Übungen im Strafrecht [2., neubearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111707280, 9783110097573


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German Pages 210 [212] Year 1984

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Erster Teil Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung
Zweiter Teil Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen
Dritter Teil Einübung in die Fallbearbeitung
Sachregister
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Übungen im Strafrecht [2., neubearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111707280, 9783110097573

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03DW3 Übungen

¿nm\ Juristische Ausbildung

Übungen herausgegeben von Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen, Münster Prof. Dr. Gerd Geilen, Bochum Prof. Dr. Klaus Geppert, Berlin Prof. Dr. Albert von Mutius, Kiel Prof. Dr. Peter Schlosser, München Prof. Dr. Peter Schwerdtner, Bielefeld

de Gruyter • Berlin • New York

Übungen im Strafrecht von Harro Otto 2., neubearbeitete Auflage

w DE

G Walter de Gruyter & Co • Berlin • New York • 1984

Dr. Harro Otto o. Professor f ü r Strafrecht, Strafprozeßrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Bayreuth

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Otto, Harro: Übungen im Strafrecht / Harro Otto. - 2. Aufl. Berlin; New York: de Gruyter, 1984. (Jura: Übungen) ISBN 3-11-009757-5

© 1984 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz: Dörlemann-Satz GmbH & Co. KG, 2844 Lemförde Druck: Druckerei Ludwig Vogt, 1000 Berlin 61 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe GmbH, 1000 Berlin 61

Vorwort Die Übungen im Strafrecht sollen den um eine erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit im Strafrecht Bemühten während seines Studiums begleiten. Ihr Ziel ist es, die Schwierigkeiten zu beheben, die der Anfänger hat, wenn es in der Lösung des konkreten Falles gilt, durchaus vorhandenes Wissen in Argumente umzusetzen, dem Studenten während der einzelnen Ausbildungsabschnitte (Übungen, Referendarexamen) die Ungewißheit zu nehmen, was jeweils von ihm erwartet wird, sowie durch Einübung in die Methode der Fallösung und Ermöglichung von Selbstkontrolle dazu beizutragen, jene Ruhe und Überlegenheit zu gewinnen, die Voraussetzung für ein sinnvolles Studium sind. Im ersten Teil werden die Strafrechtsübungen in den Rahmen der juristischen Ausbildung eingepaßt und allgemeine Grundsätze der Methodik der Fallbearbeitung sowie der in Klausuren und Hausarbeiten zu beachtenden Besonderheiten dargestellt. Im zweiten Teil wird das „Wie" der Fallösung durch Aufbauschemata der verschiedenen Deliktsarten durchschaubar gemacht. Im dritten Teil folgt sodann die Einübung. Sie ist über die bloße Kenntnisnahme hinaus auf das Mitdenken des Lesers angelegt, das durch Auswahl und Art der Lösung der Fälle motiviert werden soll: 1. Stoff und Problematik sind von den jeweiligen Erwartungen im Gang der Ausbildung her bestimmt: In der Anfängerübung werden Kenntnisse des Allgemeinen Teils des Strafrechts vorausgesetzt, exemplifiziert werden die Probleme im wesentlichen an Tötungs- und Körperverletzungsdelikten. Die Vorgerücktenübung ist mehr auf den Besonderen Teil zugeschnitten. Der Raum für die eigene Argumentation ist erweitert. Den Klausuren aus dem Referendarexamen liegen Originaltexte zugrunde. Sie sind insofern typisch, als sie deutlich machen, daß es nicht so sehr um etwaiges Detailwissen geht, sondern genaue Argumentation und verständige Auslegung allein weiterhelfen, auch wenn Tatbestände in Rede stehen, die nicht zum üblichen Wissen des Kandidaten gehören oder deren Grenzen ihm plötzlich eigenartig verschwommen erscheinen. 2. Die „Musterlösungen" bestehen nicht nur aus dem Gutachten, sondern die für den konkreten Aufbau des Falles maßgeblichen Überlegungen werden mitgeteilt und die Lösung des Falles durch Anmerkungen sowie Hinweise zur Vertiefung ergänzt. 3. Den Übungsfällen liegen höchstrichterliche Entscheidungen zugrunde. Der Vergleich mit diesen Entscheidungen soll bewußt die Stellungnahme des Lesers provozieren.

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Vorwort

4. Das Niveau der Gutachten ist von den Erwartungen bestimmt, die - unter Berücksichtigung des Ausbildungsstandes - jeweils an eine sehr gute Leistung gestellt werden. Daß dies keine „Traumnote" ist, wenn der Student einmal das „kleinliche Schielen" nach der „wohl gefragten Lösung" aufgibt und ihm richtig erscheinende Lösungen mit vertretbaren Argumenten begründet, hat die praktische Erprobung der Fälle gezeigt. Den Musterlösungen liegen für den Veröffentlichungszweck überarbeitete Fallösungen zugrunde, die mit der Note „sehr gut" bewertet wurden. Unterschiede in Aufbau und Argumentation, z. B. auch bei der Gestaltung der Lösungsskizzen, wurden nicht beseitigt, um auch hier zu zeigen, daß verschiedene Möglichkeiten vertretbar sind. 5. Gleichsam nebenbei soll die Beherrschung der Aufbauschemata vermittelt werden, und zwar so weit, daß der Bearbeiter erkennt, daß ihn das Aufbauschema als Denkschema an die Probleme eines Falles heranführen und ihm Argumentationsmöglichkeiten eröffnen soll und kann. Ein Aufbauschema, das Problembereiche ausspart, ist untauglich, denn es verschließt Argumentationsmöglichkeiten. Es ist daher ein weitverbreiteter Irrtum, daß die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Aufbauschema als solche die Note beeinflußt. M a ß geblich ist allein, ob das gewählte Schema in die Probleme hineinoder an ihnen vorbeiführt. Nicht die Wahl des Schemas oder ein bestimmtes Ergebnis, sondern die folgerichtige, nachvollziehbare Begründung eines bestimmten Ergebnisses wird bewertet! Für ihre Mitarbeit danke ich herzlich meinen Assistenten, Frau Birgit Born, Herrn Martin W . H u f f , Herrn Bernhardt Kirchner und Herrn Dr. Karl Heinz Labsch. Bayreuth, J a n u a r 1984

H a r r o Otto

Inhalt 1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung I.

Formelles: Die Übungen als Examensvoraussetzung II. Sachliches: Die Teilnahme an den Übungen . . . . 1. Die Funktion der Übung in der Ausbildung . . 2. Die Vorbereitung auf die „Strafrechtsübungen « 3. Die Übung als „Scheinveranstaltung" III. Methodik der Fallbearbeitung 1. Erfassen des Sachverhalts und Fallfrage . . . . 2. Gliederung des Sachverhalts 3. Die Lösungsskizze 4. Tatbeteiligung mehrerer Personen 5. Die zu erörternden Straftatbestände 6. Gutachtenstil 7. Subsumtion 8. Auslegen des Sachverhalts 9. Darstellung eines Theorienstreits 10. Konkurrenzen IV. Besondere methodische Hinweise für die Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten 1. Die Klausur 2. Die Hausarbeit V. Anleitungsbücher zur Lösung strafrechtlicher Aufgaben und Fallrepetitorien

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen A.

Das Aufbauschema als Denkschema

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B.

Das Erfolgsdelikt

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I.

Das vorsätzliche Begehungsdelikt 1. Das final orientierte Aufbauschema der h. M. . 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas 3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des vorsätzlichen Begehungsdelikts Das vorsätzliche unechte Unterlassungsdelikt . . . 1. Das Aufbauschema der h. M

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II.

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VIII

Inhalt 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas 3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikts III. Das fahrlässige Begehungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h. M 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas 3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema für das fahrlässige Begehungsdelikt IV. Das fahrlässige unechte Unterlassungsdelikt . . . . 1. Das Aufbauschema der h. M 2. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des fahrlässigen unechten Unterlassungsdelikts V. Das einheitliche Aufbauschema für das vorsätzliche/fahrlässige Begehungs- und unechte Unterlassungsdelikt VI. Das versuchte Erfolgsdelikt 1. Der Versuch 2. Das Aufbauschema C.

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Andere besondere Formen der Deliktsverwirklichung

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Das erfolgsqualifizierte Delikt als Vorsatz/Fahrlässigkeitskombination II. Actio libera in causa III. Der Vollrausch, § 323 a IV. Die Wahlfeststellung

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D. Beteiligungsformen

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I.

I.

Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft und Nebentäterschaft II. Teilnahme

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung Anfängerklausur Nr. 1: Gaststättenfall Aufbau des versuchten Begehungsdelikts, Prüfung von Rechtfertigungsgründen, Aufbau des § 240. - „Notwehr gegen unbeteiligte Dritte", subjektives Rechtfertigungselement bei Fahrlässigkeitsdelikten.

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Inhalt

IX

Anfängerklausur Nr. 2: Heroinfall Aufbau des unechten und echten Unterlassungsdelikts, Prüfung der Garantenstellungen. Tötungsdelikte, §§212 und 222. Anfängerklausur Nr. 3: Säurefall Probleme des Versuchsaufbaus bei mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft. Merkmale des § 211, Mord. Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens beim Versuch, Rücktritt eines Mittäters. Anfängerklausur Nr. 4: Bierkistenfall Aufbau des vorsätzlichen und fahrlässigen Begehungsdelikts. Anstiftung, versuchte Anstiftung. Error in persona - aberratio ictus. Anfängerhausarbeit: Kirmesfall Deliktsaufbau bei Irrtum über tatsächliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes. - Theorienstreit, Zusammenfall von Tatbestands- und Verbotsirrtum, Analogie. Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall Abgrenzung von Betrug und Erpressung, Urkundenfälschung. Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall Vollrausch, § 323 a, Probleme der Schuldprüfung, actio libera in causa. Anstiftung, § 26. Examensklausur Nr. 1: Auspuffall Körperverletzungs- und Tötungsdelikte. Besondere Probleme der Erfolgszurechnung, Fragen der Garantenstellung. - Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c. Examensklausur Nr. 2: Druckkesselfall Problematik des rechtmäßigen Aiternatiwerhaltens. Eidesdelikte, §§ 153 ff. - Vereidigungsverbot des § 60 Nr. 2 StPO, Theorienstreit. Examensklausur Nr. 3: Wahlfeststellungsklausur Probleme des Betrugs, des Diebstahls und der Urkundenfälschung. Vollrausch, § 323 a, Wahlfeststellung. - Antrag auf unzulässiges Beweismittel: Lügendetektor. Referendarhausarbeit: Brandstiftungsdelikte, Brandstiftung durch Unterlassen, Intensivieren der Brandgefahr als In-Brand-Setzen. - Garantenpflicht aus Übernahme von Schutzfunktionen. - Überzeugungstäter und Unrechtsbewußtsein. - Mittelbare Täterschaft durch vollverantwortlich handelndes Werkzeug. Anstiftung zum Unterlassungsdelikt.

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Erster Teil D i e Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung I. Formelles: Die Übungen als Examensvoraussetzung Die erfolgreiche Teilnahme an der „Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene" ist in allen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) notwendige Voraussetzung für die Zulassung zum Referendar- bzw. Zwischenexamen. - Die Bedeutung der „Übung im Strafrecht für Anfänger" hingegen ist an den einzelnen Universitäten unterschiedlich: zum einen ist die Teilnahme an der „Übung im Strafrecht für Anfänger" freiwillig, zum anderen ist die Teilnahme - wenn auch keine erfolgreiche - Examensvoraussetzung, schließlich wird eine erfolgreiche Teilnahme als Zulassungsvoraussetzung zur „Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene" gefordert. Unabhängig von diesen einzelnen Voraussetzungen sollte jedoch auf jeden Fall an der Anfängerübung teilgenommen werden, denn eingeführt wurde sie, weil die hohen Mißerfolgsquoten in der Fortgeschrittenenübung deutlich machten, daß eine Übung allein nicht die hinreichende Sicherheit im Fallaufbau und in der Fallösung vermitteln kann. - Mit Einführung einer weiteren Leistungskontrolle im Zuge der Neugestaltung des juristischen Studiums kommt den Anfängerübungen darüber hinaus besondere Bedeutung zu.

Auch die Bestimmung dessen, was unter einer „erfolgreichen Teilnahme" an einer Übung verstanden wird (mindestens eine ausreichende Hausarbeit, mindestens zwei ausreichende schriftliche Arbeiten, mindestens je eine ausreichende Hausarbeit und Klausur), ist an den einzelnen Universitäten nicht einheitlich getroffen. Im Referendar- bzw. Zwischenexamen fordern die Ausbildungsordnungen aller deutschen Bundesländer die Anfertigung mindestens einer strafrechtlichen Klausur. In den Bundesländern, die im Referendar- und Zwischenexamen eine Hausarbeit verlangen (Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein), kann der Kandidat die Hausarbeit auch im Strafrecht wählen.

II. Sachliches: Die Teilnahme an den Übungen 1. Die Funktion der Übung in der Ausbildung Die Strafrechtsübungen haben, wie auch die Übungen in den anderen Rechtsgebieten, verschiedene Aufgaben: Sie dienen der Leistungskon-

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

trolle, sollen das in Vorlesungen, Arbeitsgemeinschaften und eigener aktiver Bemühung um den Rechtsstoff erworbene Wissen vertiefen und den Verständnishorizont des angehenden Juristen durch Einübung in die Methodik rechtlicher Lösung sozialer Probleme dahin erweitern, daß es ihm möglich wird, die Probleme eines Rechtsfalles im methodischen Vorgehen zu erfassen, sie anderen verständlich zu machen und selbständig einen Lösungsweg zu finden und überzeugend zu begründen. a) Die Leistungskontrolle erstreckt sich auf zwei Bereiche: zum einen soll überprüft werden, wieweit der junge Jurist fähig ist, erworbenes Wissen zur Lösung eines ganz konkreten Falles heranzuziehen. Zum anderen wird beurteilt, ob es ihm gelingt, den Leser mit eigenständigen Argumenten in rational nachvollziehbaren Begründungsschritten zu dem Ergebnis zu führen, das er für richtig hält. b) Die Vertiefung des Wissens ist in der Übung weniger auf weitere Informationsvermittlung angelegt, als auf Erweiterung des Verständnishorizonts. Im Gegensatz zur Vorlesung, die vorrangig Wissen vermittelt, geht die Übung bereits darauf, die kriminalpolitischen, methodologischen und dogmatischen Grundfragen des Strafrechts in Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung selbständig zu durchdenken. Mit dem Wachsen dieses Wissens wird es möglich, die vielfältigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Rechtsinstituten und Problemstellungen zu verstehen, ihre Prämissen zu erkennen und sich der übergreifenden Zusammenhänge zwischen ihnen und in das Sozialleben hinein bewußt zu werden. So erweitert sich der Verständnishorizont beim Eindringen in den Rechtsstoff auch zum Verständnis des gesellschaftspolitischen Stellenwerts juristischer Entscheidungen. c) Die Einübung in die Methodik der Lösung strafrechtlicher Fälle steht in der Übung gleichberechtigt neben der Wissens- und Verständniserweiterung. Die Methodik der Lösung rechtlicher Probleme muß auf die Sauberkeit von Begriffsbestimmungen und die Sorgfalt der einzelnen Deduktion bedacht sein. Zu beachten ist jedoch, daß es nicht darum geht, durch Anwendung irgendwelcher Techniken irgendein Ergebnis zu finden, sondern stets darum, im methodischen Vorgehen die richtige, d.h. überzeugende Lösung eines sozialen Konflikts aufzudekken. - In diesem Rahmen ist auch die Bedeutung der Subsumtionstechnik zu sehen. Sie ist nötiges Handwerkszeug eines jeden Juristen und die Voraussetzung für eine planvolle Fallbearbeitung - zugleich aber muß der subsumierende Jurist sich darüber klar sein, daß Subsumtion nicht Selbstzweck oder selbst bereits wissenschaftliche Methode ist,

II. Die Teilnahme an den Übungen

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sondern nur, als planvolles Vorgehen, Voraussetzung wissenschaftlichen Arbeitens. Sie verhindert, daß wesentliche Teile eines Tatbestandes nicht erörtert werden. Die wissenschaftliche Arbeit aber beginnt erst mit der Auseinandersetzung über Inhalt und Grenzen der einzelnen Begriffe, mit denen der Fallbearbeiter bei der Subsumtion konfrontiert ist, d. h. bei der Beantwortung der Frage, ob der im Gesetz gemeinte Sachverhalt auch wirklich dem zu beurteilenden Sachverhalt entspricht. Subsumtion und formale Regeln (z. B. argumentum e contrario, argumentum a maiore ad minus) sind nur Hilfsmittel bei dieser Feststellung. Das „Hin- und Herwandern des Blickes" (ENGISCH, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. 1963, S. 15) zwischen N o r m und Lebenssachverhalt ist gerichtet auf ein Verstehen der zwischen ihnen bestehenden Entsprechung. Das Verständnis selbst beruht auf einer analogen Denkweise, die eine doppelte Analyse sozialer Sachverhalte voraussetzt: Zunächst gilt es, den Inhalt einer N o r m durch Auslegung zu ermitteln, sodann ist zu prüfen, ob ein konkreter Lebenssachverhalt (soziale Konfliktsituation) jenem Sachverhalt entspricht, den der Gesetzgeber in bestimmter Weise regeln wollte. Abweichungen des tatsächlichen Sachverhalts vom gesetzlich typisierten Sachverhalt sind in sorgfältiger Analyse zu ermitteln und auf ihre Relevanz hin zu untersuchen. 2. Die Vorbereitung auf die „Strafrechtsübungen" a) Die sinnvolle Teilnahme an einer „Übung im Strafrecht" setzt gründliche Kenntnisse des Sachgebiets voraus, auf das sich die Ü b u n g erstreckt. Dies ist f ü r die Anfängerübung in erster Linie der Allgemeine Teil, f ü r die Fortgeschrittenenübung vorrangig der Besondere Teil des Strafrechts. b) Das bloße Anhören einer Vorlesung genügt f ü r den Erwerb dieser Kenntnisse nicht. Die aktive Bemühung um den Lehrstoff ist unerläßlich. Sei es, daß der Student mit Hilfe eines Lehrbuchs das Verständnis f ü r das Gehörte vertieft oder sich sogar schon vor der Vorlesung einen Überblick über den Gegenstand im Lehrbuch verschafft bzw. den Stoff der Vorlesung nacharbeitet. Von Anfang an sollte der Student sich an den Umgang mit einem Lehrbuch gewöhnen, das er sich selbst zulegt. Benutzt er dieses neben der Vorlesung, so wird er sich einen problemorientierten Einstieg in die Materie eröffnen und leichter Verständnis gewinnen, als wenn er ein Lehrbuch isoliert Seite f ü r Seite durchliest. - Ist bei dieser Weise der Erarbeitung des Stoffs die eigene Meinung gebildet worden, so

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1. Teil: D i e Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

sollte - zumindest im Bereich der Grundprobleme des Allgemeinen Teils - der kontrollierende Blick in ein anderes Lehrbuch oder einen Kommentar gewagt werden. 3. Die Übung als „Scheinveranstaltung" Es bedarf nicht erst tiefgründiger Überlegungen, um zu der Einsicht zu gelangen, daß die für eine Übung zur Verfügung stehende Zeit (2 Wochenstunden) und die Zahl der Teilnehmer es oft von vornherein ausschließen, den genannten Aufgaben in dem Umfang gerecht zu werden, der nötig wäre. Auf ein beschämendes Minimum sinkt der Gewinn einer Übung jedoch erst dann, wenn die Übung nur als „Schein-Veranstaltung" angesehen wird. Der Schein soll Nebenprodukt, nicht aber einziges Ziel der Übung sein! Die Übung soll Leistungskontrolle sein, der in ihr erteilte Schein darf aber nicht alleiniges Leistungsziel werden! - Das setzt allerdings voraus, daß der Student zu einer Mitarbeit bereit ist, die über das bloße „Erschlagen" des Scheines hinausgeht, d. h. daß er nicht nur die Arbeiten mitschreibt, die für den Scheinerwerb notwendig sind, sondern daß er möglichst viele Klausuren mitschreibt und sich an der Besprechung der Übungsfälle aktiv beteiligt.

III. Methodik der Fallbearbeitung 1. Erfassen des Sachverhalts und Fallfrage Die Fallbearbeitung beginnt damit, daß der Bearbeiter den Sachverhalt sorgfältig - u. U. mehrmals - durchliest. Dabei ist besonders auf die Fragestellung am Schluß des Sachverhalts zu achten, denn die Fallfrage steckt das für den Bearbeiter strafrechtlich relevante Geschehen ab. Möglich ist es, daß nur nach der Strafbarkeit einer bestimmten Person gefragt wird (Hat A sich strafbar gemacht?). Es kann aber auch das strafrechtliche Verhalten mehrerer Personen zu prüfen (Haben A, B und C sich strafbar gemacht?) oder das strafbare Verhalten aller im Sachverhalt genannten Personen umfassend zu würdigen sein (Wie ist der Fall strafrechtlich zu beurteilen?). Grundsätzlich ist d a s Verhaken von P e r s o n e n , nach deren Strafbarkeit nicht g e f r a g t ist o d e r die nicht mehr b e s t r a f t werden können, weil sie zu T o d e gek o m m e n sind, nicht z u erörtern. E i n e Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn dieses Verhalten f ü r die P r ü f u n g der Strafbarkeit anderer Personen relevant ist, z. B. wenn eine Teilnahme am Verhalten eines Verstorbenen in Betracht kommt.

III. Methodik der Fallbearbeitung

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2. Gliederung des Sachverhalts Da ausschließlich die Strafbarkeit der im Fall genannten Personen interessiert, ist allein relevant, wer durch welches Verhalten welchen Straftatbestand erfüllt hat. Um an diese Fragestellung sachgerecht heranzukommen, ist der Sachverhalt zu gliedern. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die gleichberechtigt nebeneinander stehen, und für deren Wahl im Einzelfall allein praktische Gesichtspunkte ausschlaggebend sind, keineswegs aber zwingende Gründe sprechen. a) Werden in dem zu bearbeitenden Fall mehrere trennbare Sachverhalte geschildert, so sind diese gesondert zu behandeln (Gliederung nach Tatkomplexen). Innerhalb der einzelnen Tatkomplexe wird sodann das Verhalten der verschiedenen Personen erörtert. b) Erscheint eine Trennung einzelner Handlungsabschnitte nicht sinnvoll, weil sie nicht geeignet ist, den Fall klarer zu gliedern - z. B. es kommt nur strafbares Verhalten einer einzigen Person in Betracht —, oder zieht sich das strafbare Verhalten einer Person wie ein roter Faden durch den Fall, wobei hin und wieder Randfiguren auftauchen, so ist es richtiger, zunächst das Verhalten dieser Person zu untersuchen und sodann die Erörterung der anderen Personen anzuschließen (Gliederung nach Personen). c) Maßgeblich für die Wahl im Einzelfall sind allein praktische Gesichtspunkte (Übersichtlichkeit, Möglichkeit besserer Straffung, Zusammengehöriges bleibt zusammen). Mit Beginn der Ausarbeitung muß der Bearbeiter aber seine Entscheidung für die eine oder die andere Gliederungsweise getroffen haben, sonst werden seine Ausführungen unübersichtlich. 3. Die Lösungsskizze Nach der gedanklichen Grobgliederung des Sachverhalts empfiehlt es sich, eine Lösungsskizze zu entwerfen. Diese wird je nach der gewählten Gliederungsweise aufgebaut. Bei der Gliederung nach Tatkomplexen ist der Tatkomplex zu nennen, die Person, deren Verhalten geprüft wird, das relevante Verhalten selbst und der rechtliche Gesichtspunkt (Straftatbestand), der erörterungsbedürftig erscheint. Bei der Gliederung nach Personen ist die Person herauszustellen, deren Verhalten geprüft werden soll, sodann das Verhalten selbst und der rechtliche Gesichtspunkt (Straftatbestand), der erörterungswürdig erscheint. Bei der Niederschrift dieser Lösungsskizze, die der gedanklichen Klärung der Ausführungen dient, sollte der Bearbeiter sich bereits mit

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

je einem Stichwort entscheiden, ob er einen Straftatbestand bejahen oder ablehnen will und wo erörterungswürdige Probleme stecken, die eingehender dargelegt werden müssen. Gleichwohl sollte versucht werden, diese Skizze auf einer DIN-A-4-Seite unterzubringen. 4. Tatbeteiligung mehrerer Personen Stehen die Verhaltensweisen mehrerer Personen in Frage, so ist stets mit der Person zu beginnen, die der Tatausführung am nächsten steht, d. h. am ehesten mit demjenigen, der die Tat mit eigener Hand ausführt. Sodann ist das Verhalten weiterer beteiligter Personen nacheinander zu erörtern. a) Es ist unzulässig, das Verhalten mehrerer Personen zugleich zu untersuchen. Von dieser Regel gibt es nur eine einzige Ausnahme, wenn mehrere Personen nämlich im Sachverhalt wie eine einzige Person geschildert werden. Es heißt z.B.: „A und B steigen bei C ein, nehmen eine bewegliche Sache weg, entfernen sich und bringen die Sache zu einem Hehler, dem sie sie für 50,- DM verkaufen." In diesem Falle ist überhaupt nicht auszumachen, welche Einzelhandlungen A bzw. B begangen hat. Auch eine Trennung nach der subjektiven Einstellung ist nicht möglich. Hier ist ausnahmsweise erlaubt, zwei Personen zugleich zu prüfen. b) Streben mehrere Personen bei zweiaktigen Delikten (z. B. Raub, § 249) den Erfolg arbeitsteilend an, z. B. A hält den B fest, während C ihm die Brieftasche wegnimmt, so empfiehlt es sich, gleichfalls mit einer Person zu beginnen und an dem Punkte, wo das Verhalten der anderen Person aktuell wird, kurz darzulegen, daß beide Personen einen bestimmten Erfolg (die Wegnahme unter Gewaltanwendung) arbeitsteilend anstreben und der erste Täter sich daher das Handeln des zweiten zurechnen lassen muß, um sodann kurz zu prüfen, was der zweite Täter vollbracht hat. c) Bei der Prüfung einer mittelbaren Täterschaft ist zunächst das Verhalten der ausführenden Person (Werkzeug) zu würdigen. Nach Abschluß dieser Prüfung ist darzulegen, warum der Hintermann das Werkzeug derart beherrscht hat, daß er als Täter anzusehen ist. d) Niemals kann Anstiftung oder Beihilfe vor der Haupttat geprüft werden. Das verbietet der Grundsatz der Akzessorietät. Hat der Bearbeiter die Handlungen einer Person X erörtert, und taucht nun die Frage der Anstiftung oder Beihilfe der Person X zu Handlungen einer anderen Person Y auf, so ist die Erörterung von X abzubrechen. Nach Feststellung der Taten des Haupttäters ist sodann mit der Prüfung des Verhaltens von X fortzufahren. Stets ist mit der Prüfung der

III. M e t h o d i k der Fallbearbeitung

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Mittäterschaft zu beginnen, wenn Mittäterschaft, Beihilfe und Anstiftung in Betracht kommen, denn die Mittäterschaft zehrt die schwächeren Formen der Teilnahme auf. e) Aus der Akzessorietät der Teilnahme ergibt sich auch, daß es nicht den Tatbestand einer Anstiftung bzw. Beihilfe an sich geben kann. Genauso, wie es keine Mittäterschaft schlechthin, sondern nur Mittäterschaft bei einem Totschlag, Mord, Raub usw. geben kann, gibt es nur Anstiftung bzw. Beihilfe zu einer Straftat (Haupttat), z. B. zum Totschlag, Mord, Raub usw. Zum Aufbau von Anstiftung und Teilnahme im einzelnen vgl. 2. Teil D II.

5. Die zu erörternden Straftatbestände Das relevante strafrechtliche Verhalten ist umfassend daraufhin zu prüfen, welche Straftatbestände jeweils erfüllt sind. Dabei sind auch relevante Tatbestände außerhalb des StGB - z.B. § 53 WaffG, § 38 BJagdG, §§ 21 ff. StVG - zu beachten. a) Jeder Straftatbestand, der erwähnenswert erscheint, ist einzeln zu erörtern. Dies gilt auch dann, wenn ein Paragraph mehrere Tatbestandsalternativen enthält (z. B. § 267: Herstellen einer unechten, Verfälschen einer echten sowie Gebrauchmachen von einer unechten oder verfälschten Urkunde). b) Welche Straftatbestände vom Bearbeiter zu erörtern sind, kann nicht abstrakt f ü r alle Fälle verbindlich festgelegt werden. Maßgeblich ist hier der Grundsatz, daß jeder Straftatbestand zu erörtern ist, der nicht abwegig erscheint und f ü r dessen Vorliegen im Sachverhalt ein vernünftiger Anhaltspunkt spricht. c) Die Ausführungen sind stets mit dem Straftatbestand zu beginnen, der am wahrscheinlichsten gegeben ist. Kommen bei dieser Vorprüfung mehrere Straftatbestände in Betracht, so ist dem schwersten Delikt grundsätzlich Vorrang zu geben. Dabei ist das Verhältnis der einzelnen Straftatbestände zueinander zu beachten: aa) Der Grundtatbestand eines Delikts ist vor der Qualifizierung bzw. Privilegierung zu erörtern, denn diese baut auf dem Grundtatbestand auf. Beispiel:

§ 223 im Verhältnis zu § 223 a; § 212 im Verhältnis zu § 216.

bb) Die lex specialis ist vor der lex generalis zu prüfen, denn die lex specialis schließt als das engere Gesetz die lex generalis aus. Beispiel:

§ 249 schließt § 242 aus.

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

cc) Straftatbestände, die andere Straftatbestände nach den Regeln der Subsidiarität oder Konsumtion verdrängen, sind vor diesen zu prüfen, da ihnen größeres Gewicht zukommt. Beispiel: § 145 d nach §§ 164, 258, 258 a. - §§ 123, 303 nach §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1.

dd) Das Vorliegen von Regelbeispielen ist zu prüfen, auch wenn es sich sachlich um Strafzumessungsgründe handelt, die gemeinhin im Gutachten nicht zu erörtern sind. Diese Strafzumessungsgründe sind jedoch so tatbezogen ausformuliert, daß sich zu ihnen - im Gegensatz zu Strafzumessungsgründen, die in der Person des Täters liegen Stellung nehmen läßt. Beispiel: Prüfung des § 243 im Anschluß an § 242.

6. Gutachtenstil

Der Bearbeiter hat ein Gutachten anzufertigen, kein Urteil. Das heißt, am Anfang der Ausführungen steht die Erwägung des Bearbeiters, welche Strafrechtsnorm durch das Verhalten einer Person verletzt sein könnte, sodann folgt die Untersuchung, ob die Strafrechtsnorm verletzt wurde, und das Ergebnis der Erörterung. Der Gutachtenstil braucht aber nicht in jedem einzelnen Punkt der Ausführungen durchgehalten zu werden. Uberall dort, wo der Bearbeiter einerseits zeigen will, daß er ein Tatbestandsmerkmal oder einen Tatbestand nicht übersehen hat, andererseits jedoch die Begründung evident ist, kann der Urteilsstil verwandt werden. Gleiches gilt, wenn für einen Ausschluß der Rechtswidrigkeit oder der Schuld kein Anhaltspunkt im Sachverhalt gegeben ist. Zur Verdeutlichung: Gutachtenstil: Die Frage wird aufgeworfen, erörtert und beantwortet. Urteilsstil: Das Ergebnis der Überlegungen wird vorangestellt und sodann begründet. Fall: A überklebt das auf einem Plakatständer befindliche Werbeplakat einer politischen Partei. Gutachtenstil: A könnte sich einer Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB schuldig gemacht haben, indem er das Werbeplakat der Partei überklebte. Dann müßte er eine fremde Sache beschädigt haben. Das Plakat war eine Sache. Diese Sache war für A auch fremd, denn sie stand im Eigentum der Partei. Beschädigt ist eine Sache, wenn sie in ihrer bestimmungsmäßigen Funktions- und Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigt wird. Das ist hier der Fall, denn die Werbefunktion des Plakates wurde aufgehoben. Dies war dem A bewußt, er handelte daher vor-

III. M e t h o d i k d e r Fallbearbeitung

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sätzlich. - R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e u n d S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e liegen nicht vor. A h a t sich d e m g e m ä ß einer Sachbeschädigung g e m ä ß § 303 StGB schuldig gemacht. Urteilsstil: A h a t sich einer Sachbeschädigung g e m ä ß § 303 StGB schuldig gemacht, als er das W e r b e p l a k a t überklebte. D a s Plakat w a r eine f r e m d e Sache, d e n n Eig e n t ü m e r i n w a r die politische Partei. D u r c h das U b e r k l e b e n w u r d e die W e r b e f u n k t i o n beseitigt u n d damit die b e s t i m m u n g s m ä ß i g e F u n k t i o n s - u n d G e b r a u c h s f ä h i g k e i t beeinträchtigt. A handelte vorsätzlich, rechtswidrig u n d schuldhaft.

7. Subsumtion Mit der Überlegung, welcher Straftatbestand durch ein bestimmtes Verhalten erfüllt sein könnte, sind dem Bearbeiter zwei Sachverhalte gegeben. 1. Der Fall 2. Der im Gesetz beschriebene Sachverhalt Die Aufgabe des Bearbeiters ist es, darzulegen, ob der im Fall beschriebene Sachverhalt dem im Gesetzeswortlaut erfaßten entspricht. Sachverbalt: A schlägt d e m B mit der Faust ins Gesicht, weil er sich ü b e r ihn geärgert hat. Tatbestand: § 223 Abs. 1: W e r einen a n d e r e n körperlich m i ß h a n d e l t . . . Subsumtion: 1. „Wer": d e r A 2. „einen a n d e r e n " : den B 3. „körperlich m i ß h a n d e l t " , d . h . den K ö r p e r übel u n a n g e m e s s e n b e h a n d e l t , so d a ß das körperliche W o h l b e f i n d e n o d e r die körperliche U n v e r s e h r t h e i t nicht unerheblich beeinträchtigt wird. - Ein Faustschlag ins Gesicht ist ein schwerer, übler Eingriff in die körperliche Integrität, der das W o h l b e f i n d e n erheblich beeinträchtigt. Ergebnis: A h a t den objektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1, 1. Alt. erfüllt.

a) Niemals ist eine Fallbearbeitung mit Vorreden zu beginnen. Seien diese nun Erörterungen zivilrechtlicher Vorfragen oder Darlegungen, warum mit einem bestimmten Straftatbestand begonnen wird und nicht mit einem anderen, oder gar Ausführungen zur Mittäterschaft bzw. zum „Irrtumsproblem schlechthin". (Aufbauerwägungen sind zwar richtig, doch dürfen sie ihren Niederschlag nur im Aufbau selbst finden. Ist dieser Aufbau nicht aus sich heraus überzeugend, so helfen Ausführungen zur Berechtigung dieses Aufbaus auch nicht weiter.)

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

Dies alles ist vollkommen uninteressant an dieser Stelle und sagt dem Leser gar nichts für die Lösung des Falles. Allein dort, wo z. B. ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal, sei es etwa der Begriff „fremd" in § 242 oder sonst ein Begriff, der auf zivilrechtliche Fragen hindeutet, der Klärung bedarf, dort sind diese Fragen zu erörtern. b) Bei seinen Ausführungen hat der Bearbeiter zu beachten, daß der praktische Fall weder lediglich Aufliänger für irgendwelche theoretischen Erwägungen ist, die dem Bearbeiter anläßlich der Fallbearbeitung in den Sinn kommen, noch dem Korrektor allein an einem Ergebnis gelegen ist, mag es noch so richtig sein. Maßgeblich ist vielmehr, ob man den Ausführungen entnehmen kann, daß der Bearbeiter fähig ist, einen praktischen Fall gründlich und sinnvoll zu einem begründeten Ergebnis zu führen. Mit anderen Worten: Die Bearbeitung hat alles das und nur das zu enthalten, was zur Begründung der Lösung nötig ist. Nicht notwendige Darlegungen, schmückendes Beiwerk, schaden nur. c) Um sofort zur Sache zu kommen, empfiehlt es sich, bereits im ersten Satz klarzustellen, welche konkrete Verhaltensweise einer bestimmten, im Fall genannten Person auf ihre Strafbarkeit hin untersucht wird. d) Allerdings sollte der Einleitungssatz im Laufe der Ausführungen ein wenig variieren, zum Beispiel: „A könnte sich des Diebstahls, § 242, schuldig gemacht haben, indem er dem B das Portemonnaie aus der Tasche zog." Oder: „Es ist zu prüfen, ob der A den Tatbestand des Diebstahls, § 242, erfüllte, indem er dem B das Portemonnaie aus der Tasche zog." Oder: „A zog dem B das Portemonnaie aus der Tasche. Damit könnte er den Tatbestand des Diebstahls, § 242, erfüllt haben." Oder: „A hat das Portemonnaie dem B aus der Tasche gezogen, er könnte sich daher wegen eines Diebstahls, § 242, strafbar gemacht haben." e) Bei der Subsumtion ist ein Tatbestandsmerkmal nach dem anderen zu erörtern. Eine Häufoing der Merkmale führt nur zu Ungenauigkeit und Unübersichtlichkeit. Beispiel: Der Student S nimmt aus der Anatomie den Kopf einer Leiche mit, um ihn zu Hause zu sezieren. Falsch ist es, bei der Prüfung des Diebstahls die Frage, ob der Kopf eine fremde bewegliche Sache ist, undifferenziert zu erörtern, denn ob der Kopf eine Sache ist, erscheint bereits problematisch. Daß diese Sache beweglich ist, läßt sich zwar mit einem kurzen Hinweis klarstellen, hingegen ist der Nachweis, daß die bewegliche Sache eine ,Jremde" ist, recht schwierig zu führen.

III. M e t h o d i k der Fallbearbeitung

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8. Auslegen des Sachverhalts Erscheint der Sachverhalt nicht eindeutig, so ist er von der allgemeinen Lebenserfahrung her auszulegen. Ganz abwegige - abstrakt mögliche Konstellationen sind nicht zu erörtern, auf sie müßte im Text ausdrücklich verwiesen werden: Beispiel: Heißt es im Sachverhalt, A lauert dem B auf, um diesen zu berauben, so wäre eine Alternative dahin, ob A zurechnungsfähig ist oder nicht, unvertretbar. - Zwar sagt der Sachverhalt nichts über die Zurechnungsfähigkeit des A, eine derart vom Üblichen abweichende Gegebenheit müßte jedoch ausdrücklich im Text erwähnt werden.

Bleibt der Sachverhalt auch nach der Auslegung mehrdeutig, und führen die unterschiedlichen Deutungen zu verschiedenen rechtlichen Folgerungen, so muß der Bearbeiter eine Alternativentscheidung treffen. Beispiel: A erschießt eine Katze, die wiederholt Tauben aus seinem Taubenschlag geholt hat. - Hier ist es möglich, daß es sich um eine fremde (Eigentümer ein Dritter) oder eine derelinquierte Katze gehandelt hat. - Diese Sachverhaltsalternative ist f ü r die Frage, ob der Tatbestand der Sachbeschädigung gegeben ist („fremde Sache"), wesentlich. D a h e r die Alternative: a) Die Katze gehörte einem Dritten. b) Die Katze gehörte niemandem.

9. Darstellung eines Theorienstreits Sog. Theorienstreitigkeiten (unterschiedliche Ansichten über den Inhalt oder die Grenzen eines Begriffs o. ä.) sind nur zu erörtern, wenn der „Theorienstreit" f ü r die Lösung des Falles erheblich ist. In einem solchen Falle hat der Bearbeiter zunächst einmal auszuführen, daß es verschiedene Möglichkeiten gibt, einen bestimmten Begriff zu interpretieren. Sodann ist darzulegen, ob die verschiedenen Ansichten im konkreten Fall zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen. Ist das der Fall, so muß der Bearbeiter Stellung nehmen, sich f ü r eine Meinung entscheiden und seine Ansicht begründen. Beispiel: Die A sagt als Zeugin vor Gericht aus, der B sei in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai bei ihr gewesen. Sie glaubt, daß dieses der Wahrheit entspreche, während in Wirklichkeit der B erst in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai bei ihr war. H ä t t e sie sich ihre Aussage eingehender überlegt, wäre ihr der Irrtum aufgefallen. a) Sieht man eine Aussage als „falsch" an, weil sie mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (obj. Theorie), so ist die Aussage der A falsch. b) Bestimmt man „falsch" subjektiv (subj. Theorie), so war die Aussage der A nicht falsch, weil sie selber glaubte, die Wahrheit zu sagen. c) Betrachtet man eine Aussage als „falsch", die zustande gekom-

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1. Teil: D i e Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

men ist, weil der A u s s a g e n d e sein Wissen nicht ü b e r p r ü f t hat (Pflichttheorie), s o war die A u s s a g e der A falsch, da sie nicht sorgfältig von A überdacht worden war. D a die verschiedenen „ T h e o r i e n " zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muß der Bearbeiter dies darlegen und sich mit den verschiedenen M e i nungen bei der B e g r ü n d u n g seines eigenen L ö s u n g s w e g e s auseinandersetzen.

Kommen hingegen bei einer Streitfrage sämtliche „Theorien" zu demselben Ergebnis, so braucht der Verfasser die Theorien nicht im einzelnen darzulegen, sondern kann nur kurz mitteilen, daß es verschiedene „Theorien" gibt, die hier aber jeweils zu dem gleichen Ergebnis kommen. Eine Auseinandersetzung ist sodann nicht nötig. Daraus folgt: Immer dann, wenn verschiedene Lehrmeinungen, d. h. Rechtsmeinungen, ein unterschiedliches Ergebnis begründen, muß der Verfasser sich für die eine und gegen die andere Meinung entscheiden. Alternativentscheidungen über Rechtsfragen sind unzulässig! Bei der Entscheidung von Streitfragen verdrängt die eigene, bewußte Stellungnahme die zufällige Übernahme irgendwelcher fremden Meinungen. Dieser Stellungnahme kann der Jurist nämlich nicht ausweichen, soll er seiner Rolle, soziale Probleme „richtig" zu entscheiden, gerecht werden. Die eigene Stellungnahme ist sogar weit häufiger erforderlich, als der junge Jurist meint. D a nämlich weder die genauen Umrisse des vom Gesetzgeber in seinen gesetzlichen Vorschriften Gemeinten, noch die in jeder strafrechtlichen Problemlösung mitschwingenden allgemeinen Prämissen des Strafrechts unstreitig feststehen - geschweige denn immer konsequent verfolgt werden kommt es zu erheblichen Auseinandersetzungen über den Inhalt einzelner Normen, über die richtige Auslegung oder Definition einzelner Begriffe oder über die Uberzeugungskraft einer Einzelfallösung bei Anwendung dieser Prämissen oder Begriffe. Will man in diesem Streit nicht den Boden unter den Füßen verlieren, so ist es wesentlich, zu erkennen, warum es zu dem Streit kommt, d. h. wo überhaupt ein Problem liegt, und warum es sich dabei um ein Problem handelt. Ist dies geschehen, so wird die eigene Stellungnahme und die Entwicklung der abweichenden Lösungsvorschläge zu dem Problem keine Schwierigkeit machen. Allein darauf kommt es an, denn der Jurist soll nicht irgendwelche fremden Meinungen zur Lösung sozialer Probleme auswendig herleiern können, sondern seine eigene Meinung überzeugend begründet - in Auseinandersetzung mit etwaigen Gegenmeinungen - vortragen und zur Basis seiner Entscheidung machen. - Natürlich kann er sich auch einer anderen Meinung anschließen, wenn er diese für richtig hält.

IV. Besondere methodische Hinweise

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In seinen eigenen Worten, in denen er darlegt, warum er sich dieser Meinung anschließt, erhält dann seine Entscheidung gleichfalls ihre Uberzeugungskraft. Mit dem eigenen Vor-urteil, d. h. dem in einem bestimmten Verständnishorizont (Vorverständnis) gefaßten Urteil über die Sachgerechtigkeit der Lösung eines konkreten sozialen Konflikts, beginnt das dogmatische Denken: Die Uberprüfung des Vorurteils ist der Anfang der methodischen, d.h. schrittweise rational nachvollziehbaren Begründung des Urteils. Erweist diese Überprüfung des Vorurteils dieses als nicht haltbar, weil es z. B. nicht mit der gesetzlichen Regelung in Einklang zu bringen ist, so ist zu prüfen, ob der Argumentationsweg einen Fehler aufweist oder aber, ob bisher für richtig gehaltene Prämissen der Korrektur bedürfen und damit das Vorverständnis neu zu strukturieren ist. 10. Konkurrenzen Die Fallbearbeitung endet mit dem Abschnitt „Konkurrenzen". Hier hat der Bearbeiter geschlossen darzulegen, welche strafbaren Handlungen von den einzelnen im Fall genannten Personen begangen worden sind, und wie diese Handlungen im Verhältnis zueinander stehen: Idealkonkurrenz, Realkonkurrenz, Gesetzeskonkurrenz (Konsumtion, Subsidiarität, Spezialität). Ausführungen zur Strafhöhe sind unstatthaft. Um über das Strafmaß entscheiden zu können, müßte der Bearbeiter den Täter kennen und sehr viel mehr wissen, als der knappe Sachverhalt sagt. In den Übungs- oder Examenssachverhalten begegnen dem Bearbeiter nur Pappfiguren.

IV. Besondere methodische Hinweise für die Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten 1. Die Klausur (1) Die

Klausursituation

In der Klausur soll der Bearbeiter zeigen, daß er in der Lage ist, eine juristische Problematik in beschränkter Zeit zu erfassen, zu lösen und darzustellen. Das wesentliche Problem dieser Aufgabe ist das Zeitproblem. Wer zunächst eine vollständige Niederschrift ins „Unreine" anfertigt, kommt zwangsläufig in Zeitnot. Schlechte Schrift, Auslassungen und eine unvollständige Reinschrift sind die Folge. Wer sogleich nach kur-

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

zem Blick mit der „Reinschrift" beginnt, endet nicht besser. Flickwerk, Ergänzungen, Durchstreichungen, Widersprüche, kurz das Ergebnis eines gedanklichen Durcheinanders, sind unumgänglich. Richtig hingegen ist es, etwa 1/3 der zur Verfügung stehenden Zeit zur Anfertigung einer Lösungsskizze zu benutzen. In dieser Lösungsskizze sind die Gedanken nach Personen und Handlungsabschnitten zu ordnen, die zu erörternden Paragraphen aufzunehmen und hierbei die wesentlichen Tatbestandsmerkmale bereits aufzuzählen, Problemlösungen zu skizzieren und in Stichworten festzuhalten, welche Argumente für die Lösung sprechen. Im einzelnen vgl. dazu die Lösungsskizzen im 3. Teil.

(2) Formalien Die Arbeit hat auf der ersten Seite den Namen, die Studienanschrift und die Semesterzahl des Bearbeiters zu enthalten. Weiter ist die Übung, in deren Rahmen die Arbeit geschrieben wird, genau zu kennzeichnen und anzugeben, bei wem diese belegt ist, z. B.: Friedrich Müller Gisselberger Straße 10 3550 Marburg 2. Semester Übungen im Strafrecht für Anfänger bei Prof. Dr. X. SS ... 1. Klausur Diesen Angaben folgt der Text der Aufgabe (Fall) und anschließend das Gutachten. Es empfiehlt sich, ein entsprechendes Deckblatt bereits zur Klausur mitzubringen. Dadurch spart der Bearbeiter Zeit. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß Stil und Sprache der Ausführungen korrekt, klar und knapp zu haken sind, die Schrift lesbar ist. Es ist darauf zu achten, daß ein hinreichender Rand für Korrekturen gelassen wird (mindestens 1/3 des Bogens). Es empfiehlt sich, die Seiten nur einseitig zu beschreiben, denn für den Fall, daß der Bearbeiter größere Änderungen vornehmen will, lassen sich um so leichter ganze Seiten austauschen. Die Seiten sind fortlaufend zu numerieren. Eine Gliederung ist der Ausarbeitung nicht voranzustellen. Das bedeutet aber nicht, daß eine Gliederung überflüssig ist. Mit der sorgfältigen gedanklichen Gliederung des Sachverhalts beginnt vielmehr die Arbeit an der Klausur. Sie ist Voraussetzung jeder ordentlichen Klausur. - Ist die gedankliche Gliederung erfolgt, so ist eine Lösungsskizze zu entwerfen.

IV. Besondere methodische Hinweise

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2. Die Hausarbeit (1) Die

Aufgabenstellung

In der Aufgabenstellung unterscheidet sich die Hausarbeit von einer Klausur nicht in der Art, sondern im Umfang und in der Gründlichkeit sowie der Pflicht, andere Ansichten möglichst umfassend zu belegen. An eine Hausarbeit ist daher genauso heranzugehen wie an eine Klausur: Den Beginn stellt die gedankliche Gliederung dar, die in der Lösungsskizze ihren unmittelbaren Niederschlag findet. Die Lösungsskizze sollte der Bearbeiter hier ruhig mit Hilfe eines Lehrbuchs oder eines Kommentars anfertigen. Dabei wird er bereits die wesentlichsten Problempunkte erkennen und bemerken, zu welchen rechtlichen Problemen eine Vertiefung in der Literatur nötig ist. Nach Anfertigung der Lösungsskizze ist die genaue Überarbeitung der Lösung mit der Literatur zu empfehlen, wobei sehr wesentlich ist, darzustellen, warum ein bestimmtes Problem vorliegt, wie Lehre und Rechtsprechung die Lösung sehen (mit Zitaten!), und sodann in kritischer Auseinandersetzung mit den vorgefundenen Auffassungen die eigene Meinung zu entwickeln und zu begründen. Die bloße Bezugnahme auf die herrschende Meinung oder auf andere Autoritäten genügt nicht. - Auch wenn der Bearbeiter sich einer anderen Meinung anschließt, muß er mit eigenen Worten begründen, warum er dies tut. Es ist dringend davor zu warnen, die Literaturarbeit zu beginnen, bevor die Lösungsskizze vollständig fertig ist. Vor dem ziellosen Exzerpieren und Fotokopieren in der Seminarbibliothek kann nicht eindringlich genug gewarnt werden. (2) Die Arbeit mit

Literatur

Im Gegensatz zur Klausur, in der der Bearbeiter die Probleme und möglich erscheinende Problemlösungen nur darstellt und seine Entscheidung mit eigenen Argumenten begründet, ist in der Hausarbeit eine Auseinandersetzung mit den in Lehre und Rechtsprechung vorgeschlagenen Problemlösungswegen notwendig. Die verschiedenen in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Ansichten sind zu belegen und zwar möglichst umfassend. Selbstverständlichkeiten, die sich insbesondere bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergeben, bedürfen jedoch keines weiteren Nachweises. Wichtig ist es, daß der Bearbeiter sich nicht mit den Literaturnachweisen in Lehrbüchern und Kommentaren begnügt, sondern selbst zur Primärliteratur (Entscheidungen, Monographien, Aufsätze) greift, da dort die Auseinandersetzung im Regelfall wesentlich breiter geboten wird als in den u.U. kurzen Hinweisen eines Lehrbuches und

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

Kommentars, deren Hinweise als Verweisungen auf weiterführende Literatur zu verstehen sind. Es ist für die Zwecke der Übung nicht unbedingt erforderlich, die Literatur in der jeweils neuesten Auflage zu benutzen. Man sollte sich jedoch bemühen, möglichst mit neuesten Auflagen zu arbeiten. Beim Zitieren ist zu beachten: Zitate sind nur bei Rechtsfragen sinnvoll. - Falsch: A hätte den Erfolg vorhersehen können (BGHSt 24 S. 215). - Der BGH hat sich nicht mit dem im Fall genannten A beschäftigt. Die Zitate müssen so genau sein, daß der Leser die Fundstelle ohne Schwierigkeiten finden kann. Wörtliche Zitate sind möglichst zu vermeiden. Sie sind allein angebracht, wenn es auf den Wortlaut der zitierten Stelle ankommt. In einem solchen Falle ist das wörtliche Zitat in Anführungszeichen zu setzen. Im einzelnen vgl. dazu die Hausarbeiten im 3. Teil.

(3)

Formalien

Auch die Hausarbeit enthält zunächst die Personalien des Bearbeiters, die Kennzeichnung der Übung und den Text des Falles. Es folgen sodann die Gliederung, das Literaturverzeichnis, das Gutachten - möglichst in Maschinenschrift - und die Unterschrift. a) Die Gliederung soll dem Leser auf einen Blick erkenntlich machen, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten (§§) und auf welchen Seiten seiner Arbeit der Bearbeiter die Strafbarkeit welcher Personen auf Grund welcher Verhaltensweisen geprüft hat. Enthält die Gliederung weniger, so ist nichts mit ihr anzufangen, so z. B. wenn in einem Fall, in dem der A verschiedene Handlungen vorgenommen hat, lediglich die Überschrift „Strafbare Handlungen des A" und sodann ein Dutzend §§ zu finden sind. Enthält die Gliederung mehr, z.B. eine Aufgliederung der §§ nach obj. und subj. Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld, so wird sie zu umfangreich und nimmt die Ergebnisse vorweg. b) Im Literaturverzeichnis ist diejenige Literatur anzugeben, die der Bearbeiter in seinem Gutachten zitiert, und zwar vollständig, d. h. alle verwerteten Lehrbücher, Grundrisse, Kommentare, Monographien, Dissertationen, Aufsätze in Zeitschriften, Festschriften und sonstigen Sammelwerken, Urteilsanmerkungen, Buchbesprechungen usw., dagegen nicht Urteile. Diese sind nur in den Anmerkungen zum Text zu zitieren. Das Literaturverzeichnis ist vernünftig zu ordnen, am besten durchgängig alphabetisch nach den Verfassern.

V. Anleitungsbücher

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Selbständige Schriften (Lehrbücher, Kommentare, Monographien usw.) werden zitiert: Name des Verfassers (bei Verwechselungsgefahr auch der Vorname), Titel des Werkes, Auflage, Erscheinungsjahr, z.B.: MAURACH/SCHROEDER, Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband 1, 6 . Aufl. 1 9 7 7 ; SCHMIDHÄUSER, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2 . Aufl. 1975.

Der Erscheinungsort ist nur bei gänzlich unbekannten Werken anzugeben. Die Herausgeber eines Kommentars sind vollständig aufzuführen. Unselbständige Beiträge (Aufsätze in Zeitschriften, Festschriften und Sammelwerken o.a., Urteilsanmerkungen, Buchbesprechungen) werden nach Verfasser, Titel oder sonstiger Kennzeichnung und Fundstelle angeführt, z . B . : BOCKELMANN, Wann ist der Rücktritt vom Versuch freiwillig?, NJW 1 9 5 5 S. 1 4 1 7 ff.; SCHMIDHÄUSER, Über die Wertstruktur der Notwehr, Honig-Festschrift, 1970, S. 185 ff., oder. SCHMIDHÄUSER, Über die Wertstruktur der Notwehr, in: Festschrift für Honig, 1970, S. 185 ff. Entscheidungssammlungen brauchen nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt zu werden. c) In der Ausformulierung des Gutachtens kann sodann unter Verweisung auf die allgemeinen Angaben im Literaturverzeichnis die Literaturangabe in der Fußnote gekürzt angegeben werden: z.B.: vgl. MAURACH/SCHROEDER, B . T . I, S . 3 8 7 , oder BOCKELMANN, N J W 1 9 5 5 S. 1418. Sind mehrere Schriften der gleichen Verfasser zitiert, so ist bei den Einzelzitaten ein klärender Hinweis nötig, auf welches im Literaturverzeichnis angegebenes Werk an dieser Stelle verwiesen wird, z.B. SCHMIDHÄUSER, A.T., 8 / 3 , im Gegensatz zu: SCHMIDHÄUSER, Honig-Festschrift, S. 190. Im einzelnen vgl. dazu die Literaturverzeichnisse der Hausarbeiten im 3. Teil.

V. Anleitungsbücher zur Lösung strafrechtlicher Aufgaben und Fallrepetitorien ARZT, D i e Strafrechtsklausur, 3. Aufl. 1980 BAUMANN/ARZT/WEBER, Strafrechtsfälle und Lösungen, 5. Aufl. 1981 DENCKER, 30 Klausuren aus dem Strafrecht, 1977 ERICHSEN (Hrsg.), J u r a Extra: Studium und Examen mit Beiträgen zur Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten, 2. Aufl. 1983 FAHSE/HANSEN, Ü b u n g für Anfänger im Zivil- und Strafrecht, 4. Aufl. 1980 FELD/KAEFER/POHL, Strafrecht - Klausur- und Prüfungsrepetitorium anhand praktischer Fälle, 1983 HAFT, Fallrepetitorium zum Allgemeinen und Besonderen Teil, 1982

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

HILLENKAMP, 24 Probleme aus dem Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1981 HILLENKAMP, 36 Probleme aus dem Strafrecht, Besonderer Teil, 4. Aufl. 1982 JESCHECK, Fälle und Lösungen zum Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil mit Aufbaumustern, 1978 JUNG/MÜLLER-DIETZ, Anleitung zur Bearbeitung von Strafrechtsfällen, 1983 KERN/SCHMIDHÄUSER, Strafrechtsfälle I aus dem Allgemeinen Teil des StGB, 7. Aufl. 1976 - Strafrechtsfälle II aus dem Besonderen Teil des StGB, 5. Aufl. 1978 KIENAPFEL, Strafrechtsfälle, Anleitung, Aufbaumuster, Falltechnik, 7. Aufl. 1983 KÖBLER, Die Anfängerübung im bürgerlichen Recht, Strafrecht und öffentlichen Recht, Eine Einführung, 4. Aufl. 1983 MAURACH/GÖSSEL, Strafrecht - Mit Anleitungen zur Fallbehandlung und zur Subsumtion f ü r Studenten und Referendare, 4. Aufl. 1983 ROXIN/SCHÜNEMANN/HAFFKE, Strafrechtliche Klausurenlehre mit Fallrepetiton u m , 4. Aufl. 1982 RUDOLPHI, Fälle zum Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1983 TIEDEMANN, Fälle und Entscheidungen zum Strafrecht - Besonderer Teil, 3. Aufl. 1983 WAGNER, Fälle zum Strafrecht, Besonderer Teil, 1976

Zweiter Teil

Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen A. Das Aufbauschema als Denkschema Jedes Aufoauschema ist ein Denkschema, d. h. es soll die Prüfung des Sachverhalts dadurch erleichtern, daß der Bearbeiter zum schrittweisen Vorgehen in einer Weise gezwungen wird, die es ihm ermöglicht, etwaige Probleme eines Falles zu erkennen und in einem vernünftigen Zusammenhang zu erörtern. Der hier relevante Zusammenhang wird im Strafrecht unmittelbar durch den Deliktsaufbau vorgegeben. Das Delikt ist unabhängig von der Frage eines zwei- oder dreistufigen Aufbaus als tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zu erfassen. Seine einzelnen Elemente sind bei einer Deliktsprüfung daher in ihrer Prüfungsreihenfolge vorgegeben. Auszugehen ist von den Merkmalen des objektiven Gesetzestatbestandes, sodann sind die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes, der Rechtswidrigkeit und der Schuld zu erörtern. (1) Tatbestand a) Obj. Tatbestand b) Subj. Tatbestand, inkl. Vorsatz (2) Rechtswidrigkeit (3) Schuld Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß dieses Prüfungsschema lediglich eine Aussage über die logische Prüfungsreihenfolge enthält, hingegen nicht an die auf den einzelnen Prüfungsebenen z. B. objektiver Tatbestand - angesiedelten Probleme heranführt. Zwar gibt es Tatbestände, die das verpönte Verhalten so anschaulich beschreiben, daß man mit Hilfe des skizzierten Schemas und der Kenntnis der Definitionen einzelner Begriffe durchaus erfolgreich die Prüfung durchführen kann, ob das in einem bestimmten Sachverhalt geschilderte Verhalten, dem im Gesetz beschriebenen Verhalten entspricht. Dies gilt nicht nur für die schlichten Tätigkeitsdelikte und echten Unterlassungsdelikte, sondern auch für zahlreiche Erfolgsdelikte. Sachverhalt: A sieht im Supermarkt, daß B das Wechselgeld, das er an der Kasse erhalten hat, unaufmerksam neben den Waren liegen läßt, während er diese einpackt. Als B sich gerade umwendet, ergreift A das Geld, 7 8 , - D M , und verschwindet damit. In Betracht kommt eine Prüfung des § 242 StGB.

20 Objektiver

2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

Tatbestand:

Dann müßte A eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. Das Geld ist eine bewegliche Sache und für A auch eine fremde Sache, denn der Eigentümer war B. A hat das Geld weggenommen, wenn er fremden Gewahrsam an dem Geld gebrochen und eigenen begründet hat. Gewahrsam ist als tatsächliches Sachherrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache nach den Regeln der sozialen Anschauung zu verstehen. Sachherrschaft über das Geld erlangte B, als die Kassiererin ihm das Geld aushändigte. Sein Sachherrschaftsverhältnis wurde gelockert, ging aber keineswegs verloren, als er das Geld neben die Ware legte. Dieses Sachherrschaftsverhältnis brach A, als er das Geld an sich nahm und einsteckte. A hat demnach eine fremde bewegliche Sache weggenommen.

Subjektiver Tatbestand: A handelte in Kenntnis der Tatumstände und ihres Bedeutungsgehaltes, d. h. er erfüllte den objektiven Tatbestand wissentlich. Da er das Geld zu eigenen Zwecke nutzen wollte, handelte er zugleich in der Absicht rechtswidriger Zueignung des Geldes.

Rechtswidrigkeit: Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

Schuld: A handelte schuldhaft (es gibt keine Anhaltspunkte für einen Schuldausschluß).

Nicht viel mehr als einen Einstieg in die Probleme bietet der von den allgemeinen Deliktsvoraussetzungen vorgegebene Prüfungsaufbau: Tatbestand - Rechtswidrigkeit - Schuld, aber bei jenen Erfolgsdelikten, in deren Wortlaut der Gesetzgeber das tatbestandsmäßige Verhalten relativ farblos beschreibt, wie z. B. bei den Tötungsdelikten, wenn gerade die Verantwortung für den Erfolg problematisch erscheint. Hier hilft nicht die Kenntnis der Definition einzelner Begriffe weiter, denn es geht im wesentlichen um die Frage, ob einer Person ein bestimmter Erfolg, z. B. der Tod einer anderen, als ihr Werk zuzurechnen ist oder nicht. Um dieser Fragestellung näher zu kommen, ist das oben zitierte Prüfungsschema notwendigerweise zu modifizieren. Von diesem Punkt an ist das Aufbauschema auch nicht mehr von einer konkreten Sachaussage über den Deliktsaufbau freizuhalten. J e nachdem, ob jemand das relevante Zurechnungskriterium einer Rechtsgutsverletzung in der Kausalität einer Person für den Erfolg sieht oder darin, ob eine Person ein Risiko für das geschützte Rechtsgut begründet oder erhöht hat, das sich im Erfolg realisiert hat, unterscheiden sich die einzelnen Kriterien des Aufbauschemas. Ebenso

I. Das vorsätzliche Begehungsdelikt

21

muß das Aufbauschema im Bereich des subjektiven Tatbestands ein weiteres Merkmal enthalten, das den Vorsatz nicht nur auf sein finales Element (Wissen und Wollen des objektiven Tatbestands) beschränkt, sondern neben dem finalen Element ein Gesinnungselement als Bestandteil des Vorsatzes anerkennt, wenn der Vorsatz als „dolus malus", d. h. bewußte Auflehnung gegen die Rechtsordnung im subjektiven Bereich verstanden wird. Schließlich muß auch schon im Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts die Prämisse Ausdruck finden, ob jemand im Unrechtstatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts nur auf die objektive (generelle) Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung abstellt oder bereits auf die individuelle Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung. Derartige Sachfragen muß der Bearbeiter des Falles daher bereits entschieden haben, bevor er nach einem bestimmten Aufbauschema mit der Deliktsprüfung beginnt. Diese Entscheidungen können nicht erst innerhalb des Deliktsaufbaus getroffen werden, sie prägen diesen bereits selbst.

B. Das Erfolgsdelikt

I. Das vorsätzliche Begehungsdelikt 1. Das final orientierte Aufbauschema der h. M. Vorprüfung a) „Handlung" im Sinne des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen? (1) Tatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Objektive Zurechnung: Kausalität i.S. der conditio-sine-qua-non-Formel? und (von Fall zu Fall) weitere Zurechnungskriterien, insbesondere die Gesichtspunkte des Risikoerhöhungsprinzips? c) Vorsatz des X (nur finales Unrechtselement) ? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besondere Absichten oder Motive des Täters?

22

2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

(2) Rechtswidrigkeit Aufhebung der unrechtsindizierenden Wirkung des vorliegenden Gesetzestatbestands durch einen Rechtfertigungsgrund mit seinen a) objektiven und b) subjektiven Merkmalen? - Von Fall zu Fall unabhängig von diesem Ergebnis zusätzliche Erwägungen, z. B. rechtfertigende Pflichtenkollision, „fehlender Erfolgsunwert". (3) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i. S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe? Im einzelnen vgl. zum Aufbauschema der h . M . : GEILEN, Methodische Hinweise zur Bearbeitung von Strafrechtsfällen, in: Jura Extra: Studium und Examen, hrsgeg. von Erichsen, 2. Aufl. 1983, S. 7 2 f f . ; JESCHECK, Fälle und Lösungen zum Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil mit

Aufbaumustern,

1978,

S.

182F.;

WESSELS,

Strafrecht

-

Allgemeiner

Teil, 13. Aufl. 1983, § 19 IV A.

2. Hinweise zur Benutzung des Schemas (1) Differenzierungen innerhalb der h. M. a) Innerhalb der h . M . läßt sich das unter 1. dargestellte Aufbauschema noch nach einem streng finalen (z. B . W E L Z E L , M A U R A C H , H I R S C H und S T R A T E N W E R T H ) und einem weniger streng finalen ( z . B . J E S C H E C K , E S E R , L E N C K N E R und W E S S E L S ) Aufbau unterscheiden. Aufbautechnisch soll dieser Unterschied darin Ausdruck finden, daß dem Vorsatz eine Doppelfunktion zugemessen wird als Unrechtsund Schuldmerkmal, so daß im eingeschränkt finalen Aufbau der Vorsatz als Unrechtselement zu prüfen ist und sodann innerhalb der Schuld ein eigener Punkt „Vorsatzschuld" auftaucht. Richtig ist daran, daß der Vorsatz in der Tat Unrecht und Schuld eines Verhaltens betrifft. Dies gilt aber für jedes Unrechtsmerkmal, da die Schuld auf das Unrecht bezogen ist. Ein eigenständiges Schuldelement ist damit nicht zu begründen. b) Ein eigenständiger und aufgrund der abweichenden Prämissen in der Verbrechenslehre wesentlich abweichender Deliktsaufbau wird von den Vertretern der teleologischen Straftatsystematik SCHMIDHÄUSERS vertreten; dazu SCHMIDHÄUSER, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1975, Anhang A sowie Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch, 1982, Anhang A. c) Zu dem durch die Prämisse, der Vorsatz sei ausschließlich Schuldmerkmal, begründeten Deliktsaufbau der sog. kausalen Lehre vgl. BAUMANN, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 1977, § 26 I; KIENAPFEL, Strafrechtsfälle, § 6 A.

I. Das vorsätzliche Begehungsdelikt

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(2) Mängel des Aufbauschemas der h.M. a) Wird das Aufbauschema der h. M. ernst genommen, so ist es mit dem gesamten Streit um den Handlungsbegriff belastet, der zudem vor den eigentlichen Deliktsprüfungsakt gezogen werden muß, obwohl gerade dieser Streit gezeigt hat, daß es in der praktischen Rechtsanwendung alleine darum geht, daß die strafrechtliche Haftung ein Verhalten voraussetzt, dessen Willenssteuerung dem Täter möglich war. b) Auch die h. M. erkennt inzwischen an, daß die bloße Kausalität im Sinne der Äquivalenzformel als alleiniges Zurechnungskriterium im objektiven Tatbestand zum einen zu eng ist, zum anderen zu weit reicht. Hier werden in Einzelfällen Ergänzungen und Modifizierungen nötig, die sich gerade nicht aus dem Aufbauschema selbst ergeben, so daß dieses in diesen Fällen geradezu in die Irre führt, so z. B. in Fällen der Risikoverminderung und der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs (Risikozusammenhang, Rechtswidrigkeitszusammenhang) . In gleicher Weise zeigt sich, daß die zunächst den Deliktsaufbau vereinfachende Formel von der Indizwirkung des Tatbestandes sich dort als Hindernis erweist, wo nur die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen. Die hier z . T . vertretene Argumentation, es fehle am Erfolgsunwert, daher liege kein vollendetes Delikt vor, ist aus dem Aufbauschema nicht nachvollziehbar. c) Diese Mängel vermeidet das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema, das seinem Wesen nach ein modifiziertes Aufbauschema gegenüber dem der h. M. ist.

3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des vorsätzlichen Begehungsdelikts (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post)? c) Zurechnungsgrund: Hat X eine Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut begründet oder erhöht?

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2. Teil: D e r A u f b a u strafrechtlicher Fallösungen

d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die von X begründete oder erhöhte Gefahr, die seiner Steuerbarkeit unterlag, oder eine andere G e f a h r ? e) Subjektive Merkmale: Vorsatz des X (hier nur finales Unrechtselement)? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besondere Absichten oder Motive des Täters? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Mißbilligt die Rechtsordnung in dieser konkreten Situation das Verhalten des X , weil er seinen Handlungsspielraum über die rechtlich ihm zugestandenen Grenzen hinaus ausgedehnt hat, oder liegen z. B. Rechtfertigungsgründe vor? - Objektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? - Subjektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? g) Unrechtsbewußtsein: Bewußtsein der Sozialschädlichkeit des X (Gesinnungselement des Vorsatzes)?* (2)

Schuld

a) Unrechtsbewußtsein i. S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

II. D a s vorsätzliche unechte Unterlassungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h . M . Vorprüfung a) „ H a n d l u n g " i . S . des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen?

* D e r P r ü f u n g s p u n k t (1) g) (Bewußtsein der Sozialschädlichkeit) beruht auf der Prämisse, daß der V o r s a t z ein finales Element (Kenntnis der M e r k m a l e des objektiven Tatbestandes und Verwirklichungswille) und ein Gesinnungselement enthält und beides Elemente des Unrechtstatbestandes sind. D i e s e Prämisse ist stark umstritten. D i e h . M . erkennt ein derartiges materielles U n rechtsbewußtsein nicht an, sondern akzeptiert allein das Unrechtsbewußtsein i. S. des § 17 als Schuldelement. Wer dieser M e i n u n g f o l g t , f ü r den entfällt dieser P r ü f u n g s p u n k t (1) g) (Bewußtsein der Sozialschädlichkeit). Weitere K o n sequenzen hat diese Meinungsverschiedenheit über die Verbrechenselemente f ü r die B e n u t z u n g des P r ü f u n g s s c h e m a s nicht.

II. Das vorsätzliche unechte Unterlassungsdelikt

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(1) Tatbestand a) Ist ein gesetzlich mißbilligter Erfolg eingetreten? b) Hat der Täter die Abwendung dieses Erfolges unterlassen? aa) Bestand eine objektive Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden? bb) Hätte das Eingreifen des Täters den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet? c) Hatte der Täter eine Erfolgsabwendungspflicht (Garantenstellung)? d) Subjektiver Tatbestand: Kannte der Täter die Tatsachen, die seine Erfolgsabwendungspflicht begründen? (2) Rechtswidrigkeit (3) Schuld 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas a) Auch dieses Schema ist wiederum mit der Frage der „Handlungsqualität des Untätigbleibens" sowie der Abgrenzung von Tun und Unterlassen belastet, obwohl die Problematik im praktischen Deliktsaufbau auf die Frage zurückgeführt werden kann, ob der Täter die Möglichkeit hatte, den deliktischen Erfolg zu vermeiden. b) Zum anderen beruht das Schema auf der sachlichen Prämisse, daß eine Haftung aus einem Erfolgsdelikt wegen unechten Unterlassens nur dann statthaft ist, wenn der Täter den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abwenden konnte. Eine Haftung wegen unterlassener Verminderung der Erfolgseintrittschancen, wenn der Erfolg sich realisiert hat, ist damit ausgeschlossen. Beispiel: Der Sohn des A ist ins Wasser gefallen. A könnte ihm einen Rettungsring zuwerfen, doch ist es nicht sicher, ob S ihn ergreifen kann, denn S ist aufgeregt und im Fluß herrscht eine starke Strömung. Wahrscheinlich würde S den Ring greifen können, doch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht gegeben. - A wirft aufgrund dessen den Ring nicht - S ertrinkt. Frage .War A nicht zur Rettungshandlung verpflichtet, weil keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Rettung bestand, oder war A verpflichtet, die vorhandenen Rettungschancen zu nutzen mit der Konsequenz, daß er für den Erfolg haftet, wenn sich die Gefahr im Erfolg realisiert, die er abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet war?

Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema geht von einer Verpflichtung des Garanten, die Gefahren zu vermindern, aus.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikts (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post) ? c) Zurechnungsgrund: Hatte X eine Garantenstellung inne? d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr, die X aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet warf e) Subjektive Merkmale: Vorsatz des X (hier nur finales Unrechtselement)? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besondere Absichten oder Motive des Täters? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Mißbilligt die Rechtsordnung in dieser konkreten Situation das Verhalten des X, weil er seinen Handlungsspielraum über die rechtlich ihm zugestandenen Grenzen hinaus ausgedehnt hat, oder liegen z. B. Rechtfertigungsgründe vor? - Objektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? - Subjektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? g) Unrechtsbewußtsein:"' Bewußtsein der Sozialschädlichkeit des X (Gesinnungselement des Vorsatzes) ? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i. S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

III. Das fahrlässige Begehungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h. M. Vorprüfung: a) „Handlung" i.S. des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen? * Vgl. dazu die Anmerkung zum Aufbauschema oben I 3.

III. D a s fahrlässige Begehungsdelikt

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(1) Erfolg verursacht? (2)

Vermeidepflichtverletzung

a) Obj. Vorhersehbarkeit? b) Obj. Sorgfaltspflichtverletzung? (3) Schuld a) Subj. Vorhersehbarkeit? b) Subj. Sorgfaltspflichtverletzung? 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas Unabhängig von der Frage des Handlungsbegriffs fällt die Entscheidung für das unter 1. dargestellte Aufbauschema mit dem Bekenntnis zu der Prämisse, daß das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts durch die generelle (objektive) Vorhersehbarkeit und generelle (objektive) Sorgfaltspflichtverletzung bestimmt wird. Wer hier der Meinung folgt, auch das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts sei - wie das Unrecht des Vorsatzdelikts - durch die individuelle Sorgfaltspflichtverletzung des konkreten Täters bestimmt, muß auch den Deliktsaufbau entsprechend strukturieren. Eingehend d a z u : OTTO, G r u n d k u r s Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre ( A . T . ) , 2. Aufl. 1982, S. 151. - S o d a n n vgl.: JAKOBS, Studien z u m fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972, S. 64 ff.; DERS., Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1983, S. 258 f f . ; SAMSON, in: Systematischer K o m m e n t a r , Bd. I, 3. Aufl. 1981 f f . , Anh. zu § 16 R d n . 13 f f . ; CRAMER, in: S c h ö n k e / S c h r ö d e r , S t G B , 21. Aufl. 1982, § 15 R d n . 135 f.; STRATENWERTH, Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 1981, R d n . 1 0 9 6 f f . Z u r herrschenden M e i n u n g vgl.: GÖSSEL, Bruns-Festschrift, 1978, S. 49; JESCHECK, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1978, S. 468 f.; ARMIN KAUFMANN, W e l z e l - F e s t s c h r i f t , 1 9 7 4 , S . 4 0 4 f f . ; SCHMIDHÄUSER, S c h a f f -

stein-Festschrift, 1975, S. 141 f f . ; F.-CHR. SCHROEDER, in: Leipziger K o m m e n tar z u m S t r a f g e s e t z b u c h , 10. Aufl. 1 9 7 9 f f . , § 16 R d n . 1 4 4 f f . ; B. SCHÜNEMANN, Schaffstein-Festschrift, 1975, S. 1 5 9 f f .

Darüber hinaus kommt dem am Risikoerhöhungsprinzip orientierten Aufbauschema hier besondere Bedeutung zu, da auch die höchstrichterliche Praxis eine Erfolgszurechnung allein auf Grund der nach der Äquivalenztheorie vermittelten Kausalität ablehnt. Im einzelnen d a z u : OTTO, N J W 1980 S. 420 f f .

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema für das fahrlässige Begehungsdelikt (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post)? c) Zurechnungsgrund: Hat X eine Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut begründet oder erhöhtf d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die von X begründete oder erhöhte Gefahr, die seiner Steuerbarkeit unterlag, oder eine andere Gefahr? e) Subjektive Merkmale: Hatte X bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit, den Sachverhalt zu erkennen? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Hat X die ihm obliegende Sorgfaltspflicht gerade im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg verletzt, oder verhielt sich X zumindest objektiv nicht pflichtwidrig? g) Unrechtsbewußtsein:* Möglichkeit des X, sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu werden? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

IV. Das fahrlässige unechte Unterlassungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h. M. Vorprüfung: a) „Handlung" i.S. des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen?

* Vgl. dazu die Anmerkung zum Aufbauschema oben I 3.

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IV. Das fahrlässige unechte Unterlassungsdelikt

(1) Ist ein gesetzlich mißbilligter Erfolg eingetreten ? (2) Hat der Täter die Abwendung dieses Erfolges unterlassen ? a) Bestand eine objektive Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden? b) Hätte das Eingreifen des Täters den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet? (3) Hatte der Täter eine Erfolgsabwendungspflicht

(Garantenstellung)?

(4) Subjektiver Tatbestand: Hätte der Täter die Tatsachen kennen können, die seine Erfolgsabwendungspflicht begründen? (5) Rechtswidrigkeit (6) Schuld 2. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des fahrlässigen unechten Unterlassungsdelikts (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post) ? c) Zurechnungsgrund: Hatte X eine Garantenstellung inne? d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr, die X aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet war? e) Subjektive Merkmale: Hatte X bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit, den Sachverhalt zu erkennen? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Hat X die ihm obliegende Sorgfaltspflicht gerade im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg verletzt, oder verhielt sich X zumindest objektiv nicht pflichtwidrig? g) Unrechtsbewußtsein:* Möglichkeit des X, sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu werden? * Vgl. dazu die Anmerkung zum Aufbauschema oben I 3.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

(2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i. S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

V. Das einheitliche Aufbauschema für das vorsätzliche/ fahrlässige Begehungs- und unechte Unterlassungsdelikt Die verschiedenen hier als sachgerecht vorgeschlagenen Schemata zum Aufbau der einzelnen Deliktsformen lassen sich in einem einheitlichen Schema folgendermaßen darstellen: (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z. B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post) ? c) Zurechnungsgrund: aa) Begehungsdelikt: Hat X eine Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut begründet oder erhöht? bb) Unterlassungsdelikt: Haue X eine Garantenstellung inne? d) Zurechnungszusammenhang: aa) Begehungsdelikt: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die von X begründete oder erhöhte Gefahr, die seiner Steuerbarkeit unterlag, oder eine andere Gefahr? bb) Unterlassungsdelikt: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr, die X aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet war? e) Subjektive Merkmale: aa) Vorsatzdelikt: Vorsatz des X (hier nur finales Unrechtselement)? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besondere Absichten oder Motive des Täters? bb) Fahrlässigkeitsdelikt: Hatte X bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit, den Sachverhalt zu erkennen f f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: aa) Vorsatzdelikt: Mißbilligt die Rechtsordnung in dieser konkreten Situation das Verhalten des X, weil er seinen Handlungsspielraum über die rechtlich ihm zugestandenen Grenzen hinaus ausgedehnt hat, oder liegen z. B. Rechtfertigungsgründe vor?

VI. Das versuchte Erfolgsdelikt

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- Objektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? - Subjektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? bb) Fahrlässigkeitsdelikt: H a t X die ihm obliegende Sorgfaltspflicht gerade im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg verletzt, oder verhielt sich X zumindest objektiv nicht pflichtwidrig? g) Unrechtsbewußtsein: aa) Vorsatzdelikt: Bewußtsein der Sozialschädlichkeit des X (Gesinnungselement des Vorsatzes)? bb) Fahrlässigkeitsdelikt: Möglichkeit des X, sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu werden? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

VI. Das versuchte Erfolgsdelikt 1. Der Versuch Der Versuch eines Delikts ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Merkmal des objektiven Tatbestandes fehlt. Zum anderen ist bei der Prüfung eines Versuches stets im Auge zu behalten, daß nicht jeder Versuch eines Deliktes auch strafbar ist. Daraus folgt zwingend: a) Bevor Erörterungen zur Frage gemacht werden, ob der Täter ein bestimmtes Delikt versucht hat, ist darzulegen, daß ein vollendetes Delikt nicht vorliegt. Es ist daher mit der Prüfung des vollendeten Delikts zu beginnen. Diese ist abzubrechen, nachdem feststeht, daß der obj. Tatbestand nicht erfüllt ist. In offensichtlichen Fällen kann dieses mit einem einzigen kurzen Satz geschehen. b) Ist der obj. Tatbestand eines Delikts nicht erfüllt, so ist als erstes zu prüfen, ob der Versuch dieses Delikts überhaupt strafbar ist; dazu vgl. § 23 Abs. 1 in Verb, mit § 12. Steht fest, daß der Versuch des betreffenden Delikts strafbar ist, so beginnt die sachliche Erörterung des Versuchs. c) Umstritten ist der Versuchsbeginn dann, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich als Mittäter gem. § 25 Abs. 2 handeln. Nach der heute überwiegend vertretenen Meinung beginnt der Versuch f ü r alle Mittäter, wenn Zumindestens einer der Mittäter in Vollzug des gemeinsamen Tatplans zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (sog. Gesamtlösung). Vgl. dazu: 3. Teil, Anfängerklausur Nr. 3: Säurefall

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

d) Ebenso ist es fraglich, wann das Versuchsstadium bei mittelbarer Täterschaft erreicht ist. Dazu im einzelnen: 3. Teil, Anfängerklausur Nr. 3: Säurefall

2. Das Aufbauschema a) Hat der Täter den Entschluß gefaßt, ein bestimmtes Delikt zu begehen, d. h. wollte er bewußt den obj. Tatbestand eines Delikts erfüllen und hat er auch evtl. geforderte subj. Einstellungen zu dem Geschehen (z.B. Zueignungsabsicht, Bereicherungsabsicht usw.)? Beim unechten Unterlassungsdelikt ferner: Bewußtsein der Garantenstellung des Täters? b) Hat der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt, d. h. ist unter Zugrundelegung seines Vorstellungsbildes von der Situation in seinem Verhalten bereits eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung zu erkennen? - Beim unechten Unterlassungsdelikt ferner: Garantenstellung des Täters ? c) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung, z.B. Rechtfertigungsgründe? d) Unrechtsbewußtsein, d. h. Bewußtsein der Sozialschädlichkeit? e) Schuld?

C. Andere besondere Formen der Deliktsverwirklichung I. Das erfolgsqualifizierte Delikt als Vorsatz/Fahrlässigkeitskombination Das erfolgsqualifizierte Delikt baut auf dem Grundtatbestand auf. Einigkeit besteht sodann darüber, daß die bloße Kausalbeziehung zwischen dem Grunddelikt und dem besonderen Erfolg nicht genügt. Es ist ein engerer Zusammenhang erforderlich. Str. ist, wie dieser Zusammenhang beschaffen ist. Der Bundesgerichtshof und ein Teil der Lehre fordern mit Recht, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Tathandlung als Grundtatbestand und dem besonderen Erfolg gegeben sein muß, so daß sich in dem besonderen Erfolg eine dem Tatverhalten typischerweise eigentümliche Gefahr realisiert hat. Demgegenüber fordern andere, daß der besondere Erfolg sich unmittelbar aus dem Erfolg des Grundtatbestandes entwickelt hat. Demgemäß wird im Aufbau des erfolgsqualifizierten Delikts unterschieden.

II. Actio libera in causa

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1. Entwicklung des besonderen Erfolgs aus der Handlung des Grundtatbestandes a) Unrechtstatbestand des Grunddelikts b) Stellt sich der besondere Erfolg als Realisierung einer bereits in der Verwirklichung des Grundtatbestandes angelegten Gefahr dar, oder liegt z. B. eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vor? c) War der besondere Erfolg dem Täter vorhersehbar (§ 18)? d) Schuld. 2. Entwicklung des besonderen Erfolgs aus dem Erfolg des Grundtatbestandes a) Unrechtstatbestand des Grunddelikts b) Hat sich der besondere Erfolg aus dem Erfolg des Grundtatbestandes entwickelt, oder liegt z. B. eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vor? c) War der besondere Erfolg dem Täter vorhersehbar (§ 18)? d) Schuld. 3. Hinweis Niemals darf der qualifizierte Erfolg vor dem Grundtatbestand erörtert werden. Ist die bewußte Verwirklichung dieses Grundtatbestandes nämlich gerechtfertigt, so verliert das erfolgsqualifizierte Delikt seine Grundlage!

II. Actio libera in causa 1. Zutreffend hat H . MAYER einmal die „actio libera in causa" als den Fall einer mittelbaren Täterschaft des Täters durch sich selbst bezeichnet: Der Täter will eine bestimmte Tat begehen, versetzt sich in den Zustand der Unzurechnungsfähigkeit und führt jetzt die Tat aus. - In diesem Fall wird dem Täter auf Grund des verantwortlichen InGang-Setzens des Geschehens der Erfolg so zugerechnet, als habe er ihn voll verantwortlich verwirklicht. 2. Deliktsaufbau a) Zunächst ist der verwirklichte Tatbestand zu erörtern (z. B. §212). b) Im Rahmen der Schuldprüfung ist festzustellen, daß der Täter im Zeitpunkt der Tatvornahme unzurechnungsfähig war.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

c) Nunmehr ist - wenn Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür gegeben sind - die Frage nach der „actio libera in causa" aufzuwerfen, d. h. die Frage danach, ob der Täter wie ein zurechnungsfähiger Täter haftet, weil er das Geschehen voll verantwortlich in Gang gesetzt hat und sich daher auf seine Unzurechnungsfähigkeit nicht berufen kann. Liegt eine „actio libera in causa" auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten vor, so ist aus dem verwirklichten Tatbestand zu strafen. Ist dies nicht der Fall, so ist auf § 323a einzugehen (vgl. unten III). 3. Hinweis Vieles spricht dafür, daß die „actio libera in causa" nur als vorsätzliche „actio libera in causa" erörterungswürdig ist. - Die in der Literatur erwähnte fahrlässige „actio libera in causa" ist ohne eigenständige Bedeutung. Sie wird im Rahmen der Sorgfaltspflicht bei der Prüfung des Fahrlässigkeitsdelikts abgetan, indem nämlich der Moment des sorgfaltspflichtwidrigen Verhaltens u . U . in den Zeitraum verlegt wird, in dem der Täter vollverantwortlich war. - Ist dies im Rahmen der Sorgfaltspflichtprüfung nicht möglich, so hilft auch die Konstruktion der „actio libera in causa" nicht.

III. Der Vollrausch, § 323a 1. Bei der Deliktsprüfung ist nicht mit § 323a, sondern mit dem Tatbestand zu beginnen, der im Vollrausch verwirklicht wurde (z. B. §§ 223,212,303). 2. Nachdem in der Schuldprüfung festgestellt worden ist, daß der Täter z. 2. der Tat unzurechnungsfähig i. S. des § 20 war, ist - wenn Anhaltspunkte im Sachverhalt vorliegen - auf das Vorliegen einer „actio libera in causa" einzugehen (dazu vgl. unter II). 3. Sind keine Anhaltspunkte für eine „actio libera in causa" gegeben, oder hat der Bearbeiter das Vorliegen einer solchen verneint, ist nunmehr mit der Prüfung des § 323a zu beginnen, indem der Bearbeiter darlegt, der Täter habe im Vollrausch (hierfür kann er auf die oben durchgeführte Schuldprüfung verweisen) eine Straftat begangen (wiederum Verweisung nach oben), anschließend folgt die Prüfung der übrigen Merkmale des § 323a. Sodann erfolgt die Prüfung von Rechtswidrigkeit und Schuld des Vollrausches, wobei hier insbesondere darauf zu achten ist, ob z. B. ein Rechtfertigungsgrund für das Berauschen vorlag oder Entschuldigungsgründe gegeben sind.

IV. Die Wahlfeststellung

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IV. Die Wahlfeststellung Eine Wahlfeststellung kommt nur dann in Betracht, wenn feststeht, daß der T ä t e r von verschiedenen, selbständigen Straftaten notwendigerweise eine begangen hat, jedoch nicht mit Sicherheit zu entscheiden ist, welche. 1. Zunächst ist im Rahmen der gewöhnlichen Deliktsprüfung darzulegen, daß je nachdem, ob die Tatsache X oder die Tatsache Y als richtig unterstellt wird, der T ä t e r das Delikt V oder W begangen hat. Beispiel: Im Sachverhalt heißt es: Vor der Firma B werden 3 Fernsehgeräte von einem Kfz abgeladen. Während der Fahrer F und B das erste Gerät in den Laden tragen, verschwindet eines der beiden anderen Geräte. B und F bringen schnell den letzten Apparat in das Geschäft, sichern dieses und begeben sich auf die Verfolgung des Täters. Sie erwischen einige Straßen entfernt den A, der schwer an einem Fernsehgerät der Art, wie es dem B abhanden gekommen ist, schleppt. - Vor Gericht bekundet A, er habe diesen Apparat von einem Passanten für 50,— DM gekauft, während manches dafür spricht, daß er selbst den Apparat weggenommen hat. Das Gericht kann nicht mit letzter Sicherheit feststellen, welcher Sachverhalt der richtige ist. D e r Bearbeiter hat nunmehr dem Leser durch sorgfältige Subsumtion zu zeigen: H a t A den Apparat selbst fortgenommen, so hat er sich eines Diebstahls, § 242, schuldig gemacht, hat er ihn angekauft, so wäre er wegen Hehlerei, § 259, strafbar. H a t A den Apparat weggenommen, so ist die Möglichkeit einer Hehlerei ausgeschlossen, wie umgekehrt die Hehlerei voraussetzt, daß A nicht T ä t e r des Diebstahls ist. 2. Anschließend ist darzulegen, daß die beiden in Frage stehenden Delikte nicht in einem Stufenverhältnis, z. B. im Verhältnis Grundtatbestand zur Qualifikation oder Privilegierung stehen (sonst in dubio pro reo). 3. J e t z t erst ist zu prüfen, ob die Wahlfeststellung in dem konkreten Fall überhaupt zulässig ist. Im einzelnen dazu: OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., S. 258 ff. 4. Nachdem die Zulässigkeit der Wahlfeststellung bejaht ist, ist darzulegen, daß der T ä t e r wegen z. B. eines Diebstahls oder einer Hehlerei in Wahlfeststellung zu bestrafen ist, wobei die Strafe unter Anwendung des Grundsatzes in dubio mitius dem mildesten Gesetz, hier § 259, zu entnehmen ist.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

D. Beteiligungsformell

I. Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft und Nebentäterschaft Stehen die Verhaltensweisen mehrerer Personen in Frage, so ist stets mit der Person zu beginnen, die der Tatausführung am nächsten steht, d. h. zunächst mit derjenigen, die die Tat mit eigener Hand ausführt. Sodann ist das Verhalten weiterer beteiligter Personen nacheinander zu erörtern, und zwar unter der Fragestellung, ob diese Person auf Grund ihrer Stellung zur Tat als Täter (Mittäter, mittelbarer Täter, Nebentäter) oder Teilnehmer anzusehen ist.

II. Teilnahme 1. Anstiftung a) Haupttat (Unrechtstatbestand, d. h. tatbestandsmäßige vorsätzlich rechtswidrige Tat des Haupttäters). b) Bestimmen des Haupttäters zum Tatentschluß i. S. des § 26. c) Vorsatz des Anstifters (besser: Kenntnis des Anstifters): (a) in bezug auf die vom Haupttäter ausgeführte Tat, (b) in bezug auf das Bestimmen des Haupttäters gerade zu dieser Haupttat. d) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung. e) Schuld. 2. Beihilfe a) Haupttat (s. o. bei Anstiftung). b) Förderung der Haupttat durch Rat oder Tat derart, daß das Risiko für die bedrohten Rechtsgüter des Opfers erhöht wird. c) Vorsatz des Gehilfen (besser: Kenntnis des Gehilfen): (a) in bezug auf die vom Haupttäter ausgeführte Tat, (b) in bezug auf die eigene Förderung gerade dieser Tat. d) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung. e) Schuld.

Dritter Teil Einübung in die Fallbearbeitung Anfängerklausur Nr. 1: Gaststättenfall

A. Sachverhalt D e r G a s t s t ä t t e n i n h a b e r G sah, wie d e r i h m als r a b i a t e r Schläger bek a n n t e G a s t A seine Angestellte K schlug u n d h i n t e r d e m Tresen z u B o d e n w a r f . G , d e r im Besitz einer E r l a u b n i s z u m F ü h r e n einer W a f f e w a r , ergriff seinen Revolver u n d f o r d e r t e den A a u f , s o f o r t a u f z u h ö ren. Als A nicht reagierte, gab G einen gezielten S c h u ß auf d e n F u ß b o d e n n e b e n die Beine des A ab. Leider traf er a b e r die K ins Bein. A reagierte w i e d e r u m nicht. Als G s o d a n n versuchte, die Polizei t e l e f o nisch zu v e r s t ä n d i g e n , d r a n g A auf ihn ein. N u n s c h o ß G d e m A m i t einem w o h l g e z i e l t e n Schuß ins Bein. D a r a u f h i n ließ A v o n G ab. H a t sich G s t r a f b a r gemacht?

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Wahl der Grobgliederung des Sachverhalts nach Sachverhaltsabschnitten oder nach Personen in diesem Fall unproblematisch: Da nur nach der Strafbarkeit einer einzigen Person gefragt ist, ist die Frage nach der Strafbarkeit des G an den Beginn der Überlegungen zu stellen, sodann sind die einzelnen Handlungsabschnitte zu erörtern. 2. Als erstes könnte die Aufforderung des G, A solle aufhören, strafrechtlich relevant sein. Sodann sind die Verletzungen zu erörtern, und zwar ist mit der Verletzung der K zu beginnen. Hier ist eine Rechtsgutsverletzung eingetreten, d. h. ein objektiv faßbarer strafrechtlich relevanter Erfolg liegt vor. - In Betracht kommt eine Erörterung der §§ 223, 230. - Problematik in der Rechtfertigung ! 3. Gegenüber A könnte der erste Schuß eine versuchte gefährliche Körperverletzung und eine versuchte Nötigung darstellen. - Bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit der Nötigung Aufbautechnik beachten: Im Aufbau des § 240 sind die einzelnen traditionellen Rechtfertigungsgründe vor der Verwerflichkeit zu prüfen. 4. Der gezielte Schuß in das Bein des A ist als vorsätzliche Körperverletzung und als Nötigung relevant. - Rechtfertigung durch Notwehr. 5. Strafbare Handlungen nach dem WaffG (§§ 53, 35 WaffG) entfallen, weil G im Besitz der Erlaubnis zur Führung einer Waffe war.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

C. Lösungsskizze Das straft>are Verhalten des G 1. Teil: Die Aufforderung an A, aufzuhören I. Nötigung, § 240: - nicht vollendet. II. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23: -. 1. Versuch: + , aber 2. Rechtfertigung: § 32 (Nothilfe): + . 2. Teil: Warnschuß I. Körperverletzung der K, § 223: -. 1. Erfolg eingetreten. 2. Vorsatz: - , kein Anhaltspunkt, daß G sich im Moment des Schusses der Gefahr für die K bewußt war. II. 1. 2. 3. 4. zu 5.

Fahrlässige Körperverletzung der K, § 230: -. Der Erfolg ist eingetreten. Möglichkeit den Erfolg zu vermeiden: + . Gefahrbegründung und Gefahrrealisierung unproblematisch. G hatte bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit, den Sachverhalt erkennen. Pflichtbegrenzung a) Nothilfe, § 32: - , kein Rechtsgut des Angreifers betroffen. b) Einwilligung: da nicht erklärt. c) Mutmaßliche Einwilligung: Kriterien entsprechend rechtfertigendem Notstand, § 34, daher keine eigenständige Bedeutung. d) Rechtfertigender Notstand, § 34: + , auf Grund Abwägung der Gefahrensituation.

III. Versuchte gefährliche Körperverletzung des A, §§ 223, 223a, 23: -. 1. Tat nicht vollendet, Versuch strafbar: § 223a Abs. 2. 2. Tatentschluß: dolus directus 1. Grades: - ; dolus directus 2. Grades: dolus eventualis: - , G war sich im Moment des Schusses keiner Körperverletzungsgefahr für A bewußt. IV. Versuchte Nötigung des A, §§ 240, 23: -. 1. Tat nicht vollendet. 2. Versuch strafbar, § 240 Abs. 3. 3. Tatentschluß: + . 4. Ansetzen zur Tat: + , Schuß. 5. Pflichtbegrenzung: + , § 32 (Nothilfe).

Anfängerklausur Nr. 1: Gaststättenfall

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3. Teil: Der Schuß in das Bein des A I. Körperverletzung

des A, § 223: -.

1. Objektiverund subjektiver Tb.: + . 2. Pflichtbegrenzung: + , § 32 (Notwehr). II. Nötigung des A, § 240: -. 1. Objektiver und subjektiver Tb.: + . 2. Pflichtbegrenzung: + , § 32 (Notwehr). Gesamtergebnis: G hat sich nicht strafbar gemacht.

D. Gutachten Das strafbare Verhalten des G 1. Teil: Die Aufforderung an A, aufzuhören I. Nötigung, § 240 Indem G den A mit dem Revolver in der Hand aufforderte, nicht weiter auf die K einzuschlagen, könnte er sich einer Nötigung schuldig gemacht haben. Eine vollendete Nötigung liegt jedoch nicht vor, da der von G erstrebte Erfolg nicht eintrat. II. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23 1. In der Aufforderung könnte eine versuchte Nötigung gesehen werden, §§ 240, 23. a) Der Versuch der Nötigung ist strafbar, § 240 Abs. 3. b) Dann müßte G den Entschluß gefaßt haben, den A durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einem Unterlassen zu bestimmen. G hat den A aufgefordert, weitere Schläge zu unterlassen. Er verlieh dieser Aufforderung Nachdruck, indem er die Pistole in der Hand hielt. Damit bekundete er, Waffengewalt einzusetzen, falls A nicht von der K ablasse, d. h. er drohte dem A mit einem erheblichen und damit f ü r den A empfindlichen Übel, um ihn zu einem Unterlassen zu bestimmen. c) In der Aufforderung lag die Drohung mit einem empfindlichen Übel. Mit der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals hat G nach sei-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

ner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt. 2. Der Nötigungsversuch des G könnte jedoch durch Nothilfe, § 32, gerechtfertigt sein. Das setzt voraus, daß G in Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs zugunsten eines Dritten mit Verteidigungswillen gehandelt hat. a) Die Schläge des A stellten einen unmittelbaren rechtswidrigen Angriff gegen die K dar. b) Die konkludent mit der Aufforderung verbundene Drohung ist als geringst schädliches und damit erforderliches Mittel gegen die Angriffe des A anzusehen. c) G wollte seine Angestellte K vor weiteren unmittelbar drohenden Schlägen des A schützen. G handelte somit zugunsten der K in Verteidigung gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. d) Den Tatumständen ist nicht zu entnehmen, daß K keine Hilfe wollte. G handelte mit Verteidigungswillen. e) Die Voraussetzungen der Nothilfe gemäß § 32 liegen somit vor. 3. Die versuchte Nötigung des G ist durch Nothilfe gerechtfertigt. G ist nicht gemäß §§ 240, 23 zu bestrafen. 2. Teil: Der Warnschuß I. Körperverletzung

der K, § 223

Durch den Schuß in das Bein der K könnte G sich einer Körperverletzung nach § 223 schuldig gemacht haben. 1. Die Verletzung der K durch den von G abgegebenen Schuß stellt eine körperliche Mißhandlung dar: Die körperliche Unversehrtheit der K wurde in nicht unerheblichem Maße durch G beeinträchtigt. Gleichfalls liegt eine Gesundheitsbeschädigung vor. Die Verletzung begründete einen pathologischen Zustand. 2. Im Sachverhalt ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß G sich wenigstens der Gefahr bewußt war, er könne die K treffen. Damit entfällt der Vorsatz, denn das Bewußtsein der konkreten Verletzungsgefahr wäre Mindestvoraussetzung auch des bedingten Vorsatzes. 3. Eine vorsätzliche Körperverletzung liegt nicht vor. II. Fahrlässige Körperverletzung

der K, § 230

1. Eine Körperverletzung der K ist eingetreten; vgl. oben I 1. 2. G hatte die Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden, indem er nicht geschossen hätte.

Anfängerklausur N r . 1: Gaststättenfall

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3. Der Schuß begründete eine G e f a h r f ü r den Körper der K, die sich in der Körperverletzung der K realisierte. 4. Fraglich ist, ob G die Möglichkeit hatte, den Sachverhalt zu erkennen? Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, daß ein Pistolenschuß leicht neben dem anvisierten Ziel einschlagen kann. Auch f ü r G war es daher voraussehbar, daß es durch den Schuß zu einer Körperverletzung der K kommen konnte. 5. Pflichtbegrenzung a) Als Rechtfertigungsgrund kommt zunächst Nothilfe, § 32, in Betracht. D a n n müßte die Verletzung der K durch G als Verteidigungshandlung des G gegen einen rechtswidrigen gegenwärtigen Angriff anzusehen sein. Indem A die K schlug und zu Boden warf, verletzte er sie unmittelbar am Körper. Dies war rechtswidrig. Ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff des A gegen K lag vor. Gegen diesen Angriff wäre eine Verteidigungshandlung durch G zugunsten der K zulässig gewesen. Verteidigung ist aber allein die Abwehr des Angreifers durch Eingriff in dessen Rechtsgüter. Weder Notwehr noch Nothilfe rechtfertigen Eingriffe in Rechtsgüter Dritter. Durch den Schuß des G wurde jedoch die K verletzt. Dieser Eingriff in ein Rechtsgut der K ist durch § 32 nicht gerechtfertigt. b) Auch durch die Einwilligung der K ist die Körperverletzung des G nicht gerechtfertigt. Eine ausdrückliche Einwilligung der K liegt nicht vor. c) Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des G könnte aber durch eine mutmaßliche Einwilligung der K ausgeschlossen sein. Dies wäre dann der Fall, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, daß die K in die Körperverletzung, zunächst aber in die G e f ä h r d u n g durch G eingewilligt hätte. Da eine ausdrückliche Erklärung der K gerade nicht vorliegt, ist eine objektive Würdigung der Tatsituation im M o m e n t des Schusses vorzunehmen. Allein die Kriterien, nach denen die Entscheidung zu treffen ist, können „dem Institut der mutmaßlichen Einwilligung" nicht entnommen werden. Hier ist nur anerkannt, daß ein Vergleich des geschützten und des verletzten Rechtsguts durchzuführen ist, daß die verschiedenen Interessen abzuwägen sowie reales und mögliches Risiko einer Rechtsgutsverletzung zu beachten sind. Sodann ist die Entscheidung zu treffen, die der Interessenlage des Betroffenen am ehesten entspricht, m.a.W., die Entscheidung ist nach den Grundsätzen des rechtfertigenden Notstandes zu treffen. Diesem gegenüber enthält das Institut der mutmaßlichen Einwilligung nicht ein einziges Merk-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

mal, in dem das Prinzip der Rechtfertigung, wie es im rechtfertigenden Notstand zum Ausdruck kommt, weiter konkretisiert ist. Die Anwendung des rechtfertigenden Notstandes wird vielmehr nur kaschiert. Das bedeutet aber: Nach Anerkennung des rechtfertigenden Notstandes als Rechtfertigungsgrund kommt der sog. mutmaßlichen Einwilligung keine Bedeutung mehr zu. d) Als Rechtfertigungsgrund für die Verletzung der K durch G könnte allerdings der rechtfertigende Notstand in Betracht kommen, §34. Voraussetzung dafür ist, daß jemand in einer gegenwärtigen, nicht mit weniger gravierenden Mitteln abwendbaren Gefahr für ein Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das von ihm geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. A hatte die K geschlagen und zu Boden geworfen, so daß ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorlag, d. h. eine Gefahr für die körperliche Integrität der K. Die Gefahr war auch nicht anders abwendbar, ein weniger gravierendes Mittel stand dem G nicht zur Verfügung. Der Schuß des G muß daher das geeignetste in der Situation verfügbare Mittel gewesen sein, um ein höherwertiges Interesse auf Kosten eines minder hohen Interesses zu schützen. A hat durch die Schläge eine Körperverletzung an der K begangen. Weitere schwere Körperverletzungen standen nach der Situation unmittelbar bevor. In Kollision dazu steht die Möglichkeit, durch den Warnschuß des G verletzt zu werden. Zwar traf G nur das Bein der K, doch kommt es nicht auf den letztlich eingetretenen Erfolg an, sondern maßgeblich ist die Gefahrensituation im Zeitpunkt der Abgabe des Schusses. Geht man davon aus, der Schuß hätte eine lebensgefährliche Verletzung der K zur Folge haben können, so kommt eine Rechtfertigung des G nicht in Betracht. - Trotz der geringen Anhaltspunkte im Sachverhalt kann diese Möglichkeit jedoch verneint werden. Hätte eine tödliche oder lebensgefährliche Verletzung der K nach der Situation nahegelegen, so wäre diese Möglichkeit auch dem G ins Auge gefallen. Nach dem Sachverhalt nahm G aber weder eine derartige Gefahr in Kauf, noch drängte sich ihm das Bewußtsein der Gefahr auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten auf. Es geht deshalb nicht zu weit, zu unterstellen, daß die eingetretene Verletzung der K bereits die Realisierung der äußersten in der Situation erkennbaren Gefahr darstellte und daß G seinerseits sein möglichstes tat, um eine Verletzung der K überhaupt zu verhindern.

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Anfängerklausur Nr. 1: Gaststättenfall

In dieser Interessenlage konnte G sich daher f ü r den Warnschuß entscheiden. Das Interesse der K, weiteren brutalen Körperverletzungen zu entgehen, ist auch in dieser Risikosituation höher zu bewerten als ihr Interesse, keiner G e f ä h r d u n g durch einen Schuß ausgesetzt zu sein. Die Möglichkeit, durch den Warnschuß verletzt zu werden, lag recht weit entfernt. Die schweren Körperverletzungen durch A wurden bereits durchgeführt. Die H a n d l u n g des G ist daher durch rechtfertigenden Notstand gerechtfertigt. III. Versuchte gefährliche Körperverletzung

des A, §§ 223, 223a, 23

1. Hätte G an Stelle der K den A mit dem Pistolenschuß getroffen, so lägen die objektiven Tatbestandsmerkmale einer gefährlichen Körperverletzung - mittels einer Waffe §§ 223, 223a, vor. Der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung ist im Gegensatz zur einfachen Körperverletzung strafbar, § 223a Abs. 2. 2. Es ist jedoch fraglich, ob G den vorbehaltlosen (unbedingten) Tatentschluß hinsichtlich einer gefährlichen Körperverletzung des A hatte. G handelte weder mit dolus directus 1. Grades noch mit dolus directus 2. Grades. Eine Körperverletzung des A war weder Ziel seines Verhaltens noch war sie ihm als notwendige Folge seines Verhaltens bewußt. Bedingter Vorsatz genügt jedoch als Entschluß, bei den Straftaten, bei denen bedingter Vorsatz auch zur Vollendung des Delikts, wie bei § 223a, ausreicht. Das würde voraussetzen, daß sich der G im M o m e n t des Schusses einer Körperverletzungsgefahr hinsichtlich A bewußt war. G wollte einen Warnschuß auf den Fußboden neben die Beine des A abgeben. Er erkannte die Gefahr f ü r A daher nicht einmal abstrakt, viel weniger konkret. G handelte somit nicht vorsätzlich. G hat sich daher nicht gemäß §§ 223, 223a, 23 strafbar gemacht. IV.

Versuchte Nötigung des A, §§ 240, 23

G könnte sich durch den auf den Fußboden gezielten Schuß, der den A jedoch nicht von weiteren Schlägen gegen K abhielt, einer versuchten Nötigung gemäß §§ 240, 23 schuldig gemacht haben. 1. Eine vollendete Nötigung liegt nicht vor, denn nach Sachverhalt war die Gefahr f ü r die K durch den Warnschuß nicht beseitigt worden. 2. Der Versuch einer Nötigung ist gemäß § 240 Abs. 3 strafbar. 3. G muß weiter den Entschluß gefaßt haben, den A zu nötigen, d. h. den A durch D r o h u n g mit einem empfindlichen Übel zu einem

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Unterlassen zu bestimmen. G wollte durch Abgabe eines Warnschusses den A von weiteren Schlägen gegen die K abhalten. Er wollte ihm deutlich machen, daß er bei fortgesetzter Bedrohung von der Schußwaffe Gebrauch machen würde. Darin ist eine Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einem Unterlassen zu sehen. 4. Der Entschluß ist durch Abgabe des Warnschusses verwirklicht worden. Darin ist nach allen Theorien ein Anfang der Ausführung zu sehen, denn an der unmittelbaren Einflußnahme auf den Willen des A ist nicht zu zweifeln. 5. Pflichtbegrenzung Zu prüfen ist aber, ob die versuchte Nötigung des G rechtswidrig war. Als Rechtfertigungsgrund kommt wiederum Nothilfe, § 32, in Betracht. a) Zum gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff vgl. oben 1. Teil II 2a. b) Die Abgabe eines Warnschusses stellt bei der Gefährlichkeit des rabiaten Schlägers ein erforderliches Mittel zur Abwendung der Gefahr dar. c) G wollte seine Angestellte K vor weiteren unmittelbar drohenden Schlägen des A schützen. G handelte somit zugunsten der K in Verteidigung gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Nach den Tatumständen ist davon auszugehen, daß K Hilfe wünschte. d) Die Voraussetzung der Nothilfe gemäß § 32 liegen somit vor. Die versuchte Nötigung des G ist daher durch Nothilfe, § 32, gerechtfertigt. 6. G hat sich nicht gemäß §§ 240, 23 strafbar gemacht. 3. Teil: Der Schuß in das Bein des A I. Körperverletzung

des A, § 223

G könnte sich durch seinen gezielten Schuß in das Bein des A einer Körperverletzung gemäß § 223 schuldig gemacht haben. 1. G hat durch den Schuß in das Bein des A diesen in seiner körperlichen Unversehrtheit erheblich beeinträchtigt und eine Gesundheitsbeschädigung des A herbeigeführt; vgl. oben 2. Teil I 1. G hat gewußt, daß er den A durch den gezielten Schuß verletzen würde. 2. Fraglich ist jedoch, ob G auch rechtswidrig gehandelt hat. Als Rechtfertigungsgrund für die Tat des G kommt Notwehr, § 32, in Betracht. Dann muß G in Verteidigung gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf A geschossen haben.

Anfängerklausur Nr. 1: Gaststättenfall

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a) A ist auf den Gastwirt eingedrungen, um diesen an dem Anruf gewaltsam zu hindern. Darin lag eine unmittelbare rechtswidrige Bedrohung der Freiheit der Willensentschließung und der körperlichen Integrität des G. G hat sich daher durch Abgabe des Schusses gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff des A verteidigt. b) Zu prüfen ist aber, ob der Schuß des G in das Bein des A erforderlich war. Als Abgrenzungskriterium für das Maß und die Art der Abwehr dienen hierbei die Stärke und die Gefährlichkeit des Angriffs. G kannte den A als rabiaten Schläger, der seine Gefährlichkeit und Brutalität durch das Niederschlagen der Angestellten K unter Beweis gestellt hatte. Auch ein vorher abgegebener Warnschuß des G hatte den A nicht von dem Angriff abhalten können. Weitere mündliche Ermahnungen oder weitere Warnschüsse versprachen daher keinen hinreichenden Erfolg. Demzufolge stellte der Schuß in das Bein des A, der diesen an weiteren Angriffen hinderte, ein geeignetes und erforderliches Mittel dar. G handelte auch mit Verteidigungswillen. Damit sind die Voraussetzungen der Notwehr gem. § 32 erfüllt. Die Tat ist nicht rechtswidrig, G hat sich nicht nach § 223 strafbar gemacht. 3. Eine Prüfung des § 223a, gefährliche Körperverletzung, entfällt, da er den Unrechtstatbestand des § 223 voraussetzt. II. Nötigung des A, § 240 Durch den Schuß in das Bein des A könnte G sich einer Nötigung des A schuldig gemacht haben. 1. Die Verletzung hindert den A daran, seine Pläne weiter zu verfolgen. Durch unmittelbaren körperlichen Zwang wurde A demnach zu einer Unterlassung veranlaßt. Dieses Ziel strebte G bewußt an. 2. Der Tatbestand der Nötigung liegt demnach vor, doch ist die Einwirkung auf den Willen des A gleichfalls durch Notwehr gerechtfertigt; vgl. oben I 2. Gesamtergebnis: G hat sich nicht strafbar gemacht.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

E. Anmerkungen 1. Den Anfänger verblüfft es zunächst, daß eine weitere Erörterung eines bestimmten Verhaltens einer Person, hier z. B. Abgabe des Warnschusses durch G, unter strafrechtlichen Gesichtspunkten noch in Betracht kommt, nachdem schon festgestellt ist, daß „dieses Verhalten", hier z. B. als Verletzung der K, gerechtfertigt ist. Das beruht auf einer ungenauen Betrachtungsweise. Strafrechtlich gewürdigt wird nämlich nicht „die Abgabe des Warnschusses" als solche, sondern allein die mit der Abgabe des Warnschusses verbundene Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter. Die Wertung dieser Beeinträchtigung ist jedoch abhängig von der Position des Täters zu diesen Rechtsgütern. Daraus folgt für den Fall, daß durch eine Handlung mehrere Rechtsgüter gefährdet oder verletzt werden, daß jede der verschiedenen Rechtsgutsbeeinträchtigungen unabhängig von den anderen zu untersuchen und rechtlich zu würdigen ist. Selbstverständlich können die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen voneinander abweichen. Schulbeispiel: Der Jäger J schießt auf eine wildernde fremde Katze, ohne sich zu überzeugen, daß kein Mensch im Schußfeld ist. Der Spaziergänger S wird tödlich getroffen. T ö t u n g der fremden Katze (§ 303) gerechtfertigt; Tötung des S als rechtswidrige fahrlässige T ö t u n g strafbar, § 222. 2. Vertretbar wäre eine Ablehnung der Rechtfertigung der Verletzung der K durch G auf Grund zu starker Gefährdung der K nach dem Sachverhalt gewesen, weil die Angaben an dieser Stelle derart knapp sind, daß sie diese Interpretation zulassen. 3. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Der Sachverhalt lag einer Entscheidung des O L G Frankfurt zugrunde. Vgl. die Gründe dieser Entscheidung - M D R 1970 S. 695 - mit dem Gutachten. 2. Gemeinhin wird die „mutmaßliche Einwilligung" noch als Rechtfertigungsgrund anerkannt, obwohl betont wird, daß der reale Wille des Berechtigten unbeachtlich ist und die Entscheidung aufgrund objektiver Wert- oder Interessenabwägung zu treffen ist. Für diese Entscheidung werden jedoch keine Kriterien, die über die des rechtfertigenden Notstands hinausgehen, genannt; vgl. JESCHECK, Lehrbuch des Strafrechts, A.T., 3. Aufl. 1978, S. 309ff.; OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., S. 107ff. 3. Zum Verhältnis des rechtfertigenden Notstands zu den einzelnen vertypten - konkretisierten - Rechtfertigungsgründen vgl. OTTO, a.a.O., S. 92 f. 4. O b die konkreten Rechtfertigungsgründe vor der „Verwerflichkeit" zu prüfen sind, ist streitig, doch gerade die entgegengesetzte Prüfungsfolge in BGHSt 5 S. 246 spricht mehr für das hier vorgeschlagene Vorgehen. Der B G H prüft nämlich die Verwerflichkeit zuerst und kommt zu dem Ergebnis, die Nötigung sei rechtswidrig. Anschließend, obwohl die Rechtswidrigkeit bereits be-

Anfängerklausur Nr. 1: Gaststättenfall

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jaht ist, werden die verschiedenen Rechtfertigungsgründe erörtert. Dies muß Verwirrung stiften, selbst wenn der Unterschied zwischen Urteils- und Gutachtenstil beachtet wird. Aufbautechnisch sollte es aber gerade in diesem Bereich keinen Zweifel geben: Ein gerechtfertigtes Verhalten ist niemals verwerflich. Mit der Bejahung eines Rechtfertigungsgrundes ist daher die Frage nach der Verwerflichkeit eines Verhaltens zwingend entschieden. Zur MittelZweck-Relation erübrigen sich Ausführungen.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Anfängerklausur Nr. 2: Heroinfall A. Sachverhalt M und S bewohnten seit einem Jahr gemeinsam eine Wohnung. S war bereits heroinsüchtig, bevor sie mit dem M zusammengezogen war. M hatte wiederholt erfolglos versucht, sie vom Rauschgiftkonsum abzubringen. Eines Tages trafen M und S in ihrer Stammkneipe den B. Bei einem Glas Bier beschlossen sie, gemeinsam von einem dem B bekannten Rauschgifthändler R Heroin zu kaufen. Nachdem sie den Stoff zusammen von R erworben hatten, gingen sie in die Wohnung von M und S, wo sich B und S sofort das Heroin spritzten. Nach einiger Zeit merkte M, daß S und B bewußtlos geworden waren. Er versuchte, durch Herzmassage und Einflößen eines Kreislaufmittels zu helfen. Obwohl er erkannte, daß ärztliche Hilfe notwendig war, überließ er es dem Zufall, ob sich die von ihm erkannte Lebensgefahr für S und B verwirklichte oder nicht. S verstarb um 4.00 Uhr und B um 6.00 Uhr morgens. Bei rechtzeitiger ärztlicher Behandlung hätte B mit Sicherheit gerettet werden können, während die Rettung der S auf Grund ihrer gesundheitlichen Gesamtverfassung zwar gut möglich, aber keineswegs sicher gewesen wäre. Wie ist das Verhalten von M und R strafrechtlich zu würdigen? Eine Strafbarkeit auf Grund von Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes soll außer Betracht bleiben. B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Die Wahl der Grobgliederung ergibt sich aus der Frage, in der nach dem strafbaren Verhalten von M und R gefragt ist. 2. Sowohl bei M als auch bei R kommen jeweils Tötungsdelikte in Betracht. Zwar besteht das strafrechtlich relevante Verhalten des R in einem positiven Tun, dasjenige von M dagegen in einem Unterlassen. Zu beachten ist jedoch, daß die Frage, ob sich im Tod der S bzw. des B die von ihnen jeweils selbst eigenverantwortlich begründete Gefahr realisierte, beim Begehungs- und Unterlassungsdelikt in gleicher Weise stellt.

C. Lösungsskizze 1. Teil: Strafbarkeit des M wegen der Nichtherbeiholung eines Arztes I. Tod der S 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13: + , es besteht eine Ga-

Anfängerklausur Nr. 2: Heroinfall

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rantenstellung des M aus natürlicher Verbundenheit; zwar hat S f ü r sich selbst durch den Heroingenuß eine Gefahr begründet, aufgrund seiner Garantenstellung war M aber zur Abwendung des Erfolges verpflichtet, da S den Erfolg nicht bewußt anstrebte. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c: + . 3. Verhältnis von §§ 212, 13, 323 c: Konsumtion. II. Tod des B 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13: —, Gefahrengemeinschaft und Ingerenz entfallen; zwar Möglichkeit der Garantenstellung aus Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs, aber Voraussetzungen: Herrschaftsbereich und weiteres Vertrauenselement; letzteres fehlt hier. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c: + . 2. Teil: Strafbarkeit des R wegen des Verkaufs des Heroins I. Tod der S 1. Fahrlässige Tötung, § 222: — , zwar hat R eine Gefahr f ü r das Leben der S begründet, nicht diese Gefahr hat sich realisiert, sondern die von S selbst gesetzte, bzw. durch das pflichtwidrige Garantenunterlassen des M herbeigeführte. 2. Vergiftung, § 229: — , kein Beibringen. II. Tod des B Vgl. die Ausführungen zu S unter I. Gesamtergebnis 1. Teil: M: §§ 212, 13; 323 c, 52. 2. Teil: R hat keine Straftatbestände erfüllt.

D. Gutachten 1. Teil: Strafbarkeit des M wegen der Nichtherbeiholung eines Arztes I. Tod der S 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13 a) Die Rechtsgutsverletzung - der Tod der S - ist eingetreten. b) M verfügte auch über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden, denn er hätte einen Arzt rufen können. c) Eine Garantenstellung des M ergibt sich hier aus natürlicher Verbundenheit in Form einer eheähnlichen Gemeinschaft. Fraglich ist jedoch, worauf die Garantenpflicht des Beschützerga-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

ranten M gerichtet ist. Laut Sachverhalt wäre die Rettung der S aufgrund ihrer gesundheitlichen Gesamtverfassung zwar gut möglich, aber keineswegs sicher gewesen. Die nach dem Kausalitätsprinzip vorgehende herrschende Meinung bejaht eine Garantenpflicht nur dann, wenn der Täter es unterlassen hat, eine Bedingung zu setzen, die nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Folgt man dieser Ansicht, so wäre eine Pflicht des M zur Abwendung der Todesgefahr der S hier zu verneinen. Berücksichtigt man jedoch, daß eine solche Begrenzung der Garantenpflicht an der Pflicht des Garanten, das ihm Mögliche zur Rettung des Rechtsguts zu unternehmen, vorbeigeht, so besteht eine Pflicht des Garanten zum Tätigwerden bereits dann, wenn überhaupt eine Chance besteht, das Rechtsgut zu retten. Demnach traf M hier die Pflicht, tätig zu werden. d) Fraglich ist jedoch, ob sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr realisierte, die M aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden bzw. zu vermindern verpflichtet war, oder vielmehr eine von S selbst gesetzte. S, die bereits über ein Jahr heroinsüchtig war, hat sich das Rauschgift eigenverantwortlich gespritzt. Aus der Tatsache, daß sie heroinsüchtig war, ist nicht zu folgern, daß sie unzurechnungsfähig war. Auch unter Berücksichtigung des eigenverantwortlichen Handelns der S stellt sich jedoch die Frage, ob M nicht spätestens zu dem Zeitpunkt verpflichtet war einzugreifen, als S bewußtlos geworden war. Zwar realisierte sich im Tod der S die durchaus typischerweise mit dem Genuß von Rauschgift verbundene Gefahr, die S eigenverantwortlich auf sich genommen hatte. Sie hatte jedoch nicht vorsätzlich ihren Tod ins Werk gesetzt. Daher ist ihre Handlungsunfähigkeit auch nicht als planmäßige Realisierung eines verantwortlich gefaßten Tötungsentschlusses anzusehen. Im Tod der S realisierte sich daher die Gefahr, die M aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden verpflichtet war. e) Obwohl M erkannte, daß ärztliche Hilfe notwendig war, überließ er es dem Zufall, ob sich die von ihm erkannte Lebensgefahr für S realisierte oder nicht. Damit erkannte er die konkrete Gefahr der Rechtsgutsverletzung und ließ sich trotz des Bewußtseins dieser Gefahr nicht von seinem Vorhaben abhalten. Somit handelte er mit dolus eventualis. f) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. g) M handelte auch schuldhaft. h) M hat sich daher eines Totschlages durch Unterlassen schuldig gemacht.

Anfängerklausur Nr. 2: Heroinfall

2. Unterlassene Hilfeleistung,

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§ 323 c

Gleichgültig, ob man „Unglücksfall" als plötzlich eintretendes Ereignis, das erheblichen Schaden an Leib oder Leben eines anderen zu bringen droht, oder als Situation, in der der Einzelne auf die Solidarität der anderen angewiesen ist, soll er nicht erheblichen Schaden an Leib oder Leben nehmen, interpretiert, liegt in dem Moment, in dem S bewußtlos geworden ist, ein Unglücksfall vor. Die Zuziehung eines Arztes wäre erforderlich und dem M , der selbst nicht rauschgiftsüchtig war, auch zumutbar gewesen. Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld sind zu bejahen. 3. Verhältnis §§ 212, 13, 323 c In dem unechten Unterlassungsdelikt liegt eine gegenüber dem echten Unterlassungsdelikt intensivere verbrecherische Tätigkeit, die den Unrechts- und Schuldgehalt des echten Unterlassungsdelikts aufzehrt. D a h e r konsumiert die T ö t u n g durch Unterlassen die unterlassene Hilfeleistung. II. Tod des B 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13 a) Die Rechtsgutsverletzung ist eingetreten. b) Der M hatte die Möglichkeit, den Tod des B zu vermeiden, indem er einen Arzt geholt hätte. c) Fraglich ist, woraus sich eine Garantenstellung des M ergeben könnte. aa) Eine Garantenstellung aus Gefahrengemeinschaft setzt voraus, daß sich Menschen miteinander in einer Gemeinschaft befinden, die ihrem Wesen nach auf gegenseitige Hilfe angelegt ist, wie z. B. Bergtouren oder Expeditionen. Daran fehlt es aber gerade bei einer Zechgemeinschaft oder dem gemeinsamen Erwerb und Konsum von D r o gen. bb) Des weiteren könnte sich eine Garantenstellung aus Ingerenz ergeben. Diese würde aber voraussetzen, daß ein vorangegangenes Tun des M in Hinblick auf den eingetretenen Erfolg gefährlich gewesen wäre und daß die Gefahr sich selbständig (unmittelbar) in dem Erfolg realisiert hätte. Gerade daran fehlte es aber hier, weil der B die G e f a h r eigenverantwortlich auf sich genommen hat. Insofern kommt es auf die Frage, ob man als Vorverhalten ein pflichtwidriges Verhalten verlangt oder auch rechtmäßiges genügen läßt, nicht an. cc) Schließlich könnte sich eine Garantenposition auch aus der Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs ergeben.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Diese Garantenstellung setzt einmal einen rechtlich geschützten Herrschaftsbereich voraus, der hier in der Wohnung zu sehen ist. Des weiteren ist erforderlich, daß zwischen dem Inhaber dieses Herrschaftsbereichs und dem Dritten ein Vertrauensverhältnis dergestalt besteht, daß der Dritte, der sich zulässigerweise im Herrschaftsbereich des Wohnungsinhabers aufhält, sich darauf verlassen kann, daß ihm in diesem Bereich kein Schaden zugefügt wird. In diesem Fall ist jedoch entscheidend darauf abzustellen, daß dem B kein Schaden durch den Hausrechtsinhaber oder Dritte zugefügt wurde, sondern er f ü r sich selbst eigenverantwortlich eine Gefahr gesetzt hat. Daran scheitert im vorliegenden Fall eine Garantenstellung des M gegenüber B aus Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs. M hat sich demnach gegenüber B keines Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht. 2. Unterlassene Hilfeleistung, $ 323 c Hierzu gelten die unter I 2 gemachten Ausführungen entsprechend. 2. Teil: Strafbarkeit des R wegen Verkaufs des Heroins I. Der Tod der S 1. Fahrlässige Tötung, § 222 a) Die Rechtsgutsverletzung, der Tod der S, ist eingetreten. b) R hatte die Möglichkeit, den Erfolg dadurch zu vermeiden, daß er kein Rauschgift verkaufte. c) Eine Gefahr f ü r das Leben der S hat R durch den Verkauf des Rauschgifts begründet. d) Fraglich ist aber auch in diesem Zusammenhang, ob sich die von R begründete Gefahr realisiert hat oder eine andere. Fragt man nur danach, ob R den Tod der heroinabhängigen S durch Verkauf und Ubergabe von Heroin verursacht hat, so ist eine solche Kausalität im vorliegenden Fall zu bejahen, da R eine Bedingung gesetzt hat, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Diese Betrachtungsweise läßt jedoch außer acht, daß S sich das Heroin selbst gespritzt hat. Ihr eigenverantwortliches Verhalten in voller Kenntnis der möglichen Gefahren unterbrach den Zurechnungszusammenhang zwischen der von R gesetzten Ursache und dem Erfolg. Der Erfolg ist nicht mehr als ein Werk des R, sondern als Werk der S selbst bzw. des Garanten M, der seiner Pflicht nicht genügte (vgl. oben 1. Teil I 1), anzusehen. R hat sich daher keiner fahrlässigen T ö t u n g schuldig gemacht.

Anfängerklausur Nr. 2: Heroinfall

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2. Vergiftung, £ 229 Dann müßte R der S Gift beigebracht haben, um deren Gesundheit zu beschädigen. Gift ist jeder anorganische oder organische Stoff, der unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu zerstören vermag, also auch Heroin. Für das Tatbestandsmerkmal „Beibringen" genügt jedoch das bloße Verschaffen des Stoffes oder wie hier der Verkauf nicht. § 229 entfällt. II. Tod des B Hier gelten die unter I. zu S gemachten Ausführungen entsprechend. Gesamtergebnis M hat sich gegenüber S eines Totschlages durch Unterlassen und gegenüber B einer unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht. Die beiden „Unterlassungen" beruhen auf einem einheitlichen Tatentschluß und hängen aufgrund ihres räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs objektiv erkennbar derart zusammen, daß sie bei natürlicher Betrachtungsweise als Einheit anzusehen sind. Dieses natürliche Bild wird auch nicht durch die Tatsache zerstört, daß es sich hier um die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen handelt. M: §§ 212, 13; 323 c; 52. R hat keinen Straftatbestand verwirklicht.

E. Anmerkungen 1. Hinsichtlich der Garantenposition aus Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs (vgl. 1. Teil II 1) ist zu beachten, daß diese Garantenstellung nicht zu weit geraten darf. Zwar ist Anknüpfungspunkt für diese Garantenstellung die Überlegung, daß durch die Einräumung eines Herrschaftsbereichs dem Einzelnen ein räumlich geschützter Bereich überlassen wird, der staatlicher Kontrolle nur unter erschwerten Voraussetzungen zugänglich ist. Da es aber hier nicht um die Abwehr ganz bestimmter, mit der Herrschaftssphäre verknüpfter Gefahren geht, kann diese Garantenstellung nicht darauf gerichtet sein, alle Gefahren abzuwehren, die sich irgendwie für irgendwelche Güter aus oder in der Herrschaftssphäre ergeben. Eine solche Erwartung ist nicht als Grundlage des Soziallebens auszumachen. Weder wird allgemein erwartet, daß sich z.B. aus einer fremden Wohnung heraus keine Gefahren für andere entwickeln, noch vertraut der Einzelne schlechthin darauf, daß ihm in einer fremden Herrschaftssphäre kein Schaden entsteht. Es muß ein weiteres Vertrauenselement hinzukommen. Daran fehlt es aber gerade, wenn ein Gast sich selbst Rauschgift spritzt. 2. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Zur Pflicht zur Gefahrenabwehr und Gefahrenminderung vgl. z. B. SCHAFFSTEIN, Honig-Festschrift, 1970, S. 172f.; STRATENWERTH, Gallas-Festschrift, 1973, S . 227 ff. 2. Zur Garantenstellung des Wohnungsinhabers, dessen Gäste Rauschgift zu sich zu nehmen, vgl. OLG Stuttgart NJW 1981 S. 182 mit Anm. HASSEMER, J u S 1 9 8 1 S . 3 8 1 ; SONNEN, J A 1 9 8 1 S . 2 6 0 .

3. Zur Haftung des Heroinhändlers für den Tod von Heroinabhängigen, vgl. BGH M D R 1981 S. 684. 4. Zur eigenverantwortlichen Gefahrbegründung durch das Opfer vgl. OTTO, Grundkurs Strafrecht, A . T . , S. 54.

Anfängerklausur N r . 3: Säurefall

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Anfängerklausur Nr. 3: Säurefall

A. Sachverhalt A hatte ein Verhältnis mit E, der Ehefrau des J, der dem Verhältnis störend im Wege stand. Aus diesem Grunde wollte A den J töten. D a J ihn kannte und A bei einem Fehlschlag mit seiner Entdeckung rechnen mußte, entschloß er sich, die Tat durch Dritte ausführen zu lassen. Diese sollten über seine Tötungsabsichten im unklaren bleiben. In der gemeinsamen Kneipe, die A, E und J öfters aufsuchten, gab A dem Ober O ein Fläschchen, das angeblich ein Schlafmittel enthielt. O sollte das Schlafmittel in das Bierglas des J schütten, damit A sich ungestört mit E vergnügen könnte. In Wirklichkeit enthielt die dem O übergebene Plastikflasche 100 ml 35%ige Salzsäure, die bei Aufnahme von 20 ml in den leeren Magen mit Sicherheit tödlich wirkt. Als O das Fläschchen öffnete, kam ihm die Angelegenheit verdächtig vor, und er gab deshalb nichts davon in das Bier. Als dem J das nächste Bier serviert wurde, glaubte A, dieses enthielte die tödliche Säure. Als nichts passierte, wunderte er sich sehr. Auf Grund des Fehlschlags beschlossen A und E, den J auf andere Weise zu töten. Sie warben den C an, der den J abends, wenn er aus dem Hause ging, erschießen sollte. C sollte dem J im Dunkeln vor der Haustüre auflauern. E sollte den J abends mit der Bitte um eine Schachtel Zigaretten aus dem Hause schicken und dem C ein Zeichen geben, wenn J das H a u s verläßt. A wollte hinter der nächsten Straßenecke mit dem Fluchtauto warten. Pünktlich am nächsten Abend gab E das Zeichen, unmittelbar darauf öffnete sich die Haustür, in der J erschien. C war inzwischen aber nach Hause gegangen, da er es sich anders überlegt hatte. Wie haben sich A, E und C strafbar gemacht?

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. D e r Sachverhalt enthält zwei deutlich voneinander getrennte Handlungsabschnitte. Die Grobgliederung ist damit vorgegeben. Das Geschehen in der Gaststätte und die Ereignisse vor dem H a u s sind getrennt voneinander zu erörtern. 2. Bezüglich des Geschehens in der Gaststätte ist nur nach der Strafbarkeit des A gefragt. In bezug auf den geplanten Anschlag vor dem H a u s ist die Strafbarkeit aller drei Tatbeteiligten zu prüfen. Hier empfiehlt es sich, mit der Strafbarkeit der E zu beginnen, da sie als einzige aktiv gehandelt hat.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

3. Zu erörtern sind: In der Gaststätte: bei A: §§ 212, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.; 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.; 229 Abs. 1, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. Vor der Haustüre: bei E und A: §§ 212, 23, 25 Abs. 2; 211, 23, 25 Abs. 2 und bei C: §§ 212, 211, 23, 25 Abs. 2, 24 Abs. 2; 30 Abs. 2; 31 Abs. 1 Nr. 3.

C. Lösungsskizze 1. Teil: In der Gaststätte Strajbarkeit

des A

1. Versuchter Totschlag in mittelbarer Täterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt: + . a) Vollendung: —. b) Versuch strafbar: + , §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1, da Verbrechen. c) Tatentschluß: + , A wollte den J zwar nicht eigenhändig töten, aber er hatte den Entschluß gefaßt, den J als mittelbarer Täter zu töten. d) Unmittelbares Ansetzen: 4-, wäre der Tatplan verwirklicht worden, so hätte die unmittelbare Gefährdung für das geschützte Rechtsgut mit dem Servieren des Bieres vorgelegen. 2. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.: + . a) Tatentschluß auf Mordmerkmale bezogen: + . aa) niedrige Beweggründe: + . bb) Heimtücke: —. cc) Grausam: —. b) Unmittelbares Ansetzen: + , s. oben 1 d. 3. Versuchte Vergiftung in mittelbarer Täterschaft, §§ 229 Abs. 1, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.: + . a) Versuch strafbar: + , §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1, da Verbrechen. b) Tatentschluß: + , A wollte als mittelbarer Täter Gift i. S. des § 229 verabreichen. c) Unmittelbares Ansetzen: + , s. oben 1 d. d) Versuchte Vergiftung wird vom versuchten Mord konsumiert. 4. Ergebnis: Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. 2. Teil: Vor dem Haus I. Strajbarkeit

der E

1. Versuchter Totschlag in Mittäterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 2: + .

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a) Vollendung: —. b) Versuch strafbar: + , da Verbrechen, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1. c) Tatentschluß: + , E ist Mitträgerin des mittäterschaftlich gefaßten Tatentschlusses, den J zu töten. d) Unmittelbares Ansetzen: + , mit dem Offnen der Haustüre durch J. 2. Versuchter Mord in Mittäterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 2: + . a) Tatentschluß auf Mordmerkmale bezogen: + , Heimtücke: + . b) Unmittelbares Ansetzen: + , s. oben 1. Teil l d . II. Strafoarkeit

des A

1. Versuchter Totschlag in Mittäterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 2: + . a) Vollendung: —. b) Versuch strafbar: + , da Verbrechen, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1. c) Tatentschluß: 4-, A war Mitträger des mittäterschaftlich gefaßten Tatentschlusses, den J zu töten. d) Unmittelbares Ansetzen: + , er muß sich das Verhalten der E zurechnen lassen. 2. Versuchter Mord in Mittäterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 2: + . a) Tatentschluß: + , Heimtücke: + , Zurechnung als Mittäter. b) Unmittelbares Ansetzen: + , er muß sich den Tatbeitrag der Mittäter zurechnen lassen. III. Strafbarkeit

des C

1. Versuchter Totschlag in Mittäterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 2: -I-. a) Vollendung: —. b) Versuch strafbar: +, s. oben 1. Teil l b . c) Tatentschluß: + , C ist Mitträger des Tatplanes. d) Unmittelbares Ansetzen: + , er muß sich als Mittäter das Verhalten der E zurechnen lassen, auch wenn er selbst noch nichts getan hat. 2. Versuchter Mord in Mittäterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 2: + . Zurechnung der Heimtücke als Mittäter; vgl. II 2 a-b. 3. Persönlicher Strafaufhebungsgrund: Rücktritt, § 24 Abs. 2 S. 1: + . Vollendung der Tat verhindert: + , freiwillig: + . 4. Versuch der Beteiligung am Mord §§ 211, 30 Abs. 2: —. a) § 30 Abs. 2 i.V. mit § 211: + . b) Rücktritt, § 31 Abs. 1 Nr. 3: + . C hat die Ausführung der Tat verhindert.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

3. Teil: Gesamtergebnis 1. In der Gaststätte: A ist strafbar gem. §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. 2. Vor dem Haus: E und A sind strafbar nach den §§ 211, 23, 25 Abs. 2. 3. C ist straffrei. 4. Die Taten des A stehen zueinander in Realkonkurrenz, § 53. D. Gutachten 1. Teil: In der Gaststätte Strafl>arkeit des A 1. Versuchter Totschlag in mittelbarer Täterschaft, §§ 212, 23, 23 Abs. 1, 2. Alt. Indem A den J durch Beibringen der Salzsäure töten wollte, könnte A sich eines versuchten Totschlages gem. §§ 212, 23 schuldig gemacht haben. a) Ein vollendeter Totschlag liegt nicht vor, da J nicht zu Tode gekommen ist. b) Der versuchte Totschlag ist strafbar, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs 1, da es sich um ein Verbrechen handelt. c) A müßte den vorbehaltlosen Tatentschluß gefaßt haben, den J zu töten. A wollte den J nicht mit eigener Hand töten, sondern die Tat durch O ausführen lassen. Gem. § 25 Abs. 1, 2. Alt. wird aber auch derjenige als Täter bestraft, der die Tat durch einen anderen begeht, sog. mittelbarer Täter. Handeln als mittelbarer Täter bedeutet, daß der Täter ein Delikt durch eine andere Person begeht, weil er deren Verhalten kraft seines planvollen Willens beherrscht. In Betracht kommt hier die Steuerung durch den Hintermann dadurch, daß dieser einen Irrtum des Tatmittlers benutzt, um die Tat zu begehen. A hat dem O erzählt, daß es sich bei dem Mittel in der Flasche nur um ein harmloses Schlafmittel handele, um ihn dazu zu bewegen, das Mittel in das Bier des J zu schütten. Dadurch wollte er O in einen Irrtum über die Gefährlichkeit des Mittels versetzen. O hätte nicht gewußt, daß er dem J ein tödliches Mittel beibringt. Deshalb hätte A das tödliche Verhalten des O beherrscht. Damit hat A den Entschluß gefaßt, den J durch den O als Werkzeug kraft Irrtums zu töten. Er hatte damit den erforderlichen Tatentschluß als mittelbarer Täter gem. § 25 Abs. 1, 2. Alt. d) Gem. § 22 muß der Täter nach seiner Vorstellung auch unmit-

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telbar zur Verwirklichung des Tatbestandes angesetzt haben. Fraglich ist hier, wie das Ansetzen bei der mittelbaren Täterschaft zu verstehen ist. Nach einer Ansicht setzt der mittelbare Täter schon dann unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an, wenn er auf den Tatmittler einwirkt. Nach dieser Auffassung hätte A in dem Moment unmittelbar angesetzt, als er O das angebliche Schlafmittel gab. Eine andere Auffassung unterscheidet zwischen dem bösgläubigen und dem gutgläubigen Tatmittler. Beim bösgläubigen Tatmittler ist unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung gegeben, wenn dieser zur Tat ansetzt. Beim gutgläubigen Tatmittler dann, wenn der mittelbare Täter auf ihn einwirkt. O ist gutgläubig, da er sich über den Inhalt des Fläschchens irrt. Nach dieser Auffassung wäre wiederum die Ubergabe der Säure als unmittelbares Ansetzen zu betrachten. Nach einer dritten Auffassung gilt für das Ansetzen des mittelbaren Täters nichts anderes als für den selbst handelnden Täter. Danach setzt der mittelbare Täter unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an, wenn nach seiner Vorstellung die unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts eingetreten ist. Hiernach kommt es darauf an, ob A durch das Ubergeben der Flasche an O mit der Anweisung, den Inhalt bei Gelegenheit in das Bier zu schütten, unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung des J angesetzt hat. Eine unmittelbare Gefährdung des Lebens des J wäre durch solche Handlungen eingetreten, die in ihrem räumlich-zeitlichen Zusammenhang unmittelbar in die tödliche Handlung übergehen. Dieser Zeitpunkt war mit der Aushändigung der Säure noch nicht erreicht, denn es stand in diesem Moment noch nicht einmal fest, ob und wann dem J das nächste Bier serviert werden sollte. Allerdings wäre die unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts aus der Sicht des A in dem Moment eingetreten, wenn O die Säure in das Bier geschüttet und dann dem J das Bier serviert hätte. Als nach der Vorstellung des A dieser Zeitpunkt erreicht war, hat er unmittelbar zum Totschlag angesetzt. - Nach einer neuestens im Schrifttum vertretenen Ansicht soll ein Versuch des mittelbaren Täters allerdings nur solange in Betracht kommen, wie er das Geschehen beherrscht. Damit wird jedoch die Möglichkeit eines untauglichen Versuchs in diesem Bereich über Gebühr beschränkt. Pflichtbegrenzende Merkmale sind nicht ersichtlich. A war sich auch der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt und handelte schuldhaft. A hat sich dadurch gem. §§ 212, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. strafbar gemacht.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

2. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. a) Bei dem Verhalten des A könnte es sich sogar um einen versuchten Mord handeln. Dazu müßte sich der vorbehaltlose Tatentschluß des A auch auf eines der Merkmale des Mordes, § 211, bezogen haben. aa) In Betracht kommt zunächst das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe". Das sind Beweggründe, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich sind. Die Absicht, den Ehemann zu töten, um ein Verhältnis mit der Ehefrau ungestört fortsetzen zu können, stellt nach allgemeiner sittlicher Wertung eine Form hemmungsloser Eigensucht dar, die verwerflich ist. A wollte den J daher aus niedrigen Beweggründen töten. Er hatte den Tatentschluß gefaßt, einen Mord zu begehen. bb) Aber auch das Mordmerkmal der „Heimtücke" könnte A in seinen Tatentschluß aufgenommen haben. Nach der Rechtsprechung handelt „heimtückisch", wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt. Arglos ist, wer zumindest in diesem Moment von dem Täter keinen Angriff auf Leib und Leben befürchtet. Wehrlos ist, wer in seiner Abwehrbereitschaft oder Abwehrfähigkeit im Moment stark eingeschränkt ist. Da A gerade wollte, daß der J nicht merkt, daß A ihn unter Benutzung des O töten wollte, wollte A die Arg- und Wehrlosigkeit ausnutzen. A hat damit den Entschluß gefaßt, den J heimtükkisch zu töten. Definiert man Heimtücke allerdings als Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses oder als Mißbrauch begründeten Vertrauens des Opfers, so kommt man hier zu einer Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke. Denn zwischen J und A bestand kein enges Gemeinschaftsverhältnis, das A zur Tat ausgenutzt hätte. Dieser Auffassung ist zu folgen, denn sie bietet die Möglichkeit, das Merkmal der Heimtücke konkreter und enger zu fassen, und verhindert so eine Ausuferung des Tatbestandes, ohne damit aber ein Mordmerkmal wegfallen zu lassen. A hat demnach nicht den Entschluß gefaßt, den J heimtückisch zu töten. cc) Dadurch, daß A den J, wenn auch in mittelbarer Täterschaft, durch die Säure töten wollte, könnte das Merkmal „grausam" in Betracht kommen. Grausam handelt derjenige, der dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besondere Schmerzen oder Qualen zufügen will. Dies wollte A nicht. Es kam ihm nicht darauf an, dem J besondere Qualen zuzufügen. Er wollte J nur möglichst schnell beseitigen. Damit hat A nicht den Entschluß gefaßt, den J grausam zu töten.

Anfängerklausur N r . 3: Säurefall

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b) A hat auch unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung angesetzt (vgl. oben 1 d). A hat sich also eines versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. schuldig gemacht. 3. Versuchte Vergiftung in mittelbarer Täterschaft, §§ 229Abs. 1, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1, 2. Alt. Durch die beabsichtigte Verabreichung der Salzsäure könnte A sich einer versuchten Vergiftung gem. §§ 229 Abs. 1, 23 schuldig gemacht haben. a) Eine vollendete Vergiftung liegt nicht vor, aber auch der Versuch der Vergiftung ist strafbar, da es sich bei § 229 Abs. 1 um ein Verbrechen handelt, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1, 229 Abs. 1. b) A hatte den Entschluß gefaßt, dem J durch den Kellner O Salzsäure beibringen zu lassen (vgl. oben 1 c). c) Salzsäure ist ein Stoff i. Sinne des § 229, denn der Genuß ist geeignet, die Gesundheit zu zerstören. Zum Beibringen dieses Stoffes hatte A unmittelbar angesetzt (vgl. oben 1 d). - A handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. d) Der Unrechtsgehalt dieses Delikts wird aber durch den versuchten Mord konsumiert. 4. Ergebnis: A hat sich eines versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt., schuldig gemacht. 2. Teil: Vor dem Haus I. Strafbarkeit der E 1. Versuchter Totschlag in Mittäterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 2 a) Der Totschlag ist nicht vollendet, J lebt noch. b) Der Versuch ist strafbar, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1, es handelt sich um ein Verbrechen. c) E müßte den Entschluß gefaßt haben, den J zu töten. E wollte den J nicht eigenhändig töten. Dies sollte vielmehr durch den C geschehen. E könnte aber als Mittäterin zusammen mit A und C den Tatentschluß gefaßt haben. Mittäter ist, wer im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem oder mehreren anderen einen Unrechtstatbestand derart erfüllt, daß die Tätermerkmale in der Person eines jeden Mitwirkenden vorliegen, d. h., daß jeder Mitträger des Tatentschlusses ist und an der Tatausführung arbeitsteilig mitwirkt, § 25 Abs. 2. A, E und C wollten hier gemeinschaftlich den J töten. Dabei war die Arbeitsteilung zwi-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

sehen den drei Personen derart verabredet, daß jeder einen Teil der Tatausführung übernahm. E hat also als Mittäterin den Entschluß gefaßt, den J zu töten. d) E ist aber nur dann wegen eines versuchten Totschlags strafbar, wenn sie auch unmittelbar zur Tat angesetzt hat. Das unmittelbare Ansetzen könnte darin liegen, daß E das Zeichen gibt, als J das Haus verlassen will. Vertritt man die Auffassung, daß ein unmittelbares Ansetzen erst dann vorliegt, wenn das Rechtsgut, das verletzt werden soll, unmittelbar gefährdet ist, so liegt jedoch kein Ansetzen vor. Denn allein durch das Zeichen wird das Rechtsgut „Leben" des J noch nicht gefährdet. Es müssen hier noch weitere Schritte hinzu kommen. Auch wenn man mit der Formel der Rechtsprechung arbeitet, daß die Schwelle zum „jetzt geht's los" überschritten sein muß, hat E noch nicht unmittelbar angesetzt. Denn die Handlung der E, das Zeichen, mündet noch nicht ohne Zwischenakte in die Tat, denn J selber muß noch aus der Türe treten. Nach beiden Auffassungen liegt aber ein unmittelbares Ansetzen dann vor, als J die Haustüre öffnet. Denn nach dem gemeinsamen Tatplan sollte jetzt der tödliche Schuß fallen und E ging davon aus, daß dieser fallen wird. Dieser Schuß wäre der E auf Grund des mittäterschaftlichen Vorgehens als eigene Tat zuzurechnen gewesen. Mit dem Offnen der Haustüre durch J war demnach der Zeitpunkt erreicht, in dem E nach ihrer Vorstellung und dem gemeinsamen Tatplan unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung angesetzt hatte. Pflichtbegrenzende Merkmale sind nicht ersichtlich. E handelte auch schuldhaft. E hat sich gem. §§ 212, 23, 25 Abs. 1 eines versuchten Totschlags in Mittäterschaft schuldig gemacht. 2. Versuchter Mord in Mittäterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 2 a) E könnte sich auch eines versuchten Mordes schuldig gemacht haben. Dann müßte ihr Tatentschluß auch Mordmerkmale umfaßt haben. In Betracht kommt hier allein die Heimtücke. Nach beiden (vgl. oben 1. Teil 2 a, bb) aufgezeigten Auffassungen kommt man hier zur Bejahung der Heimtücke. Denn E, als Ehefrau, hat sowohl die Argund Wehrlosigkeit ihres Mannes ausnützen wollen, als auch das zwischen Eheleuten bestehende Vertrauensverhältnis auszunutzen versucht. E hat damit das Mordmerkmal der Heimtücke in ihren Tatentschluß mit aufgenommen. b) Zum unmittelbaren Ansetzen gilt das oben - 1 d - Gesagte. Die Schuld der E liegt vor. E hat sich also eines versuchten Mordes in Mittäterschaft schuldig gemacht, §§ 211, 23, 25 Abs. 2.

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II. Strafbarkeit des A 1. Versuchter Totschlag in Mittäterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 2 A könnte sich eines versuchten Totschlages schuldig gemacht haben. a) Ein vollendeter Totschlag liegt nicht vor. b) Der Versuch des Totschlags ist strafbar, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1, da es sich um ein Verbrechen handelt. c) A muß auch den erforderlichen Tatentschluß haben. A wollte gemeinsam mit E und C töten, sein Tatbeitrag sollte in dem Wegfahren des Fluchtautos liegen. A ist demnach als Mittäter im Sinne des § 2 5 Abs. 2 zu betrachten. d) Fraglich ist, ob A unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung angesetzt hat. A hat selbst noch nichts getan, er sitzt in dem Auto und wartet. Es stellt sich daher die Frage, welche Voraussetzungen f ü r das unmittelbare Ansetzen bei dem Vorliegen einer Mittäterschaft erforderlich sind. Nach der herrschenden Auffassung beginnt bei Mittätern der Versuch f ü r alle Mittäter, wenn zumindest einer der Mittäter in Vollzug des gemeinsamen Tatplans zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (Gesamtlösung). Nach dieser Auffassung muß sich A das unmittelbare Ansetzen der E zur Tat zurechnen lassen. Auch A hat demnach im Moment des unmittelbaren Ansetzens zur Tat durch E unmittelbar zur Tat angesetzt. Die Mindermeinung stellt f ü r den Versuchsbeginn auf das Verhalten eines jeden einzelnen der Mittäter ab. Damit wird jedoch die Institution der Mittäterschaft in diesem Bereich zerstört. e) Pflichtbegrenzende Merkmale sind nicht ersichtlich. Unrechtsbewußtsein und Schuld liegen vor. Damit hat sich A eines versuchten Totschlages schuldig gemacht. 2. Versuchter Mord in Mittäterschaft, ff 211, 23, 25 Abs. 2 a) A könnte auch den Tatentschluß dahingehend gefaßt haben, Mordmerkmale zu erfüllen. In Betracht kommt hier wieder das Mordmerkmal der Heimtücke. A selbst wollte jedoch nicht eigenhändig heimtückisch handeln, er selbst konnte nicht die Arg- und Wehrlosigkeit oder das Vertrauensverhältnis des J ausnutzen, da er mit J nicht in Kontakt kam. Zu fragen ist daher, ob sich A das Merkmal der Heimtücke, das die E im Rahmen des Tatplans verwirklicht hat, zurechnen lassen muß. - Dies wäre nicht der Fall, wenn die Heimtücke als besonderes persönliches Merkmal i. S. des § 28 anzusehen wäre, § 28 Abs. 2. Werden als besondere persönliche Merkmale nur Sonderpflichtmerkmale anerkannt und § 211 als Qualifizierung des § 212 begriffen,

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

so kann § 28 im Rahmen der Tötungsdelikte keine Bedeutung erlangen. Die h. M. identifiziert die besonderen persönlichen Merkmale i. S. des § 28 mit sog. täterbezogenen Merkmalen. Da aber die Mordmerkmale der zweiten Gruppe, unter die auch die Heimtücke fällt, als tatbezogene Merkmale angesehen werden, greift § 28 nicht ein. Damit ist dem A nach beiden Auffassungen die Verwirklichung des Mordmerkmals „Heimtücke" im Rahmen der Mittäterschaft zuzurechnen. b) Zum unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes vgl. oben 1 d. A handelte auch schuldhaft. A hat sich damit eines versuchten Mordes in Mittäterschaft gem. §§ 211, 23, 25 Abs. 2 schuldig gemacht. III. Straßarkeit des C 1. Versuchter Totschlag in Mittäterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 2 Indem C sich bereiterklärte, auf den J zu schießen, und den Tatort aufsuchte, könnte er sich eines versuchten Totschlages in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. a) Eine Vollendung des Totschlags liegt nicht vor. b) Der Versuch des Totschlags ist strafbar (vgl. oben II lb). c) Ferner müßte C den erforderlichen vorbehaltlosen Tatentschluß gefaßt haben, den J zu töten. C wollte, gemeinsam mit A und E, den J töten. Damit hatte er den erforderlichen Tatentschluß. d) Weiter müßte C unmittelbar zur Tat angesetzt haben. Nach der oben aufgestellten Prämisse, daß das unmittelbare Ansetzen eines Mittäters für alle anderen Mittäter wirkt, muß er sich das Verhalten der E zurechnen lassen. C hat also auch unmittelbar zur Tat angesetzt. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft. 2. Versuchter Mord in Mittäterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 2 Als Mittäter muß C sich auch die Verwirklichung des Mordmerkmals Heimtücke zurechnen lassen; vgl. oben II 2a-b. 3. Es ist jedoch zu fragen, ob C von der Tat gem. § 24 Abs. 2 S. 1 zurückgetreten ist. - § 24 Abs. 2 S. 1 gewährt dem Tatbeteiligten Straffreiheit, der die Vollendung der Tat freiwillig verhindert. Im vorliegenden Fall hat C dadurch, daß er es unterließ, zu schießen, die weitere Tatausführung verhindert. Sein aktives Zutun (der Schuß) wäre erforderlich gewesen, um die Vollendung der Tat zu ver-

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wirklichen. C ist daher von der weiteren Tatausführung zurückgetreten. Dieser Rücktritt geschah auch freiwillig. C ging weg, weil er es sich anders überlegt hatte. - Daß die Rücktrittshandlung bereits vor Versuchsbeginn erfolgte, ist irrelevant. Ein Versuch liegt auch in der Person des C vor, weil dieser sich die Versuchshandlung der anderen Mittäter zurechnen lassen muß. Sein Fortgehen ändert daran nichts. Da dieses Fortgehen sich aber auf die weitere Deliktsverwirklichung dahingehend auswirkte, daß es den Erfolgseintritt verhinderte, ist das Fortgehen dem C als Rücktritt vom Versuch zuzurechnen. C hat bewirkt, daß der Verbrechenserfolg nicht eintreten konnte. C ist damit straffrei vom Versuch des Mordes zurückgetreten, § 24 Abs. 2 S. 1. 4. Versuch der Beteiligung am Mord, §§ 211, 30 Abs. 2 a) Dadurch, daß C sich mit A und E verabredet hat, den J heimtükkisch zu töten, also ein Verbrechen zu begehen, könnte er nach §§ 30 Abs. 2, 211 strafbar sein. b) Aber auch hier könnte C Straffreiheit erlangt haben dadurch, daß er vom Tatort weggegangen ist. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 wird nämlich nicht bestraft, wer, nachdem er das Verbrechen verabredet hat, die Tat verhindert. Dies hat C hier getan, als er seinen Tatbeitrag, der zur Deliktsverwirklichung notwendig war, den Schuß, unterließ. C ist demnach strafbefreiend vom Versuch der Beteiligung zurückgetreten. 5. Ergebnis: C ist straffrei. 3. Teil: Gesamtergebnis 1. In der Gaststätte: A ist strafbar wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. Alle anderen Tatbestände werden im Wege der Gesetzeskonkurrenz konsumiert. 2. Vor dem Haus: E und A sind jeweils strafbar wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 2. 3. C bleibt straffrei. 4. Konkurrenzen: Die Straftaten des A stehen in Realkonkurrenz: §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.; 211, 23, 25 Abs. 2; 53.

E. Anmerkungen 1. Der Aufbau der Prüfung der § § 2 1 2 , 2 1 1 machte den Bearbeitern besondere Schwierigkeiten, die sich keine Gedanken über das Verhältnis der beiden Tatbestände zueinander gemacht hatten.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Jedoch unabhängig davon, ob man § 212 als Grundtatbestand des § 211 ansieht oder ob man mit der Rechtsprechung davon ausgeht, daß es sich um zwei unabhängige Tatbestände handelt, ist es falsch, mit der Erörterung der Qualifikationsmerkmale des § 211 zu beginnen. Auch wenn man § 211 als selbständigen Tatbestand auffaßt und mit der Prüfung des § 211 beginnt, muß man zuerst die Tötung erörtern. 2. Die Tatsache, daß A den J nicht eigenhändig töten wollte, führte zu groben Fehlformulierungen bei der Darlegung des Tatentschlusses des A. Diese Fehlerquelle läßt sich entweder dadurch umgehen, daß der Tatentschluß schon dahingehend formuliert wird: „A müßte den Entschluß gefaßt haben, als Täter den J zu töten", oder aber durch die Differenzierung dahingehend, d a ß A z w a r den J nicht eigenhändig töten wollte, aber den Entschluß gefaßt hatte, den J als mittelbarer T ä t e r zu töten. 3. Innerhalb des Theorienstreites zum Versuchsbeginn w a r der Bearbeiter in seiner Entscheidung frei. Maßgeblich konnte allein sein, d a ß er seine M e i nung verständlich darlegte und die von ihm gesetzten Prämissen durchhielt. 4. Die Ausführungen bezüglich der Zurechnung des Geschehens vor der T ü r litten wesentlich darunter, daß die Bearbeiter die Frage des Verhältnisses der Tatbeteiligten zueinander (Mittäterschaft/Teilnahme) zu ungenau erörterten und daher nicht fähig waren, die entsprechenden Konsequenzen ihrer Prämissen zu ziehen. 5. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Der Fall ist der Entscheidung BGHSt 30 S. 363 nachgebildet. Die Entscheidung hat eine lebhafte Diskussion über den Versuchsbeginn bei der mittelbar e n T ä t e r s c h a f t a u s g e l ö s t v g l . d a z u : KADEL, G A 1 9 8 3 S . 2 9 9 f f . ; KÜHL, J u S 1 9 8 3 S. 180; KÜPER, J Z 1 9 8 3 S . 3 6 1 f f .

2. Zur Vertiefung der Probleme des Versuchs und Rücktritts bei Tatbeteilig u n g m e h r e r e r v g l . OTTO, J A 1 9 8 0 S . 6 4 1 f f . , 7 0 7 f f .

Anfängerklausur Nr. 4: Bierkistenfall

67

Anfängerklausur Nr. 4: Bierkistenfall A. Sachverhalt A. der sich in der Gaststätte des X grob ungebührlich benommen hatte, ist von X und einigen Gästen vor die T ü r gesetzt worden. Gerade rappelt er sich an einem draußen stehenden Stapel von Bierkästen wieder hoch, als B ihm zuruft: „Zeig's ihnen, knall ihnen 'nen Kasten übern Kopf!" A ergreift daraufhin voller Rachedurst einen Bierkasten, schwenkt ihn herum und schlägt ihn dem neugierig herbeigeeilten C, der mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat, an den Kopf. C erleidet eine Gehirnerschütterung. 1. A glaubt nämlich, auch der C habe ihn mit aus der Gastwirtschaft befördert. Als er von seinem Irrtum erfährt, ist er sehr betrübt und versichert, er habe niemals einen am Hinauswurf Unbeteiligten treffen wollen. B ist geradezu entsetzt über die Verletzung des C, mit dem er gut befreundet ist. 2. A weiß, daß C nicht zu seinen Widersachern gehört. Er wollte den X treffen, hat aber beim Ausschwenken des Kastens die Entfernung zu C falsch eingeschätzt und diesen daher versehentlich getroffen. Haben A und B sich strafbar gemacht? - Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt. B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Der Sachverhalt enthält zwei voneinander unabhängige Varianten. Jede dieser Varianten ist daher als eigenständiger Fall zu behandeln.

2. Erste Alternative: a) Zu beginnen ist mit A, da dieser am tatnächsten ist und dem B mehr die Rolle eines Teilnehmers zuzukommen scheint. (Grundsatz der Akzessorietät!) b) In Betracht kommen bei A: §§ 223, 223 a, bei B: §§ 223, 223 a, 26; 223, 223 a, 30; 230. 3. Zweite Alternative: Zu erörtern bei B: Anstiftung zur Körperverletzung, falls bei A vorsätzliche Körperverletzung bejaht wird, sonst § 230. Außerdem §§ 223, 223 a, 23, 26.

C. Lösungsskizze 1. Alternative I. Straßarkeit des A wegen der Verletzung des C 1. Körperverletzung, § 223: + . Notwehr, § 32: —, rechtfertigender Notstand, § 34: —.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

2. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a: + . Gefährliches Werkzeug und lebensgefährdende Behandlung: + . II. Straßarkeit des B wegen der Aufforderung 1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 26: —, vorsätzliche Tat des A liegt vor, doch wollte B nicht diese Tat des A, sondern eine andere. 2. Versuchte Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 30: —, auch gefährliche Körperverletzung ist kein Verbrechen. 3. Fahrlässige Körperverletzung, § 230: + , Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen. 2. Alternative I. Strafbarkeit des A wegen der Verletzung des C 1. Körperverletzung, § 223: —, Vorsatz fehlt, da wesentliche Abweichung des vorgestellten vom realisierten Kausalverlauf. 2. Fahrlässige Körperverletzung, § 230: + . II. Straß>arkeit des A wegen der geplanten Verletzung des X Versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 23: + , Versuch der gefährlichen Körperverletzung strafbar. III. Straß>arkeit des B wegen der Aufforderung 1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung des C, §§ 223, 223 a, 26: —, da keine vorsätzliche Haupttat. 2. Fahrlässige Körperverletzung des C, § 230: + , Vorhersehbarkeit noch gegeben. 3. Anstiftung zur versuchten gefährlichen Körperverletzung an X, §§ 223, 223 a, 23, 26: + .

D. Gutachten 1. Alternative I. Straß>arkeit des A wegen der Verletzung des C 1. Körperverletzung, § 223 Indem A dem C den Bierkasten an den Kopf schlug, könnte er sich einer Körperverletzung, § 223, schuldig gemacht haben.

Anfängerklausur N r . 4: Bierkistenfall

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a) Dann müßte der Schlag mit dem Bierkasten eine körperliche Mißhandlung oder eine Gesundheitsbeschädigung des C bewirkt haben. - Körperliche Mißhandlung ist jede üble unangemesse Behandlung des Körpers einer Person, welche die körperliche Unversehrtheit oder das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt. Der Schlag mit einem Bierkasten an den Kopf fällt darunter. - Auch eine Gesundheitsbeschädigung liegt vor, denn eine Gehirnerschütterung ist ein krankhafter Zustand. b) Fraglich erscheint es jedoch, ob A vorsätzlich gehandelt hat. Der Vorsatz des A könnte dadurch ausgeschlossen sein, daß er nur jemanden treffen wollte, der an dem Hinauswurf beteiligt war. A hatte im Augenblick der Tat den Willen, den C mit dem Bierkasten zu treffen. Diesen Willen realisierte er in der Tat. Die Frage, warum er den C treffen wollte, ist f ü r die Verwirklichung des Tatbestandes des § 223 unwesentlich, weil dieser zwischen den Motiven des Täters nicht differenziert. Der A hat den Menschen körperlich verletzt, den er verletzen wollte, sein Irrtum ist ein f ü r den Vorsatz unbeachtlicher Motivirrtum (error in persona). c) Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des A könnte durch N o t wehr, § 32, ausgeschlossen sein. D a n n müßte zunächst ein rechtswidriger, gegenwärtiger Angriff vorliegen. Ein Angriff, d. h. eine drohende Rechtsgutsverletzung durch Menschen, liegt in dem Hinauswurf des A durch X und einige Gäste. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob sich X oder die Gäste rechtspflichtwidrig verhielten, bzw. ob der Angriff nicht schon beendet und damit nicht mehr gegenwärtig war. Entscheidend ist hier nämlich, daß sich die Abwehrhandlung jedenfalls nicht gegen den Angreifer richtete, sondern gegen den unbeteiligten C. D a h e r scheidet N o t w e h r aus. d) In Betracht kommt außerdem rechtfertigender Notstand, § 34. D a n n müßte zunächst eine gegenwärtige G e f a h r f ü r ein Rechtsgut des A vorgelegen haben. G e f a h r ist ein Zustand, der den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten läßt. Der Hinauswurf stellt einen Eingriff in die Willensfreiheit und die körperliche Integrität des A dar. Nachdem A vor die T ü r gesetzt worden war, dauerte die Gefahr jedoch nicht mehr an, d. h. sie war nicht mehr gegenwärtig. § 34 rechtfertigt das Verhalten des A nicht. e) A hat auch schuldhaft gehandelt. 2. Gefährliche Körperverletzung,

§§ 223, 223 a

In dem Schlag mit dem Bierkasten könnte eine Körperverletzung mit-

70

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

tels eines gefährlichen Werkzeuges sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung liegen. a) Der Bierkasten, gegen den Kopf des C geschleudert, ist nach der konkreten Art seiner Benutzung geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, und somit gefährliches Werkzeug im Sinne des § 223 a Abs. 1. b) Darüber war sich A im klaren. c) Der Schlag mit dem Bierkasten gegen den Kopf des C ist sowohl bei abstrakter als auch bei konkreter Betrachtungsweise geeignet, eine Lebensgefährdung hervorzurufen, so daß es auf die diesbezügliche Streitfrage hier noch nicht ankommt. d) Allerdings sagt der Sachverhalt nichts darüber aus, daß A die konkrete Lebensgefährdung des C erkannt hatte. Er war sich aber der Umstände bewußt, die sein Verhalten zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machten. Daher hat er nur vorsätzlich gehandelt, wenn man auf eine abstrakte Lebensgefährdung abstellt. Diejenigen, die eine konkrete Lebensgefahr verlangen, weisen darauf hin, daß es sich bei § 223 a in allen Alternativen um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt. Für eine abstrakte Betrachtungsweise spricht demgegenüber entscheidend, daß andernfalls dieser Alternative keine eigenständige Bedeutung zukäme, da zugleich immer ein versuchter Totschlag vorläge. Folgt man der zuletzt genannten Meinung, ist im vorliegenden Fall auch das Merkmal „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" zu bejahen. II. Strafl>arkeit des B wegen der Aufforderung 1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 26 a) Die Verletzung des C durch A erfolgte durch eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat (vgl. oben I I ) . b) Durch seine Aufforderung: „Zeig's ihnen, knall ihnen 'nen Kasten übern Kopf!" brachte B den A auf die Idee, mit dem Schlag auf den Kopf zu reagieren. Er verursachte daher den Tatentschluß. In der psychischen Ausnahmesituation, in der sich A befand, war er nicht in der Lage, sich abwägend mit derartigen Vorschlägen auseinanderzusetzen. Daher ist in dem Zuruf des B über die bloße Verursachung hinaus eine Einwirkung unmittelbar auf den Willen des A zu sehen. B bestimmte den A daher zu dessen Verhalten. c) Fraglich ist jedoch, ob der sog. doppelte Vorsatz des Anstifters hier gegeben ist. Dazu müßte sich B erstens des konkreten Tatgeschehens in groben Zügen bewußt sein und zweitens müßte er wissen, daß er A zu dieser Haupttat bestimmt.

Anfängerklausur N r . 4: Bierkistenfall

71

Was die erste Voraussetzung betrifft, kam es dem B im hier vorliegenden Sachverhalt nicht darauf an, daß der C verletzt wurde, sondern er ging davon aus, daß A einen von denen treffen würde, die den A aus der Gaststätte geworfen hatten. Die von A begangene Tat stimmte demnach nicht mit der von B geplanten überein. B wollte nicht, daß irgendwelche Personen verletzt wurden, sondern daß ganz bestimmte Personen zu Schaden kommen sollten. Bei den verletzten Rechtsgütern handelte es sich um höchstpersönliche Rechtsgüter, daher kann man nicht von einer Identität des verletzten Rechtsguts mit dem nach dem Plan des B zu verletzenden Rechtsgut ausgehen. - Aus der Sicht des B war die Tat, die der A beging, eine andere als die, zu der B ihn bestimmen wollte. Zu der Verletzung des C hat B den A daher nicht vorsätzlich bestimmt. 2. Versuchte Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung des C, §§ 223, 223 a, 30 Eine Bestrafung nach §§ 223, 223 a, 30 kommt nicht in Betracht, da die gefährliche Körperverletzung kein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen ist, §§ 223 a Abs. 1, 12 Abs. 1. 3. Fahrlässige Körperverletzung, § 230 B könnte sich jedoch der fahrlässigen Körperverletzung gem. § 230 schuldig gemacht haben. a) Eine körperliche Mißhandlung und auch eine Gesundheitsbeschädigung des C liegen vor (vgl. oben I 1). b) Durch seinen Zuruf hat B auch eine Gefahr für den C begründet. c) Da jedoch, wie oben ausgeführt, der A die Verletzung des C zu verantworten hat, ist zu prüfen, ob sich die Gefahr realisiert hat, die B durch sein Verhalten begründet hat. Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Zuruf des B und der Verletzung des C läge vor, wenn B nur Voraussetzungen geschaffen hätte, die A f ü r die Verwirklichung der Körperverletzung an C genutzt hätte. Das würde selbst dann gelten, wenn in diesem Schaffen von Voraussetzungen schon erhebliche Gefahren f ü r die Körperintegrität des C begründet gewesen wären: Wer frei verantwortlich handelnd die Herrschaft über einen derartigen Geschehensablauf übernimmt, haftet für den Erfolg und schließt zugleich, vom Moment der Übernahme an, andere Personen von der H a f t u n g aus. Der hier zu entscheidende Sachverhalt liegt jedoch anders. B hat nicht nur Voraussetzungen für die Haftung des A geschaffen, son-

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3. T e i l : E i n ü b u n g in die Fallbearbeitung

dem den Willen des A zu der Körperverletzung bestimmt. Durch die Bestimmung des Willens des A wurde B Mitbeteiligter an dem Geschehen, wenn auch in untergeordneter Form. Es entlastet ihn nicht, daß der Plan nicht seinen Vorstellungen gemäß realisiert wurde. Die gefährliche Beeinflussung des Willens des A, die unmittelbar zur Verletzung des C führte, ist ihm als eigenständige Begründung eines Risikos für den Körper des C zuzurechnen. d) Die Möglichkeit einer Verletzung des C war für B auch vorhersehbar, denn daß A in seinem Erregungszustand den Anzugreifenden ruhig auswählte, war nicht zu vermuten. e) Die Gefährdung des C durch B war pflichtwidrig seitens des B. f) Dieser handelte auch schuldhaft. g) B hat sich einer fahrlässigen Körperverletzung, § 230, schuldig gemacht. 2. Alternative I. Strafbarkeit

des A wegen der Verletzung des C

1. Körperverletzung,

§ 223

a) Die objektiven Voraussetzungen des Grundtatbestandes, § 223, liegen vor (vgl. oben 1. Alt. I I ) . b) Der Vorsatz des A, den C zu verletzen, könnte jedoch fehlen. A wollte den X treffen. Auf eine Körperverletzung dieser Person war sein Wille gerichtet. Allein durch ein Versehen ging sein Schlag fehl. Aus der Sicht des A war es auch nicht gleichgültig, welche Person er traf, denn es kam ihm nicht darauf an, irgendeine Person zu verletzen. Aufgrund der Höchstpersönlichkeit des verletzten Rechtsguts kann vom Rechtsgut her die Verletzung des C auch nicht der des X gleichwertig sein. Die durch das Versehen verwirklichte Tat ist nicht identisch mit der von A angestrebten Tat, es liegt eine wesentliche Abweichung des realisierten von dem geplanten Kausalverlauf vor (aberratio ictus). Der Vorsatz des A, den C zu verletzten, fehlt. 2. Fahrlässige Körperverletzung,

§ 230

a) Der Erfolg einer Körperverletzung in der Person des C ist eingetreten (vgl. oben 1. Alt. I 1). b) Durch das Schwenken des Bierkastens begründete A eine Gefahr für den Körper des C. c) Aus dieser Gefahr realisierte sich die Körperverletzung des C. d) Der Erfolg war für A vorhersehbar. A handelte sorgfaltspflichtwidrig und schuldhaft.

73

Anfängerklausur Nr. 4: Bierkistenfall

e) A hat sich einer fahrlässigen Körperverletzung an C schuldig gemacht. II. Strafbarkeit des A wegen der geplanten Verletzung des X 1. Versuchte gefährliche Körperverletzung,

§§ 223, 223 a, 23

a) Eine vollendete Körperverletzung des X liegt nicht vor. b) Der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung ist strafbar, § 223 a Abs. 2. c) A wollte seinen Widersacher X mit dem Bierkasten treffen. Er faßte also den Entschluß, eine gefährliche Körperverletzung (vgl. 1. Alt. I 2) zu begehen. Mit dem Ausholen setzte er nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an, denn in diesem Augenblick lag eine unmittelbare G e f ä h r d u n g der körperlichen U n versehrtheit des X vor. d) Fraglich ist, ob pflichtbegrenzende Merkmale vorliegen. In Betracht kommt Notwehr, § 32. Ein Angriff lag vor (vgl. oben 1. Alt. I 1). A hatte sich jedoch in der Gaststätte des X „grob ungebührlich" benommen. Daher ist davon auszugehen, daß X berechtigterweise von seinem Hausrecht Gebrauch machte und sich daher nicht rechtswidrig verhielt. Außerdem war der Angriff mit dem Hinauswurf beendet, d. h. nicht mehr gegenwärtig. e) A handelte auch schuldhaft. 2. Eine versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 23, liegt vor. III. Strafbarkeit des B wegen der

Aufforderung

1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung an C, §§ 223, 223 a, 26 Eine Bestrafung des B wegen Anstifung des A zu der von A begangenen Körperverletzung an C scheidet aus, da die Anstiftung eine vorsätzliche Haupttat voraussetzt. A handelte jedoch bei der Körperverletzung an C nicht vorsätzlich. 2. Fahrlässige Körperverletzung an C, § 230 In Betracht könnte jedoch auch hier eine fahrlässige Körperverletzung des C, § 230, kommen, die dem B als selbständige Tat zuzurechnen wäre. a) Der Erfolg der Körperverletzung ist eingetreten (vgl. oben 1. Alt. I 1); B hätte die Möglichkeit gehabt, den Erfolgseintritt zu verhindern. b) Durch seine Aufforderung begründete B auch eine G e f a h r f ü r den Körper des C.

74

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

c) Aus dieser Gefahr erwuchs die Körperverletzung des C (vgl. oben 1. Alt. II 3 c). d) Problematisch erscheint es jedoch, ob dem B die Körperverletzung des C vorhersehbar war. C wurde nur deshalb an seinem Körper verletzt, weil A einem Irrtum unterlag und dadurch die Entfernung zu X falsch einschätzte. Dieser Sachverhalt liegt jedoch nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, vielmehr kann davon ausgegangen werden, daß ein derartiges Versehen bei einer stark erregten Person durchaus im Rahmen des Vorstellbaren liegt. Die Verletzung des C durch A war daher durch B vorhersehbar. e) B handelte auch sorgfaltspflichtwidrig, indem er auf den Willen des A Einfluß nahm und dadurch die Gefahr für C begründete. f) Entschuldigungsgründe liegen nicht vor. g) B hat sich einer fahrlässigen Körperverletzung an C schuldig gemacht. 3. Anstiftung zur versuchten gefährlichen Körperverletzung an X, §§ 223, 223 a, 23, 26 a) Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat in der Form einer versuchten gefährlichen Körperverletzung liegt vor. b) B hat den A auch zu dieser Haupttat bestimmt (vgl. oben 1. Alt. II 1). c) Er war sich außerdem sowohl des konkreten Tatgeschehens bewußt als auch des Umstandes, daß er den A zu dieser Tat bestimmte. Daß die Haupttat im Versuchsstadium stecken blieb, stellt eine unwesentliche Abweichung des vorgestellten vom eingetretenen Geschehensablauf dar. d) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. e) B handelte auch schuldhaft. Gesamtergebnis: 1. Alternative: a) Der A: §§ 223, 223 a. b) Der B: § 230. 2. Alternative: a) Der A: §§ 230; 223, 223 a, 23; 52. b) Der B: §§ 230; 223, 223 a, 23, 26; 52. E. Anmerkungen 1. Der Sachverhalt ist nachgebildet der Entscheidung OLG Neustadt NJW 1964 S. 311.

Anfängerklausur Nr. 4: Bierkistenfall

75

2. Die Schwierigkeiten des Falles liegen in der Argumentation. Zu gern hantiert der Anfänger mit Schlagworten wie z. B. „error in persona" oder „aberratio ictus", ohne sich darüber klar zu sein, daß die Verwendung derartiger Floskeln die Begründung, warum z.B. der Irrtum des A in der 1. Alternative unbeachtlich ist, nicht ersetzen kann. Die Arbeiten, in denen diese Stichworte überhaupt nicht auftauchen, sind erheblich besser, weil die Verf. nicht in die Versuchung kommen, der Begründung des Ergebnisses auszuweichen. 3. Durchweg wurde die Problematik, daß der „error in persona" des Haupttäters eine „aberratio ictus" des Teilnehmers sein könnte, auch von den Bearbeitern nicht angesprochen, denen die Unterschiede in dieser Problematik beim Alleintäter geläufig waren. 4. Die fahrlässige Körperverletzung durch B ließ sich zumindest in der zweiten Alternative mit guten Gründen ablehnen. 5. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Vgl. OLG Neustadt NJW 1964 S. 311. 2. Die Problematik der aberratio ictus und des error in persona in ihrem Zusammenspiel beschäftigt die Lehre seit der berühmten Entscheidung des Preuß. Obertribunal im Fall Rose-Rosahl - veröffentlich in GA 7 S. 332 ff. Vgl. im einzelnen dazu, OTTO, Grundkurs Strafrecht, A . T . , S. 86ff.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall A. Sachverhalt Der in seiner Arbeit schwerfällige und sehr ruhige Hilfsarbeiter H hatte vor Jahren den X kennengelernt, mit dem zusammen er damals bei derselben Firma beschäftigt war. X hatte später dafür gesorgt, daß H entlassen wurde, rühmte sich dessen oft, nannte den H öffentlich gern einen „dicken Faulenzer", hänselte und beleidigte den H, wann immer er ihn traf. An die Ehefrau des H hatte X wiederholt obszöne Aufforderungen gerichtet und sich an der Hilflosigkeit des H geweidet, der nicht wußte, wie er sich des X erwehren sollte. Am 29. 5. besuchte H mit seiner Frau die Kirmes in O. Im Festzelt trat X auf sie zu, führte anstößige Reden in bezug auf Frau H und beleidigte den H grob, als dieser ihn bat, seine Ehefrau in Ruhe zu lassen. H stürzte daraufhin auf den X los, und es wäre zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen, wenn nicht andere Gäste die Streitenden getrennt hätten. H und seiner Frau war der Abend verdorben. Sie gingen aus dem Festzelt und waren im Begriff, in ihr Kfz zu steigen, als H den X aus dem Festzelt auf sich zukommen sah. H glaubte sich von X verfolgt. Er fürchtete neue Beleidigungen. Ein starker Affektstau entlud sich in einer spontanen Entlastungsreaktion: Mit den Worten: „Jetzt kommt er auch noch nach", eilte H auf den etwa 10 m entfernten X zu. Es kam zu einem Schlagabtausch. Plötzlich zog H sein Taschenmesser (7 cm lange Klinge) und versetzte dem X zwei Stiche. X brach zusammen, er verbrachte vier Wochen im Krankenhaus. An eine Tötung des X hatte H nicht einmal gedacht. - Später stellte sich heraus, daß X dem H gar nicht nachgehen, sondern lediglich austreten wollte. Hat H sich strafbar gemacht? B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Nach der Fragestellung am Ende des Sachverhalts ist allein das strafrechtlich relevante Verhalten des H zu erörtern. 2. Es bieten sich drei Handlungsabschnitte an: das Verhalten des H im Festzelt, der Schlagaustausch vor dem Festzelt sowie die anschließenden Messerstiche. - Es ist sicher vertretbar, den Schlagaustausch und die anschließenden Messerstiche zu einem Handlungsabschnitt zusammenzuziehen, doch könnten die Messerstiche unter dem Gesichtspunkt eines Notwehr- oder Putativnotwehrexzesses bedeutsam werden. Dann würde eine Unterteilung des Sachverhalts eine bessere Darstellung der rechtlichen Probleme ermöglichen.

77

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall 3. a) b) c)

Zu erörtern sind: Hinsichtlich des Verhaltens im Festzelt: §§ 223, 23; 223 a, 23; 240, 23. Bezüglich des Schlagaustausches außerhalb des Festzelts: §§ 223, 230. Bei den Messerstichen: §§ 212, 23; 223, 223a.

C. Lösungsskizze Das strafbare Verhalten des H I. Das Verhalten

im

Festzelt

1. Versuchte Körperverletzung gegenüber X, §§ 223, 23: —, Versuch nicht strafbar. 2. Versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 23: —, Versuch zwar strafbar, § 223 a Abs. 2, aber keine Anhaltspunkte für Merkmale des § 223 a. 3. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23, gerichtet auf das Unterlassen weiterer Beleidigungen durch X: a) Versuch der Nötigung strafbar: + , § 240 Abs. 3. b) Tatentschluß: -I-. c) Anfang der Ausführung: + . d) aber Notwehr, § 32: + . II. Der Schlagaustausch

vor dem

Festzelt

1. Körperverletzung, § 223: a) Objektiver Tatbestand: + , Faustschläge sind eine körperliche Mißhandlung. b) Bewußt und gewollt handelte H, insoweit liegt Vorsatz vor. c) Rechtfertigung: Notwehr, § 32: —, kein Angriff durch X. d) Nach Vorstellung des H wollte X zumindest Beleidigungen fortsetzen. Dies wäre ein rechtswidriger Angriff auf die Ehre des H gewesen, Angriff auch gegenwärtig, da bei geringem räumlichem Abstand Ehrverletzung - wenn Vorstellung des H zutreffend - unmittelbar bevorstand. Fausthiebe wären auch erforderlich gewesen. H irrte demnach über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Notwehr. e) Auf Grund des Irrtums fehlte H das Bewußtsein, sich sozialschädlich zu verhalten (materielles Unrechtsbewußtsein). - Konsequenzen für den Vorsatz? aa) Strenge Schuldtheorie: Vorsatz: + , bb) eingeschränkte Schuldtheorie: Vorsatz: —, cc) modifizierte Vorsatztheorie: Vorsatz: — . f) Stellungnahme für die modifizierte Vorsatztheorie: Vorsatz: —.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

2. Fahrlässige Körperverletzung, § 230: a) Erfolg eingetreten: + . b) Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden: + . c) Gefahrbegründung und Gefahrrealisierung: + . d) H hätte auch die Möglichkeit gehabt, den Sachverhalt zu erkennen. e) Sorgfaltspflichtverletzung: —, keine Prüfungspflicht unter den gegebenen Umständen. III. Die

Messerstiche

1. Versuchter Totschlag, §§ 212, 23: —, da kein Tötungsentschluß vorliegt. 2. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a: a) Grundtatbestand: objektiv: + , körperliche Mißhandlung und Gesundheitsbeschädigung liegen vor. b) H handelte bewußt und gewollt und insoweit vorsätzlich: + . c) Rechtswidrigkeit: Notwehr, § 32: —. d) Irrtum über Notwehrlage betrifft Vorsatz nicht, da Messerstiche nicht erforderlich; nach Sachverhalt bestand nicht die Gefahr, daß H unterliegen und X weitere Beleidigungen ausstoßen würde. e) Bewußtsein der Sozialschädlichkeit: + . f) Qualifikation nach § 223 a: + , Messer ist gefährliches Werkzeug. g) Schuldfähigkeit: + , der Affektstau führte nicht zu pathologischer Bewußtseinsstörung, § 20: — . h) Notwehrexzeß, § 33: aa) § 33: —, keine Notwehrlage bb) § 33 analog: aaa) Keine Analogie, wenn objektive Notwehrsituation Hauptgrund der gesetzlichen Regelung. bbb) Analoge Anwendung, wenn Irrtum unvermeidbar: —, Irrtum hier vermeidbar. ccc) Analogie, wenn psychische Situation des Täters gleich und Opfer auch „schuld" an Situation: + . cc) Voraussetzungen des § 33: Verwirrung: —, Furcht: + . i) H ist daher entschuldigt. IV. Ergebnis: H ist nicht strafbar.

79

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall

D. Gliederung Das Straßare

Verhalten

des H

Seite

I. Das Verhalten im Festzelt 1. Versuchte Körperverletzung, §§ 223, 23 2. Versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 2 2 3 a , 23 3. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23 4. Ergebnis

81 81

II.

82 82 87

81 81 82

Der Schlagaustausch vor dem Festzelt 1. Körperverletzung, § 223 2. Fahrlässige Körperverletzung, § 230

III. Die Messerstiche 1. Versuchter Totschlag, §§ 2 1 2 , 23 2. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a

88 88 88

IV. Ergebnis

92

E. Literaturverzeichnis BAUMANN,

Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil,

8.

Aufl.

1977

BOCKELMANN, A n m . z u O G H N J W 1 9 5 0 S . 8 2 9 , i n : N J W 1 9 5 0 S . 8 3 0 f f .

Ein Vorschlag zu der Rechtsprechung über die irrtümliche Annahme der tatbestandlichen Merkmale eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes, J R 1960 S. 168 ff. B O R C H E R T , Anmerkung zu B G H GA 1980 S. 254, in: JA 1980 S. 254 ff. D R E H E R , Der Irrtum über Rechtfertigungsgründe, in: Festschrift für Heinitz, 1972, S. 207ff. D R E H E R / T R Ö N D L E , Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 4 1 . Aufl. 1 9 8 3 E N G I S C H , Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum bei Rechtfertigungsgründen, ZStW 70 (1958) S. 566 ff. ESER, Strafrecht I, 3. Aufl. 1980 FUKUDA, Das Problem des Irrtums über Rechtfertigungsgründe, J Z 1958 S. 143 ff. GALLAS, Zur Struktur des strafrechtlichen Unrechtsbegriffes, in: Festschrift für Bockelmann, 1979, S. 155 ff. G Ö H L E R , Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 6. Aufl. 1980 HERDEGEN, Der Verbotsirrtum in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, in: 25 Jahre Bundesgerichtshof, 1975, S. 195 ff. H I R S C H , Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, 1 9 6 0 JAKOBS, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1 9 8 3 J E S C H E C K , Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 3 . Aufl. 1 9 7 8 K A U F M A N N , A R M I N , Tatbestandsbeschränkung und Rechtfertigung, JZ 1955 S. 37ff. K A U F M A N N , A R T H U R , Das Unrechtbewußtsein in der Schuldlehre des Strafrechts, 1949 BÖRKER,

80

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

KÜHL, Grundfälle zu Vorbereitung, Versuch, Vollendung und Beendigung, JuS 1980 S. 811 ff. LACKNER, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 15. Aufl. 1983 L A N G E , Der Strafgesetzgeber und die Schuldlehre, JZ 1956 S. 73 ff. DERS., Die Magna Charta der anständigen Leute, JZ 1956 S. 519 ff. LANGER, Vorsatztheorie und strafgesetzliche Irrtumsregelung, GA 1976 S. 193 ff. LENCKNER, Der rechtfertigende Notstand, 1 9 6 5 M A U R A C H / G Ö S S E L / Z I P F , Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 2 , 5 . Aufl. 1 9 7 8 M A U R A C H / Z I P F , Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 6 . Aufl. 1 9 8 3 M A Y E R , H E L L M U T H , Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1 9 5 3 N I E S E , Der Irrtum über die Rechtfertigungsgründe, DRiZ 1 9 5 3 S. 2 0 ff. OTTO, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre (A.T.), 2. Aufl. 1982

DERS., A n m e r k u n g zu B G H N J W 1976 S. 58, in: N J W 1976 S. 578 f f .

Personales Unrecht, Schuld und Strafe, ZStW 8 7 ( 1 9 7 5 ) S. 5 3 9 f f . Die Behandlung des Irrtums im Entwurf 1 9 6 2 , in: ZStW 7 6 ( 1 9 6 4 ) S. 5 8 2 ff. DERS., Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkmale, 2. Aufl. 1970 R U D O L P H I , Notwehrexzeß nach provoziertem Angriff, JuS 1969 S. 461 ff. SCHAFFSTEIN, Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum, in: Göttinger Festschrift für das Oberlandesgericht Celle, 1961, S. 175 ff. SCHMIDHÄUSER, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2 . Aufl. 1 9 7 5 DERS., Unrechtsbewußtsein und Schuldgrundsatz, NJW 1975 S. 1807ff. DERS., Der Verbotsirrtum und das Strafgesetz (§ 16 I Satz 1 und § 17 StGB), JZ 1 9 7 9 S. 3 6 1 ff. S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R , Strafgesetzbuch, Kommentar, bearbeitet von Cramer, Eser, Lenckner und Stree, 21. Aufl. 1982 (zit.: Schönke/Schröder/Bearbeiter) STRATENWERTH, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teil I, Die Straftat, 3. Aufl. 1981 SYSTEMATISCHER K O M M E N T A R zum Strafgesetzbuch, bearbeitet von Rudolphi, Horn, Samson und Schreiber, 3. Aufl. 1981 ff. (zit.: Bearbeiter, SK) v. W E B E R , Negative Tatbestandsmerkmale, in: Festschrift für Mezger, 1954, S. 183 ff. W E L Z E L , Das deutsche Strafrecht, 1 1 . Aufl. 1 9 6 9 (zit.: Welzel, Lehrbuch) DERS., Der Verbotsirrtum im Nebenstrafrecht, JZ 1956 S. 238 ff. WESSELS, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1 3 . Aufl. 1 9 8 3 DERS.,

ROXIN,

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall

81

F. Gutachten Das strafbare Verhalten des H I. Das Verhalten im Festzelt 1. Versuchte Körperverletzung, §§ 223, 23 H stürzte auf X los und wollte ihn tätlich angreifen. Er wurde jedoch zurückgehalten. Es kam zu keiner vollendeten Körperverletzung an X. - In Betracht käme jedoch eine versuchte Körperverletzung des H an X. Die Körperverletzung ist ein Vergehen. Die Strafbarkeit des Versuchs ist in § 223 nicht ausdrücklich vorgesehen. Damit ist der Versuch der Körperverletzung nicht strafbar, §§ 223, 23, 12 Abs. 1. 2. Versuchte gefährliche Körperverletzung, ff 223, 223a, 23 In Betracht kommen könnte aber die Strafbarkeit wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung. Die versuchte gefährliche Körperverletzung ist nach § 223a Abs. 2 strafbar. Dann müßte H den Tatentschluß gefaßt haben, eine Körperverletzung mit gefährlichem Werkzeug oder ähnlichen Mitteln zu begehen. Aber es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß H mit einem der in § 223a Abs. 1 aufgeführten Mitteln die Körperverletzung begehen wollte. H ist deshalb nicht nach §§ 223, 223a, 23 strafbar. 3. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23 Als H auf den X losstürzte, wollte er ihn durch Schläge veranlassen, weitere Beleidigungen zu unterlassen. Diesen Erfolg erreichte er zwar nicht dadurch, daß er auf X einschlug, denn das Eingreifen der Umstehenden beendete den Streit. In Betracht käme jedoch eine versuchte Nötigung. a) Der Versuch der Nötigung ist strafbar, §§ 240 Abs. 3, 23. b) H hatte den Entschluß gefaßt, durch Anwendung von Gewalt Entfaltung körperlicher Kraft zur Einwirkung auf den Körper eines anderen 1 - den X dazu zu veranlassen, weitere Beleidigungen zu unterlassen. c) Indem er sich auf den X stürzte, könnte er nach § 22 unmittelbar zur Tat, der Nötigung, angesetzt haben. Zu fragen ist jedoch, was das unmittelbare Ansetzen bedeutet. Die eine Auffassung geht davon 1 Allg. Ansicht, daß die Einwirkung auf den Körper eines anderen durch Schläge als Gewalt anzusehen ist; vgl. z.B. RGSt 64 S. 115; BGHSt 16 S. 341; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, Vorbem. §§ 234 ff. Rdn. 6ff. m.w.N.; HORN, SK,

§ 2 4 0 Rdn. 9 ff.

82

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

aus, daß dann ein unmittelbares Ansetzen vorliegt, wenn eine unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts, hier der Willens- und Entscheidungsfreiheit, aus der Sicht der Situation durch den Täter vorliegt 2 . Die Rechtsprechung 3 spricht dann von einem Versuchsbeginn, wenn der Täter die Schwelle zum „jetzt geht's los" überschritten hat, die Literatur z. T. von der räumlichen und zeitlichen Nähe zur Tatbestandsverwirklichung 4 . Es kann hier dahinstehen, welcher Meinung der Vorzug zu geben ist, denn H hat nach allen Auffassungen unmittelbar zur Tat angesetzt, als er auf den X losgehen wollte. Die Voraussetzungen des § 22 liegen also vor. d) Zweifelhaft erscheint es jedoch, ob das Verhalten des H rechtswidrig war. - Hier könnte eine Rechtfertigung durch Notwehr, § 32, in Betracht kommen. Nach dem Sachverhalt beleidigte der X den H gröblich. Er verletzte damit die Ehre des H. Ein Angriff gegen ein Rechtsgut des H seitens des X lag demnach vor. Dieser Angriff war auch gegenwärtig, denn die Beleidigungen dauerten an. An der Rechtswidrigkeit des Angriffs besteht kein ernster Zweifel. - Wie sich seit geraumer Zeit gezeigt hatte, war nicht zu erwarten, daß X aufgrund verbaler Vorhalte des H mit den Beleidigungen aufhörte. Schläge durch H wären demnach ein erforderliches Mittel zur Beendigung der Beleidigungen gewesen. H wollte mit seiner Verteidigungshandlung auch seine Ehre verteidigen; die durch ihn begonnene versuchte Nötigung war demnach gerechtfertigt. 4. Damit ist das Verhalten des H im Festzelt nicht strafoar. II. Der Schlagaustausch vor dem Festzelt 1. Körperverletzung, § 223 Indem H auf X einschlug, könnte er sich einer Körperverletzung, § 223, schuldig gemacht haben. a) Dann müßte er den Körper des X mißhandelt, d. h. in übler unangemessener Weise behandelt haben, derart, daß das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit des X beeinträchtigt wurde 5 . - Die Faustschläge des H beeinträchtigten das körperli2

O T T O , A . T . , § 1 8 I I 3 ; DERS., N J W 1 9 7 6 S . 5 7 9 ; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / E S E R ,

§ 22 Rdn. 41 f. m.w.N. 3 BGHSt 26 S. 203; 28 S. 164; BGH NJW 1980 S. 1759. 1

BORCHERT, J A 1 9 8 0 S . 2 5 5 ; K Ü H L , J u S 1 9 8 0 S . 8 1 1 f f . ;

SCHÖNKE/SCHRÖ-

DER/ESER, § 2 2 R d n . 41 m . w . N . 5

Allg. Ansicht, vgl. BGHSt 25 S. 277ff.; LACKNER, § 223 Anm. 3a;

SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, § 2 2 3 R d n . 3.

83

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall

che Wohlbefinden des X erheblich. Eine körperliche Mißhandlung liegt demnach vor. b) H wollte diesen Erfolg mit seinen Schlägen erreichen, er handelte wissentlich und insoweit vorsätzlich. c) Die Körperverletzung könnte jedoch durch Notwehr, § 32, gerechtfertigt sein. Es müßte dann ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff des X vorgelegen haben. Als Angriff ist nicht nur die Verletzung, sondern schon jede von einem Menschen drohende Verletzung der Rechtsgüter eines anderen und der empirischen Geltung der Rechtsordnung anzusehen. - Hier käme ein Angriff gegen die Ehre des H in Betracht. Zwar glaubte H , X wollte ihn erneut beleidigen, als dieser aus dem Zelt trat, d. h. er ging davon aus, es läge ein Angriff des X gegen seine Ehre vor. In Wirklichkeit wollte X jedoch nur austreten, er war sich nicht einmal der Tatsache bewußt, daß H in der N ä h e war. Objektiv lag demnach kein Angriff des X vor. Dieser verletzte weder bereits ein Rechtsgut des H , noch stand solch eine Verletzung unmittelbar bevor. Maßgeblich ist hier allein die objektive Lage 6 . - Mangels eines Angriffs war demnach keine Notwehrsituation gegeben. Andere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. d) Als X aus dem Festzelt trat, glaubte H , X wolle zumindest seine im Festzelt begonnenen Beleidigungen fortsetzen. Diesen Beleidigungen meinte er nur durch Schläge zuvorkommen zu können. Wäre die Lagebeurteilung des H richtig gewesen, so wären die Beleidigungen ein rechtswidriger Angriff auf die Ehre des H gewesen. Dieser Angriff wäre auch gegenwärtig gewesen, denn wenn die Vorstellung des H zutreffend gewesen wäre, hätten die Ehrverletzungen aufgrund des geringen räumlichen Abstandes unmittelbar bevorgestanden 7 . Die Fausthiebe des H wären auch eine erforderliche Abwehrhandlung des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs gewesen, sie stellten für H das am wenigsten schädliche und gefährliche Mittel zur Abwehr dar. Denn H wäre eine „schimpfliche Flucht" vor dem X nicht zumutbar gewesen 8 . H irrte also über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Notwehr. Zu prüfen ist, wie dieser Irrtum sich rechtlich auswirkt. e) Aufgrund eines Irrtums fehlte dem H das Bewußtsein, Unrecht

6

Allg. Ansicht, vgl. RGSt 21 S. 190; 61 S. 102;

DREHER/TRÖNDLE,

§ 32

R d n . 16; OTTO, A . T . , § 8 II l a ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, § 3 2 R d n . 7

Siehe dazu OTTO, A.T., § 8 II lc.

» Vgl. dazu BGHSt 27 S. 313 ff.; BGH NStZ 1981 S. 138.

3.

84

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

zu tun, d.h. sich sozialschädlich zu verhalten. Es ging davon aus, daß sein Verhalten von der Rechtsordnung gebilligt werde. Dieser Irrtum des H könnte seinen Vorsatz, eine Körperverletzung zu begehen, ausgeschlossen haben, § 16 Abs. 1 S. 1. - Das ist allerdings nicht unstreitig. aa) Die Anhänger der strengen Schuldtheorie 9 gehen von der Prämisse eines streng dreistufigen Verbrechensaufbaus aus, in dem der Vorsatz als Tatbestandsmerkmal erscheint. Demnach handelt der Täter vorsätzlich, der die in einem Tatbestand beschriebene Verhaltensweise bewußt verwirklicht. Vorsatz ist Wissen und Wollen des objektiven Tatbestandes, weitere Merkmale enthält der Vorsatz nicht. - Der Täter, der einen objektiven Tatbestand einer Strafrechtsnorm bewußt verwirklicht, handelt vorsätzlich. Für die vorsätzliche Tat ist ein aktuelles Unrechtsbewußtsein nicht nötig. Es genügt die Möglichkeit, das Unrechtsbewußtsein zu erlangen (potentielles Unrechtsbewußtsein). Ein Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat, gleichgültig auf welchen Umständen er beruht, kann deshalb nicht zum Vorsatzausschluß führen, sondern höchstens einen Verbotsirrtum mit der Rechtsfolge des § 17 begründen. Nach dieser Theorie hätte H vorsätzlich gehandelt, bb) Eine differenziertere Betrachtungsweise wählen die Anhänger der sog. eingeschränkten Schuldtheorie. Sie vertreten die Auffassung, daß die Bestrafung aus einem Vorsatzdelikt nicht nur bei einem Irrtum über ein objektives Merkmal des Tatbestandes und dessen Bedeutungsgehalt ausgeschlossen sei, sondern auch dann, wenn der Täter von der irrigen Annahme ausgeht, die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen anerkannten Rechtfertigungsgrund würden vorliegen. Sie schließen aber die Anwendung des § 16 aus, wenn der Täter über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes irrt oder das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes annimmt, den die Rechtsordnung nicht anerkennt. Die Konstruktionen aber, die zu diesem Ergebnis führen, weichen ganz erheblich von einander ab. Die heute wohl herrschende Meinung 10 beurteilt den Irrtum über'

BOCKELMANN,

S. 311 ff.;

ARMIN

NJW 1950 S. 830ff.; F U K U D A , JZ 1958 S. 143ff.; H I R S C H , JZ 1955 S. 37ff.; N I E S E , DRiZ 1953 S. 20ff.;

KAUFMANN,

MAURACH/GÖSSEL/ZIPF, A . T . II, § 4 2 B 10

1.

BÖRKER, J R 1 9 6 0 S . 1 6 9 ; DREHER, H e i n i t z - F e s t s c h r i f t , S. 2 2 3 f f . ; DRE-

§ 16 Rdn. 27; GALLAS, Bockelmann-Festschrift, S. 169 ff.; A.T., 11/42 ff. (im Ergebnis); JESCHECK, A.T., § 37 I I C I; LACKNER,

HER/TRÖNDLE, JAKOBS,

§ 17 A n m . 5b; MAURACH/ZIPF, A . T . I, § 3 7 II C

1; W E S S E L S , A . T . , § 1 1 I I I 1 .

85

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall

die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes zwar nicht vorsatzausschließend, unterwirft diesen Irrtum aber wegen des Fehlens der Vorsatzschuld den Rechtsfolgen des § 16. Zum Teil wird in der Lehre die Ansicht vertreten, im Falle des Irrtums über tatsächliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes sei zwar nicht der tatbestandsbezogene Verwirklichungswille ausgeschlossen, wohl aber der durch den Vorsatz begründete Handlungsunwert. Definiert wird der Vorsatz selbst allerdings lediglich als finaler Verwirklichungswille 11 . Andere meinen, hier sei § 16 Abs. 1 S. 1 analog anzuwenden und damit sei der Vorsatz auszuschließen 12 . Andere wiederum interpretieren im Rahmen der eingeschränkten Schuldtheorie die Rechtfertigungsgründe als „negative Tatbestandsmerkmale" und kommen auf diesem Wege zur Anwendung des § 1613. Alle diese Auffassungen im Rahmen der eingeschränkten Schuldtheorie kommen also zum Ergebnis, H hätte nicht vorsätzlich gehandelt. cc) Einen grundsätzlich anderen Ausgangspunkt wählen die Vertreter der modifizierten Vorsatztheorie 14 . Sie sehen im Unrechtsbewußtsein ein Element des Vorsatzes, so daß der Vorsatz zwei Elemente enthält: das finale Element und das Gesinnungselement. Die Vorsatzstrafe trifft den Täter, der vor die Wahl zwischen Recht und Unrecht gestellt, sich für das Unrecht entscheidet. D. h., daß der Vorsatztäter neben dem tatbestandsbezogenen Verwirklichungswillen die Kenntnis der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens haben muß, also das Unrechtsbewußtsein. Unrechtsbewußtsein ist jedoch nicht das Bewußtsein der formalen Rechtswidrigkeit, sondern das Bewußtsein der materiellen Rechtswidrigkeit. Fehlt dem Täter also das Bewußtsein dieses Sinngehaltes, so bedeutet dies, daß er „bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört", §16. „Gesetzlicher Tatbestand" gemäß § 16 wird demnach inhaltlich

11

R U D O L P H I , S K , § 1 6 R d n . 2 ; STRATENWERTH, A . T . I , R d n . 5 0 3 f .

12

BGHSt

2 S. 1 9 4 f f . ; 3 S. 1 0 5 f f . ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 16

Rdn.

14. 13

ENGISCH,

SCHAFFSTEIN,

ZStW 7 0 (1958) S. 6 0 0 ; R O X I N , Offene Tatbestände, S. 132ff.; OLG-Festschrift, S . 175 ff.; v. W E B E R , Mezger-Festschrift, S .

183 ff. 14 Ausgangspunkt: A R T H U R K A U F M A N N , S . 149ff.; S C H M I D H Ä U S E R , H . Mayer-Festschrift, S. 317 ff.; heute außerdem vertreten von OTTO, A.T., § 15 II 2; DERS., ZStW 87 (1975) S. 590 ff.; S C H M I D H Ä U S E R , A . T . , 10/64ff.; DERS., NJW

1 9 7 5 S . 1 8 0 7 f f . ; DERS., J Z 1 9 7 9 S . 3 6 1 ; L A N G E R , G A

1 9 7 6 S. 1 9 3 ff.

86

3. Teil: E i n ü b u n g in die Fallbearbeitung

identifiziert mit dem Begriff des „Unrechtstatbestandes". Diese Theorie basiert auf der Voraussetzung, daß Unrecht nicht Unrecht ist, weil der Gesetzgeber es als solches gekennzeichnet hat, sondern deswegen, weil es eine sozialschädliche Verhaltensweise ist, die der Gesetzgeber gegebenenfalls in seinen Normen pönalisiert. Nach dieser Theorie würde es dem H am Vorsatz fehlen, denn das neben dem finalen Vorsatzelement erforderliche Gesinnungselement des Vorsatzes liegt im hier vorliegenden Fall nicht vor. f) Der strengen Schuldtheorie kann nicht gefolgt werden. D a sie jeden Irrtum über die Rechtswidrigkeit des Verhaltens als Verbotsirrtum behandelt, setzt sie z. B. den Totschläger und den in Putativnotwehr Tötenden gleich. Zwischen diesen beiden Tätern besteht jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Einstellung zur Tat ein wesentlicher Unterschied, der auch in der Wertung der Tat seinen Ausdruck finden muß 15 . - Darüber hinaus ist die strikte sachliche Trennung zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit vom Gesetzgeber selbst keineswegs immer durchgehalten. Die Einwilligung z. B. in die Notzucht beseitigt den Tatbestand dieses Delikts, die Einwilligung in die Körperverletzung die Rechtswidrigkeit. Dies spricht sehr dafür, daß auch der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß Tatbestand und Rechtswidrigkeit zwar pädagogisch sinnvoll getrennt werden können, daß diese Trennung jedoch keinen Sachunterschied zum Ausdruck bringt, vielmehr Tatbestand und Rechtswidrigkeit Elemente des einheitlichen Unrechtstatbestandes sind. Dem kann die strenge Schuldtheorie nicht gerecht werden. - Schließlich besteht im Bereich des Nebenstrafrechts vielfach kein hinreichender Anlaß, sich über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens Gedanken zu machen 16 , während andererseits auch ein ganz gewöhnlicher Tatbestandsirrtum in einem Wertungsirrtum begründet sein kann. Ein solcher Wertungsirrtum braucht nicht verzeihlicher zu sein als ein Verbotsirrtum. Dennoch soll hier nach dem Willen des Gesetzgebers der Vorsatz ausgeschlossen sein. Es kann dahinstehen, wieweit die eingeschränkte Schuldtheorie konstruktiv und in der sachlichen Trennung zwischen Tatbestandsirrtum und

15

DREHER, H e i n i t z - F e s t s c h r i f t , S . 2 1 8 .

16

STRATENWERTH, A . T . I, R d n . 612; vgl. auch die K o n t r o v e r s e zwischen

LANGE, J Z

1956

S.

73ff.;

DERS., J Z

1956

S.

519ff.;

und

WELZEL, J Z

1956

S. 238 f f . Im übrigen zeigt die Praxis im Bereich des Nebenstrafrechts und des O W i G , daß die modifizierte Vorsatztheorie keineswegs nur theoretische Bed e u t u n g hat oder gar mit dem G e s e t z unvereinbar sei: GÖHLER, § 11 R d n . 14.

87

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall

Wertungsirrtum auf der Ebene der Rechtswidrigkeit überzeugt 1 7 . Sie kommt zum gleichen Ergebnis wie die modifizierte Vorsatztheorie, der hier gefolgt werden soll: Im Verhältnis zum Fahrlässigkeitstäter erscheint der Vorsatztäter als der sozial schädlichere, weil er sich der Rechtsgutsgefährdung bewußt ist und weiß, daß sein Verhalten von der Rechtsgesellschaft als sozialschädlich angesehen wird. Nimmt der T ä t e r hingegen eine Situation an, in der keine Pflicht zu einem anderen Verhalten begründet wäre, so kann ihm u . U . vorgeworfen werden, daß er sich nicht hinreichend informiert hat. Gerade dies aber ist der Unrechtsvorwurf, der den Fahrlässigkeitstäter trifft. Es besteht im Bereich des Irrtums kein Anlaß, von dieser Regel abzuweichen. g) H handelte demnach nicht vorsätzlich. Eine Bestrafung nach § 223 entfällt. 2. Fahrlässige Körperverletzung,

§ 230

Durch seine Schläge könnte H sich einer fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht haben. a) Die in § 230 beschriebene Rechtsgutsverletzung ist eingetreten, der X ist durch die Schläge des H in seinem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigt. b) H verfügte über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden, wenn er nicht zugeschlagen hätte. c) D e r H hat auch die G e f a h r für die körperliche Unversehrtheit des X begründet und diese G e f a h r hat sich in der Körperverletzung des X realisiert. d) H hätte außerdem die Möglichkeit gehabt, den wahren Sachverhalt zu erkennen. e) Fraglich ist, ob H die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat. Grundsätzlich wird man fordern müssen, daß jemand, der einen anderen hinter sich herkommen sieht, nicht gleich körperlich angreift, nur weil er befürchtet, daß dieser ihn beleidigen werde. Dies gilt auch dann, wenn der T ä t e r durch den anderen schon einmal beleidigt worden ist. Anderes muß jedoch im vorliegenden Fall gelten: X hat den H bei jeder sich bietenden Gelegenheit beleidigt. H konnte davon ausgehen, daß X keine Gelegenheit auslassen würde, mit seinem Treiben fortzufahren. Als H den X daher auf sich zukommen sah, brauchte er nicht davon auszugehen, daß X sich diesmal anders verhalten würde. Eine

17

DREHER, Heinitz-Festschrift, S. 223.

88

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

besondere Wartepflicht kann hier nicht begründet werden. H wollte sich durch die Schläge nur vor den vermeintlich bevorstehenden Beleidigungen schützen. Den Verdacht, daß er ihm auch erneut übelwollte, hatte X durch sein bisheriges Verhalten selbst begründet. H hat also nicht die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt. H hat sich nicht nach § 230 strafbar gemacht. III. Die Messerstiche 1. Versuchter Totschlag, §§ 212, 23 Als H auf den X einstach, könnte er einen versuchten Totschlag begangen haben. Der Totschlag ist Verbrechen, der Versuch demgemäß strafbar, §§212, 23, 12 Abs. 1. Laut Sachverhalt hatte H jedoch an eine Tötung des X nicht einmal gedacht. Er war sich demnach nicht der Tatsache bewußt, daß er den X in Lebensgefahr bringen könnte. Damit fehlt es am Entschluß der T ö t u n g bei H . Damit hat sich H nicht nach §§ 212, 23 strafbar gemacht. 2. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223a Durch die Messerstiche könnte sich H einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 223a schuldig gemacht haben. a) Zunächst müßte H den Grundtatbestand des § 223 erfüllt haben. - Die Verletzung des X durch die Messerstiche stellt eine körperliche Mißhandlung dar: Die körperliche Unversehrtheit des X wurde durch H erheblich beeinträchtigt. Gleichfalls liegt eine Gesundheitsbeschädigung vor. Die Verletzung begründete einen pathologischen Zustand. b) H wollte die Verletzung des X. Er handelte wissentlich und insoweit vorsätzlich. c) Die Tat ist rechtswidrig. Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr, § 32, greift auch hier nicht ein, da es an einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff seitens des X fehlt (vgl. oben II lc). d) Zu prüfen ist aber, welche Bedeutung der Irrtum des H , von X in der Ehre angegriffen zu werden, in diesem Fall hat. Wie oben ausgeführt, irrte H über die tatsächlichen Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr. Dieser Irrtum würde seinen Vorsatz dann ausschließen, wenn H sich so verhalten hätte, wie es der Rechtfertigungsgrund der Notwehr ihm - im Falle eines Angriffs des X - gestattet hätte (vgl. oben II ld). Ob H sich jedoch im Rahmen des rechtlich Erlaubten gehalten hätte, wenn sein Vorstellungsbild richtig gewesen wäre, erscheint

89

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall

zweifelhaft. Gerechtfertigt durch N o t w e h r ist nur die erforderliche Verteidigung. Was erforderlich ist, bestimmt sich nach der realen Stärke des Angriffs 1 8 . Die Abwehr kann so weit gehen, wie es zur sofortigen Abwehr des Angriffs erforderlich ist, aber nicht weiter als unbedingt notwendig 1 9 . Der Angriff des X hätte hier in einer Ehrverletzung gelegen. Ausreichend zur sofortigen Beendigung dieses Angriffs waren die Faustschläge. Die Messerstiche waren nicht erforderlich, denn dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, daß X bedeutende Gegenwehr leistete oder gar f ü r H die G e f a h r bestand, von X verprügelt zu werden. - Somit hätte H , wenn sein Vorstellungsbild vom Sachverhalt richtig gewesen wäre, das M a ß der erforderlichen Verteidigung überschritten. Sein Verhalten wäre selbst dann nicht durch Notwehr gerechtfertigt gewesen, wenn er sich nicht in einem Irrtum über den Angriff des X befunden hätte. e) Als H demnach auf den seit langem gehaßten Gegner einstach, konnte er nicht mehr davon ausgehen, sich im Rahmen des sozial Angemessenen zu verhalten. Ihm war bewußt, die Grenze des sozial Angemessenen zu überschreiten, d. h. er handelte im Bewußtsein der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens. Sein Irrtum ist daher nicht geeignet, den Vorsatz in irgendeiner Weise auszuschließen. f) Da die Körperverletzung mittels eines Messers erfolgte, liegt eine qualifizierte Körperverletzung gem. § 223a vor. - Objektiv ist auch das Qualifikationsmerkmal „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" gegeben, doch insoweit fehlt es am Vorsatz des H . g) Bedenken könnten allerdings an der Schuld des H begründet sein. Aufgrund des Affektstaues könnte H in dem Zeitpunkt, als er auf X einstach, unzurechnungsfähig gewesen sein. Es könnte eine Bewußtseinsstörung i. S. des § 20 in Betracht kommen. - Unter Bewußtseinsstörung ist jede Bewußtseinstrübung und Bewußtseinsbeeinträchtigung zu verstehen, bei der der Einfluß des normalen Bewußtseins in so starkem M a ß e ausgeschaltet ist, daß ein pathologischer Zustand eintritt 20 . Zu einer solchen Bewußtseinstrübung kann es auch bei übermäßigen Affekten kommen 2 1 . - Die ständigen Beleidigungen durch X könnten H in einen derartigen Zustand versetzt haben. - Der Affekt hätte dann allerdings einen solchen Grad 18

DREHER/TRÖNDLE, § 3 2 R d n . 16; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 3 2

Rdn.

34.

" RGSt 72 S. 58; STRATENWERTH, A.T. I, Rdn. 431 f.; WELZEL, Lehrbuch, S. 86. 20

SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, § 2 0 R d n .

21

B G H S t 6 S. 332; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, § 20 Rdn. 15 m.w.N.

13.

90

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

erreicht haben müssen, daß die Entscheidung, sich gegen den X zur Wehr zu setzen, derart übergangslos zur Handlung geführt haben müßte, daß die Möglichkeit der Gegenmotivation entfallen wäre 22 . H hat sich jedoch nicht sofort mit dem Messer auf X gestürzt, vielmehr kam es zuerst zu einem Schlagaustausch, in dessen Verlauf H zum Messer griff. Daraus läßt sich schließen, daß im Zeitpunkt der Messerstiche ein zum Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit führender Affekt bei H nicht vorlag. Es käme höchstens verminderte Zurechnungsfähigkeit i.S. des § 21 in Betracht, die jedoch die Schuld nicht ausschließt. h) Die Tat könnte jedoch nach § 33 entschuldigt sein. aa) § 33 regelt den Fall des Notwehrexzesses. Er setzt das Bestehen einer Notwehrlage voraus. Da X den H nicht angegriffen hat, liegt objektiv keine Notwehrlage vor. Eine direkte Anwendung des § 33 ist daher nicht möglich. bb) Es fragt sich aber, ob § 33 auf den Fall, daß der Täter über das Vorliegen einer Notwehrsituation irrt - sogen. Putativnotwehrexzeß - analog angewendet werden kann. Ob diese Analogie möglich ist und wie sie begründet wird, ist streitigaaa) Eine Auffassung lehnt die analoge Anwendung des § 33 auf die Putativnotwehr grundsätzlich ab. Sie begründet dies damit, daß es im Falle der Putativnotwehr an einem rechtswidrigen Angriff durch die Person, in deren Rechtsgüter durch die Notwehr eingegriffen werde, fehle. Im Gegensatz zum tatsächlichen Angreifer könne diese Person daher nicht mit den Folgen eines Exzesses des vermeintlichen Verteidigers belastet werden in der Art und Weise, daß ihr der Strafrechtsschutz gegen diese Verhaltensweise versagt werde 23 . Dies würde für den hier vorliegenden Fall bedeuten, daß § 33 nicht analog anwendbar ist. H hat schuldhaft gehandelt und ist wegen gefährlicher Körperverletzung zu bestrafen. Nach dieser Auffassung kann allerdings eine Anwendung des § 17 in Betracht kommen. bbb) Eine andere Auffassung will § 33 nur dann analog anwenden, wenn der Irrtum für den Täter unvermeidbar war 24 . Der hier vorlie22 MAURACH/ZIPF, A . T . I, § 36 II 2 m . w . N . » B G H N J W 1 9 6 2 S. 308 f.; B G H N J W 1 9 6 8 S. 1 8 8 5 ; ESER, I, N r . 11 A 4 6 f f . ; JESCHECK, A . T . , § 45 II; MAURACH/ZIPF, A . T . I, § 38 II B 2 a , a a ; WESSELS, A . T . , § 10 V I I 3 d . 24 BAUMANN, A . T . , § 29 II 3; DREHER/TRÖNDLE, § 3 2 R d n . 27; RUDOLPHI, J u S 1 9 6 9 S. 4 6 3 f . ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, § 33 R d n . 8; STRATENWERTH, A . T . I, R d n . 6 2 6 .

Anfängerhausarbeit: Kirmesfall

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gende Irrtum hinsichtlich der Messerstiche als Notwehrreaktion war für H vermeidbar. Die abwehrenden Faustschläge wären ausreichend gewesen und dies wäre für H auch erkennbar gewesen. Damit ist auch nach dieser Auffassung § 33 nicht analog anwendbar. ccc) Geht man allerdings davon aus, daß § 33 nicht nur an das Vorliegen der Notwehrsituation anknüpft, sondern auch eine bestimmte psychische Situation des Täters berücksichtigt, so muß man zu einem anderen Ergebnis kommen. Angesichts der Tatsache, daß der Gesetzgeber den Strafrechtsschutz in einer Situation versagt, die das jetzige Opfer durch einen rechtswidrigen Angriff zunächst mitgestaltet hat, ist es angemessen, die Analogie dann zu bejahen, wenn den durch die vermeintliche Verteidigungshandlung Betroffenen ein erhebliches Mitverschulden am Irrtum des Verteidigers trifft 2 5 . Genau diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben, denn ein gewisses Verschulden des Opfers daran, daß es überhaupt zur Putativnotwehr kam, ist hier aufgrund der ständigen Beleidigungen des X gegeben. Daher könnte neben der psychologischen Gleichheit der Fälle auch das Nebenmotiv des Gesetzgebers, die Verantwortlichkeit des Opfers für den Angriff in gewissem Umfang klarzustellen, durchaus berücksichtigt werden. § 33 ist daher analog im vorliegenden Falle anzuwenden, soweit seine Voraussetzungen im übrigen vorliegen. cc) H müßte dann die Grenzen der beim vorgestellten Sachverhalt erforderlichen Verteidigung aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten haben. H war durch das Verhalten des X hochgradig erregt. Seine lange angestaute Wut entleerte sich in einer spontanen Entlastungsreaktion. Berücksichtigt man, daß er in seinem Wesen eher schwerfällig und von ruhigem Temperament war, so muß diese wesensfremde Reaktion eine Erklärung finden. Sicher handelte H nicht aufgrund eines plötzlichen Schreckens oder aufgrund von Verwirrung. Es muß aber gesehen werden, daß er sich durch die ständig wiederholten Beleidigungen des X in einem Zustand befand, in dem er einfach um seine personalen Entfaltungsmöglichkeiten bangte. Er fühlte sich in die Enge getrieben, er sah immer dann, wenn der X auftauchte, keine Möglichkeit mehr, sich seinem ruhigen und eher schwerfälligen Wesen gemäß zu entfalten. Vergleichbar einem Tier, das immer mehr zurückgeht, bis es in den Bereich kommt, den es verteidigen muß, falls es seinen unerläßlichen Lebensraum nicht verlieren will, sah auch H sich in eine Position gedrängt, aus der heraus er zum Angriff überge"

O T T O , A . T . , § 16 I I 2 b ; R O X I N , S c h a f f s t e i n - F e s t s c h r i f t , S . 1 1 8 f f .

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

hen mußte, wollte er überhaupt als Mensch existieren können. Er handelte demnach zwar nicht aufgrund eines spontanen Angstzustandes, wohl aber ist sein Verhalten noch durch Furcht im Sinne des Gesetzes zu erklären. Es war die Furcht, keinen Raum mehr für die Entfaltung seiner Persönlichkeit zu haben, solange der X nicht dazu gebracht werden konnte, seine Beleidigungen einzustellen. i) H überschritt demnach die Grenzen des von ihm aufgrund seines Irrtums für erforderlich Gehaltenen aus Furcht. Er ist entschuldigt, § 33 analog. IV. Ergebnis: H hat sich nicht strafbar gemacht. G. Anmerkungen 1. Zum Aufbau der Hausarbeit vgl. oben 1. Teil IV 2. 2. Der Sachverhalt des Falles ist einer Entscheidung des BGH vom 29. Oktober 1969 - 2 StR 383/69 - entnommen. Obwohl das Schwurgericht als Vorinstanz festgestellt hatte, daß H sich von X „verfolgt glaubte", sah der BGH keinen Anlaß, die Fragen der Putativnotwehr oder des Putativnotwehrexzesses zu erörtern, denn „wie die Wiedergabe seiner Einlassung im angefochtenen Urteil zeigt, hat sich der Angeklagte hierauf in der Hauptverhandlung nicht berufen." Vom Angeklagten nicht nur zu erwarten, daß er vorträgt, er habe aus bestimmten Gründen geirrt, sondern auch Ausführungen zur „Putativnotwehr" zu verlangen, scheint allerdings etwas reichlich hoch gegriffen zu sein. 3. Im Gutachten gelang es vielen Bearbeitern nicht, herauszustellen, daß die Irrtumsproblematik in diesem Bereich ein Problem der Definition des Vorsatzes ist. Die einen bejahten den Vorsatz im subjektiven Tatbestand, um ihn später - nach einer den Leser überraschenden, da in ihrer Notwendigkeit nicht mehr erkennbaren Darstellung der „Theorien" - abzulehnen. Die anderen sahen im Vorsatz ein Schuldelement, ohne ein Hindernis zu erkennen, der strengen Schuldtheorie zu folgen. In vielen Arbeiten blieb unklar, wozu hier überhaupt der „Theorienstreit" dienen sollte, und warum ein solcher Streit entstehen konnte. - Dies besonders in jenen Arbeiten, deren Verfasser sich nicht die Mühe machten, darzulegen, worüber H irrte, sondern sogleich mit Vokabeln wie „Tatbestandsirrtum" und „Verbotsirrtum" hantierten und mit dieser Eingruppierung oft - ohne es allerdings zu merken - die Entscheidung, welcher der Meinungen zu folgen sei, präjudizierten. 4. Eine objektive Schwierigkeit ergab sich für die Bearbeiter, die den Vorsatz als Bestandteil des Unrechtstatbestandes ansahen und nun vor der Frage standen, ob ihnen die Entscheidung für die Vorsatztheorie überhaupt noch offen war, da einige Anhänger der modifizierten Vorsatztheorie das Unrechtsbewußtsein als Schuldelement einordnen. Hier gehörte Mut zur Entscheidung, doch war es im vorliegenden Falle durchaus zulässig, dieses Problem dahinge-

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stellt sein zu lassen, da der Unterschied in der Stellungnahme keine Konsequenzen für das Ergebnis des Falles hatte, eine Auseinandersetzung mit § 17 daher auch nicht erforderlich war. 5. Zum Teil wurde der Versuch gemacht, die gesamte Problematik zu umgehen, indem behauptet wurde, Angriff i. S. der Notwehr sei subjektiv zu bestimmen. Dieser Weg war unrichtig. 6. Bearbeitungszeit: 3 Wochen.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall A. Sachverhalt E las am 2. 9. in der „Bild-Zeitung", daß der zwölfjährige Volker entführt worden war und daß der Entführer von den Pflegeeltern unter Androhung von Lebensgefahr für das Kind ein Lösegeld von 25 000,- D M forderte. Das brachte ihn auf den Gedanken, sich als Entführer des Kindes auszugeben und sich in den Besitz des Lösegeldes zu setzen. Er schrieb folgenden Brief: „Volker lebt noch. Wir sind zu dritt. Gegen Zahlung der 25 000,D M wird Volker heute abend um 20 Uhr am M-Tor in Karlsruhe übergeben. Keine Polizei.! Die Entführer." Den Brief sandte E an die Pflegeeltern. Diese verständigten die Polizei, die den E um 20 Uhr am M-Tor festnahm, als er auf das Geld wartete. Hat E sich strafbar gemacht? B. Überlegungen auf dem Weg zur Fallösung 1. Da nur nach der Strafbarkeit einer Person gefragt ist, empfiehlt sich ein chronologischer Aufbau. 2. Zu beginnen ist mit dem Herstellen des Briefes, § 267 Abs. 1,1. Alt. 3. Absenden des Briefes: Zu erörtern: §§ 255, 253, 263 bzw. 255, 23; 253, 23; 263, 23; 241 Abs. 1, 239a, 164, 258, 145d Abs. 2 Nr. 1. - Problem, ob Vermögensverfügung der Eltern auf Irrtum oder Drohung begründet war. - Zunächst Drohung erörtern, da im Rahmen der Drohung eine Täuschung kein besonderes Problem: Es kommt nicht darauf an, ob Täter das angedrohte Übel wirklich realisieren kann, sondern ob er das Opfer glauben machen kann, er verfüge über die Möglichkeit der Realisierung.

C. Lösungsskizze Das strafbare

Verhalten des E

1. Teil: Das Anfertigen des Briefes 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1,1. Alt. Urkunde: a) Gedankenerklärung: + , Beweis für rechtserhebliche Tatsachen: + . b) Ein bestimmter Aussteller erkennbar: —, Aussteller nur scheinbar angegeben, da Person nicht identifizierbar im Moment des Zugangs der Urkunde. 2. Daher keine Urkundenfälschung.

Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall

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2. Teil: Das Absenden des Briefes 1. Räuberische Erpressung, §§ 253, 255: —, die Nötigung war erfolglos, Tatbestand nicht vollendet. 2. Versuchte räuberische Erpressung, §§ 253, 255, 23: + . a) Grundtatbestand: aa) Versuch strafbar: §§ 23, 253 Abs. 3. bb) Entschluß: + . cc) Ansetzen zur Tat: + . b) Qualifikation, § 255: Drohung f ü r Leib und Leben zwar nicht wörtlich in dem Brief enthalten, wohl aber aus Gesamtumständen zu entnehmen. Ob § 255 auch durch ein Verhalten erfüllt werden kann, das keine Vermögensverfügung darstellt, braucht nicht erörtert zu werden, da hier eine Vermögensverfügung vorgelegen hätte. 3. Bedrohung, § 241: in §§ 255, 23 enthalten. 4. Versuchter Betrug, §§ 263, 23: —. Verfügung hat ihren Grund in der Drohung, nicht aber in einer vermeintlichen freien Entscheidung. 5. Erpresserischer Menschenraub, § 239a: —. E hat selbst keine Entführung begangen: obj. Tb.: — . 6. Falsche Verdächtigung, § 164: —, konkrete Person: —, neuer Sachverhalt: —. 7. Strafvereitelung, § 258: —, nicht einmal abstrakte Eignung des Briefes, die wahren Entführer günstiger zu stellen. 8. Vortäuschen einer Straftat, § 145d Abs. 2 Nr. 1: —. E wollte gerade nicht vortäuschen, daß er selbst als identifizierbare Person die Entführung begangen habe. 9. Ergebnis: E: §§ 253, 255, 23.

D. Gutachten Das strafbare Verhalten des E 1. Teil: Das Anfertigen des Briefes 1. Urkundenfälschung, § 267 Durch das Schreiben des Briefes an die Pflegeeltern könnte sich E der Herstellung einer unechten Urkunde schuldig gemacht haben, § 267 Abs. 1 , 1 . Alt.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, für außerhalb ihrer selbst liegende rechtserhebliche Tatsachen Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen läßt. a) Der Brief enthält eine verkörperte Gedankenerklärung, die die rechtserhebliche Tatsache zum Inhalt hat, daß der entführte Volker gegen Zahlung von 25 000,- D M freigelassen wird. b) Problematisch erscheint es jedoch, ob dem Brief der Aussteller zu entnehmen ist. Unterzeichnet ist das Schreiben mit: „Die Entführer". Das könnte im Zusammenhang mit dem Text des Briefes darauf hindeuten, daß bestimmte konkretisierbare Personen sich zu dem Inhalt des Schreibens bekennen, nämlich die Personen, die den Volker entführt haben. Daß deren Namen sich aus dem Text ergeben, ist nicht erforderlich, wenn sie auf Grund der in dem Schreiben angegebenen Umstände für die Betroffenen identifizierbar sind. Es genügt, daß der Autor durch ein bestimmtes Verhalten gekennzeichnet ist, aufgrund dessen er individualisiert werden kann. Gerade das jedoch ist im zu entscheidenden Sachverhalt nicht der Fall. Auch wenn jegliche Unterschrift fehlen würde, ergäbe sich aus dem Inhalt des Schreibens nur, daß es von „den Entführern" stammt. Wer diese Personen jedoch sind, wird dem Leser bewußt verheimlicht. Im Moment des Zugangs des Briefes ist es daher auch den Betroffenen nicht möglich, aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts und der bekannten Umstände den Autor zu identifizieren. Es genügt nicht, daß der Aussteller als jemand erscheint, der aufgrund des Inhalts der Urkunde etwas Bestimmtes getan hat, er muß - zumindest für die Betroffenen - unter Berücksichtigung aller Umstände identifizierbar erscheinen. Wird dieses nicht beachtet, so wird eine schriftliche Lüge zur Urkundenfälschung umgedeutet, obwohl es gerade an dem als individuelle Person feststellbaren Aussteller fehlt. Zu fordern ist demnach als Minimum der Konkretisierbarkeit des Ausstellers für Eingeweihte, daß die Kenntnis der Tat auf eine konkrete, individualisierbare Person hinweisen muß, die aufgrund des Sachverhalts dem Eingeweihten erkennbar ist. So ist es im vorliegenden Falle aber nicht. Art und Weise des Briefes und seine Unterschrift zeigen, daß die Unterschrift gerade nicht auf eine Person hinweisen soll, die sich an der Erklärung festhalten lassen will, weil sie die Absicht hat, für den Inhalt einzustehen. Es liegt daher ein Fall offener Anonymität vor. 2. Ergebnis: Die Herstellung des Briefes ist als Herstellung einer schriftlichen Lüge anzusehen, nicht aber als Urkundenfälschung.

Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall

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2. Teil: Das Absenden des Briefes 1. Mit dem Absenden des Briefes könnte E sich jedoch wegen einer räuberischen Erpressung, §§ 253, 255, strafl>ar gemacht haben. Eine vollendete Erpressung scheidet allerdings aus, weil es nicht zur Zahlung des Geldes gekommen ist, d. h. der mit der Nötigung erstrebte Erfolg nicht eingetreten ist. 2. In Betracht kommt aber eine versuchte räuberische Erpressung, §§ 253, 255, 23. Der Versuch der räuberischen Erpressung ist strafbar, da diese ein Verbrechen ist, §§ 253, 255, 249, 23, 12 Abs. 1. a) Grundtatbestand: §§ 253, 23. Dann müßte E den Entschluß gefaßt haben, die Pflegeeltern durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen und dadurch dem Vermögen der Pflegeeltern einen Nachteil zuzufügen, um sich zu Unrecht zu bereichern. aa) Als E an die Pflegeeltern schrieb: „Volker lebt noch" und ein Lösegeld von 25 000,- D M forderte, brachte er zum Ausdruck, daß Volker ohne Zahlung des Geldes nicht freigelassen würde, wobei er sehr bewußt offenließ, was weiter mit Volker geschehen würde. Doch auch, wenn seinen Zeilen die Drohung mit einer Lebensgefahr nicht unmittelbar entnommen werden konnte, so war diese bei verständiger Auslegung des Briefes aufgrund der Typik derartiger Entführungsfälle doch unausgesprochen in dem Schreiben enthalten. Der Brief enthielt demnach die Drohung mit einem empfindlichen Übel f ü r Volker und damit f ü r die Pflegeeltern. Nach dem Plan des E sollten die Pflegeeltern durch diese Drohung zur Zahlung, d. h. zu einer H a n d lung genötigt werden, die ihrem Vermögen einen Nachteil zugefügt hätte. bb) E leitete das Ganze in die Wege, um sich rechtswidrig zu bereichern, d. h. er hatte den Entschluß gefaßt, die Eltern durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu erpressen. cc) Mit dem Absenden des Briefes, spätestens mit dem Eingang des Briefes bei den Pflegeeltern, lag unter Berücksichtigung des Planes des E eine unmittelbare Gefährdung des Vermögens der Pflegeeltern vor. E hatte demnach mit der Ausführungshandlung begonnen. dd) E handelte rechtswidrig. - Er hat damit den Unrechtstatbestand der versuchten Erpressung erfüllt. b) Die Merkmale des qualifizierten Tatbestandes, §§ 255, 23. aa) Die Drohung, Volker ohne Zahlung des Lösegeldes nicht herauszugeben, enthielt eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr f ü r

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Leib und Leben Volkers. Denn über die bloße Freiheitsentziehung hinaus mußten die Eltern aufgrund der Drohung befürchten, daß die Entführer sich im Falle der Nichtzahlung des Kindes durch T ö t u n g entledigen würden. Dies schrieb E zwar nicht ausdrücklich, doch war dies im Zusammenhang mit der auch ihm bekannten Drohung der wirklichen Entführer der erkennbare Sinn seiner eigenen Drohung. Diese dem Kind in Aussicht gestellte Gewalt stellte auch f ü r die Pflegeeltern aufgrund ihrer engen Beziehung zu dem Kinde ein Übel dar. D a ß sich die Drohung unmittelbar gegen Leib oder Leben der Pflegeeltern richtete, ist nicht erforderlich. bb) In dieser Weise hatte E den Sachverhalt auch in seinen Entschluß aufgenommen. cc) E handelte rechtswidrig und schuldhaft. dd) Ergebnis: E hat sich einer versuchten räuberischen Erpressung schuldig gemacht, §§ 253, 255, 23. 3. Bedrohung, § 241 Abs. 1, liegt vor, ist aber tatbestandlich auch in der versuchten räuberischen Erpressung enthalten und wird daher konsumiert von dieser. 4. Das Verhalten des E könnte auch einen versuchten Betrug, §§ 263, 23, darstellen. Ein vollendeter Betrug scheidet aus, weil es nicht zu einer Vermögensverfügung durch die Pflegeeltern gekommen ist. - Doch auch der versuchte Betrug ist strafbar, §§ 263 Abs. 2, 23. a) E hatte den Entschluß gefaßt, die Eltern darüber zu täuschen, daß er der Entführer des Kindes sei. b) Diese Täuschung sollte einen Irrtum über die wahren Entführer bei den Pflegeeltern hervorrufen. c) Dieser Irrtum wäre auch kausal gewesen f ü r eine Vermögensverfügung seitens der Pflegeeltern, wenn diese Zahlung geleistet hätten. - Es fragt sich aber, ob der Betrugstatbestand nicht mehr erfordert als diese rein kausale Verknüpfung des Irrtums mit der Vermögensverfügung. Der Betrug wird gemeinhin ein Selbstschädigungsdelikt genannt. Diese Kennzeichnung wird seinem Wesen durchaus gerecht. Wesentlich ist dem Betrug nämlich, daß der Täter das Opfer in eine Situation versetzt, in der das Opfer meint, aufgrund freien, rechtlich nicht relevant beeinflußten Entschlusses eine Verfügung zu treffen, wobei dem Opfer jedoch verborgen bleibt, daß diese Verfügung unmittelbar zu einem Vermögensschaden des Opfers führt. Gerade diese Situation ist

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jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Pflegeeltern wären sich des Verfügungscharakters ihrer Handlungsweise bewußt gewesen, wenn sie das Geld gezahlt hätten. In gleicher Weise wäre ihnen jedoch auch die schädigende Natur dieser Verfügung klar gewesen. Nicht auf Grund vermeintlich freien Entschlusses wäre es zur Verfügung gekommen, sondern auf Grund eines unfreien, von anderer Seite beeinflußten Willens wäre die Verfügung erfolgt, und zwar lag nach dem Vorstellungsbild des Opfers der typische Fall einer Erpressung vor, da die Verfügung ihren Grund in einer Drohung mit einem empfindlichen Übel gehabt hätte. Es ist nämlich völlig gleichgültig, ob der Täter der Erpressung das angedrohte Übel realisieren kann oder nicht. Es kommt allein darauf an, daß der Täter dem Opfer weismacht, er verfüge über die Realisierungsmöglichkeit. Das ist unstreitig, und dessen war sich auch der Gesetzgeber bei der Schaffung des Erpressungstatbestandes bewußt. Wenn dem aber so ist, dann schließt die Erpressung, auch wenn sie auf einer Täuschung über die Grundlagen der Drohung beruht, tatbestandlich den Betrug aus. Bei dem nur vorgetäuschten Übel kommt dem Erpressungstatbestand gleichsam die Rolle einer lex specialis gegenüber dem Betrugstatbestand zu: Verfügungen, die ihren Grund in einer Nötigungssituation haben, können nicht Verfügungen i. S. des Betrugstatbestandes sein. Diese setzen nach dem Vorstellungsbild des Opfers eine freie Entscheidung voraus. d) Der Entschluß des E war daher nicht auf die Begehung eines Betruges gerichtet. 5. Ein erpresserischer Menschenraub des E, § 239a, liegt nicht vor. Der Tatbestand setzt im objektiven Teil bereits voraus, daß E selbst die Entführung begangen hat, und zwar in beiden Alternativen des § 239a Abs. 1. 6. Eine falsche Verdächtigung, § 164, liegt nicht vor, weil E nicht wider besseres Wissen einen anderen einer strafbaren Handlung gegenüber einer Behörde usw. verdächtigt hat. Weder wurde eine konkrete Person genannt, noch ein Sachverhalt übermittelt, der in bezug auf die strafbaren Handlungen über das hinausging, was den Behörden schon bekannt war. 7. Auch eine Strafvereitelung, § 258, entfällt. Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Brief dazu führte, die Suche nach den wirklichen Entführern mit geringerer In-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

tensität zu betreiben. Zum anderen wollte E diesen Erfolg nicht, ja, es ist davon auszugehen, daß er sich dieses Erfolges gar nicht bewußt war. 8. In Betracht könnte jedoch die Vortäuschung einer Straftat, § 145d Abs. 2 Nr. 1, kommen. Dann müßte E wider besseres Wissen eine Behörde oder eine zur Entgegennahme von Anzeigen zuständige Stelle über die Person eines an einer Straftat Beteiligten zu täuschen gesucht haben. E hat sich zwar nicht unmittelbar an eine Behörde gewandt, für die Tatbestandserfüllung genügt es jedoch, daß der Täter damit rechnen muß, daß seine Täuschungshandlung mittelbar einer Behörde bekannt wird. Indem E als Entführer auftrat, gab er vor, eine Straftat begangen zu haben. Da er sich jedoch peinlich bemühte, jeglichen Hinweis auf seine eigene Person zu vertuschen, kann von einer Täuschung über seine eigene Beteiligung an der Straftat keine Rede sein. Die Tatsache, daß die Polizei aufgrund der Tätigkeit des E mit Mehrarbeit belastet wurde, genügt zur Erfüllung des Tatbestandes nicht. Diese Mehrarbeit ist unmittelbar in der eigenen Straftat des E, versuchte räuberische Erpressung, begründet, die ihrerseits zwar wiederum auf einer Täuschung über seine Beteiligung an einer anderen Straftat beruht, der jedoch wegen ihrer Mittelbarkeit keine Eigenständigkeit mehr zukommt. 9. Ergebnis: E hat sich einer versuchten räuberischen Erpressung schuldig gemacht, §§ 253, 255, 23. E. Anmerkungen 1. Das Erkennen der Problematik der Anonymität des Ausstellers der Urkunde erforderte bereits gediegenes Wissen. Die Entscheidung, ob unechte Urkunde oder nicht, mag streitig bleiben. Herauszuarbeiten war jedoch die Problemstellung. 2. Wer die Erörterung der Vermögensdelikte mit dem Betrug begann, hatte es schwieriger in der Argumentation, wenn er die Problematik des funktionellen Zusammenhangs zwischen Irrtum und Verfügung überhaupt sah. Die Kausalität des Irrtums für die Verfügung ließ sich nicht leugnen. Wer daher nicht mehr als Kausalität des Irrtums für die Verfügung voraussetzte, kam zwangsläufig zur Idealkonkurrenz von versuchtem Betrug und versuchter Erpressung. 3. Aufbautechnisch richtig war es auch, mit der versuchten einfachen Erpressung zu beginnen und erst nach deren Bejahung die versuchte räuberische Erpressung zu erwähnen, da auf Grund der verschiedenen Interpretationen des § 255 das Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation zwischen die-

Vorgerucktenklausur Nr. 1: Entführungsfall

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sen Tatbeständen nicht unstreitig ist. Dieser Interpretationsstreit konnte sich im vorliegenden Fall allerdings nicht auswirken. 4. Bearbeitungszeit: 3 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Der Sachverhalt ist nachgebildet der Entscheidung BGHSt 23 S. 294 f f . = NJW 1970 S. 1 8 5 5 f . 2. Zum Überblick über die Schwierigkeit der Argumentation innerhalb der Problematik der Urkundenfälschung vgl. TRÖNDLE, LK, § 267 Rdn. 26 f f . 3. Zur Abgrenzung von Betrug und Erpressung vgl. außer der unter 1. genannten Entscheidung: G Ü N T H E R , ZStW 88 (1976) S. 9 6 0 f f . ; H E R Z B E R G , JuS 1972 S. 570f.; KÜPER, Anm. zu BGH NJW 1970 S. 1 8 5 5 f . , in: N J W 1970 S. 2253; O T T O , Z S t W 79 (1967) S. 58 ff., insbes. S. 94; SEELMANN, J U S 1982 S. 914 ff.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall A. Sachverhalt A und B haben in der Gaststätte des C kräftig gezecht. Als A volltrunken ist, weist C ihn aus dem Lokal. Voller Verbitterung macht sich A auf den Heimweg. An der Tür entnimmt er dem Schirmständer einen fremden Schirm, im Glauben es sei sein eigener. Vor der Gaststätte merkt A, daß das Gehen recht mühsam ist. Aus diesem Grunde schwingt er sich auf ein Fahrrad, das vor der Gaststätte abgestellt war. Er ist entschlossen, von nun an mit diesem Fahrrad seine Wege zu erledigen. Froh über die Neuerwerbung, aber noch verbittert über den Rausschmiß, dreht er eine Kurve, nimmt dabei einen vor der T ü r liegenden Stein an sich und wirft ihn durch die Scheibe der Gaststätte. Das erleichtert ihn sehr, zumal ihm der B beim Rausschmiß gesagt hat, „laß dir das nicht bieten". Am nächsten Morgen wacht A mit einem fürchterlichen Brummschädel auf. Voller Entsetzen entdeckt er in seinem Schlafzimmer ein fremdes Fahrrad. Er eilt mit diesem zur Gaststätte des C, um sich dort zu erkundigen, ob jemand etwas über das Fahrrad weiß. Bei dieser Gelegenheit wird er über den Sachverhalt aufgeklärt und auch darüber, daß C bereits Strafantrag gegen ihn gestellt hat. Das Fahrrad gehört dem X, der es zurückerhält. Die Verwechslung des Schirmes ist noch nicht bemerkt worden. Strafbarkeit des A und B? B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Da A „volltrunken" war, und Anhaltspunkte für eine actio libera in causa nicht gegeben sind, kommt nur eine Strafbarkeit des A wegen Vollrausches, § 323a, in Betracht. 2. Bei der Deliktsprüfung ist mit den im Vollrausch begangenen Straftaten zu beginnen. Nachdem festgestellt ist, daß eine Bestrafung aus diesen Taten nicht erfolgen kann, ist die Prüfung des § 323a anzuschließen. 3. Bezüglich des B ist zu prüfen, ob eine Teilnahme am Vollrausch, § 323a, in Betracht kommt oder eine Beteiligung an den im Rausch von A begangenen Taten. 4. Als Rauschtaten bei A sind zu erörtern: §§ 242, 248b, 303 und 316. Bezüglich B sind zu erörtern: §§ 323a, 26; 303, 25 Abs. 2 bzw. 26.

Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall

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C. Lösungsskizze I. Strafbarkeit des A 1. Mitnahme des Schirms, Diebstahl, § 242: —. a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache: + . b) Vorsatz: —. 2. Wegnahme des Fahrrads, Diebstahl, § 242: —. a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache: + . b) Absicht rechtswidriger Zueignung: —, zwar Zueignungsabsicht, da aber A in einem Zustand des § 20, ist die Absicht rechtswidriger Zueignung nicht gegeben. 3. Benutzen des Fahrrads, unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs, § 248b: - . a) Fahrrad gegen den Willen des Berechtigten in Gebrauch genommen: + . b) Subjektiver Tatbestand: + , auch Ingebrauchnahme zwecks Zueignung ist Ingebrauchnahme im Sinne des § 248b. c) Schuld: - , § 20. d) Actio libera in causa: — . 4. Zerstörung der Scheibe, Sachbeschädigung, § 303: — . a) Fremde bewegliche Sache zerstört: + . b) Subjektiver Tatbestand: + , natürlicher Vorsatz. c) Schuld: - , § 20. d) Actio libera in causa: — . 5. Trunkenheit im Verkehr, § 316: —. Auch die Benutzung eines Fahrrads fällt unter § 316. Die Rechtsprechung hat jedoch bisher noch keine absolute Grenze der Fahruntüchtigkeit festgelegt. 6. Vollrausch, § 323a: + . a) Trunkenheit des A: + . b) Subjektiver Tatbestand: + , mindestens Fahrlässigkeit. c) Rauschtaten: aa) Mitnahme des Schirms aufgrund rauschbedingten Irrtums: —. bb) Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen, § 248b: + , vgl. oben, cc) Sachbeschädigung, § 303: + , vgl. oben. d) Strafantrag: § 248b: - , § 303: + . e) Trotz zweier „objektiver Bedingungen der Strafbarkeit" nur eine Vollrauschtat. 7. Ergebnis: A hat sich eines Vollrausches, § 323a i.V.m. §§ 248b, 303 schuldig gemacht.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

II. Strafbarkeit des B 1. Teilnahme am Vollrausch, §§ 323a, 26, 27: —. 2. Sachbeschädigung in mittelbarer Täterschaft, §§ 303, 25 Abs. 2: —, B ist nicht Mitträger der Tatherrschaft. 3. Anstiftung zur Sachbeschädigung, §§ 303, 26: —. a) Tatbestandsmäßige, rechtswidrige, vorsätzliche Haupttat: + . b) Bestimmen: + / - . c) Doppelter Anstiftervorsatz: —, zu unbestimmte Tat. 4. Ergebnis: TS hat sich nicht strafbar gemacht.

D. Gutachten I. Strafbarkeit des A 1. Mitnahme des Schirmes, Diebstahl\ § 242 A könnte sich, als er den fremden Schirm, im Glauben es sei sein eigener, mitnahm, eines Diebstahls, § 242, schuldig gemacht haben. a) Der Schirm war f ü r A eine fremde bewegliche Sache, da er nicht dem A gehörte und nicht herrenlos war. A müßte den Schirm weggenommen haben, d. h. fremden Gewahrsam gebrochen und neuen begründet haben. Gewahrsam ist das von einem Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Herrschaftsverhältnis unter Berücksichtigung der sozialen Zuordnung. Für die Frage, ob jemand eine Sache noch in Gewahrsam hat, ist nicht allein auf die körperliche Nähe zu einer Sache abzustellen, sondern auch auf die Anschauung des täglichen Lebens. So ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß Gewahrsam des Eigentümers am Schirm fortbestand, solange er in der Gaststätte war. - Wäre er vom Eigentümer vergessen worden, so hätte der Gastwirt Gewahrsam an dem Schirm erlangt. A hatte den noch fortbestehenden Gewahrsam gebrochen und eigenen begründet, als er den Schirm an sich nahm. b) A müßte vorsätzlich gehandelt haben. Als A den Schirm an sich nahm, glaubte er, es sei sein eigener. Damit irrte er über den Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals „fremd" i.S.d. § 242. Daß dieser Irrtum möglicherweise rauschbedingt war, ist bei der Erörterung des § 242 irrelevant. Bedeutung kann die Rauschbedingtheit eines Irrtums nur im Rahmen des § 323a erlangen. Mangels Vorsatzes entfällt daher eine Strafbarkeit des A nach § 242.

Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall

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2. Wegnahme des Fahrrads, Diebstahl\ $ 242 Durch die Mitnahme des vor der T ü r stehenden Fahrrades, könnte sich A eines Diebstahls, § 242, schuldig gemacht haben. a) Das Fahrrad war f ü r A eine fremde bewegliche Sache, da es dem X gehörte. A hat dieses Fahrrad weggenommen, da er den fortbestehenden Gewahrsam des X gegen dessen Willen gebrochen und neuen, eigenen, begründet hat. b) A handelte im Bewußtsein der Tatumstände und ihres natürlichen Bedeutungsgehaltes, also mit natürlichem Vorsatz. Fraglich ist, ob A die f ü r den Diebstahl erforderliche rechtswidrige Zueignungsabsicht hatte. A wollte nach seinem im Rausch gefaßten Plan das Fahrrad von nun an zur Erledigung seiner Wege benutzen, er wollte den Berechtigten von dem Besitz ausschließen, eigene umfassende Herrschaft über das Fahrradbegründen und dieses wirtschaftlich nutzen, d. h. sich zueignen. Aufgrund seines Rausches war A jedoch nicht in der Lage zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, so daß er nicht in rechtswidriger Zueignungsabsicht handelte, als er das Fahrrad an sich nahm. A hat sich keines Diebstahls am Fahrrad schuldig gemacht. 3. Unbefitgter Gebrauch eines Fahrzeugs, § 248b Dadurch, daß A das Fahrrad zur Heimfahrt benutzte, könnte er sich eines unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges, § 248b, schuldig gemacht haben. a) A hatte das Fahrrad gegen den Willen des X in Gebrauch genommen, als er mit diesem nach Hause fuhr. b) Der Ingebrauchnahme war A sich auch bewußt. Die Ingebrauchnahme zwecks Zueignung schließt die Ingebrauchnahme im Sinne des § 248b ein. c) A könnte jedoch nach § 20 schuldunfähig gewesen sein. Schuldunfähig ist, wem die Einsicht in das Unrecht der Tat oder die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, fehlt. Hier könnte die Schuldunfähigkeit auf einer Bewußtseinsstörung beruhen. In Betracht kommt eine krankhafte seelische Störung aufgrund von Trunkenheit. Der Alkoholrausch ist eine krankhafte seelische Störung i. S. des § 20, so daß A schuldunfähig war. d) Anhaltspunkte f ü r eine actio libera in causa, d. h. dafür, daß sich A bewußt in den Rausch versetzt hat, um im Rausch strafbare Handlungen zu begehen, liegen nicht vor. A kann demnach wegen der bestehenden Schuldunfähigkeit nicht aus § 248b bestraft werden.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

4. Zerstörung der Scheibe, Sachbeschädigung, § 303 A könnte sich einer Sachbeschädigung schuldig gemacht haben, als er den Stein durch die Scheibe warf und sie dabei zu Bruch ging. a) Die Scheibe war für A eine fremde bewegliche Sache, die durch seinen Steinwurf zerstört wurde. b) A müßte vorsätzlich gehandelt haben. A war sich seines Verhaltens trotz der Volltrunkenheit bewußt, als er den Stein durch das Fenster warf. Er handelte mit natürlichem Vorsatz. c) A war jedoch nach § 20 schuldunfähig, vgl. oben 3c. d) Actio libera in causa kommt ebenfalls nicht in Betracht. A kann demnach nicht aus § 303 bestraft werden. 5. Trunkenheit im Verkehr, § 316 A könnte sich, als er mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, gemäß § 316, Trunkenheit im Verkehr, strafbar gemacht haben. Auch die Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad kann den Tatbestand des § 316 erfüllen. Die Rechtsprechung hat jedoch bisher noch keine absolute Grenze der Fahruntüchtigkeit bei Fahrradfahrern festgelegt; die für Kraftfahrer geltende Grenze von 1,3 %o ist nicht anwendbar. Für rauschbedingte Fahrmängel gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. A hat sich nicht nach § 316 schuldig gemacht. 6. Vollrausch, § 323a In Betracht kommt eine Strafbarkeit des A wegen Vollrausches, § 323a. a) Nach dem Sachverhalt ist A aufgrund des Alkoholgenusses volltrunken, als er die Gaststätte verläßt, d.h. er hat sich durch alkoholische Getränke in einen Rausch versetzt. b) Der Sachverhalt sagt nichts darüber aus, daß A sich bewußt berauschen wollte. Als erwachsener Mann hatte er jedoch die Fähigkeit zu erkennen, daß seine Zecherei zu einem Rausch führen würde. Er handelte damit fahrlässig. c) Weiter müßte A im Rausch eine rechtswidrige Tat begangen haben, wegen der er nicht bestraft werden kann, weil er schuldunfähig war. Als derartige Taten kommen in Betracht: aa) Die Wegnahme des Regenschirmes. Sie könnte hier von Belang sein, falls der Irrtum des A rauschbedingt war. Das kann jedoch dahinstehen, denn selbst wenn der Irrtum rauschbedingt war, begründet dies nicht die Zueignungsabsicht bei A. Da er den Schirm nämlich für seinen eigenen hielt, handelte er nicht im Bewußtsein, den wahren Be-

Vorgeriicktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall

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rechtigten von der Sachherrschaft auszuschließen und selbst umfassende Sachherrschaft zu begründen. Dieses Bewußtsein ist auch nicht unter Hinweis auf den Rauschzustand des A zu ersetzen. bb) Der unbefugte Gebrauch eines Fahrzeugs, § 248b, vgl. oben 3. cc) Die Sachbeschädigung, § 303, vgl. oben 4. d) Allerdings ist der Strafantrag nur bezüglich § 303 gestellt, nicht in bezug auf § 248b. Dies müßte - soweit zeitlich noch möglich nachgeholt werden, andernfalls kann § 248b nicht als Rauschtat berücksichtigt werden, § 323a Abs. 3. e) Die beiden im Rausch begangenen Taten sind - soweit der zweite Strafantrag noch gestellt wird - zwei objektive Bedingungen der Strafbarkeit innerhalb eines Vollrausches. A handelte rechtswidrig und bezüglich des Berauschens auch schuldhaft. Er hat sich daher nach § 323a strafbar gemacht. 7. Ergebnis: A hat sich eines Vollrausches, § 323a i.V.m. §§ 248b, 303, schuldig gemacht. II. Strafbarkeit des B 1. Teilnahme am Vollrausch, ff 323a, 26, 27 Teilnahme am Vollrausch, § 323a, ist ausgeschlossen. Dies folgt daraus, daß es sich hier sachlich nicht um ein eigenständiges Delikt handelt, sondern um eine Erweiterung der subjektiven Haftungsvoraussetzungen in einer bestimmten Situation für bestimmte Personen. 2. B könnte jedoch mittelbarer Täter der von A begangenen Sachbeschädigung sein, ff 303, 25 Abs. 1, 2. Alt. Mittelbarer Täter ist, wer durch einen anderen die Tat begeht. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn sich das Gesamtgeschehen aufgrund der Tatherrschaft des Hintermannes als Werk des steuernden Hintermannes darstellt. Diese Situation liegt hier jedoch nicht vor. Die Aufforderung begründet keine Herrschaftsposition des B. Eine mittelbare Täterschaft des B scheidet daher aus. 3. Anstiftung zur Sachbeschädigung, §§ 303, 26 B könnte sich jedoch einer Anstiftung zu einer Sachbeschädigung schuldig gemacht haben. a) A hat eine tatbestandsmäßige, vorsätzliche und rechtswidrige Sachbeschädigung begangen. b) B müßte den A dazu bestimmt haben. Bestimmen heißt, den Tat-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

entschluß in einem anderen durch Beeinflussung seines Willens hervorrufen, wobei das Mittel gleichgültig ist. Im vorliegenden Fall könnte B den A durch seine A u f f o r d e r u n g zu der begangenen Sachbeschädigung bestimmt haben. c) B müßte jedoch dann den Vorsatz gehabt haben, den A zu einer bestimmten Tat zu bestimmen und sich dessen auch bewußt gewesen sein. Die A u f f o r d e r u n g eines anderen zur Begehung irgendwelcher unbestimmter Taten genügt nicht. Da B den A lediglich aufforderte, sich das nicht bieten zu lassen, kann nicht angenommen werden, daß B einen entsprechenden Vorsatz hatte. B hat sich daher nicht gemäß §§ 303, 26 strafbar gemacht.

4. B hat sich nicht straßar

gemacht.

E. Anmerkungen 1. Der Schwerpunkt der Klausur lag im Aufbau des Vollrauschtatbestandes. 2. Ein besonderes Problem war sodann die Behandlung der Absicht rechtswidriger Zueignung im Rausch. Fordert der Tatbestand eines Delikts eine bestimmte, auf rechtswidrige Verwirklichung eines Sachverhalts gerichtete Absicht, z. B. Absicht rechtswidriger Zueignung beim Diebstahl und bei der Unterschlagung, Absicht rechtswidriger Bereicherung beim Betrug, so soll die „natürliche Absicht" genügen. Da die spezifische Absicht bei diesen Delikten aber wesentlich den Unrechtstypus bestimmt, ist dem nicht zu folgen. - Wesentlich ist die Auflehnung des Täters gegen die Vermögensordnung als rechtswidrige Auflehnung. Ist der Täter aufgrund seines Rausches zu dieser Auflehnung nicht in der Lage, so sollte ihm eine „ähnliche" Auflehnung nicht als die relevante zugerechnet werden. Gerade bei den Bereicherungsdelikten ist mit der Tat im Rausche - anders z. B. bei der Sachbeschädigung - noch keine endgültige neue Lage geschaffen. Die Zueignung im Rausch ist nicht die für die Deliktsverwirklichung relevante. Daher ist die Haftung wegen der Rauschtat auch kriminalpolitisch nicht nötig. - Vollzieht der Täter aber im nüchternen Zustand die rechtswidrige Absicht, so haftet er voll für diese Tat. 3. Bearbeitungszeit: 2 Stunden. F. Hinweise zur Vertiefung 1. Zum Problem des rauschbedingten Irrtums vgl. einerseits OLG Celle NJW 1 9 6 9 S . 1 7 7 5 , a n d e r e r s e i t s DENCKER, N J W 1980 S . 2 1 6 4 .

Zur Problematik der Absicht rechtswidriger Zueignung im Rausch vgl. OTTO, Grundkurs Strafrecht, B.T., S. 388; OLG Celle NJW 1962 S. 1833. 3. Allgemein zu dem Problem des Vollrausches vgl. PUPPE, GA 1974 5. 98ff.; RANFT, JA 1983 S. 193ff., 239ff.

Examensklausur Nr. 1: Auspuffall

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Examensklausur Nr. 1: Auspuffall A. Sachverhalt Edith Alt, die Ehefrau des Antiquars Anton Alt, hatte sich dem Bruno Benck zugewandt. Anton Alt wußte dies, widersetzte sich aber gleichwohl einer Scheidung, weil die vermögensrechtliche Auseinandersetzung die Liquidation seines Geschäfts zur Folge gehabt hätte. Eines Tages beschließen Edith Alt und Bruno Benck, das Problem zu lösen, indem sie den Anton Alt töten. Während der ahnungslose Anton Alt um 20.00 Uhr mit seiner Ehefrau Edith vor dem Fernseher sitzt, schleicht sich Bruno Benck in das Haus, nachdem er die Haustür mit einem Schlüssel geöffnet hat, den ihm Edith Alt zu diesem Zweck verabredungsgemäß überlassen hat. Bruno Benck tritt neben Anton Alt und versetzt ihm einen Faustschlag an die Schläfe, der Anton Alt besinnungslos macht. Sodann trägt er Anton Alt in die Garage, legt ihn neben das Auspuffrohr hinter den Wagen und läßt den Motor an. Anschließend fahren Edith Alt und Bruno Benck fort, um sich ein Alibi zu besorgen. Gegen 21.00 Uhr kommt Christoph Cramer auf das Grundstück, um mit Anton Alt über einen zwischen ihnen streitigen Betrag in Höhe von 10.000,- D M zu verhandeln, den Anton Alt dem Christoph Cramer - wie dieser meint - noch aus vergangenen Geschäften schuldet. Als sich auf sein Klingeln an der Haustür nichts rührt, geht Christoph Cramer, der das Motorengeräusch hört, zur Garage und öffnet diese. Er sieht Anton Alt und glaubt, dieser wolle Selbstmord begehen. Zugleich fällt ihm ein, daß Anton Alt im Handschuhfach seines Wagens stets einen größeren Geldbetrag mitführt. Er öffnet das Auto und stellt fest, daß das Handschuhfach verschlossen ist, aber mit dem Zündschlüssel zu öffnen ist. Chistoph Cramer stellt daher den Motor ab, öffnet das Handschuhfach und entnimmt die dort befindlichen 8.000,- D M . Er ist der Meinung, die Geldangelegenheit sei damit erledigt. Sodann läßt er den Motor wieder an, weil er der Ansicht ist, daß Anton Alt sonst nicht zu Tode kommt. Diesem Vorhaben des Anton Alt will er sich jedoch nicht in den Weg stellen. Anton Alt stirbt gegen 22.00 Uhr. Nach Auskunft des Sachverständigen hätte Anton Alt überlebt, wäre der Motor von Christoph Cramer nicht erneut angestellt worden. Der Sachverständige erklärt ferner, daß der Tod des Anton Alt ohne das Eingreifen des Christoph Cramer zum selben Zeitpunkt eingetreten wäre. Wie haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

B. Lösungsskizze 1. Teil: Der Faustschlag des B gegen A I. Straß>arkeit des B 1. Körperverletzung zum Nachteil des A, § 223 Abs. 1: + . 2. Gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des A, §§ 223, 223a Abs. 1: a) Grundtatbestand: + . b) Qualifizierende Merkmale: aa) Hinterlistiger Uberfall: —, da keine Verschleierung der wahren Absicht gegenüber A aus dem Sachverhalt ersichtlich ist. bb) Gemeinschaftlich verübte Körperverletzung: + , da die Körperverletzung nach den Tatherrschaftslehren in Mittäterschaft mit E begangen wurde. cc) Eine das Leben gefährdende Behandlung: + , sofern auf eine abstrakte Lebensgefahr abgestellt wird. II. Strafl>arkeit der E Gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des A in Mittäterschaft mit B, §§ 223, 223a Abs. 1, 25 Abs. 2: + , da gemeinsamer Tatentschluß vorhanden und ein objektiver Tatbeitrag durch das Uberlassen des Haustürschlüssels geleistet wurde. 2. Teil: Das Verbringen des A in die Garage I. Straßarkeit des B 1. Freiheitsberaubung gegenüber A, § 239 Abs. 1: —, bereits objekt. Tb.: —, da dem Opfer bewußt sein muß, daß ein Eingriff in die Freiheit seiner Person vorliegt. 2. Ergebnis II. Strafbarkeit der E Freiheitsberaubung in Mittäterschaft mit B, §§ 239 Abs. 1,25 Abs. 2: — . 3. Teil: Die Vorgänge in der Garage I. Straß>arkeit des B 1. Tötung des A, § 212: —, zwar Lebensgefahr begründet, aber Zurechnungszusammenhang unterbrochen. 2. Versuchter Totschlag, §§ 212, 23 Abs. 1: + . 3. Versuchter Mord, §§ 212, 211, 23 Abs. 1: a) Versuch des Grundtatbestandes: + .

Examensklausur N r . 1: Auspuffall

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b) Qualifizierende Merkmale: aa) Habgier: —, da im Sachverhalt kein ausreichender Anhaltspunkt. bb) Sonstige niedrige Beweggründe: + . cc) Heimtücke: —, da keine Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses. dd) Grausam: —. ee) Zur Verdeckung einer Straftat: —, da vom Tatplan her die vorherige gefährliche Körperverletzung als Beginn des Tötungsdelikts zu bewerten ist. 4. Aussetzung des A, § 221 Abs. 1: + , aber konsumiert von §§211, 23. II. Straß>arkeit der E Versuchter Mord an A in Mittäterschaft, §§ 212, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2. a) Mittäterschaftlicher Versuch des Grundtatbestandes: + . b) Qualifizierende Merkmale: aa) Sonstige niedrige Beweggründe: + . bb) Heimtücke: + . III. Strafoarkeit des B (Fortsetzung) Versuchter Mord, §§ 212, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2: + ; Heimtücke: + , da kein Sonderpflichtmerkmal i.S. des § 28. 4. Teil: Strafbarkeit des C I. Die Entnahme der 8.000,- DM: Diebstahl, § 242: 1. Objekt. Tb.: + , da beim Gewahrsam auf die soziale Zuordnung des Diebstahlsobjekts abzustellen ist. 2. Subjekt. Tb.: —, da Absicht, sich das Geld rechtswidrig zuzueignen, fehlt. II. Das erneute Starten des Motors T ö t u n g des A, § 212: + , aber, da C irrig Umstände des § 216 annahm, Bestrafung nur aus § 216, da § 16 Abs. 2 gegeben. III. Das Verlassen der Garage 1. Aussetzung des A, § 221 Abs. 1: a) Objekt. Tb. der 1. Alt.: —, da C den A nicht in eine hilflose Lage gebracht hat.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

b) Objekt. Tb. der 2. Alt.: fraglich, ob C eine Garantenstellung aus Ingerenz gegenüber A hatte. c) Subjekt. Tb.: —, infolge des Tatbestandsirrtums i.S.d. § 16 Abs. 1. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323c: a) Objekt, und Subjekt. Tb.: + . b) § 323c wird von § 216 konsumiert. 5. Teil: Ergebnis und Konkurrenzen B: §§ 212 Abs. 1, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2. E: §§ 212 Abs. 1, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2. C: §§ 212 Abs. 1, 216 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 2. C. Gutachten 1. Teil: Der Faustschlag des B gegen A I. Strafbarkeit des B 1. Körperverletzung zum Nachteil des A, § 223 Abs. 1 Indem der B dem A einen Faustschlag gegen die Schläfe versetzte, könnte er sich gem. § 223 Abs. 1 strafbar gemacht haben. a) Dazu müßte er den A körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt haben. Eine körperliche Mißhandlung ist eine üble unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht unerheblich beeinträchtigt wird. Dies ist bei einem Faustschlag gegeben. Gesundheitsbeschädigung ist das Herbeiführen oder die Steigerung eines nicht unerheblichen anormalen körperlichen Zustandes, unabhängig von dessen Dauer. Die Besinnungslosigkeit ist daher als Gesundheitsbeschädigung anzusehen. b) B handelte auch vorsätzlich. Zwar sollte das Niederschlagen des A bereits dessen Tötung vorbereiten, der Faustschlag diente jedoch nicht unmittelbar diesem Zweck, denn er sollte nicht den Tod des A herbeiführen, sondern den A lediglich wehrlos machen. Daher bleibt der Körperverletzungsvorsatz neben einem etwaigen Tötungsvorsatz bestehen. c) B handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. 2. Gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des A, §§ 223, 223a Abs. 1 a) Der Grundtatbestand ist gegeben (vgl. oben la). b) Als qualifizierende Merkmale kommen in Betracht: aa) Ein hinterlistiger Uberfall, d.h. ein auf Verschleierung der

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wahren Absicht gerichtetes Vorgehen des B gegenüber A. Derartiges Vorgehen ist aber weder in der Person des B noch der E ersichtlich. bb) Es könnte aber eine gemeinschaftlich verübte Körperverletzung vorliegen. Nach h . M . müssen hierbei mindestens 2 Personen als Mittäter mitwirken und beide Mittäter am Tatort sein. Eine Mindermeinung läßt das Zusammenwirken eines Täters und eines Gehilfen genügen, wenn beide am Tatort anwesend sind. Zu erörtern ist daher zunächst, ob E Mittäterin ist. Die stärker subjektiv akzentuierte Tatherrschaftslehre sieht das Fassen des gemeinsamen Tatentschlusses sowie die Gestaltung der Tat durch den planvoll steuernden Verwirklichungswillen als wesentliches Abgrenzungskriterium f ü r eine Täterschaft an. Aus dem Sachverhalt geht hervor, daß E und B den Tatentschluß gemeinsam faßten. Durch das Uberlassen des Haustürschlüssels brachte E auch ihren planvoll steuernden Verwirklichungswillen zum Ausdruck. Nach der subjektiv akzentuierten Tatherrschaftslehre hätte E daher als Mittäterin gehandelt. Die stärker objektiv akzentuierte Tatherrschaftslehre stellt vorwiegend auf das Fassen des gemeinsamen Tatentschlusses und ein arbeitsteiliges Anstreben des Erfolges, bei dem der Betreffende Inhaber der Tatherrschaft bleiben muß, ab. Der Tatentschluß wurde - wie schon erwähnt - von E und B gemeinsam gefaßt. Indem E dem B den Haustürschlüssel überlassen hat, hat sie den Erfolg auch arbeitsteilig mit B angestrebt. Auch nach dieser Tatherrschaftslehre ist E als Mittäterin anzusehen. Nach der subjektiven Theorie ist die Willensrichtung des Tatbeteiligten f ü r seine Position als T ä t e r oder Teilnehmer maßgeblich. Danach ist Täter, wer mit Täterwillen einen objektiven Tatbeitrag leistet und die Tat als „eigene" will. Durch das Uberlassen des Haustürschlüssels hat E einen objektiven Tatbeitrag geleistet. Aufgrund der schwer abgrenzbaren Aussagen der subjektiven Theorie könnte allerdings hier zweifelhaft sein, ob die E mit „animus auctoris" oder lediglich mit „animus socii" als Werkzeug des B mitwirken wollte. Gegen die subjektive Theorie spricht jedoch ihre Prämisse, daß jeder objektive Tatbeitrag gleichwertig sei. Außerdem f ü h r t sie zu willkürlichen Abgrenzungen, wenn der Täter- bzw. Teilnehmerwille nicht streng auf die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale bezogen wird. - Im vorliegenden Fall ist deshalb den Tatherrschaftslehren zu folgen, und daher Mittäterschaft von B und E anzunehmen. Da nach der hier vertretenen Ansicht Mittäterschaft vorliegt, kann die Frage, ob zur Verwirklichung des Merkmals „von mehreren gemeinschaftlich" auch die Anwesenheit von Gehilfen genügt, dahinstehen.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

cc) Als weiteres Qualifikationsmerkmal kommt eine das Leben gefährdende Behandlung in Betracht. Ein Faustschlag an die Schläfe ist bei abstrakter Betrachtungsweise geeignet, das Leben eines Menschen zu gefährden. Für eine konkrete Gefährdung des Lebens des A gibt der Sachverhalt keine Hinweise. Gegen eine konkrete Betrachtungsweise spricht jedoch, daß dann bei Verwirklichung dieser Alternative des § 223a notwendigerweise immer (zumindest bedingter) Tötungsvorsatz gegeben wäre und ihr dann keinerlei eigenständige Bedeutung mehr zukäme. c) Das gemeinschaftliche Vorgehen sowie die abstrakte Lebensgefährdung seines Verhaltens waren dem B bewußt. Er handelte somit vorsätzlich. d) Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben. II. Strafbarkeit der E Gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des A in Mittäterschaft mit B, §§ 223, 223a Abs. 1, 25 Abs. 2 Durch das gemeinsame Fassen des Tatentschlusses und durch das Uberlassen des Haustürschlüssels an B sowie durch ihre Anwesenheit am Tatort könnte sich E gem. §§ 223, 223a Abs. 1, 25 Abs. 2 strafbar gemacht haben. E hat den A zwar nicht selbst besinnunglos geschlagen, jedoch haftet sie als Mittäterin (vgl. oben I lb). Aufgrund ihrer Mitwirkung und Anwesenheit am Tatort sind der E qualifizierende Merkmale der Körperverletzung ebenfalls zuzurechnen. E handelte bewußt und gewollt. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen bei E ebenfalls vor. 2. Teil: Das Verbringen des A in die Garage I. Strafbarkeit des B 1. Freiheitsberaubung gegenüber A, § 239 Abs. 1 Indem B den besinnungslosen A in die Garage trägt, könnte er sich gemäß § 239 Abs. 1 strafbar gemacht haben. B hat den A gewaltsam an einen anderen Ort gebracht und insofern seine persönliche Freiheit beeinträchtigt. Fraglich ist jedoch, ob auch Bewußtlose ihrer „Freiheit beraubt" werden können, denn A war zur Tatzeit besinnungslos. Es wird die Ansicht vertreten, daß auch Bewußtlose ihrer persönlichen Freiheit beraubt werden können, da auf einen potentiellen Fortbewegungswillen abzustellen sei. Danach werden z. B. Kleinkinder, im Gegensatz zu Bewußtlosen, nicht geschützt. Dies erscheint willkürlich. Zutreffender ist es daher, darauf abzustel-

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len, ob sich das Opfer des Eingriffes in die Freiheit seiner Person bewußt wurde. Aufgrund seiner Bewußtlosigkeit konnte sich A des Eingriffes in die Freiheit seiner Person nicht bewußt werden. 2. Eine Straß>arkeit des B wegen Freiheitsberaubung entfällt aus diesem Grunde. II. Strafbarkeit der E Freiheitsberaubung in Mittäterschaft mit B, §§ 239 Abs. 1, 25 Abs. 2 Eine Strafbarkeit der E scheidet aus den unter I 1 dargelegten Gründen aus.

3. Teil: Die Vorgänge in der Garage I. Strafbarkeit des B 1. Tötung des A, § 212 Dadurch, daß B den A neben das Auspuffrohr des Wagens gelegt hat und den Motor startete, könnte sich B gem. § 212 strafbar gemacht haben. a) Durch den Tod des A ist eine Rechtsgutsbeeinträchtigung i.S.d. § 2 1 2 eingetreten. b) B hatte auch die Möglichkeit, dies zu vermeiden. c) Durch das Anlassen des Motors hat B eine Gefahr f ü r das Leben des A begründet. d) Fraglich ist jedoch, ob sich die von B begründete Gefahr f ü r A's Leben in dessen Tod realisiert hat. Als C den Motor abstellte, hat er die von B begründete Gefahr beseitigt. Später begründete er durch das Wiederanstellen des Motors eine neue Lebensgefahr f ü r A. Im Tod des A hat sich daher nicht die von B begründete Gefahr realisiert, sondern eine andere. Der Tod des A kann dem B daher nicht als vollendeter Totschlag zugerechnet werden. 2. Versuchter Totschlag, §§ 212, 23 Abs. 1 a) Der tatbestandlich vorausgesetzte Erfolg ist zwar eingetreten, jedoch ist er dem B nicht zuzurechnen (vgl. oben ld). Daher liegt ein vollendeter Totschlag nicht vor. Es könnte aber ein versuchter Totschlag verwirklicht sein. b) Der Versuch des Totschlages ist gem. §§ 12 Abs. 1, 23 Abs. 1 strafbar, da § 212 ein Verbrechen ist. c) Laut Sachverhalt hatte B auch den vorbehaltlosen Tatentschluß, den A zu töten.

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3 . T e i l : E i n ü b u n g in die Fallbearbeitung

d) Spätestens mit dem Anlassen des Motors setzte B unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an. e) B handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. 3. Versuchter Mord, §§ 212, 211, 23 Abs. 1 a) Der Versuch des Grundtatbestandes liegt vor (vgl. oben 2). b) B könnte darüber hinaus den Entschluß gehabt haben, den A unter den qualifizierenden Umständen des § 211 Abs. 2 zu töten. aa) In Betracht käme Habgier. Für eine beabsichtigte Tötung aus sozial unerträglichem Gewinnstreben gibt jedoch der Sachverhalt weder für B noch für E ausreichenden Anhalt. bb) Weiterhin könnten sonstige niedrige Beweggründe vorliegen. Beweggründe sind niedrig, wenn sie bei sozialethischer Wertung auf tiefster Stufe stehen, d. h. wenn zwischen dem Anlaß der Tat und ihren Folgen ein unerträgliches Mißverhältnis besteht. Der Wille, den Nebenbuhler durch Tötung aus dem Weg zu räumen, stellt ein solches grobes Mißverhältnis zwischen Anlaß und Folgen dar. cc) B könnte außerdem heimtückisch gehandelt haben. Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat ausnutzt. Da A beim Beginn des auf seine Tötung gerichteten Geschehens, nämlich der Verabreichung des Faustschlags, sich keines Angriffs von Seiten des B versah, läge danach Heimtücke vor. - Von einer anderen im Schrifttum verbreiteten Ansicht wird Heimtücke als Mißbrauch begründeten Vertrauens des Opfers oder Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses definiert. A wird seinem Nebenbuhler B kein Vertrauen entgegengebracht oder in einem Vertrauensverhältnis zu ihm gestanden haben. Nach dieser Ansicht hätte B daher nicht heimtückisch gehandelt. Die bloße Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers begründet noch keine über die Einzeltat hinausgehende Gefahr des T ä ters. Wer sein Opfer überraschend tötet, zeigt kein sozialethisch unerträglicheres Verhalten als derjenige, der sein Vorhaben vorher ankündigt. Nutzt der Täter demgegenüber ein bestehendes Vertrauensverhältnis aus, so bedeutet dies einen über den Totschlag hinausgehenden Angriff auf die „Vertrauensgrundlage" der Rechtsgesellschaft. Daher ist der letzteren Ansicht zu folgen. B hat daher selbst nicht heimtückisch gehandelt; zur Zurechnung heimtückischen Verhaltens der E vgl. unten III. dd) B könnte außerdem versucht haben, den A grausam zu töten. Dies ist jedoch abzulehnen, da B dem A nicht aus gefühlloser Gesinnung heraus qualvolle Schmerzen zufügen wollte.

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ee) Weiterhin ist zu prüfen, ob B zur Verdeckung einer anderen Straftat gehandelt hat. Dann müßte B den Plan gehabt haben, die gefährliche Körperverletzung gegenüber A durch dessen Tötung zu verdecken. Vom Tatplan her ist aber die vorherige gefährliche Körperverletzung als sachlicher Beginn des Tötungsdelikts zu bewerten. 4. Aussetzung des A, §221 Abs. 1, 1. Alt. Indem der B den A in die Garage geschafft hat, könnte er sich gemäß § 221 Abs. 1 , 1 . Alt. strafbar gemacht haben. a) Dann müßte der A eine wegen Krankheit hilflose Person sein. Bewußtlosigkeit ist ein pathologischer Zustand, daher eine Krankheit. Da A zur Zeit der Tat nicht in der Lage war, sich ohne Hilfe anderer gegen die sein Leben bedrohenden Gefahren zu wehren, war er auch hilflos. Indem der B den A in die Garage gebracht hat, hat er ihn ausgesetzt, denn dies brachte A aus einer relativ sicheren in eine gefährliche Lage. b) B müßte hinsichtlich der konkreten Gefährdung von A's Leben vorsätzlich gehandelt haben. Laut Sachverhalt hatte B Tötungsvorsatz. Damit hatte er aber erst recht den Vorsatz, A in Lebensgefahr zu bringen. c) B handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. d) Der Unrechtsgehalt der Aussetzung ist jedoch in dem Unrechtsgehalt eines vorsätzlichen Tötungsdelikts enthalten und wird daher konsumiert. II. Strafl>arkeit der E Versuchter Mord an A in Mittäterschaft, §§212, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 a) E war zur Tatzeit nicht in der Garage. Sie könnte jedoch als Mittäterin für die Tat des B haften. Das Vorgehen des B entsprach ihrem gemeinsamen Tatplan. Durch das Uberlassen des Haustürschlüssels des von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Hauses wollte sie auch einen objektiven Tatbeitrag leisten, bzw. ihren planvoll steuernden Verwirklichungswillen zum Ausdruck bringen. Insoweit ist sie nach allen Abgrenzungstheorien von Täterschaft und Teilnahme als Mittäterin der versuchten Tötung des A anzusehen. b) Ferner ist zu prüfen, ob nach dem Tatentschluß der E Mordmerkmale vorliegen. aa) Es könnten sonstige niedrige Beweggründe gegeben sein. Die Tötung des Ehemannes zu dem Zweck, in ihrem Liebesverhältnis mit B nicht länger gestört zu sein, bedeutet ein unerträgliches Mißverhältnis zwischen dem Anlaß der Tat und ihren Folgen. Somit liegen niedrige Beweggründe bei E vor.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

bb) Weiterhin kommt Heimtücke in Betracht. E wollte die Argund Wehrlosigkeit des A ausnutzen und stand als Ehefrau sogar in einem Vertrauensverhältnis zu ihm. Ihr Verhalten ist daher nach allen Ansichten als heimtückisch zu bewerten. c) E müßte außerdem unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben. E hat zwar selbst nicht dazu angesetzt, muß sich aber als Mittäterin das Verhalten des B zurechnen lassen. d) Rechtswidrigkeit und Schuld liegen bei E vor. Daher ist E nach §§ 212, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 strafbar.

III. Straßarkeit Versuchter Mord,

des B

(Fortsetzung)

§§ 212, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2

a) Das Mordmerkmal der Heimtücke liegt bei B selbst nicht vor (vgl. oben I 3 b, cc). b) Jedoch ist zu prüfen, ob sich B die der E vorzuwerfende Heimtücke zurechnen lassen muß. Es wird die Auffassung vertreten, Heimtücke sei als Schuldmerkmal zu interpretieren. Dies hätte zur Folge, daß B die Heimtücke der E wegen § 29 nicht zurechenbar wäre. Nach anderer Ansicht wird das Merkmal Heimtücke als Element des Unrechtstatbestandes angesehen. Hier ist aber weiter zu differenzieren: Wird Heimtücke als tatbezogenes Merkmal interpretiert und werden als besondere persönliche Merkmale i. S. des § 28 Abs. 2 nur täterbezogene Merkmale angesehen, so kommt § 28 Abs. 2 nicht zur Anwendung. Nach dieser Ansicht bleibt es daher bei einer Zurechnung der Heimtücke für B über § 25 Abs. 2. Werden als besondere persönliche Merkmale i.S. des § 28 Abs. 2 nur Sonderpflichtmerkmale angesehen, so gilt folgendes: Sonderpflichtmerkmale verweisen auf besondere Pflichtenpositionen. Besondere Pflichtenpositionen sind Positionen, die dem Verpflichteten aufgrund eines Betrauungsaktes eine besondere Eingriffsbefugnis in bestimmte Rechtsgüter, verbunden mit einer besonderen Sorgeverpflichtung, einräumen. Demnach ist § 28 Abs. 2 auf das Mordmerkmal Heimtücke ebenfalls nicht anwendbar. Im vorliegenden Fall ist die Heimtücke der E dem B nur dann nicht zuzurechnen, wenn man die Heimtücke als Schuldmerkmal auffaßt. Gemeinsam ist jedoch allen Mordmerkmalen, daß in ihnen eine erhöhte, über den einzelnen Totschlag hinausgehende Gefährlichkeit des Täters ihren Ausdruck findet. Demnach kann es sich bei den

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Mordmerkmalen aber nicht um bloße Schuldmerkmale handeln. B ist das von E verwirklichte Mordmerkmal Heimtücke zuzurechnen. 4. Teil: Strafbarkeit des C / . Die Entnahme Diebstahl,

der 8.000,-

DM

§ 242

Indem der C 8.000,- DM aus dem Handschuhfach von A's Wagen genommen hat, könnte er sich gem. § 242 strafbar gemacht haben. 1. Die 8.000,- D M sind eine fremde bewegliche Sache für C. 2. C müßte die 8.000,- DM weggenommen haben. Wegnahme ist Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam ist das tatsächliche, auf einem Herrschaftswillen beruhende Sachherrschaftsverhältnis unter Berücksichtigung der sozialen Zuordnung. Fraglich ist jedoch, ob C den Gewahrsam des A gebrochen hat, da A zur Tatzeit bewußtlos war. Berücksichtigt man jedoch, daß es auf die soziale Zuordnung des Diebstahlsobjekts in den Machtbereich einer Person ankommt und nicht darauf, ob der Gewahrsamswille aktuell realisierbar ist, haben auch Bewußtlose Gewahrsam an ihren Sachen. Die Tatsache, daß A bewußtlos war, spielt demnach für den Gewahrsamsbruch keine Rolle. Durch das Mitnehmen des Geldes hat C den A von seiner tatsächlichen Sachherrschaft über das Geld ausgeschlossen und damit seinen Gewahrsam an dem Geld gebrochen. Indem C die 8.000,- D M an sich genommen hat, hat er auch Gewahrsam an dem Geld begründet und somit die 8.000,- D M weggenommen. 3. C hat dem A das Geld vorsätzlich weggenommen und in Zueignungsabsicht gehandelt, da er beabsichtigte, A von dem Geld zu enteignen, um es sich zur eigenen wirtschaftlichen Nutzung anzueignen. Problematisch ist jedoch die Absicht des C, sich das Geld rechtswidrig zuzueignen. Relevant ist hier die Rechtswidrigkeit der angestrebten Vermögenslage und nicht die Berechtigung der Selbsthilfe. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist danach ausgeschlossen, wenn der Täter einen Anspruch auf die Sache hat. Nach einer Ansicht soll bei Gattungsschulden, wie z. B. Geldansprüchen, die Zueignung rechtswidrig sein, da ein Anspruch auf gerade die weggenommenen Geldscheine fehlt. Danach hätte C sich die Geldscheine rechtswidrig zugeeignet. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß bei einer als Währungseinheit geschuldeten Geldsumme vermögensrechtlich allein die Summe ausschlaggebend ist, nicht aber ihre Zusammensetzung. Bei einer Gattungsschuld kann das Wahlrecht dem Schuldner überlassen bleiben, weil der Gesetzgeber keinen relevanten wirtschaftlichen Unterschied

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

zwischen den einzelnen Stücken anerkennt. Daher hat C die 8.000,D M ohne die Absicht rechtswidriger Zueignung weggenommen. C ist deshalb nicht gem. § 242 strafbar. II. Das erneute Starten des Motors Tötung des A, § 212 Indem der C den Motor erneut gestartet hat, könnte er sich gem. §212 strafbar gemacht haben. 1. A ist tot. C hat eine eigenständige neue Gefahr f ü r das Leben des A begründet, die sich in dessen Tod realisierte. 2. Laut Sachverhalt hat C erkannt, daß A durch die Abgase des Motors zu Tode kommen werde und wollte dies auch, er handelte somit vorsätzlich. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben. 4. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß C durch seine Handlung lediglich dem Selbstmord des A nicht im Wege stehen wollte. Fraglich ist, wie sich diese Fehleinschätzung der Umstände durch C f ü r seine strafrechtliche Verantwortlichkeit auswirkt. Gem. § 16 Abs. 2 kann derjenige, der bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden - hier § 216 - wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden. Das bedeutet, daß C hier nur aus § 216 bestraft werden kann, denn C ging davon aus, daß die T ö t u n g des A dem ausdrücklichen Wunsche des A entspreche. Diesem Wunsche wollte er nicht im Wege stehen. III. Das Verlassen der Garage 1. Aussetzung des A, § 221 Abs. 1 Indem der C die Garage verlassen hat, könnte er sich gem. § 221 Abs. 1 strafbar gemacht haben. a) § 221 Abs. 1, 1. Alt. Die Bewußtlosigkeit des A ist eine Krankheit i.S. des § 221. C hat den A jedoch nicht in eine hilflose Lage gebracht, denn in dieser befand er sich schon vorher. C hat A daher nicht ausgesetzt. § 221 Abs. 1 , 1 . Alt liegt somit nicht vor. b) § 221 Abs. 1, 2. Alt. C müßte eine Person, die unter seiner O b h u t steht, in hilfloser Lage verlassen haben. Zunächst müßte also eine Obhutspflicht des C gegenüber A bestehen. Eine der im Gesetz ausformulierten Obhutspflichten kommt nicht in Betracht. Es kann aber jede Garantenpflicht, nach h. M. auch die aus Ingerenz, zur Obhutspflicht i.S.d. § 221

Examensklausur Nr. 1: Auspuffall

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Abs. 1, 2. Alt. werden. Darin, daß C den Motor erneut startete, lag ein gefährliches Tun, das unmittelbar zum Erfolg führte. Die Begründung einer Obhutspflicht aus vorangegangenem Tun ist jedoch problematisch. Berücksichtigt man die einhellig anerkannte Absicht des Gesetzgebers, denjenigen nicht durch § 221 zu erfassen, der das Opfer erst durch die Aussetzungshandlung hilflos macht, wird diese Absicht unterlaufen, wenn vorangegangenes gefährliches Tun geeignet sein soll, eine Garantenstellung zu begründen. In jedem Fall aber hat C wegen Verkennung der Gesamtumstände weder seine Garantenstellung erkannt, noch den A im Sinne des Tatbestandes verlassen wollen. Es liegt somit ein Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 vor. Eine Bestrafung des C aus § 221 Abs. 1, 2. Alt. entfällt daher. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323c a) Die Lage des A stellte einen Unglücksfall i.S.d. § 323c dar. Die Hilfe des C wäre auch erforderlich und ihm zumutbar gewesen. Dessen war sich C auch bewußt. b) Durch den in der Bestrafung nach § 216 zum Ausdruck kommenden Unrechtsvorwurf ist der Unrechtsgehalt des § 323c aber konsumiert. 5. Teil: Konkurrenzen und Ergebnis B hat sich gemäß §§ 223 Abs. 1, 223a Abs. 1 und §§ 212 Abs. 1, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 strafbar gemacht. Die Körperverletzung geht in dem versuchten Mord nach dem Tatplan als notwendige Vortat auf. Ergebnis: B: §§ 212 Abs. 1, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2. E hat sich als Mittäterin nach §§ 223 Abs. 1, 223a Abs. 1 und §§ 212 Abs. 1, 211, 23 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 strafbar gemacht. Auch bei ihr geht die Körperverletzung als notwendige Vortat in dem versuchten Mord auf. Ergebnis: E: §§ 212 Abs. 1, 211, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2. C hat sich nach §§ 212 Abs. 1, 216 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 2 strafbar gemacht. D. Anmerkungen Geht man bei der Erörterung der Vorgänge in der Garage im Hinblick auf die Strafbarkeit des B wegen der Tötung des A von der Äquivalenztheorie aus, so

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

ist das Starten des Motors eine Bedingung für den Tod des A, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Tod des A mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Der „Zurechnungszusammenhang" wäre jedoch unterbrochen und daher der Tod des A dem B nicht objektiv zurechenbar, wenn eine neue Bedingung ohne Fortentwicklung der früheren zum tatbestandsmäßigen Erfolg geführt hätte. Hier wurde jedoch der alte Bedingungszusammenhang später fortgesetzt, indem C den Motor wieder anstellte. Der „Zurechnungszusammenhang" ist daher nicht „unterbrochen" und der Tod des A kann dem B objektiv zugerechnet werden. Im subjektiven Bereich könnte aber eine wesentliche Abweichung des vorgestellten von dem verwirklichten Kausalverlauf vorliegen. Dadurch, daß C den Motor ab- und später wieder angestellt hat, weicht der von B vorgestellte Kausalverlauf wesentlich von dem tatsächlichen ab. B wäre danach der Tod des A subjektiv nicht zurechenbar. Diese Konstruktion läßt jedoch die Tatsache außer Betracht, daß C eigenverantwortlich dem B die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand genommen hat und daher eine Zurechnung des Todes des A zum Verhalten des B bereits im objektiven Bereich scheitern muß.

E. Hinweise zur Vertiefung 1. Zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vgl. OTTO, Maurach-Festschrift, 1972, S. 95ff.; R O X I N , Gallas-Festschrift, 1973, S. 241 ff. 2. Zu dem Mordmerkmal „Heimtücke" vgl. BGHSt 27 S. 322ff.; M E Y E R , JR 1979 S . 485f.; BRUNS, JR 1981 S . 358 ff.; E S E R , JR 1981 S . 177ff.; S O N N E N , JA 1981 S . 638 ff. 3. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung bei Gattungsansprüchen bejahen: BGHSt 17 S. 88 mit Anm. S C H R Ö D E R , JR 1962 S . 346; a.A. O T T O , Die Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, 1970, S. 224f.; DERS., Grundkurs Strafrecht, B.T., S. 165 f.; im Ergebnis auch R O X I N , H . Mayer-Festschrift, 1966, S. 467 ff. - Der BGH findet nach Bejahung der Rechtswidrigkeit der Zueignung die Lösung in einer Irrtumskonstruktion. 4. Zur Garantenstellung aus Ingerenz bei § 221 vgl. RGSt 66 S. 7 3 ; O T T O , Grundkurs Strafrecht, B . T . , S . 5 3 ; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / E S E R , § 221 Rdn. 9 .

Examensklausur Nr. 2: Druckkesselfall

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Examensklausur Nr. 2: Druckkesselfall A. Sachverhalt Alfons und Bruno, die in der Druckkesselanlage eines Industrieunternehmens beschäftigt sind, haben u.a. die Aufgabe, zu bestimmten Zeiten den Druck in mehreren Anlagen des Betriebes zu verändern. Damit dabei keine Explosionsgefahr entsteht, sind Alfons und Bruno verpflichtet, vor der Druckänderung anhand der Kontrollinstrumente zu überprüfen, ob die Ventile in den einzelnen Druckkammern so eingestellt sind, daß die Druckänderung durchgeführt werden kann. Die Druckänderung führt jeweils derjenige durch, der nicht mit anderen Arbeiten beschäftigt ist. Am 3. August 1982 haben Alfons und Bruno zu lange Brotzeit gemacht. Als um 22.00 Uhr eine Druckänderung nötig wird, ändert Alfons den Druck, ohne sich zuvor überzeugt zu haben, daß die Ventile entsprechend eingestellt sind. Es kommt zu einer Explosion in zwei Druckkammern. Die jeweils vor der entsprechenden Kammer arbeitenden Xaver und Siegfried werden getötet. Als es zur Hauptverhandlung gegen Alfons kommt, bittet Alfons den Horst und den Emil, die im gleichen Werkbereich tätig sind, zu bestätigen, daß er die Kontrolle durchgeführt habe. Erweist sie darauf hin, daß er an diesem Tage in ihrer Gegenwart die Kontrollinstrumente sogar gereinigt habe. Dies geschah in Wirklichkeit aber am 2. August, nicht am 3. August 1982. Alfons meint aber, daß Horst und Emil sich nicht mehr so genau an das Datum erinnern werden. Horst merkt jedoch sofort, daß Alfons ihm etwas Falsches einreden will. Weil er dem Alfons aber einen Gefallen tun will, macht er die von Alfons gewünschte Aussage. Die von Alfons gewünschte Vereidigung des Zeugen Horst lehnt das Gericht allerdings gem. § 60 Nr. 2 StPO ab, weil der Verdacht bestehe, daß Horst dem Alfons eine falsche Aussage versprochen habe. Emil glaubt sich zwar an den von Alfons geschilderten Vorgang zu erinnern, weil er dem Alfons aber schaden will, sagt er aus, daß der von Alfons geschilderte Vorgang sich am 2. August 1982 ereignet habe. Emil wurde nicht vereidigt. Alfons weist der Wahrheit entsprechend zu seiner Verteidigung darauf hin, daß es gar nicht darauf ankomme, ob er vorher die Kontrolle durchgeführt habe. Das Ventil der Druckkammer, vor der Xaver gearbeitet habe, sei defekt gewesen. Der Defekt sei auf dem Kontrollinstrument nicht zu erkennen gewesen. Auch die Kontrolle hätte daher die Explosion nicht verhindert. Dies wird vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung bestätigt.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Mit dem Tod des Siegfried habe er auch nichts zu tun: zwar habe das Kontrollinstrument der Druckkammer, vor der Siegfried gearbeitet habe, funktioniert; hätte jedoch nicht er den Druck an dieser Druckkammer geändert, so hätte Bruno dies statt seiner im gleichen Moment getan. Bruno aber hätte sich niemals um die Kontrolle gekümmert, also auch nicht an diesem Tage. Bruno bestätigt dies. 1. Haben sich Alfons, Horst und Emil strafbar gemacht? 2. Durfte das Gericht von einer Vereidigung des Horst absehen? B. Lösungsskizze 1. Teil: Materiellrechtlicher Teil /. Dmckänderung ohne Überprüfung der Ventile: Straßarkeit des Alfons (= A) 1. Tod des Xaver ( = X) a) Fahrlässige Tötung, § 222: —, da A den ihm rechtlich eingeräumten Handlungsspielraum nicht über das erlaubte Maß hinaus erweitert hat. b) Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, § 311 Abs. 1: —. c) Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, § 311 Abs. 5: —, da nicht pflichtwidrig verursacht. 2. Tod des Siegfried ( = S) a) Fahrlässige Tötung, § 222: + , Rechtsgutsverletzung beruht auf pflichtwidrigem Verhalten des A. b) Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, § 311 Abs. 1: —, aber Abs. 5: + . II. Die Aussagen vor Geriebt 1. Strafbarkeit des Horst ( = H) a) Falsche uneidliche Aussage, § 153: + , da falsche Aussage nach allen Theorien gegeben ist. b) Strafvereitelung, § 258: — . c) Versuch der Strafvereitelung, §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23: + . 2. Strafbarkeit des Emil ( = E) a) Falsche uneidliche Aussage, § 153: + , Aussage nach der subjektiven Theorie und nach der Pflichttheorie falsch. b) Vollendeter /versuchter Meineid, §§ 154, 23: —. 3. Strafbarkeit des A a) Beeinflussung des H aa) Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, §§ 153, 26: —, da kein Vorsatz bezüglich der Haupttat.

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bb) Verleiten zur Falschaussage, § 160 Abs. 1, 3 Alt.: —: Identifiziert man „verleiten" mit „bestimmen", so liegt vollendetes Delikt vor; stellt man aber auf den Wortlaut und auf den Umstand ab, daß ein Bösgläubiger nicht verleitet werden kann, so entfällt die Strafbarkeit. cc) Versuchte Verleitung zur Falschaussage, §§ 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23: + . dd) Anstiftung zur versuchten Strafvereitelung, §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23, 26: - . ee) Versuchte Anstiftung zum Meineid, §§ 154, 30 Abs. 1 S. 1: —, da Täter dem Zeugen vormacht, die zu beschwörende Aussage sei wahr. b) Beeinflussung des E aa) Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, §§ 153, 26: —. bb) Verleitung zur Falschaussage, § 160 Abs. 1, 3. Alt.: —. cc) Versuchte Verleitung zur Falschaussage, § 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23: + . III Ergebnis: 1. Strafbarkeit des A: §§ 311 Abs. 5, 222, 52; 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23; 53 2. Strafbarkeit des H: §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23, 153, 52 3. Strafbarkeit des E: § 153 2. Teil: Prozessualer Teil Fraglich ist, ob Verdacht, daß der Zeuge dem Angeklagten eine falsche Aussage versprochen hat, für ein Vereidigungsverbot genügt. Frühere Rspr. des BGH: Vereidigungsverbot, wenn Versprechen schon vor der Hauptverhandlung. HansOLG Hamburg: Unmittelbares Ansetzen zur Rechtsgutsverletzung erforderlich, aber § 60 Nr. 2 StPO auch analog anwendbar, wenn Zeuge verdächtig, den Täter vor einer Bestrafung zu schützen. Daher ebenfalls Vereidigungsverbot. Neuere Rspr. des BGH: Keine analoge Anwendung des § 60 Nr. 2 StPO. Verlangt man ein unmittelbares Ansetzen und lehnt man mit dem BGH eine Analogie ab, so besteht kein Vereidigungsverbot.

C. Gutachten 1. Teil: Materiellrechtlicher Teil I. Druckänderung ohne Überprüfung der Ventile: Strafbarkeit des Alfons (= A)

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

1. Tod des Xaver (= X) a) Fahrlässige Tötung, § 222 A hat eine Druckänderung in den Druckkammern vorgenommen, ohne vorher die Kontrollinstrumente zu überprüfen. Dabei kam es zu einer Explosion. Er könnte sich daher einer fahrlässigen Tötung gemäß § 222 schuldig gemacht haben. aa) Die Rechtsgutsverletzung, der Tod des X, ist durch die Explosion eingetreten. bb) A hätte den Erfolg vermeiden können, wenn er die Druckänderung nicht vorgenommen hätte. cc) Durch die Druckänderung hat A auch eine Gefahr für das Leben des X begründet. dd) Diese Gefahr hat sich im Tode des X realisiert, ee) Im vorliegenden Fall waren die Ventile zwar - nach dem Sachverständigengutachten - unerkennbar defekt, dennoch war die Explosionsgefahr für den in der Druckkesselanlage arbeitenden A vorhersehbar, da Defekte in einer komplizierten technischen Anlage niemals auszuschließen sind, auch wenn der jeweils konkrete Defekt nicht vorhersehbar ist. ff) Die eigentliche Frage ist jedoch, ob A den ihm rechtlich eingeräumten Handlungsspielraum über das erlaubte Maß hinaus erweitert hat, weil er eine Gefahr für das Leben des X über das erlaubte Maß hinaus begründet oder erhöht hat. Hätte A sich pflichtgemäß verhalten, so wäre die Gefahr für das Leben des X aufgrund des auf dem Kontrollinstrument nicht erkennbaren Defekts des Ventils ebenso begründet worden. Nach der Rechtsprechung soll bei Fahrlässigkeitsdelikten der durch ein pflichtwidriges Verhalten herbeigeführte Erfolg dann nicht zurechenbar sein, wenn der gleiche Erfolg auch bei pflichtgemäßem Alternatiwerhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre. In diesen Fällen reicht für die Zurechnung eines Erfolges also die Feststellung, der Täter habe durch sein Verhalten den Erfolg im Sinne der „conditio sine qua non - Formel" verursacht, nicht. Es muß vielmehr eine weitere Beziehung zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem Erfolg gegeben sein, d. h. „der Erfolg muß gerade auf die Pflichtwidrigkeit selbst zurückgeführt werden können". Verkannt wird bei dieser Betrachtungsweise jedoch, daß es sich hier keineswegs um einen Kausalzusammenhang handelt, sondern um eine wertende Betrachtung, durch die ermittelt werden muß, ob der Täter gerade durch sein pflichtwidriges Verhalten eine Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut begründet oder erhöht hat.

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Im vorliegenden Fall hat A durch sein pflichtwidriges Verhalten die Gefahr für X nicht über das erlaubte Maß hinaus erhöht. Daher realisierte sich im Tod des X nicht die durch das pflichtwidrige Verhalten des A begründete Gefahr, sondern eine solche, die auch im Rahmen des erlaubten Risikos hätte begründet werden dürfen. A hat sich daher keiner fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. b) Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, § 311 Abs. 1 A könnte sich der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, § 311 Abs. 1, schuldig gemacht haben, weil er den Druck geändert hat, ohne die Kontrollinstrumente zuvor zu überprüfen. aa) Tathandlung des § 311 ist das Herbeiführen einer Explosion. Darunter ist die plötzliche Auslösung von Druckwellen außergewöhnlicher Beschleunigung zu verstehen. Sprengstoff ist dabei als Tatmittel nur beispielhaft aufgeführt. Die Explosion in der Druckkammer fällt also unter den Tatbestand. Sie führte auch zu einer konkreten Gefährdung des Lebens eines anderen, nämlich des X, und fremder Sachen von bedeutendem Wert, der Druckkammern. bb) A war sich dieser Folgen seines Verhaltens aber nicht bewußt. Er handelte daher nicht vorsätzlich. - Eine Bestrafung gemäß § 311 Abs. 1 kommt nicht in Betracht. c) Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, § 311 Abs. 5 Gemäß § 311 Abs. 5 ist auch das fahrlässige Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und die fahrlässige Gefährdung des Lebens anderer und fremder Sachen von bedeutendem Wert strafbar, aa) Zur Tathandlung und Gefährdung vgl. oben b, aa). bb) Explosion und Gefährdung waren für A vorhersehbar, denn daß es bei einer Druckänderung zu einer Explosion und zur Gefährdung anderer und fremder Sachen kommen kann, entspricht allgemeiner Erfahrung. cc) Auch der Tatbestand des § 311 Abs. 5 erfordert aber, daß die Gefährdung eines Menschenlebens gerade aus einem pflichtwidrigen Verhalten resultiert. An diesem Erfordernis scheitert die Verwirklichung dieses Tatbestandes genauso wie die der fahrlässigen Tötung (vgl. oben I la, ff). 2. Tod des Siegfried

(=

S)

a) Fahrlässige Tötung, § 222 aa) Die Rechtsgutsverletzung, der Tod des S, ist durch die Explosion eingetreten. bb) Durch Unterlassen der Druckänderung hätte A diesen Erfolg vermeiden können.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

cc) Durch die Druckänderung hat A eine Gefahr für das Leben des S begründet. dd) Diese von A begründete Gefahr hat sich im Tode des S realisiert. ee) Der Tod des S war für A vorhersehbar. ff) A hat sich pflichtwidrig verhalten. Anders als beim Tod des X, wäre hier der tatbestandsmäßige Erfolg bei pflichtgemäßem Verhalten des A nicht eingetreten. Hätte er nämlich das - in diesem Falle - intakte Instrument kontrolliert, so hätte er die drohende Gefahr bemerkt und die Druckänderung unterlassen. Allerdings wäre es ebenfalls zur Explosion gekommen, wenn B die Druckänderung vorgenommen hätte, da dieser sich niemals um die Kontrolle kümmerte. Die bloße Möglichkeit aber, daß ein Dritter, hier B, seinerseits durch pflichtwidriges Verhalten den Tod des S herbeigeführt hätte, entlastet A nicht, denn die Möglichkeit der rechtswidrigen Rechtsgutsverletzung durch Dritte eröffnet kein Recht zur eigenen Rechtsgutsverletzung. Da A auch schuldhaft handelte, hat er sich einer fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. b) Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, § 311 Abs. 5 Eine in § 311 genannte Explosion hat A fahrlässig verursacht. Er hat dadurch auch fahrlässig das Leben eines anderen (hier des S) sowie fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet (vgl. die entsprechenden Ausführungen oben I lb, aa, c, aa-bb). A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. § 311 Abs. 5 ist damit verwirklicht. II. Die Aussagen vor Gericht 1. Stra.fbarkeit des Horst (= H) a) Falsche uneidliche Aussage, § 153 H hat als Zeuge vor Gericht die Sachverhaltsdarstellung des A bestätigt, obwohl er wußte, daß diese falsch war. Er könnte sich dadurch einer falschen uneidlichen Aussage gemäß § 153 schuldig gemacht haben. aa) H hat sowohl nach der objektiven Theorie, derzufolge eine Aussage falsch ist, wenn sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, als auch nach der subjektiven Theorie, die auf die Diskrepanz zwischen dem Wissen und dem Vorstellungsbild des Täters einerseits und dem Aussageinhalt andererseits abstellt, sowie schließlich nach der Pflichttheorie, die nach dem Inhalt der in der StPO festgelegten Aussagepflicht fragt, eine falsche Aussage gemacht.

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bb) Über diesen Sachverhalt war sich H im klaren. cc) Er handelte vorsätzlich, rechtswidrig und auch schuldhaft und hat sich damit einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht. b) Strafvereitelung, § 258 Für eine vollendete Strafvereitelung bietet der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt. c) Versuch einer Strafvereitelung, §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23 H könnte jedoch wegen Versuchs der Strafvereitelung strafbar sein, da er dem A einen Gefallen tun wollte, und deshalb vor Gericht falsch aussagte. aa) Der Versuch der Strafvereitelung ist nach § 258 Abs. 4 strafbar. bb) Das Verhalten des H läßt jedenfalls erkennen, daß er den vorbehaltlosen Entschluß gefaßt hatte, zumindest zum Teil zu vereiteln, daß A dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft würde. cc) Darüber hinaus hatte er mit seiner Aussage auch unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, denn nach seinem Täterplan trat damit eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts, der staatlichen Rechtspflege, ein. dd) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. ee) H handelte auch schuldhaft und hat daher eine versuchte Strafvereitelung, §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23, begangen. 2. Strafbarkeit

des Emil (=

E)

a) Falsche uneidliche Aussage, § 153 Im Gegensatz zu H glaubte E, daß die Sachverhaltsschilderung des A richtig sei. Um A zu schaden, machte er jedoch eine zwar der Wirklichkeit entsprechende, aber seiner Vorstellung nach falsche Aussage. Fraglich ist, ob darin eine falsche uneidliche Aussage erblickt werden kann. aa) Folgt man der objektiven Theorie, so hätte E keine falsche Aussage gemacht, da seine Angaben mit der Realität übereinstimmten. Schließt man sich dagegen der subjektiven Theorie oder der Pflichttheorie an (vgl. oben II la), so läge eine falsche Aussage vor. Obwohl eine die Wirklichkeit zutreffend wiedergebende Aussage scheinbar ungeeignet ist, die Rechtspflege zu gefährden, ergeben sich gegen die objektive Theorie Bedenken. Geschütztes Rechtsgut der Aussagedelikte ist die staatliche Rechtspflege. Der Schutz dieses Rechtsguts erfolgt durch Entscheidungen,

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

die der erkennende Richter auf Grund der Gesamtwürdigung verschiedener, von ihm erhobener Beweise fällt. Die Grundlage der Beweiswürdigung wird jedoch verfälscht, wenn der Aussagende sich gar nicht nach Kräften bemüht, sein eigenes Vorstellungsbild wiederzugeben oder sogar bewußt einen Sachverhalt schildert, der zwar (zufällig) der Wirklichkeit entspricht, aber seine eigenen Wahrnehmungen gerade nicht enthält. Der auf die Beweiswürdigung gegründeten richterlichen Uberzeugungsbildung ist demnach am besten dann gedient, wenn der Aussagende nach kritischer Prüfung seines Erinnerungsvermögens sein Vorstellungsbild oder Wissen zum Beweisthema mit allen Zweifeln und ihm ernst erscheinenden Vorbehalten wiedergibt. Dann erst kommt ein Zeuge - nach der Pflichttheorie - seiner prozessualen Wahrheitspflicht nach. Somit hat E eine falsche uneidliche Aussage gemacht, bb) Dies ist mit Wissen und Wollen geschehen, cc) Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. dd) E hat sich daher nach § 153 strafbar gemacht, b) Für einen vollendeten oder versuchten Meineid finden sich im Sachverhalt keine Anhaltspunkte. 3. Straftmrkeit

des A

a) Beeinflussung des H aa) Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, §§ 153, 26 A hat den H dadurch beeinflußt, daß er ihm gegenüber darauf hinwies, in seiner Gegenwart die Kontrollinstrumente sogar am Tage der Explosion gereinigt zu haben. Da dies aber in Wirklichkeit am Vortage geschah, könnte sich A einer Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht haben. aaa) H hat eine vorsätzliche, rechtswidrige Tat, nämlich eine falsche uneidliche Aussage nach § 153, begangen (vgl. oben II la). bbb) Gleichgültig, ob man „bestimmen" i. S. des § 26 „als Hervorrufen des Tatentschlusses" definiert oder einen psychischen Kontakt zwischen dem Anstifter und dem Anzustiftenden fordert oder eine Verhaltensweise verlangt, mit der der Anstifter unmittelbar auf den Täter beeinflussend einwirkte ist im Verhalten des A eine Anstifterhandlung zu sehen, da er durch seine falsche Sachverhaltsschilderung darauf hinwirkt, daß H die von ihm gewünschte Aussage macht, ccc) Darüber hinaus muß der Anstifter selbst vorsätzlich handeln,

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er muß also zunächst einmal wissen, daß der Haupttäter, H , selbst eine vorsätzliche Tat begeht. A meinte jedoch, daß H seiner Sachverhaltsschilderung Glauben schenkt und gutgläubig eine falsche Aussage macht. Es fehlt daher am Vorsatz des A bezüglich der Haupttat des H . A kann folglich aus diesem Delikt nicht bestraft werden. bb) Verleitung zur Falschaussage, § 160 Abs. 1, 3. Alt. A könnte allerdings wegen dieses Verhaltens gemäß § 160 Abs. 1, 3. Alt. strafbar sein, wenn er den H zu einer falschen uneidlichen Aussage verleitet hätte. Die Auslegung des Begriffs „verleiten" im Sinne des § 160 ist umstritten. Identifiziert man „verleiten" hier mit „bestimmen", weil man § 160 als Grundtatbestand aller Fälle der Veranlassung einer falschen Aussage ansieht oder, wenn der Aussagende im Gegensatz zur Vorstellung des Hintermannes bösgläubig ist, eine unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufs annimmt, so liegt ein vollendetes Delikt vor. Diese Auffassung ist jedoch mit der Systematik des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen. Berücksichtigt man nämlich den Wortsinn des Begriffes „verleiten" und den Umstand, daß der bösgläubige Aussagende dem Hintermann das Geschehen aus der H a n d nimmt, während in § 160 gerade ein gesetzlich besonders geregelter Fall der bei den Aussagedelikten an sich nicht möglichen mittelbaren Täterschaft beschrieben ist, kann ein vollendetes Delikt nur im Falle des Bestimmens eines Gutgläubigen zu einer Falschaussage vorliegen. cc) Versuchte Verleitung zur Falschaussage, §§ 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23 Das Verhalten des A gegenüber dem H könnte aber einen Versuch der Verleitung zur Falschaussage darstellen. aaa) D e r Versuch dieses Delikts ist strafbar, § 160 Abs. 2. bbb) A hatte auch den Entschluß gefaßt, den H zur Falschaussage zu verleiten, da er ihm gegenüber bewußt wahrheitswidrig auf die Reinigung der Kontrollinstrumente am fraglichen Tag hingewiesen hatte. ccc) Darin ist gleichzeitig auch das unmittelbare Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes zu erblicken. ddd) A handelte hierbei sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft, er hat sich deshalb nach §§ 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23 strafbar gemacht. dd) Anstiftung zur versuchten Strafvereitelung, §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23, 26

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Eine Anstiftung zur versuchten Strafvereitelung kommt nicht in Betracht, da A auch insoweit der Vorsatz fehlt (vgl. die entsprechenden Ausführungen oben 3a, aa). ee) Versuchte Anstiftung zum Meineid, §§ 154, 30 Abs. 1 S. 1 In dem Antrag auf Vereidigung des H könnte ein Versuch der Anstiftung zum Meineid liegen. aaa) Die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen - ein solches ist der Meineid, vgl. §§ 154 Abs. 1,12 Abs. 1 - i s t strafbar (§ 30 Abs. 1 S. 1). bbb) A hat dem H vorgespiegelt, die zu beschwörende Tatsache sei wahr. Er hatte daher nicht versucht, den H zu einem Meineid anzustiften. b) Beeinflussung des E aa) Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, §§ 153, 26 A hat mit seiner falschen Sachverhaltsdarstellung auch versucht, neben dem H noch den E zu beeinflussen. Wegen dieses Verhaltens gegenüber E könnte er sich einer Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht haben. aaa) Dann müßte E eine vorsätzlich rechtswidrige Haupttat verwirklicht haben. Folgte man der objektiven Theorie - zur Kritik an ihr vgl. oben 2a - , so läge keine falsche Aussage des E vor. Die Anstiftung scheiterte bereits am Fehlen einer Haupttat. Stellt man dagegen auf die anderen Auffassungen ab, so liegt eine tatbestandsmäßige rechtswidrige Haupttat vor. bbb) Da A den E zu dessen tatsächlich begangener Falschaussage jedoch gerade nicht bestimmt hat, bleibt A - auch unter Zugrundelegung der subjektiven bzw. der Pflicht-Theorie straflos, bb) Verleitung zur Falschaussage, § 160 Abs. 1 , 3 . Alt. A könnte aber wegen der Beeinflussung des E gemäß § 160 Abs. 1, 3. Alt. strafbar sein, wenn er den E zu einer falschen uneidlichen Aussage verleitet hat. Auch hier käme der objektiven Theorie zufolge ein vollendetes Delikt nicht in Betracht. Innerhalb der Pflichttheorie, der gefolgt werden soll (vgl. oben 2a), ist jedoch umstritten, ob das Merkmal „falsch" bei § 160 - ebenso wie bei den anderen Aussagedelikten - vom Aussagenden her bestimmt wird. Diese Streitfrage kann aber hier dahinstehen, da selbst nach der Ansicht, die auf den Blickwinkel des Aussagenden abstellt, keine Bestrafung nach § 160 Abs. 1, 3. Alt. erfolgen kann, da es am Tatbestandsmerkmal „verleiten" fehlt. cc) Versuchte Verleitung zur Falschaussage, §§ 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23

Examensklausur Nr. 2: Druckkesselfall

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Das Verhalten des A gegenüber E könnte ausschließlich einen Versuch der Verleitung zur Falschaussage darstellen. Der Versuch dieses Delikts ist strafbar, § 160 Abs. 2. A hatte den Entschluß gefaßt, E zur Falschaussage zu verleiten und durch seine Sachverhaltsschilderung gegenüber E auch zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt. Da die übrigen Deliktsvoraussetzungen ebenfalls vorliegen, ist A gemäß §§ 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23 zu bestrafen (vgl. zum Ganzen oben 3 a, cc). III. Ergebnis: 1. Strafbarkeit des A: §§ 311 Abs. 5, 222, 52; 160 Abs. 1, 3. Alt., Abs. 2, 23; 53 2. Strafbarkeit des H: §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23, 153, 52 3. Strafbarkeit des E: § 153 2. Teil: Prozessualer Teil Durfte das Gericht von einer Vereidigung des H absehen? 1. Fraglich ist, ob H der Strafvereitelung verdächtig ist, § 60 Nr. 2 StPO. a) Seine Aussage zugunsten des A stellte eine versuchte Strafvereitelung dar (vgl. oben 1. Teil II lc). Ob der Verdacht einer versuchten Strafvereitelung für § 60 Nr. 2 StPO genügt, kann jedoch hier dahingestellt bleiben, da das Vereidigungsverbot jedenfalls dann nicht eingreift, wenn die zu vereidigende Aussage - wie hier - selbst die Strafvereitelung darstellt, da dann das Vereidigungsverbot stets eingreifen würde, wenn der Verdacht bestünde, die Aussage sei falsch. Damit würde die Vereidigungsmöglichkeit hier praktisch aufgehoben. b) Es ist aber zu erörtern, ob der Verdacht des Gerichts, „daß H dem A eine falsche Aussage versprochen habe," für ein Vereidigungsverbot ausreicht. Bereits aus dem Wortlaut des § 60 Nr. 2 StPO ergibt sich, daß der Verdacht einer Strafvereitelung genügt. Zu der Frage, ob der Verdacht, bzw. die Gewißheit, daß der Zeuge dem Angeklagten zugesagt hat, eine ihm günstige falsche Aussage zu machen, für ein Vereidigungsverbot ausreicht, gibt es im wesentlichen drei verschiedene Ansichten: aa) In Anknüpfung an die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten der §§ 257, 258 n. F. vertrat der BGH die Auffassung, daß eine Vereidigung nicht erfolgen dürfe, wenn der Zeuge dem Angeklagten die begünstigende Aussage schon vor der Hauptverhandlung versprochen habe.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Der B G H ging davon aus, daß die in der zugesagten Falschaussage liegende versuchte Strafvereitelung den Zeugen an einer unvoreingenommenen Aussage hindere. Nach dieser Ansicht wäre ein Vereidigungsverbot im vorliegenden Sachverhalt zu bejahen. bb) Demgegenüber weist das H a n s O L G Hamburg zutreffend darauf hin, daß nach der Neufassung der §§ 257, 258 eine versuchte Strafvereitelung gem. §§ 258 Abs. 1, Abs. 4, 23 erst dann vorliegt, wenn der Zeuge unmittelbar zu der zugesagten Falschaussage ansetzt. Das H a n s O L G meint jedoch, daß § 60 Nr. 2 StPO über seinen Wortlaut hinaus analog auf die Fälle der Verabredung eines Meineides (§§ 154, 30 Abs. 2) anzuwenden sei. Diese Auffassung wird damit begründet, daß ein Zeuge, der die Ableistung eines Meineides zugesagt habe, durch eine wahre Aussage seine eigene Straftat offenlegen müßte. Diese Zwangslage zur Ableistung eines falschen Eides wolle § 60 Nr. 2 StPO aber gerade verhindern. Da das Gericht nach Sachverhalt den Verdacht hatte, H habe dem A eine falsche Aussage versprochen, bestünde nach dieser Auffassung, wenn man davon ausgeht, daß H seine Aussage ggf. beeiden sollte, ein Verbot der Vereidigung. cc) Fraglich ist jedoch, ob die Erwägungen des H a n s O L G hinsichtlich der analogen Anwendung des § 60 Nr. 2 StPO zutreffen. Dagegen spricht, daß ein Zeuge, der einen Meineid zugesagt hat, sich insofern nicht in einer Zwangslage befindet, als er durch eine wahrheitsgemäße Aussage vor Gericht straffrei bleibt (§ 31 Abs. 1 Nr. 2). Deshalb hat auch der B G H - zu Recht - in einer neueren Entscheidung die Notwendigkeit einer Analogie im Falle der Verabredung eines Meineides verneint. 2. Auf Grund der dargelegten Erwägungen ist ein Vereidigungsverbot im vorliegenden Sachverhalt abzulehnen.

D. Anmerkungen 1. Besondere Schwierigkeiten bereitete den meisten Bearbeitern das Problem des sog. „rechtmäßigen Alternatiwerhaltens". Wer hier nicht mit dem Risikoerhöhungsprinzip arbeitete, konnte nur nach einem Regel-Ausnahme-Prinzip vorgehen: Grundsätzlich reicht für die Zurechnung Ursächlichkeit eines pflichtwidrigen Verhaltens, bei sog. „rechtmäßigem Alternatiwerhalten" aber nicht. 2. Bei der Beantwortung der prozessualen Frage waren die Bearbeiter im Vorteil, die über den neuesten Stand der Rechtsprechung, die sich insoweit gewandelt hat, informiert waren.

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E. Hinweise zur Vertiefung 1) Vgl. zu dem Problemkreis des sog. „rechtmäßigen Alternatiwerhaltens": BGHSt 1 1 S . 1; O T T O , N J W 1 9 8 0 S . 4 2 0 . 2) Zum Problem, daß der vom Täter pflichtwidrig herbeigeführte Erfolg von einem Dritten rechtswidrig realisiert worden wäre, wenn der Täter nicht gehandelt hätte: BGH NJW 1982 S. 292; OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., S . 153. - Die von A R T H U R KAUFMANN, Eb. Schmidt-Festschrift, 1961, S. 229f., angedeutete umfassende Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe geht wohl über das von ihm selbst gewollte Maß hinaus. 3) Zur Interpretation des Merkmals falsch nach der objektiven Theorie: vgl. BGHSt 7 S. 148; nach der subjektiven Theorie: vgl. GALLAS, GA 1957 S. 315 ff.; nach der Pflichttheorie: vgl. OTTO, Grundkurs Strafrecht, B.T., S. 437; SCHMIDHÄUSER, OLG Celle-Festschrift, 1961, S. 210 ff. 4. Zur Frage, ob der Verdacht, daß der Zeuge dem Angeklagten zugesagt hat, eine ihm günstige falsche Aussage zu machen, für § 60 Nr. 2 StPO ausreicht vgl.: Zur Rechtsprechung vor Inkrafttreten der §§ 257, 258 n.F.: BGH bei DALLINGER, MDR 1969 S. 723 f.; zur neuesten Rechtsprechung: HansOLG Hamburg JR 1981 S. 159 mit zust. Anm. R U D O L P H I , JR 1981 S. 162 sowie KG NStZ 1981 S. 449 f. und BGH NJW 1982 S. 947.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Examensklausur Nr. 3: Wahlfeststellungsklausur A. Sachverhalt Der Kaufmann K kaufte beim Autohaus H am 17. 10. einen Mercedes-Sportwagen. K vereinbarte mit H, daß er den Wagen nach Einbau einiger Extras am Abend abholen, seinen sehr gut erhaltenen BMW zu einem bereits festgelegten Preis in Zahlung geben und den Restbetrag mit einem Barscheck bezahlen werde. K fuhr gegen 17 Uhr zu H. Ein Scheckformular hatte K bereits zu Hause unterschrieben und das Datum eingesetzt. Den Namen des Empfängers und den Betrag hatte K offen gelassen. Da der Einbau der Extras sich wider Erwarten verzögert hatte, konnte K den neuen Wagen noch nicht mitnehmen. Er verabredete mit H, daß er den alten Wagen bereits zurücklassen und am nächsten Tage zur endgültigen Abwicklung des Geschäfts wieder erscheinen werde. H gab seinem Angestellten A den Auftrag, den Wagen in die Garage zu fahren. - Bei dieser Fahrt entdeckte A den Scheck, den K im Wagen liegen gelassen hatte. A, dem von H zum 31. 10. gekündigt worden war, beschloß die günstige Gelegenheit zu nutzen. Er ging zunächst nach Hause, kehrte aber um 20 Uhr zurück und erklärte dem Garagenwärter W, er müsse den BMW einem Kunden vorführen. Da dies kein ungewöhnlicher Vorgang in der Firma war, gab W dem A die Wagenschlüssel und öffnete das Garagentor zur Ausfahrt. A fuhr am nächsten Morgen zur Bank des K und löste den Scheck des K, in den er einen Betrag von DM 25000,- und als Empfänger „Friedrich Prelle" eingesetzt hatte, ein. Den Empfang des Geldes quittierte er auf der Rückseite des Schecks ebenfalls mit „Friedrich Prelle". Sodann feierte A in einer nahegelegenen Kneipe seinen bisherigen Erfolg mit Alkohol und machte sich auf die von ihm geplante Reise in den sonnigen Süden. Dort wollte er von dem Geld leben und notfalls auch das Auto verkaufen, wenn er nicht zurückkehrte. A kam jedoch nur bis zur Stadtgrenze. Dort übersah er aufgrund des genossenen Alkohols das Rotlicht einer Ampel und überfuhr den Fußgänger F, der noch an der Unfallstelle starb. A entfernte sich sofort vom Unfallort. Erst nach drei Tagen wurde er gestellt. Trotz Ausschöpfung aller Beweismittel kann das Gericht in der Hauptverhandlung nicht klären, ob A unzurechnungsfähig, vermindert zurechnungsfähig oder voll zurechnungsfähig war, als er den F überfuhr. A behauptet aufgrund des Genusses von 20 Glas Whisky unzurech-

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Examensklausur Nr. 3: Wahlfeststellungsklausur

nungsfähig gewesen zu sein. Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung beantragt er einen Test mit dem Lügendetektor. Dies lehnt das Gericht mit Beschluß ab. 1. H a t A sich strafbar gemacht? 2. Ist der Beschluß des Gerichts, mit dem der Antrag des A abgelehnt wurde, rechtlich fehlerhaft? 3. Auf Ordnungswidrigkeiten des Straßenverkehrsrechts ist nicht einzugehen.

B. Lösungsskizze 1. Teil: Materiellrechtlicher Teil I. Herausgabe des BMW durch den Garagenwärter

W

1. Diebstahl, § 242: —, kein Gewahrsamsbruch. 2. Betrug zum Nachteil des H , § 263: + . II. Das Ansichbringen des Schecks 1. Betrug zum Nachteil des K, § 263: —, kein Verfügungsbewußtsein. 2. Diebstahl zum Nachteil des K, § 242: + . III. Das Ausfullen des Schecks Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1 , 1 . Alt.: + . IV. Das Einlösen des Schecks 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1, 3. Alt.: + . 2. Betrug zum Nachteil des K, § 263: + . V. Quittieren auf der Rückseite des Schecks mit dem Namen „ Friedrich Prelle" 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1, 1. Alt.: + . 2. Gebrauchmachen, § 267 Abs. 1, 3. Alt.: + . VI. Das Überfahren des Fußgängers 1. Fahrlässige Tötung, § 222: —, Schuldfähigkeit nicht nachgewiesen. 2. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c Abs. 1 Nr. la i.V.m. Abs. 3 Nr. 2: - , vgl. 1. 3. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 Abs. 1 Nr. 1: —, vgl- 1.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

4. Vollrausch, § 323a: + . a) § 323a nach h. M.: —, da kein Rausch i. S. des § 323a nachweisbar ist. b) Wahlfeststellung zwischen § 323a und §§222, 315c Abs. 1 Nr. la, Abs. 3 Nr. 2, 142 Abs. 1 N r . 1: da unzulässig. c) Mindermeinung: § 323a ist als Ergänzung der Schuldzurechnungsvorschriften zu interpretieren: + . VII. Ergebnis: A: §§ 242, 263, 52; 267, 263, 52; 323a; 53. 2. Teil: Prozessualer Teil Der Beschluß des Gerichts ist rechtlich einwandfrei, da der Lügendetektor kein zulässiges Beweismittel darstellt. C. Gutachten 1. Teil: Materiellrechtlicher Teil I. Herausgabe des BMW durch den Garagenwärter W 1. Diebstahl, § 242 Indem A den Wagen aus der Garage fuhr, könnte er sich eines Diebstahls schuldig gemacht haben. Bei dem BMW handelt es sich um einen beweglichen körperlichen Gegenstand, der im Eigentum des H stand und damit f ü r A fremd war. Fraglich ist, ob A das Auto weggenommen hat. Wegnahme bedeutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam ist das von einem Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Herrschaftsverhältnis unter Berücksichtigung der sozialen Zuordnung. Im vorliegenden Fall hatte K das tatsächliche Sachherrschaftsverhältnis an dem BMW auf H übertragen. Der Garagenwärter W hatte demgegenüber keinen eigenen Gewahrsam an dem Auto, sondern schützte nur die Herrschaftsposition des Autohändlers H , d . h . war dessen Gewahrsamshüter. Als solcher war er nicht zu selbständigen Verfügungen befugt. Er durfte aber die in der Garage stehenden Autos an den Angestellten A herausgeben, damit dieser seine von H erhaltenen Aufträge erfüllen konnte. A spiegelte dem Garagenwärter vor, er müsse den BMW einem Kunden des H vorführen. Als W daraufhin den Pkw herausgab, verfügte er über den Gewahrsam. Da er sich subjektiv in dem von H eingeräumten Handlungsspielraum bewegte, muß sich der Gewahrsams-

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inhaber H die Verfügung des W als eigene zurechnen lassen. Somit liegt eine Gewahrsamsübertragung und kein Gewahrsamsbruch vor. Diebstahl kommt daher nicht in Betracht. 2. Betrug zum Nachteil

des H, § 263

Ein Betrug des A zu Lasten des H läge vor, wenn A durch Täuschung des Garagenwärters bei diesem einen Irrtum hervorgerufen hätte, aufgrund dessen dieser eine Vermögensverfügung vorgenommen hätte, die unmittelbar vermögensmindernd für H wirkte und A dies in der Absicht getan hätte, sich rechtswidrig zu bereichern. A spiegelte dem W vor, im Auftrag des H zu handeln, er täuschte ihn damit über Tatsachen und erregte bei W einen entsprechenden Irrtum. Aufgrund dieses Irrtums öffnete W das Garagentor, so daß A hinausfahren konnte. Das Hinausfahrenlassen stellt eine Gewahrsamsverfügung dar. Fraglich ist, ob der Garagenwärter durch seine Handlung über das Vermögen des H verfügte. Gleichgültig, ob man Vermögen kennzeichnet als die Summe aller geldwerten Güter einer Person unter Abzug der Verbindlichkeiten oder als die Summe der wirtschaftlichen Güter einer Person, über die diese unter Billigung der Rechtsordnung Verfügungsmacht hat oder als wirtschaftliche Potenz eines Rechtssubjekts, die auf der Herrschaftsgewalt über Objekte beruht, die die Rechtsgesellschaft als selbständige Objekte des Wirtschaftsverkehrs ansieht, stellt das Eigentum an dem Pkw Vermögen im Sinne des § 263 dar. Laut Sachverhalt sollte K den BMW „in Zahlung geben und den Restbetrag mit einem Barscheck" abdecken. Es ist daher davon auszugehen, daß er sein bisheriges Fahrzeug dem Händler übereignen wollte und die Eigentumsübertragung mit Zurücklassen des Pkw auch bereits erfolgt war. Dieses Vermögen des H minderte der Garagenwärter dadurch, daß er es dem A ermöglichte, den Besitz an dem BMW dem Herrschaftsbereich des H zu entziehen. Verfügender und Geschädigter brauchen nicht identisch zu sein. Es reicht, wenn der Getäuschte der Vermögenssphäre des Geschädigten zuzurechnen ist. Daran bestehen hier vgl. oben I 1 gezeigt - keine Zweifel. Subjektiv handelte A in der Absicht, das Fahrzeug selbst wirtschaftlich zu nutzen. Dieser Vorteil stellt die Kehrseite des Schadens des H, der Besitz und Verfügungsmöglichkeit an dem BMW verloren hatte, dar. Da A keinerlei materiellrechtlichen Anspruch auf den Vermögensvorteil hatte, handelte er auch in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Er hat sich daher eines Betruges zum Nachteil des H schuldig gemacht. II. Das Ansichbringen des Schecks 1. Betrug zum Nachteil des K, $ 263 Dadurch, daß A den im Auto liegenden Scheck zusammen mit dem Wagen an sich brachte, könnte er einen Betrug zum Nachteil des K begangen haben. Durch die Erklärung gegenüber dem Garagenwärter, den BMW einem Kunden vorführen zu müssen, brachte A konkludent zum Ausdruck, nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit dessen möglichem Inhalt nach Weisung seines Dienstherrn H zu verfahren. Dadurch erregte A bei W einen entsprechenden Irrtum. Wird Vermögensverfügung definiert als Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar eine Vermögensminderung herbeiführt, so stellt sich hier nur noch die Frage nach einem Vermögensschaden. Verlangt man demgegenüber, daß der Getäuschte den Verfügungscharakter seines Verhaltens kennen muß, fehlt es bereits an diesem Merkmal der Vermögensverfügung, da der Garagenwärter gar nicht weiß, daß sich das Scheckheft des K in dem BMW befindet. Berücksichtigt man, daß es sich beim Betrug nach einhelliger Meinung um ein Selbstschädigungsdelikt handelt, setzt dies begriffsnotwendig voraus, daß der Getäuschte, dessen Verfügung dem Opfer als eigene zugerechnet wird, sich der Tatsache der Verfügung bewußt ist. Dies erkennt beim Sachbetrug selbst die abweichende h. M. an, indem sie für die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl entscheidend auf die Willensrichtung des Verfügenden abstellt. Ein Betrug scheitert daher im vorliegenden Fall am fehlenden Verfügungsbewußtsein des Garagenwärters. 2. Diebstahl zum Nachteil des K, § 242 Bei dem Scheck handelt es sich um eine fremde bewegliche Sache, die sich - wie der B M W - im Gewahrsam des H befand. Dadurch, daß A den Wagen, in dem sich der Scheck befand, aus der Garage fuhr, hat er den Gewahrsam des H an dem Scheck, der nicht zur Ausstattung des BMW gehörte, gebrochen und eigenen begründet. Dies geschah in der Absicht, den Scheck - unter Ausschluß des Berechtigten - eigenmächtig wirtschaftlich zu nutzen, also ihn sich zuzueignen. Da A keinen Anspruch auf den Scheck hatte, erfolgte die Wegnahme in der Absicht rechtswidriger Zueignung.

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III. Das Ausfüllen des Schecks Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1, 1. Alt. Dadurch, daß A in den von K unterschriebenen und mit Datum versehenen Scheck einen Betrag von D M 25000,- und als Empfänger „Friedrich Prelle" einsetzte, könnte er sich einer Urkundenfälschung schuldig gemacht haben. Urkunde ist nach einer Mindermeinung ein Schriftstück, das eine rechtserhebliche Erklärung eines bestimmten Ausstellers verkörpert. Somit handelt es sich bei einem vollständig ausgefüllten Scheck um eine Urkunde. Legt man den weiten Urkundenbegriff zugrunde, wonach es sich nicht um Schriftstücke handeln muß, sondern jede verkörperte Gedankenerklärung ausreicht, stellt der Scheck erst recht eine Urkunde dar. Eine unechte Urkunde stellt her, wer den Anschein erweckt, daß der Aussteller der Urkunde eine andere Person ist als diejenige, von der sie herrührt. Hier erweckte A den Anschein, daß der Kaufmann K die Bank zu einer Zahlung an Friedrich Prelle in Höhe von D M 25 000,- angewiesen habe, während die Summe und der Auszahlungsempfänger in Wahrheit von A eingesetzt worden waren. Damit hat A eine unechte Urkunde hergestellt. Er tat dies zur Täuschung der Bank und damit des Rechtsverkehrs. IV. Das Einlösen des Schecks 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1, 3. Alt. Indem A den Scheck bei der Bank einlöste, gebrauchte er die von ihm hergestellte unechte Urkunde. 2. Betrug zum Nachteil des K, § 263 In dem Einlösen des von K unterschriebenen Schecks könnte ein Betrug liegen. Die Täuschung liegt darin, daß A dem Bankangestellten vorspiegelt, der Kontoinhaber K habe eine wirksame Anweisung in Höhe von D M 25 000,- zugunsten des Friedrich Prelle vorgenommen. Dadurch erregte er bei dem Mitarbeiter der Bank einen Irrtum, der zu der Auszahlung des Geldes und damit zu einer Vermögensverfügung des getäuschten Bankangestellten führte. Der unmittelbar darauf beruhende Vermögensschaden des K liegt in der Belastung seines Kontos mit D M 25 000,-. Dieser Schaden geht über den in dem Verlust des blanko unterschriebenen Scheckformulars liegenden hinaus (vgl. oben II 2). Zur Identität zwischen Getäuschtem und Verfügendem vgl. ebenfalls oben I 2.

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A hatte die Absicht, sich einen Vermögensvorteil in Höhe dieses Betrages zu verschaffen. Da er keinen Anspruch auf dieses Geld hatte, handelte er in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. V. Quittieren auf der Rückseite des Schecks mit dem Namen „Friedrich Prelle" 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1, 1. Alt. Fraglich ist, ob A durch das Quittieren mit dem Namen „Friedrich Prelle" eine unechte Urkunde hergestellt hat. Dazu müßte er über die Identität des Urkundenausstellers getäuscht haben. Die überwiegende Ansicht unterscheidet zwischen offener und verdeckter Anonymität. Im Falle offener Anonymität, d.h. wenn der Name einer offensichtlich nicht existierenden Person gebraucht wird, z. B. Johann Wolfgang von Goethe, soll keine Identitätstäuschung vorliegen, wohl aber, wenn es sich um einen „Allerweltsnamen" handelt. Friedrich Prelle ist kein Name der für jeden erkennbar gerade eine Identifizierung des Ausstellers verhindern soll. A täuscht daher mit dem Quittieren über den wirklichen Urheber der Quittung. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft. 2. Mit dem Ubergeben der Quittung hat A sodann von einer unechten Urkunde Gebrauch gemacht, § 267 Abs. 1, 3. Alt. VI. Das Überfahren des Fußgängers 1. Fahrlässige Tötung, § 222 Die Rechtsgutsverletzung, der Tod eines Menschen, ist eingetreten. In dem Tod des F realisierte sich die Gefahr, die A durch das Uberfahren der Ampel bei Rotlicht begründet hatte. A hätte bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit gehabt, den Sachverhalt zu erkennen. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Fraglich ist jedoch, ob A den Tod des F persönlich zu verantworten hat: Laut Sachverhalt konnte das Gericht nicht klären, ob A unzurechnungsfähig, vermindert zurechnungsfähig oder sogar voll zurechnungsfähig war. Das bedeutet, daß dem A die Schuld nicht nachgewiesen werden konnte. Eine Bestrafung aus § 222 entfällt daher infolge des Grundsatzes in dubio pro reo. 2. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c Abs. 1 Nr. la i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 a) A hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. Wie sein alkoholbedingter Fahrfehler, das Uberfahren der Ampel bei Rotlicht, zeigt,

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war er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen. Er hat das Leben des F gefährdet, § 315c Abs. 1. - Für ein vorsätzliches Verhalten des A gibt der Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte. b) Da A aber grob sorgfaltspflichtwidrig handelte, als er trotz des Alkoholgenusses das Fahrzeug führte, und auch Gefährdungen anderer in seinem Zustand vorhersehbar waren, handelte A fahrlässig und gefährdete auch den F fahrlässig, § 315c Abs. 1 Nr. la i.V.m. Abs. 3 Nr. 2. c) A handelte auch rechtswidrig, doch ist nicht nachweisbar, daß A sich schuldhaft verhielt (vgl. oben 1). 3. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 Abs. 1 Nr. 1 A war Unfallbeteiligter, denn er hatte den Unfall verursacht. Er hat sich vom Unfallort sofort entfernt, ohne irgendwelche Angaben über seine Identität und die Art seiner Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Er handelte vorsätzlich und rechtswidrig, doch ist auch hier die Schuld nicht nachweisbar (vgl. oben 1). 4. Vollrausch, § 323a a) Voraussetzung f ü r eine Strafbarkeit des A gem. § 323a ist, daß er sich zumindest fahrlässig durch alkoholische Getränke in einen Rausch versetzt und in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, wegen der er nicht bestraft werden kann, weil er „infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen" ist. Wie unter 1.-3. dargelegt, hat A mehrere rechtswidrige Taten begangen. Erwiesen ist auch, daß A sich durch den Genuß alkoholischer Getränke in einen Zustand alkoholbedingter Intoxikation versetzt hat. Fraglich ist aber, ob A damit in einem Rauschzustand i. S. des § 323a war. Die h. M. bestimmt den Rausch in Abhängigkeit von der Rauschtat. Rausch i. S. des § 323a ist nur der Rauschzustand, der zur Unzurechnungsfähigkeit oder über den sicheren Bereich der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Täters hinaus geführt hat. Gerade dies ist im vorliegenden Fall aber nicht erwiesen. Konsequenterweise kommt diese Meinung zum Freispruch des Täters, falls nicht eine Wahlfeststellung zwischen dem Vollrausch und den unter Alkoholeinfluß begangenen rechtswidrigen Taten möglich ist. b) Unterstellt, A war unzurechnungsfähig oder doch mit Sicherheit vermindert zurechnungsfähig infolge des Alkoholgenusses, so läge ein Rausch i. S. des § 323a vor. In diesen Rausch hätte A sich zumin-

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dest fahrlässig versetzt. Im Rauschzustand hätte er drei rechtswidrige Taten - vgl. oben 1.-3. - begangen. In diesem Fall wäre nicht auszuschließen, daß A infolge des Rausches schuldunfähig war. Danach wäre A nach § 323a zu bestrafen. Unterstellt hingegen, A war höchstens vermindert zurechnungsfähig oder voll zurechnungsfähig, so wäre er gem. §§ 222, 315c Abs. 1 Nr. la i.V.m. Abs. 3 Nr. 2, 52; 142 Abs. 1 Nr. 1; 53 zu bestrafen. Je nachdem, welche Unterstellung erfolgt, hat A sich strafbar gemacht. Die dann gegebene Möglichkeit der Strafbarkeit schließt aber die jeweils andere aus. Fraglich ist daher, ob eine Wahlfeststellung zwischen dem Vollrausch und den anderen Taten möglich ist. Diese Frage ist allerdings von vorneherein zu verneinen, wenn § 323a als gemeingefährliches Delikt angesehen wird. Gleichgültig ist dann, ob man die Zulässigkeit der Wahlfeststellung davon abhängig macht, daß die einzelnen Delikte rechtsethisch und rechtspsychologisch vergleichbar sind, oder ob man auf die Indentität des Unrechtskerns abstellt. Das aufgrund des Rauschzustandes gemeingefährliche Delikt des Vollrausches ist mit den anderen Taten weder im Unrechtskern identisch noch rechtsethisch und rechtspsychologisch vergleichbar. c) Eine Mindermeinung vertritt jedoch die Ansicht, daß § 323a sachlich als Ergänzung der Vorschriften über die Zurechnungsfähigkeit anzusehen ist. Der Rauschzustand des § 323a wird unabhängig von der Rauschtat und der Schwere des Rausches als alkoholbedingte Intoxikation interpretiert. Zutreffend wird § 323a als Ergänzung der Schuldzurechnung für die Fälle aufgefaßt, in denen sich der Täter der allgemeinen Gefährlichkeit seines Verhaltens aufgrund des Alkoholgenusses bewußt ist, aber die konkrete Rechtsgutsverletzung (noch) nicht vorhersehen kann. Er haftet sodann nach § 323a - streng dem Wortlaut des Gesetzes folgend - in den Fällen, in denen er unzurechnungsfähig ist oder die Unzurechnungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Interpretation des § 323a führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, daß A aus § 323a haftet. Daß jemand in betrunkenem Zustand Rechtsgutsverletzungen begehen kann, ist erwachsenen Menschen, und damit auch dem A, bewußt. A hat sich wegen eines Vollrausches, § 323a i.V.m. §§ 222, 315c Abs. 1 Nr. la i.V.m. Abs. 3 Nr. 2, 142 Abs. 1 Nr. 1, strafbar gemacht. VII. Ergebnis Der Betrug, mit dessen Hilfe A den BMW an sich brachte, und der Diebstahl am Scheckheft stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz, §52.

Examensklausur Nr. 3: Wahlfeststellungsklausur

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Zwischen dem Ausfüllen des Schecks und dessen Einlösung, also zwischen Herstellen und Gebrauchmachen der falschen Urkunde, § 267 Abs. 1, 1. Alt. und 3. Alt., besteht eine natürliche Handlungseinheit. Gleiches gilt für das Herstellen und den Gebrauch der falschen Urkunde beim Quittieren. Die beiden Verwirklichungen des § 267 stehen zueinander in Idealkonkurrenz, denn das Vorlegen des Schecks und das Quittieren stellen wiederum eine Handlungseinheit dar. Zwischen der Urkundenfälschung und dem Betrug, der in der Einlösung des Schecks liegt, besteht Idealkonkurrenz. Bei den verschiedenen rechtswidrigen Taten, die A im Vollrausch beging, handelt es sich um objektive Bedingungen der Strafbarkeit, so daß nur eine Tat des Vollrausches, § 323a, vorliegt. Die drei Tatkomplexe stehen in Realkonkurrenz zueinander, § 53. A: §§ 242, 263, 52; 267, 267, 263, 52; 323a; 53. 2. Teil: Prozessualer Teil Ist der Beschluß des Gerichts, mit dem der Antrag des A abgelehnt wurde, einen Test mit dem Lügendetektor zum Beweis der Richtigkeit seiner Behauptung durchzuführen, rechtlich fehlerhaft? Unbestritten gilt für die Schuld- und Straffrage das Strengbeweisverfahren. Das bedeutet, daß Beweise nur auf die im Gesetz bestimmte Art und Weise und mit den dort vorgesehenen Beweismitteln erhoben werden dürfen. Hier geht es um die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten und damit eine für die Schuld entscheidende Frage. Der Lügendetektor müßte daher einem der im Gesetz benannten Beweismittel zuzuordnen sein. In Betracht kommt der Beweis durch Augenschein oder durch Sachverständigen. Beim Augenscheinsbeweis nehmen die Prozeßsubjekte einen Gegenstand, eine Gegebenheit oder einen Vorgang sinnlich war, um ein Beweisergebnis zu erlangen. Der Polygraph liefert Aufzeichnungen über Blutdruck, Pulszahl und Atmungslänge der angeschlossenen Person. Dadurch soll Aufschluß darüber gewonnen werden, ob die Testperson die ihr gestellten Fragen zutreffend beantwortet. Beim Einsatz eines Lügendetektors handelt es sich also um ein kompliziertes Verfahren. Die gewonnenen Aufzeichnungen können vom Gericht nicht unmittelbar verwertet werden, wie z. B. das Diagramm im Fahrtenschreiber, sondern nur das Ergebnis der Messungen im Zusammenhang mit den gestellten Fragen hat überhaupt für das Gericht einen möglichen Aussagewert. Das bedeutet, daß der Lügendetektor nicht dem Beweis durch Augenschein, sondern durch Sachverständigen zuzuordnen ist. Der Polygraph ist ein Hilfsmittel des Sachver-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

ständigen. Damit stellt sich die Frage, ob es sich beim Lügendetektor um eine zulässige Untersuchungsmethode handelt. Gemäß § 81a StPO darf eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zwar ist die Glaubwürdigkeit des Angeklagten für das Verfahren bedeutsam. Der BGH sieht aber von § 81a StPO nur solche Tatsachen erfaßt, die die körperliche Beschaffenheit des Angeklagten betreffen und schließt deshalb die Anwendung des § 81 a StPO auf den Polygraphentest aus. Entscheidend ist jedoch, daß auch für körperliche Untersuchungen die Grenze der verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO eingreift. § 136a StPO garantiert die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Angeklagten. Diese Freiheit darf u. a. nicht durch körperliche Eingriffe beschränkt werden. Bei körperlichen Eingriffen handelt es sich um Maßnahmen, die auf eine Veränderung der körperlichen Konstitution gerichtet sind, bzw. in die Substanz .des Körpers eingreifen. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Polygraph nicht in die körperliche Integrität eingreift, sondern nur beobachtet, ist zu berücksichtigen, daß die in § 136a StPO verbotenen Vernehmungsmittel nicht abschließend, sondern nur beispielhaft aufgezählt sind. Unter § 136a StPO fallen daher alle Mittel, die sich in Beeinträchtigungen der Willensentschließungs- und -betätigungsfreiheit auswirken. Zu der Entschließungsfreiheit des Angeklagten gehört nicht nur, ob er sich zur Anklage äußert, sondern wenn er aussagt, auch wie er den Sachverhalt darstellt und Fragen beantwortet. Bei der Befragung unter Anschluß an einen Polygraphen ist dem Angeklagten jedoch die Kontrolle über das Wie der Beantwortung entzogen, da der Lügendetektor gerade auf Aufdeckung unbewußter Reaktionen gerichtet ist. Der Aussage selbst kommt kein eigener Wert mehr zu und der Untersuchte wird „zu einem bloßen Anhängsel des Apparates". Damit wird das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Angeklagten verletzt, dessen Schutz durch § 136a StPO gewährleistet wird. Eine andere Beurteilung könnte sich nur ergeben, wenn in die Abwägung des Für und Wider der Zulässigkeit des Polygraphentestes der Umstand mit einbezogen werden müßte, daß es sich um ein 100 % sicheres Verfahren zur Aufdeckung der Wahrheit handelt. Gerade dies ist aber nicht der Fall. Das Argument, daß Zeugenaussagen häufig noch einen geringeren Aufklärungswert haben als der Polygraphentest, verfängt deshalb nicht, weil es sich bei der Treffsicherheit hier nur um ein Argument handelt, daß u.U. geeignet sein

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Examensklausur Nr. 3: Wahlfeststellungsklausur

könnte, den gravierenden Eingriff in die Willensentschließungsfreiheit des Angeklagten ausnahmsweise - mit dessen Einwilligung - als zulässig anzusehen. Die Wirksamkeit der Einwilligung des Angeklagten in den Polygraphentest verneint das BVerfG unter Hinweis darauf, daß dem Angeklagten, der von einer empfindlichen Freiheitsstrafe bedroht sei, tatsächlich keine Wahlmöglichkeit, die Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung ist, verbleibe. Zu berücksichtigen ist jedoch vor allem, daß § 136a Abs. 3 StPO die Einwilligung des Angeklagten für unbeachtlich erklärt. Deshalb ist mit der Rechtsprechung und entgegen einem Teil der Literatur der Polygraphentest als unzulässig anzusehen. Der Ablehnungsbeschluß des Gerichts war daher rechtsfehlerfrei.

D. Hinweise zur Vertiefung 1. Zum Vollrauschtatbestand vgl.: D R E H E R / T R Ö N D L E , 41. Aufl. 1983, § 323a Rdn. 5; H E I S S , NStZ 1983, S. 67 ff.; H O R N , J R 1980 S. 1 ff.; P U P P E , Jura 1982 S. 281 ff.; RANFT, JA 1983 S. 193ff., S. 239ff. 2. Zur Problematik der Abhängigkeit der „Rauschdefinition" von der Zurechnungsunfähigkeit vgl. BGH NJW 1983 S. 2889ff. 3. Zur Zulässigkeit des Polygraphentests vgl.: BGHSt 5 S. 332 ff.; BVerfG NJW

1 9 8 2 S . 3 7 5 m i t a b l . A n m . SCHWABE, N J W

1 9 8 2 S. 3 6 7 f. u n d

AMELUNG,

NStZ 1982 S. 38 ff.; vgl. auch P E T E R S , ZStW 87 (1975) S. 673 ff.; NStZ 1981 S. 433 und PRITTWITZ, M D R 1982 S. 886.

KLIMKE,

148

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Referendarhausarbeit Bearbeitungszeit: 6 Wochen A. Sachverhalt Begründet in Ereignissen aus dem 30jährigen Krieg lebte in dem Heidedorf X der Aberglaube weiter, daß ein Kirchenbrand ein besonderes Zeichen bedeutet: Gehe bei einem Kirchenbrand eine alte Frau mit der Bibel dreimal um die Kirche, so erlösche dieser. Brenne es jedoch weiter, so dürfte der Brand nicht beeinflußt werden, da sonst dem Dorf großes Unheil drohe. Eines Tages brennt die Kirche in X. Frau F, eine „Zugereiste", die mit den Dorfbewohnern in Zwietracht lebt und diese - nicht zuletzt wegen des ihr bekannten Aberglaubens - für Hinterwäldler hält, beschließt, diesen zu schaden. Als die Freiwillige Feuerwehr gerade anrückt, beginnt sie mit wichtigtuerischen Gebärden den Rundgang. Ihr Plan hat Erfolg. K, der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, gibt nicht das Kommando: „Wasser marsch", da er meint, Unheil heraufzubeschwören, wenn er gegen die alte Uberlieferung handelt. Seine Männer denken genauso. Als das Kommando ausbleibt, fahren sie mit dem Löschfahrzeug weg. Wenig später erscheint die Freiwillige Feuerwehr aus Y. Sie schließt die Schläuche an und rollt diese aus. Zum Löschen kommt sie allerdings nicht, weil S, ein Bewohner von X, die Schläuche in der Zwischenzeit zerschnitten hat, „damit kein Unglück geschehe". Die Kirche brennt bis auf die Grundmauern nieder. Hätte die Feuerwehr aus Y löschen können, wären wesentliche Teile des Gebäudes gerettet worden. - F ist voller Freude über das Gelingen ihres Planes, K und S sind überzeugt, Schlimmeres vom Dorf abgewendet zu haben. Haben sich F, K und S strafbar gemacht? Erforderliche Strafanträge sind gestellt. B. Gliederung Seite 1. Teil: Der Kirchenbrand in X bis zur Ankunft der Feuerwehr aus Y I. Die Strafbarkeit des K 1. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13

154 154 154

Referendarhausarbeit 2. Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13 . . 3. Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13 . . . 4. Gemeinschädliche Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13 5. Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13 II.

Zwischenergebnis

III. Strafbarkeit der F 1. Nötigung, § 240 2. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23 3. Schwere Brandstiftung in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1,25 Abs. 1, 1. Alt 4. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1, 13, 25 Abs. 1, 1. Alt 5. Schwere Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft, §§ 306 Nr. 1,25 Abs. 1,2. Alt 6. Anstiftung zur schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13, 26 7. Anstiftung zu einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13,26 8. Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13, 26 9. Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, 26 10. Anstiftung zu einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13, 26 11. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 . . . . IV. Zwischenergebnis 2. Teil: Die Einäscherung der Kirche infolge der verhinderten Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y I. Die Strafbarkeit des S 1. Nötigung, § 240 2. Schwere Brandstiftung, § 306 Nr. 1 3. Besonders schwere Brandstiftung, § 307 Nr. 3 4. Brandstiftung, § 308, 1. Alt 5. Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, § 303 6. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, § 304

149 167 167 168 169 169 170 170 171 171 172 172 177 181 182 182 183 183 184 184 184 184 187 191 192 192 192

150

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung 7. Sachbeschädigung bzgl. des Kircheninventars, § 303 8. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Kirche, § 304 9. Zerstörung von Bauwerken, § 305

II.

Zwischenergebnis

192 193 193 193

III. Die Strafbarkeit der F 1. Anstiftung zu einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, 26 2. Fahrlässige Brandstiftung, § 309

194 194 195

3. Teil: Gesamtergebnis

195

C. Literaturverzeichnis Zur Struktur der Garantieverhältnisse bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1968. BAUMANN, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8 . Aufl. 1 9 7 7 . BAUMGARTEN, Bemerkungen zu Bindings Normen, ZStW 37 (1916) S. 517 ff. BERGMANN, Das Unrecht der Nötigung, 1 9 8 3 . B I N D I N G , Das Subjekt des Verbrechens und die Satzungen des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch über die „Teilnahme", GS 76 (1910) S. 87 ff. DERS., Die Formen des verbrecherischen Subjekts, GS 78 (1911) S. 1 ff. BLEI, Strafrecht I, Allgemeiner Teil, 18. Aufl. 1983. DERS., Strafrecht II, Besonderer Teil, 12. Aufl. 1983. DERS., Garantenpflichtbegründung beim unechten Unterlassen, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 119 ff. BOCKELMANN, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3 . Aufl. 1 9 7 9 . DERS., Strafrecht, Besonderer Teil/2, 1977. BÖHM, Die Rechtspflicht zum Handeln bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1957. DERS., Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der Begehung, JuS 1961 S. 177 ff. Bopp, Der Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, 1974. BREHM, Die ungefährliche Brandstiftung - BGH, NJW 1975, 1369, in: JuS 1976 S. 22ff. BRENDLE, Lärm als körperliche Einwirkung - Gewaltbegriff und Einheit der Rechtsordnung, NJW 1983 S. 727 ff. BRUNS, Anmerkung zu LG Mühlhausen DR 1943 S. 902, in: DR 1943 S. 903. CALLIESS, Der Begriff der Gewalt im Systemzusammenhang der Straftatbestände, 1974. DAHM, Täterschaft und Teilnahme im Amtlichen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches, 1927. D E U B N E R , Anmerkung zu BVerfG NJW 1972 S. 327, in: NJW 1972 S. 814. DINGELDEY, Anmerkung zu B G H NStZ 1982 S. 158, in: NStZ 1982 S. 160f. BÄRWINKEL,

Referendarhausarbeit

151

Der Paragraph mit dem Januskopf, in: Festschrift für Wilhelm Gallas, 1973, S. 307 ff. D R E H E R / T R Ö N D L E , Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 4 1 . Aufl. 1 9 8 3 . EILSBERGER, Die Kölner Straßenbahnblockade - B G H , N J W 1 9 6 9 , 1 7 7 2 , in: JuS 1 9 7 0 S. 1 6 4 ff. E N G I S C H , Einführung in das juristische Denken, 7. Aufl. 1977. FRANK, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1 8 . Aufl. 1 9 3 1 . F U C H S , Kritische Erörterung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, GA 1881 S. 169 ff. FURTNER, Rechtliche Vollendung und tatsächliche Beendigung bei einer Straftat, JR 1966 S. 169 ff. GALLAS, Pflichtenkollision als Schuldausschließungsgrund, in: Festschrift für Edmund Mezger, 1954, S. 311 ff. G E I L E N , Neue Entwicklung beim strafrechtlichen Gewaltbegriff, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 445 ff. GREFFENIUS, Täter aus Überzeugung, Täter aus Gewissensnot, 1969. G R I M M , JACOB UND W I L H E L M , Deutsches Wörterbuch, 1. Band, 1 8 5 4 . GRÜNWALD, Die Beteiligung durch Unterlassen, G A 1 9 5 9 S . 1 1 0 ff. DERS., Zur gesetzlichen Regelung der unechten Unterlassungsdelikte, ZStW 70 (1958) S. 411 ff. H A F F K E , Gewaltbegriff und Verwerflichkeitsklausel, ZStW 84 (1972) S. 37 ff. H A R D W I G , Zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, GA 1 9 5 4 S . 3 5 3 ff. DERS., Zur Systematik der Tötungsdelikte, GA 1954 S. 257 ff. HAU, Die Beendigung der Straftat und ihre rechtlichen Wirkungen, 1974. H E R Z B E R G , Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, 1 9 7 2 . DERS., Grundfälle zur Lehre von Taterschaft und Teilnahme, JuS 1974 S. 237 ff., S. 374 ff., S. 574 ff., JuS 1976 S. 40 ff. ISENBECK, Beendigung der Tat bei Raub und Diebstahl, NJW 1965 S. 2326ff. JAKOBS, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1 9 8 3 . JESCHECK, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 3 . Aufl. 1 9 7 8 . DERS., Wesen und rechtliche Bedeutung der Beendigung der Straftat, in: Festschrift für Hans Welzel, 1974, S. 683 ff. KAUFMANN, A R M I N , Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1 9 5 9 . DERS., Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der Begehung, JuS 1961 S. 173 ff. KAUFMANN, A R T H U R / H A S S E M E R , W I N F R I E D , Der Überfallene Spaziergänger, JuS 1964 S. 151 ff. KELLER, Strafrechtlicher Gewaltbegriff und Staatsgewalt, 1 9 8 2 . KLUSSMANN, Über das Verhältnis von fahrlässiger Brandstiftung (§ 3 0 9 StGB) und nachfolgender vorsätzlicher Brandstiftung (§ 308 StGB) durch Unterlassen, M D R 1974 S. 187 ff. K O H L R A U S C H / L A N G E , Strafgesetzbuch, 43. Aufl. 1961. KREY, Strafrecht, Besonderer Teil, Band 2, 5. Aufl. 1983. DERS., Probleme der Nötigung mit Gewalt - dargelegt am Beispiel des Fluglotsenstreiks, JuS 1974 S. 418 ff. KÜHL, Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts, 1974. DREHER,

152

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 1 5 . Aufl. 1 9 8 3 . Die Problematik der Gleichstellung von Handeln und Unterlassen im Strafrecht, ZStW 79 (1967) S. 476 ff. LEIPZIGER K O M M E N T A R , Strafgesetzbuch, 9. Aufl., hrsgeg. von Baldus und Willms, 1973 ff. (zit.: Bearbeiter, LK, 9. Aufl.). DERS., Strafgesetzbuch, 10. Aufl., hrsgeg. von Jescheck, Ruß und Willms, 1979ff. (zit.: Bearbeiter, LK). LOEWENHEIM, Anstiftung durch Unterlassen, 1 9 6 2 . L U H M A N N , Rechtssoziologie, Band 1 , 1 9 7 2 . M A R T I N , Zur strafrechtlichen Beurteilung „passiver Gewalt" bei Demonstrationen, in: Festschrift „25 Jahre Bundesgerichtshof", 1975, S. 211 ff. M A U R A C H / Z I P F , Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 1 , 6 . Aufl. 1 9 8 3 . M A U R A C H / G Ö S S E L / Z I P F , Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 5. Aufl. 1978. M A U R A C H / S C H R O E D E R , Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband 2 , 6 . Aufl. 1 9 8 1 . M A Y E R , H E L L M U T H , Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1967. M E Y E R , D I E T E R , Das Erfordernis der Kollusion bei der Anstiftung, 1 9 7 3 . DERS., Der mißverständliche Bestechungsversuch, JuS 1970 S. 529 ff. DERS., Anstiftung durch Unterlassen?, M D R 1975 S. 981 ff. M E Y E R - B A H L B U R G , Beitrag zur Erörterung der Unterlassungsdelikte - Um echte und unechte Unterlassungsdelikte, 1962. M Ü H L M A N N / B O M M E L , Das Strafgesetzbuch an Hand der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Praxis, 1949. M Ü L L E R - D I E T Z , Gewissensfreiheit und Strafrecht, in: Festschrift für Karl Peters, 1974, S. 91 ff. DERS., Zur Entwicklung des strafrechtlichen Gewaltbegriffs, GA 1974 S. 33 ff. VON OLSHAUSEN, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2 . Band, 1 1 . Aufl. 1 9 2 7 . OTT, Anmerkung zu BGH NJW 1969 S. 1770 ff., in: NJW 1969 S. 2023 f. OTTO, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre (A.T.), 2. Aufl. 1982. DERS., Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte (B.T.), 1977. DERS., Personales Unrecht, Schuld und Strafe, ZStW 87 (1975) S. 539 ff. DERS., Vorangegangenes Tun als Grundlage strafrechtlicher Haftung, NJW 1974 S. 529 ff. PALANDT, Bürgerliches Gesetzbuch, bearbeitet von Bassenge, Diederichsen, Edenhofer, Heinrichs, Heldrich, Keidel, Putzo, Thomas, 42. Aufl. 1983 (zitiert: Palandt/Bearbeiter). P E T E R S , Überzeugungs- und Gewissenstäter, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 257ff. PLATZGUMMER, Die Bewußtseinsform des Vorsatzes, 1 9 6 4 . PREISENDANZ, Strafgesetzbuch, Lehrkommentar, 3 0 . Aufl. 1 9 7 8 . R A N F T , Hilfspflicht und Glaubensfreiheit in strafrechtlicher Sicht, in: Festschrift für Erich Schwinge, 1973, S. 111 ff. R O G A L L , Die verschiedenen Formen des Veranlassens fremder Straftaten, GA 1979 S. 11 ff. LACKNER,

LAMPE,

Referendarhausarbeit

153

Zur einfachen Sachbeschädigung aus § 303 des Reichsstrafgesetzbuches, 1914, Nachdruck 1977. R O X I N , Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. 1975. R U D O L P H I , Fälle zum Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1983. SAX, Dogmatische Streifzüge durch den Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission, ZStW 69 (1957) S. 412 ff. SCHAFFSTEIN, Der Maßstab für das Gefahrurteil beim rechtfertigenden Notstand, in: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns, 1978, S. 89ff. SCHEUFELE, Formelle Vollendung und tatsächliche Beendigung von Straftaten, 1970. SCHEWE, Bewußtsein und Vorsatz, 1 9 6 7 . SCHMIDHÄUSER, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch, 1982. DERS., Uber Aktualität und Potentialität des Unrechtsbewußtseins, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 317ff. S C H Ö N E , Unterlassene Erfolgsabwendung im Strafrecht, 1974. S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R , Strafgesetzbuch, Kommentar, bearbeitet von Cramer, Eser, Lenckner, Stree, 21. Aufl. 1982 (zitiert: Schönke/Schröder/Bearbeiter). S C H R O E D E R , F R I E D R I C H - C H R I S T I A N , Der Täter hinter dem Täter, 1965. DERS., Schreien als Gewalt und Schuldspruchberichtigung durch Beschluß BGH, NJW 1982, 189, in: JuS 1982 S. 491 ff. SCHÜNEMANN, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, 1 9 7 1 . S O N N E N , Hausfriedensbruch und Nötigung durch Störung von Universitätsveranstaltungen, JA 1982 S. 217 ff. STRATENWERTH, Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 1981. DERS., Anmerkung zu OLG Hamm JZ 1961 S. 94f., in: JZ 1961 S. 95ff. STREE, Teilnahme am Unterlassungsdelikt, GA 1963 S. 1 ff. DERS., Beschädigung eines Polizeistreifenwagens - BGHSt 31, 185, in: JuS 1983 S. 837ff. Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, bearbeitet von Rudolphi, Horn, Samson, Schreiber, 3. Aufl. 1981 ff. (zitiert: Bearbeiter, SK). T R Ö N D L E , Einheit und Vielfalt des Strafrechts, J R 1 9 7 4 S. 2 2 1 ff. U L M E R , Die deliktische Haftung aus der Übernahme von Handlungspflichten, JZ 1969 S. 163 ff. V O G T , Das Pflichtenproblem der kommissiven Unterlassung, ZStW 6 3 ( 1 9 5 1 ) S. 3 8 1 ff. W E L Z E L , Das Deutsche Strafrecht, 1 1 . Aufl. 1 9 6 9 . WESSELS, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1 3 . Aufl. 1 9 8 3 . DERS., Strafrecht, Besonderer Teil 1, 7. Aufl. 1983. DERS., Strafrecht, Besonderer Teil 2, 6. Aufl. 1983. WIDMAIER, Der mißverständliche Bestechungsversuch, JuS 1970 S. 241 ff. W I N K L E R , Vollendung und Beendigung des vorsätzlichen Verbrechens, 1 9 6 5 . ROMMEL,

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3. Teil: Einübung in die Failbearbeitung

D . Gutachten 1. Teil: Der Kirchenbrand in X bis zur Ankunft der Feuerwehr aus Y I. Die Strafoarkeit des K 1. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13' D a d u r c h , d a ß K es unterließ, den Einsatzbefehl: „Wasser marsch", zu geben, kann er sich wegen einer schweren B r a n d s t i f t u n g d u r c h U n t e r lassen s t r a f b a r gemacht haben, §§ 306 N r . 1, 13. - Dies ist d a n n der Fall, w e n n er ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes G e b ä u d e in Brand gesetzt hat. a) Eine Kirche ist ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes G e b ä u d e . Die Kirche hat auch gebrannt. Problematisch ist es aber, ob K die Kirche in Brand gesetzt hat. In Brand gesetzt ist eine Sache, w e n n sie vom Feuer d e r a r t e r f a ß t ist, d a ß ein selbständiges Weiterbrennen der Sache nach Erlöschen des Z ü n d s t o f f e s möglich ist 2 . D a K das Feuer nicht selbst gelegt hat, k ö n n t e er sich aber nur d a n n einer schweren B r a n d s t i f t u n g schuldig gemacht haben, w e n n das „In Brand setzen" auch durch das pflichtwidrige Unterlassen von Löscharbeiten eines schon b r e n n e n d e n G e b ä u d e s verwirklicht werden k a n n . aa) W i r d der Begriff „In Brand setzen" streng nach seinem natürlichen Wortsinn ausgelegt, so scheint die Möglichkeit einer Inbrandsetz u n g eines schon b r e n n e n d e n G e b ä u d e s d u r c h bloßes Nichtstun ausgeschlossen zu sein. Bei einem b r e n n e n d e n O b j e k t kann z w a r der Brand intensiviert werden, das O b j e k t selbst aber nicht m e h r „In Brand gesetzt werden" 3 . - Fraglich ist aber, o b der „natürliche W o r t sinn" hier verbindlich ist, denn so eindeutig ist er nicht, d a ß er jede andere Auslegung n o t w e n d i g ausschließt. bb) D e n Gesetzesmaterialien u n d der Gesetzessystematik ist keine Begrenzung des „In Brand Setzens" streng auf die Verursachung des Brandes zu e n t n e h m e n . Maßgeblich ist d a n n aber nach der weithin a n e r k a n n t e n teleologischen Auslegungsmethode 4 , welche noch mit der W o r t b e d e u t u n g in Einklang stehende Auslegung den wirksamsten, vom Gesetzgeber gewollten Rechtsgüterschutz gewährleistet. 1

Nicht näher bezeichnete §§ sind solche des StGB.

2

RGSt71 S. 194; BGHSt 18 S. 363; DREHER/TRÖNDLE, § 306 R d n . 6; OTTO, G r u n d k u r s Strafrecht, B.T., § 79 I 2b; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 306 R d n . 9; WELZEL, L b . , § 6 7 I l b ; WOLFF, L K , § 3 0 6 R d n . 2. 3 LG Mühlhausen D R 1 9 4 3 S. 9 0 2 ; BRUNS, D R 1 9 4 3 S. 9 0 3 ; DREHER/ TRÖNDLE, § 3 0 6 R d n . 6; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 3 0 6 R d n . 13; WOLFF,

LK, § 306 Rdn. 2; a.A. OLG Hamm]Z 4

Vgl. d a z u ENGISCH, S. 83.

1961 S. 94.

155

Referendarhausarbeit

Nach allgemeiner Ansicht ist § 306 ein sog. abstraktes Gefährdungsdelikt 5 . Es dient dem Schutz der Mitglieder der Rechtsgesellschaft vor Verhaltensweisen, denen eine generelle Brandgefährdung eigen ist 6 . Aufgrund allgemeinen Erfahrungswissens - nach Ansicht des Gesetzgebers - sind Brandgefahren besonders geeignet, schwere Beeinträchtigungen von Vermögensgütern und Verletzungen von M e n schen herbeizuführen. Deshalb k n ü p f t die Strafbarkeit schon an die gefährliche Verhaltensweise an, unabhängig von einer tatsächlichen Realisierung der Gefährdung 7 . Unter dem Aspekt dieser G e f ä h r d u n g ist es bedeutungslos, ob eine G e f a h r begründet oder eine vorhandene Gefahr intensiviert wird. Die besondere G e f ä h r d u n g ist auch zu besorgen, wenn ein schon bestehender Brandherd durch Intensivieren vergrößert wird, gleichgültig, ob durch aktives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen der Erfolgsabwendung. Für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales „In Brand setzen" genügt daher auch ein Unterlassen der Erfolgsabwendung, wenn dieses zu einer Intensivierung der Brandgefahr führt 8 . b) Nach dem Sachverhalt hätte sogar der erst später mögliche Einsatz der Feuerwehr aus Y wesentliche Teile der Kirche gerettet. Das Unterlassen des Einsatzbefehls hat die Brandgefahr demnach intensiviert. - Die im Tatbestand des § 306 Nr. 1 beschriebene Rechtsgutsverletzung ist somit eingetreten. c) K hatte auch die faktische Möglichkeit, diesen Erfolg zu vermeiden. d) Der Erfolg könnte aber dem K nur dann zugerechnet werden, wenn er eine Garantenpflicht gegenüber dem beeinträchtigten Rechtsgut hatte und es pflichtwidrig unterlassen hat, die Gefahr f ü r das Rechtsgut zu vermindern bzw. abzuwenden, § 13. 5

BGH

b e i H o l t z , M D R 1 9 8 2 S. 6 8 4 ; DREHER/TRÖNDLE, 3 0 6 R d n . 1; LACK-

NER, StGB, § 306 Anm. 1; OTTO, Grundkurs Strafrecht, B.T., § 79 II 1; WOLFF, LK, § 306 Rdn. 3; enger: SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, Vorbem. §§ 306ff. Rdn. 3a m.w.N. '

D a z u : BREHM, JUS 1 9 7 6 S . 2 4 ; DREHER/TRÖNDLE, § 3 0 6 R d n .

1; H A U ,

S. 9 4 . 7

DREHER/TRÖNDLE, V o r § 3 0 6 R d n .

1; KÜHL, S. 1 0 5 ; OTTO,

Grundkurs

Strafrecht, A . T . , § 4 IV 2b; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, Vorbem. §§ 306 ff. Rdn. 3a f. 8 OTTO, Grundkurs Strafrecht, B.T., § 79 VII 3; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 3 0 6 R d n . 12; STRATENWERTH, J Z 1 9 6 1 S . 9 6 ; WOLFF, L K , § 3 0 6 R d n . 2 .

Für § 308: Ä G J W 1928 S. 2464; OGHSt

1 S. 319; KLUSSMANN, M D R 1974

S. 1 8 9 . F ü r § 3 0 9 : BRUNS, D R 1 9 4 3 S. 9 0 3 ; H A U , S. 1 9 5 ; KÜHL, S. 1 0 5 .

156

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Ob ein Feuerwehrmann gegenüber einem brennenden Objekt eine derartige Garantenpflicht hat, erscheint fraglich. Die Rechtsprechung hat - soweit ersichtlich - nur einmal eine Garantenpflicht eines Feuerwehrmannes angenommen, allerdings ohne jegliche Begründung 9 . aa) Eine Mindermeinung verlangt für die Bestrafung wegen eines unechten Unterlassungsdeliktes einen eigenen „Garantengebotstatbestand". D a die Tatbestände des Strafgesetzbuches sich nur auf Begehungsdelikte erstrecken, müßte der Gesetzgeber die Unterlassung ausdrücklich unter Strafe gestellt haben, wenn den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 G G genügt werden soll 10 . Diese Bedenken sind aber durch die Einführung der Gleichstellungsklausel in § 13 weitgehend behoben 11 , obwohl eine genaue gesetzgeberische Umschreibung der möglichen Garantenstellungen unmöglich ist 12 . Als bestimmbare normative Merkmale eines jeden Tatbestandes sind die Garantenstellungen zwar nicht ausformuliert, aber doch in den einzelnen Tatbestandsmerkmalen enthalten. Berücksichtigt man bei der Anwendung der Vorschrift die von der Rechtsprechung ausgearbeiteten allgemein anerkannten Grundsätze und wendet im Zweifel den Grundsatz „in dubio pro reo" an, so wird dadurch eine Ausweitung des Anwendungsbereiches und eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes verhindert 13 . Eine Einführung von besonderen „Garantengebotstatbeständen" erscheint deshalb nicht geboten. bb) Nach der heute üblichen Einteilung der Garantenpflichten in Pflichten aus Schutzfunktionen für Rechtsgüter und Uberwachungspflichten für Gefahrenquellen 14 kommt allein eine Garantenpflicht aus der erstgenannten Gruppe in Betracht, da K es übernommen haben könnte, für den Schutz bestimmter Rechtsgüter zu sorgen 15 .

1 S. 317.

'

OGHSt

10

S o : GRÜNWALD, Z S t W 7 0 ( 1 9 5 8 ) S . 4 1 7 , 4 2 5 ; A R M I N K A U F M A N N , U n t e r l a s -

s u n g s d e l i k t e , S . 2 8 2 ; DERS., J u S SCHÖNE, S. 2 8 0 , 11

MAURACH/GÖSSEL/ZIPF,

STREE, § 13 R d n .

1 9 6 1 S . 1 7 5 f . ; H . MAYER, A . T . , § 16 I I I 4 a ;

341. A.T.

II,

§ 46

II A

4b;

SCHÖNKE/SCHRÖDER/

5.

12

SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE, § 13 R d n . 6 m . w . N .

13

JAKOBS, A . T . , 29. Abschn. Rdn. 3 f f . , 6; OTTO, Grundkurs Strafrecht,

A . T . , § 9 I 5; RUDOLPHI, S K , § 13 R d n . 3 f f . 14

OTTO, G r u n d k u r s S t r a f r e c h t , A . T . , § 9 II, III; RUDOLPHI, S K , § 13

R d n . 24; im Ergebnis gleich, nur mit anderer Bezeichnung: JAKOBS, A . T . , 29. Abschn. Rdn. 2 6 f f . 15

OTTO, G r u n d k u r s S t r a f r e c h t , A . T . , § 9 II 3; RUDOLPHI, S K , § 13 R d n . 58;

S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / S T R E E , § 13 R d n . 2 6 f f .

Referendarhausarbeit

157

Unter Betonung, daß sozialethische oder soziologische Aspekte 16 bei der Würdigung zu beachten sind, wird die Grundlage der Begründung einer Garantenpflicht kraft Übernahme von Schutzfunktionen heute wesentlich in dem sog. „Vertrauensprinzip" gesehen. Eine die Garantenposition begründende Pflicht liegt nur dann vor, wenn der Garant für die Zukunft eine bestimmte Schutzfunktion übernehmen will, weshalb sich der darauf „Vertrauende" um keinen anderweitigen Schutz mehr bemüht 17 . Darüber hinaus werden teilweise noch weitere Kriterien gefordert: z. B. der Gegenstand der Verpflichtung müsse objektiv eine Schutzvorrichtung dieser Art erforderlich machen 18 oder die Übernahme die Gefahr für das Rechtsgut vergrößert haben 1 ', was von anderen zu Recht abgelehnt wird, da sonst aus der Schutzpflicht kraft Übernahme eine solche aus Ingerenz werden würde 20 . Den genannten Meinungen ist zuzugeben, daß das „Vertrauensprinzip" „ein" Kriterium für die Begründung einer Garantenstellung sein kann. Sie erklären aber nicht hinreichend, wie ein solches „Vertrauensverhältnis" zustande kommen und warum es eine solche Wirkung für den Übernehmer einer Schutzpflicht haben soll. cc) Eine andere Meinung verlangt, daß der Garant die Ursache für den Erfolg aktuell beherrscht 21 ; sie überträgt die „faktische Herrschaftsbeziehung", die die Erfolgszurechnung beim aktiven Tun begründen soll, auf die Unterlassungsdelikte 22 . Diese Übertragung ist aber unrichtig, denn die Erfolgszurechnung beim Begehungsdelikt beruht darauf, „daß sich für das individuelle Pflichtgefühl und die soziale Wertung mit der Herrschaft über den eigenen Körper eine er16

BÄRWINKEL, S . 9 5 f f . ; B L E I , H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S . 1 3 8 ; B Ö H M , J u S

1961

S . 1 7 9 ; HERZBERG, U n t e r l a s s u n g , S . 3 3 6 , 5 5 9 ; JESCHECK, A . T . , § 5 9 I V ; LAMPE, Z S t W 79 ( 1 9 6 7 ) S. 5 0 5 ; MAURACH/GÖSSEL/ZIPF, A . T . II, § 4 6 II C 3;

OTTO,

Grundkurs Strafrecht, A . T . , § 9 I 4b, aa-cc; STREE, H. Mayer-Festschrift, S. 158; VOGT, ZStW 63 (1951) S. 399f.; zivilrechtlich betrachtet: ULMER, J Z 1969 S. 171. 17 Grundlegend BÖHM, S. 75, 95; siehe weiter: BLEI, H. Mayer-Festschrift, S . 1 3 8 , 1 4 2 ; RUDOLPHI, S K , § 13 R d n .

58.

18

BLEI, H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S. 141.

19

BOCKELMANN, A . T . , § 1 7 B I 6 b ; R U D O L P H I , S K , § 1 3 R d n . 5 8 ;

HÄUSER, A . T . ,

16/25;

SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE,

§ 13 R d n .

SCHMID-

2 7 ; ULMER,

JZ

1 9 6 9 S . 1 7 1 ; WESSELS, A . T . , § 16 I I 5c. 20

BAUMANN, A . T . ,

BAHLBURG,

S.

70 f.;

§ 18 I I 3 b ;

HERZBERG, U n t e r l a s s u n g ,

STRATENWERTH,

A.T.,

Rdn.

Grundkurs Strafrecht, A . T . , § 9 II 3 in Beispiel c. 21

ScHÜNEMANN, S. 2 4 1 .

22

ScHÜNEMANN, S .

236.

998 ff.;

S. 352;

wohl

auch

MEYEROTTO,

158

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

höhte Verantwortlichkeit für die aus eigenen Körperbewegungen resultierenden Folgen verbindet!" 23 dd) Eine weitere Meinung will die Garantenposition - nach soziologischen Gesichtspunkten - dann bejahen, wenn, ausgehend von einem obersten Rechtswert, der Endzweck allen Rechts sei (das sog. Gemeinwohl, welches für ein gedeihliches Zusammenleben von allen Menschen von besonderer Dringlichkeit sei)24, eine aus einer sozialen Rollenfunktion begründete Pflicht zum Rechtsgüterschutz vorliegt 25 . Diese soziale Rolle ergibt sich aus der jeweiligen Stellung des Einzelnen in der Realität. Als vorgeformtes Verhaltensmuster soll sie normative Qualität haben 26 , ihre „Notwendigkeit" muß durch „objektive Bewertungskriterien" nachgewiesen werden 27 . Gegen diese Theorie spricht, daß der Begriff „Gemeinwohl" zu inhaltsleer ist, um als Kriterium zu gelten. Er ist nur dann inhaltlich faßbar, wenn er durch grundlegende Wertentscheidungen der Sozietät ausgefüllt wird 28 . Nur die Summe aller Wertentscheidungen läßt sich als Gemeinwohl bezeichnen. Da alle diese Entscheidungen dem Wandel der jeweiligen Anschauungen unterliegen oder erst getroffen werden müssen, läßt sich mit ihnen keine konkrete Wertentscheidung verbinden 29 . ee) Aus diesen Gründen ist dieses Wertungssystem - im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG - für eine Begründung einer Garantenposition zu ungenau. Weder ein allgemeines „Vertrauensprinzip" noch irgendwelche sozialen Rollen sind als Grundlage einer strafrechtlich relevanten Garantenpflicht geeignet; es muß vielmehr auf das konkrete Vertrauen im konkreten Einzelfall abgestellt werden, auf die einzelne konkrete Erwartung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis 30 . Nur ein gegenseitiges Erwarten von Erwartungen kann ein Vertrauensverhältnis begründen, da nur so der Einzelne in der Lage ist, fremde Erwartungen zu erwarten, um sie dann erfüllen zu können 31 . Haben die Erwartungen eine derartige Stärke, daß

23

S o HERZBERG, U n t e r l a s s u n g , S. 195; O T T O , N J W 1 9 7 4 S. 5 2 8 f f . , i n s b e s .

S. 5 3 1 . 24 25 16 27 28 29

30 31

BÄRWINKEL, S. 9 5 . BARWINKEL, S. 1 0 8 . BÄRWINKEL, S. 1 0 9 . BÄRWINKEL, S. 1 1 8 , 129. S o SCHÜNEMANN, S. 1 2 8 . S o SCHÜNEMANN, S. 129.

So OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 I 5. So OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 I 5; DERS., NJW 1974 S. 534;

LUHMANN, S. 3 5 .

Referendarhausarbeit

159

sie allgemein in bestimmten Positionen erwartet werden, d. h. sind sie in der Realität des täglichen Lebens nachweisbar und haben sich die einzelnen Mitglieder der Sozietät daran in ihrem Verhalten gegenüber anderen orientiert, dann wird durch die Verletzung dieser Erwartungserwartung das soziale Miteinander ebenso verletzt wie es durch die aktive Verletzung einzelner Rechtsgüter beeinträchtigt wird 32 . Erst durch ein so begründetes Vertrauen in die gemeinsame Verbundenheit mit den anderen Mitgliedern der Sozietät wird ein soziales Miteinander ermöglicht 33 . ff) Geht man nun von den eben aufgestellten Kriterien aus, dann läßt sich stringent aufzeigen, daß Feuerwehrleute als Garanten kraft tatsächlicher Übernahme besonderer Schutzpflichten anzusehen sind, wobei keine Unterschiede zwischen einer freiwilligen und einer Berufsfeuerwehr bestehen. Ein konkreter Ubernahmeakt ist hier nicht zu verlangen; er liegt schon in dem Beitritt zu der Organisation der Feuerwehr. In diesem Zeitpunkt wird der konkrete Vertrauenstatbestand der Sozietät begründet, daß derjenige, der - wenn auch freiwillig - in eine solche „Schutzorganisation" eintritt, den sich daraus ergebenden Schutzpflichten auch jederzeit nachkommen wird 34 . Der Einzelne erwartet von den Feuerwehrleuten, daß sie Brände verhindern oder löschen, um ihm so ein gefahrloses Leben zu ermöglichen. Um einen wirksamen Brandschutz zu haben, hat sich die Rechtsgemeinschaft eine Organisation geschaffen, sie mit bestimmten Werkzeugen und Materialien ausgestattet, ihr die Möglichkeit gegeben, in Gefahrensituationen in fremde Rechte anderer einzugreifen, damit die Angehörigen dieser Organisation ihrer Aufgabe - dem Schutz vor Brandgefahren - nachkommen können. Andererseits weiß auch der einzelne Feuerwehrmann, daß die anderen Bürger von ihm die Abwehr von Gefahren erwarten; er weiß, daß sie seine gefahrenabwendende Tätigkeit in ihr gesamtes Verhalten einplanen, daß sie auf seine Hilfe und Unterstützung vertrauen. Nur deshalb können sie anderen Tätigkeiten nachgehen, ohne sich jederzeit um einen „wirksamen Brandschutz" bemühen zu müssen, da in der Gefahrensituation die Feuerwehrleute helfend eingreifen werden, um Schäden für Leib, Leben und Eigentum für die jeweils Betroffenen so gering wie nur mög-

S o OTTO, G r u n d k u r s Strafrecht, A . T . , § 9 I 5. OTTO, Z S t W 87 (1975) S. 561. 3 4 SCHMIDHÄUSER, A . T . , 1 6 / 2 5 f. - D i e Schutzpflicht selbst ergibt sich aus den Feuerwehrgesetzen der einzelnen L ä n d e r , die eine Löschpflicht der G e meinden statuieren. 32

33

160

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

lieh zu halten. Die Feuerwehr ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Einheit der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft. Unterläßt es nun ein Einsatzleiter, der Feuerwehr die Anordnung zum Löschen eines Brandes zu geben, so schädigt er damit das Vertrauen der Rechtsgesellschaft in seine Schutzfunktion. gg) Als Einsatzleiter der Feuerwehr hatte K demnach eine Garantenstellung für die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben und auch Eigentum der Mitglieder der Sozietät. e) D a der Brand weiter um sich griff, nachdem K den Befehl zum Löschen nicht gegeben hatte, hat sich die Gefahr realisiert, die K abzuwenden verpflichtet war. Aufgrund seiner Garantenposition war er als Einsatzleiter verpflichtet, die entsprechenden Anordnungen zu geben, damit ein weitergehender Brandschaden verhindert würde. f) D a K wußte, daß durch sein Verhalten die Kirche schutzlos dem Feuer überlassen wurde, handelte er auch insoweit vorsätzlich. g) Das Verhalten des K könnte aber gerechtfertigt sein. aa) Notwehr, § 32, kommt nicht in Betracht, da keine Anhaltspunkte für einen Angriff i. S. des § 32 vorliegen, denn ein Angriff kann hier nur die drohende Rechtsgutsverletzung durch einen Menschen sein 35 . bb) Der zivilrechtliche Notstand gem. § 228 BGB kann das Verhalten des K nicht rechtfertigen, da dieser nur die Einwirkung auf Sachen - also Sachbeschädigungen - umfaßt 36 . Bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wie § 306 widerspricht eine Anwendung des § 228 B G B dem Schutzzweck dieser Norm 3 7 . Das Verhalten des K kann also nicht gemäß § 228 BGB gerechtfertigt werden. cc) Ebenso entfällt eine gem. § 904 B G B mögliche Rechtfertigung des K , da auch § 904 BGB nur Sachbeschädigungen rechtfertigen kann, nicht aber abstrakte Gefährdungen i. S. von § 306 38 . dd) Eine Rechtfertigung könnte somit nur noch gem. § 34 möglich sein. Es müßte dann eine Gefahr für K oder andere Personen vorgelegen haben, die nicht anders abwendbar gewesen wäre, als durch das „In Brand setzen" der Kirche durch Unterlassen der Anordnung zur Aufnahme der Löscharbeiten.

35

OTTO, G r u n d k u r s S t r a f r e c h t , A . T . , § 8 I I l a , b b ; SAMSON, S K , § 3 2

R d n . 5; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, § 32 R d n . 56

H . M . : PALANDT/HEINRICHS, § 228 A n m .

37

PALANDT/HEINRICHS, § 2 2 8 A n m .

2.

38

PALANDT/BASSENGE,

2b;

§ 904

Anm.

SAMSON,

SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, V o r § 32 R d n .

13.

1; SAMSON, S K , § 3 2 R d n .

68.

SK,

Vor

§

32

Rdn.

5. 33;

Referendarhausarbeit

161

Nach allgemeiner Ansicht liegt eine Gefahr dann vor, wenn tatsächlich festgestellte Umstände auf die Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses hinweisen 3 '. Für das dem Dorf X drohende Unheil kann aber nicht von einem solchen Umstand ausgegangen werden. Es lagen keine Anhaltspunkte vor, wie, wann, wo und wem eine Gefahr drohen würde, denn der Aberglaube war in seiner Andeutung des Unheils viel zu unbestimmt, um eine konkrete Feststellung tatsächlich möglicher schadensbringender Umstände zu gestatten. Auch läßt er sich nicht auf eine im Kernbereich wirklich gegebene Gefahr zurückführen. Das Verhalten des K kann nicht gem. § 34 gerechtfertigt werden, ee) Da andere Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich sind, kann das Verhalten des K nicht als gerechtfertigt angesehen werden. h) K könnte aber von der Annahme ausgegangen sein, sein Verhalten werde von der Rechtsordnung als erlaubt angesehen. Dieser Irrtum über die Erlaubtheit, Kirchen zur Abwendung größeren Unheils brennen zu lassen, könnte dann dazu geführt haben, daß K sich nicht der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt geworden war. Das Fehlen des materiellen Unrechtsbewußtseins könnte dann den Vorsatz des K ausgeschlossen haben. In Betracht kommen könnten hier zwei verschiedene Irrtümer. Aufgrund seiner Vorstellung, auch ein drohendes Unheil berechtige ihn zu der Brandstiftung durch Unterlassen, könnte sich K in einem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes befunden haben, da er geglaubt haben könnte, es würde eine Gefahrenlage im Sinne von § 34 bestehen; zum anderen könnte sich K in einem Irrtum über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes befunden haben, indem er annahm, auch die Abwehr einer nur drohenden Gefahr berechtige ihn zu seinem Verhalten. aa) Ein Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes setzt voraus, daß K sich hier über das Vorliegen der Merkmale des Tatbestandes des § 34 geirrt hat. Dann müßte K sich eine gegenwärtige Gefahrenlage vorgestellt haben, die nur durch sein tatbestandmäßiges Verhalten abgewendet werden könne. Zwar glaubte K an die Richtigkeit des Aberglaubens und deshalb auch an das Unheil. Er konnte sich aber allein aufgrund dieser allgemeinen Warnung keine konkreten Vorstellungen über die Art des Un" BGHSt 18 S. 2 7 2 ; LACKNER, S t G B , § 34 A n m . 2a; MAURACH/ZIPF, A . T . I, § 2 7 III 3; OTTO, G r u n d k u r s Strafrecht, A . T . , § 8 V I 2a; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, § 3 4 R d n . 12; u m f a s s e n d : SCHAFFSTEIN, B r u n s - F e s t s c h r i f t ,

S. 89 ff.

162

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

heils, den Zeitpunkt seines Eintretens und die möglicherweise gefährdeten Rechtsgüter machen. Es bestanden überhaupt keine Anhaltspunkte, die es dem K ermöglichen konnten, sich über das Unheil irgendwelche konkreten Vorstellungen zu machen. K konnte sich also keine tatsächlichen feststellbaren Umstände vorstellen, die die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignisses auch nur andeutungsweise erkennen ließen. U m einen Irrtum des K annehmen zu können, genügt nicht die Vorstellung über eine rein gedanklich mögliche Gefährdung - denn die besteht immer für alles mögliche sondern K hätte eine konkrete Gefahrensituation annehmen müssen, damit von einem Irrtum im hier interessierenden Sinne gesprochen werden könnte. D a K aber genau wußte, daß diese konkret feststellbaren Umstände nicht vorlagen, konnte er sich auch nicht irrtümlich konkrete Vorstellungen machen, sondern nur abstrakte und generell mögliche Gefährdungen annehmen. Diese Vorstellungen sind aber nicht geeignet, einen Irrtum über die „tatsächlichen" Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes hervorzurufen. bb) Möglich wäre aber noch ein Irrtum über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes 4 0 , indem K geglaubt haben könnte, daß auch bei rein gedanklich-abstrakten Gefahren die Rechtsordnung ihm eine Beeinträchtigung des Rechtsgutes des § 306 N r . 1 gestatten würde, wenn die andere Gefahr einen wesentlich größeren Schaden herbeiführen könnte. Gegen die Annahme eines solchen Irrtums über die Grenzen des § 34 bestehen aber folgende Bedenken: Wenn K zur Zeit seines tatbestandsmäßigen Verhaltens gewußt hat, daß die Rechtsordnung sein Verhalten nicht als „erlaubt" betrachtet, dann ist das materielle Unrechtsbewußtsein nicht ausgeschlossen, so daß ein Irrtum des K nicht vorliegen kann. Die Sozialschädlichkeit eines Verhaltens braucht dem Täter auch nicht andauernd derart bewußt zu sein, daß er „im Zeitpunkt der Tat daran gedacht hat" 4 1 . Ein aktuelles Bewußtsein von Tatumständen hat auch derjenige Täter, der sie jederzeit „mitweiß", sie

40 Dieser Irrtum wird auch als Irrtum über die Existenz eines nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes bezeichnet, da jede Ausdehnung des Anwendungsbereiches eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes gleichzeitig die Annahme der Existenz eines nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes ist. Die Unterscheidung ist nur begrifflicher Art; inhaltlich und praktisch bestehen keine Unterschiede. 41

§ 17

So auch: OTTO, Grundkurs Strafrecht, A . T . , § 7 II 2c; RUDOLPHI, S K ,

Rdn.

14.

Referendarhausarbeit

163

also o h n e eine Gedächtnisleistung r e p r o d u z i e r e n kann 4 2 . U n r e c h t s b e wußtsein liegt schon dann vor, w e n n der T ä t e r die Kenntnis der Sozialschädlichkeit bestimmter b e k a n n t e r Verhaltensweisen hat, w e n n er also das sog. „sachgedankliche" Unrechtsbewußtsein hat 4 3 . D a der Kernbereich der im Strafgesetzbuch pönalisierten Rechtsgutsverletzungen jedem Mitglied der Rechtsgesellschaft im L a u f e seiner persönlichen Entwicklungszeit b e w u ß t geworden ist 44 , weiß auch er, d a ß die R e c h t s o r d n u n g bestimmte Verhaltensweisen f ü r sozialschädlich erachtet. Ebenso ist ihm b e k a n n t , d a ß eine N i c h t b e f o l g u n g der Löschpflicht n u r d a n n als „erlaubt" betrachtet wird, wenn es das einzige Mittel ist, um einer noch g r ö ß e r e n G e f a h r wirksam zu begegnen. D a K aber auch seinerseits nicht vom Bestehen einer solch k o n k r e t e n G e f a h r ausging, ist ihm zumindest „mitbewußt" gewesen, d a ß er hier den ihm von der R e c h t s o r d n u n g z u g e s t a n d e n e n H a n d l u n g s s p i e l r a u m überschreitet. Er glaubte, die Situation besser beurteilen zu k ö n n e n als andere. Deshalb hat er b e w u ß t die G r e n z e n des sozialangemessenen Verhaltens erweitert, da er der Ü b e r z e u g u n g war, er k ö n n e in dieser Situation sachgerechter entscheiden als die starren N o r m e n des Rechts, denn diese k o n n t e n ihm nicht die „Befugnis" geben, den Kirchenbrand o h n e k o n k r e t e n Anlaß nicht löschen zu lassen. Von einem eventuellen I r r t u m des K kann hier deshalb nicht ausgegangen werden, vielmehr ist K als Ü b e r z e u g u n g s t ä t e r anzusehen. Allgemein a n e r k a n n t ist, d a ß ein solcher T ä t e r sich nicht in einem I r r t u m über die G r e n z e n eines a n e r k a n n t e n Rechtfertigungsgrundes befindet, sondern, d a ß er sich vielmehr b e w u ß t über das Pflichtansinnen der k o n k r e t e n N o r m hinwegsetzt 4 5 . Diese Ansicht ist deshalb richtig, weil derjenige, der sich a u f g r u n d einer abweichenden Wert u n g gegen ein Rechtsgut entscheiden zu müssen glaubt, auch bereit

42

BayObLG NJW 1977 S. 1974f.; OLG Köln NJW 1978 S. 652f.;

OTTO,

Grundkurs Strafrecht, A . T . , § 7 II 3; PLATZGUMMER, S. 84 ff.; RUDOLPHI, SK,

§ 16 Rdn. 24 f., § 17 Rdn. 14. 43 OTTO, G r u n d k u r s S t r a f r e c h t , A . T . , § 7 I I 3; PLATZGUMMER, S. SCHEWE, S. 193; SCHMIDHÄUSER, H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S. 3 3 1 .

88;

44

OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., § 15 II 2d, bei der Erläuterung von Fall 4. 45 H . M . vgl. nur: BGHSt 2 S. 197; 4 S. 3; BGH MDR 1973 S. 901; BAUMANN, A . T . , S. 3 7 6 ; GALLAS, M e z g e r - F e s t s c h r i f t , S. 3 1 9 Fn. 3; LACKNER, S t G B ,

§ 17 Anm. 2a; OTTO, Grundkurs Strafrecht, A . T . , § 15 II 2b; RUDOLPHI, SK, § 17 R d n . 22; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 17 R d n . 7.

164

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

sein muß, seine abweichende Entscheidung zu überprüfen 46 , denn eine Überzeugung kann jederzeit neu überdacht und umgebildet werden 47 . Zwar kann die Rechtsordnung einen verallgemeinerungsfähigen Konflikt berücksichtigen 48 , was aber deshalb nicht bedeutet, daß der Inhalt dieser Entscheidung als richtig akzeptiert wird 49 . Auch gegenüber abweichenden Wertungen des Einzelnen muß die Rechtsordnung an ihren Verhaltensnormen und den sie tragenden Werturteilen festhalten 50 , will sie nicht als unverbindliche Empfehlung betrachtet werden 51 . Diese Verpflichtungskraft wird erst recht bedeutsam, wenn es um wichtige Lebensgüter des Individuums oder der Gemeinschaft geht 52 . Da die Rechtsordnung es für unerläßlich hält, das Unterlassen von Löschpflichten - wegen der damit verbundenen immensen Gefährdungsmöglichkeiten - nur dann ausnahmsweise zu gestatten, wenn es um die Abwendung noch größerer Gefahren geht, verlangt sie auch zu Recht, daß für das Vorliegen dieser letzteren Gefahr tatsächlich festgestellte Umstände sprechen. Diese müssen dann schon so beschaffen sein, daß sie auch ein - nicht von der Richtigkeit des jeweiligen Aberglaubens überzeugter - Dritter erkennen kann. Aus diesen Gründen hat der Aberglaube des K keinen Einfluß auf sein Unrechtsbewußtsein, denn K wußte sehr wohl, daß die Rechtsordnung ihm in dieser konkreten Situation nicht die Einstellung der Löscharbeiten erlaubt. cc) K befand sich nicht in einem Irrtum über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes, er setzte vielmehr seine Wertung an die Stelle der Wertung der Rechtsordnung. Da er auch das sog. „sachgedankliche" Unrechtsbewußtsein hatte, ist sein „Irrtum" nicht geeignet, das Vorliegen des Bewußtseins der Sozialschädlichkeit zu verneinen. i) Es könnten aber Bedenken gegen die Schuld des K bestehen, da er glaubte, mit seinem Verhalten das Dorf X vor großem Schaden zu bewahren. aa) Ein entschuldigender Notstand gem. § 35 entfällt hier schon mangels einer gegenwärtigen Gefahr, da das Vorliegen einer Gefahr 46

S.

PETERS,

H . Mayer-Festschrift,

S.

267;

RANFT,

Schwinge-Festschrift,

125. 47

S o PETERS, H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S. 2 7 9 .

48

S o SCHMIDHÄUSER, A . T . ,

4

7/77.

' RUDOLPHI, Fälle, S. 4 8 ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, V o r b e m . §§ 3 2 f f .

Rdn.

118.

50

Vgl. die Autoren in Fn. 49.

51

SOJESCHECK, A . T . , § 3 7 II 3.

" Vgl. dazu RANFT, Schwinge-Festschrift, S. 121.

165

Referendarhausarbeit

hier nach denselben Kriterien zu beurteilen ist wie beim rechtfertigenden Notstand gem. § 3453. Eine nur angenommene Gefahr reicht auch hier nicht aus54. bb) Auch ein Irrtum über das Vorliegen einer Gefahr kann hier nicht in Betracht kommen, da K genau gewußt hat, daß keine konkrete Gefahrenlage bestand 55 . cc) K hatte das sog. formelle Unrechtsbewußtsein 56 , da er auch wußte, daß er gegen eine Norm des Strafgesetzbuches verstößt, wenn er es unterläßt, den Brand zu löschen. Ein Verbotsirrtum im Sinne von § 17 liegt aus diesem Grunde nicht vor 57 . dd) Obwohl K das Unrecht seines Verhaltens durch Befolgung der Erfolgsabwendungspflicht vermeiden konnte, könnte es nach einer vom BVerfG vertretenen Ansicht verboten sein, dem K seine unter Umständen bestehende Schuld vorzuwerfen, wenn er sich in einem Gewissenskonflikt zwischen einer Rechtsnorm und der eigenen Ansicht befindet 58 . Gegen eine solche Schuldminderung bzw. Entschuldigung könnten aber bei der Verwirklichung eines Straftatbestandes aufgrund Aberglaubens Bedenken bestehen. Berücksichtigt man das Bekenntnis des Grundgesetzes zu Gott und der Menschenwürde und zu den Grundsätzen einer christlich-abendländischen Ethik 59 , so erscheint die Begünstigung eines Aberglaubens - als eine vom Glauben abweichende Form, die über den wahren Glauben hinaus oder daran vorbei geht 60 - zumindest zweifelhaft. Die nach Art. 4 Abs. 1 GG garantierte Glaubensfreiheit gibt dem Einzelnen das Recht, sein gesamtes Leben nach seinem Glauben zu gestalten und sich dementspre-

53

Vgl. z.B.

54

LACKNER,

58

BVerfGE

S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / L E N C K N E R , § 35 Rdn. 14 m.w.N. StGB, § 35 Anm. 2a. 55 Vgl. dazu oben I lh. 56 Vgl. zu der Unterscheidung von formellem und materiellem Unrechtsbewußtsein: OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., § 14 IV. 57 A . A . D E U B N E R , N J W 1 9 7 2 S. 8 1 4 . Er hält den abergläubischen Täter für so wirklichkeitsfremd, daß dieser rationalen Argumenten nicht mehr folgen könne und sich deshalb in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befinde. Hier wäre jedoch, wenn der Täter so wirklichkeitsfremd ist, wie D E U B N E R behauptet, ein Ausschluß der Schuld nach den in den §§ 20, 21 genannten Voraussetzungen gegeben. 3 2 S . 9 8 f f . , i n s b e s . S. 1 0 6 f f . ; BOPP, S. 2 2 8 ; O T T O ,

Strafrecht, A.T., §

II

Grundkurs

SK, Vor § 1 9 Rdn. 7 ; DERS., Fälle, S. S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / L E N C K N E R , Vorbem. §§ 3 2 f f . Rdn. 1 2 0 . 5 ' Vgl. nur BVerfGE 3 2 S . 1 0 8 ; PETERS, H . Mayer-Festschrift, S . 2 6 8 . 60 Grimms Wörterbuch, 32. Spalte. 14

3; RUDOLPHI,

48;

166

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

chend zu verhalten. Dennoch muß bei dem Schutz der Gewissensoder Glaubensfreiheit als verfassungsimmanente Schranke auch die für den Staat wesentliche Existenz von Gemeinschaftswerten berücksichtigt werden 61 . Zwar schützt Art. 4 Abs. 1 G G alle subjektiv als absolut zwingend erfahrenen grundsätzlichen Wertentscheidungen ohne Rücksicht auf ihre jeweilige sittliche oder religiöse Herkunft 6 2 , aber er ist nicht dazu da, bloße Meinungen und Überzeugungen zu Gewissensfragen hochzustilisieren 63 . Deshalb muß zwischen Uberzeugungs- und Gewissenstätern unterschieden werden 64 . Nur bei letzterem handelt es sich um einen Konflikt, der sich an den Kategorien Gut und Böse orientiert und den Täter so verpflichtet, daß er gegen sein Gewissen nur unter Selbstaufgabe seiner Person als verantwortlich lebender Mensch entscheiden kann 65 , während der Uberzeugungstäter nur über Richtigkeit und Zweckmäßigkeit seines Verhaltens entscheidet 66 . Aus der Beschränkung des Anwendungsbereiches des vom BVerfG „geschaffenen" Entschuldigungsgrundes auf reine Gewissenstäter folgt auch keine Einschränkung der Glaubensfreiheit des Einzelnen; solange er nicht Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit verletzt, hat er die unbeschränkbare Möglichkeit, seinen Glauben auszuüben. Darüber hinausgehend kann er sich aber nicht auf den Schutz des Art. 4 Abs. 1 G G berufen, da auch hier berücksichtigt wird, daß diejenigen, die diesem Glauben nicht folgen, auf die Einhaltung des Strafrechts als überindividueller Ordnung vertrauen. Der Uberzeugungstäter kann sich deshalb nur dann auf diesen „Entschuldigungsgrund" berufen, wenn er eine Gewissensentscheidung, die dem des Gewissenstäters vergleichbar ist, getroffen hat. Eine solche Entscheidung mußte K aber nicht treffen. Wäre er seiner Handlungspflicht nachgekommen, so hätte das keine nachteiligen Wirkungen auf seine Persönlichkeit gehabt. Der Aberglaube hatte nicht den umfassenden Einfluß auf das Leben des K, daß die Nichtbefolgung des Verhaltensvorschlages des Aberglaubens einer Selbstaufgabe der eigenen Person als verantwortlich lebender Mensch gleichkommen würde. K kann deshalb nicht als Gewissenstäter im Sinne des vom BVerfG „geschaffenen" Entschuldigungsgrundes angesehen werden. 61

"

MÜLLER-DIETZ, Peters-Festschrift, S. 96. Vgl. MÜLLER-DIETZ, Peters-Festschrift, S. 95 m.w.N. in Fn. 15.

63

S o a u c h TRÖNDLE, J R

64

S o GREFFENIUS, S . 6 4 , 6 8 ; PETERS, H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S .

65

Vgl. BVerfGE 12 S. 55; PETERS, H . Mayer-Festschrift, S. 2 6 9 f . So PETERS, H . Mayer-Festschrift, S. 272.

66

1974 S.

225. 263.

167

Referendarhausarbeit

j) Das Verhalten des K kann daher nicht als entschuldigt angesehen werden. K ist als Unterlassungstäter einer schweren Brandstiftung gemäß den §§ 306 Nr. 1 , 1 3 schuldig. 2. Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13 a) D a die Kirche, als ein in fremdem Eigentum stehendes Gebäude ein mit Grund und Boden verbundenes Bauwerk 67 - , infolge des Verhaltens des K weiter brannte, hat K vorsätzlich den tatbestandlich beschriebenen Erfolg durch Nichtbefolgen seiner Erfolgsabwendungspflicht (Garantenpflicht) herbeigeführt. b) Die Erörterung einer Rechtfertigung gem. § 228 BGB oder § 904 BGB erübrigt sich, da - wie oben nachgewiesen wurde 6 8 - keine G e f a h r f ü r eine Sache bestand. Das aber ist gerade Voraussetzung f ü r eine Rechtfertigung einer Sachbeschädigung, denn § 308, 1. Alt. ist nach einhelliger Meinung ein - wenn auch qualifiziertes - Sachbeschädigungsdelikt 6 9 . Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich 70 . c) Da auch keine Schuldausschließungsgründe vorliegen 71 , hat sich K einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13, schuldig gemacht. 3. Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13 Durch das pflichtwidrige Unterlassen der Erfolgsabwendungspflicht brannte die Kirche weiter aus, weshalb sich K einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13, schuldig gemacht haben könnte, a) Dann müßte K fremde Sachen beschädigt haben. Sachen im Sinne von § 303 sind nur körperliche Gegenstände (vgl. auch § 90 BGB) 72 , gleichgültig, ob beweglich oder unbeweglich 73 , während Sachgesamtheiten dann in den Schutzbereich des § 303 fal-

67

OGHSt

1

S.

53;

FRANK, § 2 4 3

Anm.

III

la;

LACKNER,

StGB, §

243

A n m . 4 a , aa; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, § 2 4 3 R d n . 7; WOLFF, L K , § 3 0 5 R d n . 3. 68

Vgl. dazu oben lg, bb, cc. " Vgl. dazu DREHER/TRÖNDLE, § 308 Rdn. 2; OTTO, Grundkurs Strafrecht, B . T . , § 4 7 II 2; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 3 0 8 R d n . 70 71

1.

Vgl. dazu oben lg, dd. Vgl. dazu oben Ii.

72

SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, § 2 4 2 R d n . 3; WOLFF, L K , § 3 0 3 R d n . 2.

73

Vgl. dazu DREHER/TRÖNDLE, § 303 Rdn. 1; OTTO, Grundkurs Strafrecht,

B . T . , § 4 7 I l a ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE, § 3 0 3 R d n .

5.

168

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

len, wenn sie eine funktionelle Einheit bilden 74 , nicht aber, wenn sie nur eine wirtschaftliche Einheit bilden 75 . Deshalb kann eine Kirche, die sich aus einer Vielzahl selbständiger Sachen zusammensetzt, nicht unter den Schutzbereich des § 303 fallen. Es sind aber die einzelnen Einrichtungsgegenstände der Kirche z. B. Altar, Kanzel, Sitzbänke usw. - beschädigt worden, denn es muß davon ausgegangen werden, daß das Feuer sich nicht nur auf das Gebäude selbst beschränkte, sondern auch das Inventar erfaßt und dadurch in seiner Brauchbarkeit beeinträchtigt hat. b) Da die Sachbeschädigung als reines Erfolgsdelikt nur die Herbeiführung des Unrechtserfolges bestraft, ohne besondere Tatmodalitäten zu beschreiben, ist sie auch durch Unterlassen „begehbar" 76 , wobei außer einer Garantenstellung keine weiteren Anforderungen gestellt werden, da das Unterlassen hier dem Sinngehalt des positiven Tuns entspricht. K hatte auch - wie oben dargelegt - die faktische Möglichkeit, die weitere Beschädigung der einzelnen Einrichtungsgegenstände zu vermeiden. c) Eine Garantenpflicht zur Abwendung dieses Erfolges liegt vor 77 . d) Infolge der Nichtbefolgung dieser Erfolgsabwendungspflicht hat sich auch die Gefahr realisiert, die K vermindern sollte. e) Da K wußte, daß die Einrichtungsgegenstände in der brennenden Kirche mit Fortschreiten des Brandes beschädigt würden, hatte er auch die nötige Kenntnis der Tatumstände. Eine Rechtfertigung oder Entschuldigung dieser Beschädigungen kommt auch hier nicht in Betracht. f ) K hat den Tatbestand der Sachbeschädigung durch Unterlassen verwirklicht, §§ 303, 13.

4. Gemeinschädliche

Sachbeschädigung

durch Unterlassen, ff 304, 13

Da die Kirche durch den Brand nicht nur unerheblich in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt worden ist, hat K vorsätzlich, pflichtwidrig und schuldhaft eine Sache, die dem Gottesdienst gewidmet

74

So richtigerweise die h . M . : siehe SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE, § 303

R d n . 6 ; a . A . BLEI, B . T . , § 5 9 II 1. 75

FRANK, § 3 0 3 A n m . I I 1 ; R O M M E L , S . 2 4 f . ; W O L F F , L K , § 3 0 3 R d n . 2 ;

VON O L S H A U S E N , § 3 0 3 A n m .

1.

76

S o D R E H E R / T R Ö N D L E , § 3 0 3 R d n . 4 ; VON O L S H A U S E N , § 3 0 3 A n m .

77

Vgl. dazu oben ld, f f .

6.

a.A.

Referendarhausarbeit

169

ist 78 , durch das Unterlassen der Befehlsabgabe zum Löschen beschädigt, §§ 304, 13. 5. Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13 Durch die Nichtabgabe des Einsatzbefehles könnte sich K wegen einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen gem. §§ 305, 13 strafbar gemacht haben, da die Kirche weiter brannte und dies eine teilweise Zerstörung der Kirche zur Folge gehabt haben könnte. a) Eine teilweise Zerstörung eines Gebäudes ist dann gegeben, wenn eine über eine bloße Beeinträchtigung hinausgehende Beschädigung vorliegt, die die Brauchbarkeit f ü r einzelne ihrer Zweckbestimmungen unmöglich macht 7 '. b) Da selbst beim Erscheinen der Feuerwehr aus Y-Dorf noch wesentliche Teile der Kirche zu retten waren, ist die Kirche teilweise nach Unterlassen des Löschens durch K zerstört worden. Den Eintritt dieses Erfolges hätte K durch die Anordnung zur Aufnahme der Löscharbeiten vermeiden können. c) Eine Garantenstellung des K liegt vor 80 . d) Es hat sich auch in der teilweisen Zerstörung der Kirche die Gefahr realisiert, die K zu vermindern verpflichtet war. e) K hatte auch die Kenntnis der Tatumstände. f) Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben 81 . g) K hat sich einer teilweisen Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13, schuldig gemacht. II. Zwischenergebnis K hat sich einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13, einer gemeinschaftlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13, einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13, und einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13, schuldig gemacht.

78

Nach ganz h.M. ist eine Kirche als solche Sache anzusehen, vgl. dazu nur: RGGK 1 9 5 7 S. 2 2 7 ; OGHSt 1 S . 5 4 ; K O H L R A U S C H / L A N G E , § 304 Anra. I 1; M Ü H L M A N N / B O M M E L , § 3 0 4 A n m . 3 b ; W O L F F , L K , § 3 0 4 R d n . 5 m . w . N . 79 So die einhellige Meinung, z. B. OGHSt 1 S. 53; LACKNER, StGB, § 305 A n m . 3; PREISENDANZ, § 3 0 5 A n m . 2 ; WESSELS, B . T . 2 , § 1 I I 3 ; W O L F F ,

§ 305 Rdn. 2 . 80 Vgl. dazu oben ld, ff. 81 Vgl. dazu oben ld, gg-lg, ee.

LK,

170

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Die Brandstiftung gem. § 308, 1. Alt. steht als qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt wegen der Verschiedenartigkeit der Rechtsgüter zu der schweren Brandstiftung, § 306 Nr. 1, in Idealkonkurrenz, § 5 282. Mit der schweren Brandstiftung, § 306 Nr. 1, konkurriert die Sachbeschädigung, § 303, idealiter, § 5 283. Die Brandstiftung gem. 308, 1. Alt. geht als lex specialis der Zerstörung von Bauwerken, § 305, vor 84 . Mit der Sachbeschädigung, § 303, und der gemeinschädlichen Sachbeschädigung, § 304, steht die Brandstiftung, § 308, 1. Alt., in Idealkonkurrenz, § 52, wenn - wie hier - sowohl das Gebäude als auch die Sachen im Inneren des Gebäudes beschädigt werden 85 . K hat sich demnach gem. §§ 306 Nr. 1, 308, 1. Alt., 304, 303, 13, 52 strafbar gemacht. III. Straß>arkeit 1. Nötigung,

der F

§ 240

Durch ihren „Rundgang" könnte die F den K durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel zu der Unterlassung der Befehlsabgabe genötigt haben. a) Als Drohung ist die Ankündigung eines Übels anzusehen, auf dessen Eintritt der Drohende angeblich Einfluß ausüben kann 86 . Zwar hat die F durch ihr Verhalten in dem K die Vorstellung hervorgerufen, daß, wenn mit dem Löschen begonnen werde, großes Unheil über das Dorf X käme. Sie konnte dem K aber keine Einflußmöglichkeiten auf den Eintritt des Unheils vortäuschen, da dieser glaubte, daß das Unheil nur dann über das Dorf kommen würde, wenn die Feuerwehr löschen würde. Dieser Glaube des K beruht aber auf seinem Aberglauben, nicht auf einer wie auch immer gearteten Einflußmöglichkeit der F; diese nutzt nur geschickt den Aberglauben des K

82

MAURACH/SCHROEDER, B . T . II, § 52 III 4;

§ 308 Rdn. 19;

WOLFF,

LK, § 308 Rdn.

25;

SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER,

a.A.: § 306 geht als spezielles Delikt

v o r , z . B . WELZEL, L b . , § 6 7 I 2 e . 83

Rdn. I 2e.

DREHER/TRÖNDLE, 19; WOLFF,

§ 306

LK, §

84

BGHSt

85

PREISENDANZ,

306

Rdn.

Rdn.

17;

8;

SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER,

a.A. für Konsumtion

6 S. 107; DREHER/TRÖNDLE, § 3 0 8 §

305

Anm.

IV;

Rdn.

12

WELZEL,

§

Lb., §

306 67

M.w.N.

SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER,

§

308

Rdn. 19. 86

BGHSt

7 S. 198; 16 S. 387; HORN, S K , § 2 4 0 R d n . 17; KREY, J u S 1974

S. 418; LACKNER, StGB, § 240 Anm. 4; O T T O , Grundkurs Strafrecht, B.T., § 27 I 3a; SCHÄFER, LK, 9. Aufl., § 240 Rdn. 45; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / E S E R , Vorbem. §§ 234ff. Rdn. 30ff.; WESSELS, B.T. 1, § 8 I I I 3.

Referendarhausarbeit

171

aus, indem sie ihm die Situation vorspiegelt, die ihn zu der Unterlassung veranlaßt. b) Mangels einer vorgetäuschten Einflußmöglichkeit der F kann deshalb in dem Verhalten der F keine Drohung gesehen werden. Damit entfällt eine Strafbarkeit wegen Nötigung, § 240. 2. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23 Das Verhalten der F könnte sich aber als versuchte Nötigung darstellen. a) Eine vollendete Nötigung liegt mangels einer Drohung nicht vor 87 . b) Der Versuch der Nötigung ist gem. § 240 Abs. 3 strafbar. c) F muß den Entschluß gefaßt haben, den K durch ihr Verhalten zu dem Unterlassen der Anordnung zur Aufnahme der Löscharbeiten an der brennenden Kirche zu nötigen. Sie muß sich vorgestellt haben, daß K glaubt, daß sie auf den Eintritt des angedrohten Übels eine Einflußmöglichkeit hat. Wie sich aber hinterher herausstellte, hatte die F den Aberglauben durchschaut; sie wußte also, daß auch bei einem Beginn der Löscharbeiten trotz ihres „Rundganges" kein Unheil über das Dorf X kommen konnte. Weiterhin hatte sie vorausgesehen, daß K von der Richtigkeit des Aberglaubens überzeugt war; deshalb wußte sie auch, daß K ihr keine Einflußmöglichkeit auf den Eintritt des drohenden Unheils zuschreiben konnte, da nach dem Aberglauben die den „Rundgang" vollziehende alte Frau nicht das Übel herbeiführt, sondern der Eintritt von dem darauffolgenden Verhalten der Feuerwehr abhängt. d) Deshalb liegt kein Tatentschluß vor, den K zu nötigen; eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung, §§ 240, 23, scheidet aus. 3. Schwere Brandstiftung in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1, 25 Abs. 1, 1. Alt. Durch ihren „Rundgang" könnte sich die F einer schweren Brandstiftung in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 2, 25 Abs. 1,1. Alt., schuldig gemacht haben. a) Zwar ist der in § 306 Nr. 1 beschriebene Erfolg eingetreten, den die F dadurch vermeiden konnte, daß sie den „Rundgang" nicht vorgenommen oder die Feuerwehr über die Unsinnigkeit des Aberglaubens informiert hätte.

87

Vgl. dazu oben III 1.

172

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Jedoch hat F durch ihren „Rundgang" keine Gefahr f ü r die Kirche oder f ü r Leib und Leben anderer Personen begründet oder erhöht, sondern sie hat nur eine Situation vorgespiegelt, die den K zu seiner Unterlassung veranlaßt hat. Sie hat nur die Voraussetzungen geschaffen, die der K zum Anlaß genommen hat, aus eigenem Entschluß die Gefahr von der brennenden Kirche nicht abzuwenden. b) Eine unmittelbare Täterschaft der F aufgrund ihres „Rundganges" entfällt daher. 4. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1, 13, 25 Abs. 1, 1. Alt. Eine Unterlassensnebentäterschaft der F entfällt hier schon mangels einer Garantenstellung der F. Für eine derartige Garantenstellung sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. 5. Schwere Brandstiftung Abs. 1, 2. Alt.

in mittelbarer Täterschaft, §§ 306 Nr. 1, 25

Aufgrund ihres Verhaltens könnte sich die F einer schweren Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft, §§ 306 Nr. 1, 25 Abs. 1, 2. Alt., schuldig gemacht haben. Das Verhalten des K erfüllte den objektiven Tatbestand der schweren Brandstiftung gem. §§ 306 Nr. 1, 1388. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes durch K müßte sich die F als eigene Tat zurechnen lassen, wenn sie den K als Werkzeug zur „Inbrandsetzung" der Kirche benutzt hätte, d. h. die Tatherrschaft über das Geschehen innegehabt hätte. Zu beachten ist jedoch, daß K - wie oben dargelegt - voll verantwortlich den Tatbestand der schweren Brandstiftung, §§ 306 N r . 1, 13, verwirklicht hat. 89 F könnte daher nur dann den K als Werkzeug benutzt haben, wenn sie die Tatherrschaft bei einem voll verantwortlich unterlassenden Täter innehaben könnte, wenn sie also sog. „Täterin hinter dem Täter" gewesen wäre. Die Möglichkeit einer solchen Form der Tatherrschaft ist streitig, a) Die in der Literatur kaum noch vertretene 90 , aber von der Rechtsprechung 91 ausdrücklich betonte sog. subjektive Theorie stellt bei 88

Vgl. I 1. Vgl. I 1. 90 Ausdrücklich nur BAUMANN, A . T . , § 3 6 I 4d. 91 BGHSt 18 S. 87; mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung: S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / C R A M E R , Vorbem. §§ 2 5 ff. Rdn. 5 7 ; zur Darstellung, wenn auch ablehnend, siehe M A U R A C H / G Ö S S E L / Z I P F , A . T . II, § 4 7 II B. 89

Referendarhausarbeit

173

der Abgrenzung der mittelbaren Täterschaft von der Teilnahme vor allem auf die Willensrichtung der Beteiligten ab. Ausgehend von einem extensiven Täterbegriff - jeder ist Täter, der eine Ursache für den Erfolg gesetzt hat - kommt sie auf der Grundlage der Aquivalenztheorie zu dem Ergebnis, daß die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nur nach subjektiven Kriterien möglich sei, da sich die verschiedenen Ursachen eines Erfolges objektiv nicht nach ihrer Bedeutung für den Erfolg unterscheiden lassen. Danach soll derjenige Täter sein, der die Tat als eigene will (also den sog. „Täterwillen", den animus auctoris hat), während ein Teilnehmer die Tat immer nur als fremde will (er hat den sog. animus socii)92. Abgrenzungskriterien sind weiterhin der Grad des Interesses am Erfolg, auch der Wille zur Tatherrschaft 93 . Diese Theorie bejaht die Möglichkeit einer Täterschaft hinter einem Täter 94 . Indem das objektive Geschehen auf den Aspekt der Setzung einer Bedingung reduziert und entscheidend auf die subjektive Seite abgestellt wird, kann ein voll verantwortlich handelnder Täter zum Gehilfen „degradiert" werden, wenn er nur den Willen zur Teilnahme hat. Diese „Konstruktion" erlaubt dann die Anerkennung einer Täterschaft des Hintermannes 95 . Da F den „Rundgang" in der Absicht vollzog, die Feuerwehrleute vom Löschen abzuhalten, könnte sie deshalb den sog. „animus auctoris" gehabt haben, wäre also als Täterin einer schweren Brandstiftung, § 306 Nr. 1, zu bestrafen. Dagegen könnten aber durchgreifende Bedenken bestehen. Da die subjektive Theorie den „eigenhändig" frei verantwortlich unterlassenden Täter als Gehilfen betrachten will, verlangt sie für eine

91 So schon grundlegend RGSt 3 S. 183 f.; weitere Nachweise bei BGH St 18 S. 90. 93 BGH GA 1977 S. 306. 94

95

A u s d r ü c k l i c h BAUMANN, A . T . , 5 3 6 I 4 a .

So ausdrücklich geschehen im sog. „Staschynskij-Fall" BGHSt 18 S. 90; BAUMANN, A.T., § 36 I 4a. Im Anschluß an ROXIN, JuS 1973 S. 335, wird in der Lehre die Ansicht vertreten, die subjektive Täterlehre sei mit § 25 Abs. 1, 1. Alt. insoweit nicht mehr in Einklang zu bringen, als sie auch denjenigen als bloßen Teilnehmer ansehen kann, der eigenhändig den Tatbestand verwirklicht hat. Zwingend ist diese Argumentation jedoch nicht, denn es ist gerade das Anliegen der subjektiven Theorie, darzutun, daß die Frage, ob jemand die Tat „selbst" begangen hat oder nicht, allein nach subjektiven Kriterien bestimmt werden kann, dazu OTTO, Grundkurs Strafrecht, A. T., § 21 II 2; SCHROEDER, Täter, S. 38 ff.

174

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Täterschaft außer der Tatbestandsverwirklichung noch ein weiteres zusätzliches Kriterium, nämlich den Täterwillen. Damit mißachtet sie den in § 25 Abs. 1,1. Alt. zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und „degradiert" gleichzeitig die Teilnahmevorschriften zu „übergesetzlichen" Einschränkungsgründen der gesetzlichen Straftatbestände". Außerdem werden so „übergesetzliche Strafminderungsgründe" geschaffen, die der Gesetzgeber sonst nur in strengen formalen Grenzen statuiert hat 97 . Weiterhin spricht gegen die subjektive Theorie, daß sich die von der Aquivalenztheorie behauptete Gleichheit aller Bedingungen nur auf die Erfolgszurechnung bezieht, nicht auch auf die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme 98 . Da die subjektive Theorie auch bei altruistischen Delikten, wie z.B. §216, außer dem Interesse an der Tat (was der Täter der Tötung auf Verlangen gerade nicht hat) auch noch den Willen zur Tatherrschaft heranzieht 99 , gibt sie damit ihre These von der prinzipiellen Ununterscheidbarkeit der Beteiligungsformen nach objektiven Kriterien auf. Sie ist deshalb als inkonsequent abzulehnen 100 . Mit ihrer Hilfe läßt sich eine mittelbare Täterschaft der F nicht überzeugend begründen. b) In gleicher Weise untauglich zur Begründung der mittelbaren Täterschaft sind die verschiedenen Formen der sog. materiell-objektiven Theorie, da sich die Unterscheidungskriterien zur Bestimmung der mittelbaren Täterschaft - z. B. nach der Notwendigkeit des Tatbeitrages 101 , der Mitwirkung während der Tat 102 , nach der Überordnung des Täters 103 und schließlich nach der physisch oder psychisch vermittelten Kausalität 104 - als zu ungenau erwiesen haben 105 .

Täter, S . 1 9 1 . Täterschaft, S. 2 1 8 ;

96

SCHROEDER,

97

So

98

S o SAMSON, S K , § 2 5 R d n .

99

V g l . BGHGA

ROXIN,

SCHROEDER,

Täter, S.

192.

17.

1 9 7 7 S . 3 0 6 ; BAUMANN, A . T . , § 3 6 I 4 b .

100

Vgl. dazu D R E H E R / T R Ö N D L E , § 25 Rdn. 2; H E R Z B E R G , J U S 1974 S . 239; OTTO, Grundkurs Strafrecht, A.T., § 21 II 2, wenn auch einschränkend; R O X I N , LK, § 25 Rdn. 39; DERS., Täterschaft, S . 130; SAMSON, LK, § 25 Rdn. 1 7 ; STRATENWERTH, A . T . , R d n . 7 4 7 f f .

ZStW

101

BAUMGARTEN,

102

FUCHS, G A 1 9 2 9 S .

37 (1916)

103

DAHM, S. 4 2 f.

104

S o FRANK, V o r § 4 7 A n m .

105

SK,

S.

529.

177. II.

So auch JESCHECK, A.T., S. 4 9 4 ; R O X I N , Täterschaft, S. 3 8 - 5 1 ; SAMSON, § 2 5 Rdn. 8 ; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / C R A M E R , Vorbem. §§ 2 5 ff. Rdn. 2 5 ;

STRATENWERTH, A . T . , R d n . 7 4 0 f .

Referendarhausarbeit

175

Mit ihnen läßt sich eine mittelbare Täterschaft der F nicht hinreichend begründen. c) Nach der heute in der Literatur im Vordringen befindlichen Tatherrschaftslehre wird die Begründung der mittelbaren Täterschaft durch objektive und subjektive Kriterien vorgenommen. Da Gegenstand des Unwerturteils die den tatbestandsmäßigen Erfolg planvoll steuernde Verletzungshandlung ist, ist bei der Beteiligung mehrerer derjenige der Täter, der den Geschehensverlauf steuert. Eine hier relevante Steuerungsmöglichkeit kann in der planvollen Ausnutzung eines Irrtums eines anderen begründet sein. Streitig ist aber, ob sich ein volldeliktisch handelnder Täter überhaupt in einem Irrtum befinden kann, der dem Hintermann die Tatherrschaft über das Geschehen zukommen läßt. aa) Ein Teil der Vertreter der Tatherrschaftslehre lehnt dies ab, da der Hintermann ein voll verantwortlich handelndes Werkzeug nicht mehr steuern könne 106 . Es wäre widersprüchlich, den „Tatmittler" dann trotzdem als Werkzeug fremder Tatbestandsverwirklichung anzusehen; deshalb soll der Hintermann entweder unmittelbarer Nebentäter 107 oder Mittäter 108 oder Anstifter 109 sein. Da F - wie schon oben dargelegt 110 - weder unmittelbare Nebentäterin ist, noch eine Mittäterschaft in Betracht kommt, läßt sich mit diesen Autoren keine Täterschaft der F begründen. bb) Andere Vertreter der Tatherrschaftslehre bejahen hingegen die Möglichkeit einer Täterschaft des Hintermannes trotz voll deliktisch handelndem Täter 111 . Jedoch beschränkt sich diese Zustimmung hauptsächlich auf die Fälle des sog. „error in persona" des Tatmittlers und des Irrtumes über Qualifikationsvoraussetzungen. Die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft in dem Fall, in dem der Hinter-

1 0 6 BOCKELMANN, A . T . , § 2 2 I 3; HERZBERG, JUS 1 9 7 4 S. 3 7 5 ; JESCHECK, A . T . , S. 4 9 6 m . w . N . ; H . MAYER, A . T . , § 3 9 V 2 ; SAMSON, S K , § 2 5 R d n . 3 0 ; STRATENWERTH, A . T . , R d n . 7 8 5 f f . ; WELZEL, Lb., § 1 5 II. 1 0 7 STRATENWERTH, A . T . , R d n . 7 6 6 f f . ; WELZEL, L b . , § 1 5 II.

108

So BUSCH, LK, 9. Aufl., § 47 Rdn. 4 4 f f .

10'

BOCKELMANN, A . T . , § 2 2 I 3; JESCHECK, A . T . , S. 5 3 2 ; H . MAYER, A . T . , § 3 9 I V 2. 110

So oben III 4.

S o g r u n d l e g e n d : BINDING, G S 7 6 S. 9 1 ; G S 7 8 S. 1 4 ; vgl. w e i t e r BLEI, A . T . , § 7 2 I l c ; DREHER/TRÖNDLE, § 2 5 R d n . 3 a m E n d e ; HARDWIG, G A 1 9 5 4 111

S. 260f.; KOHLRAUSCH/LANGE, Vor § 47 Anm. I 5 B 2 f . m.w.N.; ROXIN, Täterschaft, S. 212f.; SAX, ZStW 69 (1957) S. 434; SCHROEDER, Täter, S. 1 2 0 f f .

176

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

mann den Tatmittler dadurch steuert, daß allein er den konkreten Sachverhalt überschaut, wird nur von wenigen Autoren anerkannt, wobei auch hier noch Differenzierungen gemacht werden müssen. Von einigen wird die Tatherrschaft des Hintermannes dann angenommen, wenn er dem Tatmittler die relevanten konkreten Handlungsvoraussetzungen vorgetäuscht hat 112 , während andere im Falle eines sog. „Irrtums im Grenzbereich der Entschuldigungsgründe" des Tatmittlers dem Hintermann die Tatherrschaft zurechnen wollen 113 . Als „Irrtum im Grenzbereich der Entschuldigungsgründe" werden die Fälle bezeichnet, in denen der Täter nur deshalb nicht entschuldigt ist, weil die gesetzlichen Merkmale der Entschuldigungsgründe formell nicht vorliegen, seine Situation aber materiell der eines Entschuldigungsgrundes entspricht 114 . Ein „Handeln im Grenzbereich des Notstandes" soll z. B. dann vorliegen, wenn die Beeinträchtigung der Selbstbestimmung zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 35 fällt, aber die Vernichtung der sachlichen Existenzgrundlage droht, da der Betroffene dann in einer in § 35 ähnlichen Weise psychologisch zur Tat genötigt wird 115 . Auch wenn man hier eine solche Situation annehmen würde, wäre K nicht als Werkzeug anzusehen; er wurde zwar von der F psychologisch beeinflußt, aber in keiner seine Existenzgrundlage bedrohenden Form, so daß ihm nur noch eine „Handlungsalternative" geblieben wäre. Wenn er sich trotzdem zu einer Straftat entschlossen hat, so kann dieser frei gefaßte Entschluß nicht gleichzeitig eine Herrschaft der F begründet haben. Ebenso liegt kein „Irrtum im Grenzbereich der Schuldunfähigkeit" vor, da dieser Fälle von Bewußtseinsstörungen infolge emotionaler Gründe, wie z. B. Zorn, Haß, Verzweiflung, anormale Eifersucht, erfassen soll116, während ein Aberglaube generell nicht geeignet ist, die Fähigkeit der Einsicht in das Unrecht eines Verhaltens zu beeinflussen. Auch kann F nicht mittelbare Täterin dadurch geworden sein, daß sich K in einem, dem vermeidbaren Verbotsirrtum ähnlichen Zustand befand 117 . Wie bereits oben dargelegt, ist K als Uberzeugungs112

Ic.

So grundlegend ROXIN, Täterschaft, S. 217f.; vgl. auch BLEI, A . T . , § 72

113

So grundlegend SCHROEDER, Täter, S. 120 ff.

114

S o SCHROEDER, T ä t e r , S. 120. S o SCHROEDER, T ä t e r , S. 124. S o SCHROEDER, T ä t e r , S. 121.

115 116

117 Die Figur des „Irrtums im Grenzbereich eines vermeidbaren Verbotsirrtums" ist von SCHROEDER, Täter, S. 126 ff., entwickelt worden.

177

Referendarhausarbeit

täter anzusehen 1 1 8 ; ein solcher T ä t e r glaubt, angemessener entscheiden zu k ö n n e n als die anderen Mitglieder der Rechtsgesellschaft, er befindet sich in keiner Irrtumssituation, sondern setzt sich mit aktuellem Unrechtsbewußtsein über die N o r m e n der R e c h t s o r d n u n g hinweg. Aus diesen G r ü n d e n ist eine B e g r ü n d u n g der mittelbaren T ä t e r schaft der F mit H i l f e der T h e o r i e eines „Irrtums im Grenzbereich der E n t s c h u l d i g u n g s g r ü n d e " nicht möglich. N a c h a n d e r e r Ansicht soll das k o n k r e t e Wissen des H i n t e r m a n n e s ihm eine h ö h e r s t u f i g e T a t h e r r s c h a f t verschaffen, w e n n er in d e m Tatmittler einen „Irrtum über den k o n k r e t e n H a n d l u n g s s i n n " d a d u r c h erregt, d a ß er den Tatmittler über die soziale Bedeutung seines Verhaltens täuscht 1 1 9 . An einer derartigen T ä u s c h u n g fehlt es aber im vorliegenden Fall. Z w a r bewirkte F d u r c h ihr Verhalten, d a ß dem K ein Löschen der Kirche unheilvoll erschien. Maßgeblich f ü r diese Beurteilung ist aber nicht eine T ä u s c h u n g der F, sondern der Aberglaube des K. D a s Verhalten der F motiviert ihn lediglich, seinem Aberglauben g e m ä ß zu handeln. Dieser Aberglaube läßt ihn die Situation so sehen, wie er sie sieht, nicht aber eine T ä u s c h u n g der F, die lediglich den Aberglauben des K ausnutzt, um ihn zu motivieren, seinem Aberglauben g e m ä ß zu h a n d e l n . Somit ist auch ein „Irrtum ü b e r den k o n k r e t e n H a n d l u n g s s i n n " hier nicht geeignet, eine einwandfreie B e g r ü n d u n g f ü r eine mittelbare T ä t e r s c h a f t der F zu geben. d) D a s Verhalten der F w a r also nicht geeignet, ihr die Tatherrschaft über das Geschehen z u k o m m e n zu lassen. Sie kann deshalb nicht als mittelbare T ä t e r i n einer schweren Brandstiftung, §§ 306 N r . 1, 25 Abs. 1, 2. Alt., angesehen werden. 6. Anstiftung zur schweren Nr. 1, 13, 26

Brandstiftung

durch Unterlassen,

§§ 306

D a K zweifellos erst durch das Verhalten der F veranlaßt w u r d e , die Löscharbeiten nicht d u r c h f ü h r e n zu lassen, k ö n n t e sich die F d u r c h ihren „ R u n d g a n g " einer A n s t i f t u n g zu einer schweren B r a n d s t i f t u n g d u r c h Unterlassen schuldig gemacht haben, §§ 306 N r . 1, 13, 26. Eine vorsätzliche, rechtswidrige H a u p t t a t liegt vor 1 2 0 .

118

Siehe dazu I lh, bb.

119

So grundlegend ROXIN, Täterschaft, S. 217; ähnlich BLEI, A . T . , § 72 I lc.

120

Die schwere Brandstiftung durch Unterlassen des K gem. §§ 306 Nr. 1, 13; siehe dazu oben I 1.

178

3. Teil: E i n ü b u n g in die Fallbearbeitung

F müßte den K zu dieser Straftat bestimmt haben, indem sie in K den Tatentschluß zu der schweren Brandstiftung durch Unterlassen hervorgerufen hat. a) Eine in der Literatur vertretene Mindermeinung verneint grundsätzlich die Möglichkeit einer Anstiftung zu einer Unterlassungstat und will stattdessen den sog. „Abstifter" als unmittelbaren Begehungstäter ansehen, da nach dieser Ansicht ein Unterlassungstäter nicht „bestimmt" werden kann 121 . Dieses Ergebnis beruht auf der Prämisse, daß Vorsatz gleich Finalität ist, also Steuerung des „Kausalverlaufs". D a ein Unterlassungstäter niemals „kausal" für einen Erfolg sein kann 122 , kann er auch keinen Kausalverlauf steuern, also nicht final handeln, weshalb wegen der Gleichstellung von Vorsatz und Finalität auch kein Unterlassungsvorsatz existieren kann. Weil der Tatentschluß aber Vorsatz verlangt, den der Unterlassende gerade nicht haben kann, kann er danach auch keinen Tatentschluß fassen. Deshalb ist eine Anstiftung - die nichts anderes als Erregung eines Tatentschlusses ist - hier unmöglich 123 . Konsequenz dieser Auffassung müßte daher die Ablehnung der Möglichkeit der Täterschaft eines vorsätzlichen Unterlassungsdelikts sein. Diese Konsequenz aber ziehen die Vertreter dieser Ansicht keineswegs 124 . Gegen eine unmittelbare Begehungstäterschaft des „Abstifters" spricht weiterhin, daß eine „Abstiftung" dem Täter noch nicht die Tatherrschaft über das Geschehen zukommen läßt, denn der Eintritt des Erfolges hängt immer noch vom Verhalten des Beeinflußten ab. Ob er nun die Handlung unterläßt oder nicht, ist seine Entscheidung! Es liegt gar kein rechtlich selbständiger Erfolgsanteil vor, der für den „Abstifter" eine Tatherrschaft begründen könnte 125 . Verlangt man für eine Täterschaft generell Tatherrschaft 1 2 6 , dann kann hier aber mangels Tatherrschaft keine Begehungstäterschaft vorliegen; läßt man eine „psychisch vermittelte Kausalität" hier genügen, so ist das ein nicht akzeptierbarer Widerspruch 127 . Der Umdeutung einer Anstiftung zum Unterlassen in eine unmittel-

121

S o G r ü n w a l d , G A 1 9 5 9 S . 1 2 2 ; ARMIN KAUFMANN, U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e ,

S . 2 0 1 , 2 0 3 ; WELZEL, L b . , § 2 8 V 2. 122 123 124 125

Vgl. nur OTTO, G r u n d k u r s Strafrecht, A . T . , § 9 V 3. Vgl. d a z u ausführlich ARMIN KAUFMANN, Unterlassungsdelikte, S. 191 f f . D a z u ROXIN, T ä t e r s c h a f t , S. 511. V g l . d a z u STREE, G A 1963 S. 13.

126

S o a u c h A R M I N KAUFMANN, U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , S .

127

S o ROXIN, T ä t e r s c h a f t , S. 520.

199.

Referendarhausarbeit

179

bare Begehungstäterschaft des „Abstifters" kann deshalb nicht gefolgt werden. b) Eine andere Meinung will hingegen unmittelbare Unterlassungstäterschaft annehmen 1 2 8 , da von der „Abstiftung" keine Ursachenkette über das Unterlassen zum tatbestandlichen Erfolg führt, der „Abstiftende" also überhaupt nicht „kausal" geworden ist. Die „Abstiftung" durch Täuschung eines Rettungspflichtigen vermittelt dann „Tatherrschaft" für den „Abstiftenden" 1 2 9 . Diese Meinung kann aber nur dann eine Täterschaft annehmen, wenn der „Abstifter" eine Garantenpflicht gegenüber dem geschützten Rechtsgut innehat. H a t der „Abstifter" aber keine Garantenpflicht - wie die F - , so ist die Annahme einer Unterlassungstäterschaft unmöglich. c) D a auch das Gesetz selbst in § 26 nur die Bestimmung zu einer vorsätzlich rechtswidrig begangenen Haupttat verlangt und nicht zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikt unterscheidet, kann die Anstiftung auch zu einem pflichtwidrigen Unterlassungsdelikt erfolgen 1 3 0 . Einer Garantenpflicht des Anstifters bedarf es hierzu nicht, da die Anstiftung durch positives Tun erfolgt 1 3 1 . d) F könnte den K also zu dessen Unterlassungsdelikt angestiftet haben, wenn ihr „ R u n d g a n g " als Bestimmen im Sinne des § 26 angesehen werden kann. aa) „Bestimmen" im Sinne des § 26 definiert die h. M . als „Hervorrufen des Tatentschlusses". Dennoch ist die Weite des Begriffes streitig. Die einen begnügen sich mit der bloßen Verursachung des Tatentschlusses: „Bei der Anstiftung reicht jedes Mittel der intellektuellen Beeinflussung für die Tatbestandserfüllung aus, auch wenn es als solches von dem Zubeeinflussenden nicht erkannt wird" 1 3 2 . bb) Andere fordern zumindest einen geistigen Kontakt zwischen dem Anstifter und dem Anzustiftenden mit dem Ziel der Verursachung des Tatentschlusses beim Haupttäter, so daß die Schaffung einer zur Tat anreizenden Situation noch kein geeignetes Anstiftungsmittel ist 133 . 128 129 130 131

132

ARTHUR KAUFMANN, J U S 1 9 6 4 S . 1 5 6 . S o ARTHUR KAUFMANN, J U S 1 9 6 4 S . 156. ROXIN, L K , § 2 6 R d n . 3 1 ; SAMSON, S K , V o r § 13 R d n . 4 4 ; SAMSON, S K , V o r § 13 R d n . 4 4 .

Vgl. BGH

1 S t R 197/78, S. 5. - Sachlich übereinstimmend DREHER/

TRÖNDLE, § 2 6 R d n . 4 ; HERZBERG, J U S 1 9 7 6 S . 4 1 ; LACKNER, S t G B , A n m . 2 ; SAMSON, S K , § 2 6 R d n . 5 ; WIDMAIER, J U S 1 9 7 0 S . 2 4 2 .

§ 26

1 3 3 V g l . JESCHECK, A . T . , S . 5 5 9 ; ROXIN, L K , § 2 6 R d n . 12; SCHMIDHÄUSER, A . T . , 1 4 / 1 0 4 ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 2 6 R d n . 7 ; STRATENWERTH, A . T . , R d n . 8 8 1 ; WELZEL, L b . , § 16 II 1.

180

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

cc) Schließlich wird gefordert, daß das Bestimmen nicht nur psychischen Kontakt voraussetzt, sondern auch dort, wo diese Kommunikation gegeben ist, auf eine erkennbare Beeinflussung, Aufforderung, Anregung zur Tat gerichtet sein muß. „Eine bloße Angabe rein theoretischer Möglichkeit und Belehrung, ohne daß darin zumindestens versteckt der Rat, die Aufforderung und Bestimmung in dieser Weise zu verfahren, gelegen wäre, genügt noch nicht" 134 . Zwischen den gegen die h . M . gerichteten Ansichten braucht hier nicht weiter differenziert zu werden, weil das Verhalten der F weiter geht als darauf, dem K eine Deliktsmöglichkeit zu zeigen. Durch Ausnutzung des Aberglaubens des K will F den K zu der Tat beeinflussen. Problematisch ist aber, ob überhaupt ein Kontakt im geforderten Sinne zwischen F und K vorliegt, da das Verhalten der F - wenn überhaupt - nur als Anstiftung durch konkludentes Tun angesehen werden kann. Die Möglichkeit eines Bestimmens durch konkludentes Verhalten ist jedoch durchaus anzuerkennen 135 . Wie allerdings dadurch eine „geistige Beeinflussung" erfolgen soll, wird nur dann klar, wenn die Grundsätze eines Betruges durch Vorspiegelung falscher Tatsachen durch konkludentes Tun auch auf die Anstiftung durch konkludentes Tun angewendet werden, da es sich bei den beiden um eine psychische Beeinflussung handelt, die in dem Beeinflußten einen Irrtum hervorruft, der seinerseits für die Haupttat des Beeinflußten „kausal" wird bei § 263 für die Vermögensverfügung, bei § 26 für die auszuführende Haupttat 1 3 6 . Beim Betrug genügt nach überwiegender Ansicht für die Annahme konkludenten Verhaltens, daß das Gesamtverhalten eine eindeutige Willensäußerung ergibt 137 . Deshalb kann bei der Anstiftung durch konkludentes Tun auch nichts anderes gelten. Das Verhalten muß in

134

Vgl. BUSCH, L K , 9. Aufl., § 48 Rdn. 14 - sachlich in gleicher Richtung

D . MEYER, J u S 1 9 7 0 S . 5 2 9 ; DERS., M D R 1 9 7 5 S . 9 8 3 ; OTTO, G r u n d k u r s S t r a f -

recht, A . T . , § 22 II 2b; auch in den Ausführungen von JAKOBS, A . T . ,

2 2 . A b s c h n . R d n . 2 2 f f . ; JESCHECK, A . T . , S . 5 5 9 , u n d SCHMIDHÄUSER, A . T . ,

14/100ff., wird das Element der „Beeinflussung" besonders hervorgehoben. 135

V g l . a u c h D . MEYER, K o l l u s i o n , S . 157;

§ 26 Rdn. 136

137

SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER,

7.

V g l . d a z u LOEWENHEIM, S . 12. BGHSt 8 S . 2 9 1 ; KREY, B . T . , S. 109; LACKNER, S t G B , § 263 A n m . 3b, a a ;

SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 2 6 3 R d n . 14; WELZEL, L b . , § 5 4 I l b .

Referendarhausarbeit

181

seinem Sinn so eindeutig sein, daß es eine ganz bestimmte Schlußfolgerung zuläßt, wobei Verkehrssitte und Herkunft der Beteiligten berücksichtigt werden müssen138. Unter Beachtung der eben aufgestellten Kriterien folgt daraus für das Verhalten der F, daß der K nur den Schluß ziehen konnte, er müsse nach „erfolglosem Rundgang" die Löscharbeiten an der Kirche unterbinden, um noch größeres Unheil zu vermeiden. Der im Dorf X „herrschende" Aberglaube ließ keinen anderen Rückschluß zu; K konnte aufgrund des „geistigen Kontaktes" mit der F ihr Verhalten nur als Aufforderung zu einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13, verstehen. Es bestand ein so starker „geistiger Kontakt", der die Willensbildung des K nachhaltig beeinflußt hat, daß das Verhalten der F nur als „Bestimmen" im Sinne von § 26 angesehen werden kann. Nach allen Ansichten liegt also ein Bestimmen zum Tatentschluß des K vor, eine weitergehende Erörterung der verschiedenen Standpunkte erübrigt sich deshalb. e) Das Verhalten der F war auch an einen individuell bestimmbaren Personenkreis - nämlich die Feuerwehr des Dorfes X mit ihrem Einsatzleiter - gerichtet, so daß dem Konkretisierungsgebot hinsichtlich der „möglichen Haupttäter" genüge getan war 139 . F kannte die Unrichtigkeit des Aberglaubens und die Uberzeugung des K. Sie wußte, daß sie ihn mit ihrem Verhalten zu der Nichtabgabe des Einsatzbefehls veranlassen würde; damit hatte sie auch die Kenntnis von den Tatumständen hinsichtlich der von K verwirklichten Haupttat. Gründe, die die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der F ausschließen könnten, sind hier nicht ersichtlich; insbesondere handelte die F mit dem Bewußtsein der Sozialschädlichkeit ihres Verhaltens. Auch hinsichtlich der persönlichen Verantwortlichkeit der F bestehen keine Anhaltspunkte für einen eventuellen Ausschluß der Schuld durch Entschuldigungsgründe oder Vorwerfbarkeitsverbote. F ist einer Anstiftung zu einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen schuldig, §§ 306 Nr. 1, 13, 26. 7. Anstiftung zu einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13, 26 Durch ihren „Rundgang" hat die F den K zu einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat, nämlich einer Brandstiftung durch UnterRGSt

28 S. 192; L O E ^ N H E I M , S. 13; D . MEYER,

Kollusion, S. 157 f.,

S. 163. 139

H . M . vgl. ROXIN, L K , § 2 6 R d n . 10; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 2 6

Rdn. 14 m.w.N.

182

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

lassen, §§ 308, 1. Alt., 13140, vorsätzlich rechtswidrig und schuldhaft bestimmt, da sie wußte, daß die Kirche für den K ein in fremdem Eigentum befindliches Gebäude ist. 8. Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13, 26 a) K hat sich einer Sachbeschädigung durch Unterlassen schuldig gemacht, §§ 303, 13141; eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor. b) Zu dieser Straftat hat die F den K auch bestimmt, da K aus ihrem Verhalten zu dem Entschluß gedrängt wurde, die Kirche - und damit auch die in der Kirche sich befindenden Einrichtungsgegenstände - dem Feuer zu überlassen. c) F hatte auch die Kenntnis von den Tatumständen, da sie wußte, daß infolge ihres Verhaltens der K die Einrichtungsgegenstände in der Kirche nicht mehr retten würde, sie also durch sein pflichtwidriges Verhalten beschädigt werden würden. d) Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. e) F hat sich einer Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13, 26, schuldig gemacht. 9. Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, 26 K hat sich durch den nicht gegebenen Einsatzbefehl einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, schuldig gemacht 142 ; eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor. Durch ihr Verhalten hat die F den K zu der Beschädigung der Kirche bestimmt, da dieser dadurch zu dem Entschluß bestimmt wurde, den Löschbefehl nicht zu geben. F ging davon aus, daß infolge ihres Verhaltens der K die Löscharbeiten unterlassen und dadurch eine schwere Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1,13, verwirklichen würde. Da sie auch wußte, daß als notwendige Folge das Verhalten des K die Kirche beschädigen würde, handelte sie vorsätzlich. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersicht-

140

Vgl. dazu oben I 2. Vgl. dazu oben I 3. 142 Vgl. dazu oben I 4. 141

183

Referendarhausarbeit

lieh. F ist daher der Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, 26, schuldig. 10. Anstiftung zu einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§305, 13, 26 Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor 143 . Zu dieser Haupttat hat die F den K auch durch ihr Verhalten bestimmt, wie oben dargelegt wurde 144 . F hatte die Kenntnis der Tatumstände, denn sie wußte, daß als notwendige Folge der unterlassenen Löscharbeiten die Kirche durch das Feuer zerstört werden würde. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. Damit hat sich F einer Anstiftung zu der Zerstörung eines Gebäudes durch Unterlassen, §§ 305, 13, 26, schuldig gemacht. 11. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, §111 Durch ihren „Rundgang" könnte die F die Feuerwehr aus dem Dorf X zusammen mit ihrem Einsatzleiter K öffentlich zu der rechtswidrigen Verwirklichung eines Straftatbestandes - nämlich einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1 , 1 3 - aufgefordert haben. a) Das Verhalten der F müßte sich als öffentliche Aufforderung darstellen. Als Aufforderung wird die - auch durch konkludentes positives Tun vornehmbare - Kundgabe des Willens des Auffordernden angesehen, von den Aufgeforderten ein bestimmt bezeichnetes strafbares Tun oder Unterlassen zu verlangen, indem die Aufgeforderten von der Richtigkeit oder der Zweckmäßigkeit des aufgeforderten Verhaltens überzeugt werden 145 . Im Gegensatz dazu steht das bloße Anreizen, welches nur mittelbar auf die Willensbildung anderer Personen einwirkt 146 . Der „Anreizende" vermittelt nur ein Motiv, er beeinflußt die Denkarten, Stimmungen oder Leidenschaften anderer, überläßt es aber der jeweiligen

143

Vgl. dazu oben I 5. Vgl. dazu oben III 6. 145 RGSt 47 S. 413; 63 S. 173; D R E H E R / T R Ö N D L E , § 111 Rdn. 2; LACKNER, StGB, § 111 Anm. 3; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, § 111 Rdn. 3; ausführlich zu diesem Problemkreis ROGALL, GA 1979 S. 11 ff. 146 OLG Köln M D R 1 9 8 3 S . 3 3 8 ; VON B U B N O F F , L K , § 1 1 1 Rdn. 8 ; R O G A L L , 144

GA

1 9 7 9 S. 16; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, § 111 R d n .

3.

184

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Situation, ob sich die so Beeinflußten scheinbar spontan kraft eigener Entscheidung zum Handeln oder Unterlassen entschließen 147 . Während der Auffordernde direkt erkennen läßt, daß er von den Angesprochenen die Verwirklichung eines bestimmten Straftatbestandes fordert, also aktiv zur Nichtbeachtung der Rechtsordnung aufruft, gibt der Anreizende nicht zu erkennen, was er von dem Betroffenen erwartet. Ob diese aus seinem Verhalten ein bestimmtes angesonnenes Verhalten „herauslesen", ist - völlig unabhängig von einem Einfluß - den jeweiligen Interpretationsfähigkeiten der Angesprochenen überlassen. b) In dem Verhalten der F kann deshalb keine Aufforderung zu einer Straftat gesehen werden, da sie den Feuerwehrleuten und K nur eine Situation vorspiegelt, die dann aufgrund des Aberglaubens bei ihnen zu der eigenverantwortlich getroffenen Entscheidung geführt hat, das Löschen des Kirchenbrandes zu unterlassen. c) F hat also nur Voraussetzungen geschaffen, die K zu seiner Entscheidung, seiner Garantenpflicht nicht nachzukommen, motivieren konnten; eine Aufforderung im Sinne von § 111 liegt nicht vor. IV. Zwischenergebnis F hat sich einer Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13, 26, einer Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, 26, einer Anstiftung zu einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13, 26, einer Anstiftung zu einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1,13, 26, und einer Anstiftung zu einer Brandstiftung durch Unterlassen, § 308, 1. Alt., 13, 26, schuldig gemacht. Hinsichtlich der Konkurrenzen kann auf das zu K Gesagte verwiesen werden 148 , so daß sich F gemäß §§ 306 Nr. 1, 308, 1. Alt., 304, 303, 13, 26, 52 strafbar gemacht hat. 2. Teil: Die Einäscherung der Kirche infolge der verhinderten Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y I. Die Strafbarkeit des S 1. Nötigung, § 240 Durch das Zerschneiden der Schläuche könnte S die Feuerwehr des

147

§

Grundlegend RGSt Rdn. 3 . U8 Vgl. dazu oben II.

111

47

S.

413;

siehe auch

SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER,

185

Referendarhausarbeit

Dorfes Y mit Gewalt zum Unterlassen der Löscharbeiten an der Kirche des Dorfes X genötigt haben, § 240. a) Dann müßte sich das Zerschneiden der Schläuche als Gewalt im Sinne von § 240 darstellen, wobei als Adressat der Nötigung auch eine Mehrzahl bestimmter Personen nebeneinander in Betracht kommen 149 . Eine solche Mehrzahl sind die Feuerwehrleute aus dem Dorfe Y. b) Nach der Rechtsprechung ist Gewalt „der - nicht notwendig erhebliche - Einsatz körperlicher Kraftentfaltung, der von der Person, gegen die sie sich richtet, als ein nicht nur seelischer, sondern auch körperlicher Zwang empfunden wird". - Körperlich wird ein psychischer Zwang empfunden, wenn das Opfer ihm nicht oder nur mit erheblicher Kraftentfaltung begegnen kann 150 . Dieser Gewaltbegriff ist in der Lehre weitgehend auf Kritik gestoßen. Es wird insbesondere geltend gemacht, daß der Gewaltbegriff jegliche Konturen verloren hat, nachdem die bloße Zwangswirkung für das Opfer an die Stelle der unmittelbaren Einwirkung auf den Körper des Opfers getreten ist, daß Sachbeschädigungen im Rahmen eines so verstandenen Gewaltbegriffs in Nötigungen umgedeutet werden können und daß die Grenze zwischen Gewaltanwendung und Drohung mit Gewalt vollkommen aufgehoben worden ist 151 . Diese Kritik an der Rechtsprechung ist nur insoweit berechtigt, als in der Rechtsprechung die Grenze zwischen der Gewaltanwendung und der Drohung mit einem empfindlichen Übel in der Tat verwischt wird. Im übrigen aber sind alle Versuche, die Gewaltanwendung auf einen körperlichen Eingriff zu beschränken, von vornherein dogmatischen Zweifeln ausgesetzt, denn sie identifizieren Gewalt schlicht mit der Gewalt gegen den Körper einer Person, während die Gewalt gegen Sachen gar nicht erst als Gewalt i. S. des § 240 anerkannt wird. Das aber ist vom Wortlaut des § 240 keineswegs gedeckt und kriminalpolitisch auch nicht zu begrüßen, denn diese Differenzierung be-

'

,4

RGJW

1931 S. 942; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, § 240 R d n .

2.

Dazu: BGHStli S. 4 6 f f . mit Anm. EILSBERGER, J u S 1970 S. 164ff., MARTIN, BGH-Festschrift, S. 211, OTT, N J W 1969 S. 2023f.; BGHSt 23 S. 127; 5 G / / N S t Z 1981 S. 218; BGH N J W 1982 S. 189f. mit Anm. DINGELDEY, N S t Z 150

1 9 8 2 S. 161, KÖHLER, N J W

1 9 8 3 S . 1 0 ; BRENDLE, N J W

1983 S. 727 ff.;

siehe

a u c h SCHROEDER, J u S 1982 S. 491 f f . ; SONNEN, J A 1982 S. 2 1 7 f f . 151

Im e i n z e l n e n z u r K r i t i k : BERGMANN, S . 7 5 f f . , 8 7 f f . ; CALUESS, S . I f f . ;

GEILEN, H . Mayer-Festschrift, S. 445; HAFFKE, ZStW 84 (1972) S. 3 7 f f . ; KELLER, S. 115ff.; KREY, J u S 1974 S. 4 1 8 f f . ; MÜLLER-DIETZ, G A 1974 S. 4 4 f f .

186

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

günstigt Zufallsergebnisse, so daß der Gewinn an Gesetzesbestimmtheit mit der Zufälligkeit der Gesetzesanwendung bezahlt wird 152 . Gewalt ist daher der über eine Drohung mit einem empfindlichen Übel hinausgehende - nicht notwendig erhebliche - Einsatz körperlicher Kraftentfaltung, der von der Person, gegen die sie sich richtet, als nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden wird. - Körperlich wird ein psychischer Zwang empfunden, wenn das Opfer ihm gar nicht, nur mit erheblicher Kraftentfaltung oder in unzumutbarer Weise begegnen kann. Die nötigende Gewalt kann sich demnach gegen die Person, die zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden soll, unmittelbar körperlich richten, sie kann ihre Zwangswirkung aber auch durch Einwirkung auf Sachen entfalten. Das Verhalten des S stellt sich deshalb als Gewalt i.S. von § 240 dar, da es objektiv geeignet war, die Feuerwehrleute aus dem Dorfe Y in eine Zwangssituation zu versetzen, in der es ihnen unmöglich gemacht wurde, die Löscharbeiten durchzuführen. S hatte auch die Kenntnis der Tatumstände, denn er wußte, daß durch sein Verhalten die noch mögliche Löschung des Kirchenbrandes endgültig vereitelt wurde. c) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Es könnte aber fraglich sein, ob das Verhalten des S als „verwerflich" i. S. des § 240 Abs. 2 anzusehen ist. U m dieses festzustellen, ist eine sog. Mittel-Zweck-Relation notwendig, dergestalt, daß das Nötigungsmittel zum Nötigungszweck in Beziehung gesetzt wird 153 . Die Nötigung ist dann verwerflich, wenn die Relation als sittlich mißbilligenswert, als sozial unerträglich anzusehen ist 154 . Das bedeutet für das Zerschneiden der Schläuche, daß es dann als verwerflich anzusehen ist, wenn der damit verfolgte Zweck (bei dem auch das vom Täter erstrebte Ziel mit berücksichtigt werden muß 155 ) als sozialschädlich anzusehen ist. Betrachtet man den von S angestrebten Zweck - Verhinderung der Löscharbeiten - so kann dieser nur dann als sozial angemessen erachtet werden, wenn auch gleichzeitig das damit verfolgte Ziel - Abwehr von drohendem Unheil - berücksichtigt wird. Hierbei ist aber zu be152

Siehe OTTO, Grundkurs Strafrecht, B . T . , § 27 I 2d, cc.

153

DREHER/TRÖNDLE, § 2 4 0 R d n . 8; OTTO, G r u n d k u r s S t r a f r e c h t ,

B.T.,

§ 2 7 I I 2 a ; SCHÄFER, L K , 9 . A u f l . , § 2 4 0 R d n . 6 0 f f . ; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / E S E R ,

§ 240 Rdn. 18 ff. 154

DREHER/TRÖNDLE, § 2 4 0 R d n . 9 f f . ; HORN, S K , § 2 4 0 R d n .

155

Siehe O r r o , Grundkurs Strafrecht, B . T . , § 27 II 2a.

36ff.

187

Referendarhausarbeit

achten, daß sich dieses Ziel nur deshalb als sozial angemessen darstellt, weil es auf abergläubischen Vorstellungen des S beruht. Es bestanden keine konkreten Anhaltspunkte für den Eintritt des drohenden Unheils; infolge seines Aberglaubens hielt sich S aber für befugt, die Feuerwehrleute aus dem D o r f e Y zu nötigen. Die Nötigung von Rettungspflichtigen zur Abwehr von rein gedanklich abstrakten Gefahren kann aber nicht geeignet sein, die Sozialschädlichkeit dieses Verhaltens zu verneinen. Deshalb muß die Nötigung der Feuerwehr des D o r f e s Y als verwerflich i. S. von § 240 Abs. 2 angesehen werden. d) Hinsichtlich des Bewußtseins der Sozialschädlichkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit des S gilt das zu K gesagte sinngemäß 1 5 6 . e) Auch S kann nicht als „Gewissenstäter" entschuldigt werden, vielmehr ist S wegen einer Nötigung der Feuerwehr des D o r f e s Y, § 240, strafbar. 2. Schwere Brandstiftung,

§ 306 Nr. 1

D a s Zerschneiden der Schläuche der zum Löschen bereiten Feuerwehr aus dem D o r f e Y könnte für S eine Strafbarkeit wegen einer schweren Brandstiftung, § 306 N r . 1, begründen. Es könnte aber fraglich sein, ob S überhaupt noch eine schwere Brandstiftung begehen konnte, da - wie oben dargelegt 1 5 7 - schon der K eine vollendete schwere Brandstiftung an der Kirche des D o r f e s X „begangen" hatte. a) N a c h allgemeiner Meinung ist eine Straftat dann formell vollendet, wenn alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes erfüllt sind 1 5 8 . N u n gibt es aber Straftatbestände, in denen der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Vollendung vorverlegt hat, um die betreffenden Rechtsgüter schon vor abstrakten Gefährdungen zu bewahren. Mit der Erfüllung des tatsächlichen Verhaltens ist aber noch nicht der volle Unrechtsgehalt gegeben; die Rechtsgutsverletzung kann bei diesen Delikten noch weitergeführt oder sogar gesteigert werden 1 5 9 . Es ist eine weitere Rechtsgutsverletzung möglich, deren Abschluß einen weiteren Deliktsabschluß nach der schon eingetretenen formellen

156 157

Siehe oben 1. Teil I 1. Siehe dazu 1. Teil I 1.

158

RUDOLPHI, S K , V o r $ 2 2 R d n . 6 ; SCHMIDHÄUSER, A . T . ,

159

Siehe d a z u JESCHECK, Welzel-Festschrift, S . 6 8 6 ; RUDOLPHI, S K , V o r § 22

11/11.

R d n . 7; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, V o r b e m . § 2 2 R d n . 2 ; WINKLER, S.

14.

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

188

Vollendung kennzeichnet; erst zu diesem Zeitpunkt ist das Ende der Rechtsgutsverletzung gegeben, so lange ist die Verwirklichung strafrechtlichen Unrechts noch möglich. Dieser Zeitpunkt wird allgemein als materielle Vollendung oder tatsächliche Beendigung bezeichnet 160 . Fällt nun - wie auch bei der schweren Brandstiftung - der Zeitpunkt der formellen Vollendung nicht mit dem der materiellen Vollendung zusammen, so kann trotz frühzeitiger formeller Vollendung des Deliktes in der zeitlichen Zwischenphase bis zur tatsächlichen Beendigung eine weitere Rechtsgutsverletzung vorgenommen werden, da die schwere Brandstiftung, § 306, mit dem „In Brand setzen" des Gebäudes vollendet ist, jedoch die Beendigung erst bei völliger Zerstörung des Gebäudes oder bei Erlöschen des Brandes eintritt 161 . Gegen diese Ausdehnung der Strafbarkeit auf nach Vollendung eines Deliktstatbestandes vorgenommene Handlungen könnten sich aber wegen des in Art. 103 Abs. 2 G G normierten Bestimmtheitsgebotes Bedenken ergeben, da sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, ob überhaupt ein Beendigungszeitpunkt relevant ist 162 . Diese Bedenken lassen sich aber durch eine teleologische Auslegung zerstreuen 163 . Das geschützte Rechtsgut ist das wesentliche Kriterium zur Bestimmung der gesetzlich umschriebenen Verhaltensweise 164 , denn der Begriff der Beendigung erfährt seine Ausrichtung und Festlegung am Rechtsgutsgedanken, ist also gewissermaßen ein teleologischer Begriff 16 *. Die nach formeller Vollendung vorgenommene Rechtsgutsverletzung ist nicht aus dem formalen Wortlaut des jeweiligen Straftatbestandes, sondern aus den Grenzen der Angriffsart zu bestimmen, wobei objektive und subjektive Kriterien dergestalt in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, daß der Verletzungswille auf die Rechts-

160

Siehe D R E H E R / T R Ö N D L E , § 22 Rdn. 6; F U R T N E R , JR 1966 S. 169; J E A.T., S. 418; O T T O , Grundkurs Strafrecht, A.T., § 18 I 5; R U D O L P H I , SK, Vor § 22 Rdn. 7; SCHMIDHÄUSER, A.T., 5/140; STRATENWERTH, JZ 1961 S. 95 f. SCHECK,

161

OLG Hamm J Z

SCHECK, 162

1 9 6 1 S . 9 5 ; FURTNER, J R

Welzel-Festschrift,

FURTNER, J R

1966

S.

170;

ISENBECK, N J W

m.w.N.; O T T O , Grundkurs Strafrecht, A.T., § § 22 Rdn. 9 m.w.N. 163

KÜHL, S. 4 1 f f . ; WINKLER, S . 3 3 f f .

164

WINKLER, S . 3 3 . WINKLER, S. 3 6 .

1 9 6 6 S. 170; H A U , S. 9 5 ; JE-

S . 6 9 4 ; K Ü H L , S . 9 1 ; SCHEUFELE, S . 1965

18 I 5

f.;

S.

28;

18. KÜHL,

RUDOLPHI,

S.

43

SK, Vor

189

Referendarhausarbeit

gutsverletzung zielen muß, die sich im Rahmen des Täterplanes vollziehen muß 166 . Um das materielle Unrecht zu bestimmen, müssen die einzelnen Tatbestandsmerkmale zum Unrecht in Beziehung gesetzt werden, um der Funktion des Tatbestandes gerecht zu werden 167 , wobei der „rechtsgutsbezogene" Erfolgsunwert und auch der „handlungsbezogene" Aktunwert mitbestimmend sind 168 . Strafrechtliches Unrecht ist an die Tatbestandstypen gebunden, es ist nicht bloße Sozialschädlichkeit; nur wenn man weiß, gegen welche Angriffe von welchen Personen das Rechtsgut geschützt werden soll, kann man den typischen Unrechtsgehalt eines Deliktes bestimmen 169 . Es stellen nur die Verhaltensweisen strafrechtliches Unrecht dar, die dem Unrechtstypus eines bestimmten Deliktes entsprechen. Wird die Handlungsmodalität eines bestimmten Deliktes auch noch nach Vollendung konsequent berücksichtigt, so wird immer ein bestimmtes Delikt verwirklicht und nicht Unrecht „schlechthin" 170 . Dieser weitere Erfolg kann dann bei der Unrechtsbetrachtung einbezogen werden 171 . Unter Beachtung des eben Gesagten kann das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht als verletzt angesehen werden. Deshalb muß bei einem „In Brand setzen" auch die Zeit bis zur völligen Einäscherung des Gebäudes mitberücksichtigt werden 172 , denn solange liegt die - vom Gesetzgeber pönalisierte - abstrakte Gefahr vor 173 . Wie oben dargelegt 174 , kann eine Brandgefahr auch durch Intensivierung eines schon bestehenden Brandes vorgenommen wer-

S o W I N K L E R , S . 2 7 ; ä h n l i c h a u c h JESCHECK, W e l z e l - F e s t s c h r i f t , S .

691,

nach dem die Phase der Beendigung gar nicht formal im Tatbestand beschrieben ist, da sich dieser nur auf die Vollendung beziehen soll, aber vom Verbotssinn materiell erfaßt wird; ähnlich auch STRATENTWERTH, JZ 1961 S. 97; ähnlich auch KÜHL, S. 41; er stellt nicht auf die äußere Tatbestandsumschreibung ab, sondern läßt die eindeutige inhaltliche Bestimmtheit des Wertverletzungstypus - die vertypte unmittelbare oder mittelbare Verletzung der in der Gesellschaft anerkannten Werte - genügen. 167

KÜHL, S. 4 4 .

168

KÜHL, S. 57.

170

KÜHL, S. 5 9 .

171

KÜHL, S. 6 0 .

KÜHL, S. 5 8 .

172

KÜHL, S.

173

S o SCHEUFELE, S .

174

Siehe dazu oben 1. Teil I 1.

105. 17.

190

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

den 175 . Da die Intensivierung eines Brandes nicht denknotwendig durch aktives Zuführen neuen Brandmaterials erfolgen muß 17 ', konnte der S durch aktive Verhinderung der Löscharbeiten - das Zerschneiden der zum Löschen notwendigen Schläuche - dem Kirchenbrand eine ungehinderte Vergrößerung und Ausbreitung ermöglichen 177 . Der im Tatbestand des § 306 Nr. 1 beschriebene Erfolg ist eingetreten. b) Diesen Erfolg konnte der S durch Unterlassung der aktiven Verhinderung der Rettungsmöglichkeit vermeiden. c) S hat durch das Zerschneiden der Schläuche der zum Löschen bereiten Feuerwehr des Dorfes Y die schon bestehende Gefahr für eine mögliche Verletzung von Leib, Leben und Eigentum anderer Personen erhöht, denn infolge seines Verhaltens konnten die Löscharbeiten an der Kirche des Dorfes X nicht aufgenommen werden, die Kirche brannte völlig nieder. Diese Gefahrerhöhung ist auch konkret feststellbar gewesen, denn laut Sachverhalt hätte die Feuerwehr des Dorfes Y noch einen beachtlichen Teil der Kirche retten können; S hat die Lage des Rechtsgutes des § 306 nachgewiesenermaßen tatsächlich verschlechtert. d) Die von S erhöhte Gefahr hat sich auch realisiert, denn aufgrund seines - ihm steuerbaren - Verhaltens war die Kirche bis zu ihrer völligen Einäscherung noch eine Gefahrenquelle für mögliche Verletzungen von Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen. e) S war sich der Tatsache bewußt, daß infolge seines Verhaltens die Löscharbeiten der Feuerwehr des Dorfes X verhindert wurden, er handelte also insoweit in Kenntnis der Tatumstände. f) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Auch hinsichtlich des Bewußtseins der Sozialschädlichkeit liegen keine Anhaltspunkte vor, die an dem aktuellen Unrechtsbewußtsein des S Zweifel aufkommen ließen. Ebenso wie K wußte auch S, daß keine Gefahr dem Dorf drohte. Er ist deshalb - aus den oben dargelegten Gründen 178 - als Uberzeugungstäter anzusehen. S hat sich demnach nach § 306 Nr. 1 einer schweren Brandstiftung schuldig gemacht.

175

So

auch

KLUSSMANN, M D R

1974

S.

189

(für § 308);

SCHEUFELE, S . 1 8 ; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / C R A M E R , § 3 0 6 R d n . 176

177

KÜHL,

S.

106;

13.

S o aber FURTNER, J R 1966 S. 170 f.

Was dann auch laut Sachverhalt zur völligen Einäscherung der Kirche geführt hat. 178 Siehe dazu oben I 1.

191

Referendarhausarbeit 3. Besonders schwere Brandstiftung,

§ 307 Nr. 3

Da die Brandstiftung durch das aktive Verhindern der Rettungstätigkeit der Feuerwehr aus dem Dorfe Y erfolgt ist, könnte sich S einer besonders schweren Brandstiftung gem. § 307 Nr. 3 - Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften, um das Löschen des Feuers zu verhindern - schuldig gemacht haben. a) Das Zerschneiden der Schläuche stellt sich zweifellos als ein Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften dar. b) Nach herrschender Meinung kann eine Unbrauchbarmachung vor oder nach dem „In Brand setzen" des Gebäudes erfolgen 179 , z . T . wird auch die Möglichkeit einer Unbrauchbarmachung bei oder während des Inbrandsetzens anerkannt 180 . c) Es ist aber fraglich, ob der Qualifikationstatbestand gleichzeitig mit dem Grundtatbestand dergestalt vorgenommen werden kann, daß die schwere Brandstiftung gem. § 306 Nr. 1 und die besonders schwere Brandstiftung gem. § 307 Nr. 3 durch eine Handlung begangen werden, oder ob die besonders schwere Brandstiftung gem. § 307 Nr. 3 mindestens zwei voneinander verschiedene Handlungen erfordert, nämlich eine Inbrandsetzung und die dann zur Sicherung des Branderfolges vorgenommene Sicherungshandlung. aa) Gegen eine solche Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 307 Nr. 3 bestehen aber durchgreifende Bedenken. Wenn es schon für die Sicherung des Erfolges irrelevant ist, ob die Sicherungshandlung vor oder nach der erfolgsherbeiführenden Verhaltensweise vorgenommen wird, dann muß gleiches für eine Handlung gelten, die von vornherein eine Erfolgsabwendung unmöglich macht. Eine andere Entscheidung würde den Täter begünstigen, der aufgrund zufälliger Umstände nicht erst eine schwere Brandstiftung gem. § 306 begehen muß, die er dann durch weitere Verletzungshandlungen sichern muß. Es ist kein Grund ersichtlich, der eine solche unterschiedliche Wertung rechtfertigen kann; denn der Unrechtsgehalt ist immer der gleiche, unabhängig vom Zeitpunkt der Vornahme der erfolgssichernden Tätigkeit. bb) Deshalb muß die aktive Verhinderung von Löscharbeiten durch Unbrauchbarmachen der Löschgerätschaften auch durch eine Handlung vorgenommen werden können 181 . Durch das Zerschneiden

17

'

§21

D R E H E R / T R Ö N D L E , § 3 0 7 R d n . 5 ; WELZEL, L b . , § 6 7 I l e ; WESSELS, B . T . II 4; WOLFF, L K , § 3 0 7 R d n .

1.0

D R E H E R / T R Ö N D L E , § 3 0 7 R d n . 5 ; PREISENDANZ, § 3 0 7 A n m .

1.1

SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER,

Rdn.

15.

1,

6. §

307

Rdn.

10;

a.A.

HORN,

3. SK,

§

307

192

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

der Schläuche hat S den Qualifikationstatbestand der besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, verwirklicht. c) S hatte auch Kenntnis von den Tatumständen, er handelte rechtswidrig und schuldhaft. d) Er ist deshalb als Täter einer besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, zu betrachten, da hinsichtlich der persönlichen Vorwerfbarkeit des S auch keine Anhaltspunkte für etwaige Entschuldigungsgründe oder Vorwerfbarkeitsverbote bestehen 182 . 4. Brandstiftung, § 308, 1. Alt. Da sich die Kirche - wie S auch wußte - in fremdem Eigentum befand, hat S durch die aktive Verhinderung der Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft eine Brandstiftung, § 308, 1. Alt., begangen, denn die Kirche war noch nicht so ausgebrannt, daß sie nicht mehr als Gebäude im Sinne von § 308, 1. Alt. angesehen werden konnte 183 . 5. Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, §303 Durch das Zerschneiden hat S eine für ihn fremde Sache - die Schläuche der Feuerwehr des Dorfes Y - vorsätzlich und rechtswidrig so beschädigt, daß sie für ihre Zwecke nicht mehr brauchbar waren. Er hat sich damit einer Sachbeschädigung gem. § 303 schuldig gemacht. 6. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, §304 Zwar dienen die Feuerwehrschläuche dem öffentlichen Nutzen, indem sie Mittel der Brandbekämpfung sind. Derartige Gegenstände, deren Gebrauch dem öffentlichen Nutzen dient, sind aber nicht durch § 304 geschützt, sondern nur solche Objekte, die unmittelbar durch ihre Existenz dem öffentlichen Nutzen dienen 184 . 7. Sachbeschädigung bzgl. des Kircheninventars, § 303 Infolge der von S verhinderten Rettungstätigkeit wurde die Kirche völlig eingeäschert; damit sind mit Sicherheit die in der Kirche vor182

Siehe oben I 1. Die Möglichkeit des „In Brand Setzens" eines noch nicht völlig abgebrannten Gebäudes bejahen: KLUSSMANN, MDR 1974 S. 189; SCHÖNKE/SCHRÖ183

DER/CRAMER, § 3 0 6 R d n . 13.

184 Dazu BGHSt 31 S. 185 (Streifenwagen der Polizei); sowie STREE, JUS 1983 S. 837 m.w.N.

Referendarhausarbeit

193

handenen Einrichtungsgegenstände weiter beschädigt bzw. völlig zerstört worden. S kannte auch die Tatumstände; Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. Damit hat sich S einer Sachbeschädigung hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände der Kirche, § 303, schuldig gemacht. 8. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Kirche, §304 Aufgrund des Verhaltens des S brannte die Kirche völlig nieder. Damit hat S eine Sache, die dem Gottesdienst gewidmet ist 1 ' 5 , vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft zerstört, da laut Sachverhalt noch ein beträchtlicher Teil der Kirche hätte gerettet werden können. 9. Zerstören von Bauwerken, §305 Da auch ein schon teilweise zerstörtes Gebäude noch weiter zerstört werden kann 186 , hat sich S einer vorsätzlichen und rechtswidrig begangenen Zerstörung von Bauwerken gem. § 305 dadurch schuldig gemacht, daß er die Rettungstätigkeit der Feuerwehr aus dem Dorfe Y verhinderte, was zur völligen Einäscherung der Kirche geführt hat. II. Zwischenergebnis S hat sich einer Nötigung, § 240, einer Sachbeschädigung, § 303, hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände der Kirche, einer gem. § 303 strafbaren Sachbeschädigung der Schläuche der Feuerwehr des Dorfes Y, einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung, § 304, einer Zerstörung von Bauwerken, § 305, einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, und einer Brandstiftung gem. § 308, 1. Alt. schuldig gemacht. Die besonders schwere Brandstiftung gem. § 307 Nr. 3 ist gegenüber der schweren Brandstiftung gem. § 306 Nr. 1 ein qualifizierter Fall 187 . Die Brandstiftung gem. § 308, 1. Alt. steht zu der besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, in Idealkonkurrenz, § 52188. Die beiden Sachbeschädigungen, § 303, konkurrieren - da gegen verschiedene Angriffsobjekte gerichtet - idealiter, § 52. Wegen der Verschiedenartigkeit der Rechtsgüter steht die Nöti-

185

Vgl. dazu oben 1. Teil I 4.

186

So richtig SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, § 305 Rdn. 5. Vgl. nur OTTO, Grundkurs Strafrecht, B.T., § 79 III 3.

187

188

Vgl. dazu das oben für K Gesagte, mit Angaben in Fn. 82.

194

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

gung, § 240, zu der besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, in Idealkonkurrenz, § 52. Hinsichtlich der anderen Konkurrenzen kann auf das zu K Gesagte verwiesen werden 189 . S ist gem. §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, 308, 1. Alt., 304, 303, 240, 52 strafbar. III. Die Strafoarkeit der F 1. Anstiftung zu einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, 26 Durch ihren „Rundgang" könnte F den S zu dem Zerschneiden der Schläuche der Feuerwehr aus dem Dorfe Y und damit zu einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, angestiftet haben. a) Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor 190 . b) Zu dieser Straftat müßte F den S bestimmt haben. Läßt man die Schaffung „provozierender Umstände" als Bestimmen im Sinne von § 26 genügen 191 , so muß hier eine Hervorrufung des Tatentschlusses des S durch das Verhalten der F bejaht werden, denn infolge des von F vorgenommenen „Rundganges" war eine Situation geschaffen worden, die den von der Richtigkeit des Aberglaubens überzeugten S zur Verhinderung der Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y „bestimmte". Fordert man hingegen zum „Bestimmen" einen geistigen Kontakt zwischen Anstiftendem und Haupttäter 1 ' 2 , so entfällt hier ein „Bestimmen", denn F hatte keinerlei bewußten Kontakt zu S aufgenommen, sei es auch nur durch konkludentes Verhalten. Doch auch wenn man die bloße Setzung einer Ursache als „Bestimmen" genügen läßt, liegt hier keine Anstiftung vor, da F sich zu keiner Zeit der Tatsache bewußt war, sie könnte den S zu der von diesem begangenen Tat bestimmen. Mangels Kenntnis der von S begangenen Haupttat entfällt deshalb eine Anstiftung der F zu der von S begangenen schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3.

,8

' Siehe Siehe 1.1 Siehe 1.2 Siehe 1.0

dazu oben 1. Teil II. dazu oben I 1. weitere Nachweise in Fn. 132. dazu die Angaben in Fn. 134.

195

Referendarhausarbeit 2. Fahrlässige Brandstiftung,

§ 309

F hätte sich einer fahrlässigen Brandstiftung, § 309, schuldig gemacht, wenn sie durch ihr Verhalten einen Brand, der in den §§ 306 und 308 beschriebenen Art, fahrlässig verursacht hat 1 ' 3 . Zwar ist der in § 306 Nr. 1 beschriebene Erfolg eingetreten, den die F auch durch Nichtvornahme ihres „Rundganges" vermeiden konnte; sie hat aber durch ihr Verhalten keine Gefahr für das in § 306 geschützte Rechtsgut begründet oder erhöht, sondern nur eine Situation vorgespiegelt, die den S zu seiner aktiven Verhinderung der Rettungstätigkeit der Feuerwehr aus dem Dorfe Y veranlaßt hat. Aufgrund der von ihr geschaffenen Voraussetzungen entschloß sich der S, in Kenntnis des Risikos, die Schläuche zu zerschneiden und dadurch die Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut zu erhöhen. Die Verursachung dieses Erfolges ist allein auf die von S frei verantwortlich vorgenommene Gefahrenerhöhung zurückzuführen, nicht aber auf die von F geschaffenen Voraussetzungen. In der Rechtsgutsverletzung realisierte sich die von S begründete Gefahr, zu deren Begründung die F lediglich Voraussetzungen geschaffen hatte. Damit entfällt eine Strafbarkeit der F wegen fahrlässiger Brandstiftung, § 309. 3. Teil: Gesamtergebnis I. K hat sich gemäß den §§ 306 Nr. 1, 308, 1. Alt., 304, 303, 13, 52 strafbar gemacht. II. F hat sich gemäß den §§ 306 Nr. 1, 308, 1. Alt., 304, 303, 13, 26, 52 strafbar gemacht. III. S hat sich gemäß den §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, 308, 1. Alt., 304, 303, 240, 52 strafbar gemacht. E. Anmerkung Trotz stilistischer Vorbehalte und nen wurde die Arbeit von den vier Grundlage dieses Urteils waren die Lehre und Rechtsprechung sowie der Arbeit.

abweichender Problemlösungen im einzelPrüfern einheitlich als „sehr gut" beurteilt. Art und Weise der Auseinandersetzung mit die selbständige Argumentation des Verf.

1,3 Zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs Grundkurs Strafrecht, A.T., § 6 1 2d.

vgl.

OTTO,

Sachregister Begehungsdelikt Prüfungsschema - fahrlässiges 26 ff. - vorsätzliches 19, 21 ff. Beihilfe Prüfungsschema 36 Besondere Folge der Tat s. Erfolgsqualifiziertes Delikt Besondere persönliche Merkmale 63 f., 118 f. Besondere Schuldmerkmale 118 f. Bestimmen zur Tat s. Anstiftung Betrug 98f., 139f., 140f., 141 f. Beweisantrag im Strafverfahren 145 f. Bewußtsein der Rechtswidrigkeit 24 Brandstiftung besonders schwere - 191 f., 194 f. fahrlässige - 195 schwere- 154 ff., 171 f., 172ff., 177 ff., 187 ff. vorsätzliche - 167, 181 f., 192

Aberratio ictus 72 Absicht Prüfungsschema 24 Abstifter s. Anstiftung zum Unterlassen Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf 122 Actio libera in causa Prüfungsschema 33 f. Affekt 89 Akzessorietät der Teilnahme Konsequenzen für den Fallaufbau 6 f. Alternativentscheidung 11 Alternatiwerhalten s. Rechtmäßiges Alternativverhalten Animus auctoris 113, 173 Animus socii 113, 173 Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung - beim Einzeltäter z. B. 81 f., 129 - beim mittelbaren Täter 59 - bei Mittäterschaft 62, 63 Anstiftung Prüfungsschema 36 Praktische Prüfung z. B. 70f., 73, 74, 107 f., 130 f., 179 ff. - zum Unterlassen 177f., 181 f. doppelter Vorsatz bei der - 70 f. error in persona beim Haupttäter 71 Äquivalenztheorie 121 f. Aufbauschema, einheitliches 30 f. Ausführungshandlung s. Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung Auslegung - des Sachverhaltes 11 teleologische - 188 ff. Aussetzung 117, 120 f.

Echtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 19 Praktische Prüfung z. B. 121 Erfolg - und objektive Zurechnung 23, 25 Erfolgsqualifiziertes Delikt Prüfungsschema 32 f. Praktische Prüfung 191 f., 194f. Erpressung 97 Erpresserischer Menschenraub 99 Error in persona 69

Bedingter Vorsatz 43 Bedrohung 98

Fahrlässige Körperverletzung s. Körperverletzung

Diebstahl 19f., 104, 105, 119f., 138 f., 140 f. Dolus eventualis s. Bedingter Vorsatz

Sachregister

198 Fahrlässige Tötung s. Tötung Fahrlässiges Begehungsdelikt Prüfungsschema 26 ff. Praktische Prüfung z.B. 127, 142, 195 Fahrlässiges unechtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 28 ff. Falsche uneidliche Aussage 128 f., 129 f., 130 f., 132 Falsche Verdächtigung 99 Freiheitsberaubung 114 f. Freiwilligkeit des Rücktritts s. Rücktritt Garantenpflicht s. Garantenstellung Garantenstellung - aus der Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereiches 51 f., 53 - aus freiwilliger Übernahme 156 ff. - aus Gefahrengemeinschaft 51 - aus Ingerenz 51, 120f., 122, 157 - aus natürlicher Verbundenheit 49 f. - aus Zechgemeinschaft 51 Gefahrengemeinschaft s. Garantenstellung Gehilfe s. Beihilfe Gefährdung des Straßenverkehrs 142 f. Gefährliche Körperverletzung s. Körperverletzung Gewaltbegriff 185 ff. Gewissenstäter 166 Grausam (Mordmerkmal) 60, 116 Gutachtenstil 8 f. Handlungsbegriff, Bedeutung im Verbrechensaufbau 23 Habgier (Mordmerkmal) 116 Haupttat s. Anstiftung s. Beihilfe

Hausarbeit Methodische Hinweise zur Anfertigung der - 15 ff. Heimtücke (Mordmerkmal) 60, 62, 63, 116, 118 Ingerenz s. Garantenstellung Irrtum - über privilegierende Tatbestandsmerkmale 120 - über einen rechtfertigenden Sachverhalt 83 ff., 88 ff., 161 ff. - über die Rechtswidrigkeit 86 - über Entschuldigungsgründe 176 f. rauschbedingter - 106 f. Kausalität 20 Klausur Methodische Hinweise zur Anfertigung der - 13 f. Körperverletzung fahrlässige-40 f., 71 f., 73 f., 87 f. gefährliche - 43, 69f., 73, 88 ff., 112 ff. vorsätzliche - 40, 44 f., 68 f., 72, 81, 82 f., 112 Konkurrenzen Prüfungsschema 13 Praktische Prüfung z.B. 121, 133, 144 f., 169 f. Konsumtion Prüfungsschema 8 Praktische Prüfung z. B. 51, 65 Lex generalis 7 Lex specialis 7 Lügendetektor 145 ff. Mehrdeutiger Sachverhalt 11 Mittäterschaft Prüfungsschema 30, 36 Praktische Prüfung 61 f., 63 f., 113, 117 f. Mittel-Zweck-Relation 186 f.

Sachregister Mittelbare Täterschaft Prüfungsschema 6, 32, 36 Praktische Prüfung 60f., 107, 172 ff. Mitverschulden des Verletzten 91 Mord s. Tötung Mordmerkmale s. einzelne Mordmerkmale Mutmaßliche Einwilligung 41 f., 46 Nebentäterschaft Prüfungsschema 36 Praktische Prüfung 171 f. Niedrige Beweggründe (Mordmerkmal) 60, 116, 117 Nötigung 39f., 43f., 45, 81 f., 170f., 184 ff. Notstand entschuldigender - 164 f., 176 f. rechtfertigender - 42 f., 46, 69, 161 zivilrechtlicher - 160 Nothilfe s. Notwehr Notwehr 40, 41 f., 44f., 69, 73, 82, 83, 160 Überschreitung der - 90 ff. Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen der - 83, 88 Notwehrexzeß 90 ff. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 183 f. Persönliche Merkmale s. Besondere persönliche Merkmale Pflichttheorie bei den Eidesdelikten 129 f. Pflichtwidrigkeit 126f., 127f. Privilegierung Prüfungsschema 7 Praktische Prüfung z. B. 120 Putati vnotwehrexzeß s. Notwehrexzeß

199 Qualifizierung Prüfungsschema 7 Praktische Prüfung z. B. 43, 60f., 97, 112 ff. Räuberische Erpressung 97 f. Rechtfertigungsgründe - Verhältnis zur „Verwerflichkeit" 46 f. s. Mutmaßliche Einwilligung s. Notstand, rechtfertigender s. Notwehr Rechtmäßiges Alternatiwerhalten 125 f., 134 f. Rechtswidrigkeitszusammenhang s. Rechtmäßiges Alternativverhalten Regelbeispiele Prüfungsschema 8 Risikozusammenhang s. Zurechnungszusammenhang Rücktritt 64 f. Sachbeschädigung gemeinschädliche - 168 f., 183 f., 192 f. vorsätzliche - 106, 107 f., 167 f., 181 f., 192 f. Schuld Prüfungsschema 30 f. Praktische Prüfung z.B. 89ff., 105 Schuldausschließungsgründe 89 ff., 105 Verbot, u. U. bestehende - vorzuwerfen 165 ff. Schuldtheorie - eingeschränkte 84f., 86 - strenge 84, 86 Sonderpflichtmerkmale 64 f., 118 f. Sorgfaltspflicht bei der Fahrlässigkeit Prüfungsschema 27 f. Praktische Prüfung 87 f. Sprengstoffexplosion, Herbeiführen einer 127 Straf an tragserfordernis Praktische Prüfung z. B. 107

200 Strafaufhebungsgründe, persönliche s. Rücktritt Strafvereitelung 99f., 129, 131 f. Subjektive Rechtfertigungsmerkmale 24 Subsidiarität Prüfungsschema 8 Subsumtion 9 Täterschaft s. Mittäterschaft s. Mittelbare Täterschaft s. Nebentäterschaft Tatbestandsirrtum 85 f., 120 f. Tatherrschaftslehren 113, 173 f., 179 Teilnahme s. Anstiftung s. Beihilfe Theorienstreit Darstellung eines - 11 ff. Praktische Prüfung z. B. 60, 86 f. Tötung fahrlässige - 52, 126f., 127f., 142 Mord 60 f., 62, 63, 116 f. - auf Verlangen 120 Totschlag 49 ff., 51 f., 58 f., 61 f., 63, 64, 88, 115, 116, 120 Tötung auf Verlangen s. Tötung Totschlag s. Tötung Trunkenheit im Verkehr 106 Überschreitung der Notwehr s. Notwehrexzeß Überzeugungstäter 163 ff., 166 Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeuges 105 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 143 Unrechtsausschließungsgründe s. Rechtfertigungsgründe Unrechtsbewußtsein 161 formelles - 165 materielles - 161 ff. potentielles - 84 - im Prüfungsschema 24

Sachregister Unterbrechung des Kausalzusammenhangs s. Zurechnungszusammenhang Unterlassene Hilfeleistung 51, 52, 121 Unterlassungsdelikt s. Fahrlässiges unechtes Unterlassungsdelikt s. Vorsätzliches echtes Unterlassungsdelikt s. Vorsätzliches unechtes Unterlassungsdelikt Urkundenfälschung 95f., 141, 142 Urteilsstil 8 f. Verabredung eines Verbrechens 65, 71 Verbotsirrtum - und Tatbestandsirrtum 86 f. Verdeckung einer Straftat (Mordmerkmal) 117 Vereidigungsverbot 133 Vergiftung 52, 61 Verleitung zur Falschaussage 130 f., 132 f. Vernehmungsmethoden 146 f. Versuch Prüfungsschema 31 f. Praktische Prüfung z. B. 39 f., 43, 58, 60f., 73, 81 f., 97f., 116f. Versuch der Beteiligung 65 Versuchte Anstiftung 71 Vollendung einer Straftat 187 f. Vollrausch Prüfungsschema 34 Praktische Prüfung 106f., 143f., 147 Teilnahme am - 107 Voraussehbarkeit des Erfolges Prüfungsschema 27 f. Praktische Prüfung 127 Vorsätzliches Begehungsdelikt Prüfungsschema 21 ff. Praktische Prüfung z.B. 51 ff., 58 ff., 68 ff., 82ff., 88 ff., 96f., 104, 106 f., 139 f.

Sachregister Vorsätzliches echtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 19 Praktische Prüfung 51, 52, 131 Vorsätzliches unechtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 24 ff. Praktische Prüfung 49ff., 51 f., 154 ff., 167 f. Vorsatz 43 Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination Erfolgsqualifiziertes Delikt als 32 f. Vorsatztheorie, modifizierte 85 f.

201 Vortäuschen einer Straftat 100 Wahlfeststellung Prüfungsschema 35 Praktische Prüfung 144 Zerstörung von Bauwerken 169, 181, 195 f. Zueignung 119 f., 122 Zechgemeinschaft s. Garantenstellung Zurechnungszusammenhang Unterbrechung des - 52, 71, 122 s. Rechtmäßiges Alternatiwerhalten

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