Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog [2.Aufl., Reprint 2020] 9783112321362, 9783112310090


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Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog [2.Aufl., Reprint 2020]
 9783112321362, 9783112310090

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Benno Krieg Chemie für Mediziner

Benno Krieg

Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog 2. Auflage

w DE

_G Walter de Gruyter • Berlin New York 1978

Professor Dr. Benno Krieg Institut für Organische Chemie der Freien Universität Berlin Das Buch enthält 181 farbige Abbildungen und 30 Tabellen

CIP-K.urztitelaufna.hme der Deutschen

Bibliothek

Krieg, Benno Chemie für Mediziner zum Gegenstandskatalog. 2. Aull. - Berlin, New York : de Gruyter, 1978. (De-Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-007737-X

© Copyright 1978 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner F o r m (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Anfertigung der Reinzeichnungen: Georg Dischleit, Berlin. Satz: Fotosatz Tutte, Salz weg-Passau. Druck: Karl Gerike, Berlin Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin.

Vorwort Grundlagenkenntnisse in Chemie sind unerläßlich, um den Aufbau von Organismen und die in ihnen ablaufenden Vorgänge zu verstehen. Dem Studierenden stehen zum Erwerb dieser Kenntnisse mehrere Wege offen: Vorlesungen, Übungen (Praktikum, Seminar) und auch das Selbststudium. Dabei soll das vorliegende Buch eine Hilfe sein. Es ist abgestimmt auf den Gegenstandskatalog für Studierende der Medizin in der Bundesrepublik Deutschland (Fach Chemie); die Neufassung vom Herbst 1976 (2. Auflage 1976) ist berücksichtigt. Geeignet ist das Buch für jeden, der Grundlagenkenntnisse in Chemie erwerben will, vornehmlich für Studierende der Fachrichtungen Medizin, Biologie und Pharmazie sowie anderer Fachrichtungen mit biochemischen Aspekten. In seiner knappen, abbildungsreichen Abfassung soll es zugleich eine rationelle, wiederholende Vorbereitung auf Prüfungen ermöglichen und ein Zusammentragen des Wissensstoffs aus verschiedenen Quellen entbehrlich machen. Für die Durchsicht von Teilen des Manuskripts danke ich Herrn Prof. Dr. Erwin Riedel, Berlin und Herrn Prof. Dr. Walter Ruske, Berlin. Auch dem Verlag de Gruyter sei gedankt für die Bereitwilligkeit, mit der er den Wünschen des Autors entgegengekommen ist. März 1977

Benno Krieg

Vorwort zur 2.Auflage Das Buch ist so gut aufgenommen worden, daß die erste Auflage rasch vergriffen war. Die vorliegende zweite Auflage enthält zahlreiche Verbesserungen. Bei vielen Lesern habe ich mich für kritische Hinweise und wertvolle Anregungen zu bedanken. Mein besonderer Dank gilt den Herren Prof. Dr. Udo Engelhardt, Dr. Jürgen Mittner und Dipl.-Chem. Hans Bauer, Berlin. Berlin, Juni 1978

Benno Krieg

Inhalt Allgemeine und anorganische Chemie 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Atombau und Periodensystem Chemische Bindung Zustandsformen der Materie Materie in Wechselwirkung mit thermischer, elektrischer und Strahlungsenergie Grundgesetze chemischer Reaktionen Säuren und Basen Redoxvorgänge Gleichgewichte in Mehrphasensystemen Energetik chemischer Reaktionen Kinetik chemischer Reaktionen

1 17 29 43 53 61 81 95 113 129

Struktur und Stereochemie organischer Moleküle 11 Aufbau und Reaktionstypen organischer Verbindungen 12 Strukturformeln und Nomenklatur

143 153

Grundgerüste 13 Aliphaten und Carbocyclen 14 Heterocyclen

163 179

Mono- und unifunktionelle Verbindungen 15 16 17 18 19 20 21

Amine Mercaptane und Sulfonsäuren Alkohole und Ether Phenole und Chinone Aldehyde und Ketone Carbonsäuren Funktionelle Carbonsäurederivate

185 191 195 203 209 217 225

VIII

Inhalt

Polyfunktionelle Verbindungen 22 23 24 25 26 27

Stereoisomerie polyfunktioneller Moleküle Hydroxy- und Ketocarbonsäuren Aminosäuren und Peptide Saccharide (Kohlenhydrate) Phosphorsäureester und -anhydride Komplexe

Anhang Sachregister

235 241 247 259 269 277 285 293

1 Atombau und Periodensystem 1.1 1.2 1.3 1.4

Atomkernaufbau und Radioaktivität Die Elektronenhülle Das Periodensystem der Elemente Die Periodizität einiger Eigenschaften

3 7 11 11

1 Atombau und Periodensystem Die Vielzahl der uns umgebenden Stoffe enthält 3 „Grundbausteine" (Elementarteilchen): Protonen und Neutronen (beide werden auch als Nucleonen bezeichnet) im Atomkern, sowie Elektronen, die den Atomkern umgeben (Atomhülle, Elektronenhülle). Tab. 1-1.

Bestandteile von Atomen (Elementarteilchen)

Elementarteilchen

Symbol

relative Ladung

relative

Proton | NucleNeutron j" onen

p + , p oder }H + n

+1 ±0

1 1

Elektron

e~ oder e

-1

~1(T4

Der Durchmesser eines Atoms beträgt ca. 10 10" 1 2 und 10" 13 cm.

8

absolute Masse

~10"24g ~l(T24g

cm, der des Kerns liegt zwischen

1.1 Atomkernaufbau und Radioaktivität Wir kennen ca. 300 Atomarten (Nuclide). Sie unterscheiden sich in der Nucleonenzahl oder im Verhältnis der Protonen zu den Neutronen. Die Summe aller Protonen und Neutronen heißt Nucleonenzahl oder Massenzahl. Die etwa 300 bekannten Nuclide werden nach ihren chemischen Eigenschaften in ca. 100 Gruppen (Elemente) eingeteilt. Für ein bestimmtes Element ist die Protonenzahl im Kern charakteristisch. Sie heißt Kernladungszahl oder Ordnungszahl, nach der die Elemente im Periodensystem angeordnet sind. Die zu einem Element gehörenden Atome haben also alle die gleiche Kernladungszahl, können sich aber im Neutronengehalt unterscheiden. Solche Atome mit gleicher Protonenzahl aber verschiedener Nucleonenzahl heißen Isotope

4

1 Atombau und Periodensystem

des jeweiligen Elements. Ihre Kennzeichnung erfolgt im Bedarfsfall durch Indices links neben dem Elementsymbol.

Nucleonenzahl Elementsymbol Ordnungszahl

Tab. 1-2.

Einige medizinisch wichtige Isotope Element

Isotope

Wasserstoff

}H ]H (Deuterium, „schwerer Wasserstoff") JH (Tritium, „überschwerer Wasserstoff')

Kohlenstoff

12

Phosphor

32p 15

Cobalt

2°Co

Jod

"fJ

6C

13c 6

14r< 6

131

53J

Viele Elemente finden sich in der Natur als Isotopengemisch bestimmter prozentualer Zusammensetzung. Wasserstoff und seine Verbindungen enthalten neben dem Isotop }H stets einen - geringen - Prozentsatz jH. Einige Elemente sind instabil. Als sog. Radioisotope (Radionuclide) geben sie Energie ab und wandeln sich dabei in stabile Isotope um (Radioaktivität). Solche Kernumwandlungen sind von der Aussendung von Strahlung (Abb. 1-1) begleitet. Man unterscheidet cc-Strahlung: Sie besteht aus Helium-Atomkernen (£He + + ) also doppelt positiv geladenen Teilchen; ß-Strahlung: Dabei handelt es sich um Elektronen; y-Strahlung: Energiereiche elektromagnetische Strahlung (harte Röntgenstrahlung), die keine Ladung besitzt. Die Emission von a-Strahlung (Heliumkerne, jHe"1"+) führt zur Bildung leichterer Kerne. Die Umwandlung eines Neutrons in ein Proton (Abb. 1-2) ist mit der Emission von ^-Strahlung verbunden, führt also zur Bildung eines Kerns mit höherer Ordnungszahl. Beispielsweise entstehen aus Tritiumkernen unter Abgabe von ^-Strahlung (e~) Heliumkerne (Abb. 1-3). Die Strahlungsintensität (Aktivität) eines radioaktiven Präparats nimmt allmählich ab. Die pro Zeiteinheit zerfallende Menge von Kernen ist der augenblicklich vorhandenen Gesamtzahl (N) proportional (Abb. 1-4).

i.l Atomkernaufbau und Radioaktivität

5

Abb. 1-1.

a-, ß- und y-Strahlung verhalten sich im elektrischen Feld unterschiedlich. "/-Strahlung - eine energiereiche Röntgenstrahlung - passiert das elektrische Feld unbeeinflußt. ^-Strahlung besteht aus Elektronen (e~) und wird daher zum positiven Pol abgelenkt. a-Strahlung besteht aus Heliumkernen (jHe"1""1"), die als positiv geladene Teilchen zum negativen Pol hin abgelenkt werden - wegen ihrer größeren Masse (Massenzahl 4) allerdings nur weniger stark

Abb. 1 -2.

Neutronen können sich unter Abstrahlung von Elektronen (^-Strahlung) in Protonen umwandeln. Es entsteht ein Element höherer Ordnungszahl jedoch gleicher Massenzahl

/

e~

fQp Abb. 1-3.

Tritiumkern ( j T )

Heliumkern ( ^ H e )

Kernladung 1

Kernladung 2

Beim Zerfall des Tritiumkerns unter Emission von ^-Strahlung entsteht ein Heliumisotop

6

1 Atombau und Periodensystem

N,'0 noch vorhandene Menge N

Zeit(a)

Abb. 1 - 4 .

Die Halbwertszeit eines Radionuclids ist unabhängig von der vorhandenen Stoffmenge. In diesem Zeitraum geht die Strahlungsintensität jeweils auf die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes zurück

N = N0 • e_it

N 0 = Ausgangsmenge (t = 0) t = Zeit A = Stoffkonstante

Der Zerfall folgt also einem Zeitgesetz 1. Ordnung. Die Zeit, in der die Hälfte aller ursprünglich vorhandenen aktiven Kerne zerfallen ist, heißt Halbwertszeit. Sie ist unabhängig von der Ausgangsmenge.

_ 0,693 1/2 -

p

Der Nachweis radioaktiver Strahlung gründet sich auf ihre ionisierende Wirkung In einer Ionisationskammer befindet sich ein geeignetes Gas in einem elektrischen Feld. Durch die eindringende radioaktive Strahlung wird die Gasatmosphäre infolge Ionenbildung elektrisch leitend (Abb. 1-5). Der Stromfluß löst ein optisches und/oder akustisches Signal aus (Ausschlag eines Meßgerätes, Knackgeräusch eines Geigerzählers).

1.2 Die Elektronenhülle

Fenster

7

Strahlung - Kammer

Strommeßgerät

4 Spannungsquel le Abb. 1 - 5 .

Ionisationskammer (Schema). Beim Eindringen von radioaktiver Strahlung in die mit einem verdünnten Gas gefüllte Kammer k o m m t es zum Stromfluß

1.2 Die Elektronenhülle Das Orbitalmodell. Ein Atom hat als ungeladenes Teilchen so viele Elektronen in seiner Hülle wie Protonen im Kern*. Nach dem Orbitalmodell betrachtet man die Elektronen als dreidimensional schwingende, negative elektrische Ladungen (Ladungswolke). Der Raum, der einem Elektron für seinen Aufenthalt zur Verfügung steht, wird Orbital genannt. Die Ladung ist nicht gleichmäßig über das Orbital verteilt. Anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron anzutreffen, ist nicht an allen Punkten seines Aufenthaltsraumes gleich groß (Abb. 1-6).

Abb. 1 - 6 .

ls-Orbital des Wasserstoffatoms. Die Ladungsdichte nimmt nach außen hin ab. Das rechte Bild stellt einen Schnitt durch das kugelförmige Orbital dar

* Durch Elektronenabzug bzw. Elektronenaufnahme entstehen daraus Kationen (positiv geladen) bzw. Anionen (negativ geladen).

8

1 Atombau und Periodensystem

Form und Bezeichnung der Orbitale. Die Orbitale umgeben den Kern schalenförmig. Von innen nach außen gehend werden sie als K, L, M, N...-Schale mit den Hauptquantenzahlen n = 1, 2, 3, 4... bezeichnet. Mit wachsender Hauptquantenzahl wächst der Abstand der Ladungswolken vom Kern und damit der Atomradius. Eine weitere Unterteilung erfolgt mit den Bezeichnungen s, p, d, f... Orbital („Unterschalen"). s-Orbitale besitzen Kugelform, p-Orbitale dagegen eine Art Hantelform und können drei zueinander senkrechte Lagen einnehmen: p x , p y , p z - entsprechend den drei Achsen im rechtwinkligen Koordinatensystem (Abb. 1-7).

Abb. 1-7.

Form eines p-Orbitals (oben). Schematische Darstellung der Lage der hanteiförmigen p-Orbitale im koordinaten System, sowie der Kombination von p x , p y und p z

Das BoHRsche Atommodell. Weniger leistungsfähig ist das klassische Atommodell (BOHR), das die Elektronen als punktförmige, den Kern umkreisende negative Ladungen beschreibt (Abb. 1-8). Energieinhalt der Orbitale. Die Aufenthaltsräume (Orbitale) der Elektronen entsprechen bestimmten Energieinhalten (Energieniveaus) (Abb. 1-9). Jedes Orbital kann zwei energetisch gleichwertige Elektronen aufnehmen, die entgegengesetzten Spin (Eigenrotation) besitzen Normalerweise besetzen die Elektronen die niedrigsten Energieniveaus (Grundzustand). Wasserstoff enthält also sein Elektron im ls-Niveau. Beim Helium (^He, 2 Protonen im Kern, 2 Elektronen in der Hülle) sind beide Elektronen in der ersten Schale (n = 1) untergebracht, die damit voll ist. Vom Element Lithium ab (3 Elektronen) beginnt die Auffüllung der zweiten Schale (Abb. 1-10).

1.2 Die Elektronenhülle 2.Schale

Elektron

1 . Schale

Atomkern

Li

Be

3+

Kernladung

Abb. 1-8.

Elektronenschalen und relative Atomradien einiger Elemente

¿1 E n e r g i e

4p

X + + e~

Etwas vereinfacht läßt sich sagen, daß die Ionisierungsenergie im PSE von oben nach unten abnimmt (wachsende Abschirmung des „letzten" Elektrons vom Kern durch innere Schalen) und von links nach rechts zunimmt (Abb. 1-12). Die Abtrennung eines zweiten, dritten... Elektrons (zweite, dritte... Ionisierungsenergie) erfordert erwartungsgemäß zunehmend höhere Energiebeträge. Die mit der Aufnahme eines Elektrons durch ein Element verbundene Energie

12

1 Atombau und Periodensystem

1.4 Die Periodizität einiger Eigenschaften

13

(X + e~ —»X~ + Energie) heißt Elektronenaffinität. Sie ist am größten bei den Halogenen, etwas kleiner bei den Chalkogenen (6. Gruppe). Die links stehenden Elemente bilden keine negativ geladenen Ionen. Die Elektronegativität (EN) eines Atoms ist ein Maß für seine Fähigkeit in einer kovalenten Bindung Elektronen anzuziehen. Sie nimmt von links nach rechts (wegen steigender Kernladung) und von unten nach oben (wegen sinkenden Durchmessers) zu (Abb. 1—12 und 1-13).

Atom-und Ionenradien

Ionisierungsenergie

r

Abb. 1-12.

r

Elektronen affin ität

Elektronegativität (EN)

r

r

Metall charakter

r

Schema zur Illustration einiger Eigenschaftsänderungen A (•): Zunahme (Abnahme) innerhalb einer Gruppe von oben nach unten. M ( • ) : Zunahme (Abnahme) von links nach rechts innerhalb einer Periode

1

2

3

4

Abb. 1-13.

Elektronegativität einiger Hauptgruppenelemente

Abb. 1-11.

Periodensystem der Elemente. Biochemisch wichtige Elemente sind farbig markiert

14

1 Atombau und Periodensystem

Die hohe Elektronegativität des Chlors gegenüber dem Wasserstoff macht zum Beispiel verständlich, daß sich im Molekül H —C1 das bindende Elektronenpaar nicht in der Mitte sondern näher beim Chlor befindet. 6+

i-

H - C1

Die Elemente des PSE lassen auch eine periodische Änderung des metallischen Charakters erkennen. Links stehen die Metalle (gute Stromleiter), rechts die Nichtmetalle (Isolatoreigenschaften) zwischen ihnen die sog. Halbmetalle. Die Übergangselemente sind ausnahmslos Metalle. Ein weiterer Begriff zur Charakterisierung von Elementen ist die Oxidationszahl, die nach folgenden Regeln gefunden wird. 1. Bei Elementen ist sie Null (z.B. im Cl2). 2. Die Oxidationszahl eines Ions ist gleich seiner Ladung (im Natrium-Ion z. B. + 1, im Chlorid-Ion —I). 3. Liegt eine kovalente Bindung vor, so werden die Bindungselektronenpaare formal voll dem Partner höherer Elektronegativität zugeordnet. Die dadurch rechnerisch (nicht wirklich) auftretenden Ladungen sind dann die Oxidationszahlen (Abb. 1-14). Analog verfährt man bei Molekülionen. Im Sulfation z.B. besitzen die Sauerstoffbausteine formal die Ladung —II, der Schwefel +VI (Abb. 1-14).

Molekül /Ion :CI: CC H (:Cl:) H (:Ö:)H 2~ Ü 11 OJ " | Oj! S {| Oj fr* _ Abb. 1-14.

Oxidationszahl C1±0 H+I Cl-I H + I 0 -I S +21 0 - 1

Um die Oxidationszahlen der an einer Bindung beteiligten Elemente zu ermitteln, werden die Bindungselektronenpaare formal den Elementen höherer Elektronegativität zugeordnet (zwei Punkte oder ein Strich am Elementsymbol repräsentieren hier ein Elektronenpaar)

Die Abb. 1-15 zeigt, wie sich die von den Elementen der Hauptgruppen bevorzugten Oxidationszahlen periodisch ändern.

1.4 Die Periodizität einiger Eigenschaften

H

He

Li

Be

C

B

N

0

F

Ne

Mg Si S Ar Ca Na AI P Cl K

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 1516 17 18 19 20 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 -3



•g••

• t:

••

II

••

91

•I ••

Abb. 1-15.



•R

••

1••

••

••

•1

•• 1• a i• •

1• •8



1





• 11

• 1••

••

I



•i ••

1

Bevorzugte Oxidationszahlen von Elementen

i•

c.

tlement

Ordnungszahl

2 Chemische Bindung 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Allgemeines Die Atombindung Die ionische (polare, heteropolare) Bindung Die metallische Bindung Van der Waals-Kräfte und Wasserstoffbrücken Hydrophobe Wechselwirkung Bindungsenergien

19 20 24 25 25 27 27

2 Chemische Bindung 2.1 Allgemeines Der Ausdruck „chemische Bindung" kennzeichnet die Tatsache, daß zwischen Atomen, Ionen und Molekülen Anziehungskräfte auftreten können. Die einzelnen Bindungstypen werden unten beschrieben. In der Natur finden sich vielfach Übergänge zwischen ihnen. Ein Maß für die Festigkeit einer Bindung ist ihre Bindungsenergie. Das ist der Energiebetrag, der bei der Bildung der Bindung frei wird (s. Kap. 2.7). Bei der Bildung von Verbindungen aus Elementen verändert sich die Situation in den Elektronenhüllen der Reaktionspartner. Die chemische Reaktion führt zu einer stabileren (energetisch begünstigten) Anordnung der Elektronen. Bei Reaktionen der Hauptgruppenelemente sind ausschließlich Elektronen der äußeren Schale beteiligt, bei Übergangselementen auch solche der „vorletzten" Schale. Die Besetzung der Außenschalen mit Elektronen wird häufig durch Punkte (ein Elektron) bzw. Striche (Elektronenpaar) symbolisiert. Beispiel: :Cl-

oder

Elektronen (mit antiparallelem Spin) Elektron

Einen besonders stabilen Zustand besitzen die Edelgase - beim Helium 2 Elektronen auf der Außenschale, bei den übrigen Edelgasen 8 Elektronen (Edelgaskonfiguration, s 2 p 6 ). Diese Elemente gehen deshalb nur in Ausnahmefällen chemische Reaktionen ein und finden sich in der Natur atomar. Viele chemische Reaktionen lassen sich verstehen durch die Regel, daß die Elemente dabei Edelgaskonfigurationen zu erreichen suchen (Oktettregel, gilt nicht streng). Das geschieht - je nach Reaktionspartner - auf verschiedenen Wegen. Die Summenformel macht eine Angabe über die Zusammensetzung einer chemischen Verbindung. Sie genügt nur in einfachen Fällen. Ein genaueres Bild liefert die Strukturformel, in der die räumliche Anordnung der Atome berücksichtigt wird. Zur Veranschaulichung dienen Molekülmodelle (Abb. 2-1).

20

2 Chemische Bindung

Abb. 2-1.

Zusammensetzung und Bau von Molekülen. Die Striche zwischen den Atomen symbolisieren Atombindungen. Die rechts stehenden Modellbilder lassen auch die Raumerfüllung der Moleküle erkennen

2.2 Die Atombindung In einem H-Atom hält sich das Elektron in einem kugelsymmetrischen Atomorbital auf. Bei genügender Annäherung eines zweiten H-Atoms kommt es zu einer Überlappung der beiden Atomorbitale und es entsteht ein Molekülorbital. Das System besitzt jetzt ein Energieminimum, es ist eine Atombindung (Kovalenzbindung, Elektronenpaarbindung, homöopolare Bindung) entstanden (Abb. 2-2). Sie ist rotationssymmetrisch («r-Bindung), d.h. die Partner sind gegeneinander drehbar. Ähnlich läßt sich die Bildung anderer Moleküle verstehen (Abb. 2-2). H- + H

->

H—H

|Cj- + cjl — I C i - g i H- + Cj| - >

H—C]|

(1 s/1 s-Überlappung) (3p/3p-Überlappung) (1 s/3p-Überlappung)

In Molekülen mit Mehrfachbindungen, z.B. im N 2 -Molekül mit einer a- und zwei ^-Bindungen (Abb. 2-2) |N' + -N| — | N = N |

ist die freie Drehbarkeit aufgehoben (vgl. auch Kap. 11). Durch „gemeinsame Benutzung der Bindungselektronen" erlangen jeweils beide Bindungspartner Edelgaskonfiguration. Die Elektronenladung ist in Molekülen

2.2 Die Atombindung

O O - O D

21

o o o o o o

s/s ( o o o o c o p/p(ö-Bindung)

Abb. 2-2.

p/p(jr-Bindung)

Einige Möglichkeiten der Überlappung von Atomorbitalen bei der Bildung von Atombindungen

symmetrisch verteilt, wenn beide Partner die gleiche Elektronegativität (EN) haben (z. B. in H 2 ). Das H 2 0-Molekül läßt sich aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen aufbauen.

.H

H

H

=

H-Ö-H

Im Gedankenexperiment läßt sich dieser Vorgang in mehrere Teilschritte zerlegen. Das Sauerstoffatom geht zunächst aus dem Grundzustand über einen angeregten Zustand in den sogenannten Valenzzustand über: Aus dem 2s- und den drei 2p-Orbitalen entstehen vier gleichwertige sp3-Hybridorbitale (Abb. 2-3), die (annähernd) in die vier Ecken eines Tetraeders gerichtet sind (Abb. 2-4). Die zwei einfach besetzten können nun jeweils ein Elektron des Wasserstoffs aufnehmen unter Knüpfung einer er-Bindung (s/sp 3 -Überlappung).

2s

wt t

m 2p

BD Grundzustand

Abb. 2-3.

2s

1s

Mt M E 02 a n g e r e g t e r Zustand

SP

1s

MH t t

BS sp

-Hybridzustand

Schema der Bildung eines sp 3 -Hybrids am Beispiel des Sauerstoffs (Gedankenexperiment). Aus dem Grundzustand mit einem doppelt besetzten 2s-Orbital tritt zunächst ein 2s-Elektron in eines der beiden einfach besetzten 2p-Orbitale über (angeregter Zustand). In einem Folgeschritt werden alle vier Orbitale energetisch gleichwertig. Sie sind nun weder s- noch p-Orbitale, sondern sp 3 -Hybridorbitale

22

2 Chemische Bindung

Die vier Orbitale eines sp 3 -Hybrids weisen in die Ecken eines Tetraeders. Beim Sauerstoff sind zwei davon nur mit jeweils einem Elektron besetzt, sie überlappen bei der Wasserbildung mit je einem Wasserstoffatom (s/sp 3 -Überlappung, A : D

(oder A • E 0 ) unter Abstrahlung des Energiebetrages AE = E, — E 0 statt. Auch zwischen anderen Orbitalen können analoge Elektronenübergänge ablaufen.

der Einwirkung von ultraviolettem Licht oder von elektrischen Entladungen aus Sauerstoff Ozon. 30 2

^ ^ 2 0

3

Das eigentümlich riechende Ozon, das bei Raumtemperatur allmählich wieder zerfällt (Rückreaktion), ist ein starkes Oxidationsmittel und wird zur Desinfektion benutzt. In größeren Konzentrationen wirkt es giftig. In der Biosphäre findet unter dem Einfluß des Sonnenlichts die Bildung von Kohlenhydraten aus C 0 2 und H z O statt. n C02 + n H20

C n (H 2 0) n + n 0 2

Bei diesem Assimilation oder Photosynthese genannten Prozeß der Bildung von (gegenüber den Ausgangsprodukten) energiereichen Kohlenhydraten wirkt der grüne Pflanzenfarbstoff Chlorophyll mit. Er absorbiert die Strahlung und gibt die Anregungsenergie dann weiter an eine Kette komplizierter chemischer Reaktionen. Im menschlichen und tierischen Organismus findet unter Freisetzung des gleichen Energiebetrages (Wärme, Muskelarbeit usw.) der umgekehrte Prozeß statt. Das Kohlendioxid wird über die Lunge ausgeschieden.

4.2 Spektralanalyse Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Untersuchung von Energieaufnahme und -abgabe.

4.3 Spektren

47

1. Die Emissionsspektroskopie. Man beobachtet dabei die emittierte Strahlung. Ihre Wellenlänge gestattet Rückschlüsse auf die Anwesenheit bestimmter Atome (Linienspektren bei Metallen) oder Moleküle (unstrukturierte, breite Fluoreszenzspektren). 2. Die Absorptionsspektroskopie. Hierbei wird ermittelt, bei welcher Wellenlänge Absorption auftritt. Nur jene Strahlung wird aufgenommen, deren Energieinhalt der Differenz AE entspricht (Quantelung). Zur Beobachtung von Linienspektren (z. B. bei Alkalien) genügt ein einfaches Spektroskop. Die Absorption von Substanzen (meist in Lösung) wird in einem Spektralphotometer gemessen, das auch mit einem Linienschreiber gekoppelt sein kann (Spektrograph). Aufbau und Funktion eines Spektrographen. Aus dem weißen Lichtstrahl einer geeigneten Strahlungsquelle wird mit Hilfe eines Monochromators eine bestimmte Wellenlänge ausgesondert. Der nun monochromatische Strahl durchläuft jetzt die betreffende Substanz (Lösung), die sich in einer Küvette befindet. In einem dahinter befindlichen Empfänger wird die Strahlungsintensität gemessen und mit der eines Vergleichsstrahls - der nur das reine Lösungsmittel durchlaufen hat - verglichen. Mit Hilfe eines Schreibers wird die von der Probe durchgelassene Strahlungsintensität in Abhängigkeit von der Wellenlänge oder Wellenzahl aufgezeichnet. So entsteht ein Spektrum. Vergleichsprobe

Abb. 4-2.

Detektor

Bauschema eines Spektrographen

4.3 Spektren Viele Kenntnisse über den Aufbau von Atomen, Molekülen und Ionen stammen aus Spektren. In der folgenden Abbildung sind einige für solche Untersuchungen wichtige Strahlungsbereiche gekennzeichnet.

48

4 M a t e r i e in W e c h s e l w i r k u n g m i t t h e r m i s c h e r , e l e k t r i s c h e r u n d S t r a h l u n g s e n e r g i e

10 2

103

_1

I

3-10 12

[cm ]

104

I

Wellenzahl

[Hz]

3-10 18

3-10'

10"3 1CT4 10~5 10"6 10"7 10'8 1(T9 10"'° 10H1 Im3 1mm

Wel lenlänge X

1nm 1Â

lpm

Röntgenstrahlen ( y - S t r a h l e n ) Ultraviolett

• Infrarot

i sichtbares Licht rot

800

Abb. 4 - 3 .

1 1

violett

orange gelb grun blau

700

600

[n m]

400

500

Wellenlänge X

Strahlungsbereiche

Emissionsspektren von Alkalien und Erdalkalien enthalten eine oder mehrere Linien im sichtbaren Bereich. Man kann sie beobachten, wenn man die beim Erhitzen von Alkali- oder Erdalkalisalzen in der offenen Flamme entstehende Flammenfärbung durch ein Spektroskop betrachtet (Abb. 4-4).

Wellen|ïn„ lange

o o o o o o o o in o ir> o ao c-- cd 2~C1~

|x2

2Na + C l 2 - » 2 N a + C r

Redoxgleichung

Umsetzung von Na (Metall) mit Säuren Na-e" — Na+ +i 2H + 2e~ — H,

|x2

2Äa + 2 H + —• 2 N a + + H 2

Redoxgleichung

Knallgasreaktion H 2 — 2e~ —> 2 H ' + O

|X2

-II

0 2 + 4e~

20

O

+I-II

2H 2 + 0 2 —• 2 H 2 0

Redoxgleichung

Umsetzung von M n 0 4 mit Fe + + in saurer Lösung +vn . MnO^ + 8H + 5e~ +11 Fe + + — e~ +VII

+11

MnO^ + 5 Fe

+ 8H

+11 x — Mn+++4H20 -1- in -> Fe + + + ,

+11^

— Mn

++

+IIIJ.J. 4 ++

+ 5Fe "

|x5 + 4H20

Redoxgleichung

Wasserstoffperoxid (H 2 0 2 ) kann sowohl oxidiert als auch reduziert werden - je nach Reaktionspartner. Aus den beiden Redoxpaaren wird auch die bei der ZerH—O—O—H - 2e~ 2 H + + H—Q—¿—H + 2e~ -1 2H202

t> 2 + 2H + 2H 2 Ö -11 2H20 + 0 2

Setzung des Wasserstoffperoxids stattfindende Bildung von Sauerstoff und Wasser verständlich. Dabei oxidiert bzw. reduziert jeweils ein Molekül H 2 0 2 ein zweites.

86

7 Redoxvorgänge

7.3 Redoxpotentiale Die unedlen Metalle (z. B. Na, Mg, Fe) entwickeln mit Säuren elementaren Wasserstoff. Das Metall wird oxidiert, die H + -Ionen werden reduziert. Mg—2e~

—> M g + +

(Redoxpaar 1)

+

2 H + 2e~ —> H 2 (Redoxpaar 2) Mg + 2 H + Mg++ + H 2

Die edleren Metalle Cu, Ag, Hg, Au reagieren mit Säuren nicht unter H 2 -Entwicklung. Die relative „Stärke" der Reduktionsmittel (hier Metalle) ist offenbar verschieden. Dies zeigt auch ein anderer einfacher Versuch. Taucht man ein Zinkblech in eine C u + + - I o n e n enthaltende Lösung, so scheidet sich metallisches Kupfer auf der Zinkoberfläche ab, die dazu nötigen Elektronen stammen von Zinkatomen, Zinkionen treten dabei in die Lösung über. Cu + + + 2 e " Zn — 2e~ Cu

++

+Zn

Cu

(Redoxpaar 1)

—>Zn++ —• Cu + Z n

(Redoxpaar 2) + +

Die Tendenz zum Elektronenaustausch läßt sich messen, indem man die beiden Redoxpaare räumlich voneinander trennt und elektrisch leitend miteinander verbindet - unter Zwischenschaltung eines Voltmeters. Eine poröse Wand

Abb. 7-1.

Galvanisches Element aus den beiden Halbelementen Zn/Zn + + und Cu/Cu + + . Die Elektronen fließen im äußeren Stromkreis von der Zinkelektrode zur Kupferelektrode. Metallisches Zink löst sich auf, metallisches Kupfer scheidet sie ab, (S = poröse Wand, Diaphragma; V = Voltmeter)

7.3 Redoxpotentiale

87

(j) zwischen beiden Halbzellen verhindert die Durchmischung der Lösungen (s. Abb. 7-1). Die Kombination Zn/Zn + + j Cu + + /Cu bildet eine Zelle (Kette, galvanisches Element). Die Elektronen können jetzt nur über den äußeren Stromkreis vom Zn zum Cu + + drängen. Daher wird am Voltmeter eine Spannung gemessen. Das heißt: Zwischen dem Metall und der Lösung seiner Ionen bildet sich jeweils ein Redoxpotential aus, das einzeln nicht meßbar ist; die Potentialdifferenz zwischen beiden kann jedoch in einer galvanischen Zelle gemessen werden, sie heißt elektromotorische Kraft (EMK, Symbol E) (stromlose Messung). Man hat sich geeinigt, alle Redoxpotentiale auf eine standardisierte Halbzelle zu beziehen, nämlich auf die Normalwasserstoffelektrode, deren Redoxpotential willkürlich als Null festgelegt wurde.* Die Normalwasserstoffelektrode besteht aus einer 1 M wäßrigen Säurelösung ( [ H 3 0 + ] = 1 mol • l" 1 ) von 25°C, in die ein von H 2 -Gas (1,013 bar = 1 atm) umspültes Platinblech taucht (Abb. 7-2). Kombiniert man diese Halbzelle mit einer anderen unter Standardbedingungen (z.B. Zn/1 M Z n S 0 4 , 25°C, Abb.7-2), dann liefert die Messung das sogen. Normalpotential (Symbol E°). In diesem Falle ist E = E°. Ein Platinblech ist als Elektrode (Ort des Elektronenaustauschs) auch bei ande-

(1atm)

Pt

I IM HCl 25°C

Abb. 7-2.

S

I I

Zn

-L

1M ZnS0A 25°C

Eine Normalwasserstoffelektrode (linke Hälfte) besteht aus einer H 2 -umspülten Platinelektrode in 1M Säure bei 25 °C. Kombiniert man sie mit einer anderen Halbzelle unter Normalbedingungen, z.B. einem Zinkhalbelement (rechte Hälfte), so mißt man mit dem Voltmeter (V) das.Normalpotential

* In Analogie zu Höhenangaben, für die die Höhe des Meeresspiegels als Nullpunkt gilt.

88

7 Redoxvorgänge

ren Nichtmetall-Redoxpaaren (z.B. M n 0 4 /Mn + + ) und bei Ionenumladungen (z. B. Fe + + / F e + + + ) geeignet. Ordnet man die Redoxpaare nach zunehmender Oxidationskraft der „Ox-Stufe", d. h. nach abnehmender Reduktionskraft der „Red-Stufe", erhält man die elektrochemische Spannungsreihe (Redoxreihe s. Tab. 7-2). Redoxpaare mit negativem Normalpotential geben Elektronen ab, wenn sie mit der Normalwasserstoffelektrode kombiniert werden, d. h. sie wirken gegenüber dem System H/H + reduzierend. Diese Metalle liefern also mit Säuren elementaren Wasserstoff. Das Redoxpaar C u / C u + + dagegen gibt an Protonen keine Elektronen ab. Kupfer(metall) gibt daher mit Salzsäure keine H 2 -Entwicklung. Das gleiche gilt für die noch edleren Metalle Silber, Gold, Platin sowie für das Quecksilber. Unedle Metalle Na

Mg

Zn

Fe

H

+

+ H : H 2 -Entwicklung

Tab. 7-2.

Halbedelmetalle

Edelmetalle

Cu

Au

Ag

Hg

PI

+

+ H : keine Redoxreaktion

Normalpotentiale von Redoxpaaren (Redoxreihe)

Redoxpaar „Red-Form" „Ox-Form" +

Na^±Na +e" Mg^Mg Zn ^ Fe

+ +

E [V] -2,71

+2e"

-2,40

Zn +2e~ Fe + + + 2e~

-0,76 -0,44

++

H2 ?± 2H+ + 2e Cu — C u

++

+2e"

ÖÖÖ +0,35

2 J ~ ^ ± J 2 + 2e~ Hydrochinon Chinon + 2 H + + 2 e ~ ++ Fe ^ Fe + + + + e " + ++ 4 H 2 0 + Cr CrO¡- + 8 H + + 3 e " 7 H 2 0 + 2Cr+ + + C r 2 O r + 14H + + 6e" 2Cl" ^ Cl 2 + 2 e " + 1 , 3 6

+0,58 +0,70 +0,75 +1,30 +1,33

4H20 + Mn++ ^

+1,51

MnO¡ + 8 H + 5 e "

Aus der Tab. 7-2 läßt sich leicht errechnen, welche Potentialdifferenz man jeweils beim Kombinieren zweier Halbzellen unter Standardbedingungen erhält. Dazu zieht man das Normalpotential des schwächeren Oxidationsmittels vom Normalpotential des stärkeren Oxidationsmittels ab (Ej — EJ = AE°). Für das Kupfer-Zink-Element ergibt sich so der Wert 1,1V:

7.4 Konzentrationsabhängigkeit des Redoxpotentials E°(Zn/Zn + + ) = - 0,76 V

89

E°(Cu/Cu + + ) = + 0,35 V

AE°(Zink-Kupfer-Element) = 0,35 V - ( - 0,76 V) = 1,1 V (Abb. 7-3).

Abb. 7-3.

Berechnung der Potentialdifferenz am Beispiel des Cu-Zn-Elements

7.4 Konzentrationsabhängigkeit des Redoxpotentials Liegen in einer Halbzelle die Ox-Stufe und die Red-Stufe nicht in der gleichen Konzentration (1M) vor, so weicht das Potential E von dem in Tab. 7-2 angegebenen Wert ab, d. h. E + E°. Diese Abweichung läßt sich nach der NERNSTSchen Gleichung* berechnen.

E= E

0,059 . l g I O x L [Red]

NERNSTsche G l e i c h u n g

Einfluß der Konzentrationen des Redoxpaares Red ^ Ox + ne~ E = errechnetes Potential E° = Standardpotential des Redoxpaares (Tabellenwert) n = Anzahl der ausgetauschten Elektronen beim Übergang von Ox ^ Red

* In der Form °

R-T-2,303 n•F

B

[Ox] [Red]

R = Allgem. Gaskonstante, T = absol. Temperatur, F = FARADAY-Konstante wird auch der Einfluß der Temperatur deutlich.

90

7 Redoxvorgänge

Beispiel:

Wie groß ist das Potential E des Redoxpaares F e + + / F e + + + (bei 25 °C) für [ F e + + ] = KT 1 mol • l" 1 und [ F e + + + ] = 1 mol • l" 1 ?

E = + 0,75 + (0,059 • lg 10) = + 0,75 + (0,059 • 1) [V] E = 0,809 [V]

Die Oxidationskraft des Redoxpaares F e + + / F e + + + läßt sich also erhöhen durch Verringerung der [ F e + + ] und/oder Erhöhung der [ F e + + + ] und umgekehrt. Eine Änderung des Verhältnisses Ox:Red um den Faktor 10 bewirkt allgemein eine Änderung des Redoxpotentials um 0,059/n Volt. Wenn die Konzentrationen an oxidierter und reduzierter Stufe gleich sind, wird das logarithmische Glied der Gleichung Null. l g

p § ]

= l g l = 0

b d

[Ox] = [Red]

Auch unter diesen Bedingungen ist E = E°. Kombiniert man zwei Halbzellen gleicher Art mit jeweils gleichen Konzentrationsverhältnissen miteinander, so ist natürlich E 2 — E ^ O , d.h. es ist keine

1'

Fe3+

Fe 2+

[Fe 3 + ]>[Fe 2 + ]

Abb. 7-4.

er

pt

Fe3+

Fe2+

[Fe 3 + ] C , >C2 > ....

Abb. 8 - 3 .

Schema zur Mehrfach-Extraktion. Der Stoff A, in Wasser gelöst (Konzentration ist C 0 ), geht zu einem Teil in die CHC1 3 -Phase. Die Konzentration von A in Wasser geht dabei von C 0 auf einen kleineren Wert C , zurück. Erneutes Extrahieren der so entstandenen Phase (mit [A] = C J mit frischem CHC1 3 senkt [ A ] ( H 2 0 ) auf den Wert C 2 usw.

Liegen zwei Stoffe (A u. B) in Wasser gelöst vor, so läßt sich bei unterschiedlicher Größe der K-Werte einer der beiden bevorzugt extrahieren. (Trennung der beiden Stoffe A und B bei mehrfacher Wiederholung der Verteilung mit jeweils frischem Extraktionsmittel). Verteilungsgleichgewichte von Stoffen zwischen zwei Flüssigkeiten haben für Transport und Aufenthalt von Substanzen im Organismus große Bedeutung. Medikamente z. B., die ihre Wirksamkeit im Nervengewebe entfalten sollen, sollten eine gewisse Löslichkeit in lipophilen Phasen besitzen, um aus der wäßrigen Phase (Blut) in das fettreiche (lipophile) Nervengewebe hinüberwandern zu können.

102

8 Gleichgewichte in Mehrphasensystemen

8.4 Chromatographie Gleichgewichte zwischen zwei Phasen spielen auch eine Rolle bei der Chromatographie, einer Methode zur Trennung homogener Substanzgemische. Den vielen heute bekannten Varianten dieser Methode ist gemeinsam, daß eine bewegliche (imobile) Phase an einer unbeweglichen (stationären) Phase vorüberströmt. Die mobile Phase ist entweder flüssig (Flüssigkeitschromatographie) oder gasförmig (Gaschromatographie). Die stationäre Phase kann ein Feststoff sein oder eine dünne am Feststoff haftende (adsorbierte) Flüssigkeitsschicht, im letzteren Fall ermöglichen unterschiedliche Verteilungskoeffizienten der Komponenten c A (stationäre Phase) c A (mobile Phase)

=

^

^ A

B

_ c B (stationäre Phase) ~~ c B (mobile Phase)

eine Trennung (Verteilungschromatographie). Die Trennwirkung einer festen stationären Phase beruht auf unterschiedlicher Adsorption der verschiedenen Komponenten der Probe (Adsorptionschromatographie). Häufig sind beide Effekte im Spiel. Unterschiede in Verteilungs- und/oder Adsorptionskoeffizienten bewirken, daß die einzelnen Komponenten des zu trennenden Gemisches von der mobilen Phase verschieden schnell mitgeführt werden. Es resultieren also unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeiten der Gemischkomponenten. Säulen- und Dünnschichtchromatographie. Die Flüssigkeitschromatographie wird in vielerlei Varianten durchgeführt. Während die Säulenchromatographie (SC) zur Substanztrennung in präparativem Maßstab dient, findet die Dünnschichtchromatographie (DC) vornehmlich in der Analytik Anwendung. Mit ihrer Hilfe läßt sich schnell feststellen, ob eine Probe aus mehreren Komponenten besteht oder einheitlich ist (Reinheitsprüfung). Man benötigt dazu nur wenige Mikrogramm (1 (ig - 0,001 mg - 10" 6 g). Die Wanderungsgeschwindigkeit einer Substanz läßt sich durch den sogenannten R F -Wert ausdrücken, das ist der Quotient aus dem Substanz-Wanderungsweg und dem Lösungsmittel-Wanderungsweg (Abb. 8-5). Entfernung Startlinie-Substanzzone Entfernung Startlinie-Lösungsmittelfront

Die R F -Werte liegen also zwischen Null und Eins und sind für schnell wandernde Stoffe größer als für langsam wandernde.

8.4 Chromatographie

103

Ionenaustausch. Ionenaustauscher sind Feststoffe, die aus einer Lösung Ionen (A) binden und dafür eine äquivalente Menge anderer Ionen (B) an die Lösung abgeben. Für den Gleichgewichtszustand gilt hier K _ CA ( a m Austauscher) c A (in der Lösung)

mobile Phase

Stoffe A + B y (Lösung)

Säulenfüllung (stationäre Phase)

Abb. 8-4.

Gemischtrennung durch Säulenchromatographie (a). Das Gemisch (A + B) wird in möglichst konzentrierter Lösung auf den oberen Teil der stationären Phase gebracht. Nach Öffnen des Hahns und Zufuhr von frischem Lösungsmittel strömt die mobile Phase langsam durch die locker in der Säule liegende stationäre Phase. A und B wandern unterschiedlich schnell mit. B verläßt (als Lösung) die Säule zuerst. Dünnschichtchromatographie (b) (Abb. 8-4b, siehe S. 104). Die stationäre Phase befindet sich in dünner Schicht auf einer Trägerplatte (z. B. Glas). In der Nähe des unteren Randes werden einige Tropfen Probenlösung aufgebracht und nach dem Verdunsten des Lösungsmittels die Platte in einen verschließbaren Behälter gestellt. Die an dessen Boden befindliche mobile Phase wandert in der lockeren Schicht langsam aufwärts, A und B wandern verschieden schnell. Farblose Substanzen können am Schluß durch verschiedene Verfahren sichtbar gemacht werden

104

8 Gleichgewichte in Mehrphasensystemen

b)

Lösungsmittel front \ (Versuchsende) stationäre Phase

O CD CD

C5

CD

A+B

A

B

CD --B

C3

- -A

1

Start-

mobile Phase

Abb. 8-4b.

^Lösungsmittel front (Versuchsende)

Lösungsmittelwanderungsweg Substanzwanderungsweg

i

Abb. 8 - 5 .

Illustration der R F -Wert-Berechnung

Als Austauscher geeignet sind Stoffe, die an einem polymeren Gerüst (Matrix) ionische Gruppen tragen. Nur deren Gegenionen sind beweglich und damit austauschbar (s. Abb. 8-6). Ein Kationenaustauscher „in der sauren Form" (H + -Form) nimmt aus einer NaCl-Lösung die Metallionen auf und gibt dafür eine äquivalente Menge Protonen an die Lösung ab. Durch Nachschalten eines Anionenaustauschers in der OH - -Form läßt sich auch das Cl _ -Ion aus der Lösung entfernen. Für das Natriumchlorid hat sich damit eine äquivalente Menge Wasser gebildet. (Verfahren zur Wasserentsalzung) (Abb. 8-7). In der „Salzform" vorliegende - erschöpfte - Ionenaustauscher lassen sich durch Behandeln mit starken Säuren bzw. Laugen wieder regenerieren.

8.4 Chromatographie Tab. 8 - 2 .

Varianten chromatographischer Verfahren

1. Flüssigkeitschromatographie 1.1 Säulen- (SC)

Stationäre Phase

Mobile Phase

Feststoffteilchen, z. B. S i 0 2 , A 1 2 0 3 , Cellulose

Lösungsmittel z. B. Butanol, Essigsäure, Wasser oder Mischungen aus ihnen

1.2 Dünnschicht- (DC)

wie bei 1.1, in dünner Schicht

1.3 Papier-

Sauglahiges Papier

1.4 Gel- (Gelfiltration)

Hochmolekulare Stoffe mit Hohlräumen

1.5 Ionenaustausch

Hochmolekulare Stoffe mit ionischen Gruppen

Wasser

Feststoffteilchen oder hochsiedende Flüssigkeiten als Film auf festen Partikeln, meist geheizt

Trägergas, z. B. He, Ar

2. Gaschromatographie (GC)

/

/

/

V-SO3-+

Kation


• CH3 + H C I

CH 3 - + Cl—Cl

} „ > Kette >• CH 3 —Cl + Cl usw. J

CH3 + CI

• CH 3 —Cl

Kettenabbruch

* lipophil = hydrophob, beide Ausdrücke werden synonym gebraucht. ** parum affinis: wenig reaktionsfähig.

13.3 Eigenschaften und chemische Reaktionen

175

Trichlormethan (CHC13, Chloroform) hat narkotische Wirkung, Chlorethan (CH3—CH2C1, Ethylchlorid) findet in der Zahnmedizin als Lokalanästhetikum Verwendung, N-Lost (s. bei Aminen) ist ein Hautgift. Alkene und Cycloalkene Reaktiver als Alkane sind die Alkene. Sie addieren leicht geeignete Partner unter Verlust der Doppelbindung(en).

X

\ /

C = C

/ \

+ XY

I I c-cI I

(summarisch)

Y

Die Umkehrung solcher Reaktionen, die unter bestimmten Bedingungen gelingt, führt zum Alken zurück (Eliminierang). Bromaddition. Durch Anlagerung von elementarem Brom an ein Alken entsteht das entsprechende 1,2-Dibromalkan. Alken + Br2

—> Dibromalkan Br

CH 2 =CH—CH 3 + Br2 — CH 2 —CH—CH 3

I

Br

Hydratisierung / Dehydratisierung. Die Addition von Wasser (Hydratisierung*) an ein Alken ergibt einen Alkohol, umgekehrt entstehen aus Alkoholen durch Dehydratisierung Alkene (Eliminierang). Alken + H 2 0 CH2=CH2 + H 2 0

Alkanol CH 3 —CH 2 —OH

Solche Reaktionen werden H + -katalysiert durchgeführt. Hydrierung/Dehydrierung.** Auch die Addition von Wasserstoff an eine Doppelbindung (Hydrierung) erfordert einen Katalysator, da die H—H-Bindung eine hohe Bindungsenergie besitzt (435 kJ • mol -1 ). Man erhält das entsprechende Alkan. * Hydratisierung bei Alkenen beinhaltet Bindungslösung und -knüpfung, im Gegensatz zum Begriff Hydratisierung bei Lösungsvorgängen, wo die Anlagerung des Dipols Wasser gemeint ist. ** Auch als Hydrogenierung bzw. Dehydrogenierung bezeichnet.

176

13 Aliphaten und Carbocyclen (Kohlenwasserstoffe) Alken + H 2

Katalysator

^ CH3-CH3

C H 2 = C H 2 + H2

Die Hydrierung entspricht in der Bilanz einer Reduktion (H 2 = 2 H + + 2e~). Eliminierung von Wasserstoff aus Kohlenwasserstoff - Dehydrierung - liefert ein Alken. Polymerisation. Alkene können auch miteinander reagieren. Diese Selbstaddition heißt Polymerisation. Sie dient zur Herstellung hochmolekularer Produkte (Kunststoffe). n • Alken + n • Alken

—» Polyalken ( = Alkan)

n • C H 2 = C H 2 + n • C H 2 = C H 2 -> - C = 0 ) ; vor allem aber enthält das durch Protonenverlust entstehende Carboxylatanion zwei gleichartig gebundene Sauerstoffatome, weshalb es zu einer gleichmäßigen Verteilung der Ladung zwischen beiden kommt (Stabilisierung des Anions durch Elektronendelokalisierung). In den sehr viel weniger aciden Alkoholen fehlen beide Merkmale.

,01 R-C

M-h

-H+ +h+

„Ol R-C

\-e Ol

R -C

Ol

.01 R-C'. Ol

* Die aliphatischen (unverzweigten) Monocarbonsäuren werden unter dem Begriff Fettsäuren zusammengefaßt, da sich einige von ihnen aus Fetten gewinnen lassen.

220

20 Carbonsäuren

E n t h ä l t d e r R e s t R A t o m e m i t E l e k t r o n e n s o g ( - I - E f f e k t ) , so ist die A b l ö s u n g des P r o t o n s erleichtert, d e r p K s - W e r t liegt niedriger. I n dieser R i c h t u n g w i r k e n die S u b s t i t u e n t e n — O H u n d — C l b e s o n d e r s a b e r — N H 3 ] + . S u b s t i t u e n t e n m i t Elekt r o n e n s c h u b (Alkylreste) h a b e n eine a c i d i t ä t s s c h w ä c h e n d e ( b a s i z i t ä t s e r h ö h e n d e ) W i r k u n g (Tab. 2 0 - 1 ) .

H - COOH

Ameisensäure (Formiat) Mefhansäure

CH3-COOH

Propionsäure (Propionat) Propansäure,

CH3—CH2—COOH

Ethancarbonsäure

Essigsäure ( A c e t a t ) Ethansäure, M e t h a n c a r b o n s ä u r e

CH3-CH2-CH2-COOH

Buttersäure (Butyrat) Butansäure,

Propancarbonsäure

CH 3 -(CH 2 ) K -COOH

Palmitinsäure ( P a l m i t a t )

CH3-(CH2)16-COOH

Stearinsäure (Stearat)

CH 3 -(CH 2 ) 7 -CH = CH - (CH 2 ) 7 - COOH COOH

Ölsäure (Oleat) (eis-Form) Benzoesäure (Benzoat) Benzol carbonsäure

CH2— COOH

Chloressigsäu re

Ci CH 2 - COOH I I CH3—CH — COOH I OH CH2— COOH I ®NH3 h

Abb. 20-1.

2

N - < Q - COOH

Jodessigsäure

Milchsäure CX-Hydroxypropion säure 2 -Hydroxypropionsäure Glycin, Glykokoll

(protoniert)

A m i n o e s s i g s ä u r e (protoniert)

p - Aminobenzoesäure

Struktur und Bezeichnung einiger Monocarbonsäuren, in der Klammer ist jeweils der Name des Anions angegeben. Gebräuchlich sind fast ausschließlich die Trivialnamen. Die systematischen Bezeichnungen entstehen durch Anhängen von „-säure" an den Kohlenwasserstoffnamen oder von ,,-carbonsäure" an den Namen des um ein C-Atom verminderten Kohlenwasserstoffs. Die Doppelbindung der Ölsäure hat cis-Konfiguration. Der untere Teil der Abbildung enthält Derivate von Carbonsäuren, die durch Substitution von H in der Seitenkette entstanden sind

20.2 Eigenschaften

HOOC — C O O H HOOC-CH2—

COOH

Oxalsäure ( O x a l a t ) Malonsäure (Malonat)

HOOC-(CH2)2-COOH

Bernsteinsäure (Succinat)

H O O C - (CH 2 ) 3 — COOH

Glutarsäure (Glutarat)

^COOH

/COOH

COOH II

Abb. 20-2.

221

HOOC

Maleinsäure (eis)

Fumarsäure (trans)

(Maleat)

(Fu marat)

Wichtige Dicarbonsäuren. Maleinsäure ist eis-, Fumarsäure transkonfiguriert

Mit wachsender Entfernung des Substituenten von der Carboxylgruppe wird der Effekt rasch schwächer (Tabelle 20-1, vgl. a- und ß-Chlorpropionsäure). Kurzkettige Carbonsäuren sind gut wasserlöslich (bis Buttersäure) ebenso die meisten Dicarbonsäuren. Dies geht auf die Wirkung der polaren, hydrophilen Carboxylgruppe(n) zurück. Carboxylatgruppen (—COO") sind stärker polar,

Tab. 20-1.

Einfluß von Substituenten auf die Acidität von Carbonsäuren

CH 2 -CH2-COOH

J

,

4,1

222

20 Carbonsäuren

deshalb sind die Natrium- und Kaliumsalze langkettiger Carbonsäuren (Seifen) ebenfalls noch wasserlöslich. Beim Ansäurern der Lösungen von Alkalipalmitat oder -stearat fallen die in Wasser praktisch unlöslichen Säuren aus. CH 3

(CH 2 ) 14od< , r 16

COO~ + H + ^

CH3-(CH2)14oderl6-COOH|

Die Erdalkalisalze höherer* Fettsäuren und der Dicarbonsäuren sind in Wasser nur sehr wenig löslich. Deshalb können größere Mengen solcher Säuren den CaStoffwechsel stören (z. B. durch Bildung von Oxalatsteinen in Blase und Niere).

Tenside (Oberflächenaktive Stoffe) Längere Kohlenwasserstoffreste verleihen infolge ihres unpolaren Baus einem Molekül hydrophobe (wasserabweisende) Eigenschaften, polare Gruppen verleihen ihm hydrophile Eigenschaften. Sind beide Strukturmerkmale in einem Molekül vorhanden, wie z. B. im Palmitat- oder Stearatanion (Seifen), so kommt es beim Kontakt mit Wasser zu besonderen Effekten. Der hydrophobe Rest ragt aus der Wasseroberfläche heraus, während der hydrophile Teil eintaucht. Die Moleküle nehmen an der Phasengrenzfläche eine „bürstenartige" Anordnung an und/oder bilden - vor allem bei höherer Konzentration - im Inneren der Lösung sogenannte Micellen: Die hydrophilen Teile sind dem Wasser zugewendet, die hydrophoben Kohlenwasserstoffreste suchen Kontakt zu ihresgleichen (hydrophobe Wechselwirkung) (Abb. 20-3 b).

b)

a) Tensidmolekel Q

polar

1

unpolar

J 11 I I I I 1 o o o ö ö o o o

j ^ ^ ^ O

Abb. 20-3.

Micelle

Wasseroberfläche

^

^



Ö l tropfen

a) Bürstenartige Anordnung von Tensiden an der Wasseroberfläche und Micellenbildung im Inneren der wäßrigen Phase. Die hydrophile Molekelregion (polarer Teil) ist dem Wasser zugewendet, die hydrophobe (lipophile) sucht Kontakt zu ihresgleichen (hydrophobe Wechselwirkung), b) Die hydrophobe Wechselwirkung zwischen dem Kohlenwasserstoffrest und z. B. einem Öltröpfchen läßt ein Teilchen entstehen, das keine Neigung mehr zeigt, mit seinem Nachbarn zu verschmelzen (Emulgiervermögen der Tenside)

* Mehr als 12C-Atome.

20.2 Eigenschaften

223

Fettige oder ölige Partikel (z.B. als Schmutzteilchen in Geweben) sind durch Wasser kaum benetzbar, die Wasserphase wird abgewiesen. Bei Zusatz von Seife bekommen die hydrophoben Partikel eine gewisse Hydrophilie, indem sie den inneren Teil einer Micelle bilden (Abb. 20-3 c), die hydrophoben Partikel werden so emulgiert und in der wäßrigen Phase transportierbar (Waschprozeß). Als polare Gruppen kommen für Tenside neben der negativ geladenen Carboxylatgruppierung (—COO~, Anionseifen) auch positiv geladene Gruppen (—NR3) in Frage. Man nennt diese Substanzgruppe Kationseifen oder Invertseifen.* Auch sie ergeben in Wasser die aus Abb. 20-3 ersichtlichen Anordnungen. Wasser hat die Tendenz, seine Oberfläche möglichst klein zu halten (Oberflächenspannung). Deshalb nehmen Wassertropfen nach Möglichkeit Kugelform an. Die Oberflächenspannung wirkt wie eine dünne, elastische Haut. Tenside hingegen benötigen eine große Wasseroberfläche, um ihre hydrophoben Molekülteile wenig mit Wasser in Berührung zu bringen. Dies äußert sich in einer Senkung der Oberflächenspannung des Wassers (Oberflächenaktivität).

Bildung und chemische Eigenschaften Carbonsäuren bilden sich bei der Oxidation von Aldehyden (oder primären Alkoholen über die Aldehyde). H

I R—C=0 + H 2 0 ->• R—COOH + 2H+ + 2e~ Chemische Reaktionen können am Rest R erfolgen, unter Substitution von Wasserstoff entstehen dann Carbonsäurederivate (z. B. Chloressigsäure). Bei Ersatz der OH-Gruppe der funktionellen Gruppe — C O O H durch geeignete Atome oder Atomgruppen entstehen funktionelle Carbonsäurederivate.

* Die modernen synthetischen Waschmittel werden unter dem Begriff „Detergentien" zusammengefaßt.

21 Funktionelle Carbonsäurederivate 21.1 Struktur / Klassifizierung / Nomenklatur 21.2 Chemische Reaktionen Reaktionsschema und Übersicht Reaktivität / Gleichgewichtslage 21.3 Glycerin-und Kohlensäurederivate Fette und Öle Kohlensäurederivate

227 227 227 227 231 231 232

21 Funktionelle Carbonsäurederivate 21.1 Struktur / Klassifizierung / Nomenklatur Funktionelle Carbonsäurederivate entstehen formal durch Austausch der OHGruppe in der Carboxylgruppe gegen eine andere Gruppe (oder ein Atom) (Abb. 21-1).

/

R-C

R-Cs OH

X

21.2 Chemische Reaktionen Reaktionsschema und Übersicht Die meisten funktionellen Carbonsäurederivate sind in andere überführbar. Dies erfolgt nach einem einheitlichen Schema (Abb. 21-2). Durch Reaktion mit Wasser, Alkoholen oder Ammoniak(derivaten) erhält man so die entsprechenden Carbonsäuren, Ester oder Säureamide (Abb. 21-2 und 21-3). Reaktivität / Gleichgewichtslage Carbonsäuren und ihre funktionellen Derivate zeigen gegenüber nucleophilen Reagenzien unterschiedlich große Reaktivität. Sie fällt in der Reihenfolge 0

^ci

>

0

A

0 0

X

>

0

ASR

s

0

Xor >

0

ANH2>

0

" 0

X o h >A

* Das Carboxylat-Ion zeigt überhaupt keine Reaktivität mehr gegenüber Nucleophilen.

0 X R - ^ N H

Amid

2

0

0

0 X H N ^ N H

Acetamid

x H2N NH2 Harnstoff Harnstoff

0

0

I CH3

NH2

x

NH

H2N"^NH

2

Guanidin Barbitursäure

CarbamidN H 2 säure RO

HO

0

11 NH2

Carbamidsäurealkyl (oder a r y l ) ester A l k y l (oder A r y l ) urethan

0

R ^ O R '

Este,

(ChynO

0 Lacton

0 II

R ^ S R '

Th;

x X

0

0

CH3

CH3

H 0

ioester

~ r 0 OH

Phospha R

säureester

0

CH2

OCH2CH3

A c e t (yl) essigsäureethylester (Acetessigester)

Essigsäureethy I ester (Ethylacetat)

0 II CH2-0-C-(CH2),6-CH3 0 V C00H

Tristearin

0 II C H - 0 — C — (CH2)I6-CH3

A c e t y l s a l icylsäure (Aspirin) 0 II H 2 N - C H 2 - C H 2 - S - C - CH3

0 II CH2-0-C-(CH2)16-CH3

S - A c e t y Icysteamin 0

0

X

Anhydrid

J L

R

0

R'

0

0

JJ

JL

CH3

0

Acetanhydrid CH3

0 Clorid R ^ C l 0

0

Acetylchlorid

C I ^ C I Phosgen

X Cl CH 1 3

Abb. 2 1 - 1 .

Cl Benzoylchlorid

K l a s s e n f u n k t i o n e l l e r C a r b o n s ä u r e d e r i v a t e u n d S t r u k t u r spezieller V e r b i n d u n g e n

21.2 Chemische Reaktionen

229

Reaktionsschema

0 3)

0

R ^ P ß " "

RAV



+HX

N u c l e o p h i l e ( I Y - H) H

H

I

b)

H

i

10 — H

10 —R

"

H

I

I

IN —H H

H

I

I

IN —R H

I

I

IN-R

R

Reakfi onen

0 C)

R

X

0 X

+ H OH

R

0 d)

R

Jl

Abb. 21-2.

R

X

OH

+ HX

0 X

+ HOR'

===

R

0 e)

.À.

A

OR'

+ HX

0 X

+

HNH,

R

Jl^

NH2

+ HX

Funktionelle Carbonsäurederivate reagieren nach einem einheitlichen Schema (a): Das Nucleophil |YH (b) greift das Carboxyl-C-Atom unter Verdrängung von X an: X wird durch Y substituiert. Durch Reaktion mit Wasser entstehen so die Carbonsäuren (c), mit Alkoholen die Ester (d) und mit Ammoniak bzw. primären oder sekundären Aminen die entsprechenden Säureamide (e)

Chloride und Anhydride reagieren relativ schnell, einige sogar heftig. Die Umsetzungen von Estern, Amiden und besonders von Carbonsäuren verlangen die Anwendung von Katalysatoren. Thioester nehmen eine Mittelstellung ein. Der Verlauf einer katalysierten Reaktion sei am Beispiel der Esterbildung und -hydrolyse näher erläutert (Abb. 21-4). Carbonsäureester entstehen in reversibler Reaktion direkt aus Carbonsäuren und Alkoholen in Gegenwart von H + -Ionen (Zusatz von etwas Mineralsäure wie z.B. HCl oder H 2 S0 4 ). Auch die Esterhydrolyse gelingt unter H + -Katalyse. Eine Basenkatalyse ist nur bei der Esterhydrolyse anwendbar, nicht aber bei der Esterbildung. Dies wird verständlich, wenn man die Hydrolyseprodukte betrachtet (Abb. 21-4c). Anstelle der Carbonsäure entsteht nämlich deren Salz, die Base wird also verbraucht. Da das entstandene Carboxylation (R—COO") gegenüber dem Alkohol keine Reaktivität zeigt, erfolgt auch bei Basenüberschuß keine Rückbildung von Ester. Die basenkatalysierte Esterhydrolyse verläuft also quantitativ. Die säurekatalysierte Esterbildung kommt nach etwa 65% Umsatz zum

230

21 Funktionelle Carbonsäurederivate

Stillstand (ebenso natürlich die säurekatalysierte Esterhydrolyse nach etwa 35% Umsatz). Weitere Esterbildung ist zu erreichen, indem man die Konzentration eines der Ausgangsprodukte (oder beider) erhöht oder indem man ein (die) Endprodukte) entfernt (vgl. Massenwirkungsgesetz).

0

0

A.CL

X

+ HÖH

CH3

CH3

Acetylchlorid +

H0CH3

0

A



CH3 + 2HNH 2

+ HCl OH + HCl OCH3

0

A NH CH



3

0

0

1 0A

CH 3 '

0

CH3

Acetanhydnd

• HÖH

2

A OH

CH 3

0

+ HOCH3

+ 2NH 3

A NH

+ HÖH 3

A CH 3

3

+ HOCH3

OH

A.OCH CH

CH3

CH3 + HOCH3

+ HOCH3

O®NH4®

0

A CH3

+ HNR 2 '

NH 2

+ HOCH3

3

0 I

+ HÖH

NH2

2

A CH3

0

+

NH3

OCH3

0

CHA NR 3

Abb. 21-3.

+CH AO®NH ®

2

0

+ HOCH2CH3

+ HNH2

Acetamid

OH

0

0

Essigsäuremethylester

JK

CH3

0

o

A OCH

• A OCH3

CH3

CH3'

0

A CH3

CH3

+ NH4CL 2

2

+ NH 3

Beispiele für Reaktionen funktioneller Carbonsäurederivate

4

21.3 Glycerin- und Kohlensäurederivate

a)

R-C

\ OH

+ HÖR'

R-C^ OH

+ H20 OR'

OH b)

R-C

10-R' I

OH I ® R-C-O-R' OH H

H

OH I -H,0 R-C-O-R'

OH

-H + R - C©- O - R ' ^

R-C

HÖH ©

c)

R-C \

Abb. 21-4.

+0H"(+H20) OR'

231

*>R-G' ^

OR'

+ R'OH (+H 2 0) 0

a) Esterbildung bzw. Esterhydrolyse unter Säurekatalyse (summarische Gleichung). b) Die angegebene Folge von Gleichgewichten zeigt den Reaktionsablauf etwas genauer. Das katalysierende Proton addiert sich an das Carbonyl-O-Atom (der Carboxylgruppe). Die Elektronendichte am Carbonyl-C-Atom wird dadurch erniedrigt, der Angriff des Nucleophils R O H erleichtert, c) Führt man die Esterhydrolyse in Gegenwart von Basen (z. B. OH~-Ionen) durch, so entsteht das Salz der Carbonsäure, die Base wird also verbraucht. Die Umsetzung verläuft vollständig, nicht nur bis zu einem Gleichgewicht, wenn mindestens 1 Äquivalent Base zugegeben wurde. Die Rückreaktion findet nicht statt, da nucleophile Reaktionen am Carboxylation generell nicht gelingen

Temperaturerhöhung beschleunigt die Reaktion (s. bei Kinetik), verschiebt aber gleichzeitig das Gleichgewicht zugunsten der Säure/Alkohol-Seite.

21.3 Glycerin- und Kohlensäurederivate Fette und öle Fette (Glyceride, Acyl-glycerine) sind Glycerinester höherer Fettsäuren. In tierischen Fetten sind hauptsächlich Ester der Palmitin-, Stearin- und Ölsäure enthalten. Fette mit einem hohen Gehalt an CC-Doppelbindungen - z. B. aus der Ölsäure stammend - sind bei Zimmertemperatur flüssig (Öle). Der Gehalt an C=C-Bindungen kann durch Addition von J 2 bestimmt werden. Die erhaltene Jodzahl gibt an,wieviel g Jod von 100 g des betreffenden Fetts bzw. Öls gebunden werden. Die alkalische Hydrolyse von Fetten liefert neben Glycerin die Salze höherer

232

21 Funktionelle Carbonsäurederivate

Fettsäuren. Diese werden als Seifen bezeichnet, wodurch sich der Ausdruck Verseifung erklärt. Der Gebrauch des Begriffs Verseifung hat sich für viele Hydrolysereaktionen eingebürgert, auch wenn dabei keine Seifen entstehen (z. B. Verseifung von Essigsäureethylester zu Essigsäure und Ethanol). CH2-0-C-(CH2)i6 - CH3 II 0 CH-0-C-(CH 2 ) 16 - CH3 II 0 CH2-0-C-(CH2)16 - CH3 II 0 X V ' Acylreste

Triglycerid der Stearinsäure

Kohlensäurederivate Von der Kohlensäure leiten sich mehrere biochemisch wichtige funktionelle Derivate ab (Abb. 21-1). Harnstoff - das wichtigste Endprodukt des Eiweißstoffwechsels bei Menschen und Säugetieren - ist das Diamid der Kohlensäure.

H2N

a)

/ t =0

INH3+C02

HiO H2N C = NH + H+

b) H2N H2N

\

©

C = NH2 '

H,N

©

H2N \

H,N *

H2© N

H2N

c — NH2

_

c — NH2

h2Nk SH > OR > OH > NH2 > COOH > CHO > CH2OH > C H 3 > H /

COOHX

f J&

COOH

i

i CH3

R - Milchsäure

f

cooÏK

( J&

D - Milchsäure

COOH 1

! .. i CH3

S - Milchsäure

Abb. 22-1.

L - Milchsäure

Zur Bezeichnung von Chiralitätszentren. Die Prioritätenreihenfolge* (fallend) der Substituenten dient zur Benutzung der R/S-Nomenklatur. Das Molekül wird so gelegt, daß der Substituent niedrigster Priorität (hier H) am Asymmetriezentrum vom Betrachter weggerichtet ist. Bilden die restlichen drei Substituenten, nach fallender Priorität betrachtet, einen Rechtskreis, handelt es sich um die R-Form, im umgekehrten Falle um die S-Form. Um zwischen D- und L-Form zu unterscheiden, wird die C-Kette senkrecht geschrieben, das C-Atom mit der höchsten Oxidationszahl am Kopf (hier COOH). Die dem asymmetrischen C-Atom benachbarten CAtome der Kette liegen hinter der Schreibebene, die beiden restlichen Substituenten strecken sich dem Betrachter entgegen. Steht nun die heteroelementhaltige Gruppe (hier OH) rechts, handelt es sich um die D-Form, andernfalls um die L-Form

* Die Priorität der Substituenten sinkt mit sinkender Ordnungszahl des mit C* verbundenen Atoms, also: C 1 > S > 0 > N > C > H . Nötigenfalls entscheiden die Atome in der 2., 3.... Sphäre, also C—O > C—H usw.

22.3 Moleküle mit mehreren Chiralitätszentren

239

22.3 Moleküle mit mehreren Chiralitätszentren Besitzt ein Molekül zwei (verschiedene) Asymmetriezentren, so sind vier Stereoisomere denkbar. Man kann dann zwei Paare von Spiegelbildisomeren (Tab. 22-1) aufbauen. Tab. 22-1.

Verbindungen mit zwei verschiedenen Asymmetriezentren

Nr.

Konfiguration an Cx(" Cx(2'

1

R

R-

2

S

S-

3

R

S-

4

S

R~

;

Spiegelbildisomere (Enantiomerenpaar)

:

Spiegelbildisomere (Enantiomerenpaar)

Die Verbindungen 1 und 2 sowie 3 und 4 sind zueinander spiegelbildisomer, die übrigen sind zueinander diastereomer. Zu einer gegebenen Formel erhält man also die des Spiegelbildisomeren dadurch, daß man die Konfiguration an allen Asymmetriezentren wechselt, andernfalls resultieren Diastereomere. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften verschiedener Diastereomerer (z. B. Siedepunkt, Schmelzpunkt, Drehung der Polarisationsebene) unterscheiden sich. Die vorstehend beschriebenen Sachverhalte gelten analog für Verbindungen mit mehr als zwei Asymmetriezentren (s. Kap. „Kohlenhydrate"). Sind zwei Chiralitätszentren gleichartigen Baus in einem Molekül vorhanden, dann lassen sich (statt vier) nur drei Stereoisomere aufbauen: Die D-, L- und die optisch inaktive Mesoform (Abb. 22-2). Eine Mischung zweier Enantiomeren (D und L bzw. R und S) im Verhältnis 1:1 heißt racemisches Gemisch. Es ist ebenfalls optisch inaktiv, da sich die Drehwirkungen der beiden Mischungskomponenten gegenseitig aufheben. Mischkristalle aus beiden Formen (1:1) nennt man Racemate. Die Kennzeichnung von racemischen Gemischen und Racematen kann erfolgen, indem man dem Verbindungsnamen beide Konfigurationsangaben oder beide Drehrichtungsangaben voranstellt: z.B. D, L-Weinsäure oder (±)-Weinsäure. Über die Einordnung einer Verbindung in die D- oder L-Reihe entscheidet die Situation an einem Chiralitätszentrum und zwar am untersten. Bei der Weinsäure ist dies C3.

240

22 Stereoisomerie polyfunktioneller Moleküle

IcOOH I 2 \ HO-C-H H-C-OH 4

COOH

D - Weinsäure 2 S, 3 S

Abb. 22-2.

COOH

COOH

H-C-OH

H-C-OH

Ä

H-C-OH

~~

HO-C-H COOH L - Weinsäure 2R, 3 R

COOH

COOH HO-C-H 1 HO-C-H COOH

Mesoweinsäure 2 R, 3 S bzw. 2 S, 3 R

Von Molekülen mit zwei gleichartig gebauten Chiralitätszentren - z. B. Weinsäure lassen sich drei Stereoisomere aufbauen. D- und L-Weinsäure sind zueinander enantiomer und optisch aktiv. Mesoweinsäure ist optisch inaktiv (keine Drehung der Polarisationsebene), obwohl in ihr zwei asymmetrische C-Atome enthalten sind: Die Wirkung der einen Molekülhälfte wird durch die Wirkung der (spiegelbildlich gebauten) anderen kompensiert. Über die Zuordnung zur D- und L-Reihe entscheidet die Stellung der unteren (markierten) OH-Gruppe

23 Hydroxy- und Ketocarbonsäuren 23.1 Struktur / Klassifizierung 23.2 Eigenschaften 23.3 Keto-Enol-Tautomerie

243 243 243

23 Hydroxy- und Ketocarbonsäuren 23.1 Struktur / Klassifizierung Hydroxy- bzw. Keto(carbon)säuren enthalten neben Carboxylgruppen zusätzlich Hydroxy- bzw. Carbonylgruppen im Molekül. Bei den aliphatischen Vertretern wird die Stellung der OH-Gruppe(n) durch die Buchstaben a, ß... oder die Zahlen 2,3... bezeichnet. Analoges gilt für die Ketosäuren (Abb. 23-1). Für viele Vertreter sind Trivialnamen gebräuchlich.

23.2 Eigenschaften Hydroxy- und Ketosäuren zeigen die Eigenschaften ihrer funktionellen Gruppen, sind gut wasserlöslich und lassen sich ineinander überführen (Redoxreaktion). y-und ¿-Hydroxysäuren bilden leicht innermolekulare Ester (Lactone) Abb. 23-2). Milchsäure bzw. ihr Anion (Lactat)* entsteht im Muskel bei intensiver Arbeit aus der Brenztraubensäure bzw. ihrem Salz (Pyruvat)*. /^-Ketosäuren neigen schon bei Raumtemperatur zur Decarboxylierung (C0 2 Abspaltung). Etwas stabiler sind ihre Salze.

23.3 Keto-Enol-Tautomerie In den ß-Ketosäuren und -estern ist ein C-Atom von zwei Resten mit starkem Elektronensog flankiert (Abb. 23-3). Daraus resultiert eine gewisse Acidität eines a-ständigen H-Atoms: Die Keto-Form setzt sich ins Gleichgewicht mit einer

* Lactate = Salze der Milchsäure, Pyruvate = Salze der Brenztraubensäure.

244

23 Hydroxy- und Ketocarbonsäuren

Hydroxysäuren COOH f

COOH

COOH |

C|H O H

CH 2 1 1 CHOH |

CHOH 1 1 CH 2 OH

CH 3

CH 3 ß - Hydroxybuttersäure ( ß - Hydroxybutyrat) 3 - Hydroxybuttersäure

Milchsäure (Lactat) Ot- Hydroxypropionsäure 2 - Hydroxypropionsäure

COOH CHOH |

COOH I CHOH |

COOH | CH 2 |

CH 2

C|H O H

HO-C-COOH

COOH

COOH

Apfel säure (Malat)

Weinsäure (Tartrat)

|

COOH

?Y°" I I )

CH 2 I1 COOH Citronensäure (Citrat)

Glycerinsäure (Glycerat) 2,3 - Dihydroxypropionsäure

COOH j H C|O H HOCH | HCOH | HCOH 1 CH 2 0H Gl ucon säure (Gluconat)

Salicy säure

Ketosäuren COOH |

COOH |

COOH |

C = 0

C= 0 1 CH 2 1 COOH

C =0 1 CH 2 1 CH2 1 1 COOH

CH 3

Brenztraubensäure (Pyruvat)

Oxalessigsäure (Oxalacetat)

a - Ketopropionsäure

a-Ketobernsteinsäure

Abb. 23-1.

a - Ketoglutarsäure ( a - Ketoglutarat)

COOH i 1 CH 2 1 C= 0 1 CH 3 Acet (y 1) essigsäure (Acetoacetat) ß - Ketobuttersäure

Wichtige Hydroxy- und Ketosäuren

konstitutionsisomeren Form, mit dem Enol. Das Proton hat seinen neuen Platz am (ehemaligen) Keto-Sauerstoff gefunden. Die Doppelbindung hat sich verlagert. Diese rasche reversible Umwandlung nennt man Tautomerisierung, das Phänomen Tautomerie. Im Aceton sind nur Spuren der Enolform nachweisbar. Hier liegt das Gleichgewicht weit auf der Seite der Ketoform (Abb. 23-3).

23.3 Keto-Enol-Tautomerie COOH I ch oh i ch3

a)

COOH I C = 0 + 2H + + I ch3

-

Milchsäure

Brenztraubensäure

( a - Hydroxysäure)

c

245

( a - Ketosäure)

0 II

(H+)

.C-OH

b)

H2O C

OH

y - Hydroxy-

y - Butyrolacton

buttersäure

( y - Lacton)

( y - Hydroxysäure)

c)

r

ch3-c-ch2-cooh

C H 3 - C - C H 3 + LU 2

0

0

Acetessigsäure

Abb. 23-2.

Aceton

a) Hydroxysäuren gehen bei der Oxidation in Ketosäuren über, deren Reduktion führt zu Hydroxysäuren zurück (reversibles Redoxsystem). b) y- und ¿-Hydroxysäuren bilden leicht innere Ester (Lactone), c) ^-Ketosäuren gehen schon bei Raumtemperatur unter C0 2 -Abspaltung (Decarboxylierung) in die entsprechenden Ketone über. Aus Acetessigsäure entsteht so Aceton

(Prinzip)

0

OH

Ketoform

Enolform

1

7 H

3

C

V i

X

0

H

c

H3C^CH3 0

Abb. 23-3.

0

0

R

^

^

H 3 C v

f ^ c °

OH .

0 R

7%

H3CyCH2 OH 10"4 %

Keto-Enol-Tautomerie. Dieser spezielle Fall von Konstitutionsisomerie tritt u.a. bei ^-Ketosäuren (und deren funktionellen Derivaten) auf. Ein a-ständiges Proton wird durch den Elektronensog der flankierenden funktionellen Gruppen ( ^ C = 0 und —COOR) so acid, daß es zum Ketosauerstoff wandern kann. Gleichzeitig ändert sich die Lage der Doppelbindung. Im Aceton ist die Enolform nur in Spuren nachweisbar

24 Aminosäuren und Peptide 24.1 24.2 24.3 24.4

Struktur / Klassifizierung / Nomenklatur Protolysegleichgewichte bei Aminosäuren Struktur von Peptiden Puffereigenschaften von Aminosäuren und Peptiden

249 250 254 256

24 Aminosäuren und Peptide 24.1 Struktur / Klassifizierung / Nomenklatur a-Aminocarbonsäuren* - kurz Aminosäuren genannt - die in der Natur als Bausteine der Eiweiße (Proteine) vorkommen, sind durch unterschiedliche Reste R am a-C-Atom gekennzeichnet (s. Abb. 24-1). Der Rest R (Seitenkette) kann weitere funktionelle Gruppen enthalten, z.B. eine zweite COOH-Gruppe oder ein zweites basisches Zentrum (NH 2 -Gruppe oder einen basischen Heterocyclus) oder auch die SH-Gruppe. Auf der zahlenmäßigen Relation zwischen basischen und sauren Gruppen beruht die folgende Einteilung.** Tab. 54-1. Aminosäure

Einteilung von Aminosäuren H,N—CH—COOH 11 R

Monoamino-monocarbonsäure (neutrale Aminosäure) Diaminomonocarbonsäure (basische Aminosäuren) Monoamino-dicarbonsäure (saure Aminosäure)

Zahl der Strukturelemente

NH 2

COOH

1 2 1

1 1 2

Einige wichtige natürlich vorkommende Aminosäuren sind in Abb. 24-1 zusammengestellt. Mit Ausnahme des Glycins ( R = H ) enthalten alle a-Aminosäuren ein asymmetrisches a-C-Atom: Von den zwei jeweils möglichen Enantiomeren finden sich in der Natur fast ausschließlich die L-Formen. Ihre Lösungen sind daher optisch aktiv, manche erweisen sich als rechtsdrehend (-(-), manche als linksdrehend (— )***. * In geringen Mengen finden sich in der Natur auch ß- und -/-Aminosäuren. ** Basische Aminosäuren reagieren in wäßriger Lösung basisch, saure reagieren sauer. Auch in Lösungen „neutraler" Aminosäuren verzeichnet man ein schwach saure Reaktion, denn diese Einteilung beruht auf einem formalen Prinzip. *** Bekanntlich sagt die Konfiguration nichts über den Drehsinn der Polarisationsebene aus. In der üblichen Formelschreibweise wird die Konfiguration im allgemeinen nicht berücksichtigt

250

24 Aminosäuren und Peptide COOH i yv H2N • c - ^ H = i

Glycin Gly

COOH 1

H,N-C-H I

Alanin Ala

H 0 I II H-N-CH-C-OH I H

H O I H-N-CH-C-OH I CH 3

Phenylalanin Phe H O I I) H-N-CH-C-OH I CH 2

Glutaminsäure Glu 0 II H-N-CH-C-OH I CH 2 I CH 2 COOH

Glutamin Gin

Lysin Lys

Cystin

Cyste in Cys

0

CH 2 CH 2 I CONH 2

Histidin His

HNI Nl Nif-

Abb. 24-1.

H-N-CH-C-OH 1 CH 2 I SH

H O I II H-N-CH-C-OH I CH 2

H-N-CH-C-OH I CH2

s I s I CH 2 H 0 I H-N-CH-C-OH

Tryptophan Trp

H O I II H-N-CH-C-OH ~ I CH 2

H

H-N-CH-C-OH I CH2 I CH2 I CH 2 I CH2—NH2

ß - Alanin H 2 N —CH 2 —CH 2 —COOH

W

Formeln einiger biochemisch wichtiger Aminosäuren. Das grau markierte Strukturelement ist in allen a-Aminosäuren enthalten

24.2 Protolysegleichgewichte bei Aminosäuren Im festen Zustand existieren die Aminosäuren ausschließlich als Zwitterionen, da das acide Proton sich plausiblerweise an dem am stärksten basischen Zentrum

24.2 Protolysegleichgewichte bei Aminosäuren

251

coo e ® I

H3N-C-H

I

R

aufhält („innere Neutralisation"). Die zwitterionische (bipolare, salzartige) Struktur macht die gute Wasserlöslichkeit dieser Verbindungen verständlich. In der Lösung einer Monoamino-monocarbonsäure liegen zwei Säure/BaseSysteme vor. 1. R—COOH 2. R—NH, I

BRÖNSTED-Säure ^

R—COOe+ H + R—NH, + H + BRÖNSTED-Base + Proton

Die Lage der Protolysegleichgewichte wird durch Änderung der H + -Konzentration beeinflußt. COOH ® 1 H3N - C - H 1 R Kation ( K A + )

-H+ +H +

C00© ® 1 H3N-C-H 1 R

-H

+

+H +

Zwitterion Z~

COO© 1 H2N-C-H 1 R Anion (AN")

Im stark sauren Milieu liegen die Aminosäuren als Kationen vor, wandern bei Anlegen eines äußeren elektrischen Feldes also zur Kathode. Im stark basischen Milieu, in dem Aminosäureanionen vorliegen, tritt im elektrischen Feld Wanderung zur Anode ein. Der pH-Wert, bei dem die Konzentration an Zwitterionen einen maximalen Wert erreicht, wird als isoelektrischer Punkt (IP, IEP, pH1P) bezeichnet. Die Zwitterionen haben bei diesem pH-Wert ebensoviele kationische wie anionische Zentren. Folglich existiert auch bei Vorhandensein von mehr als zwei Aciditäts/Basizitätszentren (Lysin, Glutaminsäure, Peptide) nur ein pH IP , Am Beispiel des Glycins sei die Abhängigkeit des Ladungssinns der Moleküle vom pH-Wert der Lösung verfolgt (Abb. 24-2). Titriert man die protonierte Form des Glycins (KA + ) mit Natronlauge, so erfolgt zunächst die Ablösung des Carboxylgruppenprotons [pK s (I) < pK s (II)] unter Wasserbildung.

H3N — CH2—COOK +

KA

H3N-CH2-COOe+H+ Z±

(!)

252

24 Aminosäuren und Peptide

Abb. 24-2.

Titrationskurve des Glycins (Erläuterung im Text)

Nach Zusatz eines halben Äquivalents Base ist ein pH-Wert erreicht, der dem pK s -Wert des Kations entspricht. [Z

r| _JKAA[ +JT ] = KsW' t H + ] =

und

P H(I) = pK * (I)

bei

^(Halbneutralisation) =

Bei weiterer Basenzugabe nimmt die Zwitterionen-Konzentration weiter zu, erreicht bei pH = 6,1 ( = pH IP ) einen Maximalwert und vermindert sich dann wieder, weil sich nun die Ablösung eines Protons von der NH 3 -Gruppierung anschließt (II). H 3 N—CH 2 —COO e ^ H 2 N—CH 2 —COO e + H + Z*

(II)

AN"

Dafür gilt [AN

[z ± ] H + ]

= Ks(II)

pH(II) = pKs(II)

bei [ A N ] = [ z ± ]

"

Aus den beiden pK s -Werten ist der pH IP nach folgender für Monoaminocarbonsäuren allgemeingültiger Formel zu berechnen: pH lp =

pK.s(I) + pKs(TI)

Der pH, P fällt im allgemeinen nicht mit dem Neutralpunkt (pH = 7) zusammen (vgl. die Titrationskurve des Glycins). Bei Auflösung einer Aminosäure in Wasser

24.2 Protolysegleichgewichte bei Aminosäuren

253

stellt sich ein pH-Wert ein, der dem pH I P der Aminosäure entspricht. Bei Auflösung von Glycin in Wasser stellt sich also ein pH-Wert von 6.1 ein. Bei basischen Aminosäuren (z. B. Lysin und Histidin) wirkt sich die Dissoziation der Carboxylgruppe - also pK s (I) - kaum auf den IP aus, so daß sich dieser aus den Werten pK s (II) und pK s (III) errechnen läßt. Analoges gilt für saure Aminosäuren (z. B. Glutaminsäure). Hier sind pK s (I) und pK s (II) zur Berechnung heranzuziehen, der Einfluß von pK s (III) ist vernachlässigbar klein. pH^bas.AS)

= PK S (II) + P K S (III)

pH,„(saure AS) =

P K s(D + pK s (II)

Die beiden pK s -Werte von protonierten a-Amino-monocarbonsäuren liegen generell niedriger (höhere Acidität) als die vergleichbaren pK s -Werte der Essigsäure bzw. des Ethylammonium-Ions (vgl. Tab. 24-2). Tab. 24-2.

pK s -Werte PKS(I)

(II) H3N—CH2—COOH CH3—COOH H3N—CH2—CH3

PKS(II)

9,7

2,4 4,7

-

10,8

-

Die beiden Substituenten üben also einen gegenseitigen aciditätserhöhenden Einfluß aus. Dieser wird mit wachsender Entfernung der Gruppen voneinander schwächer. Im Lysin ist daher die endständige Ammoniumgruppierung schwächer sauer (die Aminogruppe stärker basisch) als die a-ständige. COOH

© I

H3N-C-H (CH2)3

I

pK s (I)

= 2,2

pK s (II) = 8,9

®

CH 2 -NH 3

pK s (III) = 10,5

24 Aminosäuren und Peptide

254

24.3 Struktur von Peptiden Aminosäuren lassen sich miteinander säureamidartig (—CO—NH—) verknüpfen. Es entsteht eine Peptidbindung (Abb. 24-3).* Peptidbindunc

0

löl®

H II H II - N - C H - C - N - C H - C -

"

I

t

I

R

0

H I H II —N —CH—C = N—CH—C—

© I

R

R'

R'

Baustein 2

Baustein 1

D i p e p t i d e (2 Isomere)

0

0

+ II H H3N-CH-C-N-CH-COO"

i i ® »

i

R

R'

l N-terminaler] C-terminaler ' i Baustein ' Baustein

l

I

+ isomer mit

H

3

II H N-CH-C-N-CH-COO"

I

I

R'

R

I N-terminaler| C-terminaler ] j Baustein [ Baustein

Schreibwelsen A l a n y l - glycin

Glycyl— a l a n i n Gly-Ala

Ala —Gly

= H —Gly—Ala—OH

= H—Ala —Gly—OH

T r i p e p t i d e (6 Isomere) ABC

BCA

CAB

ACB

BAC

CBA

Abb. 24-3.

Peptidbindung. Die Rotationsfahigkeit um die Achse C—N in der Peptidbindung (weiß markiert) ist stark eingeschränkt durch die Beteiligung einer mesomeren Grenzstruktur mit CN-Doppelbindung. Alle im weiß markierten Feld befindlichen Atome und deren Nachbar-C-Atome liegen daher in einer Ebene. Dipeptide, Tripeptide. Sind die Aminosäurebausteine in Dipeptiden, Tripeptiden usw. verschieden, so ist Konstitutionsisomerie möglich. Je größer die Zahl der (verschiedenen) Bausteine ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es für die Abfolge (Sequenz) der Aminosäureeinheiten, z. B. lassen sich aus Gly und Ala zwei isomere Dipeptide aufbauen, aus Gly, Ala und Phe schon sechs Tripeptide

* Je nach Zahl (n) der verknüpften Aminosäuren spricht man von Dipeptiden (n = 2), Tripeptiden (n = 3) usw.,Oligopeptiden (n = 2 bis 10) Polypeptiden (n = 10 bis 100) und Proteinen oder Eiweißen (n > 100).

24.3 Struktur von Peptiden

255

Als Eiweißbaustein treten in der Natur ca. 20 Aminosäuren auf. Die Vielfalt der existierenden Eiweißsorten erklärt sich u.a. aus der unterschiedlichen Kettenlänge und der unterschiedlichen Reihenfolge der Bausteine - der Sequenz. Die eigentliche Polypeptidkette weist stets die gleiche Struktur auf. Die Vielfalt der Eigenschaften kommt hauptsächlich durch die Reste R (Seitenketten) zustande, die mit dem zum Carboxylkohlenstoff a-ständigen C-Atom verbunden sind (Abb. 24-4). Bei der vollständigen Hydrolyse eines Peptids (hydrolytische Öffnung der Peptidbindung) erhält man ein Gemisch der betreffenden Aminosäuren (Abb. 24-4).

• — N H - CH-

\

col

N H - CH - C O M N H - CH 1 1 R2 R3 J

c o H -

Totalhydrolyse

— + H 3 N - C H - COCP+H 3 N- CH - COO +.H 3 \-CH - C 0 0 1 + - - 1 1 1 R' R2 R3

Abb. 24-4.

Sequenz-Ausschnitt aus einer Polypeptidkette und seine Hydrolyseprodukte. Eigenschaftsbestimmend sind für Polypeptide hauptsächlich die Seitenketten (R 1 , R 2 , R 3 . . . )

Bestimmte Regionen einer Polypeptidkette sind zur Wechselwirkung mit anderen Regionen der gleichen Kette oder einer Nachbarkette befähigt (Anziehungskräfte, Verknüpfungen) (Abb. 24-5). Die kettenförmigen Proteine (Primärstruktur) können eine schraubenförmige Anordnung (Sekundärstruktur) annehmen, die als Helix (Schraube) bezeichnet wird (Abb. 24-6). Die einzelnen Windungen der Spirale werden im wesentlichen durch Wasserstoffbrückenbindungen zwischen einander gegenüberliegenden C = 0 - und NH-Gruppen zusammengehalten. Eine Helix kann sich wiederum in besonderer Weise anordnen (Tertiärstruktur). Intermolekulare H-Brückenbindungen führen zur Ausbildung einer sogenannten Faltblattstruktur (Abb. 24-6). Auch durch SS-Brücken (Cystin) können Peptidketten miteinander verknüpft sein. Legende zu Abb. 24-3 (Forts.) Bei der Strukturangabe von Peptiden - sei es mit Formeln oder in der Kurzschreibweise - beginnt man stets mit der N-terminalen Einheit. Gelegentlich wird diese auch durch ein H vor dem ersten Buchstaben deutlich gemacht. Die C-terminale Einheit (das Carboxylende) ist dann durch die Gruppe OH zu kennzeichnen Bei der Namengebung erhalten alle Aminosäurebausteine die Endung -,,yl" bis auf die C-terminale Einheit. Zum Beispiel heißt Gly-Ala-Phe Glycyl-alanyl-phenylalanin

256

24 Aminosäuren und Peptide

Bei der Ausbildung der endgültigen Struktur wirken alle in Abb. 24-5 aufgeführten Typen inter- und intramolekularer Wechselwirkungen mit.

Typ

Bindungsenergie

Prinzip

Disulfidbrücke

- S Ü S -

Ionenbindung

-NH,

®

J

[kJ • mof1] ~

---

§ 0

200

~

20

~

12

\ c -

0*

Ionen - D i p o l - Bindung

-^H

Wasserstoffbrücken

— 0 - H -— 0 = C \

3

~

6

o =

c y \

/

/

- 0 - H < P N \

Hydrophobe

Abb. 24-5.

Wechselwirkung

~ 8

/

- N - H — /

0 = C

\ - N - H —

/ N \

\

/ . C H 1j

~ 8

~ 8

\

/

CH,

~ 8

~ 6

Bindungskräfte zwischen verschiedenen Peptidregionen. Die Bindungskräfte des letzten Typs sind um so größer, je größer die beteiligten unpolaren Bereiche sind. Mit dieser Wechselwirkung weichen die hydrophoben unpolaren Bereiche dem Kontakt mit Wasser aus

Proteine bilden kolloidale Lösungen. Durch Zusatz geeigneter Reagenzien (Elektrolyte oder organische Lösungsmittel) oder Erhitzen lassen sich Proteine ausfallen (Koagulation). Dabei wird die im nativen Eiweiß vorliegende (Tertiär) Struktur zerstört (Denaturierung). Längere Einwirkung wäßriger Säuren oder Basen führt - vor allem in der Wärme - zum hydrolytischen Abbau der Proteine.

24.4 Puffereigenschaften von Aminosäuren und Peptiden Wie aus der Titrationskurve des Glycins (s. o.) ersichtlich ist, besitzen Aminosäuren mehrere Pufferbereiche, nämlich in der Nähe ihrer pK s -Werte (±1). In den Peptiden stehen die endständige Amino- und Carboxylgruppe, vor allem

24.4 Puffereigenschaften von Aminosäuren und Peptiden

Abb. 24-6.

257

a) Protein-Primärstruktur (Kette); b) bis d) Sekundärstruktur - Helix (b, c) bei intramolekularen H-Brücken, Faltblatt (d und g) bei intermolekularen H-Brücken zwischen zwei Ketten; e) Inter- und intramolekulare Disulfidbrücke; f) Proteintertiärstruktur

aber saure u n d basische G r u p p e n in d e n Seitenresten R zur Pufferung zur Verfügung. A u s der Existenz saurer u n d basischer G r u p p e n in d e n Seitenketten ergibt sich weiterhin, d a ß sich die Z a h l der positiv bzw. negativ g e l a d e n e n Zentren (kationi-

258

24 Aminosäuren und Peptide

sehe und anionische Zentren) auch in Peptiden bei Säuren- oder Basenzusatz ändert. Unterhalb des pH1P überwiegt die Zahl der kationischen (positiv geladenen) Zentren. Dies hat eine positive Gesamtladung zur Folge. Oberhalb des pH IP resultiert eine negative Gesamtladung. Diesen Sachverhalt macht man sich zur Trennung von Proteinen durch Elektrophorese zu Nutze. Dazu wird die Lösung eines Proteingemischs auf einen Papierstreifen aufgebracht, der mit einer Pufferlösung (zur Konstanthaltung des pHWerts) durchfeuchtet ist. Bei Anlegen einer Spannung an den Enden des Papierstreifens beginnen die (Kolloid)Teilchen zu wandern - entsprechend ihrer Ladung, Teilchenform und Größe unterschiedlich schnell, unter Umständen in verschiedene Richtungen*. Den Auftrennzonen lassen sich einzelne Proteinkomponenten zuordnen. Dieses Elektrophoreseverfahren wird zur klinischen Untersuchung der Serumproteine benutzt. Natürlich lassen sich auch Gemische von Aminosäuren nach diesem Prinzip trennen, da auch ihre Ladung pH-abhängig ist (s. 24.2).

* Jene Proteine, deren pH IP mit dem pH-Wert der bei der Elektrophorese verwendeten Pufferlösung übereinstimmt, bleiben am Startpunkt.

25 Saccharide (Kohlenhydrate) 25.1 Monosaccharide 25.2 Disaccharide 25.3 Polysaccharide

261 265 266

25 Saccharide (Kohlenhydrate) Kohlenhydrate sind Polyhydroxylverbindungen, die meist außerdem eine Aldehyd* oder Ketogruppe besitzen.* Nach der Molekülgröße lassen sich unterscheiden: Monosaccharide, Disaccharide (Verknüpfungen von zwei Monosacchariden) und Polysaccharide (Verknüpfungen von vielen Monosacchariden)**. Monosaccharide lassen sich einteilen in: Triosen (3C-Atome), Tetrosen (4CAtome), Pentosen (5C-Atome), Hexosen (6C-Atome); enthalten sie eine Aldehydgruppe heißen sie Aldosen, mit einer Ketogruppe nennt man sie Ketosen. 2-Desoxyaldosen enthalten an C2 die Gruppe —CH 2 — anstelle von —CHOH— Monosaccharide enthalten meist mehrere asymmetrische C-Atome. Über die Zuordnung zur D- oder L-Reihe entscheidet die Konfiguration am untersten Chiralitätszentrum - bei senkrechter Schreibweise des C-Skeletts, die Aldehydoder Ketogruppe am Kopf des Moleküls.

25.1 Monosaccharide Als Formelschreibweise wird für die Saccharide oft die FiscHER-Projektion in der offenen Form gewählt (Abb. 25-1). Sie macht zwar die Konfiguration an den Asymmetriezentren in gewohnter Weise kenntlich (s. Kap. 13) gibt aber einen anderen wichtigen Sachverhalt nicht wieder, nämlich die 5-Ring- oder 6-Ringstruktur, die bei Kohlenhydraten überwiegend vorliegt. Am Beispiel der Glucose ist in Abb. 25-2 gezeigt, wie der Ringschluß unter Bildung eines cyclischen Halbacetals erfolgt. Dabei reagiert die OH-Gruppe an C5 intramolekular mit der Carbonylgruppe an Cl. Der entstehende 6-Ring entspricht dem Grundgerüst des Tetrahydropyrans (s. Kap. 14). Daraus erklärt sich die Bezeichnung „Pyranosen" für solche Cyclohalbacetale. * Die Summenformel C n ( H 2 0 ) n macht die Herkunft der Bezeichnung „Kohlenhydrate" verständlich. ** Für Mono- und Disaccharide ist auch der Oberbegriff „Zucker" gebräuchlich.

262

25 Saccharide (Kohlenhydrate)

H-C*°

CH | 2OH

H - C| * °

H— C|

H - C - OH

C= 0

H - Cj - O H

H - C - H

CH2OH

H - C - OH

H-C-OH

|

1 1

CH2OH

1 1

1

(+) - D - G l y c e r i n aldehyd Aldotriose

H - C|

Dihydroxyaceton Ketotriose

„ - C |*

0

I

1

H-C-OH I CH2OH

H - C - OH

(+) - D - Ribose

( - ) - D - 2 - Desoxyribose Desoxyaldopentose

Aldopentose

CH20H |

1

CH2OH

|

H - C - OH t I HO - C - H

H-C-OH

C= 0

HO-C - H

H - C•- O H

HO - C - H

HO-C-H | H-C-OH

H-C-OH

H-C-OH

H-C-OH

CH20H

CH 2 0H

| 1

H - C - OH I 1

CH2OH (+) - D - Glucose (Traubenzucker) Aldohexose

Abb. 25-1.

|

1 1

CH2OH

1

| I 1

D - Galactose

( - ) - D - Fructose

Aldohexose

Ketohexose

H - C| - NH2

H O - C| - H H-C-OH

|

I 1

D - Glucosamin (Aminozucker) Aldohexose

Einige wichtige Monosaccharide. Die Summenformel der Desoxyribose und des Glucosamins entspricht zwar nicht der üblichen Zusammensetzung C n (H 2 0)„, trotzdem werden beide zu den Kohlenhydraten gerechnet. Die an asymmetrischen C-Atomen befindlichen OH-Gruppen sind weiß bzw. grau markiert. Über die Zuordnung zur D- oder L-Reihe entscheidet die Konfiguration am untersten Chiralitätszentrum (Grauton)

Aufgrund ihres Gehalts an polaren Gruppen ist die Glucose gut wasserlöslich. Alle drei Formen (Abb. 25-2) stehen in Lösung miteinander im Gleichgewicht, jedoch ist die offene Form nur zu weniger als 0,5% enthalten. FEHLiNGsche Lösung wird von Glucose reduziert (Cu + + —>Cu + ), dabei entsteht Gluconsäure (Abb. 25-3). Ribose, Desoxyribose und Fructose bilden 5-Ringe bei der Cyclohalbacetalbildung (Furanosen) (Abb. 25-4). Alle diese Monosaccharid-Halbacetale reduzieren FEHLiNGsche Lösung. Die bei der Cyclohalbacetalbildung entstandene glykosidische OH-Gruppe kann mit Alkoholen unter Wasserabspaltung zum Vollacetal - zu einem Glykosid umgesetzt werden. Aus Glucose entstehen dabei Glucoside, aus Fructose Fructo-

25.1 Monosaccharide

263

F I S C H E R - Projektion