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German Pages 353 Year 2000
FRANCESCO GIGLIO
Condictio proprietaria und europäisches Bereicherungsrecht
Untersuchungen zum Europäischen Privatrecht Band 2
Condictio proprietaria und europäisches Bereicherungsrecht Eine Untersuchung auf rechtshistorischer und rechtsvergleichender Basis mit besonderer Berücksichtigung des deutschen und italienischen Rechts
Von Francesco Giglio
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Giglio, Francesco:
Condictio proprietaria und europäisches Bereicherungsrecht : eine Untersuchung auf rechtshistorischer und rechtsvergleichender Basis mit besonderer Berücksichtigung des deutschen und italienischen Rechts / von Francesco Giglio. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Untersuchungen zum europäischen Privatrecht; Bd. 2) Zug!.: Osnabrück, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09762-9
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1438-6739 ISBN 3-428-09762-9 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Pavoni meo hoc opus dicavit
Vorwort Der wichtigste Unterricht, den ich aus der vorliegenden Arbeit ziehen konnte, betrifft die Schwierigkeiten, mit denen sich ein Jurist auseinandersetzen muß, wenn er ausländische Materialien erforschen und sich in einer Fremdsprache äußern möchte. Ob es mir gelungen ist, diese Aufgabe in zufriedenstelIender Weise zu Ende zu bringen, wird der Leser entscheiden. Ich kann meinerseits nur betonen, daß dieses Buch ohne die wichtige Hilfe vieler Freunde nicht entstanden wäre. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. Die Arbeit wurde im Sommersemester 1998 durch den Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabriick als Dissertation angenommen. Mein verehrter Lehrer, Herr Prof. Dr. C. von Bar, hat mir das juristische Denken beigebracht. Trotz der methodologischen Divergenzen hat er konkret bewiesen, daß ein wissenschaftliches Gespräch zwischen Nord- und Südeuropa nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert ist. Dadurch hat er mein Interesse rur das europäische Privatrecht entscheidend angeregt. Ferner verdanke ich ihm die Bereitstellung der Forschungsstrukturen des Instituts rur Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Osnabriick, in dessen Seminar über das europäische Deliktsrecht ich viel lernen - und vielleicht allzu viel reden - durfte. Herr Prof. Dr. W. E. Voß, Dekan des Rechtswissenschaftlichen Fachbereiches der Universität Osnabriick, hat mir gezeigt, daß die Rechtsgeschichte auch in puncto europäisches Privatrecht in konstruktiver Weise das Sagen haben kann. Die Ergebnisse unserer "Flurdiskussionen" tauchen oftmals auf den folgenden Seiten auf. Herr Prof. Dr. K.-H. Gursky hat in bemerkenswert kurzer Zeit das Zweitgut-achten erstellt, wofür alle Doktoranden immer sehr dankbar sind. Herr Prof. Dr. J. Schulz hat sich als der beste "Chef' erwiesen, den sich ein wissenschaftlicher Mitarbeiter wünschen kann - und dies auch nach Ablauf des Arbeitsvertrages! Herr Prof. Dr. H. Grothe hat nicht nur meine Arbeit freundlicherweise korrekturgelesen in einer Phase seines Lebens, in der er mit paulo maiora beschäftigt war; er mußte sich auch mehreren verzweifelten, stundenlangen Anrufen in Osnabriick sowie in Berlin stellen.
Vorwort
8
Bei Herrn wiss. Mit. S. Hartwig bedanke ich mich vor allem, weil er vom europäischen Privatrecht nichts wissen will und mir trotzdem sehr geholfen hat. Durch unsere wissenschaftlichen Auseinandersetzungen konnte ich meine Meinung täglich auf einen harten Prüfstand stellen und mußte sie oftmals revidieren. Mit kultivierter Ironie hat Frau I. Vianello die schwere Aufgabe auf sich genommen, diese Seiten sprachlich zu überarbeiten. Schließlich möchte ich meine Dankbarkeit gegenüber dem Verlag Duncker & Humblot, der meine Arbeit in die Schriftenreihe "Untersuchungen zum Europäischen Privatrecht" übernommen hat, zum Ausdruck bringen. Meine Familie ist trotz der räumlichen Entfernung immer bei mir gewesen. Diese Arbeit widme ich meiner Nicola. Sie hat mich getröstet, unterstützt, ermutigt. Ohne ihre Beteiligung hätte ich die vielen Schwierigkeiten nicht überwinden können.
Oxford, im Januar 1999
Francesco Giglio
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
Einleitung A. Gliederung und Ziel der Arbeit ..........................................................................
19
B. Eingrenzung der Studie ......................................................................................
23
C. Anwendungsbereich der Eigentumskondiktion in dem künftigen europäischen Kondiktionsrecht: eine Diskussionsthese .................................................
27
D. Die verwendete Methode....................................................................................
30
Zweiter Teil
Geschichtliche Entwicklung A. Einfiihrung..........................................................................................................
32
B. Römisches Recht. ...............................................................................................
33
I.
Ursprung der condictio ... .........................................................................
33
11.
... und ihre weitere Entwicklung ...............................................................
38
III.
Funktion der Kondiktionsklage.................................................................
41
IV.
Struktur der Kondiktionsklage ..................................................................
43
V.
Gegenstand der Kondiktionsklage.............................................................
46
VI.
Anwendungsbereich ..................................................................................
48
1. Konkurrenzfrage .................................................................................
48
2. Besondere Fallkonstellationen ............................................................
49
a) condictio ex causa furtiva .............................................................
49
b) actio de in rem verso.....................................................................
50
c) Bereicherungsansprüche des Ehegatten und des Mündels............
51
C. Die weitere Entwicklung nach Justinian.............................................................
53
I.
Das gemeine Recht....................................................................................
53
11.
Die condictio indebiti................................................................................
55
111.
Die actio de in rem verso ..........................................................................
57
IV.
Das Bereicherungsrecht im neunzehnten Jahrhundert...............................
59
10
Inhaltsverzeichnis I. Die Kondiktionen...................................................................................
59
a) Die deutsche Pandektistik................................................................
59
b) Das Kondiktionsrecht im (froheren) italienischen Rechtssystern..................................................................................................
62
2. Die Versionsklage ..................................................................................
64
a) Die Versionsklage nach deutschem Recht.................... ...................
65
b) Die Versionsklage nach italienischem Recht...................................
66
Dritter Teil Geltendes Bereicherungsrecht
A. Einführung..........................................................................................................
69
B. Herausgabeansproche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund ........................
74
I. condictio indebiti..........................................................................................
74
I. Der Tatbestand.......................................................................................
75
a) Die deutsche Gesetzgebung .............................................................
75
b) Die italienische Gesetzgebung.........................................................
76
2. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften........................................
78
a) Die deutsche Auslegung ..................................................................
78
aa) Die ältere Einheitslehre .............................................................
78
bb) Die Trennungslehre ........................................ ...................... .....
80
cc) Eingrenzungsversuche der Tragweite des § 812 I 1 Alt. 2 BGB...........................................................................................
81
dd) Die Ansätze der Trennungslehre ............................ ...................
86
ee) Die Auslegung der Trennungslehre ..... ......................................
89
ff) Kritik an dem finalen Leistungsbegriff. .....................................
90
gg) Die neuere Einheitslehre............................................................
92
hh) Kondiktionssperren....................................................................
93
b) Die italienische Auslegung ............... ... ................ ............................
94
aa) Allgemeines...............................................................................
94
(1) Zahlung ...............................................................................
99
(2) Nichtschuld .........................................................................
101
bb) Objektive Nichtschuld................... ..................................... .......
102
cc) Subjektive Nichtschuld..............................................................
104
dd) Dreiecksverhältnisse............................... ............... ....................
107
ee) Kondiktionssperren....................................................................
109
3. Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick...............................
111
Inhaltsverzeichnis
11.
11
a) Bedeutung der Kondiktion im Rechtsvergleich ................ ............
111
b) (Einheitlicher) Kondiktionsanspruch nach deutschem Recht .......
112
c) (Einheitlicher) Kondiktionsanspruch nach italienischem Recht .... ;........................................................................................
116
d) Das Kondiktionsrecht im Naturrecht ............................................
117
e) Vorteile des italienischen Modells............................... ............ .....
118
f) Dreiecksverhältnisse............... ............................ ..................... .....
120
g) Rolle des Irrtums ..........................................................................
121
Die weiteren Kondiktionen .......................................................................
122
1. condictio ob causam finitarn...............................................................
122
a) Die Kondiktion nach deutschem Recht.........................................
123
b) Die Kondiktion nach italienischem Recht ............. .......................
124
c) Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick......................
125
2. condictio ob rem .................................................................................
126
a) Die Kondiktion nach deutschem Recht.........................................
126
b) Die Kondiktion nach italienischem Recht.... ................. .......... .....
129
c) Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick......................
132
3. condictio ob iniustam vel turpem causarn...........................................
133
a) Die Kondiktion nach deutschem Recht.........................................
133
b) Die Kondiktion nach italienischem Recht ....................................
136
c) Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick......................
137
C. actio de in rem verso ..........................................................................................
138
Der Tatbestand ............... ............................................... ............................
139
I.
11.
1. Die deutsche Gesetzgebung ................................................................
139
2. Die italienische Gesetzgebung............................................................
141
a) Zahlung einer Nichtschuld............................................................
141
b) Allgemeine Bereicherungsklage ...................................................
142
Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften ...........................................
142
1. Die deutsche Auslegung .....................................................................
143
2. Die italienische Auslegung .................................................................
147
a) Zahlung einer Nichtschuld............................................................
147
b) Allgemeine Bereicherungsklage ...................................................
149
aal Allgemeines............................................................................
149
bb) Tatbestandsmerkrnale .............................................................
152
cc) Subsidiaritätserfordernis .........................................................
157
dd) Dreiecksverhältnis ..................................................................
159
12
Inhaltsverzeichnis III.
Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick ..................................
162
I. Die Rechtslage des Dritten..................................................................
162
2. Systematische Einordnung der Klage .................................................
163
3. § 822 BGB ..........................................................................................
164
4. Die sog. Versionsklage des Art. 2041 c.c. . ........................................
165
D. Zusammenfassung von einigen Ergebnissen der rechtsgeschichtiichen und der rechts vergleichenden Analyse.................................. ....................................
168
I.
condictio und actio de in rem verso..........................................................
168
11.
Ihre Aufnahme in den verglichenen Rechtssystemen................................
170
III.
Kondiktions-, Versions- und Bereicherungsrecht .....................................
171
IV.
Auslegungsschwierigkeiten und Verwendung der Begriffe ......................
174
Vierter Teil
Analyse eines Modells der nEigenturnskondiktion" für das europäische Kondiktionsrecht A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre von titulus und modus
adquirendi dominium .........................................................................................
176
I.
Vorbemerkung ..........................................................................................
176
11.
Causalehre und Tradition.. ...................... .......... .......................... ..............
179
III.
Die Lehre von titulus und modus adquirendi dominium...........................
185
I. Entstehung und Entwicklung im gemeinen Recht ..............................
185
a) Rolle der Scholastik in der ersten Formulierung...........................
186
b) traditio vera und traditio ficta .......................................................
187
c) Die apelsche Formulierung...........................................................
188
d) Die Schüler von Apel................ ............................ .......... ..............
190
e) Der Einfluß der Studien von Donellus.. ................................ ........
191
Die Gegner der Titellehre .............................................................
193
2. Die Aufnahme in den kontinentalen Rechtssystemen.........................
195
f)
IV.
a) Das Allgemeine Landrecht ...........................................................
195
b) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch.. ...................................
197
c) Der Code civil und der Codice civile............................................
200
d) Das Bürgerliche Gesetzbuch.........................................................
203
3. Kurzer Überblick über die verwendete Terminologie.........................
206
Die gegenwärtige Bedeutung der Titellehre im deutschen und im italienischen Rechtssystem........................................................................
209
1. Die Funktion des modus adquirendi in den Kondiktionssystemen beider Länder.................................... ......................................
215
Inhaltsverzeichnis
13
2. Die Funktion des titulus adquirendi in den Kondiktionssystemen beider Länder......................................................................................
218
V. Vorschlag einer systematischen Darstellung des Kondiktionsrechtes im Lichte der Titellehre.............................................................................
220
I. Nationale Kondiktionsrechte und die Perspektive der Titellehre ........
220
2. Kurze Erläuterung des ersten Teilergebnisses ....................................
224
VI. Vereinbarkeit der Grundsätze der Titellehre mit den verglichenen Rechtssystemen .......... ............... .... ..... ................ .......................... .............
227
I. Die Titellehre und das deutsche Kondiktionsrecht... ...........................
228
a) Rechtslage des Dritten bei der Verfügung eines Nichtberechtigten ......................................................................................
228
b) Verfügung eines Nichtberechtigten ..............................................
229
Exkurs: Analyse des § 816 I I BGB unter dem Gesichtspunkt der Titellehre .........................................................
232
c) Fälle von Verbindung, Vermischung und Verarbeitung ...............
234
d) Fund..............................................................................................
240
e) Ersitzung.......................................................................................
241
2. Die Titellehre und das italienische Kondiktionsrecht .........................
245
a) Rechtslage des Dritten bei der Verfügung eines Nichtberechtigten ......................................................................................
245
b) Verfügung eines Nichtberechtigten ..............................................
247
c) Fälle von Verbindung, Vermischung und Verarbeitung ...............
248
d) Fund..............................................................................................
251
e) Ersitzung.......................................................................................
252
VII. Ansprüche eines künftigen europäischen Kondiktionsrechtes auf der Grundlage der Titellehre ...........................................................................
255
VIII. Die Regeln der Titellehre ..........................................................................
256
I. Die Leistung........................................................................................
257
2. Der Verfügungstitel............................................................................
259
3. Eigentumsverschaffungsfunktion der Kondiktion...............................
261
4. Herausgabemechanismus bei Durchsetzung des Anspruchs gegen Dritte ................................ ........................................................
267
a) Kondizierbare Fallkonstellation....................................................
267
b) Rechtslage des Dritten und Insolvenzrisiko..................................
272
IX. Allgemeine Überlegungen zum Kondiktionstatbestand nach der Titellehre ......................................................................................................
276
I. Die originären Erwerbsvorgänge ........................................................
276
2. Zu lässigkeit von Ausnahmen ..............................................................
277
3. Anwendungsfeld des Kondiktions- und des Versionsrechtes..............
280
14
Inhaltsverzeichnis
B. Die Titellehre als Instrument der Rechtsvergleichung und des europäischen Kondiktionsrechtes ....................................... .......................................
284
Einführung ................................................................................................
284
11.
Die Titellehre und das jus positivum........................ .................................
285
III.
Die Titellehre und das jus commune europaeum ............ ..........................
288
I. Originärer Erwerb und Restitutionsklage............................................
289
2. Falschlieferung und Kondiktionsrecht ................................................
291
3. Zahlung infolge eines später aufgehobenen Urteils ............................
292
4. Bewußte Vornahme einer nichtgeschuldeten Leistung infolge einer gesetzlichen Pflicht ....................................................................
294
I.
IV.
5. Bewußte Vornahme einer Fremdleistung ohne eine gesetzliche Pflicht..................................................................................................
296
6. Teilweise weiterveräußerte bewegliche Sache....................................
298
7. Teilweise weiterveräußerte unbewegliche Sache................................
300
8. Bereicherungsausgleich bei Schaffung von Wohnraum......................
303
9. Öffentliche Hand als Empfiingerin eines indebitum solutum..............
304
10. Wegfall der Geschäftsgrundlage.........................................................
306
11. Verfügung eines Nichtberechtigten.....................................................
307
12. Bereicherung in sonstiger Weise.........................................................
309
13. Gutgläubiger Erwerb...........................................................................
311
14. Bösgläubige Weiterveräußerung.........................................................
312
15. Fahrlässige Weiterveräußerung...........................................................
314
16. Vertrag zugunsten Dritter .... ..... ..................... ......... ............. ...............
316
17. Baustoffiieferung an Dritteigentümer .... ... ........................ ...... ........ ....
317
18. Herausgabe der Mietzinsen bei nichtigem Mietvertrag ......................
319
19. Vorübergehende Unwirksamkeit der Vermögensverschiebung..........
321
20. Entreicherung und Kondiktionsrecht ..................................................
322
Abschließende Überlegungen ...................................................................
324
Schi uD betrachtungen
325
Anhang
332
Literaturverzeichnis
336
Stichwortverzeichnis
350
Abkürzungsverzeichnis a. a.A.
aaO ABGB Abt. AcP a.E. ALR Alt. Arun. App. Arch. civ.
auch anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch vom 01. 06. 1811 Abteilung Archiv für die civilistische Praxis am Ende Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten vom 01. 06. 1794 Alternative Arunerkung Corte d'Appello (Appellationsgericht) Archivio civile
Art., Artt.
Artikel
AT Aufl. Bd. BGB BGE
Allgemeiner Teil Auflage Band Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.08. 1896 Amtliche Sammlung der Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichtes Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Besonderer Teil Bullettino dell'Istituto di diritto romano "V. Scialoja" beziehungsweise Corpus juris civilis Corte di Cassazione (Kassationshof) Codice civile vom 04. 04. 1942; Code civil vom 21. 03. 1804 (Zivilgesetzbuch) Corte costituzionale (Verfassungs gerichtshof) Codice di procedura civile vom 21. 04. 1942 (Zivilprozeßordnung) Digesten
BGH BGHZ BT Bull. ist. dir. rom. bzw.
C.
Cass. c.c. Corte cost. c.p.c.
D.
16
D.
ders. d.h. Dir. giur. Diss.
DJZ
f., ff. fase. Fn. Foro it. Foro pad. FS. Giur. it. Giur. merito Giur. piemontese Giur. Torinese Giust. civ. GI. h.A. Habil. Hb. h.L. h.M. Hrsg. hrsgg. Hs. insb. i.V.m. JherJb
JR JURA
JuS JZ Kap. L. LG lib. loc. cit. loc. ult. cit. Mass. Foro it. Mass. Giur. it. Mass. Giust. civ.
Abkürzungsverzeichnis Recueil de jurisprudence Dalloz derselbe das heißt Diritto e giurisprudenza Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung folgende fascicule Fußnote Foro italiano Foro padano Festschrift Giurisprudenza italiana Giurisprudenza di merito Giurisprudenza piemontese Giurisprudenza Torinese Giustizia civile Glosse herrschende Ansicht Habilitation Halbband herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Halbsatz insbesondere in Verbindung mit Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Loi; Legge (Gesetz) Landgericht liber loco citato loco ultimo citato Massimario deI Foro italiano Massimario della Giurisprudenza ita italiana Massimario della Giustizia civile
Abkürzungsverzeichnis MDR m.E. MünchKomm m.W. n., Nr. Neudr. NGCC NJW NJW-RR OLG OLGZ op. cit. op. loc. cit. op. loc. ult. cit. op. ult. cit. pr. Pret. R.D. Rdnr. Rep. Foro. it. Rep. Giur. it. Resp. civ. prev. RG RGZ Riv. crit. dir. priv. Riv. dir. civ. Riv. dir. comm. Riv. giur. sarda Riv. not. Riv. trim. dir. proc. civ. s. S. Sav. Z. Röm. Abt. SDHI Sez. Sez.lav. S.M. sog. SS. UU. Temi genov. 2 Glgho
17
Monatsschrift rur Deutsches Recht meines Erachtens Münchener Kommentar meines Wissens Nummer Neudruck Nuova giurisprudenza civile commentata Neue Juristische Wochenschrift NJW - Rechtsprechungsreport Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen opere citato opere locoque citato opere locoque ultimo citato opere ultimo citato principium Pretura Regio Decreto (Königliches Dekret) Randnummer Repertorio dei Foro italiano Repertorio della Giurisprudenza italiana Responsabilita civile e previdenza Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichtes in Zivilsachen Rivista critica di diritto privato Rivista di diritto civile Rivista di diritto commerciale Rivista di giurisprudenza sarda Rivista notarile Rivista trimestrale di diritto e procedura civile siehe Seite; Satz Zeitschrift der Savigny-Stiftung rur Rechtsgeschichte Studia et documenta historiae et juris Sezione Sezione lavoro (Arbeitskammer) Sua Maesta (Seine Majestät) sogenannt Sezioni Unite (Vereinigter Senat) Temi genovese
18 Trib. TRG u.a. usw.
U.U. v.
vgl. WM
z.B. ZGB ZIP zit. ZPO zugl. zust. zutr.
Abkürzungsverzeichnis Tribunale Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis unter anderem; und andere und so weiter unter Umständen von vergleiche Wertpapier-Mitteilungen: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zivilgesetzbuch vom 10. 12. 1907 Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert Zivilprozeßordnung zugleich zustimmend zutreffend
Erster Teil
Einleitung A. Gliederung und Ziel der Arbeit Die Umstrukturierung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Lichte eines gemein europäischen Geistes hat als treibende Kraft rur die Entwicklung der neuen Rechtsgebiete gedient, die in erster Linie von der raschen Änderung in der Struktur der Märkte betroffen werden. Nicht überraschend ist also das große Interesse rur ein gemeineuropäisches Vertrags und Deliktsrecht, denn es handelt sich dabei um Rechtsgebiete, denen rur den Personen- und Warenverkehr besondere Bedeutung zukommt. Aber zu denken gibt durchaus, daß diese "europäische Euphorie" das Kondiktionsrecht noch nicht angesteckt hat, ein Rechtsgebiet, das - soweit ich sehen kann - bisher ein Waisenkind des europäischen Privatrechtes geblieben ist. Das Kondiktionsrecht beinhaltet nämlich all die Elemente, die eigentlich die Aufmerksamkeit der europäischen Rechtswissenschaft erregen müßten, da es Dach und Fundament mit dem Vertragsrecht einerseits und mit dem Deliktsrecht andererseits teilt, denn sobald die Unwirksamkeit einer vertragsrechtlichen Beziehung festgestellt worden ist, sind die kondiktionsrechtlichen Regeln rur die Rückabwicklung des Geleisteten zuständig: Der Kondiktionsanspruch ist grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch. Außerdem nimmt das Kondiktionsrecht den wichtigsten Platz neben dem Deliktsrecht in der Kategorie der Rechtsinstitute ein, die sich um die Korrektur unerwünschter Rechtslagen bemühen (Rechtsbehelfe, rimedi, remedies). Ein erhebliches Gewicht weist das Kondiktionsrecht vornehmlich im Bereich des Warenverkehrs auf, eine der Säulen des europäischen, politischen Gebildes. Unter diesem Gesichtspunkt geht das Studium des europäischen Kondiktionsrechtes einher mit dem der Rechtsinstrumente, die den Rechtsverkehr regeln. In diesem Sinne sind "Rechtsverkehr" und "Kondiktionsrecht" ein untrennbares Begriffspaar. Die Notwendigkeit, bei der Untersuchung des Kondiktionsrechtes ständig Blicke auf benachbarte Rechtsgebiete zu werfen, hat eine Einschränkung des rechtsvergleichenden Teiles in der vorliegenden Untersuchung auf nur zwei Rechtsordnungen, die deutsche und die italienische, empfohlen, um den Gegenstand der Analyse übersichtlich gestalten zu können. Jedoch wäre eine Kritik, die dieser Studie eine zu enge Betrachtungsweise vorwerfen würde, nicht begründet. Wie kann von einem "Europäischen Kondiktionsrecht" die Rede 2·
20
Erster Teil: Einleitung
sein, könnte sich der Leser fragen, wenn die dargestellte Konstruktion im Lichte lediglich zweier Rechtssysteme geprüft wird? Eigentlich handelt es sich hier nicht um eine Überprüfung, auch nicht (nur) um eine Bestätigung der theoretischen Ansätze, die diese Arbeit angeregt haben. Vielmehr läuft diese Abhandlung auf die Darstellung einer Entwicklung hinaus, wodurch klar werden sollte, daß die hier vertretene Auffassung in reellen (Rechts)Geschehnissen wurzelt. Dafür erscheinen das deutsche und das italienische Rechtssystem aus unterschiedlichen Gründen besonders geeignet. Zuerst wachsen beide auf der Basis eines römischrechtlichen Substraktes, so daß sich die verwendeten termini technici in der Regel vergleichen lassen. Außerdem weisen die jeweiligen Systeme des Eigentumserwerbes eine völlig autonome und voneinander differierende Entwicklung auf, welche einerseits von dem savignyschen Abstraktionsprinzip und andererseits von dem naturrechtlichen "Willensdogma" geprägt wird, was für den Rechtsverkehr - und somit für das Kondiktionsrecht - von erheblicher Bedeutung ist. Ferner liegt zwischen der Inkraftsetzung der jeweiligen Gesetzbücher eine Zeitspanne von circa fünfzig Jahren, in der sich die europäische Gesellschaft rasch und wesentlich verändert hat. Die Analyse dieser beiden Rechtsordnungen kann also eine ganze Fülle an Informationen vermitteln, welche die verfochtene Auffassung gewiß nicht untermauern, aber sehr wohl als lertium comparalionis unterstützen können. Mit anderen Worten, diese Arbeit kann und will nicht eine ultimative Antwort für eine allgemeine Lehre des europäischen Kondiktionsrechtes liefern. Dadurch möchte der Verfasser lediglich eine erste Annäherung an das Problem einer Gesamtbewertung eines Rechtsbereiches erzielen, der infolge seiner sehr relevanten Bedeutung für die Europäische Union als Handelsraum einen der Schwerpunkte der Harmonisierungsanstrengungen der europäischen Rechtswissenschaft bilden sollte. Der dargestellte Vorschlag bleibt ohne Zweifel im Anbetracht der anderen europäischen Rechtsordnungen überprüfungsbedürftig, vor allem im Lichte derjenigen, die von dem römischen Recht in größerem Maße Abstand halten. Nichtsdestoweniger kann ein solcher Versuch, trotz der begrenzten Zahl von Rechtssystemen, die Anlaß zur Analyse geben, m.E. zur Diskussion um ein künftiges europäisches Kondiktionsrecht mit einer eigenen Stimme positiv beitragen. Die Arbeit ist in drei Hauptteile eingegliedert; jeder Teil betrachtet die Kondiktion auf einem bestimmten Entwicklungsstand; daraus ergeben sich drei "Photogramme", die die (Rolle der) Kondiktion in drei zeitlich getrennten Momenten belichten. Paradoxerweise betrifft deren drittes einen nur künftigen Zeitabschnitt: das europäische Kondiktionsrecht. Besser gesagt, handelt es sich in diesem letzten Falle mehr um eine "Skizze", in dem einige Richtlinien für eine künftige Gestaltung des hier analysierten Rechtsgebietes erörtert werden.
A. Gliederung und Ziel der Arbeit
21
Unter dem Stichwort "Vergangenheit" wird im zweiten Teil der Entstehung und der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Kondiktion gefolgt. Wie auch die Motive zum deutschen BGB zeigen, in denen das nachklassische Schema der Kondiktionen deutlich angewendet wird, übt das römische Rechtsinstitut bis ins zeitgenössische Rechtsbewußtsein einen großen Einfluß aus. Die klassische Terminologie ist jedoch in der modernen Jurisprudenz - vor allem in italien - weitgehend verloren gegangen und mit ihr auch die Bedeutung der verwendeten termini technici, so daß einige Begriffe nicht mehr mit einem ihrer Funktion entsprechenden Sinngehalt verknüpft werden. Dies bringt manche Auslegungsprobleme mit sich, aus denen sich eine nicht immer korrekte Einsetzung der Kondiktionsklage und eine nicht ohne weiteres wünschenswerte Vermehrung der Kondiktionsansprüche ergibt. Schließlich steht der Rechtsgeschichte die wichtige Aufgabe zu, zu erklären, warum zwei Rechtssysteme, die beide ihre Wurzeln auf das römische Kondiktionsrecht zurückfuhren, in der heutigen Fassung sichtliche Unterschiede sowohl im Aufbau als auch im Inhalt des Anspruches aufweisen. Es ist zwar richtig, daß sich die Rechtsgeschichte mit abgeschlossenen Zeitabschnitten befaßt, so daß eine nicht traditionsgemäße Interpretation der lex lata nicht ohne weiteres abzulehnen ist. Das historische Modell behält dennoch fur das geltende Kondiktionsrecht eine starke "Aussagekraft", die der modernen Auslegung durchaus behilflich sein kann. Aus diesem Grund werden das deutsche und das italienische Rechtssystem nicht nur miteinander verglichen, sondern auch mit den Resultaten der rechtshistorischen Analyse konfrontiert. Der dritte Teil ist folglich der Rechtsvergleichung gewidmet; vor allem geltende, aber auch historische Rechtsinstitute werden hier nebeneinander gestellt und bewertet. Die Rechtsvergleichung nimmt zwar eine sehr wichtige Stelle im Rahmen der vorliegenden Studie ein, bildet allerdings nicht das eigentliche Ziel der Untersuchung. Schon der Titel dieser Arbeit verdeutlicht die Absichten der vorliegenden Untersuchung: Es geht in erster Linie um das sog. jus commune europaeum, zur dessen Darstellung die Ergebnisse der Rechtsvergleichung unentbehrlich sind, um eine erste Konkretisierung der verfochtenen Konstruktion anhand "lebendigen Rechtes" zu ermöglichen. Die Bereitstellung der Rechtsfragen, die dann dem Aufbau des europäischen Rechtes dienen mögen, bildet einerseits die wesentliche Funktion und die größte Herausforderung der Rechtsvergleichung im Hinblick auf das europäische Recht. Andererseits liegen die Grenzen der Rechtsvergleichung ausgerechnet darin, daß sie der Vorbereitung einer weiteren Stufe der Analyse dient, d.h. eine Untersuchung der wesentlichen Elemente des sog. europäischen Kondiktionsrechtes. Im vierten Teil kehren Themen aus der Rechtsgeschichte und aus der Rechtsvergleichung wieder. Dieser Teil beschäftigt sich mit einem Rechtssystem, das es noch nicht gibt. Theorien stehen an Stelle der Tatsachen, Vermutungen und Fragestellungen anstatt der Auslegung: Die dargebotenen Kon-
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Erster Teil: Einleitung
struktionen beruhen auf keinem Gesetzestext, sondern bleiben theoretische Vorschläge, deren Ziel es ist, eine wissenschaftliche Reflexion über das europäische Kondiktionsrecht anzuregen. Gerade deshalb, weil sich die Überlegungen auf einer rein theoretischen Ebene bewegen, sollte das vorliegende Projekt lediglich als eine - gewiß nicht die einzige - Möglichkeit der Gestaltung des fraglichen Rechtsgebietes aufgefaßt werden, welche die Unterschiede in den nationalen Rechtsmechanismen des Eigentumserwerbes berücksichtigen will. Als erste Kontrolle, die beispielhaft rur die Konfrontation mit weiteren Rechtsordnungen steht, wird die vorgeschlagene Konstruktion dann einigen konkreten Lösungen des deutschen und des italienischen Rechtes gegenübergestellt. Ziel hierbei ist nicht etwa eine Bestätigung der Anwendbarkeit dieses Modells auf die jeweiligen Rechtssysteme, sondern es soll die Zweckmäßigkeit der herrschenden Auslegung der lex lata und die Stichfestigkeit der entwickelten Regeln geprüft werden. Das vierte Teil beginnt mit einer umfassenden historischen Einruhrung. Darin wird der Leser zunächst mit einigen Schlüsselbegriffen rur den weiteren Verlauf der Abhandlung vertraut gemacht. Darur reicht ein kurzes Verzeichnis von Definitionen jedoch nicht aus; eine ausruhrlichere Darstellung der Entstehung und Entwicklung dieser termini erscheint durchaus nötig, um sie richtig einordnen zu können. Zu diesem Zwecke erweist sich die Rechtsgeschichte noch einmal als unentbehrlich. Der Rechtsgeschichte kann man nämlich die klarste Bedeutung der im Verlauf der Analyse verwendeten Begriffe entnehmen. Zurück zur Quelle werden diese von den "Mißverständnissen" und den überflüssigen Verzierungen bereinigt. Das Ergebnis dieser Operation bildet dann die Basis, auf der der Vorschlag - oder die Empfehlungen, wenn man sie so nennen mag - erarbeitet wird. Warum ist eine solche historische Analyse, wie schon die des zweiten Teiles, vor der Erörterung der verfochtenen These wichtig? Genauso wie im zweiten Teil vermittelt sie die Werkzeuge, ohne die kein Gebäude errichtet werden kann. Es ist von entscheidender Relevanz, daß die darur eingesetzten Instrumente schon vor der Vorstellung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Idee in all ihren Aspekten verstanden werden. Freilich liegt das Risiko vor, mit einer hohen Quantität von Informationen den Leser zu überfordern, wodurch man gerade das entgegengesetzte Ergebnis erreichen würde: Verwirrung statt Klarheit. Zur Erleichterung des Verständnisses wird der Leser hin und wieder an die Hand genommen, ihm wird z.B. gesagt, wozu die historische Erklärung dient, die der vierte Teil eröffnet. Im Mittelpunkt der rechtsgeschichtlichen Betrachtung steht die gemeinrechtliche Lehre von titulus und modus adquirendi dominium. Ihre Bedeutung rur das künftige europäische Kondiktionsrecht erhellt sich durch die Untersuchung ihres Ursprunges und ihrer Rolle in vergangenen und geltenden europäischen Kodifizierungen. Mit Hilfe der Titellehre soll hier eine gemeinsame Struktur des Kondiktionsrechtes auf europäischer Ebene ermittelt werden, deshalb wird sie auch so detailliert erörtert, bevor ihre Funktion de jure condendo geschildert wird.
B. Eingrenzung der Studie
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Rechtsfragen des künftigen Kondiktionsrechtes bilden den Schwerpunkt dieser Studie. Mangels einer europäischen Gesetzesgrundlage ist die Rechtsvergleichung m.E. die beste unmittelbar anwendbare Methode, um diese Fragen zu analysieren. Vor allem der Stellenwert des römischen Rechtes als Vermittler zwischen unterschiedlichen Rechtssystemen gemeinsamen Ursprunges sollte nicht unterschätzt werden. Die verschiedenen Teile dieser Arbeit sind selbstständige, sozusagen in sich abgeschlossene Untersuchungen, wenn auch nicht gleichmäßig vertieft. Das eigentliche Ziel bleibt jedoch, wie gesagt, die Formulierung eines Diskussionsvorschlages, der zum Entwurf eines europäischen Rechtes beitragen soll. In diesem Sinne hofft der Verfasser, daß der Leser den roten Faden, der diese Studie durchzieht, erkennen und folgen möge.
B. Eingrenzung der Studie In der Entwicklung des Kondiktionsanspruches, der zum Zwecke dieser Studie als Anspruch auf Herausgabe des Eigentums, der durch eine ohne rechtlichen Grund erfolgte Vermögensverschiebung ausgelöst wird, definiert werden soll, sind rechtsgeschichtlich zwei Stufen erkennbar. Im zweiten und dritten Teil wird die Struktur der Kondiktion mit besonderer Rücksicht darauf dargestellt, wie sie selbst durch die Jahrhunderte hindurch geprägt und verändert wurde. Über die Natur des ursprünglichen Kondiktionstatbestandes ist sich die heutige Rechtswissenschaft im wesentlichen einig: Die legis actio per condictionem räumte einen Anspruch auf Restitution des dem Vermögen des accipiens zugeflossenen Gegenstandes ein, unter der unabdingbaren Voraussetzung der Vornahme einer Leistung. Die vor allem nachklassische Vervielfältigung der condictiones trug in erheblicher Weise zur allmählichen Verkomplizierung dieses ursprünglich klaren Mechanismus bei. Mit dem späteren "Einbruch" der Versionsklage während der Geltungsdauer des gemeinen Rechts in ein traditionsgemäß der Kondiktion vorbehaltenes Terrain begann der progressive Abschied von der römischen Struktur, und damit die zweite Stufe der Entwicklung. Einige Signale fiir einen Kurswechsel tauchten deutlich schon im letzten Jahrhundert auf. Aber die geltende deutsche privatrechtliche Kodifikation lehnte dann die Versionsklage definitiv ab, da sie ein tendenziell einheitliches Bereicherungssystem befiirwortete, dessen Kernpunkt in zwei Ansprüchen besteht, nämlich dem aus Bereicherung infolge einer Leistung und dem aus Bereicherung in sonstiger Weise. Ein neuer Impuls zur Vereinheitlichung kam von der jüngeren italienischen Gesetzgebung. Trotz der Diskussionen I, ob
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Vgl. unten. Dritter Teil, B. I. 2. b) aa).
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Erster Teil: Einleitung
die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld auf nur einen oder auf zwei voneinander unabhängige Ansprüche hinweisen, darf der gesetzgeberische Versuch, das Kondiktionsrecht anhand weniger Ansprüche neu zu gestalten, im Grunde genommen als gelungen bezeichnet werden 2• Die in der heutigen Literatur verwendete Terminologie bestätigt diesen Entwicklungsprozeß: Der Begriff der condictio wird in bei den verglichenen Kodifikationen ad acta gelegt. Bereits im Wortlaut des BGB findet sich der terminus "Kondiktion" nicht mehr3, wenngleich er noch zum üblichen Sprachgebrauch der deutschen Rechtswissenschaft gehört4. Der Ausdruck ist indessen der italienischen Rechtsforschung vollkommen fremd, es findet sich sogar nicht einmal eine passende Übersetzung in der italienischen Fachsprache, weil der Codice civile ihn durch das neue Institut der Zahlung einer Nichtschuld in toto ersetzt hat 5. Auch in der italienischen Rechtspraxis läßt sich die Modernisierung des Wortschatzes wahrnehmen: Wenn in der Gerichtssprache die Kondiktion sporadisch auftaucht, so kommt es zu augenfälligen Fehlern, die die Fremdheit der Begriffe deutlich belegen6. Werden die klassische und die in den geltenden deutschen und italienischen Kodifikationen geregelten Kondiktionen nebeneinander betrachtet, dann ergibt sich aus dem Vergleich eine ganze Reihe von bemerkenswerten Unterschieden, wobei die Zusammensetzung des Kreises der Haftungsverpflichteten nur einen Aspekt bildet. Die verschiedenen Ziele, in deren Dienst diese Rechtsfigur im Laufe der Zeit gestellt wurde, haben auch den Gegenstand der Klage weitgehend beeinflußt. Die Römer hatten ein Rechtsinstitut für die Rückgängigmachung einer schon erbrachten Leistung zugunsten des Nicht(mehr)eigentümers errichtet. Das römische Modell betraf dennoch - im Einklang mit dem damaligen Rechtssystem - hauptsächlich Fälle der materiellen Abgabe einer Sache: Im Mittelpunkt der römischen Kondiktion standen somit die Leistungen auf dare 7 • Diese traditionelle Betrachtungsweise hat in der modemen Rechtswissenschaft klare Spuren hinterlassen. Die Definition der für die Restitution des indebitum solutum zuständigen Rechtsfigur heißt in der italienischen Kodifi-
Dazu s. infra, dritter Teil, B. I. 2. b) aa). I. I. a). 4 Obwohl der terminus Kondiktion in der Gesetzgebung vermieden wird, verwenden ihn die Kommissionen sehr oft, wenn sie die unterschiedlichen, nachklassischen eondietiones und deren Gewicht im modernen Recht erörtern, vgl. z.B. Mugdan, (Protokolle), S. 1171 ffund 1175 ff. 5 S. dritter Teil, B. I. 1. b). 6 Ein gutes Beispiel hierfür ist, daß die Richter einige Fallkonstellationen unter eine zweifelhafte "eondictio indebiti ob causamfinitam" unklaren Ursprunges zusammenfassen, s. statt aller Cass., 01. 08.1992, Giur. it., 1993, 1,1,1268. 7 S. unten, zweiter Teil, B. I. 2
3 V gl. dritter Teil, B.
B. Eingrenzung der Studie
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kation "Zahlung einer Nichtschuld"8. Die Auslegung hat sich bekanntlich sehr bemüht zu erklären, daß dadurch auch Leistungen aufJacere, d.h. nach der hier angenommenen Terminologie Leistungen, die nicht auf die Vornahme einer datio gerichtet sind, umfaßt werden, doch ist der direkte Hinweis auf die Leistungen auf dare im Wortlaut des italienischen Gesetzes nicht zu übersehen. Trotzdem befindet sich die modeme Kondiktion vor neuen Horizonten, die vom BGB in angemessener Weise hervorgehoben werden, indem § 812 I 1 von einem "Etwas" redet, das der accipiens erlangt hat. Dieses Etwas kann sehr wohl Leistungen auf dare umfassen, aber ebenso möglich ist die Einbeziehung anderer Bedeutungen, denen die Rechtsforschung nachgegangen ist: Die Herausgabe der Leistungen aufJacere wird sowohl in Deutschland als auch in italien anerkannt9 ; genauso herausgabefähig ist der ungerechtfertigt erlangte Besitz lO an einer Sache, über den getrennt vom Eigentum verfügt wird. Die angeführten Beispiele zeigen nur einige der tiefen Veränderungen, die die Kondiktion gekennzeichnet haben. Eine Theorie der Restitution, die sich mit all diesen Variationen rechtsvergleichend beschäftigen würde, würde die Grenze dieser Studie sprengen, die folglich nur einige Aspekte dieses höchst komplexen Phänomens vertiefen kann. Zum Zweck einer kritischen Untersuchung der kausalosen Zuwendungen wird somit lediglich die Fallkonstellation unter die Lupe genommen, die Leistungen auf dare anbelangt. Solche Leistungen sind tatsächlich von zentraler Bedeutung für den Güterverkehr, da sie schon ursprünglich den wichtigsten Anwendungsraum des Kondiktionsrechts bildeten. Die Lösungen, die im folgenden für die genannten Rechtsfiguren vorgeschlagen werden, gelten zunächst für den herkömmlichen Kern der ungerechtfertigten Bereicherung. Die folgenden Überlegungen tragen der nationalen, systemimmanenten Rechtslage Rechnung, der zufolge der ungerechtfertigt Entreicherte ohne die Einräumung eines kondiktionsrechtlichen Rechtsbehelfes die Sache mangels des Konsenses des Zuwendungsempfängers nicht mehr erhalten könnte. Es handelt sich somit um Vermögensverschiebungen, die gemäß dem Rechtssystem ohne die Anwendung eines Kondiktionsanspruches als endgültig einzustufen wären. Die Endgültigkeit charakterisiert die Übereignung und ist das prägende Merkmal der sog. condictio proprietaria, d.h. der Rechtsbehelf für die Herausgabe des Eigentums. In den auf dem römischen Recht beruhenden, kodifizierten Rechtssystemen wird das Eigentum durch den Erwerb übertragen. Der Eigentumsübergang verursacht hier eine Vermögensverschiebung, deren prägendes Merkmal gerade ihre Endgültigkeit ist. Die Erfüllung dieses 8 Auf italienisch pagamento dell'indebito.
Die Leistungen auffacere sind im dritter Teil, B. I. 2. b) aa) (1), kurz erörtert worden. 10 S. näheres dazu infra, vierter Teil, A. VII. 9
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Erster Teil: Einleitung
Tatbestandes bestimmt die herkömmliche Trennungslinie zwischen den Anwendungsgebieten der condictio und der rei vindicatio: Dem Eigentümer steht zweitere, dem Nichteigentümer erstere zu. Obwohl beide Klagen sich im modemen Recht nicht mehr so einfach teilen lassen, da in vielen Grauzonen beide Rechtsfiguren zugleich Anwendung findenli, bildet diese Unterscheidung den Ausgangspunkt l2 der Analyse, deren Gegenstand lediglich der Tatbestand des Eigentumserwerbs ist. Außerdem müssen sämtliche Kondiktionsansprüche ausgeschlossen werden, in deren Mittelpunkt sich keine endgültige Zuwendung (datio) , sondern ein lacere befindet, da die Kondizierbarkeit der Leistungen auf lacere erstens fraglich ist und zweitens eine weitere Variable der im folgenden dargestellten Kondiktionstheorie hinzufligen würde, die eine unnötige Verkomplizierung des Grundmodells mit sich bringen würde. Es werden auch diejenigen Fallkonstellationen nicht berücksichtigt, in denen sich der Anspruch nicht auf die Restitution des verlorenen Eigentums richtet. Die Klage auf die Herausgabe des Besitzes oder auf die Herausgabe einer weiteren Art tatsächlicher Herrschaft l3 wird in den Fällen angewendet, denen das Merkmal der Endgültigkeit fremd ist. Dadurch soll solchen in der Praxis wohlbekannten Rechtsinstituten, wie Z.B. die Besitzkondiktion, ihre Funktion und Bedeutung nicht aberkannt werden, doch fallen diese Restitutionsstrukturen nicht unter die Kategorie der Kondiktion, wie sie in dieser Studie verstanden wird. Diesbezüglich erscheint äußerst sinnvoll, noch einmal das Rechtsinstitut vorzustellen, das den Gegenstand der folgenden Untersuchung bildet. Es handelt sich um die Rechtsfigur, die hier als Eigentumskondiktion bezeichnet wird. Was damit gemeint wird, wird zunächst durch die Darstellung ihres Gegenbegriffes, der Besitzkondiktion, erleuchtet. Diese ist eine Rechtsfigur, die dem römischen Recht seiner Struktur wegen unbekannt war. Nach meinem Verständnis wird bei der Besitzkondiktion die Verbindung zwischen (echtem) 11 S. z.B. die Anwendung der Zahlung einer objektiven Nichtschuld im italienischen Recht: Die Kondiktion wird selbst dort gehandhabt, wo es eigentlich nur Raum rur die Vindikation gäbe. Vgl. unten, dritter Teil, B. I. 3. 12 Der Leser sollte beachten, daß dieses Abwechseln zwischen Vindikation und Kondiktion lediglich den Ausgangspunkt dieser Untersuchung bildet. Eine feste Verbindung zwischen den bei den Rechtsinstituten wird nämlich in dieser Arbeit nie in Zweifel gezogen. Die Analyse des geltenden Rechtes offenbart jedoch eine gewisse Tendenz, die Grenzen zu verschmelzen, so daß oftmals die Klage, die sich mit minimalem Aufwand erheben läßt, d.h. die Kondiktionsklage, auf Fallkonstellationen erstreckt wird, die theoretisch dem Vindikationsrecht angehören. Man denke an die sog. Besitzkondiktion, die in das herkömmliche Herrschaftsgebiet der Vindikation eindringt. 13 Soweit es die tatsächliche Herrschaft anbelangt, unterscheidet das italienische Recht zwischen possesso und detenzione.
c. Anwendungsbereich der Eigentumskondiktion
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Kondiktions- und Vindikationsrecht unterbrochen. Noch mehr: Vindikation und Besitzkondiktion betreffen sehr unterschiedliche Rechtsebenen, die miteinander in keiner Weise kommunizieren. Nach der traditionellen Betrachtungsweise, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit ad nauseam dargestellt wird, tritt nämlich die Kondiktion anstelle der verlorenen Vindikation. Dies heißt etwas vereinfacht, daß die Kondiktion nichts anderes ist, als eine Fortsetzung der Vindikation auf schuldrechtlicher Basis. Die Besitzkondiktion ist hingegen keineswegs eine Fortsetzung der Vindikation. Im Gegenteil, sie kommt in der Regel gerade in den Fällen zum Tragen, in denen von einer Vindikation wenngleich fato sensu - gar keine Rede sein kann. Wer setzt eine Besitzkondiktionsklage ein? Derjenige, der den Besitz einer Sache herausverlangt, d.h. ein Rechtssubjekt, bei dem es völlig unwichtig ist, ob er Eigentümer ist oder nicht. Der Besitz darf beispielsweise von einem Besitzer beansprucht werden, dessen Recht zum Besitz qualifizierter ist, als das desjenigen, der die tatsächliche Herrschaft über die Sache ausübt. In der Eigentumskondiktion geht es eben nicht um die Herausgabe des Besitzes, sondern um die Herausgabe der Sache selbst: Ich habe ein Buch unwirksam verkauft und übertragen und will nun mein Buch zurück. Meinem Vertragspartner steht ein Recht auf Rückgabe des Geldes zu. Die Leistung, wodurch die Übertragung des Eigentums an der Sache gemeint wird, löst, wenn unwirksam, ungültig oder wie auch immer das nationale System diese Rechtslage bezeichnet, eine Eigentumskondiktion aus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die geleistete Sache vertretbar oder unvertretbar ist. Diese Betrachtungsweise unterscheidet sich übrigens nicht von der des Codice civile, deren Artt. 2033 f.f., welche theoretisch nur die "Zahlung" einer Nichtschuld betreffen, jedoch der Herausgabe des Geldes sowie unvertretbarer Sache - des Buches, des Grundstücks usw. - gewidmet sind.
C. Anwendungsbereich der Eigentumskondiktion in dem künftigen europäischen Kondiktionsrecht: eine Diskussionsthese
Auf eine Diskussionsthese, eine Gelegenheit zur Anregung der m.E. zur Zeit noch fehlenden Debatte über das kondiktionsrechtliche Modell, das die Herausgabeansprüche innerhalb der Europäischen Union regeln sollte, wird durch den Vorschlag gezielt, der in dieser Studie unter dem (provokativen) Stichwort "Analyse eines Modells der 'Eigentumskondiktion' für das europäische Kondiktionsrecht" - "ein" Modell, sei an dieser Stelle betont, nicht "das" Modell - erörtert wird. Eines der wichtigen Ergebnisse der vorliegenden Studie besteht aus der Feststellung, daß sich unter dem Schirm des Bereicherungsrechtes in der Tat unterschiedliche Klagearten sammeln. Dieses Zusammenleben von vom Wesen und von der Struktur her klar zu trennenden Instituten wird von der natio-
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Erster Teil: Einleitung
nalen Rechtswissenschaft nicht immer, wenn nicht sogar sehr selten, begriffen. Man bezieht sich also auf die Versionsklage wie auf eine Restitutionsklage, was sie eigentlich nicht ist, und stellt sie auf die gleiche Ebene mit der Kondiktionsklage, die hingegen ganz andere Zwecke verfolgt. Mancher Autor erstaunt bei der Feststellung, daß - irgendwie - einige Ansprüche in das Kondiktionssystem nicht passen. Dieses Unbehagen, das im Laufe der Arbeit reichlich dokumentiert wird, hat jedoch zur Forschung kaum Anlaß gegeben. Es wird somit kritisiert, daß der kondiktionsrechtliche Mechanismus nicht so funktioniert, wie er funktionieren sollte; daß das Kondiktionsrecht zu einem "Rechtsmonstrum" wird, wovor manches Lehrbuch die Studenten warnt. Es gibt allerdings (vor allem in der italienischen Literatur) wenige Studien, die sich mit der Ursache des Unbehagens befassen. In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, durch die Darstellung aus einer neuen Perspektive im Hinblick auf das künftige europäische Kondiktionsrecht zu den Wurzeln des Problems zu gelangen. Was steckt hinter dem Rechtsinstitut, das den deutschen Wissenschaftlern als "Ungerechtfertigte Bereicherung" bekannt ist? Nach Meinung des Verfassers, wie eben angedeutet, lassen sich zwei unterschiedliche Ansprüche erkennen, die Kondiktions- und die Versionsklage. Sieht man in dem Bereicherungsrecht die Funktion eines Rechtsbehelfes für die Herausgabe eines - mit den Worten des BGB - "Etwas", und das ist die normale Betrachtungsweise in der italienischen Literatur, ist die Versionsklage ein Fremdkörper. Sie bezweckt nämlich nicht eine Restitution, sondern die Wiederherstellung gemäß Gerechtigkeitsgedanken der "Harmonie" in einer Rechtslage, die durch ein Verhalten secundum jus gestört wurde. Dort, wo auf das Opfer, also auf den Entreicherten, keine weitere Hilfe zukommt, bleibt als extrema ratio die Versionsklage. Dieser Begriff ist also nichts anderes als ein Synonym des Ausdruckes "Billigkeitsklage". Spuren der Versionsklage sind noch bis zum heutigen Tage in den Rechtssystemen des französischen und des deutschen Rechtskreises zu finden; sie wird nicht uneingeschränkt aufgenommen, aber auch nie - trotz widerlautenden Aussagen einiger Gesetzgeber und Kommentatoren völlig ausgeschlossen. Im rechtsvergleichenden Teil dieser Arbeit, werden die Spuren dieser römischen Klage in den geltenden Rechten verfolgt, die Gegenstand der Analyse sind. Zunächst jedoch wird ihr Ursprung und ihre Entwicklung bis zu den modernen Kodifikationen im zweiten Teil dargestellt. Die Kondiktionsklage im richtigen Sinne hat, wie ich meine, mit einem Billigkeitsanspruch sehr wenige Berührungspunkte. Dabei geht es nicht um die Wiederherstellung einer disharmonischen Rechtslage, sondern um die Herausgabe des in debite, also ohne rechtlichen Grund, Geleisteten. Ich habe eine Wohnung veräußert und das Rechtsgeschäft, auf dem die Eigentumsübertragung basiert, ist unwirksam; ich will meine Sache zurück, und zwar gerade die
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Sache, die ich geleistet habe, sofern es sich um eine unvertretbare Sache handelt, ansonsten die gleiche Menge an Geld, Mehl, Holz usw. Die Römer sprachen diesbezüglich von der Herausgabe des tantundem ejusdem generis et qualitatis, also der gleichen Menge gleicher Art und Qualität. Die Kondiktion war und ist das echte und richtige Instrument rur die Herausgabe im Falle der Vornahme einer nichtigen Leistung, da es sich auf die Sache, und nicht auf eine Gesamtbewertung der Rechtslage der Parteien konzentriert. In dieser Arbeit steht dieser Kondiktionsanspruch im Mittelpunkt, dessen Gestalt und Funktion untersucht werden. Zu diesem Zwecke, da das europäische Privatrecht, d.h. eine in einer Vielzahl von Interessen und Regeln gespaltene, einheitlich noch nicht existierende Rechtsordnung, notwendigerweise nur ein fiktives Rechtssystem bildet, in dem der hier entwickelte Mechanismus funktionieren sollte, werden die Eigentumserwerbsmodelle einiger europäisch-kontinentalen Rechtskreise dargestellt, um daraus einige konkrete Folgen rur die formulierte These zu ziehen. Wie lautet diese These? Die Rechtsgeschichte und die Rechtsvergleichung betonen hinsichtlich der Kondiktion zwei unterschiedliche Tendenzen. Die eine, die den römischen Pragmatismus widerspiegelt, neigt zu einer Verringerung der Anzahl der Kondiktionsansprüche; die andere, die eher dem nachklassischen Klassifizierungsgeist entspricht, berurwortet eine Verzettelung der Ansprüche je nach dem geschützten Interesse. Beide Tendenzen haben sich im Laufe der Geschichte in der Gunst der Rechtswissenschaft abgewechselt. Wie ich meine, das BGB folgt - grundsätzlich - der zweiten, der Codice civile der ersten, klassischen Tendenz. In dieser Studie wird versucht darzustellen, daß rur ein künftiges europäisches Kondiktionsrecht die Herabsetzung auf nur einen einzigen Anspruch gewisse Vorteile bringen kann. Das Studium des Inhaltes, der Funktion und des modus operandi dieses Anspruches werden zunächst auf einer theoretischen Ebene besonders vertieft, dann werden die Ergebnisse mit einigen konkreten Fallkonstellationen aus dem deutschen und dem italienischen Recht konfrontiert. Neben einem derartigen Kondiktionsanspruch bildet eine weitere Säule der hier vertretenen Konstruktion die Feststellung der fundamentalen Bedeutungslosigkeit der Mechanismen, die in den einzelnen nationalen Rechtssystemen zum Eigentumserwerb ruhren, in bezug auf das Kondiktionsrecht. Dieses wird wie eine "Brücke" betrachtet, die das Schuldrecht und das Sachenrecht miteinander verbindet: Es ist eine Art schuldrechtliches Institut mit sachenrechtlieher Wirkung, wie ein Janus, der in zwei Richtungen sieht. Diese "zwei Gesichter" des Kondiktionsrechtes können leicht verwirren, nah liegt nämlich die Vermutung, daß ein kondiktionsrechtliches System notwendigerweise von dem sachenrechtlichen abhängig sein muß. Eine solche Vermutung wird hier widerlegt: Bei der Ausübung einer Eigentumskondiktion, diese ist die Grundidee, ist nur relevant, daß das Eigentum übergegangen ist; wie dies geschehen ist, spielt rur das Kondiktionsrecht keine Rolle. Ein guter Prüfstand rur diese
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Erster Teil: Einleitung
letzte Behauptung ist ausgerechnet im deutschen und im italienischen Rechtssystem zu finden, da das erste von dem savignyschen Abstraktionsprinzip, und das zweite von dem naturrechtlichen Kausalprinzip ausgehen. Beide Prinzipien werden untersucht und der vorgeschlagene Kondiktionsanspruch wird auch in diesen differierenden Systemen getestet. Es lassen sich m.E. keine Unterschiede in der Struktur des Kondiktionsanspruches feststellen, die von den eben genannten Prinzipien verursacht werden. Die Gestalt des Kondiktionsanspruches und seine Unabhängigkeit von dem nationalen Sachenrecht sind die bei den in dieser Abhandlung verfochtenen Thesen, die während der Lektüre vor Augen behalten werden sollten. Die Instrumente zur Begründung dieser Thesen werden der Rechtsgeschichte und der Rechtsvergleichung entnommen. Die letzte ermöglicht nicht nur eine konkrete Überprüfung der theoretischen Ansätze, sondern durch sie wird auch hervorgehoben, daß die Unterschiede, die die nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich des jeweiligen Sachenrechtes aufweisen, für das Kondiktionsrecht nicht ausschlaggebend sind. Diese Feststellung öffnet die Tür für eine von den nationalen Charakteristika losgelöste Auslegung des Kondiktionsrechtes. Die Rechtsgeschichte liefert ihrerseits die wichtigste "Waffe" zur Erreichung des dargestellten Zieles: Es wird auf diesen Seiten eine Wiederbelebung der gemeinrechtlichen Theorie von tituts und modus adquirendi dominium angestrebt, die meiner Meinung nach ihre Bedeutung noch nicht ausgeschöpft hat. Schon im gemeinen Recht war sie ein sehr wichtiges Mittel für die Analyse der Eigentumsübertragung. Diese Funktion wird nun ausgedehnt, um auch zur Analyse des Kondiktionsrechtes zu gelangen.
D. Die verwendete Methode Die Schilderung des Vorschlages über eine mögliche Gestaltung des europäischen Kondiktionsrechtes mittels der sog. Titellehre erfolgt im vierten Teil. In gewissem Sinne bilden der zweite und dritte Teil eine Art Einführung in das Thema. Ist eine so lange Einführung sinnvoll oder hätte eine sehr kurze Darstellung des Problemes ohne rechtsgeschichtliche und mit nur minimalen rechtsvergleichenden Angaben zu einem klaren Verständnis verholfen? Eine so formulierte Frage würde quasi eine negative Antwort erzwingen: Natürlich ist eine synthetische Darstellung besser; natürlich besteht das Risiko, durch zu viele Informationen den Überblick zu verlieren. Nichtsdestoweniger erschien mir der Abstand zwischen dieser Einführung und der Vorstellung meiner These gerechtfertigt. Über die ausschlaggebende Bedeutung der Rechtsgeschichte auch in rechtsvergleichender Funktion, um das geltende Recht besser verstehen zu können, wurde in der Rechtswissenschaft oft genug diskutiert, die gelieferten Argumente sind weitgehend bekannt und werden hier nicht wiederholt l4 .
D. Die verwendete Methode
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Nur wenn wir wissen, was die condictio war, können wir richtig verstehen, was die Kondiktion (geworden) ist: So lautet eine wichtige Devise, die meine Forschung ständig begleitet hat. Im Hinblick auf das erklärte Ziel der Fonnulierung eines Vorschlages für ein künftiges Kondiktionsrecht wirkt auch das geltende Recht, das verglichen wird, paradoxerweise wie ein Stück Rechtsgeschichte. Der Rechtsvergleichung steht in dieser Studie vor allem die Funktion zu, Tendenzen zu vennitteln, d.h. Rechtsfragen, die dann in dem vorgeschlagenen Modell erarbeitet werden. Das deutsche und das italienische Kondiktionsrecht werden also mit dem Hauptziel dargestellt, die "aktuelle Entwicklung" - neben der "vergangenen Entwicklung" - verfolgen zu können. Diese Entwicklung interessiert mehr als die wissenschaftliche Diskussion, die manche Rechtsfrage kennzeichnet. Es sei der Leser somit nicht überrascht, wenn einige, wenngleich wichtige Streitpunkte vernachläßigt werden. Die zentrale Botschaft der Rechtsgeschichte und der Rechtsvergleichung liegt in der Schilderung der Funktion der Kondiktion, inklusive ihrer Abgrenzung von der Version, und ihrer Entwicklung. Beide liefern sehr bedeutende Argumente zur Unterstützung der hier vertretenen Konstruktion. Dadurch kann man nämlich den gesamten Weg der Kondiktion über die Jahrhunderte hinweg verfolgen, dessen Fazit den Ausgangspunkt für den vierten Teil bildet: Die Kondiktion entsteht als einzelner Restitutionsanspruch, der in der nachklassischen Epoche vervielfältigt wird. Im BGB macht sich schon die Tendenz bemerkbar, aus den vielen Restitutionsansprüchen eine erste Auswahl zu treffen; davon bleiben im Codice civile lediglich zwei übrig. In der Zukunft sollte, wie ich meine, nur ein einziger Anspruch bestehen, wie im römischen Recht. Und so schließt sich der Kreis wieder. Dem Leser erwartet nun eine Art Spiel: Aus dem ursprünglichen Anspruch wurden viele Ansprüche erzeugt. Ich werde im folgenden versuchen zu beweisen, daß dieser Prozeß keineswegs unumkehrbar ist. Im Gegenteil, aus den vielen Schachteln wird in dieser Studie am Ende nur eine bleiben. In jedem Teil - Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung, These - wird zu diesem Zwecke ein "Sieb" verwendet, dessen Löcher immer kleiner werden. Wird das Bild des Siebs während der Lektüre vor Augen gehalten, sollte nach der Absicht des Verfassers klar bleiben, worauf die einzelnen Teile dieser Arbeit hinauszielen.
14 Ex multis reicht an dieser Stelle ein Verweis auf die überzeugende methodo1ogische Darstellung Markesinis, 1997, passim.
Zweiter Teil
Geschichtliche Entwicklung A. Einführung In diesem zweiten Teil sollen die geschichtlichen Wurzeln des Kondiktionsrechtes dargestellt werden. Das römische Recht übt einen unmittelbaren, starken Einfluß - wenngleich teilweise a contrario - auf sämtliche europäische Kodifikationen aus, die ein solches Rechtsinstitut kennen. Es kann folglich ein sehr hilfreicher Stützpunkt ftir den Aufbau eines gemeinsamen Kondiktionsrechtes sein. Dem Verfasser zufolge sollten der historischen Darstellung einige Informationen entnommen werden, welche dann mit wichtigen Bausteinen zur Erklärung des eigenen Lösungsvorschlages im vierten Teil beitragen. Diesbezüglich ergibt sich eine grundlegende Bemerkung zunächst daraus, daß der Kondiktionsanspruch als einheitlicher Rechtsanspruch entsteht und auch während der klassischen Zeit ein solcher bleibt. Die Römer haben nie das Bedürfnis gespürt, diesen Anspruch je nach Ziel, geschütztem Interesse usw. aufzuteilen. Im Gegenteil, die Katalogisierungsarbeit entsprach der Mentalität der Nachklassiker, die sich vor der Aufgabe befanden, die riesige Quantität der der Rechtswissenschaft verftigbaren Angaben einordnen zu müssen. Einordnen bedeutete ftir die Nachklassiker Verstehen. Als erstes Ergebnis kann also hervorgehoben werden, daß die Römer in der klassischen Zeit pragmatisch einen einzigen Anspruch errichteten, den die Nachklassiker infolge der genauso pragmatischen Notwendigkeit, das überlieferte Material einzuordnen, gemäß bestimmter Kriterien vervielfältigten. Zu verzeichnen ist dann die Entstehung der Versionsklage, durch die die Fallkonstellationen abgedeckt wurden, welche mit einer Restitution ex condiclione nicht geschützt werden konnten. Diese Klage beruhte nicht auf einem Kondiktionsanspruch und entsprach - weniger bewußt am Anfang, mehr seit ihrer schnellen Ausdehnung jenseits der bloßen Dreiecksverhältnisse - dem Bedürfnis, eine Rechtslage durch die Einsetzung eines äquitativen Rechtsbehelfes nicht mit dem Wortlaut in Einklang zu bringen, sondern mit dem Geist des Gesetzes. Die Kondiktion war ein (im Grunde genommen) reiner Herausgabeanspruch, der sich folglich lediglich auf das Geleistete richtete. Sie war also die Klage des Alteigentümers (des Grundstücks, des Buches, des Mehls usw.) gegen den Neueigentümer. Im Gegensatz dazu versuchte der Prätor durch die Gewährung der Versionsklage eine Rechtslage im Lichte von Gerechtigkeits-
B. Römisches Recht
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gedanken wieder aufzurichten, die, mit den Worten des Art. 2041 I c.c., "zum Schaden einer anderen Person" bestand. Dabei spielte viel weniger der geleistete Gegenstand als eine Bewertung der gesamten Vermögens lage eine Rolle. Interessanterweise wird diese Aktion, die ursprünglich nur für Ausnahmesituationen gedacht war, vor allem im gemeinen Recht über die wenigen ersten Fallkonstellationen so weit und so schnell hinausgehen, daß ihre Grenzen zur Kondiktionsklage immer labiler werden. Die Trennungslinie zwischen beiden Instituten verschwindet sogar in einigen Punkten und dieses verursacht eine ganze Reihe an Identitätsproblemen, mit denen sich die Rechtswissenschaft noch zum heutigen Tage quält. Davon wird im dritten und im vierten Teil berichtet.
B. Römisches Recht Fragen über nicht gerechtfertigte Vermögensverschiebungen sind innerhalb sehr unterschiedlicher Rechtskulturen gestellt worden. Nach allgemeiner Auffassung! waren jedoch die Römer die ersten, die ein System2 für die Rückgängigmachung rechtsgrundlos erbrachter Leistungen entwickelten, das noch in den heutigen Tagen für viele Rechtsordnungen Modell ist. I. Ursprung der condictio ...
Ausgangspunkt der römischen Konstruktion der Kondiktion ist der Tatbestand des formlosen Darlehens 3 (mutuum). Die Ähnlichkeiten zwischen diesem ! Nach Kaser, 1971,592, sind diese Ausgleichsansprüche "eine originelle und bedeutende Schöpfung der Römer und leben in fortgebildeter Gestalt noch in den heutigen Gesetzen weiter". 2 Eine einheitliche Theorie der Kondiktion war dem pragmatischen Rechtsgeist der Römer unbekannt. Von "System" darf deshalb lediglich ex post geredet werden, d.h. vom Standpunkt der Rechtsgeschichte. Die Lehre war stets versucht, die Grundlagen des Systems der condictio zu finden. Die h.A. sieht sie im grundlosen Behalten eines Rechtsguts durch eine Partei, so v. Lübtow, 35; Kaser, 1971,597. Dies ist zu Recht kritisiert worden, da solche Überlegungen der Denkweise der Römer als Volk, das sich diese dogmatischen Fragen niemals gestellt hat, zu wenig Rechnung tragen, vgl. Flume, FS. Niedermeyer, 136: "Wir halten es methodisch für nicht zulässig, Reflexionen über den "Rechtsgrund" oder die "Grundlage" der condictio im klassischen Recht anzustellen". Heute wird das Thema unter diesem Gesichtspunkt kaum behandelt. Die Autoren, die sich auf den Behaltensgrund beziehen, geben solchen Begriffen die moderne Bedeutung von "sine causa", z.B. Kupisch, Bereicherung, 3. 3 Honsell/Mayer Maly/Selb, 351. Kaser, 1989, 220. Darunter versteht man überwiegend Gelddarlehen; möglich waren als Vertragsgegenstand aber auch andere Gegenstände, wie Öl, Getreide usw.; s. Pernice, Bd.2, 1900, 94 f., nach dem sich ein solches mutu3 Gigho
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Zweiter Teil: Geschichtliche Entwicklung
und der Kondiktion lagen den Römern auf der Hand, da der Kern des Realkontraktes im römischen Recht eine Vermögensverschiebung4 war und nicht, wie heute zu erwarten, die Übereinstimmung der jeweiligen Partei willen betraf. Ferner zeigten beide Institute eine deutliche Parallelität in bezug auf ihre praktische Durchsetzbarkeit in den Gerichtssälen, da Darlehen und "Bereicherung"5 mit der gleichen Formel vor dem Richter klagbar waren, nämlich die actio (oder condictio) certae creditae pecuniae und die condictio tricticaria (oder certae rei)6. Die condictio bildete das wichtigste Mittel, mit dem die römischen Juristen die Entreicherung des Leistenden aus ungerechtfertigter Vermögensverschiebung bekämpft haben, nicht aber das älteste überhaupt: Ursprünglich stand dem Entreicherten eine legis actio per condictionem 7 -legis actiones hießen die Verfahrenstypen des Zwölf-Tafel-Prozesses 8, man würde vielleicht mit moder-ner Terminologie einfach von einer mit einem bestimmten Anspruch verbundenen Klage reden - zur Verfügung, welche wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des
um dem Leihvertrag stark annähert. Die Klage galt auch für darlehensähnliche Fälle, wie depositum. comodatum usw., s. v. Savigny, System, Bd. V, 511. 4 Jörs/Kunkel/Wenger, 249. 5 Das Wort "Bereicherung" wird in bezug auf den römischen Rechtsschutz lato sensu angewendet. Damit ist in diesem Zusammenhang eine vermögensrechtliche Vermehrung infolge einer ungerechtfertigten Verschiebung gemeint. Der Begriff der Bereicherung ist somit im ganzen zweiten Teil nicht mit dem "Bereicherungsrecht" im Sinne der §§ 812 ff. BGB zu identifizieren. Das Bestehen einer Bereicherung blieb nämlich bei der Gewährung des Anspruches weitgehend unberücksichtigt: Relevant war nur die Entreicherung des Klägers als solvens, d.h. desjenigen, der eine Leistung ohne rechtlichen Grund erbracht hatte. Richtigerweise sollte im römischen Recht also eher von einem Recht der condictiones, etwa ein Kondiktionsrecht die Rede sein, da der Begriff "Bereicherungsrecht" die überwiegende Rolle des beklagten accipiens als den Bereicherten hervorhebt. Das Kondiktionsrecht betrim also lediglich Rechtsansprüche aus der condictio, das Bereicherungsrecht deckt sich damit teilweise, dennoch dehnt es sich auch auf Versionsfälle und auf die allgemeine Bereicherungsklage aus Art. 2041 C.C., nämlich auf die äquitativen Restitutionsansprüche, aus. Näheres infra, dritter Teil, D. und vierter Teil, A. IX. 3. 6 Statt aller Honsell/Mayer Maly/Selb, aaO. (Fn. 3); Kaser, 1971,592. 7 Plessen, 4, schließt aus den Wortbestandteilen "con" und "dictio" [= dicere], daß sich der Name aus der Vereinbarung der Prozeßparteien ableite. Nach Gaius IV, 18: "condicere autem denuntiare est prisca lingua". Die Formel der Aktion lautete: Aio te mihi sestertiorum X milia dare oportere: id postulo. aias aut neges. Falls der Beklagte diese Schuld verneinte, setzte der Kläger fort: Quando tu negas. in diem trigensimum tibi iudicis capiendi causa condico. Hätte der Beklagte die Schuld anerkannt, bestünde freilich kein Bedarf an einer Kondiktionsklage. Diese Formel wird von Gaius, IV, 17b überliefert. 8 Vgl. Hausmanninger/Selb, 49 f.
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dritten Jahrhunderts vor Christus eingeruhrt wurde 9 . Sie basierte auf einer lex Silia und auf einer lex Calpurnia. Die erste kam bei Ansprüchen auf Rückgabe von certa lO pecunia 11 , also einer bestimmten Geldsumme, zur Anwendung, während die zweite Ansprüche auf certa res l2 , d.h. eine bestimmte Sache betraf. Der Ursprung dieser Kondiktionsklage liegt eindeutig l3 in der älteren legis actio sacramento in persona m 14, von der sie die Abstraktheit der intentio übernommen hatte; sie konnte deshalb in verschiedenen Fällen als Anlaß rur ein Zivilverfahren l5 herangezogen werden 16. Von der Formel her schließt man l7 heute auf die richterrechtliche Natur der actio, mit welcher der Prätor denjudex [Richter] rur das Urteil anwies. Der letzte hatte eine einfache, aber präzise Frage nach dem typischen Schema desjudicium strictum l8 zu beantworten, zu dem auch diese legis actio gehörte l9 . Solche Klage in personam richtete sich auf die 9 Dies erfahren wir von Gaius, IV, 19: "haec autem legis actio constituta est per legem Siliam et Calpurniam. lege quidem Si/ia certae pecuniae. lege vero Calpurnia de omni certa re", vgl. v. Savigny, System, Bd. V, 577. 10 Die Frage, ob eine condictio incerti mit der unbestimmten Formel quidquid dare facere oportere den Klassikern schon bekannt war, ist dagegen noch offen. Die jüngere Lehre neigt zu deren Bejahung. Kaser, 1989,223; Honsel/lMayer Maly/Selb, 532; dazu auch Plessen, loc. ult. eit. (Fn. 7); v. Savigny, System, Bd. V, 627. Ein Grund rur das Unbehagen in der Doktrin mag darin liegen, daß die klassischen Juristen die condictio incerti wesentlich weniger häufig als die condictio certi besprechen s. Kaser, Labeo 22 (1976),24. 11 Genannt auch condictio certi und identisch mit der actio certae creditae pecuniae. S. Kaser, 1971, 594, Fn. 4. 12 A.A. Frezza, SOHL, XXXVIII (1972), 354 f.: Die lex Silia gilt sowohl rur certa pecunia als auch rur certa res. Die lex Calpurnia stellt dagegen nach diesem Autor nur Unterschiede in der Verfahrensweise dar. 13 v. Lübtow, 115. 14 Die Anwendbarkeit dieser Aktion in personam, also eine Klage, die die Sache nicht verfolgte, sondern mit der Person des Schuldners verbunden war, ist unbestritten, statt aller Guarino, 971; und Burdese, Diritto, 501. S. a. Gaius, IV, 5: "Appellantur ... in personam ... action es. quibus dari fierive oportere intendimus. condictiones" (Eigene Kürzungen). 15 Pernice, 1873,418. 16 Kaser, 1971,593. Die Rolle der Abstraktheit rur die ungerechtfertigte Bereicherung betont Kupisch, Bereicherung, 3. 17 Kupisch, Bereicherung, 2. 18 v. Tuhr, FS. Bekker, 298; Plessen, 4; Zimmermann, 836. Über dasjudieium strictum s. Betti, 1942,308; und Honsell/Mayer Maly/Selb, 219 f.: "Bei den iudieia stricta hatte der Richter lediglich darüber zu entscheiden, ob der geltend gemachte Anspruch so, wie er in der Prozeßformel umschrieben war, zu Recht bestand oder nicht". 19 Plessen, 4; v. Savigny, System, Bd. V, 505. A.A. Glück. Pandekten, 8.
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Verschaffung quiritischen Eigentums 20 an einer Sache oder an Geld21 , was die Römer mit dem Ausdruck dare oportere bezeichneten 22 . In einer späteren Zeit wurde die Klage neben dem dare auch aufjacere23 ausgedehnt. Teilweise sieht die Lehre24 den Ausgangspunkt der legis actio per condictionem rur Fälle völkerrechtlicher Delikte im Völkerrecht 25 : Der Sprecher der römischen Gesandtschaft setzte eine Frist rur die Rückgabe des entruhrten Menschen oder der gestohlenen Tiere - was die Römer mit dem Begriff condicere bezeichneten - und verlangte folglich Genugtuung. Nach erfolglosem Ablauf der Frist stimmten die Senatoren rur oder gegen den Krieg 26 . Im Laufe der Zeit wurde neben dem ursprünglichen terminus "legis actio per condictionem" auch der Ausdruck "condictio" verwendet: Letzterer differenzierte sich vom ersten kaum, die bei den Begriffe wurden alternativ ohne feste Grenzen benutzt. Die Kondiktion wurde praktisch in die allgemeine Gattung der Aktionen aufgenommen 27 . Die Abstraktheit28 blieb wie zuvor ein wichtiges
20 Das quiritische Eigentum, d.h. das echte Eigentum des römischen Rechtes (ex jure Quiritium), war nach dem jus civile geregelt und konnte somit nur von römischen Bürgern erworben werden. Es betraf bewegliche Sachen und italische Grundstücke. Die Peregrinen, d.h. nichtrömische Bürger, konnten sich lediglich an das jus gentium wenden, vom quiritischen Eigentum waren sie folglich ausgeschlossen. Bezüglich des Unterschiedes zwischen quiritischem und prätorischem oder bonitarischem Eigentum s. Honseil, 1997,52 f. 21 HonselllMayer MalylSelb, 352; Niederländer, 3. Facere war hingegen der Ausdruck fiir jedes andere Tun oder Unterlassen juristischer oder faktischer Art, s. v. Savigny, System, Bd. V, 589. 22 Entsprechend dieser Prozeßart mußten die res bzw. die Menge des Geschuldeten schon bestimmt sein, Plessen, 4. 23 v. Savigny, System, Bd. V, 617. Über die Beziehung zwischen dare undfacere bezüglich der Kondiktion s. Burdese, Bull. dir. rom., 1985,400 ff. 24 v. Lübtow, 109 f. 2S Aufgrund der Tatsache, daß es in früherer Zeit keinen Unterschied zwischen jus gentium undjus civile gab. 26 Livius I, 32, 11: "quarum rerum. litium. causarum condixit pater patratus populi Romani Quiritium pa tri patrato Priscorum Latinorum .... quas res nec dederunt nec solverunt nec fecerunt... ". 27 v. Savigny, System, Bd. V, 505. 28 Ihre Bedeutung wird zu Recht von Honsell, 1974, 68, hervorgehoben: Die Gültigkeit des abstrakten Verfiigungsgeschäfts wird von der Nichtigkeit der causa nicht berührt, aber durch eine abstrakte condictio kann auf Rückübereignung geklagt werden. Schon in der alten legis actio per condictionem wurde die Forderungscausa nicht erwähnt - im Unterschied z. 8. zur legis actio per iudicis postulationem -, deshalb war erstere fiir alle Fälle von dare oportere eines certum tauglich, unabhängig von der causa debendi, s. Astuti, 53.
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Merkmal und rechtfertigte die Trennung von den bonae fidei judicia, bei denen hingegen das Ermessen des Richters großes Gewicht hatte 29 . Von einer schlichten "condictio" ist erst nach Einfiihrung des Formularprozesses die Rede. Die erweiterten Anwendungsmöglichkeiten der Kondiktion haben keine wesentliche Veränderung im römischen Kondiktionsrecht mit sich gebracht. Dies überrascht die Rechtsforschung nicht, da die Denkansätze der Römer damit in Einklang stehen. Einer gewaltigen Erneuerung des ganzen Bereiches zog man pragmatischerweise eine Ergänzung der schon bestehenden Rechtsfiguren vor. Lediglich bei gesetzlichen Lücken, die die Anwendung des vorhandenen Instrumentariums unmöglich machten, wurden neue Klagetypen entwickelt. Ansonsten wurde die alte legis actio per condictionem selbst unmittelbar in eine abstrakte 30 Schriftformel verwandelt, wenn sich der daraus stammende Anspruch bei dem tatsächlichen Sachverhalt ohne weitere Änderungen als ausreichend erwies31 • Nach und nach wurden immer mehr "Kondiktionsklagen" geschaffen, so daß von der ursprünglichen actio certae creditae pecuniae nur die leere Formel überlebte, mit der sehr unterschiedliche Ansprüche geltend gemacht werden konnten 32 • Dies ist nur ex post, d.h. in einer geschichtlichen Betrachtungsweise verständlich; die Römer ihrerseits hatten kaum einen Zweifel an der einheitlichen Struktur33 der Kondiktion: Eine abstrakte Tatbestandsgruppierung war ihrer Denkweise fremd 34 .
29 Nicht unter die condictio fielen honorariae actiones, Klagen in rem, Deliktsklagen und natürlich bonaefidei action es, vgl. v. Savigny, System, Bd. V, 504. 30 Kaser, Labeo 22 (1976), 23, hält die abstrakte Kondiktion für eine "geniale Erfindung" (sie) der Römer, mit der in einem Prozeß das aus einem von mehreren alternativen Gründen zu rechtfertigende Begehren verwirklicht werde. Die Abstraktheit der Formel werde aufgrund eines rechtspolitischen Motives geschaffen. 31 v. Lübtow, 139. 32 Plessen, 5. 33 Die speziellen Bezeichnungen werden der Kondiktion erst von der oströmischen Schule gegeben. So v. Lübtow, 137: Die Klassiker haben "stets den einheitlichen Kondiktionstypus vor Augen und denken nicht daran, die einzelnen Anwendungsfalle zu selbstständigen Klagefiguren auszugestalten", s.a. Kaser, 1989,594. Nach Zimmermann, 839: "Classical law, strictly speaking, did not recognise specijic types of condictiones, but app/ied the condictio to a number of situations in which it was thought to be unfair to leave the plaintifJ without redress". 34 So zutr. Kupisch, Bereicherung, 22.
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11.... und ihre weitere Entwicklung Im klassischen römischen Recht lassen sich hauptsächlich drei verschiedene Kondiktionstypen 35 bestimmen: - die condictio indebiti - die condictio ob rem - die condictio.ob causamfinitam Die condictio indebiti war wahrscheinlich die älteste und verbreitetste Kondiktion 36 • Im Grunde hatte sie die gleiche Funktion37 , die ihr auch heute das deutsche Rechtssystem in § 812 Abs. I Alt. 1 und das italienische in den Art. 2033 ff. c.c. zuerkennen. Zunächst diente sie zur Rückforderung der irrtümlich bezahlten Nichtschuld, ferner zur Rückabwicklung gescheiterter Verträge, wenn die Verbindlichkeit nichtig, angefochten oder einredebehaftet war38 . Sie wurde deshalb in folgenden Fällen nicht gewährt: Wenn a) eine Nichtschuld wissentlich gezahlt, b) eine Schuld irrtümlich gezahlt, c) ein debitum gezahlt wurde39 • Die datio ob rem 40 war eine formlose, mit einer Abrede verbundene Leistung, nach der sich der Gläubiger zu einer bestimmten Gegenleistung verpflichtete41 • Wurde die Gegenleistung nicht erbracht, durfte sich der Leistende, d.h. der solvens, auf die condictio ob rem 42 (auch ob causam datorum genannt) berufen, um das schon Geleistete zurückzubekommen43 .
35 Honsell/Mayer Maly/Selb, 353; ähnlich auch Kupisch, Bereicherung, 10 ff., wenngleich mit einigen Unterschieden. 36 Astuti, 54. Dagegen Zimmermann, 848, nach der die condictio indebiti wohl die wichtigste, aber möglicherweise nicht die älteste Kondiktion war. 37 Zimmermann, aaO. (vorige Fn.): "lt served to retransfer indebitum solutum". 38 Unbestritten. Statt aller Honsell/Mayer Maly/Selb, 354. 39 v. Lübtow, 143. Darunter fiel auch die obligatio naturalis, d.h. die Naturalobligation, vgl. Zimmermann, 848. 40 Für das Verhältnis zwischen datio ob rem und condictio ob rem s. Honsell, 1974, 73 ff. 41 Man darf den Begriff "Verpflichtung" nicht als Tenninus technicus anwenden, da keine einklagbare Verpflichtung auf die Gegenleistung zugunsten des Empfangenen zustande kam; s. Kupisch, Bereicherung, 12. 42 Condictio causa data causa non secuta ist die oströmische, unklassische Denomination. Diese Fonnulierung hält Kupisch, Bereicherung, 13, für "durchaus verständig", da sie die Funktion dieser Kondiktion ans Licht bringe. 43 Kaser, 1971,354; Honsell/Mayer Maly/Selb, 354. Nach v. Savigny, System, Bd. V, entfaltet der Irrtum für diese Kondiktion (aber auch für andere, wie die condictio indebi-
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Beispiel: Titius gibt dem Caius eine gewisse Geldsumme mit der Abrede, daß dieser seinerseits den Sklaven Stichus freilassen wird. Nach der Leistung des Titius befreit Caius den Sklaven trotzdem nicht. In Fällen, in denen die Gegenleistung zwar erbracht wurde - jedoch aufgrund einer im Rechtsgeschäft getroffenen Zweckvereinbarung, die vom Rechtssystem mißbilligt wurde - ruhrte diese Ablehnung der auf eine res turpis gerichteten Leistung zur Errichtung einer eigenen ad hoc Kondiktion. Beispiel: Der Leistende hat den accipiens rur das Begehen einer Straftat bezahlt; jemand wird zu einem Verhalten durch Bezahlung einer großen Geldsumme gezwungen, zu dem er unabhängig von der Bezahlung verpflichtet war44 . Es handelt sich dabei offensichtlich um eine leichte Variation der zuletzt dargestellten Kondiktion wegen Zweckverfehlung, welche aufgrund des Gedankens gewährt wurde, daß die datio ob turpem rem mit einer condictio ob turpem causam rückgängig gemacht werden durfte45 . Das klassische römische Recht kennt sie als selbständige Kondiktion überhaupt nicht, erst unter lustinian wird eine eigene Bezeichnung erfunden46 . Zuvor wurde sie als Sonderfall der condictio ob rem behandelt. Eine wichtige Anwendungssperre fand dieser Rechtsbehelf bei beiderseitiger Sittenwidrigkeit der Geschäftspartner. Die Rechtslage wurde wie folgt definiert: In pari turpitudine melior est causa possidentis47 .
Wurde etwas infolge eines Rechtsgrundes geleistet, der entweder nicht bestand oder später wegfiel, war die condictio ob causam finitam anwendbar. Diese Kondiktion wies eine nahe Verwandtschaft mit der condictio sine causa48 auf. Sie fand eine breite Anwendung bei Fallkonstellationen, in denen jemand durch eine abstrakte stipulatio eine bestimmte Sache versprochen hatte, deren
ti, die condictio sine causa und die condictio ob turpem causam) dieselbe Wirkung, die das Vertrauen in der alten legis actio per condictionem bezüglich des Darlehens hatte. 44 Hausmaninger/Selb, 339. vgl. Zimmermann, 844 ff., insb. 845. Nach Burdese, Diritto, 503, genügte eine turpitudo des Leistenden (turpitudo solius dantis). 45 Honsell/Mayer Maly/Selb, 353. 46 Als condictio ob iniustam ve/ turpem causam. Vgl. Honsell, 1974,65 u. 80. Iniusta war die causa, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot verstieß, so Burdese, Diritto, 504. 47 In den Quellen mehrfach wiederholt, z.B. D. 12. 5. 8.; Kaser, 1971, 598; Kupisch, Bereicherung, 14 und Fn.20. 48 S. Kaser, 1989,221. Nichts mehr findet sich dazu bei Honsell/Mayer Maly/Selb, 355; wenig erklärt darüber auch Astuti, 54.
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Übertragungs geschäft unabhängig von der Gültigkeit der causa bestehen konnte. Das häufige Vorkommen dieses Sachverhaltes, rechtfertigte die eigenartige Benennung, unter der sie bekannt wurde: condictio liberationis49 . Beispiel: Der Schuldner hat sich durch ein abstraktes Rechtsgeschäft verpflichtet, dem Gläubiger eine gewisse Geldsumme zu entrichten. Infolge der Abstraktheit des Geschäftes ist die Verpflichtung auch dort gültig, wo sie ohne iusta causa erfolgt ist, so daß weder eine condictio indebiti noch eine weitere Kondiktion in Betracht kommen. Nichtsdestoweniger darf der Schuldner auf Befreiung klagen. Das Ende des klassischen Prozesses mit formularen Aktionen bedeutete auch die Preisgabe der herkömmlichen, einheitlichen Anschauung der condictiones 50 . Die Kompilatoren beschäftigten sich hauptsächlich mit der Einordnung der römischen Quellen. Von dieser gewaltigen organisatorischen Arbeit wurden auch die Kondiktionen betroffen: Als verschiedenartig empfundene Rechtsfiguren wurden möglichst klar getrennt und eingeordnet. Von nun an enthielten die Kondiktionen somit selbständige, je nach Kondiktion unterschiedliche Ansprüche 51 . Auch die Eigentümlichkeit, die bereits die ältere legis actio per condictionem bezüglich der actio certae creditae pecuniae gekennzeichnet hatte, verwischt sich52 . Die Existenz einer allgemeinen Kondiktion, die bei den Klassikern sämtliche ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen ohne Rücksicht auf die Gründe der Zuwendung erfassen konnte, ist in der rechtshistorischen Forschung zweifelhaft. Die h.L. 53 lehnt das Bestehen einer solchen Rechtsfigur ab. Eine allgemeine condictio sine causa, die sowohl die Leistungs- als auch die Nichtleistungskondiktion 54 umfaßte, war den Römern vollkommen fremd. Diese Ablehnung gilt erst recht hinsichtlich der Zulässigkeit einer noch allgemeineren Generalklausel des Bereicherungsrechtes, die alles betrifft, was aus dem eigenen Vermögen in fremdes Eigentum übergeht, sei es durch die Handlung des anderen, sei es durch zufällige Umstände 55 • Freilich ist der modernen Lehre56 Zimmermann, 855 f. Hausmaninger/Selb, 341. 51 JörslKunkellWenger, 249. 52 v. Tuhr, FS. Bekker, 302. 53 v. Lübtow, 85; HonselllMayer MalylSelb, 352; Kupisch, Bereicherung, 23 f. 54 Freilich entsprechen diese Begriffe der deutschen, und nicht der römischen Terminologie. 55 So jedoch v. Savigny, System; Bd. V, 523. S.a. Plessen, 10, nach dem die condictio sine causa als Ersatz rur ein nichtbestehendes allgemeines Prinzip diente. 56 S. infra, dritter Teil, passim. 49
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eine solche Kondiktion bekannt, die allerdings nicht aus der klassischen römischen Rechtsordnung stammt. Vielmehr ist sie eine reine Erfindung der Kompilatoren57 , die sie in ihrer Konstruktion eines von selbständigen Tatbeständen gekennzeichneten Kondiktionsrechts, quasi als "Sammelbecken"58 rur alle Fallkonstellationen gebrauchten, die in die bestehenden Kategorien nicht eingeordnet werden konnten. Zunächst die legis actiones und dann später die Klagen des Formularprozesses ließen den nicht geregelten Fällen keinen Raum rur Ausgleichsansprüche, die nicht zu den gesetzlichen Typen gehörten. Solch eine rigide Struktur lag dem römischen Pragmatismus, der sich immer um eine Antwort auf die jeweils bestehenden Rechtsfragen bemühte, jedoch nicht. Die "bedauerliche Lücke"59 wurde vom Prätor durch eine sog. aclio in factum 60 (actio ulitis), die das Rechtssystem ergänzen mußte, also juris civilis supplendi causa gerullt. Da diese Aktionen nicht aus dem Volksgesetz stammen, pflegt man sie "prätorische Bereicherungsklagen" zu nennen 61 ; sie sind in Fällen nicht gerechtfertigter Vermögensverschiebungen gegeben, "wenn Vermögenswerte ohne rechtfertigenden Grund in ein fremdes Vermögen geraten sind"62. Gewöhnliches Beispiel bildet die Bereicherungshaftung des Geschäftsherrn, wenn das Geschäft vom Geschäftsruhrer als eigenes geruhrt worden ist63 . Der Prätor wendete darur Klagen in id quod ad eum pervenit oder in quanta locupletior factus est an 64 . 111. Funktion der Kondiktionsklage
Rem repetere65 ist der terminus technicus, mit dem die Römer Inhalt und Zweck der Klage bezeichneten. Die repetitio begründete eine Rückforderungsklage, die auf einer grundlosen Vorenthaltung66 basierte, welche als solche von
57 v. Lübtow, 41. Nach diesem Autor, 145: "Die Zusammenfassung aller Kondiktionsfälle als condictio sine causa oder iniusta causa ist ein schlimmes Vermächtnis der spätantiken Rechtswissenschaft an die moderne Dogmatik und Gesetzgebung". 58 Der Ausdruck ist von Jörs/Kunkel/Wenger, 250. 59 So v. Lübtow, 151. 60 v. Lübtow, 150. 61 Statt aller Kupisch, Bereicherung, 28. 62 Kaser, 1971, 600. 63 Kupisch, aaO. (Fn. 61). 64 Honsell/Mayer Maly/Selb, 355 f.; Kaser, 1971,600. Für eine ausfiihrliche Darstellung dieser Fälle s. infra, B. VI. 2., in diesem Teil. 65 Pernice, 1900, 93. Diesbezüglich verwendet die italienische Rechtswissenschaft den Begriff ripetizione. 66 Kaser, 219.
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der Rechtsordnung für ungerechtfertigt gehalten wurde. In der Literatur wird die Meinung geäußert, daß dabei diejenigen Fälle erörtert wurden, die man unter den Satz "sich aus fremden Schaden bereichern"67 subsumierte. Einen solchen Ausdruck würde ich jedoch eher der Versionsklage vorbehalten, die sich mehr als die Kondiktion mit der Bereicherung des Beklagten als mit der Entreicherung des Klägers beschäftigte. Bei der Kondiktion handelte es sich nämlich in der Regel um Vermögensverschiebungen zwischen zwei Personen, die - insbesondere während der klassischen Zeit - Eigentum68 zum Gegenstand hatten. Das rechtspolitische Ziel der Klage scheint, im Gegensatz zu ihrer technischen Funktion, noch nicht völlig klargestellt zu sein. Ein Teil der Lehre69 sieht es in der Wiederherstellung des Gleichzustands der beiden Wertseiten. Diese Ansicht wird mit der zentralen Rolle der aequitas im Bereicherungsverhältnis begründet. Die Einbindung von Gerechtigkeitsgedanken in die Kondiktion mag zwar durchaus interessant sein, weil sie die Aufmerksamkeit auf die wichtige Rolle der Billigkeit lenkt, sie wurde jedoch m.E. in noch nicht vollkommen überzeugender Weise dargestellt. Die Gerechtigkeit übt eine bei fast allen Rechtsinstituten relevante Funktion aus, wie z.B. beim Deliktsrecht; es bleibt somit zu klären, warum es sich dabei um eine Sonderbeziehung handelt. Die römische Kondiktion wird meiner Meinung nach gerade davon gekennzeichnet, daß Billigkeitserwägungen in ihrer Konstruktion eine so geringe Funktion entfalten, daß sich das Kondiktionsrecht unter diesem Gesichtspunkt von den weiteren Rechtsbehelfen eben nicht unterscheidet. Die Überzeugung 70 hinsichtlich des begrenzten Einflusses der Äquitas auf die Kondiktion, der m.E. der rechtsgeschichtlichen Analyse klar zu entnehmen ist, widerspiegelt sich dann in meinem Diskussionsvorschlag für eine mögliche Darstellung des europäischen Kondiktionsrechtes. Der Gedankengang ist diesbezüglich einfach: Da sich die Kondiktion auf die Herausgabe einer Leistung richtete, gab es keinen Raum für Billigkeitserwägungen - entweder ist die Leistung herauszugeben, oder nicht. Der Schuldner kann nicht einen Teil des in debite geleisteten Grundstückes herausgeben, er muß das ganze herausgeben, oder ist von seiner Verpflichtung befreit. Die wenigen Ausnahmen sind dabei nicht ausschlaggebend. Ein entscheidender Beweis für die besondere Bedeutung der Gerechtigkeit, ausgerechnet in bezug auf die Kondiktion, ist bis heute noch nicht geliefert worden. Die römischen Juristen waren bezüglich der Annahme der Klage sehr vorsichtig und schlossen sie bei nicht entschuldbarem Rechtsirrtum des Leistenden Wol/schläger, Symposion Wieacker, 60. Kupisch, Bereicherung, 27: "Regeltatbestand ist eine nichtgerechtfertigte eigentumsübertragende Vermögenszuwendung vom Kläger an den Beklagten". Wol/schläger, 49, führt die Eigentumsentziehung als Kern des Bereicherungsrechtes auf Cicero zurück. 69 v. Lübtow, 104. 70 Mehr dazu infra, vierter Teil, passim, insb. A. IX. 2. 67
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aus 71 . Sie wurde zwar von einem Irrtum des Leistenden ausgelöst, aus dem allerdings nicht nur ein Nachteil für diesen entstand: Auch der (gutgläubige) Empfanger erlitt durch die Rückgabe des Empfangenen eine Schädigung72 , wenngleich keinen Schaden im deliktsrechtlichen Sinne.
IV. Struktur der Kondiktionsklage Passiv legitimiert bei einer Kondiktionsklage war lediglich der Leistungspartner. Mit anderen Worten war die Existenz einer Leistung zwischen Anspruchsträger und -gegner ein unentbehrliches Tatbestandsmerkmal dieser Rechtsfigur: Die römische condictio entsprach daher dem, was die moderne deutsche Rechtswissenschaft als "Leistungskondiktion" bezeichnet13 . Die Struktur des Tatbestandes ergibt sich eindeutig aus den Quellen74 . Demzufolge waren ihre strukturellen Elemente I) eine Zuwendung, die 11) sine causa erfolgte 75 . Von Julian 76 erfahren wir, daß der Entreicherte grundsätzlich77 eines - wohl nichtigen - negotium bedarf, um per condictionem klagen zu dürfen. Bezüglich des negotium wird in der Literatur78 tout court von "Rechtsgeschäft" gesprochen, obwohl die Römer die allgemeine Kategorie des Rechtsgeschäfts angewendet, aber nie dogmatisch erkannt haben 79 • Nun hatte üblicherweise dieses Rechtsgeschäft die Form einer datio 80 - die Verschaffung quiritischen Eigen-
71 v. ruhr, 294. Die italienische Lehre ist sich über die Entschuldbarkeit des Irrtums nicht einig, die h.L. jedoch spricht dafür, statt aller Astuti, 56, mit weiteren Hinweisen; und Guarino, 971 f. Der Irrtum spielte nur für die condictio indebiti eine Rolle, in bezug auf alle anderen Kondiktionen bildete er keine Voraussetzung der Rückforderung, abgesehen vielleicht von der Ausnahme der nachklassischen condictio sine causa, s. Koch,105 ff. insb. 107 f.; Zimmermann, 849 ff., nach dem als allgemeine Regel galt: ignorantia iuris nocet. facti vero ignorantia non nocet. 72 v. Tuhr, aaO. (vorige Fn.). 73 Unbestritten. Unter anderen v. Lübtow, 41; Flume, FS Niedermeyer, 137; JörslKunkellWenger, 249; HausmaningerlSelb, 337. 74 S. die ausführliche Untersuchung der Digestenzitate (insgesamt siebzehn) von Wo/lschläger, Symposion Wieacker, 56 ff. - darunter D. 12.6.14; D. 23. 3. 6. 2; D. 4. 3. 28. 75 Kaser, 1971, 594 f. 76 D. 12.6.33. 77 Wichtigste Ausnahmen: condictio furtiva. actio rei uxoriae und die Klage des pupillus; dazu s. infra, B. VI. 2., in diesem Teil. 78 Z.B. Honse/llMayer MalylSelb, 352. 79 So zutr. v. Lübtow, 99. 80 Dieses Merkmal hat im Laufe der Zeit für die Kondiktion an Gewicht verloren, z.B. mit der Aufnahme der delegatio und der acceptilatio, s. Burdese, Diritto, 502.
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turns - die trotz ihrer Nichtigkeit eine iusta causa traditionis enthielt, welche bei Unwirksamkeit folgerichtig eine Rückforderungspflicht auslöste. Diese an sich sehr strenge Regelung der Zuwendung, die nur das (quiritische) Eigentum betraf, wurde allerdings bisweilen, wie der Fall des Darlehens, dessen nahe Verwandtschaft mit der ursprünglichen Kondiktion nicht vergessen werden sollte, beweist81 , aufgelockert. Das Rechtsgeschäft war in Sonderfällen sogar entbehrlich, da das Eigentum auch ohne dieses, etwa wegen Vermischung oder Verwendung 82 , übertragen wurde. Das Bestehen eines Rechtsgeschäftes genügte allein jedoch noch nicht, um einen Kondiktionsanspruch auszulösen, weil die datio in der Regel gerade wirksame Eigentumsverschiebungen unabhängig von der eventuellen Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes ermöglichte. Dies galt zwar für diejenigen (normalen) Fälle, in denen sich die Rechtsübertragung auf einen rechtmäßigen Zuwendungsgrund, eine causa, stützte. Wurde der Gegenstand hingegen ohne rechtmäßigen Grund - oder sogar gänzlich ohne Grund - zugewendet, durfte der Entreicherte wohl kondizieren 83 . Der Problematik der Beziehung zwischen unwirksamem Rechtsgeschäft und Zulässigkeit der Kondiktion ist vor allem die italienische Romanistik 84 nachgegangen. Die Forschung bedient sich dabei des Begriffes "non ex iusta causa" in bezug auf den Unterschied zwischen causa proxima und causa remota (modus und titulus adquirendi)85 jedoch mit zweifelhaften Ergebnissen86. Hinsichtlich der Struktur der Bereicherungsklage wird der Billigkeit in der Literatur eine wichtige Rolle zugesprochen87 • Die Billigkeit bildet jedoch mehr
Kaser, 1989,221. In solchen Fällen genügte die Hingabe des Eigentums an Geld, s. Hausmaninger/Selb,337. 83 Hausmaninger/Selb, 338. Mit den Worten von Kaser, 1971,596: "Die condictio ist gerade nur zuständig, wenn die causa zwar ausreicht, um den Eigentumserwerb zu tragen, aber nicht, um das Behalten der Sache zu rechtfertigen". 84 Astuti, 57, mit weiteren Hinweisen. 85 Über die Theorie von titulus und modus adquirendi dominium und die Begriffe der causa efficiens proxima und remota s. ausfiihrlich infra vierter Teil, passim. 86 S. die Kritik von Kupisch, Bereicherung, 9. 87 Die Erörterung der Rolle der Billigkeit gehört zwar richtigerweise zu einem Abschnitt "Grundlage der Aktion", so z.B. Kupisch, Bereicherung, 25. Infolge des Einflusses auf die Kondiktion, deren Struktur nach einem Teil der Rechtslehre von der aequitas geprägt worden ist, und ihrer Rolle als Trennungselement mit der Versionsklage wird sie in dieser Darstellung unter die "Struktur der actio" eingeordnet. 81
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ein moralisches Gebot als eine konkrete Anwendungsregel der Kondiktion 88 . Gerade dadurch unterscheiden sich nach der hier vertretenen These die Funktion und die Struktur der Kondiktion von der actio de in rem verso 89 , die, im Unterschied zur Kondiktion, keine Restitutions-, sondern eine echte Billigkeitsklage darstellt. Hierzu merkt Pomponius9o an: lure naturae aequum est, neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem.
Die Echtheit dieser Stelle und im allgemeinen des ganzen naturrechtlichen Bereicherungsverbotes in bezug auf die Klassiker wurde lange Zeit in Zweifel gezogen vornehmlich mit der Begründung91 , daß die condictio in keinerlei Zusammenhang mit der aequitas stehe. Die modernere Lehre ist von dieser Auslegung nunmehr abgekommen und glaubt, daß zumindest der Kern des bonum et aequum-Gebotes dem Gerechtigkeitsgefühl der Klassiker entspricht92 . Mehr Probleme bereitet heute der historische Ursprung des Bereicherungsverbotes. Nach einem Teil der Rechtslehre 93 stammt dieses Verbot aus der griechischen, stoischen Moralphilosophie und wurde von Cicero94 in das römische Rechtssystem überliefert. Er bezeichnet es alsformula, d.h. als "explizite ethische Richtlinie"95, im nichtprozessualen Sinne und führt sie damit in das Rechtssystem ein. Den Versuchen 96 , das Bereicherungsverbot der frühchristlichen Zeit zuzuschreiben, ist - zumindest aus chronologischen Gründen - entgegenzutreten97 • Die Unsicherheit über die Rolle des naturrechtlichen Bereicherungsverbotes
88 Zutreffend Zimmermann, 852: "/t had never been a legal rule ofimmediate applicability. The Roman economy could hardly have jlourished as it did if every enrichment at the expense of another had been frowned upon: all businessmen. after all. tend to make their profits at the expense of their competitors. The general equitable principle needed to be transformed into more specijic legal rules". 89 Dazu s. infra, B. VI. 2., in diesem Teil. 90 D. 50. 17. 206. 91 v. Lübtow, 20 ff.; Albertario, 33. Nach Astuti, 56, hat das Bereicherungsverbot nicht den Wert eines allgemeinen Prinzipes. 92 Santoro, Ann. Palermo, XXXII (I971), 214; Frezza, SDHI., XXXVIII (1972), 352; Kupisch, Bereicherung, 26; Wollschläger, Symposion Wieacker, 41 u. 87; noch unsicher Kaser, 1971, 594, Fn. 5; aber auf der Spur Woll schlägers Kaser, 1989, 220. 93 Grundlegend Wollschläger, Symposion Wieacker, passim, insb. 46 ff. A.A. Kupisch, Bereicherung, 26, Fn. 38. 94 eic. de officiis 3. 5. 21.: "Detrahere igitur alteri aliquid et hominem hominis incommodo suum commodum augere magis est contra natura quam mors". 95 So Wollschläger, Symposion Wieacker, 47. 96 Riccobono, Riv. dir. civ., 1911,46 ff. und 55 ff. 97 Wollschläger, Symposion Wieacker, 47.
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stützt sich auch auf die Verallgemeinerung der aequitas von lustinian98 als Grundlage der Klage. Eine prejustinianische Anwendung wäre daher schwer zu rechtfertigen. Im übrigen wird ihre Bedeutung dennoch dadurch betont, daß die alte Klage mit ihrer Erwähnung der certa credita pecunia unmittelbar die Rolle des credere, nämlich des Vertrauens des Leistenden, anführt99 • Was die Abstraktheit der condictio anbelangt, sei nun auf das oben Gesagte verwiesen 100. V. Gegenstand der Kondiktionsklage Die moderne Lehre 101 ist sich darüber einig: Gegenstand der Kondiktion war grundsätzlich l02 das tatsächlich Erlangte, nicht das, was der Kondiktionsschuldner bei sich zur Zeit der Klage davon noch übrig hatte. Diese nunmehr unbestrittene Ansicht wird von den ähnlichen Regeln der pluspetitio bestätigt, nach der die Klage abgewiesen wurde, falls der Kläger - in der intentio - mehr verlangte, als ihm geschuldet wurde l03 . Vergleicht man die moderne Rechtslage mit der damaligen, dann ergibt sich daraus, daß die beiden Bereicherungssysteme deutliche Differenzierungen aufzeigen. Diese werden von der rechtshistorischen Doktrin 104 nicht übersehen. Die von der heutigen Rechtswissenschaft vor allem durch das moderne Institut des Wegfalls der Bereicherung überholten Probleme wurden notwendigerweise mit Hilfe der action es in factum 105 des Prätors gelöst. Gibt es über den Gegenstand keine Diskussion, so bereitet andererseits die Berechnung des "Erlangten" in einigen Fallkonstellationen gewisse Schwierigkeiten. Der Bereicherte, der eine nicht geschuldete Leistung annimmt, begeht
Bezüglich der oströmischen Erweiterung s. Kaser, 1989,223. Zutr. Pernice, 1873,418. Nichts anderes kann man vom deutschen Recht sagen: das Wort "Gläubiger" ist verwandt mit dem Verb "glauben". Die gleiche Wurzel kennzeichnet das italienische Wort "creditore". 100 S. B. I. oben in diesem Teil. 101 Kaser, 1989,223; Honsell/Mayer Maly/Selb, 355. Für die ältere Lehre v. ruhr, FS. Bekker, 297. 102 Das war z.B. nicht der Fall fiir die prätorischen Bereicherungsklagen, deren Mittel nur Rückforderung des noch Vorhandenen erlaubten, wie die Worte quod locupletior factum est eindeutig zeigen. S. a. unter B. VI. 2. in diesem Teil. 103 v. Tuhr, FS. Bekker, 298. 104 Flume, FS. Niedermeyer, 140; Honsell/Mayer Maly/Selb, 356. 105 Dazu vgl. oben, B. 11. a.E. 98
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einfurtum, dessen Kondiktion lO6 besonders geregelt war, wenn ihm die Rechtsgrundlosigkeit des Rechtsgeschäfts bekannt war. Sowohl in typischen Fällen als auch in Sonderfällen wie der condictio furtiva bestand der Kondiktionsgegenstand bei den Römern nach h.M.107 in dem Erlangten, obwohl rur unvertretbare Sachen, die der Gutgläubige in Unkenntnis der Rechte Dritter veräußert hatte, der Kaufpreis an die Stelle der res trat l08 . Wenn aber die Sache bei einem Wissenden untergegangen war, wurde dieser frei, falls ihn kein Verschulden traflO9 . Zurückzugeben war bei den Oströmern hingegen der Wertersatz im Falle der Freilassung, des Verbrauchs usw. sowie der Wertersatz plus der Erlös im Falle des VerkaufsIlo durch den Wissenden, jedoch nur der noch vorhandene Teil des Erlöses, rur den Nichtwissenden. Die kurze Darstellung verdeutlicht, daß die Byzantiner eine mildere Form des Bereicherungsausgleiches anwendeten, die der heutigen deutschen Denkweise näher steht ill • Es handelt sich um die sog. condictio pretii, die vermutlich erst eine Neuerung Julians ist ll2 . War der zurückverlangte Gegenstand eine certa res, stellte sich das Problem der Rückgabe, falls die Sache unterging. Der Untergang war rur die römische Praxis dennoch kein Hindernis zur Herausgabe, da einige prozessualrechtliche Prinzipien dem Richter zur Lösung verhalfen. Unabhängig von der Existenz der Sache selbst, richtete sich die Klage immer noch auf die (gegebenenfalls untergegangene) res ll3 , entsprechend dem Grundsatz der perpetuatio obligationis l14 • Freilich war der bereicherte accipiens nur verantwortlich, wenn ihn ein Verschulden traf, weil er z.B. die Rückgabe unmöglich gemacht oder sie bis zum
106
Condictio furtiva. S. B. VI 2.
107 Flume, FS. Niedermayer, 103 ff. A.A. v. Lübtow, 79 ff., nach dem der bösgläubige Empfang einen Schadensersatz (condictio jicta) auslöste. 108
Niederländer, 7.
109 Freilich nur bezüglich der certa res. Flume, FS. Niedermeyer, 129; Burdese, Diritto,504. 110 Nach v. Lübtow, 79 ff. beschränkten die Byzantiner die Haftung des Nichtwissenden stets auf das noch Vorhandene. Diese Auffassung wird von Flume, op. loc. ult. eit. (vorige Fn.), abgelehnt. 111 Dies hat den falschen Eindruck erweckt, daß das naturrechtliche Bereicherungsverbot den Römern unbekannt war. 112 Kaser, 1971,598; Zimmermann, 898 f. 113 Pernice, 1900, 102. 114
v. Lübtow, 81; Niederländer, 2.
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Untergang grundlos verzögert hatte I 15. Da der Beklagte im Kondiktionsprozeß ohne Rücksicht auf den Gegenstand (res bzw. pecunia) stets auf Geld verurteilt 1l6 (condemnatio pecuniaria) wurde, konnte der Kläger im Falle des Untergangs der Sache unmittelbar das vom Richter bestimmte Geld verlangen.
VI. Anwendungsbereich Die römische condictio hatte einen Anwendungsbereich gewonnen, der sie in der Regel vor Konkurrenzproblemen schützte. Neben der echten, oben beschriebenen Kondiktion wurde das Bereicherungsrecht unter Umständen sui generis so angewendet, daß seine Handhabung an modernere Rechtsfiguren erinnert, so vor allem an die Versionsfälle ll7 , durch die Vertrauensschutzerwägungen mehr als zuvor mitberücksichtigt wurden. Diesbezüglich könnte man vom Bereicherungsrecht im heutigen Sinne reden, d.h. von einem Rechtsbereich, der sich nicht nur mit dem bloßen Herausgabeanspruch aus nichtiger Leistung beschäftigt, sondern darüber hinausgeht, um einen Rechtsschutz auch weiteren Rechtssubjekten zu gewähren.
1. Konkurrenzfrage Im Grunde genommen ist die condictio die römische Antwort auf eine rechtsgrundlose, auf einer Leistung basierende Vermögensverschiebung. Ihre Anwendung setzte notwendigerweise eine gültige Eigentumsübertragung l18 voraus, da der (noch) Eigentümer anderenfalls nicht entreichert worden wäre und deshalb kein Bedarfl19 an einer Klage auf Rückforderung des suum hätte. Der Rechtsbehelf des Eigentümers wäre vielmehr die rei vindicatio, nämlich die Klage, mit der eine Sache, die von einem Dritten ohne rechtlichen Grund behalten wird, vom Eigentümer zurückgefordert werden kann. Die Ähnlichkeiten mit der nah verwandten Kondiktion liegen auf der Hand. Sie werden vor allem durch ihre Fiktion hervorgehoben, da beide Klagen gewöhnlich l20 in einem alternativen Verhältnis zueinander stehen: Ist die Vermögensverschiebung gescheitert, wird der Gegenstand vindiziert, ist sie hingegen noch wirksam,
115 Kaser, 1971, 598. Anderenfalls befreite der zufällige Untergang der Sache den gutgläubigen aceipiens, s. Flume, FS. Niedermeyer, 129; Niederländer, loc. ult. eit. (vorige Fn.). 116 Kupisch, Bereicherung, 4. 117 Mehr dazu infra, B. VI. 2. und C. III. in diesem Teil, ferner dritter Teil, C. 118 Zutr. v. Lübtow, 47. 119 So Kupisch, Bereicherung, 5. 120 Ausnahme: condictio furtiva; dazu s. im nächsten Abschnitt.
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wird er gemäß den Regeln 121 über den Gegenstand der Klage kondiziert l22 • Diese Beziehung besteht freilich nur in dem Begriffspaar VindikationlEigentumskondiktion (d.h. die einzige den Römern bekannte Kondiktion), sie wird jedoch bedeutungslos, wenn in das Rechtssystem auch eine sog. Besitzkondiktion - die die deutsche und die italienische Rechtspraxis kennen eingeführt wird. Diese Klageart ist nämlich keine Fortsetzung der Vindikation auf einer anderen Ebene, sondern stellt einen autonomen Rechtsbehelf dar, der dem Kläger unabhängig von einer Qualifizierung als Alteigentümer zur Verfügung steht. Die ursprünglich sehr enge Verbindung zwischen Vindikation und Kondiktion wird somit aufgelockert, so daß sie in der heutigen Literatur immer weniger betont wird. 2. Besondere Fallkonstellationen
a) condictio ex causa furtiva
Die Alternativität von Vindikation und Kondiktion wurde in einem Sonderfall zugunsten des Klägers 123 aufgegeben, wenn der zu kondizierende Gegenstand durch Diebstahl erlangt worden war und aufgrund dessen eine sog. res furtiva bildete l24 . Der Grund für die besondere Behandlung dieser Fallkonstellation wurde in der späteren Zeit im "Verewigungsprinzip" gesucht, das ''fur semper in mora" lautet l25 . Das semper, also immer, hebt die zeitliche Ausdehnung der Haftung (nicht nur) des Diebes hervor. Als Schulbeispiel für die Anwendung der condictio furti wird der Fall angeführt l26 , in dem der accipiens die Existenz eines Hindernisses an der Wirksamkeit der Vermögensverschiebung schon zur Zeit der Eigentumsübertragung kannte. Diese besondere Kondiktion stellte zweierlei Abweichungen 127 gegenüber dem normalen Herausgabeanspruch dar. Erstens beruhte sie nicht auf einer Lei-
S. oben, V. Unbestritten, statt aller HausmaningeriSelb, 337. Das ausschließende Verhältnis wird schon von v. Savigny, System, Bd. V, 515 u. 656, zu Recht betont. 123 v. Savigny, System, Bd. V, 554. 124 Diese besondere Kondiktion benötigte deshalb keine datio, vgl. Burdese, Diritto, 504. Tatsächlich entfaltete die condictio Jurtiva eine viel breitere Wirkung, als der BegriffJurtum vennuten läßt; s. Zimmermann, 839 ff. 125 v. Lübtow, 81. Es handelt sich daher um einen Fall von perpetuatio obligationis. 126 Hausmaninger/Selb, 338. 127 Jörs/Kunkel/Wenger, 250. 121
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stung: Wurde die Sache gestohlen, kam keine datio zustande l28 und ohne sie fand die condictio indebiti keine Anwendung l29 . Die Tatsache, daß ein kondiktionsrechtlicher Anspruch gewährt wurde, hinderte andererseits die Handhabung deliktsrechtlicher Regeln l30 . Zweitens stand eine normale Kondiktion nicht zu Verfügung, weil das Eigentum trotz einer (eventuellen) materiellen traditio nicht übergegangen war. Das richtige Mittel wäre deshalb entsprechend den allgemeinen Regeln nicht die Kondiktion, sondern die Vindikation gewesen. Mit anderen Worten: Der Weg der rei vindicatio stand immer offen, daneben gab es aber auch die Möglichkeit zu kondizieren. Das Angebot dieser Alternative bestand wahrscheinlich infolge der Sozialrnißbilligung des/urtum.
b) actio de in rem verso Das Rechtsinstitut der direkten Stellvertretung war dem römischen Recht unbekannt 13l . Denkt man daran, daß Hauskinder und Sklaven normalerweise Geschäfte im Auftrag und zugunsten des Gewalthabers ausführten, der ihnen zu diesem Zwecke bisweilen ein kleines Vermögen zur Verfügung stellte, läßt sich leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten dies verursachen konnte, falls der letzte aus irgendeinem Grund nach Erfüllung der anderen Partei seine Leistung verweigerte. Wenn Z.B. der Sklave mit geborgtem Geld Schulden des Herrn gezahlt oder damit Getreide zum Unterhalt der Familie des Herrn gekauft hatte, und der dominus seinen Verpflichtungen nicht nachkommen wollte, hatte der Entreicherte kein Rechtsmittel, um das Geleistete zurückzufordern 132 . Die Rechtsordnung reagierte auf diese gesetzliche Lücke durch die Schaffung einer actio de in rem verso 133 des Prätorsjuris civilis supp/endi causa: Si fundum patri dominove emit servus vel filius familias, versum quidem esse videtur, ita tarnen, ut, sive minoris sit, quam est emptus, tantum videatur in rem versum quanti dignus sit, sive pluris sit, non plus videatur in rem versum quam emptus est 134. 128 129
v. Savigny, System, Bd. V, 553. v. Lübtow, 82; Kaser, 1971,593. Genauer gesagt war keine Kondiktion ohne vor-
herige Leistung zulässig. 130 v. Savigny, Bd. V, System, 356. 131 Unbestritten, Honsell, 1997,33. 132 Diese und weitere Beispiele in HausmaningeriSelb, 394 f. 133 v. Tuhr,passim, über den Inhalt der Klage s. insb. S. 219 ff. 134 Ulpianus, D. 15.3. 12.
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An dieser Stelle setzt sich Ulpian mit einem bekannten Beispiel der Versionsklage auseinander. Zuvor hatte sich der Rechtsgelehrte mit einer Einordnung der möglichen Fallkonstellationen beschäftigt, die er in drei Hauptgruppen eingeordnet hatte. Der wichtigste Fall 135 bestand in dem Erwerb einer Sache durch den Sklaven und in ihrer Anwendung in Angelegenheiten des Herrn, wie beim eben aufgeführten Beispiel des Getreides. Ferner konnte der Sklave ein Geschäft ausführen, das tatsächlich zur Rechtssphäre des Herrn gehörte, so bei dem vom Sklaven geborgten Geld, das dem Erwerb des Getreides für den Herrn diente. Schließlich wurde der versio auch dort stattgegeben, wo das Eigentum an einer Sache ursprünglich für das peculium des Sklaven erworben, aber danach zugunsten des Herrn verwendet wurde. In der rechtsgeschichtlichen Forschung 136 sieht man darin zwei alternative Maßstäbe für die Zulässigkeit der Klage: Verwendung der Sache zugunsten des Herrn oder Eigentumserwerb durch Geschäft, das zugunsten des Herrn abgeschlossen wurde. Das Ziel des prätorischen Bereicherungsanspruches wird durch die Struktur der Klage deutlich: Die Haftung des pater familias war beschränkt auf die echte Bereicherung 137 , und diese betraf lediglich das durch die Zuwendung Erlangte. Hatte die gekaufte Sache somit einen höheren Wert als den Kaufpreis, konnte nur der Kaufpreis verlangt werden. In diesem Sinne darf man von einer eigentlichen Bereicherung sprechen. Trotzdem erscheint eine Einordnung der Aktion als Bereicherungsklage in einem Teil der Lehre 138 bedenklich, da die actio von keiner grundlosen Zuwendung ausgelöst wurde. Diesen Zweifeln ist zuzustimmen. Die Kondiktion wurde - trotz sehr wenigen Ausnahmen - von einer Leistung ohne rechtlichen Grund des Klägers an den Beklagten ausgelöst, während sich hier ein Dritter unmittelbar an den Familienoberhaupt wenden durfte, an den er mangels der direkten Stellvertretung eigentlich keine Leistung erbracht hatte. Eine solche dreieckige Konstruktion erinnert eher an eine BilIigkeitsklage, als an eine Restitutionsklage. Diese richtete sich auf die geleistete Sache, jene vielmehr auf die Wiederherstellung einer gerechten Rechtslage. c) Bereicherungsansprüche des Ehegatten und des Mündels
Zum Schluß sind zwei wichtige Beispiele kurz zu erwähnen, in denen die Bereicherungshaftung auf das noch Vorhandene beschränkt wird. Diese An135 O. 15. 3.1.
pr.
Maccormack, SOHl, XLVIII (1982), 347 f. 137 Niederländer, 43. 138 Kupisch, Bereicherung, 29. Der Autor rechtfertigt diese Ausnahme mit der Notwendigkeit, "die Erfiillung der dem Gewaltunterworfenen obliegenden Verpflichtung auf den Gewalthaber zu verlagern". 136
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sprüche der "Locupletior-Haftung"139 zeigen Fallkonstellationen, die sich dem BGB-Begriff der Bereicherung nähern. Zunächst sei der Fall genannt, in dem das Mündel eine Leistung, z.B. ein Darlehen, ohne Vollwort des Vormundes empfangen hat: Die datio ist hier unwirksam, so daß keine Eigentumsübertragung stattgefunden hat, die dem solvens die Möglichkeit einer repetitio, also einer Rückforderung durch Kondiktion, gäbe l4o . Er darf somit lediglich vindizieren. Quid juris aber, wenn er aus irgendeinem Grund, z.B. wegen Verbrauchs l41 oder Vermischung, das Eigentum an der Sache verloren hat? Das Problem wurde durch die bekannte prätorische actio in factum auf quantum locupletior factus est l42 gelöst, wie ein Reskript des Kaisers Antoninus Pius erklärte l43 . Die gleiche Lösung fand auch in den Fällen der Schenkung unter Ehegatten Anwendung l44 , die sich später als ungültig erwies, z.B. wenn die Ehefrau geschenktes Geld auslieh und der Schuldner zahlungsunfähig wurde l45 . Wie bei dem pupil/us, der sine auctoritate tutoris handelte, konnte hier nur der Prätor die Rückgängigmachung der noch vorhandenen Bereicherung erlauben l46 . Die erhebliche Bedeutung der bei den Fälle im römischen Bereicherungssystem wurde in der Lehre l47 zu Recht betont. Obwohl man nicht von einem allgemeinen Bereicherungsprinzip sprechen kann, das dem (normalen) Entreicherungsprinzip gegenüberstand, beweisen diese beiden Fälle dennoch, daß den Römern eine beschränkte Haftung, die einen echten Bereicherungsausgleich begründete, nicht unbekannt war.
Niederländer, passim und 7. v. Lübtow, 47. 141 Misera, 131 ff. 142 Unbestritten. v. Tuhr, 301; v. Lübtow, 49; Kupisch, Bereicherung, 28 f.; HausmaningeriSelb, 340. 143 D. 26. 8. 5 pr.: Pupillus obligari tutori eo auctore non potest ... sive mutuam pecuniam tutor ei det sive stipuleur ab eo. sed et si ... jure civili non erit obligatus tutori: ... tamen ... in quantum locupletior Jactus est: nam in pupillum non tantum tutori, vero cuivis actionem in quantum locupletior Jactus est dandam divus Pius rescripsit (Eigene 139 140
Kürzungen).
144 Flume, 116 ff.; Wol/schläger, Symposion Wieacker, 62 f. 145 Beispiel nach Flume, FS. Niederrneyer, 121. 146 Im allgemeinen zur Berücksichtigung des Wegfalles der Bereicherung s. Misera, 84 ff. und 248 ff. 147 Niederländer, passim, insb. 169.
C. Die weitere Entwicklung nach Justinian
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C. Die weitere Entwicklung nach Justinian Die Analyse des klassischen römischen Rechtes sollte schon die Grundzüge der Kondiktion vermittelt haben. Alles in allem ergibt sich daraus eine Definition dieser Rechtsfigur als eine reine Restitutionsklage, welche auf die Herausgabe des Eigentums an einer unvertretbaren Sache bzw. auf die "Herausgabe des Eigentums" an einer vertretbaren Sache abzielt. Der Kondiktionsanspruch wird lediglich von der rechtsgrund 10sen Vornahme einer Leistung des Klägers an den Beklagten ausgelöst. Diese Merkmalen sind hingegen bei der Versionsklage nicht vorhanden, die eine reine Billigkeitsklage bildet, durch deren Gewährung der Prätor die Wiederherstellung eines gerechten Zustandes beabsichtigte. Dabei spielt keine Rolle, ob Kläger und Beklagter durch eine direkte Leistung des ersten an den zweiten verbunden sind, oder sogar ob überhaupt keine Leistung stattgefunden hat. Eine praktische Auswirkung der Entwicklung des Kondiktions- und Versionsrechts l48 , deren Regulierung die pragmatische römische Denkweise deutlich geprägt hatte, zeigte sich in der Abwesenheit eines fit rouge, der die sorgfaltig analysierten, aber verstreuten Rechtsinstitute, die das römische Recht hinterließ, verbinden konnte. Die Arbeit der Nachfolger bestand also vor allem in der Einordnung der Informationen und in ihrer Untersuchung im Lichte der neuen Epoche. I. Das gemeine Recht
Die große Bestrebung der modemen Romanistik, die römischen Quellen einzuordnen, geht einher mit einem schwachen Interesse l49 der Literatur für die postjustinianische Fortführung der Handhabung der condictio und der versio in rem bis zum Ende des gemeinen Rechts. Dies gilt auch für bereicherungsrechtliche Themen. Ausgangspunkt der gemeinrechtlichen Doktrin war freilich das römische Recht in der justinianischen Fassung, deren Neuerungen und Unterschiede hervorgehoben wurden l50 • Alle in den Digesten geregelten Kondiktionen wurden durch das gemeine Recht rezipiert I 5 I , dazu wurden weitere neu formuliert. Die älteren Klagen be148 Für eine ausfiihrliche Erörterung dieser termini technici s. infra, dritter Teil, D. und vierter Teil, A. IX. 3. 149 Die Lücke bedauert Flume, FS. Niedermeyer, 140, der sie daraus erklärt, "daß man um die Feststellung des klassischen Rechts bemüht war und dafiir durch diese Literatur keine Förderung erwartete". 150 Unbestritten, statt aller Astuti, 59. 151 Im Unterschied zu den Klassikern hatten die Byzantiner dennoch die condictiones unter die Quasi-Kontrakte eingeordnet, Kaser, 1975,424.
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hielten allerdings nicht ohne weiteres ihre ursprüngliche Bedeutung. Infolge der weitgehenden Aufnahme des Prinzipes pacta sunt servanda wurde z.B. das Anwendungsfeld der condictio ob rem in erheblichem Maße eingeschränkt I52. Zweifelhaft ist dagegen, ob die condictio ob turpem vel iniustam causam der gleichen Entwicklung ihrer verwandten Klage folgte: Obwohl sie nur einen Sonderfall der Kondiktion ob rem bildete, scheint die condictio ob turpem causam vom Grundsatz, nach dem Verträge einzuhalten sind, nicht berührt zu werden l53 • Eine besonders zentrale Rolle spielte in der mittelalterlichen Lehre die aequitas, deren Funktion überwiegend durch die Regel des Pomponius l54 bekannt wurde, die schon Azo als bona regula aequitatis l55 definierte. Der Grund eines solchen Erfolges liegt zunächst in religiös-moralischen Gedanken 156 und im zunehmenden Einfluß der Kirche l57 . Letztere bestätigte die grundlegende Bedeutung des Bereicherungsverbotes im Kirchenrecht durch dessen Aufnahme in den Corpus iuris canonici l58 . Trotz seiner zentralen Rolle, die durch seine Position im letzten Titel des Digestes deutlich hervorgehoben wurde, hat dieses Prinzip allerdings bis auf das Kirchenrecht keine Bestätigung im}us positivum gefunden. Es blieb immer nur ein allgemeiner Grundsatz ohne unmittelbare praktische Rechtskraft. Dieses Ergebnis erklärt ein Teil der Romanistik l59 mit der tief verwurzelten Treue der Juristen zu den römischen Quellen. Nun sprachen die Glossatoren von einer condictio sine causa generalis, die sie als allgemeine, alle anderen umfassende Kondiktion verstanden 160, quasi 152 Coing, 1985, 495. Daneben trug zum Gewichtsverlust dieser Kondiktion die zunehmende Bedeutung der action es praescriptis verbis bei. Vgl. Zimmermann, 858. Für die prätorische actio praescriptis verbis, die den Schutz der Konsensualkontrakte auf andere Fälle ausdehnte, s. Burdese, Bull. dir. rom., 1985, 404 ff. 153 A.A. Zimmermann, 862, nach dem der erwähnte Grundsatz hingegen einen erheblichen Einfluß auf diese Kondiktion aufweise. 154 D. 50, 17,206. ISS Glosse nam hoc natura zu D. 12,6, 14. 156 Kupisch, Bereicherung, 30, insb. Fn. 43 mit vielen Nachweisen aus den Glossen. Wie schon in diesem Teil, B. IV., gesehen, war die aequitas nach heutiger Auffassung der Romanistik der klassischen Rechtswissenschaft schon bekannt. Seit lustinian wird der Begriff verallgemeinert und mit moralphilosophischen und christlichen Vorstellungen verbunden, s. Kaser, 1975,422. 157 Das Gewicht des Bereicherungsverbotes im kanonischen Recht betont richtigerweise Coing, 1985, 492. 158 Liber Sextus, reg. 48, de r.i.: "Locupletari non debet a/iquis cum alterius iniura vel iactura". 159 Zimmermann, 873. 160 Astuti, 59 f.; Kupisch, Bereicherung, 32 ff.
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eine "Generalkondiktion" rur die Rückgängigmachung von dem sine causa Geleisteten 161. In dieser Funktion als Generalklage gewann sie aber Subsidiaritätscharakter gegenüber allen anderen Kondiktionen, mit denen sie konkurrierte. Als äußerst klares Beispiel dieser neuen Funktion der condictio sine causa 162 , neben der jedoch die übliche Rolle als speziell zuständige Kondiktion 163 wie schon bei den Römern - weiterhin anerkannt wurde, wird die aus dem 12. Jahrhundert stammende Summa Trecensis zitiert l64 , die sehr eindeutig beide Aspekte der Rechtsfigur beschreibt: Condictio autem sine causa, quem ad modum et certi condictio, quodam modo generalis est, et ideo in fine ponitur, competit enim haec condictio, ubi et aliae condictiones competunt, et ibi ubi nulla alia actio seu condictio datur: sic enim indebitum soluisti et sine causa condicere potes, cum causa nulla fuit l65 . Diese neue Auffassung der Glossatoren bezüglich der condictio sine causa wird von der rechtshistorischen Doktrin als die "bedeutsamste Neuerung gegenüber dem justinianischen Recht" 166 angesehen.
11. Die condictio indebiti Die besondere Bedeutung der condictio indebiti innerhalb des Kondiktionsrechts wurde auch im postjustinianischen Recht nie in Zweifel gezogen l67 . Je nach Gegenstand des Anspruchs wurden jedoch nun unterschiedliche Rechtsfolgen an die Kondiktion geknüpft l68 . Kennzeichnend rur die condictio auf certa species war die Befreiung des Kondiktionsschuldners nach dem Unter161 S. Glosse certi condictio und ex omni causa zu D. 12, 1,9. Daraus läßt sich jedoch nicht schließen, daß dadurch eine allgemeine Bereicherungsklage tatsächlich geschaffen wurde, da die mittelalterlichen Juristen als ihre Aufgabe lediglich die Wiedergabe und Erklärung des Corpus iuris civilis empfanden, vgl. Söllner, Sav. Z. Röm. Abt. 77, 211 f., der dennoch die Generalisierungen der Glossatoren als "Anlaß zur Ausbildung eines allgemeinen Bereicherungsanspruches, wie wir heute in § 812 BGB vorfinden", sieht. 162 Astuti, 59 f.; Coing, 1985,496. 163 D.h. Condictio sine causa specialis. Vgl. Zimmermann, 871 f. 164 Kupisch, Bereicherung, 32; Söllner, loc. ult. cit. (Fn. 161). Über die Summa Codicis Trecensis s. statt aller Kantorowicz/Buckland, § 233 ff. 165 de condictione sine causa (8, 33, 7). 166 So Söllner, Sav. Z. Röm. Abt. 77,203, nach dem der causa-Begriff zum tragenden Gesichtspunkt des Kondiktionsrechts wurde. 167 Zimmermann, 866. 168 Flume, FS. Niedermeyer, 141. Auf seiner Spur auch Schauhoff, 100. Im Gegensatz dazu besteht kein Zweifel daran, daß die Römer diese Kondiktion als einheitliche Rechtsfigur gedacht hatten, so unter anderen Kaser, 1975,422.
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gang der Sache. Bezüglich der Rechtsfolgen wurde die condictio auf certa quantitas l69 dann dem formlosen Darlehen, dem mutuum, gleichgestellt l7o . Aus dieser Annäherung beider Rechtsinstitute - man sollte nicht vergessen, daß die Kondiktion ursprünglich aus dem Darlehen entstand - ging folglich eine Änderung der Kondiktionshaftung hervor, die auf das tantundem ejusdem generis et qualitatis erweitert wurde 171, weil also nicht nur die geleistete Sache, sondern auch eine andere Sache derselben Gattung und Qualität als Anspruchsgegenstand gestattet wurde. Das zunehmende Gewicht der Gerechtigkeitserwägungen wirkte direkt auf den Tatbestand der Kondiktion: Der Irrtum des Leistenden wurde infolgedessen immer weniger als Teil der Grundstruktur des Anspruchs, bis hin zu seiner definitiven Entfernung aus den Tatbestandsmerkmalen, empfunden. Die schwierigere rechtsprozessuale Lage, in der sich der Anspruchsträger in folge des Ausschlusses des Irrtums aus den Tatbestandselementen befand, da er selbst den subjektiven Vorgang des error beweisen mußte, wurde dadurch ausgeglichen, daß beweismildernde, verfahrensrechtliche Institute zugunsten des Klägers erschöpft wurden, etwa Vermutungen, Anscheinsbeweise usw. 172 Diese Entwicklung des Irrtums, der sich langsam aus dem Tatbestand des Kondiktionsanspruches verabschiedet, setzt sich auch in den modemen Rechtsordnungen fort. Schon das deutsche Recht verbannt ihn in eine von den Kondiktionsansprüchen des § 812 BGB getrennte Vorschrift. Das italienische Recht geht noch weiter: Darin betrifft der Irrtum lediglich die sog. Zahlung einer subjektiven Nichtschuld 173 gern. Art. 2036 C.c., d.h. nur einen Nebenfall der Kondiktion. Diese Tendenz zur Absonderung des Irrtums aus dem Kondiktionsanspruch wird auch im Vorschlag des vierten Teiles fortgesetzt. Die Postglossatoren und die weitere Entwicklung wichen von der Auffassung der Glosse kaum ab, wie die Werke von Bartolus l74 und Baldus darlegen. Das Gleiche gilt für die Auslegung der Regel des Pomponius, für die Bartolus jedoch einige Ausnahmen andeutete l75 . Die Rechtsforschung l76 schreibt es erst Duarenus 177 zu, die Lehre von der Trennung zwischen condictio auf certa res und condictio auf certa species zu D.h. res quae pondere, numero, mensura constant; wie bereits bei den Römern. Flume, aaO. (Fn. 168). 171 Sie bildete somit das, was der moderne Sprachgebrauch als Wertschuld bezeichnet. Im Gegenteil war die Haftung auf certa res nur auf den bestimmten, erlangten Gegenstand eingeschränkt. 172 Über die Rolle des Intums im gemeinen Recht s. Koch, 116 ff. 173 Infra, dritter Teil, B. I. 2. b) cc). 174 S. Bartolus zu D. 12,6,7. 175 S. Astuti, 60. 176 Flume, FS. Niederrneyer, 144. 169
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befreien: Bei dieser Feststellung beließ er es, ohne Konsequenzen daraus zu ziehen. Dennoch wird man seine Erkenntnis als einen echten Wendepunkt bezeichnen können, da sich nun der Anspruch nicht mehr am Erwerb, sondern am Vermögen des Erwerbers orientierte l78 . Die NaturrechtIer haben mit der Kondiktion offenbar eine gute Gelegenheit verpaßt, die entscheidende Funktion der aequitas als naturrechtliches Hauptelement des Kondiktionsrechts hervorzuheben. Sie haben sich indessen in ihren Werken 179 lediglich damit zufrieden gegeben, die Bedeutung der Äquitas rur das Bereicherungsrecht ganz allgemein anzudeuten. Wünschenswert wäre gewesen, sie hätten die Rolle des Naturrechtes rur die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung genauer analysiert l80 : Vielleicht hätte man die Vermischung von Elementen der Versions- und der Kondiktionsklage verhindern können, die in den modemen Kodifikationen Quelle mehrerer Mißverständnisse ist l81 . Statt dessen beschäftigten sie sich mit der Natur dercondictio indebiti, nämlich ob sie ein Kontrakt oder ein Quasi-Kontrakt bildete l82 •
111. Die actio de in rem verso Die ursprünglich prätorische Versionsklage entwickelte sich schnell, sobald die Einschränkung ihrer Anwendbarkeit auf die Beziehung zwischen pater familias und den anderen Mitgliedern der Familie beseitigt wurde. Schon die Glosse berurwortete eine Ausdehnung der Klage auf Personen sui juris l83 . Nach diesem ersten Schritt wurde die Entfernung von ihrem ursprünglichen Modell immer deutlicher. Man pflegte sie möglichst häufig anzuwenden, d.h. bei einer zunehmenden Anzahl von Fallkonstellationen, die Dreiecksverhältnisse betrafen. Infolge dieser so umfangreichen Handhabung formte sie sich zu einer actio de in rem verso utilis l84, die praktisch in einer Vielzahl unterschied-
Im Kommentar de condictione indebiti cap. IX. So Flume, FS. Niedermeyer, 144. 179 S. z.B. Pufendorf, Jus naturae, III, 5 und 9. 180 So zutr. Astuti, 61. 181 S. unten die rechtsvergleichende Erörterung der Kondiktion und der Version. 182 Flume, FS. Niedermeyer, 144. 183 Kupisch. Bereicherung, 37, bezeichnet den Glossator Roffredus als ersten, der die Einschränkung in Frage stellte. 184 Astuti, 60. Wie schon angedeutet, spricht man richtiggehend von actio und nicht von condictio, da diese Klage keine Kondiktion im technischen Sinne darstellt. Nach Coing, 1985,498, ist bei dieser Klage "nur die Haftung des Schuldners durch die Höhe der Bereicherung beschränkt". Derselbe Autor, 1985,500, erwähnt ferner ihre bemer177 178
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licher Fälle Anwendung finden konnte. Diese actio gewann eine immer größere Aufmerksamkeit seitens der Juristen, bei deren Rechtsgefühl das Merkmal des contractus aUorum die Aktion nicht mehr qualifizierte, wie hingegen im Falle des römischen Prätors. Folglich verlor die Position des Mittelsmannes nach und nach an Bedeutung l85 und die neugestaltete actio de in rem verso utilis wurde fortan auch auf Zweipersonenverhältnisse angewendet. Die utilitas lag in ihrer vielseitigen Anwendbarkeit, deren Anspruch sich auf den Ersatz der reinen Aufwendungen richtete, die die Mittelsperson zugunsten des beklagten dominus negotii, also des Geschäftsherrn, vorgenommen hatte. Was vom ursprünglichen Dreiecksverhältnis nach dieser Entwicklung übrig blieb, war somit eine Rechtsbeziehung zwischen nur zwei Parteien I 86. Die Aussonderung der Person des Mittelsmannes aus den Tatbestandsmerkmalen der Versionsklage bildet einen ausschlaggebenden Wendepunkt in der Geschichte dieses Instituts, welcher nicht ohne trächtigen Auswirkungen in den geltenden Rechten bleibt. Nach meiner Ansicht wird dadurch ein entscheidender Schritt auf dem Wege der Umwandlung in eine reine Billigkeitsklage vorgenommen. Die starken Ähnlichkeiten mit der actio negotiorum gestorum contraria, d.h. die Klage des gestor gegen den Geschäftsherrn in Fällen der Geschäftsführung ohne Auftrag l87 , fielen den Glossatoren selbst auf. Sie hatten jedoch den Unterschied zwischen den beiden Aktionen nicht immer klar vor Augen. Der Tatbestand enthielt zweierlei: einen Vertrag im Rahmen der negotiorum gestio und die Bereicherung des Dritten. Also wurde der actio stattgegeben, wenn A mit B im Interesse von C einen Vertrag abschloßl88. Bedeutendes Merkmal der Kondiktion war ihre Beschränkung auf die tatsächliche Bereicherung, unabhängig davon, was der Beklagte durch die Zuwendung erhalten hatte. Eine solche Begrenzung auf die Bereicherung non ex iusta causa war damals keineswegs selbstverständlich. Da ein allgemeines Rechtsinstitut, welches das gesamte Bereicherungsrecht umfaßte und den Wegfall der Bereicherung als Generalklausel vorsah, den Juristen noch unbekannt war, bestand erst recht um so weniger Einigkeit über den Kondiktionsgegenstand. Die Versionsklage bildete deshalb ein wichtiges Modell, da in solchen
kenswerte Erweiterung im 17. Jahrhundert auf weitere Fälle, in denen eine negotiorum gestio nicht vorlag. 185 Zimmermann, 881. 186 Eine "two-party relationship", so Zimmermann, aaO. (vorige Fn.). S. a. Chironi, Foro it., 1896,85; und Wal/mann, 74 f. 187 Über das Verhältnis zwischen Versionsklage und Geschäftsführung ohne Auftrag (aber vornehmlich im italienischen Recht) s. Chironi, op. eit. (vorige Fn.), passim. 188 Coing, 1985,499, gibt dementsprechend das folgende Beispiel: Wenn jemand "ein Darlehen aufnimmt und die empfangene Leistung verwendet, um das Vermögen des Dritten effektiv zu vermehren".
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Fällen die ungerechtfertigte Bereicherung allein reichte, den Anspruch zu begründen 189. IV. Das Bereicherungsrecht im neunzehnten Jahrhundert
Die modeme Anschauung wurzelt in den heftig geführten Diskussionen des letzten Jahrhunderts, die vor allem in Deutschland stattgefunden haben. Eine, wenngleich kurze Analyse der Entwicklung des Bereicherungsrechts zu jener Zeit erhält somit beträchtliche Bedeutung für das Verständnis des geltenden Rechtes. Die rechtsgeschichtliche Untersuchung ermöglicht eine wichtige Feststellung: Die neugeschaffene Versionsklage erwies sich als extrem erfolgreich, da sie nach und nach der Kondiktion Anwendungsraum entzog. Die Version erschien flexibler als die Kondiktion und deshalb wurde sie bei einigen Rechtsfragen vorgezogen, die bis dahin mit Hilfe der Kondiktion gelöst worden waren. Das zunehmende Gewicht der Versionsklage empfiehlt folglich die Darstellung der Entwicklung beider Institute. Bemerkenswert ist, daß sie in den Rechtsordnungen, die Gegenstand dieser Analyse bilden, in alternativem Verhältnis stehen, weil die einzelnen Rechtssysteme eine (rechtspolitische) Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen treffen. Die Bestimmung eines Ausgleichspunktes scheint schwer erreichbar 190. Zuerst wird die Kondiktion, dann die Version in Betracht gezogen. 1. Die Kondiktionen
Der deutsche Rechtskreis zeigt im Vergleich zum französischen, in den das italienische Recht eingeordnet werden darf, unterschiedliche geschichtlichsystematische Züge. Die jeweilige Entwicklung muß deshalb getrennt dargestellt werden. a) Die deutsche Pandektistik
Die Lehre der ungerechtfertigten Bereicherung, wie sie später im BGB aufgenommen wurde, und die Verallgemeinerung der condictio sine causa (ohne rechtlichen Grund, § 812 I BGB) stammen aus den Werken der Pandektistik. Chironi, FoTO it., 1896,85. Schon WindscheidlKipp, Pandekten, 867 Fn. 2, merkt dazu an: "Die Fälle, in weIchen die Verpflichtung zur Herausgabe einer Bereicherung durch etwas anderes als ihre Ungerechtfertigtheit begründet ist, gehören nicht hierher, und daher namentlich nicht die ac/io negotiorum gestiorum contraria und die actio de in rem verso". 189
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Diese knüpfte ihre Konstruktion offenbar an die justinianische Einordnung, die sie oftmals in toto übernahm: In der wichtigsten - und abschließenden - Zusammenfassung 191 der gemeinrechtlichen Doktrin läßt sich die Fonnulierung eines allgemeinen Prinzips der Bereicherung noch nicht finden l92 . Dieses Werk enthält dennoch eine fast beiläufige Feststellung, die aber großen Einfluß auf die darauffolgende Lehre ausübt. Der Verfasser behauptet nämlich, die condictio indebiti ziele auf Wiedererstattung desjenigen, was der Beklagte indebite empfangen habe, "so weit er dadurch bereichert ist"193. Er bemüht sich ferner, den Umfang der condictio sine causa genau zu bestimmen, da sie nicht die einzige Kondiktion "ohne gültigen Grund" ist. Die gemeinrechtliche Trennung zwischen einer condictio sine causa specialis und generalis 194 wird weiter geführt: Erstere sei "diejenige persönliche Klage, wodurch eine Sache, welche zwar auf den Beklagten eigenthümlich, jedoch entweder ohne einen anfänglich gültigen, oder einen fortdauernden Rechtsgrund übertragen worden ist ... , in einem solchen Falle zurückgefordert wird, wo der Kläger deshalb weder die Eigentumsklage, noch sonst eine der übrigen bisher genannten Condictionen anstellen kann"195. Letztere hingegen konkurriere mit anderen Kondiktionen und sei anwendbar, wenn "man etwas zurückfordert, was derselbe mit Recht nicht behalten, oder geltend machen kann, ohne sich unbilliger Weise mit unsenn Schaden zu bereichern" 196. Die Denkweise Glücks über die sog. "gleitende Skala" der Bereicherung, d.h. die Einschränkung des Kondiktionsgegenstandes auf das, was zur Zeit der Klage beim Schuldner noch vorhanden ist, findet schnell bei späteren Autoren ihre Bestätigung. Unter anderen gewinnen die Studien von Savignys eine (das BGB) prägende Bedeutung. Von Savigny widmet diesem Thema besondere
191
Glück, Pandekten, passim.
192 Zutr. Astuti, 61, nach dem Glücks Werk keine neue Ära öffnet, sondern vielmehr
die alte schließt. Die Katalogisierungsfunktion schien bei den Pandektisten Vorrang gegenüber einer Erneuerungsfunktion zu haben. 193 Glück, Pandekten, 152. Schon vorher (S. 76) hatte der Autor den Begriff von indebitum erörtert: Es gehe um alles dasjenige, "was zur Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet worden, oder geschehen ist, welche entweder gar nicht vorhanden, oder nach den Gesetzen ungültig, oder unwirksam war". Flume, FS. Niedermeyer, 145, bezeichnet Glück als den ersten, der die Rückforderung auf das noch Vorhandene (sog. gleitende Skala) beschränkt hat. 194 Dazu s. oben, C. 11. 1. 195 Glück, Pandekten, 185. Die anderen Kondiktionen seien die condictio causa data causa non secuta, die condictio ob turpem vel iniustam causam und die condictio indebiti, 184. 196 Glück, op. eit. (vorige Fn.), 185 f.
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Aufmerksamkeit l97 • Im Unterschied zu den vorherigen Abhandlungen ordnet er die Kondiktionen nicht nach dem traditionellen Modell, sondern untersucht ihre allgemeine Gattung. Dabei stützt er seine Auffassung auf zwei Hauptargumente, ein geschichtliches und ein systematisches. Was den geschichtlichen Teil anbelangt, ist sich die heutige Rechtslehre l98 darüber einig, daß die Ansicht des Verfassers dem tatsächlichen römischen Modell nicht entspricht l99 : Er betrachtet z.B. die condictio ex lege und die condictio furtiva als Unterfälle der allgemeinen condictio sine causa, von der sie seiner Meinung nach einfache "Anomalien"200 (sie!) bildeten. Es liegt auf der Hand, daß ihm die römischen Quellen vor allem als Mittel der Bestätigung seiner Thesen dienten. Anderes gilt für den systematischen Teil. Hier stellt der Autor eine modeme deutsche Konstruktion des Bereicherungsrechts dar, dem nach seinen Studien ein selbständiger Raum innerhalb des Rechtssystems zukommt. Der Kern seiner Struktur wird von ihm selbst folgendermaßen zusammengefaßt: Die condictiones erscheinen "auf den ersten Blick höchst mannigfaltig; dennoch lassen sich dieselben auf ein sehr einfaches Prinzip zurückführen, welches sich durch bloße organische Bildungskraft zu jener Mannigfaltigkeit entfaltet hat, fast ohne Eingriff der Gesetzgebung"201: d.h. die Kondiktion sei der Ersatz, der anstatt der (nicht mehr verfügbaren) Vindikation eintrete. Der Grund der Kondiktionen liegt laut v. Savigny in der mit der Entstehung einer Obligation verknüpften Bereicherung des Schuldners aus dem Vermögen des Gläubigers, welche rückgängig gemacht werden SOll202. Also besteht der große Fortschritt dieser Lehre in einer einheitlichen Sicht der Kondiktionen, deren Funktion die Rückforderung desjenigen ermöglicht, was von einem Vermögen ausgegangen ist203 .
197 Vgl. die §§ 219, 220 und die Beilage XIV im fiinften Band seines Werkes "System des heutigen römischen Rechts". 198 Reuter/Martinek, 12, bezeichnen die historische Untersuchung als "unsorgfaltig und pauschal". 199 Ranieri, TRG 38 (1970), 315 ff., insb. 318. 200 v. Savigny, System, Bd. V, 512 ff. 201 v. Savigny, System, Bd. V, 511. 202 v. Savigny, System, Bd. V, 564, der so fortsetzt: "Also nicht jede Bereicherung des Anderen aus meinem Vermögen gibt mir ein Recht zur Rückforderung, sondern wenn ich fiir die eingetretene Bereicherung ein Recht zur Rückforderung habe, so ist die daraufzu richtende Klage eine Condiction", 564 Fn. (a). 203 v. Savigny, System, Bd. V, 567. Typisches Merkmal der Pandektistik bildet die Analyse der Ent- und Bereicherung als reine Vermögensverschiebung. Die gemeinsamen Züge mit der Lehre vom Schadensersatz wurden in dem Ausgleichsrnaßstab gesehen, d.h. in der Vermögensdifferenz vor und nach dem Ereignis: "Ist das Ereignis ein rechtswidrig zugefiigter Nachteil, so ist die Differenz der Schaden, ist das Ereignis ein ohne Rechtsgrund erlangter Vorteil, so ist die Differenz die Bereicherung", so v. Tuhr, FS. Bekker, 303.
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Die Natur der condictio als Bereicherungsklage, oder, mit anderen Worten, die wesentliche Verbindung der condictio mit dem Bereicherungsverbot, wurde von denjenigen bestritten, die sich auf die reinen römischen Quellen beriefen und deshalb die Notwendigkeit und Richtigkeit einer breiten Anwendung der Versionsklage leugneten 204 . Dieser Ansicht nach werde der Umfang der Verpflichtung des Kondiktionsschuldners von der grundlosen Erweiterung gebildet, welche sein Vermögen durch die grundlose Leistung des Anderen erfahre 205 . Die Grenze der grundlosen Bereicherung, oder besser der condictio (indebiti), sei nun so zu zeichnen, daß der Kläger nie mehr fordern könne, als aus seinem Vermögen wirklich in das Vermögen des Beklagten geflossen sei 206 • Diese Gegenmeinung war in der Tat aus rechts geschichtlichem Blickwinkel gut begründet und entsprach dem Kanon der römischen kondiktionsrechtlichen Orthodoxie. Sie konnte sich dennoch gegen die Auffassung der Befürworter einer Bereicherungsklage nicht durchsetzen 207 • Das Prinzip des Wegfalles der Bereicherung wurde folglich ohne Rücksicht auf die Mindermeinung in das BGB aufgenommen. Dementsprechend dachte man schon vor der Veröffentlichung des BGB, die Verpflichtung des Bereicherten bestünde in der Herausgabe desjenigen, worum er bereichert sei. "Hinterheriger Wegfall der Bereicherung schließt die Verpflichtung aus, wenn der Wegfall ohne Schuld des Bereicherten, nicht aus, wenn der Wegfall mit seiner Schuld eingetreten ist" 208 • b) Das Kondiktionsrecht im (früheren) italienischen Rechtssystem
Das geltende italienische Recht hat den römischrechtlichen Aufbau des Kondiktionsrechts in unterschiedlichen Ansprüchen grundsätzlich abgelehnt. Die Gründe dafür sind zuerst in der Entwicklung der französischen Doktrin und in ihrem großen Einfluß, auch jenseits der Alpen, zu sehen und folglich in den Normen des französischen Code civil, der den Kondiktionen wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Der alte Codice Albertino209 und der darauf folgende Codice civile 1865 übernahmen im wesentlichen die französische Kodifikation.
204 Astuti, 62, hebt zu Recht die Unsicherheit der damaligen deutschen Lehre über das Prinzip der ungerechtfertigten Bereicherung hervor. 205 So Erxleben, I, 183 f. 206 Erxleben, aaO. (vorige Fn.) 183 und 188; Coing, 1989,506 f. 207 Flume, FS. Niedermeyer, 146; Coing, aaO. (vorige Fn.). 208 Windscheid/Kipp, Pandekten, 887. Windscheid beschäftigt sich weiter mit der Feststellung, wann eine Bereicherung aus fremdem Vermögen eine ungerechtfertigte Bereicherung ist. 871 ff. 209 Codice civile per gli Stati di S.M. il Re di Sardegna, Turin, 1837.
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Diese kannte lediglich einen Kondiktionsfall, nämlich die condictio indebiti21O , zudem mit einer Reihe von Abweichungen vom römischen Recht. Die bereicherungsrechtlichen Regeln sind in der 11. Sektion (Art. 11401150) des alten Codice civile unter dem Stichwort "Quasikontrakte" enthalten. Worin ein Quasikontrakt bestand, war schon damals nicht geklärt. Vielmehr gab sich die Rechtswissenschaft211 mit einem rein negativen Begriff zufrieden, nach dem es um ein dem Vertrag ähnelndes Rechtsinstitut ging, dessen Hauptmerkmal die Abwesenheit des Willens der Handelnden war. Das Gesetzbuch selbst war nicht von großer Hilfe: Laut Art. 1140 c.c. 1865 ist ein QuasiKontrakt eine freiwillige und rechtmäßige Handlung, aus der sich eine gegenseitige Verpflichtung der Parteien bzw. gegenüber einem Dritten ergibt. Die Lehre kam mit einer solchen Definition nicht klar. Man sah ziemlich keinen Grund212 , warum diese Kategorie beizubehalten war, da für sie zwischen Vertrag und Delikt in der Kodifikation keine passende Stelle zu finden war: Viele Versuche, die Rechtsgrundlage des Instituts de lege condita zu rechtfertigen, scheiterten an dieser einfachen Feststellung213 • Auch der Inhalt der Rechtsfigur, die durch Analogie mit im Gesetz geregelten Verträgen verbunden wurde, war umstritten. Ausdrücklich geregelt wurden nur die Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 1141-1144) und die condictio indebiti (Art. 1145-1150). In der Lehre214 wurde bezüglich des Quasikontraktes diskutiert, ob darunter auch andere von der römischen Tradition überlieferten Rechtsinstitute fallen konnten, wie z.B. die communio incidens. Einheitliche und zufriedenstellende Antworten darauf lassen sich allerdings nicht finden. Die stets zunehmende Kritik wurde endlich auch vom Gesetzgeber wahrgenommen, der sich mit der neuen Kodifikation von 1942 vom Ansatz des Code civil distanzierte und die Quasikontrakte aufhob. Geschäftsführung ohne Auftrag und condictio indebiti - die Hauptfiguren der abgeschafften Kategorie fanden eine selbständige Einordnung.
Coing, 1989,508 f. Z.B. Chironi, 1912,233. 212 De Ruggiero, 440; Betti, 1954, 108. 213 Vgl. De Ruggiero, aaO. (vorige Fn.), der zu Recht betont, daß der Begriff spätrömischen Ursprunges ist. 214 De Ruggiero, 441, übte gegenüber dieser filr ihn leeren Rechtsfigur heftige Kritik aus. 210 211
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Zweiter Teil: Geschichtliche Entwicklung 2. Die Versionsklage
Im Gegensatz zu dem den nachklassischen Quellen treu gebliebenen deutschen Recht215 erhält die nach dem gemeinrechtlichen Modell ausgestaltete Versionsklage im französischen Rechtskreis eine breite und offizielle Anerkennung im Gesetz und in den gerichtlichen Entscheiden. Inhalt und Funktion dieser Klage haben sich im Laufe der Zeit offenbar verändert. Die ursprüngliche Klage, die dem Prätor zur Lösung einer begrenzten Anzahl von Fallkonstellationen juris civilis supplendi causa verhalf, dehnte ihren Anwendungsbereich immer mehr aus, bis sie den normalen - und nicht mehr den außerordentlichen - Rechtsbehelf bei den ungerechtfertigten Vermögensverschiebungen bildete. Sie formte sich somit im gemeinen Recht zu einer echten actio de in rem verso utitis, deren Ähnlichkeit mit der actio negotiorum gestorum contraria oftmals zu ihrer falschen Anwendung führte. Von nun an wird sie immer umfangteicher: Sie wird auch für eine Reihe von Fällen zuständig, die mit der Aktion in ihrer ursprünglichen Gestalt wenig zu tun hatten. Beispiel216 : In einem von feindlichen Truppen bedrohten Ort wendet ein Bierbrauer die Gefahr dadurch ab, daß er den Soldaten seinen gesamten Biervorrat im Wert von über 2000 Thalern überläßt. Nun steht dem Bierbrauer nach Leyser eine actio de in rem verso gegenüber allen Hauseigentümern des Ortes zu. Dieser Ausdehnungsprozeß, der vor allem durch die Anwendung der Klage auch auf Dreipersonenverhältnisse ermöglicht wurde, sollte nicht unterschätzt werden. Seine Endstation ist nämlich, wie ich meine, der Aufbau einer echten Billigkeitsklage, weIche vom geltenden Codice civile aufgenommen wurde. Der im vierten Teil dieser Studie formulierte Vorschlag geht von einer vom Kondiktionsanspruch getrennten, äquitativen Klage aus, so daß der Entwicklung der Versionsklage aufmerksam gefolgt wird. Die Tatsache, daß die Versionsklage auf einem allgemeinen Bereicherungsverbot beruhte, verursachte eine ablehnende Reaktion in der deutschen Pandektistik, die einen Bereicherungsanspruch nur unter gewissen Umständen billigte 217 .
215 Die Tatsache, daß die Studien v. Savignys das römische Recht nicht immer in korrekter Weise interpretiert hatten, schließt nicht ohne weiteres eine im Ergebnis treue Übernahme des spätrömischen Kondiktionsmodelles aus, zumal die falsche Betrachtungsweise die Einordnung in Kondiktionsarten nicht berührte. 216 Das Beispiel ist von Leyser, zitiert nach Coing, 1985, 50 I. 217 Statt aller WindscheidlKipp, Pandekten, 886 ff. (§ 424).
C. Die weitere Entwicklung nach Justinian
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a) Die Versionsklage nach deutschem Recht Wie die gerichtlichen Entscheidungen der der geltenden Kodifikation vorangehenden Zeit bezeugen, war sich die Rechtsprechung nicht einig, was die Gewährung der nunmehr bestehenden actio de in rem verso utilis anbelangte. Ablehnende Beurteilungen wechselten sich mit positiven ab 2l8 • Erst durch die Veröffentlichung des BGB gelang es der Praxis, eine einheitliche Linie zu entwickeln. Da angesehene Rechtsgelehrte219 die fragliche Klage, welche eine Generalklausel für die ungerechtferigte Bereicherung beinhaltete, abgelehnt hatten, wurde die actio de in rem verso von den Gesetzgebern des BGB abgeschafft22o : Dem als unannehmbar empfundenen, allgemeinen Anspruch zog man eine fallsystematische Analyse vor mit der Begründung, daß die Klage nicht nur von den römischen Quellen entfernt war, sondern sich hinter ihr eine condictio sine causa generalis versteckte 22l • Diese wäre mit einem System unvereinbar gewesen, welches das Bereicherungsrecht nach Kondiktionen einordnen wollte. Erst recht mußten nach dieser Denkweise auch die sehr wichtig gewordenen Fallkonstellationen der Dreiecksverhältnisse auf völlige Mißbilligung stoßen, "weil der Kläger einen vertraglichen Leistungsanspruch gegen den Mittelsmann hat (und insofern eine causa seiner Vermögensverminderung vorliegt)"222. Die Analyse der deutschen Rechtswissenschaft ist m.E. zutreffend und wichtig für die in der vorliegenden Abhandlung vertretene These. Die Feststellung der Unverträglichkeit zwischen einem in Kondiktionsarten aufgeteilten Rechtssystem und einer (allgemeinen) äquitativen Versionsklage beweist noch einmal das Feingefühl der pandektistischen Schule: Was den hier vorgestellten Vorschlag anbelangt, wird diese Feststellung zur Säule der theoretischen Konstruktion, wonach neben der befürworteten Billigkeitsklage nur ein einheitlicher Kondiktionsanspruch bestehen kann.
218 König, 1985, 184, mit ausführlichen Nachweisen der Rechtsprechung. Über die weitere Entwicklung der Versionsklage bis zum heutigen Tage s. den dritten Teil, C. n. I. 219 Windseheidl Kipp, Pandekten, op. loe. ult. eit. (Fn. 217); S. a. Astuti, 63, mit weiteren Hinweisen auf das deutsche Recht. 220 COing, 1989,504. 221 Kupisch, Bereicherung, 41. 222 Kupisch, op. loe. ult. eit. (vorige Fn.).
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Zweiter Teil: Geschichtliche Entwicklung
b) Die Versionsklage nach italienischem Recht
Der Code civil, das Vorbild der italienischen Gesetzgebung, hat die Versionsklage nicht aufgenommen. Sie kam dennoch bereits im letzten Jahrhundert in das französische Recht durch den berühmten Arret Boudier223 , worin die Richter die action quasi als Generalklage bei Dreiecksverhältnissen zuließen. Von nun an bestand kein Zweifel mehr daran, daß diese Rechtsfigur einen wesentlichen Teil des Systemes darstellte 224 • Aber das, wie zu Recht betont wurde 225 , was von der römisch-gemeinrechtlichen Klage übrig blieb, war grundsätzlich nur der Name. Die modernere Fassung der im Laufe der Jahrhunderte vielmals geänderten Rechtsfigur weist sehr wenige Aspekte des klassischen wie auch des gemeinrechtlichen Modells auf. Es handelt sich nun um eine Sub sidiärklage, die auch die condictio indebiti umfaßt226 • Die französischen Autoren haben den Verlust der typischen Züge dieser Aktion bemerkt, da sie erkannt
223 Cass. civ., 15.06. 1892, Jurisprudence generale Dalloz, 1892, I, 596 f., mit folgendem Leitsatz: "I'action de in rem verso n'ayant pas fait I'object d'une rI?glementation tegislative et düivant du prineipe d'equite qui defend de s'enrichir au detriment d'autrui, il s'ensuit que son exercise n'est soumis a aucune condition determinee et que, pour sa recevabilite, il suffit que la partie qui I'intente alleque I'existence d'un avantage qu'elle aurait, par un sacrifice ou par un fait personei, proeure celui contre lequel elle s 'agit" . 224 Schon vor dem Arret Boudier war die Versionsklage im französischen Recht freilich nicht unbekannt. Zacharia deutet z.B. indirekt an verschiedenen Stellen eine Klage an, die er schon als versio in rem bezeichnet, welche sehr flexibel aussieht: S. unter anderen Bd. I, 576 Fn. 10 und 592 Fn. 9; Bd. 11, 342 f. usw. Auf seinen Spuren sind AubryRau, 578 fT., die ersten, die eine allgemeine Theorie der ungerechtfertigten Bereicherung und insbesondere der action de in rem verso vorgestellt haben. S. a. Bonnet, Juris Classeurs, app. Art. 1370 a 1381, n. 15: "Le code ne contient en revanche aucun article exprimant le prineipe general selon lequel celui qui est enrichi sans cause giuridique au detriment d'autrui doit restituer. Personne ne doute neammoins que cette regle informute soit dans I'esprit du code, au meme titre que d'autres regles tres generales que ses auteurs ont neglige d'y inserer expressement" . Die Unterschiede des französischen Rechtes zum deutschen werden von Ferid, Bd. I, 804 f., angedeutet. Der Autor betont zuerst die kleinere Rolle der Ausgleichsfunktion des Bereicherungsrechts bei Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts in Frankreich, dessen System die abstrakten Verfiigungsgeschäfte nicht kenne. Andererseits habe die ungerechtfertigte Bereicherung eine wichtige Rolle im Recht der beweglichen Sachen, ein Bereich, in dem die bekannte Regel "en faut de meubles, possession vaut titre" die Vindikationsklage verhindert. 225Kupisch, Bereicherung, 42 f. 226 Diese Merkmale sind von der Rechtsprechung festgestellt worden. S. Bonnet, Juris Classeurs, 30 und die Rechtsprechungsübersicht n. 67 fT. Kupisch, op. loc. ult. eit. (vorige Fn.).
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C. Die weitere Entwicklung nach Justinian
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haben, daß der gleiche Tatbestand unter die condictio sine causa hätte subsumiert werden können 227 • Nach dem Urbild des Code civil wurde die actio de in rem verso im Codice civile 1865 überhaupt nicht geregelt. Dennoch fand das Institut vor allem in der Praxis durch eine Anknüpfung an die gemeinrechtliche Tradition breite Anwendung228 . Außerdem gelangte der Ruhm des Arret Boudier über die Alpen und übte dort großen Einfluß auf die italienische Judikatur aus, welche der französischen Konstruktion einen ambivalenten Empfang bescherte: Nach einer anfänglichen Begeisterung229 neigten die Gerichte um die Jahrhundertwende 230 dazu, die Tragweite der Regel einzuschränken. Erst mit dem neuen Jahrhundert fand die Formel weite Bestätigung231 • Die Vorbehalte der Rechtsprechung wurden dennoch nie völlig beseitigt. Die abweichenden Auslegungskriterien 232 , durch die einheitliche Tatbestandsmerkmale hätten festgestellt werden sollen, zeugen von dem richterlichen Unbehagen. Zu einer endgültigen Bestimmung der wesentlichen Elemente der Versionsklage ist die Rechtsprechung jedoch nie gekommen. Andererseits betonten bereits die damaligen Rechtsprechungsberichte 233 , daß die Versionsklage, trotz ihrer in den Entscheidungen behaupteten Hauptrolle, in der Praxis keine einflußreiche Bedeutung gewonnen hatte. Die Rechtslehre ging über die Haltung der Rechtsprechung weitgehend hinaus. Für eine uneingeschränkte Aufnahme der Versionsklage wurde von vielen Autoren plädiert. Die Begeisterung234 erreichte solche Ausmaße, daß die Positionen der - wohl sehr positiv orientierten - Judikatur bisweilen gegenüber den theoretischen Vorschlägen vorsichtig erschienen. Die Gründe rur eine solche Begeisterung sind nicht völlig erkennbar. Abgesehen von sporadischen Kritiken, die innerhalb der Literatur auftauchen, kann eine positive Aufnahme der fraglichen Klage in Praxis und Doktrin also nicht bestritten werden. Der Enthusiasmus und die weitgehende Bestätigung, welche die Anwendung der actio de in rem versio im italienischen System begleiteten, konnten 227 Über die Gründe, warum die actio de in rem verso der condictio sine causa geschichtlich vorgezogen wurde, s. Coing, 1989, 504 ff. und Kupisch, Bereicherung, 42. 228 Coing, 1989,503 f. 229 App. Bologna, 19. 07. 1895, Foro it., 1896, 81; App. Torino, 28. 03. 1890, Giur. Torinese, 1890,406; Cass. Firenze, 17.07.1879, Giur. it., 1880,11,46. In jenen ersten Entscheidungen war die Subsidiarität im Unterschied zur französischen Rechtsprechung nicht immer Tatbestandsmerkmal. 230 Cass. Firenze, 02. 07. 1883, Temi Veneta, 1883,516. 231 Schon Cass. Torino, 10. 12. 1897, Giur. Torinese, 1898,40. 232 Vgl. App. Palermo, 14. 12. 1906; und App. Venezia, 17. 12. 1901. 233 Rotondi, 1924, I, 389, mit weiteren Hinweisen. 234 Statt aller Scuto, 1910, 221 ff.
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Zweiter Teil: Geschichtliche Entwicklung
dennoch einige eindeutige Schwierigkeiten nicht ausräumen. Zwischen einer gerechtfertigten Bereicherung, die an sich nicht klagbar war, und einer Deliktsklage, die schon durch die Haftung wegen unerlaubter Handlung einen Rechtsbehelf besaß, schien die actio de in rem verso keinen richtigen Platz zu haben 235 . Die Tatsache, daß die Aktion vom Rechtssystem nicht vermißt wird, beweist die alte Kodifikation selbst, da sie auch ohne diese Rechtsfigur mittels anderer Rechtsbehelfe ähnliche Ergebnisse erreichen konnte. Daß diese Kritik im Kern berechtigt war, stellte sich heraus, als die Rechtsforschung die Formel des pomponianischen Bereicherungsverbotes zu Lasten anderer überschreiten wollte, um zur praktischen Anwendung der Versionsklage zu kommen. Tatsächlich konnten alle Fallkonstellationen unter die gesetzlichen Tatbestände subsumiert werden. Die spätere Lehre behandelte daher die Versionsklage vor dem Inkrafttreten des geltenden Gesetzbuches als theoretische Generalklausel ohne große praktische Bedeutung236 .
235 In Erinnerung an jene Zeit betonte noch vor einigen Jahren Rotondi, 1972, 132, die Berechtigung solcher Meinung; noch unsicher Chironi, FOTO it., 1896, 86 ff. 236 Astuti, 63.
Dritter Teil
Geltendes Bereicherungsrecht A. Einführung "Ungerechtfertigte Bereicherung": Diese beiden Worte umfassen die Ergebnisse einer langjährigen Debatte. Zugleich sind sie auch eine bewußte, programmatische Erklärung der Verfasser des deutschen BGB, die den vierundzwanzigsten Titel des zweiten Buches der Rückforderung von Vermögensverschiebungen gewidmet haben, die auf keiner tragenden causa beruhen. Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel kommt in der Wortwahl deutlich zum Ausdruck, denn nicht von einer Entreicherung, sondern von einer Bereicherung ist hier die Rede. Folgerichtig werden in den §§ 812 ff. BGB Rechtsfälle geregelt, in denen die Person des accipiens, d.h. des Empfängers, und nicht die des solvens, nämlich des Leistenden, in der Kodifikation größere Aufmerksamkeit verdient. Diese Stellungnahme ist zunächst auf rechtshistorischer Basis gerechtfertigt: Den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts über die Vermögensverschiebungen sine causa tritt hier die Auffassung des Gesetzgebers eindeutig entgegen. Es wird also die herkömmliche römisch- und spätrömischrechtliche Ansicht aufgegeben, wonach Gegenstand der Klage die reine Verschiebung, d.h. vor allem die Entreicherung per se war l . Demgegenüber scheinen die Verfasser des BGB Billigkeitsgedanken rur ausschlaggebend zu halten. Da es sich um Be- und nicht um Entreicherung handelt 2, wird in der Literatur3 die Unabhängigkeit der Bereicherungshaftung vom Verhalten des Schuldners als Unterschied zum Deliktsrecht betont4. Obwohl eine Hervorhebung der Bereicherung eher zu einer Billigkeitshaftung5 hätte ruhren müssen als zu einer bloßen Rückgängigmachung eines ungerechtfertigten Vorteils, der einem andeS. oben, zweiter Teil, B. V. Esser, 1960, 766; LarenzlCanaris, 128 und 256; kritisch über die Verwendung der Begriffe der Bereicherung und Entreicherung seitens der hL Kupisch, JZ 1997, 222. 3 LarenzlCanaris, aaO. (vorige Fn.); Giesen, Jura 1995, 169. 4 Statt aller Esser, 1960, 764; fiir die ältere Lehre Siber, Schuldrecht 11, 416. 5 So gerade die ältere Rechtsprechung, nach der die Ausgleichsordnung der §§ 812 ff. BGB von den Grundsätzen der Billigkeit im besonderen Maße beherrscht sei, s. RGZ 147, 280, 285. S. aber auch einige jüngere Entscheidungen, z.B. BGH WM 1978, 708, 711: "Die Bereicherungsansprüche gehören dem Billigkeitsrecht an"; und jüngst BGHZ 111,308,312. I
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
ren gebührt oder gehört, wird dennoch im Schrifttum6 hin und wieder versucht, den Raum der aequitas einzuschränken. So bezeichnet man das Ziel des Bereicherungsrechtes als "Abschöpfung eines ungerechtfertigten Vorteils"? oder als "Beseitigung einer Diskrepanz zwischen dem mit einer Güterbewegung verfolgten bzw .... dem von der Rechtsordnung mißbilligten Zweck und der eingetretenen Güterlage"g oder auch als objektiv berechtigten Vermögensausgleich rur unberechtigt auf fremde Kosten erworbene Vorteile 9 . Oder man erzielt einfach pragmatisch eine Lösung unmittelbar aus der Überprüfung der Tatbestände lO • Hinter solchen Meinungen versteckt sich freilich die Furcht vor einer exzessiven Erweiterung der Billigkeitshaftung und der damit verbundenen Auswirkungen auf das Rechtssystem, wie z.B. die daraus hervorgehende Rechtsunsicherheit. Die dem 24. Titel vorausgehende Prämisse, eine echte Bereicherungshaftung regeln zu wollen, die sich zunächst mit der Rechtslage des Leistungsempfangers beschäftigt, stößt allerdings gegen den Gesetzestext. In den dem Bereicherungsrecht gewidmeten BGB-Paragraphen haben auch Normen Platz, die eindeutig Berührungspunkte mit dem römischen, auf die Rechtslage des Leistenden konzentrierten Kondiktionsrecht aufzeigen 11. Im wesentlichen geht es um die Verpflichtung zur Herausgabe eines ohne rechtlichen Grund erlangten "etwas", § 812 I I BGB. Es handelt sich somit nicht um eine bloße "Bereicherung" des aecipiens. Diese wird erst später von § 818 III BGB aufgrund des Modells der gleitenden Skala durch den Ausschluß des Anspruchs geregelt, "soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist".
6 Nach Esser, 1960, 765, duldet die strenge Nonngebundenheit des Bereicherungsrechts keine freien Billigkeitsmaßstäbe. v. Caemmerer, Bereicherung, 338, kritisiert diejenigen Ansichten, die die Rolle der materiellen Gerechtigkeit im Bereicherungsrecht verteidigen, und bezeichnet sie als zu stark vom Rechtsfonnalismus geprägt. MünchKommlLieb, § 812, Rndr. 20 hält eine enge Verbindung zwischen Bereicherungsrecht und Billigkeit rur überholt. Diese ist nach KoppensteineriKramer, 2 f., sogar verfehlt. ? LarenzlCanaris, 128; ähnlich KoppensteinerlKramer, 2. g ReuterlMartinek, 76. 9 Esser, 1960,763. 10 König, 1985,passim; Schlechtriem, 1995, Rdnr. 637 ff. 11 Über die Unterschiede zwischen Bereicherungs- und Kondiktionsrecht und über die Rolle, die die Billigkeit dabei spielt, s. irifra, dritter Teil, D... ; und vierter Teil, A. IX. 3. Meiner Meinung nach läßt sich die Unterscheidung hauptsächlich darauf zurückruhren, daß aus dem ursprünglichen Kondiktionsmodell ein neuer Rechtsbehelf entstanden ist, der die mit der Herausgabe verbundenen Probleme vor allem seitens des Bereicherten berücksichtigt.
A. Einfiihrung
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Trotz der gemeinsamen römischrechtlichen Wurzeln, die das BGB und der geltende Codice civile verbinden, folgt letzterer einem unabhängigen Weg. Die neuere italienische Kodifikation stellt in bezug auf das Bereicherungsrecht, insbesondere mit dem neuen Tatbestand des Art. 2041 C.C., der nach der gesetzgeberischen Absicht eine gesetzlich verankerte Lösung gemäß Gerechtigkeitskriterien zu den Fragen der ungerechtfertigten Bereicherung anbieten sollte, einen echten Wendepunkt dar. Das Kondiktionsrecht - und vor allem die condictio indebiti - war auch dem alten Codice civile von 1865 wohl bekannt. Die nachfolgende Fassung konstruierte allerdings ein neues "drei-Säulen-System"12: Der bereits bestehenden condictio indebiti und der Deliktsklage wird eine sog. "allgemeine Bereicherungsklage" ex Art. 2041 c.c. hinzugeftigt, die systematisch und dogmatisch zwischen beiden erwähnten Rechtsfiguren Platz findet. Die Beziehungen zwischen Kondiktions- und Bereicherungsrecht aus Artt. 2041 f. c.c. haben Anlaß zu einer umfangreichen wissenschaftlichen Diskussion gegeben. Einige Autoren 13 sind der Ansicht, daß die Kondiktion nur ein Sonderfall der allgemeinen Bereicherungsklage sei, deren äquitatives Prinzip sich auf das gesamte Kondiktionsrecht ausdehne. Andere l4 hingegen halten die beiden Tatbestände getrennt und gestehen der aequitas lediglich eine allgemeine Verwandtschaft aufgrund des gemeinsamen Grundsatzes zu. Die Rolle der Äquitas galt vor allem in der etwas älteren Lehre als besonders umstritten. Die aktuelle Auslegung l5 lehnt die Betrachtung der allgemeinen Bereicherungsklage als einen rein äquitativen Rechtsbehelf, der die Unrechtmäßigkeit des strictum jus korrigieren soll, kategorisch ab. Sie entscheidet sich hingegen ftir eine konkretere und technischere Definition des gegenseitigen Verhältnisses beider Rechtsinstitute. Diese leitet ihre Wirksamkeit aus einer im Gesetz nun stärker veranker-
12 Diese Ausdrucksweise wird in der Literatur nicht verwendet.
13 Diese Meinung, die schon vor dem Inkrafttreten des geltenden Codice civile viele Befiirworter gefunden hatte, wird heute kaum vertreten, Andreoli, 969. Für eine Auffassung, die eine gemeinsame Grundlage fiir beide Tatbestände andeutet, s. Bianca, 792. 14 Trabucchi, Arricchimento, 65; Moscati, 1987, 449; Bigliazzi GerilBrecciaiBusnellilNatoli, 825. Nach Moscati, Riv. dir. civ., 1975, 327 Fn. 46, wird die gemeinsame Grundlage von einem Teil der Lehre darauf beschränkt, daß beide Institute dem gleichen äquitativen Prinzip entstammten. Eine solche Meinung scheine jedoch ungenau und hinsichtlich ihrer Folgen bedeutungslos, weil viele Normen ihre Grundlage in der Abschaffung oder Verhinderung von Situationen fänden, in denen die Verteilung von Rechtsgütern nicht rechtmäßig erfolge. In der Rechtsprechung Cass., 7. 08. 1959 n. 2162, Giust. civ., 1959, I, 1684; Cass., 16. 02. 1963 n. 348, Mass. Giur. it., 1963. S. zuletzt Corte cost., 24. 05. 1996 n. 166, Foro it., 1996, I, 1,2292,2296 (obiter dictum), nach derer Entscheidung Art. 2033 c.c. von einem Gerechtigkeitsgrundsatz geprägt ist, der die ungerechtfertigte Bereicherung zum Schaden einer anderen Person verbietet. Bemerkenswert ist die klare Verbindung der eben erwähnten Vorschrift mit dem Wortlaut des Art. 2041 C.C.
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Breccia, Arricchimento, 814.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
ten Anwendung der Tatbestände ab. Trotzdem scheint die Rechtslehre zwischen der Billigkeitshaftung und der bloßen Rückgängigmachung unentschlossen zu bleiben 16: Sie entscheidet sich endgültig weder zugunsten der ersten, wofür die Rechtswissenschaft vornehmlich vor dem Inkrafttreten der Kodifikation plädierte, noch zugunsten der zweiten, obwohl die heutige Ansicht die alte, reine Billigkeitsfunktion kaum noch rechtfertigt. Die damit verbundene Frage, ob das Rechtssystem das Kondiktions- oder das "Bereicherungsrecht" im gemeinrechtlichen Sinne bevorzugt, mit praktischen Folgen auf die Anwendung des Herausgabeanspruchs, bleibt insoweit unbeantwortet. Obschon die Hinzufügung einer ausdrücklichen Regulierung der Bereicherungsklage auf einen eindeutigen favor legis für den Vorrang des Bereicherungsrechtes hinweisen sollte, findet die Kondiktion infolge des Subsidiaritätserfordernisses gern. Art. 2042 c.c. für die Bereicherungsklage in der Praxis eine viel breitere Anwendung. Trotz vielfacher Kritik bleibe nach der Rechtslehre eine wichtige Funktion des Billigkeitsgedankens unangetastet, da man mit seiner Hilfe eine deutliche Grenze zwischen Bereicherungs- und Deliktsrecht zieht: Ersteres gelte vornehmlich als Rechtsbehelf in jenen Fällen, in denen die Vermögensverschiebung aus einer rechtmäßigen und korrekten Anwendung der gesetzlichen Vorschriften entstehe, so daß die Zuwendung, wenngleich als ungerechtfertigt definiert, nicht von einer gegen die Rechtsordnung verstoßenden Handlung verursacht worden sei l7 • Die Klage auf ungerechtfertigte Bereicherung ziele ferner nicht auf den Schadensersatz ab, sondern auf die Verwirklichung eines gerechten Austausches l8 . Hauptziel dieses Teiles ist ein Vergleich des deutschen mit dem italienischen Kondiktionsmodell. Die Ergebnisse der Rechtsvergleichung werden dann als wichtige Bausteine in dem Vorschlag des vierten Teiles verwendet. Dafür erweisen sich ausgerechnet die hier untersuchten Rechtssysteme wegen ihrer jeweiligen Charakteristika als besonders geeignet: Wie es sich schon aus der rechtshistorischen Untersuchung (vornehmlich) der deutschen Pandektistik ergibt, hat der BGB-Gesetzgeber das nachklassische Kondiktionsmodell berfürwortet. Es mag wohl sein, daß der Begriff "Kondiktion" in der Kodifikation nicht auftaucht, dies hindert jedoch seinen "Geist" nicht, das deutsche Bereicherungsrecht in unverkennbarer Weise zu prägen. Übrigens, wie dargestellt wird, ist dem Gesetzgeber die Aufteilung in unterschiedliche Kondiktionsarten ohne weiteres bekannt: Die Motive stellen beispielsweise den Restitutionsanspruch 16 Für eine ausfilhrlichere Analyse vgl. infra, unter den Stichworten condictio indebiti und actio de in rem verso, in diesem Teil. 17 Trabucchi, Arricchimento, 66. 18 Trimarchi, 50.
A. Einfiihrung
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ganz klar gemäß dem postjustinianischen Schema dar. Im Gegensatz dazu wird im Codice civile der Versuch unternommen, die Vielfalt der nachklassischen Restitutionsansprüche auf lediglich zwei zu reduzieren. Die folgende Analyse sollte vor allem der Darstellung des Beweises dienen, daß das italienische Recht mit einer beschränkten Anzahl von Ansprüchen ähnliche Ergebnisse wie das deutsche erreicht. Zu diesem Zwecke werden sämtliche Kondiktionsansprüche der bei den Rechtsordnungen geschildert. Nun würde eine ausführliche Untersuchung der einzelnen Kondiktionsarten nicht zur Klarheit verhelfen: Hier geht es vor allem um die Verfolgung eines Zieles, nämlich die Demonstration, daß ein einziger Kondiktionsanspruch sämtliche Restitutionsfälle decken kann. Eine zu ausführliche Erörterung des jeweiligen Herausgabesystemes wäre somit nicht nur überflüssig, sondern auch kontraproduktiv, da die vielen Details das verfolgte Ziel trüben könnten. Aus diesem Grunde habe ich mich für folgende Darstellung entschieden: Die condictio indebiti wird in breitem Umfang verglichen; dabei werden auch einige Probleme diskutiert, die dem nationalen Kondiktionsrecht eine besondere, charakteristische Farbe geben. Durch die Schilderung und die Auseinandersetzung mit einigen Rechtsfragen wird dem Leser ein Gesamteindruck des jeweiligen Kondiktionsrechtes vermittelt. Im Lichte der durch diese erste Rechtsvergleichung erreichten Kenntnisse werden dann die weiteren Kondiktionsarten nur skizziert, ihre jeweiligen Schwerpunkte lediglich angedeutet, um zu betonen, daß die Substanz des Kondiktionsrechtes in dem jeweiligen Lande trotz der unterschiedlichen Benennungen der Klagearten nicht so wesentlich variiert. Neben der Analyse der condictio indebiti wird ein zweiter Akzent auf die modeme Fassung der actio de in rem verso gelegt. Es wird nämlich gefragt, ob und inwieweit die Versionsklage in den geltenden Rechten eine Bedeutung behalten hat. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften, die im vierten Teil fortgesetzt wird, offenbart auch in diesem Bereich schwerwiegende Unterschiede zwischen dem deutschen und dem italienischen Recht. Das letztere enthält beispielsweise eine allgemeine Bereicherungsklage, die die Rechtswissenschaft unmittelbar aus der alten prätorischen Aktion herleitet. Unabhängig von dieser letzten Rechtsfigur des italienischen Rechtes entspricht der Überzeugung des Verfassers, daß die römische Klage in den verglichenen Rechtsordnungen doch konkrete Spuren hinterlassen hat. Diesen wird hier nachgegangen. Wie schon der zweite Teil, auch der dritte wird auf die Beziehung der Kondiktions- und der Versionsklage zueinander aufgebaut, mit einem besonderen Interesse an der Darstellung der Kondiktion, da sich diese Arbeit auf eine mögliche Gestaltung des europäischen Kondiktionsrechtes konzentriert.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund Zum Zwecke einer klaren rechtsvergleichenden Darstellung der Bereicherungsrechte beider Länder wird im folgenden die justinianische Gliederung in condictiones übernommen. Diese Systematik ist der deutschen Rechtswissenschaft nicht unbekannt: Mehrere Lehrbücher l9 haben sie sich zu eigen gemacht. Die Verwendung der postklassischen Systematisierung wird in der Rechtslehre aus Klarheitsgründen weitgehend übernommen, da weder die deutsche noch die italienische zivilrechtliche Gesetzgebung den Begriff der "Kondiktion" enthalten. Dies mag zwar bei der Erörterung der dem Gesetzestext unter dieser Definition unbekannten Tatbestände zu Schwierigkeiten fUhren, die aber zu überbrücken sind. Sie werden durch eine entsprechende Erklärung dort gelöst, wo sie sich der lex scripta nicht einfUgen lassen. Neben der Schilderung der condictiones wird sodann der Versuch unternommen, Existenz und Einfluß der actio de in rem verso in den Kodifikationen nachzuweisen, die Gegenstand dieser Untersuchung sind. Auch hier gilt wie für die Kondiktion, daß der Begriff der "Version" nicht zur Rechtsterminologie der jeweiligen Gesetzgebungen gehört, dennoch m.E. aber zu ihrem konkreten Rechtsinstrumentarium. Die Analyse der Kondiktionen, wie danach die der Versionsklage, ist in dieser Arbeit durchaus zielgerichtet, d.h. ihre Hauptfunktion besteht nicht in der ausfUhrlichen Untersuchung aller Aspekte der Kondiktionen, sondern soll eher der Vorbereitung einer Diskussionsgrundlage dienen, die die weitere Erörterung einer gemeinsamen europäischen Entwicklung des Bereicherungsrechts erleichtert. I. condictio indebiti
Die weite Handhabung der condictio indebiti in römischer Zeit hat die modemen Rechtsordnungen stark beeinflußt. Die Rechtsanalyse bezeugt einerseits die herrschende Position dieser Kondiktion im gesetzlichen Systemzusammenhang, sie betont andererseits eine ständige Entwicklung des Instituts in Richtung einer Ausdehnung des Anwendungsbereiches der condictio indebiti auf andere Kondiktionsarten, die in der Rechtsgeschichte eine selbständige Stellung einnahmen. Im Vergleich zur deutschen Festschreibung befindet sich die jüngere
19 Vgl. KoppensteineriKramer, 49 ff.; ReuteriMartinek. 125 ff.; Wieling, 1993,21 ff.; Schlechtriem, 1995, Rdnr. 646 ff.
B. Herausgabeanspruche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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italienischen Kodifikation schon auf einem nächsten Schritt dieses "Erweiterungsprozesses ". Im folgenden soll hauptsächlich die Struktur der condictio indebiti untersucht werden. Dabei wird sich die Aufmerksamkeit auf die essentialia dieser Rechtsfigur konzentrieren, so daß die hier gesammelten Überlegungen einer weiteren Phase der Studie20 zunutze kommen können. Obwohl die Analyse in erster Linie die wesentlichen Strukturelemente der fraglichen Kondiktion betrifft, erstreckt sie sich dennoch bisweilen auf Rechtsinstitute, die stricto sensu nicht zur Struktur der condictio indebiti gehören. Unter dem Tatbestand der condictio indebiti werden ferner auch die sog. Kondiktionssperren 21 kurz untersucht, d.h diejenigen Rechtsfiguren des Bereicherungsrechtes, deren Wirksamkeit die Anwendung der Kondiktionsansprüche verhindert. Eine ausführliche Behandlung dieser Sperren würde diese Studie nur mit überflüssigen Informationen belasten. 1. Der Tatbestand
Das BGB und der Codice civile erwähnen die condictio indebiti nie ausdrücklich. Dennoch ist es möglich, diese Rechtsfigur in den §§ 812, 813 und 814 BGB sowie in den Artt. 2033, 2034 und 2036 C.c. zu erkennen.
a) Die deutsche Gesetzgebung In der deutschen Kodifikation wird das Ziel der römischen condictio indebitP2 strenggenommen beibehalten: die Rückgängigmachung einer Leistung infolge des Scheiterns eines Vertrages bzw. der Bezahlung einer Nichtschuld, wie es sich aus dem Wortlaut des § 812 I BGB entnehmen läßt. Diese Bestimmung verpflichtet all diejenigen zur Herausgabe, die "etwas" ohne rechtlichen Grund erlangt haben. Gemäß dem ursprünglichen, römischrechtlichen Modell wird der Nichtigkeit und der Anfechtung der Verbindlichkeit die Erfüllung trotz Einrede gern. § 813 I BGB gleichgestellt. Peremptorische Einreden der Verjährung werden gern. §§ 813 12 i. V. m. 222 II BGB nicht erfaßt. Ein weiterer Unterschied ist im Verbot des venire contra factum proprium zu sehen: Keine Kondiktion wird gewährt, "wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den
20
Vgl. vierter Teil, A., passim.
21 So etwa Schlechtriem, 1995, Rdnr. 654. 22
S. zweiter Teil, B. 11.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach", § 814 BGB. § 812 II BGB erweitert schließlich den Inhalt des Leistungsbegriffes durch die Hinzufiigung der vertraglichen Anerkennung eines Schuldverhältnisses. In Abweichung zur römischen Tradition umfaßt die neugeregelte condictio indebiti - zumindest dem Wortlaut nach - auch Fälle der Bereicherung "in sonstiger Weise". Allerdings bleibt es im Gesetzestext äußerst unklar, was man unter "sonstiger Weise" zu verstehen hat. Weder im 24. Titel noch anderswo im BGB wird die Bedeutung dieser Rechtsfigur näher erhellt. Anscheinend wird vom Gesetzgeber die Bestimmung der Merkmale der Bereicherung in sonstiger Weise der Auslegung überlassen. Ohne Rücksicht darauf, ob die Vermögensverschiebung durch Leistung oder in sonstiger Weise erfolgt ist, verlangt § 812 I BGB das Nichtvorhandensein einer Kausa, d.h. des rechtlichen Grundes der Güterbewegung 23 . Einer moderneren Auffassung der Kondiktion entsprechend wird der entschuldbare Irrtum aus dem Tatbestand des § 812 BGB entfemt24 • Weiß der solvens von dem Nichtbestehen der Verpflichtung, auf die die von ihm vorgenommene Leistung zurückgefiihrt werden soll, übt der error gern. § 814 BGB lediglich eine Sperrfunktion gegen das kontradiktorische Verhalten des Leistenden aus. b) Die italienische Gesetzgebung
Der Codice civile widmet dem Kondiktionsrecht den 7. Titel des 4. Buches über die Schuldverhältnisse. Der Titel trägt die Bezeichnung "Zahlung einer Nichtschuld". Der herkömmliche Fall des Scheitems des Vertrages wegen Nichtigkeit wird, dem Wortlaut des Gesetzes nach, scheinbar nicht berücksichtigt. Dennoch verhelfen weitere Vorschriften der Einbeziehung dieser (bereits)
23 Die erste Kommission hatte als Tatbestandsmerkmal eine direkte Verbindung zwischen der vom solvens erlittenen Benachteiligung und seiner Vermögensminderung vorgeschlagen. Somit sprach die erste Fassung der Norm von einem "etwas aus dem Vermögen eines Anderen"; Mugdan, Protokolle, 11, 1169 ff. Die endgültige Fassung der Vorschrift enthält hingegen eine andere Formel, da eine einfache Vermögensverschiebung "auf Kosten" des Bereicherungsgläubigers als kondiktionsauslösendes Element ausreichend erschien. 24 König, 1985,41 f.; Mayer Maly, FS. Lange, 296; ferner Wacke, Beiträge, 141, der die deutsche Rechtslage mit der französischen vergleicht. In letzterer bildet der Irrtum doch ein Tatbestandselement, s. Art. 1237 Abs. I Code civil: "Tout payment suppose une dette: ce qui a ete paye sans etre du, est sujet repetition" und Art. 1376 Code civil: "Celui qui rer;oit par erreur ou sciemment ce qui ne lui est pas du s'oblige le restituer celui de qui ill'a indument rer;u". Auch ReuteriMartinek, 184, fUhren den Vergleich aus.
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B. Herausgabeanspruche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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römischen Fallkonstellation in das geltende Kondiktionsrecht. Vor allem Art. 1422 C.C., der die Unverjährbarkeit der vertraglichen Nichtigkeitsklage vorsieht, betrifft ausdrücklich die Verjährung der Klageansprüche auf Herausgabe nicht. Ob man dadurch lediglich zu einer Einschränkung des Kondiktionsrechtes auf die anfangliche Nichtschuld oder auch zu einer Ausdehnung auf das Vertragsrecht kommen kann, wird angesichts des nicht vielsagenden jus positivum der Interpretationskunst der Jurisprudenz überlassen. Der Tatbestand der Zahlung einer Nichtschuld wird hauptsächlich durch zwei Vorschriften geregelt: Art. 2033 c.c. bezüglich der objektiven, Art. 2036 c.c. bezüglich der subjektiven Nichtschuld. Wird die erbrachte Leistung weder vom solvens noch von einem Dritten geschuldet, steht dem Leistenden ein kondiktionsrechtlicher Anspruch auf Herausgabe des Bezahlten nach Art. 2033 S. 1 c.c. zu. Die objektive Tatsache der Vermögensverschiebung wirkt als unentbehrliches und genügendes Element dieses Tatbestandes: Weitere Erfordernisse, wie Z.B. der psychologische Zustand der Parteien, also das gute bzw. böse Glauben, kommen nicht in Betracht. Die Erwähnung einer "Zahlung" könnte den Eindruck einer Einschränkung des Anwendungsbereiches der Bestimmung lediglich auf Fälle von Geldbewegungen erwecken. Dieser Ausdruck entspricht indessen einem terminus technicus und kennzeichnet sämtliche Leistungen auf dare. Art. 2037 C.C., wonach derjenige, der unberechtigterweise eine bestimmte Sache erhalten hat, zur Herausgabe verpflichtet ist, verdeutlicht den echten, nicht nur auf Zahlungen beschränkten Umfang des Begriffes. Art. 2036 I c.c. regelt den Tatbestand der subjektiven Nichtschuld ex latere solventis, d.h. er beschäftigt sich mit dem Fall der Zahlung, also der Vornahme, einer bestehenden, aber vom solvens nicht geschuldeten Leistung. Die Rückforderung ist nach dem Gesetz nicht uneingeschränkt, weil die Kondiktion auf einem Verhalten beruhen muß, das von einem entschuldbaren Irrtum des solvens verursacht worden ist. Die Entschuldbarkeit des error gilt jedoch als nicht ausreichend, falls der Gläubiger sich in gutem Glauben der Schuldurkunde oder der Sicherheiten der Forderung entledigt hat. Der konträre Fall, nach dem jemand eine eigene Schuld nicht bei dem Gläubiger, sondern bei einem Dritten begleicht, wird hingegen von der Vorschrift nicht geregelt. Es bleibt deshalb die Frage offen, ob überhaupt eine solche Lage einen Kondiktionsanspruch auslöst und unter welchen Tatbestand sich ein solcher Anspruch subsumieren läßt. Nach Art. 2034 11 c.c. werden die Obligationen, die eine soluti retentio ermöglichen, d.h. die Nichtklagbarkeit des spontan ohne gesetzliche Pflicht Bezahlten, vom Tatbestand der objektiven Nichtschuld nicht betroffen. Es handelt sich dabei um Naturalobligationen, die, mit der Ausnahme der Leistungen des
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Geschäftsunfähigen, welche ausdrücklich vom Umfang des Art. 2034 I c.c. ausgeschlossen werden, sittliche oder moralische Pflichten erfüllen. Eine zweite Kondiktionssperre bildet die beiderseitige sittenwidrige Leistung. Der Codice civile schließt die Rückforderung einer Leistung aus, deren Zweck gegen die guten Sitten verstößt, "wenn" mit den Worten des BGB "dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt". 2. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften
Die Untersuchung der condictio indebiti hebt die intensive Auslegungsarbeit der Rechtswissenschaft hervor: Die tatsächlich gehandhabte Bereicherungsregel weicht oftmals in nicht unerheblichem Maße von der kodifizierten Regel ab. Die Entfernung der Praxis von der lex scripta erklärt sich auch durch das modeme System des Rechtsverkehrs, in welchem dem Bereicherungsrecht erhebliche Bedeutung zukommt. Infolge der Anstrengung der Rechtswissenschaft, den Wortlaut des Gesetzes den modemen Bedürfnissen anzupassen, ist die Frage berechtigt, ob das Gesetz in geeigneter Weise zur Unterstützung des modemen Rechtsverkehrs beiträgt. Die Rechtsanalyse verdeutlicht, daß das vorhandene gesetzgeberische Rechtsinstrumentarium angesichts der heutigen Rechtsfragen bisweilen nicht ausreichend entwickelt erscheint. a) Die deutsche Auslegung aa) Die ältere Einheitslehre "Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise etwas ohne rechtlichen Grund hat, ist zur Herausgabe verpflichtet"25. So wurde § 812 I 1 BGB in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts einhellig von der Jurisprudenz gelesen. Die Vorschrift wurde somit sozusagen in einem einzigen Atemzug verstanden, d.h. nicht als Quelle von zwei divergierenden Kondiktionsansprüchen unter dem gemeinsamen Dach eines einzigen Satzes, sondern als Rechtsgrundlage eines einzigen, wenngleich sehr allgemeinen Kondiktionsanspruches. Dieses Ergebnis errang sie durch eine wortwörtliche, diesbezüglich nicht besonders problematische Übernahme der littera legis. Diese war wahrhaftig ein novum innerhalb des im BGB neugestalteten Rechts der ungerecht2S So Plessen, 27, aber über dieses "Problem", das damals nicht als solches empfunden wurde, s. ebenda S. 24 ff. Die erwähnte Formulierung des Anspruches war zwar umstritten, die Diskussion berührte die Frage der zugrundeliegenden Einheitlichkeit jedoch nicht. Vgl. auch die zu jener Zeit einflußreiche Darstellung v. Mayrs, 1903, 30 ff., insb.
37f.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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fertigten Bereicherung. Vor allem die Erwähnung der Möglichkeit, einen Anspruch aufgrund einer Vennögensverschiebung zu erheben, die nicht auf einer Leistungsbeziehung beruhte, konnte auf keine vorherige, dem deutschen System bekannte bereicherungsrechtliche Struktur zurückgeruhrt werden. Zwar stellte die sog. Bereicherung "in sonstiger Weise" gewisse Ähnlichkeiten mit der Versionsklage dar, nach der negativen Stellungnahme der Kommission26 hinsichtlich letzterer zeigte die damalige Rechtswissenschaft aber kein Interesse, kühne Parallelen zwischen beiden Rechtsfiguren zu ziehen. Des weiteren erleichterte der schlichte Wortlaut des fraglichen Paragraphen die - unter diesem Gesichtspunkt - problemlose Auslegung, die in den damaligen Abhandlungen einstimmig vertreten wurde. Dennoch konnte eine Analyse der tatsächlich unglücklichen Einruhrung27 dieser Kondiktionsart, die unabhängig von den Rechtsbeziehungen zwischen den Bereicherungsparteien dem Entreicherten einen Anspruch gewährte, nicht ad infinitum durch den bloßen Verweis auf die auctoritas der BGB-Verfasser verschoben werden. Früher oder später mußte eine Konfrontation mit der Nonn unvenneidbar werden. Der Widerspruch zwischen der zweiten Alternative des § 812 I 1 BGB und dem vom Gesetzgeber28 statuierten Verbot der Anwendung einer actio de in rem verso utilis 29 , durch die Dritte selbst bei Nichtbestand einer Leistungsbeziehung zur Herausgabe hätten verpflichtet werden können, wurde jahrzehntelang nicht völlig zur Kenntnis genommen. Zu dieser unklaren Situation hatten die Materialien zum BGB m.E. nicht wenig beigetragen. In den Motiven 30 wird die Rechtsfigur, die später als "Bereicherung in sonstiger Weise" qualifiziert wird, als eine condictio sine causa dargestellt, und somit als eine Art Auffangtatbestand rur konkrete Fallkonstellationen, die keinen Schutz unter der "normalen" condictio indebiti fanden. Dabei ist wichtig, daß es sich um bestimmte Fallgruppen handelte. Das fragliche Institut sollte deshalb nicht als allgemeine Billigkeitsrecht dienen 31 . Wahrscheinlich mußte neben dem Gewicht der Materialien auch die Tatsache eine Rolle gespielt haben, daß § 812 I I BGB wohl zwei Alternativen anbot, diese aber laut Gesetzes zu einem systematisch und inhaltlich einheitlichen Anspruch gehörten32 •
S. infra, C. 11. I., in diesem Teil. Reuter/Martinek, 22, sprechen von einer "unglücklichen Gesetzesfassung". 28 S. infra in diesem Teil, C. 11. I. 29 Dazu s. supra, zweiter Teil, C. III. 30 Motive, § 748 und 11,851 ff. 31 Reuter/Martinek, 17. 32 Nach Kupisch, 1980, 511, zerstückelt diese Lehre "auf methodisch fragwürdige Weise den gesetzlichen Tatbestand". 26
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
bb) Die Trennungslehre Dennoch erschien eine solche dogmatische Konstruktion der Vorschrift als Generaltatbestand des Bereicherungsrechts angesichts der damit verbundenen Risiken einer Verkoppelung mit der "berüchtigten" Versionsklage unhaltbar33, obwohl das Gewicht der vorherigen Argumente, die von einem einheitlichen Anspruch ausgingen, klare Spuren in den darauffolgenden, unterschiedlich nuancierten Auffassungen 34 hinterlassen hat. Der Abschied von der alten Einheitslehre ist auch nach Durchsetzung der entgegengesetzen Meinung stets gedämpft: Zwar gesteht man 35 zu, daß die Diskrepanzen zwischen beiden Ansprüchen in der Vorschrift völlig verwischt sind, aber eine differierende Behandlung beider Alternativen des § 812 I 1 BGB wird als nötiger Schritt empfunden, der die Möglichkeit eines direkten Durchgriffs gegen Dritte aufgrund einer Bereicherung in sonstiger Weise ausschließen könnte. Um die Position des Dritten sicherzustellen, wird somit die einheitlich geregelte condictio indebiti in zwei voneinander unabhängige Ansprüche gespalten. Die neue Lesart, die diese sog. Trennungstheorie36 bei der Auslegung der lex lata vorschlägt, entfernt sich erheblich von der zuvor vorgezogenen Interpretation. Die jüngere Ansicht behält vor allem die Position des Dritten im Visier und versucht, die Möglichkeiten seiner Inanspruchnahme einzugrenzen. Die Vorschrift wird im Einklang mit dieser Priorität folgendermaßen interpretiert: "Wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt oder in sonstiger Weise etwas auf dessen Kosten ohne rechtlichen Grund erlangt ... "37. Also gibt es einerseits einen Anspruch, der von einer ungerechtfertigt erbrachten Leistung ausgelöst 33 v. Caemmerer, Bereicherung, 337 und 342. Esser/Weyers, 422, sehen in der Vorschrift einen zweigeteilten Generaltatbestand. 34 Nach Esser, 1960. 766, "wird das Bereicherungsrecht nicht von einem geschlossenen Generaltatbestand beherrscht". v. Caemmerer, Bereicherung, 342, nimmt nur obtorto collo das Bestehen einer Generalnorm an, während Fikentscher, Rdnr. 1064, § 812 I BGB als "allgemeine Grundregel" bezeichnet. Nach König, 1985, 58, dient die condictio indebiti der zweiten Kommission als Modell eines einheitlichen Bereicherungsanspruchs. 35 Esser, 1960, 776. 36 Grundlegend Wilburg, passim, und mit Unterschieden v. Caemmerer, Bereicherung, passim. Nach dieser Lehre dient die Leistungskondiktion zur Lösung der Konflikte im Rahmen der Güterbewegung. Die Nichtleistungskondiktionen sollen indessen zum Gebiet des Rechtsgüterschutzes gehören, vgl. Staudinger/Lorenz, § 812 Rdnr I ff.; Fikentscher, Rdnr. 1073 ff.; Erman/Westermann, § 812 Rdnr. I f.; Larenz/Canaris, 129 f.; Schlechtriem, 1995, Rdnr. 661; Medicus, 1997, Rdnr. 633. Die Rechtsprechung äußert sich einstimmig zugunsten der Trennungslehre, vgl. RGRK/Heimann-Trosien, § 812 Rdnr. 14 ff.; Schlechtriem, JZ 1993,25. 37 Statt aller Larenz/Canaris, 131, die in der Vorschrift zwei verschiedene sprachliche Interpretationsmöglichkeiten feststellen: Die dort vorgezogene Möglichkeit spiegelt die Position der sog. Trennungslehre wider.
B. Herausgabeanspriiche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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wird, dem üblicherweise uneingeschränkt stattgegeben wird. In einigen Fallkonstellationen wird andererseits eine Kondiktion unter bestimmten, vom ersten Anspruch differierenden Umständen gegen Rechtssubjekte gewährt, die an das Eigentum an der zu kondizierenden Sache nicht durch eine Leistung gelangt sind. Bekannterweise werden die termini technici "Leistungs- bzw. Nichtleistungskondiktion" angewendet, um beide dargestellten Ansprüche zu beschreiben. Der Trennung zwischen einer bereicherungsrechtlichen Beziehung, die in ihren Grundzügen auf die klassische Entwicklung der legis actio per condictionem zurückzuführen ist, und einer Gruppe von neuentstandenen Kondiktionen, die durch den - sehr allgemeinen - Begriff der Bereicherung "in sonstiger Weise" gekennzeichnet werden, werden die als unzufriedenstellend und unklar empfundenen Worte des Gesetzestextes zugrundegelegt. Die ungenaue gesetzliche Angabe der Kondiktion "in sonstiger Weise" hat somit ein deutlich spürbares Unbehagen in der Auslegung verursacht, das sich in einer Art "wissenschaftlicher Auflehnung" in der Trennungslehre konkretisiert hat. Solche Verhaltensweise stößt auf Verständnis, weil die künstliche Transplantation eines der geschichtlichen Entwicklung dieses Rechtsinstituts fremden Organs in die klassische condictio indebiti nicht besonders gelungen erscheint. Daß ursprünglich die Bereicherung in sonstiger Weise nicht als condictio indebiti, sondern als condictio sine causa gedacht wurde, darf von der realistischen Überlegung nicht abhalten, daß die im BGB geregelte Rechtsfigur im Endergebnis in einer bloßen Erweiterung der traditionellen condictio indebiti besteht. cc) Eingrenzungsversuche der Tragweite des § 812 I I Alt. 2 BGB Die große Herausforderung des § 812 BGB steckt in der nicht präzisen Formulierung seines ersten Absatzes. Obwohl der Gesetzgeber sich gegen eine allgemeine Aufnahme der Versionsklage 38 in das Rechtssystem geäußert hat, fehlt es, infolge der in der Vorschrift enthaltenen, exzessiven Generalisierung, an geeigneten Rechtsinstrumenten 39 , etwa einem Subsidiaritätsprinzip wie in Art. 2042 c.c. 40 , welche die Durchsetzung dieser Entscheidung in der Praxis unterstützen könnten. Mangels einer solchen Eingrenzungsklausel betrifft nun die Frage den Anwendungsumfang der Bereicherung in sonstiger Weise. Dem Wortlaut des § 812 I 1 BGB zufolge erscheint zwar ein direkter Durchgriff des Entreicherten gegen den Dritten, der die Sache nicht durch eine Leistung des
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S. infra, C., in diesem Teil.
39 Daß sich das Merkmal "auf dessen Kosten" dafür als ungeeignet erwiesen hat, wird
schon dadurch bezeugt, daß die zwei wichtigsten Bereicherungstheorien über seine Rolle miteinander nicht übereinstimmen, und daß weitere Eingrenzungskriterien gesucht worden sind. S. infra in diesem Abschnitt. 40 Über Art. 2042 c.c. vgl. den Kommentar v. Caemmerers, Bereicherung, 370. 6 Giglio
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Kondiktionsklägers erhalten hat, auf rein theoretischer Ebene nicht ausgeschlossen. Solch ein Ergebnis möchte man41 dennoch aus dem wohlverständlichen Grund vermeiden, weil eine so umfangreiche Kondiktion schlicht und einfach eine mittelbare Wiederaufnahme der schon ausgeschlossenen Versionsklage mit sich brächte42 . Die Tragweite dieser quasi-versionsrechtlichen Klage wäre dadurch noch mehr ausgedehnt, daß die vorhandenen Kondiktionssperren der §§ 814, 815 und 817 auf eine actio de in rem verso nicht anwendbar wären. Die Ungleichmäßigkeit einer solchen "Kondiktion" gegenüber der klassischen Leistungskondiktion sowie die Gefahr, die mit der theoretischen Anwendbarkeit einer solchen Rechtsfigur verbunden ist, alles voran die Schwierigkeiten mit der Eingrenzung des Kreises der möglichen Anspruchsgegner, liegen auf der Hand. Seit dem allmählichen Verfall der Einheitslehre wird die Furcht vor dem "Gespenst" einer Ausnutzung - so zumindest wurde sie in concreto empfunden, obwohl dieses Wort in diesem Zusammenhang nie gefallen ist - der Bereicherung in sonstiger Weise durch eine Erweiterung des Kreises der Herausgabeverpflichteten m.E. zum zentralen Problem des Bereicherungsrechts. Die Rechtswissenschaft hat folglich eine Vielzahl von Lösungen, besser von Vorschlägen, entwickelt. Tatsache ist dennoch, daß sich der völlige Ausschluß der Haftung Dritter gegenüber dem so klaren Wortlaut des § 812 I 1 Alt. 2 BGB nicht begründen ließ. Des weiteren war dieser Ausschluß auch ungewollt, da ohne einen Anspruch aus Bereicherung in sonstiger Weise einige Fallkonstellationen, die nach dem allgemeinen Rechtsgefühl, d.h. vor allem nach Gerechtigkeitserwägungen, allerdings für schutzwürdig gehalten werden, keinen Ausgleich gefunden hätten. Ziel der vorgeschlagenen Lösungen war somit nicht der Ausschluß, sondern eine eindeutige Eingrenzung der Tragweite des Anspruchs. Die Schwierigkeit einer solchen Aufgabe ergibt sich schon aus den relativ zahlreichen Versuchen, die zu diesem Eingrenzungszweck unternommen wurden. Viele mußten wegen ihrer Unvereinbarkeit mit anderen gesetzlichen Normen und mit äquitativen Gedanken scheitern. Eine wichtige Eingrenzung der Tragweite des Tatbestandes des § 812 I 1 Alt. 2 BGB wurde vom Merkmal "auf dessen Kosten" hergeleitet. Daraus hat eine ältere Lehre43 , die in jüngsten Abhandlungen44 erneut Interesse erweckt
Gegen eine Durchgriffskondiktion vgl. z.B. v. Caemmerer, Bereicherung, 372. Esser, 1960, 785: "Der unmittelbare Durchgriff begegnet auch dem Bedenken, daß dadurch praktisch die vom BGB abgelehnte actio de in rem verso ... wieder zu Anwendung käme". 43 v. Mayr, 207 ff. S. eine kurze Zusammenfassung seit dem ersten Entwurf in König, 1985, 185 ff. 41
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Larenz/Canaris, 135.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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hat, auf die Existenz eines Erfordernisses der Unmittelbarkeit in der Rechtsordnung geschlossen. Dementsprechend gelte auch rur das Bereicherungsrecht das schuldrechtiiche Prinzip der Relativität der Ansprüche, welche nur innerhalb der Rechtsbeziehung ihre Wirkung entfalten45 . Daß die unmittelbare Vermögensverschiebung den besten Hintergrund der Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts darstellt, ist eine Ansicht, die schon vor der Trennungslehre von der Doktrin46 und der Rechtsprechung47 vertreten wurde und trotz steigender Kriti0 8 nie richtig widerlegt wurde49 . Wird das Unmittelbarkeitserfordernis angenommen, bleibt dem solvens im wesentlichen nur sein jeweiliger Leistungspartner als einziges Rechtssubjekt übrig, an den er sich per condictionem wenden kann. Beispiel: Der Kläger hatte eine gewisse Geldsumme auf das gemeinsame Konto der Beklagten ohne rechtlichen Grund überwiesen, wobei er auf das nur zu einem Kontoinhaber bestehende Schuldverhältnis ausdrücklich hingewiesen hatte. Eine Kondiktionsklage wurde lediglich gegen den in der Überweisung erwähnten Kontoinhaber zugelassen 50. Offensichtlich bringt diese Position eine beträchtliche Erschwerung der Inanspruchnahme Dritter51 , weil sie als einzige auf dem Gesetzestext gründende Möglichkeit, gegen Dritte zu klagen, die Ansprüche aus den besonderen Fallkonstellationen der §§ 816 I 2 und 822 BGB zuläßt. Diese Meinung findet direkte Unterstützung in der Auffassung des Gesetzgebers 52 , der sich ausdrücklich zugunsten eines Unmittelbarkeitserfordernisses im Rahmen des Bereicherungsrechtes geäußert hat.
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4ff.
Esser, 1960, 772. Heck, 431; Siber, 419; Esser, 1960, 806; s. auch StaudingeriLorenz, § 812 Rdnr.
47 RGZ 92, 77, 83: "Die Vermögensverschiebung muß sich unmittelbar zwischen dem Kondiktionsgläubiger und dem Gegner vollzogen haben, darf nicht auf dem Umweg über das Vermögen eines Dritten durch ein Rechtsgeschäft mit diesem zustandegekommen sein, der nicht als Vertreter, sondern in eigenem Namen handelt". RGRKlHeimannTrosien, § 812 Rdnr. 20 ff.; Schlechtriem, JZ 1988, 858 f.; RGZ 66, 77, 80; RG JW 1905,80 Nr. 19; BGHZ 99, 385, 387 bezüglich der Bereicherung "in sonstiger Weise". 48 Der Mindermeinung, die im Rahmen der Trennungslehre gegen das Unmittelbarkeitserfordernis Stellung genommen hat, gehören dennoch einige wichtige Autoren an, s. Koppensteiner/Kramer, 86 ff., mit weiteren Nachweisen. 49 Angesichts der Position der Rechtsprechung - vgl. BGHZ 94, 160, 165 - und noch jüngst der Lehre, z.B. Larenz/Canaris, 135, ist die Aussage vom MünchKomm/Lieb, § 812 Rdnr. 17, daß das Merkmal der Unmittelbarkeit heute "ganz überwiegend verneint" wird, m.E. nicht völlig zutreffend. 50 BGH NJW 1993, 1914. 51 v. Caemmerer, Bereicherung, 371. 52 Mugdan, Motive, 468.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Ein klassisches Instrument gegen unerwünschte Erweiterungen des Anwendungsbereiches einer Norm bzw. gegen NormenkolJisionen innerhalb eines Rechtssystemes liefert die Festsetzung einer Prioritätsordnung bezüglich der kollidierenden Vorschriften. Auch im Rahmen des Bereicherungrechts hat das Prinzip der Subsidiarität gute Erfolge erzielt, wie die Erfahrungen in anderen europäischen Rechtsordnungen bezeugen 53 . Die Tatsache, daß auch die deutsche Rechtswissenschaft sich dieser Konstruktion zugewendet hat, ist deshalb nicht überraschend. Im allgemeinen bedeutet das Subsidiaritätsprinzip, daß zwischen mehreren Rechtsbehelfen einer als vorrangig betrachtet wird. Beim Bereicherungsrecht wird dieser Grundsatz so angewendet, daß bei gleichzeitigem Vorhandensein von Leistungs- und NichtJeistungskondiktionansprüchen erstere Vorrang haben. Durch eine Verweigerung des Kondiktionsanspruchs aus Bereicherung in sonstiger Weise bei Bestehen eines konkurrierenden Kondiktionsanspruchs gegen eine andere Person wird de facta das Ergebnis erreicht, daß der Bereicherungsgläubiger gegen den Dritten nicht kondizieren darf, solange ihm ein weiterer Bereicherungsanspruch zusteht54 . Dadurch bleibt die Inanspruchnahme des Dritten theoretisch immer möglich, aber sie wird praktisch erheblich eingegrenzt. Beispiel: Der Beklagte hatte zwei gestohlene Bullen vom Dieb gutgläubig gekauft und sie in seiner Fleischwarenfabrik so verarbeitet, das er aus § 950 BGB Eigentümer geworden war. Die Kondiktionsklage des ehemaligen Eigentümers gegen ihn wurde wegen der Anwendbarkeit von § 951 I 1 BGB abgelehnt55 . Das Subsidiaritätsprinzip ist in den letzten Jahrzehnten der kritischen Überprüfung der Literatur56 unterworfen worden. Es wird ihm dabei vor allem schwierige Anwendbarkeit und fehlende Nützlichkeit im jus positivum vorge-
53 Vgl. die Entscheidung Boudier in Frankreich, supra zweiter Teil, C. IV. 2. b); und den Art. 2042 c.c. in Italien. Über letzteren s. infra, C. 11. 2. b. in diesem Teil. 54 RGRKlHeimann-Trosien, § 812 Rdnr. 41; BGHZ 40, 272, 278: Das Gericht verweist auf die Meinung Essers, 1960, 776. Kritisch Kupisch, 1980, 542. 55 BGHZ 55, 176, (Jungbullenfall). 56 StaudingeriLorenz, § 812 Rdnr. 63; ReuterlMartinek, 40 I; KoppensteineriKramer, 104 ff.; ErmanlWestermann, § 812 Rdnr. 84; LarenzlCanaris, 144 f. Thielmann, AcP 187, 23, 58, betont das Fehlen einer inneren Wahrheit und eines tragfähigen einheitlichen Prinzips. A.A. Schlechtriem, 1995, Rdnr. 693. Eine zunehmende Zahl von Autoren gibt eine apriori Konstruktion des Subsidiaritätsdogmas zugunsten einer Abwägung von Wertungen auf: KoppensteineriKramer, 107; Hager, JuS 1987, 877, 879. Meines Wissens erwähnt die Rechtsprechung des BGH in ihren jüngsten Entscheidungen das Subsidiaritätsprinzip nicht mehr.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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worfen. Im Lichte der jüngeren Entwicklung scheint es daher, daß die h.M. die fast als Dogma empfundene Subsidiarität allmählich verwirft 57 . Der neueste Versuch einer Abgrenzung des Kondiktionsrisikos bei Dritten beruht auf einer drastischeren Änderung der Bewertungspunkte. Die erläuterten Theorien der Unmittelbarkeit bzw. der Subsidiarität gehen von einem bestimmten Verhältnis aus, das Leistungs- und Nichtleistungskondiktion in eine feste Beziehung einbindet, so daß Z.B. stets klar ist, daß die Leistungskondiktion unabhängig von einem konkreten Sachverhalt Vorrang vor der Nichtleistungskondiktion hat. Gemäß diesen Konstruktionen bestimmt sich somit die Anwendbarkeit eines Bereicherungsanspruches "in sonstiger Weise" quasi ohne Rücksicht auf die Parteien, die in das Bereicherungsverhältnis verwickelt sind. Gemäß dem jüngeren Modell bildet hingegen die Person des Bereicherungsschuldners, von dessen psychologischem Zustand, also von dem guten bzw. bösen Glauben, vornehmlich zur Zeit der Zuwendung, die Gewährung der Klage abhängig wird, den Ausgangspunkt der Analyse. Diese Theorie ist auf eine Auffassung der Rechtsprechung 58 zurückzuruhren, die dem guten Glauben des Dritten bei Mehrpersonenverhältnissen eine entscheidende Wirkung zurechnet, um den Konflikt zwischen ihm und dem Bereicherungsgläubiger zu lösen. Dementsprechend wird sie "Lehre des Empfangershorizonts" genannt. Diese neue richterliche Auslegung ist dann in der Rechtslehre 59 sehr schnell auf weitgehende Zustimmung gestoßen. Der Schutz des Vertrauens 60 des gutgläubigen Dritten auf die Endgültigkeit seines Erwerbes ist Ziel dieser Lehre. Die Gutgläubigkeit betrifft die Fähigkeit des Dritten, in einer Dreiecksbeziehung die Person des Leistenden erkennen zu können 61 • Beispiel: Der vermögens lose Dritte D ruhrt kleine Renovierungsarbeiten in einem leeren Haus aus, das dem Beklagten gehört, als Gegenleistung rur die vom Eigentümer eingeräumte Möglichkeit, in dem Haus wohnen zu dürfen. 57 A.A. Wallmann, 164 ff., die sogar zwei Subsidiaritätsgrundsätze im geltenden Recht feststellt. Nach der ersten darf der Leistende gegen den Dritten mit einen Anspruch aus Bereicherung in sonstiger Weise nicht kondizieren. Anhand der zweiten Regel wird die Nichtleistungskondiktion ausgeschlossen, falls der accipiens die Sache durch eine Leistung erworben hat. Nach Giesen, 170 f. geht die ganz h.M. davon aus, "daß die Nichtleistungskondiktion gegenüber der Leistungskondiktion subsidiär sei". 58 Grundlegend BGHZ 40, 272; seitdem ständige Rechtsprechung: BGHZ 89, 376, 381; 105,365,369; 114,248,257. RGRKlHeimann-Trosien, § 812 Rdnr. 18 f. 59 StaudingerlLorenz, § 812 Rdnr. 60; vorsichtiger ErmanlWestermann, § 812 Rdnr. 15; und JauerniglSchlechtriem, § 812 5 b ce. A.A. MünchKommlLieb, § 812, Rdnr. 48 ff. 60 OLG Celle OLGZ 1986,345, 346. Nach BGHZ 122,46,51, müssen die Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung mitberücksichtigt werden, "da die Ableitung aus dem Leistungsbegriff allein nicht immer überzeugend erscheint". 61 Giesen, 236.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Diesbezüglich beauftragt D den Kläger mit der Reparatur von einigen Fenstern. Dabei behauptet D, im Namen und mit der Vollmacht des Beklagten zu handeln. Der Kläger verlangt vom Eigentümer kondiktionsrechtlich die Zahlung seiner Arbeit. Die Klage wird abgelehnt: Aus der Sicht des Beklagten könne keine Leistung des Klägers an ihn angenommen werden 62 . Das große Verdienst dieser Theorie liegt in der Betonung des Vertrauensschutzprinzipes bei der Bewertung der Position des Dritten. Freilich handelt es sich dabei um kein neues Auslegungsinstrument. Im Gegenteil, Vertrauensschutzerwägungen bilden einen sehr wichtigen Maßstab bei der Interpretation vieler Rechtsinstitute. Eine übertriebene Hervorhebung der neuen Elemente dieser Betrachtungsweise erscheint deshalb unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der bona fides ungerechtfertigt. Vielmehr überrascht die Mißachtung, die vertrauensschutzrechtliche Gedanken bei der Handhabung der Leistungskondiktion kennzeichnet. Es entspricht dem modemen Rechtsgefühl, daß der gute Glaube des Dritten und sein Vertrauen in den direkten Leistungspartner bei der Gesamtabwägung der parteilichen Interessen in Betracht gezogen werden soll. Daher fallt es nicht leicht zu verstehen, warum solche Gedanken einen Unterschied zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion begründen sollten, wenn sie doch beiden Rechtsfiguren als gemeinsames Interpretationskriterium zugrundeliegt. Mit anderen Worten, die Eingrenzung der Anwendbarkeit von Vertrauensschutzerwägungen nur auf Nichtleistungskondiktionen scheint unmotiviert, weil bei dieser Konstruktion m.E. bereicherungsrechtlich weniger relevant ist, wer tatsächlich geleistet hat, wichtiger indessen die Feststellung der Person, die nach der Meinung des gutgläubigen accipiens geleistet hat. Die Ansicht des Bereicherungsschuldners, und nicht die Leistung an sich ist hierbei maßgebend. Der Vorschlag63 einer Ausdehnung der eben genannten Erwägungen auf sämtliche Kondiktionen mittels der Norm über den Umfang des Anspruches, § 818 BGB, würde dem Kondiktionsrecht besser dienen. Der Maßstab, den die Lehre des Empfangerhorizonts für die Auslegung der Dreiecksverhältnisse befürwortet, bildet somit kein Charakteristikum des Bereicherungsrechts. dd) Die Ansätze der Trennungslehre Es wurde oben gesagt, daß die Wurzeln der Trennungslehre in der Befürchtung einer uferlosen Ausdehnung des Kondiktionsanspruchs aus einer Bereicherung in sonstiger Weise zu finden seien. Dabei wurde ferner die praktische Methode kurz geschildert, die der Trennung der verschiedenen Kondiktionen
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LGBonnNJW 1991, 1360, 1361. Schlechtriem, 1995, Rdnr. 690.
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zugrundegelegt wurde, d.h. eine alternative Lesart des § 812 I I BGB, wodurch die Vermischung einer Kondiktion aus einer Leistungsbeziehung und einer Kondiktion aus anderen Rechtsgründen vermieden werden kann. Es wurde jedoch nicht weiter erörtert, weshalb eine solche Spaltung die Haftung des Dritten beeinflußt. Die Denkansätze der Verfechter der Trennungslehre sind im Grunde genommen so einfach wie zweckmäßig. Die Trennung ermöglicht die Widerlegung der Meinung, nach der die Kondiktion durch ihre breiten Anwendungsmöglichkeiten eine Gefahr fur den Rechtsverkehr darstelle. Durch diese Widerlegung wird die Frage verneint, ob die Kondiktion des Entreicherten einen Durchgriff gegen Dritte einräume. Diese Schlußfolgerung wird mit dem Argument verfochten, daß nur die Nichtleistungskondiktion, d.h. eine Rechtsfigur, die im Vergleich zur Leistungskondiktion eher selten vorkommt, zur unrechtmäßigen Inanspruchnahme Dritter fuhren kann. Ansatzpunkt der Trennungslehre mußte folglich die Feststellung sein, daß beide Kondiktionen zwei grundverschiedene Rechtsinstitute bilden, welche unterschiedliche Ziele verfolgen. Davon ausgehend wird die Bedeutung der Trennung fur die jeweiligen Kondiktionsansprüche untersucht. Die Trennung erweist sich - dieser Meinung nach als zweckmäßig fur die bereicherungsrechtlichen Funktionen, die sich die Rechtsordnung durch die Bestimmung dieser Trennung bei der traditionellen condictio je nach Anspruch vorgestellt hat. Zur Bestätigung dieser Ansicht wird auf Parallelen und Verwandtschaften zu Rechtsinstituten anderer Rechtsgebiete verwiesen. So würde eine wichtige Verbindung zum Kondiktionsrecht im Vertragsrecht liegen, in welchem der Rücktritt und die Wandelung offensichtlich starke Ähnlichkeit mit dem Zweck der Leistungskondiktion aufweisen. Aufgrund dieser Ähnlichkeit wird die Existenz einer Rechtsfamilie vermutet, deren Anziehungskraft die Leistungskondiktion unterliegt. Die Wurzeln der Leistungskondiktion werden somit nicht im Kondiktionsrecht selber gesucht. Andere Rechtsgebiete würden hingegen den Schlüssel der Interpretation dieser Kondiktionsart enthalten64 • Derselbe Gedanke gilt auch fur die Nichtleistungs64 Flessner, 116 f. und 146 f.; Jauernig/Schlechtriem, § 8125 C aa.; Larenz/Canaris, 130. Diese Konstruktion betont vornehmlich die zunehmend größere Rolle der Restitutionshaftung. Die Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft lenkt sich allmählich weniger auf die Funktion des Bereicherungsrechts als Billigkeitshaftung. Man sucht sich taugliche Anknüpfungspunkte, wie das Rücktrittsrecht oder die Vindikation, vgl. Reuter/Martinek, 583 f. und. 660 ff. Nach v. Caemmerer, Bereicherung, 342, steht die Leistungsrückforderung wegen Mangels oder Wegfalls der causa "auf derselben Ebene wie sonstige schuldrechtliche Abwicklungsansprüche bei Darlehn, Leihe, Miete, Verwahrung, beim Rücktritt oder bei der Wandelung". v. Caemmerer, aaO., 333, vermerkt weiterhin, daß "der Versuch, Problemen der ungerechtfertigten Bereicherung von anderen verwandten Instituten her beizukommen, in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder erneut gemacht wird". Vom Bedarf einer Harmonisierung der Rückabwicklungsregeln nach dem Rücktritts- und Bereicherungsrecht spricht MünchKomm/Lieb, § 818 Rdnr. 102. Gegen diese verbreitete Ansicht mahnt Flume, AcP 194,444 ff., vor einer einfachen
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
kondiktionen. Da eine Erklärung ihrer Funktion und Grenzen im Bereicherungsrecht nicht zu finden ist, blickt man nun auf "benachbarte" Rechtsgebiete, in denen gewissen Rechtsfiguren eine ähnliche ratio zugrunde liegt. Diese besteht in einer Güterschutzfunktion, die den fraglichen Kondiktionsanspruch kennzeichnen würde. Die entsprechenden Institute werden nun im Sachen- und Deliktsrecht entdeckt. Das passende Modell läßt sich von der Vindikations- oder der Deliktsklage herleiten 65 . Diese Meinung sieht zwischen den getrennten Kondiktionsansprüchen keine funktionale, sondern nur eine systematische Identität. Die Bestrebungen der oben beschriebenen Lehre, die sich um eine adäquate Einordnung von Kondiktionsansprüchen aus Leistung bzw. in sonstiger Weise bemüht, sind angesichts des Gesetzeswortlauts leicht nachvollziehbar. Allerdings scheint die Schwäche dieser Konstruktion m.E. in einer Zerstückelung des Bereicherungsrechtes zu liegen, welche das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung als selbständigen Rechtsbereich in erheblicher Weise gefährden könnte. Ob eine solche Spaltung in einem so wichtigen Gebiet tatsächlich wünschenswert wäre, bleibt dennoch meiner Meinung nach äußerst fraglich. Die h.L. hat sich somit die Eingrenzung des Kreises der Ausgleichspflichtigen zum Ziel gesetzt, um bei Dritten, deren Vertrauen in den jeweiligen Vertragspartner als schutzwürdig empfunden wird, das Risiko der Herausgabe weitmöglichst zu vermindern. Dieses Ziel besteht also dogmatisch vor allem in der Einordnung beider Ansprüche in verschiedenartigen Rechtsgebieten. Systematisch bleibt allerdings noch das Problem des tatsächlichen "Zusammenlebens" von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion unter dem gemeinsamen Dach des Bereicherungsrechts. Diesbezüglich darf man m.E. richtigerweise von einem Problem sprechen, denn der Widerspruch zwischen der behaupteten Natur einerseits und der gesetzlichen Einordnung andererseits trägt sicherlich nicht zu einem klaren Verständnis des Bereicherungsrechtes bei. Vorzuziehen wäre wohl eine theoretische Konstruktion, die diese nach der eben erwähnten Lehre auseinandergehenden Elemente harmonisch ergänzt.
Gleichstellung von Rücktritts- und Bereicherungsrecht: Es sei "nicht zu übersehen, daß die Problematik der Rücktrittsregelung und der Rückabwicklung des nichtigen gegenseitigen Vertrages grundverschieden ist". 65 Vgl. schon v. Caemmerer, Bereicherung, 353; ferner Schlechtriem, 1995, Rdnr. 661. Hinter der Nichtleistungskondiktion stecken Rechtsfortwirkungsgedanken, die auf der Vindika-tionsersatzfunktion solcher Kondiktionen beruhen; statt aller Larenz/Canaris, 170.
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ee) Die Auslegung der Trennungslehre Die h.L. tritt dieser Auslegungsschwierigkeit durch eine neue systematische Auslegung des § 812 I 1 BGB entgegen. In Abweichung von der traditionellen, im allgemeinen Schuldrecht enthaltenen Definition der Leistung 66 entwickelt die Trennungslehre einen neuen, "finalen" Leistungsbegriff'7, anhand dessen die vorgeschlagene Spaltung in zwei Hauptgruppen von Kondiktionen systematisch besser dargestellt werden kann. Eine die Vermögensverschiebung verursachende Zuwendung wird nach diesem Begriff bereicherungsrechtlich relevant, falls sie sich als bewußte, zweckgerichtete Mehrung68 fremden Vermögens beschreiben läßt. Beispiel: Nach dem Tode ihres Ehemannes verlangt die Klägerin von dem Beklagten eine Geldleistung, die auf einem Vertrag zu ihren Gunsten zwischen dem Beklagten und ihrem Ehemann beruhte. Der Beklagte verweigert die Zahlung aufgrund einer Forderung in gleicher Höhe, die er gegenüber dem Ehemann hatte. Der Klage wird stattgegeben: Eine Aufrechnung sei nicht möglich, weil die Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne eine bewußte Vermögensvermehrung sei. Auf den voluntativen Akt der Leistungshandlung komme es somit an, falls Leistungshandlung und -erfolg zeitlich auseinanderfallen. In diesem konkreten Fall geht es um die Ausstellung von Schecks und die Erteilung von Überweisungsaufträgen, die vom gemeinsamen Konto des verstorbenen Ehemannes und des Beklagten als Mitgesellschafter erst nach dem Tode des Ehemannes abgebucht werden. Die Handlung hatte somit mit einem Rechtsgrund stattgefunden, als der Ehemann sie vorgenommen hatte, während die Abbuchungen als Leistungserfolg das gemeinsame Konto in einem späteren Zeit-
66 Die Leistung kann nach dem allgemeinen Schuldrecht auch in einem Verhalten des Schuldners bestehen, das dem Gläubiger und dem Dritten keinen Vorteil bringt. Das Bestehen eines Vorteils bildet hingegen nach der Trennungslehre ein unumgängliches Tatbestandselement der Leistungskondiktion, s. Kupisch, JZ 1997, 220; Wacke, Beiträge, 139. 67 Grundlegend Kötter, AcP 153 (1954), 193 ff.; Esser, 1960, 777; Reuter/Martinek, 80 ff.; Staudinger/Lorenz, § 812 Rdnr. 4 ff.; Koppensteiner/Kramer, 10 ff.; Fikentscher, Rdnr. 1073; Erman/Westermann, § 812 Rdnr. 11; Larenz/Canaris, 132 f.; Schlechtriem, 1995, Rdnr. 639; Medicus, 1997, Rdnr 634.; vorsichtiger Schnauder, AcP 187, 142 f( König, 1981, 1578, merkt zum Leistungsbegriff an, "daß es sich hier nicht um eine Zauberformel handelt, aus der sich alle Probleme bereicherungsrechtlicher Drittbeziehungen deduktiv lösen lassen". In der Rechtsprechung BGHZ 40, 272, 277; 94, 160, 165; 111, 382,386; RGRKlHeimann-Trosien, § 812 Rdnr. 15. A.A. Kupisch, 1978, 14 ff. und 57; MünchKomm/Lieb, § 812, Rdnr. 27 a. 68 S. die Unterschiede zwischen der Leistung als freiwilliger, zweckgerichteter Vermehrung und der Aufwendung als bloßem, freiwilligem Vermögensopfer in Beuthien, JuS 1987,847: "was man schuldet, kann man nicht aufwenden".
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
punkt belastet haben. Die Abbuchungen bilden daher keine kondizierbare Vermögensvermehrung 69 . Der Angelpunkt der "chirurgischen Operation" der h.L. liegt in der Verbindung des Ausdrucks "in sonstiger Weise" mit dem darauffolgenden Merkmal "auf dessen Kosten"; letzterer wird somit kein allgemeines Merkmal der Kondiktion, er würde lediglich die Nichtleistungskondiktionen betreffen7o . Für die Trennungslehre, die ja auf einem besonders für das Bereicherungsrecht ausgeprägten Leistungsbegriff beruht, ist die Abtrennung des Merkmales "auf dessen Kosten" folgerichtig, da dieses Merkmal für die Identifizierung der Leistungskondiktion überflüssig ist. Setzt die Leistungskondiktion dieser Auffassung nach stets und nur ein Leistungsverhältnis zwischen den Bereicherungsparteien voraus, dann findet die Bereicherung ohne weiteres unmittelbar auf Kosten des Entreicherten statt. Daher wird in dieser Trennungslehre bestimmt, "wer "im Rechtssinne" als Leistender und als Leistungsempfänger anzusehen ist, wobei es nicht darauf ankommt, wer an wen in tatsächlicher Hinsicht "geleistet" hat"71. Angesichts der bereits feststehenden Leistung schließt diese Ansicht folgerichtig aus, daß das Tatbestandsmerkmal "auf dessen Kosten" des § 812 I BGB durch ein maßgebendes Wort zur Qualifikation der allgemeinen Merkmale der Kondiktion beitragen könnte. Daraus ergibt sich, daß sich die Parteien einer Leistungskondiktion aus der Leistung ermitteln lassen; keine weitere Kontrolle über das Bestehen eines Bereicherungsverhältnisses ist daher notwendig, weil die Parteien schon folgerichtig bestimmt sind, sobald die Überprüfung des Kondik-tionstatbestandes ein auf einer Leistung beruhendes Rechtsverhältnis bejaht. Die Parteien einer Nichtleistungskondiktion lassen sich hingegen nicht a priori feststellen, sie müssen je nach Fallkonstellation aus den tatsächlichen Umständen der zu einer Bereicherung führenden ungerechtfertigten Vermögensverschiebung herausgefunden werden. Folglich kommt hier dem besagten Merkmal große Bedeutung zu, weil dadurch der Kreis der passiv Legitimierten vornehmlich anhand von Kriterien eingegrenzt werden kann, deren Feststellung vor allem durch die Aufstellung einer Kasuistik möglich wird. ff) Kritik an dem finalen Leistungsbegriff
Die komplexe Zusammenstellung der Tatbestandselemente und der hochkomplizierte Mechanismus, zu denen die h.L. in ihrem Bestreben, den Ge-
OLG DüsseldorfNJW 1996, 1545. ReuteriMartinek, 111 ff.; Larenz/Canaris, 134, vorsichtiger MünchKomm/Lieb, § 812, Rdnr. 9 ff. 71 So StaudingeriLorenz, § 812, Rdnr. 4. Kritisch Kupisch, 1980, 509 f. 69
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setzestext an die gewollte Funktion der Kondiktion anzupassen, gezwungen wird, geben Anlaß zu umfangreicher Kritik. Diese stammt teilweise von jenen Anhängern der Trennungslehre, die selbst Bedenken über die methodische Notwendigkeit eines finalen Leistungsbegriffes äußern 72. Dem wird entgegengehalten, daß die Analyse des Tatbestandes nicht ohne weiteres zur Formulierung eines alternativen Leistungsbegriffs zwinge. Auch ohne diese theoretische Konstruktion könnten die Denkansätze der h.M. ein konkretes Modell für die Praxis bieten. Die Untersuchung der sog. Bereicherungsketten, d.h. die Verfolgung der Bewegungen der zu kondizierenden Sache im Rechtsverkehr, ergäbe drei grundlegende Wertungskriterien73 für die Entscheidung über die Kondizierbarkeit der Sache bei einem Rechtssubjekt, das mit dem Anspruchsträger durch keine Leistungsbeziehung verbunden ist: a) Jede Partei müsse die Einwendungen gegen ihren jeweiligen Partner behalten können; b) die Parteien müßten vor den Einwendungen ex jure tertii geschützt werden; c) das Risiko der Insolvenz des Vertragspartners müsse innerhalb des jeweiligen Kausalverhältnisses bleiben. Im Laufe der Jahre sind diese Kriterien anerkanntermaßen 74 wesentlicher Teil der Zulässigkeitsbewertung eines Kondiktionsanspruches geworden, der auf keinem Leistungsverhältnis beruht. Beispiel: Ein Kaskoversicherer leistet direkt an den Leasinggeber, dem die Rechte aus dem Versicherungsvertrag abgetreten worden sind, in Unkenntnis der Tatsache, daß der von dem Versicherungsnehmer gemeldete Autodiebstahl nur fingiert worden war. Als sich der Betrug herausstellt, kondiziert die Versicherungsfirma die vorgenommene Leistung unmittelbar bei dem Leasinggeber. Die Klage wird mit der Begründung abgewiesen, daß der Versicherungsnehmer, und nicht der Leasinggeber Bereicherungsschuldner ist: Die Klägerin habe die Leistung im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Versicherungsnehmers ausbezahlt. Dies rechtfertige es, ihr auch das Risiko der Insolvenz ihres Versicherungsnehmers aufzubürden. 75
72 Canaris, FS. Larenz, 857: "Das beruht vor allem darauf, daß sie (die h.L.) Begriff und Wertung nicht zur Deckung bringt, sondern unvermittelt nebeneinander stellt". Gegenüber dieser Position merkt jüngst Kupisch, JZ 1997,213, an, "daß die moderne Lehre samt ihrem Leistungsbegriff konzeptionell in der Logik einer anscheinend unausweichlichen, rein juristischen Anschauung der Anweisungslage befangen ist: in der Logik des Rechtspositivismus" . 73 Grundlegend Canaris, aaO (vorige Fn.); vgl. zuletzt Larenz/Canaris, 247. 74 BGHZ 122,46,51; 105,365,370; BGH NJW 1995,3315,3316; BGH NJW 1993, 1578, 1579; etwas allgemein OLG Celle WM 1987,777,779; zustimmend Schlechtriem, 1995, Rdnr. 691; und Medicus, 1997, Rdnr. 725; kritisch 1. Wolf, 78 ff.; eher zurückhaltend Kupisch, 1977, 42 ff. 75 BGHZ 122,46,51.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
gg) Die neuere Einheitslehre Diejenigen, die die Grundsätze der Trennungslehre in toto ablehnen, äußern sich weit kritischer. Diese Verfechter der alten Einheitslehre sind sich meist der römischen Herkunft der condictio bewußt und versuchen auf unterschiedliche Weise, die ursprüngliche Formel eines einzigen Kondiktionsanspruchs erneut zu verwenden. Dies erweist sich - im Lichte des geltenden Rechts - als äußerst schwieriges Unterfangen. Es handelt sich nämlich darum, auf die Trennung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion vollständig zu verzichten, ohne gleichzeitig die Tragweite der bereicherungsrechtlichen Vorschriften auszudehnen. Den zahlreichen Versuchen, beide Hindernisse zu umgehen, ist vor allem das Verdienst zuzurechnen, auf diese Weise eine systematisch und funktional harmonische(re) Interpretation des Bereicherungsrechtes dargeboten zu haben. Des weiteren wird dadurch gegenüber der h.L. nicht nur die systematische, sondern auch die dogmatische Einheit des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung unterstrichen. Die Einheitslehre hat sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen (noch) nicht behaupten können. Die vielleicht wichtigste Schranke liegt darin, daß die Meinungen ihrer Befürworter erheblich voneinander abweichen. Der einzige gemeinsame Punkt besteht in der Ablehnung der Trennungslehre, weshalb es auch der Einheitslehre nicht gelingt, sich als ein koordiniertes Gefüge von Auffassungen zu präsentieren. Sie bleibt folglich den unterschiedlichen Meinungen der einzelnen Autoren überlassen, ohne daß sich dadurch eine tatsächlich gemeinsame Lehre entwickeln könnte. Die vielfältigen Ursachen der Bereicherungshaftung, insbesondere die Unterschiede zwischen der Kondiktion aus zweckgerichteter Zuwendung und der Kondiktion aus Eingriff in ein fremdes Vermögen, bilden nach einer ersten Meinung76 nicht die Quintessenz des Bereicherungsrechts. Statt dessen sei es wichtiger, die zentrale Rolle des Merkmals "auf dessen Kosten" wiederzugewinnen 77 . Kern dieser Konstruktion, die sich auf die Lehre v. Savignys zurückführen läßt, ist der Begriff der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung: "Die Sache des Gläubigers gehört in sein Vermögen, wenn nicht ein Rechtsgeschäft oder eine Norm des objektiven Rechts die Herrschaft des Schuldners über die Sache rechtfertigt, die Sache nunmehr dem Vermögen des Schuldners zuweist"78.
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Wilhelm, 19l. Wilhelm, 109. Wilhelm, 81 f.; kritisch Kupisch, 1977,45 ff; und J. Wolf, 113 ff.
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Aus der Analyse von Anweisungsfällen schließt eine weitere Auffassung 79 die Zweckmäßigkeit einer analogen Anwendung der Gesetzgebung, infolge derer eine Korrektur der lex scripta durch richterliche Anpassung, gemäß dem Vorschlag der Trennungslehre, überflüssig wird. Dieser Ansicht nach würde die korrigierende Auslegung der Trennungstheorie mit sich bringen, daß die Kodifikation einen äußerst wichtigen Anwendungsbereich der Kondiktion überhaupt nicht berücksichtigt hätte. Eine so breite gesetzliche Lücke über ein derartig wichtiges Thema wäre jedoch gar nicht vorstellbarSO; deshalb sei die von der Trennungslehre vorgeschlagene Konstruktion erneut zu erwägen. Die Identität der Begriffe "Leistung" und "Zuwendung" vorausgesetzt, bezeichnet man die erste als "die auf einem dare (datio) oder facere beruhende Vermögensverschiebung vom Leistenden zum Leistungsempfänger"81. Eine solche Ansicht ist mit den Ansätzen der Trennungslehre offensichtlich unvereinbar. Bei Dreiecksbeziehungen, welche auf einer Anweisung beruhen, bleibt die "formelle" Leistung zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen, bzw. dem Anweisenden und dem Dritten, irrelevant. Vielmehr löst die Leistung zwischen Angewiesenem und Drittem einen Bereicherungsanspruch aus 82 . Der angeführten Definition zufolge beinhaltet nur letzteres Verhältnis die einzige echte Leistung, die zu einer datio führt. Diese bewirkt, je nachdem, ob man sie von einem schuldrechtlichen oder von einem sachenrechtlichen Standpunkt aus betrachtet, ihrerseits unterschiedliche Folgen: Sachenrechtlich wirkt die Leistung des Angewiesenen unmittelbar gegenüber dem Dritten, während schuldrechtlich - und deshalb auch bereicherungsrechtlich - folgende jictio juris gilt: "als habe A an B und B an C gezahlt"83. Ist das Deckungsverhältnis nie zustandegekommen, erscheint dem AutorS4 eine fiktive Veräußerungskette völlig überflüssig. hh) Kondiktionssperren Der weitgehende Einfluß der römischen Tradition ist aus der Kondiktionssperre des § 814 S. I BGB ersichtlich, die der Gesetzgeber für den Fall vorgeschrieben hat, daß der solvens indebiti von dem Mangel an jedweder Verpflichtung bei der Vornahme der Leistung wußte. Es geht hier um den "alten" Irrtum, über dessen Funktion als wesentliches Tatbestandsmerkmal schon bei
Kupisch, FS. v. Lübtow, 1980,515. Kupisch, 1977,29. 81 Kupisch, FS. v. Lübtow, 1980,501. 82 Kupisch, 1977, 19. 83 Kupisch, 1977,20; ders. FS. v. Lübtow, 1980,516. Kupisch selber, 1Z 1997,215, bezeichnet jüngst seine Konstruktion als "Als ob - Betrachtung". 84 Kupisch, 1977, 28. 79
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
den Römern 85 heftig debattiert wurde. Die Hauptfunktion des error besteht in der Feststellung des Anwendungsraumes der Leistungskondiktion gegenüber dem Tatbestand der Leistung durch Dritte aus § 267 BGB86, dessen Grenze zum Bereicherungsrecht bisweilen äußerst unsicher verlaufen kann. Die daraus entstehenden Probleme werden herkömmlicherweise durch die Hinzufiigung des Irrtums zu den Merkmalen des Kondiktionsanspruchs gelöst, von dessen Vorhandensein die Anwendung des einen oder des anderen Tatbestandes abhängig gemacht wird. Die Kodifikation zieht die Grenzlinie bei der positiven Kenntnis zum Zeitpunkt der Erbringung der Leistung87 . Die übliche Begründung 88 der Sperre verlangt eine folgerichtige Verhaltensweise vom wissenden solvens, der leistet, obwohl er weiß, daß er zur Vornahme der Leistung nicht verpflichtet ist. Die entsprechende Vorschrift beinhaltet somit eine konkrete Anwendung des allgemeinen Verbotes des venire contra factum proprium. Von der Rückforderung werden auch die Fälle ausgeschlossen, die gern. § 814 S. 2 BGB einen Fall der Naturalobligation bilden 89 . Auch diese Sperre knüpft an ein bekanntes Institut der römischen Rechtsordnung, d.h. die soluti retentio 9o . Diese stellt zu einigen Zwecken, wie z.B. gerade bei der Kondiktion, moralische und juristische Pflichten gleich. b) Die italienische Auslegung aa) Allgemeines Die innovative Kraft der gesetzgeberischen Betrachtungsweise fällt bereits bei einer schnellen Lektüre der Normen auf. Der Codice civile 1942 macht den Kondiktionsanspruch von der subjektiven bzw. objektiven Natur der Zahlung abhängig. Dies verursacht einige Schwierigkeiten in der Lehre, weil die traditionell einheitliche condictio indebiti in zwei unabhängigen Vorschriften geregelt wurde. Nach anfänglicher Unsicherheit91 hat sich in der neueren Doktrin 92
85 S. supra zweiter Teil, B. III. 86 So die h.M., Siber, 427; Esser, 1960, 791; ReuterlMartinek, 183. Kritisch bezüglich
der heutigen Rolle der Vorschrift König, 1985, 114 und 151. 87 BGHZ 113, 62, 70; RGRKlHeimann-Trosien, § 814 Rdnr. 2 f.; Schlechtriem, JZ 1993,131 f. 88 StaudingeriLorenz, § 814, Rdnr. 2; KoppensteineriKramer, 54; LarenzlCanaris, 160; Mayer Maly, FS. Lange, 298; BGHZ 73, 202. 89 Schlechtriem, 1995, Rdnr. 648. 90 Heck, 425. 91 Statt aller Rescigno, 1968, 1227. 92 Grundlegend Moscati, Riv. dir. civ., 1974, 72, Fn. I; zuletzt Di Majo, Tutela, 312; und Bianca, 803 f.
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die Auffassung durchgesetzt, nach der die Artt. 2033 und 2036 c.c. keine Abspaltung der herkömmlichen Kondiktion mit sich bringen. Die betroffenen Bestimmungen weisen zwar eine neue Gliederung der Ansprüche auf, diese bildet jedoch eine normale Folge der geschichtlichen Entwicklung und gefährdet die Einheit der Figur nicht. Rechtsgeschichtliche und systematische Argumente unterstützen eine solche Aussage. Zum einen wurde die Vielfalt der bis zum gemeinen Recht voneinander getrennt dargestellten Kondiktionsarten schon vom französischen Code civil und danach vom italienischen Codice civile 1865 durch eine "Typisierung", d.h. die endgültige Feststellung der anwendbaren Kondiktionstatbestände im Gesetzbuch, erheblich reduziert. Diese "typisierende" Gliederung wurde dann in der geltenden Kodifikation bestätigt und fortgeführt 93 . Zum aktuellen Standpunkt der Entwicklung erweist sich die condictio indebiti als ein von einer einheitlichen Struktur gekennzeichnetes Rechtsinstitut, dessen Rechtsgrundlage in der objektiven Tatsache des Mangels an einer iusta causa der Vermögensverschiebung liegt94 . Zum anderen wird die Einheitlichkeit der Figur durch systematische Auslegung betont, da die gesamte Restitutionshaftung auf den Vorschriften der Artt. 2033 ff. c.c. beruht. Diese Bestimmungen umfassen deshalb nicht nur die Fallkonstellation der ursprünglichen Nichtschuld, sondern gelten auch für sämtliche Fälle vertraglicher Restitution, d.h. sie helfen sodann bei der Rückabwicklung gescheiterter Verträge 95 . Nach der h.L.96 lebt die Struktur der condictio als actio in personam, also nicht sachverfolgend, sondern personengebunden, auch im geltenden Recht unverändert fort. Diese Meinung findet jedoch keine direkte Bestätigung im Gesetz und ist daher sehr umstritten. Tatsache ist, daß man der littera legis nicht eindeutig entnehmen kann, ob die Anwendbarkeit der Normen der Artt. 2033 ff. c.c. unbedingt die Übertragung des Eigentums voraussetzt. Ist das Eigentum aufgrund der Nichtigkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes 97 nicht übergegangen, sollte der tradens als (noch) Eigentümer das suum vindizieren, nicht kondizieren. Diese einfache, aber unbestreitbare Feststellung brächte schwere Folgen für das Kondiktionsrecht mit sich, wenn sie von der Rechtswissenschaft im Einklang mit der Gesetzgebung angewendet würde: Die Zahlung einer Moscati, Riv. dir. civ., 1975, 319 ff. Moscati, op. ult. eit. (vorige Fn.), 327. 95 Umstritten, so Di Majo, Riv. crit. dir. priv., 1994, 304 f.; unklar Levi, 9 ff. Für die Beziehung zwischen vertraglicher Haftung und Kondiktion siehe infra in diesem Abschnitt. 96 Reseigno, 1968, 1224; Cendon, Art. 2033, 10; Cass., 04. 05. 1978 n. 2087, Rep. Giur. it., 1978, Indebito, 5. 97 Die italienische Rechtsordnung hält allein das Bestehen eines Rechtsgeschäfts - in der Form eines Vertrages mit dinglicher Wirkung gern. Art. 1376 c.c. - zur Eigentumsübertragung für ausreichend. 93
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Nichtschuld würde dementsprechend lediglich zu einem Randinstitut, das nur in einigen Fällen zum Tragen käme, wie z.B. bei der Barzahlung. Dadurch würde dennoch das breite Anwendungspotential der betreffenden Rechtsfigur weitgehend ungenutzt bleiben, so daß die Funktion der condictio indebiti mit Hilfe anderer Rechtsinstitute durch vom Gesetz nicht vorgesehene, schwer zu begründende Notlösungen gedeckt werden müßte. Diese enge Auslegung des Kondiktionsanspruches ist jedoch nicht zwingend, wie ein Blick auf den Titel VII des vierten Buches bestätigt. Der Gesetzgeber läßt nämlich die Frage der Notwendigkeit einer wirksamen Übertragung für die Anwendung der Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld offen, da in Art. 2033 c.c. von einer Eigentumskondiktion keine Rede ist, so daß der Tatbestand sehr wohl auch sog. Besitzkondiktionen erfassen kann 98 . Ferner wird Art. 2037 c.c. der Herausgabe einer bestimmten Sache gewidmet und auch dort wird nicht genau angegeben, ob damit nur das Eigentum oder auch der Besitz der Sache gemeint wird. Dadurch wird der Ball der Auslegung zurückgeworfen, da die Tragweite des Anspruches zu einer reinen Interpretationsfrage wird. Die ludikatur99 rührt ihrerseits kein Zweifel, ob das Fehlen der Kausa aus irgendeinem Grund - Nichtigkeit gern. Artt. 1418 ff. c.c., Rückgängigmachung gern. Artt. 1447 ff. c.c., Aufhebung gern. Art. 1453 c.c., nachträgliche Unmöglichkeit gern. Artt. 1463 ff c.c. usw. alternative Tatbestände auflösen könnte, die sich der Zahlung einer Nichtschuld entgegenstellen. Dieser Ansicht wird von einer Mindermeinung lOO im wesentlichen vorgeworfen, sie berücksichtige die Schwierigkeiten der Koordinierung von Kondiktions- und Vertragsrecht überhaupt nicht. Daß ein solcher Koordinationsmangel tatsächlich besteht, will und kann die herrschende Auffassung lOl nicht leugnen: Die vertragliche Nichtigkeitsklage gern. Artt. 1418 ff. c.c. bezieht sich z.B. auch auf Rechtspositionen Dritter, die hingegen kondiktionsrechtlich nicht angegriffen werden können. Diese Kritik wird dennoch für nicht ausschlaggebend gehalten. Dagegen spricht zunächst die Auslegung anderer Bestimmungen, vornehmlich des Art. 1422 C.C., der die Kondiktion ausdrücklich in Verbindung mit der Nichtigkeitsklage bringt. Die herkömmliche, römische Konstruktion ist - im Einklang mit der h.L. - vorzuziehen. Die Kondiktion soll ihrer Natur und dem Wortlaut des Gesetzes nach lediglich die Beziehung zwischen dem bereicherten accipiens und dem leistenden solvens betreffen, und darf deshalb nicht auf sämtliche Dritte ausgedehnt werden. Diese bleiben au-
Moscati, Riv. dir. comm., 1983,212, Fn. 98, mit weiteren Hinweisen. Unbestritten, zuletzt Cass., 27.12.1994 n. 11177, Mass. Foro it., 1994; Cass., 13. 04. 1995 n. 4268, Mass. Giur. it., 1995. 100 Vor allem Barcellona, Riv. trim. dir. proc. civ., 1965, passim, insb. 30 ff.; s. auch Argiroffi, Riv. dir. civ., 1976,608 ff. 101 Statt aller Bianca, 796 f. 98
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ßerhalb des Zahlungsgeschäfts l02 , selbst wenn sie Vorteile aus der Vermögensverschiebung gezogen haben. Würde man statt dessen eine andere Auslegung heranziehen, wären nur zwei Möglichkeiten denkbar. Entweder - und bestenfalls - käme man nur selten zur Anwendung dieser Vorschriften, oder man hätte eine Rechtsfigur wie die Bereicherung in sonstiger Weise gern. § 812 I BGB mit allen damit verbundenen, der deutschen Lehre wohl bekannten Schwierigkeiten. Hinsichtlich der kausalen Übereignung l03 bringt die condictio indebiti im wesentlichen wenig Nutzen. Mit dieser einfachen Überlegung hat ein deutscher lurist lO4 eine echte Streitfrage des italienischen Rechtssystemes ans Licht gebracht und zugleich einen Grund für das spürbare Unbehagen der italienischen Doktrin enthüllt. In einer vom sog. Willensdogma, d.h. von einer auf den Willen der Parteien allein zurückzuführenden Eigentumsübertragung, beherrschten Rechtsordnung entzieht die Vindikationsklage der Kondiktion den Anwendungsraumios. Vor allem wird hier gefragt, ob bei der Zahlung einer Nichtschuld die Übertragung des Eigentums an der geleisteten Sache notwendig sei l06 , oder ob es für ihre Anwendbarkeit genüge, daß der accipiens lediglich den Besitz bekommen habe l07 . Mit anderen Worten, es geht um die Frage der Wirkung der bloßen Zuwendung (datio), die von keinem voluntativen Akt begleitet wird, in einem System wie dem italienischen, in welchem die Eigentumsübertragung aufgrund des solus consensus - also des Willens allein - erfolgt. Art. 1376 c.c. betrifft den Vertrag mit dinglicher Wirkung, d.h. den Mittelpunkt des Konsensualsystemes. Nach der erwähnten Vorschrift geht das Eigentum aufgrund des bloßen Konsenses der Parteien bezüglich der Rechtsänderung über. Da die Rechtsgeschichte zeigt, daß die Kondiktion an die Stelle der Vindikation tritt, um das verlorene Eigentum dem Entreicherten wiederzuverschaffen, könnte man schließen, daß die Kondiktion nicht in Betracht kommt, wenn das Eigentum mangels des nötigen, wirksamen Konsenses nicht übergegangen ist. Eine solche Auffassung würde folgerichtig die Bedeutung des Kondiktionsrechts als Rechtsbehelf für die Herausgabe des Besitzes in Frage stellen, so daß der Zahlung einer Nichtschuld lediglich eine kleine Anwendungsnische
102 Auf italienisch negozio di pagamento. Es sei allerdings beachtet, daß damit auch die "Zahlung einer Sache", also die Vornahme einer Leistung auf dare gemeint wird! 103 Über die Struktur des Eigentumserwerbes nach italienischem Recht s. infra, vierter Teil, A. III. 2. cl. 104 Kupisch, Atti Pisa, 1991,440. 105 Näheres infra in diesem Teil und vor allem im vierten Teil, A. III. 2. cl. 106 Für diese Lösung Betti, 1954, 115. 107 Barcellona, Riv. trim. dir. proc. civ., 1965,passim. 7 Giglio
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
bleiben würde. Die wiedergegebene Ansicht l08 , nach der die Unwirksamkeit der Einwilligung die Eigentumsübertragung und somit die Anwendbarkeit der Kondiktion verhindert, ist in der Literatur vertreten worden, ohne sich durchzusetzen. Sie stieß zunächst auf die implizite Ablehnung der Judikatur durch einen völligen Mangel an Beachtung. Dann fand sie auch keine Zustimmung in der Lehre, die ihr eine andere Interpretation des Gesetzestextes entgegensetzte, in der Feststellung l09 , daß sich die gestellten Fragen unabhängig vom Kondiktionsrecht lösen lassen, weil die Rechtsordnung von allein sowohl den Problemen der Übertragung der Gefahr als auch den Beziehungen gegenüber Dritten eine Antwort gibt. Hinsichtlich der Gefahrtragung kann man den Grundsatz casum sentit dominus oder die Prinzipien der nachträglichen Unmöglichkeit anwenden. Die Dritten werden ohnehin Erwerber a domino bzw. a non domino, je nachdem, ob man sie als Eigentümer bzw. Besitzer betrachtet. Das Verhältnis zwischen der Vindikation und der Kondiktion benötigt eine nicht nur auf das italienische Recht begrenzte Vertiefung im Lichte der Struktur der jeweiligen, nationalen Eigentumserwerbsmechanismen. Diese Rechtsfrage kann an dieser Stelle also nur angesprochen werden. Da sie jedoch eine erhebliche Rolle in der vorgeschlagenen Konstruktion des europäischen Kondiktionsrechtes spielt, wird sie im vierten Teil ilo ausführlich behandelt. Die kondiktionsrechtliche Neuerung der Kodifikation hat die Lehre zu einer ausführlichen Überprüfung der Struktur des Tatbestandes veranlaßt. Eine erste, etwas ältere Auffassung 11 I , die vor allem unter dem alten Codice civile 1865 h.M. war, stellte bei der Zahlung einer Nichtschuld drei unentbehrliche Komponenten fest: die Zahlung, die Nichtschuld und den Irrtum des solvens. Unter der neuen Kodifikation ist allerdings die Qualifikation des Irrtums als notwendiges Merkmal bald bestritten und dann abgelehnt worden 112. Dagegen spricht zuerst der Wortlaut des Gesetzes, der den Irrtum nur bei der subjektiven Nichtschuld 113 erwähnt, d.h. nur hinsichtlich eines bestimmten und begrenzten Tatbestandes. Ferner benötigt das Rechtsinstitut als solches - und somit abgesehen von geregelten Ausnahmen wie Art. 2036 c.c. - dieses Merkmal nicht, da für 108
Diese These findet man in der Lehre immer wieder, zuletzt ArgirojJi, Riv. dir. civ.,
1976, passim, insb. 610. 109 Trimarchi, 124 ff.; zust. Bianca, 795 f.
A. III. 2. S. einen Überblick in Rescigno, 1968, 1227; und Breccia, 1984, 766. 112 Rescigno, aaO. (vorige Fn.); Breccia, 1984, 767 ff.; Cendon, Art. 2033, 12; fiir die ältere Ansicht aber noch Barbero, 802. Die Rechtsprechung beschäftigt sich kaum mit dem Problem, sie betont nur die "Neutralität" der Verschiebung, wie die hier aufgefiihrten Entscheidungen beweisen werden. 113 Mehr dazu infra in diesem Abschnitt unter cc). 110 111
B. Herausgabeanspruche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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die Gewährung des Rückforderungsanspruches das Bestehen einer bloßen Zuwendung maßgebend ist l14 . Beispiel: Der Kondiktionskläger bezahlt wissentlich die Schuld eines Dritten, um die Eröffnung eines Konkursverfahrens zu vermeiden, das seinen eigenen wirtschaftlichen Ruf beschädigen würde, weil der Beklagte ihn irrtümlich mit dem echten Schuldner verwechselt. Seiner Kondiktionsklage wird trotz des Wissens der Fremdartigkeit der von ihm erbrachten Leistung stattgegeben l15 • Im folgenden werden nun die bei den verbleibenden Tatbestandsmerkmale kurz erläutert. (1) Zahlung
Nach allgemeiner, heutiger Ansicht 116 bildet die (nichtgeschuldete) Zahlung des Leistenden das erste Tatbestandsmerkmal der condictio indebiti. Die Definition der Zahlung entspricht einem terminus technicus, der nicht ausschließlich Geldleistungen umfaßt. Der Gesetzeswortlaut deutet diesbezüglich auf ein viel breiteres Anwendungsfeld hin, indem er daran eine datio, d.h. eine Zuwendung bestimmter ll7 oder unbestimmter Sachen 118 (Stück- bzw. Gattungsschuld), knüpft. Beispiel: Der Kläger hat ein Grundstück aufgrund eines nichtigen Vertrages verkauft. Ihm wird eine Kondiktionsklage aus Art. 2033 c.c. rur die Rückforderung des Geleisteten zugesprochen, obwohl er stricto sensu nichts bezahlt hat l19 •
114 Für die (alte) Auffassung, welche die nicht irrtümliche Zahlung der Nichtschuld mit der Schenkung verbindet und deshalb die Kondiktion verweigert, s. Gallo, 1990, 165 ff. und 203 ff. Dazu zutr. die Kritik von Breccia, 1989, I f., der sich rur eine jeweilige Einschätzung des Einzelfalles ausspricht, weil die Rolle des Irrtums eher eine quaestio facti darstelle. 115 Cass., 15. 11. 1994 n. 9624, Mass. Giur. it., 1994. Ein ähnlicher Fall wird infra, vierter Teil, B. III. 5. ausruhrlicher besprochen. 116 Heute ist die Zahlung als Tatbestandsmerkmal unbestritten, Rescigno, 1968, 1226; Caferra, Riv. dir. civ., 1979, 311; Moscati, Pagamento, 155 ff.; Breccia, 1989, 2 f.; Bianca, 794; Cass., 02.04. 1982 n. 2029, Dir. giur., 1985,802, mit Anm. Selvaggi. 117 S. z.B. Art. 2037 c.c. über die Rückgabe einer bestimmten Sache. 118 In diesem Sinne ist somit auch die datio einer unbestimmten Menge beim Gattungskauf eine Zahlung, Bigliazzi Geri/BrecciaiBusnelli/Natoli, 818. 119 Nach Cass., 24. 03. 1993 n. 3492, Rep. Giur. it., 1993, Indebito, 4.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Um bereicherungsrechtliches Gewicht zu gewinnen, braucht die Zahlung keine besondere Qualifikation: Es reicht die Tatsache einer Vermögensverschiebung. Deshalb wird nicht nach einer bestimmten Absicht des solvens hinsichtlich der Kondizierbarkeit gefragt, eine bloße Zuwendung ohne Leistungswillen oder Zweckbestimmung entspricht schon dem nötigen Erfordernis 120. Die Breite der angewendeten Definition wird ferner dadurch betont, daß in den Leistungsbegriff auch stricto sensu fremde Elemente, wie die Ersparnisse von Aufwendungen 121 , eingebracht werden. Einige Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob unter "Zahlung" auch Leistungen auf ein facere 122 zu verstehen seien. Bei der Suche nach einer passenden Antwort kommt die littera legis nur in begrenztem Maße zu Hilfe, weil das Gesetz bezüglich dieses Tatbestandsmerkmales sowohl den Ausdruck von "Zahlung", Artt. 2033 und 2036 C.C., als auch den der "Leistung", Artt. 2034 und 2035 C.C., verwendet. Da unter letzteren auch die Leistungen auf facere fallen, wäre es bei der Handhabung des bereicherungsrechtichen Instrumentariums durchaus möglich sodann über die Grenzen einer bloßen datio hinaus - und somit der Leistungen nur gegenständlicher Art - zu gelangen. Die Literatur schwankt zwischen sehr unterschiedlichen Meinungen. Eine der Tradition verpflichtete Auslegung 123 wollte feststellen, daß die Leistung auf facere von den Vorschriften des 7. Titels nicht um faßt wird, vor allem wenn man sich strikt an den Wortlaut des den Titel begleitenden Begriffes "Zahlung einer Nichtschuld" halte. Die Rückgängigmachung einer solchen Leistung könne viel besser durch den Tatbestand der allgemeinen Bereicherungsklage gern. Art. 2041 c.c. verwirklicht werden. Die weitgehend h.M.124 kommt indessen durch Auslegung zu 120 Breccia, 1989,3; Bianca, 794; Cass., 02. 04. 1982 n. 2029, Dir. giur., 1985, 802, mit Anm. Selvaggi; wie eben dargestellt, löst auch eine Zahlung ohne animus solvendi, d.h. trotz des positiven Wissens, kein Schuldner zu sein, den Tatbestand des Art. 2033 S. 1 aus, Cass., 12. 03. 1984 n. 1690, Foro it., 1984, I, I, 2530. 121 Statt aller Rescigno, 1968, 1236. 122 Damit sind die Leistungen ungegenständlicher, d.h. persönlicher Art gemeint, wie vor allem Dienst- und Werkleistungen. Sie unterscheiden sich von den Leistungen auf ein dare, in deren Mittelpunkt eine Zuwendung gegenständlicher Art steht. Diese Bedeutung ist auch der deutschen Rechtswissenschaft nicht unbekannt, s. StaudingeriLorenz, § 818 Rdnr. 21, der sich ausdrücklich auf "Leistungen auf ein facere" bezieht. 123 So Rescigno, 1968, 1226; zust. mit Einschränkungen Breccia, 1989, 2 f.; Cass., 20. 12.1990 n. 12079, Giur. it., 1991, I, I, 1204. 124 Galgano, 361; Salvi, 16 ff.; Di Majo, Tutela, 299 f.; Bigliazzi GerilBreccialBusnellilNatoli, 818; dazu kommt auch der "Druck" der ArbeitsrechtIer, die diesen Tatbestand gerne auf einige Fälle nichtiger oder faktischer Arbeitsverträge anwenden würden, s. Caferra, Riv. dir. civ., 1979, 309 ff. Die Rechtsprechung billigt überwiegend diese Ansicht, Cass., SS.UU., 03. 04. 1989 n. 1613, FOTO it., 1989, I, 1420, mit Anm. Pardole-
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einer Gleichstellung der Begriffe "Leistung" und "Zahlung", welche eine Entfaltung der Wirkung der Rechtsfigur auf sämtliche Leistungen ermöglicht. In der Tat haben die angedeuteten Schwierigkeiten geringere Auswirkungen auf die Praxis, weil bei nichtigen Arbeitsleistungen, d.h. bei der wichtigsten Fallkonstellation, in der eine solche Problematik eine Rolle spielt, der Gesetzgeber nach dem Schutz der bereits geleisteten Arbeit strebt: Bei nichtigen oder anfechtbaren Arbeitsverträgen gilt die Nichtigkeit gern. Art. 2126 c.c. nicht für die Zeit, während der das Arbeitsverhältnis zur Ausführung gelangt ist. Die arbeitsrechtliche Doktrin l25 betont zu Recht, daß eine Leistung auf facere sich gemäß dem Prinzip factum infectum fieri nequit nie rückgängig machen läßt, und räumt statt der Herausgabe nur einen Ersatz des Gegenwertes ein. Jüngst l26 ist aufgrund dieses Ersatzes behauptet worden, im Endeffekt führten beide Auslegungen, die restriktive und die extensive, zu den gleichen Ergebnissen, da, was man bewerte, stets eine dem Wert des Dienstes entsprechende Entschädigung sei. (2) Nichtschuld
Auch das zweite, unbestrittene Merkmal des in den Arn. 2033 und 2036 c.c. enthaltenen Tatbestandes, die Nichtschuld, hat eine Debatte im Schrifttum verursacht, der dennoch die Rechtsprechung kaum Beachtung geschenkt hat. Es handelt sich um die Tragweite des Begriffes der "Nichtschuld". Die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat die Ursache dieses Begriffes gerade in den neuen, vom geltenden Codice civile hinzugefügten Regeln über das Kondiktionsrecht gesehen. Sowohl die heftige Diskussion im Schrifttum als auch das Desinteresse der Rechtsprechung finden m.E. eine Erklärung. Wie noch heute im deutschen Recht und vor ihm im römischen Recht dient das Recht der condictiones grundsätzlich zur Lösung zweier Rechtsfragen: Neben der Rückforderung von auf eine nicht bestehende Schuld erbrachten Leistungen, die in der Regel einen Irrtum seitens des Leistenden verlangt, besteht das Kondiktionsrecht aus einem Mechanismus zur Rückabwicklung gescheiterter Verträge. Die zweite Rechtsfrage, d.h. die Gestaltung der Rückabwicklung gescheiterter Verträge, betrifft eine sehr wichtige und im Rechtsverkehr oft wiederkehrende Situation, weshalb die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld diesbezüglich eine besonders zentrale Funktion entfalten. Ein Teil der italienischen Lehre
si; Cass., 02. 04. 1982 n. 2029, Dir.giur., 1985, 802, Anm. Seivaggi; Cass., Sez. lav., 25.03. 1987 n. 4681, Foro it., 1987,1,1,2366. 125 Statt aller Caferra, loe. ult. eil. (vorige Fn.). 126 Bianea, 794.
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verknüpft den Begriff der "Nichtschuld" lediglich mit der zweiten Rechtsfrage und scheint dadurch die Herausgabe der nichtbestehenden Schuld bisweilen zu vernachlässigen. Die h.M.127 lehnt dennoch zu Recht eine enge Auslegung der Normen ab, welche den Restitutionsanspruch nur auf die Fallkonstellationen anwendet, in denen der solvens aufgrund einer nicht bestehenden Schuld geleistet hat. Diese "engere" Meinung, die die Fallgruppe der Rückabwicklung der erbrachten Leistung bei gescheiterten Verträgen aus dem Kondiktionsrecht gern. den Art. 2033 ff. c.c. aussondert, müßte dann einen weiteren, besonderen Anspruch identifizieren, der unabhängig vom Restitutionsanspruch der Zahlung einer Nichtschuld hinsichtlich der Nichtigkeitsklage eine Herausgabe der von den Parteien erbrachten Leistungen ermöglicht. Eine solche These l28 würde allerdings auf einer lectio difficilior der Normen beruhen und verkompliziert meiner Meinung nach das System in unnötiger Weise, denn es gibt keinen Grund, nach einem Sonderanspruch zu suchen, wenn die Rechtsordnung schon einen allgemeinen Herausgabeanspruch aus Kondiktion anbietet. An der in der Doktrin geführten Diskussion zeigt die Rechtsprechung so gut wie kein Interesse. Sie nimmt somit bezüglich all der Versuche der h.L., einen großen "gesetzlichen POl"129 für sämtliche Restitutionsfälle zu konstruieren, keinerlei Stellung. Die Gerichte zeigen dabei eine pragmatische, in diesem Zusammenhang zu begrüßende Neigung: Sie ignorieren die theoretische Problematik und wenden das Kondiktionsrecht so an, wie die Rechtsgeschichte und die Praxis es immer wahrgenommen haben, d.h. als Rechtsbehelf sowohl für nichtbestehende Schulden, d.h. diejenige, die auf keinen Kontrakt zurückzuführen sind, wie Z.B. die Zahlung einer fremden Schuld, als auch für gescheiterte Verträge, bei denen die Zuwendung auf einem, wenngleich nichtigen Vertrag herrührt l30 . bb) Objektive Nichtschuld Art. 2033 S. 1 c.c. bildet das Sammelbecken, in das die Mehrheit der· alten Kondiktionen geflossen ist. Die Lehre sieht darin eine Generalklausel l3l der
127 Statt aller zuletzt Bianca, 795 fT. 128 Trotzdem hat sie in der Lehre einen Konsens gefunden, z.B. Argirofji, Riv. dir. civ. 1976,616 fT. Diese Ansicht konnte sich jedoch nicht durchsetzen, vor allem wegen der totalen Mißachtung der Judikatur. 129 Der Ausdruck ist von Breccia, 1989,3. 130 Für einen Überblick der Rechtsprechung, die unbeachtet der wissenschaftlichen Diskussion diese Meinung vertritt, s. Bruni, Riv. trim. dir. proc. civ., 1987, passim, insb. 173 ff.; danach s. Cass., 29. 10. 1993 n. 10752, Rep. Foro it., 1993, Indebito, 11. 131 Von Generalklausel spricht ausdrücklich Moscati, Riv. dir. civ., 1975, 323. Nach Bregoli, 105 f., hat Art. 2033 c.c. eine auf alle nichtgeschuldeten Zahlungen ausgedehnte
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Kondiktionshaftung, und führt unterschiedliche Fallkonstellationen auf sie zurück. Nach allgemeiner Meinung l32 gewährt die Vorschrift eine Kondiktion, deren Anspruch seine ratio in der Herausgabe einer Leistung sieht, die auf keiner Schuld gegenüber sowohl dem solvens als auch dem Dritten beruht. Die Kondiktion wird unmittelbar aufgrund der bloßen Vermögensverschiebung und ohne Rücksicht auf andere Elemente wie den psychologischen Zustand der Parteien - Bös- oder Gutgläubigkeit - gewährt 133 • Aufgrund dieser objektiven Betrachtungsweise der Güterbewegung spricht man von indebitum ex re. Die "Objektivität"134 der Verpflichtung macht eine Analyse der vermögensrechtlichen Lage der Bereicherungsparteien vor und nach der Zuwendung überflüssig, weil sich die Kondiktion stets auf die Restitution des tatsächlich Geleisteten richtet. Sämtliche Veränderungen im Vermögen des Kondiktionsschuldners nach der Verschiebung bleiben daher ohne jegliche Relevanz. Der klassischen Tradition entsprechend darf der solvens auf der einfachen Basis des Nichtbestehens der gezahlten Schuld kondizieren, d.h. selbst wenn ihm keine Entreicherung zur Last fällt l35 • Beispiel: Vom Finanzamt dürfen die Steuern herausverlangt werden, die aufgrund einer Norm bezahlt worden waren, welche europarechtli~h rechtswidrig war, selbst wenn die Steuerlast mittlerweile auf die Verbraucher abgewälzt worden war, so daß der Kläger eigentlich keine Entreicherung einbüßen mußte l36 • Einigen Entscheidungen l37 der niedrigeren Instanzen zufolge handelt es sich um indebitum solutum auch bei Fallkonstellationen, in denen der rechtliche Grund wegen einer gesetzlich festgelegten Unwirksamkeit nur vorübergehend fehlt, so daß theoretisch trotz der Herausgabe nach Aufhebung des die Unwirksamkeit verursachenden Elements der solvens noch einmal leisten muß.
Kompetenz, denen der accipiens keine rechtmäßige causa retinendi entgegensetzen kann. Bregoli, aaO., bezeichnet ferner die erwähnte Vorschrift als "Generalregel". 132 Vgl. unter anderen Rescigno, 1968, 1227; Moscati, Indebito, 85 ff.; Breccia, 1989, 2 f.; Cendon, Art. 2033, 2; Trabucchi, 1993, 654. S. den aktuellen Stand der Rechtsprechung in der Zusammenfassung von Pret. Taranto, 7. 04. 1993, Arch. civ., 1994,432. 133 Sacco, Arricchimento, 157; Levi, 20. 134 Levi, 11. 135 Cass., 07. 04. 1986 n. 2415, Foro it., 1987, I, 2187; Cass., 20. 12. 1990 n. 12079, Giur. it., 1991, I, I, 1204; Cendon, Art. 2033, 3. 136 Cass., 23. 01. 1987 n. 634, Mass. Giust. civ., 1987. 137 So App. Torino, 24. 02. 1988, Giur. it., 1989, I, 1,416, mit Anm. Eroli.
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cc) Subjektive Nichtschuld Wer im Sinne von Art. 2036 I c.c. eine fremde Schuld wegen eines entschuldbaren Irrtums getilgt hat, darf das Bezahlte vom Leistungsempfanger unter der Voraussetzung zurückfordern, daß sich der gutgläubige aecipiens der Schuldurkunde oder der Sicherheiten der Forderung nicht entledigt hat. Die Erwähnung des Irrtums unter den notwendigen Merkmalen rechtfertigt die Bezeichnung des Tatbestandes als "subjektive Nichtschuld". Die mit dieser Vorschrift verbundenen Rechtsfragen werden vornehmlich im Schrifttum debattiert. Hinter der Diskussion läßt sich jedoch eine grundsätzlich einheitliche Meinung sehen, die sich auf die übereinstimmende Ansicht der Rechtsprechung 138 stützt. Die wichtigsten Streitfragen betreffen die Struktur des Tatbestandes und seine Beziehungen zu ähnlichen Rechtsinstituten. Ein Teil der Lehre 139 hat die Auffassung, welche die Kondiktion als einheitliches Institut bezeichnet, bis zur extremen Folge weiterentwickelt. Neben einer einheitlichen Bewertung der eondietiones des Codiee civile versucht diese Lehre durch eine m.E. sehr bemerkenswerte Konstruktion nachzuweisen, daß Art. 2033 c.c. in der Tat den einzigen Kondiktionsanspruch der Zahlung einer Nichtschuld beinhaltet. Art. 2036 c.c. bildet dieser Meinung nach lediglich einen Fall von soluti retentio l40 , d.h. die Unmöglichkeit der Rückforderung des Bezahlten. Diese Theorie stellt - entgegen der h.M.141 - ein Regel-Ausnahme-Verhältnis I42 zwischen den erwähnten Normen dar. Das Verhältnis wird dadurch begründet, daß Art. 2033 c.c. eine Art allgemeiner Anspruch enthält, während Art. 2036 c.c. nur eine Kondiktionssperre umfaßt, welche sämtlichen Fällen von wissentlicher, auf keinem entschuldbaren Irrtum beruhender Leistung die Kondiktion verweigert l43 . Entschuldbar, d.h. ohne Verschulden verursacht l44 , ist das Verhalten des solvens, nicht das des aecipiens l45 • In der Doktrin fragt man sich, ob der Irrtum als ein entscheidendes Merkmal des Tatbestandes anzusehen sei. Die AutoNachweise für Lehre und Rechtsprechung folgen. Bregoli, passim. 140 Bregoli, 19. 141 Moscati, Pagamento, 432 f. 142 Bregoli, 22. 143 Bregoli, 100 f. 144 Bigliazzi Geri/Busnelli/Breccia/Natoli, 815. Nach Trabucchi, 1993,654, ist unentschuldbar der Irrtum, den eine sorgfältige Person hätte vermeiden können. Die Entschuldbarkeit wird von der Lehre mit Gedanken der Selbstverantwortung nach dem Grundsatz des venire contra factum proprium in Verbindung gebracht. Letzterer sollte dennoch je nach Fall und nicht stets automatisch angewendet werden, Breccia, 1984, 769 f. 145 Cendon, Art. 2036, 3. 138
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ren l46 , die die condictio indebiti als in unterschiedlichen Bestimmungen eingeordnetes, aber einheitliches Institut betrachten, plädieren dann folgerichtig für eine in gleicher Weise einheitliche Struktur sämtlicher Kondiktionsansprüche. Aus dieser Auffassung folgt die Herabsetzung des Gewichts des error innerhalb des Tatbestandes. Der so begrenzte Einfluß des Irrtums wird dadurch erklärt, daß Art. 2036 c.c. auf der Interessensicht des Gläubigers beruht l47 • Größeres Gewicht wird hingegen dem Irrtum von jener Auffassung l48 zugesprochen, die das Bestehen einiger Unterschiede zwischen objektiver und subjektiver Nichtschuld hervorhebt. Zunächst wird hier die Tatsache, daß Art. 2036 c.c. - im Gegensatz zum Art. 2033 c.c. - den Irrtum ausdrücklich voraus-sieht, als ein wichtiger Hinweis darauf gehalten, daß er eine autonome und unentbehrliche Funktion in der Zahlung einer Nichtschuld besitzt. Darüber hinaus wird die ausschlaggebende Aufgabe des error als Scheidungselement zwischen der Zahlung einer subjektiven Nichtschuld und der Erfüllung durch den Dritten gern. Art. 1180 c.c. als Beweis dafür gebracht, daß der Irrtum ein konstitutives Merkmal des Tatbestandes bildet l49 • Um die Rolle der persönlichen, fehlerhaften Einschätzung des Leistenden hervorzuheben, wird im Umgang mit dem Tatbestand des Art. 2036 c.c. von einem indebitum ex persona, im Ge-gensatz zum indebitum ex re der objektiven Zahlung einer Nichtschuld, ge-sprochen. Die richterliche Praxisiso bleibt dem Wortlaut des Gesetzes treu und versteht unter Irrtum einen als zwischen beiden Vorschriften (und Tatbestän-den) trennenden Faktor. Nimmt man mit der oben erwähnten jüngeren Doktrin l51 an, daß Art. 2033 c.c. den einzigen wahren Kondiktionsanspruch des italienischen Rechtssystems beinhaltet, dann läßt sich der Tatbestand der Zahlung einer subjektiven Nichtschuld nicht sofort, d.h. augenfällig, erklären. Diese Konstruktion stellt nämlich die Funktion des Art. 2036 c.c. in Frage. Bei Art. 2036 c.c. handelt es sich gewiß nicht um eine einfache Wiederhohmg des im Art. 2033 c.c. dargestellten
146 Vor allem Moscati, Pagamento, passim; gegen eine Betrachtung des Irrtums als unentbehrliches Merkmal der condictio indebiti schon Oppo, 328. 147 Moscati, Riv. dir. civ., 1974,72 f.. 148 Nach Schlesinger, Riv. dir. comm., 1957, 67 f., bildet der Irrtum die notwendige Voraussetzung, damit die erbrachte Leistung sine causa sei. Der error des Art. 2036 I c.c. sei folglich nicht als der die Willenserklärung anfechtbare Irrtum zu betrachten. S. a. Reseigno, 1968, 2031. 149 Barbero, 802 f.; Cendon, Art. 2036, 3. 150 Zuletzt Cass., 10.03. 1995 n. 2814, Giur. it., I, 1,228; Cass., 22. 02. 1995 n. 1981, Mass. Giur. it., 1995; Pret. Taranto, 07. 04. 1993, Arch. civ., 1994,432. 151 Bregoli, passim. Diese Ansicht wird von derjenigen Rechtsprechung unterstützt, die eine Ausdehnung des Anwendungsfeldes des Art. 2033 c.c. zu Lasten des Art. 2036 c.c. befijrwortet. Unter anderen s. Cass., Sez. lav., 12.03. 1984 n. 1690, Giur. it, 1985, I, 1, 638, mit Anm. Morgera; Cass., 10.03. 1995 n. 2814, eit. (vorige Fn.).
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Prinzips, nach dem das sine causa Erlangte grundsätzlich herauszugeben ist. Der Zweck der Vorschrift liegt indessen in der Eingrenzung des Tatbestandes der Erfiillung durch den Dritten nach Art. 1180 C.C. 152 Durch die Errichtung dieser Norm schafft das Gesetz in erster Linie Klarheit, indem es aussagt, daß nicht alle wissentlichen Leistungen unter den Tatbestand der Erfiillung durch den Dritten fallen. Im Gegenteil, die aufgrund eines entschuldbaren Irrtums erbrachten Leistungen dürfen sehr wohl kondiziert werden. Zu denselben Ergebnissen kommt auch die (noch) h.L.153, die dennoch nicht so weit geht, das Vorhandensein eines nicht nur einheitlichen, sondern auch einzigen Kondiktionsanspruches anzunehmen. Entscheidend fiir die Einordnung unter den einen oder den anderen Tatbestand soll die Anrechnung der Zahlung sein l5 4, d.h. die Bestimmung der Funktion, die die Leistung im konkreten Fall entfalten soll: Die unbestrittene l55 rechtsgeschäftJiche Natur der Zahlung gern. Art. 1180 c.c. erfordert zur Realisierung des Tatbestandes auch eine Willenserklärung des Leistenden. Aus dieser Erklärung kann man die Absicht des Leistenden entnehmen, d.h. ob sich sein Wille auf die Erfiillung einer Leistung an einen Dritten richtet. Hingegen wird die objektive Verwirklichung des Interesses des Gläubigers und der Wille, eine Leistung zugunsten eines Dritten zu erbringen, fiir die Subsumtion unter den Tatbestand der Erfiillung eines Dritten als nicht ausreichend empfunden 156. Die in der Literatur bevorzugte Konstruktion überläßt der von den Parteien abgegebenen Willenserklärung die Aufgabe der Qualifikation des anzuwendenden Tatbestandes. Ist nur der Wille fiir die Subsumtion unter dem einen oder dem anderen Tatbestand entscheidend, dann fällt der error als unentbehrliches Tatbestandsmerkmal konsequenterweise aus. Die h.L.157 verhält sich somit folgerichtig, indem sie dem Irrtum lediglich eine Ergänzungsfunktion gegenüber der Erklärung zugesteht. Nach dieser Auffassung liegt die Hauptfunktion des Irrtums vor allem in der Bestätigung der Richtigkeit der Auslegung, die sich mit dem Verhalten des Leistenden auseinandersetzt. Damit wird folglich ausgeschlossen, daß der Irrtum als entscheidendes Argument zuguristen der Anwendung einer der beiden fraglichen Rechtsfiguren verwendet werden kann. Die angefiihrte Auffassung der Doktrin entfernt sich vom Gesetzestext, der seinem Wortlaut nach - scheinbar - den entschuldbaren Irrtum als Tatbestandsmerkmal bezeichnet. Die Rechtsprechung l58 scheint allerdings, dieser Entfer-
Schlesinger, Riv. dir. comm. 1957,61 ff.; Bregoli, 14. Vgl. Levi, 119 ff. 154 Statt aller Breccia, 1984,784. 155 Nicolo, 565; Levi, 120. Fraglich ist dennoch, ob es um einen Vertrag geht, Cendon, Art. 1180, 2. 156 Moscati, Riv. dir. civ., 1974,83. 157 Moscati, Pagamento, 438 ff. 158 Cass., 30. 10. 1984 n. 5550, Rep. Giur. civ., 1985, Indebito, 3. 152
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nung von der littera legis nicht zuzustimmen. Sie bleibt indessen der Vorschrift treu und erkennt neben der Erklärung des Dritten, daß dieser eine fremde Leistung wissentlich erfüllt, dem Irrtum eine gleiche Bedeutung zu159. Die Erklärung des Dritten und der Irrtum tragen somit nach der Judikatur beide in gleichem Maße zur Feststellung der anwendbaren Bestimmung bei. Nach der h.M.160 betrifft der Tatbestand des Art. 2036 I c.c. nur das sog. Indebitum ex persona solvendi, auch ex parte debitoris genannt, d.h. die Zahlung einer fremden Schuld. Dieser Begriff bezeichnet diejenige Fallkonstellation der Zahlung einer Nichtschuld, in der das Bestehen einer Schuld zugunsten des Gläubigers feststeht, aber der Leistende nicht der echte Schuldner ist, obwohl er dies (entschuldbar) irrtümlich glaubt. Die umgekehrte Situation des indebitum ex persona accipiendi oder ex parte creditoris, worin der echte Schuldner einem Dritten leistet, der kein Gläubiger der Forderung ist, sollte daher nicht unter den Art. 2036 I C.C., sondern unter den Art. 2033 c.c. fallen. Der Unterschied in der Subsumtion des Falles ist nicht rein formell, da die Zahlung einer objektiven Nichtschuld keinen Nachweis eines Irrtums benötigt. dd) Dreiecksverhältnisse Da die im Codice civile geregelte condictio indebiti das klassische Schema der actio in personam 161 beibehält, dehnt sich die in den Artt. 2033 S. I und 2036 I c.c. enthaltene Kondiktion nicht jenseits der Beziehung zwischen solvens und accipiens, d.h. dem Zahlenden und dem durch die Leistung indebite Bereicherten, aus. Diese Struktur bietet ein klares Verhältnis zwischen Leistung und Kondiktionsanspruch. Aus diesem Grund erübrigt sich im Kondiktionsrecht von Anfang an eine Diskussion über die mögliche Rolle des Dritten, der die Sache nicht durch eine Leistung des Bereicherungsgläubigers erlangt l62 . Dies vereinfacht die Anwendbarkeit des Instituts in nicht unerheblichem Maße.
Rescigno, 1968, 1231; Cendon, Art. 2036, I. Rescigno, 1968, 1227; Barbero, 802; Galgano, 362; Trabucchi, 1993,654; Cass., 25. 10. 1974 n. 3153, Rep. Giur. it., 1974, Indebito. 2; Cass., 11. 03. 1987 n. 2525, Mass. Giur. it., 1987. A.A. Moscati, Riv. dir. civ., 1974, passim, insb. 330. 161 Dazu oben, zweiter Teil, B. 1., insb. Fn. 14. 162 Cass., 01. 08. 1992 n. 9167, Giur. it., 1993, I, 1, 1268; für einen Sonderfall s. Cass., 07. 08. 1993 n. 8567, Mass. Foro it., 1993; Breccia, 1984, 786 ff.; Cendon, Art. 2033, 10. 159 160
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Beispiel: Ein Dritter hat die Mietzinsen an statt des Mieters regelmäßig bezahlt. Ist der Mietvertrag nichtig, steht dem Dritten als Leistenden, und nicht dem Mieter der Kondiktionsanspruch gegen den Vermieter ZU163. Ein weiteres Beispiel: Hat eine Bank einem Dritten aufgrund eines nichtigen Schecks Geld ausgezahlt, darf nur sie gegen den accipiens auf Rückforderung des Bezahlten klagen l64 . Das Gesetz selbst fügt jedoch eine Ausnahme dem in den Artt. 2033 und 2036 c.c. enthaltenen Prinzip der "Leistungskondiktion"165 bezüglich der Scheingeschäfte hinzu. Nach Art. 118911 c.c. ist der Scheingläubiger, dem eine fremde Leistung erbracht worden ist, unmittelbar gegenüber dem echten Gläubiger, und nicht gegenüber dem Leistenden zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld verpflichtet. Die Lehre 166 unterstreicht die im Kondiktionsrecht einzigartige Struktur dieses Tatbestandes: Der Kondiktionsanspruch wird jemandem gewährt, der weder persönlich noch durch andere geleistet hat. Zur Problematik der Dreiecksverhältnisse gehört auch die schon erwähnte Streitfrage der Beziehungen zwischen subjektiver Nichtschuld ex persona solventis gern. Art. 2036 I c.c. und der Erfüllung durch einen Dritten gern. Art. 1180 c.c. Diese Unmittelbarkeit in der Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem, wonach zwischen den bei den eine direkte Zuwendung stattgefunden haben muß, bildet ein wichtiges Charakteristikum des italienischen Kondiktionsmodelles, das m.E. wegen seiner Einfachheit bewahrt werden sollte. Die Vornahme einer Leistung, wenngleich diese ohne rechtlichen Grund erbracht wurde, bildete im ursprünglichen römischen Kondiktionssystem das Kennzeichen des Rechtsinstitutes, das in der Regel problemlos angewendet werden durfte, da die Kondiktionsparteien durch das Bestehen einer sie verbindenden Leistung qualifiziert wurden. Aus diesem Grund sollte dieses Merkmal in die Struktur eines europäischen Kondiktionsrechtes aufgenommen werden.
163 Trib. Roma, 23. 04. 1994, Rep. Giur. it, 1994, Indebito, 11.
164 Cass., 01. 08. 1992 n. 9167, Rep. Giur. it., 1992, Indebito, 7.
165 Der Begriff ist eine Schöpfung der deutschen Dogmatik und als solcher der italienischen Rechtswissenschaft fremd. 166 Breccia, 1989,5.
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ee) Kondiktionssperren 167 Die Generalklausel des Art. 2033 c.c. findet eine ausdrückliche Begrenzung in den Artt. 2034 und 2035 c.c. Beide Vorschriften gelten als echte Ausnahmen vom Prinzip der möglichen Rückforderung der in debite geleisteten Sache l68 . Im Grunde genommen sind sie das Ergebnis desselben Gedankens: Als Grenze der Kondizierbarkeit gilt das Prinzip der soluti retentio l69 • Darunter werden Zuwendungen verstanden, die zur Erfüllung sittlicher oder sozialer Pflichten gern. Art. 2034 I c.c. dienen, bzw. deren Zweck gegen die guten Sitten gern. Art. 2035 c.c. verstößt. Sie sind in der Regel nicht zurückzufordern, es sei denn, daß die Leistung von einem Geschäftsunfähigen erbracht wurde. Die Sonderklausel zugunsten der Geschäftsunfähigen ist zwar im Art. 2034 I 2. Hs. c.c. enthalten und sollte deshalb nur auf den dort geregelten Tatbestand angewendet werden. Nach ganz h.M.170 bildet sie dennoch eine allgemeine Regel und wird folglich sowohl auf den 2. Absatz der fraglichen Vorschrift als auch auf Art. 2035 c.c. ausgedehnt. Nach Art. 2034 I c.c. wird die Kondizierbarkeit des indebitum ausgeschlossen, falls der solvens sittliche l7l oder soziale Ptlichten 172 spontan erfüllt hat l73 . Die Auslegung hat die praktische Anwendung des Artikels erheblich geprägt. Er setzt seinem Wortlaut nach eine Leistung auf ein dare voraus, aber in folge der Interpretation des kondiktionsrechtlichen Leistungsbegriffes 174 werden überwiegend 175 auch Leistungen auf einfacere mitaufgenommen. Der zweite Absatz des Art. 2034 c.c. enthält einen offenen Verweis auf das Gesetz und umfaßt somit, im Vergleich zum ersten Absatz, einen breiteren Tatbestand. Dadurch werden alle Pflichten mitberücksichtigt, bei deren Verletzung das Gesetz keinen Klageanspruch gewährt, aber zugleich die Rückforderung ausschließt. Es han-
167 Die ausfiihrliehe Behandlung der italienischen Kondiktionssperren beruht auf der Absicht, einen möglichst klaren Einblick in das italienische Bereicherungssystem zu erhalten. 168 Bigliazzi Geri/Breccia/Busnelli/Natoli, 816 f.; Cendon, Art. 2034, I.
Barbero, 806; Reseigno, 1968, 1228; Levi, 96. Reseigno, op. loc. ult. eit. (vorige Fn.); Moscati, Pagamento, 407; Cendon, Art. 2035,3. 171 Für eine Definition der sittlichen Pflichten s. Cass. 12. 02. 1980 n. 1007, Rep. Foro it., 1980, Indebito, 5; f1ir die contra bonos mores verstoßenden Geschäfte s. Cass., 18. 06. 1987 n. 5371, Mass. Giust. civ., 1987. 172 Für einige Beispiele aus der Rechtsprechung s. Galgano, 365. 173 Einige Fallkonstellationen, deren Zugehörigkeit zu Art. 2034 1 c.c. umstritten ist, werden von Levi, 81 ff, geschildert. 174 S. oben in diesem Teil, A. 11. 2. a). 175 Reseigno, 1968, 1229; Moscati, Pagamento, 337. 169
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delt sich dabei vor allem um die treuhänderische Verfügung mortis causa l76 gern. Art. 627 C.C., das Spielgeschäft gern. Art. 1933 11 c.c. 177 und die verjährte Schuld gern. Art. 2940 C.C. 178 Vornehmlich rechtspolitische Gedanken haben die Verfasser des Codice civile dazu veranlaßt, den Art. 2035 c.c. über die sittenwidrige Leistung nach dem Prinzip "in pari causa turpitudinis melior est condicio possidentis" zu gestalten, wodurch bei beiderseitiger Sittenwidrigkeit die Kondiktion ausgeschlossen wird. Die Lehre ist hinsichtlich der Bewertung der Funktion dieser Nonn gespalten. Kritiker l79 halten es für notwendig die Vorschrift aufzuheben, da sie infolge einer jahrzehntelangen Erosion allmählich gegenstandslos geworden sei, so daß sie in der Praxis nur noch einen kleinsten Teil der theoretisch vorgesehenen Tragweite beibehalte l8o • Dagegen wird erwidert I 81 , daß sich diese Bestimmung bezüglich ihrer Handhabung zwar zur Zeit eindeutig in einer Krisenphase befinde, dies aber eine notwendige, nur vorübergehende Entwicklung sei, um sich den neuen Werten des Rechtssystemes anpassen zu können. Betriffi die Sittenwidrigkeit ausschließlich eine Partei, dann werden die negativen Auswirkungen ihrer Tat lediglich dieser Partei zur Last gelegt. Das die sittenwidrige Leistung begründende Rechtsgeschäft ist deshalb kondizierbar l82,. In puncto sittenwidriger Zweck wird eine weitere Auslegung vorgezogen, die sowohl die Kausa als auch die persönlichen Gründe beider Parteien mitberücksichtigt l83 • Unabhängig von theoretischen Fonneln, wie Gedanken über Rechtsschutzverweigerung l84 und venire contra factum proprium l8S , scheint die Judikatur sich eher mit der Festsetzung von bestimmten Fallkonstellationen zu beschäftigen 186.
Cass., 12.05.1950 n. 1480, Foro it., 1950, 1,1150. Cass., 04. 10. 1962 n. 2801, Rep. Giur. it., 1962, Giuochi e scornrnesse, 1-2; Gallo, 1996, 176 ff. 178 Cass., 12.02. 1980 n. 1007, Rep. Foro it., 1980, Indebito, 5; Levi, 71 ff. 179 Grundlegend Reseigno, Riv. dir. civ., 1966,passim. 180 Reseigno, op. ull. eil. (vorige Fn.), 57. 181 Panza, Riv. trirn. dir. proc. civ., 1971, 1193 ff. 182 Moscali, Pagarnento, 387. 183 Moscali, op. loc. ull, eil. (vorige Fn.); Cendon, Art. 2035, 2. 184 Kritisch Panza, Riv. trirn. dir. proc. civ., 1971, 1183 ff. 185 Reseigno, Riv. dir. civ., 1966,57; Panza, aaO. (vorige Fn.), 1192 f. 186 Cass., 17.06. 1950 n. 1552, Foro pad., 1950, I, 1239; Cass., 17.06. 1950 n. 1555, Rep. Giur. it., 1950, Giuochi e scornrnesse, 4; Cass., 18. 06. 1987 n. 5371, Mass. Giust. civ., 1987. 176 177
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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3. Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick
Diese Anmerkungen betreffen in erster Linie die condictio indebiti. Trotzdem erscheint es m.E. zweckmäßig, hier einige erste Ausführungen über das gesamte Kondiktionsrecht hinzuzufügen, die im Laufe der Arbeit entsprechend ergänzt werden sollen. Diese Vorgehensweise ist deshalb notwendig, weil die Darstellung der weiteren Kondiktionsarten nicht so detailliert wie die condictio indebiti erfolgen wird. Der Akzent wird bei den folgenden Überlegungen vor allem auf die Bedeutung der gewonnenen Informationen für ein künftiges Kondiktionsrecht abgestellt: Das programmatische Ziel dieser Arbeit verhindert nämlich eine ausführliche Auseinandersetzung mit den nationalen Rechtssystemen hinsichtlich höchstinteressanter Thematiken, deren Erörterung jedoch hier überflüssig wäre. Der Leser sollte also dabei den Zweck dieser Darstellung vor Augen halten. a) Bedeutung der Kondiktion im Rechtsvergleich
Die sachenrechtlichen Regeln, aufgrund deren sich das Eigentum an einer Sache im Rechtsverkehr bewegen soll, sind im deutschen und im italienischen Rechtssystem vom Grundsatz her verschieden. Das savignysche Abstraktionsprinzip einerseits und das vom Naturrecht über den Code civil übernommene "Willensdogma" andererseits tragen in erheblicher Weise dazu bei, die voneinander abweichenden Ziele der beiden Rechtsordnungen zu verdeutlichen, welche zwei unterschiedliche Vorstellungen ihrer Schutz- und Unterstützungsfunktion im Rechtsverkehr widerspiegeln,. zumindest was die Eigentumsübertragung anbelangt. Einem dem italienischen Recht kennzeichnenden, größeren Akzent auf dem Schutz des alten Eigentümers bei Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung steht nämlich eine Verstärkung der Position des Neueigentümers im deutschen Recht gegenüber. Im ersten Fall erhält die Bewahrung des status quo ante eine zentrale Funktion. Eine solche Sichtweise entspricht vor allem einer statischen Gesellschaft, in der das Grundeigentum, d.h. traditionsgemäß und bis zum letzten Jahrhundert das Hauptkennzeichen des Wohlhabens, die wichtigste Stelle einnimmt. Diese Gesellschaft mußte statisch sein, denn in einem auf dem Grundeigentum basierenden Rechtssystem wurde das Haben, nicht das Handeln gesetzlich besonders geschützt. Folgerichtig war der Grundeigentümer und die von ihm benötigten dinglichen Rechte das Ziel der gesetzgeberischen Überlegung l87 . Demgegenüber erleichtert eine Akzentverschiebung zugunsten der passiven Seite der Erwerbsbeziehung, d.h. der des accipiens, den schnelleren Wechsel der Rolle des Eigentümers. In diesem zweiten Fall wird
187
Über die Beziehung zwischen Sachen- und Schuldrecht vgl. Di Majo, 1988, 4 ff.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
nicht die relative "Unbeweglichkeit" des Grundeigentums, sondern die Dynamik des schuldrechtlichen Rechtsverkehrs betont. Entscheidungskriterium ist hier der Schutz des Handeln, genauer gesagt der Schutz derjenigen, die die Sache tatsächlich zur Verrugung haben, und daher wird die Wiederherstellung des status quo ante erschwert und eingegrenzt. Solche Differenzen entfalten eine beträchtliche Wirkung auf die jeweiligen Rechtsordnungen, vor allem auf das Kondiktionsrecht, das eine der Hauptkomponenten des Rechtsverkehrs bildet. Der geschilderte Unterschied zwischen den beiden Rechtsordnungen berechtigt zu folgender Überlegung: Trotz der in den Jahrhunderten konstant weitergeruhrten Entwicklung dieses Instituts, trotz der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen, behält das römische Bereicherungsrecht, rectius das Kondik-tionsrecht, seine unverkennbare Identität. Im wesentlichen dient das Kondik-tionsrecht noch heute der Rückforderung einer ungerechtfertigt erbrachten Vermögenszuwendung l88 . In der Zeitspanne zwischen dem Inkrafttreten des BGB und dem des Codice civile - fast runfzig Jahre - hat sich die Gestaltung des Kondiktionsrechtes teilweise verändert, aber sein Kern, die Grundfunktion, hat alle Veränderungen unberührt überstanden. b) (Einheitlicher) Kondiktionsanspruch nach deutschem Recht
Es ist zwar nicht zu leugnen, daß § 812 BGB in sich die größte Zahl der herkömmlichen Kondiktionen vereint, und daß er aus diesem Grund als eine Art Sammelbecken bezeichnet werden könnte, zumal die dort geregelte Vielzahl von Bereicherungsansprüchen wenigstens teilweise dem Verzeichnis der alten condictiones entspricht. Das rechtsvergleichende Argument verhilft zur Klarstellung der eben genannten Vorschrift: Der deutsche Gesetzgeber ordnete die Bereicherungsansprüche nach dem Modell der spätrömischen condictiones ein, so daß die im BGB geregelten Kondiktionen nebeneinander bestehende, nicht sich ergänzende Rechtsfiguren bilden. Demgegenüber verdeutlicht die Rechtsvergleichung m.E. die Vorteile der aus den Bemühungen des italienischen Gesetzgebers und dann auch der Rechtslehre sich ergebenden reductio ad unum oder zumindest der drastischen Herabsetzung des Kondiktionsspektrums. Die vielen Kondiktionen sind vielmehr ein Resultat der justinianischen und postjustinianischen Systematik und scheinen heute ihre Funktion erschöpft zu haben. Im Gegensatz zur deutschen, auf den Corpus iuris civilis zurückgehenden Kodifikation besteht die Modernität des Codice civile gerade darin, daß sich der Ge-
188 Es dient nicht der Herausgabe einer ungerechtfertigt erlangten Bereicherung, wodurch vor allem die Position des accipiens berücksichtigt wäre.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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setzgeber von dem gemeinrechtlichen "Überbau" großenteils befreit hat. Er zeigt durch Art. 2033 c.c. den Weg zur Vereinheitlichung. Eine zu enge Anknüpfung an die spätrömische Einteilung in Kondiktionen, wie sie tendenziell im BGB festzustellen ist, erweist sich m.E. als nunmehr veraltet. Angesichts der Ähnlichkeit der Ergebnisse zwischen den beiden verglichenen Kondiktionssysternen erweist sich eine breitere Kondiktionenpalette bestenfalls als überflüssig, in einigen Fällen kann sie sogar zu einer Quelle von Auslegungsschwierigkeiten werden. Unter diesem Gesichtspunkt bereitet das deutsche Modell nämlich der Interpretation größere Probleme als das italienische. Andererseits sind auf die Doktrin selbst einige Ursachen für die Vervielfältigung der Ansprüche zurückzuführen. Sie hebt neben der Einteilung in Kondiktionen die ausschlaggebende Anziehungskraft "kondiktionsähnlicher" Institute hervor. Eine derartige Konstruktion erscheint sicherlich lobenswert bei ihrem Versuch, durch die Betonung der unterschiedlichen Funktionen von Leistungs'und Nichtleistungskondiktion mit einer gesetzlich verankerten Aufteilung in nur zwei Ansprüche zu argumentieren. Sie enthält dennoch ein unüberwindliches Hindernis zur Schaffung einer Generalklausel: Nehme man diese Auffassung an, würden sich beide Kondiktionsansprüche immer mehr voneinander entfernen. Das Vertrags- bzw. das Deliktsrecht würden somit für den Kondiktionsanspruch maßgebend sein, weil dort, und nicht im Bereicherungsrecht die Wurzeln der Ansprüche zu finden wären: Ob diese allmähliche Entfernung als vorteilhafte Entwicklung des Kondiktionsrechtes zu werten ist, scheint mir äusserst zweifelhaft. Daß bei einer funktionalen Betrachtung dem Bereicherungsrecht unterschiedliche Anwendungsfunktionen zukommen, bedeutet bei weitem noch nicht, daß ein Erlöschen des Bereicherungsrechtes als selbständiges Rechtsgebiet wünschenswert oder sogar nötig wäre. Ein solches Ergebnis mag von den Verfechtern dieser Lehre vielleicht nicht beabsichtigt sein, aber dieser Ansatz zielt langfristig darauf. Das Vertrags-, das Bereicherungs- und das Deliktsrecht verfolgen verschiedene Ziele, die auf verschiedene Konstruktionen zurückgreifen. Eine Änderung der jeweiligen Gleichgewichte, ohne die entsprechende Zweckbestimmtheit sorgfältig zu prüfen, könnte zu durchaus fraglichen Ergebnissen führen. Die Frage, ob die Herausgabeansprüche des Privatrechts, oder auch nur des Schuldrechts, eventuell umstrukturiert werden könnten, sollte m.E. nicht durch eine Auflösung des Bereicherungsrechtes, sondern eher mit Hilfe einer grundlegenden Bewertung der Funktion sämtlicher Herausgabeansprüche gelöst werden. Im Lichte der Meinungen der h.L. fällt es schwer, an der eben beschriebenen Auffassung festzuhalten, nach der der herkömmliche Zweck und die Struktur der Kondiktion im geltenden deutschen Recht weiterbesteht. Daß sich all diese unterschiedliche Einordnungen der h.M. als unangemessen erweisen, das gesamte Spektrum der bereicherungsrechtlichen Streitfragen zu decken, zeigt sich unter anderem im dauernden Wechsel der Theorien, die ständig versuchen, den Umfang des Kondiktionsanspruches irgendwie zu 8 Giglio
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
begrenzen. Anhand der lex lata ist die Berurchtung einer uferlosen Ausdehnung der bereicherungsrechtlichen Klage durchaus verständlich. Der Wortlaut des § 812 BGB lädt den Entreicherten geradezu zur Inanspruchnahme des Dritten ein. Dies wird vor allem durch die Formulierung einer Bereicherung in sonstiger Weise möglich. Hierauf sollte man aber nicht erwidern, daß die Wortlautinterpretation ein schwaches Argument sei, denn hinter der Verteidigung der einheitlichen Struktur der Kondiktion verbirgt sich mehr als ein bloßen Festhalten an der littera legis: Es geht dabei vor allem um die Aufrechterhaltung des Kondiktionsrechtes als funktionell und systematisch autonome Rechtskonstruktion. Ferner geht es auch um eine grundsätzliche Stellungnahme rur bzw. gegen die Zerteilung der modemen Kondiktion. Eine solche Stellungnahme hat dann erhebliche Auswirkungen auf die Bildung eines künftigen europäischen Kondiktionsrechtes. Dabei handelt es sich nämlich um einen Rechtsbehelf, der meiner Meinung nach europaweit in einem einheitlichen Geruge lokalisiert werden sollte. Gerade ein Projekt rur ein einheitliches Herausgaberecht aus ungerechtfertigter Zuwendung wird in dieser Studie formuliert. Schließlich müßte diese Argumentation letzten Endes so unbegründet nicht sein, wenn so viele Theorien noch keine endgültige Lösung auf die Frage nach der Rolle der Bereicherung in sonstiger Weise gefunden haben. Die Geschichte des deutschen Bereicherungsrechtes ist tatsächlich von einer ständigen Suche nach einer definitiven Lösung geprägt, welche die Maßstäbe setzen soll, die zur Fixierung von festen Kriterien ruhren, welche die Restitutionshaftung der von der bereicherungsrechtlichen Beziehung nicht direkt umfaßten Dritten endgültig regeln würden. Dieses "Gespenst" läßt sich dennoch nicht so einfach beseitigen. Die vielen Vorschläge, vom Subsidiaritätsgrundsatz bis zum Unmittelbarkeitserfordernis haben im Ergebnis noch nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Der Mißerfolg der haftungsbegrenzenden Konstruktionen zeugt von den Schwierigkeiten, dieses Problem zu lösen. Der deutsche Bereicherungsanspruch wird von der Funktion der causa als besonders prägendes Tatbestandsmerkmal stark beeinflußt. Der Zeitpunkt des Eintritts oder des Wegfalls der causa bedingt notwendigerweise die Art der von der Rechtsordnung zugelassenen Kondiktion. Diesbezüglich bietet § 812 BGB folgende Alternativen an: Der rechtliche Grund besteht nicht, fällt weg oder tritt nicht ein. Darüber hinaus löse eine gesetz- oder sittenwidrige causa einen Anspruch auf Herausgabe aus, behaupten Lehre und Rechtsprechung bezüglich der Auslegung des § 817 BGB. Vergebens würde man im klassischen römischen Recht nach einer ähnlichen Bewertung des rechtlichen Grundes suchen, weil ihr Bereicherungsmodell der causa wenig Aufmerksamkeit schenkte. Bei den Römern besaß das (schuldrechtliche) Grundgeschäft keinen Einfluß auf die daraus stammende solutio. Letztere würde selbst ihre Wirkung entfalten, wenn die causa traditionis unwirksam wäre 189 . Diese Unabhängigkeit der Leistung von ihrem Verpflichtungsgeschäft würde nach einem Teil der Lehre 190 die Existenz einer
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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echten causa solutionis rechtfertigen, welche die Wirksamkeit der Leistung ohne Rücksicht auf den rechtlichen Grund der Erfüllung stützen könnte. Zwar mußte die Sache wohl sine causa in das Vermögen des Empfängers geflossen sein, aber die Römer interessierten sich als Pragmatiker mehr für die Tatsache der bloßen Vermögensverschiebung, zu deren kondiktionsauslösenden Merkmalen - unter anderen - auch die Kausa gehörte. Die Einordnung der Kondiktionen nach causae entspricht eher der Systematik der Nachklassiker als dem römischen Modell. In ihrer pragmatischen Weise konnte die römische Rechtswissenschaft ohne große Hindernisse die Kondiktion aposteriori auf diejenigen Fallkonstellationen anwenden, für die das damalige Rechtsgefühl dies als nötig empfand, um eine unausgeglichene Situation äquitativ wieder ins Lot zu bringen. Eine Klassifizierung nach causae dient vielleicht der Systematik und der Rechtssicherheit, gefährdet aber zugleich die Flexibilität dieses Rechtsbehelfs l91 . Eine Entfernung der auf der causa beruhenden Vorschrift des jus positivum vom praktisch angewendeten Recht befürchtet man auch in der deutschen Lehre, die zwischen diversen Funktionen der Leistungs- und Nichtleistungskondiktion unterscheidet und die Anziehungskraft von ähnlichen Instituten des Vertrags- und Deliktsrechtes betont. Während das Gesetz eine bestimmte Einteilung der Ansprüche je nach "rechtlichem Grund" vorsieht, zieht hingegen die Praxis eine Gliederung nach Funktionsbereichen vor: Auch in diesem Fall divergieren also die in der schriftlichen Regel festgelegte Ansicht des Gesetzgebers einerseits und die konkrete, operative Regel andererseits, die in der Praxis nach der Rechtslehre angewendet werden soll. Diese Divergenz zwischen Gesetzestext und Interpretation ist ein oft behandeltes Thema im deutschen Bereicherungsrecht. Eine Klassifizierung nach causae empfiehlt sich m.E. für ein europäisches Kondiktionsrecht deshalb nicht, weil sie nicht zu einer ordentlichen Gestaltung beiträgt. Im Gegenteil, das Risiko, sich bei den vielen Ansprüchen zu verlieren, scheint mir größer zu sein, ohne das dies durch eine bessere, Z.B. flexiblere oder genauere, Anwendbarkeit des Rechtsinstitutes ausgeglichen wird. Wie die Analyse des italienischen - aber auch des römischen - Rechtes klarstellt, gibt es andere Alternativen zu dieser Vervielfältigung, einer davon wird im vierten Teil nachgegangen.
Kupisch, Atti Pisa, 446 f. Kaser, Bull. ist. dir. rom., 1961,69 ff.; Kupisch, aaO. (vorige Fn.). 191 Eine Bestätigung dafiir findet man m.E. in der großen Verbreitung der ac/io de in rem verso während des Mittelalters. 189
190
8"
Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
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c) (Einheitlicher) Kondiktionsanspruch nach italienischem Recht
Die spätklassische, von der deutschen Rechtswissenschaft im wesentlichen übernommene Gliederung in Kondiktionen hat im Codice civile keine tiefen Spuren hinterlassen. Die objektive und die subjektive Nichtschuld, Artt. 2033 bzw. 2036 C.C., stellen die einzigen beiden Rechtsfiguren dar, durch die der Gesetzgeber das gesamte Kondiktionsrecht geregelt hat. Die weiteren Vorschriften enthalten hauptsächlich Kondiktionssperren und Angaben zur Ausführung. Die Abneigung des Gesetzgebers gegen eine vermehrte Anzahl von Kondiktionsansprüchen findet die volle Unterstützung in der Doktrin. Eine jüngere Studie l92 geht in der Tendenz noch weiter voran. Die "zweisäulige" Struktur der Zahlung einer Nichtschuld wird hier auf der Grundlage des geltenden Rechts durch eine äußerst vertretbare, theoretische Konstruktion stark angegriffen. Es ist noch zu früh, um von einer Krise der herrschenden Auffassung zu sprechen. Diese Betrachtungsweise der objektiven Nichtschuld als des einzigen echten Kondiktionsanspruchs hat sich zwar bisher (noch) nicht durchsetzen können, ein solches Ergebnis scheint übrigens gegenüber dem heutigen Stand der Lehre unwahrscheinlich. Sie spiegelt sich aber im Interesse der Literatur - wenngleich auch erst de lege ferenda - für einen auf einem einzigen Anspruch beruhenden Aufbau des Kondiktionsrechtes. Der Neigung zur Vereinheitlichung ist zuzstimmen. Zunächst wird sie vom Wortlaut des Gesetzes selbst bestätigt, da der Codice civile im Unterschied zum BGB mehrere Ansprüche, die die causa in ihren Mittelpunkt stellen, nicht vorsieht. Im Gegensatz dazu schlägt die italienische Kodifikation bezüglich der Kondiktionsarten eindeutig den Weg der reductio ad unum ein, der in der Gesetzgebung zu (nicht mehr als) zwei Ansprüchen führt. Ferner wird dadurch für das Bereicherungssystem eine als POSItIV zu begrüßende Flexibilität gewährleistet. Die Struktur ist anpassungsfahig, weil sie einen Rechtsbehelf bildet, der in abstracto auf alle Fälle anwendbar ist, in denen eine Vermögensverschiebung unberechtigterweise stattgefunden hat. Gerade auf dieser Grundlage ist der Rechtsprechung dann eine solche Ausdehnung der Handhabung des Kondiktionsrechtes gelungen. Die Kondiktion ist im übrigen auch bei der vertraglichen Nichtigkeitsklage der einzige Mechanismus für die Rückgängigmachung der Leistungen, obwohl keine gesetzliche Bestimmung auf diese Funktion unmittelbar verweist. Das Kondiktionsrecht ist vornehmlich aufgrund äquitativer Gedanken geschaffen worden. Da die aequitas ihre Wirkung erst beim Versagen des Rechtssystems zum Tragen kommt, bedarf sie eines freien Raums, um dort eingreifen zu können, wo es notwendig erscheint. Die Flexibilität erweist sich dafür als das geeignetste Instrument. Deshalb muß sie aber nicht ohne weiteres mit einer Rechtsunsicherheit verbunden werden, welche in der Regel aus einem rein 192
Bregoli, passim.
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äquitativen Restitutionsmodell folgt. Die Konstruktion der Zahlung einer Nichtschuld zeigt die erwünschte Richtlinie für die Entwicklung innerhalb des Kondiktionsrechtes; allerdings handelt es sich nur um eine Stufe in dieser Entwicklung, die in Anbetracht eines künftigen europäischen Bereicherungsrechtes m.E. fortgesetzt werden sollte. Ein europäischer Kondiktionsanspruch sollte somit ein Gleichgewicht zwischen Flexibilität einerseits und Rechtssicherheit andererseits nicht verlieren. Flexibilität kann mit der Anwendung einer Generalklausel erzielt werden; Rechtssicherheit ist die Folge von klaren Herausgaberegeln, welche die Generalklausel konkretisierend unterstützen sollen 193. d) Das Kondiktionsrecht im Naturrecht
Von dem französisch-italienischen Modell- und darunter vor allem von dem geltenden Codice civile - wird die Struktur des traditionellen, römisch fundierten Kondiktionsrechtes zwar übernommen, man denke an die Herabsetzung der Anzahl der Kondiktionsarten. Die Ziele, wofür dieser Rechtsbehelf eingesetzt wird, differieren jedoch vom Urbild in erheblichem Maße. Ein Rechtsinstitut für die Wiedererlangung des verlorenen Eigentums - wie die römische condictio setzt nämlich notwendigerweise einen Tatbestand des Eigentumserwerbes voraus, in dem die Unwirksamkeit der causa im Grundgeschäft keine automatische Unwirksamkeit des Erwerbstatbestandes zur Folge hat. In einem Rechtssystem, in dem dieser Tatbestand in das Grundgeschäft miteinbezogen wird l94 , muß sich der Kondiktionsanspruch anpassen oder, angesichts der überwiegenden Funktion der Vindikation, verschwinden. Das deutsche Recht ist so strukturiert, daß weder der Wille allein noch z.B. die Übergabe allein den Eigentumsübergang verwirklichen. Beide müssen zu diesem Zweck zusammenkommen, wie § 929 BGB bezeugt, es sei denn, es gelangen Alternativen zur Übergabe zur Anwendung, Z.B. § 929 S.2 BGB. Hat jemand ohne rechtlichen Grund etwas erlangt, etwa ohne wirksamen Kaufvertrag, so bedeutet es nicht ohne weiteres, daß der accipiens infolgedessen kein Eigentum erworben hat. Eine Rechtsordnung, die neben einem den Übereignungswillen enthaltenden Rechtsgeschäft - im deutschen Sprachgebrauch "dinglicher Vertrag" - auch einen Realakt, d.h. eine Tradition in den Erwerbstatbestand einbezieht, braucht notwendigerweise kondiktionsrechtlich eine korrigierende Struktur, um die mit der äußeren Handlung verbundenen Rechtsfolgen rückgängig machen zu können. So funktioniert das geltende deutsche Recht, so funktionierte das römische Recht vor ihm. Das Nat-
193 Diese Gedanken basieren auf dem Diskussionsvorschlag, der im vierten Teil, A. geschildert wird. 194 Diese Behauptung wird infra in diesem Abschnitt und im nächsten Teil ad nauseam erklärt und wiederholt.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
turrecht ändert dieses Verhältnis zwischen Erwerb und Kondiktion drastisch: Fallen die Willenserklärungen bei der Parteien zusammen, so geht das Eigentum grundsätzlich über. Art. 1376 C.C. 195 erklärt im italienischen Rechtssystem diesen Mechanismus. Umgekehrt, erweisen sich die Willenserklärungen als mangelhaft, ist der Erwerb nach dem Grundsatz "quod nullum est, nullum producit ejJectum" unwirksam: Das Eigentum geht nicht über. Daraus erfolgt unmittelbar die Zwecklosigkeit eines Kondiktionsanspruches gegenüber der stets anwendbaren Vindikation seitens des besitzlosen Eigentümers. Man kann wohl entweder die Augen vor dieser unleugbaren Tatsache schließen - eben wegen einer größeren Flexibilität - oder man kann daraus Konsequenzen ziehen l96 , etwa betreffend einer neuen Funktion der Kondiktion als Besitzverschaffung l97 . Aber die wesentliche Unvereinbarkeit zwischen den Artt. 1376 und 2033 ff. C.C., d.h. zwischen einer (mehr oder weniger) auf Einwilligung gestützten Eigentumsübertragung und der Zurückverlangung der wirksam übertragenen Sache, bleibt bestehen. Auf diesem Kontrast beruht der innere Widerspruch des Erwerbssystems des Codice civile l98 .
e) Vorteile des italienischen Modells Die eben erwähnte Flexibilität des italienischen Kondiktionsrechtes wird hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Eigentumserwerb und Anwendbarkeit des Kondiktionsanspruches auf die Probe gestellt. Wie oben ausgeführt, herrscht in der Literatur große Unsicherheit darüber, ob die Zahlung - im Sinne des Art. 2033 C.C., also hauptsächlich die Vornahme einer Leistung auf dare von alleine zur Eigentumsübertragung ausreichend sei. Ist der Veräußerer Eigentümer geblieben, dann müßte er das suum vindizieren, nicht kondizieren. Dessen ungeachtet wird in der Judikatur ohne weitere Überlegungen dem Anspruch auf Herausgabe nach Artt. 2033 bzw. 2036 c.c. ständig stattgegeben. Ein Grund für dieses richterliche, von der h.L. ermutigte Verhalten könnte im Schwergewicht der traditio liegen. In klarem Kontrast zum deutschen Recht stellt das italienische System in den Mittelpunkt der kondiktionsrechtlichen Maschinerie die Betrachtung der (ungerechtfertigten) Vermögensverschiebung an
195 Art. 1376 c.c.: "Bei Verträgen, welche die Übertragung des Eigentums an einer bestimmten Sache, die Begründung oder die Übertragung eines dinglichen Rechtes zum Gegenstand haben, wird das Eigentum oder das Recht auf Grund der rechtmäßig geäußerten Einwilligung der Parteien übertragen und erworben". Übersetzung nach Bauer u.a. 196 ArgirojJi, Riv. dir. civ., 1976,passim. 197 Kupisch, Atti Pisa, 443. 198 Weiteres infra, vierter Teil, A. III. 2. c).
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sich. Die italienische Rechtsordnung berücksichtigt die variae causarum figurae im Bereicherungsrecht kaum, zumindest was eine Einordnung in Kondiktionsarten betrifft. Unter der Voraussetzung, daß sich die Vermögensverschiebung auf kein wirksames Grundgeschäft zurückführen läßt, wird ein Anspruch auf Herausgabe gewährt. Aus den angeführten Gründen bedeutet das italienische System im Vergleich zum deutschen Bereicherungsrecht, wie ich meine, einen Fortschritt. Die mehreren im deutschen Modell geregelten Ansprüche tragen wenig zu einer effektiven Einsetzung des Kondiktionsrechtes bei. Im Gegenteil, das Übermaß an theoretischen Überlegungen, das jedweden Aspekt des Bereicherungsrechtes begleitet, sorgt für Rechtsunsicherheit, ein Ziel, das die Rechtslehre gewiß nicht bezweckt. Dementsprechend läßt sich eine eigenartige Rechtslage feststellen: Das Bestehen von mehreren Ansprüchen, das theoretischerweise eine genaue Anwendung des Kondiktionsrechtes ermöglichen soll, kann verwirrend sein und somit bisweilen Rechtsunsicherheit erzeugen. Ein einheitlicher Kondiktionsanspruch hingegen, welcher Schwierigkeiten in ihrer konkreten Handhabung bereiten sollte, kann unter Umständen durch eine präzise Formulierung seines Anwendungsfeldes weniger als mehrere Anspruchsarten die Rechtssicherheit gefährden. Die verschiedenen Vorschläge der deutschen herrschenden Trennungslehre sind zwar nicht ohne Wirkung geblieben, können aber leider keinen auf das Bereicherungsrecht ausschlaggebenden Einfluß ausüben. Erfolgreich erscheint dennoch die funktionsbezogene Abgrenzung der Leistungs- von den Nichtleistungskondiktionen, wonach diese Ansprüche unter die Rechtsgebiete des Vertrags- bzw. Deliktsrechts eingeordnet werden. Der Preis dafür ist jedoch hoch. Er besteht in einer besonders harten Trennung, sozusagen in einem Riß, der sich durch das ganze Bereicherungsrecht zieht. Andererseits hat sich die Einheitslehre, vornehmlich in der Rechtsprechung, nie durchsetzen können. Den Verfechtern der Mindermeinung ist in vielen Fällen bewußt, daß sowohl die Rechtsgeschichte als auch die Tendenz in den jüngeren Rechtsordnungen, wie der italienischen, für ihre Auffassung sprechen, sie stoßen allerdings auf eine nicht so eindeutige Niederschrift im geltenden Recht und auf den Widerstand der Rechtsprechung. Doch verhilft die Neigung zur Vereinheitlichung dazu, einen klaren Überblick über die Herausgabemöglichkeit bei ungerechtfertigten Vermögensverschiebungen zu behalten. Das italienische Kondiktionsrecht deckt das gesamte Kondiktionsspektrum durch lediglich zwei Herausgabeansprüche, die im Einklang mit einem Teil der Rechtslehre auf nur einen einzigen Anspruch herabgesetzt werden können. Es ist hinsichtlich der Zahlung einer Nichtschuld vielleicht klärend zu betonen, daß Art. 2033 c.c. nicht nur die alte condictio indebiti regelt. Er beinhaltet einen allgemeinen Restitutionsanspruch, der sämtliche im deutschen Recht angewendete Kondiktionen ersetzt. Durch die Rechtsvergleichung werden somit die deutschen Kondiktionen im Laufe der Studie stets mit dem Anspruch aus Art. 2033 c.c. gegenübergestellt. Eine ande-
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
re, getrennte Frage betrifft dann die konkrete Anwendung des Kondiktionsrechtes. Angesichts der Entwicklung des deutschen Rechtes verdeutlicht eine parallele Untersuchung die bisweilen etwas vereinfachende Weise, mit der die italienische Rechtswissenschaft einige bereicherungsrechtliche Streitfragen löst. Dies kann nur zum Teil mit der Herabsetzung der Zahl der Ansprüche erklärt werden. Weitere Elemente kommen hinzu. Darunter fällt m.E. die andere Methodik, mit der in Italien Rechtsprobleme analysiert werden: Die rein theoretische Dogmatik hat hier eher Gewicht als die fallbezogene Kasuistik, weshalb nicht alle Fragen so vertieft werden, wie es hingegen die deutsche Methodik verlangen würde. Ferner spielt auch die unterschiedliche Struktur der Eigentumsübertragung eine erhebliche Rolle, da das italienische Rechtssystem der Vindikation ein viel breiteres Anwendungsfeld einräumt l99 . j) Dreiecksverhältnisse
Befiirchtungen einer uferlosen Ausdehnung der Klage werden von der Rechtsvergleichung in bezug auf die Ablehnung der Kondizierbarkeit bei sog. Dreiecksverhältnissen bestätigt. Die Überlegungen der deutschen Lehre 200 werden auch jenseits der Alpen201 als angemessen empfunden. Die Einschränkung des Kondiktionsanspruches auf die bereicherungsrechtlichen Parteien mit Ausschluß der Dritten ergibt sich aus dem Wortlaut der Artt. 2033 und 2036 c.c., die der Auslegung keinen Ermessensspielraum lassen: Bei der Zahlung einer Nichtschuld geht es im Codice civile nur um die Herausgabe des indebite Geleisteten. Der dafiir geeignete Anspruch heißt nach der deutschen Fachterminologie "Leistungskondiktion". Die Schwierigkeit, der die deutsche Rechtswissenschaft begegnet, besteht hingegen darin, daß § 812 I 1 BGB eine Bereicherung in sonstiger Weise, d.h. eine sog. Nichtleistungskondiktion, ausdrücklich vorsieht. Die h.L. korrigiert den Wortlaut des positiven Rechtes, das nach der direkteren Interpretation nur einen Kondiktionsanspruch zulassen würde, durch eine weitere Auslegung, die zwar einige Hindernisse überwindet, aber wieder eine ganze Reihe neuer Probleme aufwirft, wie z.B. der oben erwähnte Riß durch die einheitliche Struktur des Bereicherungsrechtes. Die operative Regel, die in der Praxis konkret zur Anwendung kommt, lautet somit: "Obwohl das Gesetz diese Möglichkeit offen läßt, wird der Dritte trotzdem vom Kreis der Kondiktionsberechtigten ausgeschlossen". Der Hauptgrund fiir die notwendige Aufstellung einer solchen Regel ist m.E. in der Furcht vor einer uferlosen Ausdehnung des Anspruches zu suchen. Wie auch immer man diese Formel bewer-
199 200 201
Näheres dazu infra, vierter Teil, A. III. 2. Vor allem Canaris, FS. Larenz, 1973, passim. Statt aller Trimarchi, 88 ff.
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ten mag, bleibt die Entfernung zwischen der gesetzlichen und der praktischen Angabe eine Quelle des Unbehagens in der h.L. Aufgrund der Struktur des geltenden Rechtes und der Grundsätze der Trennungslehre ist eine andere Lösung noch nicht in Sicht, zumal sich die Alternative einer jictio juris 202 bedient, die seitens der Rechtswissenschaft meistens auf Ablehnung stößt. Angesichts der offensichtlichen Auslegungsschwierigkeiten der deutschen Rechtswissenschaft kann die Errichtung einer Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise nicht der richtige Weg sein, mit der Rechtsfrage nach der Rolle des Dritten umzugehen. Die Lösung sollte vielmehr in einer Rückkehr zum ursprünglichen Modell der Gewährung des Anspruches nur bei Vornahme einer Leistung sein. Der in der vorliegenden Studie dargestellte Diskussionsvorschlag geht von dieser Überlegung aus und gibt dem Begriff der "Leistungskondiktion" als einzig möglichen Kondiktionsanspruches einen neuen Inhalt. Wie ausführlich erörtert wird, besteht die eigene Lösung in einer unterschiedlichen Bewertung der Positionen der Kondiktionsparteien: Beide müssen die Sache aufgrund einer, wenngleich nicht unbedingt derselben Leistung weitergegeben bzw. erhalten haben. g) Rolle des Irrtums
Der Irrtum als Tatbestandsmerkmal verabschiedet sich allmählich aus dem deutschen und französischen Rechtskreis 203 . Auf die Frage, ob der error eine zentrale Rolle im Bereicherungsrecht einnehmen sollte, antwortet die deutsche Kodifikation, wie es mir scheint, mit unmißverständlicher Ablehnung. Dies ergibt sich aus der systematischen Analyse. Erstens, der Irrtum wird in der "Generalklausel" des § 812 I BGB unter den Erfordernissen des Anspruches nicht miteinbezogen. Zweitens, die Entfernung des Irrtums aus dem Tatbestand ist ein klares Zeichen der gesetzgeberischen Ansicht, die durch die Regelung in einer getrennten Vorschrift, etwa § 814 BGB, deutlich wird204 • Aufweiche Kondiktionsarten der Tatbestand des § 814 BGB Anwendung findet, ist vor allem im Wege der Auslegung zu erklären. Schon die Regelung des Irrtums in einer von der condictio getrennten Vorschrift deutet auf seine Entfernung aus den wesentlichen, den Tatbestand qualifizierenden Merkmalen hin. Er beeinflußt vielmehr So Kupisch, 1978, passim. A.A. Mayer Maly, FS. Lange, 301, nach dem hinsichtlich der Bedeutung negativer Tatbestandsabgrenzungen wie in § 814 BGB "ein Minimum von Beziehungen zwischen Bereicherungsrecht und Irrtumslehre unentbehrlich" ist. 204 Dies sieht auch Mayer Maly, FS. Lange, 296, ein: "In der Tat ist die gesetzliche Ausgestaltung des Bereicherungsrechts durch das BGB im Zeichen einer deutlichen Distanzierung vom Irrtumsproblem". 202 203
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die Anwendbarkeit des Anspruches aus § 812 I BGB als externes Element. Die Systematik spricht also gegen eine allgemeine Ausdehnung des Irrtums auf alle Kondiktionsansprüche. Der Codice civile beseitigt jegliche Zweifel an der Rolle des Irrtums im Kondiktionsrecht. Dieser taucht ausdrücklich lediglich bei der Zahlung einer subjektiven Nichtschuld aus Art. 2036 c.c. als Tatbestandsmerkmal auf. Daraus entnimmt man folgerichtig, daß er bei allen anderen Ansprüchen nicht in Betracht kommen soll. Angenommen, daß Art. 2033 c.c. eine Art Generalklausel enthält, kann man dann die Denkweise umkehren und zur Schlußfolgerung kommen, daß der Irrtum im italienischen Recht nur ausnahmsweise kondiktionsrechtlich relevant wird. An der zwischen der deutschen und der italienischen Kodifizierung vergangenen Zeit läßt sich die Entwicklung der Rolle des Irrtums in der modemen condictio deutlich ablesen: Der error, (vermutlich) unentbehrliches Charakteristikum des römischen Kondiktionsrechtes, wird zum externen Bestandteil des deutschen Anspruches und dann nur marginal relevantes Merkmal der italienischen Zahlung einer Nichtschuld. Der Verlust an Bedeutung des Irrtums könnte ein Hinweis darauf sein, daß die Kondiktion sich schrittweise zu einem allgemeinen Instrument für die vom psychologischen Zustand des tradens unabhängige Herausgabe sämtlicher Vermögensverschiebungen wandelt. Selbstverständlich bildet eine auf nur zwei Rechtssysteme begrenzte Untersuchung eine allzu geringe Basis für die Vertiefung dieser sehr interessanten Perspektive, die jedenfalls in die eigene Lösung aufgenommen wird.
11. Die weiteren Kondiktionen Es folgt nun eine sehr komprimierte Darstellung der weiteren Kondiktionsarten nach dem justinianischen Schema. Dadurch sollten vor allem die Parallelen zwischen den verglichenen Rechtssystemen ans Licht gebracht werden, um die am Anfang formulierte Behauptung zu unterstützen, wonach die zwei italienischen Herausgabeansprüche das gesamte Sprektrum der deutschen Kondiktionen abdecken. Die die einzelnen Kondiktionen betreffenden Probleme werden dabei nur ganz allgemein angesprochen.
1. condictio ob causam finitam
Der unterschiedliche Anwendungsraum dieser Kondiktion hebt die andersgearteten Strukturen der Eigentumsübertragung in den beiden Rechtsordnungen hervor. Selten bezieht sich die deutsche Rechtspraxis auf diesen Anspruch, während diese Fallkonstellation im italienischen System infolge der Übernahme des naturrechtlichen "Willensdogmas" häufiger vorkommt. Die gegenwärtige deutsche Systematik führt diese Kondiktion ohne weiteres auf den Tatbestand
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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des § 812 12 Alt. 1 BGB zurück. Dank dem klaren Wortlaut der Vorschrift fällt die Einordnung einfacher als im italienischen Recht, in dem die gesetzliche Voraussicht einer Einteilung in objektive und subjektive Nichtschuld die nachklassischen condictiones ersetzt hat205 . Die gesetzliche Regelung der Rechtsfigur ergibt sich daher aus der breiten Formel des Art. 2033 c.c. a) Die Kondiktion nach deutschem Recht
Diese Kondiktion kommt gern. § 812 I 2 Alt. I BGB erst in Betracht, wenn eine ursprünglich in allen ihren Bestandteilen vollständige Verfügung nach der Übertragung des Eigentums ihre causa verliert. Die daraus entstandene Vermögensverschiebung kann sich auf keinen wirksamen rechtlichen Grund mehr stützen und löst folglich einen Kondiktionsanspruch aus. Die praktische Relevanz dieser Kondiktion wird gesetzlich durch eine Reihe von Sonderregelungen 206 erheblich beschränkt. Echte Anwendungsfälle der condictio ob causam jinitam kommen aufgrund der erwähnten Gesetzgebung relativ selten vor. Die Kondiktion findet in der Praxis wenig Beachtung, weil gewöhnlich der Wegfall des rechtlichen Grundes ex tune erfolgt: Man kann von keiner Beendigung der Kausa reden, weil infolge der Rückwirkung der Vertrag nie zustande gekommen ist. Die wenigen von diesem Anspruch betroffenen Fallkonstellationen werden als bloße Residualfälle betrachtet207 • Darunter fallen vornehmlich der Eintritt der auflösenden Bedingung nach der Bewirkung der Leistung 208 und die vorzeitig beendeten Dauerschuldverhältnisse209 • Ein wichtiger Anwendungsfall des Bereicherungsausgleiches wegen Fortfalls des Rechtsgrundes liegt in der einverständlichen Aufhebung eines Vertragsverhältnisses, falls sich die mit dem Vertragsabschluß beabsichtigten Motive noch nicht völlig realisiert haben. Beispiel: Einem Ehepaar wird eine Mietwohnung mietfrei überlassen, die Eheleute werden ihrerseits die Renovierung der Wohnung übernehmen. Nach
Unbestritten, statt aller Moscati, Pagamento, 99 ff. Darunter fällt der sehr wichtige Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit gern. § 323 III BGB, aber auch §§ 527 I f, 531 BGB usw., s. Esser, 1960, 789; ReuterlMartinek, 139 f. Es handelt sich hierbei um Fälle von Rechtsfolgeverweisung, in denen der Rechtsgrund gerade nicht wegfällt. 207 LarenzlCanaris, 147. 208 ErmanlWestermann, § 812 Rdnr. 48; Schlechtriern, 1995, Rdnr. 649; Giesen, 179. A.A. Fikentscher, Rdnr. 1100; Medicus, 1997, Rdnr. 647. 209 StaudingerlLorenz, § 812 Rdnr. 101; ReuteriMartinek, 141 ff.; LarenzlCanaris, aaO. (vorige Fn.); RGRKlHeimann-Trosien, § 812 Rdnr. 82; BGHZ 111, 125. 205
206
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
einigen Jahren wird von der Ehefrau eine Miete vereinbart, der Ehemann erbringt dennoch die Bauleistung weiter. Ihm wird ein Kondiktionsanspruch aus § 812 I 2 1. Alt. Gegen die Vermieterin zugesprochen 210 . b) Die Kondiktion nach italienischem Recht
Aufgrund des sog. "Willensdogmas", das die vom Vorbild des Code civil geprägten Rechtssysteme kennzeichnet, ergeben sich im Rechtsverkehr nicht selten die Voraussetzungen der condictio ob causam finitam. So z.B. bei der Rückgängigmachung eines Vertrages, der im Zustand einer Gefahr ex Art. 1447 c.c. abgeschlossen worden ist, bzw. bei der allgemeinen Klage auf Rückgängigmachung wegen Verkürzung ex Art. 1448 c.c. In den bei den letzten Beispielen haben die Klagen gern. Art. 1452 c.c. keine rückwirkende Kraft. Der fehlerhafte Vertrag, dessen sofortige Nichtigkeit jedoch nicht vom Gesetz gefordert wird, ist ein weiteres Beispiel für den Anwendungsbereich der Kondiktion. Eine solche Fallkonstellation stellt Art. 1441 ff. c.c. dar, die die Nichtigkeitserklärung regeln. Die von einem Dritten schon erworbenen Rechte bleiben trotz der Anfechtung unberührt, so Art. 1445 c.c. Infolge der Rückgängigmachung, Anfechtung usw. kommen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der condictio indebiti nicht zustande. Es handelt sich dabei um einen anderen Tatbestand, der nach dem spätrömischen Recht eine condictio ob causam finitam auslöst. Im modemen, geltenden italienischen Recht verliert die Unterscheidung angesichts der einheitlichen Regelung aller Kondiktionen des Art. 2033 c.c. - und vielleicht auch des Art. 2036 c.c. - an Bedeutung. Die Zulässigkeit der Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung beim Wegfall des rechtlichen Grundes ist heute so gut wie unbestritten. Die Judikatur211 gibt dem Anspruch aus Zahlung einer Nichtschuld beim Vorliegen der Voraussetzungen der alten condictio ob causam finitam ohne Schwierigkeit statt. In manchen Entscheidungen 212 verwischt der Unterschied zwischen der fraglichen Kondiktion und der condictio indebiti. Scheinbar begreifen die Gerichte bisweilen die Kondiktion nicht als selbständiges Institut und bezeichnen deshalb sämtliche Kondiktionsansprüche als condictiones indebiti. Dieses Mißverständnis bleibt allerdings ohne Auswirkungen, weil fast jede Kondiktion sich 210
tert.
BGHZ III (1991), 125. Der Fall wird unten, vierter Teil, B. III. 8. ausfiihrlieh erör-
211 Cass.l9. 09. 1975 n. 3066, Giur. it., 1976, I, I, 1852; Cass., 13.04. 1995 n. 4268, Mass. Giur. it., 1995. 212 Cass. 29. 10. 1993 n. 10752, Rep. Foro. it., 1993, Indebito, 11.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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auf die Zahlung einer objektiven Nichtschuld aus Art. 2033 c.c. zulÜckführen läßt. Auch die überwiegend h.L. 213 stimmt einer uneingeschränkten Anwendung des Art. 2033 S. I c.c. zu. Im Schrifttum214 ist der Begriff "condictio ob causam finitam" eher selten zu finden. In der Regel leitet man215 die von dieser Kondiktion umfaßten Fälle schlichtweg aus dem Tatbestand der Zahlung einer Nichtschuld her. Wie bereits gesehen, bringt die ungenaue Einordnung der fraglichen Rechtsfigur, der sich auch die Lehre 216 nicht entzieht, angesichts der identischen Regelung beider Kondiktionen keine negativen Auswirkungen auf die Rechtslage mit sich. Dementsprechend spricht man von Kondiktion wegen Wegfalls des Rechtsgrundes auch hinsichtlich Fallkonstellationen, in denen ein nichtiger Vertrag angefochten wird. Weil aber im italienischen Recht das Prinzip quod nu/lum est nu/lum producit ejJectum gilt, und deshalb die Nichtigkeit IÜckwirkende Kraft hat, handelt es sich also - statt um condictiones ob causam finitam - um echte condictiones indebiti. Beispiel: Der Beklagte hatte auch nach dem Abschluß des Konkursverfahrens weitere Schecks ausgeben, obwohl seine Finna aufgelöst wurde. Da die Bank von der Insolvenz, die zur Auflösung des Bankvertrages mit der juristischen Person gern. Art. 78 R.D. 26. 03. 1942 n. 267 geführt hatte, nicht wußte, bezahlte sie ohne rechtlichen Grund die Schecks an Dritte. Der Kassationshof gibt der Rückforderungsklage der Bank aus Zahlung einer Nichtschuld gegen den Anweisenden auf der Basis einer condictio indebiti ob causamfinitam (sie!) statt217 • c) Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick
Das seltene Vorkommen der condictio ob causam finitam erklärt zumindest teilweise den Grund, weshalb sie Anlaß zur Anwendungsschwierigkeiten gibt. In Italien wird sie oft mit der condictio indebiti verwechselt. In Deutschland gelingt es ihr wenn überhaupt, nur zum Teil, sich ein eigenes Anwendungsfeld zu verschaffen. In bei den Rechtssystemen bildet sie dennoch ein Rechtsinstitut, das trotz der Unsicherheit bezüglich seiner genauen Grenzen ein unentbehrliches
213 Rescigno, 1968, 1228; Bigliazzi Geri/Breccia/Busnelli/Natoli, 813; Galgano, 360; Di Majo, 1993,300. 214 Breccia, 1989,4. 215 Bianca, 795. 216 Statt aller Cendon, Art. 2033,2.
217
Cass. 01. 08.1992 n. 9167, Giur. it., 1993, 1,1,1268, mit Anm. Weigmann.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Instrument im Rahmen des kondiktionsrechtlichen Mechanismus darstellt. In der deutschen Literatur218 gibt es sogar Zeichen einer erneuten Belebung der condictio ob causam finitam. Die Aufführung vorrangiger Institute im BGB und die Nichtbeachtung seitens der italienischen Rechtswissenschaft erwecken keineswegs den Eindruck, es handle sich hier um ein nunmehr gegenstandsloses Überbleibsel aus der spätrömischen Systematik. Aus der Rechtsvergleichung zwischen einer auf getrennten Herausgabeansprüchen basierenden Rechtsordnung mit einer solchen, die die Generalklausel vorzieht, ergibt sich, im Gegenteil, daß sich das Kondiktionsrecht unabhängig von der gewählten Regelung mit dem Tatbestand der Beendigung des Rechtsgrundes sehr wohl beschäftigen sollte. Bei der Verwendung eines einheitlich konzipierten Kondiktionsanspruches würde dies heißen, daß lediglich die Benennung, nicht die Funktion des Instituts in Vergessenheit geraten könnte, wie das italienische Rechtssystem bezeugt. Dort wird die condictio ob causam finitam als gewöhnlicher Restitutionstatbestand im Rahmen der Zahlung einer Nichtschuld angewendet, wenngleich die klassische Denomination den meisten nicht mehr gegenwärtig ist. 2. condictio ob rem
Das deutsche Recht widmet der condictio ob rem einen eigenen Anspruch, § 812 I 2 a.E. BGB, dem sich die Kondiktionssperre aus § 815 BGB an die Seite stellt. Im italienischen Recht fallt auch diese Kondiktion unter den Tatbestand des Art. 2033 S. 1 C.c. a) Die Kondiktion nach deutschem Recht
Dem Wortlaut des Gesetzes nach kommt diese Kondiktion dem Entreicherten zugute, wenn "der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt". Die Kondiktion wegen Zweckverfehlung findet somit innerhalb der rechtlichen Regelung einen eigenen Raum zwischen der condictio indebiti, die die anfangliche Nichtigkeit der Leistung berücksichtigt, und der condictio ob causam finitam, die mit der Beendigung des Rechtsgrundes verbundenen Probleme Fälle betrifft, in denen sich das Ziel des Rechtsgeschäfts nicht verwirklicht hat.
218 Nach LarenzlCanaris, 147: "Wenngleich die praktische Bedeutung dieses Kondiktionstatbestandes nicht sonderlich groß ist, dürfte das in ihm liegende Lösungspotential noch keineswegs voll ausgeschöpft sein". Beispiel bildet hier die Nichtrückzahlung eines fälligen Kredits.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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Die modeme Rechtslehre219 zeigt eine gewisse Unsicherheit bei der dogmatischen Einordnung der Kondiktion wegen Zweckverfehlung. In der Literatur220 wird sie überwiegend fur ein Überbleibsel aus der Zeit der Innominatkontrakte, d.h. der nicht typisierten Verträge, gehalten. Diesbezüglich kann man dem Gesetzestext entnehmen, daß es sich um eine Leistung handelt, die mit einer besonderen, über den vertraglichen Rechtsgrund hinausgehenden Abrede verbunden ist. Der Mangel an einem Rechtsgrund bei der Leistung würde den Tatbestand der condictio indebiti auslösen, dessen Eingrenzung gegenüber der condictio ob rem nicht besonders schwierig sein dürfte. Die heftigste Streitfrage bei der Kondiktion wegen Zweckverfehlung betrifft vielmehr die Rechtsinstrumente, die bei der Nichterhaltung der Abrede seitens des Leistungsempfangers dem Leistenden zunutze kommen können. Gerade darüber herrscht spürbares Unbehagen in der Literatur. Tatsache ist, daß das BGB keine speziellen Regeln fur der Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorgesehen hat. Die Rechtsfortbildung hat somit dafur einige Fallgruppen aufgrund des § 242 BGB entwikkelt221 • Hingegen sind die Leistungsstörungen im BGB, §§ 275 ff. und 323 ff., geregelt worden; somit muß sich die condictio ob rem auf jene übrigen Fälle beziehen, in denen dem Leistenden kein Rechtsbehelf gewährt wird, um die Gegenleistung gemäß der Abrede - d.h. nach der Terminologie des § 812 I 2 a.E. BGB dem bezweckten Erfolg -, zu erzwingen. Folgerichtig fuhrt lediglich die Lehre des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zum Risiko einer tatsächlichen Überlagerung der Anwendungsbereiche. Daraus entstehen einige Eingrenzungsprobleme, zumal die fragliche Kondiktion gewöhnlich vertragliche Leistungen betrifft, wie in der Literatur222 richtigerweise betont wird. Praxis und Lehre bemühen sich folglich um eine zufriedenstellehde Differenzierung zwischen den Fallkonstellationen, bei denen die Lehre des Wegfalls der Geschäftsgrundlage Anwendung finden soll, unq denjenigen, bei denen die Nichterhaltung der Abrede die kondiktionsrechtliche Rückabwicklung ermöglichen soll. Die Trennungslinie beweist sich aber bisweilen als sehr unscharf223 • Den Schlüssel fur die Einordnung unter das vertragliche bzw. das bereicherungsrechtliche Instrumentarium sieht man im Vorhandensein einer "Grundlage", d.h. eines von den Parteien fur die Gültigkeit des Vertrages vereinbarten und unent-
219 Nach Esser, 1960, 793, wird kein Bereicherungsanspruch "seinem Wesen und seiner Bedeutung nach so oft mißverstanden wie die condictio ob rem". 220 Vgl. v. Caemmerer, Bereicherung, 346 f.: "Im Bereicherungsrecht ist sie im Grunde ein Fremdkörper". Zust. Kupisch, 1985, 169; ders., Bereicherung, 36; ErmanlWestermann, § 812 Rdnr. 50. A.A. MünchKommiLieb, § 812, Rdnr. 158. 221 Schlechtriem, 1997, Rdnr. 298 ff. 222 StaudingerlLorenz, § 812 Rdnr. 105; LarenzlCanaris, 151. Nach Medicus, 1997, Rdnr. 651, geht es meistens um die Tilgung einer Schuld. 223 KoppensteineriKramer, 55 f.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
behrlichen Elements des Rechtsgeschäfts. Die h.A.224 bevorzugt die Lehre des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, falls sich aus der Vereinbarung der Parteien das Vorhandensein einer echten Grundlage ergibt. Folglich kommt die Kondiktion erst in Betracht, wenn eine Leistung aufgrund keiner vorherigen Vertragsgrundlage erbracht worden ist. Die Betrachtung wird deswegen vorgezogen, weil sie das sog. Alles-oder-Nichts-Prinzip vermeidet und eine Vertragsanpassung begünstigt225 . Die Rechtsgrundabrede 226 zwischen Leistendem und Leistungsempfänger gibt Anlaß fiir die Anwendung der condictio ob rem 227 . Sie muß mehr als ein bloßes, einseitiges Motiv darstellen, um den bereicherungsrechtlichen Rechtsbehelf auszulösen. Zumindest soll der Empfänger die besondere Erwartung des solvens kennen 228 . Beispiel: Der Kläger und der Beklagte sind in ungeteilter Erbgemeinschaft Eigentümer eines Grundstückes. Der Kläger schenkt dem Beklagten das Grundstück; dabei wird eine Schenkungsabrede mündlich getroffen, wonach der Beklagte fiir die nächsten zwanzig Jahre den Gegenstand nur mit Zustimmung des Schenkers verkaufen bzw. vermieten darf. Wenige Jahre nach Vertragsabschluß vermietet der Beklagte ungeachtet der Abrede das Grundstück. Folglich kondiziert der Miterbe die erbrachte Leistung. Der Klage wird stattgegeben: Es handelt sich nicht um eine Schenkung unter einer Auflage, sondern um eine Zweckschenkung, in der die Zweckerreichung die Geschäftsgrundlage der Abrede bildet, welche auf einer stillschweigenden, tatsächlichen Willensübereinstimmung der Beteiligten basiert229 . Unter dem Erfordernis des bezweckten Erfolgs nach § 812 I 2 Alt. 2 versteht die h.M.230 die vertragliche Gegenleistung, d.h. die im Rechtsgeschäft231 getrof-
224 Vgl. Esser, 1960, 794; ReuteriMartinek, 160; MünchKomm/Lieb, § 812, Rdnr. 165 f.; Koppensteiner/Kramer, 57 f.; Schildt, JuS 1995,953. Über den Vorrang des Vertragsrechts gegenüber den Regeln der condictio ob rem in der Rechtsprechung s. BGH NJW 1992,2690; RGRKlHeimann-Trosien, § 812 Rdnr. 88 ff.; Schlechtriem, JZ 1988, 858. A.A. Liebs, JZ 1978, 697, 702, nach dem "das ganze Recht der Leistungskondiktionen, das ganze Abwicklungsrecht ein Stück ergänzender Vertragsauslegung ist". 225 So Schlechtriem, 1995, Rdnr. 653. 226 Larenz/Canaris,
152. Reuter/Martinek, 150; MünchKomm/Lieb, § 812, Rdnr. 164; Nach ErmanlWestermann, § 812 Rdnr. 51, kommt es "daher entscheidend auf die Art der 227
Zweckbestimmung in dieser Kondiktionsform an". S. in der Rechtsprechung BGH WM 1990,819; OLG Köln NJW 1995,2232,2233. 228 Einseitige Erwartungen genügen nicht, BGHZ 115, 261; LG Gießen NJW-RR 1994, 1410.
229 BGH NJW 1984,233. 230 Statt aller Larenz/Canaris, 151; Kupisch, 1985, 169.
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fene Austauschvereinbarung, aufgrund derer die nicht berechtigte Vennögensverschiebung stattgefunden hat. Die erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, die hier nur angedeutet wurden, haben die Rechtsprechung232 zur Feststellung von Fallgruppen veranlaßt, von deren Zweckmäßigkeit nunmehr auch die Rechtslehre233 überzeugt ist. Es handelt sich um Fälle der Vorleistung234 bei fehlendem Rechtsverhältnis in der Erwartung, daß der Mangel später geheilt wird, um Fälle der Veranlassung235 , in denen der solvens erfolglos versucht, mit seiner Leistung den Leistungsempfänger zu einem Verhalten zu veranlassen, und außerdem um Fälle der Zweckverwendung236, in denen eine Leistung mit einem weiteren, über den nonnalen, wirtschaftlichen Zweck des Vertrages hinausgehenden Zweck erbracht worden ist, aber dieser zweite einvernehmliche Zweck nicht erreicht wird. b) Die Kondiktion nach italienischem Recht
Keine selbständige Bestimmung beschäftigt sich mit einem ausschließlich der condictio ob rem gewidmeten Anspruch. Die Rechtsfigur wird deshalb wie üblich vom Anwendungsbereich des Art. 2033 c.c. umfaßt. Denn unter den weit gefaßten Tatbestand dieser Klausel läßt sich die condictio ob rem unschwer subsumieren. Echte Fälle, in denen einer causa data keine causa secuta nachfolgt, kommen in der Judikatur aufgrund der im italienischen System herrschenden Prinzipien, unter anderem dem des Willensdogmas, selten vor. Die Debatte über die rechtliche Relevanz der Motive findet üblicherweise innerhalb des Vertrags-
231 "Keinesfalls meint Rechtsgeschäft Leistungsgeschäft, z.B. die Übereignung", so Kupisch, aaO. (vonge Fn.). 232 RGRKlHeimann-Trosien, § 812 Rdnr.91 ff. 233 StaudingerlLorenz, § 812 Rdnr. 106 ff.; ReuterlMartinek, 151 ff.; MünchKommlLieb, § 812, Rdnr. 174 ff.; ErmanlWestermann, § 812 Rdnr. 53 ff.; LarenzlCanaris, 152 ff.; Schlechtriem, 1995, Rdnr. 652. Jeweils mit Unterschieden. 234 OLG Hamm OLGZ 1988,360,363. 235 BGH NJW 1989,2745. 236 BGH NJW-RR 1990, 827; BGHZ 108,256, 261. Dieser Fall ist allerdings in der Lehre umstritten, s. ReuteriMartinek, 154 ff. Zust. KoppensteineriKramer, 58. 9 G.gho
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
rechtes 237 statt, das der Rechtswidrigkeit der bloßen Motive eine ausführliche Regelung widmet. Nach Artt. 1345 i.V.m. 141811 c.c. gelten sie als Nichtigkeitsgrund, falls die Rechtswidrigkeit beiden Parteien zur Last fällt. Nimmt man die Auffassung der überwiegend h.M. an, der m.E. zuzustimmen ist, wonach sich die Restitution bei Nichtigkeitsklagen nach den Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld richtet, dann wird die Qualifikation der zugrundeliegenden, die Haftung auslösenden Rechtsfigur an Bedeutung verlieren. Die erwähnte Normenkombination bringt eine Verweiskette238 zustande, durch die die Ausdehnung des Kondiktionsrechtes auf die Motive rechtmäßig gelingt. Des weiteren verengt die Tatsache, daß der Irrtum normalerweise 239 kein zur Verwirklichung des Tatbestandes der Zahlung einer Nichtschuld erforderliches Merkmal bildet, noch mehr den Anwendungsraum der fraglichen Kondiktion, weil auch die Erfüllung eines wegen eines Formmangels fehlerhaften Vertrages in der Erwartung, daß der Mangel später geheilt wird, auf die condictio indebiti zurückzuführen ist. Keine Regelung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage läßt sich aus dem Codice civile entnehmen, da diese Rechtsfigur von dem italienischen, wie auch von dem deutschen Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden ist. Die ältere Rechtsprechung hatte daraus geschlossen, daß das Motiv, die sog. Voraussetzung 240 , jenseits des vertraglichen Raums lag und daß es deshalb auf den Vertrag selbst keinen rechtsrelevanten Einfluß hätte ausüben dürfen241 . Gegen diese Meinung hat sich dennoch die abweichende, richterliche Ansicht durchgesetzt, die eine Lehre des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach deutschem Modell befürwortet. Unter "Voraussetzung" versteht man die Existenz einer objektiven, den Parteien gemeinsamen und von ihnen nicht veränderbaren Tatsache, die die Parteien zur stillschweigenden Grundlage des Kontraktes gemacht haben, ohne allerdings auch nur implizit auf sie hinzuweisen 242 . Beispiel: Der Kläger hat einen Tauschvertrag mit der Gemeinde abgeschlossen, in dem er Ackerland für einen Baugrund tauschte, auf dem er einige Wohnungen errichten wollte. Weil die Baugenehmigung dennoch nicht erteilt wurde,
237 Die italienische Kodifikation kennt den Begriff des "Rechtsgeschäfts" nicht, obwohl er zum allgemeinen Wortschatz von Lehre und Rechtsprechung gehört; kritisch über seine unnötige, verbreitete Anwendung s. Galgano, 1988, 15 f. 238 Artt. 1345, 141811, 1422,2033 ff. c.c. 239 Ausnahme: Zahlung einer subjektiven Nichtschuld gern. Art. 2036 I c.c. 240 Auf italienisch presupposizione. 241 S. einen Überblick in Bigliazzi Geri/Breccia/Busnelli/Natoli, 1987,11,2,664 ff. 242 Cass., 17. 05. 1976 n. 1738, Rep. Giur., it., 1976, Obbligazioni e contratti, 278 ff.; 24. 10. 1980 n. 588, Riv. not., 1980,953.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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klagt er auf die Nichtigkeit des Vertrages. Der Klage wurde stattgegeben: Die Parteien hatten zwar im Vertrag die Bebaubarkeit des Baugrundes nicht ausdrücklich erwähnt. Beide hatten dennoch diese Situation als Voraussetzung der Willensübereinstimmung bedacht243 . Unter die Lehre der Voraussetzung können tatsächlich einige Tatbestände subsumiert werden, die die Römer in die Kategorie der condictio ob rem eingeordnet hatten. Trotzdem werden diese Fallgruppen letzten Endes konkret durch die Anwendung der Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld gelöst, weil auf diese Vorschriften die vertragliche Nichtigkeitsklage hinsichtlich der Modalitäten der Rückabwicklung verweist. Die Grenzen der Voraussetzungslehre sind jedoch sehr eng: Die Voraussetzung muß in einem objektiven Umstand bestehen, welchen beide Parteien als implizites und entscheidendes Motiv des Vertragsabschlusses betrachten. Einige Fallkonstellationen, die theoretischer zur Kondiktion wegen Zweckverfehlung gehören, bleiben davon ausgeschlossen. So fällt Z.B. der Fall nicht darunter, in dem der Kläger eine Leistung, zu der er nicht verpflichtet ist, in der Hoffuung auf spätere Vorteile, deren Versprechen den Versprechenden nicht bindet, erbringt. Beispiel: Ein Verlobter hatte im Haus der künftigen Schwiegereltern hinsichtlich der künftigen Eheschließung Verschönerungsarbeiten ohne Gegenleistung geleistet. Als das Verlöbnis gelöst wurde, klagte der Verlobte auf Herausgabe der vom ihm gezahlten Nichtschuld gern. Art. 2033 c.c. Die Klage wurde abgewiesen244 • Solche Fallkonstellationen, die in der Judikatur Anlaß zu äußerst seltenen Entscheidungen geben, sollten nach der traditionellen Einordnung zur Handhabung der condictio ob rem, d.h. - nach geltender Terminologie - der Zahlung einer Nichtschuld, fUhren; die Rechtsprechung 245 zieht hingegen die allgemeine Bereicherungsklage246 ex Art. 2041 c.c. vor. Dies bedeutet eine Abwendung von der klassischen Konstruktion zugunsten einer nichtkondiktionsrechtlichen Lösung. Für oder gegen diese Entwicklung, auch im allgemeinen zu der Kondiktion wegen Zweckverfehlung selbst, nimmt die Doktrin keine präzise Stel-
243
Cass., 17. 05. 1976 n. 1738.
244 App. Venezia, 20. 12. 1957, Rep. Giur. it., 1958, Indebito, 4.
245 App. Venezia, 20. 12. 1957; solche Fälle sind von der Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten meines Wissens nicht behandelt worden. 246 Näheres zu dieser Klage infra, C. II. 2. b), in diesem Teil.
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lung 247 . Die condictio ob rem erscheint somit im Rahmen des geltenden Rechtes ihre Rolle ausgeschöpft zu haben. c) Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick
Eine kritische Untersuchung der römischen, deutschen und italienischen Rechtsordnungen bestätigt, daß der Einfluß des Irrtums immer schwächer geworden ist, und zwar insbesondere während des Zeitraums zwischen BGB und Codice civile. Abgesehen von der Zahlung einer Nichtschuld, die nur im Ausnahmefall der subjektiven Nichtschuld den Irrtum als Tatbestandsmerkmal voraussieht, wird dieser Eindruck durch den Ausschluß der deutschen Kondiktion wegen Zweckverfehlung vom Anwendungsbereich des § 814 BGB verstärkt248 • Diese Vorschrift gilt nunmehr lediglich rur einige bestimmte, wenngleich wichtige Tatbestände des Kondiktionsrechtes. Ob die modemen Rechtssysteme anhand der geltenden Regeln eine condictio ob rem überhaupt benötigen, ist meiner Ansicht nach hier die entscheidende Frage. Die Rechtsvergleichung kommt diesbezüglich zu folgenden Ergebnissen: In Deutschland ist eine Kondiktion wegen Zweckverfehlung ausdrücklich in der Kodifikation erwähnt, sie kommt dennoch durchaus selten zur Anwendung, weil sich andere Rechtsinstitute als geeigneter erwiesen haben, der geschehenen Zweckverfehlung Rechnung zu tragen. In der Praxis sind allerdings einige wenige Fallgruppen aufgetaucht, die der Rechtsprechung zufolge unter den Tatbestand des § 812 I 2 a.E. BGB subsumiert werden sollen. In Italien wird eine gesetzliche Regelung der condictio ob rem angesichts der Existenz der Zahlung einer Nichtschuld als eines allgemeinen Kondiktionstatbestandes überflüssig. Wie auch in Deutschland, gehören die meisten Fälle, die einst mit jener Rechtsfigur gelöst wurden, dem Vertragsrecht an. Des weiteren trägt das Bestehen einer allgemeinen Bereicherungsklage dazu bei, daß eine Anwendung des Kondiktionsrechtes zwar möglich wäre, aber nicht mehr nötig ist. Dementsprechend wendet die Judikatur, die vielleicht eine condictio ob rem als historische Rechtsfigur gar nicht kennt, in den vereinzelten Entscheidungen über die Zweckverfehlung der Leistung, die keine sonstige Einordnung finden, unmittelbar den Tatbestand des Art. 2041 c.c. an.
247 Diese Kondiktion wird in der Lehre nur von Di Majo, 1993,301, erwähnt, übrigens ohne den Begriff weiter zu erklären. Moscati, Pagamento, betrachtet sie lediglich unter einem rechtshistorischen (S. 106 Fn. 4 f.) oder rechtsvergleichenden (S. 150 Fn. 27) Blickwinkel, ohne ihrer Bedeutung im geltenden Recht genauer nachzugehen. 248 MünchKomm/Lieb, § 814, Rdnr. 3; Jauernig/Sch/echtriem, § 814,2, cc.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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Darf man in diesem Zusammenhang zur Schlußfolgerung kommen, daß sich die condictio ob rem langsam, aber sicher vom modemen Bereicherungsrecht verabschiedet? Dies ist m.E. zu verneinen. Es gibt nämlich durchaus einige mit unklarer, oder sogar überhaupt nicht vorhandener Abrede erbrachte Leistungen, die in der Grauzone zwischen vertraglicher und Gefälligkeitstätigkeit liegen. Bei der Zweckverfehlung einer Leistung, d.h. der causa non secuta des Mittelalters bedarf der solvens eines kondiktionsrechtlichen Restitutionsrechtsbehelfes. Ansonsten würde der accipiens ungerechtfertigterweise von einer Leistung profitieren, die, wie er zum Zeitpunkt der Annahme gemäß dem Tatbestand wohl wußte, vom Leistenden zu einem bestimmten Zweck vorgenommen wurde. Die italienische allgemeine Bereicherungsklage249 bildet lediglich ein nicht adäquates Surrogat der condictio ob rem, weil die anhand dieser Klage erzwungene Herausgabe schwer durchsetzbar ist und n\lr innerhalb strikter Grenzen erfolgt. 3. condictio ob iniustam vel turpem causam
Mit einem Blick auf die justinianische Fassung hat der deutsche Gesetzgeber die turpitudo und die iniustitia unter einem gemeinsamen Dach geregelt, während die italienischen Legislatoren, wie schon die römischen 25o , an Sittenwidrigkeit und Gesetzwidrigkeit unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft haben. Maßgebend sind der § 817 BGB, bzw. Art. 2033 S. I i.V.m. Art. 2035 C.c. a) Die Kondiktion nach deutschem Recht Die fragliche Kondiktion fällt unter § 817 S. I BGB. Danach wird der Bereicherungsanspruch nicht unmittelbar von einer sitten- oder gesetzwidrigen Vornahme einer Leistung, sondern erst von ihrer Annahme ausgelöst. Konkrete Beispiele dieses theoretischen Tatbestandes lassen sich schwer formulieren. Der zweite Satz fugt eine Kondiktionssperre fUr den Fall hinzu, daß der Leistende sich "in pari causa turpitudinis" befindet, d.h. auch er gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, es sei denn, "daß die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfiillung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden". Wie schon der Anspruch im ersten Satz entfaltet diese Sperre außerhalb des Annahmeverstoßes keine Wirkung. Ihre Tragweite wird weiterhin darauf eingeschränkt, daß sie ichrem Wortlaut nach lediglich bei der beiderseitigen Gesetz- oder Sittenwidrigkeit die Anwendbarkeit der Kondiktion verhindert, § 817 S. 2 Hs. I BGB. 249
Vgl. infra in diesem Teil, C. 11. 2. b). supra zweiter Teil, B. 11.
250 S.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Die h.L.251 gibt dieser condictio ein wohl geringes, aber dennoch unentbehrliches Gewicht. Die geringe Bedeutung für die Praxis wird bestätigt durch den diesbezüglichen Mangel an jüngeren Entscheidungen252 . Keine andere Vorschrift des Bereicherungsrechts hat Anlaß zu so großem Unbehagen in der Rechtswissenschaft gegeben 253 . Vor allem die Qualifikation der Annahme als kondiktionsauslösender Faktor beeinträchtigt die Tragweite des Anspruchs beträchtlich. Diese wird weiterhin von der Einführung einer spätrömischen Kondiktionssperre unterminiert, durch die bei einem beiderseitigen Verstoß der Anspruch nicht zur Anwendung kommt. Durch die Hinzufügung des Prinzipes, nach dem in pari causa turpitudinis die Position des Leistungsempfängers bevorzugt wird, bleibt dieser Kondiktion schließlich so gut wie kein konkretes Gewicht. Basiert die Auslegung lediglich auf dem Gesetzeswortlaut, ist ein Anspruch wie derjenige des § 817 S.l BGB von keiner praktischen Relevanz. In einem durchaus lobenswerten, sowie notwendigen, Rettungsversuch gesteht die h.M.254 der Bestimmung trotzdem eine, wenngleich minimale Bedeutung zu. Es wird deshalb einem Anspruch doch dort stattgegeben, wo der Gesetzes- oder Sittenverstoß255 nur auf das einseitige Verhalten des Leistenden zurückzuführen ist. § 817 S. 2 BGB bezieht sich lediglich auf den Anspruch des ersten Satzes, und zwar nur auf den Fall der sitten- oder gesetzwidrigen Annahme einer Leistung. Diese Kondiktionssperre ist somit von Anfang an dem Umfang nach begrenzt256 . Auf keinen Fall geht es dabei um einen echten Bereicherungsanspruch257 • Die Bestimmung hat daher eine Sperrfunktion bezüglich einer Kondiktion, die, wie bereits gesehen, in der Praxis äußerst selten vorkommt. Daraus ergibt sich die Überlegung, daß die gesetzliche Formulierung einiger auslegungsgesteuerter Korrekturen bedarf. Davon ist die überwiegend h.A.258 durchaus überzeugt und plädiert folgerichtig für eine Auflockerung in der Handha-
251 Wacke, Beiträge, 144; Koppensteiner/Kramer, 61; Erman/Westermann, § 817 Rdnr. 6; Larenz/Canaris, 157; Schlechtriem, 1995, Rdnr. 655. 252 Das Fehlen jüngerer Rechtsprechung betonen Reuter/Martinek, 178 f. S. a. RGRKlHeimann-Trosien, § 817 Rdnr. 4 ff. 253 So Honsell, 1974, 1. 254 Statt aller Larenz/Canaris, 162; BGHZ 37, 363, 369 (nichtiger Vertrag mit Spiel-
bank). 255 Für eine ausführliche Analyse der Sittenwidrigkeit im deutschen Rechtssystem s. Mayer Maly, AcP 196 (1996),105 ff. 256 Über die Ausnahme der Eingehung einer Verbindlichkeit s. BGH NJW 1994, 187. 257 MünchKomm/Lieb, § 817 Rdnr. 9. 258 Statt aller Esser, 1960,796: "§ 817, 2 ist in seiner gegenwärtigen Gestalt verfehlt"; und Staudinger/Lorenz, § 817 Rdnr. 10.
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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bung der Vorschrift259 . Die einschneidenste Korrektur der lex scripta betrifft die Tragweite der Sperre. In der Literatur260 wird fast einstimmig die Ausdehnung des Tatbestandes auf sämtliche Leistungskondiktionen befiirwortet. Diese Erweiterung ist in der Rechtsprechung 261 auf großen Konsens gestoßen. Die Gerichte scheinen den Gesetzestext ohne allzu große Bedenken zu umgehen, indem sie ganz einfach die weitere Auslegung anwenden. Beispiel: Der Kläger hat an einem Progressionssystem, sog. Schneeballsystem, mit der Vornahme einer Geldleistung teilgenommen. Beim Vertragsabschluß wurde er darüber aufgeklärt, daß es sich um ein Glücksspiel handelte, und daß ein Rückzahlungsanspruch nicht bestand. Als er feststellte, daß der erwartete Gewinn ausblieb, kondizierte er die erbrachte Geldleistung. Die Klage wurde abgewiesen. Es ist zwar gern. § 138 I BGB kein wirksamer Vertrag zustande gekommen, so daß ihm theoretischerweise ein Anspruch aus § 812 I 1 BGB zustehen würde. Der Rückforderung steht aber die beiderseitige Sittenwidrigkeit aus § 817 S. 2 BGB entgegen 262 . Ohne entsprechende Korrekturen würde die condictio ob iniustam vel turpem causam vor allem infolge des Systemzusammenhanges selbst so gut wie nie
gehandhabt, weil üblicherweise bei einem Gesetz- bzw. Sittenverstoß schon das Grundgeschäft nichtig ist. In diesem Fall steht dem solvens unmittelbar eine condictio indebiti gern. §§ 134, 138 i.V.m. 812 I 1 Alt. 1 BGB zu263. Die Korrektur erscheint denjenigen nicht nötig, die diese Kondiktion fiir ein sinnloses Überbleibsel aus der Spätantike halten264 . Entgegen der Meinung der älteren
König, 1985, 129. Esser, 1960,800; Wacke, Beiträge, 145; König, 1985, 152; Koppensteiner/Kramer, 62; ReuteriMartinek, 202; MünchKomm/Lieb, § 817, Rdnr. 10 ff.; Staudinger/Lorenz, § 817 Rdnr. 10; Fikentscher, Rdnr. 1113; EsserlWeyers, 458; Erman/Westermann, § 817 Rdnr. 11; Larenz/Canaris, 162; Schlechtriem, 1995, Rdnr. 658. A.A. Heck, 428; Honsell,1974, 32 ff. 261 RGRKlHeimann-Trosien, § 817 Rdnr. 12. Die Leistung im Sinne des § 817 BGB 259 260
wird in den Zuwendungen gesehen, die nach dem nichtigen Vertrag endgültig in das Vermögen des Empflingers übergehen sollten, BGH MDR 1994, 262, 263; BGH NJW 1995, 1152, 1153. Nach BGH NJW 1992,310,311, darf die Tragweite der Sperre allerdings nicht auf Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB ausgedehnt werden. 262 OLG Celle NJW 1996, 2660. 263 Staudinger/Lorenz, § 817 Rdnr. 6; Koppensteiner/Kramer, 61; BGH WM 1990, 1324; dazu Schlechtriem, lZ 1993, 130, mit weiteren Hinweisen. 264 König, 1985, 126; MünchKommiLieb, § 817 Rdnr. 7. Dagegen wird behauptet, daß die - wohl minimale - Rolle der Norm unentbehrlich sei, da ansonsten einige Fälle ohne Schutz bleiben würden, z.B. wenn der Weg zur condictio indebiti wegen § 814 BGB versperrt bleibe, Koppensteiner/Kramer, 61. Nach Reuter/Martinek, 181, sei der Anwendungsbereich des § 817 S. I "klein aber präzise".
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Lehre 265 denkt man heute266 überwiegend, daß die Tatbestände des § 817 BGB keine Straffunktion haben, da die ratio legis nicht in dem Strafgedanken gegen den Täter liegt. Solcher Ansicht ist zuzustimmen. Die Gründe für diese Stellungnahme lassen sich in der einfachen Feststellung zusammenfassen, "daß der Strafgedanke dem Zivilrecht wesensfremd ist"267, weil "nur das Strafverfahren ... dem Täter die rechtsstaatlichen Garantien" bietet268 . Die h.L.269 sucht deshalb eine andere Begründung für die Klage und findet sie in der absichtlichen Versagung des Rechtsschutzes gegenüber einem Verhalten, das vom Standpunkt der Rechtsordnung keinen Schutz verdient hat. b) Die Kondiktion nach italienischem Recht
Vergeblich würde man nach einer ausdrücklichen Regelung der condictio ob iniustam vel turpem causam in der Kodifikation suchen. Lediglich die turpitudo kommt bei der Zahlung einer Nichtschuld in Betracht. Art. 2035 c.c. schließt die Möglichkeit einer Rückgängigmachung aus, falls die Sittenwidrigkeit beiderseitig ist. Die von dieser Vorschrift nicht umfaßten Fallkonstellationen werden folglich unter Art. 2033 S. 1 c.c. subsumiert, dessen allgemeines Prinzip von der Herausgabe der Nichtschuld zwischen sitten-, gesetzwidrigen oder sonstigen Verhaltensweisen nicht unterscheidet. Die wichtigste Angabe des Art. 2035 c.c. betrifft die Tatsache, daß gesetzund sittenwidrige Vermögensverschiebungen grundsätzlich kondiziert werden dürfen 27o . Lediglich die Leistungen contra bonos mores finden im italienischen Recht keinen kondiktionsrechtlichen Schutz, aber nur soweit die Sittenwidrig265 Statt aller Siber, 429 f., mit weiteren Hinweisen.
Honse/l, 1974, 58 ff.; Wacke, Beiträge, 145; ReuteriMartinek, 204; StaudingeriLorenz, § 817 Rdnr. 4 f.; KoppensteinerlKramer, 63; ErmanlWestermann, § 817 Rdnr. 4 f. 267 Esser, 1960, 796. 268 König, 1985, 139: "Es mutet anachronistisch an und wäre ein ungerechtfertigter Übergriff, wenn man mit § 817 Satz 2 BGB heute noch reine Strafzwecke verfolgen wollte". Für den zweiten Satz des § 817 s. jedoch die Meinung der Rechtsprechung, die für den Strafcharakter Stellung genommen hat, s. ReuterlMartinek, 177 f., für Hinweise und Kritik. 269 Sog. Rechtsschutzverweigerungstheorie, s. Esser, 1960, 779; ReuteriMartinek, 204 f.; MünchKommlLieb, § 817, Rdnr. 9; KoppensteineriKramer, 63. Zurückhaltend StaudingeriLorenz. § 817 Rdnr. 5; ErmanlWestermann, § 817 Rdnr. 5. Statt dieses Begriffes, der "nicht geradezu falsch, aber wenig aussage- und überzeugungskräftig" sei, wendet LarenzlCanaris, 162, lieber denjenigen der "Generalprävention" an. A.A. JauerniglSchlechtriem, § 817 5. 270 Unumstritten, s. unter anderen Galgano, 368. 266
B. Herausgabeansprüche aus Zuwendung ohne rechtlichen Grund
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keit bei den Parteien zur Last fällt. Von einer Eingrenzung der Kondizierbarkeit gesetzwidriger Leistungen ist hingegen im Gesetzestext nicht die Rede 27 !. Da sich aus dem positiven Kondiktionsrecht ein Ausschluß der condictio ob iniustam vel turpem causam nicht ergibt, darf man zur Schlußfolgerung kommen, daß sie vom Tatbestand der Zahlung einer objektiven Nichtschuld gern. Art. 2033 c.c. umfaßt wird. Sie unterliegt folglich den Regelungen, die rur die condictio indebiti gelten. Die Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Leistung schließt nach der Auffassung der Rechtsprechung272 weitere Kontrollen bezüglich der Sittenwidrigkeit nicht aus. Hierbei begeht sie m.E. einen Überlegungsfehler. Die Vermengung von turpitudo und iniustitia stammt von den Nachklassikern, den Klassikern war sie unbekannt. Nachdem der Gesetzgeber durch die Formulierung von (nicht mehr als) zwei Kondiktionsansprüchen die nachklassischen Änderungen einmal beseitigt hat, besteht kein Grund, die eine Kondiktion stets im Zusammenhang mit der anderen zu erwähnen. Inhaltlich ist die richterliche Auffassung freilich einwandfrei, da sie gerade auf einer gegenseitiger Selbständigkeit der beiden Rechtsfiguren beruht. c) Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick
Ob - bei beiderseitigem Verstoß gegen Gesetz bzw. gute Sitten in Deutschland oder gegen die guten Sitten allein, wie in Italien - der solvens oder der accipiens bei der condictio ob iniustam vel turpem causam bevorzugt werden soll, ist eher eine Frage der Rechtspolitik. Zumindest was die Sittenwidrigkeit anbelangt, haben beide Gesetzgeber sich zugunsten des accipiens entschieden, dieser darf die Sache behalten. Die Notwendigkeit einer Sperre, wie diejenigen des § 817 BGB, bzw. Art. 2035 C.C., erscheint aus rechtsvergleichender Sicht eher fraglich. Das italienische Rechtssystem hat auf die Regulierung der Sperre wegen Gesetzwidrigkeit problemlos verzichtet. Diese Regel, die hingegen in der deutschen Rechtsordnung aufgenommen worden ist, ist meines Wissens in Italien nicht vermißt worden. Keine negativen Auswirkungen auf das Rechtssystem lassen sich somit daraus entnehmen, daß das italienische Recht eine solche Kondiktionssperre nicht kennt. Also gibt es keinen Anlaß zur Behauptung, daß eine Aufhebung der gegen die Sittenwidrigkeit gerichteten Kondiktionssperre im Rechtssystem unüberwindbare Probleme auslösen soll, zumal die Struktur der Zahlung einer Nichtschuld nicht betroffen wäre. Im Gegenteil, letztere
27! Rescigno, 1966, 18, mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; Mosca/i, Pagamento, 373 f.; Cendon, Art. 2035, 5. 272 Cass., 07. 07. 1981 n. 4414, Mass. Giur. it., 1981.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
könnte in ihrem vollen Ausmaß ohne unnütze Verkomplizierungen, wie jene, die Z.B. den gegenwärtigen Anspruch teilweise noch binden, angewendet werden. Das deutsche Recht erkennt den Tatbestand lediglich bei gesetz- oder rechtswidriger Annahme der Leistung an. Dadurch behält die Kondiktion fast ausschließlich eine rein theoretische Funktion, da solche Fälle in der Praxis äusserst selten vorkommen. Im übrigen enthält § 817 S. 2 BGB nur eine durch Auslegung erheblich erweiterte Kondiktionssperre: Möchte man den solvens vor weiteren Fällen der nicht mit der Annahme verbundenen Gesetz- oder Sittenwidrigkeit schützen, bliebe nur der Weg eines Anspruches aus § 812 I BGB. Dadurch wird die Lösung derartiger Fallkonstellationen auf das Feld der eondietio indebiti verschoben. Ein solches Ergebnis wäre jedoch m.E. nicht wünschenswert, da die Kernfrage damit nicht berührt wird, sondern lediglich anhand eines anderen Rechtsinstituts gelöst wird. Vielmehr liegt der Schwerpunkt dieser Problematik darin, daß die fragliche Sperre im Kondiktionsrecht eine überflüssige Rechtsfigur darstellt, die als solche einfach abgeschafft werden sollte. Die italienische Lösung ist deshalb das kleinere Übel. Art. 2035 c.c. beinhaltet lediglich eine Kondiktionssperre, die jedoch nicht vermeidet, daß der Bereicherungsanspruch wegen Gesetz- oder Sittenwidrigkeit vom Tatbestand der Zahlung einer objektiven Nichtschuld gern. Art. 2033 c.c. umfaßt wird. Gegen die diesbezüglichen Kondiktionssperren spricht auch die Überlegung, daß es nicht bewiesen ist, daß sich dadurch die Anzahl der sittenwidrigen Rechtsgeschäfte verringert. Es ist eher zu vermuten, daß diejenigen, die eine sittenwidrige Handlung begehen möchten, es ohne Rücksicht auf bestehende zivilrechtliche Schranken, die ausgerechnet den von ihnen gewollten Zustand bestätigen, tun werden. Eine abschreckende Wirkung könnte in viel höherem Maße von der Möglichkeit einer freien Einsetzung des Rückforderungsanspruches ausgehen. In der Regel geht es dabei um Geschäfte auf do ut facias: Genießt der solvens einer gegenständlichen Leistung das Recht auf Rückforderung, wird sich derjenige, der eine persönliche Leistung, welche sich höchtswahrscheinlich nicht mehr rückgängig machen läßt, die Erbringung einer solchen Leistung wohl überlegen.
c. actio de in rem verso Spuren der Versionsklage lassen sich auch in den modernen Kodifikationen finden. Freilich übt die aetio de in rem verso unterschiedlichen Einfluß auf die jeweiligen Bereicherungssysteme aus, aber im wesentlichen darf ihre Existenz anhand der positiven Rechte nicht in Frage gestellt werden. Das am meisten verbreitete Versionsmodell hat die Struktur eines Dreiecks, die in ihren Grundzügen die ursprüngliche prätorische Aktion widerspiegelt. Diese traditionelle Rechtsfigur ist in den beiden zu untersuchenden Rechtssystemen mit ähnlichen
C. actio de in rem verso
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Merkmalen erfolgreich verwurzelt. Daneben bietet aber das italienische Recht noch eine zusätzliche Variante. Diese enthält klare Erkennungszeichen der echten, klassischen actio de in rem verso und bildet ein novum im Rahmen des Bereicherungsrechts. Damit trägt der italienische Gesetzgeber der rechtshistorischen Entwicklung dieser Rechtsfigur, vor allem der während des gemeinen Rechtes erfolgten Ausdehnung auf Zweipersonenverhältnisse, Rechnung. Das Ziel der folgenden Untersuchung liegt vor allem in der Darstellung eines Rechtsinstitutes, das neben der Kondiktion eine eigene Funktion und "Persönlichkeit" besitzt, das aber oftmals als Kondiktion getarnt wird, schließlich das stets als Teil des Kondiktionsrechtes, m.E. zu Unrecht, betrachtet wird. In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, .dieses Bild der Versionsklage zu beseitigen. Zu diesem Zwecke wird nun eine klare Trennungslinie zwischen den beiden Rechtsgebieten gezeigt, deren Nützlichkeit im vierten Teil klargestellt wird. Es kann jedoch an dieser Stelle schon erklärt werden, weshalb diese Trennung so wichtig ist: Da die bei den Instituten unterschiedliche Ziele verfolgen, gelten rur sie unterschiedliche Anwendungsregeln. Diese Studie konzentriert sich auf die Formulierung eines Vorschlages rur das europäische Kondiktionsrecht, mit dem das Versionsrecht kaum Kontaktpunkte aufweist. Es scheint somit notwendig, zuerst die Bedeutung der Kondiktion und der Version in den verglichenen Rechtsordnungen festzustellen, damit dann auf den erreichten Ergebnissen ein eigenes Konzept erarbeitet wird, in dem Regeln entwickelt werden, die lediglich rur die Version gelten.
I. Der Tatbestand Maßgebend für das deutsche Recht sind die §§ 816 I 2 und 822 BGB. Der Codice civile regelt die Nachfolgerinnen der Versionsklage in den Artt. 2038 I S. 2 und Il S. 2, bzw. 2041 f. Die italienische allgemeine Bereicherungsklage wird in dieser Darstellung als Teil des bereicherungsrechtlichen Versionsanspruches eingeordnet. Dies entspricht der bis heute einstimmigen Auslegung dieses Tatbestandes als die einzige in der Kodifikation geregelte ac/io de in rem verso; aIlerdings steht eine solche Zuordnung mit der hier vertretenen These der Verzettelung der alten prätorischen Klage in unterschiedlichen Ansprüchen, so daß es letzten Endes mehrere Versionsansprüche gibt, systematisch nicht im Einklang. 1. Die deutsche Gesetzgebung
§ 816 I 2 BGB ermöglicht die Ausdehnung der bereicherungsrechtlichen Vorschriften auf Dritte, die von einer gegenüber dem Bereicherungsgläubiger
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
wirksamen Verfiigung profitiert haben. Nur die unentgeltliche Verfiigung wird tatbestandsmäßig relevant. Anspruchsträger ist der "Berechtigte", gegenüber dem die Verfiigung wirksam ist, wie dem § 816 I 1 BGB zu entnehmen ist. Er darf gegen denjenigen kondizieren, "welcher auf Grund der Verfiigung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt". Man erkennt in der Norm das klassische Dreieck der actio de in rem verso: Der Mittelsmann verfiigt - in den gesetzlich geregelten Fällen unentgeltlich - über einen Gegenstand, der in das Vermögen eines Dritten übertragen wird; der benachteiligte Eigentümer darf sich unmittelbar an den Dritten wenden, um die Vermögensverschiebung rückgängig zu machen. Unentbehrliche Elemente der Versionsklage gern. § 816 I 2 BGB sind somit die Verfiigung eines Nichtberechtigten, ihre Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten und ihre Unentgeltlichkeit. § 822 BGB, der die Herausgabepflicht Dritter bestimmt, regelt den zweiten Fall der versio in rem. Auch dabei geht es um die nunmehr bekannte Dreieckskonstruktion, welche die ursprüngliche Form der actio de in rem verso kennzeichnet. Die Unterschiede zum vorherigen Versionsfall sind jedoch auffallend und betreffen insbesondere die Struktur der Aktion. Der Tatbestand sieht zunächst eine unentgeltliche Zuwendung des Empfängers vor, die gegenüber dem Kläger wirksam ist. Im Unterschied zum § 816 I 2 BGB, der die Auswirkungen einer nichtberechtigten Verfiigung behandelt, ist nun der VerfUgende berechtigt: Er darf zuwenden, seine Handlung wird vom Rechtssystem nicht als Verfiigung ohne rechtlichen Grund eingeordnet. Die Rechtmäßigkeit der Handlung zwingt das Gesetz zur Errichtung einer fictio iuris, um die negativen Folgen einer als unbillig empfundenen Vermögensverschiebung wiedergutzumachen. Nach der fingierten Rechtslage befindet sich der Dritte in einer Lage, als ob er "die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte", § 822 BGB. Bereicherungsgläubiger ist demzufolge derjenige, dem das vom Dritten Erlangte gehört oder gebührt.. Er darf gegen den Empfänger kondizieren. "Empfänger" könnte auch ein vierter oder ein fiinfter accipiens der Bereicherungskette sein, denn aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich kein Hindernis fiir eine Erweiterung des Kreises der Bereicherten, gegen die sich die Klage richten könnte. Neben dem Unentgeltlichkeitserfordernis verlangt diese Norm eine weitere Voraussetzung, um eine uferlose Ausdehnung der Versionsklage zu vermeiden. Sie erfordert die Subsidiarität der Herausgabepflicht des Dritten: Der Weg zur Versionsklage steht somit erst offen, wenn die Verpflichtung des Mittelsmannes zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist.
C. actio de in rem verso
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2. Die italienische Gesetzgebung
a) Zahlung einer Nichtschuld
Art. 2038 c.c. beinhaltet den einzigen echten Versionsfall des italienischen Bereicherungsrechts. Die Züge der klassischen römischen Struktur spiegeln sich im Tatbestand des erwähnten Artikels wider: Dreieckskonstruktion, direkter Anspruch gegen den Dritten unabhängig vom Mittelsmann. Das geltende Recht regelt die Rechtslage des Dritten je nach psychologischem Zustand des Verfügenden unterschiedlich. Die Gut- oder Bösgläubigkeit des Erstempfangers übt somit nach der lex lata einen unmittelbaren Einfluß auf den Dritten aus. Artt. 2038 I S. 3 i.V.m. 1147 III c.c. räumen dem solvens einen Anspruch direkt gegen den Dritten ein, der die Sache erhalten hat, falls der erste Empfanger zur Zeit der Veräußerung im guten Glauben war, und die Veräußerung unentgeltlich erfolgt ist. Ohne Rücksicht auf die Gutgläubigkeit des Dritten wird die Haftungsgrenze vom Prinzip des Wegfalls der Bereicherung bestimmt: Weiß der Dritte, daß die erworbene Sache von einem Unberechtigten veräußert worden ist, haftet er trotzdem nicht bereicherungsrechtlich, wenn er zum Zeitpunkt der Rückforderung273 nicht mehr bereichert ist. Falls hingegen der accipiens die Sache in bösem Glauben veräußert hat oder später bösgläubig geworden ist, weil er nach der vom solvens ausgeführten Vermögensverschiebung von seiner Pflicht zur Rückgabe gewußt hat, bestimmt Art. 2038 11 S. 3 c.c. andere Kriterien für die Gewährung des direkten Anspruches gegen den Dritten. Die Struktur des ersten Absatzes wird im dritten wiederholt: Der Leistende darf gegen den Dritten auf Rückgängigmachung erst klagen, wenn der Anspruchsgegner infolge unentgeltlicher Veräußerung bereichert worden ist. Auch in diesem Fall gilt die Grenze des Wegfalls der Bereicherung zugunsten des Dritten. Aber der direkte Anspruch wird erst dann gestattet, nachdem die gerichtlichen Rechtswege gegen den Verfügenden erfolglos geblieben sind. Die allgemeinen Merkmale der actio de in rem verso im geltenden italienischen Recht lassen sich hinsichtlich der erwähnten Vorschrift so zusammenfassen: Notwendigkeit eines Dreiecksverhältnisses, Unentgeltlichkeit der Veräußerung an den Dritten, Einstehenmüssen innerhalb der noch vorhandenen Berei-
273 Was genau unter Zeitpunkt der Rückforderung zu verstehen ist, ob dieser die bloße Anforderung oder die Anspruchserhebung vor Gericht betrifft, wird unter der allgemeinen Bereicherungsklage gern. Art. 2041 c.c. erörtert, die die Maßstäbe der Bereicherung auch für die Kondiktion festsetzt.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
cherung. Für die beiden Versionstatbestände des Art. 2038 c.c. bleibt der psychologische Zustand des accipiens als Veräußerer maßgeblich. Die Bösgläubigkeit wirkt sich direkt auf die Versionsklage aus, indem sie die Subsidiarität des Anspruchs bedingt. b) Allgemeine Bereicherungsklage
Es handelt sich bei der al1gemeinen Bereicherungsklage um eine echte gesetzliche Neuerung, die erst mit der geltenden Gesetzgebung hinzugefügt wurde. Der 8. Titel ist der "Bereicherung sine causa" gewidmet. Dieser terminus entspricht jedoch trotz seiner Ähnlichkeit nur zum Teil dem deutschen Begriff der ungerechtfertigten Bereicherung, deren Rol1e in der italienischen Rechtsordnung vielmehr von der Zahlung einer Nichtschuld gern. Artt. 2033 ff. c.c. übernommen wird. Der erwähnte Titel erfaßt nur zwei Vorschriften: Art. 2041 betrifft die al1gemeine Bereicherungsklage, Art. 2042 die Subsidiarität des Anspruches. Art. 2041 I c.c. enthält ein rechtliches Grundprinzip, wonach derjenige, der zum Schaden eines anderen bereichert worden ist, den Entreicherten entschädigen muß. Die rechtsrelevante Bereicherung muß ohne rechtlichen Grund eine vermögensrechtliche Benachteiligung beim Anspruchsträger verursachen. Die Vermögensverschiebung sol1 folglich gern. Art. 2041 c.c. auf Kosten des Entreicherten stattfinden. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, daß sowohl die Be- als auch die Entreicherung wesentliche Merkmale des Tatbestandes werden. Das Verhältnis zwischen den Änderungen in der vermögensrechtlichen Lage der Parteien wird jedoch nicht näher erörtert. Die Vorschrift bestimmt auf lakonische Weise lediglich das Quantum der Entschädigung.
Die Erhebung der al1gemeinen Bereicherungsklage bleibt gern. Art. 2042 c.c. untersagt, fal1s dem Geschädigten ein anderer Anspruch zur Verfügung steht, wodurch er den erlittenen Nachteil ausgleichen könnte.
11. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften
Die italienische Rechtswissenschaft hat sich in zahlreichen Beiträgen mit der Problematik der Versionsklage beschäftigt. Dieses erhebliche Interesse läßt sich dadurch erklären, daß der Tatbestand des Art. 2041 c.c. von Lehre und Rechtsprechung als ein Fal1 der versio in rem eingeordnet wird. Diese Zuordnung lenkt die Aufmerksamkeit der Rechtsforschung auf Kosten der weiteren, bei den Rechtsordnungen bekannten Versionsfäl1e auf die al1gemeine Bereicherungsklage. Von solchem Mißverständnis bleibt die deutsche Doktrin infolge der ge-
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setzlichen Ablehnung der Klage verschont, so daß die deutsche Rechtswissenschaft die Versionsklagen besser als die italienische begreift. 1. Die deutsche Auslegung
"Der Entwurf kennt ... keine Versionsklage im Sinne des gemeinen Rechtes oder des preuß. A.L.R."274. Mit diesen äußerst klaren Worten begrub die erste Kommission die Möglichkeit einer breiten Aufnahme der Versionsklage 275 . Die ablehnende Stellungnahme wurde auch in den weiteren Diskussionen beibehalten. Somit wurde dieses ehemalig prätorische Rechtsinstitut, das seit langem in der Rechtsprechung276 breite Anwendung gefunden hatte, zum großen Teil aus dem Rechtssystem verbannt. Das BGB enthält folgerichtig keine allgemeine Versionsklausel. Diese Entscheidung ist in der Literatur277 auf weitgehende Zustimmung gestoßen. Dies wurde damit erklärt, daß die actio de in rem verso ichrer Natur nach mit einem auf Kondiktionen aufgebauten Bereicherungssystem nicht vereinbar sei; vor allem passe sie mit dem Unmittelbarkeitserfordemis nicht zusammen278 . Diese äußerst strenge Auffassung wurde allerdings in einigen Fällen der Unentgeltlichkeit schon von der zweiten Kommission279 gemildert. Damit wurde die Rechtsgrundlage für eine begrenzte Aufnahme einiger Versionsansprüche gebildet, die im Schrifttum280 zwar bisweilen vorsichtigerweise "Verfolgungsansprüche" genannt werden, deren Natur als Versionsklagen281 jedoch nicht zu leugnen ist. §§ 816 I 1 und 822 BGB werden gewöhnlich von der Lehre 282 als bloße Ausnahmen im Rahmen des Bereicherungsrechtes empfunden. Innerhalb des Bereicherungsrechtes erfüllen beide Tatbestände283 274 Motive, 11, 871. 275 Über die geschichtliche Entwicklung der actio de in rem verso s. Reuter/Martinek,
18 ff.
276 Vgl. König, 1985,203 ff.; Wal/mann, 79 f.
Heck, 433; Siber, 422; Esser, 1960,765; Wacke, Beiträge, 148; König, 1985, 185 f.; Sch/echtriem, 1995, Rdnr. 683. Rechtsvergleichend v. Caemmerer, Bereicherung, 369 ff. 278 Statt aller v Caemmerer, Bereicherung, 371. S. auch die Problematik über die causa putativa, oben zweiter Teil, C. V.; und unten vierter Teil, A. 11. 279 Z.B. Protokolle, III, 82 ff. 280 Sch/echtriem, 1995, Rdnr. 673 u. 682. 281 Reuter/Martinek, 360. 282 Z.B. Esser, 1960, 808; Wacke, Beiträge, 148 f.; König, 1985, 208; Jauernig/Sch/echtriem, § 8166. 283 Für § 816 I 2 BGB vgl. Esser, 1960, 813; Reuter/Martfnek, 329 f.; Staudinger/Lorenz, § 816 Rdnr. 27; Koppensteiner/Kramer, 91; ErmanlWestermann, § 816 Rdnr. 1. Für § 822 BGB s. MünchKommlLieb, § 822 Rdnr. 1; Staudinger/Lorenz, aaO. Rdnr. I; Larenz/Canaris, 195. 277
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
eine wichtige Ausgleichsfunktion, indem sie den Grundsatz der Relativität des Bereicherungsanspruches unterbrechen. Die Unentgeltlichkeit284 der Vermögensverschiebung rechtfertigt die Ausnahmeregelung. Beispiel: Die Schuldnerin einer Krankenkasse trat der letzten eine Hypothek, die auf dem Grundstück der Beklagten bestand, erfüllungshalber zur Tilgung ihrer Schuld ab. Als die Krankenkasse Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung erhob, erwiderte die Beklagte, die Klägerin handele arglistig, weil sie zur Rückübertragung der Hypothek gern. § 816 I 2 BGB verpflichtet sei, da die Hypothek nicht valutiert worden war. Dem BGH zufolge ist vom Standpunkt des Erwerbers zu beurteilen, ob eine Leistung unentgeltlich ist. Aus dem Standpunkt der Klägerin sei die Leistung nicht unentgeltlich gewesen, weil sie sich gegenüber der Zedentin verpflichtete, zuerst ihre Befriedigung aus der Hypothek zu suchen und solange ein unmittelbares Vorgehen gegen die Zedentin zu unterlassen 285 • Noch ein Beispiel: Die Frau L, die in einem Altenheim lebt, hat ihrer Tochter einige Grundstücke geschenkt. Diese werden verkauft und der Erlös fließt in einen Bausparvertrag, der zur Finanzierung des Familienhauses der Tochter und ihres Mannes diente. Wegen Notbedarfs der Frau L klagt die Verwaltung des Altenheims auf Rückzahlung der Schenkung gern. § 528 BGB. Auf diese Vorschrift findet nach der Rechtsprechung § 822 BGB Anwendung, so daß theoretisch auch die Hälfte der Schenkung dem Schwiegersohn der Frau L zurückgefordert werden dürfte. In diesem konkreten Fall wurde dennoch die Klage abgelehnt, weil es sich hinsichtlich der Zuwendungen unter Ehegatten nicht um Schenkungen im Sinne der §§ 516 ff. BGB handelt. Solche Zuwendungen dienen vielmehr der ehelichen Lebensgemeinschaft. Bei der Verfügung zugunsten des Ehemannes fehlte es somit an der Unentgeltlichkeit286 .
284 Der Begriff der Unentgeltlichkeit ist nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen, s. MünchKommlLieb, § 816, Rdnr. 48. Nach Staudinger/Lorenz, § 816 Rdnr. 27, bildet die Unentgeltlichkeit den einzigen gemeinsamen Punkt der §§ 816 I 2 und 822 BGB. Beispiele zur Unentgeltlichkeit in RGRKlHeimann-Trosien, § 816 Rdnr. 16. 285 BGH JZ 1954,360. A.A. MünchKommlLieb, § 816, Rdnr. 48, nach dem die Gesamtumstände, und nicht nur der Standpunkt des Erwerbers für die Bewertung der Unentge1tlichkeit maßgebend sein sollen. 286 OLG Kob1enz NJW-RR 1991, 1218.
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Da der Drittempfanger kein Vermögensopfer gebracht hat, um sich das Erlangte zu verdienen, scheint er weniger schutzwürdig als der Bereicherungsgläubiger zu sein 287 , der hingegen sein Vermögen verringert sieht. Mit Recht ist in der Literatur unterstrichen worden, daß die oft betonte Verwandtschaft zwischen den §§ 816 I 2 und 822 BGB "weniger eine tatbestandliche als eine funktionale"288 sei. Die Struktur bei der Ansprüche zeigt in der Tat erhebliche Ähnlichkeiten, weil beide eine wirksame, unentgeltliche Vermögensverschiebung zu Lasten des Bereicherungsgläubigers voraussetzen. Die Rolle des Mittelsmannes wirkt sich jedoch auf die Tatbestände sehr unterschiedlich aus, je nachdem, ob jener als Nichtberechtigter289 (§ 816 I 2 BGB) oder als dinglich Berechtigter (§ 822 BGB) handelt. Die zweite Alternative stützt sich auf eine Fiktion290 , anhand derer der Mittelsmann "überbrückt" wird, so daß der Entreicherte sich unmittelbar an den Dritten wenden kann, als ob der zweite vom ersten die Zuwendung kausalos erhalten hätte. Beispiel: Ein Mieter, der eine Gaststätte betreibt, hat mit einem Dritten vertraglich ein Eintrittsrecht in den Mietvertrag bei vorzeitiger Beendigung seines Mietvertrages vereinbart. Als der Dritte von dem ihm eingeräumten Recht Gebrauch macht, unterverpachtet er die Gaststätte für einen viel höheren Preis als der vorherige Mieter. Dieser führt die höheren Mietzinsen auf den von ihm getätigten Umbau zurück und klagt gegen den Dritten auf Herausgabe des ungerechtfertigt erlangten Vorteiles. Die Klage wurde abgelehnt. Es ist zwar korrekt, daß die Vermieter das Nutzungsrecht an den getätigten Investitionen vorzeitig erlangt und es an den beklagten Dritten unentgeltlich weitergegeben haben. Ein Anspruch aus § 822 BGB scheitert dennoch daran, daß es an einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung fehlt. Der Kläger war nämlich zum Umbau be287 Reuter/Martinek, 330 u. 359; MünchKomm/Lieb, § 822, Rdnr. 1; Koppensteiner/Kramer, 96 f.; Esser/Weyers, 475; Medicus, 1997, Rdnr. 703. Für die Rechtsprechung RGRKI Heimann-Trosien, § 816 Rdnr. 15. 288 Vgl. Reuter/Martinek, 360, die § 822 BGB als selbständigen Kondiktionsfall bezeichnen. Die Anwendung des Begriffes "Kondiktion" bezüglich eines Falles der Versionsklage erscheint allerdings bestenfalls ungenau: Entweder geht es um einen Kondiktionsfall, wenn man darin die Fortsetzung eines vorher bestehenden Kondiktionsanspruches sieht, oder um eine Versionsklage, tertium non datur, s.a. Erman/Westermann, § 822 Rdnr. I. Dagegen betont Medicus, 1997, Rdnr. 702, vor allem die tatbestandlichen Unterschiede. 289 BGHZ 91 (1985), 288, nicht berechtigte Bestimmung des Bezugsberechtigten eines Lebensversicherungsvertrages. 290 "Die Fiktion, daß der Anweisende selbst die Leistung erlangt habe, ist aber dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Leistung im Verhältnis zu ihm nicht nur des Rechtsgrundes entbehrt, sondern er darüber hinaus auch gar keine Anweisung erteilt hat", so König, 1981, 1585. 10 Gigho
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rechtigt, nicht verpflichtet. Aus dem Mietvertrag ergibt sich, daß der Kläger keinen Ersatz für im einigen Interesse gemachte VelWendungen verlangen kann. Darf der Kläger, der freiwillig seinen Vertrag durch Vergleich aufgelöst hat, vom Vermieter keinen Ersatz für seine Aufwendungen beanspruchen, gilt es erst recht auch für den Dritten, mit dem er schon eine Einigung über die Ablösung von diversen Einrichtungsgegenständen erreicht hatte 291 . Dogmatisch bleibt außerdem noch die Frage nach der Selbständigkeit des Anspruchs aus § 822 BGB offen. Ihrem Wortlaut nach läßt die Vorschrift eher an eine einfache Fortsetzung der Rückgabepflicht des Mittelsmannes denken292 . Soweit es ihre Funktion anbelangt, weisen beide Tatbestände deutliche Parallelen auf. Im Einklang mit dem Zweck der herkömmlichen Versionsklage dienen sie der Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung bei Fällen, in denen sich der Bereicherungsgegenstand bei einem Dritten befindet. Ein darüber hinausgehendes Ziel wird jedoch durch § 822 BGB erreicht. Mit dieser Bestimmung wird vom Gesetz anerkannt, daß Bereicherungsketten sehr wohl Gegenstand von bereicherungsrechtlichen Ansprüchen sein können. Die Verfolgung des Geleisteten bei mehreren Leistungsempfangern stößt gewöhnlich gegen das Unmittelbarkeitserfordernis, weshalb das Bereicherungsverhältnis lediglich die direkten Leistungspartner, aber keine weiteren Empfanger bindet. Entgegen diesem Grundsatz wird dadurch ohne Rücksicht auf die Entfernung der in Anspruch genommenen Vermögensverschiebung eine Rechtsbeziehung zwischen zwei sonst völlig unabhängigen Rechtssubjekten hergestellt, die miteinander keinen über das Kondiktionsverhältnis hinausgehenden Kontakt haben. Die Anordnung der genannten Tatbestände im 24. Titel des BGB ist etwas zweifelhaft. Das Gesetz sorgt in diesen beiden Fällen m.E. nicht für die erforderliche, systematische Klarheit. So erscheint vor allem die isolierte Stellung des § 822 BGB am Ende des Titels zumindest ungünstig. Auch die Bedeutung der versio in rem des § 816 I 2 BGB geht infolge der größeren Betonung der Verpflichtung des Verfügenden teilweise verloren, zumal die Versionsklage mit dem eben elWähnten Tatbestand lediglich systematische Verbindungspunkte teilt, weil sowohl die Kondiktion gegen den Verfügenden als auch die Version gegen den Dritten von derselben Vorschrift geregelt werden. Auch aus rein optischen Gründen werden diese Rechtsfiguren benachteiligt, da sie - vom Standpunkt der Versionsklage aus - zwischen den Bereicherungsvorschriften ordnungslos verteilt wurden. Freilich sind die zuletzt aufgezählten Argumente leOLG München NJW-RR 1994, 1100. Für diese zweite Alternative Reuter/Martinek, 359; Knütel, NJW 1989,2504 f.; für die erste RGRKlHeimann-Trosien; § 822 Rdnr. I; MünchKommiLieb, § 822, Rdnr. I; ErmanlWestermann, § 822 Rdnr. 2. S. a. Schlechtriem, 1995, Rdnr. 681 Fn. 122. 291
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diglich ästhetischer Art, denen die notwendige Überzeugungskraft sachlicher Argumente fehlt, dennoch sind sie eine kurze Überlegung wert, da die Systematik in der Rechtswissenschaft eine erhebliche Rolle spielt. Angesichts der unterschiedlichen Natur und Funktion der Kondiktion und der Version 293 empfiehlt sich m.E. eine getrennte Einordnung der bei den Institute, um bei der Interpretation das Verständnis ihrer Verschiedenheiten zu erleichtern. 2. Die italienische Auslegung
a) Zahlung einer Nichtschuld
Die Rolle des Art. 2038 I 3 und 11 3 c.c. als Überbleibsel der römischen actio de in rem verso wird in der italienischen Literatur und Rechtsprechung meiner Ansicht nach verkannt294 • Parallelen zwischen den gesetzlichen Tatbeständen und der Versionsklage sind in der Literatur nirgendwo zu finden. Die Veräußerung durch den nichtberechtigten accipiens an den Dritten ist thematisch nicht sonderlich interessant, wahrscheinlich weil ihre praktische Auswirkung sehr begrenzt bleibt, wie der Mangel an Entscheidungen bestätigt. Wohl wird die Hinzufügung der neuen Regelung in der Literatur positiv begrüßt295 , aber sie wird eher als die nötige Antwort auf einige unter dem alten Codice civile 1865 umstrittenen Rechtsfragen als ein echtes novum der gesetzlichen Technik gewürdigt296 • So hat Z.B. die Regelung der Position des Dritten im Bereicherungsverhältnis viel Lob erhalten. Bedauerlicherweise wird indessen die wahre Natur des Tatbestandes als Erbe der herkömmlichen Versionsklage übersehen. Die Lehre 297 fragt sich zunächst nach der Zweckmäßigkeit einer Einordnung der Rechtslage des Dritten je nach psychologischem Zustand des accipiens, der über die Sache ohne Berechtigung verfügt. Der gutgläubige Nichtberechtigte wird durch Art. 2038 I I c.c. vor dem Restitutionsanspruch aus 2033 c.c. geschützt, so daß seine Verpflichtung somit in der Regel nur das durch die Verfügung Erlangte betrifft. Hat er unentgeltlich verfügt, wird seine Verpflichtung sogar gegenstandslos, weil durch die Verfügung in das Vermögen des An-
293
D.
Vgl. supra, zweiter Teil, B. III. und VI. 2., C. II. und I1I.; und infra in diesem Teil,
294 Z.B. Di Majo, Tute\a, 308, hält die Eingrenzung der Haftung des Dritten auf das noch Vorhandene als eine "Verzerrung" des Bereicherungsrechtes, die kaum eine Erklärung in der theoretischen Ordnung des Rechtsinstitutes finden würde. Solches Unbehagen betont gerade das Mißverständnis der Auslegung. 295 Moscati, Pagamento, 489; Breccia, 1984,799. 296 Breccia, 1984, 764. 297 Moscati, Pagamento, 489; Cendon, Art. 2038, 5. 10'
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spruchsgegners kein Gegenstand geflossen ist, der per condictionem herausgegeben werden kann. In diesen Fällen hat der solvens keine andere Wahl, als gegen den Dritten auf die Herausgabe der noch vorhandenen Bereicherung zu klagen. Wenn indessen der Nichtberechtigte bösgläubig298 ist, dann wird er VOn seiner Pflicht zur Herausgabe gern. Artt. 2038 11 I i.V.m. 2033 c.c. nicht befreit. Dem Entreicherten steht deshalb die Bereicherungsklage offen. Dürfte der Anspruchsträger gegen den Verfügenden und den Dritten zugleich klagen, würde er sich auf Kosten des einen oder anderen bereichern. Aus diesem Grund schließt die Lehre 299 unabhängig vom guten oder bösen Glauben des Nichtberechtigten sämtliche Ansprüche gegen den Dritten aus, falls der solvens seine Genugtuung unmittelbar durch einen Rechtsbehelf gegen den accipiens findet. Ob diese Argumentation schlagkräftig ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Dagegen könnte man nämlich einfach erwidern, daß dem solvens, der sich erfolgreich gegen den accipiens bzw. den Dritten durchsetzen konnte, kein weiterer Bereicherungsanspruch zusteht, oder daß er weitere Ansprüche verliert, sobald er nicht mehr entreichert ist. In der Tat sollte man bei der genannten Rechtsfigur nicht einer Denkweise folgen, die dem Kondiktionsrecht angehört. Es ist die Zahlung einer Nichtschuld, die - als Nachfolgerin (insbesondere) der condictio indebiti - nur den bloßen Gegenstand der Vermögensverschiebung berücksichtigt, nicht aber die actio de in rem verso, die in diesem Tatbestand angesprochen wird. Lediglich letztere hat eine äquitative Funktion, d.h. sie versucht eine vom Rechtssystem als ungerecht empfundene Rechtslage zu korrigieren, und dabei die gesamte Situation der Parteien zu bewerten. Im Schrifttum wird ferner die Position des Dritten analysiert. Dieser befindet sich in einer günstigeren Lage, falls der Nichtberechtigte über die Sache, an statt gutgläubig, bösgläubig verfügt, weil der Kläger sich im diesem Fall gern. Art. 2038 11 2 c.c. zuerst an seinen accipiens wenden muß. Erst wenn der Schuldner sich als schuldunfähig erwiesen hat, d.h. er "bereits erfolglos belangt worden ist"3°O, Art. 2038 11 3 c.c., darf der solvens in das Vermögen des Dritten eingreifen. Es handelt sich hier nach der h.L.301 um einen nur subsidiären Anspruch. Die Doktrin302 erkennt im Art. 2038 c.c. zwei unterschiedliche Tatbestände. Der eine räumt dem solvens einen Rechtsbehelf gegen den Verfügenden ein. Der andere betrifft das Rechtsverhältnis zwischen solvens und dem Dritten. Beide weichen voneinander hinsichtlich des Gegenstandes des Anspruchs ab,
298 Darunter fällt nach dem Wortlaut des Art. 2038 II I c.c. auch derjenige, der erst nach der Leistung des solvens von seiner Pflicht zur Rückgabe gewußt hat. 299 Trimarchi, 96 f.; Moscati, Pagamento, 490. 300 Übersetzung nach Bauer, Eccher u.a. 301 Moscati, Pagamento, 489; Cendon, Art. 2038, 5.1. 302 Rescigno, 1968, 1236.
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der ferner durch voneinander abzugrenzende Modalitäten ausgelöst wird. Solche Auffassung ist zutreffend, bleibt aber oberflächlich, da sie die Gründe für die Unterscheidung nicht vertieft. Diese lassen sich indessen sofort begreifen, sobald man in den fraglichen Tatbeständen einen Anwendungsfall der Versionsklage sieht. Die bei den Ansprüche unterscheiden sich voneinander, weil sie auf unterschiedlichen Rechtsinstituten beruhen, nämlich Kondiktion und versio in rem. Der Wortlaut des Art. 2038 C.c. ist für die Auslegung nicht sehr hilfreich, im Gegenteil, er verursacht eher Unklarheit, weil er verschiedene Ansprüche ungeachtet ihrer andersartigen Funktionen vermischt. b) Allgemeine Bereicherungsklage
aa) Allgemeines Zwei wissenschaftliche Studien haben in den zwanziger Jahren den Stand der heftigen Debatte über eine Aufnahme der aus dem französischen Recht bekannten actio de in rem verso erörtert. M.E. ist der Begriff "actio de in rem verso" für das fragliche Rechtsinstitut jedoch nicht passend. Die allgemeine Bereicherungsklage bildet zwar eine Fallkonstellation, die unter die Versionsklage subsumiert werden kann, sie ist aber nicht die einzige Rechtsfigur, die der Versionsklage zuzuordnen ist, so daß die Verwendung des Begriffes "Versionsklage" statt "allgemeiner Bereicherungsklage" Mißverständnisse verursachen kann. Dies wurde allerdings in den bei den eben erwähnten Analyse nicht berücksichtigt, so daß der dort verwendete Begriff "actio de in rem verso" in dem gerade angegebenen Zusammenhang verstanden werden sollte. In der ersten Studie303 wurde die Rechtsprechung unter dem alten Gesetzbuch 1865 sehr ausführlich analysiert. Das Fazit der Untersuchung offenbarte die Überflüssigkeit dieser Rechtsfigur, die für das Rechtssystem keinen Beitrag leisten könne, da die gleichen, von der entgegengesetzen Auffassung vertretenen Ergebnisse auch anhand des schon bestehenden Rechtsinstrumentariums zu erreichen seien. Die erste Ansicht hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Ihr wurde vom Gesetzgeber die Ansicht304 vorgezogen, deren Verfechter behaupteten, bereits in der alten Kodifikation bestehe ein Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung auf Kosten anderer. Zwar gaben diese Autoren zu, daß ein solches Bereicherungsverbot in keiner Bestimmung des damals geltenden Gesetzbuches vollständig formuliert wurde, daß aber aus vielen Hinweisen in der Kodifikation verstreuten Vorschriften darauf geschlossen werden könne.
303 304
ROlondi, Riv. dir. comm., 1924,passim. Graziani, Riv. dir. civ., 1922,passim.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Selbst die Aufnahme der Bereicherungsklage in das geltende Recht beendete die wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht. Es blieben erhebliche Vorbehalte 305 hinsichtlich ihrer Funktion. Noch in den ersten Jahrzehnten nach dem Inkrafttreten des Codice civile 1942 vermerkte ein Teil der Lehre306 anhand der von der Judikatur entschiedenen Fälle, daß diesem Institut angesichts des von den anderen Rechtsbehelfen angebotenen Rechtsschutzes keine praktische Bedeutung zukomme. Wie auch immer begründet, diese Kritik blieb fast ohne Einfluß auf die Lehre, die sich dann in der Gesetzgebung von 1942 hat durchsetzen können, wie die neuformulierte allgemeine Bereicherungsklage bezeugt307 • Die Verbindung zwischen der älteren h.L., die das Bestehen einer allgemeinen Bereicherungsklage als allgemeines Prinzip schon unter dem alten Gesetzbuch vertrat, und dem neueren Rechtsinstitut ist der Rechtsprechung308 bald aufgefallen. Sie entschied deshalb folgerichtig, daß die Artt. 2041 f. c.c. keinen innovativen Charakter haben, sondern daß sie die unter der alten Kodifikation herrschende Auffassung bestätigen. Die richterliche Stellungnahme ermöglichte die Verwendung sämtlicher Materialien von Doktrin und Judikatur über die Bereicherungsklage vor 1942. Die Zweckmäßigkeit und die Richtigkeit einer Auslegung des geltenden Rechts anhand der aus der alten Kodifikation stammenden Auffassung ist in der späteren Lehre309 nie in Frage gestellt worden. Absicht des Gesetzgebers war bei der allgemeinen Bereicherungsklage die Errichtung eines Rechtsbehelfes mit möglichst breiter Anwendbarkeit3lO, aufgrund dessen der Entreicherte311 mangels anderer Rechtsinstrumente einen rechtmäßig erlittenen Schaden - zumindest teilweise - ausgleichen kann. Art.
Trabucchi, Arricchimento, 65 f.; Cendon, Art. 2041, 1. Vgl. statt aller die Rechtsprechungsübersicht von Facchino, Riv. dir. comm., 1957, passim. 307 Benedetti, Riv. trim. dir. proc. civ., 1959, 1652. 308 Grundlegend Cass., 30. 04. 1947 n. 661, Rep. Foro. it., 1947, Locupletazione, 4; bestätigt von Cass., 16.03. 1949 n. 578, Rep. Giur. it., 1949, Arricchimento, I; rur die niedrigeren Instanzen s. App. Genova, 24. 04. 1954, Temi genov., 1954, 171; der sich auf die allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung trotz mangelnder ausdrücklicher Regelung beruft. 309 Benedetti, Riv. trim. dir. proc. civ., 1959, 1652; Jacchia, 834; D'Onofrio, 581. Nach Trimarchi, 4, liegt die wichtigste Funktion der Vorschrift gerade in der Bestätigung der vor dem Codice civile 1942 h.M. 310 Trabucchi, Arricchimento, 66. 311 Im Sinne der allgemeinen Bereicherungsklage ist als Entreicherter derjenige zu qualifizieren, zu dessen Schaden die Rechtsänderung eingetreten ist. 305
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2041 c.c. enthält somit eine GeneralklauseJ312, die nach strengen Kriterien eine unbestimmte Vielzahl von unterschiedlichen Sachverhalten regelt und als allgemein gültiges Prinzip der Rechtsordnung empfunden wird. Als Gegengewicht zur (gefährlichen) Ausdehnung der Klage wird ihre Handhabung vom Gesetz gem. Art. 2042 c.c. an einen Residualcharakter313 gebunden. Die Aufnahme einer äquitativen Generalklausel öffnet rechtspolitischen Gedanken die Tür, da sie die Rolle des Richters im konkreten Einzelfall hervorhebt. In erster Linie steht der Rechtsprechung die Aufgabe zu, die allgemeine Formel des Art. 2041 c.c. zu konkretisieren. Eine rechtsdogmatische Einordnung der Auswirkungen des Tatbestandes ist infolgedessen sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, vor allem im Lichte des vielfältigen "Charakters" der allgemeinen Bereicherungsklage, wie in einer jüngeren Untersuchung 314 dargestellt. Die Ergebnisse dieser Analyse führen zu dem Schluß, das Rechtsinstitut bilde keinen einheitlichen Rechtsbehelf. Der theoretisch sehr innovative Inhalt wurde deshalb von nicht unbegründeten Sorgen vor umwälzenden Veränderungen315 des Systems begleitet. Die befürchteten Auswirkungen haben sich dennoch nicht verwirklicht, da sich die allgemeine Bereicherungsklausel im italienischen Recht nicht so entwickelt hat, wie man angesichts des Wortlauts der Vorschrift hätte erwarten können. Gegen eine unbefangene, äquitative und "allgemeine" Anwendung der gesetzlichen Bereicherungsklage sprechen mehrere Gründe. Dieses Institut hat von Anfang an den Verdacht des Gesetzgebers von 1942 auf sich gelenkt, der darin ein für die Struktur des Codice civile gefährliches Instrument gesehen hat316 . Die von Art. 2042 c.c. vorgeschriebene Verbindung der Bereicherungsklage mit einer strikten Subsidiarität hat scheinbar nicht gereicht, um diesem Argwohn zu entkommen. Der Anspruch aus 2041 I c.c. hat sich (nicht nur) wegen des gesetzgeberischen Widerstands nicht behauptet. Ferner stößt die Klage auf weitere Schwierigkeiten in der Bestimmung eines eigenen Profils. Zwischen der dauernden Ausbreitung des Deliktsrechtes vor allem durch die Errichtung neuer Tatbestände seitens der Gerichte - und den festen Regeln des Vertragsrechts bleibt ihr ein sehr enger Raum, um für sich einen relevanten Anwendungsbereich zu finden 317 .
312 Breccia, Arricchimento, 820 f.; Bianca, 810; Bianchini, Jahrbuch filr italienisches Recht, 1994, 197 ff. 313 Di Majo, Tutela, 298. 314 Gallo, 1996,30. 315 Trabucchi, Arricchimento, 66. 316 So Moscati, Atti Venezia, 579. 317 Gallo, Riv. dir. civ., 1993,679.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Es gibt auch einen weiteren Grund für die Vorsicht von Lehre und Rechtsprechung hinsichtlich der Handhabung des Art. 2041 c.c. Gegen vermögensrechtliche Verletzungen reagiert das Rechtssystem mit der Bereitstellung einer Reihe von Ansprüchen. Sie werden üblicherweise deshalb eingeräumt, weil der Anspruchsgegner mit seiner Verhaltensweise gegen einige Regeln der Rechtsordnung verstoßen hat. Hat ein Rechtssubjekt gemäß den gesetzlichen Vorschriften gehandelt, wird gewöhnlich gegen ihn kein Anspruch zugelassen. Die Rechtmäßigkeit bei der Anwendung der eigenen Rechte wird folglich damit belohnt, daß der Rechtsinhaber wegen der korrekten Ausübung seines Rechtes nicht verantwortlich gemacht werden darf: qui jure suo utitur neminem laedit. Dieser Gedankengang gilt vornehmlich für das Deliktsrecht, das mit dem Bereicherungsrecht wie es in Art. 2041 c.c. dargestellt wird, mehrere Berührungspunkte aufweist318 . Dennoch wird in Art. 2041 I c.c. gerade das Gegenteil ausgesagt. Der Rechtsinhaber hat rechtmäßig gehandelt, er hat somit das Eigentum an der Sache erhalten, trotzdem gewährt das Gesetz dem ungerechtfertigt Entreicherten einen bereicherungsrechtlichen Anspruch. Die Klage richtet sich gegen die wirtschaftlichen Folgen eines Verhaltens secundum jus, d.h. vom Rechtssystem erlaubt319 . Diese besondere Funktion der allgemeinen Bereicherungsklage ist von der Doktrin320 mit Gerechtigkeitsgedanken erläutert worden. Gerade der allmähliche Gewichtsverlust der aequitas unter den tragenden Merkmalen des Instituts bringt als Folge einen entsprechenden Identitätsverlust mit sich. Das Problem wird von einem Teil der Rechtslehre 321 durch die Übernahme der deliktsrechtlichen Terminologie gelöst. Dieser Meinung nach verletzt die zum Bereicherungsanspruch führende Handlung das Gerechtigkeitsgebot genauso wie die schuldhafte Handlung des Schädigers, welche zum Schadensersatz ex delicto führt. bb) Tatbestandsmerkmale Die Bereicherungsklage beschäftigt sich mit den Wirkungen von Vermögensverschiebungen322 • Ihre Tatbestandsmerkmale werden im ersten Absatz des Art. 2041 c.c. dargestellt. Nach der einhellig h.M.323 verlangt die Vorschrift Diesbezüglich s. unten in diesem Teil, C. III. Zutr. Di PaolaiPardolesi, 2 f.; für die Versuche, diesem Widerspruch abzuhelfen, s. Cendon,Put.2041, I. 320 Für eine Zusammenfassung der Auseinandersetzungen über die Rolle der Äquitas in der Bereicherungsklage vgl. Di PaolalPardolesi, 3. 321 Gallo, 1996,37 f. 322 Trabucchi, Arricchimento, 69. 323 Statt aller Cendon, Put. 2041, 2, mit Hinweisen auf die Lehre und Rechtsprechung; s. zuletzt Gallo, 1996, 26. 318 319
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runf Voraussetzungen rur die Begründetheit der Klage: die Entreicherung des Klägers, die Bereicherung des Anspruchsgegners, eine Beziehung zwischen Beund Entreicherung und den Mangel eines rechtlichen Grundes rur die Vermögensverschiebung. Hinzu kommt das in Art. 2042 c.c. vorgeschriebenen Subsidiaritätserfordernis. Während über diese Elemente im wesentlichen Einstimmigkeit herrscht, bereitet die Festlegung der Begriffe iusta causa und Subsidiarität einige Schwierigkeiten. Der terminus "Bereicherung" ist vom wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch übernommen und deutet auf die tatsächliche Mehrung des Vermögens des Beklagten hin324 . Da wirtschaftliche Maßstäbe angewendet werden, bleiben außerhalb der Tragweite der Norm alle die Formen der Bereicherung, die das Vermögen nicht in seiner ökonomischen Integrität berühren, wie eine moralische, d.h. rein ideelle Bereicherung325 oder ein nur künftiger VorteiP26. Der Begriff schließt nicht ohne weiteres eine negative Mehrung als bereicherungsrechtlich irrelevant aus. Daher sind auch Ersparnisse von Aufwendungen 327 klagbar, obwohl solchem Anspruch lediglich cum granD saUs von der Rechtsprechung stattgegeben wird. Die Bemessung der Bereicherung betrifft nach dieser Sicht nicht nur die einzelne betroffene Rechtsbeziehung, die die Vermögensverschiebung verursacht hat, sondern bringt eine gesamte Wertung des bereicherten Vermögens mit sich. Die Bereicherung ergibt sich aus der Differenz des vermehrten Vermögens vor und nach der Verschiebung328 . Die Definition des Inhaltes der Entreicherung bereitet hingegen der Auslegung größere Schwierigkeiten. Art. 2041 I c.c. verlangt als unentbehrliches Tatbestandsmerkmal, daß eine Bereicherung "zum Schaden"329 eines anderen er-
324 Unumstritten, Benedetti, Riv. trim. dir. proc. civ., 1959, 56; Jacchia, 838 f.; D'Onofrio, 584; Breceia, 834; Di PaolaiPardolesi, 3; Bianchini, Jahrbuch für
italienisches Recht, 1994, 205; Cass. 19. 02. 1958 n. 521, Rep. Giur. it., 1958, Arricchimento,5. 325 Jacchia, 839, der die Abwesenheit von Entscheidungen darüber betont; Di
PaolalPardolesi, 4. 326 Jacchia, op. loc. ull. eil. (vorige Fn.); Breceia, Arricchimento, 836; Di PaolaiPardolesi, aaO. (vorige Fn.). Cass., 10. 06. 1976 n. 2133, Giur. it., 1976, I, I,
1867; Cass., 02. 03. 1976 n. 696, Giust. civ., I, 1497. 327 Trabucchi, Arricchimento, 70; Benedetti, Riv. trim dir. proc. civ., 1959, 57; Jacchia, 840; D'Onofrio, 586; Breceia, Arricchimento, 835; Moscati, 1987, 451; Di PaolalPardolesi, 4; Bianca, 813; Cass., 30. 12. 1964 n. 2985, Rep. Giur. it., 1964, Arricchimento, 9; Cass., SS.UU., 19.05. 1993 n. 5689, Mass. Fora it., 1993. 328 Trimarchi, 118 f. 329 Auf italienisch "in danno".
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
folgt. Der Ausdruck "Schaden" ist hier doppeldeutig. Einige 330 identifizieren ihn schlicht und einfach mit dem deliktsrechtlichen Schadensbegriff. Diese Auffassung liest Art. 2041 c.c. als einen impliziten Verweis auf den unrechtmäßigen Schaden des Art. 2043 c.c. Eine Anknüpfung des Bereicherungsrechtes an die deliktsrechtliche Lehre brächte tatsächlich klare Vorteile, da die Rechtswissenschaft den Schadensbegriff ausfiihrlich behandelt hat. Die Ergebnisse der Forschung stünden den bereicherungsrechtlichen Untersuchungen zur Verfiigung. Die h.M.331 lehnt allerdings eine solche Interpretation zugunsten eines Begriffes des Schadens ab, der von der (lediglich) gleichnamigen deliktsrechtlichen Begriffsbestimmung erheblich abweicht. Die Definition des Schadens als Entreicherung gestaltet sich dabei als Kehrseite der Bereicherung. Es handelt sich somit dieser Ansicht nach um einen rein wirtschaftlichen Nachteil des Klägers, der folglich nur vermögensrechtliche Elemente umfaßt332 . Weitere Versuche333 , die fragliche Definition zu verdeutlichen, halten sich strikt an die Begriffsbestimmung der Bereicherung. Sie besitze den gleichen Inhalt, jedoch umgekehrt betrachtet. Danach handelt es sich um eine wirtschaftlich zu bestimmende, tatsächliche und nicht künftige Benachteiligung eines Vermögens. Als drittes Tatbestandselement erfordert Art. 2041 I c.c. eine Beziehung zwischen der Rechtslage des Anspruchstellers und der des Anspruchsgegners. Mit den Worten des Gesetzes soll die Vermögensminderung der Bereicherung "korrelativ" sein. Was dieser Korrelation, oder besser diesem Bezug334 , entsprechen soll, ist eine in der Literatur335 oft gestellte Frage, die noch in den fiinfziger Jahren336 durch die Feststellung eines "Kausalnexus" zwischen Be- und Entreichertem beantwortet wurde. Dadurch wurde versucht, diese hochkompli-
330 In diesem Sinne insb. Bianca, 815; aber auch Bianchini, Jahrbuch für italienisches Recht, 205 f. A.A. Trimarchi, 62; Cendon, Art. 2041, 2 c. 331 Benedetti, Riv. trim. dir. proc. civ., 1959, 59; Jacchia, 842; Breccia, Arricchimento, 838; Moscati, 1987,453; Cass., 12.01. 1951 n. 63, Rep. Giur. it., 1951, Esecuzione immobiliare, 25-26; Cass. 12. 04. 1995 n. 4192, Mass. Giust. civ., 1995. A.A. Gallo, 1996, 33 ff. 332 D'Onofrio, 588. "Vermögensminderung" ist der vom Art. 2041 c.c. verwendete terminus. 333 Di PaolaiPardolesi, 5; Cendon, Art. 2041, 2 c. 334 So Bianchini, Jahrbuch für italienisches Recht, 1994, 206. 335 Auch in diesem Fall hält sich die Judikatur außerhalb der Polemik und benutzt nicht selten einfache Umformulierungen der Iittera legis, deren Bedeutung genauso unklar wie die Definition des Art. 2041 c.c. selber bleibt. Moscati, Arricchimento, 450, kritisiert zu Recht die extreme Allgemeinheit der angewendeten Formel. Die Auffassung der Rechtsprechung wird infra dargestellt. 336 Trabucchi, Arricchimento, 72; Cass., 1. 10. 1951 n. 2582, Rep. Giur. it., 1951, Arricchimento, 7; Cass. 31. 0 I. 1953 n. 276, Rep. Giur. it., 1953, Arricchimento, 2-3.
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zierte Problematik mit Hilfe des deliktsrechtlichen Rechtsinstrumentariums 337 zu lösen. Diese Position wurde jedoch schon in den sechziger Jahren aufgrund wichtiger Beiträge von Lehre und Rechtsprechung aufgegeben. Darauf wurde nämlich im Schrifttum338 erwidert, daß das Problem des Nexus zwischen Bereicherung und Schaden nicht als Kausalität betrachtet werden könne, weil die Tatsache, daß ein Rechtssubjekt sich bereichert, während ein anderes einen Schaden erleidet, im allgemeinen keiner Rechtfertigung bedürfe, wie das Beispiel von den glücklichen Umständen beweise, bei denen ein Unternehmen zu Lasten eines anderen begünstigt wird. Dieser Auffassung hat sich auch der grosse Senat des Kassationshofes 339 angeschlossen. In einem viel beachteten Revirement hielten die Richter entgegen ihrer vorherigen Ansicht das Bestehen einer "einheitlichen konstitutiven Tat" als ausreichend rur die Haftungsbegründung. Die Formel ist in den weiteren Entscheidungen auf großen Erfolg gestoßen und herrscht in der Praxis bis zum heutigen Tage unangefochten 340 , obwohl die Doktrin341 hinsichtlich ihrer Bedeutung und Rolle Bedenken anmeldet. Beispiel: Ein Rechtsanwalt hat ein Gutachten angefertigt, das vom Auslandsministerium zur Lösung einer Kontroverse zwischen einer italienischen und einer französischen Firma verlangt worden war. Da das Ministerium seiner Leistungsverpflichtung nicht nachkommt, klagt der Rechtsanwalt gegen die italienische Firma, die seiner Meinung nach vom Gutachten profitiert hatte, auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung gern. Art. 2041 c.c. Die Klage wird wegen Mangels an einer einheitlichen, konstitutiven Tat abgelehnt. Diese fehlt, wenn die Bereicherung ein anderes Rechtssubjekt betrifft als denjenigen, mit dem der Leistende ein direktes Verhältnis kraft Vertrages bzw. Gesetzes hat342 . Anstelle der abgelehnten richterlichen Formel konnte sich jedoch kein wieterer Vorschlag durchsetzen, der allgemein aufgenommen wurde. Gegen die Anwendung von leeren Formeln wird in der Literatur343 eine Auslegung gefordert, die in den richterlichen Entscheidungen verborgene rechtspolitische Erwägungen freilegt.
337 Kritisch über die Einführung deliktsrechtlicher Institute in das Bereicherungsrecht Schlesinger, 1007; Di PaolalPardolesi, 5. 338 Grundlegend Trimarchi, 81 ff.; vgl. Breccia, Arricchimento, 840 f. 339 Cass. SS.UU., 02.02. 1963 n. 183, Foro pad., 1963, 1,1070. 340 Statt aller App. Milano, 16. 07. 1982, Giur. merito, 1983, I, 1325. 341 Moscati, Arricchimento, 454 f.; Bianca, 816 f.; zuletzt Gallo, 1996,35 ff. 342 Cass., 10. 02. 1993 n. 1686, Giur, it., I, I, 626, mit Anm. UUaro. 343 Di PaolaiPardolesi, 5 f.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
Die anspruchsauslösende Vennögensverschiebung erfolgt gern. Art. 2041 I c.c. ohne rechtlichen Grund. Vor allem in den ersten Jahrzehnten nach dem Inkrafttreten des Codice civile wurde in der Rechtswissenschaft über den Begriff der iusta causa 344 im Bereicherungsrecht heftig diskutiert. Die Lehre versucht immer wieder, diesen Begriff in eine passende Definition zu kleiden. Die dafür vorgeschlagenen Konstruktionen betonen unterschiedliche Aspekte der Vennögensverschiebung. Die älteren 345 leiten den Ausdruck von bereits den Römern bekannten, äquitativen Gedanken her. Diese Auffassung wird heute aber nicht mehr vertreten; zieht vielmehr die moderne Doktrin346 die Ansicht vor, wonach die Bereicherung ohne rechtlichen Grund eintritt, wenn - etwas vereinfachend die vom Entreicherten vorgenommene Leistung dem Bereicherten aufgrund keiner Rechtsbeziehung geschuldet war, oder wenn der Entreicherte während der Leistung auf kein Rechtsverhältnis Bezug genommen hatte. Jüngste Versuche347 wenden sich noch einmal an das deliktsrechtliche Instrumentarium. Dementsprechend werden Parallelen zwischen der allgemeinen Bereicherungsklage und der im Art. 2043 c.c. enthaltenen Generalklausel über die unerlaubten Handlungen gezogen: Beide Nonnen enthielten ein Kriterium für die Auswahl der zu schützenden Interessen. Die Ungenauigkeit einer solchen Definition ist selbst ihren Verfechtern348 aufgefallen, die dadurch vornehmlich zeigen wollten, daß sich der Inhalt des Begriffes der Entwicklung der geschützten Interessen anpaßt. Auch keine endgültigen Lösungen bieten diejenigen 349 , die zur Schlußfolgerung kommen, daß die iusta causa die juristische Rechtfertigung der Bereicherung bildet. Von dieser heftigen Debatte erfahrt die Praxis - vor allem infolge der richterlichen Haltung - sehr wenig. Die Rechtsprechung unternimmt - bedauerlicherweise - kaum einen Versuch, Beiträge zur Diskussion zu liefern, die der Doktrin eine Orientierung geben könnten. Im Gegenteil, sie läßt sich nicht in die Diskussion einbeziehen, was inhaltlich auch ihre Urteile bestätigen. Die Richter350 betrachten die theoretischen Ansätze 351 als nicht konkludente Konstruktionen und ziehen ihnen konkretere Entscheidungen vor. Diese entfalten dennoch keine bindende Kraft jenseits des Einzelfalles. Mangels klarer 344 Über den Begriff von iusta causa im heutigen Recht s. ausfiihrIich Barcel/ona, Riv. trim. dir. proc. civ., 1965,passim. 345 S. Jacchia, 853 f., fiir genauere Hinweise. 346 Trimarchi, 38. 347 Di Paola/Pardolesi, 3; Bianca, 818. 348 Di Paola/Pardolesi, loc. ult. eit. (vorige Fn.). 349 Cendon, Art. 2041, 2 a). 350 Z.B. Cass., 20. 01. 1994 n. 517, Arch. civ., 1994,396. Vgl. ferner die Rechtsprechungsübersichten von Jacchia; und von GaUo, Riv. dir. civ., 1993; beide passim. 351 Moscati, Arricchimento, 458. Keine Entscheidung läßt sich finden, die die Vorschriften über die "ungerechtfertigte Bereicherung" (Artt. 2041 f. c.c.) durch theoretische Konstruktionen erklärt.
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Hinweise der Judikatur hat man - angesichts der Ungenauigkeit der gesetzlichen Formel - schlicht zur Kenntnis genommen, daß es unmöglich sei, zu einer zufriedenstelIenden Definition zu gelangen. Als einzig mögliche Alternative wurde schon seit einigen Jahrzehnten 352 die Rückkehr zu einer alten, schon vor der geltenden Kodifikation bekannten Methode vorgeschlagen, nämlich die richterlichen Entscheidungen so einzuordnen, daß sie rur typische Fallkonstellationen bereitstehen können. Ein solcher Vorschlag, dem sich die h.L. 353 angeschlossen hat, sieht seinen Erfolg vor allem dadurch gewährleistet, daß es an Theorien mangelt, welche den sehr weiten Begriff der iusta causa als rechtlichen Grund hinsichtlich des Bereicherungrechtes unter allen Gesichtspunkten klären. cc) Subsidiaritätserfordernis Die allgemeine Bereicherungsklage steht dem Entreicherten nicht zu, falls dieser einen anderen Anspruch geltend machen kann, Art. 2042 c.c. Durch diese Eingrenzung beseitigt das geltende Recht eine strittige Frage, mit der sich die Rechtswissenschaft unter der alten Kodifikation heftig auseinandergesetzt hatte 354 • Der Gesetzgeber knüpft dabei an die französische Praxis des Arret Boudier355 an. Diese hatte das Subsidiaritätserfordernis unter den Tatbestandsmerkmalen der Versionsklage, die dem Code civil fremd war, aufgenommen. Wenngleich das Problem der subsidiären Natur der Bereicherungsklage hiermit endgültig gelöst worden ist, hat sich die Diskussion über dieses Institut immer noch nicht beruhigt. Besonders umstritten 356 ist die Frage nach der Bedeutung der "Unmöglichkeit der Geltendmachung einer anderen Klage" gern. Art. 2042 c.c. Diesbezüglich unterscheiden sich drei Auffassungen 357 • Eine erste Meinung berurwortet eine abstrakte Definition der Subsidiarität durch die Ablehnung der Bereicherungsklage bei Konkurrenz von weiteren Rechtsbehelfen. Eine pragmatischere Betrachtungsweise erwidert dieser Ansicht, daß eine theoretische Anspruchskonkurrenz rur die Bewertung der Subsidiarität untauglich sei, wenn es in concreto keine Berührungspunkte zwischen konkurrenzfähigen Klagen gebe. Man solle deshalb die Existenz weiterer Ansprüche während ihrer praktiGrundlegend Schlesinger, 1007. Benedetti, Riv. trim. dir. proc. civ., 1959, 1960; Jacchia, 856 ff; Moscati, Arricchimento, 457 f.; Di PaolaiPardolesi, 3; Moscati, Atti Venezia, 581; Bianchini, Jahrbuch rur italienisches Recht, 1994, 201; Gallo, 1996, 39 ff. Zurückhaltender Bianca, 818, nach dem die Anwendung dieser Methode allein nicht ausreichend ist. 354 Moscati, Arricchimento, 460 f.; Bianchini, op. eit. (vorige Fn.), 202. 355 S. supra, zweiter Teil, B. VI. 2. b). 356 Cendon, Art. 2042, 1. 357 Nachweise folgen. 352
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
schen Anwendung überprüfen. Eine tatsächliche Bewertung zwinge zur Ablehnung der Klage gern. Art. 2041 c.c., falls der alternative Anspruch durchsetzbar sei, was z.B. bei verjährten Hauptansprüchen nicht der Fall ist. Ein Teil der Lehre distanziert sich von beiden Ansichten, indem sie die Gegebenheit der Voraussetzungen für die Anwendung der Klage je nach Fall bewertet. All diese Wege sind von der italienischen Rechtslehre verfolgt worden. Einige Autoren358 behaupten, das Prinzip der Subsidiarität würde seiner Bedeutung entleert, wenn man die allgemeine Bereicherungsklage in allen Fällen ablehnen würde, in denen ein anderer Anspruch bestehe, aber nicht mehr klagbar sei, weil dieser Z.B. verjährt ist. Wenn es so wäre, betonen sie, gäbe es keinen echten Anwendungsraum für die Klage, da die Rechtsordnung bei ungerechtfertigten Vermögensverschiebungen immer einen Rechtsbehelf bereitstelle. Hinter dem Vorschlag einer weiteren Handhabung des Art. 2042 c.c. steckt der Versuch, dem Entreicherten noch eine Chance einzuräumen, um die erlittene Benachteiligung in möglichst engen Grenzen zu halten. Diese Auffassung stieß jedoch auf sehr wenig Konsens in der Rechtsprechung 359 und wurde deshalb von der Lehre bald verlassen. Die heutige h.M.360 bevorzugt eine enge Auslegung des Subsidiaritätserfordernisses. Sie verweigert folglich die Anwendung der allgemeinen Bereicherungsklage, falls ab origine weitere konkurrierende Ansprüche vorliegen. Diese strenge Auffassung wird allerdings durch die Praxis gemildert. Erkennt das Gericht, daß der erhobene Anspruch dem Kläger nicht zusteht, so daß die Klage nicht hätte erhoben werden dürfen, dann wird der von Anfang an nicht bestehende Anspruch nicht als alternative Klage im Sinne des Art. 2042 c.c. angesehen. Folgerichtig darf einer Klage auf Herausgabe der Bereicherung nach Art. 2041 c.c. stattgegeben werden 361 . Beispiel: Ein Ingenieur hatte einen Bauplan im Auftrag einer Gemeinde angefertigt. Da die Gemeinde die erbrachte Leistung nicht bezahlte, klagte der Ingenieur gegen sie auf Erfüllung des Dienstvertrages. Die Klage aus dem Vertrag wurde jedoch abgelehnt, weil die nötigen verwaltungsrechtlichen Prozeduren nicht respektiert worden waren, so daß kein gültiger Vertrag zustande gekom358 Barcellona, Riv. trim. dir. proc. civ., 1965, 24 f., insb. Fn. 30; Barbero, 808 ff.; de jure condendo Gallo, Riv. dir. civ., 1993,682. 359 S. schon kritisch Cass., 21. 04. 1955 n. 1125, Giur. it., 1956, I, 1,685. 360 Trabucchi, Arricchimento, 74 f; Fenghi, Anmerkung an Cass., 06. 06. 1960 n. 1473, Riv. dir. comm., 1962, II, 121, insb. 125 ff.; Cendon, Art. 2042, 1; Cass., 01. 12. 1978 n. 5682, Rep. Giur. it., 1978, Arricchimento, 9; Trib. Napoli, 14.06. 1982, Giust, civ., 1983, I, 285. 361 Überwiegend h.M. Cass., 05. 03.1991 n. 2283, Mass. Foro it., 1991; Cass., 15. 11. 1994 n. 9629, Foro it., 1995, I, I, 1089; Cass., 27. 01. 1995 n. 990, Mass. Giust. civ., 1995; App. Cagliari, 10.03.1991, Riv. giur. sarda, 1991,30, mit Anm. Tegas.
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men war. Der Ingenieur versuchte es noch einmal mit einer Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung gern. Art. 2041 c.c. Der Klage wurde stattgegeben: Die zuerst erhobene, vertragliche Klage entbehre jedweder Grundlage und hätte folglich nie erhoben werden dürfen, die allgemeine Bereicherungsklage scheitere folglich nicht an dem Subsidiaritätserfordernis362 • Eine solche Kompromißlösung kennzeichnet die jüngste Auffassung der Judikatur363 und setzt sich auch in der Literatur364 seit dem letzten Jahrzehnt immer deutlicher durch. dd) Dreiecksverhältnis Die einhellig angenommene Verknüpfung der allgemeinen Bereicherungsklage365 mit der römischen actio de in rem verso sollte auf eine breite Anwendung bei sog. Dreiecksverhältnissen hinweisen. Erstaunlicherweise gestatten dennoch Lehre und Rechtsprechung lediglich sehr vorsichtig eine Ausdehnung der bereicherungsrechtlichen Beziehung auf Dritte. Ganz gegen die römischen Quellen neigt man sogar zu einer Eingrenzung der Auswirkungen der Klage ausschließlich auf die Parteien, zwischen denen eine Vermögensverschiebung unmittelbar stattgefunden hat. In der Tat, diese Behutsamkeit überrascht nicht. Im Gegenteil, sie läßt sich leicht durch die nicht unbegründete Sorge um eine uferlose Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten erklären. Dennoch ist dieses Verhalten m.E. inkonsequent. In der Literatur366 wird die Unstimmigkeit zwischen der modernen und der herkömmlichen Gestaltung der Versionsklage oftmals übersehen. Wohl bezeichnen beide einen Anspruch, der eine bereicherungsrechtliche Rechtsbeziehung zwischen fremden Rechtssubjekten errichtet, doch ist das ein zu dünner Faden, um darauf die Identität beider Rechts362 Cass., 26. 11. 1986 n. 6981, Foro pad., 1989, I, 291, mit Anm. D'Ovidio.
363 Zuletzt Cass., 13.04. 1995 n. 4269, Mass. Giur. it., 1995. Eine andere Rechtsfrage betrifft die Möglichkeit, die allgemeine Bereicherungsklage erst vor dem Berufungsgericht zu erheben, während der Gläubiger in der ersten Instanz auf vertragliche Erfüllung geklagt hatte. Der vereinigte Senat des Kassationshofes hat neulich dieses Verfahren abgelehnt, da die Bereicherungsklage zu einer unzulässigen Änderung des petitum führen würde; s. Cass., SS.UU., 22. 05.1996 n. 4712, Mass. Giust. civ., 1996. Die jüngere Rechtsprechung hält sich an dieser Auffassung; vgl. zuletzt Cass., 16. 01. 1997 n. 381 und Cass., 03. 03. 1997 n. 1863, beide in Giur. it., 1998,459, mit Anm. Astone. 364 Di PaolaiPardolesi, 6; a.A. Schlesinger, 1008. 365 Vgl. z.B. die Einordnung des Repertorio deI Foro italiano der letzten Jahrzehnte unter dem Stichwort "Arricchimento". Dort wird stets die actio de in rem verso als alternativer Begriff der Bereicherungsklage verwendet. 366 Nur Spitali, Giur. it., 1994, I, I, 1861, betont meines Wissens die Unterschiede zwischen der römischen und der geltenden Bereicherungsklage.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
figuren zu gründen. Zu wenige Gemeinsamkeiten vereinigen die dreieckige Struktur der versio in rem mit der gleichnamigen, modernen Konstruktion. Dies wird gerade bei der Einbeziehung Dritter deutlich. Die richterliche Antwort auf die Furcht vor einer grenzenlosen Ausdehnung der allgemeinen Bereicherungsklage besteht hauptsächlich in der inhaltlichen Feststellung des tatbestandsmäßig vorgesehenen Nexus zwischen Be- und Entreicherung. Nach der Rechtsprechung betont das Gesetz damit die Notwendigkeit einer "einheitlichen, konstitutiven Tat"367. Die Existenz eines solchen Verhältnisses wird grundsätzlich von ihr368 bei Mehrecksverhältnissen abgelehnt, und zwar aufgrund der durch die Einmischung des Dritten verursachten Unterbrechung des (Kausal)Zusammenhanges369 . Im Schrifttum370 ist die Rolle des Dritten äußerst unklar. Versuche 371 , die Rechtslage durch analoge Anwendung der Vorschriften der Zahlung einer Nichtschuld, insbesondere des Art. 2038 c.c. über die unberechtigte Verfiigung der Sache zu erklären, haben nur teilweise Erfolg 372 . Die Doktrin373 scheint eher auf eine allgemeine Definition zu verzichten, sie nimmt die Auffassung der Rechtsprechung schlicht zu Kenntnis. Wie bereits bei dem Subsidiaritätserfordernis wird die richterliche Regel in concreto durch einige Ausnahmen gemildert. Eine jüngere Entscheidung 374 hat Z.B. einer Klage gegenüber Dritten erst stattgegeben, als der Entreicherte seinen Vertragspartner erfolglos verklagt hatte, weil letzterer insolvent war. Es handelte sich hier um einen klassischen Fall eines Dreiecksverhältnisses, in dem sich eine Baufirma, die Renovierungsarbeiten in einer Wohnung ausgefiihrt hatte, wegen der Insolvenz des Auftraggebers an den Bauherrn gewendet hatte. Der Kassationshof hat dem Anspruch gern. Art. 2041 I c.c. stattgegeben, weil der Dritte einen Vorteil aus der Insolvenz der 367 S. oben bei 11. in diesem Abschnitt. 368 Cass., 04.05. 1978 n. 2087, Rep. Giur. it., 1978, Indebito, 5; Cass., 16. 12. 1981 n. 6664, Rep. Giur. it., 1981, Arricchimento, 18. 369 Freilich kann der Kausalzusammenhang nach richtigem Verständnis nicht unterbrochen werden. Was die italienische Rechtslehre dadurch betonen will, ist die bereicherungsrechtliche Belanglosigkeit der weiteren Ereignisse, die das Bereicherungsverhältnis nach der Einmischung des Dritten betreffen. 370 Moscati, Arricchimento, 454. 371 Trimarchi, 82 ff., insb. 93 f. 372 Breccia, Arricchimento, 842 f.; Spitali, Giur. it., 1994, I, I, 1868 ff.; Gallo, 1996,
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373 Di Paola/Pardo/esi, 5 f.; Bianca, 816. 374 Cass. 18. 08. 1993 n. 8751, Rep. Foro it., 1993, Arricchimento, 2.
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vom Gesetz, bzw. vom Vertrag verpflichteten Person ohne rechtlichen Grund erlangt hatte. Ob sich dieses Urteil in einer neuen Meinung der Judikatur konsolidieren wird, kann man bis heute nicht sagen. Der Dritte kommt bei der allgemeinen Bereicherungsklage ferner unter einem anderen Gesichtspunkt in Betracht. Der Anwendungsbereich der Klage umfaßt zwar lediglich die ursprünglichen Parteien, d.h. diejenigen, die sich am Anfang einer Bereicherungskette befinden, aber wenn ein klagbarer Anspruch gegen Dritte besteht, die an sich der bereicherungsrechtlichen Rechtsbeziehung fremd bleiben, scheitert die Klage an dem Subsidiaritätserfordernis. Beispiel: A verkauft und übereignet dem Familienvater B einige Lebensmittel, die von der ganzen Familie des B verbraucht werden. B erbringt die vereinbarte Gegenleistung nicht. Darf A trotz des Anspruches ex contractu gegen die Familie seines Schuldners auf ungerechtfertigte Bereicherung klagen 375 ? Diese Einschränkung des Anwendungsfeldes der allgemeinen Bereicherungsklage wird dadurch gerechtfertigt376, daß das Prinzip der Subsidiarität gern. Art. 2042 c.c. auch dort anwendbar ist, wo die Hauptklage, d.h. die mit dem Anspruch aus Art. 2041 c.c. konkurrierende Klage, gegen einen Dritten anwendbar wäre. Steht dem Entreicherten ein klagbarer Anspruch gegen Dritte zur Verfügung, darf er die allgemeine Bereicherungsklage wegen ihrer Subsidiarität nicht anwenden. Die Sperre des Art. 2042 c.c. wird erst überwunden, wenn der Dritte erfolglos verklagt worden ist, etwa weil er insolvent wird, da der aufgrund der Mittellosigkeit des Dritten gescheiteterte Versuch unmittelbar den Tatbestand des Art. 2041 c.c. auslöst. Das Zusammentreffen des Subsidiaritätserfordernisses mit der richterlichen Ablehnung der Klage aus Art. 2041 c.c. bei Mehrecksverhältnissen ändert somit die Tragweite der Bereicherungsklage je nach der Rolle des Dritten. Nimmt dieser an der Bereicherungskette nach dem unmittelbar vom Kläger Bereicherten teil, wird in der Regel der gegen ihn gerichteten Bereicherungsklage aufgrund der Unterbrechung des Zusammenhanges nicht stattgegeben. Nur dem mittelbar Bereicherten wird die passive Legitimation zuerkannt. Umgekehrt ist der Dritte
Nach Spita/i, Giur. it., 1994, I, I, 1863. Unumstritten, Jacchia, 883; Di PaolaiPardolesi, 6; Cass., 03. 08. 1960 n. 2285, Rep. Giur. it., 1960, Arricchimento, 7; Cass., 19.03. 1980 n. 1849, Rep. Giur. it., 1980, Arricchimento, 9; Cass. 10.02. 1993 n. 1686, Giur, it., I, 1,626, mit Anm. Uttaro. A.A. Spitali,loc. ult. eit. (vorige Fn.). 375
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
kein Mitglied der Bereicherungskette, sondern ist er aus anderen Gründen bereichert worden, dann wird der unmittelbar Bereicherte vom Bereicherungsanspruch verschont.
111. Anmerkungen und rechtsvergleichender Überblick 1. Die Rechtslage des Dritten
Die Versionsklage zeigt in beiden Rechtssystemen eine ähnliche Struktur. Eine gegenüber dem Bereicherungskläger wirksame VerfUgung ist eine unentbehrliche Voraussetzung des Anspruchs. Dieser Anspruch wird folglich von einer nicht wirksamen VerfUgung nicht ausgelöst, ohne Rücksicht darauf, ob der Dritte die tatsächliche Gewalt über die erlangte Sache ausüben kann. Der Mechanismus wird trotz unterschiedlichem Anwendungsumfang der Klage in den nationalen Rechtsordnungen nicht gestört. Eine direkte Verknüpfung mit der klassischen actio de in rem verso liegt darin, daß der Wegfall der Bereicherung in beiden Rechtssystemen die höhere Haftungsgrenze des Empfängers bildet. Sie wird vor allem durch den ausdrücklich vorgesehenen Verweis des Art. 2038 c.c. auf die Vorschriften über die allgemeine Bereicherungsklage verdeutlicht. § 816 I 2 BGB erwähnt einerseits unter den Haftungsvoraussetzungen das Vorhandensein eines unmittelbaren, rechtlichen Vorteils; Art. 2038 I 3 und 11 3 c.c. schreibt andererseits vor, daß der Dritte nur bis zum Wegfall der Bereicherung einstehen muß. Beide Tatbestände gehen über die bloße Vermögensverschiebung hinaus und stellen den Schutz des Dritten in den Mittelpunkt der Bewertung. Die Versionsklage des italienischen Rechtes läßt den psychologischen Zustand des Dritten unberücksichtigt: Art. 2041 C.C., auf den Art. 2038 c.c. ausdrücklich verweist, bezieht die Gutgläubigkeit des Empfangers nicht unter die erforderlichen Merkmale mit ein. Mit anderen Worten, die Einräumung der Bereicherungsklage ist nicht davon abhängig, ob der Dritte in gutem bzw. in bösem Glauben bereichert worden ist, sondern schlicht davon, daß der Dritte bereichert worden ist. Angesichts der klaren littera legis bleibt der Doktrin kein Spielraum übrig, um unterschiedliche Folgen an die bona bzw. mala fides zu knüpfen. Weil die deutsche Rechtswissenschaft zwischen Kondiktion und Version nicht differenziert, erreicht sie das entgegengesetzte Ergebnis. Der Gedankengang läßt sich leicht verfolgen: § 816 I 2 BGB enthält einen Bereicherungsanspruch, dessen Umfang von § 818 IV BGB geregelt wird. Gemäß der Verweiskette §§ 816 I 2, 818 IV, 819 ff. BGB wird die Versionsklage von der Bösgläubigkeit des Bereicherten doch beeinflußt. Folgerichtig ist es im deutschen Recht durchaus möglich, daß die actio de in rem verso nicht zu einer milderen Haftung fUhrt, wie es von einem Rechtsinstitut zu erwarten wäre, das aufgrund äquitativer Gedanken errichtet wurde. Im Gegenteil, der Anspruchsgegner wird gegebenenfalls zu einer Haftungsform gezwungen, deren Anspruchsgegenstand
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weit jenseits der Grenzen des noch Vorhandenen liegt. Durch die deutsche Auslegung, die auf einem m.E. nicht völlig gelungenen Wortlaut des Gesetzes basiert, wird somit der Dritte, der aufgrund seiner gegenüber dem Leistungsverhältnis des Klägers "externen" Position durch eine mildere Haftungsform begünstigt werden dürfte, nicht als Drittperson gegenüber einem fremden Leistungsverhältnis behandelt, sondern dem Leistungsempfanger gleichgestellt. 2. Systematische Einordnung der Klage
Die Frage ist nun, ob eine verschärfte "Versionshaftung" , rectius Bereicherungshaftung aus versio in rem, wünschenswert wäre. Eine "Bestrafung" der Verhaltensweise des Dritten läßt sich mit dem eben erwähnten Gerechtigkeitsgehalt der actio de in rem verso nicht vereinbaren. Bei Bösgläubigkeit des Dritten sollen andere Rechtsinstitute eingeschaltet werden, die eine Schadensausgleichs- bzw. eine Straffunktion haben. Dies soll dennoch nicht das Ziel der Versionsklage werden. Anderes gilt für die Kondiktion. Sie besitzt nur eine bloße Restitutionsfunktion, die nichts über die weiteren Modalitäten der Herausgabe erklärt. Die Kondiktion beruht nicht auf einer Billigkeitshaftung, die den Anspruch beeinflussen und damit ändern kann. Ihr Tatbestand darf somit mit weiteren Merkmalen belastet werden, die von den Zwecken der jeweiligen, nationalen Gesetzgebung geprägt werden können, ohne daß der Kern der Kondiktion, d.h. die Herausgabe einer nichtgeschuldeten Zuwendung, dabei berührt wird. §§ 818 IV, 819 ff. BGB sind vielleicht unter einigen Gesichtspunkten zu kritisieren, beeinträchtigen aber nicht die Natur der Kondiktion. Es wären eben diese Vorschriften in bezug auf die Versionsklage nicht nötig, ja sogar nicht passend, wenn sie dejure condendo betrachtet würden: Das Prinzip des Wegfalls der Bereicherung ist in der Versionsklage implizit, während die Haftungsverschärfung ihrer Natur fremd ist und zu einer unerwünschten Verdoppelung führen würde, da sich andere Rechtsbereiche mit diesen Fallkonstellationen beschäftigen, z.B. das Deliktsrecht. Die Gleichstellung von Kondiktion und Versionsklage gern. § 816 I 2 BGB ist also m.E. ein Beispiel gesetzlich mißlungener Formel. Dagegen sprechen sowohl rechtsvergleichende Argumente als auch die rechtsgeschichtliche Entwicklung. Vorz1,lziehen wäre deshalb eine Auslegung, die die unterschiedliche Herkunft bei der Rechtsfiguren berücksichtigt. Kritik verdient folglich die systematische Einordnung der Versionsklage in bei den Gesetzgebungen. Eine scharfe Trennung zwischen den unterschiedlichen Ansprüchen aus Kondiktion bzw. Version ist weder dem BGB noch dem Codice civile gelungen. Der Wortlaut der erwähnten Vorschriften vermischt in unklarer Weise ganz verschiedene Rechtsfiguren. Die vor allem in der italienischen Praxis wahrnehmbare Verwirrung und die daraus folgende Vermischung von Begriffen läßt sich anhand der bedauerlichen lex lata erklären. Besser wären daher zwei unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen: eine über die Kondiktionshaftung des 11·
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
aeeipiens (gut- oder bösgläubig), die andere über die den Dritten betreffende Haftung ex aetione de in rem verso.
Die eben durchgefUhrte Analyse bildet wahrscheinlich das wichtigste Ergebnis, das der Darstellung der Versionsklage zu entnehmen ist. Hinsichtlich des europäischen Kondiktionsrechtes läßt sich dieses Ergebnis in der Empfehlung zusammenfassen, wonach den bei den Rechtsinstituten unterschiedliche Titel innerhalb eines möglichen Gesetzbuches gewidmet werden sollten. Eine solche Trennung findet im vierten Teil durch die Schilderung des eigenen Vorschlages eine Bestätigung, da an jener Stelle die Auffassung vertreten wird, daß die Regeln des Kondiktionsrechtes fUr das Versionsrecht nicht gelten können, so daß die beiden Rechtsbehelfe autonom eingeordnet werden sollten. Zwischen der Versions- und der Kondiktionsklage besteht die gleiche Beziehung wie zwischen dieser und der Deliktsklage: Es handelt sich in bei den Fällen um Rechtsbehelfe, die jedoch eigene Ziele verfolgen. 3. § 822 BGB
Die letzte Vorschrift des 24. Titels im BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung enthält mehrere interessante Aspekte fUr die Rechtsanalyse. En passant sei zunächst erwähnt, daß § 822 BGB einem Grundgedanken des Gesetzgebers entspricht, der wie ein roter Faden unterschiedliche Rechtsbereiche der Kodifikation verbindet. Er gehört zu jener Reihe von Normen, die als extrema ratio zugunsten des Verletzten gedacht waren. Dank dieses Tatbestandes darf der Bereicherte die gewöhnlich erfolgreiche Verteidigung ''feci. sed jure feei" dem Anspruch des Entreicherten nicht entgegenstellen. Die Kraft des "Verfolgungsanspruches" aus § 822 BGB bricht eine solche Verteidigung und zwingt den Anspruchsgegner zur Herausgabe der Sache, die seinem Vermögen rechtmäßig, d.h. anhand einer berechtigten Handlung, zugeflossen ist. Eine weitere Rechtsfrage des § 822 BGB betrifft die Natur des dort geregelten Anspruches. Zwei Konstruktionen scheinen hierbei möglich. Einerseits könnte der Tatbestand der Vorschrift so aufgefaßt werden, daß sich nur die Person des passiv Legitimierten, nicht aber der ausgeübte Anspruch ändert. So betrachtet377 , klagt der Bereicherungsgläubiger gegen den Dritten per eondietionem. Dem Kläger würde somit sowohl gegen den VerfUgenden, falls er über die Sache nicht verfUgt hat, als auch gegen den Dritten, der die Sache tatsächlich erhalten hat, eine auf dieselbe Anspruchsgrundlage zurückzufUhrende Kondik-
377
Vgl. Schlechtriem, 1995, Rdnr. 682, insb. Fn.IIO.
C. actio de in rem verso
165
ti on zustehen. Andererseits wird die Ansicht378 vertreten, daß der Anspruch gegen den Dritten von demjenigen gegen den VerfUgenden unabhängig ist. Aus der von einigen vertretenen Selbständigkeit beider Ansprüche ergäbe sich folgerichtig, daß es sich bei der Klage gegen den Dritten nicht um eine Kondiktion, sondern um einen echten Fall der actio de in rem verso handeln kann, deren Rechtsgrundlage in der fictio juris des § 822 BGB liegt. Beide Auslegungen scheinen angesichts des Wortlauts der Norm vertretbar. Die Rechtsvergleichung scheint die zweite Konstruktion zu empfehlen, da die oben erwähnte Funktion des § 822 BGB als Rechtsbehelf fUr die Korrektur von ausgerechnet durch erlaubte Handlungen verursachten Rechtslagen eher an die allgemeine Bereicherungsklage erinnert, die, zumindest in der Absicht des Gesetzgebers, als Versionsklage gedacht war. Ein großes Hindernis bildet jedoch die Struktur der Versionsklage selbst. Wie schon über § 816 I 2 BGB gesagt wurde, soll dieses Rechtsinstitut vom Verweis auf die allgemeinen Vorschriften aus § 818 IV BGB nicht betroffen werden: Entweder findet bei Bösgläubigkeit des Bereicherten das Deliktsrecht Anwendung, dann steht der Schuldner fUr den gesamten Schaden gern. §§ 249 ff. BGB ein, oder es kommt trotz der Bösgläubigkeit die Versionsklage in Betracht, wobei dann der Bereicherte lediglich in dem Umfang des erlangten Vorteils unabhängig vom Verschulden haftet; tertium non datur. Nun verpflichtet § 822 BGB den Dritten, "wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte". Eine Auslegung, die darin einen reinen Kondiktionsanspruch sehen würde, so daß der Anspruchsberechtigte gegen den Dritten genauso wie gegen den verfUgenden Empfänger kondizieren darf, schließt von Anfang an eine mögliche Alternative zwischen der verschuldensabhängigen Klage, etwa einer Deliktsklage, und der verschuldensunabhängigen Versionsklage aus, weil die Bösgläubigkeit des accipiens die Einschaltung der §§ 818 IV, 819 ff. BGB herbei fUhren würde. In diesem Fall gäbe es keinerlei Konkurrenz mit dem Deliktsrecht. 4. Die sog. Versionsklage des Art. 2041 c.c.
Einstimmig wird der Inhalt des Art. 2041 c.c. als "revolutionär" bezeichnet. Eine scharfe Eingrenzung der Tragweite der Versionsklage wird daher trotz des theoretisch erheblichen Anwendungsraums des Tatbestandes empfohlen. Die Rechtsprechung ist im Umgang mit dieser Vorschrift sehr vorsichtig. Sie hat wegen der BefUrchtung einer exzessiven Erweiterung des Anwendungsbereiches der Norm die vom Tatbestand angebotenen, potentiellen Möglichkeiten der Klage nicht völlig erschöpft. Die Position der Vorschrift innerhalb des Codice civile hat ferner dazu beigetragen, die ziemlich verbreitete Unsicherheit zu ver-
378
MünchKommlLieb, § 822, Rdnr. 1.
166
Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
größern: Infolge der Unabhängigkeit von der Zahlung einer Nichtschuld 379 , mit der sie jedoch relativ nah verwandt ist, bleibt die alJgemeine Bereicherungsklage im Schatten des viel weiter entwickelten Deliktsrechts. Zur Bewertung dieses Instituts haben auch die rechtsvergleichenden Untersuchungen keinen entscheidenden Beitrag geleistet. Wie es scheint, wird in solchen Abhandlungen - seien es deutsche oder italienische - immer wieder ein Grundfehler begangen, der die Perspektive der Analyse verfalscht: Ausgangspunkt 380 ist stets die Gleichstellung des Tatbestandes des § 812 BGB mit dem des Art. 2041 c.c. Einer solchen Auffassung ist meiner Meinung nach nicht zuzustimmen: Art. 2041 c.c. stelJt einen Versuch dar, durch den der Gesetzgeber die Versionsklage in das Rechtssystem aufnehmen wolJte. Die Vorschrift bildet somit eine Rechtsfigur, die in den Lücken der Kondiktion eine eigene Nische findet. Hingegen beschreibt gerade § 812 BGB nach unbestrittener Ansicht reine Kondiktionstatbestände. Es geht dabei um sehr unterschiedliche Rechtsbehelfe, die als solche nicht verglichen werden können 381 . § 812 BGB entspricht vielmehr - zumindest teilweisedem Anspruch gern. Art. 2033 C.C., nämlich der Zahlung einer Nichtschuld. Wie schon ausführlich erörtert382 , faßt die italienische Bestimmung die herkömmlichen Kondiktionen in einem einzigen Anspruch zusammen, wobei es die gleichen Kondiktionen sind, die in §§ 812 ff. BGB noch nebeneinander ausgeruhrt werden. Trotzdem ist nicht zu leugnen, daß § 812 BGB und Art. 2041 c.c. unter einem gewissen Gesichtspunkt deutliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Mangels einer Generalklausel wie die des Art. 2041 C.C., welche FalJkonstelJationen umfaßt, in denen sich die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung nicht an die Leistung einer Partei knüpft, sondern "in sonstiger Weise" erfolgt, mußten die Verfasser des BGB eine Norm finden, die ähnliche Ergebnisse erreichen könnte. Die ausgewählte Konstruktion lautet nach dem heutigen Sprachgebrauch "Nichtleistungskondiktion" . Beide Rechtsinstitute, Bereicherung in sonstiger Weise und alJgemeine Bereicherungsklage, besitzen deshalb im wesentlichen eine sehr ähnliche Funktion, doch die zur Verrugung stehenden Strukturen und die Anspruchsgegenstände unterscheiden sich erheblich. Eine derartige Vereinfachung, die nur eine ParalJele zwischen den jeweiligen Zielen ohne Rücksicht auf die Ansprüche zuläßt, muß notwendigerweise abgelehnt werden. Daß das VersionsmodelJ der Kondiktion vorzuziehen ist, beweisen bereits die großen Anpassungsschwierigkeiten, die von der Aufnahme einer Bereicherung in sonstiger Weise im Rechtssystem verursacht werden 383 . Die "Unabhängigkeitserklärung" des 8. Titels des Codice civile ist somit sehr zu begrüßen. Sie bedeutet vor 379 380 381 382 383
S. supra, B. I. 2. b) aa), in diesem Teil. Vgl. v. Caemmerer, Bereicherung, 374; Gallo, 1990, passim. Näheres infra, dritter Teil, D.; und vierter Teil, A. IX. 3. Vgl. oben in diesem Teil, B. I. 2. b) aa). S. oben, B. I. 2. a), in diesem Teil.
C. actio de in rem verso
167
allem durch die Betonung ihrer funktionalen Selbständigkeit gegenüber der Kondiktion stricto sensu einen Fortschritt in der Entwicklung der Rechtsfigur. Dieser Entwicklungsprozeß ist allerdings bei weitem nicht abgeschlossen, viele Probleme warten noch auf eine Antwort, doch die eingeschlagene Richtung scheint richtig zu sein. Angesichts der in Art. 2041 c.c. verborgenen Gefahr einer unkontrollierbaren Vervielfältigung von Ansprüchen aus derselben Bereicherungskette läßt sich das gesetzgeberische Bestreben, eine Beschränkungsnonn einzuführen, wohl verstehen. Auch das italienische Rechtssystem stützt sich bei der Eingrenzung des Anwendungsfeldes der allgemeinen Bereicherungsklage auf das Subsidiaritätserfordernis. Während diese Subsidiarität jedoch von der deutschen lex lata nicht aufgenommen wurde, und deshalb eine bloße Konstruktion von Lehre und Rechtsprechung geblieben ist, widmet ihr die italienische Kodifikation eine selbständige Vorschrift. Die Sperre des Art. 2042 c.c. erhellt den Haftungsumfang der Klage, ohne über ihren Inhalt etwas auszusagen, weil das Subsidiaritätserfordernis die Tatbestandselemente der Bereicherungsklage nicht betrifft, sondern lediglich eine Grenze zu ihrer theoretisch uferlosen Anwendung setzt. Die römische actio de in rem verso war nur für einige typische Fallkonstellationen384 vorgesehen, die ohne diesen Rechtsbehelf keinen Rechtsschutz gefunden hätten. Bei dieser actio stellte sich folglich nie die Frage nach einer Eingrenzung des Kreises der Restitutionsberechtigten. Die französische Rechtsprechung des Arret Boudier mußte indessen einer ganz anderen Rechtslage entgegentreten, weil das in dieser Entscheidung geregelte Modell eine beliebig anwendbare Struktur enthielt, d.h. eine Struktur, die nicht nur für eine begrenzte Anzahl von Fallgruppen gedacht war. Selbst die Regelung der Subsidiarität in einer getrennten Vorschrift verdeutlicht die Fremdartigkeit dieses Erfordernisses gegenüber dem Tatbestand des Art. 2041 C.C.: Hätte das Gesetz dabei ein Tatbestandsmerkmal der allgemeinen Bereicherungsklage regeln wollen, wäre es durchaus denkbar gewesen, daß die Subsidiarität von einem eventuellen dritten Absatz innerhalb des Art. 2041 c.c. selbst umfaßt worden wäre. Das ist aber nicht der Fall gewesen. Ein Grund für den gesetzgeberischen Verzicht läßt sich vennuten, wenn man einen Blick auf den 7. Titel über die Zahlung einer Nichtschuld wirft. Dort verweisen einige Bestimmungen, etwa Artt. 2037 III und 2038 C.C., auf die Bereicherungsklage, die jedoch nie zur Anwendung käme, wenn der Verweis auch das Subsidiaritätserfordernis umfassen würde, weil sie eben infolge des allzu allgemeinen Verweises stets subsidiär wäre. Schon anhand dieses Beispiels kann man annehmen, daß der "reine" Tatbestand der allgemeinen Bereicherungsklage auf den Wortlaut des Art. 2041 c.c. einzugrenzen sei. Diese einfache Tatsache wird dennoch in der italienischen Lehre nicht immer deutlich. In 384
v. ruhr, 16. ff. und 82 ff.
168
Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
der Literatur385 macht sich sogar eine klare Tendenz bemerkbar, die Subsidiarität als Teil des Anspruches zu betrachten und sie deshalb in den Tatbestand einzubeziehen. Die praktische Bedeutung einer eindeutigen Trennung zwischen der Bereicherungsklage und dem Subsidiaritätserfordernis liegt vor allem in der Unabhängigkeit des Anspruches gegenüber außenstehenden Elementen, wie z.B. einem anderen, vorrangigen Anspruch ex delicto: Die Anwendbarkeit der allgemeinen Bereicherungsklage hängt tatbestandsmäßig nicht von der Subsidiarität des Rechtsbehelfes gegenüber anderen Ansprüchen ab, sondern nur von der Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen des Art. 2041 c.c. Eine allgemeine Bereicherungsklage ohne Subsidiaritätsbindung wäre freilich möglich, wie sämtliche Rechtsfolgeverweisungen auf die reinen Tatbestände - nicht auf die Subsidiarität - bezeugen. Die Subsidiarität ist somit nicht als notwendiges Merkmal zu betrachten, das die Klage in irgendeiner Weise kennzeichnet.
D. Zusammenfassung von einigen Ergebnissen der rechtsgeschichtlichen und der rechtsvergleichenden Analyse Das Ziel des zweiten und dritten Teiles geht über eine reine Vermittlung von Informationen hinaus. Im Rahmen dieser Studie sind sie nämlich mehr als eine Schilderung der rechtsgeschichtlichen Entwicklung und mehr als nur Rechtsvergleichung, denn sie sollen auch dazu beitragen, den Weg für die Analyse de lege ferenda eines möglichen Diskussionsmodelles für das europäische Kondiktionsrecht vorzubereiten. Deshalb folgt nun eine kurze Darstellung einiger Ergebnisse, die nicht als eine einfache Wiederholung zu verstehen ist. Auch eine Erklärung der im nächsten Teil verwendeten Begriffe soll hier vorangestellt werden, weil das deutsche und das italienische Rechtssystem eine bisweilen sehr unterschiedliche Terminologie rur diesen Rechtsbereich aufweisen. I. condictio und actio de in rem verso
In seiner jahrhundertelangen Geschichte hat sich die Grundstruktur des Kondiktionsrechtes kaum geändert. Sowohl in ihrer ersten Formulierung als auch in der späteren Eingliederungsarbeit der Glossatoren, aber auch praktisch während des ganzen gemeinen Rechts, wird die condictio als ein Verfolgungsanspruch betrachtet, anhand dessen der solvens, der durch die Zuwendung das Eigentum an der übertragenen Sache verloren hat, gegen den accipiens, dem der Anspruchsträger geleistet hat, auf die Herausgabe (des Eigentums an) der Sache kondizieren darf. Da der Kondiktion stets eine solche Aufgabe zukam, war es
385
Statt aller Gallo, 1996, 26.
D. Zusammenfassung von einigen Ergebnissen
169
einleuchtend, daß zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger der favor legis demjenigen zuteil wurde, der ohne rechtlichen Grund geleistet hatte. Zugunsten des ersten wurde somit das Interesse des zweiten untergeordnet, indem dem Zuwendenden ein Anspruch auf volle Rückforderung der geleisteten Sache eingeräumt wurde. Folglich wurde das Kondiktionsrecht nie richtig als Bereicherungsrecht verstanden, da die Position des Bereicherten im Vergleich zu jener des Entreicherten vernachlässigt wurde 386 . Vielmehr galt das Kondiktionsrecht als echtes Entreicherungsrecht, weil der Entreicherte damit das suum zurückverlangen durfte. Der Unterschied zwischen einem Bereicherungs- und einem (älteren) Entreicherungsrecht wird im römischen Recht besonders deutlich: Der römische solvens war infolge einer von der Rechtsordnung nicht gebilligten Vermögenszuwendung entreichert. Die Entreicherung bildete schon von alleine die Anspruchsgrundlage der condictio, deshalb kam es rur die Kondizierbarkeit der Zuwendung auf eine Bereicherung des accipiens nicht an. Gegenüber dem Kondiktionsrecht hat die actio de in rem verso von Anfang an eine klar bestimmte Selbständigkeit behalten, obwohl die rechtsgeschichtliche Analyse eine offensichtliche Annäherung der Kondiktionsklage an die Struktur der Versionsklage - und nicht Umgekehrt! - bezeugt. Ursprünglich betraf die Versionsklage nur dreieckige Rechtsbeziehungen. Dies erklärte sich durch die pyramidale Organisation der römischen Familie, an deren Spitze sich der pater famitias befand, das einzige völlig rechtsfähige Rechtssubjekt in der römischen Gesellschaft. Wie gezeigt387 , brachte der erhebliche Erfolg dieser Aktion die Abschaffung der Dreiecksstruktur als unentbehrliches Tatbestandsmerkmal mit sich. Die Befreiung von den engen Grenzen der Dreiecksverhältnisse ermöglichte eine schnelle Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Versionsklage. Die neue Fassung dieses,lnstituts verrugte im Vergleich zur alten über ein so breites Spektrum der Handhabung, daß bezüglich der jüngeren Klage von einer actio de in rem verso utitis gesprochen wurde. Utilitas bedeutete nichts anderes als größere Flexibilität: Die neu errichtete Klage, die eine rasche und stets verrugbare Anwendung rur alle Fälle rechtsgrundloser Zuwendungen versprach, diente bald der Lösung von Rechtsfragen, die vorher anhand des Kondiktionsrechts gelöst wurden, und setzte somit die Bedeutung der klassischen Kondiktion, die allerdings neben dem erfolgreichen, neuen Rechtsinstrument weiterhin Anwendung fand, herab. Das gleichzeitige Bestehen zwei getrennter Ansprüche, die teilweise bei gleichen Fallkonstellationen zum Tragen kommen konnten, hat im gemeinen Recht lange Zeit überlebt und ist m.E. einer der Hauptgründe rur einige Mißverständnisse, die die modeme Interpretation der Normen über die ungerechtfertigte Bereicherung in beiden zu untersu386 387
S. zweiter Teil, B. V. Vgl. dritter Teil, B. 11. 2.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
chenden Rechtssystemen geprägt haben. Vor allem die oben wiedergegebene388 , nicht überzeugende Auslegung der § 816 I 2 BGB bzw. Art. 2038 I 3 und 11 3 c.c., welche zu einer Einordnung gefiihrt hat, die bei der Erörterung der Versionsklage im geltenden Recht bereits kritisiert wurde, liefert ein krasses Beispiel fiir das Unbehagen der Rechtswissenschaft in subjecta materia. 11. Ihre Aufnahme in den verglichenen Rechtssystemen
Die erwähnten Auslegungsschwierigkeiten berühren dennoch die Struktur bei der Institute nicht: Die Rechtsgedanken, die die Errichtung und die Anwendung der Versionsklage charakterisiert haben, wurden im gemeinen Recht von der ratio der Kondiktionsklage voneinander getrennt gehalten und haben somit nicht zu einer Verwechslung der wesentlichen Bestandteile beider Institute geführt. Eine Vermischung von Elementen der ersten Rechtsfigur mit Elementen der zweiten hat meines Wissens bis zur deutschen Pandektistik nie stattgefunden 389 • Erst aus den wissenschaftlichen Debatten des letzten Jahrhunderts ergibt sich vor allem in Deutschland eine neue Betrachtungsweise der Rechtslage des Anspruchsgegners bei ungerechtfertigten Vermögensverschiebungen. Danach ist der accipiens nicht mehr der bloße Empninger einer kausalosen Zuwendung, seine Interessensphäre wird hingegen bei der Bewertung der Kondizierbarkeit erstmalig als autonom schutzwürdig wahrgenommen. Demzufolge werden auch auf die Kondiktion Kriterien angewendet, die zur klassischen Zeit lediglich bei der Versionsklage Rechtsrelevanz gewannen. Der gutgläubige Bereicherte wird vor übermäßigen Ansprüchen des Kondizierenden nach dem Modell der justinianischen condictio pretii durch eine Eingrenzung seiner Haftung auf den noch vorhandenen Teil des erlangten Gegenstandes geschützt. Die weitgehende Aufnahme der Wegfallklausel in das Recht der Kondiktionen bildet m.E. einen Meilenstein in der Entwicklung des Institutes, denn sie ist bei den römischrechtlichen Rechtssystemen weder selbstverständlich noch notwendig: Tatsache ist, daß einige Rechtsordnungen des römischen Rechtskreises das Prinzip des Wegfalls der Bereicherung nicht unmittelbar rezipiert haben. Hier ist ein Vergleich zwischen der deutschen und der (ungefähr vierzig Jahre jüngeren) italienischen Kodifikation hilfreich. Die deutsche Gesetzgebung schlägt durch die Eingrenzung der gesamten Bereicherungshaftung aus Kondiktion bzw. Version auf das S. oben, dritter Teil, C. 11. I., C. 11. 2. und C. III. Als Ausnahme könnte vielleicht die Anwendung der Kondiktion in der postklassischen Zeit betrachtet werden, als der nichtwissende accipiens lediglich innerhalb der noch vorhandenen Bereicherung per condictionem einstehen mußte. Es handelte sich dabei um die sog. condictio pretii; s, dazu zweiter Teil, B. V. Mehr als eine Ausnahme ist sie m.E. Ausdruck eines Gerechtigkeitsgedankens, der freilich in jedem Rechtssystem Europas, auch in dem positivistischsten, zu finden ist. 388 389
D. Zusammenfassung von einigen Ergebnissen
171
noch Vorhandene einen eigenen Weg ein, dem hingegen der Codice civile nicht gefolgt ist. Wie schon beim französischen Urbild des Code Napoleon wird die Kondiktion von der Version streng getrennt gehalten, so daß der Kondiktionsschuldner stets auf das Erlangte, der Versionsschuldner stets auf das noch Vorhandene haftet. Art. 2038 I 3 c.c. wendet sich dann an die escamotage des Verweises auf die Vorschriften über die allgemeine Bereicherungsklage, um diese Konstruktion auch im Lichte der von der deutschen Dogmatik formulierten, rechtspolitischen Gerechtigkeitsgedanken aufrechtzuerhalten. Letzten Endes sind die deutsche und die italienische Position viel weniger voneinander entfernt, als ihre Ausgangspunkte denken ließen. Wohl geht das eine Kondiktionssystem von einer Milderung der Last des gutgläubigen Empfangers aus, während das andere an den psychologischen Zustand der Kondiktionsparteien, also ihre Gut- bzw. Bösgläubigkeit, keine besonderen Folgen knüpft. In der Praxis beider Länder verschwinden diese Unterschiede allerdings zum Teil, weil in Deutschland § 818 III BGB die Kondiktion unmittelbar verhindert und in Italien Art. 2037 III c.c. die Kondiktion in eine Bereicherungsklage umwandelt. Dennoch bleiben einige Divergenzen. Art. 2037 c.c. betrifft lediglich die Herausgabe einer bestimmten Sache: Hat der solvens Geld oder andere vertretbare Sachen geleistet, bleibt der accipiens auch bei gutem Glauben zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Offensichtlich folgt die Restitution der vertretbaren Sachen einer Regel, die mit den Grundsätzen des BGB unvereinbar ist, da in diesem Fall stets eine gleiche Menge wie die geleistete - das römische tantundem ejusdem generis et qualitatis - herausgegeben werden muß, selbst wenn der Empfanger nicht mehr bereichert ist. Lediglich bereicherungsrechtlich, d.h. außerhalb des Kondiktionsrechtes, kann die Haftung des Gutgläubigen, gemäß dem Verweis des Art. 2037 III C.C., auf die allgemeine Bereicherungsklage gemindert werden, aber nur falls der erlangte Gegenstand in einer bestimmten Sache besteht, das schließt Z.B. den Gattungskauf aus. Eine Entscheidung zugunsten des einen oder des anderen Modells erscheint eher eine Folge rechtspolitischer Gedanken als von juristischen Argumenten. Die Struktur der Kondiktionsklage bleibt in bei den Fäl1en ohnehin unberührt, weil die Aufnahme der Wegfal1klausel, die in der Praxis große Auswirkungen hat, auf die Tatbestandsmerkmale der condictio eine geringe Wirkung ausübt. Lediglich das quantum der Haftung wird dadurch gegebenenfal1s betroffen.
III. Kondiktions-. Versions- und Bereicherungsrecht Das Prinzip des Wegfal1s der Bereicherung ändert die Natur der Kondiktion nicht. Auch in den Rechtssystemen, die es aufgenommen haben, darf daher völlig korrekt von einem Recht der condictiones gesprochen werden. Darunter wird ein autonomes Rechtsgebiet verstanden, das einige in bei den Rechtsord-
172
Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
nungen spürbare Elemente kennzeichnet. Diese Elemente, wie die Betonung der Entreicherung des solvens und die zentrale Bedeutung des Geleisteten als Anspruchsgegenstand, entsprechen unmittelbar dem römischen Urbild. Das Kondiktionsrecht des deutschen und italienischen Rechtssystems betrifft jenen Teil des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung, der sich unmittelbar an die Tradition der römischen condictio geradewegs anknüpft. Dieser direkte Bezug auf das römische Kondiktionsrecht fehlt hingegen dem anderen Teil des heutigen390 Bereicherungsrechts, der die modeme Fassung der actio de in rem verso regelt. Die Rechtsfragen der Anwendung der Versionsklage können folglich nicht mit der Einsetzung des Kondiktionsrechtes beantwortet werden; sie werden allerdings sehr wohl unter dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung erörtert, zu dem die Versionsklage als wichtiger Bestandteil gehört391 . Beide Komponenten des Bereicherungsrechtes, die Kondiktion und die Version, überleben nebeneinander in den geltenden Kodifikationen der Rechtssysteme, die Gegenstand dieser Analyse sind. Das BGB regelt das gesamte Gebiet der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebungen unter dem Titel "ungerechtfertigte Bereicherung". Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung ist folglich ein Fachbegriff der deutschen Rechtsterminologie, die daran eine ganz bestimmte Bedeutung knüpft. Die in diesem Teil durchgefiihrte Analyse der §§ 812 ff. BGB hat gezeigt, daß dieser Begriff Sammelbecken fiir unter-schiedliche Rechtsfiguren ist. Trotz der Haftungsmilderung des § 818 III BGB wird die Übernahme der römischen Kondiktionen keineswegs bestritten. Der Wortlaut der Vorschriften bestätigt diese Meinung: Die seit dem römischen Recht entstandenen Variationen haben den klassischen Kern des deutschen Bereicherungsrechtes nicht gefährden können. Neben der gewichtigen Präsenz des kondiktionsrechtlichen Modells, das den deutschen Herausgabemechanismus am stärksten geprägt hat, gibt es dennoch Signale, die bedeuten, daß die Versionsklage nicht ganz in Vergessenheit geraten ist: Ihre Nachfolgerin mußte zwar mit der grundlegenden Ablehnung der BGB-Kommissionen rechnen, aber, wie gesehen 392 , hat sie im geltenden Recht trotzdem eine eigene Nische gefunden, wenn auch nur in sehr begrenztem Ma390 Erst seit der Pandektistik wird der Begriff "Bereicherungsrecht" allumfassend interpretiert, d.h. als allgemeiner Ausdruck, der sowohl das Kondiktions- als auch das Versionsrecht enthält. Da m.E. ein solcher Begriff überflüssig ist - es gibt z.B. keinen der Kondiktions- und Deliktsklage gemeinsamen Begriff, wozu braucht man dann einen Begriff für Kondiktion und Version? -, werden hier in der Regel die genaueren Ausdrücke vorgezogen. Andererseits muß der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die heutige Rechtswissenschaft tatsächlich den Begriff Bereicherungsrecht mit dem erwähnten breiten Inhalt verkoppelt. 391 Dazu s. das zweiter Teil, B. VI. 2. und C. III. 392 Vgl. oben, dritter Teil, C. III.
D. Zusammenfassung von einigen Ergebnissen
173
ße. §§ 816 I 2 und (wahrscheinlich) 822 BGB bieten konkrete Beispiele von Tatbeständen393 , die in der prätorischen actio de in rem verso wurzeln. Die Abwägung der Interessen der Parteien, der Mechanismus der versio in rem, die fundamentale Rolle der aequitas: All diese Elemente deuten auf den Fortbestand dieser Klage im geltenden Recht hin. Die Tatsache, daß das gesetzgeberische Revirement den Anwendungsbereich der Versionsklage so stark beeinträchtigt hat, daß das Verbot ihrer Aufnahme lediglich bei unentgeltlichen Verrugungen aufgehoben wurde, bedeutet deswegen keinen uneingeschränkten Abschied von dieser Aktion. Das italienische Recht hat den Unterschied zwischen Kondiktions- und Versionsrecht durch eine Trennung beider Rechtsfiguren noch eindeutiger betont. Wie erläutert394 , bedeutet die systematische Eingliederung der "Versionsklage" unter den 8. Titel der Kodifikation, m.E. nicht, daß die Rechtsordnung nur einen einzigen Fall der actio de in rem verso regelt. Wenn auch die Rechtswissenschaft ständig wiederholen mag, daß Art. 2041 c.c. einen reinen Versionsfall enthält, ist die Identifizierung dieser Aktion mit dem in der Norm geregelten Tatbestand dem Wortlaut des Gesetzes und der Systematik nicht ohne weiteres zu entnehmen. Mit anderen Worten, Art. 2041 c.C. ist kein entscheidendes Argument zugunsten der bisher unbestrittenen Meinung, nach der diese Bestimmung den einzigen vom Codice civile anerkannten Fall der Versionsklage beinhaltet. Die Untersuchung des Gesetzestextes kommt in dieser Studie zu ganz anderen Ergebnissen. Die Vorschriften des 7. Titels über die Zahlung einer Nichtschuld regeln nach einhelliger Auffassung einen Restitutionsanspruch, der der klassischen condictio sehr nah steht. Anspruchsgegenstand ist die kausal os zugewendete Sache, und zwar die Sache selbst, Art. 2037 I C.C., oder das tantundem, Artt. 2033 und 2036 c.c. Die einzig mögliche Ausnahme zum Grundsatz der Herausgabe des Erhaltenen liefert Art. 2038 C.C., nach dem der gutgläubig Verrugende nicht das vom solvens, sondern das durch die Verrugung Erlangte herausgeben muß. Die andere Säule der Restitutionshaftung bei Vermögensverschiebungen sine causa besteht nach der Absicht des Gesetzgebers in der "ungerechtfertigten Bereicherung"395 des 8. Titels. Trotz der fast 396 einstimmigen Literatur, die den Tatbestand des Art. 2041 c.c. mit der Versionsklage identifiziert, erscheint dennoch eine solche Identifizierung durchaus fraglich, wie bereits die systematische Analyse der Versionsklage offenbart hat. Klare Spuren der römischen actio de in rem verso können nämlich gerade im 7. Titel 393 Dazu s. oben, dritter Teil, C. 11. 1. 394 S. dritter Teil, C. 11. 2. b). 395 Auf italienisch arricchimento senza causa. 396 Für eine teilweise ähnliche Ansicht s. jüngst Gallo, 1996, 26 u. 28 f., der sich jedoch auf die bloße Feststellung einiger Parallelen zur Deliktsklage beschränkt.
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Dritter Teil: Geltendes Bereicherungsrecht
über die Zahlung einer Nichtschuld gefunden werden. Dort sieht Art. 2038 c.c. einen ähnlichen Tatbestand wie den der §§ 816 I 2 und 822 BGB vor. Der direkte Anspruch gegen den Dritten, der die Sache vom Mittelsmann erhalten hat, ist ein klassisches Beispiel der versio in rem. So kennen beide Rechtssysteme sowohl eine Kondiktions- als auch eine Versionsklage. IV. Auslegungsschwierigkeiten und Verwendung der Begriffe In beiden Rechtsordnungen kennen Theorie und Praxis - wenn auch in unterschiedlichem Maße - die Begriffe der Bereicherung und der Kondiktion als termini technici. Dennoch könnte ihre Verwendung zu einigen Mißverständnissen führen: Der deutsche Jurist würde im wesentlichen Kondiktionsrecht und Bereicherungsrecht für gleichbedeutende Begriffe halten, während der italienische sehr wahrscheinlich den Begriff des Bereicherungsrechts mit der allgemeinen Bereicherungsklage, aber wohl kaum mit dem Kondiktionsrecht in Verbindung bringen würde, das nämlich nur bei der Zahlung einer Nichtschuld angewendet werden dürfte. Obschon sich die Rechtsvergleichung mit der Erklärung der Bedeutung der Fachbegriffe in den jeweiligen Rechtsordnungen zufrieden geben kann, muß eine Untersuchung, die dem europäischen Bereicherungsrecht dienen soll, die Begriffe auf den gleichen Nenner bringen, um auf dieser Basis dann ein gemeinsames System aufbauen zu können. Das Kondiktionsrecht weist auf eine direkte Verbindung zum römischen Recht der condictiones hin, dessen Grundstruktur sowohl im deutschen als auch im italienischen Recht beibehalten wurde. Der Begriff des Versionsrechts gehört nicht zum Fachvokabular der beiden Rechtssysteme. Wenn sich die Gesetzgeber oder die Rechtsforschung auf die Versionsklage beziehen, benutzen sie normalerweise eine Periphrase oder sprechen tout court von Bereicherungsrecht397 , wobei diese Annäherung ja verständlich ist: Schon die ursprüngliche Versionsklage basierte hauptsächlich auf Gerechtigkeitsgedanken, die den Akzent eher auf die Bereicherung des Empfangers als auf die Entreicherung des Klägers legen. Die größten Unterschiede liegen in der Definition des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung, die im deutschen Recht das gesamte Gebiet der Rechtsbehelfe gegen kausalose Zuwendungen deckt, während sie im italienischen Recht nur die allgemeine Bereicherungsklage unter Ausschluß des Kondiktionsrechts betrifft. Unter Berücksichtigung der terminologischen Abweichungen wird, um Mißverständnisse zu vermeiden, begrifflich folgendermaßen unterschieden: Unter "Kondiktionsrecht" wird die modeme Fassung des römischen Tatbestandes
397 Eine Ausnahme bildet hier die italienische Rechtsprechung, die sehr häufig den Begriff der actio de in rem verso verwendet.
D. Zusammenfassung von einigen Ergebnissen
175
der condictio verstanden. Dieses Kondiktionsrecht wird somit von den Merkmalen bestimmt, die in diesem Abschnitt noch einmal zusammengefaßt wurden. Es handelt sich also um einen objektivierten, d.h. von der Gut- bzw. Bösgläubigkeit der Parteien unabhängigen Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Zuwendung. Unter "Versionsrecht" werden indessen die Fallkonstellationen betrachtet, die traditionsgemäß mit der Einräumung einer actio de in rem verso gelöst wurden. Dieses Institut verlangt eine Gesamtabwägung der parteilichen Rechtslage unter äquitativen Gedanken, so daß das Erhaltene und der Gegenstand des Anspruchs eventuell divergieren könnten. Letztlich wird der Begriff "Bereicherungsrecht" eher neutral benutzt. Obwohl die Idee einer Bereicherung berechtigterweise vornehmlich an das Versionsrecht denken ·läßt, in dem dem Interesse des Bereicherten die maßgebende Rolle zugesprochen wird, wird der Ausdruck "Bereicherungsrecht" in dieser Untersuchung als allgemeiner Oberbegriff verwendet, der sowohl das Kondiktions- als auch das Versionsrecht umfaßt. Womöglich werden allerdings stets die Fachbegriffe verwendet, die sich auf den jeweiligen Rechtsbehelf beziehen, da der Begriff "Bereicherungsrecht" den falschen Eindruck erwecken kann, daß Versions- und Kondiktionsrecht letzten Endes das gleiche Anwendungsfeld abdecken.
Vierter Teil
Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion" für das europäische Kondiktionsrecht A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre von titulus und modus adquirendi dominium Die Informationen über die geschichtliche und vergleichende Entwicklung des Kondiktionsrechtes, welche der Analyse in den vorigen Teilen entnommen wurden, werden nun für einen Vorschlag über die Gestaltung des künftigen europäischen Kondiktionsrechtes herangezogen. Die Fußnoten sind dabei absichtlich auf ein Minimum reduziert, um die Verständlichkeit der Darstellung durch die Vermittlung unwesentlicher Angaben nicht zu gefährden. I. Vorbemerkung
Wer etwas unberechtigterweise erlangt, ist zur Herausgabe verpflichtet. Die Bedeutung des ersten Satzes des § 812 I BGB geht über die deutsche Rechtsordnung hinaus und gewinnt eine allgemeine Tragweite. Die Funktion der ungerechtfertigten Bereicherung als Fortführung und Entwicklung der ursprünglichen legis actio per condictionem wird dadurch in klarer Weise hervorgehoben. Es geht bei der Kondiktion um die Herausgabe eines "Etwas", das einem Rechtssubjekt materiell zur Verfügung steht, aber einem anderen Rechtssubjekt gehört oder gebührt. Das "Etwas" wird im italienischen Recht im Begriff der Zahlung (einer Nichtschuld) verankert; diese, erklärt die Rechtslehre l , sei ein terminus technicus, der nicht nur die echte Zahlung, sondern auch alle weiteren Leistungsarten umfaßt. Durch eine derartige Auslegung, die in Italien völlig unumstritten ist, wird die Zahlung einer Nichtschuld dem heutigen deutschen Sprachgebrauch entsprechend als eine Leistungskondiktion verstanden. Die kondiktionsrechtliche Beziehung, in der der Anspruchsträger die Herausgabe eines Etwas verlangt, betrifft grundsätzlich 2 nur den Entreicherten als Kläger und den Bereicherten als Beklagten.
1 S.
supra dritter Teil, B. I. 2. b) aa).
2 Abweichende Fallkonstellationen, wie der Vertrag zugunsten Dritter, sind als Sonder-
fiille zu betrachten und werden in dieser Analyse nicht berücksichtigt.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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In dieser Hinsicht errichtet die Kondiktion ein gesetzliches Schuldverhältnis, das unabhängig von dem Willen der betroffenen Parteien besteht. Es ist sogar durchaus möglich, daß die Parteien eines Kondiktionsverhältnisses keine rechtsrelevanten Kontakte vor der Ausübung der Klage gehabt haben, dennoch wird zwischen ihnen eine Rechtsbeziehung hergestellt, anhand derer der Entreicherte sich an einen ihm vielleicht vorher unbekannten Bereicherten wenden darf, um von diesem eine Sache herauszuverlangen, deren rechtmäßiger Eigentümer der Anspruchsgegner geworden ist. Die Gesetzgeber der bei den verglichenen Rechtssysteme haben dem Risiko einer systemwidrigen Behandlung des accipiens Rechnung getragen. Folgerichtig enthalten die deutsche und die italienische Kodifikation eine Fülle von Stabilitätskriterien, die dem Schutz des Zuwendungsempfängers vor einer Lawine klagender Anspruchsträger dienen. Gerade der Vergleich zwischen BGB und Codice civile beweist, daß die gesetzgeberische Festlegung des Kreises der Restitutionsverpflichteten ein gewichtiges Instrument gegen eine exzessive Erweiterung der Haftung bildet, das nur den Anspruchsumfang, nicht auch die Struktur der Kondiktion betrifft. Diesbezüglich hat die italienische Gesetzgebung das römische Kondiktionsschema beibehalten: Es muß ein direktes Leistungsverhältnis zwischen den Parteien bestehen, damit eine Kondiktion gewährt wird. Folglich darf sich der solvens weder in Deutschland noch in Italien an einen Dritten per condictionem wenden, falls der Dritte das Eigentum an der bestrittenen Sache nicht durch eine Leistung des Klägers erlangt hat. Die Gefahr einer Inanspruchnahme mehr oder minder entfernter Dritter ist im italienischen Kondiktionssystem damit abgewendet, oder besser auf andere Rechtsgebiete verlagert, da sich das Problem wiederum bei der allgemeinen Bereicherungsklage stellt. Die Ausdehnung dieser letzten Klage ist durch andere Mittel, die bereits untersucht worden sind3, unter Kontrolle gehalten: vor allem durch das Subsidiaritätserfordernis, aber auch anhand der relativ strikten Grenzen, innerhalb derer der Bereicherungsausgleich gewährt wird. Das deutsche Kondiktionsrecht hingegen kennt eine Bereicherung in sonstiger Weise, die - scheinbar - keine konkreten Hürden hinsichtlich der Ausdehnung ihres Umfangs überwinden muß. Die Rechtslehre sieht sich daher gezwungen, die gesetzgeberische Denkweise mit Schöpfungen zu ergänzen, die unterschiedlichen und oftmals nur vorübergehenden Erfolg erzielen: so das Subsidiaritätserfordernis und die Theorie des Empfängerhorizonts4 . Sehr bemerkenswert erscheint dabei, daß beide Rechtssysteme, das deutsche und das italienische, in den §§ 812 ffBGB bzw. Artt. 2033 ff. c.c. stets die gleiche Rechtsfigur, die Kondiktion, regeln. Gemäß der italienischen Gesetzgebung darf die Kondiktion dennoch nur zwischen Leistungspartnern stattfinden, 3 4
Dritter Teil, C. I. 2. b). S. oben dritter Teil, B. I. 2. a).
12 Giglio
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während das BGB den Kondiktionsanspruch theoretisch auch zwischen nicht mit einer Leistung verbundenen Rechtssubjekten zuläßt. Die Rechtsvergleichung zeigt also, daß eine Änderung im Kreis der Restitutionsverpflichteten die Struktur der Kondiktion nicht berührt; letzte bleibt ein Rechtsbehelf zwischen nur zwei Rechtssubjekten, die nicht unbedingt durch die Vornahme einer Leistung verbunden werden müssen. Aus dieser Überlegung folgt die dogmatische Nutzlosigkeit einer Kategorie, die die kondiktionsrechtliche Beziehung in (normale) Zweipersonen- und (problematische) Mehrecksverhältnisse teilt. Gereinigt von den Elementen, die sich durch die Rechtsvergleichung für diese Rechtsfigur als nicht wesentlich erwiesen haben, weist der Grundtatbestand der Kondiktion folgende Struktur auf: Auf der einen Seite steht der Anspruchsträger, der das Eigentum an einer Sache durch Leistung oder wie auch immer verloren hat, ohne daß bei der Eigentumsübertragung ein rechtlicher Grund vorlag. Auf der anderen befindet sich der Anspruchsgegner, der das Eigentum an der bestrittenen Sache wirksam, aber ohne rechtlichen Grund erworben hat5 . Auf andere Rechtssubjekte kommt es bei der Bewertung der Kondizierbarkeit der Klage nicht an. Die erwähnte Kategorie der Mehrecksverhältnisse ist deshalb dogmatisch gegenstandslos, weil die in die Kondiktionsbeziehung involvierten Rechtssubjekte lediglich zwei sind: der Zuwendende und der Zuwendungsempfanger. Dieses Zweipersonenverhältnis wird nicht davon berührt, daß die erhaltene Sache gegebenenfalls weitergeleitet worden ist, da auch der Anspruch des (ersten) Zuwendenden gegen den neuen Zuwendungsempfänger - in den Rechtsordnungen, die solche Kondiktionen erlauben - letzten Endes ein Zweipersonenverhältnis bleibt, denn der Mittelsmann wird dabei nicht berücksichtigt. Die Modalitäten der Erhebung der Klage sind nämlich von der Gestaltung der Kondiktion gegen die anderen Bereicherten völlig unabhängig. Allerdings kommt der Begriff der Mehrecksverhältnisse der Analyse unter einem anderen Gesichtspunkt zugute. Er dient vor allem einer anschaulicheren Darstellung der Rechtslage, in der der Kondiktionsanspruch eingesetzt wird. Um den Sachverhalt zu rekonstruieren, darf man deshalb von Dreiecks- oder Mehrecksverhältnissen sprechen, obwohl diesen Begriffen keine kondiktionsrechtlich relevante Bedeutung zukommt. Im übrigen bietet die lex lata weder in Deutschland noch in Italien Anlaß zu einer Errichtung der Mehrecksverhältnisse als dogmatische Kategorie. Der Codice civile zieht beim Kondiktionsrecht nur Leistungsverhältnisse in Betracht und schließt dadurch andere Verhältnisse automatisch aus. Die Aufnahme der Dreiecksbeziehungen nach einem hypothetischen, dreieckigen Versionsmodell wurde fer-
5 Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß sich diese Studie nur mit dem Tatbestand des Eigentumserwerbs beschäftigt.
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ner vom BGB-Gesetzgeber6 ausdrücklich verweigert. Auch die Bereicherung in sonstiger Weise weist keine Dreieckskonstruktion auf, weil der Anspruch des Klägers, dort, wo er zugelassen wird, die Position anderer Rechtssubjekte nicht berücksichtigt. Was die Ablehnung der Dreiecksverhältnisse als dogmatische Kategorie für den Aufbau eines Kondiktionsrechtes bedeuten kann, wird in diesem Teil mit Hilfe der sog. Lehre von titulus und modus adquirendi dominium erklärt. Die nachfolgenden Ausführungen dienen als nötige Basis für weitere Überlegungen, anhand derer dann einige Richtlinien für ein künftiges europäisches Bereicherungsrecht herausgearbeitet werden. Das dafür verwendete Hilfsinstrument wird hier als Titellehre bezeichnet. Zunächst wird ihre geschichtliche Entwicklung geschildert und ihre Bedeutung für die modemen Rechtssysteme erörtert, wobei zu Beginn das Entstehungsfeld der Titellehre dargestellt wird. Diese rechtshistorische Einführung ist für das Verständnis der Titellehre unentbehrlich. Da die Einsetzung der Kondiktion die Kenntnis der Strukturen voraussetzt, die in einem Rechtssystem zum Eigentumserwerb führen, werden auch die wichtigsten Erwerbssysteme der kontinental-europäischen Rechtsfamilien dargestellt, die das Privatrecht durch ein Gesetzbuch regeln.
11. Causalehre und Tradition Das Studium des rechtlichen Grundes, anhand dessen das Eigentum beim Erwerb übergeht, war in der rechtsgeschichtlichen Forschung eine sehr wichtige Etappe bei der Analyse der Erwerbsmechanismen. Mit der Causalehre hat sich die Rechtswissenschaft schon seit dem Corpus juris civilis vor allem bis zum späteren gemeinen Recht beschäftigt; dabei wird eine Terminologie verwendet, die aus zeitlich und logisch sehr unterschiedlichen Quellen stammen: Römische, klassische bzw. nachklassische, und scholastische Konstruktionen haben zur Formulierung der Theorie der causa beitragen. Der Erwerbstatbestand wird von der Causalehre in zwei funktionell voneinander unabhängige Erwerbsmomente eingeteilt. Die Einheitlichkeit der Tatbestandsmerkmale, die die wesentlichen Elemente der zum endgültigen Erwerb führenden Struktur bilden, wird allerdings nicht in Frage gestellt, weil hier nicht etwa eine neue Theorie des Eigentumserwerbes vorgeschlagen, sondern versucht werden soll, den Ablauf der Übertragung genau zu verstehen. Lediglich zum Zwecke einer klareren Darstellung sind zwei Phasen im Tatbestand festgestellt worden, derer unterschiedliche Betonung die Modalität des Erwerbs deutlich prägt: causa und traditio. Im Grunde genommen lassen sich die strukturellen Differenzen in den modemen,
6 12"
Motive, II, 871.
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kontinentalen Rechtssystemen auf eine unterschiedliche Betonung dieser Merkmale im Tatbestand des Eigentumserwerbs reduzieren. Vornehmlich die Rolle der iusta causa traditionis hat eine große wissenschaftliche Debatte verursacht, die auf die Antinomie von zwei Digestenzitaten zurückgeht. Die Streitfrage betrifft folgendes Problem: Der tradens übergibt eine Geldsumme als quasi donaturus, d.h. mit der Absicht, das Geld zu schenken. Der accipiens glaubt jedoch, die Summe als quasi credita zu bekommen, da er sich bei diesem Geschäft ein Darlehen, nicht aber eine Schenkung vorstellt. Dies sind die berühmten Antworten der Rechtsgelehrten Ulpian und Julian: Ulpianus: Si ego pecuniam tibi quasi donaturus dedero, tu quasi mutuum accipias, Julianus scribit donationem non esse. Sed an mutua sit videndum. Et puto, nec mutuam esse magisque nummos accipientis non fieri, cum alia opinione acceperit. Quare si eos consumpserit licet condictione teneatur, tarnen doli exceptione uti poterit, quia secundum voluntatem dantis nummi sunt consumpti. 7 JuJianus: Cum in corpus quidem quod traditur consentiamus, in causis vero dis sentiamus, non animadverto, cur inefficax sit traditio, veluti si ego credam me ex testamento tibi obligatum esse, ut fundum tradam, tu existimes ex stipulatu tibi eum deberi. Nam etsi pecuniam numeratam tibi tradam donandi gratia, tu eam quasi creditam accipias, constat proprietatem ad te transire nec impedimento esse, quod circa causam dandi atque accipiendi dissenserimus. 8
Nach der Meinung Ulpians kann somit bei dieser Fallkonstellation kein Eigentum übergehen, weil die jeweiligen Vorstellungen der betroffenen Parteien nicht übereinstimmen. Der Begriff der abstrakten Tradition nach dem savignysehen Modell des abstrakten dinglichen Vertrages war den Postklassikern freilich fremd 9 , doch entsprach diese Lösung durchaus dem Stand der damaligen Rechtswissenschaft: Da die Vervollständigung eines Rechtsgeschäfts den konkreten consensus beider Parteien hinsichtlich seiner qualifizierenden Elemente benötigte, hatte Ulpian folgerichtig die Verwirklichung bei der vennuteten Geschäfte aufgrund des Prinzipes der kausalen Übereignung abgelehnt. Dazu wird oftmals eine Stellungnahme von Paulus wiedergegeben: Paulus: Numquam nuda traditio transfert dominium, sed ita, si venditio aut aliqua iusta causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur lO •
70.12, I, 18, pr. O. 41, 1,36. 9 Für einen Überblick über den Eigentumsübergang im römischen Recht s. Pugliese, Atti Pisa, passim, insb. 38 ff. 1°0.41,1.31. 8
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Der Jurist betont an dieser Stelle die Unzulänglichkeit der nuda traditio, um alleine dem Eigentumsübergang zu vollziehen. Eine Übergabe, die von keinem Rechtsgrund gestützt wird, hat demnach nicht die erforderliche Kraft, um den Erwerbungsmechanismus in Gang zu bringen. Zu diesem Zweck muß die Tradition von einer aliqua iusta causa, Paulus erwähnt die venditio, begleitet werden. Diese Meinung bekräftigt die Lösung Ulpians durch die Feststellung zweier unentbehrlicher Tatbestandselemente: die traditio und die iusta causa. Eine Analyse beider entgegengesetzten Antworten, die ulpianische einerseits, die die Übereignung ablehnt, und die julianische andererseits, die sie gestattet, muß notwendigerweise den genannten Tatbestandselementen Rechnung tragen. Bezüglich der Übergabe fand die damalige Rechtsprechung keine Angriffspunkte, die eine die Dichotomie zwischen beiden Passagen rechtfertigende Erklärung bieten konnten. Vielversprechend war hingegen der Begriff des Rechtsgrundes: Die Lösungsvorschläge der bei den postklassischen Rechtsgelehrten stimmten hinsichtlich der Rolle der traditio völlig überein, sie unterscheiden sich aber, soweit es den rechtlichen Grund anbelangte. Iusta causa bedeutet, so die einhellige rechtsgeschichtliche Wissenschaft 11, ein wirksames Verpflichtungsgeschäft. Bei Paulus bildet, wie gesehen, die iusta causa, propter quam traditio sequeretur ein Merkmal, ohne das das Eigentum niemals übergeht. Dieser Ansicht anscheinend ungeachtet läßt Julian dennoch eine Übergabe auch ohne ein vorheriges, wirksames Verpflichtungsgeschäft zu, da der Dissens über die causa dandi und die causa accipiendi der Eigentumsübertragung nach ihm kein impedimentum sei. Angesichts der Alternative zwischen Annahme oder Ablehnung dieses Erwerbsmodells, befand sich das gemeine Recht vor einer schwer zulösenden Rechtsfrage. Daß die auf keiner Kausa beruhende Übergabe weder im klassischen noch im postklassischen Recht von alleine den Eigentumsübergang rechtfertigen konnte, war den Kommentatoren einleuchtend; allerdings enthielten die Rechtsquellen ein unmißverständliches Beispiel einer wirksamen Eigentumsübertragung, die jedoch eindeutig auch ohne rechtlichen Grund erfolgte. Der gordische Knoten konnte leider nicht durch die bloße Ablehnung einer der bei den Auffassungen gelöst werden, weil eine auch nur teilweise ablehnende Interpretation gegen den modus operandi der Glossatoren verstoßen hätte. Ein Widerspruch im Corpus iuris civilis wäre ihrer Auslegungsart nach undenkbar gewesen, so daß eventuelle Kontradiktionen für die Interpreten lediglich "ein Zeichen für die mangelnde eigene Interpretierungskunst"12 waren. Die Inkongruenz zwischen den Meinungen Ulpians und Julians mußte also nach dem Rechtsgefühl der Glossatoren in einer plausiblen Erklärung wurzeln. Die Aus-
II
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Coing, Bd. I, 304; Kupisch, Atti Pisa, 441. Fuchs, 33.
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legungsbestrebungen der gemeinrechtlichen Wissenschaft konzentrierten sich deshalb auf das Element, auf dem die unterschiedlichen Ansichten gründeten: die iusta causa 13 . Es folgte eine Blüte der Studien über die Kausa, welche in der berühmten Glosse iusta causa des Accursius ihren Gipfel erreichten. Diesem Autor verdanken wir nach allgemeiner Ansicht 14 die klarste und sozusagen endgültige Fassung der Kausalehre im gemeinen Recht. Er nimmt wie folgt Stellung: Vera vel putativa: alioquin si dicas ex putativa non transferri dominium, totus titulus de condictione indebiti obstaret; qui titulus habet locum, quando transferetur dominium alicuius rei ex putativa causa ... 15 Diese Stelle erweist sich als entscheidend für die Lösung der Streitfrage zwischen Julian und Ulpian. Die Antwort liegt nach Accursius darin, daß das Eigentum selbst dann übergeht, wenn kein echter, rechtlicher Grund vorliegt, aber die Parteien daran glauben, daß ein wirksamer Rechtsgrund vorliegt. Die spürbare Anstrengung der Glossatoren, die in der Glosse iusta causa besonders zum Ausdruck kommt, verdient zwar volle Achtung, aber die Logik, der zufolge die Harmonie zwischen den beiden fraglichen Stellen bewiesen werden soll, klingt in einigen Passagen wie eine petitio principii: Der Eigentumsübergang ist deshalb ohne Kausa möglich, weil der Corpus iuris civilis ihn zuläßt l6 . Der Gedankengang der Glossatoren kann einfach als Syllogismus dargestellt werden: Die Rechtsquellen enthalten keinen Widerspruch; die Rechtsquellen geben der condictio indebiti auch ohne das Bestehen eines rechtlichen Grundes statt; ergo muß das Eigentum auch kausalos erworben werden. Accursius verankert den Erwerb in der falschen Vorstellung der Parteien, die an die Existenz eines rechtlichen Grundes glauben. Durch die Feststellung eines Putativtitels l7 , d.h. eines vermuteten Rechtsgrundes, den die Glossatoren als causa putativa bezeichnen, wird zweierlei erreicht: Zum einen findet die Meinung Ulpians eine Bestätigung, da ein Rechtsgrund, wenngleich nur vermutet, doch vorhanden ist; zum anderen ist auch die Auffassung Julians korrekt, weil das Eigentum auch beim bestehenden Dissens übergeht. Was unter dem Begriff causa putativa zu
TRG 38 (1970), 322 ff. Felgentraeger, 6; Fuchs, 41 ff.; Oeckinghaus, 24.
13 Ranieri, 14
Accursius, GI. zu D. 41, 1,31. Vgl. dazu den lakonischen Kommentar von Kupisch, Atti Pisa, 442. 17 Über den Putativtitel merkt Kaser, Bul. ist. dir. rom., 1961, 87, an: "Dieser Ausdruck ist jedoch insofern schief, als nicht der Titel ein bloss vermeintlicher ist, sondern ein bloss vermeintliches Zuwendungsverhältnis hier ausnahmsweise als wirksame causa angesehen wird". Für eine Darstellung wichtiger Fallkonstellationen über den Putativtitel s. Hausmaninger, 1996, 124 ff. 15
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verstehen ist, läßt sich den Worten des Postglossators Baldus de Ubaldis leicht entnehmen: ... quod causa immediata, id est consensus in traslatione dominii, est sufficiens ad dominium transferendum, non obstat quod causa remota ipsius dominii sit invalida vel nulla l8 Diese Passage enthält mehrere interessante Aspekte. Zunächst wird hier das Begriffspaar causa immediata - causa remota erwähnt, das fUr die in dieser Studie aufgestellte Theorie von entscheidender Bedeutung ist und deshalb im Laufe der Erörterung näher untersucht wird l9 . An dieser Stelle soll schon betont werden, daß die Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit des Verpflichtungs geschäfts (causa invalida vel nulla), das den Rechtsgrund fUr die Eigentumsübertragung bildet, nach Baldus den Erwerb nicht hindert (non obstat), falls ein Konsens zur Eigentumsübertragung (consensus in traslatione dominii) besteht. Eine ganze Palette unterschiedlicher Harmonisierungsversuche finden ihren Ursprung in den wiedergegebenen Texten 2o • Sie stellen alle den allgemeinen Gedanken dar, daß eine causa putativa vorliegt, wenn die Kausa abstrakt, d.h. in der abstrakten Vorstellung der Parteien adäquat wäre, die Übereignung zu rechtfertigen 21 • Bis zum usus modernus wird der Erwerbstatbestand durch den Filter der Causalehre betrachtet. Zahlreiche Stellen in den justinianischen und mittelalterlichen Rechtsquellen bestätigen die unangefochtene Durchsetzung dieser Meinung, im Grunde genommen wiederholen die meisten die im Corpus iuris civilis festgelegte Regel: Traditionibus et usucapionibus dominia rerum, non nudis pactis transferuntur2 2 Als Vereinbarungen ohne vestimentum, also nuda pacta, werden im postklassischen Recht diejenigen Konsensualgeschäfte bezeichnet, die ohne den Beitrag der zweiten Säule des Erwerbstatbestandes, d.h. üblicherweise die Übergabe (aber die Passage erwähnt auch die Ersitzung), zur Eigentumsübergang fUhren sollen 23 . Eine solche Konstruktion wird vom Corpus gerade abgewiesen. Der Prozeß, der zu einer Akzentuierung der Rolle der Tradition fUhrt, wird dann im gemeinen Recht mit noch größerer Überzeugung weiterentwikkelt: Sämtliche wirksame Verträge werden nun als nuda pacta eingeordnet, falls Baldus, Ad. Cod. 4, 50, 6, (Venedig, 1615). S. infra III., unter A. 20 S. eine ausfiihrliche Darstellung in Felgentraeger, II ff.; und Fuchs, 46 ff. 21 Coing, Bd. 1,304. 22 C. 2, 3, 20. 23 Schrage, Atti Pisa, 359. 18
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dadurch der Eigentumserwerb ohne Tradition bzw. Usukaption erfolgen so1l24. Die Thematik der nuda pacta erweckt im gemeinen Recht große Aufmerksamkeit, wie die zahlreichen Passagen bezeugen, die sich mit ihr beschäftigen. Dieses Interesse erscheint nicht überraschend. Die Analyse des Erwerbstatbestandes bildet einen bedeutenden Schwerpunkt der damaligen Jurisprudenz, die sich bemüht, die Konstruktion aufrechtzuerhalten, die die Dichotomien einiger Digestenzitate erklärt hatte. Dieses Ziel wurde unter großer Anstrengung erreicht. Der Widerstand der Rechtswissenschaft gegenüber Alternativen, die die vertraute Struktur gefährden können, stößt somit auf Verständnis. Die extreme Vorsicht, die oftmals auf klare Ablehnung hinausläuft, betrifft nicht nur die nuda pacta, die nur einen Aspekt der problematischen Beziehung der einzelnen Tatbestandselemente zum Tatbestand selber darstellen. Hierbei wird die Meinung vertreten, daß beide Elemente, d.h. Kausa und Übergabe, als wesentliche Bestandteile zur Struktur des Erwerbes gehören. Deshalb gilt, was hinsichtlich der nuda pacta, nämlich grundsätzlich der von der Übergabe unabhängigen Verpflichtungsgeschäfte angenommen wird, zugleich auch für die nuda traditio, d.h. die Übergabe, die auf keinem rechtlichen Grund basiert. Die Unentbehrlichkeit der Übergabe wird noch einmal im letzten umfassenden Werk der Glossatorenschule25 , der glossa ordinaria des Accursius, wiederholt: numquam nuda traditio transfert dominium, ubi nulla est causa, nec creditur, nec voluntas, ut in comodato et donatione 26
Accursius warnt an dieser Stelle vor der gefährlichen Versuchung, die Übergabe von der Notwendigkeit einer Kausa lösen zu wollen: Ohne den Rechtsgrund (nulla causa) - man würde mit dem heutigen Sprachgebrauch "ohne ein wirksames Verpflichtungsgeschäft" sagen - wird das Eigentum niemals übergehen. Im Vergleich zur Analyse des Rechtsgrundes bereitete der Begriff der Übergabe der Rechtswissenschaft viel weniger Auslegungsschwierigkeiten. Zwar hat sich die Bedeutung der Tradition unter dem Gesichtspunkt der damit verknüpften Rechtsfolgen in den nationalen Rechtssystemen im Laufe ihrer Entwicklung erheblich verändert, wie Z.B. schon aus der Rechtsvergleichung der deutschen und der italienischen Rechtsordnung hervorgeht, doch der Mechanismus der Übergabe hat die Zeiten unberührt überstanden. Die Parallelen zwischen altem und neuem Recht zeigen nicht nur eine nahe Verwandtschaft, sondern sogar ei-
24 Birocchi, Atti Pisa, 147.
25 So Fuchs, 39.
26 Accursius, GI. zu D. D. 23, 1, Lib. VII, Tit. 16. De adquir. dominio. S. a. Ranieri, 323 f.; Fuchs, 38 f.
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ne deutliche Übereinstimmung in der Definition der Übergabe. Ein früheres Werk der Glossatoren merkt dazu an: traditio vero est corporalis rei translatio 27 Die modeme Betrachtungsweise der Tradition bleibt grundsätzlich bei dieser Definition: Die Übergabe der Sache an den im (kausalen) Vertrag bestimmten Empfänger wird bis zum heutigen Tage in der Doktrin 28 als das ursprüngliche und einfachste Anzeichen des Rechtsverkehrs bezeichnet.
IH. Die Lehre von titulus und modus adquirendi dominium Die Ergebnisse, zu denen die ausführlichen Forschungen der Causalehre gekommen sind, waren Ausgangspunkt für die Studien, die sich im gemeinen Recht mit dem Tatbestand des Eigentumserwerbes beschäftigt haben. Die Begriffe der causa und der traditio galten dabei als unentbehrliche Bestandteile der Erwerbskonstruktion, aber die Jurisprudenz untersuchte sie vor allem als einzelne Merkmale, ohne besondere Zusammenhänge zu berücksichtigen. Die Lehre der Übereignung, die die Phasen des Eigentumsüberganges detailliert examiniert hatte, kam zur Schlußfolgerung, daß eine Betrachtung des rechtlichen Grundes und der Übergabe in einem angemessenen Zusammenhang - und keiner wäre angemessenerer als der Tatbestand gewesen, durch den das Eigentum an einer Sache erworben worden ist - die bestehenden Verbindungen zwischen beiden Rechtsfiguren hervorheben konnte. Die mittelalterliche Rechtslehre hat folglich im Mittelpunkt ihrer Arbeit das Begriffspaar causa und traditio gestellt und davon ist sie ausgegangen, um eine neue Theorie zu formulieren. 1. Entstehung und Entwicklung im gemeinen Recht
Durch die neuen Studien konnte die Struktur des Erwerbes anschaulicher dargestellt werden. Es entwickelte sich die sog. Lehre von titulus und modus adquirendi dominium, der im gemeinen Recht großer Erfolg zuteil wurde. Die dieser Lehre zugrunde liegende Theorie wird im folgenden geschildert.
27 28
Braehylogus iuris eiviUs, 2, 8, 3. Carnelutti, 63 ff.
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a) Rolle der Scholastik in der ersten Formulierung
Gegenstand der Lehre von titulus und modus adquirendi dominium, kurz "Titellehre" , war der Ablauf des Eigentumsüberganges durch eine bis ins Detail gehende Analyse der Struktur des Erwerbstatbestandes. Es wurden Terminologie und Resultate zeitgenössischer, philosophischer Studien der Scholastik über das Kausalverhältnis verwendet, die bekannterweise schon auf den aristotelischen Unterschied zwischen causa efficiens proxima und causa efficiens remota zuTÜckzuflihren sind: Die Scholastik ordnete die Ursachen eines bestimmten Ereignisses je nach ihrem kausalen Abstand vom ausgelösten Effekt ein. Diese Methodik wurde durch die Titellehre auf den von den Vertragsparteien gewünschten Eigentumsübergang übertragen. Das Begriffspaar causa und traditio fungierte als Verbindungselement zwischen der Philosophie und der Rechtsprechung: Die causa remota, die den Tatbestand sozusagen aus einer gewissen Entfernung beeinflußt, entspricht dem Rechtsbegriff der iusta causa traditionis. Der nähere Grund flir den Eigentumsübergang liegt hingegen in der traditio. Die scholastische Methode ermöglicht die Hervorhebung der Bedeutung, die Rechtsgrund und Übergabe im Rechtsverkehr übernehmen, welche schon bei den Forschungen über die Causalehre die Aufmerksamkeit der Rechtsgelehrten erweckt hatten. Ihr Einfluß erklärt sich dadurch, daß der von ihnen analysierte Erwerbstatbestand eine zentrale Figur des Rechtsverkehrs ist. Entgegen einer in der Lehre vertretenen Auffassung29 - und trotz der auctoritas dieser Lehre trifft eine Definition dieses Prozesses als bloße Übernahme der logischenphilosophischen Terminologie durch die Rechtswissenschaft m.E. nicht zu. Obwohl die ähnliche Verwendung von scholastischen und juristischen Kategorien in diesem Fall nicht zu verneinen ist, ging die Arbeit der gemeinrechtlichen Juristen über eine einfache Nachahmung scholastischer Konstruktionen hinaus und entwickelte, zwar auf der Basis eines philosophischen Gedankenganges, aber doch eigene Inhalte. Das große Verdienst der gemeinrechtlichen Doktrin besteht vor allem in der Bewertung der Beziehung zwischen der theoretischen Fähigkeit, eine Handlung zu begehen, und der tatsächlichen Begehung der Handlung 30 : Beiden wurde eine gleiche Wirkung zugesprochen, rechtsrelevante Phänomene auszulösen. Die Begriffspaare causa und causa putativa sowie traditio vera und traditio jicta, die anschließend besprochen werden, beschreiben somit unterschiedliche Rechtsfiguren, die dennoch durch eine identische Rechtsfolge gekennzeichnet sind, d.h. den Eigentumsübergang.
29 Ranieri, 324.
30 Birocchi, Atti Pisa, 144.
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b) traditio vera und traditio [zeta
Die neue Betrachtungsweise fügte somit ein für das modeme Recht sehr bedeutendes Element hinzu. Bislang wurde unterstellt, daß eine Rechtslage lediglich durch eine tatsächliche Handlung, ein Tun oder aber ein Unterlassen, beeinflußt werden konnte; einer "Nichthandlung", kein Tun oder aber kein Unterlassen, wurden daher keine rechtliche Wirkung zugerechnet. Die erwähnte Identifikation der Handlung mit der theoretischen Fähigkeit zur Handlung, d.h. dem geregelten Tatbestand gegenüber der Tat selbst, ändert diesen Blickwinkel deutlich, weil dadurch nicht nur eine Handlung, sondern auch die Möglichkeit einer Handlung im Sinne ihrer theoretischen Fähigkeit, Rechtsänderungen herbeizuführen, die Rechtslage beeinflussen kann. Damit wird offensichtlich eine objektive Bewertung der Handlung zugunsten einer subjektiven aufgegeben, die von den Absichten der Parteien selbst ausgeht. Die Durchsetzung des neuen Bewertungsmaßstabes wird von der Entwicklung der Anwartschaft im rechtstechnischen Sinne begünstigt. Diese war dem römischen Recht fremd. Sie taucht erst nach Justinian auf und wird mit dem Fachbegriff ius ad rem bezeichnet, der eine Mittelposition zwischen persönlichen und dinglichen Rechten einnimmt 3 !. Durch die Einsetzung aristotelischer Kategorien gelangte man dazu, daß das jus ad rem dem obligatorischen Recht, der obligatio, gleichgestellt wurde 32 . Technisch gesehen ermöglichte diese Gleichstellung daß die traditio [zeta, d.h. die fiktive Übergabe, behandelt werden konnte wie eine traditio vera, d.h. eine tatsächliche Übergabe der Sache33 . Die Problematik dieser Auffassung war schon den damaligen Juristen bewußt, wie ein oft diskutierter Fall bezeugt. Bei der Veräußerung an einen Dritten einer vom Verfügenden jedoch schon veräußerten Sache, die aber aufgrund eines Besitzkonstitutes in der Gewaltsphäre des Veräußerers geblieben war, stellt sich die Frage nach dem Rechtssubjekt, welches zwischen beiden Erwerbern als echter Eigentümer zu bezeichnen wäre. Für Gothofredus soll die Sache dort bleiben, wo sie sich nach der Übergabe befindet 34 , nämlich bei demjenigen, der das Eigentum durch traditio vera erhalten hat. Nach dieser Lösung wird also derjenige bevorzugt, der die Sache tatsächlich erhält, ohne Rücksicht darauf, daß die Sache selber vor der tatsächlichen Übergabe vielleicht jemand anderem nicht nur versprochen, sondern sogar an ihn veräußert wurde. Als Grund für den Erwerb, der nur auf einer tatsächlichen Übergabe basiert, weil der Veräußerer über die Sache nicht mehr verfügen kann, wirkt das jus ad rem des tatsächlichen Erwerbers. Ist die Obligation der Anwartschaft gleichgestellt, dann können beide als causae remotae eingeglieFelgentraeger, 2. Felgentraeger, loc. ult. eit. (vorige Fn.). 33 Birocchi, Atti Pisa, 144. 34 Zit. nach Birocchi, Atti Pisa, 149. 3!
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dert werden. Die Tradition (vera oder jicta) gilt als causa proxima des Eigentumsübergangs und ennöglicht auch bei der nur tatsächlichen Übergabe den Erwerb der Sache. Im Grunde genommen stehen schon alle Elemente für den Aufbau einer neuen Theorie des Eigentumserwerbes zur Verfügung. c) Die apelsche Formulierung
Die Lehre von titulus und modus bietet ein analytisches Instrument, anhand dessen der Mechanismus, der zum Eigentumserwerb führt, offengelegt und aus einer neuen Perspektive untersucht werden kann. Die Struktur des Erwerbstatbestandes wird dabei nicht angegriffen, sie wird durch die Untersuchung nicht geändert, sondern lediglich seziert. Zu Recht betont die moderne Lehre deshalb, daß das Ergebnis dieser Analyse des Erwerbstatbestandes "die typische Schöpfung einer systematisierenden Methode"35 sei. Der wesentliche Beitrag dieser gemeinrechtlichen Theorie besteht somit nicht in der Errichtung einer neuen Rechtsfigur, sondern in der Eröffnung eines neuen Horizonts durch eine alternative Analyse bereits bekannter Strukturen. Von den neuen Studien wurde vor allem die bis dahin verwendete Tenninologie betroffen. Vertraute Begriffe gewannen eine neue Bedeutung, neue Begriffe wurden eingeführt. Der Ausdruck des titulus war z.B. schon bei den Römern bekannt und gehandhabt, auch wenn er in einem anderen Zusammenhang angewendet wurde, nämlich bei der usucapio 36 • Daß es sich um neugeschaffene künstliche Begriffe handelt, dürfte jedoch noch keinen Anlaß zur Kritik geben 37 . Selbst die Tatsache, daß sowohl die französische als auch die holländische elegante Schule die Begriffe nicht als tennini technici angenommen haben, spricht nicht ohne weiteres gegen die Lehre von titulus und modus 38 . Auch die Kritiker dieser Theorie sind sich einig, daß sich diese "erst"39 durch das Naturrecht durchgesetzt hat. Der Ursprung der Lehre von titulus und modus adquirendi dominium wird einhellig40 auf die Studien von Johannes Apel Mitte des XVI. Jahrhunderts zurückgeführt. Der entscheidende Beitrag dieses Autors besteht darin, die schola-
Fuchs, 72. Bis heute ist der Titel in diesem Kontext, d.h. in Verbindung mit der Ersitzung, zu finden; s. z.B. die Artt. 1153, 1158 und 1161 c.c. Dazu s. infra, unter A. VI. 2. 37 Felgentraeger, 2 f.; scheint allerdings die neuen Begriffe schon apriori negativ zu betrachten. 38 A.A. Felgentraeger, 4. 39 Felgentraeger, loc. ult. eil. (vorige Fn.). 40 Oeckinghaus, 26; Coing, Bd. I, 179; andere Autoren betonen die Ähnlichkeiten der Auffassung Apels mit den Werken von Zasius, mit denen er gut vertraut sein sollte; dazu grundlegend Fuchs, 73 f. ; s. a. Mayer Maly, Atti Pisa, 278. 35
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stischen Begriffe der causa proxima und der causa remota in der Fachsprache der Rechtswissenschaft übertragen zu haben: Causam proximam et generalern dominium habet occupationem, inventionern, al1uvionem, traditionern, apprehensionern, retentionem et caetera ... remotam contractus, delieta et quasi 41
Die zuvor wiedergegebene 42 Digestenpassage 41, 1, 36, in der Julian einer ohne rechtlichen Grund erfolgten Übereignung trotz der fehlenden Kausa zustimmte, wirft spürbare Schatten auf die Aussage Apels. Wenig Interesse erweckt bei ihm die "einfachere" Lösung Ulpians. Er beschäftigt sich lieber mit der Erklärung, die die Glossatorenschule bezüglich Julian 41, 1, 36, vorgeschlagen hatte, d.h. die Aufnahme der causa putativa unter die Rechtsgründe, die den Mechanismus des Eigentumsüberganges auslösen können, wie folgende Stelle zeigt: Qui vero inutiliter contrahuntur, volunt id, quod agitur, utcumque, ex omni parte non valeat. Transfertur itaque, si modo libet proprie loqui, dominium: non ex contractu praesertim cum sit inutilis, sed et ipsa traditione, quae habet consensum, ut transferatur43
Traditio und consensus ut transferatur sind die beiden Säulen, auf denen Apel den Eigentumserwerb aufbaut. Mit einem solchen Modell war er übrigens durchaus vertraut, weil es auf den Ergebnissen der Lehre der causa putativa beruht: Die Übergabe führt mangels eines rechtlichen Grundes doch zur Übereignung, falls die Parteien an die Wirksamkeit des Rechtsgrundes geglaubt haben und die Tradition von ihnen gewollt war. Wie eben gesehen, ist die scholastische Einordnung der Rechtsgründe, die je nach ihrer Entfernung von der Wirkung, hier also dem Eigentumsübergang, unter causae remotae bzw. proximae eingestuft werden, der Konstruktion der Putativlehre behilflich. Insoweit besteht die apelsche Lehre deshalb aus einer Übernahme bereits bekannter Strukturen. Der Unterschied liegt darin, daß die Entfernung der Ursache von der Wirkung nun konkrete Auswirkungen auf den Tatbestand ausübt. Entsprechend den zeitgenössischen Überlegungen über die causa putativa hielt Apel das objektive Vorhandensein einer causa remota, unter der er contractus, delicta et quasi verstand, hinsichtlich der Wirksamkeit der Übertragung für nicht notwendig44 . Nur
41
Nach Fuchs, 74.
42 S. oben in diesem Abschnitt, 11.
43 Apel, Methodica dialectices ratio ad jurisprudentiam adcommodata, Nümberg, 1535, FoI.M2. 44 Fuchs, 75; Oeckinghaus, 26.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
die "näheren Rechtsgründe"45 liefern nach Apels Meinung einen wesentlichen Beitrag zur Vollendung des Erwerbstatbestandes im echten Sinne. Die beiden causae, die die Eigentumsübertragung unmittelbar bewirken sollen, wurden im Begriffspaar traditio und consensus zur Übergabe erkannt. Die gewollte traditio bildete die Mindestvoraussetzung für den Erwerbstatbestand, ohne die keine Übereignung stattfinden konnte. Apel bezeichnete diese Übergabe als modus adquirendi, d.h. Erwerbungsart. Die causa remota bot die entfernteren Rechtsgründe des Erwerbes, weshalb sie zwar nach Apel bestehen mußte, um die Übergabe zu rechtfertigen, doch der Begriff des Bestehens enthielt nicht ohne weiteres jenen der Wirksamkeit des betroffenen Vertrages. Eine solche Wirksamkeit wurde von Apel gar nicht verlangt. Ihm genügte, daß ein Vertrag, auch wenn unwirksam, bestand; und daß die Parteien dadurch ihre Interessen durchsetzen wollten. Die causa remota wird nach dieser Lehre hinsichtlich der Vertragsverhältnisse als titulus für die Rechtfertigung des modus angesehen. Daraus ergibt sich folgender Gedankengang: Ohne wirksamen, d.h. tatsächlichen und gewollten modus adquirendi gibt es keinen Eigentumsübergang; trotz der Unwirksamkeit des titulus adquirendi ist der Eigentumsübergang möglich. Die Gleichstellung von causa remota und Vertrag bringt eine weitere, wichtige Folge mit sich. Die apelsche Theorie galt nicht für alle Erwerbungsarten, sondern lediglich für die derivativen, weil die originären Erwerbsvorgänge auf keinem Vertrag basieren, der laut dieser Lehre als einzige causa remota in Betracht kam. Diese theoretische Konstruktion war folglich nach der Absicht ihres Autors lediglich auf vertragliche Rechtsbeziehungen anwendbar. d) Die Schüler von Apel Schon die direkten Schüler Apels gingen über die Vorsicht hinaus, die ihr Lehrer im Aufbau seiner Theorie bekundet hatte. Die größte Hürde für eine allgemeine Anwendbarkeit der Titellehre auf sämtliche Erwerbstatbestände lag im begrenzten Gewicht des titulus, da Apel nur die Kontrakte unter diese Kategorie einordnete. Als entscheidende Entwicklungsetappe der Titellehre nach Apels Bemühungen muß die Erweiterung des Inhaltes des Rechtstitels betrachtet werden, unter dem die jüngere Auffassung ganz generell den Träger der iusta causa traditionis verstand. Die neue Fassung des Rechtstitels bezeichnete nicht nur den Vertrag, sondern auch alle andere Rechtsfiguren, die eine Erwerbskausa tragen konnten; diese Interpretation 46 gelangte dadurch zur Identifikation des Rechtstitels mit dem rechtlichen Grund tout court. Der Rechtstitel erhielt somit Causae proximiores nach Apels Terminologie, s. Fuchs, 75. Die rechtsgeschichtliche Forschung fUhrt diesen maßgebenden Fortschritt unmittelbar auf die Werke eines Schülers von Apel namens Dethard Horst zurück; Felgentraeger, 7; dazu auch Fuchs, 78. 45
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einen umfassenderen Inhalt mit dem von Apel nicht - zumindest nicht ausdrücklich - gewollten Erfolg, daß die Titellehre ein erheblich weiteres Anwendungsfeld erhielt. Zu diesem Ergebnis verhalf die Analyse der Beziehung, die den Rechtsgrund mit dem Eigentumserwerb verbindet. Der Rechtsgrund bildete bereits bei den Römern den Ursprung - die causa - aller von den Parteien stipulierten und von der Rechtsordnung vorgesehenen Vermögensverschiebungen. Jede endgültige Bewegung eines Rechtsgegenstandes von einer Vermögenssphäre in eine andere wurde von einer Kausa getragen47 , die sich somit als keine ausschließende Eigenschaft des Vertrages erwies: Zwar mußte ein wirksamer Vertrag auf einer iusta causa beruhen, aber auch alle andere Rechtsinstitute, die eine Vermögensverschiebung zustande kommen ließen, hatten notwendigerweise eine Kausa. Aus der Unentbehrlichkeit des Rechtsgrundes folgt unmittelbar die Unentbehrlichkeit des Rechtstitels, wenn man davon ausgeht, daß Rechtstitel und Rechtsgrund gleichbedeutende Begriffe sind. Der neu gestaltete titulus wurde daher, im Unterschied zur Auffassung Apels, eine Voraussetzung sämtlicher Erwerbsarten; auch die originären Erwerbsvorgänge wurden davon erfaßt. Unterschiedlich gegenüber der ursprünglichen Formulierung der Titellehre war auch die Rolle des titulus. Dieser wird nicht mehr als "Randfigur" empfunden, deren Präsenz zwar nötig ist, deren Bedeutung jedoch auf eine theoretische Wirksamkeit begrenzt blieb, in die die Putativlehre ihn verwiesen hatte. Das schon von Apel geforderte bloße Vorhandensein des Rechtstitels bei nur bestimmten Fällen reichte nach der neuen Fassung der Theorie nicht mehr aus, erforderlich wurde vielmehr auch das konkrete Bestehen im Einzelfall. Die Schwierigkeit bei der jüngeren Formulierung bestand vor allem darin, daß sich ein Rechtsgrund bei originären Erwerbsvorgängen nicht so leicht feststellen ließ. Ein allen unmittelbaren Erwerbsvorgängen gemeinsames Element wurde in der dispositio legis48 , also der gesetzlichen Bestimmung, gefunden, die mit dem Rechtsgeschäft ein zentrales Begriffspaar der Titellehre bildete. Durch die Verallgemeinerung der Tragweite des Rechtstitels wurden die wesentlichen Richtlinien dieser Lehre endgültig festgelegt; die weiteren Studien beschäftigten sich dann vornehmlich mit der Bestimmung ihres Inhalts und ihrer Grenzen. e) Der Einfluß der Studien von Donellus
Das Verhältnis zwischen Übergabe und Rechtsgrund ist Gegenstand der Studien von Hugo Donellus, die die Gestaltung der Lehre von titulus und modus adquirendi stark geprägt haben. Donellus faßte die Tradition als einen reinen
47 Über die "doctrine 01 causa" vgl. Zimmermann, 549 ff.; insb. über die traditio ex causa solvendi s. Kaser, Bull. ist. dir. rom., 1961, 69 ff. 48 So Horst, Fuchs, loc. ult. cU. (vorige Fn.)
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
Realakt auf"9, durch den der Empfanger lediglich die tatsächliche Gewalt über die Sache erhielt. Der Eigentumsübergang setzte nach diesem luristen50 vor allem einen Veräußerungswillen des tradens voraus, bei dem die Übereignung gewollt sein mußte. Außerdem mußte ihm auch bewußt sein, daß er über eine zu seinem Vermögen gehörende Sache verfügte 51 . Der mit der Übergabe verbundene Wille der Parteien, rectius des Veräußerers, hatte bei Donellus einen so hohen Stellenwert innerhalb des zum Eigentumsübergang führenden Verfahrens, daß dieser Wille ihm selbständig genug erschien, um eine Vermögensverschiebung zu rechtfertigen, die auch ohne rechtlichen Grund, jedoch mit dem Konsens des Erwerbers zur Besitznahme52 , erfolgen konnte 53 . Diese Betonung der voluntas dominium transferendi, die den Verfügenden bewegt, unterstreicht zugleich den Vorrang der subjektiven Darstellung der Parteien über Rechtslage vor der tatsächlichen Rechtslage, wie sie sich aus der Rechtsordnung ergibt. Die Tatsache, daß die Parteien einen mangelfreien, wirksamen Vertrag abschließen, erschien Donellus gegenüber dem auf den Vertragsabschluß gerichteten Willen weniger wichtig. Diese Ansicht läßt offensichtlich die oben erörterte Theorie des Putativtitels 54 durchblicken. Die Besonderheit der Lehre von Donellus besteht vornehmlich in der einseitigen Wirkung des Willens zur Übereignung des tradens, der quasi allein für das Geschehen, die Vollendung bzw. das Scheitern des Vertrages, verantwortlich gemacht wird. Diese Lehre berücksichtigt bei der causa putativa nur die Position des Verfügenden. Nach den Studien Donellus erscheint die Identifikation der causae mit dem Rechtstitel und der Erwerbungsart völlig vollzogen. Von nun an verwendete die Rechtslehre die scholastischen Begriffe als gewöhnliche Bestandteile ihrer eigenen Rechtsterminologie: caussa remota vocatur titulus, proxima vero modus adquirendi 55
Diese und ähnliche Auffassungen beweisen das hohe Niveau, das die Rechtsprechung in der Behandlung des Stoffes erreicht hatte: Die Gewißheit dieser Behauptung zeugt davon, daß die Entwicklungsphase der Theorie endgültig ab-
Felgentraeger, 8. Oeckinghaus, 24. 51 Donellus, Commentarii de jure civi\i, \ib. IV, cap. XVI, Nümberg, 387: "Vt quis velit transferre. in eo tria haec insunt: ut sciat rem suam esse. quam transferre cogitat: ut causam habeat cur velit; ut in emtione. re tradita. pretium acceperit ... ". 52 Birocchi, Atti Pisa, 152 f. 53 Fuchs, 61. 54 Mehr dazu supra, A. 11. 55 So Christian Wo/fJ. Inst. jur. nat., § 461,239; s. Felgentraeger, 17. 49
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geschlossen war, soweit es die Parallelen zwischen philosophischen und juristischen Begriffen anbelangt. Auch die Untersuchungen über die neugeschaffene Tenninologie, mit der die Bedeutung und die Funktion vor allem des titulus und des modus adquirendi dominium erklärt worden war, darf als beendet betrachtet werden. Knappe Fonnulierungen faßten die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit zusammen; die von Heineccius 1725 geäußerte Meinung wirkt hier besonders anschaulich: Der Rechtstitel sei die ratio quaedam legalis, qua adquisitio juris in re possibilis fit. Modum contra adquirendi vocamus factum corporeum adquisitionem reddens existentem56
Hinter den Worten dieser eleganten Definition lassen sich die Resultate der gemeinrechtlichen Studien erkennen, die sich mit dem Begriff der Möglichkeit bei der Übereignung auseinandergesetzt hatten. Bei der Behandlung der causa putativa 57 wurde betont, daß der tatsächlich geschehenen Handlung eine von den Parteien vennutete Rechtshandlung gleichgestellt wurde. Aus diesem Schema folgt, daß nicht nur mit der Handlung, sondern auch mit der Möglichkeit einer Handlung Rechtsfolgen verknüpft werden. Diesem Grundsatz wurde in der Rechtswissenschaft58 nachgegangen. Demgemäß ist der Einfluß des Begriffspaares RechtstitellRechtsmodus auf die Vervollständigung des Tatbestandes des Eigentumserwerbes anhand der Gedanken der possibilitas und der actualitas erklärt worden. Nach dieser sehr verbreiteten Auffassung bringt der titulus die bloße Möglichkeit einer (künftigen) Eigentumsübertragung mit sich; erst durch die Übergabe, d.h. den modus, konkretisiert sich die abstrakte Möglichkeit in der Wirklichkeit des Eigentumsüberganges. Fragmente dieser Theorie sind in der soeben wiedergegebenen Ansicht von Heineccius festzustellen. Der titulus ist seiner Meinung nach die ratio legalis, die den Rechtserwerb ennöglicht (possibilis fit), durch den modus als factum corporeum vergegenwärtigt sich dann der Rechtstitel konkret, d.h. - nach dem wolffschen Sprachgebrauch er wird "aktuell".
j) Die Gegner der Titel/ehre Die Titellehre hat im gemeinen Recht nicht nur Lob geerntet, einige wichtige Stimmen erhoben sich auch zu heftiger Kritik. Die Schöpfung einer neuen Systematik bedeutete nicht ohne weiteres eine Modifikation der Struktur des
56 Johannes Gottlieb Heineccius, Elementa juris civilis secundum ordinem institutionum, 293; s. Coing, Bd. I, 179 f. 57 Unter A. 11. 58 Vor allem Wolff, Jus naturae, Pars III, 717. 13 Giglio
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zum Erwerb des Eigentums führenden Tatbestandes. Die Verfechter der Titellehre widmen sich nämlich dem Studium des Ablaufs der Eigentumsübertragung. Dabei verwenden sie zwar neue Begriffe, analysieren aber dennoch die traditionellen Modelle: Das gemeine Recht bezieht sich ohne Zweifel auf den Erwerbstatbestand des römischen Rechts 59 , dessen Merkmale allerdings durch eine andere Methodik eingeordnet werden. Die Kritiker6° griffen gerade diese Abweichung vom römischen Sprachgebrauch an, die fast als Mißhandlung empfunden wurde. Sie konnten sich insbesondere auf die herkömmliche Auslegung des titulus stützen, der bei den Römern lediglich in bezug auf die Ersitzung angewendet wurde, d.h. in einem völlig anderen Zusammenhang. Nach der kritischen Mindenneinung dehnte die Interpretation der h.L. also den Inhalt des Rechtstitels in so übennäßiger Weise aus, daß dieser den Rechtsquellen nur in geringem Maße entsprach. Eine solche Abweichung konnte aber nicht zugelassen werden. Deshalb wurde der Titellehre ihre Ablösung von den römischen Quellen vorgeworfen, denn sie trug nicht zum Verständnis des römischen Rechtes bei 61 • Vor allem wurde das Fehlen eines aktiven Beitrages nicht verziehen: Aus der Sicht ihrer Kritiker war die Titellehre deshalb nur eine rein theoretische Konstruktion, die den Kontakt zur (römischen) Rechtspraxis vollkommen abgebrochen hatte. Dennoch mußten auch die Befürworter der Mindenneinung zugeben, daß die Titellehre trotz ihrer tenninologischen Unterschieden zum römischen Recht nicht ganz falsch war. Sie mußten sich also mit einer Kritik zufrieden geben, die den Kern der h.L. nicht berührte, wie z.B. die Tatsache, daß auf Kategorie des Titels sehr unterschiedliche Erwerbstatbestände zurückgeführt wurden, etwa der Vertrag und die occupatio62 • Jedoch enthielt die Titellehre auch rur ihre Gegner einige positive Elemente. So erschien das Erfordernis einer iusta causa bei der Übergabe durchaus angemessen und die Erklärung des Eigentumsübergangs wurde stets im Lichte der Titellehre gesehen63 . Lediglich bei originären Erwerbsvorgängen stieß die h.L. gegen die absolute Ablehnung ihrer Kritiker, die ihre Anwendung für völlig unvereinbar mit den Grundsätzen des römischen Rechtes hielten.
So zutr. Fuchs, 72. Großen Einfluß gewannen die Werke von Hugo und Thibaut, s. Felgentraeger, 21 ff., Fuchs, 72 f. 61 So vor allem Gustav Hugo, Fuchs, 73; Coing, Bd. II, 393. 62 Coing, op. loc. ult. eit. (vorige Fn.). 63 Oeckinghaus, 27. 59
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2. Die Aufnahme in den kontinentalen Rechtssystemen
In der Zeit der Kodifikationen befanden sich die jeweiligen Verfasser vor der Alternative, die Lehre von titulus und modus zu übernehmen, weil sie den Mechanismus des Eigentumsüberganges klar darstellen konnte, oder diese Lehre wegen einer unnützen Begriffsverwirrung abzulehnen. Eine wenngleich oberflächliche Untersuchung einiger kontinentaler Rechtssyteme erweckt den Eindruck, daß sich die Gesetzgeber, unabhängig von den unterschiedlichen nationalen Antworten, der Konfrontation mit dieser Frage nicht entzogen haben. a) Das Allgemeine Landrecht
Das Allgemeine Landrecht fiir die Preußischen Staaten (ALR) vom Jahre 1794 nimmt die gemeinrechtliche Titellehre in seine Vorschriften auf. Das preußische Erwerbsmodell teilt chronologisch und systematisch den Tatbestand in zwei unterschiedliche Elemente ein, die beim Übergang des Eigentums wesentlich mitwirken. Sie bestehen aus einer äußeren Handlung und aus einem rechtlichen Grund. Die äußere Handlung wird von der Kodifikation ausdrücklich als modus adquirendi bezeichnet, ihr wird vom § 1 I 9 ALR die zentrale Funktion zugesprochen, "die verschiedenen Erwerbungsarten" zu bestimmen. Der modus hat nach preußischem Recht nicht genügend innere Kraft, die Übereignung zu vollenden. Diese besondere Kraft gewinnt er nur in Verbindung mit dem gesetzlichen Grund, der die Vermögensverschiebung unterstützt. Der Rechtsgrund wird nach § 2 I 9 ALR "der Titel des Eigenthums" genannt. Der 9. Titel des ALR wird "der Erwerbung des Eigenthums überhaupt" gewidmet, hier wird somit die Basis der ganzen Struktur des Eigentumserwerbs festgelegt, die dann fiir alle Erwerbstatbestände bindend wird. Dieser Teil beginnt mit der Erwähnung der fundamentalen Begriffe der Lehre von titulus und modus adquirendi dominium, die als Bausteine des Erwerbssystemes dargestellt werden: Der gesetzgeberische favor fiir diese Theorie ist in sehr klarer Weise zum Ausdruck gebracht. Die übliche, aber nicht die einzige Erwerbungsart besteht in der wirklichen Übergabe der Sache, die nach § 1 I 10 ALR als unentbehrliches Tatbestandsmerkmal bei dem nur mittelbaren Erwerb des Eigentums wirkt. Auch der Rechtstitel wird anhand bestimmter Rechtsfiguren typisiert. Der gesetzliche Grund darf gern. § 2 I 10 ALR nur "durch Willenserklärungen, Gesetze, und rechtliche Erkenntnis begründet werden". Die Bedeutung dieser Vorschrift ist hinsichtlich der Feststellung der Rechtstitel erheblich. Dementsprechend gibt es nur drei mögliche "Träger" des Rechtsgrundes, die in drei unterschiedlichen Willensarten verankert worden sind, welche auf die Parteien, auf die legislative Macht im weiteren Sinne und auf die Gerichtsordnung zurückgefiihrt werden.
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Die tatsächliche Übergabe der Sache modifiziert die Inhaberschaft des Eigentumsrechtes noch nicht, weil allein dadurch keine Eigentumsübertragung stattfindet. Dies ist die erste wichtige Überlegung, die sich aus der preußischen Gesetzgebung ergibt. Wie schon das gemeine Recht erklärt hatte, bringt hingegen das Bestehen eines rechtlichen Grundes wohl eine wichtige Folge mit sich, weil die iusta causa traditionis den künftigen Erwerber mit einer Anwartschaft versieht64, die, wie bereits betont65, beim usus modernus als jus ad rem qualifiziert wurde. Unter dem Gesichtspunkt der mit dem Erwerb verknüpften Folgen gibt es demnach schon einen Unterschied im Gewicht bei der Figuren. Das Modell des ALR ist in der Rechtslehre 66 jüngst verwendet worden, um das Verhältnis zwischen titulus und modus zu analysieren. Dabei wird die Auswirkung bei der Elemente auf das erworbene Eigentum am Beispiel des Kaufs untersucht. Die Vollendung eines Kaufs setzt zwei Erwerbstatbestände voraus: den Kaufvertrag und die Übergabe der verkauften Sache. Um den Effekt der Eigentumsübertragung zu verhindern, reicht aus, daß eines der bei den Merkmale nicht besteht. Die Unwirksamkeit des Vertrages, und deshalb das Fehlen des dort enthaltenen Rechtsgrundes, kann somit nicht allein durch die tatsächliche Übergabe korrigiert werden. Aus dieser gesetzlichen Lage ergibt sich, daß titulus und modus beide einen wesentlichen Beitrag zur Eigentumsübertragung leisten. Deshalb hindert nach dem preußischen Modell das Fehlen einer Voraussetzung des Erwerbes das Eintreten der gewollten Rechtsfolgen: Das Eigentum geht nicht über. Infolgedessen werden Rechtsgrund und Übergabe als unentbehrliche Übertragungsgründe des Eigentums 67 bezeichnet. Ihnen wird ferner eine weitere Funktion zugeschrieben. Die Wirksamkeit des titulus und die Tatsächlichkeit des modus, mit anderen Worten die iusta causa traditionis und die wirkliche Übergabe, bieten dem Erwerber in diesem Rechtssystem die Rechtssicherheit, daß das erworbene Eigentum von Dritten in keiner Weise angegriffen werden darf; seine Position ist daher stabil, weil er die erworbene Sache behalten darf. Rechtstitel und Erwerbsart sind deshalb sodann Behaltensgründe68 des Eigentums. Das vom ALR gewählte Erwerbsmodell ist vom Zusammenfallen der Übertragungs- und der Behaltensgründe gekennzeichnet. Dieselbe Struktur findet sich auch in der österreichischen Kodifikation.
64 Nach Larenz, Schuldrecht I1/I, 17, erlangt der ElWerber dadurch kein Eigentum, sondern "gewissennaßen" nur eine Anwartschaft. 65 S. oben A. III. I. b). 66 Kupisch, Atti Pisa, 435 f. 67 Kupisch, aaO. (vorige Fn.), schreibt auf italienisch von cause di attribuzione. 68 Kupisch, Atti Pisa, 436, bezeichnet sie eigentlich als cause di giustijicazione, d.h. Rechtfertigungsgründe.
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b) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Auch das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) wird von den gemeinrechtlichen Studien über den Vorgang der Eigentumsübertragung stark beeinflußt: Trotz der Unterschiede in den einzelnen Regeln fuhrt das ABGB die Entwicklung des preußischen Erwerbsmodells fort6 9 . Die Entscheidung zugunsten der Titellehre ist im übrigen, angesichts der dem österreichischen Gesetzgeber zur Verfugung stehenden Materialien, nicht überraschend: Bereits im 18. Jahrhundert war im Codex Theresianus eine Trennung zwischen Erwerbungsarten des Eigentums einerseits und den Ursachen der Erwerbung andererseits vorgesehen. § I num. 2 Teil 11 Caput IV faßte mit besonderer DeutlichkeiCo den Mechanismus des Erwerbs mit den folgenden Worten zusammen: " ... Also ist die Erkaufung einer Sache lediglich die Ursache der Erwerbung, nicht aber die Art, wodurch das Eigenthum erworben wird, sondern wer eine Sache kaufet, wird nicht ehender ein Herr derselben, als bis ihrne solche übergeben worden".
Der Wortlaut dieser Vorschrift stellt die Essenz der Lehre von titulus und modus klar heraus. Das Rechtsgrundgeschäft ist der Rechtstitel, der die Ursache des Erwerbs enthält; aber mit dem Titel allein ist der Erwerbstatbestand nicht vollendet, dafür ist zusätzlich eine Erwerbsart notwendig, die hier in der Übergabe der Sache besteht. Die von der Norm angedeutete Zusätzlichkeit des modus betont richtigerweise die (Publizitäts)Funktion der äußeren Handlung im Erwerbstatbestand; wie auch der titulus, kann sie von alleine den Eigentumserwerb nicht bewirken. Die weiteren näheren Vorfahren des ABGB, d.h. der Entwurf Martini und das Westgalizische Gesetzbuch (WGG), bestätigen die gesetzgeberische Entschlossenheit zugunsten dieser Erwerbskonfiguration. Das WGG enthält eine echte regula aurea, welche in einem knappen Satz die Prinzipien der Titellehre wiederholt. § 102 11 WGG stellt diesbezüglich fest: "Ohne Titel und ohne ein rechtsrnäßiges Mittel kann kein Eigenthum erworben werden".
Das Problem der Bestimmung des rechtlichen Grundes bei unmittelbaren Erwerbsvorgängen, also bei gesetzlichen Erwerbstatbeständen, wird von dieser Kodifikation dadurch gelöst, daß § 103 11 WGG die menschliche, natürliche Freiheit, alles unternehmen zu dürfen, was man will, als die grundlegende Ursache des Eigentumsübergangs in der Grenze des Gebotes des alterum non laedere darstellt. Das Prinzip der individuellen Freiheit kennzeichnet das WGG. Das
69 70
Kupisch, op. loc. ull. eil. (vorige Fn.). So zutr. Mayer Maly, Atti Pisa, 279.
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Individuum steht im Mittelpunkt; es entscheidet: Auf seine innere Entscheidungsfreiheit werden alle Rechtsfolgen zurückgetUhrt. Die Freiheit wirkt somit als echter Motor des Eigentumserwerbes und hebt dadurch die entscheidende Rolle des persönlichen Willens hervor. Dem Rechtssubjekt wird gesetzlich ein Recht eingeräumt, "alles zu übernehmen, was ihm der Eigenthümer überlassen will, überlassen kann, oder überlassen muß", § 10411 WGG71. Der philosophische Ansatzpunkt des WGG wird vom Entwurf Martini übernommen. Auch dieser betrachtet das Gesetz als fähigen Träger eines rechtlichen Grundes, da es Ausdruck eines "allgemeinen Willens"72 ist. Der Akzent, der auf die Rolle des Willens gelegt wird, prägt die Erwerbsstruktur im Sinne der mittelalterlichen Lehre der causa putativa; es überrascht folglich nicht, daß der Erwerbstatbestand nicht durch den Dissens über den rechtlichen Grund - man denke an den alten Streit zwischen Ulpian und Julian 73 - gefährdet wird, falls jede der beiden causae, vera und putativa, tUr die Eigentumsübertragung allein ausreicht1 4 . Auf dem soeben geschilderten gesetzlichen Hintergrund folgt das ABGB dem Weg seiner Vorgänger. § 380 ABGB knüpft unmittelbar an § 10211 WGG an und schreibt vor, daß ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kein Eigentum erlangt werden kann. Die österreichische Rechtswissenschaft ist sich der Beziehung zwischen Titellehre und geltendem Recht voll bewußt. Die Mindestrnaßstäbe der Eigentumsübertragung sind in titulus und modus festgesetzt, d.h. eine iusta causa traditionis und eine tatsächliche Übergabe werden vom Gesetz verlangt; die Übergabe von allein gewährt kein Eigentum 75. auf den Spuren der gemeinrechtlichen Doktrin 76, vor allem des usus modernus wird in der Literatur der Rechtstitel als rechtliche Möglichkeit des Erwerbes bezeichnet. Der Titel muß von einer rechtlichen Erwerbungsart begleitet werden, um die von den Parteien gewünschte Vermögensänderung auszulösen. Der modus adquirendi ist dann deljenige tatsächliche Vorgang, "der die durch den Titel gegebene Erwerbsmöglichkeit in der jeweils gewünschten Form verwirklicht"77. Die im titulus enthaltene theoretische Möglichkeit setzt somit den modus in Wirklichkeit um: Diese Konstruktion offenbart sich als eine Wiedergabe der Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit7 8 an den Begriffen der possibilitas einer
Hofmeister, 24 f. Entwurf Martini, 11 § 4; s. Mayer Maly, Atti Pisa, 280. 73 Oben, A. 11. 74 Mayer Maly, Atti Pisa, 280. 75 Dittrich/Tades, sub § 380 EI; es handelt sich um eine Grundentscheidung vom 08. 07. 1884. 76 Vgl. oben, A. III. I. e). 77 Rummel/Spielbüchler, sub § 380, Rdnr. I. 78 Vgl. supra, A. III. I. e). 71
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künftigen Eigentumsübertragung, die sich die Parteien durch den Abschluß eines Rechtsgrundgeschäfts offen lassen, und der actualitas des im Rechtsgeschäft Versprochenen, die mit der Übergabe den Eigentumsübergang vollendet. So muß sich auch das österreichische Recht mit der Frage der Unmittelbarkeit bzw. Mittelbarkeit des Erwerbs auseinandersetzen. Die größten Schwierigkeiten rühren daher, daß Apel die originären Erwerbsvorgänge aus dem Anwendungsumfang seiner Theorie ausgeschlossenen hatte. Die Antwort des ABGB entspricht der wissenschaftlich-philosophischen Stellungnahme dieser Frage gegenüber den vorherigen österreichischen Kodifikationen: Der rechtliche Grund liegt somit bei unmittelbaren, also originären Erwerbsvorgängen in der "angebornen Freiheit" des Menschen, Sachen in Besitz zu nehmen, wie sich § 381 ABGB ausdrückt. Die Rolle des individuellen Willens findet folglich hierbei auch in bezug auf das geltende Recht eine klare Bestätigung. Demgegenüber kann die Übergabe dann als bloßer Realakt1 9 aufgebaut werden; eine andere Konstruktion würde neben einem so durchdringlichen Rechtstitel gar keinen Raum finden. In bezug auf die mittelbaren, also derivativen Erwerbsvorgängen gelingt eine Verknüpfung mit den überlieferten Grundsätzen der Titellehre ohne übermäßige theoretische Hindernisse. Der derivative Rechtstitel liegt gern. § 424 ABGB "in einem Vertrage; in einer Verfügung auf den Todesfall; in dem richterlichen Ausspruche; oder, in der Anordnung des Gesetzes". Dieses Verzeichnis ähnelt seinen Vorentwürfen sowie den herkömmlichen Betrachtungsweisen des gemeinen Rechts. Die Rechtslehre80 liest daraus einen Grundsatz ab, nach dem als Titel jedes den Rechtserwerb rechtfertigende Rechtsverhältnis verstanden wird. "Der bloße Titel gibt noch kein Eigentum. Das Eigentum und alle dingliche Rechte überhaupt können, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen, nur durch die rechtliche Übergabe und Übernahme erworben werden".
§ 425 ABGB ermöglicht eine direkte Parallele zu der Erwerbsstruktur des ALR, die, wie oben ausgeführt81 , vom Zusammenfallen der Übertragungs- und der Behaltensgründe charakterisiert wird. Der Wortlaut der letzterwähnten Vorschrift verdeutlicht die Kongruenz der von bei den Gesetzgebern getroffenen Wahl trotz der sie trennenden Zeit: Ohne iusta causa traditionis und tatsächliche Übergabe wird das gewünschte Ereignis des Eigentumsüberganges nicht eintreten. Die Analyse des ABGB bringt daher die gleichen Merkmale ans Licht, die das preußische Modell schon aufgezeigt hatte, so daß auch für das österreichische Erwerbssystem dem gleichen Gedankengang gefolgt werden
79
Bydlinski, FS. Larenz, 1973, 1029. § 424, Rdnr. 2. Vgl. den vorigen Abschnitt III. 2. a).
80 Rummel/Spielbüchler, sub 81
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kann, der bereits fiir das preußische Erwerbssystem galt. Der preußische und der österreichische Erwerbsmechanismus stellen das Urbild der Systeme82 dar, die das sog. Prinzip der kausalen Übereignung beim Eigentumserwerb anwenden. Durch die preußische und die österreichischen Gesetzgebungen erhalten die theoretischen Ansätze der Lehre von titulus und modus adquirendi dominium eine konkrete Gestalt, die einen Zugang zur modemen Rechtspraxis ermöglicht; es wurden dort Formeln durch Vorschriften konkretisiert, womit die Titellehre das Terrain der reinen Theorie verließ, um sich pragmatisch mit konkreten Fallkonstellationen zu konfrontieren. Die Methode der kausalen Übereignung stieß dennoch bei den kontinentalen Rechtssystemen nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. Einige Rechtsordnungen wurden von anderen Denkanstößen beeinflußt, die den Voraussetzungen der Titellehre entgegenliefern. Wo es zu einer Grundsatzdiskussion kam, mußte die Titellehre manchmal anderen Theorien bisweilen den Vortritt lassen. Eine von der Titellehre abweichende Konstruktion wurde Z.B. von den Naturrechtlern vorgeschlagen. Ihre Auffassung wurde vom französischen Code civil und von den auf ihn zurückzufiihrenden Kodifikationen aufgenommen.
c) Der Code civil und der Codice civile L'obligation de Iivrer la chose est parfaite par le seul consentement des parties contractantes. Elle rend le cn!ancier proprietaire et met la chose a ses risques des I'instant Oll elle a du etre livree encore que la tradition n'en ait point ete faite ... Nach Art. 1138 c.c. wird der Verpflichtungsnehmer aufgrund des bloßen Konsenses 83 Eigentümer, obwohl ihm die Sache noch nicht übergeben worden
82 Freilich sind sie nicht die einzigen Rechtssystemen gewesen, bei denen Übertragungs- und Behaltensgrunde nach dem Modell der kausalen Übereignung zusammenfallen. S. z.B. im schweizerischen Recht die Artt. 656 ff. und 965 ZGB über den Erwerb bzw. die Eintragung von Grundeigentum, vor allem in Verbindung mit der grundlegenden Entscheidung BGE 55 (1929), 11, 302 ff., insb. 306 ff., die die savignysche Lehre des abstrakten dinglichen Vertrages abgelehnt hatte: "Endlich wird die Annahme der Konstruktion von der abstrakten Natur des dinglichen Vertrages über bewegliche Sachen auch nicht durch dringende Bedürfnisse des Rechtsverkehrs gefordert", 309. Vgl. dazu Schmidlin. Atti Pisa, 305 ff. 83 Obwohl man aus dem Wortlaut der Bestimmung entnehmen sollte, daß die Obligation und nicht die übereinstimmende Einwilligung "rend le creancier proprihaire", wenn das "elle" am Anfang des zweiten Absatzes unumstritten als ein Verweis auf den Konsens ausgelegt wird. Dazu s. statt aller Simler, Juris Classeurs, 1993, Fasc. 10, 6.
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ist. Wie man sieht, entfernt sich das französische Gesetzbuch von der Struktur der Titellehre in erheblicher Weise. Rechtlicher Grund und Übergabe sind zwar auch nach diesem Modell berücksichtigt, sie entsprechen aber nicht mehr den Funktionen, die ihnen die Titellehre zugeschrieben hatte. Aus der Sicht der gemeinrechtlichen Theorie lehnt das französische Erwerbssystem das Zusammenspiel zwischen dem Rechtstitel und der Erwerbungsart ab: Das Gewicht des Tatbestandes ist in toto auf die iusta causa traditionis verlegt, welche von alleine den Erwerbsmechanismus erfolgreich betätigen kann. Trotz der offensichtlichen, grundlegenden Differenzen ist auch diese Auffassung, wie die der Titellehre, in den gemeinrechtlichen Studien verankert. Die Untersuchungen zur causa putativa hatten schon angedeutet, daß dieser beim Eigentumserwerb eine wichtige Funktion zukommt, indem dem parteilichen Willen gegenüber dem Grundsatz der übereinstimmenden Konsense und letzten Endes auch gegenüber der Übergabe mehr oder minder implizit der Vorrang zugestanden wurde84 • Verfolgt man diesen Gedanken weiter, ergibt sich: Die Bedeutung des Willens dehnt sich so aus, daß die Übergabe als bloßes äußeres Zeichen empfunden wird, das nicht für die Parteien, sondern für Dritte wichtig wird, die dadurch vom Geschehnis Kenntnis nehmen können85 . Der Übergabe bleibt somit vor allem die Funktion der Publizität, da das Eigentum solo consensu 86 , mit den Worten des Gesetzes par le seul consentement, übergeht. Auch beim Kauf ist nach dem französischem Recht keine Übergabe zum Erwerb des Eigenturnes erforderlich. Die Regeln über das Kaufrecht bieten eine weitere Bestätigung der Durchsetzung der naturrechtlichen Betrachtungsweise. Nach Art. 1583 C.c. ist der Kauf parfait entre les parties, et la proprü:te est acquise de droit a l'acheteur, a l'egard du vendeur, des qu'on est convenu de la chose et du prix, quoique la chose n'ait pas encore ete livree ni le prix paye.
Ein sehr ähnlicher Inhalt kann auch dem Art. 1376 des italienischen Codice civile zugemessen werden, der dem Vertrag mit dinglicher Wirkung gewidmet ist87 , und dessen Ansatz dem französischen Erwerbsmodell folgt. Auch für das
Vgl. oben, A. 11. Für die Publizitätsfunktion der Übergabe in den so strukturierten Rechtssystemen s. Larenz, 1986, 11; s. a. infra, A. III. 3. 86 Zweifel an der Richtigkeit dieser Behauptung zeigen sich immer öfter in der französischen Literatur, vgl. Saint-Afary Houin, Atti Pisa, passim, insb. 201 ff., die einen Teil ihrer Analyse dem "declin du transfert immediat de fa propril!te dans fes rapports entre fes parties" widmet. 84
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italienische Recht gehört folglich die Übergabe nicht zu den wesentlichen Merkmalen des Erwerbstatbestandes; die Aufgabe der Verwirklichung der Übereignung wird gewöhnlich allein dem Konsens überlassen. Auf den ersten Blick könnte man aus den Worten der französischen und italienischen Kodifikationen eine klare Absage an die Titellehre herauslesen. Der große Erfolg und die darauffolgende weite Verbreitung der dort aufgenommenen Strukturen könnten nämlich den Eindruck erwecken, daß das Naturrecht, das im Code civil seinen höchsten Ausdruck gefunden hat, gleichzeitig den endgültigen Untergang der Lehre von titulus und modus adquirendi zur Folge hatte. Daß eine solche Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen keineswegs die einzige ist, bewies die Rechtslehre jüngst durch eine alternative Auslegung, die zu ganz anderen, entgegengesetzen Ergebnissen führt. Aus der veränderten Funktion des modus schließt eine erste Auffassung 88 , daß zwar die Übergabe kein wesentliches Merkmal der Eigentumsübertragung darstellt, aber der Rechtstitel als nach dem Kanon der Titellehre fortdauerndes, kennzeichnendes Element des Erwerbstatbestandes auch in der neuen Formulierung immer noch Träger der iusta causa traditionis bleibt. Ihm fällt jedoch neben der herkömmlichen eine neue Aufgabe zu, da das Eigentum aufgrund des alleinigen Konsenses übergeht. Eine besondere Interpretation der Titellehre wird in Italien von einer jüngeren Auffassung 89 versucht, die den Fortbestand der Funktion des alten modus in dem durch das Naturrecht neu definierten titulus sieht. Letzterer besteht dieser Ansicht nach im italienischen Recht fort, während der Rechtsmodus beim Eigentumserwerb eine gegenstandslose Kategorie geworden ist, derer Funktion von dem Rechtstitel übernommen wurde. Obschon diese Lehre zu etwas fraglichen Resultaten kommt, da sie die traditionelle Funktion des modus als äußeren Realakt nicht anerkennt, bezeugt sie zusammen mit den deutschen Forschungen auch im modemen Recht ein gewisses Interesse rur die Titellehre. Das Verpflichtungsgeschäft mit dinglicher Wirkung bildet das Charakteristikum des französischen Rechtskreises bezüglich der Struktur des Eigentumserwerbes. Zunächst ist es unentbehrliche Voraussetzung rur die Errullung des Tatbestandes der Eigentumsübertragung: Mangels eines wirksamen Rechts(grund)geschäftes tritt der von den Parteien gewünschte Effekt nicht ein, weil das Eigentum nicht an den ErwerberlKäufer übergehen kann. Das wirksame Rechtsgeschäft - wirksam, weil es eine iusta causa traditionis enthält - be-
87 Aber fiir das sog. Grundbuchsystem der ehemalig österreichischen Provinzen s. R.D. 28.03. 1929, Nr. 499, insb. Art. 2, der fiir das Grundeigentum die Eintragung im Grundbuch als Tatbestandselement des Erwerbes verlangt. 88 So Kupisch, Atti Pisa, 437. 89 Formichelli, passim, insb. 69 ff.
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inhaltet folglich auch ohne die Begleitung einer angemessenen Erwerbungsart den Übertragungsgrund des Eigentums. Das nach dem naturrechtlichen Modell erworbene Eigentum wird ferner vor eventuellen Ansprüchen Dritter in vollem Maße geschützt, so daß die Erfüllung des Tatbestandes die Endgültigkeit des Erwerbes mit sich bringt. Als Folge der Wirksamkeit braucht der Erwerber weitere Herausgabeansprüche nicht mehr zu befürchten, da sein Erwerb bereits verfestigt ist. Das Rechtsgeschäft bildet somit zugleich auch den Behaltensgrund 90 des Eigentums. Wie schon in der preußisch-österreichischen Erwerbsstruktur, fallen auch nach dem französischen Erwerbsmodell Übertragungs- und Behaltensgründe zusammen. Sie sind beide Inhalt des Rechtsgeschäfts, d.h. des titulus, der den rechtlichen Grund trägt. Sie unterscheiden sich also von dem Erwerbstatbestand des ABGB, in dem titulus und modus zusammen zur Verfestigung des Erwerbes beitragen. d) Das Bürgerliche Gesetzbuch
Die Auffassung Savignys, der in seinen Werken die Lehre von titulus und modus adquirendi in unmißverständlicher Weise abgelehnt hatte91 , hat seine Schatten auf den Mechanismus geworfen, durch den das BGB das Eigentum im Rechtsverkehr reglementiert hat. Savigny begründete seine ablehnende Haltung mit zweierlei Überlegungen, die eine logischer und die andere rechtsgeschichtlicher Art. Soweit es die erste Überlegung anbelangt, hob er am Beispiel des Kaufes 92 hervor, daß mit diesem Rechtsgeschäft gewöhnlich nur eine obligatorische Wirkung verknüpft wird, während man dabei vergißt, daß auch die nachfolgende Übergabe einen Vertrag bildet: "So ist die Tradition ein wahrer Vertrag, da alle Merkmale des Vertragsbegriffs darin wahrgenommen werden"93. Das Handgeschenk an einen Bettler94 bot ein weiteres, bekanntes Beispiel Savignys dafür, daß die Tradition ein vom Rechtsgeschäft getrennter, dinglicher Kontrakt sein soll. Obwohl Savigny die Fallkonstellationen, in denen die Übergabe ohne eine vorhergehende Vereinbarung der Parteien erfolgt, selber als selten bezeichnete, verwendete er sie als wichtige Bestätigung seiner These. Zu diesem Zweck untersuchte er auch einige Aspekte der Irrtumslehre: 90
Kupisch, Atti Pisa, 437 f.
91 Eine grundlegende Untersuchung der Übereignungslehre Savignys an hand der
Nachschriften seiner Schüler führt Felgentraeger, 25 ff., insb. bezüglich der Kritik an der Lehre von titulus und modus 28 f. 92 v. Savigny, System, Bd. 3, 313. 93 v. Savigny, aaO. (vorige Fn.), 312. 94 v. Savigny, op. loc. ult. eit. (vorige Fn.).
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion" " ... sowohl die obligatorischen (Verträge), als die Tradition, die ihrem eigensten Wesen nach auch ein Vertrag ist. Hier aber hat in der Regel der Irrthum gar keine Einwirkung ... Der Kauf aus Irrthum ist dennoch ein unanfechtbarer Kauf, eine aus Irrthum entsprungene Tradition ist vollgültig"95.
Daneben griff Savigny die Titellehre auch direkt an. Er wurf ihr eine echte Mißhandlung der römischen Rechtsquellen vor96, denen die Terminologie der Titellehre fremd bliebe. Dies war eine aktualisierte Version der Kritik, die schon ein Teil der Jurisprudenz im usus modernus der Titellehre entgegenhieit97 , in ihrem Versuch, einen direkten Anschluß an das klassische Recht aufrechtzuerhalten. Die Neuartigkeit der savignyschen Auffassung soll nicht bezweifelt werden, doch konnte Savigny sich bei seinen Überlegungen schon auf ältere Lehren zurückgreifen, wobei insbesondere der Einfluß der Theorie der causa putativa spürbar ist. Der Gedanke, daß die Übergabe einen dinglichen Vertrag bergen könne, läßt sich im Grunde genommen auf die Äußerungen Julians zurückführen, der bei Dissens über die Übereignungskausa den Eigentumsübergang dennoch als vollzogen betrachtete: Im Unterschied zu den sog. kausalen Rechtssystemen, bei denen das Eigentum solo consensu übergeht, etwa wie bei den Rechtsordnungen des französischen Rechtskreises, geht nach Savigny, und schon vor ihm bei Julian, das Eigentum auch ohne rechtlichen Grund - quasi sola traditione - übergehen. Ein Vergleich zwischen modemen und klassischen Lösungen verdeutlicht die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die Ansätze der julianischen Auffassung zu übernehmen; das französische Rechtssystem folgt hingegen der ulpianischen Antwort und verweigert den Eigentumserwerb bei Dissens über die Kausa. Einige theoretische Konstruktionen der Nachfolger98 Savignys, nach denen der Wille allein auch ohne Übergabe einen dinglichen Vertrag unterstützen konnte, beweisen, daß trotz der strukturellen Unterschiede in beiden Rechtskreisen dem Übertragungswillen eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Die zweite Kritik Savignys, die hingegen auf rechtsgeschichtlichen Argumenten basierte, besaß wesentlich geringere Überzeugungskraft, weshalb sie auch zum Erfolg der Theorie des abstrakten, dinglichen Vertrages kaum beigetragen hat. Der gleiche Vorwurf der Mißhandlung der Rechtsquellen, Kern der historischen Vorbehalte Savignys, wird heute in der rechts geschichtlichen Literatur99 den Forschungen Savignys selbst entgegengehalten. Das entscheidende 95 v. Savigny, System, Bd. 3,354 f., Kursiv in Klammem vom Verfasser.
Vgl. Coing, Bd. 11, 393. Vgl. oben, A. III. I. f). 98 Puchta, 212 f. 99 Statt aller Ranieri, TRG 38 (1970), 318. 96
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Gewicht der Überlegungen logischer Art im geltenden Gesetzbuch verpflichtet zu einigen Reflexionen über die Struktur des Eigentumserwerbs nach dem deutschen Rechtssystem. Angesichts des Wortlauts der §§ 873, 925 und 929 BGB erscheint die Schlußfolgerung, die Prinzipien der Lehre von titulus und modus hätten im geltenden deutschen Recht eine klare Absage erhalten, unvermeidbar. Das naturrechtliche Modell enthält auf den ersten Blick eine ebenso deutlich ablehnende Formulierung, doch wurde schon bei der Analyse des Erwerbstatbestandes im französischen Modell bemerkt, daß die allseits behauptete, allgemeine Ablehnung auch als "Übernahme" der Funktion des modus durch den titulus gelesen werden konnte. In umgekehrtem Sinne kann nun eine Übernahme der Funktion des titulus in den modus angenommen werden lOO • Durch die Einigung und die Übergabe der Sache erhält der Erwerber z.B. gern. § 929 BGB das Eigentum an der beweglichen Sache; der Erwerb tritt unabhängig von der Wirksamkeit der im zugrunde liegenden Rechtsgeschäft enthaltenen Übereignungskausa ein. Die Stellungnahme dazu, ob im deutschen Recht der modus den titulus enthalte oder umgekehrt ob ersterer den letzteren beim Erwerb überflüssig mache, ist für die Analyse des deutschen Erwerbsmechanismus im Lichte der Titellehre nicht entscheidend. Tatsache ist, daß der modus die tragende Säule des Erwerbstatbestandes ist, weil durch seine Wirksamkeit, rectius die Wirksamkeit der Einigung und der Übergabe, der Erwerber das Eigentum an der Sache erhält. Aufgrund der alleinigen Erwerbungsart - solo modo - wird somit das Eigentum erworben, selbst wenn keine iusta causa traditionis vorliegt. Der modus bildet folglich im deutschen Recht den einzigen Übertragungs grund des Erwerbes. Die Übertragung des Eigentums bringt jedoch nicht ohne weiteres mit sich, daß die Position des Erwerbers gegenüber eventuellen Ansprüchen Dritter sachenrechtlich unantastbar wird: Ist die Sache ohne rechtlichen Grund übergegangen, wird der neue Eigentümer der Gefahr ausgesetzt, daß sein Erwerb ihm nur ein ungewisses Eigentum verschafft, d.h. soweit niemand anderes das Eigentum an der Sache für sich beansprucht, z.B. durch Erhebung einer Kondiktionsklage. Die Tatsache, daß der Erwerber durch den Übergang Eigentümer geworden ist, schützt ihn nicht vor Angriffen Dritter. Die Übereignung an sich gewährt somit dem Erwerber keinen Behaltensgrund. Bei der abstrakten Übereignung fallen deshalb Übertragungs- und Behaltensgrund nicht zusammen 10 I. Das deutsche Erwerbsmodell weicht wegen dieses Tatbestandsmerkmals von den anderen hier dargestellten kontinentaleuropäischen Modellen ab.
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Vgl. Formichelli, 91 ff. Kupisch, Atti Pisa, 438 f.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion" 3. Kurzer Überblick über die verwendete Terminologie
Die Schilderung der fortdauernden Beziehungen zwischen der Lehre von titulus und modus adquirendi und den europäischen, kontinentalen Rechtsordnungen zeigt in erster Linie, daß die Titellehre nicht als ein Überbleibsel aus der Vergangenheit oder sogar als Theorie, die ausschließlich dem gemeinen Recht gebannt bleibt, betrachtet werden kann. Im Gegenteil, sie stellt eine wissenschaftliche Methode dar, die, obwohl sie in vielen Rechtsordnungen zumeist in Vergessenheit geraten ist, noch einen erheblichen Beitrag zur Auslegung der modemen Erwerbssysteme leisten kann. Die hier verwendeten Begriffe gehören in den deutschen und französischen - und deshalb italienischen - Rechtskreisen eher zur Rechtsgeschichte als zur mit "moderneren" Fragen beschäftigten Rechtsforschung. Sie nehmen allerdings in dieser Studie eine sehr zentrale Stellung ein, wie im folgenden erhellt wird, da sie der Analyse eines nicht nur nicht vergangenen, sondern sogar noch nicht bestehenden Rechtssystems dienen, d.h. dem europäischen Bereicherungsrecht. Aufgrund ihrer entscheidenden Bedeutung werden nun die wesentlichen Begriffe vereinfachungshalber noch einmal stichwortartig zusammengefaßt. Die Tradition ist der äußere Realakt des zum Eigentumserwerb ruhrenden Tatbestandes. Sie wirkt als warnendes Signal rur den Dritten, weil sie quasi eine optische, keinesfalls allein auf die Parteien beschränkte Funktion ausübt: Daraus, daß eine bewegliche Sache sich nicht mehr beim Veräußerer befindet, darf unter gewissen Umständen schon geschlossen werden, daß der neue Besitzer zugleich auch Eigentümer geworden ist. Die Tradition bildet unter verschiedenen Gesichtspunkten ein sehr wichtiges, rechtssystematisches Element. Zum einen gehört sie in einigen Rechtsordnungen, etwa im deutschen und österreichischen, als wesentliches Merkmal dem Tatbestand des Eigentumserwerbes an. Zum anderen behält sie eine maßgebende Funktion selbst in den Rechtsordnungen, die sie nicht als Tatbestandsmerkmal betrachten, z.B. im Rahmen der Gefahrübertragung, wie Art. 1523 des Codice civile über den Kauf unter Eigentumsvorbehalt verdeutlicht. Die Tradition gewinnt deshalb eine besondere Bedeutung sowohl als nicht juristisches Warnsignal rur den Dritten als auch als rechtliches Merkmal, vor allem in bezug auf den Rechtsverkehr lO2 • Die Funktion der äußeren Handlung als kennzeichnendes Element der Tradition wird in der Literatur l03 der verglichenen Rechtssysteme einhellig anerkannt. Die Tradition entspricht der gewöhnlichsten Art und Weise der Besitzübertragung im
Carnelutti, 63. Bd. III, 312; Puchta, 212; Bydlinski, FS. Larenz, 1973, 1029; Sacco, Possesso, 187. 102
103 v. Savigny,
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Rechtsverkehr\04; wegen dieser Funktion kommt der Übergabe der beweglichen Sache ausschlaggebendes Gewicht zu, obwohl im Fahrnisrecht andere, weniger häufige Fonnen des äußeren Realaktes stattfinden können. Diesbezüglich denke man an das constitutum possessorium und an die traditio brevi manu, in denen die veräußerte Sache das Vennögen des Veräußerers bzw. des Erwerbers praktisch nicht verläßt. Mangels der Möglichkeit einer äußeren Handlung beim Erwerb nichtbeweglicher Sachen, etwa von Grundstücken, Immobilien usw., wird die Übergabe durch die Eintragung in ein öffentliches Grundbuch oder vergleichbare Einrichtungen ersetzt. Die Übergabe, die Eintragung und andere traditionsähnliche Mittel konkretisieren das sog. Publizitätsprinzip\05, das trotz der Unterschiede in den Erwerbstatbeständen ein gemeinsamer Grundsatz der verglichenen Rechtsinstitute ist. Die Übergabe des veräußerten Gegenstandes beruht auf einer Zwecksetzung l06 , durch die die Parteien ihren Willen zur Übertragung des Eigentums übereinstimmend - nonnalerweise - in einem Vertrag festiegen \07. In der Zwecksetzung liegt der Rechtfertigungsgrund der Tradition, sie ist somit eine programmatische Erklärung der Absichten der Vertragsparteien über die Modalitäten, die den Übergang des Eigentums an einer bestimmten Sache regeln sollen. Der weitere, den Rechtserwerb betreffende Verlauf ist - wenn auch in unterschiedlichem Maße je nach Rechtsordnung - davon abhängig, was in dieser programmatischen Erklärung vereinbart wurde. Es handelt sich hier um die sog. Übereignungscausa, die die Erwerbungsart bestimmt. Die Funktion des rechtlichen Grundes wird auf das römische Recht zurückgeführt, das einen zur Unterstützung der Übergabe fahigen Rechtsgrund als iusta causa traditionis bezeichnete. Die Gerechtfertigtkeit, damals wie heute, ergibt sich aus der Zustimmung des Rechtssystems hinsichtlich der einzelnen Übereignung. Damit ist eine allgemeine Vereinbarkeit mit den Grundprinzipien der Rechtsordnung gemeint. Es ist deshalb sogar denkbar, daß ein Eigentumserwerb den entsprechenden Vorschriften gemäß erfolgt, aber die Rechtsordnung ihm trotzdem keine Zustimmung erteilt. Das ist nämlich der Fall bei denjenigen Rechtssystemen, in denen Übertragungs- und Behaltensgründe voneinander abweichen. Das deutsche Recht etwa läßt einerseits den Eigentumsübergang zu, aber gewährt dann andererseits dem Veräußerer mangels der iustitia des Rechtsgrundes einen Restitutionsanspruch.
Possesso, 185. Larenz, Schuldrecht, 11/1, 11. 106 Kaser, Bull. ist. dir. rom., 1961,94. 104 Sacco,
105
107 Puchta, 212.
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Die Übereignungscausa ist in einem titulus adquirendi enthalten 108. Die häufigste Form des Rechtstitels im Rechtsverkehr ist gewiß der Vertrag, in dem sich die Parteien zur Veräußerung bzw. dem Erwerb einer Sache verpflichten. Einem solchen Verpflichtungsgeschäft kann aber in einigen Rechtsordnungen, wie der französischen und der italienischen, auch unmittelbar eine dingliche Wirkung zukommen, so daß damit das Eigentum sofort, d.h. ohne den Beitrag weiterer Erfordernisse, wie etwa die Tradition, übergeht. Der private Parteiwille darf sich ferner auch in anderen Arten von Rechtstiteln äußern. Ein nichtvertraglicher titulus, der nicht auf den übereinstimmenden, parteilichen Willen zurückzuführen ist, liegt Z.B. - mit den Worten des § 424 ABGB - in der "Verfügung auf den Todesfall". Andere Rechtstitel wurzeln in nichtparteilichen Willensakten, die sichjure imperii behaupten. Darunter fallen die richterlichen Entscheidungen, die Verwaitungsakte 109 bzw. direkt das Gesetz. Kurzum sind sämtliche Rechtsverhältnisse, die einen Rechtserwerb - dauerhaft - begründen, als Rechtstitel zu betrachten. Bei originären Erwerbsarten gilt als Rechtstitel lediglich das Gesetz. Die Verwendung des Gesetzes als titulus wird vor allem dadurch gerechtfertigt, daß es dem allgemeinen Willen der Rechtsordnung - im Gegensatz zum individuellen Willen bei mittelbaren, d.h. derivativen Erwerbsvorgängen - entspricht. Der modus adquirendi beschreibt die Art und Weise, in der sich das vorher abgesprochene bzw. das von außen auferlegte Erwerbsprogramm verwirklichen soll: Er bildet die Erwerbungsart. Bezüglich der mittelbaren Erwerbsvorgänge ist die Tradition ohne Zweifel das häufigste Beispiel eines modus. Freilich erschöpft sich seine Funktion nicht in der tatsächlichen Übergabe der beweglichen Sache: Aus den Fallkonstellationen des Besitzkonstituts und der Tradition brevi manu ergeben sich zwei wichtige Rechtsinstitute, die die Wissenschaft I 10 als Surrogate der Übergabe auffaßt. Die letzte spielt im übrigen bei unmittelbaren Erwerbsvorgängen überhaupt keine Rolle, weil die Erwerbungsart bei solchen Tatbeständen durch das einseitige Verhalten der Erwerbers bestimmt wird. Nichtsdestoweniger bleibt die Übergabe gewiß der wichtigste Fall VOn modus. Für ihre Funktion der Besitzverschaffung betrachtet die Rechtslehre lll die Übergabe als juristisch neutral: Die datio an sich ist eine tatsächliche Handlung, die auch außerhalb der juristischen Welt bedeutsam ist. Zugleich gewinnt sie aber durch den modus rechtliche Relevanz, weil sie den Eigentumsübergang
Wieacker, 138. Mengoni, 182. 110 Wieacker, 138. 111 Kaser, Bull. ist. dir. rom., 1961, 62.
108 109
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ermöglicht. Diese doppelte, juristische und außerjuristische, Natur der Übergabe war bereits den Römern wohlbekannt 1 12, denn sie bedingte den modus. IV. Die gegenwärtige Bedeutung der Titellehre im deutschen und im italienischen Rechtssystem
Die rechtsgeschichtlichen Angaben 113 offenbaren, daß von den Hauptfamilien, in die üblicherweise die kontinental-europäischen Kodifikationen geteilt werden, der französische und der deutsche Rechtskreis die Umsetzung der Grundsätze der Lehre von titulus und modus adquirendi abgelehnt haben. Nur das österreichische Recht erkennt den Rechtstitel und den Rechtsmodus ausdrücklich als echte termini technici an und verwendet sie im Gesetzbuch. Dementsprechend fremd bleiben diese Begriffe dem Sprachgebrauch der bei den anderen Rechtsordnungen: Zumal sie in den Gesetzestexten nicht erwähnt werden, sind sie für einen breiten Teil der Rechtslehre nur leere Begriffe, die mit keiner bekannten Rechtsfigur verbunden werden können. Angesichts der so klaren gesetzgeberischen Signale könnte der Rechtsforscher leicht in die Versuchung geraten, spontan und scheinbar selbstverständlich zu folgern, daß nur das ABGB die Titellehre übernommen hat, während im Code civil bzw. im BGB und den jeweils daran entstandenen Gesetzgebungen die Titellehre als ein Fremdkörper einfach ausgeschlossen und dann vergessen wurde. Obwohl weder das deutsche noch das französische Rechtssystem einen Tatbestand des Eigentumserwerbes nach dem Kanon der Titellehre als solchen kennen, würde diese ablehnende Anschauung m.E. die wahre Bedeutung der Titellehre übersehen. Die Strukturen, die, mit Zustimmung der Rechtsordnung 114, zum Eigentumserwerb führen, stammen aus dem römischen Recht und waren folglich schon seit Jahrhunderten vorhanden und wurden bereits verwendet, als die ersten Forschungen über die Titellehre l15 - im 16. Jahrhundert - begannen. Der Mechanismus des Eigentumsüberganges war folgerichtig bereits festgelegt und blieb auch danach unverändert, als die Titellehre zur herrschenden Meinung wurde. Diese historische Tatsache hebt hervor, daß diese fragliche Lehre weniger die Änderung als die Erklärung einiger Rechtsphänomene zum Ziel hatte. Demzufolge sollte die Ablehnung der Titellehre durch einige moderne Kodifikationen richtigerweise als Verzicht auf das von der Titellehre vorgeschlagene Untersuchungsmodell des Erwerbstatbestandes gelesen werden, das vor allem auf die Erwägungen der nachklassischen Juristen zurückzuführen ist. Der deutsche und der französische
Kaser, op. loc. ull. eil. (vorige Fn.). S. oben den Abschnitt A. III. 2. 114 Vgl. supra, A. III. 3. 115 Dazu s. oben, A. III. \. 112 113
14 Giglio
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Rechtskreis können sich nicht von einem "Erwerbsmodell" der Titellehre entfernt haben, weil diese nämlich keinen eigenen Erwerbstatbestand entwickelt hat, sondern sie nur eine mögliche Auslegungsart aufgezeigt hat. Es wurde also nicht das nichtbestehende Modell der Titellehre, sondern das spätrömische Erwerbsmodell von den genannten Rechtskreisen abgelehnt. Die Titellehre wurde von der Rechtswissenschaft lediglich zu dem Zweck benutzt, die bestehenden Rechtsinstitute unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Sie stellte somit von Anfang an, bereits im gemeinen Recht, nicht etwa den Versuch dar, einen neuen Mechanismus des Eigentumserwerbes zu vervollkommnen. Die Aufnahme einer fortgebildeten Fassung des römischen Modells im österreichischen Recht, das ohne Zweifel die Ergebnisse der Titellehre übernommen hat, und die Ablehnung dieses Modells im deutschen und französischen Recht, die auch den Verzicht ihrer fachlichen Begriffe mit sich brachte, hindert m.E. nicht daran, daß die Lehre von titulus und modus adquirendi bei der Analyse der drei Rechtssysteme einer wichtigen KlarsteIlung dienen kann. Sie ist nämlich sehr geeignet, wie schon im gemeinen Recht die Charakteristika der Rechtssysteme ans Licht zu bringen. Die deutsche und die italienische Rechtsordnung regeln zwei unterschiedliche Erwerbsstrukturen. Diese in den geltenden Gesetzgebungen nunmehr befestigten Strukturen will (und kann) die Titellehre, zumindest in der hier aufgenommenen Bedeutung, keinesfalls in Frage stellen, sondern nur erläutern. Die Titellehre hat auch in den modemen Rechtssystemen letzten Endes einen eigenen Anwendungsraum behalten können. Diesbezüglich kommt ihr eine Funktion der Beschreibung der Erwerbsmechanismen unter einem ganz besonderen Blickwinkel zu. Dennoch wäre es natürlich übertrieben, behaupten zu wollen, daß sie den jeweiligen, nationalen Gesetzgebern als positives Beispiel zur Regelung des Sachenrechtes gedient habe. In dieser Hinsicht hatte sie vielleicht rechtshistorische Bedeutung, mehr aber nicht. Doch kann die Titellehre bei einer Analyse des deutschen und italienischen Bereicherungsrechts im Hinblick auf ein künftiges jus europaeum m.E. einen wertvollen Beitrag leisten. Im weiteren Verlauf dieser Abhandlung wird sie deshalb nach und nach mit den Strukturen des Bereicherungsrechts beider Länder verglichen. Das deutsche Recht ist hinsichtlich des Tatbestandes, der den Eigentumserwerb regelt, von einer Trennung der schuldrechtlichen von den sachenrechtlichen Effekten ausgegangen: Ereignisse, die nur auf einer schuldrechtlichen Ebene stattfinden, verursachen grundsätzlich keine unmittelbare Folge im Sachenrecht. Aus der Perspektive der Titellehre bedeutet diese Trennung, daß sich der titulus in einer schuldrechtlichen Sphäre bewegt, während dem modus in der Regel eine sachenrechtliche Bedeutung zugemessen wird. Diese Parallele zwischen dem modus und dem sachenrechtlichen Anwendungsraum betont aber auch die Grenzen seines Einflusses: Wie oben erörtert l16 , gewährleistet ein
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fehlerhafter Rechtsmodus dem Erwerbstatbestand im deutschen Recht lediglich die Wirksamkeit des Übertragungsgrundes, auf dessen Basis der Empfanger mit dem Erhalt der Sache auch die Sicherheit gewinnt, daß er das Eigentum - sachenrechtlich - erworben hat. Das Bestehen eines Behaltensgrundes kann hingegen nur im Rahmen des Schuldrechtes überprüft werden, da der Behaltensgrund von der iusta causa traditionis des Erwerbes bestimmt wird und diese ihrerseits immerhin Inhalt eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes ist. Mit dem Kondiktionsrecht wird ein Rechtsinstitut errichtet, anhand dessen der Abstand überbrückt wird, der im deutschen Recht dogmatisch das Sachen- vom Schuldrecht trennt: Systematisch gehört die Kondiktion zum Schuldrecht, sie wirkt allerdings massiv auf das Sachenrecht ein, weil sie sachenrechtliche Positionen ändern kann. Gemäß dem Grundsatz" Ubi jus, ibi remedium" ergibt sich die Notwendigkeit eines remedium, d.h. eines Rechtsbehelfes, bei Verträgen, erst wenn sich das von den Parteien entwickelte und im Vertrag festgesetzte Programm in der Praxis nicht so verwirklicht hat, wie von der Rechtsordnung erwartet. Was die nichtigen Kontrakte anbelangt, bedürften sie bei den Römern eines besonderen Rechtsinstrumentariums, um die vom Rechtssystem ungewollte, eingetretene Rechtslage entsprechend der gewollten Zuordnung rückgängig zu machen. Das römische Privatrecht benötigte ein solches Instrument für die Rückabwicklung der nichtigen Verträge, weil diese ohne eine besondere Rückforderungsklage rechtlich unantastbar waren. Auch das geltende Recht braucht ein Rechtsinstrument, um gemäß der aequitas einige erforderliche Verbindungen zwischen Schuld- und Sachenrecht herzustellen. Quid juris? fragten sich die Römer vor einer wirksamen causa solutionis, die eine Zuwendung ohne rechtlichen Grund bewirkte, und antworteten durch die Errichtung der condictio. Die gleiche Frage und die gleiche Antwort gelten auch für den deutschen Gesetzgeber. Nach dem savignyschen Erwerbsmodell geht das Eigentum auch dort über, wo kein rechtlicher Grund die Übereignung stützt. Aus der sachenrechtlichen Lage könnte man schließen, daß der Rechtstitel für die Vervollkommnung des Erwerbes überflüssig sei. Näher betrachtet paßt diese Schlußfolgerung jedoch nicht in den Systemzusammenhang. Das remedium des deutschen Gesetzgebers befindet sich nämlich in den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Dabei handelt es sich um Restitutionsansprüche, die in eine sachenrechtliche Lage eingreifen können, welche trotz des unwirksamen Rechtsgeschäfts zum Eigentumsübergang geführt hat. Von dem Gesichtspunkt des Kondiktionsrechts aus, steht daher folgendes fest: Ein unwirksames Rechts(grund)geschäft kann die Rückabwicklung einer ungerechtfertigten Ver-
116
14·
Vgl. supra, A. III. 2. d).
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mögensverschiebung verursachen; ein unwirksames Rechts(grund)geschäft kann indessen den (sachenrechtIichen) Übergang des Eigentums nicht hindern. Aus diesen beiden Feststellungen ergibt sich insbesondere, daß der schuldrechtliche Rechtstitel trotz der eben dargestellten Trennung des Sachenrechts vom Schuldrecht doch sachenrechtliche Änderungen bewirken kann. Nach den Begriffen der Titellehre kann man diese Rechtslage wie folgt beschreiben: Nur ein Erwerb, in dem sowohl der titulus als auch der modus adquirendi vorhanden und wirksam sind, kann in der RegejIl7 nach geltendem deutschem Recht die übertragene Sache endgültig in das Eigentum des accipiens verbleiben. Daß das italienische Recht dem deutschen Weg nicht gefolgt ist, ergibt sich schon daraus, daß der Codice civile die naturrechtlichen Gedanken übernommen hat, die bereits sein französisches Vorbild inspiriert hatten. Dementsprechend wird der Erwerbstatbestand nicht von einer Trennung, sondern von einer Vermischung von sachen- und schuldrechtlichen Elementen charakterisiert, für die das beste Beispiel - nach deutschem Sprachgebrauch - das "schuldrechtliche Verfügungsgeschäft" nach Art. 1376 c.c. ist, d.h. ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft mit dinglicher Wirkung, aufgrund dessen das Eigentum an beweglichen Sachen ohne weitere Erfordernisse übergeht. Die Übergabe der Sache bedeutet somit im italienischen Rechtssystem lediglich eine bloße Verpflichtung des Alteigentümers gegenüber seinem Nachfolger, der, technisch betrachtet, das Eigentum schon erworben hat. Aus der Sicht der Titellehre stellt sich der Erwerbstatbestand, in dem dem Willen der Parteien gegenüber der Übergabe mehr Gewicht zusteht, folgendermaßen dar: Der rechtliche Grund ist in einem titulus enthalten, der bereits von allein die Kraft besitzt, die Übereignung unabhängig von der Übergabe zu vervollkommnen. Der modus, der normalerweise für bewegliche Sachen auch im italienischen Rechtssystem in der Übergabe besteht, trägt nicht zur Vervollständigung des Erwerbstatbestandes bei. Dieser hat damit also seinen Angelpunkt im titulus, dessen Unwirksamkeit den Eigentumserwerb des Zuwendungsempfängers verhindert. Bei Nichtigkeit der Übereignung wird der Erwerber überhaupt nicht zum Eigentümer. Angesichts der kurz geschilderten, gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten des Naturrechtes stellt sich die Frage, welche Rolle das Kondiktionsrecht in einem so strukturierten Rechtssystem spielen kann. Da die Unwirksamkeit des die Einwilligung der Parteien tragenden Grundgeschäfts von Anfang an, bzw. nach der Anfechtung, mit der Eigentumsübertragung nicht vereinbar ist, gehört die bestrittene Sache immer noch dem Veräußerer, der sie folgerichtig dort vindizieren darf, wo sie sich befindet, d.h. sowohl bei Dritten als auch beim Erwerber, der nur eine tatsächliche Gewalt auf die Sache ausüben kann, weil er nicht Eigentümer ist. Stehen dem Nichteigentümer, also dem Zuwendungsempfänger, keine anderen Rechtsbehel117
Abweichende Fallkonstellationen werden infra, A. VI. 1. behandelt.
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fe, etwa die Ersitzung oder der Erwerb a non domino, zu, wird er dem Vindikationsanspruch des Klägers nicht widerstehen können. Die Analyse mittels der Titellehre hebt folglich hervor, daß das Kondiktionsrecht lediglich einen sehr geringen Anwendungsraum finden sollte, entspräche seine Funktion dem klassischen Modell der Herausgabe des verlorenen Eigentums, weil die Vindikation logischerweise in solchen Fällen als geeigneterer Rechtsbehelf zur Herausgabe des Besitzes in Betracht käme. Dessen scheinbar ungeachtet sieht die italienische Rechtsordnung bei durch erfolgreiche Nichtigkeitsklagen bedingten Restitutionsansprüchen das Institut der Zahlung einer Nichtschuld l18 vor, das ohne Zweifel Nachfolger der alten condictio indebiti ist. Der Widerspruch zwischen der theoretischen Überflüssigkeit und der ausführlichen, gesetzlichen Regelung dieser Rechtsfigur wird von der Rechtslehre l19 nicht übersehen, ist jedoch in nicht immer überzeugender Weise untersucht worden. Es gibt Fallkonstellationen, in denen die Auszahlung einer Geldsumme zur unmittelbaren Übertragung des Eigentums an dem Geld führt, und zwar unabhängig von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts l20 . Es handelt sich hier offensichtlich um eine Rechtsfigur, die der causa solutionis des römischen Rechts ähnlich ist. Der accipiens hat mit der bloßen Zuwendung der Geldsumme auch das Eigentum erlangt, was die Vindikation aus der Gruppe der anwendbaren Rechtsbehelfe disqualifiziert. Um die Herausgabe des ohne rechtlichen Grund Geleisteten zu erreichen, muß der solvens deshalb notwendigerweise kondizieren. Eine erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs des Kondiktionsrechts wird außerdem in der Literatur l21 dadurch erlangt, daß die Normen der Zahlung einer Nichtschuld auch auf die Herausgabe des bloßen Besitzes angewendet werden. Es handelt sich dabei um das den Römern unbekannte Institut der condictio possessoria oder possessionis, deren Existenz dadurch begründet wird, daß die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld unter den Klagevoraussetzungen das Eigentum an der Sache als Tatbestandsmerkmal nicht erwähnen. Diese These, die sich in starkem Maße durchgesetzt hat, erhebt die Kondiktion zu einer echten Alternative zur Vindikation. Ein weiteres Argument, das m.E. von der Doktrin übersehen wird, stützt sich auf Art. 1422 a.E. c.c. Dieser Vorschrift ist ein Verweis auf die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld zu entnehmen, soweit es die Regelung der Ver-
S. oben, dritter Teil, B. I. 2. b). Vgl. ArgirojJi, Riv. dir. civ., 1976,610 ff.; Bruni, Riv. trim. dir. proc. civ., 1987, 207 fT.; Kupisch, Atti Pisa, 443; alle drei mit unterschiedlichen Auffassungen. 120 Über diese umstrittene Rechtsfigur, die im italienischen Recht unter dem Stichwort pagamento traslativo, d.h. (Eigentums)übertragende Zahlung bekannt wurde, und ihrer Beziehung zum Kondiktionsrecht s. Gallo, 1996, 122 ff. 121 Statt aller Gallo, 1996, 126; Bruni, Riv. trim. dir. proc. civ., 1987,207 ff. 118
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pflichtungen aus der Rückabwicklung nichtiger Verträge anbelangt. Selbst wenn nach den Grundsätzen der Titellehre die Kondiktion theoretisch keine Anwendung finden kann, weil das Eigentum nicht übergegangen ist, dient das Kondiktionsrecht der Rückabwicklung gescheiterter Kontrakte, und das ist ausgerechnet einer der typischen Fälle, in denen die condictio im römischen Recht zum Tragen kam. Die drei soeben dargestellten Anwendungsgruppen bezeugen die Vitalität der Kondiktion im italienischen Recht, obwohl die Rechtslage vor allem in bezug auf den Rechtstitel prima fade eher rur eine Herabsetzung des Anwendungsraums des Kondiktionsrechts sprechen würde. Die offensichtlichen Unterschiede in der Gestaltung des Erwerbstatbestandes, die den untersuchten Rechtsordnungen auf den ersten Blick zu entnehmen sind, gewinnen ein durchaus neues Gewicht, wenn sie vom Standpunkt des Kondiktionsrechtes aus mit den Interpretationsmitteln betrachtet werden, die die Titellehre zur Verrugung stellt. Dies ergibt sich aus der rechtsvergleichenden Analyse der kondiktionsrechtlichen Lage in bei den Ländern. Im wesentlichen irrelevant bleiben bei der Kondizierbarkeit einer ungerechtfertigten Vermögenszuwendung die unterschiedlichen Akzente, die die nationalen Gesetzgeber auf Rechtstitulus und Rechtsmodus setzen: Im deutschen Recht ist der modus rur den Eigentumsübergang maßgebend, während im italienischen Recht diese Funktion allein dem titulus zusteht. Die Erwerbungsart, in der Regel die Übergabe, gibt gewöhnlich nur den Anlaß zur Anwendung eines Kondiktionsanspruches. Der Kondiktionsanspruch wird nämlich verweigert, falls das Eigentum nicht übergegangen ist, bzw. die Sache nicht zum - gescheiterten - Eigentumserwerb übergeben wird l22 . Vorausgesetzt, daß der accipiens das Eigentum erhalten hat oder durch die Verrugung hätte erhalten sollen, kommt es rur die Anwendbarkeit der Kondiktion lediglich auf die iustitia der causa traditionis an. Mit anderen Worten ist die Kondizierbarkeit der Vermögens verschiebung davon abhängig, ob diese mit oder ohne rechtlichen Grund erfolgt ist, den sowohl die §§ 812 ff. BGB als auch die Artt. 2033 ff. c.c. als wesentliches Tatbestandsmerkmal einstufen: Dort, wo sich der titulus als mangelhaft erweist, reagieren beide Rechtssysteme mit der Gewährung einer Kondiktion. Im Lichte des hier gewählten Auslegungsinstruments erscheint folglich der Rechtstitel als zentrales Element, das sowohl die gemeinrechtliche Titellehre als auch die untersuchten Kondiktionsrechte kennzeichnet. Diese Behauptung muß nun hinsichtlich bei der Rechtsordnungen und eines künftigen europäischen Kondiktionsrechts überprüft werden. Die vorliegende Studie beschäftigt sich lediglich mit jenem Aspekt des Kondiktionsrechtes, welcher der rechtsgeschichtlichen Überlieferung am meisten übereinstimmt, nämlich der Kondiktion, die sich auf die Herausgabe des Eigentums richtet. Wie aus diesen letzten Erwägungen her122
Mehr dazu infra, A.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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vorgeht, spielt dabei strenggenommen keine Rolle, ob in den nationalen Sachenrechten ein Abstraktionsprinzip herrscht, oder ob darin ein Verpflichtungsgeschäft mit dinglicher Wirkung verankert ist. In bei den Fällen bleibt die hier vertretene, kondiktionsrechtliche Struktur unverändert. Die Unterschiede werden folglich nicht die theoretische Konstruktion, sondern höchstens ihre Prämissen betreffen. So wird die Titellehre lediglich auf wirksame Eigentumsübertragungen mit unwirksamem Rechtstitel im deutschen Recht und auf unwirksame Eigentumsübertragungen mit unwirksamem Rechtstitel im italienischen Recht angewendet. Kondiktionsrechtlich steht der titulus immer im Mittelpunkt des Eigentumserwerbes, unabhängig davon, ob tatsächlich eine sachenrechtliche Änderung eintritt l23 . 1. Die Funktion des modus adquirendi in den Kondiktionssystemen beider Länder
Diese Studie konzentriert sich vor allem auf den Tatbestand der Übertragung des Eigentums an Sachen, d.h. körperlichen Gegenständen. Diesbezüglich sehen die grundlegenden FallkonsteUationen 124 sowohl in Deutschland als auch in Italien eine Art von äußerer Handlung vor, die, wenngleich mit unterschiedlicher Bedeutung 125 den Eigentumsübergang begleitet. Die Beziehung zwischen der Handlung und dem Eigentumserwerb ermöglicht diverse Zusammensetzungen, die von den jeweiligen Rechtsordnungen in gewisse Typen eingeordnet werden. Die Typisierung ist notwendig, da die Kenntnis der Regeln, aufgrund derer eine Sache in den Rechtsverkehr eingeruhrt wird, eine unentbehrliche Information rur die Teilnehmer am Rechtsverkehr bildet. Diese Regeln, die zugunsten dieser Teilnehmer eine Eigentumszuordnungsfunktion gewinnen, gewähren den Parteien hinsichtlich der Wahl des erwünschten Erwerbstatbestandes einen freien Spielraum zur Gestaltung des eigenen Vertrages. So darf das Signal rur den Dritten, daß eine Rechtsänderung eingetretenen ist, in einigen Fallkonstellationen der Übereignung zeitlich vorausgehen, wie z.B. bei der Tradition brevi manu, in der sich die veräußerte Sache bereits vor der Verrugung beim AltbesitzerlNeueigentümer befindet. Die Handlung kann aber auch die Übereignung begleiten, so daß erstere den Zeitpunkt der Übereignung bestimmt. Diese Kombination von titulus und modus entspricht gemäß den Ansichten Savignys der häufigsten Erwerbssituation im deutschen Recht, wie auch die Normen über die Gefahrtragung zeigen: § 446 BGB stellt den Zeitpunkt des Gefahrüberganges in zeitlicher Übereinstimmung mit der Übergabe fest. Schließlich kann die äußere
123
Das Thema wird infra, A. VIII. 3., weiter erörtert.
124 Abweichende Fälle, die im heutigen Rechtsverkehr durchaus Anwendung finden,
werden in dieser Analyse nicht erfaßt. 125 Vgl. oben unter A. III. 2. c) und III. 2. d).
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
Handlung der Übereignung folgen. Von einer solchen Reihenfolge wird vor allem in den naturrechtlichen Erwerbssystemen, zu denen das italienische zählt, häufig Gebrauch gemacht. Auch hier findet diese Struktur in der Regelung der Gefahrtragung eine Bestätigung: Da die Übereignung als unmittelbare Folge der Einwilligung der Parteien betrachtet wird, geht die Gefahr gern. Art. 1465 c.c. zum Zeitpunkt des wirksamen Vertragsabschlusses über. Die rechtsvergleichenden Informationen unterstützen die Auffassung, nach der der modus keinerlei unmittelbare Berührungspunkte mit dem Kondiktionsrecht bietet, weil er keine Angabe über die Ungerechtfertigtkeit - die iniustitia der betroffenen Zuwendung enthält. Das deutsche Recht verlangt im § 929 BGB hinsichtlich der Übereignung nach Savigny, daß der dingliche Vertrag, der die Einigung über die Bedeutung der bewirkten Vermögensverschiebung enthält, durch die tatsächliche Übergabe - oder durch ein Surrogat - ergänzt wird. Einigung und Übergabe zusammen verursachen eine Änderung in der Vermögenssphäre der Parteien, infolge derer der Veräußerer das Eigentum an der Sache verliert, während der Erwerber das Eigentum an der Sache gewinnt. Ohne Übergabe wird dieser Mechanismus nicht ausgelöst, folglich verliert der Veräußerer sein Eigentum nicht, d.h. er behält auch den mit dem Eigentum verbundenen Vindikationsanspruch, theoretisch 126 selbst gegenüber dem Erwerber. Die Möglichkeit der Anwendung einer Kondiktion kommt unter solchen Umständen deshalb von Anfang an schon nicht in Betracht l27 , weil der solvens ja Eigentümer geblieben ist. Die Analyse des italienischen Erwerbstatbestandes vermittelt in concreto sehr ähnliche Resultate. Die Fremdartigkeit des modus gegenüber dem Kondiktionsrecht ergibt sich aus dem in die Kodifikation aufgenommenen, naturrechtlichen Modell des Eigentumserwerbes, welcher sich auf den solus consensus der Parteien stützt. Dem Rechtstitel und - in gewissen Fallkonstellationen - dem Rechtsmodus steht im Codice civile die wichtige Funktion der Bestimmung des Rechtssubjektes zu, das zu einem gewissen Zeitpunkt das Eigentum an der Sache hat 128 . Durch die Übergabe erhält der Erwerber von dem Veräußerer, der das Eigentum schon verloren hat, eine Sache, die sachenrechtlich seinem Vermögen auch vor der tatsächlichen datio zuordnet war. Bei derivativen Erwerbsvorgängen bildet die äußere Handlung somit keinen Bewertungs126 Die Anwendbarkeit weiterer Rechtsbehelfe, die diese Rechtslage zugunsten anderer Rechtssubjekte korrigieren sollen, wie z.B. das Recht zum Besitz, werden in dieser Analyse nicht berücksichtigt. 127 Es sei denn freilich, daß das Rechtssystem auch sog. Besitzkondiktionen zur Herausgabe des bloßen Besitzes ermöglicht. Die Überprüfung der Funktion dieses Rechtsinstituts sprengt jedoch die Grenzen dieser Studie. 128 Auch in diesem Fall werden die gesetzlichen Korrekturen, wie z.B. die aus dem französischen Recht übernommene Regel des Fahrnisrechts possession vaut titre, zunächst vereinfachungshalber vernachlässigt.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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maßstab für die Anwendbarkeit des Kondiktionsrechts, da bei Unwirksamkeit des Rechtstitels das Eigentum nicht übergeht und der Veräußerer daher seinen Vindikationsanspruch behält. Bei den originären Erwerbsarten mag es freilich in denjenigen Fällen anders sein, in denen die äußere Handlung, in Form einer adprehensio. occupatio usw., den Zeitpunkt des Erwerbs festsetzt. Auch hier ist allerdings die Unwirksamkeit des titulus das Element, das den Zugang zum Kondiktionsrecht ermöglicht 129 . Das italienische Beispiel zeigt hinsichtlich eines europäischen Bereicherungsrechtes deutlich, daß die Tradition kein wesentliches Tatbestandsmerkmal des Kondiktionsanspruches bildet. Der modus adquirendi ist dem Mechanismus der Kondiktion auch nach dem deutschen Recht fremd, er ist gegenüber dem Kondiktionsrecht neutral: Einer Kondiktion wird selbst dann stattgegeben, wenn der Anspruchsträger die tatsächliche Gewalt über die Sache durch Besitzkonstitut behalten hat, d.h. wenn keine äußere Handlung im echten Sinne stattgefunden hat. Die äußere Handlung kann dennoch unter bestimmten Umständen das Kondiktionsrecht beeinflussen, weil der Empfänger ein "Etwas" erhalten haben muß, um hinsichtlich der Kondiktionsklage als Anspruchsgegner qualifiziert zu werden, und dies geschieht oft durch die tatsächliche Übergabe einer Sache. Die Tradition löst zwar einen Kondiktionsanspruch aus, falls sie nicht von einem Rechtsgrund begleitet wird, aber sie bildet nur einen, und nicht den einzigen anspruchsauslösenden Faktor. Wie das Beispiel des Besitzkonstituts im deutschen Recht bezeugt, ist die Tradition kein unentbehrliches, d.h. unersetzliches Element des Kondiktionstatbestandes. Wenn die Übergabe also kein Kriterium für die Kondizierbarkeit einer Zuwendung bietet, muß noch erklärt werden, warum der Rechtsmodus, dessen häufigstes, aber nicht einziges Beispiel die Übergabe ist, neutral bleibt. Auch im italienischen Recht wird die Sache früher oder später durch eine äußere Handlung oder deren Surrogate übergeben, aber die Tatsache, daß die Handlung geschehen oder nicht geschehen ist, gibt, im Unterschied zum deutschen Recht, noch keinen Hinweis auf die Durchsetzbarkeit des Kondiktionsanspruches. Umgekehrt ist aus der Sicht des BGB eine Übergabe für die Auslösung des Restitutionsanspruchs bei normalen Erwerbsfällen notwendig. Beide Rechtssysteme entstammen dem römischen Recht, bewerten jedoch die Übergabe hinsichtlich des Kondiktionsrechts sehr unterschiedlich. Ist die Tradition in einer Konstruktion erforderlich und in der anderen, aus denselben Grundsteinen aufgebauten Konstruktion nicht erforderlich, dann kann daraus nur geschlossen werden, daß die Aufnahme der Tradition unter die Elemente, die die Ausübung ei129 Für eine ausführlichere Erörterung einiger unmittelbarer Erwerbstatbestände im italienischen Recht s. infra, A. VI. 2. c). ff).
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
ner Eigentumskondiktion ermöglichen, eher eine systemgebundene Frage ist, die den Kern des Kondiktionsrechts nicht berührt: Die Einordnung der Tradition unter die wesentlichen Merkmale des Kondiktionstatbestandes, der in beiden Ländern ähnliche, auf die römische Wurzel zurückzuführende Züge aufweist, erscheint somit nicht zwingend. Die Neutralität des modus als äußere Handlung, die auch als fehlende kondiktionsrechtliche Relevanz bezeichnet werden kann, bildet ein weiteres, beiden Rechtssystemen gemeinsames Ergebnis der rechtsvergleichenden Analyse. Damit soll freilich nicht gesagt werden, daß der Rechtsmodus hinsichtlich der Ausübung einer Kondiktion keine Bedeutung gewinnen kann, sondern nur, daß eine solche Bedeutung systemimmanent bleiben würde, d.h. sie würde lediglich die nationalen Rechtssysteme betreffen. 2. Die Funktion des titulus adquirendi in den Kondiktionssystemen beider Länder
Die Analyse der Rolle des Rechtstitels kommt zu ganz anderen Ergebnissen, die, wie ich meine, für das künftige europäische Kondiktionsrecht von großem Interesse sein könnten. Im italienischen Recht l30 geht das Eigentum durch einen wirksamen titulus über, im deutschen Recht l31 enthält der titulus hingegen lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung, die jedoch keine sachenrechtliche Auswirkung besitzt: Ist der Rechtstitel wirksam, bleibt das Eigentum mangels Übereignung zunächst beim Veräußerer. Die unterschiedliche Gestaltung des dinglichen Erwerbstatbestandes soll dennoch nicht ohne weiteres zum Schluß führen, daß dem Rechtstitel auch kondiktionsrechtlich ein unterschiedliches Gewicht in beiden Rechtssystemen zukommt. Vielmehr ist gerade das Gegenteil der Fall: Der titulus öffnet sowohl im deutschen als auch im italienischen Rechtssystem den Zugang zur Anwendung des Kondiktionsanspruches, obwohl das Bereicherungsrecht nach dem savignyschen Modell einen wirksamen modus voraussetzt, während dieser nach dem naturrechtlichen Modell die Kondiktion nicht betrifft. Der Rechtstitel gehört also im deutschen Recht nur zum Kondiktionsrecht, im italienischen indessen zum Kondiktions- und Sachenrecht, da er den Eigentumsübergang ermöglicht. Trotz der erheblichen Unterschiede in der Struktur des Eigentumserwerbs benutzen beide Rechtssysteme den titulus als Maßstab für die Kondizierbarkeit der betroffenen Vermögensverschiebung. Ausgangspunkt der Analyse ist somit die beiden Systemen gemeinsame Rolle des Rechtstitels.
130 131
Oben, A. III. 2. c). Oben, A. III. 2. d).
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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Obschon § 812 I 1 BGB eine Zuwendung "ohne rechtlichen Grund" erwähnt und Art. 2033 c.c. die Anwendung des dort geregelten Anspruchs auf die "nichtgeschuldete Zahlung" einschränkt, verlangen beide Vorschriften eigentlich ein gleiches Element, um die Vermögensverschiebung kondiktionsrechtlich unantastbar zu machen: die iusta causa traditionis. Aufgrund der iniustitia, weil die bestrittene Vermögensverschiebung ohne die Zustimmung der Rechtsordnung erfolgt ist, wird nach dem alten römischen Recht einer Kondiktion stattgegeben. Unbedeutend ist aus dieser Perspektive, ob der rechtliche Grund beim Erwerbstatbestand eine nur schuldrechtliche, oder eine sachenrechtliche und schuldrechtliche Funktion ausübt, weil in bei den Fällen das Fehlen des Rechtsgrundes auch sachenrechtliche Folgen mit sich bringt. Beide Rechtssysteme verlangen für die Ausübung der Klage, daß das Eigentum an einer Sache übertragen worden ist und daß dieser Vorgang ohne iusta causa stattgefunden hat. Die iusta causa ist in einer "tragenden Struktur" enthalten, die die gemeinrechtliche Rechtswissenschaft titulus adquirendi genannt hat. Dieser besteht gewöhnlich in einem schuldrechtlichen Rechtsgeschäft, dem zwar die Rechtskraft fehlen mag, das Eigentum zu übertragen, das aber dennoch die Rechtskraft besitzt, den erfolgten Eigentumsübergang zu begründen. Das Nichtvorhandensein des Rechtstitels löst den kondiktionsrechtlichen Mechanismus unabhängig davon aus, welche Funktion dem Rechtstitel im Erwerbstatbestand zugemessen wird. Die Unwirksamkeit bzw. das Nichtvorhandensein des Rechts(grund)geschäfts bilden die Hauptsäulen der römischrechtlich geprägten Kondiktionssysteme. Nach dem ursprünglichen, klassischen Modell wurde die Kondizierbarkeit einer Leistung einer weiteren Kontrolle unterzogen, die die Feststellung des psychologischen Zustandes bezweckte, mit dem der solvens seine Leistung erbracht hatte. Dem Anspruch wurde nicht stattgegeben, wenn der Kläger sich bewußt war, daß er zur Vornahme der Leistung nicht verpflichtet war. Es handelt sich hier um die Problematik des Gewichtes des Irrtums im Kondiktionsanspruch. Die römische Auffassung hat im BGB teilweise Aufnahme gefunden; der Irrtum gehört noch zur aktuellen Gestalt der Kondiktion, wenngleich er in einer getrennten Vorschrift, § 814 BGB, geregelt wird. Die sog. Irrtumslehre hat jedoch allmählich in den modernen Rechtserwägungen an Bedeutung verloren. Das heutige RechtsgefühJl32 strebt vielmehr auch für den Einzelfall nach Gerechtigkeit und zeigt eindeutiges Unbehagen bei der Lösung einiger Fallkonstellationen, in denen der solvens lediglich obtorto collo geleistet hat, z.B. aus Furcht vor einer bevorstehenden, seinen Ruf schädigenden Beschlagnahme der Sache l33 . Solche Beispiele unterstützen die Ansicht, die im Irrtum eher ein
132
S. supra B. I. 3. im dritten Teil.
133 S. z.B. Cass., 10.03. 1995 n. 2814, Giur. it., I, 1,228.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
Überbleibsel aus der Vergangenheit sieht, das heute im wesentlichen nur eine abgrenzende Funktion zum Tatbestand der Zahlung durch Dritte beibehält l34 • Ob für eine klare Trennung zwischen der Kondiktion und der Zahlung durch Dritte diese Rechtsfigur tatsächlich nötig ist, erscheint äußerst fraglich. Wünschenswert wäre deshalb eine endgültige Abschaffung des Irrtumsbegriffes aus der Bereicherungslehre. Dadurch wäre lediglich der Rechtstitel für die Anwendbarkeit der Kondiktion maßgebend. V. Vorschlag einer systematischen Darstellung des Kondiktionsrechts im Lichte der Titellehre Der erste Teil der Untersuchung war der Schilderung der Bedeutung gewidmet, die die Theorie von titulus und modus adquirendi dominium aus rechtshistorischer Sicht gewonnen hat. Nicht nur die Begriffe des Rechtstitels und des Rechtsmodus sind dabei berücksichtigt worden. Auch die Entwicklung des Erwerbstatbestandes, auf den diese Theorie einen beträchtlichen Einfluß ausgeübt hat, und die spätrömischen und gemeinrechtlichen Spekulationen über die causa und die traditio sind in dieser Studie dargestellt worden. Ein oberflächlicher Blick wurde ferner auf die Beziehung geworfen, die einige geltende, kontinental-europäische Rechtsfamilien an die Titellehre bindet. Diese deskriptive Einleitung hatte nicht zuletzt das Ziel, den Leser mit einer Ausdrucksweise vertraut zu machen, die im weiteren Verlauf der Analyse dazu dienen soll, über ein europäisches Modell des Kondiktionsrechts nachzudenken. Der dafür gewählte, methodologische Weg sieht zunächst eine erste, vorsichtige Annäherung an die Problematik vor, wobei zunächst einige Ähnlichkeiten festgestellt werden, die die Rechtssysteme bei der Länder unter dem Gesichtspunkt der Titellehre aufweisen. Ausgehend von diesen Ähnlichkeiten wird dann anhand der in Deutschland und Italien geltenden Kondiktionsregeln eine Konstruktion entworfen, die im Ergebnis einige Richtlinien für ein jus privatum europaeum aufstellt. 1. Nationale Kondiktionsrechte und die Perspektive der Titellehre Die geschilderte l3S Neutralität des modus gegenüber dem Kondiktionsrecht stellt eine Verallgemeinerung dar, die nicht ohne weiteres eine Bestätigung in den einzelnen Rechtssystemen findet. Sie gewinnt jedoch eine prägende, supranationale Bedeutung hinsichtlich des jus europaeum, das das hauptsächliche 134 135
S. oben, B. I. 2. b). ce), dritter Teil. Vgl. supra, A. IV. 1.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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Ziel dieser Überlegungen bleibt. Mittels der Titellehre wird am Beispiel der verglichenen Rechtsordnungen offensichtlich, daß - mit oder ohne den Beitrag einer äußeren Erwerbungsart - die europäischen Rechtssysteme eine Reihe von Regeln entwickelt haben, um das Eigentum an einer Sache entsprechend den Wünschen der Parteien übergehen zu lassen. Soweit es das Eigentum anbelangt, werden durch die Übereignung die Grenzen zur sachenrechtlichen Herrschaft des Alt- und des Neueigentümers gezogen. Jenseits dieser Grenzen verliert der Veräußerer die dinglichen Ansprüche, die zusammen mit der Herrschaft an der Sache an den neuen Eigentümer übergehen. Der Verlust der Eigentumsansprüche bedeutet unter anderem die Abschaffung der besonderen Rechte, die die Position des Eigentümers vor Angriffen Dritter schützen, was die Römer in der eindrucksvollen Formel "ubi meam rem in venio. ibi vindico"136 zusammen faßten. Anstatt der verlorenen Vindikation wird dem Alteigentümer ein neuer Anspruch eingeräumt, der dort eingesetzt werden darf, wo eine Zuwendung nicht auf die Zustimmung der Rechtsordnung stößt. Über die sachenrechtlichen Wirkungen des Eigentumswechsels hinaus stellt selbst ein unwirksamer Eigentumsübergang zudem die anfangliche Grenze fUr die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts im weiteren Sinne 137 dar: Falls die Übereignung unwirksam ist, kann eine Eigentumskondiktion auf Herausgabe der Sache trotzdem gewährt werden, wenn sich die Parteien darüber einig waren, daß dadurch das Eigentum hätte übertragen werden sollen l38 • Weitere Ausgangslagen entsprechen nicht dem Kondiktionsrecht, das fUr die ErfUllung des Tatbestandes eine Entreicherung, d.h. einen Eigentumsverlust des Anspruchsträgers verlangt. Erst wenn das Eigentum das Vermögen des Entreicherten endgültig verlassen hat, bzw. nach den Absichten der Parteien hätte verlassen sollen, darf dieser auf die Herausgabe des ohne Grund übergangenen Eigentums kondizieren. Die einzelnen Rechtssysteme können zwar nationale Varianten enthalten, die unterschiedliche Erfordernisse fUr notwendig erklären, um das Eigentum übergehen zu lassen, sie können dennoch nicht von einer Auseinandersetzung mit dem Rechtstitel absehen, die in irgendeiner Weise zur Festlegung der Grundsätze fUr die Herausgabe einer ungerechtfertigt erlangten Sache fUhrt. Keine kontinental europäischen, aus dem römischen Recht stammende Rechtsordnung könnte sich so viel Freiheit leisten, daß jedermann beliebig, auf eigenen Wunsch, eine veräußerte Sache vom derzeitigen Eigentümer herausverlan-
136 In der Regel betraf die römische rei vindicatio allerdings nur die Besitzer; für zwei Ausnahmen, in denen das römische Recht auch bei Nichtbesitzern die Klage zuließ, s. HausmaningeriSelb, 228 f. 137 S. oben, dritter Teil, D. 138 Die Bedeutung dieser Aussage, die auf die Rolle der Kondiktion im französischen Rechtskreis Rücksicht nimmt, wird infra, A. VII. 2, näher erörtert.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
gen dürfte, ohne den Rechtsverkehr in ein absolutes Chaos umzuwandeln. Um dies zu vermeiden, verankern die nationalen Gesetzgebungen nach römischem Urbild die Kondizierbarkeit einer Vermögensverschiebung im Nichtvorhandensein einer iusta causa traditionis, was bewirkt, daß selbst wenn der accipiens das Eigentum an der bestrittenen Sache erworben hat, ihm dennoch ein Behaltensgrund fehlt, der ihm erlauben würde, der gegen ihn gerichteten Kondiktion den wirksamen Eigentumserwerb entgegenzusetzen. Der rechtliche Grund ist in einem titulus enthalten, der üblicherweise aus einem Vertrag besteht. Aus einer iniusta causa traditionis ergibt sich folgerichtig die Unwirksamkeit des kausatragenden titulus. Da ein fehlerhafter titulus die Kausa der Vermögensverschiebung nicht enthalten kann, hat die betroffene Zuwendung vom Blickwinkel des Kondiktionsrechtes aus einen Mangel, selbst wenn das Eigentum schon übergegangen ist, wie Z.B. im deutschen Recht. Nicht jeder beliebige Exeigentümer, sondern nur derjenige, der die Sache aufgrund eines fehlenden bzw. ungültigen Rechtstitels veräußert hat, darf somit kondizieren. In einer Leistungsbeziehung l39 steht daher nur dem solvens, der über die Sache sine causa, d.h. ohne fehlerlosen Rechtstitel verfUgt hat, ein Kondiktionsanspruch zu. Aus der fehlenden Kausa geht hervor, daß die Funktion der Eigentumszuordnung im Einzelfall so gestört wurde, daß sie den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht mehr entspricht. Im wesentlichen bildet die Kondiktion eine rechtssystematische Korrektur einer nicht systemkonformen Güterzuordnung. Das "Konformitätsurteil" ergibt sich aus der Analyse des Rechtstitels. Die römische condictio wurde als Rechtsbehelf gegen ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen angewendet, die durch eine nicht auf einer Kausa gründenden Leistung erfolgten. Diesbezüglich ist der Codice civile dem klassischen Urbild durch eine Eingrenzung der Tragweite des Anspruchs auf Herausgabe der gezahlten Nichtschuld gern. Artt. 2033 ff. c.c. treu geblieben. Bei der Zahlung einer Nichtschuld wird als unentbehrliches Tatbestandsmerkmal das Bestehen eines Leistungsverhältnisses zwischen den Kondiktionsparteien verlangt. An der Notwendigkeit einer unmittelbaren Verbindung zwischen Leistung und Kondiktion darf dennoch in bezug auf den Kondiktionsanspruch gezweifelt werden, vor allem angesichts der Gegenbeispiele aus Rechtssystemen, die die Ausübung einer Kondiktion unabhängig von der Vornahme einer Leistung zulassen. Nach derartigen Systemen braucht man nicht so weit zu suchen, zumal § 812 I I BGB ausdrücklich den Anspruch so dann bei nicht durch Leistung, sondern in sonstiger Weise erfolgten Bereicherungen vorsieht. Auch das
139 In dieser ersten Annäherung werden lediglich Leistungsbeziehungen untersucht. Die Untersuchung der Kondizierbarkeit von Sachen, die der Empfänger nicht aufgrund einer Leistung erhalten hat, werden in einem späteren, weiter entwickelten Modell in Betracht gezogen.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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deutsche Recht bezeugt somit, daß eine sog. "Nichtleistungskondiktion" in ein auf der Leistung basierendes Bereicherungsmodell eingefUhrt werden kann, ohne der Identität des Modells so zu schaden l4o , daß dadurch das deutsche Kondiktionsrecht ernsthaft gefahrdet würde. Vielmehr ist die Einschränkung der Anwendbarkeit der Kondiktion auf Leistungsverhältnisse nur eine bloße Maßnahme, um eine übermäßige Erweiterung des Kreises der Anspruchsträger zu vermeiden. Sie bildet also kein prägendes Merkmal des Bereicherungsrechts, sondern ist eher eine systembezogene Vorsichtsmaßregel, die einige nationale Rechtssysteme anhand rechtspolitischer Erwägungen getroffen haben. Entscheidend fUr die Entstehung einer kondiktionsrechtlichen Beziehung ist eben nicht die Existenz eines unmittelbaren Leistungsverhältnisses zwischen den Kondiktionsparteien, sondern die Tatsache, daß der accipiens angesichts des Anspruchs auf Restitution, die der Kläger mit der Mangelhaftigkeit der Kausa begründet, über kein Rechtsinstrument verfugt, um die Klage abzuwenden. Der Neueigentümer muß die Sache herausgeben, weil er keinen Behaltensgrund hat, durch den er sich gegen den Anspruch des solvens behaupten könnte. Ob die Vermögensverschiebung infolge einer Leistung zwischen den Bereicherungsparteien stattgefunden hat, interessiert das hier vorgeschlagene Modell grundsätzlich nicht. Für die Gewährung des Anspruches sind vielmehr andere Überlegungen ausschlaggebend. Es gehört zu den ganz normalen Eigenschaften des Rechtsverkehrs, daß sich eine Sache, solange sie existiert, in die Rechtssphären von mehreren Verkehrsteilnehmern bewegt, die das Eigentum an dieser Sache erwerben. Eine derartige Bewegung des Eigentums verbindet all diejenigen Erwerber, die auf diese Weise mit der Sache in Kontakt gekommen sind, in einer imaginären Kette. Nur zwischen Rechtssubjekten, die zu derselben Bereicherungskette gehören, darf eine bereicherungsrechtliche Beziehung hergestellt werden. Die Zugehörigkeit bildet somit das erste positive Signal, das auf die Anwendbarkeit der Kondiktion hindeutet. Um die Frage nach der Kondizierbarkeit zu bejahen, müssen dann die jeweiligen Rechtslagen beider vermuteter Kondiktionspartner ermittelt werden. Der Anspruchssteller muß Inhaber einer Rechtsposition sein, die ihm ein Recht auf die Restitution gestattet. Diese Rechtsposition ist dem Rechtstitel zu entnehmen, der den Kläger als Mitglied der Bereicherungskette identifiziert, weil er ehemaliger Eigentümer der bestrittenen Sache ist. Der Restitutionsgrund des Klägers ist deshalb ein Grund, der erklärt, weshalb der solvens die Sache verlangen darf. Auch die Position des
140 Die deutsche Konstruktion mag zwar bedenklich sein, sie zeigt jedoch, daß ein Zusammenleben von Kondiktionen aus einer Leistung und Kondiktionen, die nicht auf einer Leistung basieren, im Grunde genommen möglich ist. Eine andere Frage betrifft dann die Auslegung durch die deutsche Rechtswissenschaft, die m.E. Raum rur manche Kritik bietet. S. oben, dritter Teil, S., I. 2. a) und B. I. 3.
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Anspruchsgegners ist anhand eines Rechtstitels zu bemessen. Um nicht in Anspruch genommen zu werden, muß der Beklagte in der Lage sein dem Entreicherten entgegenzuhalten, daß er das Eigentum nicht nur erworben hat, sondern auch, daß er die Sache mit einem rechtlichen Grund erhalten hat. Die Mangelhaftigkeit des titulus des Bereicherten bietet dem Kondiktionsrecht die nötige Basis zur Ausübung der Klage. Die Bedingungen für die Gewährung des Anspruchs können so zusammengefaßt werden: Hat innerhalb einer Bereicherungskette der accipiens die Sache ohne einen mangel freien Rechtstitel erlangt, darf der solvens kondizieren, falls er über einen Restitutionsgrund verfügt. 2. Kurze Erläuterung der ersten Teilergebnisse
Trotz der sehr unterschiedlichen Ausgangspunkte, die in den divergierenden Strukturen des Eigentumserwerbs begründet sind, steht, theoretisch gesehen, dem Aufbau des Kondiktionsrechts nach gleichartigen Prinzipien nichts im Wege. Die Ähnlichkeit der Rechtsinstitute, die der Rückabwicklung voneinander abweichender Erwerbstatbestände dienen, mag folglich nicht überraschen: Die vollendete Übereignung ermöglicht den Zugang zum Kondiktionsrecht. Welchen Bedingungen die einzelnen Rechtssysteme den Eigentumserwerb unterwerfen, ist für die Durchsetzbarkeit eines Kondiktionsanspruchs irrelevant, da es sich nämlich um eine Phase handelt, die der Klage vorausgeht. Wird von den speziellen, nationalen Entscheidungen bezüglich des Verfahrens der Eigentumsübertragung abgesehen, kommt nur eine begrenzte Anzahl von Rechtsbehelfen in Betracht, die zur Wiedererlangung einer ohne rechtlichen Grund veräußerten Sache führen können. Unabhängig von einem gesetzgeberischen Entschluß zugunsten der savignyschen oder der naturrechtlichen Erwerbskonstruktion stellt sich das Kondiktionsrecht lediglich die Frage, wann eine Zuwendung kausalos erfolgt ist. Darauf sind die Antworten in den aus dem römischen Recht stammenden Rechtsordnungen beinahe identisch: Fehlender Grund heißt fehlende iusta causa traditionis und deshalb letzten Endes fehlender titulus adquirendi. Andere Antworten wären durch den Systemzusammenhang mit dem römischen Recht schlicht nicht in Einklang zu bringen. Die oben l41 vertretene Auffassung der bereicherungsrechtlichen Beziehung, die behauptete, daß der Begriff "Dreiecksverhältnisse" systematische Bedeutung habe, aber leeren Inhalts sei, findet nun eine Bestätigung. Weil die Kondiktion eine Bereicherungskette voraussieht, können kondiktionsrechtlich lediglich die Rechtspositionen der betroffenen Parteien gegenübergestellt werden, und zwar ohne Rücksicht auf die Rechtslage der weiteren Teilnehmer an der
141
S. supra, A. 1.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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Kette. Weder das Bestehen einer Leistung noch das Bestehen irgendeiner direkten Vermögensverschiebung vom solvens zum accipiens liefern somit die ausschlaggebenden Kriterien rur die Gewährung der Klage. In dieser Hinsicht wäre auch denkbar, daß sich der Anspruchsträger nicht an das nähere "Kettenmitglied" wendet, sondern daß er gegen einen viel weiter entfernten Empfanger der zu kondizierenden Sache klagt, wenn der Beklagte keinen rechtlichen Grund rur den Erwerb des Eigentums an der bestrittenen Sache beweisen kann. Bei der Inanspruchnahme eines mittelbaren Empfangers ist die Anwendbarkeit der Kondiktion nicht von den einzelnen Rechtsverhältnissen bestimmt, die die Position der weiteren Kettenmitglieder gegenüber dem AnspruchssteIler charakterisieren. Unwichtig ist daher, gegen wen von den Kettenmitgliedern der Entreicherte kondiziert, solange der Beklagte das Eigentum durch keinen fehlerfreien Rechtstitel erhalten hat. Das Kondiktionsrecht bietet einen Rechtsbehelf rur die Korrektur von Rechtszuwendungen, die nicht der Funktion der Eigentumszuordnung entsprechen. Zuwendungen, die ohne rechtlichen Grund erfolgt sind, stoßen auf die Mißbilligung des Rechtssystems, das folglich versucht, ihre Auswirkungen weitmöglichst auszuräumen. Auch die Rechtslage des Anspruchsgegners muß jedoch mitberücksichtigt werden, ihm darf nämlich die wenngleich ungerechtfertigterweise erlangte Sache nicht einfach weggenommen werden. Angesichts des Risikos, mit dem der accipiens seine Sache opfert, der die Sache herausgibt, ergreifen die Rechtsordnungen üblicherweise Maßnahmen zum Ausgleich der Interessen bei der Kondiktionsparteien. Dabei gehört die Abwägung der Rechtslage der Parteien allerdings nicht zum Kern des der Titellehre entsprechenden Kondiktionsrechtes, die lediglich das Bestehen einer Vermögens verschiebung und deren Ungerechtfertigtkeit als Stützpunkte ihrer Theorie verwendet. Rechtspolitische Überlegungen, die die Gesetzgeber sich mit den Rechtslagen der Parteien beschäftigen lassen, gehören eher der "nationalen Farbe" der einzelnen Kodifikationen, da rur die Bestimmung des Grundtatbestandes außer den beiden letzterwähnten keine weiteren Merkmale erforderlich sind. Vor allem übt der psychologische Zustand der Bereicherungsparteien, d.h. ihr guter oder böser Glauben, bei der Zuwendung keinen Einfluß auf das Wesen der zur Frage stehenden Rechtsfigur aus. Die tatsächliche oder fiktive Kenntnis über die Art und Weise, in welcher der solvens das Eigentum an der Sache ungerechtfertigt erlangt hat, rugt keine Elemente zur Qualifikation des Tatbestandes und zur Kondizierbarkeit der Vermögensverschiebung hinzu. Die Definition der ungerechtfertigten Änderung im Vermögen zweier Rechtssubjekte enthält in sich schon alle nötige Bestandteile des Anspruchs; ob zumindest eine Partei davon wußte, ob sie bei der Abgabe bzw. Annahme der Sache gut- oder bösgläubig war, bleibt beim Kondiktionsanspruch nach der hier vertretenen Theorie unbedeutend. Möglich ist z.B., daß der Kondizierende aus Furcht vor schlimmeren Folgen geleistet hat: Zwischen dem Risiko der Beschädigung seines Rufs 15 Giglio
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als Händler, etwa infolge des Risiko der unbegründeten Eröffnung eines Konkursverfahrens, und einer ungerechtfertigten Zahlung kann er sich für die von ihm nicht geschuldete Leistung entscheiden, ohne dadurch die Vornahme der Leistung zu wollen. Es scheint jedoch nicht gerecht, daß der solvens, der lediglich obtorto co/lo geleistet hat, dennoch seine erzwungene Leistung nicht kondizieren darfl 42 . Der Irrtum, bzw. der psychologische Zustand der Parteien sollen kein Kriterium der Kondizierbarkeit werden. Damit ist aber nicht gemeint, daß Gerechtigkeitserwägungen vom Kondiktionsrecht verbannt werden müssen: Zunächst können zufriedenstellende Ergebnisse im Bereich der aequitas auch über andere Wege erreicht werden, z.B. durch eine Bewertung des Rechtstitels, anhand dessen der Anspruchsgegner zum bestrittenen Eigentum gekommen ist. Außerdem wird den Gesetzgebern immer offen bleiben, eine Bewertung der Rechtslage der Parteien colorandi causa hinzuzufügen. Kurz zusammengefaßt, ergibt die in dieser Studie verfochtene Auffassung folgende Synthese: Erfolgt eine Zuwendung aufgrund eines wirksamen Rechtstitels, steht dem Leistenden kein Restitutionsanspruch zu, wenn er das Eigentum an der Sache verloren hat. Ohne Bedeutung bleiben in dieser Hinsicht eine spätere Reue des Entreicherten, der vielleicht angesichts möglicher, besserer Verwendung die Sache gerne zurückfordern möchte. Die Vermögensverschiebung kann jedoch auch anhand eines mangelhaften Rechtstitels, oder sogar ohne einen Rechtstitel stattgefunden haben. In diesem Fall hat der solvens zwar das Eigentum verloren, und damit sodann die das Eigentum begleitende Restitutionsklage; dennoch bietet ihm das Rechtssystem einen Rechtsbehelf, der anstelle der Vindikation tritt, deren Ausübung ihm nicht mehr zusteht. Die Kondiktion gibt dem Entreicherten die Möglichkeit, die Sache in sein Vermögen erneut zurückfließen zu lassen. Zu diesem Zweck darf er die Sache dort verlangen, wo sie sich zur Zeit der Ausübung der Klage befindet. Einige Rechtssysteme schränken dieses Recht des Entreicherten darauf ein, daß sie das vorherige Bestehen eines Leistungsverhältnisses zwischen ihm und dem Bereicherten fordern, so das römische und das geltende italienische Recht. Andere Rechtsordnungen, wie das deutsche Recht, ermöglichen die Anwendung der Kondiktion auf einen etwas weiteren Kreis von Restitutionsverpflichteten. Deshalb steht in erster Linie den jeweiligen Gesetzgebungen die Aufgabe einer Eingrenzung der
142 Cass., 26. 08. 1993 n. 9018, Mass. Foro it., 1993, verneint die Frage. Bei dieser sehr interessanten Entscheidung ging es um folgendes: Der Beklagte bezahlte den Kläger, der einen Zwangsvollstreckungstitel mit nur vorläufiger Rechtskraft gegen ihn hatte, obwohl er dabei die Position des Schuldners nicht anerkannt hatte. Nach dem richterlichen Widerruf des vorläufigen Titels verlangt der solvens die Herausgabe des Gezahlten aufgrund der Vorschrift über die Zahlung einer objektiven Nichtschuld. Der Klage wurde vom Kassationshof stattgegeben. Mehr über diese Fallkonstellation infra, B. III. 5.
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Tragweite der Kondiktion zu. Mutatis mutandis läßt sich in dem Herausgabemodell der Titellehre die Restitutionsstruktur der Vindikation erkennen. Diese Annäherung zwischen den bei den Rechtsinstituten erscheint nicht allzu gewagt. Angenommen, daß die Kondiktion anstelle der Vindikation tritt, sollten Interpretationen, die aus dieser Voraussetzung den Versuch einer Ergänzung der Restitutionsmechanismen entwickeln, nicht überraschen: Ziel der Kondiktion ist letzten Endes die Verschaffung der Sache, ähnlich wie bei der Vindikation. Die hier geschilderte Auffassung sieht die Bereicherungskette als ein festes Gleis, dem entlang sich der Kondiktionsanspruch bewegen kann und muß: Die Bereicherungskette stellt folglich das Anwendungsfeld der Herausgabeklage dar. Diese kann einerseits lediglich zwei Rechtssubjekte, den solvens und den accipiens, betreffen, falls die vom Kläger geleistete Sache zum Zeitpunkt der Ausübung der Kondiktion das Vermögen des Leistungspartners noch nicht verlassen hat. In diesem Fall erweist sich das erwähnte Gleis als sehr kurz; der Kreis der Restitutionsverpflichteten hat somit den kleinstrnöglichen Radius. Andererseits könnte das Eigentum an der bestrittenen Sache schon vor der Ausübung der Klage in das Vermögen eines Dritten geflossen sein. Die Ausdehnung der Bereicherungskette bedeutet fiir den Entreicherten, daß er die Sache, wie bei der Vindikation, verfolgen darf, um das suum zu kondizieren. Er kann sich aber trotz des Bestehens eines Anspruches gegen den Dritten dafiir entscheiden, sich an seinen Leistungspartner zu halten. Mit anderen Worten, die ausgedehnte Bereicherungskette erweitert den Kreis der Restitutionsverpflichteten, indem dem Kläger eine Art "Verfolgungsanspruch" eingeräumt wird. Diese enge Verbindung zwischen Vindikation und Kondiktion wird im Laufe der Abhandlung wichtige Folgen fiir das Kondiktionsrecht mit sich bringen. VI. Vereinbarkeit der Grundsätze der Titellehre mit den verglichenen Rechtssystemen Das soeben Beschriebene enthält bereits das Fundament der Titellehre. Im folgenden wird dieses Fundament durch eine Auseinandersetzung mit den Rechtssys-temen, die Gegenstand der Rechtsvergleichung waren, durch eine Überprüfung anhand konkreter Beispiele und durch eine Darstellung der Bedeutung der Titellehre im modemen Recht allmählich ausgeweitet. In diesem Zusammenhang werden zunächst die Grundsätze der Titellehre unter die Lupe genommen, um ihre Verträglichkeit mit den modemen, in Deutschland und Italien geltenden Rechtssystemen zu untersuchen. Ziel dieser Arbeit ist allerdings nicht zu beweisen, daß die Titellehre auch in beiden Rechtssystemen gilt (gelten kann), sondern die Wirksamkeit der Titellehre mit Hilfe von geltenden Rechtsinstituten zu analysieren, um dadurch zur Formulierung einiger Grundsätze fiir ein gemeinsames Kondiktionsrecht zu gelangen.
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1. Die Titellehre und das deutsche Kondiktionsrecht
Es wird nun überprüft, ob angesichts der deutschen Rechtsordnung eine systematische Darstellung des Kondiktionsrechts gemäß den Prinzipien der Lehre von titulus und modus adquirendi möglich ist. Die Frage richtet sich zunächst darauf, ob die Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung mit den Ansätzen der Titellehre vereinbar sind, danach werden auch andere gesetzliche Bestimmungen in Betracht gezogen.
a) Rechtslage des Dritten bei der Verfogung eines Nichtberechtigten Zumindest eine Vorschrift gebietet eine gewisse Skepsis gegenüber einer Interpretation der Normen über die ungerechtfertigten Bereicherung mittels der Titellehre, nämlich § 816 I 2 BGB. Durch diese Bestimmung darf der solvens Dritte in Anspruch nehmen, die die Sache durch eine wirksame und unentgeltliche Verfügung des nichtberechtigten accipiens erhalten haben. Da nach dem savignyschen Erwerbsmodell die iusta causa traditionis für die Übereignung nicht strikt unabdinglich ist, weil ihr Nichtvorhandensein kein Hindernis für den Eigentumsübergang darstellt, betrifft § 816 128GB sowohl Verfügungen, die mit einem rechtlichen Grund erfolgt sind, als auch Verfügungen, die auf keinem rechtlichen Grund beruhen 143. Mit anderen Worten, durch diese Bestimmung wird der Anschein erweckt, daß auch die Inanspruchnahme per condictionem von Rechtssubjekten möglich ist, die ihren Erwerb auf einen wirksamen titulus zurückführen können. Diese Möglichkeit bedeutet einen klaren Verstoß gegen einen tragenden Grundsatz der Titellehre, dem gemäß der Rechtstitel die Informationen über die Kondizierbarkeit einer Zuwendung enthalten muß, weil er den Neueigentümer vor Angriffen Dritter gegen das nunmehr fest gewordene Eigentum schützen soll. Ein solcher Widerspruch gefährdet die Überzeugungskraft der vorgeschlagenen Theorie in erheblicher Weise. Eine Analyse des Tatbestandes unter den hier verwendeten Kriterien verdeutlicht jedoch, daß ein Kontrast zwischen dem Inhalt des § 816 I 2 BGB und den Prinzipien der Titellehre in Wirklichkeit nicht besteht, weil diese Norm jenseits des Anwendungsfeldes der Titellehre liegt. Wie in der vorliegenden Studie gehandhabt, stellt diese Lehre eine weitere Entwicklungsstufe gegenüber den mittelalterlichen Forschungen über den Erwerbstatbestand dar, die nun zum Zweck der Feststellung einiger Prinzipien für ein künftiges europäisches Privatrecht bei der Untersuchung des Nachfolgemodells der römischen condictio herangezogen werden. Die auf diese Weise bestimmten Grundsätze dienen nicht der Auslegung aller
143 Über § 816 1 2 BGB s. oben, dritter Teil, C. I. I. und C. 11. 1.; das savignysche Modell wurde supra, unter A. III. 2. d).
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Tatbestände, in denen eine Vermögensverschiebung mit oder ohne rechtlichen Grund stattgefunden hat, sondern dem alleinigen Ziel, zu einer alternativen Betrachtungsweise zu gelangen, die lediglich für das Recht der Kondiktionen geIten soll, d.h. fiir ein aus der römischen condictio stammendes Institut mit sehr genauen Merkmalen. Diese Merkmale gehören nicht dem Tatbestand des § 816 I 2 BGB an, der, wie ausfiihrlich erörtert l44 , die modeme Gestalt einer anderen herkömmlichen Rechtsfigur ist, welche trotz der großen Ähnlichkeiten nicht auf die Kondiktion zurückgefiihrt werden darf: Es handelt sich dabei richtigerweise um einen Fall der Versionsklage, die aus der römischen actio de in rem verso, nicht aus der condictio stammt. § 816 I 2 BGB kann kein Argument gegen die Titellehre hervorbringen, weil diese sich nicht mit der Versionsklage l45 beschäftigt.
b) Verfiigung eines Nichtberechtigten Größere Probleme bereitet hingegen die Auslegung des § 816 I 1 BGB. Diese Vorschrift regelt einen Bereicherungsanspruch, der sich gegen den Zuwendungsempfanger richtet, der über die Sache des Klägers unberechtigterweise weiter verfiigt hat. In diesem Zusammenhang gilt eine erste Frage der Tragweite des Anspruches. Bedeutet die in dieser Bestimmung enthaltene, ausdrückliche Regelung, daß der Entreicherte nur gegen den ersten Zuwendungsempfanger kondizieren darf, widerspricht eine dergestalt verkürzte Bereicherungskette einem Prinzip der Titellehre, nach dem der Maßstab fiir die Kondizierbarkeit nur in der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Rechtstitels liegt, an hand dessen der Beklagte das Eigentum erworben hat; deshalb kommt es hinsichtlich der Haftung überhaupt nicht auf die Position der accipiens in der Kette an. Aus dem Text des § 816 I 1 BGB ergibt sich allerdings, daß der unberechtigt Verfiigende auf das durch die Verfiigung Erlangte haften soll. Die weiteren Teilnehmer der Kette wären folglich ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit ihrer jeweiligen Rechtstitel von jeglicher Restitutionsverpflichtung befreit. Dennoch soll daraus nicht ohne weiteres die Unvereinbarkeit der Titellehre mit der gesetzlichen Angabe folgen. Diese Theorie versucht vor allem, die Gemeinsamkeiten der nationalen Kondiktionsrechte in einigen Grundsätzen zu formulieren. Ziel der Analyse ist eine Überprüfung, womöglich eine Bestätigung, dieser Grundsätze, durch einen Vergleich mit dem geltenden deutschen und italienischen Rechte, wobei die Regulierung der Einzelheiten dann den nationalen Rechtssystemen S. oben dritter Teil, C. III. Ziel der Versionsklage ist nicht, wie bei der Kondiktion, die bloße Herausgabe des durch eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung Erlangten. Bei Fällen der versio in rem wird vielmehr die gesamte Rechtslage der Bereicherungsparteien im Lichte äquitativer Gedanken betrachtet. S. oben im dritten Teil, D. 144 145
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überlassen wird. Diese können im von der Titellehre festgelegten Rahmen durchaus unterschiedliche Lösungen aufnehmen, solange sie die Grundstruktur der Titellehre nicht gefahrden. Folglich kann das deutsche Rechtssystem schärfere Maßstäbe als die Titellehre selbst anlegen, wenn diese zusätzlichen Maßstäbe keinem Grundsatz der Titellehre widersprechen. Dem nationalen Gesetzgeber steht immer die Befugnis zu, an einem bestimmten Punkt der Bereicherungskette aus jeweils besonderen Gründen eine Zäsur anzubringen, welche die nationalen Grenzen des Anspruches charakterisiert, falls die Richtlinien der Titellehre dadurch eingehalten werden. § 816 I 1 BGB führt aber zu weiteren Überlegungen. Aus der Anwendung der Titellehre auf das deutsche Kondiktionsrecht ergibt sich, daß der modus eine Voraussetzung 146 und der titulus ein Merkmal des Kondiktionstatbestandes sind, so daß der Kläger strenggenommen 147 das Eigentum an der Sache aufgrund eines mangelhaften oder gar nicht bestehenden Rechtstitels verloren haben muß, um kondizieren zu dürfen. Dies ist freilich im deutschen Recht erst möglich, wenn der Empfanger die Sache durch einen wirksamen modus erhalten hat: Ohne Erwerbungsart kann es im deutschen Recht keine condictio proprietaria geben, weil der Kläger das Eigentum nicht verloren hat und deshalb noch vindizieren darf. Der wirksame modus ermöglicht somit den Zugang zum Kondiktionsrecht. Von dieser Richtlinie weicht § 816 I 1 BGB scheinbar ab. Die Rechtslage sei durch ein Beispiel veranschaulicht: Dieb V verkauft und übereignet eine gestohlene Sache an den gutgläubigen E. Nach drei Jahren wird der V von der Polizei wegen dieses Diebstahls festgenommen. Alteigentümer A entscheidet sich, die Verfügung des V gern. § 185 11 1 BGB zu genehmigen. Dadurch wird E Eigentümer und A darf sich an den V für die Herausgabe des Erlangten aus § 816 I 1 BGB wenden. Sind die Voraussetzungen der Titellehre im Bereicherungsverhältnis zwischen A und Verfüllt? Keine iusta causa traditionis stützt die Vermögensverschiebung zwischen dem Alteigentümer und dem Dieb, ersterer dürfte somit ohne Hindernisse gegen
146 Oben, unter A. IV. 1., ist dem Rechtsmodus das Merkmal der Neutralität gegenüber dem Kondiktionsrecht zugesprochen worden. Wie auch an jener Stelle festgestellt wurde, heißt Neutralität nicht, daß die Erwerbungsart in den nationalen Rechtssystemen keine rechtsrelevante Bedeutung gewinnen kann. Diese Bedeutung ist jedoch systemimmanent, und, wie ich meine, sollte nicht auf ein europäisches Kondiktionsrecht übertragen werden. 147 Nach der hier vorgeschlagenen Konstruktion reicht es für die Ausübung der Kondiktion schon aus, daß die Parteien das Eigentum durch den Rechtstitel übertragen wollen, vgl. infra, A. VIII. 3.
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den zweiten kondizieren. Dennoch ist der Nichtberechtigte nie Mitglied der Bereicherungskette geworden. Da er zwar den Besitz erhalten hat, das Eigentum aber gern. § 935 BGB beim Alteigentümer geblieben ist, hat der Dieb das Eigentum an der gestohlenen Sache nicht erworben. Würden die Regeln der Titellehre streng angewendet, müßte man daraus schließen, daß der Alteigentümer gegen den Dieb mangels eines wirksamen modus nicht kondizieren darf. Noch ein Beispiel: Verhält vom Freund A ein wertvolles Buch am Tag seines Geburtstages, dessen Datum A allerdings nicht kannte: Er wollte dem A das Buch nur aus Freundschaft fUr eine kurze Zeit leihen. Nach einigen Wochen verkauft und übereignet V das Buch dem Buchhändler E. A verlangt von V die Herausgabe des Buches. Die Rechtslage des E, der das Eigentum am Buch gern. § 932 I BGB erworben hat, interessiert diese Analyse nicht. Die Frage ist aber, ob der Alteigentümer A gegen den Freund V kondizieren darf. Letzterer, wie schon der Dieb V im vorherigen Beispiel, hat jedoch das Eigentum nie erworben. Er ist lediglich ein Entleiher, ein Nichtberechtigter, der über die Sache verfUgt hat. Als solcher gehört er nicht zur Bereicherungskette, die alle Erwerber der Sache verbindet und als "Gleis" fUr die Anwendbarkeit des Kondiktionsrechtes betrachtet werden soll. Da er nie Eigentümer geworden ist, dürfte seine Position nach der Titellehre theoretisch per condictionem nicht angreifbar sein. Der Dieb, der Entleiher und allgemein sämtliche nichtberechtigt VerfUgende, die das Eigentum an der zu kondizierenden Sache nicht erworben haben, liegen deshalb in Theorie außerhalb des Kreises der kondiktionsrechtlich Restitutionsverpflichteten. Nichtsdestoweniger stellt das Gesetz mit § 816 I 1 BGB dem Alteigentümer ausdrücklich einen Anspruch zur VerfUgung und widerspricht dadurch dem Grundsatz der Titellehre, gemäß dem der Kondiktionsanspruch nur bei kausalosen Leistungen gewährt werden darf, wodurch die Parteien das Eigentum an der Sache übertragen wollen. Die erwähnte Vorschrift stellt folglich eine Fallkonstellation dar, die sich als deutliche Anomalie gegenüber der Titellehre erweist. Gegen einen Verzicht auf die Titellehre sprechen allerdings überzeugende Argumente. Der rechtswissenschaftlichen Auslegung darf keine Umgehung der Grundsatzregeln der Titellehre gestattet sein; was ihr untersagt ist, ist dem Gesetzgeber dennoch möglich: Das Gesetz darf sehr wohl ex imperio einen Tatbestand in das Rechtssystem einfUhren, der sonst dem Systemzusammenhang durch Auslegung nicht zu entnehmen wäre. Hält der Gesetzgeber in SonderflilIen die Gewährung eines "Restitutionsanspruches" trotz der Wirksamkeit des titulus fUr erforderlich, entfaltet die gesetzgeberische Entscheidung an sich keine lähmenden Auswirkungen auf die nur mit Kondiktionsfällen befaßte Titellehre, solange es offenkundig bleibt, daß es sich um Sonderfälle - und deshalb um in der Zahl beschränkte Fälle - handelt. Ziel des § 816 I 1
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BGB ist die Regelung einer besondere Fallkonstellation, die dem Kondiktionsrecht stricto sensu nicht angehört. Ihr Tatbestand liegt folglich jenseits des Anwendungsbereiches der Titellehre, was auch der Anspruchsgegenstand beweist, der im Vergleich zum normalen Umfang des Kondiktionsanspruches aus § 818 I BGB klar umrissene, eigene Züge hat: Herauszugeben ist das durch die Verfugung an den Dritten Erlangte und nicht das durch die Vermögensverschiebung zwischen dem Eigentümer und dem nichtberechtigt Verfugenden Erlangte. Näher betrachtet, zielt § 816 I I BGB nicht ohne weiteres auf einen Kondiktionsanspruch, da der Empfänger nicht "herausgeben", sondern richtigerweise "weitergeben" muß, was er durch eigene Initiative erlangt hat. Von einem Restitutionsanspruch zu sprechen ist in diesem Zusammenhang m.E. nicht völlig korrekt. Die Änderung des Haftungsgegenstandes in einem speziellen, also von dem Kondiktionsrecht abweichenden Fall darf längst nicht die Schlußfolgerung rechtfertigen, daß die Sonderstellung des Verfugenden dem Normalfall entspricht, d.h., daß die Dritten von der Kondiktionshaftung befreit werden. Es gäbe auch zu einer solchen Schlußfolgerung aus der Sicht der Titellehre gegenüber der deutschen lex lata, die eine Bereicherung in sonstiger Weise kennt, keinen Anlaß. § 816 I I BGB enthält keine Ausnahme zu den Prinzipien der Titellehre, weil dadurch die Struktur des Kondiktionsanspruches nicht berührt wird. Die Vorschrift betrifft vielmehr den Anspruchsgegenstand, der im Vergleich zum "normalen" Anspruch aus §§ 812 i.V.m. 818 I BGB anders gestaltet wird. Die Regeln der Titellehre behalten somit ihre Bedeutung bezüglich der Kondiktionsverhältnisse zwischen den Mitgliedern der Bereicherungskette. Die weiteren Kettenmitglieder nach dem Entreicherten können stets per condictionem belangt werden, weil § 816 I I BGB ihre Positionen nicht berücksichtigt und deshalb nicht ändert. Der Entreicherte dürfte gemäß den allgemeinen Vorschriften folglich gegen sämtliche Teilnehmer der Bereicherungskette kondizieren, die das Eigentum ohne rechtlichen Grund erlangt haben. Dort, wo § 816 I 1 BGB die Herausgabeverpflichtung des Verfugenden in dem durch die Verfugung Erlangten verankert, schließt er damit aber die Haftung der weiteren Dritten auf die Herausgabe der Sache selbst nicht aus. Mit anderen Worten, diese Vorschrift kann zwar einen Sonderfall regeln, der einen im Vergleich zu den normalen Kondiktionsfällen abweichenden Anspruchstatbestand vorsieht, sie hat jedoch keine weitere Auswirkung auf die Titellehre, die neben § 816 I I BGB weiterhin Anwendung finden kann. Exkurs: Analyse des § 816 I 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Titellehre
Die unterstellte Anomalie des § 816 I 1 BGB veranlaßt eine Untersuchung ihrer Bedeutung im Rahmen des kondiktionsrechtlichen Modells der Titellehre. Vor allem ist die Natur des im § 816 I 1 BGB geregelten Tatbestandes zu klä-
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ren. Wie eben festgestellt, ist es gar nicht so selbstverständlich, in diesem Fall einen echten Kondiktionsanspruch anzunehmen. Die fragliche Bestimmung paßt sich nämlich nur mit Schwierigkeiten in den Systemzusammenhang ein, weil der Anspruch gegen den Dritten dem Entreicherten gewährt wird, selbst wenn der Verfügende das Eigentum an der Sache nie, auch nicht durch die Genehmigung seiner Verfügung gern. § 185 II 1 BGB, erlangt hat. Dieser Konstruktion läßt sich mit Schwierigkeit entnehmen, woraus der Anspruchsgegenstand besteht. Freilich klagt der Anspruchsberechtigte nicht auf die Herausgabe des Besitzes. Diese Möglichkeit kann mittels der Überlegung ausgeschlossen werden, daß der Verfügende in der Regel auch den Besitz an der Sache mit der Verfügung verloren hat. Die (eventuelle) Kondiktion soll folglich die Rückforderung des Eigentums bezwecken. Eine Definition des Anspruchs aus § 816 I 1 BGB als Hilfsinstrument für die Herausgabe des Eigentums wäre trotzdem widersprüchlich, da die Genehmigung des § 185 11 1 BGB per definitionem das Eigentumsrecht des Dritten betrifft, während der Verfügende durch die Genehmigung nicht zum Eigentümer, eigentlich Alteigentümer, wird und somit nicht als Mitglied der Bereicherungskette betrachtet werden kann. Kondiziert der Entreicherte daher gegen den Verfügenden auf die Herausgabe des Eigentums, richtet sich seine Klage gegen ein Rechtssubjekt, in dessen Vennögen sich das Eigentum möglicherweise nie befunden hat. Worauf kondiziert dann der solvens? § 816 I 1 BGB gibt selbst die Antwort auf die gestellte Frage: auf das als Gegenleistung für die Verfügung Erlangte. Eine Qualifizierung des Anspruchsgegenstandes als "das durch die Verfügung Erlangte" impliziert eine Entfernung des Anspruches selbst vom Schema der Kondiktion, deren Ziel hingegen die Herausgabe der geleisteten Sache ist, da das durch die Verfügung Erlangte nur eine mittelbare Beziehung zur Sache selbst hat. Besonders gut läßt sich diese Entfernung bei nicht vertretbaren, aber auch etwa bei nicht mehr zu verschaffenden Sachen, oder bei Sachen darstellen, deren Wert spürbaren Veränderungen unterworfen ist - man denke an ein Gemälde oder an ein Erzeugnis aus dem Bereich der Infonnatik. In solchen Fällen ist nicht immer ein Marktwert festzustellen. Daß § 816 I 1 BGB als Beispiel eines Kondiktionsanspruchs mit einem zum § 818 I BGB etwas anderen Haftungsgegenstand aufgefaßt werden kann, läßt sich dadurch rechtfertigen, daß das durch die Verfügung Erlangte konventionell mit einem fiktiven Eigentum identifiziert wird. Wie diese Erwägungen verdeutlichen, erweisen sich die Zweifel an einer Einordnung dieses Tatbestandes unter das Kondiktionsrecht als dogmatisch nicht völlig unbegründet. Zunächst fügt sich der Anspruch nicht in die Struktur der Titellehre, weil kein wirksamer modus vorliegt, der nach dem deutschen Modell ein Tatbestandsmerkmal des Erwerbes bildet, zumal die Kondiktion ohne Rücksicht auf den Rechtstitel zugelassen wird. Ferner richtet sich der Gegenstand der Klage - in bezug auf die Sache, welche dem Vennögen des Bereicherten zugeflossen ist, stricto sensu weder auf den Besitz noch auf das Eigen-
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turn. Schließlich erscheint auch die enge Verbindung der Kondiktion mit der Vindikation bei § 816 I I BGB unsicher. Diese Überlegungen rechtfertigen eine gewisse Skepsis gegenüber der Richtigkeit einer Einordnung, die den im § 816 I I BGB geregelten Tatbestand als bloßen Kondiktionsanspruch betrachtet. Die Haftung des Verrugenden erinnert eher an eine deliktsähnliche, verschuldensunabhängige als an eine kondiktionsrechtliche Klage. Dabei geht es nicht um die Herausgabe des Erlangten, weil sich der Anspruchsgegner gemäß dem im § 816 I I BGB geregelten Modell erst durch die Verrugung an den Dritten, und nicht infolge der Vermögensverschiebung zwischen ihm und dem Kläger bereichert wird. Nicht ohne Grund schreibt diese Bestimmung vor, daß das durch die nichtberechtigte Verrugung an den Dritten Erlangte den Gegenstand des Anspruchs bildet. In der Tat geht es um den Ausgleich des Schadens, den der Alteigentümer als Folge der Verrugung an den Dritten erlitten hat. Für die Bemessung der Schadenshöhe verweist die analysierte Bestimmung auf die Beziehung zwischen dem nichtberechtigt Verrugenden und dem Dritten. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, daß der Anspruch aus § 816 I I BGB nicht nur als Alternative zur Vindikation, wie bei allen Kondiktionsansprüchen üblich, sondern auch zur Deliktsklage aufgefaßt wird - und dies ist ziemlich ungewöhnlich für das Kondiktionsrecht. Wie der Diebstahlsfall zeigt, ähnelt § 816 I I BGB der Funktion nach eher den Zielen, die eigentlich dem Deliktsrecht zugesprochen werden. Auch die Struktur der Klage erscheint näher an einem Anspruch ex delicto als an der klassischen Kondiktion. Die unterschiedlichen Eingrenzungen des jeweiligen Haftungsumfangs liefern kein entscheidendes Argument gegen die Ähnlichkeit der Ansprüche, solange die Struktur der Tatbestände davon nicht betroffen ist. Letztlich ist auch das Argument nicht stichhaltig, daß der Anspruch aus § 816 I I BGB von einer Herausgabefunktion gekennzeichnet wird, die weniger die Herausgabe der Sache als einen Ausgleich der vom Kläger durch die Verrugung erlittenen Benachteiligung anstrebt. Der Tatbestand des § 816 I I BGB ist von besonderem Interesse bezüglich seiner Funktion als Verbindungsstelle zwischen Bereicherungs- und Deliktsrecht. Solche Rechtsfiguren tragen in wesentlichem Maße gegen eine zu scharfe Eingrenzung und Trennung der Ansprüche in unterschiedliche Rechtsbereiche bei. c) Fälle von Verbindung. Vermischung und Verarbeitung
Ein maßgebender Prüfstein rur die Titellehre ergibt sich aus den Tatbeständen der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung einer Sache gern. §§ 946 ff. BGB. § 951 I BGB gewährt denjenigen eine Entschädigung, die infolge des
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Eintritts der Rechtsänderung einen Rechtsverlust erlitten haben. Hinsichtlich der Regelung der Entschädigung verweist die Bestimmung auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, wobei betont wird, daß die restitutio in integrum stets ausgeschlossen bleibt. Angesichts der ernsten wirtschaftlichen Folgen der Wiederherstellung des früheren Zustandes entscheidet sich somit das Gesetz rur das kleinere Übel, indem es lediglich einen Anspruch auf den Ersatz des Wertes der verloren gegangenen Sache gestattet. Nach der ganz h.A.148 enthält der fragliche Tatbestand keine selbständige Anspruchsgrundlage, sondern er verweist auf das allgemeine Bereicherungsrecht. Es handelt sich, genauer gesagt, um eine Rechtsgrundverweisung auf § 812 I I BGB. Entsprechend den Grundsätzen der Trennungslehre wird der Anspruch aus § 951 I BGB überwiegend unter die Eingriffskondiktionen 149 eingeordnet. Beruht die Vermögensverschiebung auf einem unwirksamen Vertrag, erfolgt die Rückabwicklung unmittelbar durch die Ausübung einer Kondiktion gern. § 812 I I Alt. I BGB, ohne daß § 951 I BGB überhaupt zum Tragen kommt l50 . Dies bedeutet, daß auch bei dieser Fallkonstellation die normalen Subsidiaritätsverhältnisse zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion beachtet werden: So wird der Anspruch nicht angewendet, wenn die Bereicherung infolge einer vom Entreicherten erbrachten Leistung eingetreten ist, weil die Leistungskondiktion nach dem Prinzip der Subsidiarität 151 weitere Kondiktionsansprüche ausschließt. Die Rechtsgrundlosigkeit der Zuwendung wird in der Literatur l52 abgelehnt, wenn sie auf einem Schuldverhältnis zwischen den Bereicherungsparteien basiert. Diese Meinung ist unter dem Gesichtspunkt der Titellehre besonders interessant, weil ihr zufolge der Mangel an einer iusta causa und das Schuldgeschäft zusammenfallen. Die überwiegende Lehre liest in § 951 I BGB einen Gesamtverweis auf das allgemeine Bereicherungsrecht. Die Auffassung, nach der die Bestimmung eine bloße Rechtsfolgeverweisung beinhalten könnte, wird meines Wissens einstimmig abgelehnt. Diese Ablehnung ist keineswegs zufällig, die h.L. hat vielmehr gute Gründe: Keine andere Interpretation wäre nämlich mit dem Standpunkt der Trennungslehre in Einklang zu bringen. Die Herstellung einer Bezie-
148 Statt aller MünchKommlQuack, § 951, Rdnr. 3, mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung. 149 StaudingeriGursky, § 951, Rdnr. I; Wieling, 1997, 135. 150 StaudingeriGursky, § 951, Rdnr. 6. 151 Dazu oben, dritter Teil, B. I. 2. a. MünchKommlQuack, § 951, Rdnr. 2, spricht von einem "Auffangtatbestand", s. auch Rdnr. 5; Wieling, 1997, 135. 152 MünchKommlQuack, aaO. (vorige Fn.), Rdnr. 12; StaudingeriGursky, § 951, Rdnr. 18.
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hung zwischen den Fällen von Verbindung, Vermischung und Verarbeitung und dem Kondiktionsrecht als Rechtsfolgeverweisung würde nämlich dazu fUhren, daß nur einige Bereicherungsvorschriften eingeschaltet werden, und zwar lediglich diejenigen über den Haftungsumfang. Aber dadurch würden die Ansätze der Trennungslehre umgangen, weil der Anspruch aus § 951 I BGB vom Subsidiaritätsprinzip, das auf dem fUr die h.M. in § 812 I BGB verankerten Unterschied zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion beruht, nicht berührt wäre. Einem derart aufgebauten Anspruch könnte man jedoch entnehmen, daß § 951 I BGB dem Entreicherten einen direkten Durchgriff gegen den Dritten ermöglicht, doch dieses Ergebnis wäre gewiß nicht in Sinne der h.L.: Die ablehnende Ansicht l53 über die Versionsklage wird nämlich von der Rechtswissenschaft generell geteilt l54 . So erweist sich eine Absage an die "Durchgriffskondiktion" als völlig konsequent, weil diese nichts anderes als eine Wiederbelebung der Versionsklage bedeuten würde. Die Furcht vor den möglichen Auswirkungen einer actio de in rem verso hat die Rechtsforschung l55 von der Gefährlichkeit der Durchgriffskondiktion überzeugt. Nach der h.A. gilt der Empfängerhorizont l56 als weitäußerste Grenze für die Anwendbarkeit der Kondiktion, die, soweit möglich, auf die Vertragsparteien eingeschränkt werden soll. Also darf sich der Baulieferant nur an den Bauunternehmer wenden, der die Baumaterialien bestellt hat, falls das die Lieferung begründende Vertragsverhältnis zwischen den beiden unwirksam ist, selbst wenn sich die Materialien schon bei dem Bauherm befinden I57 . Diese Regelung entspricht dem Grundsatz der Trennung von Kondiktionsansprüchen, die je nach Bestehen einer Leistung gewertet werden. Eine zwingende Logik kann der h.L. jedoch bei den Fällen des sog. Doppelmangels nicht ohne weiteres angerechnet werden: Eine sehr verbreitete Ansicht l58 gewährt dem Lieferanten infolge der Unwirksamkeit bei der Verträge, also zwischen dem Lieferanten und dem Bauunternehmer, bzw. zwischen dem Bauunternehmer und dem Bauherm, einen direkten Kondiktionsanspruch des Lieferanten gegen den Bauherm. Eine Kondizierbarkeit der Vermögensverschiebung beim Doppelmangel widerspricht m.E. den Prinzipien der Trennungslehre, da sich eine besondere Behandlung
BaurlStürner, 555, mit weiteren Nachweisen. S. oben, dritter Teil, C. 11. I. 155 BaurlStürner, 555. 156 Vgl. supra, dritter Teil, B. 1. 2. a). 157 BGHZ 40, 272; v. Caemmerer, Bereicherung, 373. 158 S. dazu fiir ausfiihrliehe Nachweise BaurlStürner, 556, die diese Ansicht als heute noch herrschend bezeichnen; und StaudingerlGursky, § 951, Rdnr. 8, der hingegen heutzutage die Gegenmeinung fiir überwiegend hält; beide Autoren lehnen diese Auffassung zu Recht ab. 153
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dieser letzten Fälle nicht rechtfertigen läßt. Ein solches Ergebnis würde eher mit den Ansätzen der Titellehre in Einklang stehen, da sie den Kondiktionsanspruch nicht von der unmittelbaren Vornahme einer Leistung abhängig macht. Nach der Titellehre könnte der Bauherr, der das Eigentum an dem Material erworben hat, der Kondiktion des Entreicherten beim Doppelmangel gegebenenfalls keinen wirksamen Rechtstitel entgegenhalten, weil die Materialien vom Bauunternehmer ohne rechtlichen Grund erworben wurden und deshalb der Veräußerungstitel, mit dem der Entreicherte seine Klage begründet, genauso unwirksam ist wie der Erwerbstitel des Bauherm. Die Klage gegen den Bauherm wäre nach diesen Maßstäben somit zulässig. In jedem Fall muß der Rechtstitel des Anspruchsgegners , hier der des Bauherms, geprüft werden, bevor über die DurchfUhrbarkeit der Klage entschieden werden kann. Es gibt nur zwei Tatbestände, anhand derer der Kondiktionsschuldner das Eigentum an dem gelieferten Material erworben haben kann. Zum einen ist der Eigentumserwerb auf die Einigung und Übergabe des Bauunternehmers nach § 929 BGB zurückzufUhren. Zum anderen könnte es sich um einen originären Erwerb aus § 932 BGB handeln. Obwohl beide Tatbestände zum Erwerb des Materials fUhren, ist die genaue Feststellung der Erwerbsgrundlage fUr die Titellehre keinesfalls belanglos. Hat der Bauherr nämlich das Eigentum vom Bauunternehmer erlangt, dann bildet das Rechts(grund)geschäft zwischen beiden Rechtssubjekten den Rechtstitel des accipiens: Wenn das Rechtsgeschäft unwirksam ist, darf gegen den Bauherm kondiziert werden. Zu einer ganz anderen Überlegung veranlaßt indessen der Tatbestand des originären Erwerbes nach § 932 BGB. Bei dieser Fallkonstellation liegt der Rechtstitel direkt in der voluntas legis, d.h. im Gesetz, und ist deshalb per definitionem immer wirksam. Der Bauherr darf folglich dem Lieferanten und dem Bauunternehmer diese Wirksamkeit entgegenhalten, so daß sein Eigentumserwerb kondiktionsfest wäre. Die Anwendung der Lehre von titulus und modus adquirendi ermöglicht es aber, zu einer von der h.L. abweichenden Interpretation des § 951 BGB zu gelangen. Um eine Kondiktionsklage als zulässig zu erklären, ist eine Analyse der §§ 946 ff BGB erforderlich, weil darin die genauen Hinweise auf die Erwerbungsart und auf den erforderlichen rechtlichen Grund des Erwerbstatbestandes enthalten sind. Daraus ergibt sich folgendes: Der modus besteht in der materiellen Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung der Sache. Hat die Sache ihr ursprüngliches Wesen verloren, indem sie "wesentlicher Bestandteil" einer anderen Sache, so §§ 946 und 947 I BGB, geworden ist, so ist die Tätigkeit selber, wodurch die Rechtsänderung eingetreten ist, die Erwerbungsart. Der Rechtsmodus beeinflußt die Verwirklichung des Eigentumsüberganges, ohne daß die Einwilligung der Parteien dabei relevant wäre. Es ist das Gesetz selbst, das als deus ex machina in den Mechanismus eingreift, indem es den mangelnden Willen der Parteien ersetzt und somit eine vom Erwerbstatbestand des § 929 BGB abweichende Übereignung zuläßt. So betrachtet, enthalten die §§ 946 ff.
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BGB schon alle nötigen Infonnationen, einen Kondiktionsanspruch begründen zu können oder nicht. Die soeben angeführten Vorschriften stellen aus der Sicht der Titellehre einen fehlerlosen Erwerbstatbestand dar. Die Verbindung, Vennischung oder Verarbeitung führen als äußere Handlungen zum Erwerb des Eigentums an der Sache gemäß den §§ 946 ff. BGB; die so vollendete Vennögensverschiebung ist außerdem mit einem rechtlichen Grund, d.h. mit der gesetzlichen Zustimmung erfolgt, so daß sie deshalb auch kondiktionsfest wird. Aus der Wirksamkeit des titulus und des modus sollte die Analyse notwendigerweise schließen müssen, daß das erworbene Eigentum durch Kondiktion nicht angreifbar ist. Die grundlegende Bedeutung des § 951 I BGB, welcher eine Entschädigung für den vom Entreicherten erlittenen Rechtsverlust gewährt, findet hier ihre Erklärung. Ohne einen direkten, ausdrücklichen Verweis jure imperii der Kodifikation auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung hätte der Entreicherte keinen rechtlichen Stützpunkt, um durch einen Kondiktionsanspruch seinen Nachteil auszugleichen, weil der Erwerb des Dritten bereicherungsrechtlich nicht rückgängig zu machen wäre. § 951 I BGB hebt also - ausnahmsweise und nur bezüglich der Tatbestände der §§ 946 ff. BGB - die Hindernisse zur Herausgabe auf und ennöglicht damit eine Abweichung VOn den RegelfaIlen, welche - es sei nochmals wiederholt - den Zugang zum Kondiktionsanspruch gewöhnlich erst gestatten, wenn der Rechtstitel unwirksam ist oder gar nicht besteht. Nach der h.L.159 verhindert das Bestehen eines Schuldverhältnisses, aufgrund dessen sich der Entreicherte zur Übertragung des Eigentums verpflichtet hat, die Anwendung des § 951 I BGB. Dies wird damit begründet, daß ein solches Schuldverhältnis bereits einen rechtlichen Grund im Sinne des § 812 I 1 BGB bildet. Gegen diese Meinung sprechen dennoch einige Überlegungen, wie der folgende Fall erhellt. Wenn E der Eigentümer von Papierbögen und V ein Verleger ist, der diese Bögen mit seinen eigenen für den Druck eines Buches über das Kondiktionsrecht verwendet, obwohl weder eine schuldrechtliche Verpflichtung noch eine sachenrechtliche Einigung zwischen ihm und E vorliegen, stellt sich die Frage, ob E gegen V kondizieren darf und auf welche Rechtsgrundlage er seinen Anspruch stützen könnte. Die Übereignung erfolgt aufgrund des § 950 BGB; durch die Wirksamkeit der Erwerbungsart, d.h. der Verbindung, wird der accipiens zweifellos auch oh-
159 MünchKommlQuack, § 951, Rdnr. 2; BaurlStürner, 554; StaudingeriGursky, § 951, Rdnr. 18.
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ne eine wirksame Verabredung über seine Verwendung zum Eigentümer der Papierbögen. Auch ein wirksamer Rechtstitel ist gegeben, da das Gesetz dem Eigentumsübergang durch die ausdrückliche Bestätigung der Vermögensverschiebung stattgibt. § 947 11 BGB beschreibt also den titulus und zugleich den modus des Erwerbstatbestandes bei der Verbindung von beweglichen Sachen. Nichtsdestoweniger darf der E gegen V auf Herausgabe klagen, weil der Sondertatbestand des § 951 I BGB eine Brücke schlägt, die diese Vorschrift mit dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung verknüpft. Nimmt man hingegen bei dem angeführten Beispiel an, daß E und V einen schuldrechtlichen Vertrag gern. § 433 BGB abgeschlossen haben, dürfte man nach der h.L. dem Kondiktionsanspruch des E nicht stattgeben. Die Unbegründetheit des Kondiktionsanspruches soll nach dieser Ansicht dem Bestehen einer schuldrechtlichen Verabredung zu entnehmen sein. Diese Behauptung wird damit begründet, daß die Zuwendung infolge der Verabredung eigentlich die Vornahme einer geschuldeten Leistung wäre und somit nicht auf der Basis des § 951 I BGB bereicherungsrechtlich einklagbar ist, weil sich diese Vorschrift lediglich mit Nichtleistungskondiktionen beschäftigt. Durch die Brille der Titellehre gewinnt man indessen hinsichtlich der Rolle des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts eine andere Perspektive. Die Tatbestandsmerkmale des § 947 11 BGB werden durch das Gesetz als titulus und die tatsächliche Verbindung als modus erfüllt. Aus der Zusammensetzung dieses Tatbestandes ergibt sich daher, daß es darin keinen Raum für einen schuldrechtlichen Vertrag gibt, der den Rechtstitel für einen kondiktionsfesten Eigentumserwerb enthalten würde: Wozu soll diese causa dienen? Gewiß unterstützt sie keinen Eigentumsübergang, der auf § 947 BGB zurückgeführt werden könnte. Ein solcher Kontrakt wird vom Tatbestand selbst gar nicht vorgeschrieben. Der Kaufvertrag aus § 433 BGB gehört nicht zum Erwerbstatbestand der Verbindung aus § 947 11 BGB, so wie die Titellehre diesen Tatbestand betrachtet, nämlich als Zusammenwirken von titulus und modus. Soweit es den Kondiktionsanspruch anbelangt, ist ein kausatragendes Rechtsgeschäft bei dieser Fallkonstellation überflüssig. Das Rechtsgeschäft bleibt deshalb dem Tatbestand der Verbindung fremd und kann folglich kein Hindernis für die Kondizierbarkeit der Vermögensverschiebung darstellen. Da § 812 I 1 BGB für die Zulässigkeit der Klage das Nichtvorhandensein eines rechtlichen Grundes verlangt, während, wie eben gesehen, der Erwerb aus § 947 11 BGB doch aufgrund einer iusta causa, d.h. dem Gesetz, erfolgt, muß folgerichtig geschlossen werden, daß § 951 I BGB nicht auf das gesamte Bereicherungsrecht, sondern lediglich auf die Normen über den Umfang des Herausgabesanspruches verweist. § 951 I BGB ermöglicht nämlich den Zugang zum Bereicherungsrecht, selbst wenn das Eigentum mit einem rechtlichen Grund übergegangen ist. Dieses Ergebnis ist jedoch mit dem Wortlaut des § 812 I 1 BGB, der unter den Tatbestandsmerkmalen ausdrücklich auch den fehlenden rechtlichen Grund erwähnt, offenkundig unvereinbar. Es handelt sich also bei § 951 I BGB um eine Rechtsfolgeverweisung und deshalb kommen die Herausgabeansprüche der §§
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
812 ff. BGB nicht zum Tragen. Sie bezweckt durch ihren Verweis auf §§ 818 ff. BGB hauptsächlich die Feststellung der Regeln, die die Herausgabe nach § 951 I BGB bestimmen. Vielmehr rechtfertigt der Abschluß eines Vertrages anderweitige Erwägungen. Das schuldrechtliche Rechtsgeschäft könnte unter Umständen einen Maßstab für die Bewertung der Verhaltensweise der Vertragsparteien darstellen: Die Erhebung einer Restitutionsklage würde offensichtlich gegen die vom E schon im schuldrechtlichen Vertrag verankerte Verpflichtung zur Übereignung verstoßen; dieses widersprüchliche Verhalten könnte von der Rechtsordnung als Fall des venire contra factum proprium mit der daraus folgenden Mißbilligung in Form der gerichtlichen Ablehnung eingeordnet werden.
d) Fund Eine ähnliche Erwerbsstruktur wie bei der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung charakterisiert auch die §§ 965 ff. BGB, die sich mit dem Fund beschäftigen. Abgesehen von dem Sonderfall des Fundes in einer öffentlichen Behörde oder Verkehrsanstalt gern. § 978 BGB erwirbt der Finder nach § 973 I BGB mit Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes das Eigentum an der Sache. Das Gesetz berücksichtigt in § 977 BGB auch die Position desjenigen, der das Eigentum durch den Erwerb des Finders verliert, nämlich durch die Bereitstellung eines Bereicherungsanspruches. Fraglich ist nun, ob dem Alteigentümer auch ohne den Verweis auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung ein Restitutionsanspruch zur Verfügung stünde. Zur Klärung dieser Frage wird nun die Titellehre herangezogen. Die Erwerbungsart des Fundes wird in § 973 BGB beschrieben. Genauso wie bei der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung enthält auch diese Bestimmung einen aus der Sicht der Titellehre vollständigen modus adquirendi. In der Anzeigepflicht gern. § 965 BGB liegt das Element der Äußerlichkeit, das der Publizität der Rechtsänderung zugunsten Dritter dient. Während der sechsmonatigen Anzeigefrist wird den Dritten ein angemessener Zeitraum eingeräumt, um die Rechtsverhältnisse in bezug auf die gefundene Sache wahrzunehmen. Neben dem Rechtsmodus wird im § 973 BGB auch der Träger der iusta causa traditionis, die die Vermögensverschiebung begründet, festgestellt. Eine Vereinbarung der Parteien gibt es nicht. Im übrigen wäre sie für die Feststellung der Kondizierbarkeit überflüssig, weil der rechtliche Grund unmittelbar der dispositio legis, also dem Gesetz, zu entnehmen ist. Der Erwerb des Finders hat somit auf der Grundlage der Titellehre eine wirksame Kausa und ist daher theoretisch kondiktionsfest; das Gesetz muß folglich eine weitere Ausnahmeregelung zugunsten des Entreicherten in die Kodifikation einführen, um ihm den Zugriff zum Kondiktionsanspruch zu ermöglichen. Dies wird durch den im §
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977 BGB enthaltenen Verweis auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung erreicht. Das Bedürfnis nach ausdrücklichen Sonderregeln erklärt sich damit, daß eine Ausdehnung des Bereicherungsrechtes auf den Fund durch einfache Auslegung angesichts des Gesetzeswortlautes nicht zu rechtfertigen wäre. e) Ersitzung § 937 BGB übernimmt die Tatbestandselemente des römischen Modells, das sie in fides. tempus und possessio festgesetzt hat. Die Bedeutung dieser Rechtsfigur ist im deutschen Recht sehr gering l60 ; da die gesetzgeberische Anerkennung der Erwerbsarten a non domino gern. §§ 932 ff. BGB vornehmlich auf Kosten der Ersitzung vollzogen wurde, die demzufolge zum großen Teil gegenstandslos geblieben ist, was auch ein Blick auf die Rechtsprechung bezeugen kann l61 . Trotz ihres unerheblichen, oder zumindest sehr eingeschränkten, praktischen Gewichtes ist die Ersitzung, vor allem hinsichtlich ihrer Beziehung zum Bereicherungsrecht, ein in den Abhandlungen oft wiederkehrendes Thema. Dieses wissenschaftliche Interesse zeigt, daß eine Untersuchung dieser Beziehung vieles über die Mechanismen des Eigentumserwerbes und des Kondiktionsrechtes erläutern kann. Anerkanntermaßen 162 spalten sich die Interpretationen über die Bewertung der gesetzlichen Angabe; einer eher traditionellen Auslegung steht eine systematische, kritische Auffassung entgegen. Schon die Rechtslehre um die lahrhundertwende wehrte sich gegen die gesetzgeberische Lösung, zu der die Diskussionen über die Gesetzesentwürfe gekommen waren: Die 1. und die 2. Kommission lehnten dabei die Kondizierbarkeit der ersessenen Sache eindeutig ab 163 • Trotz der negativen Meinung der Kommissionen wird die Kondizierbarkeit einer ersessenen Sache von einem Teil der Rechtslehre l64 angenommen. Das Hauptargument der Befürworter der Kondizierbarkeit stützt sich auf die nicht zu begründende, unterschiedliche Rechtslage des Besitzers gegenüber der des Ersitzenden: Derjenige, der den Besitz ohne rechtlichen Grund erlangt, wird nämlich von der lex scripta gegenüber demjenigen, der den
4.
160
Unumstritten, statt aller Wieling, 1997, 127; und MünchKommlQuack, § 937, Rdnr.
161 BaurlStürner, 579, betonen den Mangel an Judikatur; kaum Rechtsprechung wird auch in der neueren Auflage des Münchener Kommentars angegeben. 162 S. eine klare Darstellung der Argumente der beiden gegenüberstehenden Theorien in Gursky, 1995, 69 ff. 163 S. die Rekonstruktion der Debatte in Bauer, 169 ff. 164 Grundlegend WoljJ, 1910, 190 f., dessen Position allerdings nach Gursky, 1995, 70, noch unklar ist; und Dertmann, 1910, 585 ff.
16 Giglio
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Besitz und das Eigentum erworben hat, offensichtlich begünstigt. Dies geschieht durch die gesetzliche Einräumung der Möglichkeit, das Eigentum an der Sache durch Ersitzung endgültig zu erwerben. Außerdem sei die bessere Position des kausalosen Besitzers gegenüber demjenigen, der das Eigentum ohne rechtlichen Grund derivativ erworben hat und somit dem Risiko der Restitution gern. §§ 812 ff. BGB unterstellt ist, nach dieser Auffassung in keiner Weise mit rechtlichen Argumenten zu begründen. Diese Meinung ist in der jüngeren Literatur überwiegend und sie wird durch folgende These gerechtfertigt: Der Alteigentümer darf den Besitz kondizieren, falls dieser ohne rechtlichen Grund erworben worden ist, etwa wenn ein gutgläubiger Erwerber eine abhanden gekommene Sache durch eine Verfugung sine causa des Nichtberechtigten erworben hat; oder nach einer unentgeltlichen Vennögensverschiebung im Sinne des § 816 I 2 BGB; oder wenn der Veräußerer geschäftsunfähig war. Eine Kondiktion wird also stets gewährt, wenn trotz der Ersitzung kein wirksames, entgeltliches (wegen § 816 I 2 BGB) Kausalgeschäft die Übereignung unterstützt. Diese Theorie ist heute trotz eines erheblichen Widerstandes 165 zur h.M.166 geworden, sie findet jedoch m.E. keinen festen Stützpunkt im geltenden Recht und scheitert folglich an einer Überlegung, gegen die kein stichhaltiger Einwand vorgebracht werden kann: Das Kondiktionsrecht würde dadurch so angewendet, "als habe der Erwerber das Eigentum nicht erst durch Ersitzung erworben, sondern unmittelbar durch die Übereignung des Nichtberechtigten oder des geschäftsunfähigen Eigentümers" 167. Die Denkweise der h.M. ist unvereinbar mit der Methode der Titellehre und fuhrt unter Beachtung ihrer Kriterien zu unhaltbaren Ergebnissen. Hauptsächlich eine nicht angemessene Bewertung der Funktion des Kausalgeschäfts gegenüber der Übereignung, die die Ersitzung sachenrechtlich verfestigt, kann dieser überwiegenden Sichtweise entgegengehalten werden. Um zur Schlußfolgerung der h.L. kommen zu können, nach der die ersessene Sache kondizierbar wäre, sollte der Erwerbstatbestand folgendennaßen gestaltet sein: Der titulus adquirendi müßte zunächst unwirksam sein. Weil das Gesetz als mögliche causa nie iniusta sein kann, müßte der Rechtstitel allerdings nicht im Gesetz, sondern anderswo zu suchen sein. Die einzig denkbare Alternative liefert ein schuldrechtliches Geschäft, in dem die Parteien ihre Verpflichtungen verankert haben, das sich jedoch als unwirksam erweist. Diese Unwirksamkeit würde
165 StaudingeriLorenz, vor §§ 812 ff., Rdnr. 22; RGRKlHeimann-Trosien, vor § 812, Rdnr. 30; Wieling, 1997, 128 f.; KoppensteineriKramer, 197. 166 Unter anderen MünchKommlQuack, § 937, Rdnr. 21 ff.; BaurlStürner, 582 f.; LarenzlCanaris, 143 f. WestermanniGursky, 380 f. In der Rechtsprechung grundlegend RGZ 130, 69 fT. insb. 72. 167 So zu Recht Bauer, 175.
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dann einen Herausgabeanspruch auslösen. Die Kondizierbarkeit ergäbe sich somit aus der Mangelhaftigkeit oder aus dem Nichtbestehen des Grundgeschäftes. Die logische Linie, der diese Lehre folgt, setzt meiner Ansicht nach jedoch eine nicht korrekte Prämisse voraus. Ihre Konsequenzen sind daher abzulehnen, vor allem weil sie der littera legis nicht entsprechen. Das Gesetz ist diesbezüglich äußerst klar: Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, sagt § 937 I BGB, der erwirbt aufgrund des einfachen Besitzes - und des guten Glaubens - das Eigentum an dieser Sache. Hiernach ist der modus von einer besonders qualifiziertenpossessio, d.h. in Verbindung mit tempus undfides, gegeben. Der Besitz führt zur Ersitzung ohne einen Beitrag der Willen der Parteien, die in den Erwerbsmechanismus der Ersitzung nicht einbezogen werden. Es handelt sich dabei vielmehr um einen rein tatsächlichen Vorgang, der die Mitwirkung des Konsenses nicht braucht. Es ist hingegen das Gesetz, das (unter diesem Gesichtspunkt) ohne Rücksicht auf die Wünsche der Parteien bestimmt, ob und wann eine Sache ersessen wird. Der Rechtstitel der Ersitzung besteht folglich nicht aus einer aus diesem Blickwinkel völlig irrelevanten Willenserklärung der Parteien, wie hingegen die h.L. implizit behauptet, wenn sie die Kondizierbarkeit des originären Erwerbes auf ein unwirksames Rechtsgeschäft zurückführt, denn der rechtliche Grund der Ersitzung liegt im Gesetz selbst. Der richterlichen Ansicht l68 , nach der das Gesetz diesbezüglich keine Angaben enthalten würde, ist deshalb nicht zu folgen l69 . Im Gegenteil, durch den Verzicht auf einen ausdrücklichen Verweis auf das Bereicherungsrecht, der hingegen für die Fälle der Verbindung, Vermischung, Verarbeitung und des Fundes vorgesehen wurde, enthält der Wortlaut des Gesetzes ein klares Signal für die Auslegung. Die Abwesenheit dieses Verweises stellt keine Folge eines gesetzgeberischen Versehens dar, denn eine Gesetzeslücke solcher Dimensionen wäre wohl kaum denkbar. Es erscheint ziemlich unglaubwürdig, daß das Gesetz im Unterschied zu den eben erwähnten Rechtsfiguren die Regelung eines Verweises auf das Bereicherungsrecht einfach vergessen hat. Daß dem Alteigentümer kein Restitutionsrechtsbehelf zur Verfügung steht, läßt sich also nur dadurch erklären, daß das Gesetz das Bereicherungsrecht und die Ersitzung deutlich trennen möchte. Die Idee der Kondizierbarkeit des Eigentums an einer ersessenen Sache fügt sich nicht in den Systemzusammenhang der deutschen Kodifikation, weil die von der h.L. angenommene Verbindung zwischen Ersitzung und Kondiktion der
RGZ, 130, 73: "Das Gesetz selbst schweigt". Die mit dieser These verbundenen Schwierigkeiten sind auch den Verfechtern der Kondizierbarkeit ersichtlich; s. MünchKomm/Quack, § 937, Rdnr. 23: "Die vom RG verwendete Argumentation ad absurdum ist bei den heute vertretenen Lösungen nicht mehr gerechtfertigt". 168 169
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Systematik des BGB fremd ist, wie eine Überprüfung des Rechtstitels, auf den dieser Erwerbstatbestand beruht, feststellen kann. Für die Untersuchung wird ein berühmtes Beispiel aus der Rechtsprechung des RG herangezogen, der sog. Menzel-FaIl 170 : Eine geisteskranke Frau schenkte einem Museum diverse Gemälde der Familie; einige Jahre später erfuhr der Vormund von der Schenkung und versuchte, sie rückgängig zu machen. Das Museum hielt der Bereicherungsklage die seit der Schenkung nunmehr vollendete Ersitzung entgegen. Eine mit der h.L. übereinstimmende Auslegung wird bei dieser Fallkonstellation wohl die These vertreten, daß der Besitz an den Gemälden ohne rechtlichen Grund übertragen wurde, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Handlung geisteskrank war. Das Museum müßte folglich die Sache herausgeben, deren Besitz kausal os erlangt wurde. Versucht man, die von der h.M. vertretene These mit den Begriffen der Titellehre darzustellen, kommt man zu folgenden Ergebnissen: Titulus adquirendi wäre die (unwirksame) Schenkung aus § 516 BGB. Dieses schuldrechtliche Geschäft müßte dann gemäß der Erwerbsstruktur des deutschen Rechtes von einem dinglichen Vertrag begleitet werden, der für den Eintritt von sachenrechtlichen Änderungen notwendig ist. Einigung und Übergabe gern. § 929 BGB fehlten jedoch bei dieser Fallkonstellation, an ihrer Stelle hat die Ersitzung den Eigentumsübergang herbeigeführt. Zu den Tatbestandsmerkmalen der Ersitzung gehört nicht das Vorhandensein eines Rechtsgeschäftes, zumal das geltende deutsche Recht das gemeinrechtliche Modell der usucapio abgelehnt hat l71 , das zu den unentbehrlichen Merkmalen auch den iustus titulus zählte, d.h. - in der modemen Terminologie 172 - ein Verfligungsgeschäft lato sensu, das ein abstrakt taugliches Mittel zur Übereignung darstellt. Dieser "Titel"173 bildete zwar ein Tatbestandsmerkmal des originären Erwerbes, er war jedoch als Rechtstitel im Sinne der Titellehre irrelevant. Der einzige titulus adquirendi dominium blieb auch im gemeinen Recht bei diesem originären Erwerbungsvorgang nur das Gesetz. Die unwirksame Schenkung darf folgerichtig nicht als iniusta causa traditionis der Ersitzung betrachtet werden und kann deshalb keinen Kondiktionsanspruch begründen. Die Ersitzung bildet einen originären Erwerbstatbestand, dessen Rechtstitel per definitionem in keinem Rechtsgeschäft liegen kann, weshalb es auch bei der Überprüfung der Begründetheit eines Bereicherungsanspruches vollkommen belanglos bleibt. Rechtstitel der Ersitzung ist hingegen, es sei nochmals wiederholt, allein das Gesetz. Weil das Gesetz stets ein iustus titulus ist, zumindest solange kein weiteres Gesetz, bzw. keine gerichtliche Entscheidung seine Wirksamkeit aufhebt, findet das 170 RGZ, 130,69. 171 Dies erkennt auch RGZ, 130,72. S. BaurlStürner, 580. 172 Ruperto, 140; Mengoni, 183.
173 Weiter dazu im nächsten Abschnitt, V. 2.
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Kondiktionsrecht ohne einen ausdrücklichen gesetzlichen Verweis keine Anwendung. Im übrigen erscheint die Argumentation der h.M., nach der der Besitz direkt kondiziert werden kann, so daß auch das Eigentum dadurch herausgegeben werden muß, nicht sonderlich tragfahig. Der Erwerber ist entsprechend aller Kriterien des Gesetzes Eigentümer geworden und das Eigentum kann ihm nicht einfach aufgrund eines vom Erwerbstatbestand nicht vorgesehenen, unwirksamen Rechtsgeschäftes entwendet werden. Noch schwächer wirkt m.E. die These, nach der durch die Herausgabe des Besitzes bei einer Kondiktionsklage das Eigentum verloren geht. Diese Behauptung kann im Gesetz keinerlei Stützpunkte finden, auch weil eine solche Anwendung einen Mißbrauch des Kondiktionsrechtes bedeuten würde. Aus einer anderen Perspektive verdient die h.L. dennoch volle Anerkennung: Die Ersitzung bildet ein Beispiel eines mißlungenen Rechtsinstituts. Trotzdem kann man aber die Diskrepanz zwischen Ersitzung und Bereicherung nicht mittels des Bereicherungsrechts korrigieren 174. 2. Die Titellehre und das italienische Kondiktionsrecht
Trotz der beträchtlichen Differenzen zwischen den bei den Rechtssystemen hinsichtlich des zum Eigentumserwerb ruhrenden Tatbestandes und der damit verbundenen Divergenzen in der Funktion des Bereicherungsrechtes lassen sich rechtsvergleichend deutliche Parallelen in der Entwicklung des Kondiktionsanspruches feststellen, dessen Struktur sich seit dem römischen Recht nicht erheblich verändert hat. a) Rechtslage des Dritten bei der Verfogung eines Nichtberechtigten
Die Ähnlichkeiten zwischen dem italienischen und dem deutschen Recht sind auch bezüglich der Regelung der unberechtigten Verrugung des accipiens an einen Dritten über die Sache des solvens nach Art. 2038 I 3 und II 3 c.c. nicht zu übersehen. Die kondiktionsrechtliche Inanspruchnahme des Dritten ist bei entgeltlichen Verrugungen von der genannten Vorschrift nicht vorgesehen, der Endabnehmer haftet daher lediglich im Falle einer unentgeltlichen Verrugung bis zum Wegfall seiner Bereicherung. Die Regel des Art. 2038 c.c. ist rur das Kondiktionsrecht sehr wichtig, weil sie verdeutlicht, daß eine sachenrechtlich völlig stabile Rechtslage wie die des unentgeltlichen Erwerbers, der sich gegenüber der Leistungsbeziehung zwischen dem Entreicherten und dem Weiterverrugenden in einer Drittposition befindet, von einem Restitutionsanspruch 174
Zutr. Bauer, 183.
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gefährdet werden kann. Auch rur das italienische Recht scheint sich deshalb eine Inkongruenz zwischen den Ansätzen der Titellehre und der littera legis zu ergeben, weil nach ersterer ein Eigentumserwerb, der aufgrund eines wirksamen Rechtstitels erfolgt ist, kondiktionsfest wird. Trotzdem gewährt das Gesetz einen Kondiktionsanspruch gegen den Dritten. Die dadurch entstehende Rechtsfrage muß dieselbe Antwort erhalten, die schon bei der Analyse der §§ 816 I 2 und 822 BGB formuliert wurde l75 : Der fragliche Tatbestand umfaßt eigentlich keinen Kondiktionsfall, sondern er betrifft eine Nachfolgerin der klassischen actio de in rem verso. Diese Klage liegt aber jenseits des Anwendungsbereiches der Titellehre. Die Fremdheit des Anspruches gegen den Dritten aus Art. 2038 I 3 und 11 3 c.c. gegenüber der Kondiktion ist m.E. noch evidenter als im deutschen Recht, weil das italienische Kondiktionsrecht keine unmittelbare Regelung des Wegfalls der Bereicherung enthält. Um zu denselben praktischen Folgen der deutschen Wegfallklausel zu gelangen, denn die Gerechtigkeit als allgemeines Gebot ist rur den Codice civile ebenfalls unverzichtbar, wurde ein Mechanismus entwickelt, der bei einigen Fällen durch einen Verweis die Einschaltung der Haftungsbegrenzung der allgemeinen Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. bewirkt l76 . Art. 2038 überbrückt somit die historische und dogmatische Entfernung zwischen Kondiktions- und Versionsrecht, indem er dem Versionsrecht, d.h. einem Rechtsinstitut, das rechtsgeschichtlich, rechtssystematisch und sinngemäß177 lediglich eine Verwandtschaft mit der von den Artt. 2033 ff. c.c. geregelten condictio indebiti aufweist, eine Tür zum Kondiktionsrecht offen hält. Dieser besondere und rur das Kondiktionsrecht außergewöhnliche Verweis läßt sich hinsichtlich des Art. 2038 I 3 und 11 3 c.c. dadurch erklären, daß der erwähnte Tatbestand echte Versionsfälle regelt. Die Untersuchung der Auswirkung der causa auf den Tatbestand des Eigentumserwerbes anhand der Titellehre zeigt die wahre Natur der im Art. 2038 I 3 und 11 3 c.c. enthaltenden Rechtsfigur, die vom Rechtssystem als Kondiktion "getarnt" und von der Jurisprudenz als solche verstanden wird. Der Anspruch gegen den Dritten aus diesem Artikel bildet keine Kondiktion, womit folglich die Methode der Titellehre auf ihn keine Anwendung findet. Die Analyse des Codice civile bekräftigt diesbezüglich den bereits durch die Auslegung der deutschen Bestimmungen gewonnenen Eindruck, daß die Herkunft dieser Anspruchsart nicht mit der Kondiktion übereinstimmt, und deshalb von der Titellehre unberührt bleibt.
175 Vgl. supra, A. VI. l. a). 176 S. oben, dritter Teil, C. I. 2. a). und C. 11. 2. a). 177 Für eine ausführliche Begründung dieser Aussagen s. supra zweiter Teil, B. VI. 2., und dritter Teil, C. 11. 2. b).
A. Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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b) Verfiigung eines Nichtberechtigten
Die Haftung des Nichtberechtigten wird bei der Zahlung einer Nichtschuld als Sonderfall geregelt. Art. 2038 C.c. knüpft an das Verhalten des Verfügenden je nach seinem psychologischen Zustand unterschiedliche Folgen. Steht der Verfügende der Zuwendung gutgläubig gegenüber, wird seine Haftung auf das durch die Verfügung Erlangte beschränkt, während im gegenteiligen Fall, wenn er aber bösgläubig über die Sache des solvens verfügt, die Kodifikation dem Entreicherten die Wahl zwischen der Herausgabe der Sache in natura, bzw. des Marktwertes der untergegangenen Sache einerseits, oder der Forderung auf das durch die Verfügung Erlangten andererseits freistellt. Der Mittelsmann erwirbt lediglich in einigen Fallkonstellationen 178 das Eigentum an der verfügten Sache; der Dritte ist hingegen durch die Verfügung mit Sicherheit Eigentümer geworden, wie schon der Überschrift des Art. 2038 C.C., "Veräußerung der unberechtigterweise erhaltenen Sache", zu entnehmen ist. Eine Analyse des Art. 2038 c.c. mittels der Titellehre belichtet einige wichtige Merkmale des Anspruchs. Bei der Bewertung der Position des Erstempfangers, also des Mittelsmannes, unterscheidet das Gesetz nicht, ob er das Eigentum erworben, oder nur eine tatsächliche Herrschaft über die Sache ausgeübt hat. Daß der Gesetzgeber hier nicht deutlicher geworden ist, kommt der Interpretation zugute, weil es ihr dadurch leichter ist, beide Fälle, Eigentumserwerb und tatsächliche Herrschaft, unter die genannte Vorschrift subsumieren zu können. Für die Qualifikation der Position des Empflingers ist somit nur wichtig, daß eine äußere Handlung, durch die der Mittelsmann die Sache erlangt hat, stattgefunden hat. Diese Situation bringt bezüglich des titulus erhebliche Folgen mit sich: Der Rechtstitel mag wirksam oder unwirksam sein, ohne daß die Begründetheit des Anspruchs davon betroffen wird. Art. 2038 c.c. differenziert auch nicht, ob in dem einen Fall der Rechtstitel wirksam sein könnte, in dem anderen aber nicht, sondern er bewertet nach dem psychologischen Zustand des accipiens: Der bösgläubig Verfügende befindet sich infolge der Möglichkeit des Klägers, gern. Art. 2038 11 I bzw. 2 c.c. über den Anspruchsgegenstand zu entscheiden, in einer für ihn vergleichsweise schwierigeren Lage. Die Tatsache, daß die Erhebung der Klage aus Art. 2038 c.c. keinen wirksamen Rechtstitel erfordert, geht schon aus der eigenartigen Stellung dieses Anspruchs im Kondiktionsrecht hervor. Schwierigkeiten verursacht vor allem, daß
178 Der accipiens ist z.B. Eigentümer geworden, wenngleich aufgrund eines anfechtbaren Rechtsgeschäftes, falls er etwa als Geschäftsunfähiger oder Minderjähriger einen Vertrag abgeschlossen hat, Artt. 1425 und 1445 LV.m. Artt. 2 und 427 f. c.c. Bei Nichtigkeit nach Art. 1418 C.C., z.B. wegen Rechtswidrigkeit der Kausa, erwirbt der accipiens hingegen kein Eigentum.
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der Anspruchsgegner, also der Dritte, lediglich in einigen Fällen, im Einklang mit den Grundsätzen der Titellehre, Eigentümer geworden ist. Hat der Beklagte das Eigentum erworben, dann wäre eine Kondiktion durchaus folgerichtig. Hat der Dritte dagegen das Eigentum nicht erworben, werden die Voraussetzungen fiir die Gewährung eines kondiktionsrechtlichen Anspruches vom Gesichtspunkt der Titellehre aus nicht erfiillt. Die Art des im Art. 2038 c.c. geregelten Anspruchs gegen den Verfiigenden ist somit nicht eindeutig, so daß sich die Bestimmung schwer einordnen läßt. In diesem Zusammenhang scheinen m.E. nur zwei Interpretationen möglich zu sein. Erstens könnten aus Art. 2038 I 1 bzw. 11 1 und 2 c.c. zwei unterschiedliche, zusammenwirkende Ansprüche gelesen werden. Einer wäre ein echter Kondiktionsanspruch, der vom mangelhaften titulus des Eigentumserwerbes ausgelöst wird, der andere ein ex imperio hinzugefiigter, der aber im engen Sinne dem Kondiktionsrecht fremd ist. Zweitens wäre fiir den Tatbestand, der dem Rechtsgefiihl nach einheitlich behandelt werden soll, auch ein einziger Anspruch denkbar, der jedoch im Systemzusammenhang des italienischen Kondiktionsrechts eine Anomalie darstellen würde. Ein solcher Anspruch würde sich nämlich auf das Gesetz als titulus stützen, in dem Sinne, daß die dispositio legis ohne Rücksicht auf den Erwerb des Eigentums einen Anspruch auf Herausgabe einräumt, der als unechte Kondiktion betrachtet werden müßte, als ein Fremdkörper innerhalb des 7. Titels des Codice civile. Die Rechtsvergleichung spricht eher fiir diese zweite Interpretation: Schon das deutsche Recht kennt mit § 816 I I BGB einen mit den Voraussetzungen des Bereicherungsrechts - zumindest nach der Titellehre - nicht folgerichtig zu vereinbarenden Anspruch. Auch die binnensystematische, d.h. nur italienische Rechtsanalyse empfiehlt diese Auslegung. Zweck der Zahlung einer Nichtschuld nach Artt. 2033 ff. c.c. ist hauptsächlich die Herausgabe des vom accipiens Erlangten, während der Anspruch aus Art. 2038 I I und 11 2 c.c. sich auf die Herausgabe des durch die Verfiigung Erlangten richtet. Die Restitutionsfunktion gerät durch diese Änderung des Anspruchsgegenstandes offensichtlich ein wenig an den Rand, eher erinnert die Herausgabe des durch die Verfiigung Erlangten nämlich an die Ausgleichsfunktion der Deliktshaftung, da die Beziehung zwischen der herauszugebenden Sache und dem Inhalt des Anspruchs teilweise verlorengeht. c) Fälle von Verbindung. Vermischung und Verarbeitung
Art. 922 c.c. enthält das Verzeichnis sämtlicher gesetzlich anerkannter Erwerbungsarten des Eigentums, darunter fallen auch die Tatbestände der Verbindung, Artt. 934 ff. C.C., Vennischung, Art. 939 C.C., und Verarbeitung, Art. 940 c.c. In keinem dieser drei Tatbestände verknüpft das Gesetz die Position desjenigen, der aufgrund der Handlung das Eigentum ohne rechtlichen Grund verliert, mit den Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld, soweit es eine
A. Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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Entschädigung für den Rechtsverlust anbelangt. Das Fehlen einer Vorschrift, die den entreicherten Alteigentümer in solchen Fällen durch einen allgemeinen Verweis auf das Kondiktionsrecht schützt, verdeutlicht die Absicht des Gesetzgebers, die Rechtslage des Entreicherten nicht über die Artt. 2033 ff. c.c. zu sichern. Die Regelung der Beziehung zwischen Entreichertem und Bereichertem wird im italienischen Recht den einzelnen Erwerbstatbständen überlassen, so daß die Haftung des neuen Eigentümers gegenüber seinem Vorgänger in angemessenerer Weise dem jeweiligen Tatbestand angepaßt werden kann. Trotz der unterschiedlichen Fallkonstellationen lassen sich grundsätzlich zwei Strukturen für den Ausgleich des durch die Handlung eingetretenen Rechtsverlustes feststellen: Das Gesetz gewährt dem ehemaligen Eigentümer entweder einen Anspruch in Höhe des Wertes der Sache, so z.B. nach Artt. 935, 939 11 und 940 c.c., oder lediglich eine Entschädigung, wie nach Artt. 937 III und 944 c.c. Diese Haftungsstruktur kann dann vom psychologischen Zustand des Bereicherten, so etwa Art. 936 III C.C., und vom Verschulden, z.B. Art. 935 a.E. C.C., beeinflußt werden. Das Fehlen einer Verbindung zum Kondiktionsrecht läßt den Umfang der Haftung des Bereicherten unklar bleiben, da alle Fragen offen sind, die mit der Anwendung der Artt. 2033 ff. c.c. beantwortet werden könnten. Beispielsweise könnte fraglich sein, ob auch Gerechtigkeitserwägungen, die die Entwicklung des Bereicherungsrechts seit dem letzten Jahrhundert geprägt haben, in die Bewertung der Haftung einbezogen werden dürften, so Z.B. stellt sich das Problem, ob das Prinzip des Wegfalls der Bereicherung auch bei dieser Art von Bereicherung zum Tragen kommen soll179. Das geltende Recht wird im folgenden anhand des Tatbestandes der Vermischung nach Art. 939 II c.c. mit dem Rechtsinstrumentarium der Titellehre überprüft. Diese sieht vor, daß der Eigentümer der Hauptsache das Alleineigentum erwirbt. Ihn trifft dennoch die Verpflichtung, den anderen Exeigentümem den Wert der Sache zu ersetzen, es sei denn, daß die Exeigentümer die bewegliche Sache ohne seine Einwilligung verarbeitet haben. In diesem letzten Fall muß der Alleineigentümer lediglich den geringeren jener Beiträge leisten, "die der an der Hauptsache eingetretenen Werterhöhung und dem Wert der Nebensache entsprechen" I 80. Gemäß diesem Tatbestand bildet die Vermischung vorher getrennter, beweglicher Sachen die Erwerbungsart, das "äußere" Zeichen
179 Die italienische Jurisprudenz scheint auf die Beziehung zwischen den besprochenen Tatbeständen der originären Erwerbsvorgänge und dem Kondiktionsrecht keine Aufmerksamkeit zu schenken. Meines Wissens erweckt die Frage nach der Bedeutung der Verpflichtung des Eigentümers gegenüber den Alteigentümem kein Interesse; statt aller s. Bigliazzi GeriIBreccia/BusnelliINatoli, 145 f.; Entscheidungen, die sich damit befassen, sind mir nicht bekannt. 180 Deutsche Übersetzung nach Bauer, Eccher u.a.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
des Eigentumserwerbs; dabei ist eine entsprechende Einwilligung der Parteien zur Übereignung keineswegs erforderlich: Der Tatbestand ist vollendet, ohne daß die Willenserklärungen der Eigentümer der getrennten Güter diesen Erwerbsmechanismus in irgendeiner Art beeinflussen können. Der Eigentümer der Hauptsache wird Alleineigentümer, ob nun die anderen Alteigentümer (oder er selbst) den Eigentumsübergang wollen, oder nicht. Weil dem Willen der Parteien hinsichtlich des Eigentumserwerbes kein Gewicht zukommt, erweist sich für diesen Tatbestand auch ein Rechts(grund)geschäft, in dem dieser Wille normalerweise verankert wird, als ebenso irrelevant: Der Eigentumsübergang entspricht nicht dem parteilichen, sondern lediglich dem gesetzlichen Willen. Der Rechtstitel ist deshalb nicht in einem Rechtsgrundgeschäft enthalten, weil das Gesetz selbst dem Erwerb eine tragfähige Basis bietet, um die vermischte Sache in ein neues Vermögen einfließen zu lassen. Modus adquirendi ist die Vermischung, titulus adquirendi das Gesetz: Liegen beide in einem konkreten Fall vor, dann ist das so erworbene Eigentum nach den Grundsätzen der Titellehre kondiktionsfest. Die Morphologie des Haftungsanspruches variiert je nach Tatbestand. Keine Vorschrift stellt eine Verbindung zwischen diesem Rechtsbereich und dem Kondiktionsrecht her. Diese Verbindung kann nicht einfach einer Analogie entnommen werden, weil das Schweigen des Gesetzes über einen so wichtigen Punkt keine zufällige Lücke darstellen kann. Vielmehr will das geltende Recht dadurch eine eindeutige Botschaft vermitteln: Artt. 934 ff. c.c. enthalten jeweils eine selbständige, vom Kondiktionsrecht unabhängige Haftungsgrundlage, die von der für den jeweiligen Tatbestand zuständigen Norm geregelt wird, und die ihre Tragweite innerhalb des von der Norm beschriebenen Tatbestandes erschöpft. Die von den Artt. 934 ff. c.c. umfassenen Ansprüche richten sich nur nach der jeweils darin enthaltenen Regelung und bleiben folgerichtig von Einmischungen anderer Rechtsinstitute unberührt. Die Unanwendbarkeit des Kondiktionsrechts bei den angesprochenen Fallkonstellationen, von denen die Vermischung nur ein Beispiel ist, schließt den gesamten Kondiktionsmechanismus aus, auf den sich die Parteien bei der Regelung ihrer Beziehungen aus dem Eigentumserwerb berufen dürfen. Der Anspruchsgegner darf sich z.B. nicht auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, weil diese Struktur dem Bereicherungsrecht angehört und sie folglich den Tatbeständen der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung fremd bleibt. Dies bedeutet in dem angeführten Fall der Vermischung aus Art. 939 11 c.c., daß der Alleineigentümer zur Bezahlung des Wertes, den der von ihm erworbene Teil der vermischten Sache innehatte, ohne Rücksicht darauf verpflichtet wird, ob er in Unwissenheit über die Andersartigkeit des verwendeten Stoffes die Sache verbraucht hat. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, daß das Gesetz dem Alteigentümer zusätzlich einen Schadensersatzanspruch aus Art. 939 III c.c. für den Fall einräumt, daß der Alleineigentümer die Sache mit grobem Verschulden für sein eigenes Interesse
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verwendet hat. Eine gewisse Parallelität zu dem Anspruch auf Herausgabe einer bestimmten Sache aus Art. 2037 11 c.c. ist unbestreitbar, da beide die volle Erstattung des Wertes anordnen. Ferner bleibt in bei den Fällen die Möglichkeit einer Klage ex delicto offen, obwohl Art. 939 III c.c. höhere Maßstäbe als Art. 2043 c.c. für das Verschulden ansetzt, nämlich grobe anstatt normale Fahrlässigkeit. d) Fund Auch der Analyse des Fundes, der gern. den Artt. 927 ff. c.c. zum Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen führt, kommt die Perspektive der Titellehre zugute. Nach Art. 927 c.c. hat der Finder die Sache dem Eigentümer zurückzugeben, bzw. muß sie unverzüglich bei dem Bürgermeister des Ortes abgeben, wo er die Sache gefunden hat. Gemäß eines in den Artt. 928 f. c.c. vorgegebenen Verfahrens darf der Finder das Eigentum an der Sache erwerben, falls der Eigentümer die Herausgabe nicht innerhalb eines Jahres verlangt. Verlangt der Eigentümer die abhanden gekommene Sache fristgerecht, steht dem Finder immerhin ein Finderlohn gern. Art. 930 c.c. zu 181 • Fehlt einer entsprechenden Rückforderung seitens des ursprünglichen Eigentümers, leitet der Neueigentümer seinen Erwerb von keinem anderen Rechtssubjekt her, weshalb diese Vermögensverschiebung als originärer, unmittelbarer Eigentumserwerb des Finders zu betrachten ist. Der Tatbestand weist folgende Struktur auf. Mit der öffentlichen Bekanntmachung wird die gefundene Sache erneut in den Rechtsverkehr eingeführt; die Abgabe und die Hinterlegung bilden das äußere Signal, das entsprechend dem Publizitätsprinzip Dritte vor Überraschungen bezüglich ihres Eigentumsrechts an der Sache schützen soll, und kann folglich als modus adquirendi bezeichnet werden. Der titulus adquirendi besteht dann in dem gesetzlichen Willen, das Eigentum an der Sache einem anderen Rechtssubjekt zuzuschreiben. Der Eigentumserwerb hängt daher in keiner Weise von der Einwilligung des Finders, sondern von einem tatsächlichen Vorgang ab, mit dem der Finder ohne Rücksicht auf seinen eigenen Willen Eigentümer wird. Quid juris, wenn der Alteigentümer vom Finder nach dem Eigentumsübergang die Sache, bzw. eine Entschädigung für den Rechtsverlust zurückverlangt? Aus der Sicht der Titellehre hat der Finder das Eigentum auf einer Weise erworben, die seinen Erwerb kon181 In der Literatur wird betont, daß das eigentliche Ziel dieses Rechtsinstitutes in der Herausgabeverpflichtung des Finders besteht, während der originäre Erwerb lediglich einen Nebenaspekt ergäbe; so unter anderen Gambaro, 333. Der Natur dieses Herausgabeanspruches des Alteigentümer und seiner Beziehung zum Kondiktionsrecht wird jedoch meines Wissens nicht nachgegangen.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
diktionsresistent macht. Aus dieser Kondiktionsfestigkeit gegenüber Ansprüchen Dritter folgt notwendigerweise, daß der Alteigentümer gegen den Finder die Instrumente des Kondiktionsrechts nicht einsetzen darf. Trotzdem könnte dem Entreicherten theoretisch ein Restitutionsanspruch von Gesetzes wegen eingeräumt werden, der die Struktur der Zahlung einer Nichtschuld expressis verbis verwendet. Da es eine solche Norm es jedoch im Codice civile nicht gibt, bleibt der Alteigentümer tatsächlich ohne kondiktionsrechtliche Deckung gegen die Vermögensverschiebung. Als extrema ratio könnte sich der Alteigentümer an die schwer durchsetzbare, allgemeine Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. wenden l82 , wodurch er allerdings, wenn der Klage entsprechend stattgegeben wird, lediglich den Teil seines Verlustes erstattet bekäme, der zwischen seiner Entreicherung und der Bereicherung des Finders liegt. e) Ersitzung
Die Ersitzung wird in den Artt. 1158 ff. c.c. geregelt, die vier Grundelemente aufzeigen: tempus, possessio, fides und titulus. Ihre unterschiedliche Zusammensetzung ändert die Struktur dieses Rechtsinstituts je nach dem gesetzgeberischen Zweck. Die allgemeine Regel sieht vor, daß das Eigentum an unbeweglichen Sachen und die sonstigen dinglichen Nutzungsrechte an solchen Sachen durch einen zwanzigjährigen Besitz erworben werden, Art. 1158 c.c. Die Ersitzungszeit wird auf zehn Jahre verkürzt, falls die unbewegliche Sache kraft eines zur Eigentumsübertragung abstrakt geeigneten Titels vom Gutgläubigen erworben und ordnungsgemäß eingetragen worden ist, Art. 1159 c.c. Der gleiche zehnjährige Zeitraum gilt auch für die beweglichen Sachen, falls der Erwerber die Sache gutgläubig 183 besessen hat, Art. 1161 I c.c. Hat der Erwerber bösgläubig gehandelt, erwirbt er die Sache nach dem sonst gültigen Ablauf von zwanzig Jahren, Art. 1161 11 c.c. Schließlich werden in weiteren Fällen, vor 182 Die h.M. lehnt bei diesen Fallkonstellationen die Möglichkeit einer allgemeinen Bereicherungsklage bei Ersitzung, Fund oder Aneignung ab. Die Ablehnung wird dadurch gerechtfertigt, daß das Rechtssystem dem Neueigentümer bei diesen Tatbeständen einen Sonderstatus gewähre, der die Anwendbarkeit der Artt. 2041 f. c.c. ausschließe, Di Majo, Tutela, 335; unklar, aber eher der h.A. zust. Gallo, 1996,41 f. Die Begründung dieser Auffassung ist jedoch nicht überzeugend. Man will die Klage gerade in den Fällen versagen lassen, in denen ihr äquitativer Gehalt seine volle Wirkung entfalten könnte, weil der Gesetzgeber den Gerechtigkeitsgedanken implizit eine höhere Bewertung der eben genannten Erwerbstatbestände vorgezogen hätte. In welchen Fällen und nach weIchen Kriterien diese Klage angewendet, bzw. abgelehnt werden soll, ist allerdings den Worten der Verfechter dieser These nicht zu entnehmen. 183 Die in Italien heftig gefiihrte Diskussion über den Zeitpunkt der Bewertung der Gutgläubigkeit des Ersitzenden ist fiir diese Untersuchung belanglos. Für eine Darstellung des Problems s. Sacco, 1988, 396 f.
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allem bei bona fides des Ersitzenden, einige Sonderfristen gesetzt, z.B. Artt. 1159 bis und 1162 c.c. Wie schon diese kurze Darstellung klarstellt, gehören zu den unentbehrlichen Tatbestandsmerkmalen nur Zeitverlauf und Besitz; die fides (bona) und der titulus sind hingegen rein eventuelle Merkmale, die den Tatbestand vornehmlich unter dem Blickwinkel der erforderlichen Zeitraumes ergänzen. In Hinblick auf den rur die verkürzte Ersitzung notwendigen Titel, der in den Artt. 1159 I, 1159 bis 11, 116011, 1161 I und 1162 I c.c. erwähnt wird, ist zu unterstreichen, daß sich dieser Ersitzungstitel von dem Rechtstitel im Sinne der Titellehre gänzlich unterscheidet. Ersterer war bereits dem römischen Recht bekannt, das wie das geltende italienische Recht mit diesem terminus ein zum Eigentumserwerb abstrakt geeignetes Rechtsinstrument bezeichnete l84 • Es wurde als ein wesentliches, mangelhaftes Tatbestandselement verstanden, das ohne diesen Mangel zur Eigentumsübertragung ruhren würde. Der zweite ist hingegen eine Erfindung der gemeinrechtlichen Lehre, um den Tatbestand des Eigentumserwerbes zu analysieren. Im Vergleich zu den übrigen Erwerbsarten, welche im Art. 922 c.c. aufgeruhrt werden, weist die Ersitzung einen ungewöhnlichen und sehr eigenartigen Erwerbsmechanismus auf, weil der Erwerb des Ersitzenden nicht ohne weiteres auf einen Verlust des Rechts des Alteigentümers hindeutet. Mit anderen Worten, die Ersitzung setzt keinen richtigen Eigentumsverlust des entreicherten Alteigentümers voraus. Im Gegensatz dazu hat sie bei einem zugleich bestehenden Recht auf Eigentum seitens des Entreicherten eine sachenrechtliche Auswirkung 185. Die Doktrin l86 erklärt die unterschiedliche Auswirkung dadurch, daß es sich bei der Ersitzung nicht um die Löschung des Rechtes des alten Eigentümers, sondern um den bloßen Verlust der Inhaberschaft dieses Rechtes handelt. Die Löschung sei an das Recht geknüpft, während der Verlust mit der Person des vorherigen Eigentümers verbunden sei. Ausgehend von dieser Unterscheidung komme man dann zur Schlußfolgerung, daß der Verlust lediglich die Person des Inhabers des Rechtes und nicht das Recht selbst betreffe, das im Unterschied zu all den anderen originären Erwerbsvorgängen trotz des Inhaberschaftsverlustes im Vermögen des Alteigentümers noch fortbestehe. Diese überwiegende Auffassung findet mehrere Stützpunkte in der lex lata. Art. 948 III c.c. bestimmt zwar die Unverjährbarkeit der Vindikationsklage, läßt jedoch dabei die Wirkung der Ersitzung unberührt, die sich deshalb trotz der unverjährten Vindikation entfalten kann. Ferner erklärt Art. 1422 c.c. die Nichtigkeitsklage rur nicht verjährbar, aber schließt zugleich
184 Die unterschiedlichen Inhalte und Funktionen der Rechtstitel bei der Ersitzung und in der gemeinrechtlichen Lehre von titulus und modus adquirendi werden von Ruperto, 5 und Fn. 12 f., hervorgehoben. 185 Ruperto, 2 f. 186 Zuletzt Ruperto, loe. ult. eit. (vorige Fn.), mit ausfiihrlichen Hinweisen.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
die Wirkung dieser Klage im Falle der Ersitzung Dritter aus. Der Wortlaut des Gesetzes spricht somit mit gewichtigen Argumenten für die Lösung der h.L.187. Die zitierte gesetzliche Regelung spiegelt die naturrechtliche Konzeption des Gesetzgebers bezüglich der Struktur des Eigentumserwerbes wider. Die im Codice civile getroffene Wahl zugunsten einer Erwerbsweise, die den naturrechtlichen Ansätzen folgt, prägt die Problematik der Beziehung zwischen Kondiktion und Ersitzung. Diesen Rechtsinstituten wird nämlich vom Rechtssystem eine unterschiedliche Funktion zugeschrieben, weshalb es keine gefahrlichen Berührungspunkte gibt, die zu einer wissenschaftlichen Debatte Anlaß geben könnten l88 . Der Mechanismus des Eigentumserwerbs nach dem italienischen Recht verhindert von Anfang an die Möglichkeit einer solchen Fragestellung: Die Wirkung der Ersitzung ist endgültig, der Ersitzende darf seinen Erwerb erga omnes verteidigen, auch gegen einen wegen seines Rechtsverlustes kondizierenden Alteigentümer. Mit den weitgehend einhelligen Ergebnissen der h.M. stimmt auch eine Analyse überein, die von den Grundsätzen der Titellehre ausgeht. Der modus adquirendi besteht typischerweise für diese Rechtsfigur in der Besitznahme der Sache, die in bestimmten Fallkonstellationen 189 von weiteren Erfordernissen begleitet wird. Der Besitz muß gemäß den alten, schon römischrechtlichen Kriterien bis zum Ablauf der für die Ersitzung notwendigen Zeit ununterbrochen und öffentlich sein, um das Gebot der Publizität zu erfüllen. An den so geführten Besitz knüpft das Gesetz einen sich auf eine iusta causa traditionis stützenden Eigentumsübergang; der Ersitzende erwirbt folglich das Eigentum infolge der dispositio /egis, nicht aufgrund seines persönlichen Willens, der bei der Vervollkommnung des Tatbestandes unbeachtet bleibt. Rechtsmodus und Rechtstitel sind also beide bei der Ersitzung wirksam, was die Anwendbarkeit des Kondiktionsrechtes gegen den Neueigentümer ganz ausschließt. Trotz der oben angedeuteten Vorbehalte 190 der h.A. sollte m.E. dem Entreicherten je187 Ein weiteres, rechtsvergleichend relevantes Problem betrifft die Aufnahme der sog.
usucapio Iibertatis in das italienische Rechtssystem; d.h. die Frage, ob die Ersitzung die Rechte Dritter lösche. Mangels einer dem § 945 BGB ähnlichen Vorschrift ist sich die Rechtswissenschaft nicht einig. Dafür Ruperto, 54 ff.; dagegen Sacco, 1988,407 f., und die einstimmige Rechtsprechung, statt aller Cass. 17. 10. 1958 n. 3311, Foro pad., 1959, I, 183.
188 Die Frage nach dem Vorrang der Kondiktion gegenüber der Vindikation taucht meines Wissens in der italienischen Literatur überhaupt nicht auf, obwohl man in der Praxis zu einer Anspruchskonkurrenz gelangen kann, wenn die Zahlung einer Nichtschuld als condictio possessoria angewendet wird; vgl. oben, unter A. IV. Dies scheint allerdings die Doktrin nicht zu berühren. 189 So erfordert Art. 1162 c.c. für einige bewegliche Sachen die Verzeichnung in öffentlichen Registern, während Art. 1159 c.c. die Eintragung der unbeweglichen Sachen verlangt. 190 Supra, A. VI. 2. d).
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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doch der Rechtsbehelf der allgemeinen Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. möglich sein, zumal dieses Institut besonders geeignet erscheint, gerade in denjenigen Fällen zum Zuge zu kommen, in denen die Gerechtigkeitserwägungen eine unausgeglichene Situation wieder ins Lot bringen können. Die Gewährleistung dieses Rechtsbehelfes erscheint bei der Ersitzung möglich, weil der Tatbestand des Art. 2041 c.c. - anders als das Kondiktionsrecht - die Unwirksamkeit des Rechtstitels nicht berücksichtigt.
VII. Ansprüche eines künftigen europäischen Kondiktionsrechtes auf der Grundlage der Titellehre Diese Studie hat sich bisher vornehmlich auf den Rechtstitel konzentriert. Zur Darstellung wurden zu diesem Zweck geltende Rechtsinstitute untersucht. Das vorläufige Ergebnis zeigt, daß die Titellehre auch imjus positivum der verglichenen Rechtssysteme in der Lage ist, die jeweiligen Kondiktionsmechanismen zu erklären. Der nächste Schritt besteht nun darin, aufgrund der'Analyse schon geltender Rechtsstrukturen einige Restitutionsmodelle für das künftige jus commune europaeum zu formulieren. Die Untersuchung hat verdeutlicht, daß die Kondiktion ihrer Herkunft nach auf die Herausgabe des verlorenen Eigentums an einer Sache zielte. Weil das Eigentum bereits übergegangen war, konnte der römische solvens auf keine sachenrechtlichen Ansprüche mehr zurückgreifen, so daß deshalb die Kondiktion an die Stelle der nicht mehr anwendbaren Vindikation trat. Diese Konstruktion hat sich in Rechtssystemen wie dem deutschen erhalten können, in denen das Eigentum unabhängig von der Wirksamkeit des Rechtsgrundes erworben wird; folgerichtig sagt § 812 I BGB, daß etwas "ohne rechtlichen Grund", d.h. ohne Rechtstitel, erlangt wird. Durch die Aufnahme des Naturrechtes liegen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des römischen Anspruches in anderen Rechtsordnungen jedoch nicht mehr vor: Ohne wirksamen Rechtstitel geht das Eigentum nicht über und die Vindikation bleibt daher weiterhin anwendbar, was bedeutet, daß die Kondiktion in diesen Rechtsordnungen seltener zum Tragen kommt. Das Kondiktionsrecht erweist sich dank seiner Anpassungsfähigkeit allerdings als überlebensfähig und sogar sehr aktiv auch in einem naturrechtlich gefärbten Rechtssystem. Die Verbindung des Kondiktions- mit dem Naturrecht wird dadurch ermöglicht, daß sich der Eigentumsverlust vom Kondiktionsrecht als unentbehrliches Tatbestandsmerkmal verabschiedet. Immer lauter wird nämlich in Italien behauptet, die Zahlung einer Nichtschuld finde auch bei der Herausgabe des Besitzes Anwendung. Zu ähnlichen Überlegungen kommt auch die deutsche Lehre, wenngleich ihre Gründe gegenüber dem italienischen weni-
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ger einleuchtend scheinen: Die deutsche Besitzkondiktion ist lediglich eine mögliche Alternative zur Vindikation, während die Kondiktion ein autonomes Anwendungsfeld beibehält. In Italien wird hingegen nur versucht, die Kondiktion am Leben zu erhalten, um sie nicht als bloße Geldherausgabe definieren zu müssen. Aus welchen Gründen auch immer dieser Prozeß geschieht, benutzen sowohl die deutsche als auch die italienische Rechtspraxis tatsächlich die Kondiktion oftmals anstelle einer noch anwendbaren Vindikation, die unter anderem wegen des Eigentumsnachweises sehr schwierig einzusetzen ist, während die Kondiktion einfacher zu handhaben ist. Kein rechtlicher Grund, "etwas", auf Kosten Dritter, mehr muß der Kläger nicht beweisen. Verständlicherweise versucht die Praxis, den einfacheren Anspruch vor Gericht durchzusetzen. Im folgenden wird ein Kondiktionsmodell konstruiert, das ftir ein europäisches jus commune gedacht ist. Hierbei soll nicht vergessen werden, daß sich derartige Überlegungen auf ein Rechtssystem beziehen, das noch nicht existiert. Diese Konstruktion sollte folglich nicht (nur) auf die Anwendbarkeit flir das deutsche Recht geprüft werden, weil sie auch der Eigentümlichkeiten anderer europäischen Rechtssysteme, z.B. dem französischen Rechtskreis, Rechnung trägt. Außerdem muß von Anfang an unmißverständlich sein, daß dieses Modell hauptsächlich auf einem deutsch-italienischen Vergleich beruht, weshalb es ftir ein europäisches Recht natürlich unvollständig bleibt. Diese Untersuchung wird ferner absichtlich auf die Herausgabe des Eigentums an einer Sache beschränkt, könnte jedoch vielleicht mutatis mutandis ebenso auf Fallkonstellationen Anwendung finden, die die Restitution des Eigentums nicht betreffen. Der Ausgangspunkt liegt in folgender Überlegung: Ein Restitutionsanspruch soll in erster Linie ein Mechanismus sein, der sich auf die Herausgabe der Sache richtet. Die (Wieder)Verschaffung der Sache bildet daher das Hauptziel der Kondiktion gemäß der Titellehre. Die Sache an sich, bzw. ihre Verschaffung spielt dabei eine größere Rolle als die Person des Anspruchsgegners: Dieser kann ohne Auswirkungen auf die Herausgabe des Geleisteten gewechselt werden, die Sache nicht. Der Entreicherten wird somit so weit wie möglich in die Lage versetzt, das Eigentum an der Sache zurückzufordern, selbst wenn diese vom Leistungsempfanger schon weitergeleitet worden ist. VIII. Die Regeln der Titellehre
Der Vergleich der Ansätze der Titellehre mit den konkreten Tatbeständen der geltenden Rechte leidet freilich darunter, daß die Analyse auf nur zwei, wenngleich flir ihren jeweiligen Rechtskreis repräsentative Rechtssysteme eingegrenzt wurde. Dennoch vermitteln schon diese Teilergebnisse den Eindruck, daß die untersuchten Rechtssysteme keine prinzipiellen Hindernisse flir die vor-
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geschlagene Betrachtungsweise darstellen, an denen die Lehre von titulus und modus adquirendi dominium als Bewertungssystem für die Anwendbarkeit des Kondiktionsrechts scheitern könnte. Im Gegenteil, die Rolle der Titellehre wird sogar dadurch bestärkt, daß die deutsche und die italienische Rechtsordnung in unterschiedlichen Gedankenweisen wurzeln: Soweit es die Struktur des Tatbestandes des Eigentumserwerbs anbelangt, sind "Abstraktionsprinzip" 191 , bzw. "Konsensualität"192 die jeweils charakterisierenden Stichwörter. Hierbei hilft die Rechtsvergleichung unterstützend bei der Bestimmung und der Entwicklung von gemeinsamen, gemeineuropäischen Werten. Sie ist deshalb ein äußerst brauchbares Mittel für ein über das einzelne europäische Recht hinausgehendes Ziel, nämlich die Herausarbeitung einiger Regeln, die dann als allgemeine Kriterien für ein künftiges jus europaeum hinsichtlich des Kondiktionsrechts gelten könnten. Diese Regeln wurden in der vorliegenden Studie zunächst nur allgemein beschrieben, danach wurden sie durch praktische Beispiele und durch eine Gegenüberstellung mit geltenden Rechtsordnungen verdeutlicht. Es handelte sich dabei jedoch mehr um Andeutungen als um ausführliche Erörterungen. Diese Methode sollte durch eine progressive Annäherung das Verständnis für die Begriffe der Titellehre erleichtern. Nun sollten aus den bisherigen Ergebnissen einige Regeln herausgearbeitet werden, die der Überprüfung der Kondizierbarkeit einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung gemäß der vertretenen Theorie zugrunde liegen. 1. Die Leistung
Das erste Tatbestandsmerkmal ist das Bestehen einer Leistung, durch die das Eigentum l93 an der Sache übertragen wird. Die Verbindung von Leistung und Kondiktion hat diese Klage von ihrem Ursprung an charakterisiert. Die Möglichkeit der Rückabwicklung fehlgeschlagener Verträge per condictionem läßt sich in allen aus dem römischen Recht stammenden Rechtssystemen finden. Es ist in keinem Rechtssystem (zumindest) des deutschen und des französischen Rechtskreises vorstellbar, daß nichtige Verträge nicht rückabgewickelt werden dürfen. Der Rechtsbehelf dafür bleibt die alte condictio selbst dort, wo andere Rechtsfiguren theoretisch geeigneter erscheinen würden. So sieht Art. 2037 c.c. die Herausgabe einer ohne rechtlichen Grund erhaltenen Sache vor, obwohl der Leistende sich auch der Vindikation bedienen darf. Infolge der Übernahme von Elementen der Versionsklage ist manchmal die Verbindung zur Leistung auf191 Vgl. supra, vierter Teil, A. III. 2. d).
S. oben, A. III. 2. c). Zur Vereinfachung wird vom Eigentum gesprochen, obwohl der tatsächliche Eigentumserwerb nicht immer als Voraussetzung rur die Erhebung der Klage anzusehen ist. Dazu mehr infra, A. VIII. 4. 192
193
17 Giglio
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gelockert worden. Auch auf keiner Leistung beruhende Zuwendungen, etwa das "in sonstiger Weise" Erlangte des § 812 I BGB, werden nämlich in einigen Fällen durch Kondiktionsregeln rückabgewickelt. Die Lockerung dieser Verbindung, welcher vor allem das große Verdienst eines klaren Anwendungskriteriums zukommt, hat die Arbeit der Rechtswissenschaft erheblich erschwert, weil die uferlose Erweiterung des Kreises der Restitutionsverpflichteten dadurch eine konkrete Gefahr fur die Rechtssicherheit und fur den Rechtsverkehr geworden ist. Infolgedessen haben sich Theorie und Praxis mit der Frage beschäftigen müssen, wann eine Vennögensverschiebung, die ohne eine Leistung des Klägers erfolgt ist, herauszugeben sei. Die Rechtssysteme, die sich diese Frage nicht stellen müssen, haben die Kondiktion im Leistungsverhältnis verankert und gegebenenfalls die weiteren Probleme auf andere Rechtsgebiete verschoben, wie die allgemeine Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. bezeugt. Eine solche Verbindung wird von der Titellehre gewahrt: Die Kondiktion soll sich lediglich aus der Unwirksamkeit der Leistung ergeben. Diese Rechtsfigur, die eine vom Kläger erbrachte Leistung mit dem Restitutionsanspruch verknüpft, entspricht jedoch nicht dem deutschen tenninus technicus der "Leistungskondiktion" und darf folglich damit nicht verwechselt werden. Das deutsche Rechtsinstitut verlangt nämlich ein direktes Leistungsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem, während fur die Titellehre das Vorhandensein dieses unmittelbaren Verhältnisses kein Tatbestandsmerkmal bildet. Die letzte Bemerkung bedarf allerdings einer weiteren Erklärung. Die Behauptung, der Restitutionsanspruch setze eine Vennögensverschiebung voraus, die auf einer Leistung basiert, bedeutet nicht ohne weiteres, daß diese Leistung zwischen den Kondiktionsparteien unmittelbar stattgefunden haben muß. Das Erfordernis einer unmittelbaren Leistung als Fundament der Herausgabeklage wird von der Titellehre bestritten. Die Leistung des solvens gibt zwar die Rechtsgrundlage zur Erhebung der Klage, diese bleibt aber nicht immer auf die Leistungsparteien begrenzt. Der Sinn der Kondiktion liegt nicht nur in der Rückabwicklung der infolge eines nichtigen Vertrages erbrachten Leistung, sondern auch und vor allem in der Herausgabe der ohne rechtlichen Grund geleisteten Sache. Diese reipersekutorische, also sachverfolgende Funktion der Kondiktion ist somit ein sehr wichtiger Aspekt der Klage, deren Wirkung unter Umständen über den Leistungspartner hinausgehen könnte, falls letzterer über die Sache weiter verfugt hat. Die Möglichkeit, einen Restitutionsanspruch durchzusetzen, begrenzt sich nicht auf den unmittelbaren Leistungspartner des Kondizierenden, sie kann auch gegen Dritte gerichtet werden, wenn die übrigen Erfordernisse der Titellehre vorliegen. Auslöser des Anspruchs gegen den Dritten ist jedenfalls die unwirksame Leistung, besser der unwirksame Rechtstitel, auf dem die Vornahme der Leistung gründet, durch die der Entreicherte über die Sache kausalos verfugt hat.
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Als erstes Tatbestandsmerkmal des hier vorgeschlagenen Kondiktionsanspruches gilt das Bestehen einer Leistung, welche von einem unwirksamen titulus ausgeht, durch den der Kondiktionskläger das Eigentum an der zu kondizierenden Sache übertragen wollte. Ohne eine Leistung des Anspruchsträgers wird deshalb die Kondiktion nicht gewährt, selbst wenn der Entreicherte das Eigentum gegen seinen Willen verloren hat. 2. Der Verfügungstitel
Die Durchführung einer Leistung muß von einem rechtlichen Grund begleitet werden, damit die gewollte Eigentumsübertragung kondiktionsfest wird. Die Sache, über die verfügt wird, kann geschenkt oder verkauft werden oder ähnliches. Vom Gesichtspunkt des accipiens aus ist die Art der Kontrakte oder sonstigen Rechtstitel, durch die die Vennögensverschiebung begründet wird, irrelevant bezüglich des durch die Verfügung erreichten Ergebnisses, da alle den Eigentumserwerb bezwecken. Vielmehr ist es die causa, die sie kennzeichnet und unterscheidet. Es geht also, genauer gesagt, um die iusta causa, die zum endgültigen Erwerb des Eigentums führt. Der Rechtsgrund braucht eine tragende Struktur, die in dieser Studie als titulus qualifiziert wurde. Die Wirksamkeit des Rechtstitels fungiert als Bestätigung, daß die erworbene Sache vom Empfänger definitiv behalten werden darf. Sie bildet somit ein sehr wichtiges Signal für das Kondiktionsrecht. Eben wurde behauptet l94 , daß es bei der Kondizierbarkeit einer Zuwendung auf die Unwirksamkeit der Leistung ankommt. Das ist jedoch nicht völlig korrekt: Nicht die Leistung ist unwirksam, sondern der Rechtstitel, der sie trägt. Die condictio diente im römischen Recht zur Herausgabe des Eigentums, das infolge eines auf einem unwirksamen titulus adquirendi basierenden, dennoch wirksamen Erwerbs auf den Leistungsempfänger übergegangen war. Daher hat sich die Fonnel entwickelt, nach der die Kondiktion anstelle der verlorenen Vindikation tritt. Dank dem Abstraktionsprinzip funktioniert derselbe Mechanismus auch im geltenden deutschen Recht, in dem das Eigentum auch ohne rechtlichen Grund erworben werden kann. Diese Struktur stößt jedoch im französischen Rechtskreis gegen das Konsensualitätsprinzip, weil bei der Unwirksamkeit des Rechtstitels in der Regel das Eigentum nicht übergeht l95 • Unabhängig von solchen wesentlichen Unterschieden hat das Kondiktionsrecht bis zum
Oben, unter A. VIII. I. Der Mechanismus des deutschen und des italienischen Eigentumserwerbes wurde oben in diesem Teil, A. III. 2. d). bzw. III. 2. c) dargestellt. 194 195
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
heutigen Tage in beiden Kodifikationen durch einige Anpassungen überleben können. Im italienischen Recht hatte das Anpassungsverfahren zur Folge, daß die Kondiktion zu einer Alternative der Vindikation umgewandelt werden mußte, wenn sie überhaupt eine Bedeutung behalten wollte. Damit kann die Kondiktion nun selbst auf die Fallkonstellationen angewendet werden, die auch einer Vindikation entsprechen. In diesem Fall wird die Kondiktion als reine condictio proprietaria verstanden, obwohl sie sich eigentlich auf die Herausgabe des bloßen Besitzes an der geleisteten Sache richtet. Diese Kondiktion wird mehr oder minder bewußt einer Besitzkondiktion entgegengehalten, die eigentlich im italienischen Recht die gleiche Funktion erfüllt. Der französische Rechtskreis zeigt somit, daß die Eigentumskondiktion auch in einem veränderten Zusammenhang als praktischere Alternative zur Vindikation, weIche eine mühsame Beweisführung verlangt, zum Tragen kommen kann. Die Voraussetzung einer solchen Eigentumskondiktion liegt darin, daß der Leistende über sein Eigentum wirksam verfügen wollte, ihm es jedoch infolge der Unwirksamkeit des Rechtstitels nicht gelungen ist. Bei den anderen, "echten" Besitzkondiktionen geht es hingegen nur um die Rückforderung des Besitzes, ohne dabei den Eigentumsübergang zu berücksichtigen, so daß auch Nichteigentümer, etwa ein Nießbraucher oder ein Mieter, unter bestimmten Umständen darauf klagen dürfen. Diese Mindestvoraussetzung wird für den Vorschlag eines europäischen Kondiktionsrechtes verwendet: Ohne zu beachten, ob das Eigentum wirklich übergegangen ist, beschäftigt sich die Titellehre mit dem bezweckten Erfolg der Parteien, so daß die Kondiktion zugelassen wird, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet war, durch die Leistung einen Eigentumsübergang zu bewirken. Ist also das Eigentum ohne wirksamen Titel übertragen worden, etwa weil der Kaufvertrag nichtig war, darf der Leistende kondizieren. Ebenso darf er allerdings kondizieren, wenn das Eigentum nicht übergegangen ist, aber die Parteien durch die Leistung die Übertragung des Eigentums, und keines anderen Rechtes, bezweckten. Durch diese Konstruktion wird der praktischen Anwendung der Kondiktion im französischen Rechtskreis Rechnung getragen und zugleich die Verbindung der Kondiktion mit der Herausgabe des Eigentums als Charakteristikum des Kondiktionsrechtes gesichert. Der so gestaltete Kondiktionsanspruch ist mit dem deutschen Abstraktionsprinzip vereinbar, weil er bei "gelungenen", aber kausalosen Eigentumsübertragungen eingeräumt werden kann. Es verträgt sich auch mit dem italienischen Kausalitätsprinzip, weil er auch auf nicht gelungene, aber venneintliche, d.h. bezweckte Eigentumsübertragungen anwendbar ist. Dort, wo der Eigentumserwerb nicht stattgefunden hat, konkurriert die Kondiktion mit der Vindikation. Bei der anderen Fallkonstellation, in der das Eigentum wirksam übertragen wurde, käme die Vindikation per definitionem nicht in Betracht. Im Einklang mit dem nonnalen tenninologischen Gebrauch des Begriffes "Eigentumskondiktion" ist die angebotene Konstruktion
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zwar nicht, weil die Klage sodann vom Eigentümer zur Herausgabe des Besitzes erhoben werden darf. Es soll damit jedoch die Verbindung dieser Kondiktion mit dem Eigentum betont werden, da sie bei der unwirksamen Übertragung eines anderen Rechtes, d.h. für die reine Herausgabe des Besitzes bei unwirksamer Miete, Leihe, Darlehen oder bei welchen Verträgen auch immer, mit denen die nationalen Rechte lediglich eine Besitzübertragung verknüpfen, gar nicht geeignet ist l96 . Die Anwendbarkeit der Kondiktion wird anhand der Analyse des Rechtstitels des Klägers überprüft. Durch den Rechtstitel kann festgestellt werden, ob die Zuwendung, durch die der (ehemalige) Eigentümer beschwert ist, ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Ist der rechtliche Grund mangelhaft, reagiert das Rechtssystem, bei Vorhandensein der anderen Erfordernisse, mit der Gewährung eines Restitutionsanspruches. Die Zugehörigkeit einer Sache zu einer bestimmten Vermögenssphäre ergibt sich dann nach dem Kondiktionsrecht, so wie es von der Titellehre ausgelegt wird, aus der Mangelhaftigkeit der causa, die die Vermögensverschiebung vom Entreicherten zum Bereicherten hätte begründen sollen. Dort, wo der Rechtstitel mangelhaft ist oder gar nicht besteht, räumt das Rechtssystem dem Entreicherten bei Zusammenkommen aller anderen Voraussetzungen einen Kondiktionsanspruch ein. Gemäß der zweiten Regel wird somit ein Kondiktionsanspruch erst in den Fällen gewährt, in denen der Leistende über sein Eigentum verfügen wollte. Beruht diese Verfügung auf einem unwirksamen Rechtstitel, darf der Entreicherte die Herausgabe der Sache kondiktionsrechtlich verlangen. Die Restitutionsklage ist somit erst dort anwendbar, wo der Kondiktionsanspruchsträger über die bestrittene Sache durch einen mangelhaften titulus adquirendi verfügt hat. Lediglich mangelhafte Grundgeschäfte, besser mangelhafte Rechtstitel, führen zur Gewährung des Anspruches. 3. EigentumsverschatTungsfunktion der Kondiktion
Die Festlegung der Kriterien, die den Kreis der Restitutionsverpflichteten bestimmen, ist eine oft diskutierte Streitfrage der modemen Jurisprudenz. Nicht immer lassen sich maßgebende, unzweideutige Angaben aus den nationalen Gesetzgebungen entnehmen. Auch ohne in entfernten Rechtsordnungen suchen zu müssen, liefert die deutsche Auseinandersetzung zwischen den Verfechtern der
196 Mehr zur Bedeutung des Begriffes "Eigentumskondiktion" im nächsten Abschnitt, VIII. 3.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
Trennungs- und der Einheitslehre 197 schon ein gutes Beispiel. Trotz dieser Schwierigkeiten scheint es aber möglich, über den Anfangspunkt dieser Analyse einen weitgehenden Konsens der Rechtswissenschaft zu erhalten: In den aus dem römischen Recht stammenden Rechtsordnungen werden nicht all die Rechtssubjekte, die infolge einer ungerechtfertigten Zuwendung bereichert sind, deswegen schon als Kondiktionsschuldner betrachtet. Die Bestimmung der haftungsverpflichteten Mitglieder der Bereicherungskette bedeutet eine große Herausforderung für die modeme Rechtsforschung. Die Titellehre kann hier eine eigene Konzeption bieten, der nun nachgegangen werden soll. Gemäß den ersten bei den Regeln besteht der Anlaß zur Ausübung einer Kondiktion aus der Vornahme einer Leistung, die jedoch auf einem unwirksamen, auf die Übertragung des Eigentums gerichteten Rechtstitel beruht. Durch das Kondiktionsrecht ermöglicht die Rechtsordnung die Herausgabe der Sache zugunsten des Leistenden. Zu diesem Zweck setzt der Kondiktionsgläubiger die Klage ein und verlangt von seinem Leistungspartner die Restitution des ohne rechtlichen Grund, also ohne wirksamen Rechtstitel, Erlangten. Befindet sich die Sache noch in der Eigentumssphäre des Leistungsempfängers, ist dieser zur Herausgabe verpflichtet. Wenn die zurückgeforderte Sache bei dem Schuldner, aus welchem Grund auch immer, untergegangen ist, steht dem Kläger zumindest ein Wertersatzanspruch zu, neben dem allerdings gegebenenfalls andere Ansprüche, etwa aus Delikt, Anwendung finden können. Diese Fallkonstellation entspricht der deutschen Leistungskondiktion aus § 812 I I Alt. I i. V. m. § 818 I und II BGB einerseits und der Zahlung einer Nichtschuld nach Art. 2037 II Hs. I c.c. andererseits. Dabei handelt es sich um klassische Grundtatbestände, die als solche der Rechtslehre wenig Schwierigkeiten bereiten, weil ein Herausgaberecht des kausalos Entreicherten gegenüber dem Bereicherten in den geltenden Rechtssystemen römischrechtlichen Ursprunges als selbstverständlich einleuchtet. Ein weiterer Tatbestand, der über den ersten hinausgeht, ist hingegen heftig umstritten. Er betrifft den Fall, in dem sich die zu kondizierende Sache nicht mehr im Vermögen des Leistungspartners befindet, wenn der Entreicherte die Herausgabe verlangt. Im Unterschied zur vorigen Fallkonstellation ist sie jedoch nicht untergegangen: Der Leistungsempfänger hat das Eigentum einfach weitergeleitet, bzw. wollte es weiterleiten, während sein Veräußerungstitel, also der Titel, anhand dessen er über die Sache verfügen wollte, unwirksam war, so
197
Vgl. oben, dritter Teil, B. 1. 2. a).
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daß nur die Sache, aber nicht das Eigentum übergeben wurde l98 . Die Behandlung der sog.199 Dreiecksverhältnisse bildet ein häufiges Diskussionsthema, zu dem die Titellehre de lege ferenda im Hinblick auf das europäische Kondiktionsrecht mit einem eigenen Lösungsvorschlag beitragen möchte. Dieser geht von der Prämisse aus, daß die Herausgabe des Eigentums die wichtigste Funktion der Kondiktion bildet. Demnach erscheint die Einschränkung des Kondiktionsgegenstandes auf den bloßen Wertersatz, solange die Sache existiert, wenngleich nicht mehr im Vermögen des Beklagten, nicht ganz befriedigend. Eine Analyse anhand des titulus weist jedoch auf eine Alternative zu einer nur auf einem direkten Leistungsverhältnis basierenden Kondiktion nach römischem Modell: Der Kondiktionsgläubiger darf die Sache der Bereicherungskette entlang bis zum aktuellen Eigentümer, rectius bis zu demjenigen verfolgen, der die Sache durch einen auf die Übertragung des Eigentums gerichteten Rechtstitel erlangt hat. Ob dieser Rechtstitel tUr den Eigentumserwerb konkret tauglich war, ist tUr die Feststellung des theoretischen Anspruchsgegners noch irrelevant. Ist die Person des (vermeintlichen) Eigentümers bestimmt worden, ergibt sich die Kondizierbarkeit in concreto aus einer Abwägung bei der Rechtstitel der Kondiktionsparteien, die nicht ohne weiteres auch Leistungsparteien sein müssen. Der erste Rechtstitel ist derjenige des Klägers. Er muß unwirksam sein, um den Kondiktionsanspruch auszulösen, und muß auf die Eigentumsübertragung gerichtet sein. Ob sich die Unwirksamkeit im Eigentumsübergang widerspiegelt, ob also das Eigentum tatsächlich übergegangen ist, wie in Deutschland, oder nicht, wie in Italien, spielt tUr die Anwendbarkeit der Kondiktion nach dem vorgeschlagenen Modell keinerlei Rolle. Der zweite Rechtstitel ist der des Beklagten. Es handelt sich um den Rechtstitel, durch den das Eigentum in vom Abstraktionsprinzip geprägten Rechtssystemen an ihn übertragen wurde, bzw. in Kausalsystemen bei Mangelfreiheit das Eigentum an ihn hätte übertragen werden können. Ob der Beklagte tatsächlich Eigentümer geworden ist, ist tUr die Durchsetzbarkeit der Klage irrelevant. Ein wirksamer, d.h. mangelfreier Erwerbstitel bestätigt nämlich immer die Endgültigkeit des Erwerbes, der folglich kondiktionsfest ist. Mit anderen Worten, es besteht in diesem Falle kein Anspruch gegen den Leistungsempfanger. Stellt sich indessen bei der Abwägung der jeweiligen Rechtstitel heraus, daß der Kondiktionsschuldner die Sache ohne
198 Nach der vorangegangenen Prämisse der Titellehre lösen beide Situationen denselben Kondiktionsanspruch aus, weil zwischen beiden nicht unterschieden wird. Vgl. supra in diesem Teil, A. XIII. 2. 199 Dazu s. oben die Vorbemerkung, vierter Teil, A. I.
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einen wirksamen titulus erhalten hat, ist der Kondiktionsanspruch gegen ihn berechtigt, womit der Kläger die Herausgabe der Sache per condictionem durchsetzen darf. Die Wirksamkeit des Rechtstitels besteht zunächst gegenüber dem jeweiligen Leistungspartner, gilt aber auch gegenüber allen Mitgliedern der Bereicherungskette. Selbstverständlich ergibt sich die Wirksamkeit des Rechtstitels nicht aus der Titelabwägung, da der Rechtsgrund unabhängig von einer Abwägung einen oder keinen Mangel enthält. Die Abwägung betrifft nur die (Feststellung der) Kondizierbarkeit einer Zuwendung. Die Grenzen der Herausgabeklage gegen den Dritten, d.h. gegen den Nichtleistungspartner, liegen in dem tatsächlichen Vorhandensein der vom Entreicherten geleisteten Sache. Sobald diese aus irgendeinem Grund untergegangen ist, erlischt der Anspruch gegen den Dritten, der die passive Legitimation verliert. Der Kondiktionsgläubiger darf folglich vom Dritten keinen Wertersatz rur die untergegangene Sache verlangen. Die Möglichkeit, durch Kondiktion auf den Wertersatz zu klagen, steht aber dem solvens gegenüber seinem unmittelbaren Leistungspartner weiterhin offen. Sind Leistungspartner des Kondizierenden und jetziger Eigentümer der Sache nicht in derselben Person verkörpert, stehen dem kausalos Entreicherten folglich mehrere Möglichkeiten offen. Er darf zunächst gegen den Leistungspartner auf Rückabwicklung seines Leistungsverhältnisses klagen. Freilich kann er dadurch nicht die Herausgabe der geleisteten Sache erzielen, wenn diese sich nicht mehr im Vennögen des Anspruchgegners befindet. Er wird deshalb lediglich einen Wertersatz anstatt der Sache erhalten. Der Entreicherte darf ferner auch gegen den aktuellen Eigentümer der Sache, bzw. denjenigen, dem das Eigentum an der Sache ungültig übertragen wurde, kondizieren, selbst wenn dieser kein unmittelbarer Leistungspartner des Klägers ist. Auch in diesem Falle wird die Frage nach der Kondizierbarkeit durch eine Titelabwägung der Kondiktionsparteien beantwortet. Ist der Rechtstitel, der den Eigentumserwerb des Beklagten begründet, unwirksam, darf der Entreicherte von diesem die Herausgabe der Sache verlangen. Die Wahl zwischen dem Anspruch gegen den unmittelbaren Leistungspartner und dem gegen den Dritten, oder sogar die gleichzeitige Erhebung bei der Klagen, steht allein dem Kondizierenden zu. Er darf selbst entscheiden, ob er die Sache oder deren Ersatz erhalten will. Klagt der Entreicherte gegen seinen Leistungspartner und zugleich gegen den Dritten, darf er entweder die Sache oder den Wertersatz erhalten. Sobald der Kläger die Sache oder den Ersatz erhalten hat, wird sein Interesse an der weiteren Durchsetzung des Kondiktionsanspruches vom Rechtssystem nicht mehr geschützt, so daß der Anspruch gegen den anderen Beklagten, der noch nicht herausgegeben hat, nicht mehr besteht. Nach dieser dritten Regel darf somit der Kondiktionsgläubiger den Anspruch sowohl gegen seinen Leistungspartner als auch gegen denjenigen geltend
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machen, der die Sache durch einen auf die Eigentumsübertragung gerichteten Rechtstitel erhalten hat. Die Durchsetzbarkeit der Kondiktion ergibt sich stets aus der Analyse des Rechtstitels des jeweiligen Beklagten. Die Unwirksamkeit dieses Rechtstitels rechtfertigt die Gewährung einer Kondiktion zugunsten des Entreicherten. Die Überprüfung, die nach der hier verwendeten Terminologie als "Titelabwägung" bezeichnet wird, erfordert eine kurze Erklärung. Es bedeutet nämlich nicht, daß die Entscheidung zugunsten des einen oder des anderen Titels, und daher die Entscheidung über die Kondizierbarkeit einer Zuwendung, aufgrund ethischer, äquitativer oder sonstiger Überlegungen fallen soll.Im Gegenteil, die Verfahrensweise ist dabei fast automatisch: Es handelt sich um eine objektive Untersuchung über die Wirksamkeit des Rechtstitels des Klägers, d.h. des Rechtstitels, aufgrund dessen der solvens über sein Eigentum verfügt hat, und des Rechtstitels des Beklagten, d.h. des Rechtstitels, der den Eigentumsübergang der Sache an den Beklagten begründen soll. Ist der titulus des Klägers wirksam, ergibt sich daraus das Nichtbestehen des Kondiktionsanspruches. Ist er hingegen unwirksam, wird der Anspruch gewährt, falls auch der Rechtstitulus des Beklagten unwirksam ist. Diese Kontrolle über die Voraussetzungen bei der Rechtstitel für die Anwendbarkeit der Kondiktion wird hier also Titelabwägung genannt. In diesem Abschnitt wird gesprochen von einer "Eigentumsverschaffungsfunktion" des Anspruches. Der ganze Teil ist dem Studium einer "Eigentumskondiktion" gewidmet. Schon aus diesen beiden Signalen könnte geschlossen werden, daß die Kondiktion nach dem vorliegenden Modell erst dann gewährt werden darf, wenn der Leistende das Eigentum verloren hat. Ferner könnte man glauben, daß Klage erst dann erhoben werden darf, wenn der Empfänger der Sache das Eigentum erworben hat. Entgegen diesem Eindruck steht jedoch ein Restitutionsanspruch zur Verfügung, der gemäß der gewählten Lösung auch zugunsten des Eigentümers und sogar zu Lasten des Nichteigentümers angewendet werden darf. Ein Herausgabeanspruch, der sodann gegen Nichteigentümer, also vor allem gegen Besitzer, eingesetzt wird, soll folgerichtig keine Eigentums-, sondern nur eine Besitzkondiktion ermöglichen. Der Widerspruch zwischen dem Anwendungsfeld, das der Bezeichnung "Eigentumskondiktion" zu entnehmen ist, und dem Kreis der Legitimierten drängt auf eine KlarsteIlung. Der Begriff der Eigentumskondiktion wurde in dieser Studie gegenüber der gewöhnlichen Rechtsterminologie bewußt mit einer etwas anderen Bedeutung verwendet. Dadurch wird im Rahmen der Titellehre die Verbindung zwischen dem Herausgabeanspruch und der Zuwendung hervorgehoben, welche die Parteien gewollt haben, um eine dingliche Veränderung ihrer jeweiligen Rechtslage zu bewirken. Mit anderen Worten, die Parteien müssen durch die Zuwendung beabsichtigt haben, daß das Eigentum an der zu kondizierenden Sache vom Lei-
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stenden zum Leistungsempfänger übergeht. Für die Anwendbarkeit dieser Eigentumskondiktion lato sensu ist dann irrelevant, ob der Eigentumsübergang wirklich stattgefunden hat. Wichtig ist nur, daß sich die Parteien im Rechtstitel zur Eigentumsübertragung verpflichtet haben, und daß aufgrund dieser Verpflichtung die Sache übergeben worden ist. In diesem Sinne hat der terminus Eigentumskondiktion eine konsequente Bedeutung: Eine Übergabe, die nicht aus der Eigentumsübertragungsverpflichtung des Grundgeschäftes folgt, d.h. die nicht zum Zwecke der Eigentumsübertragung erfolgt, führt nicht zur Ausübung einer Kondiktion. Ist die Klage beispielsweise gegen einen Dritten, d.h. gegen einen Nichtleistungspartner, bei dem sich die Sache befindet, gerichtet, muß der titulus des Anspruchsgegners gemäß der dritten Regel überprüft werden. Falls diese Untersuchung zum Ergebnis führt, daß der Beklagte die Sache infolge eines Mietvertrages erlangt hat, den er mit dem Eigentümer abgeschlossen hat, findet die Eigentumskondiktion keine Anwendung. Der Kläger darf lediglich gegen seinen Leistungsempfänger kondizieren. Der titulus aus dem - wirksamen oder unwirksamen - Mietverhältnis und derjenige aus dem Eigentumsverhältnis sind nicht kompatibel und können folglich nicht verglichen werden. Nur Rechtstitel aus Eigentumsverhältnissen haben diese Fähigkeit. Der Einwand, daß die Rechtslage des Dritten durch diese dritte Regel unterschiedlich behandelt werde, je nachdem, ob dieser die Sache noch hat, oder sie untergegangen ist, so daß letzterer kondiktionsrechtlich besser als ersterer stehe, entbehrt m.E. einer Grundlage. Die Funktion der Kondiktion, es ist nunmehr oftmals wiederholt worden, besteht vor allem in der Wiederverschaffung der Sache zugunsten desjenigen, der über sie ohne rechtlichen Grund verfügt hat. Abgesehen von der Rückabwicklung von Vertragsverhältnissen wird die Anwendung der Kondiktion auf Dritte bedeutungslos, wenn die zurückzufordernde Sache nicht mehr existiert. Dieser Regel zufolge könnte man weiter einwenden, daß der Dritte sich durch die absichtliche Zerstörung der Sache von der Herausgabeverbindlichkeit befreit hat, so daß er doch besser stünde als derjenige, der die Sache noch hat. In der Tat folgt aus dem Untergang der Sache, selbst wenn vorsätzlich verursacht, die Löschung des Kondiktionsanspruches. Ob der Dritte dadurch besser steht, ist dennoch äußerst fraglich, denn andere Rechtsbehelfe können in Betracht gezogen werden, die den durch die Zerstörung der Sache eingetretenen Schaden des Entreicherten auszugleichen vermögen. Dem Deliktsrecht kommt selbstverständlich in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, obwohl auch andere Rechtsinstitute eingesetzt werden könnten.
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4. Herausgabemechanismus bei Durchsetzung des Anspruchs gegen Dritte
Bei Anwendung der Kondiktion gegen einen Dritten, an den der Kläger nicht unmittelbar geleistet hat, befindet sich der Beklagte in einer ganz anderen Rechtslage als im Falle der Kondiktion gegen den Leistungspartner: Während es bei der Kondiktion zwischen durch eine Leistung verbundene Parteien "lediglich" um die Rückabwicklung einer direkten Beziehung geht, gibt es in der jetzt zu erörternden Fallkonstellation entlang der Bereicherungskette andere Rechtssubjekte, die eine direkte Verbindung zwischen den Kondiktionsparteien verhindern. Die Entfernung zwischen dem Kläger und dem Beklagten erweitert das Spektrum der Interessen, die bei der Erhebung der Klage berücksichtigt werden müssen. Mit anderen Worten, es werden infolge der Kondiktion gegen den Dritten die Interessen anderer Rechtssubjekte tangiert, die ihrerseits bei Unwirksamkeit der von ihnen erbrachten Leistung theoretisch gegen den von dem Kondizierenden Beklagten kondizieren dürfen. Weil nicht die Interessenlage aller, sondern nur einiger Kettenmitglieder bei der Direktkondiktion gegen einen Dritten in Betracht kommt, wird die Untersuchung auf lediglich drei Gruppen von Rechtssubjekten beschränkt, die von der Erhebung einer Kondiktionsklage auf schuldrechtlicher Ebene, und - nota bene - ohne die sachenrechtliche Ebene mit einzubeziehen - in ihren Interessen unmittelbar berührt werden. a) Kondizierbare Fallkonstellationen
Zunächst soll die Position des kausalos Entreicherten untersucht werden. Etwas hat sein Vermögen (endgültig) verlassen, ohne daß die Vermögensverschiebung von einem wirksamen titulus unterstützt wurde. Sein Interesse besteht somit vor allem in der Wiedererlangung der Sache und, wenn dies nicht möglich ist, in der Wiederherstellung seines Vermögens durch einen entsprechenden Wertersatz. Dieser bildet allerdings rur die Funktion der Kondiktion lediglich ein sekundäres Ergebnis, das zu vermeiden ist, solange sich die Sache noch unbeschädigt im Vermögen des Schuldners befindet: Anhand der Kondiktionsklage wird zunächst durch die Herausgabe der Sache versucht, die Wiederherstellung des status quo ante der rechtsgrundlosen Zuwendung zu erreichen. Das Interesse des kausalos Bereicherten geht freilich in die entgegengesetzte Richtung. Gemäß den Regeln der Titellehre ergibt sich die Kondizierbarkeit der an ihn gerichteten Zuwendung aus der Fehlerhaftigkeit seiner eigenen Leistungsbeziehung, d.h. der Beziehung, durch die er das Eigentum erworben hat, bzw. hätte erwerben sollen. Etwas ist folglich ohne rechtlichen Grund in sein Vermögen geflossen und muß herausgegeben werden. In diesem Falle liegt das Hauptinteresse des Anspruchsgegners vornehmlich darin, die negativen Auswirkungen der Kondiktion auf sein Vermögen soweit wie möglich zu vermei-
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den. Durch die Berücksichtigung dieses Interesses erhält die Abwägung des Interessenspektrums der Kondiktionsparteien einen neuen Akzent: Es geht darum, daß die Herausgabeklage die Unversehrtheit des Vermögens des in Anspruch genommenen Dritten weitmöglichst gewährleisten soll. Auch die Position des jeweiligen Leistungspartners des von dem Nichtleistungspartner beklagten Dritten muß aufmerksam betrachtet werden. Die Lage wird hier dadurch kompliziert, daß gegen den Bereicherten, bei dem sich die Sache befindet, mehrere Entreicherte aus derselben Bereicherungskette klagen dürfen: Neben dem Leistungspartner kann beispielsweise ein entfernter Nichtleistungspartner kondizieren, der über die Sache durch einen unwirksamen titulus verfügt hat. Neben diesem ersten unwirksamen Rechtstitel muß auch die Leistungsbeziehung, die den Eigentumserwerb des Beklagten unterstützen soll, fehlerhaft sein, um den Kondik-tionstatbestand gemäß der Titellehre auszulösen. Die Mangelhaftigkeit der Rechtstitel der Kondiktionsparteien ergibt sich aus der oben geschilderten Titelabwägung2oo . Darf der Nichtleistungspartner gegen den Dritten kondizieren, bedeutet dies, daß sich aus der Titelabwägung die Unwirksamkeit des Veräußerungstitels des Klägers und des Erwerbstitels des Beklagten ergeben hat. Die Unwirksamkeit des Erwerbstitels des Beklagten bringt von selbst mit sich, daß dem Leistungspartner des Beklagten eine Restitutionsklage erst Recht zusteht, wenn der Nichtleistungspartner kondizieren darf. Eine Bewertung der Interessen der in eine Kondiktion verwickelten Rechtssubjekte führt hinsichtlich der Rechtslage des Leistungspartners zu folgender Überlegung: Das Recht des Leistungspartners auf Durchführung seiner Kondiktion soll von einer Herausgabeklage des Nichtleistungspartners nicht beeinträchtigt werden, damit ihm die Möglichkeit zu kondizieren in jedem Fall in vollem Umfang erhalten bleibt. Der im folgenden beschriebene Mechanismus der Herausgabe einer ungerechtfertigt erlangten Sache behält all diese verschiedenen Interessen im Auge. Aus der Prämisse, nach der das Rechtssystem durch die Kondiktion in primis die Restitution der Sache erreichen möchte, folgt die oftmals wiederholte, enge Verbindung der Kondiktion mit der Vindikation: Beide, wenngleich auf unterschiedlichen Ebenen, d.h. der schuldrechtlichen bzw. der sachenrechtlichen, sind reipersekutorische, also sachverfolgende, Rechtsbehelfe. Sie befassen sich grundsätzlich weder mit eventuellen Schadensersatzansprüchen noch mit Gerechtigkeitsgedanken, anders hingegen etwa als die allgemeine Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. Sie verfolgen die Sache, wo immer sie sich befin-
200 Vgl.
supra in diesem Teil, A. VIII. 3.
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det. Dabei berücksichtigt die Vindikationsklage nicht ausschließlich das Interesse des Eigentümers an der Wiedererlangung der Sache, auch das Interesse des materiellen Besitzers an der Unversehrtheit seines Vermögen wird (zumindest teilweise) gewahrt. So darf der Besitzer gern. § 1000 BGB die Herausgabe der Sache verweigern, solange seine Verwendungen vom Kläger nicht erstattet worden sind. Ferner darf der Besitzer nach § 98611 BGB unter bestimmten Umständen bei Abtretung des Herausgabeanspruchs dem neuen Eigentümer die Einwendungen entgegensetzen, die er bereits gegenüber dem alten Eigentümer geltend machen konnte. Ein ähnlicher Schutz muß infolge der eben erwähnten engen Beziehung auch dem Kondiktionsgegner gewährt werden, falls der Kondizierende ihm keine unmittelbare Leistung erbracht hat. Nun soll die Struktur dargestellt werden, die im Einklang mit den Prinzipien der Titellehre die Restitution unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen ermöglicht. Hat der accipiens die Sache weiter veräußert (nach dem Abstraktionsprinzip), bzw. veräußern wollen (nach dem Kausalprinzip), darf der solvens die Sache direkt vom Dritten herausverlangen, wenn die Verfügung an den Dritten durch einen unwirksamen Rechtstitulus erfolgt. Es handelt sich dabei um eine Direktkondiktion gegen den Dritten, an dem weder der Leistungspartner der Klägers noch derjenige des Beklagten teilnehmen. Die Anspruchsgrundlage der Klage liegt im Kondiktionsanspruch des Entreicherten, der aus seiner kausalosen Zuwendung entsteht. Das Recht auf Rückforderung dessen, was ein Vermögen ungerechtfertigterweise verlassen hat, begründet die Inanspruchnahme des gegebenenfalls tatsächlichen, aber ohne einen rechtlichen Grund zum Eigentümer gewordenen Bereicherten, selbst wenn dieser kein Leistungspartner des Klägers ist. Die Entscheidung über die Kondizierbarkeit der Zuwendung erfolgt sowohl gegen den Leistungspartner als auch gegen den Dritten aufgrund derselben Regeln, in deren Mittelpunkt die Titelabwägung steht. Wird der Klage stattgegeben, bestimmt der titulus, durch den das Eigentum an der Sache erworben worden ist, bzw. hätte erworben werden sollen, den Haftungsgegenstand. Die Feststellung des Erwerbstitels als Element, das den Inhalt des Anspruches bestimmt, bringt die Folgerung mit sich, daß der Kläger, der keine Leistung an den Beklagten erbracht hat, nicht mehr als der "echte" Leistungspartner des Beklagten verlangen darf. Seinerseits darf der Anspruchsgegner dem Kondizierenden die Einwendungen entgegensetzen, die aus seinem unwirksamen Rechtstitel entstehen, selbst wenn nicht der Leistungspartner, dem gegenüber die Entgegensetzung der Einwendungen selbstverständlich sind, sondern der Nichtleistungspartner auf Restitution klagt. Es stellte sich also die konkrete Herausgabestruktur des Kondiktionsanspruches gemäß der Titellehre folgendermaßen dar: Im großen und ganzen wird die Wirkung einer Abtretung reproduziert, ohne daß jedoch eine echte Abtretung stattfindet. Die Anspruchsgrundlage liegt im Kondiktionsrecht, so daß die Herausgabe aufgrund einer ungerechtfertigten Zuwendung des solvens stattfindet, aber, rechtstechnisch betrachtet, erfolgt die
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Kondiktion hinsichtlich ihrer konkreten Durchfuhrung (gegen den Dritten) nach dem Modell der Abtretung. Dabei, es wird noch einmal wiederholt, wird allerdings keine echte Abtretung im Sinne der §§ 398 ff. BGB vollzogen. Der Anspruch des Kondizierenden gegen den Dritten bringt in der Praxis keine Einbeziehung des Leistungspartners des Anspruchsgegners mit sich, obwohl der titulus adquirendi, der die Kondiktion begründet, zwischen bei den letztgenannten Rechtssubjekten zustandegekommen ist. Die konkrete Durchfuhrung der Klage folgt somit nach derartigem Schema: Der Entreicherte darf gegen seinen Leistungspartner per condictionem stets klagen. Falls der zweite über die Sache weiter verfugt hat, werden die Regeln der Titellehre auch auf das Rechtssubjekt angewendet, bei dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Klageerhebung befindet. Wurde über die Kondizierbarkeit der Sache gemäß den besagten Regeln positiv entschieden, bedient sich die Titellehre bei der Durchfuhrung der Restitution technisch der Struktur der Abtretung einer Forderung. Die Kondiktionsparteien befinden sich bei der Ausübung der Klage gegen einen Dritten in derselben Situation, als ob der Leistungspartner des Beklagten seinen Kondiktionsanspruch an den Kläger abgetreten hätte. Die Übernahme einer abtretungsähnlichen Herausgabestruktur ermöglicht dem ersten solvens die Ausübung der Kondiktion, ohne daß der direkte Leistungspartner des Anspruchsgegners dadurch übermäßig benachteiligt wird: Er kann die Sache selbst zwar nicht mehr zurückerlangen, aber er kann sehr wohl gegen seinen Leistungspartner kondiktionsrechtlich klagen, selbst wenn dieser die Sache schon herausgegeben hat. In diesem letzten Falle wird freilich ein Wertersatz anstelle des primären Restitutionsanspruches treten müssen. Das Interesse des ersten Leistenden wird in vollem Maße berücksichtigt, weil gerade diejenige Sache in sein Vermögen zurückfließt, über die er ohne rechtlichen Grund verfugt hatte. Schließlich wird die Rechtslage des Anspruchsgegners durch die Ausübung der Klage desjenigen, der an ihn nur mittelbar geleistet hat, nicht negativ verändert, weil der Kläger nicht über die Grenze der Forderung hinausgehen darf, die dem Leistungspartner des Beklagten zusteht20I , so daß es fur den Bereicherten ziemlich irrelevant ist, wer letzten Endes gegen ihn klagt. Es bleibt noch die Rechtslage des Beklagten darzustellen, falls sich mehrere Entreicherte zugleich kondiktionsrechtlich an ihn wenden. Diese Situation könnte unschwer zustande kommen, wenn sich mehrere Rechtstitel derselben Bereicherungskette als fehlerhaft erweisen. Bei Bereicherungsketten, die mehr als zwei Rechtssubjekte haben, ist es leicht vorstellbar, daß alle Leistenden, deren Rechtstitel unwirksam ist, vom tatsächlichen Eigentümer bzw. Besitzer die 201
D. I, 17,68: Cessionarius utitur jure cedentis.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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Herausgabe verlangen können. Die Überprüfung der Rechtspositionen der einzelnen Kläger ist dem Beklagten nicht zuzumuten. Andererseits soll die Zufriedenstellung der Kondiktionsgläubiger nicht im freien Ermessen des (mehrfachen) Anspruchsgegners liegen. Ein geeignetes Kriterium läßt sich vielleicht dem Prioritätsprinzip entnehmen, zusammengefaßt in prior in tempore, potior in jure : Der erste, der seinen Anspruch erhebt, wird den weiteren Entreicherten vorgezogen, so daß folglich der Kondiktionsschuldner an diesen herausgeben muß. Eine ähnliche Lösung wurde mutatis mutandis vom italienischen Gesetzgeber in Art. 1265 c.c. verankert, der besagt, daß bei einer Abtretung derselben Forderung an mehrere Zedenten derjenige Gläubiger der Vorrang hat, an den der Schuldner zuerst abgetreten hat, bzw. dessen Abtretung zuerst vom Schuldner durch eine Urkunde mit sicherem Datum angenommen wird. Trotz der unterschiedlichen Rechtslage in bei den Fällen steht der Schuldner immer vor einer Vielzahl von Ansprüchen, von denen er nur einen durch die Restitution erfüllen kann. Eine erfolgreiche Erhebung der Klage schließt nur weitere Klagen der Nichtleistungspartner gegen den herausgebenden Schuldner aus. Derjenige, an den die Sache herausgegeben worden ist, darf freilich weiter per condictionem in Anspruch genommen werden. Auch diese Klagen werden ihrerseits mit dem Kriterium der Titelabwägung überprüft. Eine Lösung mit Hilfe des Prioritätsprinzipes ist mit den Kausalsystemen unschwer zu vereinbaren, da sie zwischen Sachen- und Schuldrecht nicht so scharf trennen. Diese beiden Rechtsgebiete werden nämlich durch den Vertrag mit dinglicher Wirkung eng verbunden, d.h. einen schuldrechtlichen Vertrag, der jedoch sachenrechtliche Änderungen bewirkt. Die Verwendung des Prioritätsprinzipes könnte allerdings innerhalb des Abstraktionsprinzipes auf Kritik stoßen, weil es im Rahmen des Sachenrechts relevant ist, dem Schuldrecht aber fremd bleibt. Außerdem wird dieses Prinzip im deutschen Recht vor allem als ein verfahrensrechtlicher Begriff wahrgenommen. Aus diesen Gründen soll der hier erarbeitete Vorschlag nur cum grano salis akzeptiert werden. Er wird hauptsächlich zeigen, wie notwendig es ist, die Rechtslage des Beklagten bei mehrfachen Klageerhebungen zu regeln. Zu einem besseren Verständnis dieser Herausgabestruktur kann eine kurze Falldarstellung verhelfen. Gegeben sei eine Bereicherungskette A - E, in der Ader Kondizierende, C der Eigentümer und E der tatsächliche Besitzer der Sache infolge einer vermeintlichen Eigentumsübertragung ist202 • In der ganzen Bereicherungskette ist 202 Es handelt sich um einen Fall, der von den nationalen Regelungen absieht. Er soll folglich nicht unter einen deutschen Tatbestand oder italienischen subsumiert werden.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
lediglich das Rechtsverhältnis B - C wirksam, alle anderen Rechtsverhältnisse sind, bereicherungsrechtlich betrachtet, nicht kondiktionsfest. Infolge der Unwirksamkeit des Veräußerungstitels darf A seine Verfügung an B kondizieren, würde aber dadurch lediglich den Wertersatz erlangen, weil die Sache das Vermögen des B schon vor der Ausübung der Kondiktion verlassen hat. Falls A den geleisteten Gegenstand und keinen Ersatz zurückerhalten möchte, muß er sich an E wenden. Aus der Überprüfung des titulus, aufgrund dessen die Sache von D an E übertragen wurde, ergibt sich, daß E die Sache ohne rechtlichen Grund bekommen hat, weil sein Rechtstitel fehlerhaft ist. Da die Sache im Vermögen des E noch besteht, also nicht untergegangen ist, entscheidet sich A, die Herausgabe der Sache durch Kondiktionsklage gegen E zu verlangen. Der Anspruchsgegenstand wird dabei vom Rechtstitel D - E bestimmt, so daß Z.B. E dem A die Einwendungen aus dem Rechtstitel D - E entgegensetzen und die Herausgabe der erbrachten Leistung verweigern darf, solange A ihn nicht zufriedengestellt hat. Die vierte Regel befaßt sich mit dem Herausgabemechanismus bei der Kondiktionsklage gegen Dritte, denen der Kläger nicht unmittelbar geleistet hat. Darin wird festgelegt, daß der Anspruchsgegenstand dem Rechtstitulus zu entnehmen ist, durch den der Beklagte die Sache erhalten hat. Der technische Ablauf der Restitution folgt der Struktur der Abtretung, ohne dadurch den Leistungspartner des Anspruchsgegners in das Kondiktionsverhältnis mit einzubeziehen. b) Rechtslage des Dritten und Insolvenzrisiko
Die Durchgriffskondiktion gegen einen Dritten birgt aus der Sicht der Rechtswissenschaft bekannte Gefahren für den Anspruchsgegner in sich. Vor allem das Risiko einer der Gerechtigkeit nicht entsprechenden Beeinträchtigung des Vermögens des Dritten bereitet den Befürwortern der Durchgriffskondiktion erhebliche Begründungsschwierigkeiten. In diesem Zusammenhang muß die Rechtsfrage des Insolvenzrisikos erörtert werden: Quid juris, wenn der Vertragspartner des Dritten insolvent wird? Mit anderen Worten, es handelt sich um die Entscheidung, wer das sog. Insolvenzrisiko eines Mitglieds der Bereicherungskette tragen soll. Nach der Titellehre ergibt sich die Lösung aus der Analyse der Rechtsinstitute, die zur Verwirklichung der Herausgabe beitragen. Wie bereits gesehen, folgt die Restitution in concreto dem Modell der Abtretung, obwohl rechtstechnisch keine echte Zession stattfindet. Gerade aus der Abtretung einer Forderung sind einige Grundsätze herzuleiten, die die schwierige Rechtslage des Dritten
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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bei der Durchgriffskondiktion untermauern können. In den entsprechenden Normen der deutschen und italienischen Kodifikation, §§ 398 ff. bzw. Artt. 1260 C.C., kann man eine gesetzgeberische Bemühung deutlich erkennen, den Schuldner vor Rechtsnachteilen vollständig schützen zu wollen. Insbesondere bei gegenseitigen Verträgen, die sich der hier untersuchten Fallkonstellation am meisten nähern, wird dem Schuldner die Möglichkeit eingeräumt, sich gegen den Anspruch des Zessionars zu wehren. Der Schutz des Schuldners wird in beiden Rechtssystemen 203 vor allem durch das Recht hergestellt, dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen zu dürfen, die bereits gegenüber dem alten Gläubiger geltend gemacht werden konnten. Die Norm über die Entgegenhaltung der Einwendungen wird bei gegenseitigen Verträgen weit ausgelegt, so daß z.B. dem Schuldner im deutschen Recht auch die Einrede des nichterfüllten Vertrages gern. § 320 BGB zusteht. Außerdem ermöglicht nach der Rechtslehre 204 § 404 BGB, dem Schuldner dem Zessionar die Vermögensverschlechterung des Zedenten nach § 321 BGB entgegenzusetzen. Die Normen zum Schutz des Schuldners sind auf den Rechtssatz res inter alias acta, tertia neque nacet neque pradest zurückzuführen 205 : Die Übertragung der Forderung findet nämlich ohne irgendeinen Beitrag des Schuldners in\'ita debitare - statt, dessen Willenserklärung diesbezüglich irrelevant ist. Es scheint deshalb gerecht, daß seine Vermögenssphäre durch die Abtretung nicht negativ beeinflußt wird. Die Übernahme dieses Prinzipes gelingt durch einen Vergleich zwischen den Rechtslagen der Durchgriffskondiktion und der Abtretung. Die Ausübung einer Direktkondiktion gegen einen Dritten nach dem Modell der Titellehre ist der Abtretung einer Forderung aus einem gegenseitigen Vertrag sehr nah. Der Hauptunterschied zwischen beiden Rechtsfiguren liegt darin, daß im Falle der Kondiktion der Vertrag unwirksam oder nichtig ist, bzw. gar nicht besteht, während bei der Abtretung eine Forderung übertragen wird, die auf einem wirksamen Vertrag basiert. Dieser Unterschied ist m.E. nicht so gewichtig, daß die Verwendung der Struktur der Zession durch die Titellehre unmöglich wird. In beiden Fallkonstellationen ist der Konsens des Anspruchsgegners irrelevant, so daß seine Vermögenssphäre, wie auch bei der Abtretung, bei der Direktkondiktion von einer res inter alias acta, hier einer nicht zugestimmten Rechtsänderung, nicht betroffen werden soll. Der Rechtssatz der Ab203 Vgl. für das deutsche Recht § 4048GB. Der italienische Gesetzgeber hat keine ausdrückliche Vorschrift vorgesehen, weil sich die Entgegensetzung der Einwendungen schon aus den Grundsätzen der successioni a titolo parlicolare ergibt, zu denen die Abtretung zählt. Über die Entgegensetzung der Einwendungen bei der Abtretung auch gegenüber dem neuen Gläubiger s. Panuccio, 866 ff. 204 Statt aller MiinchKommlRoth, § 398, Rdnr. 92; und Slaudinger/Kaduk, § 398, Rdnr. 21 f. 205 Zutr. Panuccio, 868.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
tretung wird in der Titellehre folgendermaßen formuliert: Der Schuldner muß sich nach Ausübung der Kondiktion seitens des Nichtvertragspartners in der gleichen Lage befinden, in der er sich befinden würde, wenn sein eigener Vertragspartner gegen ihn kondiziert hätte. Wie man sieht, steht hinter diesem Rechtssatz der gleiche Grundgedanke, der für die Abtretung gilt, obwohl er freilich in einem anderen Zusammenhang angewendet wird. Nachdem der Rechtssatz ermittelt wurde, der die Durchgriffskondiktion regelt, sollen nun seine Auswirkungen auf die Struktur des Restitutionsanspruches gegen den Nichtvertragspartner gemäß der Titellehre analysiert werden. Dieser wird vornehmlich von zwei Rechtsinstituten beeinflußt, wie diese kurze Zusammenfassung verdeutlicht: Die Kondiktion ersetzt die Vindikation und zielt auf die Herausgabe der Sache ab; für die konkrete Durchführung des Anspruches gegen den Dritten wendet sie sich an die Struktur der Abtretung. Die Ausgestaltung der Kondiktion ist folglich der Vindikation und der Zession zu entnehmen. Aus ersterer übernimmt das Kondiktionsrecht die sachverfolgende Natur des Anspruches; aus der zweiten den Rechtssatz der res inter alias acta. Dementsprechend darf der Kläger gegen den Dritten kondizieren, der sich jedoch vor allem durch die Entgegenhaltung der Einwendungen wehren kann, die auf seinem Erwerbstitel gründen. Diese Konstruktion hilft dem Schuldner aber nicht, falls sein Vertragspartner insolvent ist: In diesem Falle müßte der Anspruchsgegner nämlich die Sache dem Kondizierenden, der kein Vertragspartner ist, herausgeben, ohne gegen seinen eigenen Vertragspartner kondizieren zu können, weil dieser nicht mehr in der Lage ist, seine Restitutionspflicht zu erfüllen. Die Lösung dieses Problems läßt sich nochmals in einer entsprechenden Anwendung der Vindikation finden. Die Untersuchung beschränkt sich lediglich auf das deutsche Sachenrecht, weil im italienischen ein sehr ähnliches Modell zu finden ist.
§ 1000 BGB gestattet dem Besitzer die Verweigerung der Herausgabe, solange die von ihm in bezug auf die Sache bestrittenen Verwendungen nicht ersetzt worden sind. Steht dem Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht zu, dann darf der Gläubiger die ihm gebührende Leistung nur gegen die gleichzeitige Vornahme seiner Leistung nach dem Modell der sog. Leistung Zug um Zug verlangen. Infolge der engen Verbindung zwischen Vindikation und Kondiktion 206 steht auch dem Kondiktionsschuldner eine Art Leistungsverweigerung gegen den Kläger zur Verfügung, die den Kondizierenden zur Forderung einer Leistung Zug um Zug zwingt. Freilich handelt es sich hier nicht um den Ersatz bloßer Verwendungen, sondern darum, daß die Position des Schuldners von der "Abtretung" des Kondizierenden nicht berührt werden soll. Für die Titellehre 206
Näheres dazu infra in diesem Teil, B. 11.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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bedeutet dies, daß der Schuldner die Herausgabe der Sache verweigern darf, solange der Gläubiger ihm den Preis der herauszugebenden Sache nicht erstattet hat. Diese Abweichung von der Vindikation fUhrt m.E. nicht zu unhaltbaren Ergebnissen. Sie findet zwei wichtige Stützpunkte in der Gesetzgebung. Zum einen ist es richtig, daß im § 1000 BGB nur von Verwendungen, und nicht von Aufwendungen die Rede ist. Daraus eine Anwendbarkeit auf sämtliche Ausgaben des Schuldners zu schließen, könnte den Eindruck einer allzu willkürlichen Auslegung erwecken. wodurch sich die lex lata der Titellehre beugen müßte. Die Analyse der Vorschrift dementiert jedoch einen solchen Eindruck: Der Rechtssatz. der hinter der erwähnten Vorschrift steht. bezweckt nämlich nicht die bloße Erstattung der Verwendungen. Vielmehr läßt sich das vom Gesetzgeber hier angestrebte Ziel folgenderweise zusammenfassen: Der Besitzer soll durch die Herausgabe keinen Rechtsnachteil erleiden, dem er nicht zugestimmt hat. In diesem konkreten Fall besteht der Rechtsnachteil des Schuldners in seinen Verwendungen bezüglich der herauszugebenden Sache. Dies berührt jedoch die Bedeutung und die Trag\'.:eite des Rechtssatzes nicht. Es ist kein Zufall, daß es in § 1000 BGB, genau wie im Kondiktionsrecht. um die Herausgabe einer Sache geht. Wie wichtig dieser Rechtssatz ist, bezeugt die Abtretung, die der Gesetzgeber unter demselben Grundsatz geregelt hat. Sowohl bei der Vindikation als auch bei der Zession steht folglich die Bemühung um die Unversehrtbarkeit des Vermögens des Dritten im Mittelpunkt, dessen Konsens in beiden Tatbeständen nicht zum unentbehrlichen Merkmal wird. Die Berührung der Vermögenssphäre des Dritten ohne seine vorherige Zustimmung erscheint dem Gesetzgeber verständlicherweise eine unannehmbare Zumutung. Das Recht des Kondiktionsschuldners, vom Kondizierenden die Erstattung der im Umgang mit der Sache bestrittenen Aufwendungen zu verlangen, wurzelt folglich in beiden Rechtsinstituten, die im Kondiktionsrecht eine große Rolle spielen. Dieses Recht beruht auf einem soliden Rechtssatz, der auch in der Titellehre zugunsten des Anspruchsgegners bei DurchfUhrung der Kondiktion durch den Nichtleistungspartner verwendet werden darf. Nun schließt sich der Kreis der Analyse des letzten Abschnitts, nach der keine Interessensphäre der von der Durchgriffskondiktion betroffenen Parteien durch eine Kondiktion benachteiligt werden darf: Der Kondizierende hat die Sache zurückerhalten; der Vertragspartner des Anspruchgegners darf ohnehin auf Rückabwicklung der gestörten Vertragsverhältnisse klagen, wenngleich er dabei nur einen Wertersatz erhalten wird; ferner muß der Beklagte das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners gegenüber Dritten nicht tragen, weil ihm zumindest der Wert der herausgegebenen Sache vom kondizierenden Nichtleistungspartner ersetzt werden muß. Durch ein kurzes Beispiel läßt sich die komplexe Situation besser verstehen.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
In der Bereicherungskette A - E sind die Zuwendungen A - Bund D - E nichtig, alle anderen wirksam. A hat durch die Veräußerung seines Fahrrads 100 DM erzielt, nach mehreren Veräußerungen tauscht D letztlich das Fahrrad mit E gegen einen Videorecorder. Als die Unwirksamkeit seiner Veräußerung festgestellt wird, möchte A sein Fahrrad zurückerhalten, dafUr wendet er sich an E, dessen Erwerb unwirksam ist. Mangels einer Einwendung muß E das Fahrrad zurückgeben, er darf jedoch die Restitution verweigern, solange A den Preis des Fahrrads Zug um Zug nicht erstattet hat. E kann seinerseits seine eigene Leistung an D kondizieren. Dadurch kann E den Videorecorder zurückerhalten, während D sich mit dem Wertersatz des Fahrrads zufrieden geben muß. Hätte D vor A die Herausgabeklage gegen E erhoben, hätte er das Fahrrad erhalten und behalten dürfen, weil sein Erwerbstitel aus der Rechtsbeziehung C - D kondiktionsfest ist. Wäre D insolvent, würde E den Videorecorder nicht mehr erhalten, dafUr hätte er zumindest dessen Wertersatz, der von A geleistet worden ist.
IX. Allgemeine Überlegungen zum Kondiktionstatbestand nach der Titellehre Die Formulierung der Regel der Titellehre wird nun durch einige Erwägungen von allgemeiner Gültigkeit fUr die gesamte theoretische Konstruktion ergänzt. Es handelt sich dabei vor allem um Überlegungen, die die Beziehung der Titellehre zu bestimmten Rechtsinstituten wie den originären Erwerbsvorgängen und dem Versionsrecht betreffen. Außerdem wird die Frage nach dem Raum für eventuelle Ausnahmen erörtert. 1. Die originären Erwerbsvorgänge
Bei den originären Erwerbsvorgängen leitet der Erwerber sein Eigentum von keinem anderen Rechtssubjekt ab. Kraft der volumas legis wird das Eigentum hierbei direkt erworben: Diese Wirkung wurde schon von der mittelalterlichen Lehre von titulus und modus adquirendi dominium in ihren Studien über den Tatbestand des Eigentumserwerbes erörtert 207 ; ihnen folgend stufen die dadurch geprägten Kodifikationen das a non domino erworbene Eigentum unter die Erwerbsarten mit wirksamem Rechtstitel ein. Das österreich ische ABGB etwa fUhrt den rechtlichen Grund der originären Erwerbsvorgänge auf die "angeborne Freiheit" der Menschen zurück 2oH , wie § 381 ABGB aussagt. Alle originären Erwerbsvorgänge beruhen auf einem wirksamen Rechtstitel, rectius auf dem wirksamen Rechtstitel schlechthin, nämlich dem Gesetz. Ein unwirksames Ge207
20M
S. oben, vierter Teil, A. 111., insb. 111. I. Vgl. oben. unter A. 111. 2. b).
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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setz, das einen EigentumseIWerb herbeiführt, ist nicht vorstellbar: Entweder ist das Gesetz wirksam, so daß das Eigentum übergeht, oder ist das Gesetz unwirksam und damit kann das Eigentum nicht übergehen. Also elWirbt der unmittelbare Eigentümer stets durch einen wirksamen titulus, so daß er mit dem Eigentum auch einen kondiktionsfesten Behaltensgrund erhält. Deshalb verhindern die originären El'\verbsvorgänge die Durchsetzung des Kondiktionsanspruches, falls der Zuwendungsempfänger auf diese Weise zum Eigentümer werden sollte. Freilich dürfen selbst auf dem Gesetz gründende ElWerbsarten kondiktionsrechtlich angegriffen werden, falls das Gesetz zu einem späteren Zeitpunkt durch ein gerichtliches Urteil, bzw. ein weiteres Gesetz ab origine unwirksam wird. Die Unmittelbarkeit eines ElWerbes spielt selbst dort eine Rolle, wo es um die Rückabwicklung von gestörten Vertragsverhältnissen geht. In diesem Falle steht dem Mechanismus der Rückforderung aufgrund eines fehlerhaften Vertragstitels der originäre ElWerb entgegen. Wenn das Gesetz einen EigentumseIWerb ex imperio durchsetzt, kommt dem Willen der betroffenen Rechtssubjekte keine entscheidende Bedeutung zu: Die Rechtsänderung tritt auch gegen ihren Willen ein und zwar durch einen wirksamen Rechtstitel, d.h. durch das Gesetz, das außerhalb der Willen der Parteien liegt. Gerade aus diesem Grund darf der Ersitzende der Kondiktion des ehemaligen Eigentümers erfolgreich widerstehen 209 , obwohl ein fehlerhafter Vertrag als Rechtstitel besteht, aufgrund dessen, dem Anschein nach, das Eigentum übergegangen ist. In der Tat ist das Eigentum bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale aufgrund einer Ersitzung übergegangen, der titulus ist folglich im Gesetz zu suchen, nicht in einem Vertrag. Die unmittelbaren ElWerbsvorgänge sind somit stets, d.h. auch zwischen direkten Vertragspartnern, kondiktionsfest. Das Gesetz darf jedoch bei einigen Fallkonstellationen z.B. aus GerechtigkeitselWägungen einen weiteren, nichtkondiktionsrechtlichen Restitutionsanspruch gewähren, mit dem ähnliche Ergebnisse erreicht werden können wie durch die Kondiktion 210 . 2. Zulässigkeit von Ausnahmen
Bei der Anwendung der vorgeschlagenen Regeln darf nicht vergessen werden, daß der Titellehre innerhalb dieser Studie zwei unterschiedliche Aufgaben zukommen. Zum einen dient sie der Diskussion und der Ausarbeitung eines
209 210
Vgl. supra, A. VI. I. e) und VI. 2. e). S. infra, A. IX. 3.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
künftigen, gemeineuropäischen Kondiktionsrechts, das Bestandteil eines größeren Normenkomplexes, des gemein europäischen Privatrechtes oder jus commune privatum europaeum, ist. Es handelt sich dabei um einen selbständigen, bei weitem noch nicht vollständigen corpus von Regeln, die einem autonomen, d.h. von den Rechtsordnungen der Einzelstaaten losgelösten Rechtssystem angehören werden. Zum anderen wird die Titellehre auch als Vergleichsmaßstab zwischen zwei geltenden Rechtsordnungen verwendet, die in den zum Eigentumserwerb führenden Mechanismen erhebliche Differenzen aufweisen, welche sich in der Struktur und in der Funktion des jeweiligen Kondiktionsrechtes widerspiegeln. Durch die Titellehre werden die Grundstrukturen der nationalen Rechtsordnungen sichtbar, wodurch einige scheinbare Unvereinbarkeiten auf einen harmonischen Rahmen zurückgeführt und einige scheinbare Ausnahmen begründet werden. Gerade letztere bezeugen, daß auch die von den Grundsätzen des Kondiktionsrechts abweichenden Institute in den Systemzusammenhang passen können, weil oftmals hinter der nur scheinbar "abtrünnigen" Norm eine bestimmte gesetzliche Absicht steht. Die Rechtsvergleichung unterstreicht außerdem, daß einige Fallkonstellationen, die das deutsche Recht in Abweichung von den Grundregeln des Bereicherungsrechts vorsieht, vom italienischen Recht nicht als Ausnahmen behandelt werden oder sogar nicht existieren, ohne daß die Struktur der Zahlung einer Nichtschuld davon erschüttert wird. Die Regelung der Fälle von Verbindung, Vermischung und Verarbeitung zeigt ein gutes Beispiel für die mögliche alternative Gestaltung eines Restitutionsanspruches, das dem Kondiktionsrecht nicht angehört. Bei solchen Fallkonstellationen gestattet das deutsche Recht dem ehemaligen Eigentümer, der das Eigentum an der Sache infolge der Verbindung usw. verloren hat, einen direkten Anspruch auf Herausgabe gegen den bereicherten Neueigentümer ohne Rücksicht darauf, ob dieser durch eine Leistung oder in sonstiger Weise die Sache erhalten hat. § 951 I BGB schließt jedoch die Herausgabe der Sache selbst aus, da die Vorschrift die Wiederherstellung des früheren Zustandes für diese Fallkonstellation nicht vorsieht 211 . Das gleiche Ergebnis erreicht das italienische Recht, ohne einen Verweis auf die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld, d.h. ohne das Kondiktionsrecht anzuwenden. Wie bereits angeführt 212 , ist die Anspruchsgrundlage für den Ausgleich in der jeweiligen Bestimmung über Verbindung, Vermischung und Verarbeitung enthalten. Der Alteigentümer darf zwar den Ausgleich seines Nachteiles verlangen, aber die Sache bleibt bei dem neuen Eigentümer. In der deutschen Literatur 213 werden diese Fallgruppen überwiegend
211
212 213
Supra, A. VI. I. cl. Oben, vierter Teil, A. VI. 2. cl. Schlechtriem. BT, 1995, Rdnr. 669.
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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als Sonderfälle der Nichtleistungskondiktionen eingeordnet. In der italienischen Literatur wird hingegen meines Wissens auf eine Verknüpfung mit der Zahlung einer Nichtschuld als Hypothese nicht eingegangen. Trotzdem gelangen beide Rechtsordnungen zu ähnlichen Ergebnissen, da dem Entreicherten der Wert der verlorenen Sache erstattet wird. Die Erklärung, die die Titellehre hinsichtlich dieses Phänomens liefert, wurde bereits beschrieben 214 . Sie läßt sich kurz wie folgt zusammenfassen. Bei der fraglichen Fallkonstellation geht es um originäre Erwerbsvorgänge, deren Rechtsgrund im Gesetz selbst liegt, weshalb ihr Rechtstitel per dejinitionem wirksam ist 215 . Der Entreicherte darf dementsprechend nicht gegen den neuen Eigentümer kondizieren, weil dieser ihm einen wirksamen Behaltensgrund entgegenstellen kann. Der Eigentumsübergang ist mit einem rechtlichen Grund erfolgt, so daß die Herausgabe der Sache dem Ansatz des Kondiktionsrechtes nicht entspricht. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß die Sache in Wirklichkeit nicht herausgegeben, sondern nur der Rechtsnachteil durch einen Wertersatz ausgeglichen wird. Die Rechtsgrundlage dieses Anspruches liegt deutlich nicht im fehlenden Rechtsgrund; der Ausgleich wird dem Alteigentümer vielmehr aufgrund von äquitativen Gedanken, d.h. durch Billigkeitserwägungen zugesprochen. Die Billigkeit ist aber dem kondiktionsrechtlichen Modell der Titellehre fremd, die Rechtsvergleichung deutet folglich auf die Anwendung eines weiteren Rechtsinstitutes hin, das gegenüber dem Kondiktionsrecht andere Tatbestandsmerkmale aufweist. Die Funktion und die Natur dieses weiteren Rechtsinstituts werden im nächsten Abschnitt erörtert. An dieser Stelle soll nur darauf aufmerksam gemacht werden, daß durch die Titellehre einige scheinbare Ausnahmen aus dem Kondiktionsrecht ausgeklammert werden können, weil sie anderen Rechtsbereichen angehören. Bei abweichenden Fallgruppen geht es somit oftmals nicht um Ausnahmen. sondern um völlig verschiedene Rechtsfiguren. Die vorgeschlagene Konstruktion duldet keine Ausnahme, weder in einem nationalen noch im europäischen Recht. Die Fallkonstellationen, die mit den Regeln der Titellehre nicht vereinbar sind, bilden keine Restitutionsfälle, die anhand des Kondiktionsrechtes gelöst werden können. Ihre Anspruchsgrundlage muß daher in anderen Rechtsinstituten gesucht werden. Strenggenommen kennt die Titellehre keine Ausnahmen, weder gesetzlicher noch praktischer Art. Dadurch setzt sie sich in offensichtlichem Widerspruch zu den in beiden verglichenen Ländern herrschenden Auffassungen, aber m.E. 114 Slipra in diesem Teil. A. VI.
I. c) und VI. 2. cl. I.
215 S. oben den vorigen Abschnitt IX.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
nicht ohne weiteres auch zu den geltenden Vorschriften. Ein Verweis auf das Kondiktionsrecht, den man in bei den Rechtssystemen reichlich finden kann, stellt eben nur eine Verbindung zu einem anderen Rechtsinstitut her und bedeutet deshalb noch lange nicht, daß es sich bei dem darauf gründenden Restitutionsanspruch um einen echten Kondiktionsanspruch handelt. Ein Restitutionseffekt kann nämlich auch durch andere Rechtsbehelfe erreicht werden, ohne daß dafür automatisch ein Kondiktionsrecht verantwortlich sein muß. 3. Anwendungsfeld des Kondiktions- und des Versionsrechtes
Die Titellehre geht über den von der deutschen Lehre befürworteten Unterschied zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion hinaus. Die "Leistungskondiktion" gehört sogar nicht einmal als Begriff zur Terminologie der Titellehre. Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine solche Unterscheidung wie die der deutschen h.L. nicht zweckmäßig, da bei der Kondizierbarkeit einer Vermögensverschiebung nicht ausschließlich bewertet wird, ob der Anspruchsgegner das Eigentum durch eine Leistung des Anspruchsträgers oder - mit den Worten des BGB - in sonstiger Weise erlangt hat, wobei die Leistung eines Mittelsmannes gemeint ist. Im Mittelpunkt der hier verfochtenen Konstruktion steht die These, daß sich die Kondiktion vor allem an die Herausgabe einer Sache richtet, über die ohne einen rechtlichen Grund verfügt und die ohne einen Behaltensgrund erlangt wurde. Die Kondiktion wird dort eingesetzt, wo kein Grund für die Behaltung der Sache vorliegt. Kondiktion und Behaltensgrund bilden das zentrale Begriffspaar des Kondiktionsrechtes. Restitution bedeutet zunächst Herausgabe einer Sache. Ein Wertersatz kann nicht herausgegeben werden, er tritt nur als Surrogat anstelle der untergegangenen Sache und stellt als solches lediglich eine Notlösung dar. "Das Erlangte" besteht sowohl im deutschen als auch im italienischen Recht in primis aus dem Anspruchsgegenstand: Nicht ein Teil davon, sondern das Ganze muß herausgegeben werden. Eine qualitative oder quantitative Änderung des Kondiktionsgegenstandes, die die begriffliche Identität zwischen "Erlangtem" und "Herauszugebendem" beeinträchtigt, setzt ein wichtiges Signal dafür, daß das Kondiktionsrecht nicht zum Tragen kommen kann. Der Wertersatz als anderer Anspruchsgegenstand ist aber gut denkbar, während eine Einschränkung, bzw. eine Erweiterung des Anspruchsgegenstandes, die kein Surrogat, sondern die primäre Leistung bildet, beispielsweise aus Gerechtigkeitsgründen mit dem Kondiktionsrecht nicht vereinbar ist. Hat der Bereicherte die Leistung ohne einen Behaltensgrund erlangt, darf der rechtsgrund los Entreicherte die Sache, und zwar die ganze Sache, ohne Rücksicht auf den psychologischen Zustand des Leistungsempfängers, herausverlangen. Äquitative Korrekturen der Rechtslage bei einer Gesamtabwägung der Situation der Bereicherungsparteien werden durch die Gewährung einer Kondiktion nicht erreicht, weil diese lediglich die Herausgabe des Erlangten in-
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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folge eines mangelnden Behaltensgrundes bezweckt. Die in dieser Studie verglichenen Rechtssysteme sind sich dieser Funktion der Kondiktion bewußt. Sie stellen deshalb andere Rechtsbehelfe zur Verfügung, die in wesentlich höherem Maße von Gerechtigkeitserwägungen geprägt sind. Die konkrete Gestaltung dieser anderen Rechtsbehelfe unterscheidet das deutsche vom italienischen Recht. Ersteres regelt dieses Rechtsverhältnis vor allem je nach Bedarf, indem es auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung auch in den Fällen verweist, in denen der accipiens die Sache mit einem Behaltensgrund erlangt hat. Das zweite hält hingegen in Art. 2041 c.c. eine äquitative Klage mit allgemeiner Tragweite bereit, die die Rechtsprechung nach ihrem mehr oder minder freien Ennessen anwendet. Die vollständige Abhängigkeit des Ausgleiches von einem richterlichen Ennessen erklärt, warum die italienischen Rechtswissenschaft kein einheitliches Kriterium fur die Anwendung der Klage finden konnte. M.E. stellt § 812 I 1 Alt. 2 BGB, der die sog. Nichtleistungskondiktion regelt, keinen echten Fall einer Billigkeitsklage nach dem Modell des Art. 2041 c.c. dar. Dieses Rechtsinstitut bildet im Rahmen des deutschen Kondiktionsrechtes wohl ein eigenartiges Instrument, aber, wie ich meine, erhält man dadurch keine Möglichkeit fur eine äquitative Korrektur unausgewogener Rechtslagen, sondern eine Alternative zur sog. Leistungskondiktion, die ihrerseits gewiß kein äquitativer Rechtsbehelf ist. Dies bedeutet vor allem, daß die Regeln des Kondiktionsrechtes auch für die Nichtleistungskondiktionen gelten, so daß sie z.B. lediglich infolge der Unwirksamkeit des Rechtstitels gewährt werden können, während die echte Versionsklage von solcher Unwirksamkeit völlig absieht. Freilich kann ein derart gestalteter Anspruch einige Fallkonstellationen lösen, bei denen sonst das Versionsrecht hätte angewendet werden müssen, die Funktion des Anspruches aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB bleibt jedoch immer die Herausgabe einer Sache, die vom accipiens ohne rechtlichen Grund erhalten wurde. Es handelt sich folglich nicht, es wird wiederholt, um den Ausgleich einer unausgewogenen Rechtslage nach den Erwägungen der Billigkeit. Bei der Analyse von den Fällen der Verbindung, Vennischung und Verarbeitung wurde hervorgehoben216 , daß das deutsche und das italienische Recht, technisch gesehen, unterschiedliche Lösungen herausgearbeitet haben, die dennoch zu nicht besonders unterschiedlichen Ergebnissen führen. § 951 I BGB verweist bezüglich des vom alten Eigentümer erlittenen Rechtsverlustes insgesamt auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, während der Codice civile verschiedene Ansprüche je nach Tatbestand
216 S. oben, unter A. VI. 1. c) und VI. 2. c). Diese Fälle wurden auch im Rahmen der Analyse der Funktion, die die originären Erwerbsvorgänge in der Titellehre ausüben, im vorigen Abschnitt VIII. 2. behandelt.
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bereitstellt, ohne aber die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld hier einzubeziehen. Diese Fallgruppen sind meiner Meinung nach trotz des in beiden Rechtsordnungen vorgesehenen Restitutionsanspruches nicht als Kondiktion einzustufen. Diese Ansicht beruht vornehmlich auf der Untersuchung des Rechtstitels des Erwerbers, der wirksam ist, weil es sich um originäre Erwerbsvorgänge handelte. Obwohl keine Voraussetzungen für die Gewährung einer Kondiktion gegen den Dritten bestehen, steht dem Entreicherten ein Herausgabeanspruch zu, selbst wenn er dem Bereicherten keine unmittelbare Leistung erbracht hat. Ein weiteres Beispiel ist der Regelung des Fundes217 zu entnehmen. Im BGB wird bezüglich der Rechtslage des Entreicherten auf das Bereicherungsrecht verwiesen. Der Codice civile vermeidet zwar jeden direkten Verweis, aber dies ist in Zusammenhang mit der allgemeinen Bereicherungsklausel aus Art. 2041 c.c. zu sehen, ein Rechtsinstitut, das solche Verweisungen überflüssig macht. Angesichts dieser Rechtslage läßt sich die Auffassung der italienischen Doktrin, die die Anwendbarkeit der Klage ohne eine technische Begründung in m.E. willkürlicher Weise ablehnt, keineswegs nachvollziehen. Abgesehen von den zweifelhaften Äußerungen der italienischen Rechtslehre kann man auch beim Tatbestand des Fundes feststellen, daß ein kondiktionsrechtlicher Tatbestand nicht erfüllt wird, aber demnach beide Rechtsordnungen eine Herausgabe vorsehen. Bei den erwähnten Tatbeständen ist die Herausgabeverpflichtung des Beklagten nicht damit zu begründen, daß die Vermögensverschiebung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist, weil ein rechtlicher Grund, nämlich ein wirksamer Rechtstitel, ja vorliegt. Die Klage wird entweder, wie in Deutschland, mit der Unwirksamkeit eines vermeintlichen derivativen Erwerbes begründet - der allerdings ohnehin den Mechanismus, der zum Eigentumserwerb führte, nicht ausgelöst hat - oder, wie in Italien, mit schwachen, rechtspolitischen Argumenten abgelehnt. Diese Begründungen zeigen das Unbehagen der Jurisprudenz beider Länder in subjecta materia. Es ergibt sich nämlich keine passende Anwort aus der Untersuchung des Kondiktionsrechtes, weil der Restitutionsanspruch bei solchen Fallkonstellationen nicht infolge der Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung gewährt wird. Es geht hier um reine Billigkeitserwägungen. Das italienische Recht, das eine allgemeine Bereicherungsklage218 , d.h. mit der hier hinzugefügten Terminologie eine Versionsklage, regelt, kommt dieser
217 21R
S. oben, vierter Teil, A. VI. I. d) und VI. 2. d). Dazu s. supra im dritten Teil, C. I. 2. b) und C. 11. 2. b).
A. Das Kondiktionsrecht im Lichte der Lehre
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Analyse besonders gelegen. Art. 2041 c.c. räumt einen Restitutionsanspruch ein, wenn sich jemand "ohne rechtlichen Grund" zum Schaden eines anderen bereichert hat. Die Rechtswissenschaft hat bis dato die Bedeutung dieser Ausdrucksweise nicht klären können. Der Mißerfolg vieler Auslegungsversuche bewirkte den Verzicht auf eine allgemeine Erklärung zugunsten einer kasuistischen Autlistung. Der Grund dafür liegt m.E. vor allem darin, daß die italienische Rechtslehre in diesen Ausdruck unbedingt eine technische Bedeutung hineinlesen will, die er in Wirklichkeit nicht besitzt, da durch den Wortlaut nur die Absicht des Gesetzgebers deutlich wird, eine Klage bereitzustellen, die das Bedürfnis des Rechtssystemes nach Gerechtigkeit zufriedenstellt, falls eine echte Kondiktionsklage mangels der Tatbestandsmerkmale nicht angewendet werden darf. Die alte Versionsklage wurde ausgerechnet als Sonderinstrument konstruiert für Fälle, die sich mittels der verfügbaren Rechtsbehelfe nicht lösen ließen. Die aequitas ist der eigentliche Beweggrund für die Gewährung der Versionsklage, die eher auf policy considerations als auf einem echten Rechtssatz beruht. Entsprechend dosiert das deutsche Recht korrekterweise die Anwendbarkeit der fraglichen Klage: Nach dem Rechtssystem entspricht Z.B. die Bereicherung des Finders nicht dem Gerechtigkeitsgefühl; folgerichtig schreibt das BGB eine Versionsklage - keine Kondiktion - vor. Die Ersitzung entfaltet hingegen eine sehr wichtige, soziale Funktion, weil sie das Eigentum zugunsten der aktiveren Gesellschaftsmitglieder und zu Lasten der passiveren bewegt, weshalb dem entreicherten Alteigentümer keine Versionsklage zur Verfügung steht219 . Der italienische Versuch der Einführung einer allgemeinen Bereicherungsklage kann aber auch nicht auf grenzenlose Zustimmung stoßen, da in einer allgemeinen Billigkeitsklage die Risiken die möglichen Vorteile überwiegen könnten. Zum einen erweckt sie den Verdacht eines übermäßigen gerichtlichen Ermessensspielraums. Zum anderen wird sie infolge dieser Furcht auch dort nur beschränkt oder gar nicht angewendet, wo sie ihrer Funktion nach sehr wohl zum Tragen kommen soll. Das Kondiktionsrecht ist von der Regelung des Versionsrechtes nicht abhängig. Die bei den Klagen haben voneinander abweichende Ziele und können ohne weiteres nebeneinander bestehen. Zweck der ersten ist die Herausgabe einer ohne rechtliche Grund geleisteten Sache. Zweck der zweiten ist hingegen der äquitative Ausgleich einer als unausgewogen empfundenen Rechtslage. Beim zweiten Rechtsinstitut könnte aufgrund seiner Billigkeitsfunktion nur ein Teil der Vermögensverschiebung herauszugeben sein, was im ersten Falle nicht möglich wäre.
219
Soweit es das deutsche Recht anbelangt, ausfLihrlicher supra, unter A. VI. I. e).
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
B. Die Titellehre als Instrument der Rechtsvergleichung und des europäischen Kondiktionsrechtes I. Einführung
Hierbei werden die theoretischen Regeln der Lehre von titulus und modus adquirendi dominium einigen praktischen Beispielen aus der deutschen und der italienischen Judikatur gegenübergestellt. Diese kurzen aufgefaßten Fallbesprechungen sollen die Dynamik zeigen, mit der die Titellehre flir die Praxis verwendet werden kann. Ihrer Darstellung muß aber die Suche nach Belegen für die enge Beziehung zwischen Vindikation und Kondiktion in der lex lata der verglichenen Ländern vorangestellt werden, um dann den Schwerpunkt der Analyse auf die Bedeutung der Titellehre für ein europäisches Kondiktionsrecht zu setzen. Zu allererst muß der Leser aber nochmals expressis verbis darauf hingewiesen werden, daß das Ziel der vorliegenden Studie darauf gerichtet bleibt, einen Vorschlag de lege ferenda auszuarbeiten, der dem Aufbau eines künftigen europäischen Kondiktionsrechts dienen soll. Unter dieser Voraussetzung soll die ständige Bezugnahme auf die deutsche und italienische Rechtsordnung verstanden werden, deren Vorschriften einen konkreten Hintergrund und eine Basis bilden, um den bisher nur theoretisch erörterten Begriffen eine praxisbezogene Bedeutung zu verleihen. Jenseits eine Verwendung flir das jus europaeum wird hier nicht etwa eine Theorie entwickelt, die eine unmittelbaren Änderung des geltenden Rechtes bezweckt, sondern es soll durch die hier vertretene Auffassung nur ein Instrument gefunden werden, das durch den Vergleich einige Mechanismen, die in den positiven, verglichenen Rechtsordnungen den Eigentumserwerb und die kondiktionsrechtliche Herausgabe regeln, verständlicher macht und ihre Untersuchung erleichtert. Systematische Gedanken sind per definitionem systembezogen und haben somit nur eine Bedeutung, solange sie auf das untersuchte System angewendet werden. Vor einer Übertragung in ein anderes Rechtssystem müßte ein solcher Denkansatz genauer analysiert und gegebenenfalls angepaßt werden, was jedoch nicht Ziel dieser Arbeit ist. Daher konzentriert sich die Analyse im folgenden auf das europäische Kondiktionsrecht, für das die ausgearbeitete Titellehre von Anfang an gedacht war. Die Untersuchung will dabei keinesfalls den Auffassungen entgegentreten, die sich inzwischen in der Rechtswissenschaft beider Länder bezüglich des jeweils geltenden Rechtes eingebürgert haben. Vielmehr soll durch einen Vergleich mit bestehenden Rechtssystemen der nur abstrakt dargestellte Mechanismus konkretisiert und in seinen Anwendungsmöglichkeiten bestätigt werden.
B. Die Titellehre als Instrument
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11. Die Titellehre und das jus positivum
Zur Vervollständigung der Analyse sollen die bisherigen Ergebnisse zunächst mit einigen Hinweisen aus dem deutschen und aus dem italienischen Recht verglichen werden, bevor dann die vorgeschlagenen Kondiktionsregeln der Titellehre konkrete Folgen für das europäische Kondiktionsrecht ergeben können. Es gilt hierbei die Frage zu beantworten, ob die angenommene enge Verbindung 220 zwischen Vindikation und Kondiktion als reipersekutorische Klagen auch im positiven Recht bei der Länder einige Ansatzpunkte für ihre Bestätigung finden kann.
De jure condito stößt die Verbindung zwischen beiden Restitutionsklagen, der schuldrechtlichen und der sachenrechtlichen, auf vielfältige Hindernisse. Nicht die littera legis erweckt eigentlich den Eindruck einer absoluten Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Rechtsordnung, sondern die Schwierigkeiten entstammen vielmehr dem Widerstand der Rechtslehre, die inzwischen eine präzise, feste Vorstellung von dem Verhältnis zwischen beiden Instituten entwickelt hat221 . Eine davon abweichende Konstruktion mag vielleicht das Interesse der Rechtsforschung auf sich ziehen, sie wird aber als rein theoretisches Modell ohne praktische Relevanz behandelt222 . Auch ohne die Absicht, eine komplette Theorie der Verbindung zu formulieren, bieten ein paar kurze Überlegungen dennoch Anregungen zu weiterer Reflexion. Die Anwendung der Vindikation setzt eine Ausgangslage voraus, in der der Besitz vom Eigentum an der zu vindizierenden Sache getrennt ist. Eine solche Trennung ist in den modernen Rechten selbstverständlich, weil sie den Rechtsverkehr erleichtert, denn sie kann verwendet werden, ohne jedesmal dabei auch die Inhaberschaft des Eigentumsrechtes ändern zu müssen. Diese Trennung wird deshalb vom Rechtssystem durch die Bestimmung einiger Kriterien gefördert, anhand derer der Besitzer sein Recht ohne Einmischung Dritter - und somit auch ohne Einmischung des Eigentümers - ausüben darf. Diesbezüglich suchen die Rechtsordnungen nach einem Gleichgewicht zwischen dem Interesse des Eigentümers und dem Interesse des Besitzers. Dabei werden einige Maßstäbe entwickelt, durch die der Ja vor legislatoris zugunsten des einen oder des ande-
Vgl. oben in diesem Teil, A. VIII. 2., VIII. 4. a), VIII. 4. b). Dies hindert die Doktrin aber nicht, in einigen Fällen von einer Gleichbehandlung von Bereicherungs- und Vindikationshaftung auszugehen, so z.B. Gursky, JR 1998,9. 222 Ein gutes Beispiel einer kühnen, aber aussichtslosen Konstruktion bildet die Abhandlung Kaehlers, 1972, passim, über die an hand der Analyse des deutschen und des englischen Rechtes dargestellte Beziehung zwischen Vindikation und Kondiktion. 220 221
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
ren Interesses zum Ausdruck gebracht wird. Wie zu Recht bemerkt wurde 223 , macht der Eigentümer bei der Vindikation nicht nur sein Eigentumsrecht, sondern auch, und vor allem, sein eigenes, qualifiziertes Recht zum Besitz gegenüber der nur faktischen Herrschaft des tatsächlichen, aber nichtqualifizierten Besitzers geltend. Bei der Vindikation handelt es sich um einen sehr konkreten Vergleich der Besitzansprüche der Parteien. Das Verhältnis dieser Ansprüche zueinander ist im Einzelfall abzuwägen. Bei einem solchen Vergleich läßt sich ennitteln, welche von den streitenden Parteien sich tatsächlich durchsetzen kann: Es wird diejenige sein, die einen wirksamen Rechtsgrund fUr ihren Besitz beweisen kann. Quid juris, wenn beide Parteien über einen solchen Grund verfUgen 224 ? Die Rechtssysteme beantworten diese Frage durch eine Einschränkung des Anwendungsumfanges der Vindikation: Ihr wird nur stattgegeben, wenn der Besitz des Anspruchsgegners dem Eigentümer gegenüber nicht berechtigt ist. Von der Notwendigkeit, den nicht geschützten Besitz fUr die Durchsetzbarkeit der Vindikation als ungerechtfertigt zu qualifizieren, ist die Rechtswissenschaft225 in bei den Ländern einstimmig überzeugt. Im übrigen erscheint jede andere Lösung angesichts der geltenden Rechte unhaltbar. § 986 I I BGB besagt ausdrücklich, daß der Beklagte die Herausgabe der Sache verweigern darf, wenn er "dem Eigentümer gegenüber zum Besitze berechtigt ist". Der Codice civile hält eine entsprechende Fonnulierung sogar fUr überflüssig, da sie sich schon aus dem Systemzusammenhang ergibt. Unter der impliziten Voraussetzung der Beachtung der (Besitz)Rechte Dritter räumt Art. 948 c.c. dem Eigentümer ein schrankenloses Recht auf Herausgabe der Sache ein. Diese sehr weite Ausdehnung der Vindikationsklage ist ein in bei den Rechtssystemen stark wiederholtes Charakteristikum dieses Instituts, wie auch der Wortlaut des § 985 BGB bestätigt. Die Ungerechtfertigtkeit des Besitzes löst einen Vindikationsanspruch beim Eigentümer aus, weil das Rechtssystem diesen Besitz - zumindest gegenüber gewissen Ansprüchen - fUr nicht schutzwürdig hält. Eine Entscheidung zugunsten des Vindizierenden kann jedoch bei einem durch einen Rechtsgrund qualifizierten Besitz nicht gefällt werden, denn er wird vindikationsresistent, da der Inhaber sein Recht zum Besitz dem Recht zum Besitz des Eigentümers erfolgreich entgegensetzen darf. Die gelungene Verteidigung des (nur) Besitzers stützt sich folglich nach deutschem und italienischem Recht auf einen rechtlichen Grund, den die Rechtssysteme als gerechtfertigt ansehen. Mit anderen Worten, bei der von der Abwägung der jeweiligen Rechtstitel fUr den Besitz erweist sich der des tatsächlichen Besitzers als schutzwürdiger, wenn dieser über einen gegenüber dem Eigentümer wirksamen Rechtsgrund verfUgt.
Gambaro, 404. Etwa im Verhältnis zwischen Eigentümer und berechtigtem Besitzer. 225 So z.B. BaurlStürner, 88; Wieling, 1997, 155; Bigliazzi Geri/Breccia/Busnelli/Natoli, 155. 223
224
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Bleibt diese Titelabwägung in dem Sinne ergebnislos, daß weder der aktiv noch der passiv Legitimierte ihren jeweiligen Titel beweisen konnten, gewährt das Gesetz dem tatsächlichen Besitzer gegenüber der anderen Partei eine etwas bessere Position 226 . Daß der Beklagte ein vom Eigentümer nicht angreifbares Recht zum Besitz hat, folgt aus der Abwägung der jeweiligen Rechtstitel der Parteien. Genau betrachtet, entspricht diese Feststellung dem Kern der Titellehre, d.h. dem Mechanismus, den die Titellehre fUr die Abwägung der Parteilagen bei der Kondiktionsklage empfiehlt. In der Regel, wenn einem Rechtssubjekt eine Rechtsklage gewährt wird, bedeutet es, daß die entgegengesetzte Lage rechtswidrig ist227 . Eine gesetzeskonforme Rechtslage wird somit gewöhnlich nicht zur Zulassung einer Klage fuhren, was eintritt, wenn der Besitz aufgrund einer vom Rechtssystem anerkannten Kausa erlangt wurde. Beim Eigentumserwerb gewährleistet die Wirksamkeit des Rechtsgrundes die Kondiktionsfestigkeit der Vermögensverschiebung, da der Erwerber ohne wirksamen Rechtstitel der Willkür des Kondizierenden überlassen wurde. In gleicher Weise erfordert der Besitz das Bestehen einer causa: Auch die iusta causa possessionis gewährt dem Besitzer dementsprechend beim Besitzserwerb, daß sein Recht zum Besitz vindikationsfest ist. Im Gegensatz dazu hat der nichtberechtigte Besitzer diese Sicherheit nicht: Er verfugt über keinen wirksamen Titel, der seinen Besitz begründen kann, und verliert folgerichtig die tatsächliche Herrschaft bei der Titelabwägung, die über den Besitz an der bestrittenen Sache entscheidet. Eine weitere Bestätigung findet diese enge Verbindung zwischen Vindikation und Kondiktion auch in der Übernahme einiger kondiktionsrechtlichen Institute in das Sachenrecht. Dadurch wird eine konkrete Brücke zwischen beiden Restitutionsklagen geschlagen. So befUrwortet die deutsche Rechtslehre 228 Z.B. die analoge Anwendung des § 817 S. 2 BGB auf die Vindikation. Soweit es die Beziehung zwischen dem Vindizierenden und dem Besitzer anbelangt, weisen beide Rechtsordnungen eine sehr ähnliche Struktur auf, die ein gleiches Ziel anstrebt: Der Eigentümer darf die Sache dort vindizieren, wo er sie findet. Als Gegengewicht, zugunsten des Anspruchsgegners, wird dem Besitzer das Recht eingeräumt, dem Kläger gern. § 1000 BGB bzw. Art. 1152 I c.c. die Erstattung der mit der Sache verbundenen Aufwendungen entgegenzuhalten. Zur Gewährleistung der Erstattungsverpflichtung des Vindikationsbe-
226 Diese Situation wird in der Literatur ziemlich ungenau durch die Verteidigungsformel des Besitzers "possideo quia possideo" zusammengefaßt, dazu zutr. Gambaro, 401. 227 Sacco, 1988, 354 f. 228 StaudingeriGursky, § 985, Rdnr. 54.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
rechtigten darf der Besitzer die Herausgabe der Sache bis zum Zeitpunkt des vollständigen Ausgleichs seiner Aufwendungen verschieben. Die Denkansätze des deutschen und des italienischen Gesetzgebers erweisen sich also unter diesem Blickwinkel als beinahe identisch. Auf einer rein abstrakten Ebene stünde folglich einem Versuch, die Struktur der auf ein künftiges europäisches Privatrecht gerichteten Titellehre durch den Mechanismus der Vindikation in die nationalen Rechtsordnungen einzuftihren, nichts im Wege. Wird diese enge Verbindung zwischen Vindikation und Kondiktion angenommen, dann erscheint die Anwendung der schon bestehenden Strukturen der Vindikation auf die Kondiktion analog nicht ausgeschlossen. Im übrigen bestätigt der Wortlaut des Gesetzes selbst an unterschiedlichen Stellen diese Verbindung. Der Ersatz der bestrittenen Aufwendungen wird beispielsweise in Art. 2040 c.c. mit einem Verweis auf das Eigentümer - Besitzer - Verhältnis ausdrücklich vorgesehen. Die littera legis bildet somit keine unüberwindbare Hürde ftir eine theoretische Konstruktion wie die vorgeschlagene, die in der Vindikation und in der Kondiktion den gleichen Restitu-tionsmechanismus sieht. Die Ablehnung der Vorschläge 229 , die von solchen Hypothesen ausgehen, liegt vielmehr in einem nachvollziehbaren, in der Rechtsforschung tief verwurzelten Widerstand gegen Ideen, die das Gleichgewicht des Rechtssystems gefährden könnten. Die Überlegungen, zu denen die Analyse durch die Titellehre anregt, richten sich in keiner Weise gegen die Auffassungen der in beiden Ländern überwiegenden Meinung, da sie sich nicht auf die einzelnen Rechtsordnungen, sondern auf eine Bewertung des gemeinsamen europäischen Kondiktionsrechts beziehen. Hauptziel dieser Untersuchung ist es hingegen aufzuzeigen, daß die bisher nur theoretische Darstellung schon in den geltenden Kodifikationen einige konkrete Indizien ftir ihre Anwendbarkeit de lege ferenda herausfinden kann. III. Die Titellehre und das jus commune europaeum Werden die durch die Rechtsvergleichung erreichten Ergebnisse vom jeweiligen Systemzusammenhang abstrahiert und auf das europäische Privatrecht übertragen, dann ergibt sich daraus ein Bild, das hinsichtlich der Titellehre sehr interessante Perspektiven eröffnet.
229 Nur in Deutschland, abgesehen von der schon erwähnten Studie von Kaehler, kann man die Auffassungen Siber, JherJb 89 (1941), passim; und Schllb, AcP 105 (1909), passim; anführen. Siber bezeichnet die Vindikation und die Besitzkondiktion als ursprüngliche Auskehrungsansprüche, die sich zu Verschaffungsansprüchen entwickelten. In Italien ist die Ausdehnung des Art. 1252 c.c. auf schuldrechtliche Restitutionsansprüche unter anderen von Cass., 26. 03. 1983 n. 2867, Rep. Giust. civ., 1983, Possesso, 24, abgelehnt worden.
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Die Regeln der Titellehre bilden zwar das Fundament, das die Kondiktionstheorie des titulus und modus adquirendi dominium unterstützt, ihre abstrakte Formulierung bedarf aber notwendigerweise einer praktischen Überprüfung auf einem etwas konkreteren Terrain. Bisher dienten diese Regeln der Rechtsvergleichung, da sie zum kritischen Verständnis des geltenden Rechtes beitragen wollen. Ihre hauptsächliche Aufgabe erhalten sie aber im Rahmen des jus commune europaeum aus, auf dessen Anwendungsfeld sie von vornherein gerichtet waren. Das Bedürfnis, ihre konkrete Verwendbarkeit zu überprüfen, obwohl diese Überprüfung lediglich de lege ferenda vollzogen werden kann, gab Anlaß zur Zusammenstellung einiger Fallkonstellationen, die gemäß den Prinzipien der Titellehre analysiert wurden. Es handelt sich dabei nicht um rein theoretische, erfundene Fälle, sondern zumindest in ihrer Grundstruktur um echte Entscheidungen aus der deutschen und aus der italienischen Judikatur. Ein Vergleich mit der Wirklichkeit stellt die theoretischen Ansätze auf den Prüfstand. Die Sachverhalte der herangezogenen Entscheidungen wurden teilweise leicht geändert, um die in dieser Studie behandelten Probleme genauer belichten zu können. Dabei wurden nicht strikt bereicherungsrechtliche Fragen außer acht gelassen. In einigen besonders kontroversen oder interessanten Fällen wird neben der Schilderung der gerichtlichen Lösung und derjenigen der Titellehre versucht, die mögliche Lösung des jeweils anderen geltenden Rechtssystems darzustellen. 1. Originärer Erwerb und Restitutionsklage 230
A) (deutscher) Sachverhalt Der Motorradfahrer K kauft von dem Mechaniker V ein Motorrad, das V selbst aus Einzelteilen zusammengebaut hatte, welche ursprünglich in anderen Motorrädern eingebaut waren. Die verwendeten Teile waren jedoch gestohlen. Als K von der Herkunft der Einzelteile erfährt, behauptet er aufgrund von § 935 I BGB, er habe das Eigentum am Motorrad nicht erworben, weil V kein Eigentum habe verschaffen können. K hält somit den abgeschlossenen Vertrag für nicht erfüllt und verlangt die Herausgabe des bezahlten Preises. B) Rechtsla~e Das Berufungsgericht weist die Klage des Motorradfahrers ab mit der Begründung, V habe durch den Zusammenbau der Einzelteile gern. § 950 I BGB das Eigentum originär erworben. Die Eigentumsrechte der ursprünglichen Ei-
230
Nach OLG Köln NJW 1997,2187.
19 Giglio
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
gentümer der Einzelteile seien gern. § 950 11 BGB untergegangen und seien folglich durch den Restitutionsanspruch aus § 951 I BGB gegen den Verarbeiter Versetzt. K hat deshalb das von V abgeleitete Eigentum wirksam, d.h. mit einem rechtlichen Grund erworben. Da die Tatbestandsmerkmale der Kondiktion nicht vorliegen, darf K das Geleistete nicht herausverlangen. C) Die
LÖsun~
der Titellehre
Die Einzelteile sind gestohlen, nicht geleistet worden, deshalb bleibt die Ausübung einer Kondiktion gegen V seitens der Eigentümer der Einzelteile auch nach der Titellehre außer Betracht. Erst recht kann die Eigentumsübertragung an K, der die Sache durch einen wirksamen Rechtstitel infolge des originären Erwerbes erhalten hat, als kondiktionsfest betrachtet werden: Das Gesetz als wirksamer Rechtstitel untermauert die sachenrechtliche Position des K. Das Kondiktionsrecht kommt bei dieser Fallkonstellation nicht zum Tragen. Ob der Erwerb des K den Billigkeitskriterien entspricht, wird den einzelnen Rechtssystemen überlassen, die sich für die Durchsetzbarkeit eines Version sanspruches zugunsten der ursprünglichen Eigentümer entscheiden kÖnnen. Die Versionsklage wird vom deutschen Recht abgelehnt. Die italienische allgemeine Bereicherungsklage ermÖglicht hingegen theoretisch einen Billigkeitsanspruch auf Herausgabe der Bereicherung. Eine weitere Frage betrifft den bereicherungsrechtlichen Schadensausgleich der ursprünglichen Eigentümer, die durch die Verarbeitung der Einzelteile einen Rechtsverlust erlitten haben. Nach deutschem Recht dürfen sie sich an denjenigen wenden, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eingetreten ist, § 951 I 1 BGB, wobei die Wiederherstellung des früheren Zustandes außer Betracht bleibt: Der neue Eigentümer darf die Sache behalten, mÖglich ist nur die Herausgabe des Wertersatzes. Gegen den aktuellen Eigentümer K kÖnnen sie hingegen keine Klage erheben, da kein Rechtsbehelf für die Restitution, auch nicht aus Bereicherung in sonstiger Weise - nach einhelliger Meinung - dafür zur Verfügung steht. Die Tatsache, daß der V, und nicht die ursprünglichen Eigentümer, an K geleistet hat, würde nach italienischem Recht sämtliche Ansprüche aus Zahlung einer Nichtschuld gegen den aktuellen Eigentümer ausschließen. Die allgemeine Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. ist sicherlich durchführbar, aber die Höhe des dadurch erzielbaren Wertersatzes wird voraussichtlich sehr gering bleiben, da eine Bereicherung des K, der den Preis des gekauften Motorrades immerhin gezahlt hat, schwer festzustellen ist. Im Grunde genommen kÖnnen die ehema-
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ligen Eigentümer ihre Benachteiligung nur durch Klage auf Wertersatz aus Art. 940 c.c. gegenüber V ausgleichen. 2. Falschlieferung und Kondiktionsrecht231
A) (deutscher) Sachverhalt Der Kläger K kauft von der Computerfirma V mehrere Computeranlagen, die in einigen Schulen zur Ausbildung der Schüler im Bereich Informatik verteilt werden. Zwei Jahre nach dem Kauf wird während einer Reparatur festgestellt, daß ein Teil dieser Computeranlagen, der sog. Streamer-Controller, entgegen den Vereinbarungen von der Beklagten V selbst zusammengebaut worden war. K klagt infolgedessen auf Rückzahlung des fiir die StreamerController bezahlten Kaufpreisanteils. B) Rechtslal:e aa) Deutsches Recht Bei solcher Fallkonstellation hat der BGH die Gewährung eines Kondiktionsanspruches aus § 812 BGB abgelehnt. Die Richter heben hervor, daß die Anwendbarkeit dieser Vorschrift eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung voraussetzt, die in diesem Falle nicht vorliegt. Der Rechtsgrund fiir die Kaufpreiszahlung des Klägers bestehe nämlich in dem von den Parteien geschlossenen Kaufvertrag. Da es sich bei den fraglichen Geräten um eine Falschlieferung handele, werde die Wirksamkeit des Kaufvertrages von der Vertragswidrigkeit der gelieferten Sache nicht berührt. Der K darf nach gerichtlicher Ansicht entweder die vertragskonforme Erfiillung des Vertrages fordern oder das Rechtsinstrumentarium des Vertragsrechtes bei Schuldnerverzug gegen V einsetzen, d.h. § 326 BGB, da der Kaufvertrag noch gültig ist. Die Wirksamkeit des Rechtsgrundes schließt andererseits eine Inanspruchnahme des V per condictionem von Anfang an aus. Die Folgen des gesetzlichen Rücktrittsrechts, das gern. § 327 S. 2 BGB dem K einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung erlauben würde, werden vom Gericht infolge des prozessualen Verhaltens des Klägers nicht in Betracht gezogen.
231
19"
NachBGHNJW 1997, 1914.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
bb) Italienisches Recht Art. 1218 c.c. verlangt vom Schuldner die Vornahme einer genauen Leistung, mangels derer der Gläubiger den V als Schuldner in Verzug setzen, oder sich wegen Nichterfüllung gern. Art. 1453 c.c. vom Vertrag lösen darf. Kommt, wie zu vermuten ist, der Kassationshof zum gleichen Ergebnis wie der BGH, nämlich daß es sich in diesem konkreten Falle um eine Falschlieferung handelt, dann hat der K den Kaufpreis aufgrund eines wirksamen Vertrages bezahlt, so daß er keine nichtgeschuldete Zahlung im Sinne des Art. 2033 c.c. vorgenommen hat. Der direkte Weg zum Kondiktionsrecht bleibt somit bei Lieferung eines aliud gesperrt. Die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld kommen trotzdem nach Vertragslösung gern. Art. 1422 a.E. c.c. in Betracht, weil diese ex tune erfolgt, so daß der Leistende von Anfang an ohne rechtlichen Grund bezahlt hat. C) Die
Lösun~
der Titellehre
K hat den Kaufpreis mit einem rechtlichen Grund an V bezahlt, obwohl dieser seinerseits nicht die richtige Leistung erbracht hat. Die aliud-Leistung ist hier durch einen wirksamen titulus erfolgt, solange der Kaufvertrag wegen Nichterfüllung nach den nationalen Regeln nicht angefochten, oder wie auch immer seine Wirkung nicht beseitigt wird, etwa durch die Ablösungsklage gern. Art. 1453 c.c. des italienischen Rechtes, die durch die rückwirkende Beseitigung der vertraglichen Auswirkungen die Kondiktion ermöglicht. Nach Erklärung der Nichtigkeit oder der Unwirksamkeit ist der Rechtsgrund fehlerhaft und die Parteien müssen sich für die Rückabwicklung der vertraglichen Verhältnisse des Kondiktionsrechtes bedienen. Ohne die Unwirksamkeit des Kaufvertrages muß ein Kondiktionsanspruch bei Falschlieferungen abgelehnt werden, es sei denn, das nationale Rechtssystem verknüpft mit der Falschlieferung automatisch die Unwirksamkeit des Lieferungsvertrages. 3. Zahlung infolge eines später aufgehobenen Urteiles232
A) (italienischer) Sachyerhalt Der Kläger wird vom Appellationsgericht zur Zahlung einer gewissen Geldsumme verurteilt. Weil das Urteil vorläufig vollstreckbar ist, muß der Kläger den Beklagten schon vor der Revision des Kassationsgerichtes bezahlen. Infolge der Aufhebung des Urteiles durch den Kassationsgerichtshof fordert der
232
Nach Cass. 20. 07. 1988 n. 4708, Foro it., 1988, I, 3271, mit Anm. Mondatore.
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Kläger das Bezahlte per eondietionem zurück. Der Restitutionsklage wird vom Appellationsgericht stattgegeben, auf das sie infolge des Kassationsurteiles zurückverwiesen wurde. B) Rechtsla~e Der Kassationsgerichtshof erkennt dem Kläger die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld zu. Er stimmt jedoch mit dem Appellationsgericht nicht überein, was die Höhe der Zinsen angeht. Die Rechtsprechung ist über den Zeitpunkt gespaltener Meinung, ab wann die Zinsen zu laufen beginnen sollen. Einige Entscheidungen befürworten den Tag der Antragstellung auf Herausgabe des schuldlos Bezahlten, andere Entscheidungen bevorzugen hingegen den Tag, an dem die Geldsumme dem vermeintlichen Gläubiger tatsächlich gezahlt wurde. In dem angeführten Fall plädieren der Beklagte für die Annahme der ersten und der Kläger für die Annahme der zweiten Ansicht. Dadurch versuchen sie, den Haftungsumfang zu beschränken, bzw. zu erweitern. Den Kassationsrichtern zufolge ist die Formulierung eines Kriteriums unmöglich, das auf sämtliche Fallkonstellationen Anwendung finden könnte. Der Zeitpunkt der Geltendmachung der Zinsen sei von dem psychologischen Zustand (sie) des aecipiens abhängig. Da das einzige Entscheidungselement der gute oder böse Glaube des Empfängers sei, könne der Haftungsumfang lediglich im Einzelfall bestimmt werden. Die bona fides dürfe allerdings nicht ohne weiteres angenommen werden, selbst wenn der solvens aufgrund eines schon ausgesprochenen Urteils bezahlt habe, weil der Richter auch in diesem Fall für die Gewährung der Restitutionsklage von dem guten Glauben des Leistungsempfängers überzeugt sein müsse. Die Klage wird folglich für die Untersuchung des psychologischen Zustandes auf die Vorinstanz zurückgewiesen.
C) Die Lösun~ der Titellehre
Der titulus der Zahlung an den Beklagten besteht in dem Urteil des Appellationsgerichtes. Fällt der rechtliche Grund infolge der Autbebung des Urteils fort, darf der solvens die erbrachte Leistung kondizieren. Hinsichtlich der Herausgabe des indebitum solutum kommt eine eventuelle Milderung, bzw. Verschärfung der Restitutionspflicht nicht in Frage: Der Empfänger muß das zurückgeben, was er erlangt hat. Diese Verpflichtung erstreckt sich sowohl nach deutschem, § 818 I BGB, als auch nach italienischem Recht, Art. 2033 c.c., auf die gezogenen Nutzungen. Das italienische Recht schont im Vergleich zum deutschen den gutgläubigen aeeipiens, dem gern. Art. 2033 c.c. die Zinsen erst
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vom Tage der Anspruchserhebung an zugerechnet werden dürfen. Das BGB sieht hingegen keine Haftungsmilderung zugunsten des Gutgläubigen vor, dessen Haftung dem normalen Maßstab des Bereicherungsrechtes entspricht. Demgegenüber wird dann durch eine Haftungsverschärfung ein stärkerer Akzent auf die negativen Auswirkungen des bösgläubigen Verhaltens gesetzt. Die deutsche Lösung entspricht m.E. besser der Funktion des Kondiktionsrechtes. Bei der Herausgabe des indebitum kommt es auf den psychologischen Zustand des Empfängers nicht an. Falls dieser bösgläubig gehandelt hat, müssen andere Rechtsinstitute außerhalb des Bereicherungsrechtes eingeschaltet werden. Das gerichtliche Urteil stellt mit Sicherheit einen geeigneten Rechtstitel dar, der eine Kondiktionsklage begründen kann, falls seine Unwirksamkeit nach der Vornahme der Leistung festgestellt wird. Da der Anspruch zum Zeitpunkt der schuldlosen Zuwendung entsteht, erscheint die Verschiebung der Zinsabrechnung zum Zeitpunkt der AntragsteIlung bei gutgläubig erbrachten Leistungen in den Systemzusammenhang wenig zu passen. 4. Bewußte Vornahme einer nichtgeschuldeten Leistung infolge einer gesetzlichen Pflicht233
A) (italienischer) Sachverhalt Ein Gesetz zur Regelung der öffentlichen Arbeitsverträge der Bankangestellten hatte einige Banken verpflichtet, einen sehr hohen Anteil in einen Sonderfonds des Finanzministeriums einzuzahlen, in welchem ein Teil der von den Banken als Arbeitgeber geschuldeten Gehälter vor der Verteilung an die Arbeitnehmer gesammelt wurde. Schon bei der Inkraftsetzung hatte dieses Gesetz erhebliche Zweifel an seiner Verfassungskonformität und an seiner Vereinbarkeit mit anderen Gesetzen ausgelöst, so daß die Banken das Geld zwar zunächst überwiesen, um rur sie teurere Folgen zu vermeiden, sie betonten aber dabei, daß sie die ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Vermögensverschiebung kondizieren würden. B)
Rechtsla~e
Dem Kassationsgerichtshof ist bewußt, daß der Grund rur die Entrichtung im Gesetz selbst, und nicht in den einzelnen schuldrechtlichen Verträgen der Banken mit den jeweiligen Angestellten bestand. Diese Verträge bildeten viel-
233 Nach Cass., Sez. lav., 12. 03. 1984 n. 1690, Giur. it., 1985, I, 1,638, mit Anm. Morgera.
B. Die Titellehre als Instrument
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mehr die Voraussetzung rur die Einzahlung in den Sonderfonds. Das Finanzministerium unterstellte, daß die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld lediglich auf zivilrechtliche Verbindlichkeiten strieto sensu angewendet werden konnten, während es sich hier um eine nichtzivilrechtliche Vermögenspflicht mit Geldinhalt (sie) handelte. Diese Argumentation wurde jedoch vom Kassationshof abgelehnt. Die objektive Nichtschuld aus Art. 2033 c.c. setze nicht notwendigerweise eine zivilrechtliche Verbindlichkeit, sondern nur eine objektive Vermögensverschiebung ohne eausa solvendi voraus, ohne daß die privatrechtliche bzw. öffentlichrechtliche Natur des jeweiligen Rechtsverhältnisses dabei eine Rolle spiele. Die kausalose Vermögensverschiebung könne im fraglichen Fall in der objektiven Entrichtung an den Fonds festgestellt werden. Die Tatsache, daß der solvens nicht irrtümlich, sondern sich des Nichtbestehens der Verpflichtung durchaus bewußt, d.h. in der Überzeugung, kein Schuldner zu sein, geleistet hat, schließt die Kondizierbarkeit der Leistung dem Gericht zufolge nicht aus. Ein bestimmter animus solvendi werde von Art. 2033 c.c. nicht verlangt, wie man daraus schließen könne, daß der Tatbestand der objektiven Nichtschuld - im Unterschied zur subjektiven Nichtschuld aus Art. 2036 c.c. - den Irrtum unter den unabdingbaren Merkmalen nicht vorschreibe. Folglich bleibe die Spontaneität der Entrichtung rur die Gewährung der Kondiktionsklage völlig irrelevant. Die Leistung dürfe auch nicht als Schuldanerkenntnis eingestuft werden, da die Einbezahlung unter dem Vorbehalt der Ausübung einer Herausgabeklage erfolgt sei. Die Urteilsbegründung des Kassationshofes besagt, daß rur eine Klage aus Art. 2033 c.c. lediglich von Bedeutung ist, daß eine Vermögensverschiebung von einem Rechtssubjekt zugunsten eines anderen stattgefunden hat. Der Kassationshof erkannte die Ungerechtfertigtkeit der Vermögensverschiebung und wies den Fall auf die Vorinstanz zurück. C) Die LösunI: der Iitellehre
Bereits zur Zeit der Einzahlung in den Sonderfonds war den Leistenden durchaus bewußt, daß die Geldsummen nicht zu bezahlen waren. Dennoch war die Vermögensverschiebung zunächst von einem wirksamen Rechtstitel unterstützt, weil ein damals gültiges Gesetz zur Einzahlung verpflichtete. Erst später, durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Gesetzes, fehlte es dann an einem titulus, der das Behalten des Geleisteten im Vermögen des Beklagten rechtfertigte. Aus der Perspektive der Titellehre gewährt das Gericht somit richtigerweise einen Kondiktionsanspruch. Daß die Vermögensverschiebung in Kenntnis ihrer Ungerechtfertigtkeit stattgefunden hat, bleibt rur die Erhebung der Klage völlig irrelevant, wie die Kassationsrichter selbst zu Recht hervorheben. Selbst wenn die Leistenden ihren Unwillen nicht durch den Vorbehalt einer späteren Erhebung der Restitutionsklage zum Ausdruck gebracht hätten, was
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hingegen diese Entscheidung andeutet, stünde einer Kondiktion nichts im Wege, weil das ausschlaggebende Element in der ohne rechtlichen Grund erfolgten Vermögenszuwendung besteht. 5. Bewußte Vornahme einer Fremdleistung ohne eine gesetzliche Pflicht 234
A) (italienischer) Sachverhalt Die Firma K hat mit den Firmen VI und V2 Lieferungsverträge abgeschlossen. Weil die Lieferanten einen sehr ähnlichen Namen tragen, verwechselt die Firma K einige Quittungen und verlangt von der Firma VI die Zahlung einer Schuld der Firma V2. Um die Eröffnung eines Konkursverfahrens zu vermeiden, das ihren Ruf stark schädigen würde, nimmt die Firma VI die Leistung der Firma V2 vor, obwohl ihr bewußt ist, daß es sich um eine fremde Verbindlichkeit handelt. Nach der Zahlung verlangt sie dann von der Firma K die Herausgabe des Bezahlten. B) Rechtsla~e aa) Italienisches Recht Der Kassationsgerichtshof gibt der Klage der Firma VI aus Art. 2033 c.c. statt. Es handle sich nicht um einen Fall der Leistung durch Dritte nach Art. 1180 C.C., weil das Tatbestandsmerkmal der Spontaneität an der Zahlung fehle: Die Firma V I habe nicht bezahlen wollen, sie sei aber dazu gezwungen gewesen, um negative Auswirkungen auf ihre Geschäfte zu vermeiden. Diese Fallkonstellation könne auch nicht unter den Tatbestand des Art. 2036 C.C., d.h. die subjektive Zahlung einer Nichtschuld, deren Annahme zur Ablehnung der Kondizierbarkeit der wissentlich erbrachten Leistung führen würde, subsumiert werden. Der solvens habe nämlich ganz genau gewußt, daß er zur Vornahme der fremden Leistung nicht verpflichtet gewesen sei, so daß die Anwendung des Art. 2036 c.c. am Mangel des von dieser Vorschrift als Tatbestandsmerkmal vorgesehenen Irrtums scheitere. Daraus, daß die Leistung auf keinem wirksamen titulus beruht, schließt das Gericht die Subsumtion dieser Fallkonstellation unter das Kondiktionsrecht. Weil kein anderer Rechtsbehelf zum Tragen kommen könne, dürfe der Bezug auf die allgemeinen Grundsätze des indebitum und vor allem auf die objektive Nichtschuld aus Art. 2033 C.C., so die Begründung des Kassationshofes, augenfällig (sie) sein. Als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes komme Art. 2033 c.c. folglich notwendigerweise in Betracht.
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Nach Cass. 10.03. 1995 n. 2814, Giur. it., 1996, I, 1,228, mit Anm. Lascialfari.
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bb) Deutsches Recht Bei dieser Fallkonstellation treten die divergierenden Lösungen des deutschen und des italienischen Rechtes deutlich hervor. Beide Rechtssysteme kommen bei einem solchen Sachverhalt zu entgegengesetzen Ergebnissen, die unter anderem die unterschiedliche Bewertung der Funktion und des Gewichtes des Irrtums widerspiegeln. Von der Dominanz des error hat sich das italienische Recht in großem Maße lösen können. Spuren davon bleiben nur in bezug auf die Zahlung einer subjektiven Nichtschuld nach Art. 2036 c.c., die jedoch eine ständig geringere Rolle im Kondiktionsrecht spielt, weil Lehre und Rechtsprechung zu einer Ausdehnung des Anwendungsfeldes der objektiven Zahlung einer Nichtschuld nach Art. 2033 c.c. neigen. Ferner verlangt Art. 2036 I c.c. als Tatbestandsmerkmal die eigene Überzeugung des vermeintlichen Schuldners und nicht einfach - gemäß der Formel von § 814 BGB - die Kenntnis, daß der solvens zur Leistung nicht verpflichtet war. Im deutschen Recht ist dem Irrtum folglich weiterhin eine erhebliche Bedeutung zuzusprechen, die in der Kodifikation durch § 814 BGB bezeugt wird. Angesichts dieser Vorschrift müßten die deutschen Gerichte die soeben wiedergegebene, italienische Lösung ablehnen. Die Firma V 1 wußte zur Zeit der Vornahme der Leistung, daß sie dazu nicht verpflichtet war, deshalb tritt die Kondiktionssperre der zitierten Norm ein. Wichtiger als die Tatsache, daß eine Leistung ohne rechtlichen Grund erbracht wurde, erscheint dem deutschen Bereicherungssystem das Wissen des Leistenden um sein Handeln. Die deutsche Lösung würde wahrscheinlich den Fall unter die Leistung durch Dritte gern. § 267 BGB mit darauf folgender Abtretung der Rechte der Firma K gegenüber der Lieferantin V2 subsumieren. Vielleicht könnte eine solche Entscheidung mit einem Verstoß gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium begründet werden, dessen Anwendung jedoch m.E. zu einem unbilligen Ergebnis ruhien würde, denn der solvens dürfte eine Leistung nicht mehr kondizieren, die er als kleineres Übel und somit in klarer Weise nur obtorto collo erbracht hat, und die auf keinem rechtlichen Grund außer der Furcht vor schlimmeren Folgen basiert. Der Irrtum als Element des Kondiktionsrechtes überzeugt folglich sehr wenig, vor allem weil dadurch gerade die Rolle des psychologischen Zustandes der Parteien überbewertet wird, der im reinen Kondiktionsanspruch aus § 812 I 1 BGB im Unterschied zum Art. 2033 c.c. zu Recht völlig ignoriert wird. C) Die LösunI: der Titellehre
Der Entscheidung des Kassationshofes ist unter dem Gesichtspunkt der Titellehre im Ergebnis zuzustimmen. Es besteht kein tragfahiger Rechtsgrund, der die zwar freiwillige, aber keineswegs spontane Vornahme der Leistung - entgegen der Absicht der deutschen Rechtswissenschaft - begründen kann. Das
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
Rechtssystem sieht keine Leistungen "timendi causa" vor. Angesichts des wiedergegebenen Sachverhaltes kann eine Absicht der Leistenden zur Übernahme einer fremden Verbindlichkeit nicht angenommen werden, folgerichtig dürften m.E. keine Hindernisse zur Rückforderung der rechtsgrundlos erbrachten Zahlung bestehen, zumal sich diese auf keinen wirksamen Vertrag stützen kann, der die Forderung des vermeintlichen Gläubigers K und die Zahlung von VI binden könnte. Kein wirksamer titulus begründet folglich aus der Sicht des Kondiktionsrechtes die Vermögenszuwendung. Die Ablehnung einer Subsumtion unter die Zahlung durch Dritte scheint insbesondere rechtspolitisch bedingt zu sein. Je nach Betonung des Willenselements kann der Fall nämlich unterschiedlich gelöst werden: Wird dem Willen des solvens, der bei der Vornahme der Leistung eine solche Absicht, also einen animus solvendi debiti alieni, keinesfalls zum Ausdruck gebracht hat, keine Relevanz zugemessen, dann kann der tatsächliche Vorgang als eine Leistung durch Dritte qualifiziert werden. Eine Lösung mittels des Kondiktionsrechtes besitzt jedoch mehr Überzeugungskraft: Der solvens wollte keine fremde Leistung vornehmen, vielmehr wurde er dazu gezwungen, um das Konkursverfahren zu vermeiden. Es handelt sich hier um eine kausalose Rechtszuwendung, die zwischen K und V I stattgefunden hat, weshalb nicht zu erklären ist, warum auch die Firma V2 durch die Anwendung der Vorschriften über die Zahlung durch Dritte mit einbezogen werden soll. Dieses Rechtsinstitut würde zwar vielleicht dem Rechtssystem stricto sensu entsprechen, aber würde der Situation des Leistenden nicht gerecht werden. Derartige Fälle unterstützen die Ansicht der wenigen23S , die in den Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld einen einzigen Restitutionsanspruch sehen. Diese Meinung stimmt mit den Grundsätzen der Titellehre überein: Der Irrtum als kondiktionsrechtlich relevantes Element ist lediglich ein Überbleibsel aus der Vergangenheit, rur ihn soll folglich in einem künftigen europäischen Kondiktionsrecht kein Platz sein. 6. Teilweise weiterveräußerte bewegliche Sache236
A) (deutscher) Sachverhalt Infolge eines mit dem Beklagten K abgeschlossenen Vertrages, der von den Parteien zur Ausrullung eines Franchise-Vertrages geschlossen wurde, hatte die Klägerin V den Jeans-Laden des K mit Waren unter Eigentumsvorbehalt ausge235 So z.B. Bregoli, 1988, passim. 236 Nach BGHZ 112 (1991), 288.
B. Die Titellehre als Instrument
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stattet. Weil zwischen den Parteien ein Rechtsstreit stattfand, widerrief der Beklagte die auf den Abschluß seiner Bezugsverpflichtung in dem FranchiseVertrag gerichtete Willenserklärung. Als Folge des Widerrufes hielt das Berufungsgericht den gesamten Vertrag für unwirksam. Die Warennachlieferungen der Klägerin wurden nach Ansicht des Gerichtes von dieser Unwirksamkeit nicht berührt, die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrages über die Warenausstattung blieb jedoch noch offen. Diesbezüglich stellte das Berufungsgericht eine enge Verbindung des Vertrages über die Warenausstattung mit dem unwirksamen Franchise-Vertrag fest, so daß auch dieser nach § 139 BGB für unwirksam gehalten wurde. Die Klägerin kondiziert auf dieser Basis ihre Leistung, d.h. die Warenausstattung. B) Rechtslal:e aa) Deutsches Recht Der BGH sprach der Klägerin einen Kondiktionsanspruch zu, obwohl ein Teil der Ware schon weiterverkauft worden war. Zunächst müsse der Beklagte die Ware herausgeben, die sich noch im Laden befinde. Hinsichtlich der schon weiterveräusserten Ware bzw. der Ware, zur deren Restitution der Beklagte außerstande sei, habe er den Wert gern. § 818 11 BGB zu ersetzen. Würden die Voraussetzungen des § 816 I BGB vorliegen, dürfe die Klägerin die Herausgabe des vom Beklagten durch den Weiterverkauf erzielten Erlöses verlangen. bb) Italienisches Recht Bei Unwirksamkeit des Franchise-Vertrages kann auch das italienische Gericht durch Art. 1419 I C.C., der die Teilnichtigkeit der Verträge regelt, den Warenausstattungsvertrag für nichtig erklären. Für die konkrete Durchführung der Rückabwicklung infolge der Nichtigkeit verweist Art. 1422 a.E. c.c. in etwas komplizierter Weise auf die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld, so daß die V die Ware zurückfordern darf. Hinsichtlich der noch im Vermögen des K befindlichen Ware ergibt sich die Restitutionspflicht aus Art. 2037 I c.c. Sind Einzelteile beim K untergegangen, wird der nicht mehr anwendbare Kondiktionsanspruch durch die allgemeine Bereicherungsklage nach Artt. 2037 III i.V.m. 2041 c.c. ersetzt. K hat schließlich das durch die Veräußerung der Jeans an Dritte Erlangte aus Art. 2038 I 1 c.c. herauszugeben, es sei denn, daß die Dritten die Ware noch nicht bezahlt haben. In diesem Fall tritt nach Art. 2038 I 2 c.c. V in das Recht des Veräußerers Kein. Beide Artt. 2037 und 2038 c.c. können als Anspruchsgrundlage der Herausgabe dienen, je nachdem, ob K die Sache weiterveräußert hat, oder ob sie sich noch in seinem Vermögen befindet.
300
Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
C) Die LÖsun2 der Titellehre
Die Ware ist von V aufgrund eines Kaufvertrages übergeben worden, den die LÖsungen beider Rechtssysteme als unwirksam einstufen. K hat somit keinen wirksamen Rechtstitel, der gegenüber der Klage der V einen Behaltensgrund darstellt. Kein Hindernis steht folglich dem Kondiktionsanspruch der V gegen den K im Wege. Nun befindet sich aber nur ein Teil der Ware noch beim Beklagten. Von ihm darf die Klägerin deshalb nur die Herausgabe der bei ihm verbliebenen Ware und einen Wertersatz rur den Rest verlangen. V kÖnnte jedoch ein grÖßeres Interesse an der Ware selbst als am Wertersatz haben, die Titellehre ermÖglicht ihr deshalb die Verfolgung der Sache bei den Neueigentümern. Nachdem festgestellt wurde, wo die Sache - in diesem Fall die Jeans - ist, muß der Rechtstitel geprüft werden, auf dem die Leistung des K an den Dritten beruht: Bei der Unwirksamkeit dieses Rechtstitels, darf die V die von K geleistete Sache herausverlangen. Der Kondiktionsgläubiger darf vom Dritten allerdings nicht mehr verlangen, als der K als Mittelsmann von seinem Leistungspartner bei Erhebung der gleichen Klage hätte verlangen kÖnnen. Der Dritte darf sich seinerseits mit allen Instrumenten wehren, als ob nicht V, sondern K kondizieren würde. 7. Teilweise weiterverllußerte unbewegliche Sache237
A) (deutscher) Sachyerhalt Der Eigentümer V veräußert ein Gaststättengrundstück an den Käufer K. Die Parteien verkoppeln im Einverständnis den Erwerb des Grundstücks mit einem Bierlieferungsvertrag, wonach sich K verpflichtet, rur die Versorgung seiner Gaststätte das Bier nur von V zu kaufen. Unter Berufung auf die Vorschriften des Abzahlungsgesetzes widerruft der K wirksam den Bierlieferungsvertrag, wobei der V auch den Grundstückskaufvertrag als unwirksam betrachtet und die Rückabwicklung des Veräußerungsgeschäftes verlangt. Der K hatte jedoch mittlerweile einen Teil des Grundstückes mit einem anderen Grundstück eingetauscht, das seinem Nachbarn gehÖrte.
237
Nach BGHZ 112 (1991), 44.
B. Die Titellehre als Instrument
301
B) Rechtsla~e aa) Deutsches Recht Die Unwirksamkeit der Veräußerung folgt aus § 139 BGB. Der K ist allerdings infolge des Tausches nicht in der Lage, das ursprünglich erlangte Grundstück vollständig herauszugeben. Der BGH betont diesbezüglich, daß den §§ 812 ff. BGB keine Verpflichtung zum Rückerwerb einer rechtsgrundlos erlangten Sache im Falle der Weiterveräußerung zu entnehmen ist. Die noch im Vermögen des K bestehende Fläche müsse somit rückübereignet werden, während für die fehlende Fläche Wertersatz geleistet werden müsse. Die im Wege des Tausches erworbene Fläche dürfe vom Kläger nicht in Anspruch genommen werden. Aus den Worten des Gerichtes läßt sich dennoch nicht eindeutig ermitteln, ob V statt der Restitution des dem K noch verbliebenen Teilgrundstücks direkt den Wertersatz für die Gesamtfläche wahlweise verlangen darf, weil der Kinfolge der zwischenzeitlich vorgenommenen Veräußerung nicht mehr in der Lage ist, das Erlangte vollständig zurückzugeben. Dem Anschein nach schließt der BGH, zumindest in diesem konkreten Fall, eine solche Möglichkeit aus. bb) Italienisches Recht Die Rechtsprechung hat sich meines Wissens mit der Frage nach dem anwendbaren Recht im Falle einer teilweisen Weiterveräußerung durch einen Tauschvertrag noch nicht beschäftigt. Auch die Rechtslehre hat sich dazu noch nicht geäußert. Der Grund für das Desinteresse der italienischen Rechtswissenschaft läßt sich leicht erklären. Eigentlich kann sich nämlich dieses Problem im italienischen Recht infolge seines naturrechtlichen Ansatzes gar nicht stellen, denn die Nichtigkeit des Erwerbes des K würde auch seine Weiterveräußerung in der Form eines Tauschvertrages betreffen, der folglich genauso nichtig wäre. Der V wäre somit in voller Weise in der Lage, die Fläche, die er an K veräußert hat, unmittelbar gegen den Dritten zu vindizieren. Da die Ersitzung von Grundstücken in der Regel einen längeren Zeitverlauf vorsieht als die Verjährung der Kondiktionsklage, ist die Ausübung der Kondiktion bei Weiterveräußerung von Grundstücken grundsätzlich immer möglich. Zu einem anderen Ergebnis käme man hingegen bei der Weiterveräußerung von beweglichen Sachen, für die Art. 1153 c.c. unter gewissen Umständen die Regel possession vaut türe vorschreibt. Angenommen, daß der erste solvens, hier der V, trotz der ihm zustehenden Vindikation kondizieren möchte, dann darf er sich nur an seinen Leistungspartner, und nicht an den Dritten wenden, so daß die Wiedererlangung der Gesamtfläche durch die Kondiktion ausgeschlossen bleibt. Der Kondizierende würde gern. Art. 2037 I c.c. den Teil des Grundstückes zurückerlangen, der sich noch im Vermögen des Leistungsempfängers befindet. Was den getauschte Teil anbe-
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
langt, stellt sich die Frage, ob der Kläger einen Wertersatz oder das durch den Tausch erlangte Grundstück erhalten soll. Die zweite Alternative entspricht Art. 2038 I 1 C.C., der die Veräußerung einer ungerechtfertigt erlangten Sache umfaßt, die erste ergibt sich hingegen aus Art. 2037 III C.C., der bei Untergang oder Beschädigung der Sache auf die allgemeine Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. verweist. Obwohl es sich hier ausgerechnet um einen Fall der Weiterveräußerung handelt, so daß Art. 2038 I c.c. zum Tragen kommen sollte, scheint die Lösung durch Art. 2037 III c.c. bei dieser Fallkonstellation dem Rechtsgefühl mehr zu entsprechen: Aufgrund des Art. 2038 I c.c. würde der Kondizierende nämlich statt seines Grundstückes, bzw. eines Teils davon und einer Entschädigung eine neue, völlig andere Fläche erhalten. Ein solches Ergebnis würde unter anderem die enge Verbindung der Kondiktion mit der Vindikation unterbrechen, da die bei den Klagen durch einen sehr unterschiedlichen Haftungsgegenstand gekennzeichnet wären. Die Funktion der Kondiktion als Restitutionsklage wäre damit nämlich stark gefahrdet. Selbst wenn man von einer Versionsklage ausgeht, die eine äquitative Lösung unter Bewertung der Gesamtlage erzielen möchte, ist ein Gerechtigkeistgehalt im Falle der Herausgabe zweier unterschiedlicher Grundstücke schwer zu erkennen. C) Die Lösung der Titellehre Die Leistung des V an K wurde ohne die Unterstützung eines wirksamen titulus vorgenommen, die Kondiktion gegen den Leistungsempfanger ist somit berechtigt. Soweit wie möglich soll sich der Anspruch auf die Herausgabe der Sache richten, die den Gegenstand der Vermögensverschiebung bildete. Das bedeutet, daß die nicht weiterveräußerte Fläche rückübereignet werden soll; für den anderen Teil darf der V Wertersatz verlangen oder sich an den Dritten wenden, der diese Fläche erworben hat. Ist auch der Erwerbstitel des Dritten unwirksam, wie in einem naturrechtlich geprägten Erwerbssystem anzunehmen ist, kann der V einen Kondiktionsanspruch unmittelbar gegen den Dritten geltend machen, um das Eigentum an der Gesamtfläche zurückzuerhalten. Grundsätzlich ist in den zum französischen Rechtskreis gehörenden Rechtssystemen von einer positiven Durchsetzung des Restitutionsanspruches auch gegen den Dritten auszugehen, wie ein italienisches Beispiel zeigt: Art. 1159 I c.c. bestimmt in zehn Jahren den zur Ersitzung erforderlichen Zeitraum. Innerhalb dieses Zeitraumes bleibt der Rechtstitel, aufgrund dessen der Dritte die Sache zum Zwecke des Erwerbs erlangt hat, fehlerhaft und folglich nicht kondiktionsresistent, denn hier findet der Grundsatz nemo dat quod non habet Anwendung, wonach der Mittelsmann über ein Eigentumsrecht, das er nicht hat, nicht verfügen kann. Nach Ablauf der Ersitzungszeit wird der Dritte zum Eigentümer in folge der voluntas legis, die als solche immer ein wirksamer Rechtstitel ist. Im
B. Die Titellehre als Instrument
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deutschen Rechtskreis hängt hingegen die Durchsetzbarkeit der Kondiktion in dieser Fallkonstellation von den Umständen des Einzelfalles ab und kann daher theoretisch nicht vorausgesehen werden. Ob der Erwerbstitel des Dritten kondiktionsfest ist, ergibt sich nämlich nur aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Mittelsmann, hier K, und dem Dritten, das nicht von dem Rechtsverhältnis zwischen dem Mittelsmann und dem Kondizierenden, also V, beeinflußt wird. 8. Bereicherungsausgleich bei Schaffung von Wohnraum 238
A) (deutscher) Sachyerhalt Das Ehepaar Mund F lebte in einer Mietwohnung der Eltern der Ehefrau F. Mit Zustimmung der Vermieter wurde die Wohnung vom Ehepaar modernisiert und erweitert. Mit Beginn der Bauarbeiten wurden die Mietzahlungen einverständlich endgültig eingestellt. Zur Sicherung der unentgeltlichen Nutzung der Wohnung durch das Ehepaar setzten die Vermieter in einem gemeinschaftlichen Testament die Tochter F als Schlußerbin ein. Ferner wurde F durch Vermächtnis verpflichtet, dem M ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht einzuräumen und dinglich zu sichern. Nach dem Tode des Vaters der F wurde die Mutter V Alleinerbin der Wohnung. Einige Jahre später ließ sich M, der die Renovierungsarbeiten fortgeführt hatte, von seiner Frau F scheiden. Diese blieb weiterhin in der Wohnung und schloß mit der Mutter einen neuen Mietvertrag ab. Der M verlangte von V kondiktionsrechtlich die Erstattung der von ihm für das Hauswesen getätigen Aufwendungen. B) Die Rechtsla~e Dem BGH zufolge lag der rechtliche Grund für die Ausbauleistungen des Klägers im zwischen den Beteiligten vereinbarten, unentgeltlichen Leihverhältnis. Ausschlaggebendes Motiv des Klägers, die Wohnung zu renovieren und auszubauen, sei die vereinbarte Möglichkeit gewesen, die ausgebauten Räume auf unbeschränkte Dauer unentgeltlich als Familienwohnung zu nutzen. Der Auszug des M aus der Familienwohnung habe von allein noch nicht den Wegfall des Rechtsgrundes verursacht, zumal der Leihvertrag auch mit F abgeschlossen wurde und diese in der Wohnung unentgeltlich weiter gelebt habe. Auch der Abschluß eines neuen Mietvertrages zwischen F und ihrer Mutter V nach dem Auszug des M habe nach Ansicht des Gerichtes den Leihvertrag nicht beendet, weil M seinen Willen in diesem Sinne noch nicht geäußert hatte. Erst
238
Nach BGHZ I11 (1991), 125.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
zu Anfang des Rechtsstreites hat der Kläger durch Erhebung der Klage die Zustimmung zur Aufhebung des Leihvertrages implizit gegeben. Ein Kondiktionsanspruch wegen Fortfalls des Rechtsgrundes aus § 812 I 2, 1. Alt. BGB wird dem Kläger folglich zugesprochen, weil der Leihvertrag, der den Mietvertrag mit Beginn der Ausbaumaßnahmen ersetzt hatte, mit Zustimmung aller Beteiligten aufgehoben wurde, so daß die von M erbrachten Leistungen rechtsgrundlos vorgenommen wurden.
C) Die Lösun~ der Titellehre Es handelt sich hier um einen gemischten Vertrag, in dem sich die eine Partei verpflichtet, der anderen Partei die unentgeltliche Nutzung der Wohnung gern. § 598 BGB zu gestatten, während die andere Partei die Erweiterung und Modemisierung der Wohnung durch ihre Dienste im Sinne des § 611 BGB vornimmt. Der Rechtstitel der vom Kläger erbrachten Leistungen besteht in diesem gemischten Vertrag. Bis zum Zeitpunkt seiner Zustimmung zur Aufhebung durfte der M die fraglichen Dienstleistungen zugunsten der Vermieterin V nicht kondizieren, weil der gemischte Vertrag, auf dem die vom Kläger erbrachten Leistungen gründeten, wirksam war. Durch die Aufhebung wird der Zuwendung des M aber ihr Rechtsgrund entzogen, M darf deshalb die wegen des aufgehobenen und folglich unwirksamen Vertrages erbrachte Leistung kondiktionsrechtlich rückabwickeln. 9. Öffentliche Hand als Empfängerin eines indebitum solutum 239
A) (italienischer) Sachverhalt Der hohe Beamte der Region Kalabrien K hatte mit dem Kläger V mündlich einen Lieferungsvertrag abgeschlossen. Nach der Lieferung wurde aber festgestellt, daß die für diese Kontrakte mit der öffentlichen Hand notwendigen Kontrollmechanismen nicht eingehalten worden waren, so daß der Vertrag mangels der Bestätigung des zuständigen regionalen Organs nichtig war. Der Leistende verlangt nun die Bezahlung der gelieferten Ware.
Der Kassationshof gibt der Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung gern. Art. 2041 c.c. statt. Trotz des Risikos der Umgehung der KontroIImechanismen,
239
Nach Cass. 05. 06. 1997 n. 5021, Foro it., 1997, I, 2450.
B. Die Titellehre als Instrument
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die die Verträge der öffentlichen Hand regeln, hält das Gericht die ZufriedensteIlung des Interesses des solvens für vorrangig. Die Anspruchsgrundlage wird in der allgemeinen Bereicherungsklage ex Art. 2041 C.C., und nicht, wie es zu erwarten wäre, in der Zahlung einer Nichtschuld aus Art. 2033 c.c. gesehen. Der Beklagte muß somit eine Geldsumme herausgeben, die seiner Bereicherung bzw. der Entreicherung des Kläger entspricht, je nachdem, welche der bei den niedriger ist. C) Die Lösun~ der Titellehre
Zwischen dem Kläger und der öffentlichen Hand ist kein wirksamer Vertrag zustandegekommen. Mangels eines sie stützenden titulus darf die Leistung daher kondiziert werden. Zweifellos hat V eine Leistung vorgenommen, die wegen des fehlenden Rechtsgrundes unwirksam ist. Es bestehen somit gemäß der Titellehre die Bedingungen für die Anwendbarkeit des Kondiktionsrechtes. Theoretisch müßte es sich dabei um einen klaren Fall von Zahlung einer Nichtschuld aus Art. 2033 c.c. handeln, aber erstaunlicherweise wird eine allgemeine Bereicherungsklage erhoben, die jedoch infolge ihrer im Art. 2042 c.c. gegebenen Subsidiarität wegen der gleichzeitigen Möglichkeit, in diesem Falle eine Kondiktionsklage anzuwenden, gar nicht zum Tragen kommen sollte. Die Rechtslehre 240 ist sich dieser Inkongruenz bewußt, die sie mit dem m.E. sehr schwachen Argument rechtfertigt, daß bei der Durchführung von nicht gesetzeskonformen Verträgen zugunsten der öffentlichen Hand gewöhnlich der Wertersatz, und nicht die geleistete Sache herausgegeben wird. Als Folge der h.M. wird der Billigkeitsanspruch in überflüssiger und sogar rechtswidriger Weise angewendet, obwohl eine reine Herausgabeklage der Wiederherstellung des status quo ante besser dienen würde. Das Gericht darf nämlich infolge einer in Italien üblich gewordenen Praxis über die Höhe der Entschädigung aus Art 2041 c.c. nach Billigkeit ermessen, so daß sich die Wahl zwischen Rückabwicklung des nichtigen Vertrages und der allgemeinen Bereicherungsklage nicht aus objektiven, für jeden Fall geltenden Kriterien ergibt. Auch rechtspolitisch ist die Gewährung einer Kondiktion m.E. vorzuziehen. Die bloße Herausgabe würde die aktuelle Praxis verhindern, durch die gesetzlich bestimmte Vorgehensweisen einfach umgangen werden, da der solvens keine Gegenleistung, sondern lediglich das Geleistete zurückerlangen würde. Mit anderen Worten, die Anwendung der allgemeinen Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. ermöglicht in concreto eine gesetzwidrige Prozedur, die hingegen 240 Statt aller Ga/lo, 1996, 84 ff., insb. 89 f., der von "offensichtlichen Gründen" rur die anomale Anwendung der allgemeinen Bereicherungsklage spricht, wobei mir diese Gründe weder offensichtlich noch durchsichtig erscheinen.
20 Giglio
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
durch die Einsetzung des korrekten Rechtsinstrumentes, d.h. der Kondiktionsklage, vermieden werden könnte, weil der solvens die Sache zurückerlangt, ohne dadurch verwaltungsrechtliche Regeln zu verletzen. 10. Wegfall der Geschäftsgrundlage24 \
A) (deutscher) Sachyerhalt Die Verlobten Mund F bauen auf einem Grundstück des M ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, in welcher das Paar nach der Eheschließung einzieht. Beide Verlobte trugen mit Ersparnissen und Arbeitsleistungen zum Bauvorhaben bei. Nach einigen Ehejahren lassen sich Mund F scheiden. Die Frau F verlangt vom ehemaligen Ehemann M, dem Eigentümer des Grundstückes, zumindest den Ausgleich der von ihr für die Erbauung des Hauses bestrittenen Aufwendungen. B) Rechtsla~e Der BGH lehnt die Anwendbarkeit einer Kondiktion wegen Zweckverfehlung aus § 812 I 2 Alt. 2 BGB ab. Der Beweis einer positiven Kenntnis des M, daß F durch ihre Leistung das hälftige Miteigentum an dem Grundstück erlangen wollte, sei nicht geführt worden. Kennenmüssen und bloße Erkennbarkeit genügten zur Gewährung einer condictio ob rem nicht, zumal auch andere Möglichkeiten als das Miteigentum in Betracht kämen, wie z.B. die Bestellung eines Wohnrechtes. Nichtsdestoweniger stehe der Fein Ausgleichsanspruch zu: Verlobte stünden in einem rechtlich geregelten personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis, so daß ein Kooperationsvertrag zwischen den Verlobten nach dem BGH zustande komme, falls sie durch gemeinschaftliche Leistungen die Absicht verfolgt hätten, einen gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen gemeinsam genutzt werden und ihnen gemeinsam gehören sollte. Der Bestand der künftigen Ehe bilde nach gerichtlicher Auffassung die Geschäftsgrundlage des Kooperationsvertrages, so daß nach dem Scheitern der Ehe die bestrittenen Aufwendungen ausgeglichen werden müßten. C) Die
Lösun~
der Titellehre
Nicht der Titellehre, sondern den nationalen Rechtssystemen steht die Aufgabe der Feststellung typischer, bzw. atypischer Rechtsverträge zu. Die Titellehre besagt nur, daß der solvens bei nicht durch einen wirksamen Rechtstitel 241
Nach BGHZ 115 (1992), 261.
B. Die Titellehre als Instrument
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erfolgten Vermögensverschiebungen seine Leistung kondizieren darf. Folglich werden die Tatbestandsmerkmale, anhand derer die Kondizierbarkeit einer Zuwendung durch die Regeln der Titellehre überprüft wird, von den einzelnen nationalen Rechtsordnungen selbst bestimmt. Es ist sehr wohl denkbar, daß eine Fallgruppe in dem einen Rechtssystem zur Kondiktion führt, während sie in dem anderen als kondiktionsfest gilt. Die Titellehre beschränkt sich auf die Kenntnisnahme der nationalen Rechtslagen und enthält sich der Stimme bezüglich der einzelnen Entscheidungen, selbst wenn sie je nach Rechtssystem differieren. Ausgangspunkt der Analyse des vorliegenden Falles ist die Feststellung des BGH, daß zwischen den Parteien stillschweigend ein Kooperationsvertrag angesichts eines künftigen gemeinschaftlichen Lebens abgeschlossen worden ist. Nach gerichtlicher Meinung ist der Rechtsgrund dieses Vertrages infolge des Scheidungsurteiles entfallen. Die nationale Entscheidung, den Vertrag, den die Kondiktionsparteien als Basis der "kooperativen" Vermögensverschiebungen gewählt hatten, als nichtig zu bewerten, führt zur Anwendung der Regeln der Titellehre. Die Bewertung der Rechtsgrundlosigkeit der entsprechenden Vermögensverschiebung wird somit den nationalen Rechtssystemen überlassen, die für eine erste Stufe der Prüfung zuständig sind. Die Titellehre bildet dann die zweite Stufe und als solche setzt sie die Entscheidungen der Vorstufe voraus: Sie wird erst eingeschaltet, nachdem die Frage über den Rechtsgrund der Zuwendung geklärt wurde. Im wiedergegebenen Urteil hat das (nationale) Gericht über das Begriffspaar Wirksamkeit / Unwirksamkeit des Grundgeschäftes entschieden. Demzufolge dürfen die nichtigen Vertragsverhältnisse rückabgewickelt werden. 11. Verfügung eines Nichtberechtigten 242
A) (deutscher) Sachverhalt Die Ehefrau F lebt mit dem Ehemann M im Güterstand der Gütergemeinschaft mit gemeinsamer Verwaltung des Gesamtgutes. Der M schließt einen Lebensversicherungsvertrag ab und bezeichnet vorerst die Ehefrau als Bezugsberechtigte. Zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt er jedoch anstelle der F in deren Unkenntnis die Frau D als Bezugsberechtigte. Nach dem Tode des M erhält D die Versicherungssumme. F klagt dann gegen die bereicherte D auf Herausgabe der ungerechtfertigt erhaltenen Summe.
242 20'
Nach BGHZ 91 (\985),288.
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B) Rechtsla~e Nach dem BGH unterliegen die Ansprüche aus einer Lebensversicherung der gemeinschaftlichen Verwaltung der Ehegatten, deshalb wäre für die Wirksamkeit der Benennung der D als Begünstigter die Zustimmung der F erforderlich gewesen. Mangels dieser Zustimmung stehe der Klägerin das Anrecht auf die gesamte Versicherungssumme, die hingegen D erhalten hat, zu. Die einseitige Änderung des Versicherungsvertrages durch den M bilde gegenüber der Gütergemeinschaft eine unwirksame Schenkung. Ohne näher darauf einzugehen, ob durch den Tod des M die unwirksame Verfügung geheilt worden ist, stellt der BGH fest, daß der F auf jeden Fall ein Herausgabeanspruch gegen D aus § 816 I 2 BGB zusteht, so daß die F die unentgeltliche Verfügung des verstorbenen Ehemannes kondizieren darf. C) Die
LÖsun~
der Titellehre
Der titulus der Zuwendung liegt im ursprünglich unwirksamen Schenkungsvertrag. Durch die Bestätigung der Verfügung des M, die sich aus der Erhebung der Klage ergibt, wird der Rechtstitel, auf dem die Leistung an D beruht, gern. § 185 11 BGB wirksam. Die Titellehre gewährt folglich bei dieser Fallkonstellation keinen Kondiktionsanspruch. Wird aber bei der Erhebung der Klage zum Ausdruck gebracht, daß dadurch die Schenkung an D als nicht bestätigt zu betrachten ist, dann darf F als Alleinerbin des Leistenden M die VermÖgensverschiebung nach den Regeln der Titellehre erfolgreich kondizieren. Ein wirksamer Eigentumsübergang gehÖrt nämlich nicht zu den unentbehrlichen Merkmalen des Kondiktionstatbestandes, für dessen Erfüllung schon ausreicht, daß mit der Vornahme der Leistung nach den Absichten der Parteien das Eigentum hätte übertragen werden sollen. M war mit der D übereingekommen, daß diese dazu bestimmt sei, die Lebensversicherungssumme zu beziehen, es bestand also die Absicht einer endgültigen Eigentumsübertragung. Daß mit der Zuwendung in concreto das Eigentum nicht übergegangen ist, bleibt für die Anwendbarkeit der Kondiktion ohne Belang. Die Versicherungssumme wurde von der Leistungsempfangerin erhalten, ohne daß eine iusta causa traditionis diese VermÖgensbewegung unterstützte. Das Recht auf Ausübung einer Kondiktion befand sich theoretisch bereits in der Rechtssphäre des M, der F als Alleinerbin steht das gleiche Recht zu. Im übrigen darf sie unabhängig von ihrer Position als Erbin kondizieren, weil die gesamte Versicherungssumme, bzw. die Ansprüche aus der Lebensversicherung, einen wesentlichen Teil der Gütergemeinschaft ausmachten, so daß F das von D Erlangte sehr wohl vindizieren oder kondizieren darf, je nachdem in welchem Rechtssystem die Zuwendung stattfindet.
B. Die Titellehre als Instrument
309
Die Tatsache, daß der Klägerin in diesem konkreten Falle kein Kondiktionsanspruch gewährt werden kann, bedeutet nicht ohne weiteres, daß ihr keine weiteren Rechtsinstrumente zum Ausgleich ihrer Benachteiligung zur Verfügung stehen. Im Gegenteil, alternative Rechtsbehelfe, die nicht im Rechtssatz über die Rechtswidrigkeit von rechtsgrundlosen Leistungen, sondern im allgemeinen Verbot der Bereicherung zum Schaden Dritter wurzeln, sind durchaus denkbar. Die gesamte Rechtslage kann folglich durch die Gewährung einer Versionsklage aus Billigkeitsgründen ausgeglichen werden. Genau dieser "Ausweg" ist vom deutschen Gericht gewählt worden, das einen Anspruch aus § 816 I 2 BGB zugunsten der Klägerin bejaht hat. Es handelt sich dabei aber nicht um einen echten Kondiktionsanspruch, sondern um eine getarnte Versionsklage 243 • Das italienische Gericht dürfte wahrscheinlich einer allgemeinen Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. stattgeben. 12. Bereicherung in sonstiger Weise 244
A) (deutscher) Sachverhalt Der kurz nach Vertragsabschluß verstorbene Ehemann M verkauft dem K ein Wohngebäude gegen eine Rente, zahlbar monatlich an sich und an seine Frau F. Im Kaufvertrag wird von den Parteien die Rückübereignung des Gebäudes vereinbart, falls K mit der Zahlung dreier geschuldeter Rentenleistungen in Folge im Verzug ist. Zur Sicherung des Anspruches auf Rückübertragung wird eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Ehefrau aufschiebend bedingt eingetragen. Bei einem Brand wird das Gebäude weitgehend zerstört, wotUr K von seiner Versicherungsfirma eine gewisse Summe erhält. Nach dem Brand gerät K mit der Zahlung der Rentenleistungen dreimal in Rückstand, so daß sich die Ehefrau F als Eigentümerin des Wohngebäudes eintragen läßt. F verlangt nun von K auch die von diesem erlangte Versicherungssumme. B) Rechtsla~e Die von den Parteien tUr den Fall der Unterbrechung der Rentenzahlung ergriffenen Sicherungsmaßnahmen betrafen lediglich die Rückübereignung des Gebäudes, die ohne Schwierigkeiten abgewickelt werden konnte. Der bauliche Zustand des Vertragsgegenstandes wurde aber beim Kaufvertragsabschluß nicht berücksichtigt, so daß die F durch die Rückgabe ein zerstörtes Gebäude erhalten hat und die Versicherungssumme angesichts der schuldrechtlichen Vereinba-
243 244
S. oben, vierter Teil, A. V. 1. a). Nach BGHZ 99 (1987), 385.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
rungen als stellvertretendes Commodum nicht verlangen darf. Der BGH spricht ihr gegen den Käufer Keinen Kondiktionsanspruch aus § 812 I 1 Alt. 2 wegen Bereicherung in sonstiger Weise zu, weil die Versicherungssumme aufgrund des für sie vorgemerkten Anspruchs auf Übereignung des Grundstücks der Klägerin gebühre. Das Gericht stützt sich in seiner Begründung auf § 281 I BGB, der darauf beruht, daß sich der Verpflichtungswille des Schuldners zur Herausgabe einer Sache auch auf die Übertragung eines infolge des Untergangs der Sache erhaltenen Surrogats bezieht. C) Die
LÖsun~
der Iitellehre
Nach dem deutschen (aber auch nach dem italienischen) Recht erfolgt die Rückabwicklung, eigentlich die Erfüllung des bedingten Vertrages, anhand rein vertraglicher Regeln. Der Kontrakt zwischen Mund K zugunsten der F ist ohne weiteres wirksam und die Begünstigungsklausel wird durch den Tod des M ausgelÖst. Es besteht somit keinerlei Anlaß zur Gewährung eines Kondiktionsanspruches. F erhält das inzwischen verbrannte Grundstück und - gegebenenfalls - den damit verbundenen, von der Versicherungsfirma gezahlten Ersatz im Wege der Erfüllung der normalen Vertragsverhältnisse, nicht durch die Erhebung einer Restitutionsklage. Die Versicherungsfirma hat ferner an K, und nicht an F geleistet, so daß aus der Sicht der Titellehre hinsichtlich der kondiktionsrechtlichen Herausgabe der Versicherungssumme dem Kondiktionstatbestand zumindest ein wichtiges Merkmal, d.h. die vom Kläger erbrachte Leistung, fehlt. Weitere Ausgleichsansprüche werden folglich dem freien Entscheidungsraum der einzelnen Rechtssysteme überlassen: Das deutsche Gericht antwortet im vorliegenden Fall mit der Gewährleistung eines Anspruches aus Bereicherung in sonstiger Weise, den die Titellehre in dieser Form nicht vorsieht. Die Versicherungsgesellschaft, der Bereicherte und die Klägerin kÖnnen nämlich nicht als Mitglieder derselben Bereicherungskette bezeichnet werden, zumal die Klägerin das Eigentum nach dem Beklagten erworben hat. Der Funktion nach handelt es sich bei dem vom Gericht gewährten Anspruch um einen äquitativen Rechtsbehelf, dessen Anwendung deutlich zeigt, daß eine Kondiktion nicht in Betracht kommen kann: Es geht hier nicht um eine bloße Restitution, sondern um den Ausgleich nach Billigkeit einer als unausgewogen empfundenen Rechtslage. Unter diesem Gesichtspunkt stimmt die Titellehre mit der deutschen LÖsung überein, da beide letztlich gegenüber dem reinen Herausgabeanspruch Gerechtigkeitserwägungen in Form einer Versionsklage bzw. einer Bereicherung in sonstiger Weise voranstellen.
B. Die Titellehre als Instrument
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13. Gutgläubiger Erwerb 245 A) (deutscher) Sachyerhalt Ein Grundstück war mit einem Rohrleitungsrecht der Klägerin belastet, das irrtümlich im Grundbuch gelöscht wurde. Nach dieser Löschung ließ der Grundstückseigentümer das Grundstück in zwei Teile aufteilen und übereignete je einen Teil seinen beiden Kindern A und B, denen das gelöschte Recht nicht bekannt war. Die Klägerin verlangte von A und B die Wiedereintragung des gelöschten Rohrleitungsrechtes infolge des öffentlichen Glaubens des Grundbuches aus § 892 I 2 BGB. B) Rechtslal:e Der BGH gewährt der Klägerin einen Wiederbestellungsanspruch aufgrund des § 816 I 2 BGB. Der Vater der Beklagten habe zwar nicht als Nichtberechtigter und nicht über das Rohrleitungsrecht der Klägerin verrugt, er habe vielmehr die ihm gehörenden Grundstücke den Beklagten übereignet, aber die zitierte Vorschrift dürfe dennoch bei gutgläubig lastenfreiem Erwerb entsprechend angewendet werden, da sie insbesondere dem Ausgleich von Rechtsverschiebungen diene, die aufgrund der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb eintreten. Der Billigkeit entsprechend wendet das Gericht somit die Bestimmung nicht nur bei "durch" eine Verfiigung eingetretenen Gutglaubenserwerbsvorgängen an, sondern auch wenn solche Erwerbsarten "infolge"246 einer Verrugung stattgefunden haben.
C) Die LösunI: der Titellehre Der Rechtsgrund des Erwerbes der Beklagten liegt, wie bei allen gutgläubigen Erwerbsvorgängen, im Gesetz selbst. Dieses kann per definitionem immer nur wirksame Rechtstitel herstellen, so daß derartige Erwerbsarten stets eine kondiktionsfeste Vermögensverschiebung nach sich ziehen, es sei denn, das Gesetz wird rückwirkend geändert. Die Klägerin darf sich nicht an die gutgläubigen Eigentümer wenden, weil sie ihnen keine unmittelbare, auf einem unwirksamen titulus beruhende Leistung erbracht hat, deren Gegenstand sie dann kondizieren darf. Bei solcher Fallkonstellation kann die Wiederherstellung des erlo-
245 Nach BGHZ 81 (1982),395. 246 Der Unterschied zwischen unentgeltlichen Glaubenserwerben "durch" oder "infol-
ge" einer Verfügung wird vom BGH seIbst eingefiihrt.
312
Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
schenen Rechtes deshalb nicht durch das kondiktionsrechtliche Instrumentarium erfolgen. Zu Recht hatte das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des § 816 I 2 BGB abgelehnt, weil sich der dort beschriebene Tatbestand ganz offensichtlich auf andere Fallgruppen bezieht. Im klaren Bewußtsein über den Unterschied zwischen dem konkreten Sachverhalt und dem Tatbestand, unter den der Sachverhalt subsumiert wird, läßt der BGH trotzdem die fragliche Vorschrift zur Anwendung kommen, weil das Gericht mangels einer Bestimmung ad hoc, bzw. einer allgemeinen Bereicherungsklage auf irgendeine Bestimmung zurückgreifen mußte, um eine gerechte Lösung zu finden: Der Verlust des Rohrleitungsrechtes zu Lasten der Klägerin wäre schlicht unbillig gewesen. Wie auch der BGH zu verstehen gibt, handelt es sich hier um einen reinen Billigkeitsanspruch, der erst dort greift, wo die Hilfsfunktion des Kondiktionsrechtes trotz offensichtlich ungerechter Lage die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht ermöglicht. Eine derartige Anwendung des Versionsrechtes seitens des BGH läßt sich gerade durch die Billigkeitsfunktion dieses Instituts erklären, das, wie dieser Fall zeigt, auch im geltenden Recht, wie schon im römischen, juris civilis supplendi causa eingesetzt wird, sogar wider den ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes. Das Anwendungsfeld des Versionsrechtes kann also die ganzen Fallgruppen abdecken, die ohne die eine entsprechende Möglichkeit einer Versionsklage einer ungerechten Lage ausgesetzt wären. 14. Bösgläubige Weiterveräußerung247
A) (deutscher) Sachverhalt Der Kläger V hat dem K einen Lastzug übergeben und übereignet, dafür sollte K seinerseits 12.000 DM entrichten. Der Kaufvertrag ist aber wegen eines dem K von Anfang an bekannten Grundes nie zustande gekommen, so daß V die geleistete Sache herausverlangt. K hat jedoch den Lastzug vor der Erhebung der Kondiktionsklage an D weiterveräußert.
Der Klage wird vom BGH stattgegeben. Es kämen bei dieser Fallkonstellation die Vorschriften über die verschärfte Haftung der §§ 818 IV, 819 BGB zum Tragen. Weil der accipiens den Mangel des Rechtsgrundes bereits beim Empfang gekannt habe, hafte er nach den allgemeinen Vorschriften. V dürfe folglich
247
Nach BGHZ 75 (1980), 203.
B. Die Titellehre als Instrument
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die Herausgabe des Verkaufserlöses des K an D verlangen. Die Restitution des rechtsgeschäftlichen Surrogates aus § 281 BGB sei eine Folge der Anwendung der allgemeinen Vorschriften. Die Verpflichtung zur Restitution des Surrogates entspreche ferner den allgemeinen Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung, wie auch der Sonderregelung (sie) des § 818 I BGB zu entnehmen sei. Nach dem BGH ist sach- und interessengerecht § 281 BGB auf den verschärft Haftenden anzuwenden, weil er sonst in einem geringeren Umfang als der Bereicherungsschuldner haften würde, der nicht Eigentümer des Gegenstandes sei und seine mangelnde Berechtigung zur Zeit der Veräußerung gekannt habe. Auch der verschärft haftende Eigentümer wisse, daß er den Gegenstand nicht behalten dürfe. Es gebe keinen Grund, zwischen beiden Rechtslagen zu differenzieren. C) Die Lösung der Titellehre Die Vermögensverschiebung des V an K beruht auf keinem wirksamen, schuldrechtlichen Vertrag, die Sache ist folglich herauszugeben ohne Rücksicht darauf, ob der Leistungsempfanger tatsächlich Eigentümer geworden ist. Nun kann der Anspruchsträger von seinem Leistungspartner aber lediglich den Wertersatz der Sache erhalten, weil diese bereits weiterveräußert worden ist. Er kann sich dennoch nach den Regeln der Titellehre zwischen dem Wert der Sache, den er vom Leistungspartner verlangen kann, und der Herausgabe der Sache selbst vom Dritten entscheiden, falls der titulus, aufgrund dessen K an den Dritten D geleistet hat, fehlerhaft ist. Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, ob die weitere Veräußerung durch einen wirksamen Rechtstitel erfolgt ist, weil dem Leistenden nach deutschem Recht ·kein Verfolgungsanspruch bei entgeltlichen Rechtsgeschäften zusteht, so daß eine entsprechende Untersuchung belanglos ist. Bei Unwirksamkeit des Leistungsverhältnisses K - D dürfte V gegen D kondizieren. Er könnte dennoch von D nicht mehr verlangen, als K von D hätte verlangen können. Soweit es die Kondizierbarkeit der Leistung anbelangt, kommt die Titellehre zum Ergebnis der deutschen Kodifikation. Die bei den Lösungen weichen jedoch bezüglich des Herausgabegegenstandes voneinander ab. Nach den Grundsätzen der Titellehre muß der Mittelsmann einen Wertersatz herausgeben, während sich die Restitutionsverpflichtung gemäß dem deutschen Gerichtshof auf das stellvertretende Commodum erstreckt. Die Herausgabe eines aliud - das durch die Verfügung Erlangte, das stellvertretende Commodum und die funktionsähnlichen Rechtsfiguren - entspricht nicht dem Grundgedanken der Titellehre, wonach sich die Kondiktion stets auf die Herausgabe des Geleisteten richtet. Das Kondiktionsrecht ist also ein reines Restitutionsinstitut, das abgesehen von
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
der Rückabwicklung der gescheiterten Vertragsverhältnisse nicht mehr zum Tragen kommen kann, falls die Sache untergegangen ist. Dies bedeutet aber nicht, daß der bösgläubige Leistungspartner oder auch Dritte daraus Nutzen ziehen können, weil die nationalen Rechtsordnungen dem vorsätzlich Beschädigten weitere Rechtsbehelfe zur Verfügung stellen, anhand derer z.B. die Herausgabe des Verkaufserlöses zum Ausgleich des eingetretenen Schadens möglich ist. Das deutsche Recht verweist bei vorsätzlichem Verhalten des Empfangers auf die allgemeine, d.h. nicht kondiktionsrechtliche Haftung. Konform mit der Titellehre wird letzten Endes dadurch das Terrain der Bereicherungshaftung zugunsten anderer Rechtsinstitute verlassen, die dem Vorsatz bei der quantitativen Bestimmung des Haftungsniveaus Rechnung tragen: Der Bösgläubige soll gegenüber dem Gutgläubigen in stärkerem Umfang haften. Beim Kondiktionsrecht ist hingegen der psychologische Zustand des Leistungsempfangers unter diesem Gesichtspunkt völlig irrelevant, weil sich der Anspruch lediglich auf die Herausgabe des Geleisteten richtet. 15. Fahrlässige Weiterveräußerung248
A) (italienischer) Sachverhalt Die Gemeinde K hat ein Grundstück enteignet, das dem Kläger V gehörte. Dieser wurde für die Enteignung nur mit einer minimalen Geldsumme entschädigt. Das Grundstück wurde dann für einen unverhältnismäßig niedrigen Preis an den Dritten D veräußert. Vor dieser Weiterveräußerung hatte der Verfassungsgerichtshof jedoch derartig geringfügige Enteignungsentschädigungen für verfassungswidrig erklärt, so daß die Enteignung des K zu Lasten des V deshalb nichtig war. Der Kläger verlangte folglich die Herausgabe des enteigneten Grundstücks. B) Rechtsla~e Das Berufungsgericht wendete Art. 2038 c.c. an, der die Weiterveräußerung der ohne rechtlichen Grund erhaltenen Sache regelt. Auch nach dem Kassationsgericht kommt diese Vorschrift zum Tragen, zu kritisieren sei aber die Oberflächlichkeit, mit der das Appellationsgericht den Tatbestand des Art. 2038 I 1 c.c. begründet habe. Diese Vorschrift bestimme nämlich den Anspruchsgegenstand bei gutgläubiger Weiterveräußerung in dem durch die Verfügung Erlangten, das infolge der Enteignung hier eine sehr geringe Summe betrug. Aber das Bestehen der Gutgläubigkeit, das die Norm voraussetzt, sei vom Appellations-
248
Nach Cass. 17.04. 1993 n. 4553, Foro it., 1994, 1,1752.
B. Die Titellehre als Instrument
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gericht nicht vollständig geprüft worden. Dem Kassationsgerichtshof zufolge soll vielmehr von einer Fahrlässigkeit der Gemeinde ausgegangen werden, weil diese Gemeinde, wenngleich klein, über die seit langem .erwartete Entscheidung des Verfassungs gerichtes über die Enteignungsentschädigungen hätte informiert sein müssen. Die zur Anwendbarkeit des Art. 2038 II 1 c.c. erforderliche Kenntnis der Pflicht zur Herausgabe wird vom Gericht als Kennenmüssen verstanden, so daß der Sachverhalt nicht unter den ersten, sondern unter den zweiten Absatz von Art. 2038 I 1 c.c., der die Erstattung des vollen Wertes des enteigneten Gegenstandes ermöglicht, hätte subsumiert werden müssen. Aus diesem Grunde weist der Kassationshof die Klage auf die Vorinstanz zurück. C) Die
LÖsun~
der Titellehre
Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtes ist die Wirksamkeit des titulus, der den Eigentumsübergang bei der Enteignung unterstützt, rückwirkend fortgefallen. Wie die Rechtsprechung richtig erkannt hat, hat die Gemeinde somit das Grundstück ohne rechtlichen Grund erhalten. Der primäre Anspruchsgegenstand befindet sich jedoch nicht mehr im VermÖgen der Beklagten, so daß der Kläger sich mit dem Wertersatz zufriedengeben muß. Die Höhe des Wertersatzes hängt im italienischen Recht von der fides des Leistungsempfängers ab. Das deutsche Recht stellt sie hingegen stets im durch die Verfügung Erlangten fest; bei Bösgläubigkeit werden weitere Maßstäbe, die "allgemeinen Vorschriften", angewandt. Dem Grundgedanken der deutschen Lösung ist zuzustimmen. Abgesehen davon, daß die Bestimmung des Wertersatzes Billigkeitskriterien entspricht, die dem Kondiktionsrecht m.E. fremd bleiben sollen, unterscheidet das Bereicherungssystem des BGB zwischen dem Kondiktionsrecht, in dem der gute und der böse Glaube des Empfängers irrelevant sind, und weiteren Instituten, die gerade bei Bösgläubigkeit herangezogen werden. Gemäß der Titellehre spielt der psychologische Zustand des accipiens für die Gewährleistung des Herausgabeanspruches überhaupt keine Rolle, weil die Bewertung der fides konstitutives Merkmal anderer, nicht kondiktionsrechtIicher Tatbestände ist. Die Position des Dritten D wurde vom Gericht nicht berücksichtigt. Hätte sich bei einer Analyse der Rechtslage des D herausgestellt, daß sein Erwerb von K durch einen unwirksamen Rechtstitel erfolgt ist, hätte V nach der Titellehre anstatt des Wertersatzes unmittelbar die Herausgabe des Grundstückes von D verlangen können. Angesichts der vorliegenden Fallbeschreibung ist die Nichtigkeit des Erwerbstitels des Dritten durchaus anzunehmen, weil sich aus der Nichtigkeit der Enteignung ergibt, daß die Gemeinde über das Grundstück eines Dritten ohne dessen Willen verfügt hat, so daß keine Übereignung nach dem Grundsatz nemo dat quod non habet stattfinden konnte. Der Entreicherte könnte folglich seinen Restitutionsanspruch aus der rechtsgrundlosen Vermögensver-
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
schiebung an die öffentliche Verwaltung als Mittelsmann auch gegen den aktuellen Besitzer D erfolgreich durchsetzen. 16. Vertrag zugunsten Dritter249
A) (deutscher) Sachverhalt Die Kläger K schlossen mit der Bauträgergesellschaft V Kaufanwärterverträge über Eigentumswohnungen ab. Der Beklagte D war als Direktionsassistent bei der Gesellschaft tätig und führte die Vertragsverhandlungen mit den Klägern. Diese verpflichteten sich in dem jeweiligen Kaufanwärtervertrag auch zur Bezahlung einer Makler-Courtage zugunsten der Firma F. In der dritten, der V vom Beklagten D ausgehändigten Ausfertigung fehlte jedoch jedwede Erwähnung dieser Makler-Courtage. Nach der Unterzeichnung der Verträge erhielten die Kläger von der Firma F hinsichtlich der Zahlung der Courtage Rechnungen, die auf Briefbögen mit dem Firmenkopf "F" ausgestellt und vom Beklagten unterschrieben waren. Die Rechnungen wurden zunächst bezahlt, aber als es sich herausstellte, daß die Firma F in Wahrheit nicht existierte, fochten die Kläger die Maklervereinbarungen wegen arglistiger Täuschung an und verlangten vom Beklagten die Herausgabe der gezahlten Makler-Beträge. B) Rechtsla~e Der BGH läßt einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten zu, obwohl dieser lediglich Begünstigter in einem Vertrag zugunsten Dritter ist. Bei der Rückabwicklung von Leistungen im Hinblick auf Drittbeziehungen seien in erster Linie die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten. Beide Seiten hätten im Kaufanwärtervertrag die Klausel über die Courtagevereinbarung nicht in das der Bauträgergesellschaft zugedachte Vertragsexemplar aufgenommen. Ferner hätten die Kläger keine Schuld der Bauträgergesellschaft gegenüber der Firma F ausgleichen wollen. Die Firma V ist somit nach Auffassung des BGH in den dargestellten Vorgängen überhaupt nicht in Betracht gezogen worden. Weil die Kläger mit den Zahlungen an den Beklagten einer Verpflichtung hätten nachkommen wollen, die ihren Rechtsgrund in den teilweise angefochtenen Kaufanwärterverträgen finde, gewährt das Gericht eine Leistungskondiktion gegen den D zugunsten der K. Dieser Anspruch aus ungerechtfertigt erbrachter Leistung dürfe auch gegen den Dritten ausgeübt werden, weil die Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne eine bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens sei.
249
Nach BGHZ 58 (1972), 184.
B. Die Titellehre als Instrument
C) Die
LÖsun~
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der Titellehre
Die Gewährung einer Kondiktion ist bei der beschrieJ:>enen Fallkonstellation aus der hier vertretenen Sicht des europäischen Kondiktionsrechtes reine Interpretationsfrage, die auf eine Entscheidung der einzelnen Rechtssysteme zurückzuführen ist. Beispielsweise haben die Kläger an den Beklagten nach dem BGH ohne rechtlichen Grund geleistet, weil die Maklervereinbarungen erfolgreich angefochten wurden. Aus der Anfechtung ergibt sich die Unwirksamkeit der Rechtstitel, aufgrund deren die Leistungen an D erbracht wurden. Daraus folgt, daß die Kläger ihren Restitutionsanspruch erfolgreich durchsetzen kÖnnen. Eine abweichende Auslegung kÖnnte jedoch zur Schlußfolgerung kommen, daß die Kaufanwärterverträge zwar den Rechtsgrund für die Zahlungen der Kläger darstellen, diese Verträge aber mit der Bauträgergesellschaft abgeschlossen wurden, so daß, vertraglich gesehen, die Kläger K bei der Bezahlung der Makler-Courtage an V, und nicht an D geleistet haben. Gemäß dieser Interpretation müssen sich daher die Kläger für die Rückabwicklung der unwirksamen Vertragsverhältnisse an V wenden. Die zweite Interpretation entspricht m.E. mehr der Funktion des Kondiktionsrechtes und den Grundsätzen der Titellehre, denn eine Leistung wurde gemäß dem Vertrag lediglich an die Bauträgergesellschaft V vorgenommen. Eine Art "Bestrafung" des Dritten D für sein unredliches Verhalten durch die Gewährung eines direkten Herausgabeanspruches ist nicht mit dem Kondiktionsrecht vereinbar: Gegebenenfalls kÖnnen bei Bösgläubigkeit, Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Dritten andere Rechtsbehelfe in Anspruch genommen werden. 17. Baustoffiieferung an Dritteigentümer250
A) (deutscher) Sachverhalt Die Klägerin V belieferte die Baufirma K mit Baustoffen, welche K dann für den Aufbau eines Gebäudes der Beklagten D verwendete. Bei der KonkurserÖffnung der Baufirma K versuchte V, die gelieferten Materialien, bzw. den Wertersatz von D kondiktionsrechtlich zurückzuerhalten.
Der BGH wies die Bereicherungsklage ab mit der Begründung, D habe das Eigentum an den Materialien nicht ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Klä-
250
Nach BGHZ 56 (1971). 228.
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Vierter Teil: Analyse eines Modells der "Eigentumskondiktion"
gerin erlangt. Die Frage, ob der Lieferant an den Bauherrn oder an das Bauunternehmen geleistet habe, sei von dem Standpunkt des Bauherrn aus zu beurteilen. Eine Bereicherung in sonstiger Weise gegen den Bauherrn scheide von Anfang an das Subsidiaritätsprinzip aus, weil die Klägerin an K eine wirksame Leistung erbracht habe, die auf einem wirksamen Kaufvertrag beruhe. Der Klägerin stehe bereits ein Kondiktionsanspruch gegen das Bauunternehmen zu: Eine Kondiktion aus Bereicherung in sonstiger Weise nach § 812 I I Alt. 2 BGB könne nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand von niemandem an den Empfänger geleistet worden sei. Das Gericht lehnte ferner einen Bereicherungsanspruch aus § 951 BGB gegen D ab, weil der Lieferant sich an seinen Vertragspartner halten solle. Ob der Bauunternehmer das Material unter Verletzung z.B. eines mit dem Lieferanten vereinbarten, verlängerten Eigentumsvorbehaltes verbaut, spielt nach der gerichtlichen Ansicht bei der Gewährung eines Herausgabeanspruches aus § 951 BGB keine Rolle. C) Die Lösun~ der Titellehre
Die Klägerin hat aufgrund eines wirksamen Lieferungsvertrages geleistet, der - wie der BGH zu Recht betont - von der Konkurseröffnung unberührt geblieben ist. Des weiteren wurde das Material dem D infolge des Vertrages zwischen diesem und dem K geliefert, und auch die Wirksamkeit dieses Vertrages wird nicht bezweifelt. Weil sogar beide tituli noch wirksam sind, kann die Titellehre wegen Nichtvervollkomrnnung des Kondiktionstatbestandes nicht zum Tragen kommen, so daß die Frage nach der Gewährung einer Kondiktion verneint werden muß. Die Entscheidung über die Anwendbarkeit einer Versionsklage wird den nationalen Rechtssystemen überlassen. Interessanterweise schließt der BGH die Handhabung einer aetio de in rem verso (sie!) ausdrücklich aus. Das Gericht verwendet diesbezüglich Argumente, die m.E. eigentlich fUr eine Kondiktion, und nicht fur eine Version geeignet wären, weil letztere dem Entreicherten aus reinen Billigkeitsgründen zugesprochen wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Vermögensverschiebung auf einem wirksamen Rechtsgrund basiert (oftmals gibt es bei der Versionsklage doch einen wirksamen Vertrag!). Der BGH beruft sich hingegen bei der Ablehnung des § 951 BGB vor allem auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages zwischen der Klägerin und dem Bauunternehmen und auf die Notwendigkeit des Vertrauens schutzes zugunsten des Bauherrn. Die Argumente der Judikatur sind somit weniger rechtstechnischer als rechtspolitischer Natur, denn § 951 BGB enthält an sich - aus der Sicht der Titellehre - kein theoretisches Hindernis fUr eine Anwendung auf diese Fallgruppe.
B. Die Titellehre als Instrument
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18. Herausgabe der Mietzinsen bei nichtigem Mietvertrag251
A) (italienischer) Sachverhalt Infolge der Nichtigkeit des Mietvertrages verlangte der Vermieter die Räumung der Mietwohnung und den Ersatz der daraus entstandenen Schäden. Auf derselben Nichtigkeit basierte der Mieter eine Kondiktionsklage auf Herausgabe der ohne rechtlichen Grund bezahlten Mietzinsen. Der Klageantrag des Vermieters wurde jedoch falsch formuliert, weil darin der Ersatz von Schäden erwähnt wurde, obwohl der Kläger durch die nichtige Leistung eigentlich keinen Schaden erlitten hatte. Richtigerweise hätte der Vermieter eine allgemeine Bereicherungsklage aus Art. 2041 c.c. erheben sollen, mangels derer das Appellationsgericht dem Vermieter lediglich die Räumung der Wohnung gewähren konnte, weil in concreto kein Schaden nachgewiesen wurde. Der korrekt formulierten Klage des Mieters wurde hingegen stattgegeben. Der Vermieter erhob Kassa-tionsbeschwerde, um auf irgendeiner Weise eine Bereicherung des Mieters doch noch zu vermeiden. B) Rechtsla~e Die Tatsache, daß der Vermieter einen Ausgleich aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Art. 2041 c.c. nicht beantragt hatte, ist eindeutig ihm als Fehler zuzurechnen. Gerade dieser fehlende Antrag ist der Hauptgrund für das besondere Interesse, das dieser Fall erweckt. Stricto jure hätte der Kassationshof der Ansicht des Appellationsgerichtes folgen müssen 252 , aber ein solches Ergebnis erschien den Richtern offensichtlich ungerecht, deshalb entschieden sie - ganz gegen den Wortlaut des Gesetzes - nach reiner Billigkeit mit folgender Begründung: Der im französischen Rechtskreis sehr wichtige Grundsatz quod nullum est, nullum producit ejJectum, wonach nichtige Verträge keinerlei Wirkung entfalten könnten, so daß nichtige Vertragsverhältnisse stets rückabzuwickeln seien, finde eine Grenze bei nichtherausgabefahigen Leistungen, weil in diesem Falle eine nicht annehmbare Bereicherung einer Partei zum Schaden der anderen vermieden werden müsse. Der Herausgabe einer aufgrund eines nichtigen Vertrages erbrachten Leistung dürfe somit nicht stattgegeben werden, wenn die Rückabwicklung dieser Leistung praktisch nicht möglich sei (factum infectum fieri nequit!), so daß auch die Gegenleistung nicht herausgabefähig sei. In die-
251 Nach Cass., 03. 05.1991 n. 4849, Giur, it, 1991, 1,1,1314, mit Anm. Chiodi.
252 So ist z.B. in einem ähnlichen Fall, in dem jedoch der richtige Antrag auf Rückforderung der ungerechtfertigt gezahlten Zinsen gestellt wurde, zu Recht vom BGH entschieden worden; BGHZ 127,245.
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sem Urteil faJlt auf, daß die richterliche Ansicht durch keinen konkreten Verweis auf gesetzliche Vorschriften untermauert, sondern nur anhand rein theoretischer Richtlinien begründet wird. C) Die Lösun\: der TiteJlehre Die gerichtliche Entscheidung verdeutlicht die Kernfunktion der Versionsklage, die sich im Laufe der Geschichte als konstantes Element dieses Instituts erwiesen hat: Nicht nur wird eine - von der betroffenen Partei in der ersten Instanz nicht erhobene! - Billigkeitsklage gewährt, sondern aus äquitativen Gründen wird der Sachverhalt ganz bewußt nicht unter den richtigen Tatbestand, die Zahlung einer Nichtschuld aus Art. 2033 C.C., subsumiert, obwohl dessen Merkmale eindeutig vorliegen, um die Rückzahlung der Mietzinsen zugunsten des Mieters zu vermeiden. Das Urteil der Vorinstanz hatte hingegen folgerichtig das Bestehen der gesetzlich festgestellten Tatbestandselemente hervorgehoben, indem es der Herausgabe der rechtsgrundlos bezahlten Mietzinsen stattgab. Es ist gerade diese Unvereinbarkeit zwischen BiJligkeitskriterien und Kondiktion, die der Konstruktion der TiteJlehre entspricht und die Unabhängigkeit des Kondiktions- gegenüber dem Versionsrecht betont. In dem zitierten FaJl gründet die Zahlung der Mietzinsen auf keinem wirksamen Rechtstitel, so daß das Geleistete vom Mieter kondiktionsrechtlich hätte herausverlangt werden dürfen. Der Restitutionsklage hätte der Vermieter nach italienischem Recht freilich keine Kondiktion entgegensetzen kÖnnen, weil Art. 2037 I c.c. i.V.m. Art. 2033 c.c. bei der Herausgabe einer bestimmten Sache die Ausdehnung der Klage auf die gezogenen Nutzungen nicht vorsieht. Unter diesem Gesichtspunkt ist hier die Zahlung einer Nichtschuld, anders als im deutschen Bereicherungsrecht, eine reine Restitutionsklage geblieben, die sich als solche vor aJlem auf das Geleistete konzentriert, das die ersparten Aufwendungen per dejinitionem nicht umfaßt, während die deutsche Kondiktion offensichtlich von den äquitativen Leitgedanken des Versionsrechtes kontaminiert ist. Die Kondiktionsklage kann somit gemäß dem Codice civile lediglich die Herausgabe der Mietwohnung erzielen, nicht jedoch einen Ausgleich nach Billigkeit. Dasselbe wiederholt sich auch gemäß der Titellehre, nach der die Kondiktionsklage eine reine Restitutionsklage ist. FaJls die durch die Nichtigkeitsund die darauffolgende Kondiktionsklage benachteiligte Partei eine gerichtliche Bewertung der Gesamtlage nach Billigkeit wünschen sollte, hat sie sich nicht an eine Kondiktion, sondern an eine Version zu wenden.
B. Die Titellehre als Instrument
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19. Vorübergehende Unwirksamkeit der Vermögensverschiebung253
A) (italienischer) Sachverhalt Der Konkursverwalter der Finna A hatte die Schuld gegenüber der Konkursgläubigerin B ohne Beachtung des Interesses der weiteren Gläubiger, der sog. par condicio creditorum, rechtswidrig ausgeglichen. Weil die Rechtsbeziehung zwischen A und Binfolge des laufenden Konkursverfahrens gern. Artt. 201,51 ff. R.D. 16.03. 1942 n. 267 (italienische Konkursordnung) vorübergehend unwirksam war, verlangte der Verwalter von der Finna B die Herausgabe des Geleisteten. B) Rechtslal:e Das Appellationsgericht gibt der Klage statt. Die Vorschriften über die Zahlung einer Nichtschuld fänden nicht nur bei ursprünglichen Mängeln des Rechtsgrundes Anwendung, sondern sie beträfen auch Fallgruppen, in denen der Mangel erst nach der Vornahme der Leistung entstehe, sowie Fälle der vorübergehenden Unwirksamkeit der causa. Durch das breite Anwendungsfeld der Zahlung einer objektiven Nichtschuld aus Art. 2033 c.c. wurde die Vorschrift dem Gericht zufolge in eine Art Generalklausel umgeändert, die bei definitiver Ungültigkeit des rechtlichen Grundes, etwa infolge einer Nichtigkeitsklage, aber auch bei nur vorübergehender Unwirksamkeit, wie gerade bei der Verletzung der par condicio creditorum im Konkursverfahren der Fall ist, eingeschaltet werden kann, weil die Herausgabefunktion dieses Rechtsinstitutes bei sämtlichen nichtgeschuldeten bzw. unwirksamen Leistungen identisch bleibt. Der Konkursverwalter darf somit die Herausgabe des Geleisteten verlangen, selbst wenn er der Beklagten noch einmal nach Konkursabschluß die gleiche Geldsumme leisten müßte. C) Die LÖsunI: der Titellehre
Ob ein bloß vorübergehend unwirksamer titulus eine Kondiktionsklage rechtfertigen kÖnnte, ist reine Auslegungsfrage, von der die Titellehre nicht berührt wird. Wird diese Frage im Einklang mit der hier wiedergegebenen gerichtlichen Ansicht bejaht, ist die Bezahlung an den Konkursgläubiger auch gemäß der Titellehre ohne rechtlichen Grund erfolgt, womit die Gewährung einer Kondiktion gerechtfertigt wäre. Selbst im entgegengesetzten Fall, d.h. wenn der Ausübung einer Kondiktion nicht stattgegeben wird, bleiben die Grundsätze
253
Nach App. Torino, 24. 02. 1988, Giur. it., 1989, I, 2, 416, mit Anm. Eroli.
21 Giglio
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dieser Konstruktion gewahrt, weil es sich um eine besondere Fallkonstellation handelt, deren Lösung sich in keiner Weise auf die Titellehre auswirkt. Versteht man folglich unter "unwirksamem Rechtstitel" auch eine momentane Unwirksamkeit, soll dem Leistenden ein Kondiktionsanspruch zuerkannt werden. Wird hingegen die Zeitweiligkeit als ein zu schwaches Kriterium betrachtet, um das Rechtsverhältnis, auf dem der fragliche Rechtstitel basiert, als rechtsgrundlos zu betrachten, dann soll die Kondiktion ausgeschlossen werden. Meiner Ansicht nach wäre eine Unterscheidung der Rechtstitel je nach ihrem "Wirksamkeitsgrad", d.h. von der Dauer ihrer Unwirksamkeit abhängig, nicht wünschenswert. Ein titulus ist nicht "mehr oder weniger" unwirksam: Entweder ist er wirksam, oder nicht. Andere Lösungen sind dogmatisch nicht zu begründen und fUhren nur zu nutzlosen Ausnahmen, die den Restitutionsmechanismus erschweren. Bei Unwirksamkeit des Rechtstitels sollte der Leistende also immer kondizieren dürfen. Allerdings kann diese Regel nicht grenzenlos angewendet werden: Durch die grundsätzliche Kondizierbarkeit der unwirksamen Leistungen wird eine Kontrolle der Begründetheit der Kondiktion nicht abgeschafft, sondern nur auf die Rechtsprechung verschoben. Die Richter dürfen nämlich die Titellehre durch die Einsetzung weiterer Korrektive ergänzen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem der Grundsatz des venire contra factum proprium in Betracht. Durch ihn kann man entscheiden, ob - aus rechtspolitischen Gründen - die theoretische Durchsetzbarkeit einer Kondiktionsklage in der Praxis eventuell abgelehnt werden muß. In diesem konkreten Falle würde beispielsweise die Verweigerung der Kondiktion die par condicio creditorum beeinträchtigen; richtigerweise gewährt das Gericht folglich den Anspruch. In anderen Fallkonstellationen, bei denen der Beklagte die von ihm herausgegebene Sache problemlos zurückfordern darf, wäre die Gewährung eines Restitutionsanspruches völlig überflüssig und würde lediglich eine unnötige Vervielfältigung der Klagen verursachen. 20. Entreicherung und Kondiktionsrecht254
A) (italienischer) Sachyerhalt Dem Kläger, Importeur von alkoholischen Getränken aus Ländern der Europäischen Wirtschafts gemeinschaft, werden vom italienischen Zollamt höhere Importsteuern auferlegt als denjenigen, die entsprechende italienische Produkte zu jener Zeit belasteten. Als der Kläger die überhöhten Steuern wegen Verlet254
Nach Cass., 07. 04. 1986 n. 2415, Foro it., 1986, I, 2187, mit Anm. Di Paola.
B. Die Titellehre als Instrument
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zung von europarechtlichen Vorschriften zurückforderte, verweigerte das Finanzministerium die Rückzahlung, weil der Importeur seiner Ansicht nach nicht entreichert werde, da er die Steuer ohnehin auf die Kunden abwälze, bzw. die Kunden ihm schon im voraus die Einfuhrsteuer zahlten. B) Rechtslal:e Der Kassationsgerichtshof nahm die These des Finanzministeriums nicht auf, sondern gab der Kondiktionsklage mit folgender Begründung statt: Es spiele überhaupt keine Rolle, ob sich der solvens bei der Vornahme der Leistung entreichert habe. Das Gesetz bestimme als Anspruchsträger den Leistenden, ohne seiner Entreicherung unter den Tatbestandsmerkmalen der Zahlung einer Nichtschuld Rechnung zu tragen. Der Kunde, selbst wenn er die Steuer fiir die bestellte Ware schon bezahlt habe, sei nicht als Leistender zu betrachten, weil nicht er, sondern der Importeur das indebitum tatsächlich geleistet habe. Wie der Importeur und der Kunde in ihrer inneren Beziehung die Verteilung der Einfuhrkosten verteilt hätten, bleibe fiir die Durchfiihrung der Kondiktion völlig irrelevant. C) Die LÖsunI: der Iitellehre Der Entscheidung des Kassationshofes ist zuzustimmen. Dieses Urteil bringt in gelegener Weise den Unterschied zwischen dem Kondiktions- und dem Versionsrecht ans Licht. Ersteres beschäftigt sich lediglich mit der Herausgabe des ohne rechtlichen Grund Geleisteten, ohne sich dabei zu fragen, ob sich die Rechtslage des solvens durch die Leistung verschlechtert oder verbessert hat. Das zweite fragt sich hingegen nach dem VermÖgensstand der Parteien, da hier Entscheidungen nach Billigkeit eine Bewertung der Gesamtlage der Parteien verlangen. Die Zahlung einer vergleichsweise überhÖhte Steuer fiir Binnenprodukte der EWG beruht auf einem geltenden italienischen Gesetz. Die Entscheidung des Kassationshofes hat dieses Gesetz unter diesem Gesichtspunkt fiir den Einzelfall "außer Kraft" gesetzt. Mit anderen Worten, der Rechtstitulus "Gesetz", der die VermÖgensverschiebung rechtfertigte, ist durch dieses Urteil unwirksam geworden. Die erhöhte Steuer wurde somit ohne rechtlichen Grund bezahlt und darf per condictionem herausverlangt werden.
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IV. Abschließende Überlegungen Aus der Sicht der im deutschen Recht herrschenden Trennungslehre 255 mag die Erweiterung des Kreises der Haftungsverpflichteten als übermäßig betrachtet werden, sie bildet jedoch das Charakteristikum der kondiktionsrechtlichen Konstruktion, die auf den Ansätzen der Lehre von titulus und modus adquirendi beruht. Etliche Beispiele aus dem deutschen und aus dem italienischen Rechtssystem bezeugen eine gewisse Furcht vor einer uferlosen Ausdehnung der Kondiktionsklage 256 • Um dieses Risiko zu vermeiden werden Kriterien im Haftungstatbestand festgelegt, wie beispielsweise die Gewährung des Anspruches nur bei unmittelbaren Leistungsverhältnissen. Entgegen dieser weitgehend verbreiteten Ansicht, die versucht, die Anwendung der Kondiktion in möglichst engen Grenzen zu halten, befürwortet die Titellehre die Inanspruchnahme des aktuellen Eigentümers neben der immer möglichen Erhebung der Klage gegen den direkten Leistungspartner. Die mittels der formulierten Regeln vollzogene Analyse der Rechtstitel, auf die die Bereicherungsparteien ihre Veräußerung bzw. ihren Erwerb zurückführen, bildet die einzige Schranke gegen das sog. jloodgate argument, d.h. die Gefahr einer "Kaskade" von Klagen, die die Rechtsprechung durch eine Überflutung lähmen könnten. Diese Furcht geistert übrigens mehr durch die Rechtswissenschaft als daß sie einem konkret bewiesenen Risiko entspräche: Eine ähnliche, noch zum heutigen Tage in der italienischen Jurisprudenz 257 wahrzunehmende Befürchtung, die seit der Inkraftsetzung des Codice civile den Art. 2041, der die allgemeine Bereicherungsklage regelt, stets begleitet hat, führte nie zu einer konkreten Behinderung der richterlichen Arbeit. In einem auf der Titellehre basierenden Kondiktionssystem wäre das jloodgate argument ebenso wenig konkret, weil es eine genügende Anzahl von Filtern enthält, die durch eine präzise Feststellung des haftungsauslösenden Tatbestandes unerwünschte Fallkonstellationen fernhalten, da ja nur die doppelte Unwirksamkeit der Rechtstitel des Entreicherten und des Bereicherten zur Gewährung der Klage führt. Die Anwendung einer abtretungsähnlichen Herausgabestruktur trägt dazu bei, die Anzahl der Klagen der theoretischen Kondiktionsgläubiger eher zu verringern, als sie zu erhöhen, weil der Schuldner immer die Erstattung der im Umgang mit der Sache bestrittenen Aufwendungen entgegenhalten darf.
S. supra, dritter Teil, B. I. 2. a). Vgl. oben im dritten Teil rur das deutsche Recht, B. I. 2. a) und C. 11. I., rur das italienische Recht B. I. 2. b) und C. H. 2. 257 S. supra, dritter Teil, C. H. 2. b) und C. III. 255
256
Schluß betrachtungen Mit der vorliegenden Studie ist nicht versucht worden, "auf europäischer Ebene" Lösungen rur die Fallkonstellation zu entwickeln, in der sich eine Sache infolge einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung nicht bei demjenigen befindet, dem sie gemäß den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsordnung gebührt. Die Verlagerung des Schwerpunktes der Analyse von den geltenden Rechtssystemen auf das jus commune europaeum ruhrt auf ein äußerst unsicheres Terrain, in dem die Fragestellung im heutigen Zusammenhang einer neuentstehenden europäischen Rechtsordnung m.E. zunächst wesentlich wichtiger als die Formulierung von Antworten ist. Diese Arbeit konzentriert sich folglich vor allem auf die Darstellung von Fragen, die nicht immer, und oftmals nur teilweise, von einem Lösungsvorschlag begleitet werden. Dabei werden einige Richtlinien erarbeitet, die rur ein europäisches Bereicherungsrecht zu empfehlen sind, welches vielen unterschiedlichen Rechtsordnungen gerecht werden muß. Durch die Suche nach den richtigen Fragen gestaltete sich ein mögliches Modell, das, wenngleich keineswegs vollständig, doch schon eigene Konturen aufzeigen kann. Im folgenden werden nun einige Ergebnisse der Analyse stichwortartig zusammengefaßt, die nach Überzeugung des Verfassers in eine Diskussion über das künftige europäische Bereicherungsrecht Eingang finden sollten. Funktion der Kondiktion Die Kondiktion ist ein Rückforderungsanspruch. Sie ist zunächst das Instrument rur die Rückabwicklung gescheiterter Vertragsverhältnisse. Unabhängig von dem Kontraktsgegenstand dürfen sich die Leistungsparteien dieser Klage bedienen, um das Geleistete zurückzuverlangen. Die Kondiktion ist weiterhin das Rechtsinstrument rur die Herausgabe einer Sache, die durch eine Leistung ohne rechtlichen Grund das Vermögen desjenigen verlassen hat, dem sie gebührt. An diesem Ziel, der Herausgabe der geleisteten Sache, sollte sie nach der hier vertretenen Meinung weitrnöglichst festhalten. Solange die Sache nicht untergegangen ist, ist rur die Errullung der Restitutionspflicht irrelevant, ob der Kondiktionspartner des Klägers zugleich
326
Schlußbetrachtungen
sein Leistungspartner ist oder ob es einen bzw. mehrere Mittelsmänner zwischen den Kondiktionsparteien gibt. Diese letzte Aufgabe geht bezüglich des Restitutionszieles der Kondiktionsklage über die Rückabwicklung der synallagmatischen Verhältnisse aus gescheiterten Verträgen hinaus, da sie das Bestehen einer direkten Leistungsbeziehung zwischen Kondiktionsgläubiger und -schuldner nicht zu ihren Tatbestandsmerkmalen zählt. Die Funktion der Herausgabe der vom Entreicherten geleisteten Sache bildet das Charakteristikum der Kondiktion. UnmÖl:lichkeit der Herausl:abe der Sache bzw. des Wertersatzes Aus der Funktion der Kondiktion ergibt sich, daß bei UnmÖglichkeit der Herausgabe der Sache, bzw. des Wertersatzes trotz des Vorliegens aller anderer Tatbestandsmerkmale kein Kondiktionsanspruch gewährt werden kann. Das Kondiktionsrecht findet bei den Leistungsparteien keine Anwendung, wenn die Sache untergegangen ist und der Wertersatz nicht bestimmt werden kann, Z.B. wenn der Kondiktionsgegenstand aus Liebesbriefen ohne kommerziellen Wert besteht, die zerstÖrt wurden. Das Kondiktionsrecht bleibt aber auch zwischen dem solvens und dem accipiens, die keine direkte Leistungspartner sind, außer Betracht, wenn die Sache untergegangen ist, und zwar ohne Rücksicht auf die MÖglichkeit der Vornahme eines Wertersatzes. Die Restitutionsfunktion kann in diesem Fall nicht mehr erfüllt werden, weil die Herausgabe eines Wertersatzes zwischen Nichtleistungspartnern dem sachverfolgenden Ziel des Kondiktionsrechtes nicht entspricht, das von einer direkten Leistung zwischen den Kondiktionsparteien absieht. Der Untergang der Sache schließt somit die Anwendbarkeit der Kondiktion grundsätzlich aus, wenn überhaupt kein Wertersatz herausgegeben werden kann. Ein Ausgleich der dadurch verursachten VermÖgensbeeinträchtigung kann nur durch die Einschaltung anderer Rechtsbehelfe erzielt werden. Rechtssatz des Kondiktionsrechtes Jedermann darf die Sache zurückfordern, die ohne rechtlichen Grund von ihm geleistet worden ist. Bei der Bewertung der Kondizierbarkeit einer VermÖgensverschiebung spielen Billigkeitsgedanken keine Rolle. Aus dem soeben formulierten Rechtssatz darf implizit nicht gelesen werden, daß ein Klagerecht lediglich auf die Leistungsparteien beschränkt bleibt. Die Klage steht im Ge-
Schluß betrachtungen
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genteil allen Rechtssubjekten zu, die über die Sache durch eine Leistung verfügt haben, bzw. nicht durch eine wirksame Leistung erhalten haben, und zwar ohne Rücksicht auf das Bestehen eines unmittelbaren Leistungsverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner. Die Leistung des Entreicherten ist ein wichtiges, aber nicht das einzige Signal für die Begründetheit eines Kondiktionsanspruches. Psycholo~ischer
Zustand der Parteien im Kondiktionsrecht
Bei der Kondiktion geht es vor allem um die Herausgabe einer ohne rechtlichen Grund geleisteten Sache. In diesem Zusammenhang trägt die Berücksichtigung der Gut- bzw. Bösgläubigkeit der Parteien nicht zur Erfüllung des Tatbestandes bei. Ob der solvens beispielsweise wußte, daß er zur Vornahme der kausalosen Leistung nicht verpflichtet war, ist kondiktionsrechtlich weitgehend irrelevant. Andere Rechtsinstitute können jedoch durch die parteiliche Kenntnis durchaus zum Tragen kommen, etwa im Falle der Leistung durch Dritte. Ebenso belanglos ist für die Kondizierbarkeit einer Vermögensverschiebung die Bewertung der fides des Kondiktionsschuldners. Die Zerstörung der Sache führt nämlich zur Nichtanwendbarkeit der Kondiktion, selbst wenn sie allein mit der Absicht begangen wurde, die Herausgabe zu verhindern. Der Anspruchsschuldner wird also auf jeden Fall befreit. Freilich kann die Bösgläubigkeit des Bereicherten gegebenenfalls dazu führen, daß die Fallkonstellation unter den Tatbestand anderer Rechtsbehelfe, z.B. des Deliktsrechtes, subsumiert werden kann. Unabhängig von der Einschaltung anderer Rechtsinstitute findet das Kondiktionsrecht keine Anwendung, falls der accipiens außerstande ist, die Sache bzw. einen Wertersatz herauszugeben. Das Prinzip des "Wegfalls der Bereicherung" betrifft den Haftungsumfang des Schuldners keinesfalls, weil die Wegfallklausel mit dem Kondiktionsrecht schlicht unvereinbar ist. Der Auffassung, daß der Kondiktionsanspruch durch die Wegfallklausel "gemildert" werden kann, ist deshalb nicht zuzustimmen. Wird die Haftung des Bereicherten durch die Wegfallklausel eingeschränkt, bedeutet das eben nicht, daß eine Änderung im Haftungsniveau des Anspruchsgegners eingetreten ist, sondern einfach daß das Versionsrecht dem Kondiktionsrecht vorgezogen wird. Kondiktion und vindikation
Mutatis mutandis entsprechen Kondiktion und Vindikation derselben Funktion, weil beide die Herausgabe (des Besitzes an) der Sache bezwecken. Da die Kondiktion auf schuldrechtlicher, die Vindikation aber auf sachenrechtlicher Ebene erfolgt, sollte eine Vermischung der jeweiligen Anwen-
328
Schluß betrachtungen
dungsfelder theoretisch ausgeschlossen sein. Die bei den Ansprüche müßten also parallel, d.h. ohne Berührungspunkte ihre Wirksamkeit entfalten. Allerdings hat sich vor allem die Struktur des römischen Eigentumserwerbstatbestandes durch vielfliltige Kontaminationen mit anderen Rechtsgebieten derart gewandelt, daß sich die daraus entstehenden Klagen nicht mehr ergänzen, sondern dem Entreicherten oft als Alternative zur Verfügung stehen. Diese Konkurrenz beeinträchtigt aber die Eigenständigkeit der beiden Ansprüchen nicht, weil sie dadurch ihre charakteristischen Tatbestände und Anwendungsrahmen nicht verlieren. Dem Kläger steht die Entscheidung zu, mit welcher der beiden Klagen er sich im Einzelfall durchsetzen will. Das hier vorgeschlagene Modell beruht somit auf einem zweisäuligen System, in dem eine sachenrechtliche Restitutionsklage neben einer schuldrechtlichen besteht. Zusammen decken sie das gesamte Spektrum der möglichen Herausgabefälle ab und können bei bestimmten Fallkonstellationen miteinander konkurrieren, ohne daß durch eine solche Konkurrenz Schwierigkeiten entstehen. Billigkeit und Kondiktionsrecht Die Funktionsidentität zwischen Kondiktion und Vindikation läßt auch das Gewicht erkennen, das der Billigkeit im Kondiktionsrecht zukommt: Äquitative Gedanken sind für die Vindikation nicht relevant. Der Eigentümer erhält bei der Vindikation die Sache nicht etwa aufgrund irgendeiner Abwägung zwischen seinem psychologischen Zustand und dem des Besitzers nach Billigkeitsmaßstäben, sondern weil sein Recht zum Besitz qualifizierter ist als das des Beklagten. Hinsichtlich der Kondiktion gilt genau dieselbe Regel: Der Kondizierende setzt sich durch, weil das Behaltensrecht des Empfängers dem Herausgaberecht des Leistenden nicht standhalten kann, da sich eben aus der Titelabwägung der Kondiktionsparteien das Recht des Entreicherten als qualifizierter erweist. Umgekehrt schließt ein qualifiziertes Recht zum Besitz die Vindikation aus, genau wie ein vom wirksamen Rechtstitulus qualifizierter Behaltensgrund die Durchsetzung der Kondiktion verhindert. In diesem Mechanismus gibt es weder Platz noch Bedarf an Erwägungen aus dem Bereich der Billigkeit. Wie bereits betont, ist das sog. Prinzip des Wegfalls der Bereicherung kein Teil des Kondiktionsrechtes, weil die Denkweise, auf der es beruht, diesem von der Struktur her fremd ist. Eine Einsetzung der Wegfallklausel bedeutet somit schlicht und einfach, daß die Fallgruppe im Lichte von versionsrechtlichen statt kondiktionsrechtlichen Kriterien zu bewerten ist.
Schlußbetrachtungen BWi~keit
329
und Versjonsrecht
Eine weitgehende Anwendung von Gerechtigkeitserwägungen kennzeichnet indessen das Versionsrecht, das unter Umständen eine Restitutionspflicht seitens des Bereicherten begründen kann. Seit dem römischen Recht bestehen Vers ions- und Kondiktionsklage nebeneinander, wobei sie im wesentlichen ihre eigene Identität behalten haben. Im Laufe der Zeit hat diese enge Beziehung dennoch eine bisweilige Kontaminierung der beiden Klagen durch Elemente der jeweils anderen verursacht. So sind gemischte Rechtsfiguren entstanden, die als Kondiktionen mit deutlichem Gerechtigkeitsgehalt verstanden wurden. Das deutsche Bereicherungsrecht bietet - vor allem durch die Auslegung - ein gutes Beispiel fur die Entwicklung solcher Rechtsfiguren. Trotz der auctoritas ihrer Befürworter wurden sie in dieser Studie zugunsten einer Gliederung des Bereicherungsrechtes in die getrennten Institute des Kondiktionsund des Versionsrechtes hauptsächlich deshalb aufgegeben, weil sich m.E. ihre Anwendung auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Rechtssystemen im Rahmen eines europäischen Kondiktionsrechtes nicht ohne weiteres durchfuhren läßt: Zu zahlreich sind die Rechtsordnungen und zu unterschiedlich die geregelten Rechtsstrukturen. Anders als im Kondiktionsrecht ist die BWigkeit ein wichtiger Bewertungsmaßstab des Versionsrechtes. Diese wurzelt nicht wie jene im Rechtssatz, der zur Herausgabe des ohne rechtlichen Grund Erlangten verpflichtet, sondern im alten Bereicherungsverbot des Pomponius, wonach sich niemand zum Schaden anderer bereichern soll. Wann dies der Fall ist, kann lediglich im Einzelfall festgestellt werden, da die BWigkeit konkrete Hinweise braucht, um als Maßstab Anwendung zu finden. Dies erklärt die ganzen erfolglosen Versuche der italienischen Rechtswissenschaft, eine allgemeine Regel der Bereicherung zu bestimmen, die apriori ein fur allemal verdeutlichen kann, was unter "Bereicherung zum Schaden Dritter" zu verstehen ist: Solch eine Regel gibt es nicht, weil sich die Bewertung einer Rechtslage nach BWigkeit im voraus nicht festlegen läßt. So ist das Versionsrecht ein Recht, das notwendigerweise auf einer Kasuistik gründen muß, d.h. ein echtes Recht des Einzelfalles. Struktur der Versjonskla~e Ein Institut, durch das dem Gesetzgeber die Möglichkeit einer Korrektur der parteilichen Rechtslage im Einzelfall offen steht, also ein Billigkeitsanspruch, ist m.E. in jedem Rechtssystem äußerst wünschenswert. In dieser Hinsicht stellt die Versionsklage ein Instrument dar, welches rechtspolitischen Gedanken innerhalb des Rechtssystems eine Tür öffnet.
330
Schlußbetrachtungen
Zu fragen ist nun, welche Gestalt eine solche besondere Figur annehmen soll, d.h. wie soll eine Versionsklage in der Rechtsordnung praktisch aussehen. Dafür stehen zwei denkbare Hauptmodelle zur Verfügung. Entweder kann der äquitative Grundsatz auf Einzelfälle des Rechtssystemes "verteilt" werden, wo immer sich eine entsprechende Notwendigkeit dafür zeigt, oder kann ein für allemal eine allgemeine Billigkeitsklage formuliert werden, auf die bei Bedarf Bezug genommen werden kann. Das erste Modell entspricht grosso modo dem des BGB und des alten Codice civile 1865. Durch die "Verteilung" wird das Gewicht der Billigkeit im Rechtssystem insofern gemindert, daß ihre Anwendung durch eine Zuordnung zu jeweils typischen Fallkonstellationen schon in voraus erfolgt, wodurch ihre Einsetzung einigermaßen voraussehbar bleibt. Der eindeutige Vorteil besteht in der Rechtssicherheit. Das zweite Modell, das auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen angewendet und deshalb viel flexibler eingesetzt werden kann, wurde vom geltenden Codice civile als erster europäischer Kodifikation geregelt. Sein Vorteil liegt vornehmlich darin, daß dadurch im Einzelfall ein höheres Maß an Gerechtigkeit erreicht werden kann. Trotz aller Nachteile und Befürchtungen, die die Einführung einer allgemeinen Billigkeitsklage begleiten, hat das italienische Experiment gezeigt, daß ihre Anwendung zu positiven Ergebnissen führen kann, wenn sie richtig, d.h. vor allem funktionsgemäß, eingesetzt wird. Im übrigen regeln auch die Systeme, die diese allgemeine Klage nicht kennen, oftmals ein Institut oder einen Mechanismus, durch dessen Anwendung ähnliche Resultate erzielt werden können. § 812 I I Alt. 2 BGB, der m.E. einen echten Kondiktionsfall beinhaltet, wird z.B. manchmal falscherweise als Versionsklage interpretiert. Sein eigentliches Gewicht innerhalb des Bereicherungssystems wird folglich so stark wie möglich unterdrückt, um eine mögliche Einmischung rechtspolitischer Überlegungen von Anfang an zu vermeiden. Struktur der Kondiktion Für das Kondiktionsrecht ist m.E. ein einziger, allgemeiner Kondiktionsanspruch zu befürworten, der die Formulierung des oben angeführten Rechtssatzes widerspiegelt. Die Aufteilung der Kondiktion in unterschiedliche Ansprüche ist angesichts des heutigen Rechtsverkehrs deshalb nicht wünschenswert, weil sie das Kondiktionsrecht in unnötiger Weise kompliziert. Außerdem ist eine solche Aufteilung artifiziell, weil im Hinblick auf die zentrale Rolle des titulus nach dem aufgeführten Kondiktionsmodell einige Inkongruenzen nicht zu verstehen wären, etwa warum in einigen Fällen einer condictio ex turpem ve/ iniustam causam die Herausgabe abgelehnt wird. Ebenso unklar bleibt auch
Schlußbetrachtungen
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die Bedeutung des Irrtums, der die Restitution nur bei einigen Kondiktionen ausschließt. Durch die Verwendung des titulus adquirendi als Maßstab der Kondizierbarkeit einer Vermögensverschiebung verblaßt die ratio legis, die eine unterschiedliche Behandlung von ungerechtfertigten Zuwendungen unterstützen soll. Ein solcher spätrömischer Überbau soll zugunsten eines einfachen, für alle Fälle gleichen Anspruches aufgegeben werden. Ein künftiges europäisches Kondiktionsrecht sollte einen einzigen Kondiktionsanspruch einführen, der flexibel genug ist, um bei allen verschiedenen Eigentumserwerbssystemen die gleiche Anwendung finden zu können. Da in den europäischen Rechtsordnungen unterschiedliche Erwerbsarten weiterhin gelten, kann ein allzu gespalteter Anspruch eine in Zukunft notwendige Uniformität nicht gewährleisten. Außerdem gäbe es ja keinen Anlaß zu einem so differenzierten Anspruch, dem letzten Endes überall dieselbe Funktion der Herausgabe einer ohne rechtlichen Grund geleisteten Sache zukommt. Unnötige Aufspaltungen, wenn sie nicht unbedingt nötig sind, können in der Praxis erhebliche lokale Divergenzen verursachen, die im Rahmen des europäischen Kondiktionsrechtes nicht mehr tragbar wären.
Anhang Übersetzung l der Artikel 2033 bis 2042 des Codice civile: Art. 2033. Indebito oggettivo Chi ha eseguito un pagamento non dovuto ha diritto di ripetere cio che ha pagato. Ho inoltro diritto ai frutti e agli interessi dal giorno dei pagamento, se chi 10 ha ricevuto era in mala fede, oppure, se questi era in buona fede, dal giorno della domanda.
Art. 2033. Objektive Nichtschuld Wer eine nichtgeschuldete Zahlung vorgenommen hat, hat das Recht, das zurückzufordern, was er bezahlt hat. Er hat außerdem Anrecht auf die Früchte und die Zinsen vom Tag der Zahlung an, wenn sich derjenige, der sie angenommen hat, in schlechtem Glauben befand, oder vom Tag der Anspruchserhebung an, wenn dieser gutgläubig gewesen ist.
Art. 2034. Obbligazioni naturali Non e ammessa la ripetizione di quanta e stato spontaneamente prestato in esecuzione di doveri morali 0 sociali, salvo che la prestazione sia stata eseguita da un incapace. I doveri indicati dal comma precedente, e ogni altro per cui la legge non accorda azione ma esclude la ripetizione di cio ch e stato spontaneamente pagato, non producono altri effetti.
Art. 2034. Naturalobligationen Unzulässig ist die Rückforderung dessen, was aus freien Stücken zur Erfiillung sittlicher oder sozialer Pflichten geleistet worden ist, sofern die Leistung nicht durch einen Geschäftsunfähigen vorgenommen worden ist. Die im vorhergehenden Absatz bezeichneten Pflichten und jede sonstige Pflicht, hinsichtlich welcher das Gesetz keinen Klageanspruch vorsieht, sondern lediglich die Rückforderung dessen, was aus freien Stücken gezahlt worden ist, erzeugen keine weiteren Wirkungen.
Art. 2035. Prestazione contraria al buon
Art. 2035. Sittenwidrige Leistung Wer eine Leistung zu einem Zweck vorgenommen hat, der auch rur ihn selbst als Verstoß gegen die guten Sitten zu werten ist, kann das, was er gezahlt hat, nicht zurückfordern.
costume Chi ha eseguito una prestazione per uno scopo che, anche da parte sua, costituisca offesa al buon costume non puo ripetere cio che ha pagato. 1 Nach
Bauer, Eccher und andere.
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~hang
Art 2036. Indebito so~~etiyo Chi ha pagato un indebito altrui, credendosi debitore in base a un errore scusabile, pub ripetere cib che ha pagato, sempre che il creditore non si sia privato in buona fede deI titolo 0 delle garanzie deI credito.. Chi ha ricevuto I'indebito e anche tenuto arestituire i frutti e gli interessi dal giorno deI pagamento, se era in buona fede, 0 dal giorno della domanda, se era in buona fede. Quando la ripetizione non e ammessa, colui che ha pagato subentra nei diritti deI creditore.
Art 2037 Restituzione di cosa detenninata Chi ha ricevuto indebitamente una cosa derminata e tenuto a restituirla. Se la cosa e perita, anche per caso fortuito, chi I'ha ricevuta in mala fede e tenuto a corrsiponderne il valore, se la cosa e soltanto deteriorata, colui che I'ha data pub chiedere I'equivalente, oppure la restituzione e un'indennita per la diminuzione di valore. Chi ha ricevuto la cosa in buona fede non risponde deI perimento 0 deI deterioramento di essa, ancorche dipenda da fatto proprio, se non nei limiti del suo arricchimento.
Art 2036 Subjektive Nichtschuld Wer eine fremde Schuld in der entschuldbar irrigen Meinung gezahlt hat, selbst der Schuldner zu sein, kann das zurückfordern, was er bezahlt hat, sofern sich der Gläubiger nicht schon im guten Glauben der Schuldurkunde oder der für die Forderung enthaltenen Sicherheiten entledigt hat. Wer die nichtgeschuldete Leistung entgegengenommen hat, ist auch verpflichtet, die Früchte und die Zinsen vom Tag der Zahlung an, wenn er sich in schlechtem Glauben befand, oder vom Tag der Klage an, wenn er gutgläubig gewesen ist, herauszugeben. Wenn die Rückforderung nicht zulässig ist, tritt derjenige, der die Zahlung vorgenommen hat, in die Rechte des Gläubigers ein. Art 2037.
Rück~abe
einer bestimmten
~
Wer unberechtigterweise eine bestimmte Sache erhalten hat, ist verpflichtet, sie zurückzugeben. Wenn die Sache, auch durch Zufall, zugrunde gegangen ist, ist derjenige, der sie in schlechtem Glauben erhalten hat, verpflichtet, deren Wert zu bezahlen; wenn sich die Sache nur in einem schlechteren Zustand befindet, kann derjenige, der sie übergeben hat, den Ersatz des ursprünglichen Wertes oder die Rückgabe und eine Entschädigung rur die Wertminderung verlangen.
Art. 2038. Yeräußerun~ der Art. 2038 Alienazione della cosa ricevuta unberechti~terweise erhaltenen Sache indebitamente Wer die Sache in gutem Glauben Chi, avendo ricevuto la cosa in buona fede, I'ha alienata prima di conoscere erhalten hat und sie veräußert hat, bevor er
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Anhang
I'obbligo di restituirla e tenuto arestituire il corrispettivo conseguito. Se questo e ancora dovuto, colui che ha pagato I'indebito subentra nel diritto dell'alienante. Nel caso di alienazione a titolo gratuito, il terzo acquirente e obbligato, nei limiti dei suo arricchimento, verso colui che ha pagato I'indebito. Che ha alienato la cosa ricevuta in mala fede, 0 dopo aver conosciuto I'obbligo di restituirla, e obbligato a restituirla in natura 0 a corrisponderne il valore colui ha pagato I'indebito pub perb esigere il corrispettivo dell'alienazione e pub anche agire direttamente per coseguirlo. Se l'alienazione e stata fatta a titolo gratuito, I'acquirente, qualora I'alienante sia stato inutilmente escusso, e obbligato nei limiti dell'arricchimento, verso volui che ha pagato I'indebito.
von der Pflicht zur Rückgabe gewußt hat, ist verpflichtet, die erzielte Gegenleistung herauszugeben. Wenn diese erst noch erbracht werden muß, tritt derjenige, der die nichtgeschuldete Leistung erbracht hat, in das Recht des Veräußerers ein. Im Fall einer unentgeltlichen Veräußerung haftet der Dritterwerber in den Grenzen seiner Bereicherung demjenigen gegenüber, der die nichtgeschuldete Leistung erbracht hat. Wer die Sache veräußert hat, die er in schlechtem Glauben erhalten hat, oder wer sie veräußert hat, nachdem er von der Pflicht zur Rückgabe gewußt hat, ist verpflichtet, sie in Natur zurückzugeben oder ihren Wert zu bezahlen. Derjenige, der die nichtgeschuldete Leistung erbracht hat, kann jedoch das Entgelt aus der Veräusserung fordern und kann auch direkt klagen, um es zu erhalten. Wenn die Veräusserung unentgeltlich erfolgt ist und der Veräußerer bereits erfolglos belangt worden ist, so haftet der Erwerber in den Grenzen seiner Bereicherung demjenigen gegenüber, der die nichtgeschuldete Leistung erbracht hat.
Art. 2039. Leistun~ der Nichtschuld an Art 2039. Indebito ricevuto da un jncapace einen Unfahi~en L'incapace che ha ricevuto l'indebito, Der Unfahige, der eine nichtgeschulanche in mala fede, non e tenuto che nei dete Leistung, auch wenn in schlechtem limiti in cui cib che ha ricevuto e stato Glauben, erhalten hat, haftet nur insoweit, rivolto a suo vantaggio. als das, was er erhalten hat, zu seinem Vorteil verwendet worden ist. Art, 2040. Rimborso di spese e
Art 2040. Ersatz der Aufwendun~en und
mi~lioramenti
Verbesserun~en
Derjenige, dem die Sache zurückgeColui al quale e restituita la cosa e tenuto a rimborsare il possessore delle geben worden ist, ist verpflichtet, dem Bespese e die miglioramenti, a norma degli sitzer gemäß der Vorschrift der Artikel articoli 1149, 1150, 1151 e 1152. 1149,1150,1151 und 1152 die Aufwendungen und die Verbesserungen zu ersetzen.
Anhang Art. 2041 Azjone ~enerale dj arricchjmento Chi, senza giusta causa, si e arricchito a danno di uo'altra persona e tenuto, nei limiti dell'arricchimento, a indennizzare quest'ultima della correaltiva diminuzione patrimoniale. Qualora I'arricchimento abbia per oggetto una cosa determinata, colui che I'ha ricevuta etenuto a restituirla in natura, se sussiste la tempo della domanda.
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Art 2041. AlI~emejner Kla~eanspruch aus ejner Berejcherun~ Wer ohne berechtigten Grund zum Schaden einer anderen Person eine Bereicherung erfahren hat, ist verpflichtet, diese Person in Grenzen der Bereicherung für die entsprechende Vermögensminderung zu entschädigen. die Bereicherung eine Wenn bestimmte Sache zum Gegenstand hat, ist derjenige, der sie erhalten hat, verpflichtet, diese in Natur zurückzugeben, wenn sie zur Zeit der Klage noch vorhanden ist.
Art 2042. Subsjdjarität des Art. 2042. Carattere sussjdjario dell'azjone L'azione di arricchimento non e Kla~eanspruchs proponibile quando il danneggiato puo Klag~spruch wegen Der esercitare un'altra azione per farsi Bereicherung kann nicht erhoben werden, wenn der Geschädigte einen anderen indennizzare dei pregiudizio subito. Klageanspruch geltend machen kann, um eine Entschädigung für den erlittenen Nachteil zu erhalten.
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Codex Theresianus 197 condemnatio pecuniaria 47 condictio 23, 30, 33 ff., 53 f., 59 ff., 71 ff., 94, 116 f., 168, 171 ff., 178 f., 213 ff., 222 ff., 228 f., 246, 258 f., 263 ff., 325 f., 330 f. - causa data causa non secuta - s. ob rem - furtiva 47,49 f., 61 - liberationis 40 - indebiti 38 f., 55 ff., 60, 63, 71 ff., 74 ff., 130, 135, 14~ 182,213,224,246 - condictio indebiti ob causam finitam 24 - ob causam finitam 39 f., 122 ff. - ob iniustam causam - s. ob turpem causam - ob rem 38 f., 54, 126 ff., 306 - ob causam datorum - s. ob rem - ob turpem causam 38 f., 54., 126 ff., 306 - possessoria - s. Besitzkondiktion - pretii 46, 166 - proprietaria - s. Besitzkondiktion - pretii 47,170 - proprietaria - s. Eigentumskondiktion - sine causa 39, 54 f., 59 f., 67, 79 - tricticaria 34 consensus 97, 135, 180, 183, 189 f., 192, 200 f., 216, 243 f., 273 constitutum possessorium - s. Besitzkonstitut
Causa 39, 43 f., 55, 69, 106, 110, 114 f., 117,141,179 ff., 185 ff., 198,207,211, 213, 239, 242, 246, 259, 261, 287, 295, 312,321 Causa putativa 182 f., 186, 189, 192, 198, 201,204
Datio 24 ff., 38 f., 44, 50, 52, 93, 97, 99, 208,216 Doppelmangel 236 f. Dreiecksverhältnis 85 f., 107 f., 120 ff., 140,159 ff., 169, 179,224,263 Durchgriffskondiktion 80, 81, 87, 236, 272
Stichwortverzeichnis Eigentumskondiktion 25 ff., 95 f., 213, 216,225,255,260 ff. Einheitslehre 78 ff., 92 f., 115,256 Empflingerhorizont 85 f., 172, 231 Entreicherung 69, 103, 153 f., 168, 216, 247,300,317 ff. Entwurf Martini 192 f. Error - s. Irrtum Ersitzung 178 f., 183, 189, 208, 234 ff., 247 ff., 278, 296 f. Falschlieferung 286 ff. Fremdleistung 291 f. Fund 235 f., 246 f., 277 Geschäftsgrundlage 127 ff., 301 Geschäftsunflihiger 78, 109 Gesetzwidrigkeit 133 ff. Gleitende Skala 60, 70 Gerechtigkeit - s. aequitas Innominatkontrakt 127 Insolvenzrisiko 91, 267 ff. Irrtum 43, 56, 76, 93 f., 98, 104 ff., 121 f., 130, 197,214,221,290,292 Iudex 35 Iudicium strictum 35 Iusta causa 44,58,95, 152, 155 f., 175 ff., 181, 185 f., 189, 191, 193 ff., 196 ff., 200,206,214,217,219,223,230,234 f.,. 237,239,249,251,255,282,303
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Leistung auffacere 24 ff., 93, 100 f., 109 Leistungsbegriff 89 ff. 109 Leistungskondiktion 42, 43, 81, 84 ff., 90, 92,108,115,119 f., 135, 171,218,231, 255,277 lex Calpumia 35 lex Silia 35 locupletior-Haftung 52 modus adquirendi 44, 185 ff, 190 ff., 200, 203 ff., 209 ff., 213, 215, 225 f., 229, 232 ff., 238, 245 f., 249 mutuum 33 f., 56 Naturrecht 20, 29, 45., 57,111, 117f., 183, 195, 197 f., 200, 207, 211, 219, 250, 296 negotium43 Nichtberechtigter 223 ff., 238, 241 ff., 282, 302 f., 306 Nichtleistungskondiktion 40,81,84 ff., 90, 92, 113, 115, 119, 166, 218, 231, 235, 278 Nichtschuld 38 f., 101 f. Öffentliche Hand 302 pluspetitio 46 prätorische Bereicherungsklagen 41 Prinzip der kausalen Übereignung 97, 175, 195,199,258 Psychologischer Zustand 77, 85, 103, 122, 140, 147, 162, 170,214,220,221,242, 244,288,289,292,309,310 Prioritätsprinzip 84, 265 f. Publizitätsfunktion 192, 196,202,235,249
Kausalnexus 154, 159 Kondiktion - s. condictio Quasikontrakt 63 Kondiktionssperren 78, 93 f., 109 f., 126, quiritisches Eigentum 36, 44 133,292 Konformitätsurteil 217 Rechtsfolgeverweisung 167,230 f., 235 Konsens Rechtsgrundabrede 128 - s.consensus Rechtsgrundverweisung 230 Rei vindicatio legis actio per condictionem 23, 34, 36, 40, - s. Vindikation 81,171 repetitio 41 f., 52 Lehre von titulus und modus adquirendi 22,30,174,180 ff., 201 ff., 215 ff., 220 soluti retentio 77, 94, 104, 109 ff.,250 ff., 271 ff. Schaden 153 f. Leistung aufdare 24 f., 77,93,109,118 Sittenwidrigkeit 109 f., 114, 133 ff.
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Stichwortverzeichnis
Subsidiaritätserfordemis 72, 81, 84 f., 114, Verbindung 230 ff., 235, 238, 243 ff., 273, 151, 156ff., 161, 166f., 172,230f. 276 Subsidiaritätsprinzip Verfolgungsanspruch 143, 164,222,308 - s. Subsidiaritätserfordemis Vermischung 44,230 ff., 235, 238, 243 ff., 276 Tite1abwägung 238, 259 f., 263 f., 266, Versionsklage 281 f. - s. actio de in rem verso Verwendung 44, 145,234,263,269 f. Titellehre - s. Lehre von titulus und modus adqui- Vindikation 26 f., 49 f., 88, 95, 97, 118, 208,211 f., 216, 221 f., 229, 248, 250 f., rendi titulus adquirendi 44, 183, 185 f., 188 f., 254 f., 263, 265, 269 f, 279 ff., 191 ff., 197 f., 200, 203, 205, 207, 209 f., Voraussetzungslehre 130 213 f., 217, 219, 223, 225, 227, 239, 300, 303, 306, 308, 316 f., 319 Weiterveräußerung 293 ff., 297, 307, 309, traditio 312 Wegfall der Bereicherung 61 f., 141, - s. Übergabe Trennungslehre 80 f., 86 ff., 89 f., 230 ff., 161 ff., 170f. Westgalizisches Gesetzbuch 193 256,319 Willensdogma 20,93,111,122,124,129 Übergabe 117, 176 f., 184 f., 186 ff., 193 f., 196, 199 ff., 207, 209, 211 f., 239,260 Übertragungsgrund 191, 194, 198, 202,206 Unmittelbarkeitserfordernis 83, 85, 114, 143, 146, 172 Usucapio - s. Ersitzung
190, 232, Zahlung 77, 94, 99 ff., 118, 171,215,290, 290,293 200, Zahlung einer Nichtschuld 23 f., 27, 56, 76,94 ff., 100 ff., 108, 116 f., 119, 122 f., 120 f., 132 f., 140 f., 146 ff., 160, 165 108, f., 173, 181,208 f., 214, 242 f., 247, 250, 257, 273, 276, 285, 287 ff., 300, 315 f., 318 Zahlungsgeschäft 97 Verarbeitung 230 ff., 235, 238, 243 ff., Zession 273,276, 285 - s. Abtretung