Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog [3. Auflage. Reprint 2020] 9783112321379, 9783112310106


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German Pages 345 [348] Year 1982

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Table of contents :
Vorwort
Vorwort zur 2.Auflage
Vorwort zur 3. Auflage
Kapitelübersicht
Allgemeine und anorganische Chemie
Struktur und Stereochemie organischer Moleküle
Grundgerüste
Mono- und unifunktionelle Verbindungen
Polyfunktionelle Verbindungen
Anhang
Kontrollfragen (Original-Physikumsfragen) mit kommentierten Lösungen
Sachregister
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Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog [3. Auflage. Reprint 2020]
 9783112321379, 9783112310106

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Benno Krieg Chemie für Mediziner

Benno Krieg

Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog 3. Auflage

w DE

G_ Walter de Gruyter Berlin NewYork 1982

Professor Dr. Benno Krieg Institut für Organische Chemie der Freien Universität Berlin Das Buch enthält 181 farbige Abbildungen und 30 Tabellen

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Krieg, Benno Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog. 3. Aufl. - Berlin, New York : de Gruyter, 1982. (De-Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-009549-1

© Copyright 1982 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. G u t tentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner F o r m (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Anfertigung der Reinzeichnungen: Georg Dischleit, Berlin. Satz: Fotosatz Tutte, Salz weg-Passau. D r u c k : Karl Gerike, Berlin Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin.

Vorwort Grundlagenkenntnisse in Chemie sind unerläßlich, um den Aufbau von Organismen und die in ihnen ablaufenden Vorgänge zu verstehen. Dem Studierenden stehen zum Erwerb dieser Kenntnisse mehrere Wege offen: Vorlesungen, Übungen (Praktikum, Seminar) und auch das Selbststudium. Dabei soll das vorliegende Buch eine Hilfe sein. Es ist abgestimmt auf den Gegenstandskatalog für Studierende der Medizin in der Bundesrepublik Deutschland (Fach Chemie); die Neufassung vom Herbst 1976 (2. Auflage 1976) ist berücksichtigt. Geeignet ist das Buch für jeden, der Grundlagenkenntnisse in Chemie erwerben will, vornehmlich für Studierende der Fachrichtungen Medizin, Biologie und Pharmazie sowie anderer Fachrichtungen mit biochemischen Aspekten. In seiner knappen, abbildungsreichen Abfassung soll es zugleich eine rationelle, wiederholende Vorbereitung auf Prüfungen ermöglichen und ein Zusammentragen des Wissensstoffs aus verschiedenen Quellen entbehrlich machen. Für die Durchsicht von Teilen des Manuskripts danke ich Herrn Prof. Dr. Erwin Riedel, Berlin und Herrn Prof. Dr. Walter Ruske, Berlin. Auch dem Verlag de Gruyter sei gedankt für die Bereitwilligkeit, mit der er den Wünschen des Autors entgegengekommen ist. März 1977

Benno Krieg

Vorwort zur 2.Auflage Das Buch ist so gut aufgenommen worden, daß die erste Auflage rasch vergriffen war. Die vorliegende zweite Auflage enthält zahlreiche Verbesserungen. Bei vielen Lesern habe ich mich für kritische Hinweise und wertvolle Anregungen zu bedanken. Mein besonderer Dank gilt den Herren Prof. Dr. Udo Engelhardt, Dr. Jürgen Mittner und Dipl.-Chem. Hans Bauer, Berlin. Berlin, Juni 1978

Benno Krieg

Vorwort zur 3. Auflage Für diese Auflage wurden der Text kritisch durchgesehen, Fehler korrigiert und das Kapitel Redoxpotentiale neu formuliert. Im Kapitel Innere Energie und Enthalpie wurden Änderungen vorgenommen. All den Lesern, die mir Anregungen für Verbesserungen zukommen ließen, danke ich. Neu hinzugekommen sind Multiple-Choice-Fragen (Original-Physikumsfragen) mit kommentierten Lösungen. Sie sind thematisch geordnet - der Kapitelanordnung des Buches folgend. Langjährige Praxis hat mich davon überzeugt, daß die Anwendung dieser Fragen zur Überprüfung des Verständnisses im Fach Chemie geeignet ist. Wenn die Lösungen zu den Fragen verständlich kommentiert sind - worum sich der Autor natürlich bemüht hat - so sollte der Student damit eine zusätzliche Hilfe, bei einem relativ geringem Zeitaufwand, erhalten. Herrn Dr. Jürgen Mittner, der mir für viele Gespräche zur Verfügung stand, danke ich für seine wertvollen Beiträge. Berlin, September 1982

Benno Krieg

Kapitelübersicht Allgemeine und anorganische Chemie 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Atombau und Periodensystem Chemische Bindung Zustandsformen der Materie Materie in Wechselwirkung mit thermischer, elektrischer und Strahlungsenergie Grundgesetze chemischer Reaktionen Säuren und Basen Redoxvorgänge Gleichgewichte in Mehrphasensystemen Energetik chemischer Reaktionen Kinetik chemischer Reaktionen

1 17 29 43 53 61 81 95 113 129

Struktur und Stereochemie organischer Moleküle 11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen 12 Strukturformeln und Nomenklatur

143 153

Grundgerüste 13 Aliphaten und Carbocyclen 14 Heterocyclen

163 179

Mono- und unifunktionelle Verbindungen 15 16 17 18 19 20 21

Amine Mercaptane und Sulfonsäuren Alkohole und Ether Phenole und Chinone Aldehyde und Ketone Carbonsäuren Funktionelle Carbonsäurederivate

185 191 195 203 209 217 225

VIII

Inhalt

Polyfunktionelle Verbindungen 22 23 24 25 26 27

Stereoisomerie polyfunktioneller Moleküle Hydroxy- und Ketocarbonsäuren Aminosäuren und Peptide Saccharide (Kohlenhydrate) Phosphorsäureester und -anhydride Komplexe

235 241 247 259 269 277

Anhang 285 Kontrollfragen (Original-Physikumsfragen) mit kommentierten Lösungen. 293 Sachregister 325

1 Atombau und Periodensystem 1.1 1.2 1.3 1.4

Atomkernaufbau und Radioaktivität Die Elektronenhülle Das Periodensystem der Elemente Die Periodizität einiger Eigenschaften

3 7 11 11

1 Atombau und Periodensystem Die Vielzahl der uns umgebenden Stoffe enthält 3 „Grundbausteine" (Elementarteilchen): Protonen und Neutronen (beide werden auch als Nucleonen bezeichnet) im Atomkern, sowie Elektronen, die den Atomkern umgeben (Atomhülle, Elektronenhülle). Tab. 1-1.

Bestandteile von Atomen (Elementarteilchen)

Elementarteilchen

Symbol

relative Ladung

relative

Proton | NucleNeutron f onen

p + , p oder }H + n

+1 ±0

i 1

Elektron

e~ oder e

-1

«1(T4

Der Durchmesser eines Atoms beträgt ca. 10 10- 12 und 10" 13 cm.

8

absolute Masse

«10"24g «10"24g

cm, der des Kerns liegt zwischen

1.1 Atomkernaufbau und Radioaktivität Wir kennen ca. 300 Atomarten (Nuclide). Sie unterscheiden sich in der Nucleonenzahl oder im Verhältnis der Protonen zu den Neutronen. Die Summe aller Protonen und Neutronen heißt Nucleonenzahl oder Massenzahl. Die etwa 300 bekannten Nuclide werden nach ihren chemischen Eigenschaften in ca. 100 Gruppen (Elemente) eingeteilt. Für ein bestimmtes Element ist die Protonenzahl im Kern charakteristisch. Sie heißt Kernladungszahl oder Ordnungszahl, nach der die Elemente im Periodensystem angeordnet sind. Die zu einem Element gehörenden Atome haben also alle die gleiche Kernladungszahl, können sich aber im Neutronengehalt unterscheiden. Solche Atome mit gleicher Protonenzahl aber verschiedener Nucleonenzahl heißen Isotope

4

1 Atombau und Periodensystem

des jeweiligen Elements. Ihre Kennzeichnung erfolgt im Bedarfsfall durch Indices links neben dem Elementsymbol.

Nucleonenzahl Elementsymbol Ordnungszahl

Tab. 1-2.

Einige medizinisch wichtige Isotope Element

Isotope

Wasserstoff

[H ¡H (Deuterium, „schwerer Wasserstoff") JH (Tritium, „überschwerer Wasserstoff')

Kohlenstoff

12

6C

"6C

X

%C

Phosphor Cobalt

f-ßo

Jod

1

f|J

'IP

1

S3J

Viele Elemente finden sich in der Natur als Isotopengemisch bestimmter prozentualer Zusammensetzung. Wasserstoff und seine Verbindungen enthalten neben dem Isotop }H stets einen - geringen - Prozentsatz jH. Einige Elemente sind instabil. Als sog. Radioisotope (Radionuclide) geben sie Energie ab und wandeln sich dabei in stabile Isotope um (Radioaktivität). Solche Kernumwandlungen sind von der Aussendung von Strahlung (Abb. 1-1) begleitet. Man unterscheidet a-Strahlung: Sie besteht aus Helium-Atomkernen (2He + + ) also doppelt positiv geladenen Teilchen; ß-Strahlung: Dabei handelt es sich um Elektronen; y-Strahlung: Energiereiche elektromagnetische Strahlung (harte Röntgenstrahlung), die keine Ladung besitzt. Die Emission von a-Strahlung (Heliumkerne, j H e + + ) führt zur Bildung leichterer Kerne. Die Umwandlung eines Neutrons in ein Proton (Abb. 1-2) ist mit der Emission von ß-Strahlung verbunden, führt also zur Bildung eines Kerns mit höherer Ordnungszahl. Beispielsweise entstehen aus Tritiumkernen unter Abgabe von /¡-Strahlung (e~) Heliumkerne (Abb. 1-3). Die Strahlungsintensität (Aktivität) eines radioaktiven Präparats nimmt allmählich ab. Die pro Zeiteinheit zerfallende Menge von Kernen ist der augenblicklich vorhandenen Gesamtzahl (N) proportional (Abb. 1-4).

1.1 Atomkernaufbau und Radioaktivität

5

Abb. 1 - 1 .

a-, ß- und y-Strahlung verhalten sich im elektrischen Feld unterschiedlich. y-Strahlung - eine energiereiche Röntgenstrahlung - passiert das elektrische Feld unbeeinflußt. /i-Strahlung besteht aus Elektronen (e~) und wird daher zum positiven Pol abgelenkt. a-Strahlung besteht aus Heliumkernen ( j H e + + ), die als positiv geladene Teilchen zum negativen Pol hin abgelenkt werden - wegen ihrer größeren Masse (Massenzahl 4) allerdings nur weniger stark

Abb. 1 - 2 .

Neutronen können sich unter Abstrahlung von Elektronen (ß-Strahlung) in Protonen umwandeln. Es entsteht ein Element höherer Ordnungszahl jedoch gleicher Massenzahl

/

e"

CJ Abb. 1 - 3 .

TriHumkern (^T)

Heliumkern (^He)

Kernladung 1

Kernladung 2

Beim Zerfall des Tritiumkerns unter Emission von /^-Strahlung entsteht ein Heliumisotop

6

1 Atombau und Periodensystem

N,'o noch vorhandene Menge N

Zetta)

Abb. 1 - 4 .

Die Halbwertszeit eines Radionuclids ist unabhängig von der vorhandenen Stoffmenge. In diesem Zeitraum geht die Strahlungsintensität jeweils auf die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes zurück

N = N 0 -e-* N 0 = Ausgangsmenge (t = 0) t = Zeit X = Stoffkonstante

Der Zerfall folgt also einem Zeitgesetz 1. Ordnung. Die Zeit, in der die Hälfte aller ursprünglich vorhandenen aktiven Kerne zerfallen ist, heißt Halbwertszeit Sie ist unabhängig von der Ausgangsmenge.

0,693

Der Nachweis der Strahlung gründet sich auf ihre ionisierende Wirkung, weshalb sie allgemein als ionisierende Strahlung bezeichnet wird. In einer Ionisationskammer befindet sich ein geeignetes Gas in einem elektrischen Feld. Durch die eindringende ionisierende Strahlung wird die Gasatmosphäre infolge Ionenbildung elektrisch leitend (Abb. 1-5). Der Stromfluß löst ein optisches und/oder akustisches Signal aus (Ausschlag eines Meßgerätes, Knackgeräusch eines Geigerzählers).

1.2 Die Elektronenhülle

Fenster

Strahlung

\

f

_| i

7

/ / '

^Kammer l_ r

(/f)

i.

J

Strommeßgerät

' Spannungsquelle

Abb. 1-5.

Ionisationskammer (Schema). Beim Eindringen von ionisierender Strahlung in die mit einem verdünnten Gas gefüllte Kammer kommt es zum Stromfluß

1.2 Die Elektronenhülle Das Orbitalmodell. Ein Atom hat als ungeladenes Teilchen so viele Elektronen in seiner Hülle wie Protonen im Kern*. Nach dem Orbitalmodell betrachtet man die Elektronen als dreidimensional schwingende, negative elektrische Ladungen (Ladungswolke). Der Raum, der einem Elektron für seinen Aufenthalt zur Verfügung steht, wird Orbital genannt Die Ladung ist nicht gleichmäßig über das Orbital verteilt. Anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron anzutreffen, ist nicht an allen Punkten seines Aufenthaltsraumes gleich groß (Abb. 1-6).

Abb. 1-6.

ls-Orbital des Wasserstoffatoms. Die Ladungsdichte nimmt nach außen hin ab. Das rechte Bild stellt einen Schnitt durch das kugelförmige Orbital dar

* Durch Elektronenabzug bzw. Elektronenaufnahme entstehen daraus Kationen (positiv geladen) bzw. Anionen (negativ geladen).

8

1 Atombau und Periodensystem

Form und Bezeichnung der Orbitale. Die Orbitale umgeben den Kern schalenförmig. Von innen nach außen gehend werden sie als K, L, M, N...-Schale mit den Hauptquantenzahlen n = 1, 2, 3 , 4 . . . bezeichnet. Mit wachsender Hauptquantenzahl wächst der Abstand der Ladungswolken vom Kern und damit der Atomradius. Eine weitere Unterteilung erfolgt mit den Bezeichnungen s, p, d, f... Orbital („Unterschalen"). s-Orbitale besitzen Kugelform, p-Orbitale dagegen eine Art Hantelform und können drei zueinander senkrechte Lagen einnehmen: p x , p y , p z - entsprechend den drei Achsen im rechtwinkligen Koordinatensystem (Abb. 1-7).

Abb. 1-7.

Form eines p-Orbitals (oben). Schematische Darstellung der Lage der hanteiförmigen p-Orbitale im koordinaten System, sowie der Kombination von p x , p y und p z

Das BoHRsche Atommodell. Weniger leistungsfähig ist das klassische Atommodell (BOHR), das die Elektronen als punktförmige, den Kern umkreisende negative Ladungen beschreibt (Abb. 1-8). Energieinhalt der Orbitale. Die Aufenthaltsräume (Orbitale) der Elektronen entsprechen bestimmten Energieinhalten (Energieniveaus) (Abb. 1-9). Jedes Orbital kann zwei energetisch gleichwertige Elektronen aufnehmen, die entgegengesetzten Spin (Eigenrotation) besitzen (fj,). Normalerweise besetzen die Elektronen die niedrigsten Energieniveaus (Grundzustand). Wasserstoff enthält also sein Elektron im ls-Niveau. Beim Helium (jHe, 2 Protonen im Kern, 2 Elektronen in der Hülle) sind beide Elektronen in der ersten Schale (n = 1) untergebracht, die damit voll ist. Vom Element Lithium ab (3 Elektronen) beginnt die Auffüllung der zweiten Schale (Abb. 1-10).

1.2 Die Elektronenhülle

2.Schale

Elektron

1 . Schale

Atomkern

Be

Li 3+

Kernladung

Abb. 1 - 8 .

Elektronenschalen und relative Atomradien einiger Elemente

, ! Energie

4s •

4p D D D

3s •



3p • •

2s •



2p • •

1s •

Abb. 1 - 9 .

9

3d

maximale

Schreibweise

Elektronenzahl

für die v o l l e

pro S c h a l e ( 2 n

Schale

••••• n=3

2 • 3 2 =18

n =2

2-2'

n =1

2•12=2

3s2 p 6

d10

2s2 p 6

1s"

Energieniveau-Schema der Orbitale eines Atoms. Das 4s-Niveau liegt etwas niedriger als das 3d-Niveau

M

Elektronen-

n = 3 3s

Element

1H



2He QU

3 lì



[



[

un

4 Be QT]

E]

•• • • • • • • • •

konfiguration

3d

3 p

1s' 1s2 2s ]

l

l

I

i l

Is 2 2s 2

I

1s2 2s2 p1

5B

[JO

6C

[Ü]

0

7N

QO

ed

t

t

80

QO

0

t

t

9F

0

E

ti t

10Ne QU

03

ti t
X + + e"

Etwas vereinfacht läßt sich sagen, daß die Ionisierungsenergie im PSE von oben nach unten abnimmt (wachsende Abschirmung des „letzten" Elektrons vom Kern durch innere Schalen) und von links nach rechts zunimmt (Abb. 1-12). Die Abtrennung eines zweiten, dritten... Elektrons (zweite, dritte... Ionisierungsenergie) erfordert erwartungsgemäß zunehmend höhere Energiebeträge. Die mit der Aufnahme eines Elektrons durch ein Element verbundene Energie

12

1 Atombau und Periodensystem

1.4 Die Periodizität einiger Eigenschaften

13

(X + e~ —>X~ + Energie) heißt Elektronenaffinität. Sie ist am größten bei den Halogenen, etwas kleiner bei den Chalkogenen (6. Gruppe). Die links stehenden Elemente bilden keine negativ geladenen Ionen. Die Elektronegativität (EN) eines Atoms ist ein Maß für seine Fähigkeit in einer kovalenten Bindung Elektronen anzuziehen. Sie nimmt von links nach rechts (wegen steigender Kernladung) und von unten nach oben (wegen sinkenden Durchmessers) zu (Abb. 1-12 und 1-13).

Atom-und

Ionisierungs-

Elektronen

Elektro-

Metall -

Ionenradien

energie

affinität

negativität (EN)

charakter

r

Abb. 1-12.

r

r

r

r

Schema zur Illustration einiger Eigenschaftsänderungen A (•): Zunahme (Abnahme) innerhalb einer Gruppe von oben nach unten. M ( • ) : Zunahme (Abnahme) von links nach rechts innerhalb einer Periode

AH

Si

l/./J

A^ A ' P A ' s i ' f l

GeA AAsASeABr / / AA

//

Sn 5b Te 1

2

I 3

4

Abb. 1-13.

Elektronegativität einiger Hauptgruppenelemente

Abb. 1-11.

Periodensystem der Elemente. Biochemisch wichtige Elemente sind farbig markiert

14

1 Atombau und Periodensystem

Die hohe Elektronegativität des Chlors gegenüber dem Wasserstoff macht zum Beispiel verständlich, daß sich im Molekül H —C1 das bindende Elektronenpaar nicht in der Mitte sondern näher beim Chlor befindet. H-Cl Die Elemente des PSE lassen auch eine periodische Änderung des metallischen Charakters erkennen. Links stehen die Metalle (gute Stromleiter), rechts die Nichtmetalle (Isolatoreigenschaften) zwischen ihnen die sog. Halbmetalle. Die Übergangselemente sind ausnahmslos Metalle. Ein weiterer Begriff zur Charakterisierung von Elementen ist die Oxidationszahl, die nach folgenden Regeln gefunden wird. 1. Bei Elementen ist sie Null (z.B. im Cl2). 2. Die Oxidationszahl eines Ions ist gleich seiner Ladung (im Natrium-Ion z. B. + 1, im Chlorid-Ion —I). 3. Liegt eine kovalente Bindung vor, so werden die Bindungselektronenpaare formal voll dem Partner höherer Elektronegativität zugeordnet. Die dadurch rechnerisch (nicht wirklich) auftretenden Ladungen sind dann die Oxidationszahlen (Abb. 1-14). Analog verfährt man bei Molekülionen. Im Sulfation z.B. besitzen die Sauerstoffbausteine formal die Ladung —II, der Schwefel + VI (Abb. 1-14).

Oxidationszahl

Molekül /Ion :Cl: CU H H (:Ö:)H

Cl±0 H+I H+I

Cl-I 0-1

S +21

0-1

2-

** 1°J'/'" |0l! s'llol

Abb. 1-14.

Um die Oxidationszahlen der an einer Bindung beteiligten Elemente zu ermitteln, werden die Bindungselektronenpaare formal den Elementen höherer Elektronegativität zugeordnet (zwei Punkte oder ein Strich am Elementsymbol repräsentieren hier ein Elektronenpaar)

Die Abb. 1-15 zeigt, wie sich die von den Elementen der Hauptgruppen bevorzugten Oxidationszahlen periodisch ändern.

1.4 Die Periodizität einiger Eigenschaften

H

He

Li

Be

B

C

N

0

F

Ne

Mg

Na

AI

Si

P

5

Cl

Ar

K

Ca

1 2 3 U 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 1516 17 18 19 20 7 6 5 3 2 1 0

-1 -2 -3

•••

1



1•

•• ••

1• I •

•1 •

Abb. 1-15.

1



•1 1

1p





i

••

x



T • I•

••

•• ••

•I







11

•i

ii

I

1



1i

•I••

1

•1

•1

• 1

T Bevorzugte Oxidationszahlen von Elementen

cl

Element

Ordnungszahl

2 Chemische Bindung 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Allgemeines Die Atombindung Die ionische (polare, heteropolare) Bindung Die metallische Bindung Van der Waals-Kräfte und Wasserstoffbrücken Hydrophobe Wechselwirkung Bindungsenergien

19 20 24 25 25 27 27

2 Chemische Bindung 2.1 Allgemeines Der Ausdruck „chemische Bindung" kennzeichnet die Tatsache, daß zwischen Atomen, Ionen und Molekülen Anziehungskräfte auftreten können. Die einzelnen Bindungstypen werden unten beschrieben. In der Natur finden sich vielfach Übergänge zwischen ihnen. Ein Maß für die Festigkeit einer Bindung ist ihre Bindungsenergie. Das ist der Energiebetrag, der bei der Bildung der Bindung frei wird (s. Kap. 2.7). Bei der Bildung von Verbindungen aus Elementen verändert sich die Situation in den Elektronenhüllen der Reaktionspartner. Die chemische Reaktion führt zu einer stabileren (energetisch begünstigten) Anordnung der Elektronen. Bei Reaktionen der Hauptgruppenelemente sind ausschließlich Elektronen der äußeren Schale beteiligt, bei Übergangselementen auch solche der „vorletzten" Schale. Die Besetzung der Außenschalen mit Elektronen wird häufig durch Punkte (ein Elektron) bzw. Striche (Elektronenpaar) symbolisiert. Beispiel: :C1- oder

IQ-^^2 Elektronen (mit antiparallelem Spin) Elektron

Einen besonders stabilen Zustand besitzen die Edelgase - beim Helium 2 Elektronen auf der Außenschale, bei den übrigen Edelgasen 8 Elektronen (Edelgaskonfiguration, s 2 p 6 ). Diese Elemente gehen deshalb nur in Ausnahmefallen chemische Reaktionen ein und finden sich in der Natur atomar. Viele chemische Reaktionen lassen sich verstehen durch die Regel, daß die Elemente dabei Edelgaskonfigurationen zu erreichen suchen (Oktettregel, gilt nicht streng). Das geschieht - j e nach Reaktionspartner - auf verschiedenen Wegen. Die Summenformel macht eine Angabe über die Zusammensetzung einer chemischen Verbindung. Sie genügt nur in einfachen Fällen. Ein genaueres Bild liefert die Strukturformel, in der die räumliche Anordnung der Atome berücksichtigt wird. Zur Veranschaulichung dienen Molekülmodelle (Abb. 2-1).

20

2 Chemische Bindung

Abb. 2-1.

Zusammensetzung und Bau von Molekülen. Die Striche zwischen den Atomen symbolisieren Atombindungen. Die rechts stehenden Modellbilder lassen auch die Raumerfüllung der Moleküle erkennen

2.2 Die Atombindung In einem H-Atom hält sich das Elektron in einem kugelsymmetrischen Atomorbital auf. Bei genügender Annäherung eines zweiten H-Atoms kommt es zu einer Überlappung der beiden Atomorbitale und es entsteht ein Molekülorbital. Das System besitzt jetzt ein Energieminimum, es ist eine Atombindung (Kovalenzbindung, Elektronenpaarbindung, homöopolare Bindung) entstanden (Abb. 2-2). Sie ist rotationssymmetrisch ( E 0 ) unter Abstrahlung des Energiebetrages AE = E, — E 0 statt. Auch zwischen anderen Orbitalen können analoge Elektronenübergänge ablaufen

der Einwirkung von ultraviolettem Licht oder von elektrischen Entladungen aus Sauerstoff Ozon. 30 2

^ ^ 2 0

3

Das eigentümlich riechende Ozon, das bei Raumtemperatur allmählich wieder zerfällt (Rückreaktion), ist ein starkes Oxidationsmittel und wird zur Desinfektion benutzt. In größeren Konzentrationen wirkt es giftig. In der Biosphäre findet unter dem Einfluß des Sonnenlichts die Bildung von Kohlenhydraten aus CO z und H 2 0 statt. n C02 + n H20

C n (H 2 0) n + n 0 2

Bei diesem Assimilation oder Photosynthese genannten Prozeß der Bildung von (gegenüber den Ausgangsprodukten) energiereichen Kohlenhydraten wirkt der grüne Pflanzenfarbstoff Chlorophyll mit. Er absorbiert die Strahlung und gibt die Anregungsenergie dann weiter an eine Kette komplizierter chemischer Reaktionen. Im menschlichen und tierischen Organismus findet unter Freisetzung des gleichen Energiebetrages (Wärme, Muskelarbeit usw.) der umgekehrte Prozeß statt. Das Kohlendioxid wird über die Lunge ausgeschieden.

4.2 Spektralanalyse Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Untersuchung von Energieaufnahme und -abgabe.

4.3 Spektren

47

1. Die Emissionsspektroskopie. Man beobachtet dabei die emittierte Strahlung. Ihre Wellenlänge gestattet Rückschlüsse auf die Anwesenheit bestimmter Atome (Linienspektren bei Metallen) oder Moleküle (unstrukturierte, breite Fluoreszenzspektren). 2. Die Absorptionsspektroskopie. Hierbei wird ermittelt, bei welcher Wellenlänge Absorption auftritt. Nur jene Strahlung wird aufgenommen, deren Energieinhalt der Differenz AE entspricht (Quantelung). Zur Beobachtung von Linienspektren (z. B. bei Alkalien) genügt ein einfaches Spektroskop. Die Absorption von Substanzen (meist in Lösung) wird in einem Spektralphotometer gemessen, das auch mit einem Linienschreiber gekoppelt sein kann (Spektrograph). Aufbau und Funktion eines Spektrographen. Aus dem weißen Lichtstrahl einer geeigneten Strahlungsquelle wird mit Hilfe eines Monochromators eine bestimmte Wellenlänge ausgesondert. Der nun monochromatische Strahl durchläuft jetzt die betreifende Substanz (Lösung), die sich in einer Küvette befindet. In einem dahinter befindlichen Empfänger wird die Strahlungsintensität gemessen und mit der eines Vergleichsstrahls - der nur das reine Lösungsmittel durchlaufen hat - verglichen. Mit Hilfe eines Schreibers wird die von der Probe durchgelassene Strahlungsintensität in Abhängigkeit von der Wellenlänge oder Wellenzahl aufgezeichnet. So entsteht ein Spektrum. Vergleichsprobe Lichtquelle

Monochromator

Detektor

/

Probe

Schreiber Extinktion .

Vl/Vy

W e l l e n l ä n g e oder Frequenz

Abb. 4-2.

Bauschema eines Spektrographen

4.3 Spektren Viele Kenntnisse über den Aufbau von Atomen, Molekülen und Ionen stammen aus Spektren. In der folgenden Abbildung sind einige für solche Untersuchungen wichtige Strahlungsbereiche gekennzeichnet.

48

4 Materie in Wechselwirkung mit thermischer, elektrischer und Strahlungsenergie

102

103

[cm"1]

104

Wellenzahl V

3-1012 10-5

10~ 3 i 1mm

[Hz]

3-1018

3-1015 10-6

10"7 J

10-9

10" L_

J

I

1nm

1)jm

1 0 -10

1 0 -11

[

m

]

L

Wel lenlänge X



Röntgenstrahlen (-y-Strahlen) Ultraviolett

• Infrarot

sichtbares Licht rot

800 Abb. 4 - 3 .

orange g e l b grun _J

700

violett

blc

Well enlange/

600

[n m ]

400

500

Strahlungsbereiche

Emissionsspektren von Alkalien und Erdalkalien enthalten eine oder mehrere Linien im sichtbaren Bereich. Man kann sie beobachten, wenn man die beim Erhitzen von Alkali- oder Erdalkalisalzen in der offenen Flamme entstehende Flammenfärbung durch ein Spektroskop betrachtet (Abb. 4-4).

Wellen• -. lange

o o 0 o 0 o O 1/1 O LT> o 7 (Tab. 6-2).

Mit den Definitionen p O H = — lg [ O H - ]

und

pK„ = — lg K w = 14

* Für Dissoziationsvorgänge und Protolysen gilt das Massenwirkungsgesetz. Es lautet für die Autoprotolyse des Wassers [H3Q+] • [OH-] _

[H 2 0] 2

Da [ H 2 0 ] 2 praktisch konstant ist, kann diese Größe in die Konstante der Gleichung eingehen: [ H 3 0 + ] • [ O H - ] = K • [ H 2 0 ] 2 = 10" 1 4 mol 2 • T 2 .

6.4 Die Stärke von Säuren und Basen Tab. 6-2.

pH- und pOH-Skala

[H + ] [mol T 1 ]

pH

10° 10" 1

10"2 10" 3 10" 4 10" 5

10"6 10'

7

10"

8

10" 9 lO" 1 0 10" 1 1 10" 1 2 10~ 13 10" 1 4

pOH

0 1

14 13

2

12

3 4 5

11 10 9

6

8

7

69

[OH ] [mol r 1 ] 10" 1 4 10" 1 3

10"12

10" 1 1 10" 1 0 10" 9

Säuren

7

10'-7

Neutralpunkt

8

6

10~6

9 10 11 12 13 14

5 4 3 2 1 0

10" 5 10" 4 10" 3 10" 2 10" 1 10°

zunehmende Acidität

10"8

Basen

zunehmende Basizität

läßt sich das Ionenprodukt des Wasser auch schreiben als pH + pOH = 14

Bei bekannter O H "-Konzentration läßt sich mit dieser Gleichung der pH-Wert der Lösung leicht errechnen. Beispiele für pH- und pOH-Berechnungen (starke Säuren und Basen): Welchen pH- bzw. pOH-Wert hat eine 0,01 N HCl? 110,01 N HCl enthält infolge 100% Protolyse 0,01 raol H + /l. Also ist das pH = 2 und p O H = 1 4 - 2 = 12. Welchen pH- bzw. pOH-Wert hat eine 0,1 N N a O H ? 1 1 0,1 N N a O H enthält 0,1 mol O H " / l = 10" 1 mol OH"/l. Der pOH-Wert beträgt also 1, der pH-Wert demzufolge 14 — 1 = 13.

6.4 Die Stärke von Säuren und Basen K- und pK-Werte. Bei schwachen Säuren und Basen verlaufen die Protolysen bei der Auflösung in Wasser nur unvollständig. Es stellt sich ein Gleichgewicht Die Anwendung des Massenwirkungsgesetzes auf die Reaktion von HA bzw. B mit Wasser ergibt: Reaktion von HA mit Wasser HA + H 2 0 ?± H 3 0 v _ [H3Q+] • [A-] [HA] • [ H 2 0 ]

+

+A"

Reaktion von B mit Wasser B + H20

BH++OH"

[BH+] • [OH~] [B] • [ H 2 0 ]

70

6 Säuren und Basen

In verdünnten Lösungen kann [ H 2 0 ] als konstant angesehen werden und mit der Gleichgewichtskonstanten K bzw. K' zu einer neuen Konstante vereinigt werden, so daß man erhält: K • [H20] = Ks= ^

^

p

K' • [ H 2 0 ] = K B =

M

m

K s (gelegentlich auch K A genannt) heißt Säure- oder Aciditätskonstante, K B nennt man Basenkonstante. * Beide sind ein Maß für die Säure- bzw. Basenstärke. Für Rechnungen werden auch hier meist die negativen Logarithmen der K-Werte benutzt. -lgKs=pKs

- l g K B = pK,

Je schwächer die Säure, desto kleiner ihr K s -Wert bzw. desto größer ihr pK s Wert. Die K B - bzw. pK B -Werte der entsprechenden konjugierten Basen nehmen jeweils den umgekehrten Verlauf (Abb. 6-4 und Tab. 6-3). Säurestärke

Abb. 6-4.

Ks

pKg

Beim Übergang von starken zu schwachen Säuren sinken die Zahlenwerte für K s (Die Werte nehmen jeweils zur Spitze hin ab)

Mehrprotonige (mehrbasige) Säuren dissoziieren in mehreren Stufen. Für jede Stufe gilt ein eigener K s -bzw. pK s -Wert. Aus den drei Ks-Werten der Phosphorsäure z. B. wird deutlich, daß das zweite und dritte Proton zunehmend schwerer abgegeben wird. H 3 P 0 4 : p K s l = 1,96;

pK s 2 = 7,12;

p K S 3 = 12,32

* Häufig auch mit kleinen Indices (K s , K a , K b ). Formuliert man den Vorgang als Dissoziation HA ^ H + + A", erhält man analog die Dissoziationskonstante K Diss _ [ H + ] [A-] " [HA] Ihr Zahlenwert ist um den Faktor 55,5 kleiner als der von K s , da die Wasserkonzentration [ H 2 0 ] ~ 55,5 mol • 1 _1 nicht mehr mit eingeht. K

Diss

6.4 Die Särke von Säuren und Basen Tab. 6 - 3 .

71

pK-Werte einiger Säure-Base-Paare (bei 22 °C) korrespondierende Base

Säure

-6* -3*

HCl Salzsäure H2SO4 Schwefelsäure — 1,74 H 3 O + Hydroniumion —1,32 H N O 3 Salpetersäure 1,92 HSO; Hydrogensulfat 1,96 H 3 P O 4 Phosphorsäure 3,7 H C O O H Ameisensäure 4,75 C H 3 C O O H Essigsäure 6,52 C 0 2 ( a q ) Kohlensäure 7,12 H 2 P O ; Dihydrogenphosphat Ammoniumion 9,25 NH; 10,4 H C O 3 Hydrogencarbonat 12,32 H P O ; Hydrogenphosphat 15,74 H 2 O Wasser

c r HSO4 H2o NO; S04H2PO; HCOO" CH3COO"

HCO; HPO;-

NH 3 co;po;OH"

PK B

Chlorid Hydrogensulfat Wasser Nitrat Sulfat Dihydrogenphosphat Formiat Acetat Hydrogencarbonat Hydrogenphosphat Ammoniak Carbonat Phosphat Hydroxid

«20 «17 15,74 15,32

12,08 12,04 10,3 9,25 7,48 6,88 4,75 3,6 1,68 -1,74

Bei korrespondierenden Säure-Base-Paaren ergibt die Summe beider pK-Werte in Wasser stets den Zahlenwert 14, d.h., je leichter eine Säure (Base) ihr Proton abgibt (aufnimmt), desto schwächer ist ihre korrespondierende Base (Säure) (Abb. 6-4). p K s + p K B = 14

pH-Berechnung. Bei starken Säuren ist infolge vollständiger Protolyse die H + Konzentration identisch mit der Gesamtkonzentration (Ausgangskonzentration) an Säure (vgl. 6.3). Für schwache Säuren gilt dies nicht. Der pH-Wert für schwache einwertige Säuren und Basen errechnet sich nach den Gleichungen p H =

c = Ausgangskonzentration

pKs-lgc

an schwacher Säure schwache Säure bzw. pQjj oder

pK B - lg c

c = Ausgangskonzentration an schwacher Base

2

pH=14--

p K

'-

l g C

schwache Base

Beispiel: Wie groß ist der pH-Wert einer 0,1 M Essigsäure (K s = 10

5

)?

* In nichtwäßrigen Lösungsmitteln gemessen. In Wasser kann der pK s -Wert des H 3 0 + (—1,74) nicht unterschritten werden.

72

6 Säuren und Basen

6.5 Indikatoren (Färb) Indikatoren sind Substanzen, deren Lösungen ihre Farbe bei pH-Änderung ändern können. Es sind Säuren (Hin), die eine andere Farbe (d. h. Lichtabsorption) haben als ihre korrespondierenden Basen (In~). Für das Protolysegleichgewicht in wäßriger Lösung In" + H 3 0 +

Hin + H 2 0

gilt: K (Hin)- [ I n ~ ] - [ H 3 0 + ] K s ( H I n ) " [Hfo]

Nach Umformung und Logarithmieren erhält man pH = pK s (HIn) + lg

[In"] [Hin]

Säurezusatz (pH-Senkung) bewirkt Bildung von Hin auf Kosten von In", bei Basenzusatz steigt [ I n - ] wobei sich [Hin] vermindert. Man durchläuft bei solchen pH-Änderungen den Punkt, an dem [ I n " ] = [Hin], l g - j g - 1 = lg 1 = 0 [Hlnj

also

pH =pK s (HIn)

Diesen pH-Wert nennt man den Umschlagspunkt des Indikators, er liegt bei dem pH-Wert, der numerisch dem pK s -Wert gleich ist. In der Praxis zeigt sich, daß ein Farbumschlag für das Auge erkennbar ist, wenn das Verhältnis Hin: I n - von etwa 10:1 nach 1:10 wechselt (bzw. umgekehrt). Dazwischen tritt eine Indikator-Mischfarbe auf {Umschlagsbereich). Ein brauchbarer Umschlagsbereich umfaßt also ein pH-Intervall von ca. zwei Einheiten in der Gegend des Indikator-pK s -Wertes: Umschlagsbereich = pK s (HIn) - 1 bis pK s (HIn) + 1 Tab. 6-4.

Farbindikatoren

Indikator

pK s (HInd)

UmschlagsbereichlpHl

Hin

Farbe

In-

Methylrot

5,1

4,4-6,2

rot

gelb

Bromthymolblau

6,9

6,2-7,7

gelb

blau

Phenolphthalein

9,1

8,2-10,0

farblos

rot

6.6 Neutralisation

73

6.6 Neutralisation Die Umsetzung einer Säure mit einer Base nennt man Neutralisation (sreaktion). Setzt man starke Säuren mit starken Basen in äquivalenten Mengen um, so reagiert die Lösung anschließend neutral, sie hat den pH-Wert 7. Die Umsetzung von Salzsäure mit Natronlauge ist dafür ein Beispiel: H 3 0 + + C r + N a + + OH" - > N a + + Cl" + 2 H 2 0

Die Neutralisation ist eine Protolyse, bei H30+ +OH"

2H20

der jeweils ein Proton auf ein OH "-Ion übertragen wird. Ein Mol H + -Ionen reagiert mit einem Mol OH "-Ionen. Es resultiert eine Salzlösung. Um 1 mol NaOH zu neutralisieren, braucht man 1 mol Salzsäure oder 0,5 mol H 2 S 0 4 (zwei dissoziierbare H + ). Analoges gilt für die Neutralisation mehrsäuriger Basen. Zur Erleichterung von Rechnungen definiert man: Äquivalentmasse oder 1 val einer Säure [g]

Molmasse Zahl der dissoziierbaren H

Äquivalentmasse oder 1 val einer Base [g]

Molmasse Zahl der dissoziierbaren O H

Beispiele: 1 val Substanz sind bei HCl:

^

= 36,5 g (identisch mit 1 mol)

„ __ H2S04:

2 + 32 + 64

NaOH:

23 +

Ba(OH) 2 :

137

| +

.. = 49 g

6 +

1

34

= 85,5 g

= 40 g (identisch mit 1 mol)

Allgemein läßt sich dann sagen: a) 1 val Säure reagiert mit i val Base. b) Gleiche Volumina gleich-normaler Lösungen von Säuren und Basen reagieren miteinander*. Diese Tatsache macht man sich bei der Titration von Säuren und Basen zunutze. * In 11 einer 1 M (0,5 M; 0,1 M ; . . . ) Lösung sind ja jeweils 1 val (0,5 val; 0,1 val;...) einbasiger Säure bzw. einsäuriger Base enthalten (vgl. 5.1.).

74

6 Säuren und Basen

6.7 Säure/Base-Titrationen Titrieren heißt, die unbekannte Menge eines gelösten Stoffes dadurch zu bestimmen, daß man ein Äquivalent einer geeigneten Maßlösung hinzugibt. Der Verbrauch an Maßlösung (in ml) bis zum Erreichen des Äquivalenzpunktes (Titrationsgrad 1) wird gemessen (mittels Bürette) und daraus der Gehalt der Probe errechnet. Beispiel: Zur Titration einer Salzsäure-Probe unbekannten Gehalts wurden 10 ml 0,1 N Natronlauge benötigt. Wieviel HCl enthielt die Probe? 10 ml 0,1 N NaOH entsprechen 1/100 • 0,1 val NaOH ( = 0,04 g) d.h. die Probe enthielt 0,001 val HCl = 0,0365 g HCl Titriert man eine starke Base mit einer starken Säure (oder umgekehrt) und ver-

Abb. 6-5.

Titrationskurven. Bei einer Säure/Base-Titration ändert sich der pH-Wert zunächst nur relativ geringfügig (Pufferbereich) in der Nähe des Äquivalenzpunktes (Titrationsgrad 1, ein Äquivalent Titrationsmittel wurde zugesetzt) jedoch sprunghaft. a) starke Säure/starke Base (z. B. HCl titriert mit NaOH) b) schwache Base/starke Säure (z. B. N H 3 titriert mit HCl) c) schwache Säure/starke Base (z. B. Essigsäure titriert mit NaOH) 1 = Äquivalenzpunkt; 2 = Neutralpunkt; 3 = Halbneutralisationspunkt: Titrationsgrad 0,5; [HA] = [ A - ] ; pH = pK; 4 (schraffiertes Gebiet) = Gebiet kleiner pH-Änderungen (Pufferbereich)

6.8 Puffersysteme

75

folgt die Änderung des pH-Wertes der Lösung mit steigendem Titrationsgrad, so erhält man eine charakteristische Kurve (Titrationskurve). Eine zunächst nur geringfügige Veränderung des pH-Wertes ist in der Nähe des Äquivalenzpunktes von einem großen pH-Sprung gefolgt (Abb. 6-5). Der Wendepunkt der Kurve ist zugleich der Äquivalenzpunkt. Er liegt in diesem Fall bei einem pH-Wert von 7. Titriert man eine schwache Base (Säure) mit einer starken Säure (Base) so liegt der Äquivalenzpunkt im sauren (alkalischen) Gebiet. Auch ist der pH-Sprung kleiner (Abb. 6-5b u. c). Deshalb ist in diesen Fällen auf die Wahl des richtigen Indikators - der durch Farbumschlag das Erreichen des Äquivalenzpunktes anzeigen soll - zu achten. Für die Titration Essigsäure/NaOH wäre Phenolphthalein geeignet; Methylrot hingegen nicht (vgl. Tab. 6-4).

6.8 Puffersysteme Für das Verständnis von Puffersystemen sind folgende Kenntnisse Voraussetzung: Das MWG für die Dissoziation einer schwachen Säure HA + H , 0 ?± H , 0 + + A"

Ks =

[H30+] • [A-] [HA]

zeigt, daß die Teilchensorten H 3 0 + , A _ und HA in bestimmten Konzentrationsverhältnissen vorliegen. Daraus ergeben sich mehrere Folgerungen: 1. Zusatz von Lösungsmittel (Verdünnung) bewirkt verstärkte Dissoziation und umgekehrt.* 2. Zusatz eines Salzes, das bei der Dissoziation A~ liefert (gleichioniger Elektrolyt) drängt die Dissoziation zurück. Wird z. B. Essigsäure mit Na-Acetat versetzt, sinkt die H + -Konzentration erheblich. Die Anionbase CH 3 COO" bindet H + Ionen unter Bildung undissoziierter Säure (,Abstumpfen" saurer Lösungen): CH,COO~ + H 4

CH,COOH

3. Säure- oder Basezusatz, d.h. eine Änderung der [ H 3 0 + ] muß sich auch in einer Änderung des Verhältnisses [A"]/[HA] bemerkbar machen. Formt man den Massenwirkungsausdruck für den Dissoziationsvorgang um und logarithmiert unter Vorzeichenumkehr, so erhält man: [ H 3 0 + ] = Ks

[HA]

LA"]

pH = p K s + lg *

IA~J [HA]

Puffergleichung (HENDERSON-HASSELBALCH)**

Verdünnung auf das doppelte Volumen, d. h. Halbierung der Konzentrationen würde ohne Nachdissoziation im Zähler eine stärkere Änderung hervorrufen als im Nenner. ** Bei Anwendung auf das Carbonat-Puffersystem.

76

6 Säuren und Basen

Lösungen, die ein Gemisch aus einer schwachen Säure und der korrespondierenden Base (A~) enthalten, nennt man Pufferlösungen oder -systeme bzw. kurz Puffer. Sie haben die Eigenschaft, bei Zusatz von H + - oder OH "-Ionen den pHWert nahezu konstant zu halten. Die schwache Säure vermag OH "-Ionen zu neutralisieren, die korrespondierende Base bindet im Bedarfsfall die H + -Ionen: HA + O H " ^ A" + H

+

H 2 0 + A"

— HA

Sind die Konzentrationen an schwacher Säure und korrespondierender Base gleich, dann wird pH = p K s

weil

lgJAJ- = lgi=o

In einer solchen Lösung herrscht also ein pH-Wert, der dem pK s -Wert der betreffenden Säure entspricht. Dieser Punkt wird erreicht, indem man eine gegebene Menge Säure zu 50% neutralisiert („Halbneutralisation") oder Säure und Salz - z. B. Essigsäure und Natriumacetat - im Molverhältnis 1:1 in Wasser löst. Trägt man den pH-Wert in einem Diagramm gegen die prozentualen Verhältnisse von HA zu A " auf, so erhält man eine sogenannte Pufferungskurve (Abb. 6-6).

Abb. 6-6.

Pufferungskurve. Einer starken Änderung des Verhältnisses HA/A kleine Änderung des pH-Wertes gegenüber

steht eine nur

Daraus ergeben sich folgende Grundregeln für Puffersysteme: 1. Äquimolare Mischungen aus Säure und korrespondierender Base haben maximale Pufferwirkung. Sie erstreckt sich über einen pH-Bereich von pK s + 1. 2. Der pH-Wert einer Pufferlösung wird nicht von den Absolutkonzentrationen an HA und A _ bestimmt, sondern von deren Verhältnis. Bei Verdünnung der Lösung ergibt sich demzufolge keine pH-Änderung.

6.8 Puffersysteme

77

3. Bei Kenntnis von [HA] und [A~] läßt sich der pH-Wert einer Pufferlösung berechnen. 4. Die Pufferkapazität steigt mit wachsenden Mengen von HA und A". Die Pufferbereiche verschiedener Säure-Base-Paare sind aus Abb. 6-7 ersichtlich.

Abb. 6-7.

Pufferangskurven einiger Puffersysteme

Kennt man die Konzentration von HA und A~ in einer Pufferlösung, so lassen sich deren Änderungen bei Zugabe definierter Säuremengen (oder Basemengen) berechnen. Dadurch sind auch die damit verbundenen - geringfügigen - pHÄnderungen berechenbar. Aus der Puffergleichung ergibt sich für den Säurezusatz: „



, . nB — nH + (add)

S/B = korrespondierendes Säure/Base-Paar n = Anzahl der Mole im Volumen der Probe H + (add) = zugefügte Säure

78

6 Säuren und Basen

Die zugefügten H + -Ionen werden von der Pufferbase aufgenommen, ihre Menge verringert sich um einen entsprechenden Betrag (n B — n H + (add)). Um den gleichen Betrag erhöht sich die Menge an Puflfersäure (nS + n H + (add)). Rechenbeispiel:

a) 11 Pufferlösung enthalte 1 mol Acetat und 1 mol Essigsäure ( K s = 1,8 • t(P 5 ). Sein pH beträgt pH = p K s = — lg 1,8 • 10"5 =4,75

b) Wir geben 0,1 mol HCl zu. Dann wird pH = 4,75 + lg j ^ M = 4,75 + lg M

= 4,75 - 0,09 = 4,66

Der pH ist also von 4,75 auf 4,66 gesunken.

6.9 Kohlensäure Die Kohlensäure ( H 2 C 0 3 ) bildet zwei Reihen von Salzen: Hydrogencarbonate, Anion HCOj und Carbonate, Anion CO3 ~

Bei der Behandlung dieser Salze oder ihrer Lösungen mit starken Säuren entsteht freie Kohlensäure, die spontan in Wasser und Kohlendioxid (Anhydrid der Kohlensäure*) zerfällt: + H+

+H +

c o r h2co3— C) + ... Betrachten wir die folgenden drei Gleichungen: I: C + 0 2 -v C0 2 II: C + i 0 2 —CO III: CO + j 0 2 — C0 2

AH|98 = - 393 kJ/mol AHJ98= - 110 kJ/mol AHJ98 = - 283 kJ/mol

Man erkennt: Die Summe der AHf-Werte der Teilschritte II und III ist so groß wie der AHf-Wert der Gleichung I. Der H E S S sehe Satz ist ein Spezialfall des Energieerhaltungssatzes. Er gilt natürlich auch für alle Lebensvorgänge. Nahrungsmittel werden im Körper zu C 0 2 , H 2 0 und Harnstoff abgebaut. Die dabei dem Organismus zur Verfügung gestellten Energiemengen decken den Energiebedarf (Wärmeabgabe, Muskelarbeit, osmotische Arbeit usw.) und sind sogenannten „Joule-Tabellen" (früher „Kalorientabellen") zu entnehmen. Überschüssige Nahrungsmittelmengen werden ausgeschieden oder in Form bestimmter Verbindungen im Körper deponiert. Der tägliche Energieumsatz des Menschen im Ruhezustand (Grundumsatz) liegt bei 6000-8000 kJ (1500-2000 kcal).

120

9 Energetik chemischer Reaktionen

9.3 Freie Enthalpie und Entropie Die Größe G / Gleichgewicht Erfahrungsgemäß laufen nicht alle nach dem Energieerhaltungssatz denkbaren Vorgänge wirklich ab. Ein warmer Metallblock z. B. gibt Wärme an einen kälteren ab. Für den umgekehrten Vorgang jedoch existiert keine Triebkraft, er erfolgt nicht von selbst, obwohl dies dem Energieerhaltungssatz nicht widerspräche: Der Wärmefluß von einem wärmeren zu einem kälteren Körper ist irreversibel (nicht umkehrbar) (Abb. 9-4).

Block 1

Block 2

40°

20°

Abb. 9-4.

|
B ' Kb_»C =

[äj-Ka-c

Um zu prüfen, ob der Gleichgewichtszustand erreicht ist, genügt es meist, die Konzentrationsänderung einer Reaktionskomponente zu messen. Wenn [A] = const. ist, dann ist auch die Konzentration der übrigen Komponenten konstant. Dies gilt jedoch nur, wenn während der Reaktion weder Ausgangsprodukte von außen zugeführt, noch Endprodukte aus dem System entfernt werden. Führt man z. B. der Reaktion den Stoff A in dem Maße zu und entfernt B in dem Maße, in dem die beiden verbraucht bzw. gebildet werden, so bleibt ihre Konzentration konstant (stationäre Konzentration), obwohl sich noch kein Gleichgewicht eingestellt hat. Es liegt hier ein offenes System vor, in dem sich ein sog. Fließgewicht* einstellt (Abb. 10-14).

A-Zufuh

r

A

Abb. 10-14.

Entfernung von B

\

__1 .

Entfernung vom

Gleichgewichtszustand

B

Schema eines Fließgleichgewichts. Wird A in dem Maße ergänzt, in dem es sich in B umwandelt und B in dem Maße entfernt, in dem es entsteht, so bleibt die Entfernung vom Gleichgewichtszustand konstant

* Dies ist kein Gleichgewicht im Sinne des MWG (A G 4= 0!). Zwar wird der Gleichgewichtszustand laufend angestrebt aber nicht erreicht - hervorgerufen durch Transportvorgänge.

142

10 Kinetik chemischer Reaktionen

Auch in gekoppelten Reaktionsfolgen können stationäre Konzentrationen an Zwischenprodukten entstehen. Abb. 10-15 enthält das Schema für einen vereinfachten Fall mit zwei langsamen Reaktionsschritten gleicher Geschwindigkeit.

j|[

Abb. 10-15.

RG(A-»-B) = RG(B-»-C)

Schema eines Fließgleichgewichts für die gekoppelten Reaktionen A —> B —> C. Zur Vereinfachung wurde angenommen, daß beide Reaktionsgeschwindkeiten gleich sind

Der lebende Organismus ist ein offenes System (Nahrungsmittelaufnahme, Ausscheidung) in dem sich stationäre Konzentrationen an Zwischenprodukten finden.

11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen 11.1 Bindungsverhältnisse in Kohlenwasserstoffen 11.2 Reaktionstypen und reaktive Teilchen Reaktionswege Bindungslösung und -neuknüpfung Molekularität

145 151 151 151 152

11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen Die in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Gesetzmäßigkeiten haben für die gesamte Chemie Gültigkeit. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und wegen einiger Besonderheiten der Kohlenstoffverbindungen - der organischen Verbindungen* - ist jedoch ihre Behandlung in gesonderten Kapiteln gerechtfertigt. Schlüssel zum Verständnis der chemischen und physikalischen Eigenschaften organischer Verbindungen sind die in ihnen herrschenden Bindungsverhältnisse sowie der räumliche Aufbau der Moleküle (Molekülgeometrie).

11.1 Bindungsverhältnisse in Kohlenwasserstoffen Im einfachsten organischen Molekül, dem Methan mit der Summenformel CH 4 , sind alle C—H-Bindungen gleichartig. Die H-Atome sind in den Ecken eines Tetraeders angeordnet (Abb. 11-1). Man nimmt an, daß das 2s-Orbital und die drei 2p-Orbitale des Kohlenstoffs zu

Abb. 11-1.

Das Methanmolekül. Die CH-Bindungen weisen in die Ecken eines Tetraeders (links). Rechts die Projektionsformel des C H 4

* Carbonate und Cyanide rechnet man traditionell zu den anorganischen Verbindungen.

146

11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen

vier sp3-Hybridorbitalen verschmelzen, die in die Ecken eines Tetraeders weisen (Abb. 11-2). Sie überlappen dann mit den H-Orbitalen (—> Kovalenzbindung). Im Ethan (CH 3 —CH 3 ) überlappt ein sp 3 -Hybridorbital eines Kohlenstoffs mit dem eines zweiten Kohlenstoffatoms unter Bildung einer CC-Einfachbindung. Die restlichen sp 3 -Hybridorbitale (2 x 3) binden die sechs H-Atome (Abb. 11-3).

t

Energie

t

t

t

sp

E h 2

Px

Py

Pz

y

f

+ 4H*

(Bindungsbildung)

E 02s2 H n ti ti 2 s V

01s2

n ls2

sp3 -Hybridzustand C

Grundzustand

Methan

+ 4 H*

vier 2 s p

-Hybridorbitale

CH/

Abb. 11-2.

Kombination von zwei 2s- und zwei 2p-Elektronen zu vier sp 3 -Hybridorbitalen mit anschließender Bildung einer kovalenten Bindung

Abb. 11-3.

Aufbau des Ethans ( C H 3 — C H 3

11.1 Bindungsverhältnisse in Kohlenwasserstoffen

147

Auf analoge Weise bauen sich die höheren Glieder (C 3 H 8 , C 4 H 1 0 usw.) der homologen Reihe* der Alkane auf.

Abb. 11—4.

Molekülteile können um cr-Bindungen als Achse rotieren (freie Drehbarkeit)

Die in den Kohlenwasserstoffen auftretenden CC- und CH-Einfachbindungen heißen a-Bindungen. Um diese Achsen können die Molekülteile gegeneinander rotieren (freie Drehbarkeit) (Abb. 11-4). Kohlenwasserstoffe, die ausschließlich ff-Bindungen enthalten, heißen gesättigt (Alkane). Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene oder Olefine) liegen vor, wenn im Molekül CC-Doppelbindungen vorhanden sind. Einfachster Vertreter ist das Ethen (Ethylen). In diesem Molekül sind zwei sp2-hybridisierte C-Atome eine (j-Bindung und zusätzlich eine sogenannte rc-Bindung eingegangen (Mehrfachbindung).

x ^

Form der Orbitale

Abb. 11-5.

Schema

Nl.

Formel

Aufbau des Ethylens. Nur wenn alle sechs Atome in einer Ebene liegen, kann die energetisch günstige maximale Wechselwirkung (Überlappung) der p-Orbitale beider C-Atome stattfinden. Eine Rotation der beiden Molekülhälften gegeneinander ist deshalb nur unter Zufuhr einer beträchtlichen Energiemenge möglich

* Homologe unterscheiden sich formelmäßig jeweils um eine CH 2 -Einheit, z. B.: H 3 C—H, H 3 C—CH 3 , H 3 C—CH 2 —CH 3 , H 3 C—CH 2 —CH 2 —CH 3 usw.

148

11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen

Die n-Bindung entsteht durch Wechselwirkung zwischen zwei p-Orbitalen, die senkrecht auf der Ebene der sp 2 -Hybridorbitale stehen (Abb. 11-5), alle Atome des Ethylens liegen daher in einer Ebene. Analoge Verhältnisse finden sich bei den Gruppierungen \ C= 0 /

und

\ /

/ C=N

Eine Dreifachbindung entsteht zwischen zwei sp-hybridisierten C-Atomen, wobei die Orbitale des zweiten p-Elektronenpaares senkrecht zu denen des ersten stehen (Abb. 11-6).

Abb. 11-6.

In einer C=C-Bindung stehen die beiden 7i-Orbitale senkrecht aufeinander

Durch Ausbildung einer Mehrfachbindung ( 0)

I i

I

I I

I

I

I

C=C-(C)n-C = C

I

I

I I

C=C-(C)n-C=0

I I

I

I

I I

C = C-(C) n -C = N -

I

I

11.1 Bindungsverhältnisse in Kohlenwasserstoffen

149

Das Benzol, der einfachste Typ der aromatischen Verbindungen - kurz Aromaten enthält sechs sp2-hybridisierte C-Atome in cyclischer ebener Anordnung. Die zwei Grenzformen (Grenzstrukturen (Abb. 11-7) mit cyclisch konjugierten lokalisierten Doppelbindungen existieren als Individuen nicht. Vielmehr verteilen sich die Elektronen des n-Systems gleichmäßig über das ganze Molekül: die n-Elektronen sind delokalisiert. Dieses Phänomen heißt Mesomerie oder Resonanz. Das wirkliche Molekül kann also durch Kombination (•: Mesomeriepfeil) mehrerer Grenzformen beschrieben werden. In der Formelsprache des Chemikers*:

[0 — 0 ] - ®

Grenzformel I

Abb. 11-7.

Grenzformel II

Orbitalmodell des Benzols. Die linke Figur zeigt eine der beiden Grenzformen mit cyclisch konjugierten Doppelbindungen. Die sechs p-Orbitale verschmelzen miteinander zu je einem geschlossenen Ladungsring oberhalb und unterhalb der Molekülebene (Delokalisierung der Ladung, Mesomerie, Resonanz)

Die symmetrische Ladungsverteilung stellt einen energetisch günstigen Zustand dar. Der Energiegewinn durch Delokalisierung von n-Elektronen - die Mesomerieenergie - ist im Falle des Benzols besonders hoch und beträgt 151 kJ • m o l - 1 = 36 kcal mol" 1 (Abb. 11-8). Aus den meisten chemischen Reaktionen geht das aromatische System infolge seiner Stabilität unversehrt hervor. Der Ersatz von Wasserstoff gegen andere Atome oder Atomgruppen (Substitution) gelingt dagegen relativ leicht. * In Strukturformeln von aromatischen Verbindungen begnügt man sich häufig mit der Angabe einer Grenzformel.

150

11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen

Die vorstehend erörterten Tatsachen gelten analog für Bindungen zwischen Kohlenstoff einerseits und z. B. Halogenen, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel andererseits.

Abb. 11-8.

Schema zur Illustration des Begriffs Mesomerieenergie am Beispiel des Benzols. Die Höhe des Betrages macht die Stabilität des aromatischen Systems verständlich

Beispiel: Die Strukturen -ç-e-0'

-ç-e-
= n '

Während gesättigte Kohlenwasserstoffe nur unpolare CC- und CH-Bindungen enthalten, bringt der Einbau von Atomen höherer Elektronegativität polare Bindungen ins Molekül: \6+ 6y -Jc-o

\6+ 6- C - C l

Desgleichen bilden die leicht verschieblichen n-Systeme unter dem Einfluß geeigneter Reagenzien Zentren ausgeprägter Polarität: Mehrfachbindungen sind leicht polarisierbar.

11.2 Reaktionstypen und reaktive Teilchen

151

Polare und polarisierbare Bindungen sind im Molekül Bereiche erhöhter Reaktionsfähigkeit. Hier spielen sich bevorzugt chemische Reaktionen ab.

11.2 Reaktionstypen und reaktive Teilchen Die Einteilung organischer Reaktionen kann erfolgen: nach dem Reaktionsweg, nach der Art der Bindungslösung und -neuknüpfung und nach der Zahl der Teilchen, die am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt beteiligt sind. Reaktionswege Substitution (Symbol S) nennt man den Ersatz eines Atoms oder einer Atomgruppe im Molekül durch ein anderes Atom bzw. eine andere Atomgruppe. Es entstehen dabei stets zwei Produkte. H

I

+

H-C-H

I

B r - B r — * - C H 3 - B r + HBr

H

Bei einer Addition (Symbol A) wird eine Substanz (oder ein Teilchen) an eine andere angelagert. Es entsteht nur ein Produkt. Br

\ / C = Cs '

+

B r - B r —

I I C - C I I

-

Br

Eine Eliminierung (Symbol E) läßt sich als Umkehrung einer Addition auffassen. Meist werden Atome oder Atomgruppen von benachbarten C-Atomen unter Bildung einer Mehrfachbindung entfernt. H

H

I I

H-C-C-OH

I I

H

H

H

\

H'

C=C

H / V

+

H-OH

H

Bindungslösung und -neuknüpfung Radikalische Reaktionen. Hierbei werden Bindungen so gespalten, daß jeder Partner ein (ungepaartes) Elektron erhält (Homolyse der Bindung). Diese als

152

11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen

(Zwischen) Produkte auftretenden Radikale reagieren wegen ihrer großen Reaktivität rasch weiter. R—X —* R • + -X —• Folgeprodukte

Ionische Reaktionen. Bindungslösung und -neuknüpfung erfolgen asymmetrisch Das Bindungselektronenpaar bleibt bei einem Partner (Heterolyse) bzw. stammt von einem Partner. R—A —* R l e + A® —• Folgeprodukte oder

R—X — R® + IX® — Folgeprodukte

Man unterscheidet a)nucleophile Reaktionen (Symbol N), bei denen das angreifende Reagens ein Elektronenpaar zur Bindungsbildung mitbringt und deshalb eine Elektronenlücke* sucht, z.B. R | e und |X e , sowie > C = C < ; b) elektrophile Reaktionen (Symbol E), bei denen das Reagens eine Elektronenlücke besitzt und deshalb elektronensuchende Eigenschaften hat, z. B. R® und A®. Die vorstehende Einteilung bezieht sich vereinbarungsgemäß jeweils auf das Reagens**. Einem nucleophilen (elektrophilen) Reagens steht aber logischerweise jeweils ein elektrophiles (nucleophiles) Substrat gegenüber. Die beiden alternativen Vorgänge laufen also gekoppelt ab, in Analogie zur Kopplung von Oxidation und Reduktion. Molekularität Auch die Zahl der am geschwindigkeitsbestimmenden Reaktionsschritt beteiligten Teilchen (Molekularität der Reaktion) wird zur Charakterisierung herangezogen. Alle genannten Klassifizierungsmöglichkeiten lassen sich miteinander verknüpfen. Eine bimolekular ablaufende nucleophile Substitution läßt sich beispielsweise wie folgt bezeichnen: ^ SN 2 •

Reaktionsweg (Substitution) Molekularität (bimolekulare Reaktion) 'Art des angreifenden Teilchens (Nucleophil)

* nucleophil = elektronenlückensuchend = kernsuchend elektrophil = elektronensuchend Beide Ausdrücke werden auch substantivisch gebraucht: das Nucleophil, die Nucleophile etc. ** Als Reagens wird meist der weniger kompliziert gebaute Reaktionspartner bezeichnet. Der andere heißt Substrat.

12 Strukturformeln und Nomenklatur 12.1 Strukturformeln 12.2 Bezeichnungen organischer Verbindungen (Nomenklatur) . . . .

12 Strukturformeln und Nomenklatur 12.1 Strukturformeln Für das Verständnis von Strukturformeln organischer Moleküle sind die folgenden Gesichtspunkte wichtig. • • •

In eindeutigen Fällen verzichtet man meist auf die Darstellung aller Bindungen (Abb. 12-1). Häufig werden auch die C- und H-Atome nicht mehr geschrieben (Abb. 12-2). In entbehrlichen Fällen wird auf die korrekte Wiedergabe der Bindungswinkel verzichtet. Die C-Gerüste in der Abb. 12-3 entsprechen z.B. alle dem n-Butan. K urzschreibweise

Ausführliche Schreibweise H 1

CH3-

H

Methyl-

-SC — 1 H

H - C H

2

-

Methylen-

-c1 H

-(CH2)2-

Ethylen-

Dimefhylamino-

H 1

1 H

1 H

-c-c-

(Äthylen-)

-N(CH3)2

H 1

/

C H 3J CH3

C

6

H

5

-

H I i

PhenylH '

Abb. 1 2 - 1 .

C

ii V I H

Beispiele für eine verkürzte Schreibweise v o n S t r u k t u r f o r m e l n

C

V

H

156

12 Strukturformeln und Nomenklatur CL

CL

X

*

I

/ H3C

C H

X

H2C

er *

CH3

CH3

H2

H2C^ch'0H H 2 C^J:H 2

Abb. 12-2.

H2

Beispiele für eine verkürzte Formelschreibweise unter Verzicht auf C- und H-Symbole. Jede Ecke und die Enden symbolisieren jeweils ein C-Atom mit der entsprechenden Zahl von H-Atomen

c z'

„c c

Abb. 12-3.

c-c-c-c

c-c-c I c

c-c I c

c-c I c-c

c

c I c

Das C-Gerüst des Butans in verschiedenen Schreibweisen (unkorrekte Wiedergabe der Bindungswinkel)

• Einige Möglichkeiten zur Veranschaulichung räumlicher Strukturen zeigen die folgenden Beispiele (Abb. 12-4).

12.2 Bezeichnungen organischer Verbindungen (Nomenklatur) Für lange bekannte organische Verbindungen sind häufig heute noch Namen gebräuchlich, die auf die Herkunft oder die Eigenschaften dieser Stoffe zurückgehen. Beispiele dafür sind Bezeichnungen wie Ameisensäure, Weinsäure usw. Trivialnamen.

12.2 Bezeichnungen organischer Verbindungen (Nomenklatur)

Abb. 12-4.

157

Veranschaulichung räumlicher Strukturen in der Schreibebene. a, b) Die ausgezogenen Bindungen und der Kohlenstoff liegen in einer Ebene, eine gestrichelte Linie stellt eine schräg hinter die (Papier)Ebene gerichtete Bindung dar, die keilförmig gezeichnete Bindung kommt auf den Betrachter zu, also aus der Ebene heraus. c) Benzolmolekül, in der Papierebene liegend. d) Benzolmolekül, aus der Papierebene herausgedreht, die dick gezeichnete Kante ist dem Betrachter näher als die gegenüberliegende. e, f, g) Ethan. Die NEWMAN-Formel (g) wird plausibel, wenn man die Moleküle e oder f in Richtung der CC-Achse betrachtet Das dem Betrachter zugewandte CAtom erscheint als Kreis mit drei bis zum Mittelpunkt durchgezogenen Bindungea Dieses vordere C-Atom verdeckt das hintere, von dem nur ein Teil der drei CHBindungen erkennbar ist

Auch heute werden noch Trivialnamen gebraucht und gebildet - z. B. Cortison wenn die systematische Nomenklatur sehr unhandlich ist.

17x21 -Dihydroxy-4-pregnen3.11.20-trion

Cortison

Eine Anzahl von Trivialnamen ist in die systematische Nomenklatur übernommen worden.

158

12 Strukturformeln und Nomenklatur

Systematische Nomenklatur. Sie heißt auch IUPAC* - oder Genfer Nomenklatur und verfolgt das Ziel, den Namen einer Verbindung nach bestimmten Regeln aus der Strukturformel abzuleiten und damit auch umgekehrt die Aufstellung der Strukturformel bei Kenntnis der systematischen Bezeichnung zu ermöglichen. Man unterscheidet zwei Bauelemente bei organischen Verbindungen, das - Grundgerüst, bestehend aus einem unverzweigten acyclischen oder cyclischen Kohlenwasserstoff (Tab. 12-1) und dem/den - Substituenten, das sind (kleinere) Kohlenwasserstoffgruppen und/oder funktionelle Gruppen (Tab. 12-2). Tab. 12-1.

Einige Grundgerüste organischer Verbindungen

Acyclische (kettenförmige) Kohlenwasserstoffe CH4

Methan

CH 3 —CH 3

Ethan (Äthan)

C H

3

— C H

2

— C H 3

c h

3

— c h

2

— c h

2

— c h

3

c h

3

— c h

2

— c h

2

— c h

2

— c h

c h

3

— c h

- c h

2

— c h

2

— c h

C H

2

— C H

C H

2

= C H — C H

c h

2

= c h — c h = c h

2

3

2

— c h

3

Propan Butan Pentan Hexan Ethen (Ethylen, Äthen, Äthylen)

2

3

2

Propen Butadien

Cyclische (ringförmige) Kohlenwasserstoffe Cyclopropan Cyclobutan Cyclopentan Cyclohexan

Steran (Gonan)

* IUPAC: International Union of Pure and Applied Chemistry.

12.2 Bezeichnungen organischer Verbindungen (Nomenklatur)

Benzol

Naphthalin

Anthracen

Benzpyren

6 a)

5

4

3

CH 3 -CH 2 -CH 2 -CH- CH3

2 CH

3 - Methylhexan

2

1 1CH3

1 2 3 4 c-c- c-c-c

falsch:

4-Methylhexan

falsch:

2-Ethylpentan

1

5C

1

6C 5

4

3

2

1

c-c- c-c-c 1

c 1 c 1

2

3

4

5

c-c- c-c-c

falsch: 4 - Ethylpentan

1

c

1

c b)

Abb. 12-5.

CHs

Or 1

M e t h y l b e n z o l (Toluol)

Beispiele zur Erläuterung einiger Nomenklaturregeln

159

160

12 Strukturformeln und Nomenklatur

GRUNDGERÜST Substituent(en)

Die durch den Austausch von H-Atomen im Grundgerüst (Stammkörper) gegen Substituenten entstehenden Verbindungen heißen Derivate der Stammkörper.

Tab. 12-2.

Wichtige Substituenten und ihre Bezeichnung

Substituent (Gruppe)

Vorsilbe

Bezeichnung Nachsilbe

Verbindungsklasse

Alkylgruppen (R)

CH3CH3-CH2-(SC2H5-) CH 3 —CH 2 —CH 2 — (=C3H7-) CH 3 —CH—CH 3 CH 3 —CH 2 —CH 2 —CH 2 — (CH 3 ) 2 CH—CH 2 — 1

CH 2

CH3

(CH3)3CC6HC 6 HJ—CH 2 —

MethylEthyl-(Äthyl-) PropylIsopropyln-ButylIsobutylsekundär (iec-)Butyltertiär (tert-) ButylPhenylBenzyl-

-

-

Funktionelle G r u p p e n

—F

Fluor-

-

—C1

Chlor-

-

—Br

BromJodHydroxy-

—I —OH —SH —NH 2 —CH=0 >c=o —COOH —COOR —COC1 —CONH 2 -SO3H —SO 2 NH 2

-

-

-Ol Mercapto-thiol Amino-amin (Formyl-) od. Oxo- -al Keto- od. Oxo-on -carbonsäure -ester -chlorid -amid -sulfonsäure -Sulfonamid

Fluorderivat Chlorderivat Bromderivat Jodderivat Alkohol, Phenol Thiol Amin Aldehyd Keton Carbonsäure Carbonsäureester Carbonsäurechlorid Carbon(säure)amid Sulfonsäure Sulfon(säure)amid

12.2 Bezeichnungen organischer Verbindungen (Nomenklatur)

161

Zur Namengebung werden die Bezeichnungen der Grundgerüste jeweils mit der Bezeichnung der Substituenten - als Vorsilben und/oder Nachsilben - kombiniert. Die geschieht nach Regeln, von denen einige im folgenden erläutert werden. • Die längste unverzweigte Kette bestimmt den Namen des Grundgerüstes. Zur Angabe der „Haftstelle" des Substituenten wird die C-Kette so durchnumeriert, daß das betreffende C-Atom eine möglichst niedrige Nummer bekommt (Abb. 12-5, a). Bei monosubstituierten Benzolen ist eine Bezifferung natürlich überflüssig (Abb. 12-5, b). 4

3

2

1

CH2=CH — C = C H a) ;

b)

2 - Methyl

2

I

-1,3-butodien

Isopren

ch

k

3

H - cCi - C l

t h) a n (TCr ihclho lroorfm o rem

I Cl

[CI

1,2-

c)

Dichlorbenzol

o - Dichlorbenzol

Br 1 , 3 - Dibrombenzol r

i

m - Dibrombenzol

Br; OHll

1 , 4 - Dihydroxybenzol e

)

[

||

p - Dihydroxybenzol (Hydrochinon)

oh;

KHJ

i>

f)

1,4-

Dihydroxy-cyclohexan

OH

g)

(/ ^

Abb. 12-6.

VN ^

N , N - Dimethylanilin \ h

3

Beispiele zur Erläuterung einiger Nomenklaturregeln. M a n beachte (f), daß die Vorsilben ortho-, meta-, para- nur in der aromatischen Reihe gebraucht werden, nicht aber bei Cycloaliphaten

162

12 Strukturformeln und Nomenklatur

• Auch die Lage von Doppelbindungen wird durch Ziffern angegeben (Abb. 12-6, a). Mehrfach auftretende Substituenten werden durch die Vorsilben Di-, Tri-, Tetra- usw. angegeben (Abb. 12-6, b). Bei disubstituierten Aromaten wird die Stellung der Substituenten durch Zahlen oder durch die Buchstaben o( = ortho), m- (=meta), p- (=para) angegeben (Abb. 12-6, c, d, e). Befindet sich ein Substituent am Stickstoff, kann dies durch Vorsetzen von N gekennzeichnet werden (Abb. 12-6, g). Der Gebrauch von Substituentenbezeichnungen in Form von Nachsilben gehorcht ebenfalls den vorstehenden Regeln (Abb. 12-7, a, b, c). Zur Kennzeichnung von Positionen in aliphatischen Carbonsäuren, -estern und -amiden sind neben Ziffern auch griechische Buchstaben in Gebrauch (Abb. 12-7, d).

a)

CH3--CHJ-C — CH3

BUTAN-2-ON, 2-BUTANON

0

B)

Y

(2 - OXO-BUTAN)

||

4-AMINO-BENZOL Sulfonamid p - A m i n o - benzol Sulfonamid

S02NH2 CH3-CH2-CH-CH3 ' NH2

D)

Abb. 12-7.

Cr ^

3

2

1 -METHYL -PROPYLAMIN SEC - BUTYLAMIN (2-AMINOBUTAN)

1

CH-CH-COOH

A-AMINO-ß-PHENYL-PROPIONSÄURE

I NH2

2-AMINO-3 - PHENYL - PROPIONSÄURE (ODER - PROPANSÄURE)

Beispiele für den Gebrauch von Nachsilben als Substituentenbezeichnungen. Die Bezeichnung der Stellung des Substituenten erfolgt durch Ziffern oder - bei Carbonsäuren und ihren Derivaten - durch griechische Buchstaben (d). Man beachte, daß (c) ein primäres Amin ist, die Vorsilbe sec (sekundär) sich also auf den Kohlenwasserstoffrest bezieht

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe) 13.1 Struktur / Klassifizierung 13.2 Isomerie Konstitutionsisomere Konformere Cis- und trans-Isomere bei Alkenen Enantiomere (Spiegelbildisomere) 13.3 Eigenschaften und chemische Reaktionen Alkane und Cycloalkane Alkene und Cycloalkene Aromatische Kohlenwasserstoffe

165 166 166 167 171 171 174 174 175 176

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe) 13.1 Struktur/Klassifizierung Kohlenwasserstoffe lassen sich aufgrund von Strukturmerkmalen klassifizieren. Die in Abb. 13-1 gezeigte formale Einteilung läßt keine Rückschlüsse auf Gemeinsamkeiten oder Verschiedenheiten in den Eigenschaften zu.

KOHLENWASSERSTOFFE

s

1

Aromaten

Aliphaten

1

1

Alkane

C y c l o a l karte

(CH^TI

Alkene Alk™

Abb. 13-1.

= —

-

Cycloalkene

|

|

|

t

f

|

t

C t

167

Butan isomere

9

t



|

Pentanisomere

C6

nr

Hexanisomere

Abb. 13-3.

Konstitutionsisomerie bei Alkanen. Aus dem normalen (n-) kettenförmigen Alkan entstehen durch (formale) Kürzung der Kette und Einbau von Kettenverzweigungen iso-Alkane. Die Zahl der möglichen strukturisomeren Alkane steigt mit wachsender C-Zahl stark an

Abb. 13-4.

Beispiele für Konstitutionsisomerie bei Alkenen. Die Verschiebung der Doppelbindung ändert an der Bruttoformel nichts. Zu einem C n -Alken ist auch das C„Cycloalkan isomer (die Doppelbindung ist gewissermaßen durch den Ringschluß ersetzt)

Konformere Unterschiedliche Atomanordnungen, die durch Drehung um eine CC-Einfachbindung (er-Bindung) als Achse entstanden sind, heißen Konformere oder Konformationen. Beim Ethan gibt es zwei Grenzfälle mit verschiedenem Energieinhalt (Abb. 13-5): • Die H-Atöme der CH 3 -Gruppen stehen einander gegenüber (Behinderung),

168

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe)

oder •

die H-Atome stehen „auf Lücke". AE [ k J - m o f 1 ]

Abb. 13-5.

Die Grenzfälle der Konformationen beim Ethan unterscheiden sich um ca. 12,5 kJ • m o l - 1 in ihrem Energieinhalt (H-Atome nicht gezeichnet)

Energieinhalt (einige H-Atome wurden nicht gezeichnet)

13.2 Isomerie

169

Das rechts stehende Konformere ist das stabilere. Die Differenz der Energieinhalte ist jedoch so klein, daß bei Raumtemperatur eine ständige Rotation der Molekelteile gegeneinander erfolgt. Die einzelne Spezies ist daher nicht isolierbar.

Abb. 13-7.

Beim Cyclohexan ist die Sesselform das stabilere Konformere. Die Umwandlung erfolgt formal durch „Umklappen einer Ecke". Im Bild wird die Position des C1 geändert. Damit wechseln auch die Positionen der H-Atome an C1 und an den benachbarten C-Atomen (C2 und C6)

Abb. 13-8.

Bei monosubstituierten Cyclohexanderivaten existieren 2 Sesselkonformere. Jenes mit e-Stellung des Substituenten ist stabiler (keine Kollision mit anderen Atomen im Molekül). 1,2-Bisubstituierte Cyclohexanderivate mit trans-Stellung der beiden Substituenten liegen bevorzugt in der energetisch günstigeren diäquatorialen (e,e) Form vor. Die abgebildeten cis-Formen haben keinen unterschiedlichen Energieinhalt

170

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe)

Analoge Verhältnisse finden wir beim n-Butan. Den niedrigsten Energieinhalt hat hier verständlicherweise die „zick-zack-Form" (Abb. 13-6). Das Gleiche gilt für höhere Alkane. Beim Cyclohexan ist die Sessel-Form gegenüber der Wannen-Form die stabilere Konformation (Abb. 13-7). Man erkennt im Bild zwei verschiedene CH-Bindungen: axiale (Abkürzung: a) (senkrecht auf der Ringebene stehende) und äquatoriale (Abkürzung: e). Bei der Umwandlung des einen Konformeren in das andere durch (gleichzeitige) Drehung um die Achsen C1-C2 und C1-C6 werden die ursprünglich axialen Bindungen an Cl, C2 und C6 zu äquatorialen und umgekehrt. Bei mono-substituierten Cyclohexanen existieren zwei Sessel-Formen. Die mit der äquatorialen CX-Bindung dominiert, ist also die stabilere, da hier X mit den H-Atomen an C3 u. C5 nicht kollidiert (Abb. 13-8). Ein trans-disubstituiertes Cycloxan liegt aus den gleichen Gründen bevorzugt als e,e-Konformeres vor, die a,a-Form ist destabilisiert (Abb. 13-8). Im Decalin sind zwei Cyclohexanringe miteinander verknüpft (Abb. 13-9).*

Abb. 13-9.

Strukturformeln des eis- und trans-Decalins. Die Doppel-Sesselkonformeren haben die H-Atome der Brückenkopf-C-Atome auf der gleichen (eis-) oder auf verschiedenen Seiten (trans). Die nach oben bzw. auf den Betrachter gerichteten HAtome haben einen durchgehenden Bindungsstrich (/¡-Bindung) oder sind als Punkte markiert. Das hinter der Papierebene liegende H-Atom (mittlere untere Formel) wurde mit gestrichelter Bindung gezeichnet (a-Bindung)

Beide liegen in der Sesselform vor. Ihre Verknüpfung kann auf zwei Weisen erfolgen: in cis-Stellung oder in trans-Stellung. Im cis-Isomeren liegen beide H* Bei dieser Ausdrucksweise werden die an den Verknüpfungsstellen liegenden beiden C-Atome (Brückenkopf-C-Atome) bei beiden Ringen mitgezählt; das Molekül hat also zehn C-Atome und nicht zwölf (2 x 6).

13.2 Isomerie

171

Atome der Brückenkopf-C-Atome auf den gleichen Seiten, im trans-Isomeren auf verschiedenen Seiten der Ringebene. Im Steran (Gonan), dem Grundkörper der Steroide (Hormone der Nebennierenrinde, Sexualhormone), sind drei Cyclohexanringe (A, B, C) und ein Cyclopentanring (D) miteinander verknüpft (Abb. 13-10).

Abb. 13-10.

Die Struktur des Sterans (Grundkörper der Steroide) und des Cholesterins mit all-trans-Verknüpfung der vier Ringe

In den meisten natürlich vorkommenden Steroiden sind die Ringe B und C sowie C und D transverknüpft, zwischen A und B findet sich auch eis-Verknüpfung. Cis- und trans-lsomere bei Alkenen Bei Alkenen begegnet uns eine andere Art von cis-trans-Isomerie. Substituenten können sich an den C-Atomen der Doppelbindung in zwei verschiedenen Lagen befinden - beide auf einer Seite (cis-Alken) oder auf verschiedenen Seiten (transAlken). Ein konkretes Beispiel ist das 2-Buten, das in zwei stereoisomeren Formen existiert (Abb. 13-11). Eine Umwandlung der beiden ineinander gelingt wegen der Rotationsbarriere an der Doppelbindung nicht ohne weiteres und sie sind aufgrund ihrer Eigenschaftsunterschiede trennbar. Enantiomere (Spiegelbildisomere) Trägt ein C-Atom vier verschiedene Substituenten (asymmetrisches C-Atom, Kennzeichnung durch C x ), so lassen sich bei gleicher Summenformel zwei ver-

172

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe)

H

H

x: Y

Y

^

H

trans - Konfiguration

eis - Konfiguration

CH3

/

CH-,

CH3

HJC'

eis - Buten

Abb. 13-11.

x;

trans - Buten

Stereoisomerie bei Alkenen. Die cis-Konfiguration trägt beide Substituenten auf einer Seite der Doppelbindung - im Gegensatz zur trans-Konfiguration. Die Rotationsbarriere an der CC-Doppelbindung erschwert die Umwandlung einer Form in die andere

schiedene Moleküle aufbauen, die sich zueinander wie Bild und Spiegelbild verhalten. Sie werden als Spiegelbildisomere, Enantiomere* oder optische Antipoden bezeichnet,** die beiden haben jeweils entgegengesetzte Konfiguration. Sie kann durch Projektionsformeln nach FISCHER wiedergegeben werden (Abb. 13-12). I CH3

a)

¡

CH3

a')

/

L • \

C2H5

¡

C

/

CA

Spiegelebene

CH3 1 H-C-CL b)

Abb. 13-12.

C2H5

1 1 ,1

CH3 1 CL-C-H Ii

1

C2H5

b .)

Zur Wiedergabe der Konfiguration läßt sich die Schreibweise wie bei a und a' verwenden. Das Asymmetriezentrum (C*) denkt man sich in der Schreibebene liegend. Die Kohlenstoffkette wird senkrecht geschrieben - oben mit C1 beginnend. Die mit C * verbundenen Reste der Kette (hier CH 3 und C 2 H 5 ) liegen jeweils hinter der Schreibebene (:), die anderen beiden davor. In den Projektionsformeln nach F I S C H E R (b. b') entsprechen die vertikalen Striche den nach hinten gerichteten Bindungen, die horizontalen Striche den auf den Betrachter zukommenden Bindungen

* Enantio (griech.) = entgegen ** Man nennt sie auch chirale Moleküle und C* ein Chiralitätszentrum. Der Ausdruck Chiralität (Händigkeit) zielt auf die Tatsache, daß eine linke Hand mit einer rechten - dem spiegelbildlich geformten Antipoden - nicht zur Deckung zu bringen ist.

13.2 Isomerie

173

Es gibt jeweils zwei zueinander gehörende Enantiomere. Bei allen übrigen Fällen von Stereoisomeren (nicht spiegelbildlich gebauten), die man Diastereomere nennt, können mehr als zwei Isomere auftreten (vgl. Kap. 22). Die Energiebarriere zur Überführung von Enantiomeren ineinander ist hoch - es müssen ja Bindungen gelöst und neu gebildet werden. Daher lassen sich die beiden Enantiomeren in reiner Form isolieren und aufbewahren. Die reinen Enantiomeren haben gleiche physikalische und chemische Eigenschaften bis auf zwei Ausnahmen: Sie verhalten sich unterschiedlich • •

gegenüber polarisiertem Licht (Abb. 13-13) und gegenüber chiralen Reagentien.

Polarisationsebene

Probe in Lösung

Polarisationsebene

des eingestrahlten

(chirales Medium)

n a c h dem D u r c h g a n g

Lichts

Abb. 13-13.

Beim Durchstrahlen einer chiralen Probe mit polarisiertem Licht wird dessen Schwingungsebene um einen gewissen Betrag gedreht - von dem einen Enantiomer nach links, von dem anderen Enantiomer um den gleichen Betrag nach rechts. Eine Mischung beider im Verhältnis 1:1 - ein racemisches Gemisch - ist daher optisch inaktiv

Die Schwingungsebene eines polarisierten Lichtstrahls wird beim Durchgang durch ein chirales Medium gedreht. Der Betrag der Drehung wird in Grad (a) gemessen und ist abhängig von der Konzentration (c), der Schichtdicke (d), der Temperatur (T) und der Wellenlänge (/.) des verwendeten Lichts sowie vom Lösungsmittel.

fr)!

M i - d[dm] • c[g • T ' ] MI (a)J (+ ) (—)

— spezifische Drehung = gemessene Drehung = Rechtsdrehung = Linksdrehung

beide angegeben für eine bestimmte Temperatur und eine bestimmte Wellenlänge

Die drei Begriffe Konstitution, Konfiguration und Konformation unterscheiden sich also wie folgt.

174

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe)

- Die Konstitution gibt die Art und die Reihenfolge von Bindungen im Molekül an. - Die Konfiguration meint die räumliche Anordnung der Atome ohne Berücksichtigung von Rotationen um Einfachbindungen. - Die Konformation berücksichtigt solche Rotationen und betrifft die genaue räumliche Lage der Atome.

13.3 Eigenschaften und chemische Reaktionen Kohlenwasserstoffe sind bei Raumtemperatur Gase (niedrige C-Zahl), Flüssigkeiten (ab Pentan) oder Festkörper (höhere C-Zahl). Sie besitzen einen praktisch unpolaren Bau, mischen sich daher gut mit anderen unpolar oder wenig polar gebauten Stoffen wie z.B. Fetten und werden deshalb lipophil* (fettfreundlich) genannt. Zugleich sind sie hydrophob (wasserabweisend) und lösen sich deshalb nicht in Wasser. Alkane und Cycloalkane Kohlenwasserstoffe, die nur ff-Bindungen enthalten, sind reaktionsträge und werden deshalb auch Paraffine** bzw. Cycloparaffine genannt. Trotzdem gelingen z. B. Verbrennung und Halogenierung. Verbrennung CH 4 + 1,50 2 —> CO + 2H z O CH 4 + 2 0 2 -> C 0 2 + 2 H 2 0

(bei Sauerstoffmangel) (bei O 2 -0berschuß)

Halogenierung CH 4 + Cl 2

— CH3C1 + HCl

CH3CI + Cl2

CH2C12 + HCl

usw.

Diese Substitutionsreaktion verläuft über radikalische Zwischenstufen. Da deren Umsetzung mit Molekülen erneut reaktionsfreudige Radikale entstehen läßt, läuft eine sogenannte Radikalkette ab. Cl—C1 C1+CH4 CH 3 - + Cl—Cl CH3 + CI

C1- + -C1 Kettenstart > CH3 +HCI j • CH 3 —Cl + Cl usw. J e t t C • CH 3 —Cl Kettenabbruch

* lipophil = hydrophob, beide Ausdrücke werden synonym gebraucht. ** parum affinis: wenig reaktionsfähig.

13.3 Eigenschaften und chemische Reaktionen

175

Trichlormethan (CHC13, Chloroform) hat narkotische Wirkung, Chlorethan (CH3—CH2C1, Ethylchlorid) findet in der Zahnmedizin als Lokalanästhetikum Verwendung, N-Lost (s. bei Aminen) ist ein Hautgift. Alkene und Cycloalkene Reaktiver als Alkane sind die Alkene. Sie addieren leicht geeignete Partner unter Verlust der Doppelbindung(en).

X

\

I I c-cI I

/

C = C + XY / \

Y

(summarisch)

Die Umkehrung solcher Reaktionen, die unter bestimmten Bedingungen gelingt, führt zum Alken zurück (Eliminierang). Bromaddition. Durch Anlagerung von elementarem Brom an ein Alken entsteht das entsprechende 1,2-Dibromalkan. Alken + Br2

Dibromalkan ?r

CH 2 =CH—CH 3 + Br2

CH, 2~ - t H—CH, x

I

Br

Hydratisierung / Dehydratisierung. Die Addition von Wasser (Hydratisierung*) an ein Alken ergibt einen Alkohol, umgekehrt entstehen aus Alkoholen durch Dehydratisierung Alkene (Eliminierang). Alken + H z O C H 2 = C H 2 + H2O

—> Alkanol CH 3 —CH 2 —OH

Solche Reaktionen werden H + -katalysiert durchgeführt. Hydrierung /Dehydrierung.** Auch die Addition von Wasserstoff an eine Doppelbindung (Hydrierung) erfordert einen Katalysator, da die H—H-Bindung eine hohe Bindungsenergie besitzt (435 kJ • mol -1 ). Man erhält das entsprechende Alkan. * Hydratisierung bei Alkenen beinhaltet Bindungslösung und -knüpfung, im Gegensatz zum Begriff Hydratisierung bei Lösungsvorgängen, wo die Anlagerung des Dipols Wasser gemeint ist. ** Auch als Hydrogenierung bzw. Dehydrogenierung bezeichnet.

176

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe) Alken+ H2

Katalysaw

^ CH3-CH3

C H 2 = C H 2 + H2

Die Hydrierung entspricht in der Bilanz einer Reduktion (H 2 = 2 H + + 2e~). Eliminierung von Wasserstoff aus Kohlenwasserstoff - Dehydrierung - liefert ein Alken. Polymerisation. Alkene können auch miteinander reagieren. Diese Selbstaddition heißt Polymerisation. Sie dient zur Herstellung hochmolekularer Produkte (Kunststoffe). n • Alken + n • Alken

—• Polyalken ( = Alkan)

n • C H 2 = C H 2 + n • C H 2 = C H 2 — —(CH2—CH2—CH2—CH2)— Ethylen Polyethylen ( = langkettiges Alkan)

Aromatische Kohlenwasserstoffe Während Alkene bevorzugt zu Additionsreaktionen neigen, finden wir bei Aromaten überwiegend Substitution. Dabei wird ein H-Atom durch ein anderes Atom oder eine Atomgruppe ersetzt. Es entstehen also stets zwei Produkte. Beispiel:

Hier zeigt sich ein drastischer Unterschied zu Alkenen. Die Addition wäre mit dem Verlust des energetisch günstigen aromatischen Systems verbunden, deshalb findet sie nicht statt. Mehrfachsubstitution führt zu Produkten, deren Namen je nach Stellung der beiden Substituenten mit den Symbolen o-, m-, p- versehen werden.

Stellung der Substituenten (ortho-)

(meta-)

13.3 Eigenschaften und chemische Reaktionen

177

Beim Naphthalin sind schon zwei isomere Monosubstitutionsprodukte zu unterscheiden. Cl

Cl 1

A 1 - Chlornaphthalin

2 - C h l o r n a p h t h a l in ß - C h l o r n a p h t h a l in

r ^ Tir

^

1 - Naphthyl a - Naphthyl

2-Naphthyl ß-Naphthyl

Bei der Handhabung aromatischer Kohlenwasserstoffe sind strenge Vorsichtsmaßnahmen nötig: Benzoldämpfe sind sehr giftig, Benzpyren wirkt stark cancerogen.

14 Heterocyclen 14.1 Struktur / Klassifizierung / Nomenklatur 14.2 Eigenschaften

14 Heterocyclen 14.1 Struktur / Klassifizierung / Nomenklatur Heterocyclische Verbindungen enthalten außer C-Atomen noch ein oder mehrere Heteroatome als Ringglieder. Man unterscheidet u. a. N-Heterocyclen

(stickstoffhaltig)

O-Heterocyclen

(sauerstoffhaltig)

S-Heterocyclen

(schwefelhaltig)

Auch die Ringgliederzahl kann als Klassifizierungsmerkmal dienen (Abb. 14-1) 5-Ringheterocyclen 6-Ringheterocyclen

Abb. 14-1 enthält einige biochemisch wichtige heterocyclische Grundkörper.

14.2 Eigenschaften Der Einbau von Heteroatomen in den Ring bringt polarisierte Bindungen ins Molekül. Gegenüber den Carbocyclen ergeben sich große Unterschiede in den physikalischen und chemischen Eigenschaften. Auffällig ist vor allem die meist gute Wasserlöslichkeit dieser Stoffe. Heteroaromaten. Die in Abb. 14-1 aufgeführten 5-Ring- und 6-Ringheterocyclen zeigen aromatischen Charakter. Beim Pyrrol und Imidazol z.B. erfolgt die Ausbildung des cyclischen mesomeren 6 K-Systems unter Einbeziehung des nichtbindenden Elektronenpaares an Nl. Dieses Elektronenpaar steht deshalb für die Addition eines Protons nicht zur Verfügung. Pyrrol reagiert also nicht basisch. Die Basizität des Imidazols ist durch das einsame Elektronenpaar an N3 bedingt (Abb. 14-2). Beim Pyridin und Pyrimidin werden die einsamen Elektronenpaare an den N-Atomen für die Ausbildung eines aromatischen Systems nicht gebraucht. Beide Verbindungen reagieren daher basisch.

182

14 H e t e r o c y c l e n

5-Ring

O N H

ö Pyrrol

6 - Ring

m

O

N H

Imidazol

Pyridin

®

O = 19)

€> ~ Ü H

è

H

Pyrimidin (1 ,3 - D i a z i n )