung wegen des Geschlechts 611a 28 ff - Betriebsgröße 620 585 - Betriebsübergang 613a 145 f - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 135 ff 616 95 - Fürsorgepflichtverletzung (Arbeitsschutz) 618 212ff - Geschlechtsspezifische Benachteiligung 612 78 - Haftung des Arbeitnehmers 619a 1 ff - Krankheit und Gesundheitsprognose 620 614 - Kündigung, außerordentliche und Wahrung der Ausschlußfrist 626 270 - Kündigungszugang 620 480 f - Lohnersatzanspruch als Auflösungsschaden 628 62 - Mankovereinbarungen 611 756 - und Maßregelungsverbot 612 23 - Nachweisgesetz, verletztes 611 484 - und Nichtraucherschutz 618 148

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- Sozialauswahl 620 687 f - Übliche Vergütung 612 39 - Vergütungsanspruch 612 29 - Zeugnisanspruch 630 122 Bewerbung - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 404 - Bewerbungsunterlagen 611 440 f - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 6 - Schwangerschaft und Geschlechtsdiskriminierung 611 139 - Stellenausschreibung s dort - Vorstellungskosten 611 442 Bezugnahme auf Tarifvertrag - Kündigungsfristen und - 622 126 ff BGB-Gesellschaft - als Arbeitgeber 611 311 Bildberichterstatter - und Arbeitnehmerbegriff 611 209 - Arbeitnehmereigenschaft 611 272 - Arbeitnehmerstatus 611 204 Bildschirmarbeit - und ArbeitsstättenVO 618 66 - Europäisches Recht 618 187 - Teilzeitarbeit 611 670 Bildungsurlaub - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 105 - Landesrecht 611 87 - Rechtsgrundlage, Arbeitsentgelt 611 840 Billiges Ermessen - Direktionsrecht des Arbeitgebers 611563 Bindung - Zeugniserteilung 630 106 ff Bindungsklauseln - im Arbeitsvertrag 611 880 Binnenschiffahrt - Fälligkeit der Vergütung 614 12 Biologische Arbeitsstoffe - Europäisches Arbeitsschutzrecht 618 187 Biotechnologie - und Arbeitsschutzrecht 618 90 ff Böswillig unterlassener Erwerb - bei Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 90 ff Boykott - als Arbeitskampfmittel 615 195 ff Bühnenrecht - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 139 Bühnentechniker - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 143 Bürgerliches Gesetzbuch - und Arbeitnehmerbegriff 611 171 ff - und Arbeitsvertragsrecht 611 105 611 9 Bundes-Immissionsschutzgesetz - und technische Arbeitsmittel 618 88 Bundesanstalt für Arbeit - und Arbeitgeber im Falle seines Annahmeverzugs 615 110 ff

Sachregister Dienstvertragsrecht Bundesarbeitsgericht - Arbeitnehmerbegriff 611 192 Bundeserziehungsgeldgesetz - s Erziehungsurlaub Bundesfinanzhof - Arbeitnehmerbegriff 611 189 f Bundesgerichtshof - Arbeitnehmerbegriff 611 187 Bundesrecht - Arbeitsrecht 611 86 Bundessozialgericht - Arbeitnehmerbegriff 611 188 Bundesverfassungsgericht - Arbeitnehmerbegriff 611 184 ff Bundesverwaltungsgericht - Arbeitnehmerbegriff 611 191 Bundeswehr - als Betrieb 611 358 CE-Zeichen 618 77 Cessio legis - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 209 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Sozialleistungsträger) 616 227 ff Chefärzte - und Arbeitnehmerstatus 611 210, 268 - Liquidationsberechtigung, Liquidationspool 611 770 Chemikaliengesetz - als Arbeitsschutzrecht 618 94 Chemische Stoffe - Europäisches Arbeitsschutzrecht 618 187 Chor - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 141 Codes - und Zeugnisinhalt 630 68 Computer-Heimarbeit - Begriff, Bedeutung 611 290 Croupiers - Arbeitsentgelt 611 770 Culpa in contrahendo s Vorvertragliches Schuldverhältnis Darlegungslast - Kündigungsform, Auflösungsform 623 77 Darlehen - und vorfällige Zahlungen, Abgrenzung 614 24 Datenschutz - und Unterrichtung des Betriebsrats 620 535 Dauer - des Arbeitsverhältnisses 611 322 Dauerndes Dienstverhältnis - Freizeitanspruch zum Aufsuchen anderen Dienstverhältnisses 629 1 ff - Zeugnisanspruch 630 8 DDR - Arbeitnehmerbegriff 611 226

Deferred compensation - Entgeltvereinbarung 614 20 Deklaratorische Regelungen - im Tarifrecht 622 80 ff Deputate - als Arbeitsentgelt 611 773 Deutlichkeitsgebot - Kündigungserklärung 626 211 f Dienstantritt - und Kündigungsmöglichkeit 622 73 ff Dienste s Leistungspflicht Dienstentlassung - und außerordentliche Kündigung 626 13 f Dienstgemeinschaft - Kirchliche - 630 Anh 48 ff Dienstherrenfähigkeit - von Kirchen 630 Anh 28 Dienstkleidung - Zuverfügungstellung 611 775 Dienstordnungs- Angestellte - und Beamte, Abgrenzung 611 233 - Dienstentlassung 626 13 f - Form des Arbeitsvertrags 611 470 Dienstpläne - Aufstellung 611 647 Dienstverhältnis - und Dienstvertrag 611 7 - Freies Dienstverhältnis/Arbeitsverhältnis 611 8 Dienstversprechen - des Arbeitnehmers s Leistungsverpflichtung Dienstvertragsrecht - Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe 611 294 - und Arbeitsrecht 611 9 ff - Arbeitsschutz 619 2 - Arbeitsverhältnisse, anwendbares - 611 12 - und Beendigung des Dienstverhältnisses 623 4 - Dienstvertrag/Arbeitsvertrag Typologischer Zusammenhang 611 1 ff - Dienstvertrag/Arbeitsvertrag Unterscheidung 611 6 ff - Dienstvertrag/Dienstverhältnis 611 7 - Dienstvertrag, Werkvertrag, Oberbegriff Arbeitsvertrag 611 5 - Fälligkeit der Vergütung 614 1 ff - Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach Ablauf der Dienstzeit 625 1 ff - Freies Dienstverhältnis/Arbeitsverhältnis 611 8 - Freizeitanspruch zum Aufsuchen anderen Dienstverhältnisses 629 1 ff - und Gesellschaftsrecht 611 245 ff - und kirchliches Selbstbestimmungsrecht 630 Anh 23 - Krankenfursorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 12 - Kündigung bei übermäßig langer Bindung 624 Iff

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Sachregister Dienstwagen - Persönliche Dienstleistungspflicht 613 1 ff - Rechtypusverfehlung 612 10 - Römisches Recht 611 3 ff Dienstwagen - und Arbeitsentgelt 611 774 Direktionsrecht - und Arbeitnehmer-Erkrankung 620 617 - und Arbeitnehmerbegriff 611 201 ff - und Arbeitsplatzumsetzung 620 675 - Arbeitsschutzbezogene Weisungen 618 104 - Arbeitszeitlage 611 647 - und Arbeitszeitveränderung 611 634 - und Beschäftigungsanspruch 611 866 - Billiges Ermessen 611 563 - Einschränkung 611 562 - Ermessensgrenzen 611 565 - und geschlechtsbezogene Diskriminierung 611a 18 - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 123 - und Leistungsverpflichtung 611 557 - und Maßregelungsverbot 612 25 - Mehrarbeit 611 637 - und Mitbestimmung 611 566 - Nichtbefolgung von Weisungen 611 567 - Örtliche Weisungsgebundenheit 611 208 ff - und Rückspracheverlangen 626 146 - Schranken 611 564 - Zeitliche Weisungen 611 201 ff Diskriminierungsverbote - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 401 - Arbeitgeberverpflichtung zur Beachtung 611 762 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 48 ff - und Gleichberechtigung von Mann und Frau, Konkurrenzen 611a 3 - und Stellenausschreibung 611 384 - und Teilzeitarbeit 611669 620 48 ff - Vergütungsvereinbarungen 612 22 ff Dritter, Dritte - Arbeitnehmereingliederung bei - 613 9 - Arbeitsentgelt bei Leistungen - 611770 - Arbeitspflicht und Erfüllung durch - 611 558 - Arbeitsunfall und Regreßansprüche 618251,254 - Arbeitsvertragliche Beziehungen bei Beteiligung - 611 293 ff - Auskunft über Arbeitnehmer 630 91 - Haftung für Zeugniserteilung gegenüber - 630 117ff - Leistungspflicht, übertragene 613 7f Drittmittelfinanzierung - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 195 f 620 389 ff Drittmittelverträge - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 424 ff Drogenmißbrauch - und Zeugnisinhalt 630 47 Drogensucht - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 91

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Druckbehälter-Inverkehrbringen - GSG-Ergänzung 618 84 Druckkündigung - AIDS-Erkrankung 626 81 E-Mail - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 620 485 623 10 Eheschließung - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 197 Ehrenamt - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 31 ff - und Kündigungsschutz 620 625 626 103 Ehrlichkeit - und Zeugnisinhalt 630 48 Eigengruppe - als Gruppenarbeitsverhältnis 611 319 Eigentum - und Arbeitsschutz 618 5 Eigentumswechsel - und Betriebsübergang 613a 42 Eignung - und außerordentliche Kündigung 626 126 Eingliederung - Beendigungserklärung 623 34 - und Kündigungsschutz 620 570, 580 Eingruppierung - Tarifrecht und Arbeitsentgelt 611 780 ff, 810 - und Zeugnisinhalt 630 33 Einigungsstellenentscheidungen - und Betriebsvereinbarungen 611 93 Einigungsvertrag - Arbeitsvertragsrecht, Neuregelungskonzept 611 106 - Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie 611 41 Einmalzahlungen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 192 - als Vergütung 614 30 Einsatzklauseln - Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers 611 538 Einschreiben - Kündigung 622 63 - Kündigungserklärung 620 474, 478 Einseitige Leistungsbestimmung - durch den Arbeitgeber s Leistungsbestimmung Einstellung - Benachteiligung wegen des Geschlechts 611a 39 Einstweilige Verfügung - gegen Weiterbeschäftigungsverpflichtung 620 565 ff Eisen- und Stahlindustrie - Arbeitszeit 611 602 Elternzeit - Anspruch, Entgelt 611 841

Sachregister Entgelt - und Kündigungsschutz 620 756 ff - und Teilzeitarbeit 611 664 Empfangsbote - Kündigungserklärung 620 473 Entgelt - und Abfindung 611 769 -Abrechnung 611 861 ff - Abrechnungsperioden 614 2 - Abrechnungsvereinbarungen 614 15 ff - Abrede, fehlende 612 8 ff - Abschlagszahlung 614 25 - Absenkungen, Strukturveränderungen 611 800 ff - Abtretung 614 29 - Änderung der Entgeltregelung 611 795 ff - Akkordlohn 611 812 614 2 616 184 628 8 - Annahmeverzug des Arbeitgebers s Verzug (Annahmeverzug des Arbeitgebers) - Anspruch auf - 611 776 - Anwesenheitsprämie 611 766 616 187 - Arbeiter 611 767 - Arbeitgeber-Fragerecht zum bisherigen - 611 424 - Arbeitgeber-Hauptpflicht 611 758 - Arbeitgebersäumnis 614 31 ff - Arbeitskampf und Lohnverweigerungsrecht 615 227 - Arbeitsschutzmittel 611 775 - Arbeitsverhinderung s Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung - Arbeitsvertrag, wirksamer/unwirksamer 612 3 ff - und Arbeitszeit 611 608 - Arten des Arbeitsentgelts 611 771 ff - Auflösungsschaden des Arbeitnehmers 628 47 ff - und Aufwendungsersatz 611 769 - Ausbildungsvergütung 614 13 - Auslösungen 616 193 - Ausschlußfristen 614 44 ff - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 200 - Außerordentliche Kündigung 628 5 ff - und Aussperrung 615 172 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 51 ff - Begriff des Arbeitsentgelts 611 763 ff - Begriffverwendung, uneinheitliche 611 765 -Bemessung 611 805ff 616 177ff - Betriebliche Altersversorgung 611 793, 825 ff 612 65 - Betriebliche Übung 611 791 f - Betriebstreue 611 766 - Betriebsübergang und Erwerberhaftung 613a 65 ff, 116 ff - Betriebsvereinbarungen 611 787 ff - Bewertung der Arbeit 612 56 ff - Bildungsurlaub 611 840 - Binnenschiffahrt 614 12 - Bruttovergütung 611 862 616 182 - Deferred compensation 614 20

-

Deputate 611 773 Dienstkleidung 611 775 Dienstwagenüberlassung 611 774 Drittleistungen 611 770 Eingruppierungsfragen 611 780 ff, 810 Einmalzahlungen 614 30 616 192 Entgeltlichkeit/Unentgeltlichkeit 612 11 Erhöhungen 611 796 ff Europarechtlicher Entgeltbegriff 611 768 Fälligkeit 614 1 ff Fälligkeitsvereinbarungen 614 15 ff Faktisches Arbeitsverhältnis 612 5 Fehlende Vereinbarung 612 3 ff Fehlgeschlagene Erwartung einer Vergütung 612 27 - Festes, variables - 611 777 f - Flexible Arbeitszeit 614 17 ff - Fortzahlung entgangener Vergütung als Auflösungsschaden 628 54 ff - Freistellungen, bezahlte 612 64 - Freiwillige Leistungen 611 779, 793, 828 - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 15 ff - Gehalt 611 808 - Geschlechtsdiskriminierende Entlohnung, Verbot 612 40 ff - Geschlechtsspezifische Lohnabschlagsklauseln 612 62 - Gesetzliche Grundlagen 611 794 - Gesetzwidrige Vergütungsvereinbarung 612 21 ff - Gewerbetreibende 614 10 - Gewissenskonflikte 611 565 - Gleichbehandlungs- und Gleichberechtigungsregelungen 611 121, 793 - Gleiche und gleichwertige Arbeit 612 52 ff - Gleichheitsgebote, Diskriminierungstatbestände 612 22 - Handlungsgehilfen 614 6 ff - H ö h e 612 31 ff - Höherwertige Tätigkeit als geschuldete 612 16 ff - Höherwertige Tätigkeit, dauernde Übertragung 612 26 - Interessefortfall für empfangene Leistung 62812 - Kündigung, außerordentliche 628 5 ff - Lebensarbeitszeitkonten 614 21 - Leistungsabhängige Vergütung 614 22 - Leistungsbestimmungsrecht 612 38 -Leistungslohn 611 578,811 ff 614 2 615 74 616 184 - Leistungslohn, Leistungszulagen 611 814 - Leistungsverhinderung des Arbeitnehmers s Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung - Lohn 611 809 -Lohnausfallprinzip 615 70 ff 616 177,244 - Lohnbegriff 611 767 - Lohnsteuerabzug 630 144 - Lohnwucher 611 497 612 23 f - Mann und Frau-Lohngleichheit 611 793

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Sachregister Entgeltfortzahlung als Auflösungsschaden -

Mehrarbeit 611 785 612 14 615 76 Mehrleistungen 612 13 Mitbestimmung 611 767, 810 Nachträgliche Entlohnung 612 12 Naturalvergütung 611 772 615 78 Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 729 ff Pfändung, Verpfändung 614 29 Prämienlohn 611 813 614 2 Provision 611 778, 815 615 75 616 186 628 8 - Pünktlichkeitsprämien 616 187 -Rechtsgrundlagen 611 776ff - Rechtstypusverfehlung 612 10 - Reisekosten 616 193 - Reisezeiten 612 15 - Rückzahlungspflicht nach ao Kündigung 628 13 ff - Sabbatical-Regelungen 614 21 - Sachbezüge 611 773 616 188 - Schlechtleistung und Minderung des - 611 741 f - Schlechtwetter 616 191 - Schutzrechtsfähige Ergebnisse 612 20 - Seeleute 614 11 - Spesen 616 193 - Streik 615 177 ff - Stundenlohn 616 180 - Tarifvertragliches Entgelt 611 780 ff 612 36 - Taxmäßige Vergütung 612 33 - Teilvergütung nach außerordentlicher Kündigung 628 5 ff -Teilzeitarbeit 611671 620 51 ff - Trinkgeld 611 770 - Trinkgelder 616 189 - Überstunden 612 14 - Übliche Vergütung 612 34 ff - Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 615 8 ff - Untertarifliche Belastung 612 25 - Urlaubsentgelt 614 14 - Verbot geschlechtsdiskriminierender Entlohnung 612 40 ff - Vergütung, Entgelt 611 764 -Verjährung 611863 614 36 ff - Vermögenswirksame Leistungen 616 190 - Verwirkung 628 26 - Verzug des Arbeitgebers mit der Arbeitsanahme s Verzug (Annahmeverzug des Arbeitgebers) - Verzug des Arbeitgebers 614 31 ff - Vorfällige Zahlungen 614 23 f - Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers 614 4 - Vorschußzahlung 614 26 f - Wegezeiten 612 15 -Zahlung 611 861 ff 616 177ff - Zahlungsart 611 771 - Zeitbezogenes - 611 806 ff - Zeitversetzte Vergütung 614 21 -Zulagen 6 1 1 8 2 0 f f 612 63 616 183 -Zuschläge 611 816ff 616 183

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Entgeltfortzahlung als Auflösungsschaden - Arbeitslosmeldung, unterbliebene 628 52 - Endlosschaden 628 49 - wegen Kündigung des Arbeitnehmers 628 47 ff - Unterlassen anderweitigen Erwerbs 628 51 - Verjährung, Pfändung, Insolvenz 628 55 Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung - Abdingbares Recht 616 53 ff - Anzeigepflicht des Arbeitnehmers 616 47 - Arbeitsverhinderung 616 8 ff -Arztbesuche 616 26 ff - Behördenvorladung 616 25 - Berufsausbildung 616 42 - Berufsschule 616 43 - Dauer der Verhinderung 616 17 f - Demonstrationsrecht 616 35 - EFZG-Fälle, abzugrenzende 616 3 -Ehrenamt 616 3 I f f -Entgeltfortzahlung 6 1 6 4 8 f f - Faktisches Arbeitsverhältnis 616 8 - Familiäre Ereignisse 616 22 ff - Feuerwehrleute 616 36 f - oder Freistellung, unbezahlte 616 11 - Gleitzeitarbeit 616 14 - Katastrophenschutzhelfer 616 38 - Kausalität 616 12 - Krankheit, Kur 616 20 - Objektive Leistungshindernisse, abzugrenzende 616 11 - Persönliche Arbeitnehmerverhältnisse 611 854 616 10 - Private Lebensführung, abzugrenzende 616 11 - Rechtliche Unmöglichkeit 616 9 - Rote-Kreuz-Helfer 616 39 f - Schwangerschaft 616 28 - Staatsbürgerliche Pflichten 616 34 - Tarifrecht 616 7 - Tatsächliche Unmöglichkeit 616 9 - Todesfälle 616 23 - Unglücksfälle 616 21 - Unmöglichkeit, vom Arbeitnehmer verschuldete 616 4 - Untersuchungshaft 616 44 - Unvermeidbarkeit 616 9 - Verschulden, fehlendes 616 15 f - Wegerisiko 616 45 f - Zivilschutzhelfer 616 41 Entgeltfortzahlung für betriebliche Amtsträger - Lohnausfallprinzip 611 844 ff Entgeltfortzahlung an Feiertagen - Entgeltfortzahlungsgesetz 616 234 - Fernbleiben, unentschuldigtes 616 238 - Gesetzliche Feiertage 616 235 - Kausalität des Arbeitszeitausfalls 616 240 ff - Krankheit, Kur, Urlaub 616 241 ff - Lohn 616 244 ff Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Abdingbares Recht 616 203 ff

Sachregister Erbfolge Ärztliche Anordnungen, nicht beachtete 616 94 Ärztliche Behandlungen 616 64 AIDS 616 92 Akkord 616 184 Alkoholsucht 616 91 Annahmeverzug 616 117 Anspruchszeitraum 616 145 ff Anwesenheits- und Pünktlichkeitsprämien 616 187 Anzeige- und Nachweispflichten 616 121 ff Arbeiter, Angestellte 611 340 Arbeitserlaubnis, fehlende 616 113 Arbeitskampf 616 114 Arbeitsstelle, nicht zu erreichende 616 64 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 616 136 Arbeitsunfähigkeit 616 63 ff Arbeitsunfall 616 89 Arbeitswilligkeit 616 119 und Arbeitszeitlage 611 645 Aufwandsentschädigungen 616 193 Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen 616 218 ff Auslandserkrankung 616 133 Auslösungen 616 193 Beginn, Beendigung 616 145 ff Beschäftigungsverbote 616 67, 112 Beweislast 616 95, 135 ff Cessio legis 616 209 ff Cessio legis (Sozialleistungsträger) 616 227 ff Dauer 616 149 ff Einmalzahlungen 616 192 Entgeltfortzahlungsgesetz 616 57 ff Erneute Erkrankungen 616 164 ff Feiertage 616 110 Fortsetzungserkrankung 616 167 ff Fortzahlung 616 140 ff Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 612 71 Heimarbeiter 616 200 ff Heimwerker 616 85 Höhe der Entgeltfortzahlung 616 177 ff Kleinbetriebe 616 217 und Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 1 ff und Krankengeld 616 225 ff Krankheit 616 61 f Krankheit und Arbeitsunfähigkeit 616 63 ff Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (Kausalität) 616 97 ff Krankheit als unverschuldetes Unglück 616 57, 80 ff und krankheitsbedingte Kündigung 620 616 Kündigung (Anlaßkündigung) 616 153 ff Kündigung wegen verletzter Anzeigepflicht 616 131 Kur, Schonzeit 616 69 ff Kurzarbeit 616 108 Leistungslohn 616 184

- Lohnausfallprinzip 616 177 - Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit 616 121 ff - Nacharbeit, vereinbarte 616 118 - Nebentätigkeit 616 84 - Operation 616 64 - Organspende 616 66 - Provision 616 186 - Reisekosten 616 193 - Sachbezüge 616 188 - Schadensersatzansprüche, Übergang 616 209 ff - Schlechtwetter 616 109, 191 - Schönheitsoperation 616 65 - Schwangerschaft 616 111, 112, 195 - Schwangerschaftsabbruch 616 58, 68, 204 - Schwarzarbeit 616 86 -Seeleute 616 196ff - Selbstmordversuch 616 93 - Sicherheitsgurt, Schutzhelm 616 88 - Sozialleistungsträger 616 225 ff - Sozialversicherungsausweis 616 134 - Spesen 616 193 - Sport und Freizeit 616 83 - Sterilisation 616 58, 68, 204 - Suchterkrankungen 616 91 - Tätliche Auseinandersetzungen 616 90 - Teilarbeitsunfähigkeit 616 76 ff - Trinkgelder 616 189 - U r l a u b 616 99 ff - Verbotene Nebentätigkeit 616 86 - Verkehrsunfall 616 87 - Verletzung der Anzeigepflicht 616 131 ff - Vermögenswirksame Leistungen 616 190 -Verschuldensfrage 616 80 ff - Verschuldensfrage (Arbeitgeber) 616 96 - Verschuldensfrage (Fortsetzungserkrankungen) 616 176 - Verzicht des Arbeitnehmers 616 206 ff - Vorarbeit 616 118 - Wartezeit 616 143 f - Weitere Erkrankungen 616 164 ff - Wiedereingliederung auf Schonarbeitsplatz 616 79 - Zuschläge, Zulagen 616 183 Entgeltfortzahlung im Mutterschaftsfall - Mutterschutzlohn 611 855 ff Entgeltfortzahlung im Urlaubsfall - Arbeitsfreistellung, bezahlte 611 844 ff - Sonderurlaub 611 842 f - Urlaub und Entgeltfortzahlung 611 830 ff Entschädigung - Benachteiligung wegen des Geschlechts 611a 36 ff Entsendegesetz - Arbeitnehmer - 611 45 Entwicklungshelfer - Öffentlich-rechtliche Grundlage 611 235 Erbfolge - und Betriebsübergang 613a 53

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Sachregister Erforderlichkeit Erforderlichkeit - einer betriebsbedingten Kündigung 620 665 ff Erfüllungsanspruch - auf vereinbarte Vergütung bei Annahmeverzug 615 2 Erfüllungsgehilfe - Arbeitnehmer 611 294 Erfüllungsort s Leistungsort Erhaltungsarbeiten - während eines Arbeitskampfs 615 199 ff Erlaubnisvorbehalt - und Beendigung des Arbeitsverhältnisses 620 350 Ermessensgrenzen - Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 565 Erschwerniszulagen 611 822 Erste Hilfe - Organisation 618 140 Erwerbsminderung - und Beendigung des Arbeitsverhältnisses 620 341 ff Erwerbsunfähigkeit - und Beendigung des Arbeitsverhältnisses 620 347 ff Erziehungsurlaub s a Elternzeit - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 438 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 107, 147 - Kündigungsfristen 622 27 - und Zeugnisinhalt 630 58 Europäische Sozialcharta - und Arbeitskampfrecht 615 155 Europäische Sozialpartner - Rahmenvereinbarung 620 35 Europäische Union - Vertragsgrundlagen 611 99 Europäischer Gerichtshof - Arbeitnehmerbegriff 611 183 - Arbeitszeitbegriff 611 607 - Betriebsbegriff 613a 19 - Europäisches Recht/nationales Recht 611 102 - Verbot mittelbarer Geschlechtsdiskriminierung 611 136 - Vorlage zur Vorabentscheidung 611101 - zum Betriebsübergang 613a 41 - zum LandesgleichstellungsG des Landes Bremen 611 453 Europäisches Recht - Altersversorgung als Vergütung 612 66 - und Arbeitnehmerbegriff 611 177 - Arbeitsentgelt 611 768 - Arbeitsschutz 618 30, 185 ff - Arbeitsschutz (Einzelrichtlinien) 618 187 ff - Arbeitsschutzrecht, Harmonisierung 618 190 - Auslegung, Anwendungsvorrang 611 102 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 28 - Betriebsübergang 613a 1 ff, 141

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- Betriebsübergang und hoheitliche Augaben 613a 8 - EGV-Arbeitsrecht 611 101 - Entlassungsbegriff 611a 19 - EUV (Maastricht, Amsterdam) 611 82 - EWG-Vertrag/EEA 611 81 - Freizügigkeit der Arbeitnehmer 611 101 - Freizügigkeit und Stellenausschreibung 611383 - Geschlechtsspezifische Förderung 611a 23 - Gleichberechtigung von Mann und Frau 611 I f 611b l f - Kirchenarbeitsrecht 630 Anh 3 - Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Beweiskraft von Bescheinigungen 611101 - Lohngleichheit für Mann und Frau 611 101, 135 612 46 f - NachweisRL 611 484 - und nationales Arbeitsrecht 611 80 - Politische Zielsetzungen 611 81 - Rangfolge 611 536 - Rechtsnormen, Rangfragen 611 100 ff - Regelungen 611 80 - Richtlinienrecht 611 100 - Verordnungen 611 100 - Vorabentscheidungsverfahren 611103 Evangelische Kirchen s Kirchenarbeitsrecht ExplosionsschutzVO - GSG-Ergänzung 618 84 Fachkräfte für Arbeitssicherheit - aufgrund Arbeitssicherheitsgesetzes 618 127 ff Fälligkeit - Arbeitsbescheinigung 630 140 - der Vergütung (Dienst- und Arbeitsverhältnisse) 614 1 ff - Zeugnisausstellung 630 14 f Fahrerlaubnis - und außerordentliche Kündigung 626 127 - Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 615 45 Fahrlässigkeit - und Arbeitnehmerhaftung 611 748 ff Fahrpersonal - Arbeitszeit 611 598 Fahruntüchtigkeit - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 87 Faksimile-Unterschrift - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 10 Faktisches Arbeitsverhältnis - und Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 32 - Beendigung 615 59 - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 8 - Forfreie Kündigung 623 39 - Krankenfürsorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 12 - Lossagung 626 20 - und sittenwidriger Arbeitsvertrag 611 443

Sachregister Fragerecht des Arbeitgebers - und unwirksamer Arbeitsvertrag 611 443 - Vergütung 612 5 - und Zeugnisanspruch 630 10 Familienrecht - und Arbeitsrecht 611 252 ff Familiäre Ereignisse - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 22 Familienangehöriger - Begriff 611 284 Familienstand - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 409 Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis - Forfreie Kündigung 623 39 Fehlgeldentschädigung - des Arbeitnehmers 611 754 ff Feiertage - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 110 - Entgeltfortzahlung 616 234 ff Fernsehansager - Arbeitnehmereigenschaft 611 271 Fernsehanstalten - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 145 ff Fernsehmitarbeiter - Arbeitnehmereigenschaft 611 271 - und Arbeitnehmerstatus 611 210 f Fernsehproduktionsgesellschaften - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 138 Feuerwehrleute - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 36 f Fiktion - Arbeitsverhältnis kraft - 611485 - Verlängerung des Vertrags nach Fortsetzung mit Dienstzeitablauf 625 1 ff Fischereifahrzeuge - Europäisches Arbeitsschutzrecht 618 187 Flexibilisierung - der Arbeitszeit 611 650 Flexibilität - Arbeiter und Angestellte, tarifvertragliche Differenzierung 622 102 ff Förderung der Beschäftigung s Beschäftigungsförderung Form - Anzeige des Massenentlassung 620 749 - Befristeter Arbeitsvertrag 620 252 ff - Befristetes Arbeitsverhältnis, Ende der Zweckbefristung 620 270 ff - Betriebliche Übung 611 533 - Deklaratorische Formerfordernisse 611 474 - Dienstordnungsangestellte, erforderliche - 611 470 - Einzel vertragliches Formerfordernis 611 473 - Formfreiheit, grundsätzliche für den Arbeitsvertrag 611 467 - Gemeindeverpflichtungen, Landkreisverpflichtungen 611470

- Kündigung, Auflösungsvertrag 623 1 ff -Kündigungserklärung 620 484 ff - Nachweisgesetz (Formanspruch) 611 475 ff - Tarifrecht, Betriebsverfassungsrechtliche Formvorschriften 611 468 f - Unterwerfungsvereinbarung (Kündigungsfristen) 622 128 ff - Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 611 471 -Wettbewerbsverbot 611 692ff - Widerspruch gegen Weiterbeschäftigung nach Vertragsablauf 625 23 -Zeugnis 630 11 ff Forschungseinrichtungen - Befristete Arbeitsverträge 620 367 ff Fort- und Weiterbildung - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 201 - Rückzahlungsklauseln 611 882 Fortbildungsmaßnahmen - und betriebsbedingte Kündigung 620 668 Fortsetzung des Arbeitsvertrags - über Vertragsende hinaus als Verlängerung auf unbestimmte Zeit 625 1 ff - Verweigerungserklärung trotz Obsiegens im Rechtsstreit 623 35 - Wegfall eines Kündigungsgrundes 620 601 ff - Zeitablauf, Zweckerreichung befristeten Vertrags 620 281 Fortsetzungserkrankung - und Entgeltfortzahlung 616 167 ff Frachtführer - und Arbeitnehmerbegriff 611 164 Fragebögen -Personalfragebögen 611 431 ff Fragerecht des Arbeitgebers - AIDS-Erkrankung 611 406 - und Anfechtbarkeit des Vertrags 611 399 - Ausbildung, beruflicher Werdegang 611 402 f - Bewerbungsanlaß 611 404 - Diskriminierungsverbote 611 396, 401 - EG-Freizügigkeit 611 401 - und Eignungsbeurteilung 611 393 - Erkrankungen, Gesundheitszustand 611 405 ff - Familienstand 611 409 - Fremdsprachenkenntnisse 611 410 - Genetik 611 407 - Gewerkschaftszugehörigkeit 611 411 - Informationsinteresse, legitimes 611 394 - Interessebedingtes - 611 400 - Methoden der Befragung 611 430 - Parteizugehörigkeit 611 413 -Personalfragebögen 611 431 ff - Pfändungen, Lohn- und Gehaltsabtretungen 611 412 - Religionszugehörigkeit 611 414 - Schutzwürdige Arbeitnehmerbelange 611 394 - Schwangerschaft 611 415 - Schwangerschaftserwartung 611 416 - Schwerbehinderteneigenschaft 611 399

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Sachregister Franchise -Schwerbehinderung 611 417ff - und Sicherheitsüberprüfung 611 421 f - Unzulässige Frage 611 397 - Verfügbarkeit des Bewerbers 611 423 - Vergütung, bisherige 611 424 - Vermögensverhältnisse 611 425 - Vorstrafen 611 426 - Wehr- und Ersatzdienst 611 428 - Wettbewerbsverbot, bestehendes 611429 - zur Person 611 401 Franchise - und Arbeitnehmerfrage 611 256 Frauendiskriminierung s a Gleichbehandlung von Mann und Frau - Betriebliche Altersversorgung 612 69 Frauenförderung - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 7 - und Stellenausschreibung 611 382 - und Teilzeitarbeit 611 666 - Vorrangregelung für Frauen als Abschlußgebot 611453 Freier Mitarbeiter - und Arbeitsverhältnis 611 197, 257 -Einzelfälle 6 1 1 2 6 6 « - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 7 - Grad persönlicher Abhängigkeit 611 265 ff - Kündigungsfristen bei vorangehender Tätigkeit a l s - 622 50 - Rechttypusverfehlung 612 10 - Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 611 689 Freischichtenmodell - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 118 - und Erholungsurlaub 611 834 Freistellung von der Arbeit - und Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 118 ff - Arbeitsverhinderung und Anspruch auf unbezahlte - 616 55 - Betriebsratszugehörigkeit 611 848 ff - B e z a h l t e - 611 844ff - und Lohngleichheitssatz 612 63 f - Tarifrecht und bezahlte - 611 854 Freiwillige Leistungen - Bemessung 611 828 - Betriebliche Übung 611 791, 828 - Gleichbehandlungsgrundsatz, arbeitsrechtlicher 611 120, 793 - Vorbehalte 611 779 -Zulagen 611 820 ff Freiwilliges soziales Jahr - Öffentlich-rechtliche Grundlage 611 236 Freiwilligkeitsvorbehalt - als Gestaltungsvorbehalt des Arbeitsgebers 611 539 Freizeitanspruch - Aufsuchen anderen Dienstverhältnisses 629 1 ff

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Freizeitgeschehen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 83 Fremde Hilfskraft - Begriff 611 284 Fremdsprachenkenntnisse - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 410 Friedenspflicht - und Arbeitskampf 615 167 Frist - Kündigungsfristen s dort -Kündigungsschutzklage 620 704 ff - Widerspruch gegen Weiterbeschäftigung nach Vertragsablauf 625 22 Führung - und Zeugnisinhalt 630 38 Fürsorgepflicht - Arbeitgeber-Nebenpflichten 611 874 - Arbeitsbescheinigung 630 142 - Arbeitsschutz s dort - und Auslauffrist bei ao Kündigung 626 27 - Krankenfürsorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 3 - und Nichtraucherschutz 618 144 ff - Schuldhafte Pflichtverletzung 618 209 ff - und Zeugnisanspruch 630 3 Funktionsnachfolge - und Betriebsübergang 613a 28 - und Betriebsübergang, Abgrenzung 613a 28 Fußballspieler - Dienstverhältnis 611 249 Gast- und Schankwirtschaften - Arbeitszeit 611 597 Gasverbrauchseinrichtungen - GSG-Ergänzung 618 84 Gefährdung - durch Arbeitnehmer als wichtiger Kündigungsgrund 626 128 Gefährdungshaftung - Haftung für mangelhafte Geräte 618 83 Gefährliche Arbeiten - Arbeitszeit 611 603 Gefahrengeneigte Arbeit - Haftungsmodell 611 748 ff Gefahrenschutz - Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers s Arbeitsschutz Gefahrstoffverordnung - als Arbeitsschutzrecht 618 95 ff Gefahrstoffrecht - und Leistungsverweigerungsrecht 618 206 Gehalt s Entgelt Geheimhaltungspflicht - und außerordentliche Kündigung 626 129 Gehorsam und Treue - Landesrechtliche Gesindeordnungen 611 9

Sachregister Gewerbetreibende Gemeinden - Form des Arbeitsvertrags 611 470 Gemeinschaftsbetrieb - und Kündigungsschutz 620 579 Gemeinschaftsunterkünfte - und Fürsorgepflicht 618 156 ff Genetik - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 407 Genetische Analysen - und spezielle Vorsorgeuntersuchungen 618 115 Genossenschaft - und Kündigungsberechtigung 626 229 -Organmitglieder 611 258f Gentechnologie - und Arbeitsschutzrecht 618 90 ff Gerätesicherheitsgesetz - Allgemeine Verwaltungsvorschrift 618 79 - als Arbeitsschutzrecht 618 74 ff - Haftung für mangelhafte Geräte 618 80 ff - Verordnungen, ergänzende 618 84 Gerätschaften und Vorrichtungen - als Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren s dort Gerichtlicher Vergleich - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 192 ff Geringfügige Beschäftigung - und Nebentätigkeit 611 718 Gesamtbetriebsvereinbarung s Betriebsvereinbarungen Gesamthafenbetriebe - und Arbeitsverhältnis 611 313 Gesamtrechtsnachfolge - und Betriebsübergang 613a 53 Gesamtschuldnerschaft - Betriebsübergang und Erwerberhaftung 613a 120 Gesamtvertretung - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 132 ff Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis - Unbefugte Mitteilung 611 701 ff Geschäftsfähigkeit - Abschluß des Arbeitsvertrag 611 461 ff Geschäftsführung ohne Auftrag - Krankenfürsorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 4 Geschäftsschädigung - und außerordentliche Kündigung 626 130 Geschäftsschädigende Äußerungen - Schweigegebot, Loyalitätspflicht 611 705 f Geschlecht - Gleichberechtigung von Mann und Frau s dort - als Rechtfertigung unterschiedlicher Behandlung 611a 24 - als unverzichtbare Voraussetzung 612 76 Geschlechtsdiskriminierung - Bewerbung und Schwangerschaft 611 139 - und Kündigungsschutz 620 684

- Stellenausschreibung, geschlechtsneutrale 611 380 - Teilzeitbeschäftigung und mittelbare - 611 137 - V e r b o t 611 135ff - Verbot mittelbarer - 611136 Geschlechtsneutralität - Sachlicher Grund für ine unterschiedliche Behandlung 611a 25 ff Gesellschafterwechsel - und Betriebsübergang 613a 43 Gesellschaftsrecht - und Dienstvertrag 611 245 ff Gesetz - Gleichbehandlungsgrundsatz, Verstoß 6 1 1 1 3 4 Gesetzesumgehung - Anstellung auf mehr als 5 Jahre 624 22 - Arbeitszeit 611 554 - und befristete Arbeitsverträge 611 141 ff - Kündigungsschutzvorschriften 620 10 f Gesetzlicher Schuldbeitritt - durch Betriebsübergang 613a 117 Gesetzlicher Vertragsübergang - Betriebsübergang und Arbeitsverträge 613a 7 ff Gesinderechte - Landesrechtliche - 611 9 Gestaltungsrechte - und Betriebsübergang 613a 70 Gestaltungsvorbehalte - Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers 611 539 Gestellungsvertrag - Bedeutung 611 309 - mit Ordensangehörigen 630 Anh 70 - Rote-Kreuz-Schwestern 611 250 Gesundheit und Leben - Arbeitnehmerschutz s Arbeitsschutz Gesundheitsprognose - bei Arbeitnehmererkrankung 620 612 ff Gesundheitszustand - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 405 ff Gewerbeaufsicht - Betriebs- oder Gefahrenschutz 618 35 ff - und Gerätesicherheitsgesetz 618 78 Gewerbebetrieb - Arbeitskampf und Recht am eingerichteten- 615 168 - als Betrieb 613a 16 Gewerbegehilfe - Arbeitsschutz 618 4 Gewerbeordnung - Arbeitnehmerschutz 618 2 - und ArbeitsstättenVO 618 65 - und gewerbliche Arbeitnehmer 611 353 - und Trcukverbot 611 773 - Wahrung von Sitte und Anstand 618 155 - Zeugnisanspruch 630 1 Gewerbetreibende - und Fälligkeit der Vergütung 614 10

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Sachregister Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung s Arbeitnehmerüberlassung Gewerkschaft - und Streik 615 177 - und kirchliche Arbeitsrechtsregelungsverfahren 630 Anh 151 - und Zutrittsrecht zu kirchlichen Einrichtungen 630 Anh 248 ff Gewerkschaftliche Betätigung - Betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht 611 712 Gewerkschaftszugehörigkeit - und Arbeitgeber-Fragerecht 611411 - und Zeugnisinhalt 630 50 Gewissenskonflikte - des Arbeitnehmers 611 565 - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 198 - und Leistungsverweigerungsrecht 626 109 Gewohnheitsrecht - Arbeitsrecht 611 89 Gleichbehandlungsgrundsatz, arbeitsrechtlicher - Anwendungsbereich, personeller 611 125 - Anwendungsbereich, gegenständlicher 611 120 ff - Arbeitgeberverpflichtung zur Beachtung 611 762 - Arbeitsentgelt 611 121, 122, 793 - Betriebliche Altersversorgung 611 120 - Betrieblicher Geltungsbereich 611 126 - Differenzierung, Verbot sachfremder 611 118 - Direktionsrecht 611 123 - und Geschlechtsdiskriminierung, verbotene 611 135 ff - und Gleichheitssatz, allgemeiner 611 119 - Gruppenbildung 611127 ff - und Kündigung aus wichtigem Grund 626 60 ff - Kündigungsrecht 611 124 - Rechtsfolgen von Verstößen 611 132 ff - Rechtsgrundlage 611 117,118 - Schlechterstellung, Verbot sachfremder 611118 - Schutz des einzelnen Arbeitnehmers 611 27 - Tarifvertragsparteien 611 119 - und Gleichberechtigung von Mann und Frau 611a 3 Gleichbehandlung von Mann und Frau -Arbeitgeber 611a 9 f 611b 5 - Arbeitgeberverpflichtung zur Beachtung 611 762 - Arbeitnehmerähnliche Personen, geschützte 611a 7 - Arbeitnehmer, geschützte 611a 6 f - Aushangpflicht 611a 48 611b 14 - Ausschlußfristen 611a 43 f - Begründung eines Arbeitsverhältnisses 611a 14 ff - Benachteiligung, unmittelbare und mittelbare 611a 22

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- und Benachteiligungsverbote wegen Teilzeit, Befristung 611a 3 - Beruflicher Aufstieg 611a 17 - Beruflicher Aufstieg, Entschädigung 611a 47 - Bestqualifizierter 611a 38 - Betriebsparteien 611b 6 - Betriensparteien 611a 11 -Beweislast 611a 28 ff - Bewerber, geschützte 611a 6 - und Diskriminierungsverbote, konkurrierende 611a 3 -EG-Richtlinienumsetzung 611a I f 611b l f - Einstellungsanspruch, ausgeschlossener 611a 39 - Entlohnung, Verbot geschlechtsdiskriminierender 612 40 ff - Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung 611a 36 - Förderung, geschlechtsspezifische 611a 23 - Frauendiskriminierung 611a 15 - Gerichtliche Geltendmachung 611a 46 - Geschlecht und Benachteiligung 611a 20 ff - Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung 611a 24 - Geschlechtsdiskriminierung s dort - Geschlechtsneutrale sachliche Rechtfertigungen 611a 25 ff - Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung 611b 8ff - Geschlechtsspezifische Förderung 611a 23 - und Gleichbehandlungsgrundsatz, arbeitsrechtlicher 611a 3 - und Gleichberechtigungsgebot, grundgesetzliches 611a 3 - Kündigung 611a 19 - Lohn 611 121, 793 - Nichtigkeit entgegenstehender Vereinbarung 611a 34 - Personalrekrutierungsunternehmen 611b 7 - Qualifikationsunterschiede 611a 26 - Schadensersatzanspruch, ausgeschlossener 611a 35 - Schwangerschaft 611a 16 - Stellenausschreibung, geschlechtsneutrale 611b Iff - Tarifvertragsparteien 611a 12 - Transsexuelle 611a 4 - Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung 611a 4ff - Vereinbarung, Maßnahme 611a 13 ff - Verfassungsgebot 611 27 - Zuteilung von Arbeitsaufgaben 611a 18 - Zwingendes Recht 611a 5 Gleichberechtigungsgebot, grundgesetzliches - und Gleichberechtigung von Mann und Frau 611a 3 Gleichbehandlungsgebote - und Vergütungsvereinbarungen 612 22 ff

Sachregister Handschrift Gleiche - und gleichwertige Arbeit 612 52 ff Gleichheitssatz - Gleichbehandlungsgrundsatz, arbeitsrechtlicher und allgemeiner - 611 117 ff - und Verbot der Geschlechtsdiskriminierung 611 135 Gleichstellungsabrede - Arbeitgeber, tarifgebundener 611 523 Gleitzeit - als flexible Arbeitszeit 611 651 GmbH - und Kündigungsberechtigung 626 229 - Organmitglieder 611 258 f - Vertragsabschluß im Gründungsstadium 611 465 GmbH-Geschäftsführer -Dienstverhältnis 611 245ff Gratifikationen - und Arbeitskampf 615 181 - Betriebliche Übung 611 791 - und Elternzeit 611 841 - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 130 - Rückzahlungsklauseln 611 881 - und Urlaubsentgelt 611 833 - Urlaubsgratifikation 611 837 Gründungsgesellschaft - und Vertragsabschluß 611 465 Grundgesetz s a Bundesverfassungsgericht - Abschlußfreiheit des Arbeitgebers 611 447 - Arbeiter und Angestellte, tarifvertragliche Differenzierung 622 95 ff - Arbeitnehmerbegriff 611 184 ff - und Arbeitsrecht 611 85 - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 19 ff - Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 564 - Diskriminierungsverbote und Stellenausschreibung 611 384 - Einstellung in den öffentlichen Dienst 611 453 - Gewissenskonflikte 611 565 - Grundrechte und Kirchen 630 Anh 33 ff - und Kirchenarbeitsrecht 630 Anh 1 ff - Kündigungsfristen, Vereinheitlichung 622 1 ff - Meinungsäußerung und außerordentliche Kündigung 626 139 ff - Meinungsfreiheit und Betriebsfrieden 611 712 - Normsetzungsbefugnis der Kirchen 630 Anh 162 - und Tarifrecht 620 173 Gruppenarbeitsverhältnis - und außerordentliche Kündigung 626 131 - Betriebsgruppe 611 318 - Eigengruppe 611 319 - Job-Sharing, Job-Pairing 611 320 - Kündigung 620 488, 489 Gruppenbildung - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 127 ff

Gruppenmitglieder - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 141 GS-Zeichen 618 77 Günstigkeitsprinzip - Betriebsverfassungsrechtlicher Günstigkeitsvergleich 611 152 ff - Höchstarbeitsregelungen 611 632 - und Privatautonomie 611 147 - Tarifrechtlicher Günstigkeitsvergleich 611148 ff Häusliche Gemeinschaft - Fürsorgepflicht für die Unterkunft 618 156 ff - und Krankenfürsorgepflicht des Arbeitgebers 617 1 ff Haftung des Arbeitgebers - Arbeitsunfall und System gesetzlicher Unfallversicherung 618 225 ff - Betriebsübergang s dort - Beweislast 619a 3 - Gerätesicherheitsgesetz und Haftung für mangelhaftes Gerät 618 80 ff - Sachschäden 611 879 - für Zeugniserteilung 630 106 ff Haftung des Arbeitnehmers - Außenhaftung/innerbetrieblicher Schadensausgleich 611 752 - Beweislast 619a 1 ff - Gefahrengeneigte Arbeit, andere Arbeit 611 748 ff - Mankohaftung, Fehlgeldentschädigung 611 754 ff - Sach- und Vermögensschäden (innerbetrieblicher Schadensausgleich) 611 748 ff - Sozialer Schutz und eingeschränkte - 611 25 Handelsvertreter - und Arbeitnehmerbegriff 611 164 611 260 ff - Auflösungsverschulden 628 22 - und freier Mitarbeiter, Abgrenzung 611 264 - und Handlungsreisender, Abgrenzung 611 263 - Kündigung bei übermäßig langer Bindung 624 7 - als selbständiges Gewerbe 611 260 - und Zeugnisanspruch 630 9 Handicapper - Arbeitnehmerähnliche Personen 611 280 Handlungsgehilfe - Arbeitsschutz 618 4 619 2 - Begriff 611 354 - Fälligkeit des Gehalts 614 6 ff -Wettbewerbsverbot 611 680ff Handlungspflichten - als Arbeitnehmer-Nebenpflichten 611 723 f Handlungsreisender - und Handelsvertreter, Abgrenzung 611 263 Handlungsvollmacht - und Betriebsübergang 613a 72 - und Kündigungsberechtigung 626 230 Handschrift - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 611 436

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Sachregister Hausangestellte Hausangestellte - Kündigungsfristen 622 12 Hausgehilfen - Kündigungsfristen 622 12 Hausgewerbetreibender - Begriff 611 284 Haushalt - und Betrieb 613a 16 Haushaltsmittel - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 181 ff 620 383 ff Hauspersonal - Landesrechtliche Gesinderechte 611 9 Hebamme - Arbeitnehmereigenschaft 611 268 Heimarbeiter - Arbeitsrecht, anwendbares 611 275, 289 - Arbeitsschutz 618 4 - Auftraggebereigenschaft 611 292 - Begriff 611 284 - und Betriebsübergang 613a 14 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 200 ff - Erwerbsmäßige Arbeit 611 285 f - Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 7 - und Hausgewerbetreibende, Abgrenzung 611 284 - Kündigungsfristen 622 14 - Schutz 611 288 - Teleheimarbeit, Computer-Heimarbeit 611 290 ff - und Unternehmer, Abgrenzung 611 287 - Urlaub 611 831 Herausgabeanspruch - Arbeitspapiere, öffentlich-rechtliche 630 149 ff Hersteller - von technischen Arbeitsmitteln 618 74 ff Hochschulen - Rechtstypusalternativen für Bedienstete 611 242 f Hochschulrahmengesetz - Befristete Arbeitsverträge 620 367 ff Höchstarbeitszeit - Tarifrechtliche - 611 629 ff Höherwertige Tätigkeit - Vergütung 612 16 ff Hörfunkkorrespondent - und Arbeitnehmerstatus 611 206 Hoheitliche Aufgaben - und Betriebsübergang 613a 8 Hoheitsakt - und Betriebsübergang 613a 52 Holschuld - Arbeitsbescheinigung 630 141 - Urlaubsbescheinigung 630 157 - Zeugnisanspruch 630 7 Honorarlehrkräfte - Arbeitnehmereigenschaft 611 269

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ILO-Übereinkommen - Entlohnung, Verbot geschlechtsdiskriminierender 612 44 Importeur - von technischen Arbeitsmitteln 618 74 ff Individual-Arbeitsrecht - Gestaltungsform des Arbeitsrechts 6 1 1 1 0 9 Insolvenz - und außerordentliche Kündigung 626 121 - Betriebsübergang und Erwerberhaftung 613a 123 ff - und Betriebsübergang 613a 2, 45, 57 f - und Kündigungserklärung 620 491 - und Kündigungsfristen 622 166 ff - Lohnersatzanspruch als Auflösungsschaden 628 59 Interessenabwägung - Kündigung 620 599, 609, 612, 619, 644 - Wichtiger Grund 626 29, 38 ff Internationale Arbeitsorganisation - Gründung, Mitgliedschaft, Abkommen 611 97 Internationaler Pakt - über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 6 1 1 9 8 Internationales Arbeitsrecht - Kollisionsrecht 611 107 Jahressonderleistungen - Betriebsübergang und Erwerberhaftung 613a 119 Job-Pairing - als Gruppenarbeitsverhältnis 611 320 Job-Sharing - als Gruppenarbeitsverhältnis 611 320 Jugend- und Auszubildendenvertretung - Arbeitsfreistellung und Entgeltfortzahlung 611 847 - Auszubildender, geschützter 611 449, 490, 510 Jugendarbeitsschutzgesetz - und Kirchenmitarbeiter 630 Anh 156 Jugendliche - Arbeitszeit 611 594, 625 - Beschäftigungsverbot 611 459 - JugendarbeitsschutzG 611 872 - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 37 ff Juristische Personen - Betriebsübergang 613a 14 - Organmitglieder 611 258 f - Vertragsabschluß im Gründungsstadium 611 465 Kampagnebetriebe - und befristetes Arbeitsverhältnis Kantinenverpflegung - Zu Verfügungsteilung 611 775

620 108 f

Sachregister Kirchenarbeitsrecht Kapitalgesellschaft - Vertragsabschluß im Gründungsstadium 611 465 Karenzvereinbarung - Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 611690 ff Karzinogene Arbeit - Europäisches Recht 618 187 Kassenfehlbestand - und Arbeitnehmerhaftung 611 754 ff Katastrophenschutzhelfer - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 38 Katholische Kirche s Kirchenarbeitsrecht Kausalität - Arbeitsverhinderung 616 12 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 97 ff - Feiertage und Entgeltfortzahlung 616 240 ff - und Maßregelungsverbot 612 11 f - Schadensersatzanspruch aufgrund Auflösungsverschuldens 628 39 ff Kenntnis - Abmahnung 620 639 - und Betriebsübergang 613a 34 - Kündigungserklärung 620 472 ff - Tatsachen, maßgebende für außerordentliche Kündigung 626 218 ff - Weiterbeschäftigung und Fortsetzungsfiktion 625 18 ff Kettenarbeitsverträge - Befristungskontrolle 620 69 ff Kinder - Beschäftigungsverbot 611 459 - Dienstleistungen für Eltern-Geschäft 611 254 Kindeserziehung - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 197 Kindpflege - und Kündigungsschutz 626 102 Kirchenarbeitsrecht - Allgemeine Arbeitsbedingungen (BAGVerständnis) 630 Anh 165 ff - Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, ausgeschlossene 630 Anh 169 - Anerkennung eines „Dritten Weges" 630 Anh 160 - Angelegenheiten, eigene 630 Anh 14, 44 ff - Arbeitnehmerschutzrecht 630 Anh 269 - Arbeitnehmerstellung 630 Anh 72 - Arbeitnehmerzahl, betroffene 630 Anh 1 - Arbeitsgerichtsbarkeit, zuständige 630 Anh 263 - Arbeitskampf, Streik 630 Anh 253 - und Arbeitsrecht als Gesamtarbeitsrecht 630 Anh 3 - Arbeitsrechtliche Streitigkeiten (Individualarbeitsrecht) 630 Anh 262 ff - Arbeitsrechtliche Streitigkeiten (Kollektivarbeitsrecht) 630 Anh 273 ff

-

-

-

Arbeitsrechtsregelungen 611 527 Arbeitsschutz 630 Anh 23 Arbeitsschutzrecht 630 Anh 269 Arbeitsverhältnis und kirchliche Grundverpflichtungen 630 Anh 259 f Arbeitsverträge 630 Anh 17 Arbeitsvertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsrichtlinien 630 Anh 165 und Arbeitszeitgesetz 630 Anh 153 ff Ausbildung, Disziplinargewalt 630 Anh 15 Autonomie 630 Anh 166 ff BAG-Rechtsprechung zu den Arbeitsrechtsregelungen 630 Anh 165 ff Beamtenstellung 630 Anh 71 Berufsbilder des kirchlichen Dienstes 630 Anh 15 und Beschäftigungsförderungsgesetz 630 Anh 158 f Beschlußverfahren S 2a ArbGG 630 Anh 275 Billigkeitskontrolle 630 Anh 165, 168 Bremer Pastorenentscheidung 630 Anh 20 Diakone 630 Anh 67 Diakonie/Caritas 630 Anh 60 ff Dienstgemeinschaft und Kündigungsschutzrecht 630 Anh 254 ff Dienstgemeinschaft, kirchliche 630 Anh 45 Dienstgemeinschaft, Grundsätze 630 Anh 48 ff Dienstgemeinschaft, Rechtsnatur 630 Anh 51 ff Dienstgemeinschaft und BVerfG-Rechtsprechung 630 Anh 59 Dienstherrenfähigkeit 630 Anh 28 Dienstvertragsrecht, geltendes 630 Anh 23 DRK-Schwestern 630 Anh 69 Einheit des kirchlichen Dienstes 630 Anh 50 Einrichtungen, Rechtsform 630 Anh 64 Europäisches Recht 630 Anh 3 Evangelische Kirche Arbeitskampf 630 Anh 253 Arbeitsrechtsregelungsverfahren-Streitigkeiten 630 Anh 274 Arbeitsrechtliche Kommission, Bildung und Aufgaben 630 Anh 76 Arbeitsrechtsregelungsgesetz ARRG-EKD 630 Anh 76 ff Diakonissen 630 Anh 69 Dienstgemeinschaft als Leitbild 630 Anh 77 Grundordnung und kirchlicher Dienst 630 Anh 46 Grundrechtsbindung 630 Anh 38 Loyalitätspflichten und Kündigungsschutz 630 Anh 259 Mitarbeitervertretungsregelungen 630 Anh 170 ff, 182 ff Mitarbeitervertretungsrecht und Rechtsschutz 630 Anh 211 ff Mitarbeitervertretungsrecht-Streitigkeiten 630 Anh 280

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Sachregister Kirchenrecht -

Mitarbeitervertretungen-Wahlordnung 630 Anh 280 Mitarbeitervertretung 630 Anh 58, 87 Pfarrer im Angestelltenverhältnis 630 Anh 265 Pfarrer, Rechtsverhältnis 630 Anh 68 Schlichtungsausschuß 630 Anh 100 ff Synodales Letztentscheidungsrecht 630 Anh 81 Unabhängigkeit vom Staat 630 Anh 73 - Gerichtsbarkeit, eigene 630 Anh 261 ff - Gestellungsverträge 630 Anh 70 - Gewerkschaften und Arbeitsrechtsregelungsverfahren 630 Anh 151 - Gewerkschaften, Zutrittsrecht 630 Anh 248 ff - Grundrechte (Geltung für die Kirchen, Geltung in den Kirchen) 630 Anh 33 ff - Grundverpflichtungen im Arbeitsverhältnis 630 Anh 259 f - Heckeische Formel 630 Anh 19 - und Jugendarbeitsschutzgesetz 630 Anh 156 - Jugenderziehung 630 Anh 62 - Kanonisches Recht, Grundrechte 630 Anh 39 f - Katholiche Kirche Arbeitsvertragsrichtlinien 630 Anh 114 ff Arbeitskampf 630 Anh 253 Arbeitsrechtsregelungsverfahren-Streitigkeiten 630 Anh 274 Grundordnung und Kündigungsschutz 630 Anh 259 Kirchlicher Dienst, religiöse Dimension 630 Anh 47 - - KODA-Ordnungen 630 Anh 116 ff Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechts 630 Anh 123 ff Mitarbeitervertretungsregelungen 630 Anh 178 ff Mitarbeitervertretungsrecht und Rechtsschutz 630 Anh 240 Mitarbeitervertretungsrecht-Streitigkeiten 630 Anh 279 Mitarbeitervertretung 630 Anh 58 - - Zentral-KODA-Ordnung 630 Anh 147 ff - Kirche und Koalitionen 630 Anh 247 ff - Kirchenfreiheit und Schrankenzweck (Güteraabwägung) 630 Anh 22 - Kirchliche Grundfunktion 630 Anh 61 - Kirchliches Selbstbestimmungsrecht und seine Schranke 630 Anh 11 ff - Körperschaften des öffentlichen Rechts 630 Anh 24 ff - Konkordanz kirchlicher und staatlicher Ordnungen 630 Anh 151 - Konkurrenz staatliche/kirchliche Ordnung 630 Anh 20 -Kündigungsschutzgesetz 630 Anh 254 ff - Lehrbeanstandung 630 Anh 271 - Loyalität 630 Anh 27, 54, 256 ff

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- Meinungsäußerung und Rücksichtspflicht 611 713 - Missionsauftrag, Nächstenliebe 630 Anh 13 - Mitarbeitervertretungsrecht als Kirchenrecht 630 Anh 278 ff - Nächstenliebe 630 Anh 61 - Ordensangehörige 630 Anh 69 - Ordnen und Verwalten als Selbstbestimmungsrecht 630 Anh 12 - Originäre Kirchengewalt 630 Anh 26 - Partnerschaft Kirche und Staat 630 Anh 21 - Priester, Inkardinationsverhältnis 630 Anh 66 ff - Private Lebensführung 626 133 630 Anh 53 - Rechtsqualität der Kirchenregelungen 630 Anh 161 ff - und Rechtsschutz 630 Anh 261 ff - Rechtstypusalternativen für Bedienstete 611 2 4 4 - Regelungslücke, planwidrige 630 Anh 169 - Relegionsgemeinschaften und Körperschaftsstatus 630 Anh 31 ff - Religion und Religionsgemeinschaft 630 Anh 11 - Religionsfreiheit 630 Anh 7 ff - Religionsgemeinschaften, garantierte 630 Anh 11 - Selbstbestimmungsrecht und sog. Dritter Weg 630 Anh 163 - Selbstbestimmungsrecht und Arbeitsrechtsregelungsautonomie 630 Anh 166 ff - Selbstbestimmungsrecht und Körperschaftsstatus 630 Anh 32 - Selbstbestimmungsrecht, kirchliches 630 Anh 4 - Selbstbestimmungsrecht der Einrichtungen 630 Anh 65 - Staat und Kirchen, Verhältnis 630 Anh 4 ff - Staatlicher Gesetzgeber und Arbeitsrechtsregelungsverfahren 630 Anh 152 ff -Steuerrecht 630 Anh 29 f - und tarifdispositives Gesetzesrecht 630 Anh 169 - Tarifverträge, Abgrenzung 630 Anh 161 - Tendenzunternehmen, nicht berührte 630 Anh 2 - Trennung von Kirche und Staat 630 Anh 4, 20 - Verfassungsbeschwerde 630 Anh 9 - Verfassungsrechtliche Grundlage 630 Anh 4 ff - Vergütungsgerechtigkeit 630 Anh 56 - Verleihung des Körperschaftsstatus 630 Anh 31 ff - und Vorruhestandsgesetz 630 Anh 152 - Wesens- und Lebensäußerungen der Kirche 630 Anh 63 - Zeugen Jehovas 630 Anh 27 - Zivilrecht, Dienstvertragsrecht 630 Anh 23 Kirchenrecht - Normsetzungsbefugnis der Kirchen 630 Anh 162 Klage, Klagbarkeit - Arbeitnehmerstatus, Klärung 611 166 - Arbeitspapiere, öffentlich-rechtliche 630 149 ff

Sachregister Kündigung - Arbeitsschutz (Erfüllung der Fürsorgepflicht) 618 8,196 ff - Auflösungsurteil im Kündigungsschutzprozeß 611 509 - Befristung, unwirksame 620 308 ff - Benachteiligung wegen des Geschlechts 611a 43 ff - und Betriebsübergang 613a 147 ff - Erfüllung der Arbeitspflicht 611 737 - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 18 -Kündigungsschutz 620 704 ff - Lohnnachweiskarte 630 165 - und Maßregelungsverbot 612 20 - Nichtraucherschutz 618 153 - Teilzeitarbeit 611 662 - Urlaubsbescheinigung 630 161 - Vertragsbruch des Arbeitnehmers, Klage auf Arbeitsleistung 628 24 - Zeugnisabänderungsanspruch 630 125 ff - Zeugnisanspruch 630 122 ff - Zeugniswiderrufsberechtigung 630 128 ff Kleinbetriebe - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 218 ff - Kündigungsfristen 622 13, 42, 153 ff Kleinbetriebsklausel - Kündigungsschutz 620 577 Klima - und Arbeitsstätte 618 68 Knebelung - Dienstverträge auf Lebenszeit, länger als 5 Jahre 624 3 Koalitionsfreiheit - und Arbeitnehmerbegriff 611 218 - Individuelle/kollektive Koalitionsfreiheit 611 37 - und soziale Selbstverwaltung 611 36 ff Körperschaften des öffentlichen Rechts - Bezeichnung der Kirchen als - 630 Anh 24 ff Körperschutzausrüstungen - Arbeitsschutz und persönliche - 618 108 f Kollektives Arbeitsrecht - Abschlußgebote, kollektivrechtliche 611 455 f - und Betriebsübergang 613a 81 ff - Gestaltungsform des Arbeitsrecht 611 110 - Kirchenarbeitsrecht, selbständiges 630 Anh 1 - Regelungskreise (Übersicht) 611 110 - und Vertragsänderung 611 545 Kommanditgesellschaft - und Kündigungsberechtigung 626 229 Konkretisierung - Arbeitsverhältnis und bestimmte tatsächliche Übungen 611 529, 535 Konkurrenzverbot s Wettbewerbsverbot Konstitutive Regelungen - im Tarifrecht 622 80 ff Konzern - Begriff, Bedeutung 611 360 - und Gemeinschaftsbetrieb 620 579

- und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 126 - Konzernweiter Arbeitnehmereinsatz 611 560 Kosten - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 32 ff, 55 -Vorstellungskosten 611442 629 19 ff Kraftfahrer - Beschäftigung trotz fehlender Fahrerlaubnis 611 459 Krankenfursorge - Arbeitgeberverpflichtung bei häuslicher Gemeinschaft 617 1 ff Krankenhausdienst - Arbeitnehmereigenschaft 611 268 Krankenkasse - Arbeitsunfähigkeit und - 616 225 ff Krankenpflege s a Ärztlicher Dienst - Arbeitszeit 611 601 - Gestellungsverträge 611 309 Krankenversicherung - und Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 1 - und Sozialversicherung 611 75 Krankheit - Androhung einer Krankschreibung 626 99 - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 405 ff - Arbeitsbedingte Erkrankung 618 257 - während Arbeitskampfes 615 180 - Arbeitsunfähigkeit infolge - 616 63 ff - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 199 - und außerordentliche Kündigung 626 93 - Berufskrankheit s dort - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall s dort - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 20 - Fallgruppen und Kündigungsmöglichkeit 620 610 ff - Fortsetzungserkrankung 616 167 ff - und Kindpflege 626 102 - und Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 1 ff - und Maßregelungsverbot 612 22 - und personenbedingte Kündigung 620 610 ff -Prognose 620 612 ff - Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 615 43 - und Zeugnisinhalt 630 53 Kündigung - s a Kündigung (Änderungskündigung) - s a Kündigung (außerordentliche) - s a Kündigung (außerordentliche K. durch Arbeitgeber) - s a Kündigung (außerordentliche K. durch Arbeitnehmer) - s a Kündigung (Mitbestimmung) - s a Kündigung (ordentliche K. durch Arbeitgeber)

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Sachregister Kündigung (Änderungskündigung) - s a Kündigung (ordentliche K. durch Arbeitnehmer) - s a Kündigungsfristen - s a Kündigungsschutzgesetz - Adressat, ortsabwesender 620 475 - Änderungskündigung s Kündigung (Änderungskündigung) - Anfechtbarkeit 620 502 - Außerordentliche Kündigung s Kündigung (außerordentliche) - Bedingungsfeindlichkeit 620 468 622 34 - Begriff 620 453 - B e g r ü n d u n g 620 512 ff 622 34 ff - auf Belegschaftsdruck 626 123 ff - Berechtigung 620 488 ff - Bestätigung formunwirksamer Kündigung, ausgeschlossene 623 63 - Betriebs- oder Personalratsbeteiligung s Kündigung (Mitbestimmung) - wegen Betriebsübergangs s dort - Dienst- und Arbeitsverhältnisse auf Lebenszeit, mehr als 5 Jahre 624 1 ff - vor Dienstantritt 620 500 - Druckkündigung 626 81, 123 ff - und Eingliederungsvertrag 623 34 - Einschreiben, Einwurseinschreiben 620 4 7 4 - eMail 620 485 - Empfangsbote 620 473 - und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall s dort - E r k l ä r u n g 620 469 ff -Erklärungsinhalt 6 2 0 4 8 2 f - Erneute Kündigung nach formunwirksamer Kündigung 623 61 - F o r m 620 484 ff - Form (Schriftformerfordernis) 623 1 ff - Formerfordernis, fehlendes und Grundsatz von Treu und Glauben 623 70 ff - F o r m v e r s t o ß 623 58 ff - Formverzicht 620 487 - Freizeitanspruch zum Aufsuchen anderen Dienstverhältnisses 629 1 ff - Fristen s Kündigungsfristen - als Gestaltungsrecht 620 453 - Gruppenarbeitsverhältnis 620 489 - Inhalt des Kündigungsschreibens (Minimalanforderungen) 623 41 ff - Insolvenz 620 491 - Kenntnisnahme 620 472 ff - Massenkündigungen 623 30 - und Maßregelungsverbot 612 17 ff - Namensunterschrift 620 485 - Nichtigkeit 620 503 f - Ordentliche Kündigung s Kündigung (ordentliche) - O r t und Zeit 620 499 ff - Rechtsnatur Vor 620 2

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- R ü c k n a h m e 620 515 ff - Schlüssiges Verhalten, ausgeschlossene 623 31 - Sittenwidrigkeit 620 505 f 622 37 - Spontankündigung 623 29 -Stellvertretung 620 492 ff - und Suspendierung, Abgrenzung Vor 620 3 ff - Teilkündigung, Abgrenzung 620 462 623 33 - Telefax 620 485 - Treu und Glauben 620 507 f 622 36, 38 - Umdeutung 620 509 ff - Umdeutung unwirksamer Kündigungserklärung 623 65 f - Unbefristetes Arbeitsverhältnis 622 33 - Ungehörigkeit einer - 622 38 - Unkündbarkeit eines Arbeitnehmers 624 23 - Verbote 622 35 - Verdachtskündigung s dort - und Vertragsverhältnis 620 453 - Vorsorgliche Kündigung 623 28 - Vorzeitiges Kündigungsrecht nach Ablauf von 5 Jahren 624 24 ff - Widerrufsvorbehalt, Abgrenzung 620 463 - und Zeugnisanspruch 630 16 ff - Z u g a n g 620 469 ff - Zugangshindernis 620 476 ff - Zustimmungserfordernis 620 490 Kündigung (Änderungskündigung) - Ablehnung des Änderungsangebots 620 700 - Änderung der Entgeltbedingungen 611 503 - Angebotsannahme unter Vorbehalt 620 459 - Annahme unter Vorbehalt 620 459 - von Arbeitnehmers als Arbeitskampf 626 90 - Außerordentliche Änderungskündigung 620 697 f - und außerordentliche Kündigung als ultima ratio 626 41 - Außerordentliche Änderungskündigung als Übergangslösung 626 43 - und außerordentliche Kündigung als ultima ratio 626 72 ff - und betriebsbedingte Kündigung (Erforderlichkeit) 620 666 ff - Betriebsratsunterrichtung 620 534 - und Fiktion der Vertragsfortsetzung 625 8 - Formerfordernis 623 27 - Freizeitanspruch zum Aufsuchen neuer Dienststelle 629 6 - Gleichzeitigkeit von Kündigung und - 620 460 - Kündigung wegen Betriebsübergangs 613a 132 - Kündigungsschutzklage ohne Vorbehalt 620 696 - Mitbestimmung 620 461, 703 - Rechtsnatur 620 457 -Rechtsschutz 620 692 ff - Risiko des Arbeitsplatzverlustes 620 696 - Soziale Auswahl 620 702 - Sozialwidrigkeit 620 699 ff - Tarifwidrige Vereinbarung 620 706 - und Teilkündigung, Abgrenzung 620 462

Sachregister Kündigung - und Wegfall der Geschäftsgrundlage 611 552 - Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers 620 560 - und Widerrufsvorbehalt 620 467 - Widerspruchslose Arbeit 620 695 Kündigung (außerordentliche) - Abgrenzung gegenüber anderen Beendigungstatbeständen 626 8 ff - Abwicklungsfragen 628 1 ff - und Anfechtung 626 15 ff - Arbeitsverhältnisse, Dienstverhältnisse 626 21 - Auflösungsverschulden 628 19 ff -Auslauffrist 626 24 ff - Ausschlußfrist 626 213 ff - und Aussperrung, Abgrenzung 626 10 - Ausübung des Kündigungsrechts 626 210 ff - Darlegungs- und Beweislast 626 266 - Dauergrund, Dauertatbestand 626 223 -Deutlichkeitsgebot 626 211 f - Freizeitanspruch zum Aufsuchen neuer Dienststelle 629 6 - Fristlose Beendigung 626 23 - Gesamtwürdigung 626 65 - Gestaltungsrecht für Arbeitgeber, Arbeitnehmer 626 22 - Interessenabwägung 626 38 ff - Kenntnis maßgebender Tatsachen 626 218 ff - Kündigung wegen Betriebsübergangs 613a 132 -Kündigungsberechtigter 626 227 ff - Kündigungsfrist, Bedeutung der Dauer für die 626 49 ff - Kündigungsgrund, Angabe auf Verlangen 626 243 - Kündigungsschutz, fehlender 626 261 f - Minderwichtiger Grund 626 28 - Nachschieben von Kündigungsgründen 626 244 ff - Präklusion 626 271 ff - Prozessuale Fragen 626 261 ff - Revisionsinstanz 626 276 ff - und Rücktritt, Unmöglichkeit 626 8 - Schadensersatzansprüche wegen Herbeiführung 628 19 ff -Tarifrecht 626 24 ff - Ultima ratio 626 39 ff - Umdeutung 626 250 ff - Unabdingbarkeit 626 66 ff - Veranlassung zur Kündigung 628 10 f - Verfristete Gründe 626 63 - Verlust des Kündigungsrechts 626 247 ff - Vertragsteil, jeder 626 22 - Vollmachtlose Kündigung 626 233 - und Wegfall der Geschäftsgrundlage 626 9 - Wichtiger Grund s dort - Widerruf der Organstellung 626 17 - und Zeugnisanspruch 630 18

Kündigung (außerordentliche K. durch Arbeitgeber) - Abgrenzungen zu anderen Beendigungstatbeständen 626 8 ff - Abkehrwille 626 79 - Abwerbung 626 80 -Änderungskündigung 620 697 f 626 72 ff - Änderungskündigung, außerordentliche als Übergangslösung 626 43 - Äußeres Erscheinungsbild 626 132 - AIDS 626 81 - Alkohol, Trunksucht 626 82 ff - Androhung einer Krankschreibung 626 99 - Anhörungspflicht 626 177 ff - Antisemitismus 626 114 - Anzeige gegen Arbeitgeber 626 85 f - Arbeitgeberangriff, unangemessener 626 143 - Arbeitspapiere, fehlende 626 91 - Arbeitserlaubnis, fehlende 626 87 - Arbeitskampf 626 88 ff - Arbeitsschutz, nicht beachteter 626 92 - Arbeitsunfähigkeit 626 54, 93 ff - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 626 94, 268 - Arbeitsverhinderung 626 100 ff - Arbeitsverweigerung 626 105 ff - Arztbesuch, Kindpflege 626 102 - Aufklärungsverhalten 626 59 - Auflösungsschaden des Arbeitnehmers 628 47 ff - Ausländerfeindlichkeit 626 114 - Ausschluß, Erschwerung der - 626 68 ff - Außerdienstliches Verhalten 626 115 ff - BAT-Grundlage 626 69 - Beharrliche Arbeitsverweigerung 626 111 ff - Behördenbeteiligung und Mitbestimmung 626 234 ff - Beleidigungen 626 118 ff - Betriebsärztliche Untersuchung, verweigerte 626 95 - Betriebsfrieden, gestörter 626 122 - Betriebsrats-Stellungnahme 620 557 - Betriebsstillegung 626 5 1 , 1 2 1 , 225 - Betriebsverfassungsrecht 626 238 - Beurteilungszeitpunkt 626 33 - Dauergrund, Dauertatbestand 626 223 - Druckausübung 626 123 ff, 226 - Ehrenämter 626 103 - Entgelt für bisherige Leistungen 628 5 ff - Fahrerlaubnis, entzogene 626 127 - Fallgruppen 626 79 ff - Formerfordernis 623 26 - Freizeit und Alkohol 626 83 - Freizeit zur Stellensuche 626 110 - Gefährdung der Kollegen 626 128 - Gefahrstoffumgang 626 108 - Geheimhaltungspflicht, verletzte 626 129 - Genesungswidriges Verhalten 626 96 - Gesamtwürdigung 626 65 - Geschäftsschädigung 626 130

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Sachregister Kündigung -

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Gewissenskonflikt 626 109 Gleichbehandlungsgrundsatz 626 60 ff Götz-Zitat 626 119 Grundlenntnisse, Fehlen eines Mindestmaßes 626 148 GruppenarbeitsVerhältnis 626 131 Haartracht, Kleidung 626 132 Haft 626 104 Heimatsprache und Beleidigung 626 119 Insolvenz 626 121 Interessefortfall für empfangene Leistung 62812 Interessenabwägung 626 38 Kindpflege, Arztbesuch 626 102 Kirchliche Mitarbeiter und private Lebensführung 626 133 Konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses 626 36 Krankheit, dauerhafte/häufige 626 93 Krankmeldung, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 626 94 Kündigungsberechtigter 626 229 ff Kündigungsschutzgesetz, anwendbares 620 707 f Lebenszeitverträge, Bindung über 5 Jahre hinaus 624 29, 31 ff Leiharbeitnehmer 626 134 Leistungsverweigerungsrecht 626 107 ff Leugnen, Verfälschen des Sachverhalts 626 59 Mandatsträger (Betriebsrat, Personalrat) 626 135 ff Manko 626 138 Meinungsäußerungen 626 139 ff Minderleistung 626 148 Mutterschutz 626 237 Nebentätigkeit 626 144 Objektives Vorliegen relevanter Tatsachen 626 31 Obszönitäten 626 151 Öffentlicher Dienst 626 145 oder ordentliche Kündigung als milderes Mittel 626 47 Ordentliche Kündigung, ausgeschlossene 626 49 ff Ordentliche Kündigung, Bedeutung der Kündigungsfrist 626 49 ff Parteipolitische Betätigung 626 139 ff Personalvertretungsrecht 626 238 ff Probezeit 626 56 Prokurist, Handlungsbevollmächtigter als Kündigender 626 229 ff Rassismus 626 114 Rationalisierungsmaßnahme 626 225 Rechtsirrtum 626 113 Restarbeitsfähigkeit 626 97 Rückspracheverlangen, mißachtetes 626 146 Rückzahlungspflicht (Vorschuß, sonstige Vorleistungen) 628 13 ff Rufschädigung 626 130

- Schadenabwehr 626 147 - Schlechtleistung 626 148 - Schmiergeld 626 149 - Schwarzfahrt 626 150 - Schwerbehinderung 626 53, 235 - Sexuelle Belästigung 626 151 - Sicherheitsbedenken 626 152 - Spesenbetrug 626 153 - Stechuhr 626 154 - Strafhaft 626 104 - Straftaten 626 155 ff - Straftaten und Verdachtskündigung 626 171 ff - Streik, wilder 626 61 - Stundenanschreiben 626 159 - Tätlichkeiten 626 160 - Tarifrecht 626 67 - Telefongespräche, private 626 161 - Tod des Arbeitgebers 626 162 - Torkontrolle 626 163 - Üble Nachrede 626 269 - U l t i m a ratio 626 39 ff - Umdeutung in ordentliche Kündigung 626 252 - Umstände sonstiger Art 626 64 - Ungeeignetheit, völlige 626 148 - Unpünktlichkeit 626 164 - Untersuchungshaft 626 104 - Urlaub als Selbsturlaub 626 165 - Urlaubskrankschreibung 626 98 - Verbrauch des Kündigungsrechts 626 248 - Verdachtskündigung s dort - Vereinbarung von Kündigungsgründen 626 66 ff - Verfristete Gründe und Interessenabwägung 626 63 - Vergütung bisheriger Leistungen 628 5 ff - Verkehrsunfall mit erheblichem Schaden 626 148 -Verschulden 626 57 f - oder Versetzung als milderes Mittel 626 41, 46 - Vertragsbruch, Verurteilung zur Arbeitsleistung s t a t t - 628 24f - Vertragsstrafe, Lohnverwirkung statt - 628 26 - Vertrauensposition 626 170 - Vertrauensverlust, fortwirkender 626 223 - Verwirkung, Verzicht 626 247 ff - Vollmachtsmißbrauch 626 188 - Vorvertragliche Verfehlungen 626 189 - Wehrdienst 626 101 - oder Weiterbeschäftigung zu veränderten Bedingungen 626 41 - Wettbewerbswidriges Verhalten 626 190 ff - Wichtiger Grund 626 29 ff - Zwingendes Recht 626 66 ff Kündigung (außerordentliche K. durch Arbeitnehmer) - Arbeitskampf und Aussperrung 626 193 - Arbeitsplatzwechsel und außergewöhnliche Lebenschance 626 194 - Arbeitsschutz 626 195

Sachregister Kündigungsfristen - Auflösungsschaden des Arbeitgebers 628 42 ff - Beleidigung 626 196 - Betriebsstillegung und Nachteilsausgleich bei 628 28 - Eheschließung und Kindeserziehung 626 197 - Formerfordernis 623 26 - Fortsetzungsverweigerung nach Prozeßende 626 18 - als Gegenkündigung zwecks Schadensersatzverlangens 628 37 - Gewissenskonflikt 626 198 - Krankheit 626 199 - Kündigungsberechtigter 626 228 - Lohnrückstand 626 200 - Mißachtung 626 201 - Sexuelle Belästigung 626 202 - Suspendierung 626 203 - Tätlichkeiten 626 204 - Verdächtigung durch Arbeitgeber 626 205 - Verdienstmöglichkeit 626 206 - Vertrauensverlust 626 207 - Vollmachtsentzug 626 208 - Vorzeitiges Kündigungsrecht nach Ablauf von 5 Jahren 624 24 ff - Werkwohnung 626 209 Kündigung (Mitbestimmung) - Änderungskündigung 620 534 - Anhörungsverfahren, Einleitung 620 520 ff - Anhörungsverfahren, Einzelheiten 620 536 ff - BetrVG, BPersVG (inhaltliche Übereinstimmung) 620 519 - Datenschutz 620 535 - Kündigung, betriebsbedingte 620 533 - Kündigung, personenbedingte 620 532 - Kündigungsart 620 524 - Kündigungsfrist, anzugebende 620 525 -Kündigungsgründe 620 526 ff - Kündigung, verhaltensbedingte 620 530 f - Nachschieben von Kündigungsgründen 620 546 ff - Person des Arbeitnehmers 620 523 - Stellungnahme des Betriebsrats (außerordentliche Kündigung) 620 557 - Stellungsnahme des Betriebsrats (ordentliche Kündigung) 620 552 ff - Unterbliebene Beteiligung 620 544 f - Unterrichtungspflicht, Inhalt und Umfang 620 523 ff - Unterrichtungspflicht und Kenntnisstand 620 528 - Weiterbeschäftigungsanspruch 620 558 ff - Weiterbeschäftigungspflicht, Entbindung 620 565 ff Kündigung (ordentliche K. durch Arbeitgeber) - Ausschluß der - 626 49 ff - und außerordentliche Kündigung als ultima ratio 626 48 - Betriebsrats-Stellungnahme 620 552 ff

- Betriebsstillegung 626 51 -Betriebsübergang 613a 127ff - Formerfordernis 623 26 - Kündigungsfristen s dort - Kündigungsschutz s Kündigungsrechtsschutz - Lebenszeitverträge, Bindung über 5 Jahre hinaus 624 30 - und Schadensersatzanspruch wegen Auflösungsverschuldens 626 35 - Schwerbehinderung 626 53 - Tarifvertraglicher Ausschluß der - 626 52 - und Verbrauch des Rechts zur außerordentlichen Kündigung 626 248 Kündigung (ordentliche K. durch Arbeitnehmer) - Formerfordernis 623 26 - Kündigungsfristen s dort - Schadensersatzansprüche wegen AuflösungsVerschuldens 628 35 - Vorzeitiges Kündigungsrecht nach Ablauf von 5 Jahren 624 24 ff Kündigungsfristen - Änderungskündigung 622 7 - Arbeiter/Angestellte-Vereinheitlichung 622 1 ff - Arbeitgebergeltung verlängerter Fristen 622 46 - Arbeitnehmer 622 10 f - Arbeitnehmer/Arbeitgeber-Kündigungsfristen 622 160 ff - Arbeitnehmerähnliche Personen 622 14 ff - Arbeitnehmerüberlassung 622 28 f - Aushilfsarbeitsverhältnis 622 146 ff - Außerordentliche Kündigung 622 9 - Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist 626 23 ff - Auszubildende 622 20 ff - Berechnung 622 63 ff - Beschäftigungsdauer 622 49 - Betriebsübergang 622 51 - Betriebsvereinbarungen 622 124 ff - vor Dienstantritt 622 73 ff - Erziehungsurlaubsberechtigte 622 27 - Fortsetzungsfiktion nach Vertragsablauf 625 27 - Freie Mitarbeitertätigkeit, vorangehende 622 50 - Gesetzliche Kündigungsfristen Grundkündigungsfrist 622 41 f Verlängerte Kündigungsfristen 622 43 ff - Hausgehilfen/Hausangestellte 622 12 - Heimarbeiter 622 14 - Insolvenzverfahren 622 166 ff - Kleinunternehmen 622 13, 153 ff - Monatsende 622 47 - Ordentliche Kündigung 622 7, 33 -Organmitglieder 622 18f - Probearbeitsverhältnis 622 156 -Probezeit 622 57 ff - und rechtfertigender Grund 622 34 -Schwerbehinderte 622 24 f -Seeleute 622 30 ff

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Sachregister Kündigungsschutzgesetz

-

Tarifrecht s dort Teilkündigung (Widerufsvorbehalt) 622 7 Übergangsregelungen 622 174 ff Unbefristetes Vertrags Verhältnis 622 33 Unterbrechung der Beschäftigung 622 53 Unwirksame Vereinbarungen 622 163 ff Vertragliche Regelungen 622 141 ff Vorzeitige Kündigung 622 71 f Vorzeitiges Kündigungsrecht nach Ablauf von 5 Jahren 624 25 - Zeit- oder zweckbefristete Verträge 622 8 - Zugang 622 63 ff Kündigungsschutzgesetz - Abkehrwille des Arbeitnehmers 620 646 - ABM-Verhältnis, vorangegangenes 620 588 - Abmahnung vertragswidrigen Verhaltens 620 630 ff - Abwerbung durch Kollegen 620 647 - Änderungskündigung 620 692 ff, 721 - Alkohol 620 648 - Allgemeiner Kündigungsschutz 620 569 ff - Angestellte in leitender Stellung 611 348 - Anzeige gegen Arbeitgeber 620 649 - Anzeige einer Massenentlassung 620 744 ff - Arbeitnehmerbegriff 620 570 ff - Arbeitnehmergruppen, besondere 620 752 ff - Arbeitnehmerweigerung der Arbeitsfortsetzung 623 35 - Arbeits- und Berufsausübungserlaubnis 620 624 - Arbeitsangebot des Arbeitgebers während der Dauer des Prozesses 615 94 - Arbeitsverweigerung 620 650 - Aufklärungspflicht des Gerichts 626 254 - Auflösungsurteil 611 509 620 717 ff - Auflösungsurteil und Abfindung 620 728 ff - Ausbildungsverhältnis, vorangegangenes 620 588 - Ausbildungsverhältnis 620 708 - Außerordentliche Kündigung 620 707 - Befristeter Vertrag, vorzeitige Beendigung 620 708 - Beitrittsbedingte Sonderregelungen 620 773 ff - Bergmannversorgungsschein 620 764 - Beschäftigtenzahl, regelmäßige 620 580 ff - Beschäftigungsmöglichkeit, Wegfall aufgrund außer- und innerbetrieblicher Gründe 620 662 ff - Betrieblicher Geltungsbereich 620 576 ff - Betriebsbedingte Kündigung 620 655 ff - Betriebsbuße 620 643 - Betriebsfrieden 620 651 - Betriebsstillegung 613a 135 - und Betriebsübergang 613a 147 ff - Betriebsvereinbarung und soziale Auswahl 620 689 - Darlegungslast für Sozialauswahl 620 687 - Dringende betrieblicher Erfordernisse 620 656 f - Ehrenamt, Wehrdienst 620 625 f - Elternzeitberechtigte 620 756 ff

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- Erforderlichkeit betriebsbedingter Kündigung 620 665 ff - Feststellungsklage 620 709 - Feststellungsklage, Verbindung mit allgemeiner 620 711 - Fortsetzungsanspruch 620 601 ff - Gemeinschaftsbetrieb 620 579 - Gerichtliche Überprüfung betrieblicher Erfordernisse 620 658 f - Heimarbeiter 620 575 - Insolvenz 620 691 - Interessenabwägung 620 644 - und Kirchenarbeitsrecht 6 3 0 A n h 2 5 4 f f -Klagefrist 620 704 ff - Klagefrist, versäumte 620 712 ff - Kleinbetriebsklausel 620 577 - Kollektivrechtliche Erleichterungen der Kündigung 620 689 ff - Konkurrenz, Nebentäigkeit 620 652 -Krankheit 620 610 ff - und Kündigung wegen Betriebsübergangs 613a 130 f - Kündigung, außerordentliche 626 261 ff - Kündigung, formwidrige 623 59 - Kündigungsgründe, nachgeschobene 626 246 -Lebensalter 620 622 f - Leitende Angestellte 620 573 - Massenentlassungen 620 685, 744 ff - Mehrheit von Kündigungen 620 710 - Mischtatbestand 629 600 -Mutterschutz 620 752 ff - Nachschieben von Kündigungsgründen 628 38 - Ordentliche Kündigung 620 707 - Organe der Betriebsverfassung 620 767 f - Personenbedingte Kündigung 620 606 ff - Personenbedingte Kündigung und verhaltensbedingte Kündigung, Abgrenzung 620 628 - Präklusion 626 271 ff - Prognose und Abmahnung 620 630 - Rechtsschutzbegehren und Umdeutungsbefugnis 626 255 - Revisionsinstanz 626 276 ff - Schlecht- oder Minderleistung 620 653 - Schutz des einzelnen Arbeitnehmers 611 23 - Schwerbehinderte 620 760 ff - Sozialwidrigkeit betriebsbedingter Kündigung 620 673 ff - Sozialwidrigkeit Beurteilungszeitpunkt 620 595 f Interessenabwägung 620 599 Mischtatbestände 620 600 Prognoseprinzip 620 596 Rechtfertigungsgründe 620 595 ff als unbestimmter Rechtsbegriff 620 593 Verhältnismäßigkeitsprinzip 620 594 - Straf-und Untersuchungshaft 620 627 ff - Straftat 620 654

Sachregister Leistungsverpflichtung -

Streitgegenstand 620 709 Tarifvertrag und soziale Gesichtspunkte 620 689 Teilzeitbeschäftigte 620 570, 765 f Teilzeitbeschäftigte und Beschäftigtenzahl 620 582 - Umdeutung außerordentlicher Kündigung, prozessuale Voraussetzungen 626 253 ff - Unternehmensbezogener Kündigungsschutz 620 660 f - Vergleichbarkeitsproblem bei betriebsbedingter Kündigung 620 675 ff - Verhaltensbedingte Kündigung 620 628 ff - Versetzungsmöglichkeit 620 642 - Verspätete Klage 620 712 ff -Wartezeit 620 586 ff - Wegfall des Kündigungsgrundes 620 601 ff - Wehr- und Zivildienst 620 769 ff - Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer des Verfahrens, allgemeiner 620 734 ff - Weiterbeschäftigung und Fortsetzungsfiktion 625 12 Künstler - und Arbeitnehmerstatus 611 210 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 137 ff - Medienübertragungen 612 18 Kundschaft - und Betriebsübergang 613a 37 Kur - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 20 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 69 ff Kurzarbeit - Begriff, Einführung 611 642 f - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 108 - Feiertage und Entgeltfortzahlung 616 242 - Kurzarbeitergeld 615 139 ff, 205 - Rechtsgrundlage 615 129 ff - und Streik 615 204 Ladenschluß - Arbeitszeit 611 596 Lärm - und Arbeitsstätte 618 68 Landesrecht - Arbeitsrecht 611 87 Landkreise - Form des Arbeitsvertrags 611 470 Landwirtschaftliche Dienstnehmer - Landesrechtliche Gesinderechte 611 9 Lastenhandhabung - Europäisches Recht 618 187 Leben und Gesundheit - Arbeitnehmerschutz s Arbeitsschutz Lebens- oder Dauerstellung - und Anstellung auf Lebenszeit, Abgrenzung 16 ff Lebenszeit - Anstellung auf - 624 11 ff

624

Lehrbeauftragte - und Arbeitnehmerbegriff 611 196 Lehrkräfte - Arbeitnehmereigenschaft 611 207, 213 f, 269 - Parteipolitische Betätigung 626 142 Leistung - und Zeugnisinhalt 630 39 Leistungsbestimmung - Billiges Ermessen 611 159 - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 12 ff - und richterliche Vertragskontrolle 611 158 f - Vergütung des Arbeitnehmers 612 38 Leistungsbezogenheit - der Vergütung 611 811 ff Leistungserbringung - durch persönliche Dienstleistungspflicht 613 1 ff Leistungslohn - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 184 Leistungsort - Arbeitsverhältnis, Umstände und Natur 611 581 - Auslandseinsatz 611 584 - Außendienst 611 581 - Betriebsverlegung 611 587 f - Dienstreisen 611 581 - Erfüllungsort 611 581 - Handlungen, geschuldete 611 580 - Mitbestimmung 611 585 - Ortfeste Tätigkeit und Ortswechsel 611 586 - Wechselnder Einsatzort 611 583 f Leistungsstörungen - und Abmahnungserfordernis 620 630 Leistungsunwilligkeit - Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 615 49 f Leistungsverhinderung - Anzeige, unverzügliche 611 724 - Arbeitsleistung und betriebliche Ämter 611 726 ff - und außerordentliche Kündigung 626 100 ff - Berechtigte Nichtleistung der Arbeit 611 725 ff - Entgeltfortzahlung s Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung - Leistungsverweigerung aus persönlichen Gründen 611733 - Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 611734 - Zuriickbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechte 611 729 ff Leistungsverpflichtung - Änderungen 611 574 - eines Angestellten, eines Arbeiters 611 569 - und Arbeitnehmerbegriff 611 193 - Arbeitnehmerhauptpflicht 611 553 - und Arbeitsentgeltbegriff 611 765 - Arbeitserfolg, nicht geschuldeter 611 555 - und Arbeitsvertrag 611 443 - und Arbeitsverweigerung 626 105 ff - und Arbeitszeitbegriff 611 607 - Aufgabenbezeichnung im Vertrag 611 571 - in außergewöhnlichen Fällen 611 638

1161

Sachregister Leistungsverweigerung - und Berufsbezeichnungen 611 570 - Billiges Arbeitgeberermessen 611 563 - und Direktionsrecht des Arbeitgebers s Direktionsrecht - bei Dritten 611 559 - Ermessensgrenzen für den Arbeitgeber 611 565 - Gewissenskonflikte 611 565 - Handlungen, geschuldete 611 580 - Hauptsächlich versprochene Arbeit 611 569 ff - Höherwertige Tätigkeit 612 16 ff - Intensität, Qualität 611 575 ff - Konkretisierung 611 557 - Konzernweiter Einsatz 611 560 - und Leistungslohn 611 578 - Leistungsmaßstab 611 576 - durch mängelbehaftete Arbeitsleistung 611739 f - Menge/Dauer versprochener Arbeitszeit 611 626 ff - Nebenarbeiten 611 572 - Nichtbefolgung von Weisungen 611 567 - Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 725 ff - Nichtleistung der Arbeit, vertragswidrige 611 736 ff - Personengebundenheit 611 558 ff - Rahmenmäßige Umschreibung 611 556 -Schlechtleistung 611 739 f - Tempo der Arbeit 611 577 - Übertragbarkeit 611 559 - Versprochene Dienste 611 554 ff - Vertraglicher Inhalt 611 568 - Vertragsbruch und Klage auf Leistung 628 24 - Zusatzarbeiten 611 573 Leistungsverweigerung - Kündigungsgrund 620 650 626 105 ff Leistungsverweigerungsrecht - Arbeitsschutznormen, nichteingehaltene 618 205 ff - und Arbeitsverweigerung 626 107 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 132 - Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 729 ff - Suspendierung als Ausübung eines - Vor 620 5 - und Zeugnisanspruch 630 80 Leistungsvoraussetzungen - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 131 Leistungszeit s Arbeitszeit Leistungszusage - unter Widerrufsvorbehalt 611 541 Leitende Angestellte - Allgemeiner Sprachgebrauch 611 347 - Begriff 611 63 - BetrVG-Begriff 611 349 ff - BetrVG, Ausnahme 611 56 - KSchG-Tatbestandsmerkmal 611 348 - Kündigungsschutz 620 573 - MitbestimmungsG 611 57 - Sprecherausschußgesetz 611 59 ff

1162

Leitungsmacht - und Betriebsübergang 613a 40 Lektor - Arbeitnehmereigenschaft 611 267 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 180 Literaturauswerter - Arbeitnehmereigenschaft 611 267 Lohn s Entgelt Lohnausfallprinzip - im Falle des Annahmeverzugs 615 70 ff Lohnfortzahlung im Krankheitsfall s Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Lohnnachweiskarte - Urlaubskassenregelung 630 162 ff Lohnsteuerkarte - Aushändigung, Aufbewahrung, Aushändigung 630 144 ff Lohnwucher - Anwendung des S 612 Abs 1 612 23 - Nichtige Vereinbarung 611 497 612 23 f Lossagung - vom faktischen, fehlerhaften Arbeitsverhältnis 626 20 Loyalitätspflicht - als Arbeitnehmer-Nebenpflicht 611 700 ff Luftfahrt - Arbeitszeit 611 599 Mängel der Arbeit - Schlechtleistung 611 741 f MAK-Wert - Arbeitsschutzrecht 618 98 Mandantenschutzklauseln - und Wettbewerbsverbot 611 690 Mandatsträger s Betriebsverfassungsrecht; Personalvertretungsrecht Manko - und außerordentliche Kündigung 626 138 Mankohaftung - des Arbeitnehmers 611 754 ff Maschinen mit Bedienungspersonal - und Arbeitnehmerüberlassung, Abgrenzung 611 308 MaschinenlärminformationsVO - GSG-Ergänzung 618 84 Massenänderungskündigung - und Aussperrung, Abgrenzung 615 189 Massenentlassungen - und Kündigungsschutz 620 685, 744 ff - und Kurzarbeiteinführung 615 136 - und Schriftformerfordernis 623 30 Maßnahmen - und Maßregelungsverbot 612 13 Maßregelungsverbot -Arbeitgeber/Arbeitnehmer 612a 7 f - Arbeitskampf 612a 16

Sachregister Nachschieben - Aushang 612a 25 - Beschwerde, betriebsverfassungsrechtliche 612a 5 - Betriebsübergang 612a 21 - Beweislast 612a 23 - Direktionsrecht 612a 25 - Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 612a 22 - Kündigung 612a 17 ff, 24 - Rechtsausübung und Benachteiligung 612a 9 ff - Tarifvertragliches - 612a 4 - als Verbotsnorm 612a 24 - Vereinbarung, Maßnahme 612a 13 ff Medizinisch-technische Geräte - Sicherheitsvorschriften 618 86 Mehrarbeit - und Annahmeverzug 615 76 - und Arbeitszeit 611 636 ff - und Teilzeitarbeit 611 668 - Vergütung 612 14 Mehrere Arbeitsverträge - Anstellung auf mehr als 5 Jahre 624 21 -Befristungskontrolle 620 69 ff - als Doppelarbeitsverhältnisse 611 310 - Kündigungsfristen 622 56 Mehrheit von Arbeitgebern - BGB-Gesellschaft 611 311 - Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen 611 312 - Gesamthafenbetriebe 611 313 Mehrleistungen - Vergütung 612 13 Meinungsäußerung - und außerordentliche Kündigung 626 139 ff Meinungsfreiheit - und Betriebsfrieden 611 712 Menschengerechte Arbeitsgestaltung - Arbeitnehmeranspruch 618 21, 23 ff Mentorin - Arbeitnehmereigenschaft 611 267 Minderleistung - durch bewußte Zurückhaltung der Arbeitskraft 626 113 - als Kündigungsgrund 620 653 Minderung - des Entgelts wegen Schlechtleistung 611 741 f Mindestarbeitsbedingungen - Gesetz über die Festsetzung 611 45, 794 Mindesterholungsurlaub 611 831 ff Mineralgewinnung - Europäisches Arbeitsschutzrecht 618 187 Misch tatbestände - im Kündigungsrecht 620 600 Mißachtung - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 201 Mißverhältnis - Leistung/Gegenleistung 612 23 f

Mitarbeitervertretungsrecht - im kirchlichen Bereich 630 Anh 170 ff Mitbestimmung - Arbeiter, Angestellte 611 340 -Arbeitsvertrag 611 492ff - Auswahl des Arbeitnehmers 611 437 - Betriebliche Mitbestimmung s Betriebsverfassungsrecht - und Direktionsrecht 611 566 - Kollektives Arbeitsrecht 611 110 - und Lohngestaltung 611 767 - und materielles Arbeitsrecht 611 46 -Personalfragebögen 611 431 ff - Unternehmensmitbestimmung 611 47 Mitteilung - einer Arbeitsunfähigkeit 616 121 ff Mittelbare Benachteiligung - Geschlechtsbezogene Diskriminierung 611a 22 Mittelbare Vertretungen - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 128 ff Mittelbares Arbeitsverhältnis - Arbeitsschutz (Fürsorgepflicht) 618 13 - Begriff, Begründung 611 314ff - Rechtsfolgen 611 316 Mitverschulden - Fürsorgepflichtverletzung (Arbeitsschutz) 618 215 - Kündigung und beiderseitige Pflichtverletzung 628 32 - Zeugniserteilung und Schadensfolge 630 114 - Zeugniserteilung und einstellender Arbeitgeber 630 121 Montanindustrie - Unternehmensmitbestimmung 611 47 Musikschullehrer - Arbeitnehmereigenschaft 611 270 - und Arbeitnehmerstatus 611 214 Mutterschutz - Arbeitsschutz 618 4 - Arbeitszeit 611 595, 639 - Beschäftigungsverbot 611 872 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 112 - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 20 f - Kündigung, außerordentliche 626 237 -Kündigungsschutz 620 752 ff 622 168 - Mutterschutzlohn, Mutterschaftsgeld 611 855 ff - Verfassungsgebot 611 32 - und Zeugnisinhalt 630 58 Muttersprache - Befristete Arbeitsverhältnisse/fehlender Bezug z u r - 620 177ff Nachleistung - der Arbeitsleistung 615 67 Nachschieben - von Kündigungsgründen 626 244 ff 628 38 - von Kündigungsgründen (Unterrichtung des Betriebsrats) 620 546 ff

1163

Sachregister Nach teilsausgleich Nachteilsausgleich - für kündigenden Arbeitnehmer bei Betriebsstillegung 628 28 Nachträgliche Entlohnung - Anspruch 612 12 Nachträgliche Befristung - eines unbefristetes Vertrags 620 79 f Nachweisgesetz - Anspruch auf schriftliche Niederlegung mündlicher Vertragsvereinbarung 611 475 ff Naturalvergütung - als Arbeitsentgelt 611 771 Naturereignis - als Betriebsstörung 615 23 Nebenarbeiten - als Arbeitspflicht 611 572 Nebenbeschäftigung - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 162 Nebenpflichten des Arbeitgebers - Beschäftigungspflicht Vor 620 5 -Fürsorgepflicht 611 876ff - Schutz-und Verhaltenspflichten 611 864 ff - Zwischenzeugnisausstellung 630 22 Nebenpflichten des Arbeitnehmers - Arbeitskampfteilnahme 611 676 - Begriff, Entwicklung 611 674 ff - Treu und Glauben als Maßstab 611 674 - Treuepflichten 611 674 ff -Unterlassungspflichten 611 678ff - Verhaltens-und Handlungspflichten 611 678 ff Nebentätigkeit - als Kündigungsgrund 620 652 - und außerordentliche Kündigung 626 144 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 84 - Kündigungsschutz 620 571 - Verbot, Beschränkungen 611 715 ff - und Zeugnisinhalt 630 54 Nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung - und frühere Fiktion eines Arbeitsverhältnisses 611 304 Nichtigkeit - Arbeitsschutzrecht, abbedungenes 619 4 - des Arbeitsvertrages 611 146, 496 f Vor 620 25 ff - aufgrund Maßregelungsverbots 612 24 - Benachteiligung wegen des Geschlechts 611a 34 - Beschäftigungsverbot, gesetzliches 611 458 - Faktisches Arbeitsverhältnis 611 443, 496 f, 518 - und Gesetzesumgehung 620 16 - Gleichbehandlungsgrundsatz, Verstoß 611 132 f - Kündigung, formwidrige 623 58 ff - der Kündigungserklärung 620 503 ff - Vergütungsvereinbarung, geschlechtsdiskriminierende 612 79 Nichtleistung der Arbeit - Berechtigte - 611 725 ff - Vertragswidrige - 611 736 ff

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Nichtraucherschutz - Arbeitnehmeranspriiche 618 144 ff Nichtstaatliche Normen -Arbeitsrecht 611 90ff Nichtverlängerungsanzeige - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 295 - Form 623 37 NiederspannungsVO - GSG-Ergänzung 618 84 Notenskala - und Zeugnisinhalt 630 69 Notwehr - gegen rechtswidrigen Arbeitskampf 615 166 Öffentliches Recht - Arbeitszeitschutz 611 604 ff, 648 - und Arbeitnehmerbegriff 611 176 Öffentlich-rechtliche Arbeitspapiere - und Beendigung des Arbeitsvertrags 630 137 ff Öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutz - und Fürsorgepflicht des Dienstherrn 618 18 ff Öffentlich-rechtlicher Status - Kirchen, Kirchengewalt 630 Anh 26 Öffentliche Dienstleistungen - Betriebsübergang bei Privatisierung 613a 46 Öffentlicher Dienst - Abschlußgebot für den Arbeitgeber 611 453 - Arbeitsschutz 618 180 ff - und außerordentliche Kündigung 626 145 - BAT-Formerfordernis 611 472 - Beitrittsgebiet und Kündigungsschutz 620 775 ff - und betriebliche Übung 611 532 - Betriebsbegriff 620 584 - Familienzuschläge 611 821 - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 494 - Kündigungsbefugnis 626 231 - Landespersonalvertretungsgesetze 611 87 - Mehrarbeit, Überstunden 611 641 - und Nebentätigkeit 611 720 - Rente wegen Erwerbsminderung 620 341 - Stellenausschreibung 611 376 - Tauglichkeitsuntersuchung 611 439 - Zulage, rechtsgrundlose Zahlung 611 791 Örtliche Weisungsgebundenheit - und Arbeitnehmerstatus 611 208 ff Offenbarungspflichten s a Fragerecht des Arbeitgebers - Vertragsanbahnung 611 387, 390 Offene Handelsgesellschaft - und Kündigungsberechtigung 626 229 Oper - Abendpersonal 620 144 Orchester - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 141 Ordensangehörige - als besonderer Kirchenstand 630 Anh 69 - und Arbeitsrecht 611 251

Sachregister Positive Vertragsverletzung Ordentliche Kündigung s Kündigung (ordentliche) Ordnung im Betrieb - Rechtsnatur 611 95 Ordnungswidrigkeitenrecht - Arbeitsschutzpflichten, öffentlich-rechtliche 618 141 f Organisation - und Arbeitnehmerbegriff 611 199 - Arbeitsschutz und Arbeitsabläufe 618 121 ff - Weisungsgebundenheit, organisatorische 611 210 Organisationsgesetz - Arbeitssicherheitsgesetz als - 618 126 ff Organmitglieder - und Arbeitsverhältnis 611 258 f - und ausgeschlossener allgemeiner Kündigungsschutz 620 571 - und Betriebsübergang 613a 14 - Kündigungsfristen 622 18 f - Vertragsverlängerung, stillschweigende 625 6 - Widerruf der Organstellung aus wichtigem Grund 626 17 Ort der Arbeitsleistung s Leistungsort Pachtverhältnis - und Betriebsrückgabe 613a 25 Papierindustrie - Arbeitszeit 611 602 Parlamentsfraktion - Befristetes Arbeitsverhältnis für Mitarbeiter 620 204 Parteipolitische Betätigung - Meinungsfreiheit und Betriebsfrieden 611 712 Parteizugehörigkeit - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 413 Persönliche Abhängigkeit s Abhängigkeit Persönliche Arbeitsverpflichtung - als Grundsatz 611 558 Persönliche Dienstleistungspflicht - Auslegungsregel 613 Iff Persönliche Gründe - Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 733 Persönliche Verhältnisse - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 10 ff Persönlichkeitsrecht - Arbeitgeberpflicht zur Wahrung 611 761 - und Arbeitsgestaltung 618 23 - und arbeitsvertragliche Bindung 611 26 - Auskünfte unter Arbeitgebern 611 438 - und Beschäftigungsanspruch 611 865 - und Beurteilungen 630 84 - Schutzpflichten des Arbeitgebers 611 874 - und Wahrung der betrieblichen Ordnung 611 711

Personalakte - und Abmahnung 620 640 - und ärztliche Untersuchungsergebnisse 611 439 - Beseitigung aus - 630 86 - und Beurteilungen 630 83 - Einsichtsrecht 630 87 Personalauswahl - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 611436 ff Personaldaten - und Zeugnisinhalt 630 29 Personalfragebögen -Mitbestimmung 611 431 ff Personalrabatt - als Arbeitsentgelt 611 773 Personalverkauf - und Truckverbot 611 773 Personalvertretungsrecht - Arbeitsbefreiung 611 853 - und Arbeitskampfrecht 615 160 - Arbeitsschutz 618 184 - Arbeitsvertrag 611 494 - Befristete Arbeitsverträge 620 448 ff - Betriebliche Mitbestimmung 611 48 ff - Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 566 - Kündigung von Organen 620 455 - Kündigung und Personalratsbeteiligung s Kündigung (Mitbestimmung) - Kündigung eines Schwerbehinderten 626 240 - Landespersonalvertretungsgesetze 611 87 - Lohngestaltung 611 767 - Mandatsträger-Pflichtverletzungen 626 135 ff Personenbedingte Kündigung s Kündigungsschutzgesetz Personenbezogene Maßnahmen - im Arbeitsschutzrecht s Arbeitsschutz Personenschäden - aus Arbeitsunfällen 618 225 ff -Schlechtleistung 611 746f Pfändungen - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 412 Pfändung, Verpfändung - Arbeitsentgelt 614 29 - Krankenfursorge bei häuslicher Gemeinschaft 617 7 - Lohnersatzanspruch als Auflösungsschaden 628 55 Politische Betätigung - Meinungsäußerung und außerordentliche Kündigung 626 139 ff Politischer Streik - als rechtswidriger Arbeitskampf 615 164 Positive Vertragsverletzung - Arbeitsschutz, verletzter 618 9, 209 ff - Kündigungsgründe, unterlassene Angabe 626 243 - Nachweisgesetz, verletztes 611 483

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Sachregister Prämienlohn Prämienlohn - als leistungsbezogene Vergütung 611 812 Praktikanten - Arten 611 330, 334 - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 18 Pressemitarbeiter - Arbeitnehmereigenschaft 611 271 Preußische GesindeO - Gehorsam und Treuepflicht 611 9 Privatautonomie - und Arbeitnehmerbegriff 611162 - und Günstigkeitsprinzip 611 152ff Privatdozent - Dienstverhältnis 611 242 Private Lebensführung - Beschäftigte kirchlicher Einrichtungen 626 133 Privatisierung - Öffentliche Dienstleistungen und Betriebsübergang 613a 46 Privatsphäre - und Arbeitnehmer-Nebenpflichten 611 722 Probearbeitsverhältnis - und außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber 626 56 - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 153 ff - Befristetes Verhältnis, unbefristetes Verhältnis mit vorgeschalteter Probezeit 622 57 - als dauerndes Dienstverhältnis 629 4 - Flexibilität 622 58 - Kündigungsfristen 622 57 ff, 156 - Verkürzte Kündigungsfrist 622 59 f - Vorgeschaltete Probezeit 622 57, 61 Professorenstelle - Verwalter einer - 611 242 Prognose - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 103 ff - Krankheit des Arbeitnehmers 620 612 ff -Kündigungsgründe 620 597 f Prokura - und Betriebsübergang 613a 72 - und Kündigungsberechtigung 626 230 Promotionsvorbereitung - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 415 Provision - und Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 75 - als Arbeitsentgelt 611 778 - und Betriebsübergang 613a 69 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 186 - Handlungsgehilfe 614 8 - als leistungsbezogene Vergütung 611 815 Prozeßrechtsstellungen - und Betriebsübergang 613a 147 ff Psychologische Tests - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 611 436 Räumlichkeiten - und Arbeitsstätte

1166

618 64 ff

Rahmenvereinbarung - über Arbeitsbedingungen 611 325 Rassismus - und außerordentliche Kündigung 626 114 Rationalisierungsmaßnahme - und Ausschlußfrist für außerordentliche Kündigung 626 225 Rauchen - und Gesundheitsgefährdung 618 125 626 108 - Nichtraucherschutz 618 144 ff - und Zeugnisinhalt 630 47 Rechtsanwaltspraxis - als Betrieb 613a 16 Rechtsausübung - und Maßregelungsverbot 612 9 ff Rechtsgeschäft - und Betriebsübergang 613a 47 ff Rechtsgüterschutz - durch Arbeitsschutz s dort Rechtsnormen - und technische Normen, Abgrenzung 618 59 Rechtsprechung - als Rechtsquelle 611 104 Rechtsquellen - im Arbeitsrecht 611 84 ff - Gleichbehandlungsgrundsatz, Verstoß 611 134 Rechts typ - und Rechtstypusverfehlung 612 10 Rechts typenwahl - und Arbeitnehmerbegriff 611 164 Rechtswidrigkeit - von Arbeitskämpfen 615 158 ff Regeln der Technik - und Gerätesicherheitsgesetz 618 76 Rehabilitanden - Berufliche Erstausbildung 611 330 - Rechtsgrundlage 611 239 Reisekosten - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 193 Reisezeiten - und Arbeitszeit 611 618 f - Vergütung 612 15 Religionsfreiheit - Kirchenarbeitsrecht s dort - Staat und Kirche 630 Anh 7 ff Religionsunterricht - Gestellungsverträge 611 309 Religionszugehörigkeit - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 414 - und Zeugnisinhalt 630 52 Renten - Betriebliche Altersversorgung s dort Rentenversicherung - und Sozialversicherung 611 75 Richterliche Anpassung - Gleichbehandlungsgrundsatz, Verstoß 611 134

Sachregister Schlechtleistung Richterliche Vertragskontrolle - Billigkeitskontrolle 611 157 - Einheitsbedingungen/Ausübung einseitiger Leistungsbestimmungen 611 158 Richtlinien s Europäisches Recht Römisches Recht - Dienstleistungen höherer Art 611 4 - locatio conductio 611 3 RöntgenschutzVO - Arbeitsschutzrecht 618 101 Rote-Kreuz-Helfer - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 39 Rote-Kreuz-Schwestern - und Arbeitnehmerbegriff 611 196, 250 Rückabwicklung - der Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzverfahren 620 740 ff Rückforderung - von Vorstellungskosten 629 25 Rücknahme - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 515 ff Rücksichtnahmegebot - Betriebsfrieden und Arbeitnehmer - 611 714 Rückspracheverlangen - aufgrund Direktionsrechts 626 146 Rücktritt - Arbeitsvertrag, Rücktrittsersatz durch Kündigung 611 504 Vor 620 28 f - und außerordentliche Kündigung 626 8 Rückwirkungsfolge - Anfechtung von Arbeitsverträgen 611 499 Rückzahlungsklauseln - Fort- und Weiterbildungskosten 611 882 - Gratifikationen 611 881 Rufbereitschaft - und Arbeitszeit 611 615 Rufschädigung - und außerordentliche Kündigung 626 130 Ruhen des Arbeitsverhältnisses - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 147 Ruhestandsverhältnis - und Betriebsübergang 613a 13 Ruhezeit - und Arbeitszeit 611 623 ff Rundfunkanstalten - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 145 ff Rundfunkgebührenbeauftrage - Arbeitnehmerähnliche Personen 611 281 Rundfunkmitarbeiter - Arbeitnehmereigenschaft 611 271 - Arbeitnehmerstatus 611 206, 210 f Rundfunksprecher - Arbeitnehmerähnliche Personen 611 280 - Arbeitnehmereigenschaft 611 271

Sachbezüge - als Arbeitsentgelt 611 772 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 188 - und Urlaubsentgelt 611 833 Sachgrund - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 12, 81 ff Sachleistungen - als Arbeitsentgelt 611 773 Sachschäden -Schlechtleistung 611 748 ff Saison- und Kampagnebetriebe - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 108 f Schaden - Auflösungsschaden des Arbeitgebers 628 42 ff - Auflösungsschaden des Arbeitnehmers 628 47 ff - Personenschäden infolge Schlechtleistung 611 746 f - Sach- und Vermögensschäden infolge Schlechtleistung 611 748 ff Schadenabwehrpflicht - und außerordentliche Kündigung 626 147 Schadensersatzansprüche - Ablehnung unfallversicherungsrechtlicher Ansprüche 618 255 ff - Arbeitskampf, rechtswidriger 615 169 f - Arbeitspapiere, öffentlich-rechtliche 630 153 - Auskunft über Arbeitnehmer, fehlerhafte 630 135 - Benachteiligung wegen des Geschlechts 611a 35 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Cessio legis) 616 209 ff - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 18 - Fürsorgepflichtverletzung 618 209 ff - Haftung für mangelhafte Geräte 618 80 ff - Kündigung und beiderseitige Pflichtverletzung 628 31 f - Kündigung, Herbeiführung außerordentlicher 628 19 ff - Kündigungsgrund, unterbliebene Angabe 618 243 - Nachweisgesetz, verletztes 611 483 - Schlechtleistung 611 745 ff - Verschwiegenheitspflicht, verletzte 611 704 - Vertragswidrige Nichtleistung der Arbeit 611 738 - Vorstellungskosten, Rückforderung 629 25 - Vorvertragliches Schuldverhältnis und enttäuschtes Vertrauen 611 386 - für Zeugniserteilung 630 106 ff Schadstoffe - und Arbeitsstätte 618 68 Schiffahrt - Arbeitszeit 611 600 Schlechterfüllung - Zeugnisinhalt 630 102 Schlechtleistung - und außerordentliche Kündigung 626 148 -Entgeltminderung 611 741 f

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Sachregister Schlechtwetter - Kündigung 611 743 f - als Kündigungsgrund 620 653 - durch mängelbehaftete Arbeitsleistung 611739 f -Schadensersatzansprüche 611 745ff Schlechtwetter - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 109, 148, 191 Schlichtung - Vereinbarung als Tarifvertrag 615 211 Schlichtungsausschuß - Arbeitsrechtsregelung der Ev.Kirche in Deutschland 630 Anh 100 ff Schlichtungsrecht - Kollektives Arbeitsrecht 611 110 Schlüssiges Verhalten - Kündigung, ausgeschlossene 623 31 Schmerzensgeld - und Leistungssystem gesetzlicher Unfallversicherung 618 230 Schmiergeld - und außerordentliche Kündigung 626 149 Schmiergeldverbot - Arbeitnehmer-Nebenpflicht 611 707 ff Schonzeit - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 69 ff Schriftformerfordernis - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 9 ff Schriftliche Unterrichtung - Beendigung des zweckbefristeten Arbeitsvertrags 620 270 ff Schularten - und Arbeitnehmerstatus 611 214 Schuldbeitritt - Betriebsübergang und gesetzlicher - 613a 117 Schutz des Arbeitnehmers - Arbeitsrechtliches Ziel 611 17 ff - Arbeitsschutz s dort - Arbeitszeitschutz 618 27 - Betriebsübergang 613a 3 - Dienstvertrag/Arbeitsvertrag-Unterscheidung 611 6 - Entgeltfortzahlungsgesetz 611 24 - Haftung s dort - Kündigungsschutzgesetz 611 23 -Rechtsschutz 611 68 ff - Soziale Schutzbedürftigkeit 611 19 - Verschiedene Schutzzwecke 611 34 SchutzaufbautenVO - GSG-Ergänzung 618 84 Schutzausrüstungen - Europäisches Recht 618 187 - GSG-Ergänzung 618 84 Schutzpflichten - als Arbeitgeberpflichten 611 865 ff Schutzrechtsfähigkeit - Dienst- oder Arbeitsergebnisse 612 20 Schwangerschaft - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 415 f

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- und Bewerbung, abgelehnte 611a 16 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 111, 195 - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 28 - Europäisches Arbeitsschutzrecht 618 187 - und Geschlechtsdiskriminierung 611 139 - und Kündigungsschutz 620 752 ff 622 168 - und Zeugnisinhalt 630 58 Schwangerschaftsabbruch - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 58,68 - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 18 - und Leistungsverweigerungsrecht 626 109 Schwarzarbeit - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 86 Schwarzfahrt - und außerordentliche Kündigung 626 150 Schweigegebot - als Arbeitnehmer-Nebenpflicht 611 700 ff Schweigen - und Kündigungsform 620 487 Schwerbehinderung - Abschlußgebot, mittelbares 611 450 - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 417ff - Arbeitsschutz 618 4 - Aussperrung 615 192 - Begriff, Voraussetzungen 611451 - Betriebsratsmitglied, schwerbehindertes 626 241 - Kündigung, außerordentliche 626 234 ff, 259 -Kündigungsfristen 622 24 ff -Kündigungsschutz 620 760 ff, 779 622 168 - Schutz und Förderung 61131 - und Teilzeitarbeit 611 665 - Vertrauensleute 611 851 - Vertrauensmann-Pflichtverletzung 626 137 - Zusatzurlaub 611 837 Scientology Kirche - Kirchencharakter, fehlender 630 Anh 11 Seeleute - Arbeitnehmergruppe, besondere 611 355 - Auflösungsverschulden 628 23 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 196 ff - Fälligkeit der Vergütung 614 11 - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 46 ff - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 22 f - Kündigungsfristen 622 30 ff Seeschiffahrtsassistenz - Arbeitnehmer-Entsendegesetz 611 794 Selbstbestimmungsrecht - Kirchliches - 630 Anh 11 ff Selbstmordversuch - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 93 Sexuelle Belästigung - und außerordentliche Kündigung 626 151

Sachregister Steuerberater - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 202 - und Leistungsverweigerungsrecht 626 108 Sicherheitsbeauftragte -Bestellungspflicht 618 137 ff Sicherheitsingenieure - aufgrund des Arbeitssicherheitsgesetzes 618 128 Sicherheitsüberprüfung - und Arbeitgeber-Fragerecht 611 421 f Sittenwidrigkeit - Arbeitsvertrag 611 443 - Ausschlußfristen für Arbeitsentgelt 614 48 - Dienstvertrag 624 3 - Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 564 - Kündigung 622 37 - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 SOS f - Mankonvereinbarungen 611 755 - Zeugniserteilung 630 118 Smogalarm - als Betriebsstörung 615 23 Soldaten - und Arbeitnehmerbegriff 611 196 - Öffentlich-rechtliche Grundlage 611 234 Soziale Auswahl - bei betriebsbedingter Kündigung 620 673 ff Soziale Selbstverwaltung -Arbeitskampf 611 42ff -Koalitionsrecht 611 36ff -Tarifautonomie 611 40ff - Tarifrecht 611 43 Soziale Sicherheit - und Arbeitsrecht 611 73 ff Soziale Situation - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 160f Sozialgesetzbuch - und Sozialversicherung 611 75 Sozialhilfeempfänger - und Einsatz eigener Arbeitskraft 611 237 Sozialhilfemaßnahmen - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 199 f Sozialplan - und Maßregelungsverbot 612 20 Sozialstaatsprinzip - und Arbeitnehmerschutz 611 20 Sozialversicherungsausweis - Erhalt, Inhalt, Rückgabe 630 146 ff Sozialversicherungsrecht - und Arbeitnehmerbegriff 611176 - Arbeitskampf 615 203 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 209 ff, 225 ff - Haftung für Personenschäden 611 747 - Lohnersatzanspruch als Auflösungsschaden 628 56 - Organmitglieder juristischer Personen 611259 - und Wiedereingliederung 611 240 - Zweige, zu unterscheidende 611 75 ff

Sozialversicherungsträger - Arbeitsunfall und Regreßansprüche 618 252 ff Sozialwidrige Kündigung s Kündigungsschutzgesetz Spesen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 193 Spesenbetrug - und außerordentliche Kündigung 626 153 Spontankündigung - und Schriftformerfordernis 623 29 Sporttrainer - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 150 ff Sportunfall - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 83 Sprecherausschußrecht - Amtsaufgaben und Entgeltfortzahlung 611 850 - Betriebliche Mitbestimmung 611 48 ff - SprecherausschußG 611 59 ff Sprecherdienste - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 179 Sprengstoffgesetz - Arbeitsschutzrecht 618 102 Staat und Kirche - Kirchenarbeitsrecht s dort - Verhältnis nach dem Grundgesetz 630 Anh 4 ff Staatsbürgerliche Pflichten - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 34 Stand der Technik - und Nichtraucherschutz 618 152 Stechuhr - und außerordentliche Kündigung 626 154 Stellenausschreibung - Betriebsverfassungsrecht 611 374, 379 - Bewerbungsunterlagen 611 440 f - Diskriminierungsverbote 611 384 - EG-Freizügigkeit 611 383 - Frauenförderung 611 382 - Geschlechtsneutralität 611 380 - Geschlechtsneutrale Ausschreibung 611b I f f - I n h a l t 611 378ff - Innerbetriebliche - 611 375 - und Leistungsverpflichtung 611 556 - Öffentlicher Dienst 611 376 - Teilzeit 611 381 - zur Vorbereitung einer Vertragsanbahnung 611 385 - Zwang, mittelbarer zur - 611 377 Stellenbeschreibung - und Mitbestimmung 611 433 Stellensuche - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 1 ff Sterilisation - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 58,68 - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 18 Steuerberater - als Betrieb 613a 16

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Sachregister Steuerrecht Steuerrecht - und Arbeitnehmerbegriff 611 176 - und Kirchen 630 Anh 29 f - Lohnersatzanspruch als Auflösungsschaden 628 58 Stillegung s Betriebsstillegung Stillstandszeiten - und Arbeitszeit 611 608 Störfall-Verordnung - und Arbeitsschutzrecht 618 89 Strafgefangene - Rechtsverhältnis 611 241 Strafhaft - und außerordentliche Kündigung 626 104 - und Kündigungsschutz 620 627 Straftaten - und Arbeitskampf 615 163 ff - und außerordentliche Kündigung 626 155 ff - Kündigung und Abwarten rechtskräftiger Verurteilung 626 222 - als Kündigungsgrund 620 654 - und Zeugnisinhalt 630 59 Strahlen- und RöntgenschutzVO - Arbeitsschutzrecht 618 101 Streik s a Arbeitskampf - und Arbeitsvertrag 615 177 ff - und Arbeitsverweigerung 626 107 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 115 - und Gleichbehandlungsgrundsatz im Kündigungsfall 626 61 - Kampfgebiet 615 176 - und Kirchenarbeitsrecht 630 Anh 253 - und Leiharbeitnehmer 626 107 - Rechtsfragen 615 173 ff - Streikarbeit 615 182 - Warnstreik 615 174 - und Zurückbehaltungsrecht 615 175 Streß-Interviews - Auswahlmethoden, Auswahlverfahren 611 436 Strukturveränderungen - und Arbeitsentgeltminderung 611 800 ff Studenten - Befristete Arbeitsverhältnisse 620 164 Stundenanschreiben - und außerordentliche Kündigung 626 159 Subunternehmer - und Arbeitnehmer, Abgrenzung 611 273 Suchterkrankungen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 91 Suspendierung - Arbeitskampf Vor 620 3 - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 203 - Ausübung eines Leistungsverweigerungsrecht Vor 620 5 - Begriff, Rechtsnatur Vor 620 3

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- und Beschäftigungsanspruch 611 866 - und Beschäftigungspflicht Vor 620 4 Synallagma - und Widerrufsklausel 611 541 Tätigkeitsmerkmale - und Betriebsübergang 613a 38 Tätlichkeiten - und außerordentliche Kündigung 626 160 - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 204 Tankstellen-Pächtervertrag - Kündigung bei übermäßig langer Bindung 624 9 Tankstellen-Stationärverträge - Kündigung bei übermäßig langer Bindung 624 8 Tanz - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 142 Tarifautonomie - und Arbeitskampfrecht 611 40 615 155 - und Mindestarbeitsbedingungen 611 45 - Soziale Selbstverwaltung 611 40 f Tarifrecht - Abmachungen zugunsten des Arbeitnehmers 611 150 - Abschlußgebote, kollektivrechtliche 611 455 f - Änderung des Tarifvertrags 611 546 f - Allgemeinverbindlichkeitserklärung 611 519, 550,802 622 113 f - Altersgrenze 620 172 - Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 99 ff - Anwendung, vereinbarte 611 522 ff - Arbeiter, Angestellte 611 342 - Arbeitnehmerähnliche Personen 611 278 f - Arbeitsbereitschaft 611 613 - Arbeitsentgelt 611 780 ff - und Arbeitsentgelterhöhung 611 798 - Arbeitskämpfe, tarifwidrige 615 158 ff - und Arbeitskampfrecht 615 155 - Arbeitsschutz 618 178 f - und Arbeitsvertrag 611 519 ff - Arbeitszeitlage 611 647 - und Auslauffrist bei ao Kündigung 626 27 - Ausschlußfristen für Arbeitsentgelt 614 45 f - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 358 ff - und Beschäftigungsverbot 611 460 - Besetzungsregelungen, quantitative 611 455 - Betriebsübergang und Transformationsausschluß 613a 106 ff, 113 ff - und Betriebsübergang 613a 83 ff - Bezahlung, untertarifliche 612 25 - Bezugnahme auf Tarifvertrag (Kündigungsfristen) 622 126 ff - und Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 562 - Eingruppierungsfragen 611 780 ff - Einstellung nach Befristung 620 293 - und Einzelarbeitsverhältnis 613a 92 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 152

Sachregister Teilbetrieb Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Fortsetzungserkrankung) 616 174 und europäisches Recht 611102 Firmentarifverträge 613a 88 Form der Kündigung, der Auflösungsvereinbarung 623 8 Formvorschriften 611 468, 469, 472 Freistellung von der Arbeit, bezahlte 611 854 Freizeitanspruch nach Kündigung 629 14 und Friedenspflicht 615 167 Geschlechtsbezogene Benachteiligung, verbotene 611a 12 und Gleichbehandlungsgrundsatz, arbeitsrechtlicher 611 119 Gleichbehandlungsgrundsatz, Verstoß 611 134 Gleichstellungsabrede 611 523 Grundrechtsanwendung 620 173 Günstigkeitsprinzip und Vertragsinhalt 611 521 Günstigkeitsvergleich 611 148 ff 622 118 ff und Hochschulrahmenrecht 620 377 Höchstarbeitszeit 611 629 ff und Kirchenregelungen 630 Anh 161 Kollektives Arbeitsrecht 611110 Konstitutive und deklaratorische Regelungen 622 80 ff Kündigung, Ausschluß ordentlicher 626 27 Kündigungsfristen - Allgemeinverbindlichkeit 622 113 f - Arbeiter/Angestellte-Differenzierung 622 95 ff - Baugewerbe 622 105 - Benachteiligungsverbot 622 78 - Chemische Industrie 622 106 - Flexibilität, personalwirtschaftliche 622 101 f - Gartenbaubetriebe Schl-Holst 622 108 - Geltungsbereich 622 111 ff - Gesetzliche Fristen . 622 88 ff - Gleichheitssatz 622 78, 95 -Günstigkeitsvergleich 622 118 ff - Inbezugnahme 622 115 - Inhalt und Grenzen tariflicher Regelungen 622 88 ff - Konstitutive, deklaratorische Regelungen 622 80 ff - Kündigungstermine 622 93 - Längere Fristen 622 94 - Metalltarifvertrag Nord-Westf 622 109 - Richtigkeitsgewähr 622 79 - Schutzinteressen, zu berücksichtigende 622 79 - und Tarifgebundenheit 622 111 ff - Tarifkonkurrenz 622 116 - Textilindustrie B-W 622 107 - Verlängerte Fristen 622 88 ff - Vorrangprinzip 622 76 Landesrechtliche Bestimmungen 611 87 Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen 612 51 und Maßregelungsverbot 612 4

- Mehrarbeit 611 637 - Mehrarbeitszuschläge 611 818 - und Mißverhältnis Leistung/Gegenleistung 612 23 f - und Nebentätigkeit 611 720 - Rangfolge 611 536 - und Regelungskompetenz 611 631 - Sachgruppenvergleich 611 150 - Sachnähe, Richtigkeitsgewähr 630 Anh 167 - Schlichtungs- und Schiedsverfahren 611 87 - Sonderurlaub 611 843 - Sozialauswahl 620 689 - Soziale Selbstverwaltung 611 43 - Tariffähige Verbände 615 159 - Tarifgebundenheit, Änderung 611 548 f -Tarifgebundenheit 622 111 ff - Tarifkonkurrenz 622 116f - Tarifordnungen (1933-1945) 611 92 - und Tariftreueerklärungen 611 794 - Tarifverhandlungen, gescheiterte 615 161 - Tarifverträge als autonome Regelungen 611 91 - und Teilzeitarbeit 611 667 - Überlassung von Arbeitnehmern 611 560 - Übernahmeklauseln für Auszubildende 611455 - Übertarifliche Leistung und Widerrufsvorbehalt 611 541 - Übliche Vergütung als Tarifentgelt 612 36 - U r l a u b 611 831 ff - Verbandtarifverträge 613a 88 - Vereinbarte Anwendung 611 522 ff - und Vertragsfreiheit 611 148 - Widerspruch gegen Weiterbeschäftigung nach Vertragsablauf 625 24 - Zeitliche Grenzen der Arbeitspflicht 633 554 - Zeugnisanspruch 630 75 - Zulagen, über- und außertarifliche 611 798 Tatsächliches Angebot - der Arbeitsleistung 615 34 ff Taxmäßige Vergütung - Anwendungsbereich 612 33 Technik - als Regelungsmaterie des Rechts 618 49 ff Technische Arbeitsmittel - und Gerätesicherheitsgesetz 618 74 ff Technische Normen - Technikregeln, arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und - 618 58 ff Technische Regeln - für Gefahrstoffe 618 97 Technisches Arbeitsschutzrecht - Betriebs- oder Gefahrenschutz als - 618 34 Technisches Hilfswerk - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 41 Teilarbeitsunfähigkeit - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 76 ff Teilbetrieb - und Betriebsübergang 613a 19 ff

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Sachregister Teilkündigung Teilkündigung - und Änderungskündigung, Abgrenzung 620 462 - und Fiktion der Vertragsfortsetzung 625 9 Teilnichtigkeit - einer einzelvertraglichen Regelung 611132 f Teilvergütung - nach außerordentlicher Kündigung 628 5 ff Teilzeitarbeit - Ablehnungsgründe 611 660 f - Abrufarbeit, Arbeitsplatzteilung 611 673 - Altersteilzeit 614 20 - und Arbeitnehmer-Vergleichbarkeit 620 678 - Arbeitnehmeranspruch auf - 611 653 ff - Arbeitszeitmenge 611 628 - Befristung 620 162 f - Behandlungsdiskriminierung 611 670 - Benachteiligungsverbot 611 669 611a 3 612a 3 - Beschäftigtenzahl (KSchG) 620 582 - Beschäftigungsförderung 611 30 - Betriebliche Altersversorgung 612 68 - Diskriminierungsverbote 611 669 - Elternzeit 611 664 - Entgeltdiskriminierung 611 671 f - Europäisches Recht 611 652 - Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach Ablauf der Dienstzeit 625 5 - Frauenförderung 611 666 - Gerichtliche Durchsetzung 611 662 - und Geschlechtsdiskriminierung 611137 f - Gleichbehandlungsgrundsatz, Verstoß 611 134 - Herabsetzung der - 611 655 - Kündigungsschutz 620 570, 765 f - Mehrarbeitspflicht 611 668 - Schwerbehinderung 611 665 - und Stellenausschreibung 611 381 - Tarifliche Ansprüche 611 667 - Teilzeit- und BefristungsG 611 652 - Urlaubsanspruch, Urlaubsentgelt 611 834 - Urlaubsgeld 611 837 - und Vollzeitarbeit, Unterscheidung 611 323 Telearbeit - Begriff, Bedeutung 611 290 Telefax - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 10 - Kündigungserklärung 620 485 Telefongespräche - und außerordentliche Kündigung 626 161 Tendenzbetrieb - als Betrieb 613a 16 - Kirchen und ihre Einrichten, Abgrenzung 630 Anh 2 Testamentsvollstreckung - und Betriebsübergang 613a 45, 56 Theater - Abendpersonal 620 144

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Tod - des Arbeitgebers 611 506 Vor 620 33 - des Arbeitgebers als außerordentlicher Kündigungsgrund 626 162 - des Arbeitnehmers 611506 Vor 620 32 - des Dienstverpflichteten 613 6 - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 23 Torkontrolle - und außerordentliche Kündigung 626 163 Trainer - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 150 ff Treu und Glauben - und betriebliche Übung 611 530 - Formerfordernis, fehlendes bei Kündigung/ Auflösung 623 7 0 S - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 499 ff, 507 f 622 36 - Mankonvereinbarungen 611 755 - Nachvertragliche Treuepflicht 611 687 - Nebenpflichten 611 674 Treuhandschaft - und Betriebsübergang 613a 44 Trinkgelder - und Arbeitsentgelt 611 770 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 189 Truckverbot - beim Personalverkauf 611 773 Trunksucht - und außerordentliche Kündigung

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Überforderung - Schutz vor gesundheitsschädigender - 618 119f Überlassung s Arbeitnehmerüberlassung Übernahmevereinbarung - Kündigungsfristen 622 128 ff Übersetzerdienste - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 179 Überstunden - und Arbeitszeit 611 636 ff - Vergütung 612 14 Übertragbarkeit - Arbeitsleistung 611 559 - der Leistungspflicht 613 7 f Übertragung - und Betriebsübergang 613a 49 Überwachungsbedüftige Anlagen - Sicherheitsanforderungen 618 87 Üble Nachrede - und außerordentliche Kündigung 626 269 Übliche Vergütung -Anwendungsbereich 61234ff Ultima-ratio-Prinzip - und Arbeitskampf 615 161 ff Umdeutung - Anfechtungserklärung in ao Kündigung

611498

Sachregister Urlaub - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 509 ff 623 65 f - Kündigung, unwirksame außerordentliche 626 250 ff Umgruppierung - Tarifrecht 611 784 Umkleidezeit - und Arbeitszeit 611 616 Umschulungsmaßnahmen - und betriebsbedingte Kündigung 620 668 Umsetzung - und außerordentliche Kündigung als ultima ratio 626 41 Umwandlungsvorgänge - und Betriebsübergang 613a 50, 52 Unentgeltlichkeit - Dienst- oder Arbeitsleistung, vereinbarte 612 9 Unerlaubte Handlung - Fürsorgepflichtverletzung (Arbeitsschutz) 618 217 ff - Haftung für mangelhafte Geräte 618 80 ff - Nachweisgesetz, verletztes 611 483 - Zeugniserteilung 630 119 Unfall - Arbeitsunfall s dort Unfallverhütungsvorschriften - Allgemeine Vorschriften 618 70 - Arbeitsmedizinische Vorsorge 618 113 - und Arbeitsschutzanweisungen 618 122 - Arbeitsschutz, konkretisierter 618 7 - und Arbeitsstätteneinrichtung 618 67 - und Gerätesicherheitsgesetz 618 76 - Körperschutzausrüstungen, persönliche 618 108 f - Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit 618 128 - und Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung 618 63 - zur Gerätesicherheit 618 85 - Zusammenstellung 618 63 Unfallversicherung - Arbeitsunfall und System gesetzlicher Unfallversicherung 618 225 ff - Betriebsbegriff 611 358 - Haftung für Personenschäden 611 746 - Öffentlich-rechtliches Betriebsschutzrecht 618 38 ff - und Sozialversicherung 611 75 Ungerechtfertigte Bereicherung - Auflösungsvertrag, nichtiger und Leistungsrückgewähr 623 69 - Fortsetzungsfiktion nach Vertragsablauf 625 29 f Unglücksfälle - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 21 Unmöglichkeit - und Arbeitskampf 615 226

- der Arbeitsleistung Vor 620 30 615 8 ff, 42 ff, 65 f - der Arbeitsleistung, vom Arbeitnehmer verschuldete 616 4 - Arbeitsvertrag, Rücktrittsersatz durch Kündigung 611 504 - aufgrund Gewissenskonflikt 611 565 - und außerordentliche Kündigung 626 8 - infolge Arbeitnehmer-Erkrankung 620 618 - Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 734 Unpünktlichkeit - und außerordentliche Kündigung 626 164 Unrichtigkeiten - Zeugnisinhalt 630 96 ff Unterbrechung - der Beschäftigung und Berechnung von Kündigungsfristen 622 53 ff Unterlassungspflichten - Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers s dort Unternehmen - Begriff, Bedeutung 611 359 - und Betriebsübergang 613a 31 - und Betrieb, Unterscheidung 611 359 - Gemeinsamer Betrieb mehrerer - 611312 - und Gleichbehandlungsgrundsatz 611 126 - Kündigungsschutz, unternehmensbezogener 620 660 f - Umwandlung 611 359 Unternehmensmitbestimmung - Arbeiter, Angestellte 611 340 - Regelung 611 47 Unternehmer - Begriff 618 240 - und Heimarbeiter, Abgrenzung 611 287 Unternehmerhaftung - Ersatz durch Unfallversicherungsschutz 618 225 ff Unternehmerische Zusammenarbeit - und Gemeinschaftsbetrieb 620 579 Unternehmerrisiko - Handelsvertreter 611 263 Unterrichtung des Betriebsrats - nach Kündigung des Arbeitsvertrags 620 523 ff Unterrichtungspflichten s a Fragerecht des Arbeitgebers - Vertragsanbahnung 611 387, 390 Untersuchungshaft - und Entgeltfortzahlung 616 44 - und Kündigungsschutz 620 627 Unwirksamkeit - einer Befristung des Arbeitsvertrags 620 296 ff - Kündigungsfristen, vereinbarte 622 163 ff Urlaub -Abgeltung 611 838f - Ankündigung der Nichtriickkehr 626 112 - und Annahmeverzug des Arbeitgebers 615 81 f - und Arbeitszeitlage 611 645

1173

Sachregister Verbandsrecht - und außerordentliche Kündigung 626 165 ff - und Aussperrung 615 193 - Beendigung des Arbeitsverhältnisses 611 838 - und Betriebsferien 615 127 - und bezahlte Arbeitsfreistellung 611 844 ff - Bildungsurlaub 611 840 - Elternzeit 611 841 - und Entgeltfortzahlung 611 830 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 99 ff - Erholungsurlaub, Urlaubsentgelt 611 831 ff - und Erkrankung 611 838 - Fälligkeit des Urlaubsentgelts 614 14 - Feiertage und Entgeltfortzahlung 616 243 - und Freistellung von der Arbeit 615 122 - und Krankschreibung 626 98 - Kündigung während des - 622 63 - Kündigung, außerordentliche 626 217 - Mindesturlaub 611 833 ff - Schwerbehinderung 611 837 -Sonderurlaube 611 842f - und Streik 615 179 - Tarifrecht 611 836 - Urlaubsgeld, Urlaubsentgelt 611 837 - Urlaubspapiere 630 154 ff Verbandsrecht -Dienstverhältnis 611 248ff Verbot - Abschluß von Arbeitsverträgen 611 457 ff, 496 f - Arbeitgeberherabsetzung durch Arbeitnehmer 626 143 - Direktionsrecht des Arbeitgebers 611 564 - Geschlechtsbezogene Benachteiligung 611a 4 ff - und Kündigungserklärung 620 503 f - Maßregelungsverbot 612 24 - Schutzzweck der Verbotsnorm 611 496 - Vergütungsvereinbarungen 612 21 ff Verdacht - und Zeugnisinhalt 630 61 Verdachtskündigung - Anerkennung als Kündigungsgrund 626 168 ff - Anforderungen 626 175 f - Anhörungspflicht als Wirksamkeitsvoraussetzung 626 177 ff - Mehrheit von Verdächtigen 626 180 - Nachschieben 626 172 f - Tatbestand 626 171 ff - Tatsachen, maßgebende 626 221 - Verstärkung, Entlastung 626 181 f - und Weiterbeschäftigungsanspruch 620 604 - Wiedereinstellung als Ausgleichsmaßnahme 626 183 f Verdächtigung - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 205 Verdienstmöglichkeit - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 206

1174

Vereinbarung - und Maßregelungsverbot 612 13 Vereinsrecht - Dienstverhältnis 611 248 Vererblichkeit - der Leistungspflicht 613 8 Verfahrensrecht s Arbeitsrechtsschutz Vergleichbarkeit - Arbeitnehmerauswahl bei betriebbedingter Kündigung 620 675 ff Vergünstigungen - und betriebliche Übung 611 530 ff Vergütung s Entgelt Verhältnismäßigkeit - Kündigungsgründe 620 594 Verhaltensbedingte Kündigung s Kündigungsschutzgesetz Verhaltenspflichten - als Arbeitgeberpflichten 611 864ff 618 3 - als Arbeitnehmer-Nebenpflichten 611 723 f Verhinderung an der Arbeitsleistung - Entgeltfortzahlung s dort Verjährung -Arbeitsentgelt 611 863 614 35 ff - und Betriebsübergang 613a 68 - Lohnersatzanspruch als Auflösungsschaden 628 55 - Schadensersatzanspruch wegen Zeugniserteilung 630 116 - Vorstellungskosten, Ersatz 629 24 - Zeugnisanspruch 630 74 Verkehrsunfall - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 87 Verkehrswege - als Arbeitsstätte 618 66 Verlust - des Zeugnisses 630 79 Vermittlung - Arbeitsvermittlung (rechtliche Grundlagen) 611 369 ff Vermögensschäden - Schlechtleistung 611 748 ff Vermögensverhältnisse - Arbeitgeber-Fragerecht 611 425 Vermögenswirksame Leistungen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 190 Vermutung - Kündigung und Arbeitsunfähigkeit 616 153 ff Verschulden - Arbeitnehmer-Pflichtverletzung als wichtiger Grund 626 57 ff - Arbeitnehmerverschulden an der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung 616 4 - Arbeitsverhinderung ohne Arbeitnehmer - 616 15 ff

Sachregister Verzug (Annahmeverzug des Arbeitgebers) - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Fortsetzungserkrankungen) 616 176 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 80 ff, 96 - Haftung für mangelhafte Geräte 618 80 ff - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 20 - Schadensersatzansprüche nach Ablehnung unfallversicherungsrechtlicher Ansprüche 618 259 ff Verschwiegenheitspflicht - als Arbeitnehmer-Nebenpflicht 611 700 ff Versetzung - und außerordentliche Kündigung als ultima ratio 626 41 - statt Kündigung 620 608, 642 Versetzungsklauseln - Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers 611 538 Versicherungsvertreter - und Arbeitnehmerbegriff 611 164, 208 Versorgungswerke - und Teilzeitbeschäftigung 611 134 Vertragsähnliche Rechtsbeziehung - aufgrund Zeugniserteilung 630 120 Vertragsaufhebung s Aufhebung des Vertrags Vertragsbruch - und Klage auf Arbeitsleistung 628 24 - Vertragswidrige Nichtleistung der Arbeit 611 736 ff Vertragsfreiheit - Arbeitnehmerähnliche Personen 611 277 - und Arbeitnehmerstatus 611 160 ff - Arbeitsvertrag 611 445 ff - Arbeitsvertrag, Inhaltsfreiheit 611 511 - und Betriebsübergang 613a 5 - und Kündigungsschutzrecht 620 4 ff - und Tarifrecht 611 148 - Wettbewerbsverbot 611 686 Vertragspartnerwechsel - beim Betriebsübergang 613a 61 Vertragsstrafe - Vertragswidriges Arbeitnehmerverhalten 628 26 Vertragsverletzung - und Kündigungsveranlassung 628 10 f Vertrauensgrundlage - und außerordentliche Kündigung 626 186 f, 207 - Fortwirkender Vertrauensverlust und maßgebende Tatsachen 626 223 Vertrauensschutz - Fortsetzung befristeten Arbeitsvertrags 620 288 ff Vertrauenstatbestand - und Abmahnungserfordernis 620 630 Vertretenmüssen - Haftung des Arbeitnehmers 619a 4

Vertretung - Abschluß des Arbeitsvertrags 611 464 f - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 492 ff - Zeugnisausstellung 630 13 Vertretung anderer Arbeitnehmer - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 118 ff Verwirkung - des Kündigungsrechts aus wichtigem Grunde 626 247 ff - Lohnverwirkung 628 26 - Schadensersatzanspruch wegen Zeugniserteilung 630 116 - Vorzeitiges Kündigungsrecht nach Ablauf von 5 Jahren 624 26 - Zeugnisänderung 630 100,105 - Zeugnisanspruch 630 74 Verzicht - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 206 ff - Krankenfürsorgepflicht bei häuslicher Gemeinschaft 617 36 - Kündigungsrecht, außerordentliches 626 249 - Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers 611 696 - Zeugnisänderung 630 104 - Zeugnisanspruch 630 73 Verzug (Annahmeverzug des Arbeitgebers) - Abdingbares Recht 615 99 ff - Ablehnung des Arbeitsangebots 615 51 ff - Angebto der Arbeitsleistung 615 34 ff - Annahme der Arbeitsleistung 615 62 ff - Anrechnung anderweitigen Erwerbs 615 83 ff - Anwesenheitsprämien 615 77 - Arbeitserlaubnis, fehlende 615 45 - Arbeitskampfrisiko 615 149 ff - und Arbeitslosigkeit 615 106 ff - Arbeitsunfähigkeit 615 47 - Arbeitsverhältnis, erforderliches 615 3Iff - Arbeitszeitverlegung 615 123 ff - Aufwandsentschädigung 615 79 - Aufwendungen, ersparte 615 87 ff - Ausbildungsverhältnis 615 145 ff - Auskunft des Arbeitnehmers über anderen Erwerb 615 97 f - Aussperrung 615 184 ff - Aussperrung, rechtswidrige 615 172 - Beendigung des Annahmeverzugs 615 57 ff - Behördliche Anordnungen 615 23 - Betriebsbedingte Kündigung 615 28 - Betriebsferien 615 126 ff - Betriebsrisikolehre 615 16 ff - Betriebsstörungen, Ursachen 615 21 ff - und Betriebsveräußerung 613a 68 - Betriebsvereinbarungen 615 100,132 - Betriebsverfassungsrecht 615 131 - Böswillig unterlassener Erwerb 615 90 ff -Entgeltanspruch 615 70 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 117 - Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers 615 2 - Existenzgefährdung 615 21

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Sachregister Verzug (Schuldnerverzug) -

Fahrerlaubnis, fehlende 615 45 Faktisches Arbeitsverhältnis 615 32 Fehlende Leistungsbereitschaft 615 49 f Freistellung von der Arbeit 615 118 ff Gesundheitszeugnis, erforderliches 615 45 Gratifikationen 615 77 Kälteeinbruch 615 23 Kohlenmangel 615 22 Krankheit des Arbeitnehmers 615 43 Kündigung, formwidrige 623 60 Kündigung, unwirksame 615 47 Kurzarbeit 615 28, 129 ff Landestrauer 615 23 Leistungslohn 615 74 Leistungsunwilligkeit 615 49 f Lohnausfallprinzip 615 70 ff Mehrarbeit 615 76 Nachleistung der Arbeit 615 67 Naturallohn 615 78 Naturereignisse 615 23 Nichtannahme der Leistung, unbeachtliche Ursachenfrage 615 26 - Provisionen 615 75 - Risikoverlagerung 615 28 - Smogalarm 615 23 - Sommerzeit-Einführung 615 23 - Spesen, Tagegelder 615 79 - Sphärentheorie 615 16 ff - Stromausfall 615 22 - durch Suspendierung Vor 620 6 -Tarifrecht 615 99 ff - Tatsächliches Arbeitsangebot 615 34 ff - Treu und Glauben 615 55 - Unmöglichkeit, Abgrenzung 615 42 ff, 65 f - und Unmöglichkeit, Abgrenzung 615 8 ff - Verdiensterhöhungen 615 73 - Vergütungsanspruch 615 70 ff - Verlegung der Arbeitszeit 615 123 ff - Vertretenmüssen, nicht erforderliches 615 3 - Verzugslohn als Bruttolohn 615 71 - Weiterbeschäftigungsanspruch 615 33 - Wirtschaftsrisiko 615 29 - Wörtliches Arbeitsangebot 615 37 ff - Zeitlohn 615 73 Verzug (Schuldnerverzug) -Arbeitsentgelt 614 3 Iff Volkshochschuldozent - und Arbeitnehmerstatus 611 206, 213 Vollmacht - und Betriebsübergang 613a 72 - Kündigung des Arbeitsvertrags 620 493 ff 626 233 - Mißbrauch als Kündigungsgrund 626 188 Vollmachtsentzug - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 208

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Vollzeitarbeitsverhältnis - und Teilzeitbeschäftigung, Unterscheidung 611 323 Volontäre - Begriff 611 332 - Kündigung, Auflösungsvereinbarung 623 18 Vorarbeiten - und Arbeitszeit 611 609 Vorbehalt - Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers 611 538 Vorleistungen - und außerordentliche Kündigung 628 15 Vorrichtungen und Gerätschaften - als Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren s dort Vorruhestandsgesetz - und Kirchenmitarbeiter 630 Anh 152 Vorsatz - und Arbeitnehmerhaftung 611 751 Vorschußzahlungen - und Arbeitgeberdarlehen, Abgrenzung 614 24 - und außerordentliche Kündigung 628 13 f -Begriff 614 26 f Vorsorgliche Kündigung - Schriftformerfordernis 623 28 Vorstellungskosten - Ersatz durch den Arbeitgeber 611 442 - Ersatz nach Auftragsrecht 629 19 ff Vorstrafen - Arbeitgeber-Fragerecht 611 425 - und Zeugnisinhalt 630 62 Vorübergehender betrieblicher Bedarf - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 99 ff Vorvertragliche Verfehlungen - und außerordentliches Kündigungsrecht 626 189 Vorvertragliches Schuldverhältnis - Ärztliche Einstellungsuntersuchung 611 439 - Arbeitnehmerpflichten, allgemeine 611 389 f -Bewerbungsunterlagen 611 440f - Erfüllungsinteresse 611 386 - Erwartung eines Vertragsabschlusses 611 386 - Frage- und Informationsrechte des Arbeitgebers 611 392 ff - Fragerecht des Arbeitgebers s dort - Offenbarungspflichten des Arbeitgebers 611 387 f - Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers 611 390 f - Tauglichkeitsuntersuchung 611 439 - Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers 611 387 f - Vorstellungskosten 611 442 Vorzeitiges Kündigungsrecht - des Dienstverpflichteten nach Ablauf von 5 Jahren 624 24 ff

Sachregister Widerspruch Wach- und Sicherheitsgewerbe - Erlaubnisvorbehalt 620 350 Wahlschuld - Zeugnisanspruch 630 5 f Wahrheit - und Zeugnisinhalt 630 40 Wahrung von Sitte und Anstand - Inhalt der Fürsorgepflicht 618 154 f Warenkreditierung - für Arbeitnehmer 611773 Warnstreik - und Streik, Abgrenzung 615 174 - und ultima-ratio-Prinzip 615 161 Wartezeit - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 143 f - und Fortsetzungsfiktion 625 26 - Kündigungsschutz 620 586 ff Waschzeit - und Arbeitszeit 611 616 Wegerisiko - und Entgeltfortzahlung 616 45 f Wegezeiten - und Arbeitszeit 611 617 - Vergütung 612 15 Wegfall der Geschäftsgrundlage - und Änderungskündigung 611 552 -Arbeitsvertrag 611 504 Vor 620 31 - und außerordentliche Kündigung 626 9 Wehrdienst - Arbeitgeber-Fragerecht 611 428 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 147 - und Kündigungsschutz 620 625, 684, 769 626 101 Weihnachtsgratifikation - Betriebsübergang und Erwerberhaftung 613a 119 - Rückzahlungsklauseln 611 881 Weimarer Reichsverfassung - Arbeitsrecht 611 11 - Begriff des Arbeitsrechts 611 16 - Staat und Kirche 630 Anh 5 f Weisungsgebundenheit s Direktionsrecht Weiterbeschäftigung - Arbeitsbedingungen, veränderte und Arbeitnehmeranspruch auf - 620 666 ff - Auszubildender, geschützter 611 449 - nach Betriebsrats-Widerspruch gegen ordentliche Kündigung 620 558 ff - nach Betriebsübergang 613a 138 ff - Einstweilige Verfugung gegen die Arbeitgeberverpflichtung zur - 620 565 ff - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 8 - und Fortsetzungsfiktion 625 12 - Kündigungsschutzstreitigkeiten und vorläufige - 611454

- Kündigungsschutzverfahren und allgemeiner Arbeitnehmeranspruch auf - 620 734 ff - Unterbliebenes Arbeitnehmerverlangen 615 50 - nach Verdachtskündigung 620 604 - und Vergütung 612 6 - Wegfall eines Kündigungsgrundes 620 601 ff - und Zeugnisanspruch 630 21 Weiterbildung s Fort- und Weiterbildung Werkvertrag - Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe 611 294 - Arbeitsschutz 619 2 - Arbeitsschutz (Fürsorgepflicht) 618 14 f - Dienstvertrag, Werkvertrag, Oberbegriff Arbeitsvertrag 611 5 Werkwohnung - und außerordentliche Kündigung durch Arbeitnehmer 626 209 Wettbewerbsverbot - Arbeiter, Angestellte 611 340 - Arbeitgeber-Fragerecht 611 429 - Arbeitsvertrag und nachvertragliches - 611 471, 687 ff - und außerordentliches Kündigungsrecht 626 190 ff - und Berufsfreiheit 611 688 -Handlungsgehilfen 611 679ff - Karenzentschädigung und Anrechnung anderweitigen Erwerbs 611 698 f - Karenzvereinbarung beim nachvertraglichen 611 690 ff - Mandantenschutzklauseln 611 690 - Vertragliches - 611 686 - Verzicht auf nachvertragliches - 611 696 Wichtiger Grund - und Auflösungsverschulden 628 29 - Beurteilungszeitpunkt 626 33 - Indizwirkung späteren Verhaltens 626 34 - Interessenabwägung 626 29, 38 ff - Konkrete Beeinträchtigung, erforderliche 626 36 - Objektives Vorliegen relevanter Tatsachen 626 31 ff - Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, fehlender 626 267 - als unbestimmter Rechtsbegriff 626 29 f Widerruf - Aufhebungsvertrag Vor 620 23 - Betriebliche Altersversorgung 611 826 - Zeugnisinhalt 630 95 Widerrufsvorbehalt - Leistungszusage unter - 611541 - und Teilkündigung, Abgrenzung 620 463 ff - Übertarifliche Leistung 611 541 Widerspruch - des Betriebsrats gegen ordentliche Kündigung 620 554 ff - Betriebsübergang, Verhinderung der Rechtsfolgen d u r c h - 613a 73ff

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Sachregister Wiedereingliederung - Fiktion der Vertragsfortsetzung bei fehlendem 625 21 ff - Formfreiheit 623 36 - Fortsetzung befristeten Arbeitsvertrags 620 284 Wiedereingliederung - Rechtsverhältnis 611 240, 330 Wiedereinstellung - nach Arbeitskampf 611 455 - Befristeter Arbeitsvertrag, Wegfall sachlicher Befristung 620 286 - nach betriebsbedingter Entlassung 611 456 - nach Betriebsübergang 613a 138 ff - Verdachtskündigung, zu Unrecht erfolgte 611 454 Wirtschaftliche Abhängigkeit - und Arbeitnehmerbegriff 611 200, 222 Wirtschaftliches Gleichgewicht - und Arbeitsvertragspraxis 611 513 f Wirtschaftliche Entwicklung - und befristetes Arbeitsverhältnis 620 99 ff Wirtschaftliche Betätigungen - als Betrieb 613a 16 Wirtschaftsrisiko - und Arbeitskampfrisiko 615 216 - und Lohnanspruch des Arbeitnehmers 615 16 ff Wirtschaftszweig - und Arbeitnehmerüberlassung 611 306 f, 560 - und Beschäftigungsverbote 611 869 ff - und Urlaubsregelungen 611 836 Wissenschaft und Technik - Arbeitsschutz und Stand von - 618 53 f Wissenschaftler - und Arbeitnehmerstatus 611 210 Wissenschaftliche Mitarbeiter - Arbeitnehmereigenschaft 611 267 - Befristete Arbeitsverträge 620 367 ff - Dienstverhältnis 611 243 Wissenschaftliche Tätigkeit - als Heimarbeit 611 292 Wörtliches Angebot - der Arbeitsleistung 615 37 ff Wohlwollen - Zeugnisinhalt 630 41 Wohnraumüberlassung - als Sachbezug 611 773 Zahlungsprobleme - Arbeitgeberhinweis auf - 611388 Zeitbefristung - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 39 ff Zeitpunkt - Freizeitanspruch nach Kündigung 629 13 - Kündigungsgründe 620 595 f - Vorliegen wichtigen Grundes 626 33

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Zivildienst - Arbeitgeber-Fragerecht 611 428 - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 147 - und Kündigungsschutz 620 684 - Kündigungsschutz 620 769 - und Arbeitnehmerbegriff 611 196 - Öffentlich-rechtliche Grundlage 611 234 Zivilrecht - und Arbeitsrecht 611 115 ff Zivilschutzhelfer - Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung 616 41 Zugang - Kündigung und Kündigungsfristen 622 63 ff - Kündigungserklärung 620 469 ff, 476 ff Zulagen - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 183 - als leistungsbezogene Vergütung 611 814 - und Lohngleichheitssatz 612 63 - Rechtsgrundlagen, freiwillige Leistungen 611 820 ff - Über- und außertarifliche - 611 798 Zuordnung - von Arbeitsverträgen 613a 11 Zurruhesetzung - bei dauernder Dienstunfähigkeit 626 19 Zurückbehaltungsrecht - Arbeitsentgelt, Arbeitgebersäumnis 614 33 - Nichtleistung der Arbeit, berechtigte 611 729 ff - und Streik, Abgrenzung 615 175 Zusage - Fortsetzung befristeten Arbeitsvertrags 620 292 Zusatzarbeiten - als Arbeitspflicht 611 573 Zuschläge - aufgrund besonderer Rechtsgrundlage 611816 ff - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 616 183 - Mehrarbeitszuschläge 611 818 Zustandekommen des Arbeitsvertrags s Abschluß des Arbeitsvertrags Zustimmung - zur Kündigungserklärung 620 490 Zwangsverwaltung - und Betriebsübergang 613a 55 Zwangsvollstreckung - und Betriebsübergang 613a 54 - Zeugnisanspruch 630 123 Zweckbefristung - Befristetes Arbeitsverhältnis 620 41 ff, 270 ff Zwischenmeister - Begriff 611 284 Zwischenzeugnis - als vertragliche Nebenpflicht 630 22