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German Pages 387 [392] Year 1796
C.
M.
WIKLANDS
SÄMMTLICHE W E R K E
ACHTZEHNTER
ERZÄHLUNGEN
UND
BAND.
MÄHRCHEN.
L E I P Z I G BEY GEOHp JOACHIM GÖSCHEK.
X 7 9 6,
Inhalt des achtzehnten
GERON I)EE
Bandes.
ADELICHE.
DIE W A S S E R K U F E . FERVONTE in drey DAS
WINTERMAHRCHEN-
H A N N UND
GULPENHEH.
DES M A U L T H I E K S EES
Theilen.
ZAUM.
V O G E L S A N G O D E R DIE D11EV r,F. H
REN.
E D E R
Eine
lì
O
A D E L I C H E .
Erzählung.
An
den
Leser.
D er Inhalt gegenwärtiger Erzählung ist aus einem alten Französischen Ritterbuche, nannt Le
Roman
de
Gyron
le
geCour-
t o i s , gezogen, aus dessen Stoffe schon der Toskanische
Dichter
Luigi
Alamanni,
auf Veranlassung F r a n z d e s E r s t e n Königs von Frankreich, ein Heldengedicht in
8 vier und zwanzig Gesängen verfertiget hat, das aus nicht weniger als drey tausend vier hundert neun und siebzig achtzolligen Stanzen besteht,
und unter den
romantischen
Gedichten der Italiäner noch immer seiner) Platz behauptet, Schönheiten
und
des A i i o s t ,
wiewohl es an poetischeil Interesse dem
und
Orlaudc
selbst dem
Amadigi
des B e m a r d o T a s s o sehr weit nachsteht Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daff es hauptsächlich
die P o e s i e
und die H a r m o n i e
des
Styli
d e r V e r s e ist, wai
das Glück eines Gedichtes macht: so würde dieser
Girotie
waaoi ,
dem
iliiilisten Beweis
il
Cortese
es an davon
beiden
de»
Ala
fehlt,
dei
abgeben
können
9 Linter tausend,
die den Ariost zweymahl
gelesen
ist schwerlich Einer,
liaben,
die Geduld gehabt hatte,
es in dem
der ge
reimten Ritterbuche des andern bis auf die Hälfte zu bringen.
Neuerlich ist der alte Roman rou
le Courtois,
von L e o m i o i s ) allen denen ist, dpr R i t t e r schäftigen , Umlauf
von
von
Gy-
der (nächst T r i s t a n der vorzüglichste
unter
die sich mit den Thaten der
Tafelrunde
be-
durch einen Auszug wieder in
gebracht worden,
womit der
kurzem der Litteratur entrissene Graf
vor von
T r e s s a n die Bibliothequef
Universelle
des
Romans
bereichert
hat;
im Oktober 1776
Ii)
ein A u s z u g , der uin so schätzbarer ist*
da
der geschmackvolle Verfasser an den interes-> santesten t e r in
Stellen
den
alten
Romandich-
seiner eigenen naiven und kräftigen,
w i e w o h l v e r a l t e t e n , Spiache reden läfst.
D i e Geschichte z w i s c h e n G y r o n und der Dame
von
Maloanc,
die nach
meinem
G e f ü h l das Schönste in diesem u u d vielleicht in jedem andern D i c h t e r w e r k e Zeitalters i s t , einen so
machte
beym
starken E i n d r u c k
des
mittlem
ersten
Lesen
auf m i c h ,
dafs
ich dem Gedanken nicht w i d e r s t e h e n k o n n t e , sie a u s z u h e b e n ,
und
meinen
einer dem alten O r i g i n a l e lich
kommenden
Manier ,
Freunden,
in
so nahe als mögvorzuerzählen.
II
Jede Verschönerung oder Modernisierung des Originals würde in meinen Augen Entweihung gewesen seyn: eine Geschichte,
die
nur ein Dichter aus den Zeiten Louis
le
Jeune
erfinden konnte,
mufste auch in
dem Tone dieser Zeiten vorgetragen werden. Zwar
ist die von mir gebrauchte ^ ersart
nicht diejenige, in welcher beynahe alle Gedichte unsrer alten M e i s t e r * und M i n n e s ä n g e r geschrieben sind; aber ich wählte sie, weil sie mir besser zu der Würde des Sujets zu stimmen, und den Eindruck, den es bey der simpelsten mufs,
zu
Erzählung
machen
begünstigen geschickter
schien,
als die vierfüfsigen Jamben, die der k o m i s c h e n Erzählung angemessener sind.
Hingegen
suchte
ich,
nach unsrer Sprache
iin
indem
ich
mir,
sechzehnten Jahr-
hundert, eine Art von D e u t s c h e m
Gau-
l o i s bildete, eine D i k z i o n heraus z u b r i n g e n , welche, ohne unverständlich oder abgeschmackt zu w e r d e n , der T ä u s c h u n g , a l s ob m a n
den a l t e n B r a n o r
den h ö r e , lich wäre.
so wenig
selbst
re-
als möglich hinder-
Ob es mir geglückt s e y , mufs
das Gefühl des Lesers entscheiden !
Ich will es lieber errathen lassen, warum ich bey dieser neuen Ausgabe meinem Helden
den
alten
Beynahinen,
der
Adeli-
c h e , wieder gegeben habe, als Gefahr lauf e n , durch ausführliche Aufzählung
meiner
>3 B e w e g g r ü n d e langweilig zju werden. bat
courtv
sind
is
und
Unliiug-
biederherzig
keine gleich viel bedeutende W o r t e r .
Will
man sich hingegen bey dem B e y w o r t e a d e l i c h einen Mann denken, der eben so e d e l von
Sinnesart
burt des
ist:
so
und S i t t e n
drückt
Altfranzösischen
wofern
a d e l i c h
es
den
courtois in
(nach Herrn A d e l u n g s
dieser
als von G e ganzen
Sinn
aus:
und
Bedeutung
V e r m u t h u n g ) nur
defswegen zu veralten angefangen h ä t t e , weil die Sache selbst bey unserm heutigen Adel aus der Gewohnheit g e k o m m e n ;
so können
w i r um so gewisser hoffen dieses W o r t seiner alten
und
ächten Bedeutung
aufleben zu
sehen,
da in
in
wieder
einer Zeit
wie
>4 die unsrige nur
vorzüglicher
Gesinnungen,
Sitten
und
Adel
in
T baten,
dem von veralteten Yorurtheilen nur schwach beschützten G e b u r t s a d e l w e h r e dienen kann.
noch zur Brust»
D e r grofse A r t u s h i e l t , vor seiner B u r g Zu K r a m a l o t , von dre>fsig edlen Rittern Umgeben, unter einem offnen Zelt Von g o l d g e w i r k t e m Sammet seinen H o f ; Und zwischen i h m und iliTem L a n z e l o t Safs G e n i e v r a seine K ö n i g i n ; Z w ö l f J u n g f r a u n , die der Minne süfsen Sold Dem« der1« um sie verdiente, w o h l zu geben Vermochten, standen zi'ichtiglich zur Seiten Der königlichen F r a u ; und ums Gezelt, An hohen E i c h e n , hingen Schild' und Spere Im Sonnenglanz; und dreyfsig Knaben hielten Im Schatten, jeder an der rcchten Hand
10
Gkkoim
»KR
ADÜIICHI,
E i n aufgeschnjiicktes R o f s : — und siehe da. Ein s c h w a r z er R i t t e r
kam v o m W a l d e her.
E r ganz allein, und ritt dem Zelte z u ; Und w i e er schier heran gekommen, stieg er ab, Liefs v o r der Königin aufs rechte K n i e Sich n i e d e r , richtete sich w i e d e r auf, Und eines Hauptes längor als die Ritter alle Stand er v o r K ö n i g A r t u s , neigte sich und »pTach : „Herr König,
w o l l e t einer Gabe m i c h gewähren,
U m die i c h b i t t e , w i e ein Rittersmann V o n einem R i t t e r sie begehren m a g . "
D e r K ö n i g sah den F r e m d e n wundernd an. Und alle die zugegen w a r e n sahn ihn an, Voll W u n d e r s über seine stattliche Gestalt nnd seine R e d , und warteten D e r Gabe s c h w e i g e n d , die er bitten w ü r d e .
Und A r t u s sprach : H e r r R i t t e r , heischet frey. Ich sag' es zu.
D e r R i t t e r neigte siel» Z u m zweyten Mahl und s p r a c h : Durchlanchter H e r r , So itiög' es e u c h , und diesen wackern Rittern AH eurer Seite, nicht entgegen seyn,
E I N E
E R Z Ä H L U N G .
17
Z u E h r e n aller minnigliclien Frauen Und holden Jiingfrau'n, hier und überall, Und zu B e w ä h r u n g , w e m in Ritterschaft D e r Preis .gebühre, ob den a l t e n , odor D e n jungen Rittern, einer nach dem andern Im Grünen einen Ritt mit m i r zu thun.
DeT K ö n i g A r t u s , und die dreyfsig Ritter D i e um ihn standen, allesammt
Genossen
D e r T a f e l r u n d e , w a r e n nieht die Männer D i e sich um so w a s z w e y m a h l bitten liefsen? Und statt der A n t w o r t liefen alle stracks D e n Bäumen z u , w o ihre L a n z e n h i n g e n , und D i e Knappen bey den hohen Rossen standen.
Und A r t u s und die Ritter alle schwangen A u f ihre Rosse s i c h , den Schild am A r m , D e n Sper g e f ä l l t , und ritten nach dem Plan, W o seinen Stand der fremde Ritter schon Genommen hatte. D e r erste.
K ö n i g A r t u s ritt
Beide legten ihre Lanzen ein,
Bedeckten mit dem Schilde s i c h , und rennten D i e Rosse spornend auf einander los, So mächtig dafs die Erde unter ihrem Stampfen WLELAEDS
I.üiinul. \V. XVIII. B.
B
ig
G E R O S
DER
ADELICHE.
Erbebete; und, w i e sie nun im Sturm Zusammen treffen sollten — hielt Der Fremde seinen Sper hoch in die- Luft, Und fing den herben Stöfs des Künips auf Mit ssinem festen Schilde, das die Lanze Vom Gegenschlag in tausend Splitter brach, Und König Artus kaum mit Arbeit sich Im Bügel fest hielt.
Aber unerschüttert safs
Der s c h w a r z e R i t t e r , und, so bald sein Rof« Sich ausgelaufen, schwenkt' er, fitt zum König Hinan, und sprach gar ehrbar: Edler Herr, Das wolle Gott nicht, dafs ich meinen Sper Gebrauche gegen euch!
Gebietet mir
Als einem, der zu euerm Dienst aus Pflicht Und gutem W i l l e n sich gewidmet hat. Der hohe A r t u 9 sieht ihn staunend an Und wendet nach dem Zelt.
Und G a l h e r i c h ,
Sein Neffe, K ö n i g L o t h s v o n O r k a n
zwey-
ter Sohn., Tritt rasch hervor; kampflustig und gewifs Des leichten Sieges, fafst mit starker Faust Er einen Sper, wirft vor die breite Brust den Schild Auf dem ein g o l d n e r A d l e r Blitze wirft,
E I N E
E R Z Ä H L U N G .
LG
Und sprengt im Sturm anf seinen Gegner an. Fest war sein Stöfs und kraftvoll; aber mit Behender Beugung wich ihm jener aus; Der Sper fuhr unterm linken Arme durch. Unschädlich, und in gleichem Augenblick Rührt ihn des S c h w a r z e n Schaft mit solcher Macht, Dafs ihm die Sinne schwinden und die Kniee brechen — Er stürzt, und deckt so lang er ist den Boden. Des Bruders Fall zn rächen drängte sich Herr G a l b a n . L o t h s v o n O r k a n Erstgeborner, vor. Man nannte G a l b a n s Nahmen allezeit Wenn von den Unbezwinglichen die Rede war: Doch dieses Mahl vergafs er seiner Dame Sich zu. empfehlen, oder treulos ward Das Glück an ihm; der s c h w a r z e R i t t e r that Ihm, wie er G a l h e r i c h zuvor gethfcn. Das gleiche Loos fiel auf die andern Neffen Des Königs, E g e r w i n und G a l h e r e t , Und auf B l i o m b e r i t und L i o n e l , Des Königs B o o ' r t v o n G a n n e s edle Söhne,
20
GEHON
IIEI1
A D E 1 1 C 5 L.
Und auf Herrn D i n a d e l v o n
Estiangor
Den Unveizagtert , Inmurlustigen. Sie hatten manchen braven Mann wohl eher Ins Gras gestreckt; itzt kam die Reih 1 an sie. H a ! rief Herr G r i e s , des Königs S e n e s c h a l l , Der lloflingsart mit Rittersitten paarte, Das soll, bey Gott! von A r t u s Rittern nicht Gesungen Werden noch gesagt im fremden Lande, Dafs einer nach dem andern, Kegeln gleich. Vom ersten, den der W i n d herbey geweht, Sich so zu Boden habe werfen lassen! Der fremde Ritter ist doch w o h l so 6ehr Nicht Teufel als er schwarz i s t ! Lafs ihn k o m m e n ! M i t diesen W o r t e n , halb i m Schimpf und halb. Im Ernst gesprochen, spornte seinen Klepper Herr G r i e s , d e r S e n e s c h a l l .
Er hatte wohl-
besonnen Aus einem grofsen Haufen Spere, der Beym Zelte l a g , den schwersten ausgewogen. Allein, nichts mocht 1 ihm seine Vorsicht frommen, nichts Sein freclier Muth und seiner «pitzen Zunge Behenui^keit: der schwarze Ritter hob
EINE
E R z Ä H I. u N o .
Ihn hoch e m p o r , und liefs ihn unsanft fallen. Ihm half sein Knappe wieder auf die Beine, Und brummend hink't er nach dem Zel'te hin. Die andern folgten nun der Reihe n a c h ; Mutlivolle Kämpfer, die den besten nicht Zu weichen pflegten, und kein Abenteuer noch, W i e schlimm es aussah, von der Hand gewiesen. Ein Spiel war ihnen Lanzenbrechert n u r ; Sie hätten Wälder arm an IIolz gemacht. Doch unter ihnen allen keineT hielt Den strengen Stöfs des Unbekannten aus : Sie räumten alle nach dei Reih' den Sattel. So zuzusehn der Tafelrunde Schmach Verdrofs den edeln L a u z e l o t v o m S e e , Den einzigen, der von den dreyfsig noch Zu überwinden war.
Der eigne Ritter
Der schönen Konigin w a r L a n z e l o t ; Viel Thaten halt' er ihr zu Lieb' gethan, Und manchen sufsen Kufs und manche glühende Umhalsung in geheim zum Sold empfangen. Kein anderer Genofs der Tafelrunde That's ihm zuvor an Mannheit und an Schöne. In seiner holden Dame Gegenwart
$2
G E R O N
D E R
A D E L I C III?.
Däucht's ihm ein leichtes, alle Lanzcnbrechet Und Prahler auf dem weiten Erdenrund Herab zu stechen. Gleichwohl wundert ihn Des s c h w a r z e n R i t t e r s .
Deun was itzt ge-
schah, War, seit die Tafelrunde stand, noch nie geschchn. „Ist's schwarze Kunst was diesen Heiden schützt, (So spricht Herr L a n z e l o t mit leiser Stimme ZUT Königin; so bitt' ich, schönste Frau, Verlasset euern treuen Ritter nicht: Die ganze Ilölle steh' dem Schwarzen bey, ¿•acht e u e r Auge m i r , so ist auf meiner Seite Der ganze Himmel." Als er diefs gesagt Läfst ihn die Königin in ihren Augen (Den schönen Mund versiegelte die Zucht Vor so viel Zeugen') eine Antwort lesen, Die ihm das Herz im Busen schwellen macht. Und mit verhängtem Zügel, hoch don Schild, Die Latiz' an seine Seite fest gedrückt. Rennt er dahin ; und beide Ritter stofsen So klüftig auf einander, Rofs und Mann, Dafs sie die Stange vor der Faust zersprengen, Und Helm und Schilde laut zusammen schlagen.
E I N E
E R Z Ä H I . U N O .
Doch wenig halfen itzt die Augen seiner Dame Dem edeln L a n z e l o t : ihn überwiegt i Des s c h w ä r z e n
R i t t e r s stürzendes G e w i c h t ;
Er schwankt, verliert den Zügel, taumelt, sinkt Und liegt w o seine Spiefsgesellen lagen. Der Unbekannte steigt gelassen ab Vpn seinem R o s s e , streichelt freundlich ihm Den feuchten Rücken und die heifse Brjist, Nimmt ihm den Sattel ab und das beschäumte Gebifs, und läfst mit einem sanften Schlag E s gehn ins Grüne, w o es ihm beliebt : Kehrt dann, als wäi's von einem L u s t r i t t , wohlgemuth Und unbefangen, seinen ältlichen Gewohnten Schritt zum goldnen Zelt zurück. Mit schelen düstern Blicken weichen ihm Die Ritter a u s ; sie sehn einander an, Als fragten sie sich mit den A u g e n , k a n n s t D u ' s l e i d e n ? — Aber K ö n i g A r t u s tritt Aus dem , Gezplt, und reicht
dem K >mmenden
Die Hand mit Anstand, sprechend: Edler Ritter, Wir haben, däucht m i c h , theu'r genug das Recht E r k a u f t , des Mannes Angesicht zu sehen, und
24
GEBON
DEI
A D E H C B I .
Zu w i s s e n , w e r er i s t , der so behend An Einem Abend dreyfsig Schildgenossen Der Tafelrunde aus dem Sattel hob. Und alsbald, w i e der König dieses W o r t Gesprochen, lost der Fremde seinen Helm : Und s i e h e ! w i e er ab ihn n i m m t , so kraust Sc'ineeweifses Haar sich rings um seine Scheitel, Und offenbar in aller Herrlickeit Des ungeschwächten hohen Alters steht Der Edle d a , ein schöner alter Mann, W i e w o h l die grane Zeit der Furchen viel Auf seine breite Stirn gegTaben, stark Und ungekrfimmt, w i e w o h l auf seinem Nacken Die Last von hundert arbeitvollen Jahren lag. Dem König Artus und den Rittern w i r d ' s B e y seinem Anblick w i e d e r w a r m ums H e r z ; Sie drängen wundernd sich h i n z u , sie fassen Ihn bey der Hand, und schau'n ihn a n , und r u h u Auf seinem Antlitz, l i e b e v o l l , w i e Söhne D i e unverhofft den Vater w i e d e r sehen. Mein Nahm' ist B r a n o r , sprach der alte R i t t e r : Branor,
der
Braun.'.
Dein Vater, Artus,
König
EINE
Erzählung.
D e r edle Ritter U t h e r
25
Pandragon,
W a r nqch ein Knabe, der sein Streckenpferd I m Hofe t u m m e l t e , da Branor schon D u r c h Berg und T h a l nach Abenteuern ritt. D i e alten moosbedeckten Eichein dort, Ich sah sie eile einer Lanze hoch! D e i n Vater. K ö n i g A r t u s , w a r mein guter Herr Und F r e u n d , w i r haben manchen Ritt zusammen G e t h a n , und manchen Sper in Schimpf und Ernst Gebrochen.
Segen sey m i t seinem edlen Sohne,
U n d w o h l m i r A l t e n , dafs' ich junge Männer seile D i e noch nicht
völlig
aus
der
Väter
Art
ge-
schlagen ! Indem sie also sich besprachen, ging D i e Sonne unter,
Konig A r t u s und die Königin
Und i h r e Jungfrau'ii und die dreyfsig Ritter, D e n alten B r a n o r in der Mitten, D e r Burg zu Kramalot zurück.
kehrten nach
Da stand
E i n köstlich Mahl bereitet in der Halle. E i n reicher Baldachin bezeichnete D e n Sitz des Königs und der K ö n i g i n ; Und zwischen ihnen w a r d dem guten B r a n o r
26
Geros
der
Abeliche.
Ein Stuhl von Elfenbein gesetzt; und ala Sie Platz genommen, setzten sich die übrigen In ihrer Ordnung um dio Tafel her. In Schüsseln aus getriebnem Golde ward Das Mahl von zwanzig Knappen aufgetragen^; Zur Seite glänzte hoch empor gethiirmt Der reiche Schenktisch,; zwanzig andre pflegten Des Diensts dabey, und zwanzig dienten bey der Tafel; Und Pauken schallten und Trompeten klangen So oft der grofse funkelnde Pokal Herum ging.
Als sie nun die Essenslust
Gestillt, ward ritterlichen hoflichen Gespräches viel gepflogen bis um Mitternacht. Und aller Augen waren auf den Alten Geheftet, wenn er seinen Mund zum Reden aufthat. So stille w a r d es dann, man hätt* im Salil Das Weben einer Spinne hören mögen. Und K ö n i g A r t n s nahm des Alten
Hand
und sprach: Herr
Branor,
einen Mann von eueritt Schrot und Korn
Gesehen hab' ich nie vor diesem Tage.
EINE
E I I Ä O I U S C .
£7
So helfmir Gott, als ich die Väter mochte Gesehen ha'n, die solche Söhne zeugten! Ihm gab der alte Ritter diese Antwort: Herr König, Imndert Jahre schon und drüber H,->b' ieh erlebt, hab' manchen guten Mann Auf seiner Amme Sclioofs gesehen, manchen bessern Begraben helfen. Noch gebricht es nicht An wackern Rittern, und an echönen Frauen Die ihres Dienstes Werth sind. Aber Minner wie Zu meinen Zeiten werd' ich nimmer sehn! Von solcher Mannheit, solchem festen Sinn, So über Ehr' und Recht und Wahrheit haltend. So bieder, und dem Freund so treu und hold, So offnen Angesichts und offnen Herzens, So ohne Falsch, wie K ö n i g M e l i a d und Hek~ tor D e r B r a u n * , und D a n a y n d e r R o t h ' , und Geron Der A d e l i c h e ! — Nein, bey meinem.Gott! Nie werd' ich solche Männer wieder sehn! Hier brach dem edeln Greis die Stimm'; er senkte Sein weifses Haupt und schwieg. Und alles schwieg,
¡¿3
GiKOS
DER
ADEllCHt,
Und niemand wagt' es eine gute W e i l a Die heil'ge Stille zu entweilin.
Zuletzt
Winkt G e n i e v r a heimlich ihrem Ritter zu, Und L a n z e l o t verstand den W i n k , und sprach Zu B r a n o r n : Alter H e r r ! w i r alle sind Zu j u n g , der Ritter, die ihr nanntet, einen Gesehn zu haben: nur in euch noch leben sie, Der sie gekannt, dem einz'gen ihres gleichen Der unsre Zeit erreichte.
Wolltet ihr
Von iliTen Thaten uns erzählen was ihr wifst, W i r alle würden euch die Gabe danken. Der K ö n i g A r t u s und die Königin Und a l l e Ritter stimmten laut zur Bitte Des schunen L a n z e l o t .
Die Jungfrau'n schwiegen;
Doch bat ihr züchtiglich gesenktes Auge Und ihrer Wangen ivöthe, die Verrätheriii Des jungferlichen schüchternen Verlangens. Ur.d B r & n o r sah sie freundlich nickend an Und sagte; W a s ihr bittet ist Gefälligkeit; Das Alter ist geschwätzig, w i e ihr wifst, Es liebt zu reden von den guten Zeiten Die nicht mehr sind, in denen es, als w i e
EINE
ERZÄHLUNG.
29
In einem sel'ge^ T r a u m , allein noch lebt, Ich w i l l von G e r o n , von dem edelsten Der> Männer die ich call, euch w a s erzählen. W o h l siebzig Jahre mögcn's seyn und mehr, Seit ihn und mich ein wunderbarer Zufall Zusammen bracht'! Auf Abenteuer.
Ich zog i m Land umher
Eines Tages überfällt
Ein Sturm mich tief im Holz. In einer Felsenliölil'.
Ich suche Schirm
Ein enger Gang
Der in den Berg hinein sich w i n d e t , lockt mich an Zu sehn, wohin er führe.
Immer abwärts,
Immer dunkler , tiefer gellt's hinab. Auf einmahl wendet sich der Gang, und nun Steht offen eine Höhle vor mir da, Von Menschenhand gehauen und gewölbt, Gleich eineT Todtengruft — und i n der Gruft, Beym schwachen Glimmer einer Lampe vom GeWölb' Herunter, seh' i c h , w i e z w e y heil'ge Leiber, Einander, gegenüber, still und hehr Z w c y alte Ritter sitzen.
Jetzund noch.
Nach siebzig J a h r e n , da ich euch davon Erzähle, fährt mir'» halt durchs Rückenmark hinauf. Es w a r als weckete mein Anblick sie
¿J
G E K O N
D E R
A D E I I C H E .
Aus einem sanften Schlummer.
Unbefremdet, mild
Und freundlich sahen sie m i c h a n , und w o h l Z u thun schien's i h n e n , wieder einen Menschen Z u sehn.
Sie hiefsen mich mit dumpfer Stimme
W i l l k o m m e n , sagten m i r , sie wären beide, Nachdem sie auf dein Lebensmeere lang* Herum getrieben, alt und ruhesehnend In diese stille G m f t herab gestiegen, da In ihrem Grab des Todes zu e r w a r t e n . Sie w ü r d e n in der W e l t , w o man sie suchte Und nirgends f a n d , schon längst f ü r t o d t gehalten: Erdgeister pflegten i h r e r , brächten ihnen auch Z u w e i l e n Kundschaft was die Lebenden Auf Erden machten.
B r e h u s w a r der N ä h m e
Des einen, G e r o n hiefs der andre, Geron, der ältere.
Vor Zeiten halte d e r
In Gallien geherrscht, drauf seinem ältsten Sohno D a s Reich gelassen, um der Ritterschaft Sich ganz zu w i d m e n . D e r gleiche Trieb.
Bald ergriff den Sohn
E r übergab sein Reich
D e m jüngern B r u d e r , zog auf Abenteuer Viel Jahre l a n g , kam endlich auch in diese Gruft, Sein miihvoll Leben hier m i t seinem alten Vater In strenger Bufse zu beschließen. — Hier, t
So sprach der Alte» der m i r diefs erzählte,
EINE
Erzählung.
31
Hier ist iein Grab ! W o meines zweyten seines ist, Weifa
Gott.
Ihm
raubte
Faramund,
der
F r a n k e , Thron Und Leben. Von
meinem
Noch ein einziger ist übrig Blut
und
Stamm,
mein
Enkel,
Ger on Der Adcliche.
W a s von Zeit zu Zeit
Die Geister von i h m melden, ist die Nahrung, glaub 1 ich, Die mich nicht sterben läfst.
Er ist ein M a n n !
Und Gott vergelt's i h m , dafs er meinem Blut Und Nahmen Ehre macht! .— Hier schwieg dar Greis. In diesem Augenblck cntschlofs ich mich Den Ritter G e r o n aufzusuchen, und ich zog An U t h e r s Hof.
Da hört' ich Rühmens viel
Von Gerons Tugenden; er selbst w a r nicht Zugegen.
Und ich zog ihm nach,
Fand i h n , und wunderte mich seiner Schöne, Der Stärke seines A n n s , und seines Muths, doch mehr Der Treue seines Herzens; und er w a r d m i r hold. Und ich begleitet' ihn auf mancher Fahrt, Und w a r der Zeuge seiner letzten Thaten.
38
GERON
DER
ADELICHE,
Noch Knabe w a r er, als »ein Vater KxojT Und Leben gegen F a r a m u n d verlor. Ein alter Freund von Geron seinem Ahnherrn, H e k t o r d e r B r a u n e , rettete den Knaben. Floh nach Britannien mit i h m , und w a r d Der Führer seiner Jugend, und sein Meister in Der Ritterschaft; und G e r o n w a r i h m w i e Sein
eigner
Sohn.
Und
als in einer
grofsen
Schlacht
Der Alte
schwer v e i w u n d e t
fiel,
empfing
ihn
Geron In seine Arme, schlu» mit I.owenwuth Zu Boden jeden der an seinen Freund Hand legen
wollt',
und
trug
ihn
auf
dem
Rücken In sein Gezelt; allein das Leben ihm zu fristen Vermocht 1 er nicht.
Und sterbend reichte Hektor
Sein gutes Schwert i h m h i n :
„ D a , sprach er, nimm !
Ich kenne keinen andern, der's nach m i r Zu führen werth i s t ! " — Grofs und selten war Des Schwertes T u g e n d , reich der goldne Griff, Und reicher viel die fest gestählte Klinge; Uml auf der Klinge stand i n goldner S c h r i f t :
E I « E
E R Z Ä H I U N C .
V e r m e f s s i c h k e i n e r,
5J
untugendlich
Diefs Schwertes anzumutlien Treu geht über
sich!
alles,
Untreu schändet
alles;
H o h n dem Mann, der seinen V e r b e r g e n w i l l in
Schalk
Löwenbalg!
D e r edle Jüngling nahm das heil'ge
Schwert
M i t nassem Aug' aus seines sterbenden Pflegvaters H a n d , und hielt sich reicher d r u m Als w a r ' ein Königreich i h m angefallen. W i e er's verwaltete, defs w i l l ich euch E i n ßeyspiel geben — w e n n ihr zuzuhören N i c h t müde seyd. —
Und L a n z e l o t v o m S e e und seine D a m e , D i e schöne Königin , betheuerten I m Nahmen aller Gegenwärtigen, Sie würden: i h m den ganzen Rest der Nacht So zuzuhören nimmer müde werden. D e r A l t e , unter seinen grauen A u g e n w i m p e r n H e r v o r , schiefst einen scharf gespitzten Blick Auf Lanzelot und auf die Königin, U n d beider Augen sinken vor dem Blick WIELANDS
sämmtl.
W.
XVIII. B.
c
54
GEBON
Des Edeln.
DER
A D I L I C H E .
Eine kurze Stille folgt,
Und fort fuhr B r a n o r : „In denselben Tagen l«lbte Im Brittenland ein edler Kitter, D a n a y n D e r R o t h e , Herr der Burg zu M a l o a n k . G e r o n der Adeliche ward sein Spiefsgesell Und Freund; sie schworen sich den Todesbund, Und ihrer beider Liebe ward im Land umher Zum Sprichwort.
Und die F r a u z u M a l o a n j s ,
Des D a n a y n s Vermählte, w a r das schönste W e i b Im ganten Brittenland, das schöner Weiber Vor allen Landen sich berühmen mag. Sie ohne Liebesregung anzuschauen w a r Unmöglich.
G e r o n , w i e er sie zum ersten Mahl
Erblickte, dacht' in seinem Herzen: » A h ! Der thäte wahrlich keinen theuern Kauf, Der eine Nacht in dieses Weibes Arm M i t seinem Leben kaufte ! " — Und von diesem Nu Vermied er streng, ins Auge ihr zu sehn, Sprach selten bei i h r an, und nie allein, Noch anders als in seines Freundes Gegenwart, In dessen treues Ilerz und Biederauge Kein Argwohn kam.
Sie zogen Monden lang
Und länger oft zusammen aus, auf Abenteuer In fremden L a n d e n , oder an die Höfe Der Fürsten, w o in Ritterspielen Ruhm
EIBE
ERIÄHIBNO.
55
Zu hohlen w a r : und wenn nach Maloank" 1 Sie wieder kamen, blieb H e r r G e r o n fest Bei seiner Weise, haltend ob dem Bund, Den er gemacht mit seinen Augen; s o , Dafs wer ihn sah geschworen liätt\ ihm sey D i e schöne F r a u v o n M a l o a n k nicht mehr N o c h weniger als jedes andre Weib.
Z u m Unglück war das Herz der schönen Frau So nicht verwahrt wie seines.
Ihr erschien
Beim ersten Anblick G e r o n als der Mann Aus allen Männern, denp ein edles Weib Den Sold der Minne nicht versagen könnte; Und ungewahrsam läfst sie auf und ab D i e Augen schweifen auf der stattlichen Gestalt, und schaut ihn an und wieder an Wie schön er i s t , berauscht ihr Aug' und Herz An i h m , nichts böses ahnend; nennt es Freundschaft Und Höflichkeit, und tauschet sich mit Nahmen So lange bis sie sich nicht länger täuschen kann , Und nun zu heifs die Wunde brennt, sie dem Z u bergen, der allein sie heilen mag.
gö
GEMON
DER
AD£XICHE.
Des Weibes Liebe hat ein Falkenauge. W i e sehr sich G e r o u ihr verbergen w i l l . So bald sein Auge mit dem ihrigen Zusammen
trifft, so sieht s i e ,
oder glaubt zu
sehn, Es g l i m m ' in seinem trüben Feuer — Liebe. In dieser Hoffnung lau'rt sie auf Gelegenheit Allein mit ihm zu seyn, nnd w i e es ihr Gelingt, bekennt sie ihm ihr Liebesweh. In schönerer Gestalt versuchte nie Die Sünde ein Geschöpf von Fleisch und Blut. Von ihren Lippen flofs der ersten Schlange Beredsamkeit, Verführung athmete Aus ihrem Busen, lockt' in ihrem Arm. Nie kämpfte G e r o n einen schwerern Kampf: Dccli F r e u n d s c l i a f t , T r e u e , H e k t o r ,
Da-
na yn, Stehn zwischen ihm und seines Freundes W e i b , W i e Engel Gottes mit dem Flammenschwert. Das wolle Gott nicht, dafs ich fähig sey Den Augenblick von Schwäche zu mifsbrauchen, Der meines Freundes W e i b in meine Hände g i e b t ! Rief er und wand aus ihrem Arm sich los.
E I N E
E R Z Ä H I O K « ,
57
Verwirrt und sprachlos stand, von ihrer Hoffnung So arg getäuscht, indem er ihr entfloh, Die Schuld'ge da, und wäre gleich vor Scham Und Schmerz gestorben, war' ihr's zweifelhaft Nur einen Augenblick gewesen, ob der Mann Sie aus Verachtung also abgewiesen. Doch ihre Augen hatten ihr zu wohl gedient. „Er liebt mich, denkt sie: sah ich nicht den Kampf In seiner Seele? O gewifs, sein Herz Hat keine S c h u l d ! " — Und nun erscheint ihr Geron D e r A d e l i c h e seiner Treue wegen Nur herrlicher, gerechter ihre Liebe Zu solchem Manne! Ja sie rühmt sogar Sich ihrer schonen Schwachheit in sich selbst, Und zeigt sie immer unverholener ihm In ihren Augen. G e r o n wurde diefs ein Wink, Sich der gefährlichen Versucherin Nicht auszusetzen. Und er zog hinweg Von Maloank, und kam nach Braunenthal Zu einem Ritter, dessen Burg daselbst Gelegen war,. Da gingen viele Tage Mit Jagen, JLanzenbrechen, Sang und Tanz Vorüber.
Aber G e r o n wurde defs
58
GtnoN
DER
ADEIICIIE,
Bald überdrüssig. — „Wäre D a n a y a Docli auch da! dacht' e r : ohne meinen Freund Zu leben unter diesem fremden kalten Volke, Das duld' ieh länger n i c h t ! " —
Wie viel die
Fjrau V o n M a l o a n k an seinem Ueberdrufs Theil haben könnte, mocht' er so genau Sich selbst nicht fragen; kurz, er liefs sich waffnen, Bestieg sein Rofs und zog zurück nach Maloank. Grofs war die Freude seiner Wiederkunft Bey D a n a y n d e m R o t h e n , seinem Freund, Der so ihn liebte, dafs sich Zwillingsbrüder Nicht besser lieben könnten.
Und wiewohl sie
schon So lange Spiefsgesellen waren und so selten Sich trennten, dennoch lebte weder Ritter Noch Jungfrau in der Burg, die G e r o n s Nahmen Zu nennen wufsten, aufser Danayn Und seiner Dame; alles nannt1 ihn blofs D e n g u t e n R i t t e r ; andern Nahmen wufsten Die Leute in der Burg ihm nicht zu geben. Begab sich nun, dafs, während G e r o n sich. Zu Maloank enthielt, ein Schildknapp kam,
E I N E
E R Z Ä H L U N G .
59
Und ging zu D i n a y n , ihm meldend, dafs In sieben Tagen vor der b e i d e n
Schwestern
Burg Ein gj-ofs Turnier gehalten werden sollte. So helf mir Gott, spricht D a n a y n , als ich Dabei bin, wenn i c h anders kommen kann!
Und stracks ging D a n a y n d e r R o t h e seinen Freund Zu suchen; und sie wurden eins, zusammen hin Hinauf zu reiten nach d e r S c h w e s t e r n
Bui'g,
Doch unbekannt und nur iq schlechtcn Waffen.
Und das'Gerücht davon ging in der B u r g , Und kam bald vor die F i ' a u v o n
Maloank.
Und w i e die Dame das vernahm, gefiel Ihr's sehr. Denn weil d e r S c h w e s t e r n
Burg
Nur eines halben Tages Weg von Maloank Entfernt lag, hoffte sie, Herr Danayn Der Rothe würde (wie es Sitte w a r In solchem Falle) zum Turnier sie führen. Denn in denselben Tagen war an Schönheit w o h l Kein W e i b in allen Landen gleich der F r a u V o n M a l o a n k . — „Und G e r 0 1 1 (dachte sie)
G E K O K
D E B
ADELICHÜ.
W i r d mit uns ziehn, und mir die Freude werden Zu sehen, w i e er unter allen Königen Und Rittern aus der ganzen W e l t der wackerste Und schönste i s t . " — Denn immer hing ihr Heiz An G e r o n noch, w i e w o h l er ihre Liebe so Zurück gewiesen.
G e r o n w a r und blieb
Der einz'ge Mann in ihren Augen. Allein nur kann sie lieben,
Ihn
mag bey Tag und
Nacht An-nichts als seine Schönheit und sein adelich Gemüth und seine Tapferkeit und treuen Sinn Gedenken; wollte lieber seine Dame seyn Als Frau der ganzen W e l t ; gelobt sich h e i l i g , nie Ihr Herz von ihm zu wenden.
Sollte sie
Mit ihrem Leben ihre Liebe büfsen, M i t tausend Freuden wollte sie es i h m Zu Liebe t h u n , sicli's noch, zur Ehre schätzen. So w a r der F r a u v o n M a l o a n k z u Muth. Als nach der Burg zu gehen sie beschlof«. Denselben Abend noch sprach sie davon M i t ihrem Manne; und Herr D a n a y n Gab ihr gefällig lächclnd zum Bescheid: Frau,
weil' ihr'« w o l l t , so bin icji's w o h l zufrieden ;
EIKE
ER2X.HI.UKG-.
Ich w i l l zur S c h w e s t e r n b u r g
41
m i t solchem
Staat Euch führen lassen, w i e für eine F l a u Von eurem Stand und Wesen ziemlich ist; W i l l Jungfrau'n viel euch zur Gesellschaft geben, Und Ritter, die euch sicher hin und her Geleiten sollen: nur ich selber kann es nicht Für diefsmahl; w e i l w i r beide, ich und Geron, nur In schlechten Waffen zum Turnier zu kommen Und unerkannt zu bleiben Willens sind. Als nun die Zeit heran k a m , machten sich Die beiden Ritter, nur mit Einem Knappen, Der Schild' und Schwerter nachtrug, auf die Fahrt Und kamen, durch viej Nebenwege, unerkannt Zur S c h w e s t e r n b u r g :
indef* die Frau von
Maloank In groTsem Staat, von sechs und zwanzig Rittern Geleitet, den geraden Heerweg zog. Und nahe bey der Burg begegnete Den beiden Freunden auf dem Plan H e r r F l a u m , E i n junger Schalk und Prahler, der in Ritterschaft Kein kleiner W i c h t zu seyn sich dünken liefs. Und der zur Zeit und' Unzeit gar zu gern
42
GEKON
DER
AUELICH
Hochmütliete und neckte männiglich Der ihm in Wurf k a m , und es leiden mochte. W i e der die beiden Kitter so daher Gelassen
traben
sieht,
in
schwarzen
Waffen,
schwarz Die Schild' und Sper', im ganzen Aufzug schlecht Und scheinlos: sprengt er auf sie z u , und fordert sie Heraus, gleich auf der Stelle einen Sper M i t ihm zu brechen. Dessen wehrten sie Gar höflich sich, als solche, die auf morgen Sich sparen w o l l t e n ; aber all' umsonst: J e ehrlicher sie sprachen, desto gröber w a r d Herr F l a u n z , der Schalk; und da sie, ohne sein Zu achten, ihres Weges zogen, spottet' er Zu einem Ritter von der Tafelrunde, der Zur Seite stand, der beiden schwarzen Knechte, Und sprach so laut, dafs sie es hören mochten, Darob entbrannte D a n a y n in Zorn Und sprach zu G e r o n : Bruder hörst du da Die Ritter, die vermeinen ungestraft Unsliochzumuthen? Was bedünkt dich ? — „Mach's w i e ich, Versetzt Herr G e r o n , lafs sie klaffen! schwätz
Ihr Ge-
EINE
£ H Z Ä H R V K G.
45
W i r d uns nicht schlechter und nicht besser machen ; U n d höhnen sie uns heute, leicht mag's seyn Es reut sie morgen, halten dann sich selbst F ü r Gecken drum, und wollten gern i h r Maul Gehalten haben.
Ihrer laufen viel
H e r u m im Lande, die sich grofs damit Bedünken strenge Späfslinge zu seyn , U n d alles kurz und klein heraus zu geifern W a s ihnen in die Zähne schiefst. Ich meines Orts N e h m ' keine Kundschaft dessen was sie sagen, U n d w e n n sie reden, ist m i r ' s eben so Als schwiegen sie." — . Bei Gott, Herr Bruder, d u hast R e c h t , E r w i e d e r t D a n a y n : von Stund' an mögen sie W a s ihnen lüstet gackeln, bis sie's müde s i n d ; Sey eine M e m m e , der sich dessen k ü m m e r t !
H e r r I r w i n , einer von den adelichsten Rittern D e r Tafelrunde hörte mit Verdriefs die Reden Des jungen Knechts , der also ohne Fache D i e unbekannten Ritter geckte; und Er
straft' i h n
defs mit
harten
Worten.
F 1 a un z Z u zeigen, dafs er keinen fürchto, fing
Aber
,6
G E B O K
DEH
Herr D a n a y n ,
A D E L I C H E ,
den Spielen zuzuschn erpicht,
Vernahm von dieser Rede nichts.
Allein
Von ungefäljr stand G e r o n nah genug Um W o r t für W o r t zu hören wa« Herr L a h Zum König sprach.
Und ob sein Herz ihm schon
Entbrannte, dafs ein Mann
von seines Frennde* Weibes
So sprechen solIte> dennoch däucht' es i h m , Der Ritter, dessen Seele solcher That Sich werthen dürfte, müfste wohl von Noth Der besten einer seyn.
Und G e r o n trat
Zu ihm, und redet ihn mit höflichen 1
Geberden an, ihm zu erkennen gebend. E r habe wohl verstanden was H e r r Zum Könige gesprochen.
Lak
Ich bekenne mich
Dazu, versetzte L a k , und dessen mich Zu unterstehen sollte mich nicht hindern, wenn Ihr selbst der sechs und zwanzig einer wäi't.
W e n n diefs i s t , sagte G e r o n ,
und ihr traut
euch zu Blofs einer Frau zu L i e b ' mit sechs und zwanzig Rittern E i aufzunehmen; sollt euch wohl, den Dank
47
E I N E . E R Z X H I . I T N O.
Des Tnrneys zu gewinnen über uns Ein leichtes seyn ?
Das ist ein W o r t , spTach La Ii, Ich bin dabei.
Und K ö n i g
Meliad
Und D a n a y n , der auch dazu kam, nahmen Theil An ihrer W e t t e , und sie wurden eins, Dreymahl zu rennen, G e r o n gegen
Lak,
Und K ö n i g M e l i a d an D a n a i y n , Zum ersten Mahle rennten D a n a y n Und G e r o n jeder seinen Gegner nieder; Beim zweiten Rennen drehte sich das Glück, Die beiden Freunde wurden ans dem Sattel Gehoben; doch im dritten trugen »ie M i t hohem Lob des Turneys Dank davon. Und als die Nacht hereinbrach, kam in Hast Zu D a n a y n ein Schildknapp, meldend: daf» Die Mörder seines Neffen, die er überall Aufsuchen liefs, sich wenig Stunden weit Von dannen sehen lassen.
Alsbald machte sich
Der Ritter auf, sie zu verfolgen.
Und er sprach
Zu G e r o p : Bruder, ein Geschäfte ruft mich ab. Das keinen Aufschub leidet; ziehe du Nach Maloank, und haTre mein daselbst.
/¡8
G E R O S
DER
A D E L I C U £ ,
Das lieft er auch der Frau von Maloank Entbieten; und so kehrte sie mit ihrem
Zag
Des Morgens drauf nach ihrer Burg zurück. Herr G e r o n hatte nicht des W o r t s vergessen Das L a k gesprochen; und so bald die Frau Von Maloank die Burg der Schwestern wieder Verlassen, folgt' er ihr von ferne nach. Allein H e r r L a k , der schönen Beute nicht Zu fehlen , httte früh sich aufgemacht, Und tief in einem holzbewachsnen Thale, Wodurch sie ziehen mufste, sich in Hinterhalt Gelegt; uud als der Zug heran k a m , Hei E r , w i e ein Blitz aus hellem H i m m e l , über Die sechs und z w a n z i g , trieb sie in die Flucht, Und nahm die Frau und ritt mit ihr davon.
H e r r G e r o n hatte durch ein Abenteuer Von ungefähr den W e g verloren, den Die Dame zog.
Und w i e er, ihre Spur
Zu suchen, wieder seitwärts lenkte, liefs Sein gutes Glück ihn auf den Räuber stofsen, Der wohlgemuth mit seiner schönen Beute Einher getrabet kam.
Das Kleinod w a r
W o h l eines Kampfs um Tod und Leben werth,
E I N E
E R Z Ä H L U N G .
49
Und ängstlich ringend ihre schönen A r m e , that Die Frau zu allen Heiligen im Himmelreich Gelübde, m e h r f ü r ihren F r e u n d als sich. Doch bald entrifs der Tapfre sie der F u r c h t Des Ausgangs; denn mit L u w e n g r i m m Umschlang er seinen rauhen Gegner, warf Z u Boden i h n , und zwang ihn von der Milde Der Frau von Maloank sein Leben anzunehmen. W i e grofs die Freude war der schönen Frau, Als sie befreyt sich sab, und durch die Hand Des Mannes, den sie über alles liebt! Geringer kaum des Kitters, seine Dame Ersiegt zu h a b e n , und bestraft den Trotz Des frechen Nebenbuhlers! — Beide sehn sich an. Und bleiben sprachlos; ihre ganze Seele ist In ihren Augen.
Alles um sie her
Tst W a l d , und still und einsam; Sie und E r Die Einz'gen in der W e l t .
W e l c h Augenblick
Des Freundes zu vergessen! — Aber G e r o n kam Bald wieder zu sich selber, trat zurück und sprach Z u r F r a u e n : D a m e , ledig seyd i h r n u n Des R i t t e r s , möget nun nach Maloank In Frieden z i s h n , nach euerm eignen Willen. W i e n a n d s täjnmtl. W. XVIII. B.
D
5O
G E R O S
DER
A D C L I C S E .
Ihm giebt die Frau zur A n t w o r t : Edler Herr, Dafs ich befreyt b i n , defs sey Gott gedankt Und euerm Arme! Denn gehöhnt auf e w i g Und aller Ehren bar w a r ' ich geblieben, Ilätt 1 euer Muth die Schmach mir nicht vergaumt. Allein, was nun beginnen? Meine Reisigen Und Knappen sind entilohn, desselben gleichen Auch meine Juugfrau'n alle haben micü Allein gelassen.
Spricht zu ihr der Ritter: Frau,
Styd unbekümmert; eure Leute können nicht So ferne seyn; sie werden wieder sich Zu euch versammeln.
Reiten w i r indefs
In diesem Pfade f o r t , der ohne Fehl Uns wieder in den Heerweg bringen w i r d . Und mit dem Worte ritten sie von dannen.
Als nun d i e s c h ö n e F r a u v o n
Maloank,
Sich ihres Schreckens q u i t t , und mit dem Manne, Der über alles lieb ihr w a r , so ganz allein Sich sah, und dachte bey sich selbst, w i e i m Turnier Er allen es zuvorgetlian, und w i e So adelich und schon und hold er w a r In allen D i n g e n , über alle Männer die Ihr jemahls vorgekommen: da bewegte sich
E I N E
ERZÄHI.UNC.
51
Ihr Herz so stark in i h r , sie wulste nicht W i e ihr geschah, und was sie sagen oder w i e Sie schweigen sollte. — Noth ist ihr zu reden: Allein die Furcht. noch einmahl abgewiesen Z u werden, schreckt sie.
L i e b e setzt ihr zu
Ihm frey zu offenbaren, was ihr Herz Gelüstet: aber Scham hält ihren Mund So bald sie reden w i l l .
Auf einer Seite
Spricht L i e b e : „ D a m e , redet ohne Scheu, Er weiset euch gewifs nicht wieder ab. Ihr seyd so wohlgetlian von Leib und Angesicht, Der wäre nicht des Ritternahmens w e r i h . Der eine Frau w i e ihr zum dritten Mahl Abweisen könnte; waget's nur g e t r o s t ! " Doch S c h a m spricht auf der andern:
„Dame
hütet euch Zu reden ! Geron liebet Danayn So stät und treu, er w ü r d ' um alles in der W e l t An ihm nicht fehlen.
Rechnet sicher drauf,
Ihr werdet abgewiesen." — So verstummte denn Die Dame zwischen beiden, und sie ritten Noch eine gute Weile schweigend fort. Indessen h a u ' auf seiner Seite G e r o n In seinem Herzen keinen leichtern Kampf
52
G E B O S
Z u kämpfen.
D I U
A D E L I C H B .
D e n n so ofc er auf die F r a u
D i e Augen w a r f , w a r i h m 80 woh nach i h r , Und d a c h t e : sollt' er nur ein einzigs volles Mahl Sein Herz an ihres drücken , seine Seele gab 1 E r drum ! — Z u kämpfen länger däucht i h n weder möglich N o c h ehrlich gegen ein so schönes W e i b D a s ihm so hold ist.
Alles schicket s i c h
Z u ihrer beider W ü n s c h e n .
Z e i t und O j t ,
So s t i l l , so e i n s a m , werden n i m m e r m e h r So w i e d e r k o m m e n ! —
, , A b e r , deines Freundes Weib.
D e s W a f f e n b r u d e r s , der dich höher liebt, Als seiner Augen e i n e s ! Das verhüte G o t t , Dafs so ein w a c k r e r Ritter durch den M a n n Geschändet w e r d e , gegen dessen T r e u ' er sich D e n kleinsten Z w e i f e l nie verzeihen w ü r d e ! W i e wolltest du i n deinem L e b e n wieder I h m i n die Augen schauen? w e l c h e m a n d e r n , der Auf E h r e hält ? und w i e dich selbst ertragen, N a c h solcher T l i a t ?
—"
I n diesen wechselnden Gedanken Titt er schweigend hinter i h r ; D o c h könnt 1 er sich n i c h t wehren, dann und wann
Eine
Erzählung.
53
Sie anzusehen , und je öfter er Sie ansah, desto schöner däucht sie ihm. Z w e y - oder dreymahl war ihm's auf der Zunge Es ihr zu sagen, wenn die Scham ihm nicht Den Mund verschlossen hätte. Endlich hob die Frau ( D e r Notli war ihrem Herzen L u f t zu schaffen ) Von selber a n , und sprach zu G e r o n :
Liebet
Herr, So gebe Gott euch gute Abenteuer! Sagt m i r , was ist in aller Welt das D i n g Das einen Ritter Kühnheit zu beweisen Und hohen Muth am stärksten treiben k a n n ? ,• Erwiedert G e r o n : „ D a m e , zweifelt nicht, Es ist die M i n n e .
R e c h t e M i n n e hat
So hohe wundersame K r a f t , sie könnte wohl Aus einem feigen Menschen einen waglichen Beherzten Ritter machen." Gott behüte! Versetzt d i e D a m e : wenn dem also ist, Welch ein gewaltig Wesen müfste dann von Noth D i e Minne seyn!
54
G I H O N
DER
A D E L I C H E .
Erwiedert ihr Herr G e r o n ,, J a , w a h r l i c h , dem ist also w i e ihr s a g t ! Und w i s s e t , Dame, nie und nimmermehr Iii meinem Leben w a r ' ich das gewesen W a s diesen Tag H e r r L a k erfahren, hätte mich Die Minne nicht gestärkt: noch hätte L a k , Obschon der besten Ritter einer, je Die sechs und zwanzig Reisigen von Maloank Zur Flucht gebracht, w i e er gctlian, w o nicht Die Minne ihm die Kraft zu solcher Thac Gegeben hätte." W i e ? (versetzt d i e F r a u ) Aus euern Reden sclieints ihr selber liebt Mit r e c h t e r
Minne? „ D a m e , ganz g t w i f s
Sagt ihr die W a h r h e i t , w a r des Ritters Antwort Auch acht' ich dessen mich für hoch beglückt. W e i l ich mich kiihnlich lülimen m a g , dafs au Die schönste F r a u , die in der Welt i s t , ich Mein Herz gesetzt; und drum allein vermag Ich Dinge , die ich andrer Weise nie Bestehen könnte.
Denn das glaubt m i r , Dame,
Wär's nicht in dieser übergrofsen Minnekraft, Ich liätt' in diesem Turpey nicht gethan
EINE
Erzählung.
55
W a s i h r gesehen habt; und hab' ich L o b D a m i t v e r d i e n t , so bin ich's lediglich D e r Lieb 1 und meiner Dame schuldig; ihnen ganz Allein g e b ü h r t der D a n k . "
Die e d l e
Frau
V o n M a l o a n k , indem sie ihren Ritter So reden h ö r t , erfreut sich ohne Mals. D e n n w o h l sagt ihr das Herz : w e n n Geron liebt, So liebt er d i c h und keine andre in der W e l t . Und w i e er aufgehört zu r e d e n , nahm sie wieder Das W o r t und sprach: Mein H e r r , so gebe Gott E u c h gute Abenteuer! sagt m i r ohne Scherz, W e r iät die D a m e , die so lieb euch ist Und über alle andre Frauen in der W e l t E u c h schön zu seyn bedünkt?
„ So h e l f m i r Gott, Versetzt e r , als die schönste aller Frauen in D e r ganzen W e l t , kein' andre ist als I h r ; Und w o h l versichert müfst ihr dessen selbst In euerm Herzen seyn.
J a , liebe Frau,
I h r seyd es, die ich m i n n e , so wie bafs Kein Ritter seine Dame m innen mag."
5*3
G E R O »
DER
A D E I I C H E .
H e r r , ( s p r i c h t zu i h m die F r a u ) was «oll ich denken Von euein R e d e n ? Sicher ist's nicht euer E r n s t ; Ich seh', i h r harret meiner A n t w o r t n u r Um meiner dann zu spotten.
D e n n es ist
So lange n i c h t , und ich erinnre mich'g Sehr w o h l , w i e ich das alles, was i h r m i r Da sagtet. e u c h g e t a g t , und w i e i h r härtiglich Mich abgewiesen.
Jetzo w o l l t ihr mich bereden,
I h r liebtet m i c h so mächtig.
Guter Herr,
W a s w o l l t i h r , dafs ich g l a u b e ?
» L i e b s t e Frau, ( E r w i e d e r t G e r o n ) pflegt, u m Gottes willen, N i c h t solcher Reden m e h r .
Dafs danoahls ich bethört
Und blind w a r , lafst m i c h dessen jetzund nicht E n t g e l t e n ; nehmet m i c h zu euerm Ritter an, Und seyd v e r s i c h e r t , Herzenskönigin, Dafs keine Minne in der W e l t aufrichtiger Als meine i s t . " Die F r a u v o n
Maloank
Hat solche F r e u d e , ihren Ritter also reden Z u h ö r e n , dafs i h r i s t , sie h ö r ' i h n immer noch
EINE
ERZÄHLUNG.
Auch da er wieder schweigt.
57
Sie zweifelt n u n
N i c h t mehr an seiner L i e b e , weidet sich Daran so i n n i g , dafs i h r ist, sie a t h m e , s c h w i m m e In lauter L i e b e ; ist go r o l l von i h m Und ihrem Glück, und kann doch nichts Z u W o r t e n b r i n g e n , horchet n u r und schweigt, Als ob sie fürchte sie verliere w a s davon D u r c h Reden.
W i e sie eine Weile n u n So fortgeritten, zeigte sich ein kleiner Pfad, D e r mitten durch den W a l d geraden W e g s Z u einem Brunnen fahrte.
G e r o n lenkt dahin,
Und spricht zu seiner L i e b e n : „ D a m e , Müdigkeit Vom T a r n e y und der Arbeit dieses Morgens Befallt m i c h ; hieltet i h r ' s genehm , so möcht' ich wohl E i n w e n i g Ruhens pflegen an dem Brunnen dort D e r v o r uns liegt." Erröthend)
Mein H e r r , (versetzt die F r a u
t h u t nach euerm Willen.
Und er
nahm D e n W e g zum B r u n n e n , und die D a m e ritt I h m schweigend nach.
58
GERON
DER
ADELICHE.
Und als sie nun dahin Gekommen w a r e n , stieg H e r r G e r o n ab, Und band sein Rofs an einen B a u m , ging dann Der Frau von Maloank herab zu helfen. Ein frischcr Rasen, lustig überschattet Von Bäumen, w a r daselbst, umschlossen rund M i t Büschen, still und lieb und h e i m l i c h , als sie sich Zum Ruhen einen Platz nur wünschen mochten. Hier setzt er seine Dame, w i e er sie Vom Pferd herab in seinen Arm empfangen, Im Schatten h i n ; beginnt dann Stück vor Stück Sich zu entwaffnen, nimmt die Haube ab, Und schnallt den Harnisch von den Schultern und Den schwarzen Schild, und legt es alles auf Den Brunnen h i n ; und oben drauf s e i n
gutes
Schwert, Das einst der unbescholtne H e k t o r
Braun
Geführt und sterbend ihm zum Erbe liefs, Und das, um seines ersten Herren w i l l e n , i h m So lieb w a r , dafs er nicht das beste Schlofs Des Königs U t h e r drum genommen hätte. Allein i n diesem Augenblick der Trunkenheit Iizt dacht' er wenig an sein S c h w e r t , und an
E I N E
E I Z Ä H U S D ,
GG
D i e R i t t c T s p f l i c h t , ' w o z u es den v e r b a n d , D e r n a c h d e m w a c k e r n H e k t o r es zu f ü h r e n sicli Vermafs.
V e r l a s s e n hatten i h n z u m ersten M a l i l
I n seinem L e b e n E h r ' und B i e d e r t r e u ' , U n d heifser H u n g e r nach der siifsen F r u c h t D e r M i n n e jedes edlere G e f ü h l in seiner B r u s t Verdrungen.
G e r o n i s t nicht G e r o n
H a t seines D a n a y n s
mehr,
v e r g e s s e n , seiner s e l b s t
V e r g e s s e n , eilt m i t rascher U n g e d u l d S i c h vollends zu entwaffnen ; w ä h r e n d dafs D i e s c h ö n e F r a u , in süfser S c h a m , die A u g e n G e s e n k t auf ihren S c h o o f s , v e r s t u m m t , u n d k a u m Z u a t h m e n s i c h getraut.
U n d siehe da, A l s G e r o n eben i h r s i c h nähern w o l l t e , B e g a b s i c h ' s , dafs v o m R a n d des B r u n n e n s , w o E r seine W a f f e n auf einander h i n g e l e g t , S e i n gutes S c h w e r t h e r a b i n s W a s s e r f i e l , U n d w i e er's platschen h ö r t , verläfst er stTacks D i e s c h ö n e F r a u , u n d l ä u f t , sein liebes S c h w e r t Z u r e t t e n , zieht's h e r a u s , und trocknet's ab, W i s c h t ' s fleifsig w i e d e r blank ; und als er's u m U n d u m b e t r a c h t e t , o b es u n b e s c h ä d i g t ist, F ä l l t i h m die g o l d n e A u f s c h r i f t i n s G e s i c h t ,
6O
G E K O N
D E R
A D E L I C H E .
Die H e k t o r in die Klinge graben lasten. ET bebt und liest, und liest es wieder und Zum dritten Mahl, als ob er nie zuvor die Worte Gesehen; und auf einmahl ist's, es fall* Ein Zauber von ihm ab.
E r sreht,
das gut«
Schwei t In seiner Hand, und sinkt tief in sich selbst.
» W o bin i c h ? —
Gott im Himmel! welche That
Zu thun kam ich h i e r h e r ? "
Die Kniee erschlaffen ihm
Von dem Gedanken.
Und, sein Schwert noch in der Hand,
Setzt auf den Brunnen er sich h i n , der Frau Den Rücken kehrend, kjmmervoll, und sinkt Aus einem traurigen Gedanken in den andern. Und wie die Dame, die noch kaum zuvor Ihn froh und wacker sah, eo plötzlich ihn In solche wunderbare Schwermuth fallen sieht, Erschrickt sie defs, und weifs nicht was davon Sie denken soll.
Und um zu sehen, was ihm ist,
Geht sie mit leisen Schritten furchtsam hin Und spricht zu ihm; Mein Herr, was sinnet i h r ?
E I B E
E B I ' Ä H I B S O .
6»
Und G e i o n , ohne ihr zu achten, blickt; Mit starren Augen auf sein S c h w e r t , und giebt Ihr keine Antwort.
Lange harret deren
Die holde F r a u , und da er keine giebt, Tritt sie noch näher hin und wiederhohlt M i t sanfter S t i m m e : Lieber Herr, was sinnet i h r ?
Und tief erseufzend: W a s ich sinna ? spricht Der R i t t e r : so erbarme Gott i m Himmel Sich meiner Seele, Frau, als ich nacli dem, W a s ich an meinem Bruder Danayn Begangen, länger nicht zu loben w ü r d i g b i n !
Und als er diefs gesagt, Begann sein Schwert er wieder anzuschau'n. Und sprach mit tiefem Schmcrz : Du gutes Schwert, In wessen Hand bist du gefallen! W i e so gar Fin andrer Mann w a r der, der ehmahls dich Geführt! Verrath noch Untreu'kam sein Leben lang Nicht in sein Herz — Vergieb m i r ! — Führen darf Ich dich nicht länger, aber Tächen w i l l ich dich Und ihn — der bessers von mir hoffte, da er dich Mir anvertraut!
62
Geros
der
Adeliche.
Und m i t dem W o r t e zückt' Er seinen A r m , und eli* die F r a u , vor Schrecken starr, F s hindern m o c h t e , stiefs er m i t dem S c h w e r t Sich
durch und d u r c h ,
zog's m i t G e w a l t
dann
wieder Heraus und hätte sich noch einen Stöfs G e g e b e n , w ä r e nicht die F r a u von Maloank M i t aller Stärke der V e r z w e i f l u n g und der L i e b e I h m in den A r m gefallen.
Guter Ritter,
U m Gottes w i l l e n , schonet euer selbst, ( R i e f sie i h m w e i n e n d z u ) ermordet nicht So g r a u s a n i l i c h euch selbst und m i c h i n euch — Um nichts! —
O, rief e r , D a m e , lafst M i r meinen W i l l e n .
Ich v e r d i e n e
nicht
Z u l e b e n , und so w i l l i c h s t e r b e n , l i e b e r als In Schande leben ! Aber lauter w e i n e n d h i e l t D i e F r a u m i t aller i h r e r Stärke i h m den A r m . In diesem A u g e n b l i c k k a m Z u r ü c k von seiner Falli t.
Danayn
Gefunden und bestraft
H a t t ' er die Mörder seines Neffen ; beide w a r e n sie Gefallen unter seinem S c h w e r t .
N u n eilet er
E I S E
E R Z Ä H L U N G .
63
Zurück nacji Maloank zu seinem Freund; Und w i e , nicht fern vom Brunnen, er im W a l d Daher zieht, trifft ein Klageton sein Olir Vom Brunnen h e r ; und alsbald lenket er D a h i n , und siehe! C r c r o n liegt in seinem Blut, Und blutig überall, in stummer Angst, Die Frau von Maloank bey i h m , allein, Die Hände ringend. — D a n a y n , anstatt Zu fragen, springt vom Rofs und eilt dem Freund Zu Hülfe. Aber G e r o n weigert sich Sie anzunehmen, w i l l nicht leben, klagt Sich selber an vor seinem Freund, verbirgt Ihm nichts als seines Weibes Schwachheit, nimmt Auf sich allein die ganze Schuld.
Und w i e
Er alles ihm bekannt h a t , reicht er ihm Die Iland und spricht: Vergieb m i r , Bruder, w e n n Du kannst, und lafs mich sterben : aber Ilasse nicht Mein Angedenken — denn die Reue kam Der Tliat zuvor.
In meinem H e r z e n w a r
Die Untreu' n u r : so lafs mein Herzensblut Sie löschen! Aber D a n a y n , der Edle, fühlt'' In diesem Augenblick die Herrlichkeit Der Tugend seines Freundes mehr als er
64
GEAON
ADELICHE.
DJSR
Sie je zuvor gefühlt; so offenbar Liegt G e r o n s Herz und Wesen, w i e sein eignes, Vor seinen Augen da. Er fleht Ihm dringentlich, sich selber zu verzeihn, Beschwört bey ihrer heil'gen Freundschaft ihn Zu leben, schwort i h m , dafs er mehr als je Ihn ehr' und liebe!
Uberwältiget Von s o l c h e r L i e b e , willigt G e r o n endlich ein Für seinen Freund zu leben, überläfst Sich seineT Pfleg', und wird auf einer Bahre nach Dem nächsten Schlofs getragen, w o Ein guter alter Ritter sich enthielt, Ein Freund von D a n a y n .
Der lebte da
Mit einer Tochter, die an Schönheit kaum Der Frau von Maloank den Voraug liefs. Und viel verborgner Mittel kundig war Die schwersten Wunden bald und wohl zu heilen. Die edle Jungfrau liebte heimlich G e r o n Den A d e l i c h e n , und durch ihre Kunst Und Pflege ward er heil in wenig Wochen Von seiner Wunde.
Aber tödtlich war
Die Wunde, die das Abenteu'r am Brunnen
E I N E
E R Z Ä H L U N G - .
Der Frau zu Maloank geschlagen.
65
Solchen Wechsel
So plötzlich, so gewaltsam, zu ertragen, w a r Ihr weiches Herz zu schwach.
In schwerer Angst
L a g sie die ganze Nacht als w i e in F e u e r ; Und gleich am andern Morgen brach die W u t h Des Fiebers ä u s , und wuchs mit solcher Macht, Dafs keine Rettung w a r . Sie starb am dritten Tage, Und G e r o n s Nähme w a r ihr letzter Laut.
Hier schwieg der alte Ritter.
Und mit ernstem
Blick Sali er die Frauen und die Ritter alle, Die um die Tafel safsexi, schweigend a n ; Und allen Jungfrau'n schlichen stille Tliränen Die glüli'nde W a n g ' herab, und alle Ritter schlugen D i » Augen nieder.
Und F r a u
Genievra,
Die Königin, d i e , während ex erzählte, Bald todtblafs worden w a r , bald feuerroth, R i e f , ihre Unruh zu verbergen , seufzend aus: „'s ist eine traurige Geschichte!
—
Und w i o
ging's Nun euerm Geron w e i t e r ? — fragto L a n z e l o t . WIELANDS
sämmtl. W. XVIII. B.
E
66
G E R O N
D E R
A D E I I
CHE.
Nach d e r Geschichte, spricht der älte B i a n o i , hab' Ich nichts mehr zu erzählen, — Und d e r K ö n i g
Artus
Stand von der Tafel auf, und alle standen auf, Und A r t u s sprach zu B r a n o r n : Ritter, ein Gemach Ist euch bereitet in der B u r g , für diese Nacht Und alle T a g e , die ihr bey uns bleiben wollt. Herr Honig, gab der alte Mann zur Antwort, So gebe Gott cuch Ruhm und guten Aluth, Als icli gelobet hab', an keinem Hof In meiaem Leben über Nacht zu bleiben. Die Ritter sahn einander schweigend a n ; Und ß r a n o r neigte vor dem König sich Und vor der Königin, nahm seine Waffen, Bestieg sein Rofs, und ritt bey Sternenlicht Zurück in seinen Wald.
D I E
W A S S E R
K U F E
ODER DER EINSIEDLER UND DIE VON
Nach
einer
SENESCHAIXIN
A£UILEGIA.
alten
Erzählung
i II
Le G r a n d ' » aux Fabliaux
Contes
dévots
pour
servir
et Contes du treizième
tic
Siicle,
Suite etc.
„ W e r fest auf seinen Pulsen stellt, Dei; sehe zu dafs er nicht f a l l e ! " D i e W a r n u n g , lieben B r ü d e r , geht E u c h an und m i c h , u n d , ohne Ausnahm', a l l e ; N u r ist das » S i e h e z u " zw^r leicht gesagt, Allein, das W i e ? ist was die Weisen plagt. Wer freylich stets in einem hohlen Baume, Mit einem Klotz an jedem Bein, Sich a u f h ä l t ,
stöfst den F u f s gewifs an i e i n s n Stein,
Und k o m m t nicht leicht zu F a l l — es Wäre denn im Traume: Gesorgt ist für die S i c h e r h e i t D a d u r c h ; allein w o bleibt die T h ä t i g k e i t ? Der Mensch ist nicht zum S t e h n , Wandeln,
er ist zum
70
D I E
W A S S E R K U F E .
Z u m L a u f e n , w e n n es g i l t ,
zum
Unternehmen,
Handeln Und W a g e n , auf der W e l t , und G e h n Ist sein B e r u f , trotz allen grofsen, Meinen, Vieleckigen und runden Anstofssteinen, D i e überall in seinora Wege stehn. Gebraucht er dann die Augen nicht — zum S e h n , So ist es s e i n e Schuld! —
E r gehe fest und
munter ( N i c h t sorglos) ieinen W e g ; und stolpert er mitunter, J a , fiel er siebenmahl in einer einz gen Nacht Den Kopf zrerst in einen Wasserkübel, N u n , i m m e r h i n , auch das ist nicht so ü b e l ! E r wird dadurch vielleicht behutsamer gemacht, Und f i n d e t , i h n heraus zu ziehn, am Ende Wohl gar, wie B r u d e r L u t z , hände.
zwey Alabaster-
D 1 t
W a s s e r k u f e .
Hit nickt schon, w i e ich seh' — Ihr wollt (und das mit Recht) Der Dichter soll, statt zu moralisieren, (Diefs könnt ihr selbst, gut oder schlecht) E u c h , wie H o m e r , frisch in die Sachc führen. So hört denn an! — In einer engen Schlucht Im P y r n e r w a l d lebt' einst ( w o f e r n es l e b e n Z u nennen i s t ) ein Mann, der auf der Flucht Aus einer Welt, w o alles, vor und neben Und hinter i h m , zum Bosen ihn versucht. In diese Wildnifs sich begeben, Um seinen thier'schen Theil durch strenge Klausnerzucht, Durch Fasten und Kastey'n
und übern Wolken schweben
Z u r geistigen N a t u r , w o möglich, Su erheben. Schneewasscr w a r sein Trank, sein Brot derEiche Frucht, Und Wurzeln seine Leckerbissen ; Ein glatter Stein l a g , wenn er schlief, als Küssen Ihm unterm Haupt — K u r z , B r u d e r
Lutz
72
D I E
W A S S E R K U F E .
( S o hiefs der Biedermann) bringt über dreyfsig Jahre Bereits, dem Höllenwurm und seinem Fleisch zu Trutz, In dieser Felsenkluft als w i e in seiner Bahre Ein traurig Leben h i n , das ( w i e er glaubensvoll Versichert i s t ) ihn einst zum Halbgott machen
soll. Natürlich schlummerten in seinem öden W i n kel In solcher Zeit und bey so magerer Diät Die bösen Lüste e i n : doch desto ärger bläht Den guten Mann der leid'ge Eigendünkel, Der in der Abgeschiedenheit Bey Fasten und Kastein gewöhnlich w o h l gedeiht. Schon schmciphelt Bruder L u t z sich selbst, den Sankt A n t o n e n Und P a u l e n an Verdienst beynahe gleich zu seyn ; Schon sieht er einen goldnen Schein Um seine Scheitel ihm für eine T u g e n d lohnen, V o r welcher, was d i e W e l t mit diesem Nahmen ehrt, In seinem W a h n , w i e Bauch i m Sonnenglanz zerfährt.
D I E
W
A
s •
u
E JV K
F
p.
75
In diesem süfsen Trug stört, wider sein Verhoffen, Ihm einst ein göttlich Traumgesicht. Ihm däucht' er seh' den Himmel plötzlich offen, Ihn überschütt1 ein Strom
von
empyre'schem
Licht, Und. gleich gebrochnen Donnerschlägen, Schall' eine Stimm' ihm diese Wort' entgegen:
W e r h o c h z u s t e h e n w ä h n t , i s t seinem F a l l e nah! W i l l s t d u an T u g e n d d i c h w e i t ü b e r t r e f f e n sehen, So b r a u c h s t du n i c h t
s e h r w e i t zu
gehen, Geli n u r z u m S e n e s c h a l l v o n
Aqui-
legia.
Der arme Bruder
Lutz erwacht in kaltem Schweifse
Bey diesen Worten.
Welch ein Fall!
Mich, spricht er, der mit solchem Ernst und Fleifse Sein Heil geschafft, m i c h soll ein S e n e s c h a l l ,
74
D I E
W
A
S S E
R
K
U
R
X.
E i n schnödes K i n d der W e l t an T u g e n d übertreffen ? Und g l e i c h w o h l h ö r ' i c h noch i m O h r den W i d e r hall Des Schreckens Wortes S e n e s c h a l l ! W i e konnte m i c h die Himmelsslimine äffen?
Entschlossen greift e r stracks nach seinem K n o tenstab, Und,
einem wandernden Gespenste ziemlich ahn* lieh,
Steigt er aus seinem Felsengrab (Nachdem
er m i t G e b e t
und K r e u z e n ,
w i e ge-
wöhnlich, Sich w o h l v e r w a h r t ) h e r v o r ,
und wallet
ohne
Ruh, Von Wasser blofs und hartem B r o t gelabet, D e m stolzen A q u i l e j a zu.
Und nah am Sladtthor k o m m t ein prächt'ger Z u g getrabet, E i n grofser schöner M a n n ,
m i t Scharlach than,
Auf einem reich geschmückten Gaulo
.ange-
D I E In seiner Mitte.
W A S S E R K O F E.
75
L u t z spricht einen Bürger an,
Und hört m i t aufgesperrtem Maule, Bestürzt, als donnert' i h m aufs neu' D i e Himmelsstimm' ins Q h r : cfcr Mann im Scharlachpelze Und mit der schweren Kettenlast von Schmelze Wold, sechsfach u m den H a l s ,
der stolze Weit-
ling" — sey Der S e n e s c h a l l v o n N u n wohl-i
wenn
Aquilej. Fracht und Hoffart nicht verdammen,
So geht m a n , denkt e r , leicht ins Reich der Himm e l ein, Und Satans Schwefelpfnhl m a g schlecht bevölkert seyn! Indessen rafft er sich zusammen, D r ä n g t durch die Menge sich an diesen stolzen Mann, N e n n t sich als Bruder L u t z , und s p r i c h t , u m Gottes willen, Um Dach und Fach in seinem Haus i h n an. „ Mein Bruder,
jnüfst' ich nicht gleich .eine PfVicht erfüllen,
E r w i e d e r t i h m m i t Ehrerbietigkeit
7 6
I )
X
c
W
a
s
s
e
r
k
u
r
l
.
Der S e n e s c h a l l , gern nähm' icli mir die Zeit Dich selber in mein Haus zu führen; Allein mich rufen Amtsgebiihren. Nimm diesen Fingerreif, trag' ihn zu meiner Frau, Und sag': ich bitte sie, dich just so aufzunehmen Als war' ich's selbst. Nimm hin, und trau Mir auf mein Wort, sie wird dich nicht beschämen."
Der Ritter reicht aus seinem Scharlachpelz Den Ring ihm dar, und giebt dann seinem Gaul die Sporen, LTnd L u t z sagt Kaum sein G o t t v e r g e l t ' s ! So hat er schon den Herrn aus dem Gesicht verloren.
Betroffen, aber nicht von seinem Wahn bekehrt. Trabt Bruder L u t z nun schnurstracks nach dem Hause Des Seneschalls. — Was er da sieht, empört Sein düstres Auge, was er hört, Sein ungewohntes Ohr; er denkt: „ I n diesem Hause Lebt alles ja in Saus und Brause!"
D I E
W A S S E R K T J E E .
77
Von Gold und SilbeT, Elfenbein Und Marmor schimmern alle Wände, Das Hausgeräth glänzt w i e polierter Stein; Für einen Erzbischof w a r ' hier nichts zu gemein, Auch nimmt der Diener Zahl kein Ende. „Du lieber Gott!
soll d a s das Haus de« Mannes seyn.
Vor dessen Tugend sich die meine So tief zur Erde bücken m u f s ? Ich traue kaum dem Augenscheine ! Und gleichwohl hab' ich erst den Fufs Herein gesetzt — L u t z ,
Lutz,
w i e w i r d das
enden? Das beste wäre w o h l
gleich
wieder umzuwen-
den." Indem der Eremit so mit sich selber spricht, Kommt eine Frau, gar fein von Angesicht, So weifs w i e frischer Schnee,
wie
Rosen rotk
von Wangen, Von hohem W u c h s , von Armen zart und rund. Die Augen himmelblau, Rubin der kleine Mund, In silbernem Gewand, mit Ringen und mit Spangen Geschmückt an Ohr und Hals und Hand,
78
D
I
E
W A 8 S E K K U F E .
Aus einer Thür hervor gegangen, Den Fremden, der im Vorsahl wartend ätandi Als Frau des Hauses zu empfangen, ßey ihrem Anblick bleibt ihm kaum so viel Verstand, Den Fingerring ihr zitternd iri die Hand Zu geben, und mit Stottern herzusagen Was ihr Gemahl ihm aufgetragen.
D i e Seneschallin spricht:
Mein Bruder! dein Empfang
In diesem Hause soll dich lehren, Wie wir den Mann, der dich empfohlen, ehren; Komm n u r , der Speisesahl erwartet dich .schon lang*.
Und mit dem W o r t
ergreift sie seine rauhe Tatze,
Und führet ihn in einen schonen Sahl, Wo er die Tafel schon mit einem reichen Mahl Belastet sieht, gerade zu dem Platze Des Seneschalls.
Hier, spricht sie, setze dich
Als Herr vom Hause neben mich, Und wähle dir aus diesen Speisen,
D I E
W A S S E R K U F E .
79
Und' von den W e i n e n d o r t , w i e sie m e i n Keller giebt, ( W e i n k e n n e r pflegen sie zu preisen) Olm' allen Z w a n g was dir beliebt. Bey Sankt H i l a r i ó n ,
denkt L u t z ,
ich bin
betrogen! M i t einem falschen Traumgesicht Hat mich der böse Geist belogen. Wie ?
dieser
Mann ,
der
so
dem
Gliick
im
Schoofse silzt. So üppig Tafel h ä l t , ein solches Haus besitzt Und solch ein W e i b ,
—
er
soll nach funfzi,
Jahren, In lauter W o l l u s t T a g u n d Nacht So E p i k u r i s c h
zugebracht,
Gerades W e g s gen H i m m e l f a h r e n ? D a w ä r e Ja kein ärg'rer T h o r als i c h ! Tch, d e r , um meine arme Seele Z u r e t t e n , dreylsig Jahre mich In einer wahreji Bärenhöhle M i t Fasten und mit Geifseln quäle!
W e i l L u t z so m i t sich selber spricht. Sieht i h m die Dame lächelnd ins Gesicht;
JJO
D I E
W A S S E R K U F E .
Lais, sagt sie, dir's belieben! wähle! Was ist dir, Freund? Du siehst ja aus Als wärst dt« noch nicht recht zu Haus?
Frau, spricht der Klausner, lafst euch weisen, Dafs einen solchen Tisch kein Diener Gottes führt. Der, seine Seele bafs zu speisen, Sein Fleisch mit Lust m o r t i f i c i e r t . Tch leb' in meinem Wald von Mispeln und von Küssen, Wie meinem Klausnerstand gebührt, Und mache wirklich mir schon daraus ein Gewissen, Dafs ich, indem ich Athem zog. Den Dunst so vieler Leckerbissen Nicht ohne Wollust in mich
sog.
Verzeihe, heil'ger Mann, dafs ich zu streng dich finde, Versetzt die Frau: die Kreatur Ist doch zu unserm Dienste nur Geschalten, und gewifs , nicht alle Lust ist Sünde ; Wohin du blickst, im Umfang der Natur, Da siehst du ihre Quellen fliefsen,
D I E
W A S S E R K U F E .
8L
Und nichts entheiligt uns was w i r mit Zucht geniefsen. Indefä, wenn dir geiing're Kost behagt, So ifs — von diesem Kohl mit deiner Magd! Du wirst dich so nur desto besser schicken Den Lehnstuhl meines Herrn hier neben mir zu drücken. W i r leben beide, ich und er, Blofs von Gemüs' und Brot seit manchem Jahre her. Ist's möglich?
ruft der Waldmann; ich erstaune !
W i e kämet ihr zu einer solchen Laune ? „Ein fei'rliclies Gelübd',
vielleicht zu rasch
gethan, Als, von zwey Kindern w i r das eine in der Bahr« Das andre schon dem Tod im Rachen sahn, Verbindet uns auf sieben Jahre Zu dieser Lebensart." Wozu denn also (fällt Der Klausner ein) wozu in aller Welt Der Unrath da von üppigen Gerichten, WIENANDS
Ȋmmtl.
W . XVIII. B.
F
ß2
D I E
ff
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E
B
K
II j?
E.
Pasteten, F i s c h e n , W i l d b r e t , und so f o r t ? Ihr Anblick, glaubt m i r auf mein W o r t , Ist nicht geschickt die Efslust zu v c m i c l u e n . Und w a r ' es, spricht die F r a u , so übel denn gethan, W e n n ' s blofs zu einer kleinen Ü b u n g w ä r e ? D u w e i f s t , es liegt gar viel daran, Dafs m a n , was uns die Pflicht verbietet,
lcicht
entbehre. Wie
mancher
Hungrige,
erwiedert
Bruder
Lutz, Hütt' aus dem Uberflufs gesättigt werden mögen! Auch k o m m t
er jedesmahl den Dürftigen zu Nutz,
Versetzt die schöne F r a u .
W i r haben viel
Ver-
mögen, Und diefs und unser Stand scheint uns die kleine Last Von einer Tafel aufzulegen, An welcher jeder fremde Gast, Den uns der Zufall schickt,
sich w o h l bewirtliet finde.
D I E
W
A 3 3 E R
K
85
U F E.
Der Klausner fühlt die Stärke ihrer Gründe Und s c h w e i g t ; indefs von Zeit zu Zeit sein Blick M i t Lüsternheit in jede Schüssel tauchet, Die wiirzhaft i h m entgegen rauchet. Kaum hält er mit Gewalt der D ü f t e Reitz zurück, D i e to verführerisch um seine Nüstern weben, Dafs an der rechten Hand mit einer Art von Krampf D i e Finger vor Begier 6ich zu verlängern streben. Die Dame sioht den schweren Kampf Des Stolzes m i t der L u s t , und kommt dem schier Besiegten M i t einem Blick zn Hülf'.
E r spiegelt sich beschämt
In ihrem heitern still vergnügten Begierdenfreyen Aug', und zähmt Zuletzt doch mit Gewalt das Gieren D e r Sinnlichkeit, durch die er nahe war Auf einmalil dveyfsig lange J a h r ' Enthaltung
und Verdienst
so schändlich zu. verlieren.
Sie speisen beide n u n
stillschweigend Kohl,
Und trinken klares Brunnenwasser Dazu — ein T r n n k , der keine Weiberhassev
ihren
34
D i e
W a s s e b k w f i.
Z u machen pflegt.
Auch thut der Klausner wohl,
Der schönen Wirthin in die blauen Lammfrommen Augen
nicht
zu
oft hinein zu
schauen: Denn schuldlos möchten sie zuletzt Gelegenheit Z u Argernifs der armen Seele gebet»! E i n Sinn beginnt bereits allmählich aufzuleben. Der in der Abgeschiedenheit Durch stetes Ringen — sich vom Leibe los zu streben, Durch magre Kost und strenge Disciplin Schon gänzlich abgetödtet schien. Zum Glück war's eben Zeit die Tafel aufzuheben. Lutz spricht ein langes G r a z i a s , Und freundlich giebt ihm beym Entlafs Die Seneschallin zu verstehen, E r habe nun bis Abend frejren Pafs Die — h e i l ' g e n L e i b e r zu besehen. Woran die Patriarchenstadt ( W i e billig) keinen Mangel hat. Mein L u t z ,
nachdem er sich in Aquilejens Gassen
Nach allen Kirchen und Kapellen umgeschaut Und auf dem Grab der heil'geii H c r m o n a s s e n
D I E
W A S S E R K U F E .
Und C h r y s o g o r i e n ' )
85
sich nach Möglichkeit erbaut.
Kommt ziemlich matt von seinen frommen Reisen, Kurz eh' die Dämmerung begann, Zurück, und sucht in Demuth an Ihm einen Winkel anzuweisen, Ein Obdach n u r , w o i h m , damit er ruhen kann, Der W i n d nicht um die Ohren sause. Das schlechtste Kämmerchen in diesem
Fürsten-
hause Ist, spricht e r , schon zu gut für mich.
Ich kenne meine Pflicht, erwiedert Die edle F r a u , indem sie sich Zu einem Diener k e h r t , es heifst, w e r sich ernie dert Der w i r d erhöhet — zeigt dem Herrn sein Schlafgemach.
i ) S. Hermonas und S. Chrysogonu» waren unter den ersten Nachfolgern des heiligen M a r k u s , den die Tradizion zum ersten Bischof von Aquiiegia machte.
§6
D I E
W
A
s
S F, H K U F
E.
Der Diener Gottes dankt, von seines Herren wegen, Der edeln Frau, erthcilt ihr seinen Segen. Und folgt getrost dem Menschendiener nach. Doch wie bestürzt, bey einer Lampe Schimmer Auf cinmahl in ein prächtig Zimmer Sich vor ein Bette von Damast Geführt zu sehn , worin für viere seines gleichen Raums übrig w a r einander auszuweichen! Bis an des Zimmers Decke fast M i t leichten aufgedunsnen Pfühlen Und Hussen aufgeschmückt, steht e s , gleich einem Thron Des Hymens, da für einen Königssohn. Ein schöner Tummelplatz zu süfsen Liebesspielen. Verblüfft, als würde ihm die Kehle zugeschnürt, Spricht Bruder Lutz zu d e m , der ihn geführt: Hier ist gewifs ein Irrthum vorgefallen; S o bettet man nur Seneschallen ! Ich weifs recht gut was mir gebührt. Der Diener bleibt dabey,
er hab' ihn recht
geführt. Und schleicht 6ich weg.
Mein Waldmann lehnet
D I E
W A « S E R K U P E .
Sich an Jas Bett und d e n k t : Ziemt's
87
W a s ist zu t l i u n ?
einem Mann w i e ich in
Eiderdon
zu
rulin ? Dafs Satanas mich hier aufs Eis zu führen wähnet Ist klar genug.
Sey denn auf deiner H u t , Freund Lutz!
Und doch — w i e , w e n n ich n u n , dem Höllenw u r m 7.11m Trutz, Den Kopf zu oberst mich in diese Grube stürzte? Bey meinem spitzigen K a p u z ! Ich
will
es tliun —
Und mit dem W o r t ent1schürzte
Der Bruder sein Gewand, zieht Schuh 1 und St.iümpfe aus, Und t h u t , m i t E i n e m W o r t ,
als w a r ' er hier zu
Haus. ¿.Warum auch machtest du dir ein Gewissen draus? D e m Teufel seinen Spafs zu rauben, Darfst du ja n u r auf Stein zu liegen glauben! ' D e r Glaube machte d i r schon manche bittre Pein Z u r L u s t : 6ollt' es nicht möglich seyn, D i c h , u m g e k e h r t , durch Wollust zu k a s t e i e n « " L u t z scheint des Einfalls sieh zu freuen, Und ist schon i m Begriff sich vollends auszuziehu,
{58
D I E
W A S S E K K Ü F E .
AU e t w a s , wie ein knitternd Rauschen, ihn Auf einmahl stutzen macht.
Er sieht was es bedeute,
Und plötzlich öffnet an der Seite Sich eine Teppichthur, und — täuscht ihn nicht der Schein 13er L a m p e ? sollt' es gar ein teuflisch Blendwerk seyn ? Die
Seneschallin
tritt in leichtem Nachtgewände
So zuversichtlich in ihr Schlafgemach herein, Als wiifste sie gewifs sie sey allein.
L u t z — der beynahe 6chon im Stande Der Urnatur sich zeigt — in seinem Werk gestört So bald er jemand kommen hört, Bekreuzigt sich mit beiden Tatzen, Reifst schnell die Decke auf, und plumpet wie ein Stein Tn lauter Flaum bis übers Ohr hinein: Doch durch die Federkraft der schwellenden Matratzen Taucht er bald wieder a u f , und steckt den Kopf heraus.
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W A S S E K K U V E .
ßG
D i e Lampe leuchtet h e l l , es ist — er kann nicht zweifeln — E s ist die schöne Frau v o m Haus, Allein für ihn ( e r sagt ilir's g'rad heraus ) Der furchtbarste von allen Teufeln. W a s willst d u ? schreyt er i h r , sich kreuzend in die Quer Und i n die Läng',
i m E x o r e i s t e n - T o n entgegen.
W a s , Satanskind, ist dein Begehr? K o m m s t du in m i r den Reitz der Sünde aufzuregen. So hebe dich von h i e r ! —
E r e i f r e dich Nicht ohne N o t h , versetzt m i t unbefangnem Blicke D i e schöne F r a u , indem sie sich Am Bett i n einen Armstuhl senkt, Und,
unbekümmert
was
der Klausner v o n i h r denkt,
Sich nach und nach von jedem Kleidungsstücke, Das noch entbehrlich i s t , befreyt. Was hast d u ? fährt sie f o r t , w a s setzt dich so in Flammen ? H i e r , denk' i c h , ist nichts zu verdammen.
YO
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A S
s
E H K Ü F IT.
Es ist um Schlafengehens Zeit, D i e f s ist mein Schlafgemach, d i e f s , w o du liegst, mein Bette. D u , dem dein Stand die L i e b ' als Pflicht gebeut, W i e dachtest du nicht gleich, ich hätte N i c h t , was ich that, getlian, hätt' ich dazu kein Recht ? Verzeihung! spricht mein L u t z in einem sanftem T o n e ; Sey b i l l i g , edle F r a u , und schone Auch meiner!
Alle Schuld trügt ganz allein der Knecht,
Der mich in dieses Zimmer führte! Ich sagt' ihm gleich, dafs es sich nicht gebührte! Sich nicht gebührt? — Und was gebührt sich dann, Versetzt die Frau , w e n n diefs sich nicht gebührt ? — Mein Mann Hat ( w i e du sagtest) mir ausdrücklich anbefohlen, Dir s o zu thun als w a r ' er selbst an deiner Statt: W a s thu' ich n u n , als was er mir befohlen h a t ? Ich bin in meiner Pflicht; und könnten w i r ihn hohlen,
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W A S S E R K U F E .
Um Richter zwischen uns zu seyn, Gewifa, ich würde Recht bekommen! Aliein w o bleibt die Zucht? fällt Bruder L u t z ihr ein. „Die Zucht?
W i e könnte d i e bey uns gefährdet seyn?
Ich räume d i r , als einem biedern, frommen TJnil heil'gen Mann, nach deinem Ruf und Schein, Des Mannes Platz, den alle die ihn kennen, Den bravsten aller Männer nennen, An meinem Tisch, auf meinem Lager ein, Und sollte mich in dir betrogen haben können? D o c h , d e i n e Sach' ist das, nicht m e i n e , Bruder Lutz! I c h lege mich, wie jede Nacht, an meineil Gewohnten Platz; — leg du dich ruhig in dem deinen
Zu. recht, empfiehl dich in den Schutz Der heil'gen E n g e l , Freund, und schlafe sanft bis morgen! Von m i r hast du nichts zu besorgen! " Gereitzt durch dieses Wortes stolzen Sinn, Gewohnt in seinen kleinen Kriegen
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Mit Satanas fast immer obzusiegen, Und durch z w e y Ellen Raum von der Vcrsucherin. Hinlänglich, w i e er liofFt, geschieden, Giebt Bruder L u t z sich endlich auch zufrieden. Legt sich aufs rechte O h r , und kehrt i n stolzer Ruh Der schönen Frau die blinde Seite zu. S i e , ihres Orts — ihr Recht ihr widerfahren Zu lassen — liegt ( w i e w o h l ein W e i b in besten Jahren) So still auf ihrem Platz, und athmet euch so leicht, Ihr Bettgenofs hätt 1 ihrentwegen Von einem Fliegenfufs die Tritte hören mögen. „Wacht oder schlummert sie vielleicht? Es ist doch sonderbar auch
nicht ein Glied zu regen!"
L u t z , dem der holde Schlaf sich immer noch versagt. Fühlt sich vom V o r w i t z stark geplagt Nach ihrer Seite hin sein linkes Ohr zu spitzen. Ihr denkt,
was kann
es ihm verschlagen oder nützen
Zu wissen ob sie w a c h t ? — Er selber denkt vielleicht
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W A S S E K K T T T K .
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Sich nichts dabey; allein in seiner Lago Ist Vorwitz keine kleine Plage; Genug, er horcht so lange, bis ihn däucht Sie rege sich. Zu sehn was es bedeute. Dreht L u t z so leis' er kann sich auf die linke Seite; Und hält den Athem — Doch die Dame regt sich nicht, Er irrte sich. — Tndefs ist W a c h e n seine Pflicht; Zumahl, da er, wie still er auch zu liegen Sich vorsetzt, doch, aus Furcht, der schlaue Hollen wicht Könnt' unvermerkt ihn in die Kloppe kriegen, Noch nicht zum Schlafen kommen kann.
Die Wahrheit ist, dem armen Mann War wohl noch nie so eng in seiuem Felle. Man denke sich an seine Stelle! Fünf Spannen nur entfernt von einem solchen Weib So stille wie im Sarg zn liegen, Ist wahrlich nur ein schlechter Zeitvertreib, Und mehr Kasteiung als Vergnügen. Ihm däucht er lieg'' auf lauter Kannenkraut.
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Ihm krochen zwischen Fleisch und Haut Zehn tausend Ämsen, die w i e Nadelspitzen stechen; E r kann zuletzt sich länger nicht enibrechen Sich hin und her zu wälzen, überlaut Gleich einem Büfsenden zu seufzen und zu stöhnen, Und Arm und Fufs so lange auszudehnen, Bis ,endlich sich der Zwischenraum verliert, Und «ein gebognes Knie die Dame sanft berührt. Sie thut beym eisten M a h l , als ob sie nichts bemerke: D o c h , w i e sie fühlt dafs ihre Nachsicht ihn V e r w e g n e r mach' und seinen W a h n bestärke, Beginnt sie schnell sich w e i t e r wegzuziehn. Er fühlt den W i n k .
Sein Stolz eilt der bedrängten Tugend
Zu H i i l f ' ; er ruft in seiner Noth sogar Die ganze Eremitenschaar Der T h e b a i d e an. —
Von seinor frühen Jugend
Schon dreyfsig Jahre ward er
öfters z w a r v e r-
sucht Doch nie b e s i e g t , und sollte nun die Frucht So vielerBüfsungen, Nachtwachen, Fasten, Schmerzen,
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So kindisch, w i e ein unbekielter Gauch, In einem Augenblick verscherzen? Doch freylich hatte Satan auch Ihm nie den Streich gespielt, und sich zu ihren Kämpfen So einen K a m p f p l a t z , und — den M u t h , der *
ihn beseelt,
Durch Zartgefühl und Menschlichkeit zu dämpfen — So eine M a s k e sich g e w ä h l t ! Vergebens raffet er die letzte Kraft zusammen; Auch d i e ist nun erschöpft und ganz dahin. Mag (denkt e r ) mich w e r nie erlag verdammen! Und wälzt sich w i e auf Fegfeu'rsflammen Der schlummernden Versucherin So nahe, dafs sie i h m , zu sehr von seinen bösen Gedanken überzeugt, den Text dafür zu lesen Sich länger nicht erwehren kann.
Z w e y Ellen Abstand, dächt' i c h , heil'gerMann, Sey (spricht s i e ) unter uns gleich
ausgemacht
gewesen? Beweisest du dich s o der Ehre werth, Die, "wie es scheint, dir über dein Verdienen Tn diesem Hause widerfährt?
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K.
Du kommst mit gleifsnerischen Mienen, An frommen Worten r e i c h , an achter Tugend leer, Gleich einem Sohn von S a n k t A n t o n hierher. Des besten Mannes Achtung zu erschleichen, Und findest n u n , zur Schmach
von allen deines
gleichen, Die erste Probe schon zu s c h w e r !
Sie sagte noch viel andres m e h r ; Doch diese Züchtigung geht
ganz an i h m ver-
loren. Der Teufel, der ihn p l a g t , hat keine Ohren, Hort nicht ihr Bitten, fürchtet nicht ihr Dräun. Vergebens
sucht
sie ihn mit Macht zurück zu drücken;
Nichts hemmt sein strafbares Entzücken: Er w i l l , e r m u f s , betheu'rt er, glücklich seyn.
Ein altes Sprichwort sagt: Oft glaubt ein Mann zu fischen Und krebst.
Des Worte» Wahrheit fand
Mein Eremit bewährt. —
Aus weiser Vorsicht stand
Ein tiefes Marmorbecken zwischen
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D e m Bette und der S e i t e n w a n d , M i t W a s s e r a n g e f ü l l t bis an den holilen R a n d . W i e nun mei.11 L u t z
die f r e v e l h a f t e H a n d
A n ihren B u s e n l e g t . fafst sie m i t starken A r m e n I h n u m den L e i b , und s c h l e u d e r t o l i n ' E r b a r m e n I h n i n den W a s s e j t r o g h i n a b .
E s w a r nach N i k l a s t a g als dieses sich begab. V o r Schrecken halb entäeelt
aus einem w a r m e n
U n d p r a l l e n S c h w a n e n b e t t in dieses nasse G r a b S o p l ö t z l i c h sich gestürzt z u f i n d e n , Versucht
er,
eh'
ihiti
noch
die
Sinne
vollends
schwinden, A u s der v e r w ü n s c h t e n K u f e sich D u r c h eigne K r a f t e m p o r zìi w i n d e n . V e r g e b e n s m ü h t und quält der T r o p f s i c h j ä m m e r lich ; Sie ist z u t i e f , u n d er an A r m e n und an F ü f s e n Zu
sehr
erstarrt.
—
H i e r m a g s t du eine W e i l e büfsen,
R u f t i h m d ie schone D a m e zu, U n d l e g t sich r u h i g h i n . —
O!
(wimmert er)
w e n n du, W i e an G e s t a l t , ein E n g e l bist flu Sitten» "WIELA>-DS
sàmmtl.
W .
X V I I I . JJ.
G
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W
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s s
E R
K
U F E .
So lals d i c h , edle F r a u , erbitten, Und reiche m i r die Hand !
D i r s c h w ö r ' ich'« heil i g zu,
Von nun an hast du g u t e R u h Vor m i r ; i c h bin vom Frost am ganzen L e i b betäubet. Hilf m i r heraus !
Es ist die höchste Z e i t .
W i r kennen n u n bereits
die F r a u des Seneschallen;
An U n s c h u l d , Unbefangenheit U n d Güte g l i c h i h r w e i t und breit N i c h t Eine schone F r a u von allen, T h u t sie i h m g l e i c h nicht Alles zu Gefallen, So reicht sie i l i m doch w i l l i g i h r e Hand, H i l f t f r e u n d l i c h i h m heraus und treibet D i e Menschlichheit so w e i t , dafs sie m i t L e i n e wand Ihn t r o c k n c t , i h m die starren Glieder reibet, M i t i h r e r vVarmen Hand i h n s t r e i c h e l t , drückt u n d preist, U n d i h n so nah an s i c h , als s c h i c k l i c h ,
liegen
läfst. Der alte K l o s t e r h e r r ,
dem w i r diefs nacherzählen,
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W
A S S E H
K IJ F
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E.
Läfs.t sie ( w i r wollen es dem Leser nicht
ver~
höhlen ) N o c h weiter gelin.
Sie selber, sagt e r , schlang
Sich um den halb erfrornen so gedrang Mit Arm und Beinen h e r , so w i e in
brünst'gen
Ringen Verliebte Drachen sich umschlingen, W i e Venus beym Lukrez sich um den Kriegsgott schmiegt : Allein ich wette gleich der Klosterbruder lügt. Die Seneschallin ist gewifs zu klug und bieder, Z u yiel in dem zu thiin, w a s sie aus Pflicht n u r thut. So bald sie also m e r k t , sein aufgethautes Blut E r w e i c h e die gewärmten Muskeln wieder, So schiebt sie i h n z u r ü c k , und wünsciit i h m gute Nacht. Allein die Flamme w a r nun wieder angefacht. Und eh' sie dreymahl zehn Minuten älter waren, Zeigt sich's, sie habe viel zu gut von ihm gedacht, Und durch die A r t , w i e sio m i t i h m verfahren, Aus übel ärger npcli gemacht. Kurz,
Teufel T Amor
ist
mit
Macht D e m Klausner in den Leib gefahren;
seiner
ganzen
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W A S S E R H O S E .
Kein Schelten treibt ihn mehr zu Paren. E r s t ü r m t , mit Bitten erst, und endlich gar m i t Driiun Noch heft'ger als zuvor auf i h r e Langmutli e i n ; U n d , w i l l sie nicht des Satyrs Opfer seyn, So mufs sie abermahl ihn um den Gürtel fassen Und i n die Kuf' ihn springen lassen.
Da liegt
der arme W i c h t
nun w i e d e r w i n -
selnd da, Und alles w a s bereits geschah Geschieht von W o r t zu W o r t nun w i e d e r ; Er steigt an i h r e r Hand aus seinem nassen Grab, Sie trocknet m i t Flanell i h n ab, W ä r m t ihn i n i h r e m A r m ,
reibt die erstarrten Glieder,
Schiebt ihn sodann an seinen Platz zurück, Und spricht m i t mildem Ton und B l i c k : N u n , B r u d e r , gute Nacht, und komme m i r nicht wieder!
Ein solches Übermafs von Güte und Geduld Brächt' einen w i l d e n Karaiben, Denkt i h r , zurück zum P f l i c h t g e f ü h l ;
P
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W A 8 S E R K U F E .
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Bey unsprm Klausner, meine Lieben, Bewirkte sie das Widerspiel, Der Büse, der, ( z u r Waraauig aller Frorpinen) Seitdem die Seneschallin sich Zu ihm gelebt, ihn in Besitz genommen, Treibt nun sein W e r k gar meisterlich In Lutzens Kopf, — w i e w o h l so einem schwachen Verblüfften Kopf aus X ein U zu machen, Kein grofses Kunststück ist. — „ L u t z , noch verzage nicht, Spricht e r , (und Lutz glaubt mit sich selbst zu sprechen, fadem A i m o d i zu i h m spricht) Was Liebe w a g t ist stets ein läfsliclies Verbrechen. W i e ? sollte sie den Frevel nicht verzeihn Der ihrer Reitze Macht bezeuget, Und nicht dem Frevler selbst zuletzt gewogen seyn, Den Sprödigkeit nicht kühlt und Widerstand nicht beuget? Gewifs, sie sträubt sich nur aus Wohlstand und zum Schein. Denkst du, sie finde sich nicht innerlich geschmeichelt, Dafs sich ein Mann w i e Du so w e i t bey ihr vergifst?
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W A S S E H J ^ U F J ; .
Veilafs dich drauf, ihr Kalteinn ist geheuchelt! D e n n , wenn sie dir nicht heimlich günstig ist, W o f ü r denn hätte sie so liebreich dich gestreichelt, An ihrem Busen dich gewärmet und gepflegt? Wie kalt sie auch zu scheinen trachtet, (Und jede, die sich selbst ein wenig achtet. N i m m t diese Larve vor ) in diesem Busen schlägt E i n Herz, ,das nur nach Anlafs schmachtet, F ü r alles, was sie dir zu leiden aufgelegt, Dich zu entschädigen." —
Mit solcherley Gedanken
Setzt ihm der Feind so lange zu. Bis sein Entschlufs, nicht mehr der Seneschallin Ruh Z u stören, allgemach zu wanken Beginnt.
Daneben stellt er ihm" ( i h r wifst
Was iür ein Bildner T e u f e l - A m o r
ist!)
Die Reitze, die noch frisch ihm im Gedächtnifs liegen, So warm und wollustathmend , dar, D a f s , wer so nah dem Urbild war. Um die Versuchung zu besiegen E i n zweyter Sankt Anton Und etwas mehr gewesen wäre.
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K U F E .
10^
L u t z , w e i t entfeint von einer solchen Ehre, W a r ein alltäglicher gemeiner Menschen söhn, Und liefs zum
dritten Mahl sich von Asinodi fangen.
Nur denkt er itzt, als ein erfahrner Mann, Die Sache feiner anzufangen. Er
schraubt allmählich sich h i n z u ,
so leis' er
kann, Und schmiegt, kaum fühlbar, sich an ihren weichen Rücken. Sie merkt ihn nicht — unfehlbar schlummert sie. Gewifs zu 8eyn, legt er so leise, w i e Der W e s t ein Veilchen kiifst, den Athem bis zum Sticken Verhaltend,
Anfangs nur drey Finger
auf ihr
Knie, Und w a g t ' s , es erst unendlich sanft zu drücken, Dann stärker nach und nach, und da sie sich nicht regt. Zuletzt die ganze Hand allmählich fortzurücken. „Nur herzhaft, Bruder L u t z ! ^ie wacht mit Fleifs nicht auf," Raunt A m o r m i t d e m Ihm zu.
Pferdehufe
Und dreister w a g t , von einer kleinen Stufe
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Zur andern, sich die kühne Hand hinauf. Auf einmahl wacht die Seneschallin auf, Und Bruder L u t z — liegt i n der Kufe. „Unsinniger und undankbarer Gast, So ist denn-alles ganz an dir verloren W a s du in dieser Nacht bereits erfahren hast? Schon zweyniahl bist du fast Für deine Lüsternheit i n dieser Kuf' erfroren, Schon z w e y m a h l liab' ich deiner Reu 1 getraut, Dich aus mitleidigem Gemiithe An meinem Busen aufgethaut, Und s o vergiltst du meine Giite? Ich warnte dich zum letzten M a h l ; D u konntest, wie icli's dir empfahl. Den Rest der Nacht in Unschuld dich am Schlafe Erhohlen; doch, du wolltest's noch einmahl Versuchen; leide nun die Strafe Der schwer verletzten Pflicht des Gastrechts und der Zucht, DeT bösen Lüste bittre Frucht, Ich seh', an dir w i r d Güte schlecht verwendet. Du hast mein Ilaus, hast deinen Stand geschändet, Hast einen edlen Mann, dem du nicht würdig bist Der Schuhe Riemen aufzulösen,
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Gehöhnt, so viel in deinen Kräften i s t ; Denn w a r ' ich stärker nicht gewesen Ais du, w i e dürft' ich i h m , der morgen wieder kommt, Je wieder in die Augen schauen? O , schrie der starre L u t z zähnklappernd, all diefs frommt Mir itzt n i c h t ! Rette m i c h , du beste aller Frauen, Erst aus des kalten Todes Klauen, Dann sprich so viel du w i l l s t ! Die Seneschallin stand Ein w e n i g a n , bis sie in ihrem Hirzen fand, Gerade, w e i l sie ihn zu hassen Versucht w a r , dürfte sie ihn nicht verderben lassoll. Sie reicht zum dritten Mahl ihm ihre starke Hand, Und eingedenk des W o r t s , das ihr Gemahl gesprochen, Tängt sie, so bald der T r o p f , w i e ein begofsner Hahn, Aus seinem Bad hervor gekrochen. I h n , w i e sie zweymahl schon gethan, Zu trocknen und za reiben an, Doch ohne dafs aus ihrem schönen Munde
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W a s s e r
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Ein einzig W o r t des Trosts noch Vorwurfs gellt. Es brauchte dieses Mahl w o h l eine halbe Stunde Bis L u t z , von ihr gerieben und gebäht, Sogar in ihren weichen Rosenaniieii Vermögend ist zum Leben zu erwärmen. Doch endlich als es ihr mit vieler Müh' gelang. Spricht der erstaunte
Lutz aus vollem Herzensdrang:
F r a u , wenn du nicht vielmehr,
wie alles mir zu
glaubeil Befiehlt, ein heil'ger Engel bist, I c h b i n , nun seh' i c h ' s , nur ein armer sünd'ger Christ, Kaum so zu heifsen w e r t h , und liefs durch Satans List Und meinen stolzen W a h n m i r meine Krone rauben, Doch wolltest du, bevor ich dich von m i r Befreye, m i r nur Eine Frag' erlauben ? — So frage, spricht die Frau. „Du bist so gut und mild, So keusch und f r o m m , w i e ein lebendig Gnadenbild, W a s konnte dich (verzeihe m i r ! ) bewegen,
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I.)" 1
So grausam über mein Vermögen Mich zu Versuchen?
Einen fremden Mann,
Von dessen Tugend du nicht mehr erwarten solltest Als man von Fleisch und Blut mit Recht erwarten kann, Wenn du i h m ' s o begegnen wolltest, So traulich in dein Bett und selbst in deinen Arm Zu nehmen? — Sehr verzeihlich ist mein F i e v e l ! Ein Heil'ger würd' an meinern Platze warm Geworden seyn! Was Wunder wenn sich Schwefel Entzßndet, der zu nah am Feuer steht? Auf eine Probe, die kein Mann besteht, Die Tugend eines Mannes stellen, Und wenn sie, w i e natürlich, sich vergeht, In schwere Strafe sie verfallen, Das nenn' ich — edle F r a u , verzeiht — Beleidigung der Menschlichkeit."
Und d u , (erwiedert ihm die F r a u ) von früh'er Jugend Zu Übungen der reinsten Engelstugend Gewöhnt, du nennst die Probe, der i$h m i c h
lüg
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W A « 8 E R K V r E .
Heut u n t e r w a r f , zu schwef nicht n u r f ü r d i c h , F ü r jeden, der auf keiner h o h e m Stufe AU der des Menschen steht ? — W o h l a n , so wisse dann, Die dir mit Recht verhafste Wasserkufe Ist sieben Jahre schon bestimmt f ü r einen Mann, D e n , fünfzig Meilen w e h im U m k r e i s , w e r ihn kennet (Ich
sagte dir's
bereits)
der
Männer
bravsten
nennet. Mit Einem W o r t , f ü r meinen eignen Mann. Das nehmliche Gelübd, auf unsers Kindes Bahre Mit Thriinen angelobt, das uns auf sieben Jahre Enthaltung auferlegt,
schliefst auch die Klausel ein,
Die d i c h , mein B r u d e r , so empöret. Der Einfall mit der Wasserkuf i t t s e i n ; Und w e n n i h m ja was menschlichs widerfähret, So hat er mir's zur Pflicht gemacht Dafs ich durch eben diese Kufe, Die dreymahl dich zurecht gebracht, Ihn wieder zur Besinnung rufe. Dir that ich pünktlich was er m i r befohlen h a t : Ich n a h m dich auf als kam 1 er selbst an deiner Statt,
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W i e d u , dem Anschein n a c h , es w e r t h zu seyn verhiefsest: Und da du dich zu grofser Ungebühr V o n Satans Engel reitzen liefsest, Da widerfuhr nicht mehr noch minder d i r Als i h m in aolchem Fall.
Auch zeigt' ich mich, w i e billig,
Z u diesen Meinen Diensten w i l l i g , D i e ich dem Seneschall zu leisten schuldig bin. In diesem a l l e m ,
Freund,
find' ich in m e i n e m Sinn
Nichts das mit Recht zu tadeln w ä r e : Aus Weibespflicht und Menschenpflicht Tliat ich was ich gethan,
und
meine
Schuld
ist's nicht, Dais du dem Klausnerstand so w e n i g Ehre Gemacht.
W e r hätte das von dir sich vorgestellt?
D e m heil'gen M a n n , der sich der argen W e l t Schon dreyfsig Jahr' entzog,
um blofs i m Geist
zu leben, K a n n , dacht' i c h , solch ein Kampf (wenn Kampf auch nöthig i s t ) Erwünschten Anlafs nur zu leichtem Siege geben. Dafs du so w e i t zurück geblieben bist, Beweiset just nicht v i e l fürs abgeschiednc Leben.
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W A S S E K K U F « .
Hier schweigt die schöne Frau. Bey ihrer Rede hängt Mein Klausner, von Gedanken, die einandot Verklagen und entschuldigen, gedrängt, Den Kopf, und ziemlich lange fand er Die Sprache nicht, so voll und so verengt W a r seine Brust.
Ihm rollten dicke Zähren
In seinen Bart, er seufzt und blickt empor Und kann sich länger nicht erwehren Die Sencschallin zu belehren. W a s für ein W o r t vom Himmel in sein Ohr Gedonnert, ihn aus seiner lieben Einsiedcley heraus getrieben: W a s ich erfuhr betveiset nur zu klar, Setzt er h i n z u ,
dafs es ein W o r t vom Himmel war.
Mein Bruder, spricht die Frau, wenn dich in deinem Winkel Beym Drang zur Heiligung ein wenigEigendünkel Beschlich, so hat vielleicht ein Stand, worin ein Mann, Um seine Tugend recht zu schätzen, Sich selbst nicht auf die Probe setzen, Sich nicht an Bessern messen kann,
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W A S S E R K U F S .
M
Die A b g e s c h i e d e n h e i t , nicht wenig Schuld daran. Der Seneachall und ich, wir leben Auf unserm Posten in der W e l t ; Fest überzeugt, w i r sind dahin gestellt, Mit stillem redlichen Bestreben Nicht mehr noch weniger als unsie Pflicht zu thun: Und wenn w i r uns verbunden schätzten Zu halten, was ein rasches Wort zur Pflicht Uns machte, so geschah' es niclic Als ob w i r grofsen Werth in diese Opfer setzten; Genug, ein Biedermann erfallt was er verspricht, Wenn's
möglich
ist.
Mit gleich einfält'gem Willen
Sind w i r , wie uns Gelegenheit Gegeben w i r d , nicht weniger bereit Gemein're Pflichten zu erfüllen, W i r , die uns um den Ruf und Schein der Heiligkeit In unsrer Einfalt nie bewarben, W i r theilen unsern Überflufs Mit allen gern, die unverschuldet darben; Und was w i r uns
für sie entziehn, Genufs.
ist uns
N 2
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A S S E X K
U F
E.
Nie sieht man uns den Anlafs meiden Uns mit.den Fröhlichen zu freun, Und m i t den Leidenden zu leiden. W e r un?re Hülfe braucht, kann i h r e r sicher s e y n ; Und während w i r uns diefs und das versagen, Ergetzen w i r uns oft an fremden Hochzeittagen, D e n n , unter u n s , ich bin die J u n o
Pronuba
Von manchem Wackum Paar in Aquilegia, Das ohne mich den W e g zum Ehebette Aus A r m u t h nie gefunden hätte. In allem diesem thun w i r nichts als unsre Pflicht, U n d spiegeln uns in unsrer T u g e n d nicht. An eitelm R u h m ist w e n i g uns gelegen. Auch sind w i r nicht f ü r unsre Mängel b l i n d : D e n n alles, B r u d e r , was w i r auch zu t h u n vermögen, Ist immer' w e n i g e r als was w i r schuldig sind. H i e r schweigt sie «bermalil.
Lutz
läfst die
Ohren hängen, Sein hageres Gesicht
scheint sich noch zu verlangen,
Allein sein Dünkel schrumpft in sich hinein. Lutz,
denkt e r , L u t z !
du bist doch n u r ein armer Sünder,
D I E
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Und w a h r das W o r t : So ihr nicht werdet w i e die Kinder So geht ihr nicht ins Reich der Himmel ein,
D i e Seneschallin kann nunmehr den Rest der Nacht In tiefer R u h an seiner Seife liegen, Und wie's der erste Strahl im Z i m m e r
dämmern
macht, SiehtJ-utz sie durch dieTeppichwand sich schmiegen, E r selber kriecht in 9einen Pilgerrock, W i r f t einen B l i c k , mit dem ein kleines Fieber Ihn schüttelt, auf die Kufe gegenüber, Nimmt eilend seinen Knotcnstock, Läfst bey der gnäd'gen Frau sich melden. E m p f i e h l t , demüthiger als einem Tugendhelden G e z i e m t , sich selbst in ihr Gebet, Und wandert nun, viel weniger gebläht Als da er k a m ,
mit manchem W u r m in seiner Seele
Und manchem Pfahl i m Fleisch,
nach seiner Bä-
renhöhle.
WIENANDS sämmtl. w . XVIII. B.
H
P
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D I E
V
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W Ü N S C H E .
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T
II
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I
L
P
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R
V
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F
.
ODER D I E
W Ü N S C H E .
1)
E s w a r einmalil, ich denke zu S a l e m , E i n H o n i g , Nahmens — j a ! die Nahmen, Diö N a h m e n , die vergefs' ich gar zu gern'. A m Ende sind's ja auch nur R a h m e n
1 ) Der Grundstoff dieses Mährchens ist zu dem Pentainerone
oder Cunto
Gian Alesio Abbatutis,
de Iii
Cunti
di
einer Sammlung von Neapo-
litanischen Volks - und A m i n e n - M ä h r c h e n , genommen, w o v o n sich in der Biblioth, Romans
yom
Auszug befindet.
Jun.
Univers,
und S e p t e m b .
des
1777 ein
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Und S c h a l e n , — das Gemähld, der Kern Macht allesaus.
Nenntihn A s t o l f o , H o l o f e r n ,
H e n g s t oder H o r s t — genug dafs in Salem Ihm niemand gern den Preis der Schönheit streitig machte. W a s mancher allenfalls vor seinem Spiegel dachte, Ging zollfrey durch.
Indessen, wie es geht,
Kam eine Zeit, und kam mit schnellen Flügeln, Worin bey Seiner Majestät Von allen einst so t r e u d e v o t e n Spiegeln Nicht Einer mehr den Dienst So gut
wie sonst
versah. Zum Tröste blieb ihm noch, sich täglich zu bespiegeln. D i e Erbpiinzessin V a s t o l a , D i e ihm — der ganze Hof beschwor's — so ähnlich sah Als wäre sie ihm aus den Augen ausgeschnitten. Diefs war ge wifs : aus K a p p a d o c i a Und P o n t u s bis zum Land der wilden B r i t t e n Und H e r g e n , hatte sich der schönen V a s t o l a Von allen die auf Abenteuer ritten Noch keiner ungestraft genaht, Und wer ins Aug* ihr sah, tliat eine kühne That.
ODER
S o , (dachten sie)
DIE
so
W Ü N S C H E .
12)
sah die Heldenzucht dei Alten,
So sah'n die O m f a t V s , die D c j a n i r e n aus, S i e eines Herkules U m a r m u n g auszuhalten V e r m o c h t e n ; forderten m i t solchem trotzig kalte» Sich selbst bewufsten Blick die H e r r n der W e l t heraus; U n d tändelten, indefs i m Kreis der Mägde Der Göttersohn Flachs an den Rocken legte. In seine L ö w e n h a u t gehüllt, M i t seiner Keul' als war's ein Sonnenfächer. Gott steh' uns bey! uns arme Schächer D e r Afterwelt, uns w i r f t ein blofses B i l d I n G y p s von Weibern dieses Schlages Z e h n Schritte w e i t ! — D o c h f r e y l i c h , dazumahl, Ihr lieben H e r r n , w a r ' s nicht w i e heutigs Tages. Umringt von Freyern ohne Zahl Ging V a s t o l a d a h e r , sah ganze Legionen Markgrafen, Grafen und Baronen E r b ö t i g , sollt' es auch ums baare Leben gehn. Das Abenteuer zu bestehn. Indessen w a r von diesen Freyern allen D o c h keiner schön genug der Stolzen zu gefallen,
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Gesell w e i g ' als Ehgemahl zur Rechten ilir zu stehn. Z w a r dafs die Herrn, vom Hoftnuiigsgeist belogen, Sich athemlos an ihrem Wagen zogen, Stand ihnen f r e y ; mitunter wurden sie, Uni ihnen Athem zuzufächeln, W o h l gar mit einem kaum bemerkbaro Lächeln Zum Fortziehn gnädigst angefrischt: Doch immer w a r darein ich weifs nicht was gemischt, Das i h m
die Kraft,
die Anm u t h ,
kurz,
wa s
Lächeln Zum L ä c h e l n macht, auf einmahl wieder nahm, So dafs den Herrn nicht
v i e l davon zu Gute kam.
Der König, der sich Grofspapa begrüfsen Zu hören eben noch nicht mächtig lüstern war, Liefs bis ins zweymahl zehnte Jahr Der mädchenhaften Lust sein Töchterchen
ge-
niefsen; Und V a s t o l a , der Abgott von Salem, Indem sie rings umher die liebessiechen Herrn An ihrer Sonnengluth, Schneemännchen gleich, zusammen Hinschmelzen sah, blieb mitten in den Flammen,
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D I E
W U N S C H E .
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Nach wahrer Salamanderart, Stets unversengt, eiskalt, und felsenhart. W i r lassen n u n , um weiter vorzugehen, Die schöne V a s t o l a mit ihrem Zauberstab, Und hören was im W a l d e sich begab, Den w i r dort rechter Hand die Hohen D e r Gegend von Salern m i t Schatten docken sehen Da stehet bey einem Bündel Reis E i n junger Kerl. — Der
Bildnerin
W e r d o c h , zu L o b und Preis
Natur,
den
Burschen
mahlen
könnte! So w i e er d a , im Kopfe kratzend, stund, Im dicksten K o p f , den je der weite Sund Von
einem
Ochscnmaul
in
zwey
Halbkugelu
trennte, Mit rothem Haar g a r n i e r t , das kurz und borstig stund Und um die platte Stirne r u n d W i e angezünd'te Stoppeln brennte ; Die Ohren ellenlang, die Nase flach und w e i t , D e r Nackcn k u r z , die Schultern breit, Der Rücken h o c h , und etwas k r u m m die Beine; Mit E i n e m W o r t , der K r u d i t ä t e n eine
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Des alten Mütterchens;
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ein Kauz, fiiv dessen Gl Tick
Ich Bürge bin ! — Denn wahrlich, das Geschick, Sagt was ihr wollt • verfährt doch immer billig, Und nimmt Figuren dieser Art In seinen sondern Schutz, stets gut zu machen willig Was M u t t e r I s i s dran gespart. Der junge Kerl, so schön als w i r ihn eben Geschildert war der einz'ge Erb 1 und Sohn Von einer guten Frau, die manchen Winter schon Im Wittwenstande sich und ihrem Sohn das Leben Mit Spinnen fristete; ein braves flinkes Weib, Das früh und spät sieh Müh zu geben Gewohnt ist, keinen Zeitvertreib Als ihres Haspels Knarren kennet, Und sehr zufrieden ist, wenn auf dem kleinen Herd Ein wenig dürres Reis zur Mittagssuppe brennet. Wirtschaftlich dann den Rest zusammen kehrt Und in den Wärmer thut, der in der morchen Hütte Dem Winterfrost nur dürftig wehrt.
O D E R
DIF.
W U N S C H E .
125
Bey dieser Lebensart und Sitte W a r ihre einz'ge Plage d i e . Dal« sie mit aller ihrer M ü h Au» ihrem lieben Sohn P e r v o n t e Nichts ziehen, und zu nichts den L f l m m e l brauchen konnte. D a w a r auch keine Spur von N e u g i e r und Verstand, Nichts g i n g in seinen K o p f , nichts ging i h m v o n der H a n d ; Sein Werk w a r , T a g e l a n g , mit halb geschlofsnen Augen, Am O f e n , auf die Streu der L ä n g e nach gestreckt. An seinen kurzen Fingern saugen. U n d , w e n n die Mutter ihn zur Arbeit scheltend weckt, Sich über Rückenweh beklagen ; D r e y Spähnc Holz zur Küche stöhnend tragen. Auch dann und w a n n , wenn's Mutter i h m gebot, D i e Gänse aus dem Garten jagen, W a r alles, w a s das Faulthier sich m i t N o t h Bereden liefs zum Haushalt b e i z u t r a g e n ; I m übrigen ein gutes Vieh, D e n nie der Kitzel stach nach w a n n , und w i e
warum
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B e y irgend einem D i n g zu fragen, Und d e n , ist nur fein W a n s t , w o m i t es s c y , f e füllt. Nichts weiter in der Welt bekümmert; D a s wahre Seitenstück zum Bild Des
Weisen
beym
Horaz,
dem's
mächtig
gleich viel gilt, W o z u die Götter w o h l dielt schöne Rund gezimmert ; Dem Sonne,
M o n d und Stern stets unbewundeTt schimmert;
K u r z , d e r , fein w a r m und dicht in — D u m m h e i t eingehüllt, Nichts liebt und Iiafst, nichts
billigt und nichts
schilt.
Als eines Morgens nun die Mutter Den T o p f zum Feuer setzen will, Gebrach's an ü o l z .
Mein Flegel mäuschenstill,
Safs auf der S c h w e l l ' und afs sein Brot und Butter. P e r v o n t e , sprach sie, sey einmahl zu etwas g u t ! Du
siehst,
der
Topf
kann
ohne
Holz
kochen; F r i s c h a u f , mein S o h n ! n i m m deinen Hut,
nicht
ODER DIE W Ü N S C H E . Lauf in den W a l d ;
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da liegt vom Sturm gebrochen
Des dürren Reisigs viel u m l i e r ; Mach einen Bündel draus » so schwor D u tragen kannst! Auf! rege deine Glieder, Und mach es hübsch, und komm bald wieder.
P e r v o n t e , der an diesem Morgen just Bey guter Laune w a r , so w e n i g Lieb' und Lust Er auch zur Arbeit hat,
so rafft er doch am Ende
Sich a u f , und schlendert in den W a l d ; Steht da und gafft, als ob er gar besonders fände W i e so viel Bäume in den W a l d Gekommen; schreitet drauf zum W e r k , spuckt in die Hände, Kriecht i m Gesträuch h e r u m , und bringt so ziemlich bald Sein Bündel dürres Holz zusammen; Stellt sich dann hin dazu, und denkt: Ja w e r mich nun M i t meinem Bündel da in einem Huy zu Ammen Nach Hause trüg 1 ! — Allein, da w a r nun nichts zu tliun
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Als selbst den Bündel frisch auf
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seinen breiten
Bücken Z u nehmen und zu gehn. D i e Sonne fing schon an, Als er aus dem Gebüsch hervoT k a m ,
stark zu
drücken. Von ungefähr erblickt er auf dem Plan Drey
Frauen,
jung
und
schön
von F a i b e ,
W u c h s und Zügen» D i e schlafend an der Sonne liegen; B l e i b t s t e h n , betrachtet sie vom Haarband bis zum Schuh, Drückt v o r Behaglichkeit die kleinen Augen ?u, Guckt abermahl, und denkt so bey sich selber: 's ist Schade doch für diese D i r n e n da, So in der S o n n e , w i e die Kälber, Z u l i e g e n , unbeschirmt!
Ist doch der Busch so sah;
I c h geh' und schneide H o l z ,
und steck' es in die Erde,
Und mach' ein Obdach um sie her. Nun sagt mir n o c h , d«fs auch der dümmste Bär N i c h t durch die Zaubermacht der Schönheit menschlich werde !
ODER DIF, W ü D S C H E . Gedacht, gethan!
12}
Er haut sechs Stangen oder acht,
Befestigt sie so gut ihm möglich, macht Ein grünes Dach um diese schönen Kinder, Und spreitet dann sein Wams und Halstuch drüber hin. Nie ging ihm, weil er lebt, geschwinder Die Arbeit von der Faust. Und n u n , in seinem Sinn Sehr mit sich selbst vergnügt, schlägt er ein herzlich Lachen Ob seinem Einfall auf, und gähnt aus vollem Rachen So laut als eine Eselin, Eis unsre Nymfen dran erwachen. Eist du's, fragt ihu die eine, der so gut Gewesen ist, uns dieses Dach zu machen? P e r v o n t e schmunzelt, läfst den abgegriffnen Hut Im Kreis um seinen Daumen treiben, Und spricht kein W o r t , wie sanft ihm auch die Frage thut. Dein gutes HeTz soll unbelohnt nicht bleiben, Fährt jene fort, das ist nun unsre Pflicht, WiEiiDDs sammtl. W. XVIII. B.
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Vernimm, P e r v o n t e , w i r sind F e e n . Man legt uns viel zur Last;
allein, das sollst du sehen,
Undankbar mindstens sind w i r nicht. Verlange was du w i l l s t , es soll sogleich geschehen!
Mit diesem W o r t verschwanden alle drey, P e r v o n t e guckt noch immer nach dem Orte W o nichts mehr ist, und brummt bey sich:
Ey,
ey, Um dieses Edelvolk! — Was sie mir gute W o r t e Und Augen gab! ich dachte, w i e geschwind Sie mir den Sack mit Thalern füllen w ü r d e ! Nun seh' ich w o h l , 's war alles lauter Wind. Mein Bursche kehrt zu scineT Bürde Zurück, lupft auf, kratzt liinteim O h r , beginnt Am Ende doch den Bündel aufzupacken, Und w i e er ihn so ziemlich drückend find't. Spricht e r : Da mufs ich mich dich heim zu tragen placken! Ich wollte w o h l , du müfstest m i c h Nach Ilause tragen! — Kaum entsclilicli P e r v o n t e n dieses W o r t , so scheint ein thierisch Leben
ODER
DIE
W Ü N S C H E .
Auf einmahl in dem Holz zu weben ; Der Bündel schlüpft, so sanft w i e Flaum, Dem Burschen zwischen seine Beine. Hebt i h n empor,
und läuft euch über Stock und Steine
M i t ihm davon, so hurtig als ihn kaum Der schnellste Klepper tragen konnte. H a , l i a ! das geht ja schön, i h r Feen, ruft P e r v onte; Ich sagt' es nur i m Spafs, und ihr macht Ernst daraus! N u n , weil's denn so i s t , h o t t !
mein Gäulchcn,
g'rad nach Haus! Der nächste W e g nach seiner Mutter Hütte Ging durch die Stadt, am Sclilofs vorbey. Nun denket euch den Lärm , den solche Reiterey Da machen mufs! Bcy jedem Schritte Nimmt Zulauf, Drang, Gelächter und Geschrey So überhand,
dafs man sein eigen W o r t nicht liörte.
P e r v o n t e , den das alles w e n i g scherte. Trabt ruhig seines Weges fort. Der B ü n d e l , dem das Volk zu nah kommt, schlägt auf Mord
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P J £ R V O N * E
Bald l i n k s , bald r e c h t s , und weifs eich Platz zu machen. So langt denn, unter lautem Lachen Der gauzen Stadt, mein Kauz am Schlofsplatz an. Prinzessin V a s t o l a und ihre Damen, sahn Durchs F e n s t e r , w i e der neue Reiter Vorüber t r a b t : und weil nun Ihre Hoheit just N i c h t m i t dem rechten Fufs heut aus dem Bette stiegen, Macht i h r die allgemeine L u s t Verdrufs u n d Laune statt Vergnügen. „ Ha!
(ruft sie laut g e n u g , dafs h ö r t w e r Ohren hat)
Das lohnt sich auch der M ü h ' ,
dafs eine ganze
Stadt l ' m einen solchen Bärenhäuter So närrisch t h u t ! Sein
Pferd ist schlecht,
und .doch f ü r solchen F»eiter,
Den Weoliselbalg, den U n h o l d , noch zu g u t ! " P e r v o n t e n s w o h l gestreckte Ohren, So dumm er sonsten war, verloren Kein W o r t v o n diesem Lob. —
„ S o ? Fräulein
Jesabell,
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W U N S C H E .
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£0 bin ich. nicht nacli Ihrem kleinen Schnabel? Ich. bin ein Wechselbalg, ein U n h o l d ? — Wohl, Mamsell Prinzessin, war* ich gar der grofse B e i z u B a b e l , So wollt' ich dafs Sie gleich von mir M i t Zwillingen zur Stelle schwanger ginge! Dann sollte man doch sehn, eh1 Sie von Thür zu Thür Mit Ihren Krabben betteln ginge, Ob Sie dem Wechselbalg, der Ihr So mifsbehagt,
nicht selbst Sich an den Gürtel hinge!"
Mit diesen Worten sprengt mein Krauskopf stolz davon, Verliert in drey Minuten schon D i e Stadt aus dem Gesicht, und reitet wohlbehallen, Z u grofsem Schiecken seiner Alten, Auf seinem Bündel Reis in ihre VVohnung ein. D i e gute Frau erschöpft sich ganz mit F r a g e n ; Allein der Gänsekopf weifä wenig drauf zu sagen, Bringt klaren Unsinn auf die Bahn, F ä n g t , weil er schon den Handel halb vergessen, Sein Mährchen stets von vornen wieder an,
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U n d , k u r z , verwickelt sich in Bündeln und Prinzessen, Bis er nicht mehr heraus sich helfen kann.
Die Mutter hört zuletzt zu fragen Und er zu tratschen a u f ; man denkt nicht weiter dran; P e r v ö n t bleibt w a s er w a r , lebt ohne Zweck und Plan, Gelüstet nichts, als täglich seinen Magen Zu fallen und auf seinem Schrägen Zu Hacken w i e bisher, macht gutes Blut dabey, Und alles andre ist ihm völlig einerley.
Indessen zu Salern i m Schlosse stand es, l e i d e r ! So ruhig nicht.
Vier Monden waren kaum
Vorbey, so mufs bereits der Kammerschneider Der schönen V a s t o l a ,
ganz in geheim,
mehr
Raum Für Ihrer Hoheit Weichen machen. Z w a r mit den Freyern spielt sie immer noch den Drachen; Von allen keiner, der sich nur Der kleinsten Gunst von i h r zu rühmen hätte.
ODER
DtE
WÜNSCHE.
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Nichts desto minder schwillt Zusehens ihr Kontur, U n d , k u r z , man bringt (nicht ohne viel Gespütte Und Achselzuckerey des Hofes und der Stadt) Sie, die den Ruf der spr&dsten Kälte hat, B e y hohem WohL — mit Z w i l l i n g e n zu Bette.
Des Königs W u t l i , und der Prinzessin Scham, D i e billig es sehr i'ibet nahm, Dafs gegen ihren R u h m , so r e i n , so unbescholten, D i e Z w i l l i n g e als Zeugen gelten sollten; Das wicht'ge A i r Markgrafen,
der jungen Herrn
Grafen und Baronen von Salern,
Als ob ein jeder hier viel zu verschweigen hätte, D e r seine Unschuld doch ganz in geheim bedau'rt, Und auf den Schuldigen an diesem Wochenbette In jedem andern hämisch lau'rt; D i e Stille in den Vorgemächern, Der
inhaltschwere
Blick,
das Zischeln
hinter
Fächern, Das Ärgernifs der tagend - ehr- und zuchtBegabte n Raths- und Bürgersweiber; D e r Jungfern Angst vor gleicher Wassersucht; Die Scherze platter Zeitvertreiber, Und all1 die undankbare M ü h
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Der Herren der
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Akademie,
Um durch verschiedne H y p o t h e s e n , Mit A f B und Hupfern ausstaffiert, Ganz kliirlich darzuthun:
dafs der Begriff v o m Wesen
Des Dings die Möglichkeit unläugbar in sich führt, W i e Vastola zwey Keimchen aufgelesen, D i e i h r , Gott weifs w o h e r , ein Zefyr zugeführt, Und die, in ihrem Leib allmählich e v o l v i e r t . So weit gediehn, bis sie, w i e sich'a gebührt, D e r holden Töchterchen zu rechter Zeit genesen; Diefs alles, nnd was jedermann Bey einem solchen Fall moralisieren k a n n ; Und dafs der Grofspapa vor Gift und Galle gelber Wie
eine Quitte w i r d ,
und nicht verschmerzen kann
Von einem ungenannten Mann Sich so vexiert zu sehn — versteht sich von sicli selber. G e n u g , die Hauptperson dabey Betheu'rt mit reinestem Gewissen, Dafs die Begebenheit i h r unbegreiflich sey: Und damit w i r d man sich
für jetzt begnügen
müssen.
ODER
D I F. W Ü N S C H E .
D i e beiden T ö c h t e r c h e n ,
die
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( w i e w i r alle
wissen ) E i n kLofser W u n s c h
gezeugt, die wuchsen nun heran.
Sie waren lieblich anzuschaucn, Und hätten Ammen, Kammerfrauen Und Guvernanten nicht gethan, So hätten sie, mit Gottes Segen, Ganz wackre Mädchen werden mögen. Und als sie nun zum sechsten Mahl S i e Rosen blühen sahn, da trat der S c n e s c l i a l l ( E i n Mann von grofsem K o p f ) zum Honig, Strich seinen Bauch und sprach : „ Ich lese ziemlich wenig, — Denn unser einem läfst die Amtsgescliäfdgkeit Zum Bücherlesen keine Zeit — Indessen fällt mir b e y , dafs ich vorlängst gelesen, ( W o ? weifs ich nicht — ich denk' in einem Versebuch — J a , j a , so etwas ist's gewesen, Sie 'nannten's,
ist
mir
rechtTerenziens Eunuch)
„ E s sey — w i e heifsen's doch auf Griechisch die Doktoren? —
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So ein — so ein — I n s t i n k t den Kindern angeboren, Der sie vermögend macht aus einem ganzen Heer Von Vätern flugs den wahren auszuspüren." Der Einfall, spricht der König, i$t nicht leer, Herr SeneschalL, wir können's ja probieren. Und ein Gebot geht aus, es soll am nächsten Fest Vom kleinsten Junker an bis zu den Herrn mit Stäben, Was A h n e n hat, nach Hofe sich erheben. D i e Z w i l l i n g e , die man nicht merken läfst Warum,
erscheinen auch.
Man läfst bey offnen Thoren
In einem ungeheuern Sahl D i e Herren allerseits vor ihnen d e f i l i e r e n . Zum ersten, andern, dritten Mahl: D o c h , von I n s t i n k t
ist nicht das mindeste zu spüren.
G u t , spricht der S e n e s c h a l l , wir sehen also klar, Dafs es von d i e s e n keiner w a r ;
ODER
DIE
W Ü N S C H E .
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Doch, gegen mein System kann das noch nichts probieren. W i r gäben, dächt' i c h , nun den B ü r g e r n einen Bali, Vielleicht — Ey, ey, Herr S e n e s c h a l l ! Ihr denkt nicht was Ihr sagt, (fällt ihm sein Herr, der König, Ins W o r t ) s o t i e f kann meine Tochter nicht Gesunken s e y n ! — Ich bitte untertliänig, Versetzt der S e n e s c h a l l ;
zu g l a u b e n ist es nicht —
Allein — was
wollen w i r ?
Gelegenheit nie cht
Diebe, Das Fleisch ist schwah und blind die Liebe, Spricht mein O v i d i u s . — Da spricht er freylich wahr, Versetzt der Fürst.
W o h l a n , den Ball gegeben!
W i r tanzen m i t , Herr Seneschall, nicht w a h r i Man findet i m gemeinen Leben Oft manches feine Augenpaar, Und Busen, die sich noch aus eigner Kraft im Schweben Zu halten
wissen — kurz,
erschlafften Magen
tliuc Auch g r o b e K o s t mitunter gut.
LIJO
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Der Ball versammelt n u n was innerhalb den Pfählen Der Stadt S a l e r n zur schönen W e l t siqli zählt: Allein der grofse Z w e c k w i r d abermahl vorfehlt. Die beyden Grazien, mit F l i n k e m und J u w e l e a Reich ausgeziert, s i n d , w i e man schliefsen kann, Zuerst dabey: umsonst! f ü r keinen einz'gen Mann Spricht
die
Natur
ein W o r t
zu ihren
jungen
Seelen. N u n , sagt der S e i l e s c h a l l , ist nichts was auf die Spur Uns bringen k a n n , als ein K o k a n j e n u r : Diefs , Gnädigster, diefs mufs den Ausschlag geben ! T o p , r u f t der F ü r s t , ich lieb' ca f ü r mein L e b e n : N u r Anstalt gleich dazu gemacht, Und dafs nichts fehl' an Überfiufs und Pracht, H e r r Seneschalli
Sogleich, am Fufs der g r o b e n Treppe, W i r d ' s bey Trompetenschall dem Volke kund gethan. Man fährt was efsbar i s t . Gans, E n t e , T r u t h a h n , Schneppe, Kaninchen, Rebhuhn und Fasan,
ODER
DIE
W U N S C H E ;
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Rindsznngen, Schinken, Brezeln, Wecken, Und Würste aller Art zu ganzen Fudern an, D i e P y r a m i d e zu umstecken, Die man an diesem Freudenfest Dem Volk zu plündern überlüfst.
Als nun, erharret mit Verlangen Von jung und alt, der groTse Freiulentag Erschienen war, an dem, noch eh' er aufgegangen, In ganz Salern kein Mcnsch im Bette lag, D i e Trommeln trommelten, Trompet' und Cymbeln klangen, Rings um den grofsen Platz die Fenster überall Schon mit geputzten Köpfen prangen, D i e ganze Stadt von Jubelschall Ertönt, und wogenweis in wimmelndem Gedränge Aus allen Gassen schon die Menge Sich auf den Platz ergofs, mit Augen voller Durst Den Raub verschlang, und kaum erwarten konnte Bis man zum Angriff blies: spricht zu P e r v o n t e Die Mutter: Geh du auch! D u wirst doch eine Wurst Zum wenigsten von diesem Spafs erhaschen; Lauf was du kannst!
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D e r H o f , der gern bey jedem Fest Um desto reitzender zuletzt zu überraschen, Fein lange auf sich warten lafst. D e r Hof war eben angekommen,Und hfctte schiclitenweis auf einem Schaugerüst, Z u grofsem Trost des Volkes, Platz g e n o m m e n ; Und was dem Volk dabey das Liebste ist, Das sind d i e Z w i l l i n g e ,
die in gar schonen
Mützen Am Fufs der Pyramide sitzen. W i e n u n zum grofsen Reilientanz D i e Jugend hin sich stellt in einen bunten Kranz, K o m m t plötzlich mitten in den Haufen Mein Rothkopf keichend angelaufen. Und n u n hört alle was geschah! Kaum werden s e i n , so schmutzig als er da In seiner Jacke s t e h t , mit ungekämmtem Haar Und ohne Schuh', K a u m weiden sein die Kinderchen gewahr, So laufen sie zu aller W e l t Erstaunen Mit offnen Armen auf i h n zu. H m ! sagt' ich's nicht ? beginnt in grofser Rull D e r alte S e n e s c h a l l dem König zuzuraunen, Iljilt mein I n s t i n k t u s sich nicht g u t ?
ODER
DIE
WÜNSCHE.
Verdajpmt &ey dein I n s t i n k t ,
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fährt in der
grölst en W a t h Der König auf: — W a s ? I c h den Schimpf erleben? Ha!
meine Tochter!
Mir!
Von einem solchen Strolch!
einem Schuft m i r Enlelchen zu geben! Das ist zu grobI — Gift,
Feuer,
Strang
und
Dolchs Sind zu gelinde noch, die Majestät zu rächen, Die s o entheiligt w i r d ! Die arme V a s t o 1 a, Sich keiner Schuld bewufst, w i l l sprechen: Allein
der König droht ihr Arm und Bein zu brechen.
Es w a r i h r Glück, dafs er das Fafs ersah, Das, nach Gebrauch des Festes, neben Der Pyramide stand, voll ziemlich sauerm W e i n , Den man gesonnen w a r , die Herzen zu erfreu'n, Dem Pöbel gnädigst Preis zu geben. Man schlag' den Boden aus, und werfe sie hinein. Ruft der ergrimmte Fürst: fort! ohne Widerstreben! S i e , und den herrlichen Galan, Und ihr Gezücht! fort in den Ocean!
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Des Königs strenges W o r t wird ungesäumt vollzogen. Man steckt die Kinderchen,
die ganz
erbärmlich
schrey'n, Und V a s t o l a , und i h n , d e n m a n , vom Scheift betrogen, Tür ihren Buhler h ä l t , stracks in das Fafs hinein, Und aberlasset sie den W i n d e n und den Wogen.
Z W E Y T E R
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WIELANDS sämrnil. W . X V I I I . B.
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M an denke nun sich eine O m f a l e , Alkmene, Danae, Latonc, Kurz , Dame V a s t o 1 a , von ihrem Schönheitsthrone Herab gestürzt, der unwirthbaren See In einer Tonne Preis gegeben. Mit Zwillingen, wozu sie um ihr Leben Sich nicht bekennen kann, und doch ein MutterllCTZ
Zu ihnen fühlt, und — was vor Scham und Schmerz Sie zur M e d e a machen möchte — Gesperrt zu einem solchen Hechte! Und diesen feinen Seladon (Das Ideal von einem Besenbinder) So öffentlich zum Vater ihrer Kindel Erklärt! — die Situazion W a r neu und einzig, sollt'' ich meinen;
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Zumalil wenn ihr den Raum bedenkt, Der die Prinzessin und die Kleinen Und unsern Kauz so nah zusammen schränkt, Dafs sie mit Armen und mit Beinen Bey jedem neuen Wellenstofs Sich mehr v e r w i c k e l n , — seine Nase All' Augenblick' in ihres Halstuchs Gase Behangen bleibt, und oft z w e y Linien blofs Den schonen Mund von seinem Rüssel trennen : Das alles sollte w o h l die Obermeisterin Der Spröden mürbe machen können! Doch V a s t o l a ' s erhabner Fürstensinn Zeigt just i m Unglück, w o die Blöfse Gemeiner Seelen sich am schnellsten offenbart, Die Majestät der angestammten Art In ihrer ganzen Heldengrufse; Zeigt durch den kalten Stolz, womit Ihr Blick P e r v o n t e n
niedertritt,
Dafs Kränkungen ihr Herz nur höher schwellen. „Pfuy des Gedankens! ruft sie: Ich, Bey einem solchen Alp mir Z w i l l i n g e bestellen?" O meiner T r e u ! das könnt i h r sicherlich M i r glauben, F r a u ,
(versetzt der ungeschlachte Lümmel)
O D E R
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W U N S C H E .
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D e n grofsen Spafs, Gesperrt zu seyn m i t euch in dieses muff'ge Fafs, Und zwischen Wasser, L u f t und H i m m e l Z u schaukeln, hält' ich a u c h entbehren können. — Dumm! Z u euern Z w i l l i n g e n
als Vater stehn zu müssen !
W e n n ihr nicht besser wifst w a r u m Als ich — „ W a s soll ich besser wissen, I c h , die dich nie in meinem L e b e n s a h ? " Was das betrifft, Frau V a s t o l a , D a möchtet i h r die W a h r h e i t ziemlich sparen. „ A h , n u n besinn 1 ich mich — an deinen rothen Haaren U n d an dem w e i t gespaltnen Maul — Bist du vielleicht der S c h u f t , der auf dem Steckengaul Bey unserm Sclilofs v o r sieben Jahren Vorbey geritten kam ? " E y freylich bin ich d e r ! Ich weifs es noch als wär's von gestern h e r ; Besinne mich gar w o h l , w i e i h r die Nase r ü m p f t e t
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Und w i e ein Rohrspaz auf mich schimpftet, Und Liefst mich Wechselbalg und Kauz und M u r melthier Und w a s vors Maul euch kam.
Es kroch mir
übern Magen Da9 läugn' ich n i c h t ; und, mit Respekt zu sagen, Da wünscht 1 ich euch, i h r möchtet $tracks von mir M i t Z w i l l i n g e n ein w e n i g schwanger gehen. Ihr solltet, dacht' i c h , Spafs verstehen ; W i e ihr draus Ernst gemacht und zu den Pappchen hier Gekommen s e y d , da mögt ihr selber sehn! I c h , w i e ihr w i f s t , weifs weder Giks noch Gaks Davon.
Da9 weifs ich n u r , ich liatt' e» von den Feen,
Dafs damahls was ich wünschte stracks Geschehen mufste. „ W i e ? das hattest du von F e e n ? " Nicht anders.
Meine Reiterey
Auf einem Bündel Reis bey euerm Schlofs vorbey Kam blofs daher. „So hast du diese Gabe W o h l immer noch ? "
ODER
DIE
W U N S C H E .
15»
N i c h t dafs i c h wüfste. „Wie? D u hast es nie e r f o r s c h t ? " D e r Anlafs gab sich nie. M a g seyn es ist v o r b e y ,
m a g seyn v i e l l e i c h t ,
ich
habe Sie n o c h ;
m i r stieg es nie zu K o p f
D a s D i n g erkundigen zu wollen : An Suppe fehlt' es nie in meiner M u t t e r T o p f , Und nie dem T o p f an H o l z ;
w a s hätt' i c h w ü n schen
sollen?
E i n F i l o s o f v o n feinem S c h r o t t Die Dummheit,
w i e i c h seh',
m a c h t auch D i a -
g e n e &8 e So g u t und besser als die N o t h , Ruft V a s t o l a :
doch in der Presse
W o r i n w i r s i n d , da uns ein nasser T o d B e y jedem Athemzug in jeder W e l l e droht, W i r d deine W e i s h e i t w o h l nicht
länger
Anstand
nehmen, Z u sehn,
dafs F e e n
uns itzt
sehr
kämen. Versuch e s ! wünsche dir
—"
zu
Statten
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I c h , wünschen? und wofür? Ich bin ein Alp, ein Schuft, ein dummes Thier, Ein Kilosof, hab' Eselsohren Und hinten einen Sterz, nicht wahr ? Zum Wetter auch! die Schmeicheley'n sind rar! Wenn ihr nichts bessers habt, so lafst mich ungeschoren ! Zum Wünschen, j a , da bin ich gut genug!
Ey.^ey, P e r v o n t e , bist du lslug? W e r wird den Worten gleich die schlimmste Deutung geben? Es war nicht s o gemeint.
Komm, Männchen, sey so gut!
Lafs dich erbitten!"
S o ? nun da es Notli euch thut, Nun könnt ihr gute Worte geben! Ich dachte ja wir wiirden's noch erleben! Allein, Pervonte hat sein Köpfchen auch, mein Schatz ! Wohlfeiler als um einen derben Schmatz Wird meiner Mutter Sohn sich nimmermehr ergeben.
O D E R
D I E
W U N S C H E .
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Schwer lag die Hand des Schicksals oinmahl nun Auf V a s t o l a : die W a h l , was hier zu thun, Ist hart für eine D e j a n i r e. Allein, wiewohl sich Magen, Herz und Niere Entgegen sträubt — gut dafs der Grobian Noch so begnügsam ist! eh' 6ie die Wasserspinnen Zu füttern sich bequemt, was halte sie gethan? Kurz, da dem Tode zu entrinnen Kein ander Mittel w a r , hielt sie den Athem an, Die Augen zu,
und that was sie nicht lassen konnte.
A h ! nur noch Einen, ruft P e r v o n t e : Und nun, Madonna, eh' die alte Tonne voll Mit Wasser ist, sagt was ich wünschen soll, „Dafs sie sich in die schönste kleine Barke Verwandle, wohl versehn mit allem was uns Noth Zur Seefahrt ist, und zwanzig tücht ge starke Matrosen drin, und ein Pilot, An B a j e n s üfer uns zu führen." P e r v o n t e , wie i h r w i f s t , ein wenig schwach Von Kopfo, läfst sich's r e p e t i e r e n .
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Und spricht den Wunsch von W o r t zu W o r t ihr nach. Und wie er's sprach, verwandelt sich die Tonne Ins schönste Schiff, worauf die liebe Sonne Geschienen, seit K l e o p a t r n In einer Glorie von Reitz und Liebeswonne Der C y d n u s dem A n t o n entgegen schwimmen sah. Von ihren Sinnen hielt sich V a s t o l a belogen, Da sie die seidnen Wimpel sah, Die, Zefyrflngeln gleich, hoch in die Lüfte (logen ; Die Ruder ganz mit Silber überzogen, Die Segel P u r p u r , Gold die Stangen sammt dem Rah, Und jede Stang' umwebt mit einem Blumenkränze; Das Rudervolk geputzt als wie zum Tanze, Belebten Bildern gleich, die, ohne auszuruhn, Die Arbeit nach dem Takt in tiefster Stille t h u n ; Kurz, alles so wie man's erwarten konnto Von einem F e e n w e r k . Prinzessin V a s t o l a , Vor deren Augen hier geschah Was ihr ein Mährchen däucht, begonnte
ODER
DIE
WuKSCHE.
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P e r v o n t e n nun für etwas mehr Als war er s c h i e n und w a r , zu halten. Doch E r , er bleibt in seinen .vor'gen Falten, Und bildet sich nicht minder und nicht mehr Auf eine Gabe ein, die ihm so fremde sitzet Wie jener Eselin die Redeseligkeit. D e r grcfse Schild, der ihn zu aller Zeit Vor F r a g e n und vor W ü n s c h e n schützet, Ist W o l f e n s goldnes : I s t w a s
ist!
Das Schiff ist einmahl d a , und weil es i s t , gegen Sein Daseyn mit Gebühr kein Zweifel zu erregen. E s s c h e i n t n u r , dächt 1 ein
Piatonist;
Allein P e r v o n t , der keiner ist, Hält steif und fest sich, gegen zehn P i a t o n e n , An die R e a l i t ä t der Mundprovisionen W o m i t das Schiff versehen w a r : Die.
Möglichkeit,
die
kümmern
ihn
kein
Haar; G e n u g , v
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„ N u n g u t , mein Schatz, ich lasse mich belehren, Was soll ich wünschen?
Gebt mir's an."
Nichts als V e r s t a n d ,
Verstand um zu v e r stehen!
Diefs einz'ge Wort sagt alles. „ N u n wohlan, So gebt mir denn Verstand, ihr Feen, Und zwar vom guten; denn es heilst, Es sey nicht alles Gold was gleifst." Ihr seht, beym ersten WoTt erhörten ihn - di« Feen, Und mehr vielleicht als Vastola A m Ende selber gerne sah.
P r i n z e s s i n , spricht P e r v o n I , w i r haben Der
Wünsche
nun
genug.
Der
Feen
Gütig-
keit Ist g r o f s ; doch immer neue Gaben Erpressen wäre Geitz und Unbescheidenheit. Nichts
ist nunmehr
uns Noth als die Begnügsamkeit;
oder
DIE W U N S C H E .
167
Allein mit dieser mufs der Mensch
sich selbst
begaben. Lafs durch Genufs
uns nun verdienen w a s w i r haben;
Uns lieben, V a s t o l a ,
und alles um uns hör
M i t unserm Glück erfreuen und beleben, Sey unser L o o s ! Uns w ü n s c h e n ,
W a s könnten w i r noch m e h r oder was
die Feen m e h r geben ?
uns
D R I T T E R
T
II
E I L .
F ü r s erste Probestück bewährte, dächten w i r , P e r v o n t die neue Feengabe Nicht übel durch diefs Wort.
Auch ihr,
Der schönen Va s t o l a , bedünkt es selbst, sie habe Nun nichts zu wünschen m e h r , als was
Hoiaz
sich dort Genügsam von Merkur erbittet. An diesem zauberischen Ort M i t jeder Gunst des Glückes überschüttet, An einen schönen Mann von Amotn angeküttet, Der fast bis zur Abgötterey Sie liebt und nun auch klug ist und gesittet, Und von Gefühl so zart, als hätten statt mit Brey Mit lauter Rosen ihn die Grazien aufgefüttert: Von allem was bey Hof das Leben uns verbittert, Von Zwang und langer Weile f r e y ; Kurz, glücklich w i e man es auf Erden Gewöhnlich nur im Traume pflegt zu werden,
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Was konnte V a s t o l a , wie weit ihr Heiz; auch scy, Noch wünschen, dafs ein Gott zu ihrem Glücke lege, Als d a f s e s e w i g d a u e r n
möge?
Vier Wochen lang, bey Tage wie bey Nacht, ( W i r m&ssen es zu ihrem Ruhm gestehen) Vier ganzer Wochen lang wird an die guten Feen Nicht mehr als an den Mann im Mond gedacht: So sinnreich weifs Pervonte das Vergnügen, Das jeder neue T a g ihr macht, Der Fantasie der Schönen anzuschmiegen. So leise jeden Wunsch gleich wieder einzuwiegen Bevor er recht in ihrer £ r u s t erwacht.
Allein — wie könnten wir's verhehlen ? — Am ersten T a g der fünften Woche schon Begann ich weifs nicht welch ein matter Farbenton D e m Glück der Liebe was von seinem Glanz zu stehlen. Z w a r machte die Natur
auch diefsmahl keinen Sprung,
U n d , wie vom Mittagslicht zum Schein der Dämmerung,
ODER
DIE
W U N S C H E .
173
Schlich sie bey V a s t o 1 a durch unmerkbare Grade V o m Vollgenufs zur Sättigung. K u r z , es entdeckte sich, dafs eine eigne Gnade Dazu g e h ö r t , um fern von Hof und Stadt I n einem Dörfchen sich bey Laune zu erhalten. W i e viel Verdienste auch der P r i n z
Pervonta
hat, W i e weislich ( n a c h der W a r n u n g unsrer Alten) E r m i t der süfsen Schwärmerey D e r Hochgefühle hauszuhalten V e r s t e h t , w i e mancherley Gestalten E r auch dem ew'gen Einerley Z u geben w e i f s , — ein Glück, das schon so lange neu Zu
scheinen
aufgehört,
wie
sollt'
es
nicht
ermatten ? W i e könnte sie, mit einem Gatten, W a r ' s auch im Paradies, allein, Beständig i h m und s i c h genugsam s e y n ? G e w o h n t sich stets von mehr als hundert Verehrern, deren Zahl tagtäglich sich erneut, Gefolgt, geschmeichelt und b e w u n d e r t Z u s e h n , w i e käme nicht in dieser Einsamkeit ( W o von den ewigen einschläfernden Gefühlen Ununterbrochnev Zärtlichkeit
174
P E H . V O K X F
Nichts neues fremdes sie zerstreut) Die Lust sie wieder a n , der Jugend Rosenzeit Ein wenig muntrer zu verspielen ? Das S c h ä f e r l e b e n hier verdient den Nahmen kaum, (Spricht sie bey s i c h ) es gleicht dem Schattenleben Elysiums, und i s t , um ihm sein Recht zu geben, Sehr wenig besser als ein Traum. Der schönste H i r t , der unterm schönsten Baum M i r e w i g gegenüber sitzet Und seine Zärtlichkeit mir in die Augen blitzet. Sagt mir zuletzt kein Sterbenswörtchen mehr Als wenn's ein Bild von Alabaster wäre. W o nimmt es w o h l Pervonte her, Dafs unser eine sich von Zartgefühlen nähre? E r , der so klug sich dünkt, er w i l l ( I c h mufs des närr'sclien Einfalls lachen) Zu einer Hirtin in Arkadien mich machen? D o c h , länger halt' ich ihm nicht s t i l l ! Ich bin des Schattenreichs der Linden und der Buchen, Des Wiesendufts, des Schlafs am rieselnden Kry»ta LI, Des Mondschein» und der Nachtigall
oder Von Herzen satt.
DIE
WUNSCHE.
17£
Man m u f s , zumalil in meinem Fall,
Ja w o h l v o n allem was versuchen, W e n n sich der Anlafs giebt und bessers uns gebricht : E s w a r ein hübscher T r a u m , P e r v o n t , ich läugn' es nicht, Man träumt n i c h t stets so angenehme Sachen; N u r sey es m i r erlaubt auch wieder a u f z u w a c h e n ! I h r s e h t , der M o n o l o g verspricht Pervontens Glücke w e n i g Dauer. Seit sein Palast i h r nur ein Vogelbauer U n d sein Arkadien ein Bauergütchen däuclit, Hat seine Seligkeit den Mittagspunkt erreicht, Und w i r d n u n schnellen Schritts zum Untergang sich neigen. Schon fängt sie a n , bey einem Hirtenfest, W o sein Geschmack mit Glanz sich sehen läfst, E i n schläfriges Gesicht zu zeigen, Das mitten i m erzwnngnen Lächeln gähnt Und nach des Festes Schlufs sich unverhohlen sehnt. D e r arme Mann beklagt sich selber Und sie noch m e h r : doch schickt er sich darein Und w i r d darum nicht magerer noch gelber.
IJB
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„Ein schuncs W e i b kann auch nicht stets ergetzbar seyn, Ein
andermal vielleicht w i r d ' s
besser mir ge-
lingen. " So tröstet er sicli selbst; allein Die Zeit w i l l dieses Mahl ihm keine Rosen bringen. Die Launen nehmen überhand Und täuschen seinen besten Willen. Oft werden aus den Launen G r i l l e n , Die e r , auch wenn er sie verstand, Zu schwichtigen nicht immer rathsam fand. Um Vastola's Geliiste zu vergnügen, Miifst' einer, denkt e r , Tag und Nacht Den Feen in den Ohren liegen, Und wen sein Iierz nicht glücklich macht, Den kann man nicht ins Glück hinein betrügen.
Von diesem Augenblick beschliefst Pervonte, der nicht gern ins Fafs der Danaiden Vergebens volle Eimer giefst, Mit dieser Frohne sich nicht länger zu ermüden. I c h , denkt e r , war mit meinem Loos zufrieden; Des reinsten Glückes Quelle fliefse Für sie und m i c h : w i l l sie sich glücklich machen lassen,
ODER
» I E
W
II B S C H ! .
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W o h l i h r ! — w o nicht, so seh' sie selber z u ! Ich kann mit diesem Amt mich länger nicht befassen ; Ich sorge nun für meine eigne Ruh.
In
diesem
Selbstgespräch
war
etwas
üble
Laune. M?n weifs sie mahlt die Dinge gern ins Braune. Im Grunde w a r Pervont ein guter Mann, Das heilst, so eine fromme zahme Weichherz'gc Kreatur, ans welcher eine Dame W i e Vastola was ihr bequem ist machen kann. Kaum merkt sie also dafs der Wärmemesser Von seiner Liebe bis auf l a u Zu fallen droht, so stimmt die schlaue Frau Die Saiten um. — „ P e r v o n t ,
du siehst heut
blässer, (Spricht sie mit einem Blick der wärmsten Zärtlichkeit) Es ist als ob ich weifs nicht was dir fehle, Dein Auge wölket s i c h , du scheinst zerstreut Und anderswo, du suchst die Einsamkeit; Am Ende, F r e u n d , ist's nichts als A t o n i e der Seele, W I E L A N D S s..nnml.'\V. XVIII. ß .
;Y[
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V O S
Die leicht zu heben ist.
T E
Du kommst seit einige r Zeit
Kaum aus dem Hause;
Luftveränderung,
mein
Lieber, Vertreibt vielleicht diefs kleine Nervenfieber. Ich statt' in unserm Dorf ein hübsches Bräutchen aus, Der Bräut'gam ist ein feiner Junggeselle, Ich selbst vertrete Mutterstelle Und sorge für den Hochzeitschmaus: Darf ich zu diesem Fest dich bitten ? "
Der B l i c k , der T o n , w o m i t die Zauberin Diefs sagt,
erheitert
stracks Pervontens
düstern
Sinn. W e r liebt wohl mehr als er den Sitz der milden Sitten Der goldnen Zeit, die frohen Schäferliütten, Für ihn das schätzbarste von allem s'einem Gilt! Und dafs ihm Vastola aus eignem freyem Triebe Den Antrag thut, so freundlich an der Liebe Des jungen Brautpaars Antheil nimmt, Sich selbst mit ihrem Glück beschäftigt, Und sich dabey das Mutteramt bestimmt:
O D E 'R Wie
mächtig
wild
DIE
WÜKSCHE.
dadurch
der
süfse
179 Wahn
bekräftigt, Dnfs, trotz der Eitelkeit, die sich zuweilen regt, Ein gutes Herz in ihrem Busen schlägt! W i e schnell entwölken sich die finstern Augenbraunen ! W i e dankt sein B l i c k , sein Mund ihr diese reine Lust!
W i e innig presset sich sein Herz an ihre B r u s t !
Mit stillem Jubel sieht die listigste der Frauen Den leichten S i e g , den über Manneskraft Und Manitesklugheit ihr die Weiberlist verschafft. Das Hirtenfest
geht nun
nach Herzenslust von Statten
Pervonte, den das Glück der neuen Gatten Kaum minder als sie selber glücklich macht, Feir't seine eigne Hochzeitnacht Und hängt mit wonnevollem Blicke An Vastola.
Die Schlaue hascht im Flua: o
Den günstigsten der Augenblicke Und spricht zu i h m : Mein Schatz, w i r haben lang' genug Den Feen nichts mehr vorgetragen ;
IßO
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Sie Können sich, zumahl' da sie so willig sind, Nicht über unsere ßc-scheidenheit beklagen. N u n aber liab' ich w a s , mein K i n d ; Und war' es auch nur eine von den Grillen D i e einer jungen Frau das leichte Hirnchen drillen« S o weifs ich doch du
bist »ein zu
getreuer
Hirt. Um ein Verlangen nicht zu stillen Das nur ein Wort dich kosten wird. Sag' a n , Geliebte, spricht Perronte, (So kirr* in diesem Nu als Juno einst den Herrn Der Welt auf I d a machen konnte) Dein Wink ist mein Gesetz.
Wofern
Was du begehrst die Macht der guten Feen Nicht übersteigt, so nimm es für geschehen. Mich p l a g t , erwiedert s i e , die Sehnsucht mein Salem, Woraus ich
schon so lang 1 verstofsen b i n ,
zu
sehen. Heut ist des Königs F e s t ;
er giebt ein prächtig Mahl,
Und dann ist Tanz im grofsen Rittersahl. N u n , Männchen, thu mir den Gefallen
ODEB
IUE
W U N S C H E .
ißi
Und wünsche ¿ich mit m i r zur Stunde nach Salcrn, So prächtig ausgeschmückt, dafs allen Den steifen Damen und den unverschämten I l c n 11, Die uns ins Weifse sehen wollen, Die Augen übergehen sollen; Und wenn w i r uns an ihrem V o r w i t z satt Erlustigt, und uns auszufinden Der König selbst was nur am Hofe Athem hat Uns auf den Hals schickt, plötzlich schwinden W i r wieder w e g , und sind in heiler Haut Schon wieder h i e r , noch eh' der Morgen graut. Fervonte, der sich qfich vor kurzem schlecht erbaut Durch diesen Wunsch gefunden hätte. In diesem Augenblick vergnügt und liebetraut M i t Vastola auf einem Ruhebette, W i e könnt' er itzt den rein gestimmten Ton Des Einklangs ihrer Herzen stören. Und
einem
solchen
Weib
die kleine
Freude
wehren ? Kaum ist der rasche Wunsch aus seinem Mund entfloh'n, So däucht ihn auch die Hörner schon
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Im Schlosse zu Salem zu hören. Sie sehen einen Salil, mit allen Zubehören Z u einem Königsfest, sich selber nrtten drin, E r einem Sultan gleich, Sie einer Kaiserin Von Hindostán, mit blitzenden Karfunkeln So dicht besät,
dais sie der Kerzen Schein verdunkeln.
Das Hofgesind' sperrt Mund und Augen auf, Drängt sich hinzu, drückt wieder auf die Seite, Fr>gt flüsternd was die V i s i o n
bedeute,
Begreift es n i c h t , und niemand fällt darauf. D e n Lümmel,
dem noch itzt die treuen Bürget fluchen,
I n diesem Grofssultan, und Fräulein Vastóla» D i e man in e'iiem FaTs i m Meere schaukeln sah, In dieser Kaiserin zu suchen. D e r w o sie geht gleich alles schüchtern weicht, Und die im leichten Tanz von ihm daher geführet, An Wuchs umi Majestät mehr einer Göttin gleicht Als einem Erdenkiud.
Der Hof indefs verlieret, V o r Ungedu'd zu wissen w e r sie sind Und welche Windesbraut sie nach Salern geführet, Beynahe den Verstand.
D i e Sache w i r d zuletzt
ODER
PIE
WUNSCHE.
IFÄ
Ein Staatsgcschäft, nachdem aus gnädigstem Befehle Uer Seneschalf, so fem als eine dicke Seele, W i e 84
P E R V O H T B
D e r K o n i g prallt z u r ü c k , und Augenblicks vor Seilwinden D i e F r e m d e n aus dem Sah).
So g r i m m i g als ein
Bär T o b t seine Majestät i m ganzen Schlots u m h e r , Und
d r o h t , sein Hofgesind m i t
eigner H a n d
zu
schiiidcn, Entdeckt m a n n i c h t die Sparen i h r e r F l u c h t B e v o r die letzten Sterne s c h w i n d e n . Allein umsonst w i r d Schlols und Stadt d u r c h s u c h t : Sie sind Gespenstern gleich v e r s c h w u n d e n U n d n i r g e n d s w o w i r d i h r e Spur g e f u n d e n .
Prinzessin Vastola hingegen fand den Spaft Z u l u s t i g , es dabey v e r b l e i b e n Zu
lassen.
Sollte
sie die
Zeit
sich n i c h t v e r -
treiben, D a sie n u r w o l l e n d a r f ?
Und alles also w a s
F e r v o n t damit g e w a n n , die erste i h r e r G r i l l e n Z u f ü t t e r n , w a r , dafs n u n das vorbesagte Fafs D e r D a n a i d e n voll zu f ü l l e n Jiucli
eher
möglich
schien,
als
seiner
Dame
Willen. W a s sie b e g e h r t ist i m m e r — n u r ein Spafs, I h m ist's so leicht i h r diesen Spafs zu machen,
o D F. K
Ihm,
D i K
W U N S C H E .
der nur wünschen darf.
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V e.r n u n f t w i r d
ohne Frucht An einem Köpfchen, w i e das ihre w a r , versucht: Sobald
er ernsthaft
spricht,
erwiedert
sie
mit
Lachen ; Und gute Laune, Fröhlichkeit, Muthwille selbst (diefs hat sie ausgefunden) Macht ihre Stärke aus; sein Ernst wird jederzeit M i t diesen Waffen überwunden. Denn immer lohnt Gefälligkeit I h r jede kleine L u s t ,
die er durch sie empfunden.
E i n Kranz, von ihrer Hand gebunden, M i t Freundlichkeit gereicht, ein Blümchen,
eine
Frucht, V o n ihrem schönen Aug' in goldnen Morgenstunden F ü r ihn i m Garten ausgesucht, Und noch versüfst durch einen dieser Küsse D i e sie allein nur küssen kann, W a s braucht es m e h r , damit der gute Mann Z u allem was sie wünschen kann Sich dankbarlich verbunden halten müsse?
Der erste W u n s c h , den wenig Tage drauf D i e schöne V a s t o l a vom Stapel D e r Wünsche laufen liefs, flog in geradem L a u f
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Zur stolzen Königsstadt Neapel. Hier läfst sie sich als Erbin von Salern Mit ihrem schonen Mann in solchem Glan&e sehen, Uafs selbst die Königin nicht gern W o s i e ist sichtbar wird.
Der Werth von ganz Salern
Schien im Juwelenbusch auf ihrem Hut zu w e l u n , Und jeder Knopf an ihrem Kleide w a r Der bare Preis von einem kleinen Lehen. Auch mufste sich P e r v o n t , w i e w o h l sich jedes Haar An ihm dagegen sträubt, zu gleicher Pracht verstehen. Mit Gold bedeckt umrauscht sie, w o sie gehen, Das Wimmeln einer Heeresschaar Von grofsen zierlichen und schmucken Leibdienern aller Art, von Laufern undlleiduckeji. Der prächtigste Palast, das schönste Gartenhaus Zu P a u s i l i p p , w a r nicht fiir sie zu theuer; An jedem Galatag, bey jeder Kirchenfeier Sticht V a s t o l a die andern Fürsten aus, Ist ihr Gefolg das schimmerndste von allen, Macht ihrer Wagen Glanz die Pracht der andern fallen. Ist i h r Geschirr das reichste und ihr Zug
oder
DIE
WUNSCHE.
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Der schönste, aber gleichwohl beides Für ihre Eitelkeit nie ungemein genug. Ob alles diefs den Zahn des Neides Auf Vasrola gewetzt, kann keine I rage s e y n : Auch wendete Pervont gar viel dagegen ein, Sie stritten öfters sich selbst hinter den Gardinen W i e w o h l sich leicht errathen liifst, Dafs Fehden
dieser
Art,
wie
hitzig sie
auch
schienen, Ihr Piegiment nur zu befeuten dienen. Inzwischen nahte sich ein weltberühmtes Fest, Der Ilochzeittag des D o g e v o n
Venedig,
Der sich das Meer von Adria vermählt. Natürlich w i r d sie hier noch eines Wunsches ledig. „ Es w i r d so viel von diesem Fest erzählt: Es nicht zu sehn, mein Schatz, in meinem ganzen Leben, So lieb du m i r auch bist, könnt 1 ich dir's nicht vergeben." W a s soll Pervonte t h u n ? Um eine Kleinigkeit W i e d i e s e mit dem holden Weibe brechen ? Es geht nicht a n ! _
„ Befiehl, es ist die höchst« Zeit,
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Der Barke in die See zu stechen Dip uns vor oinemjahr an Bajens Strand gebracht! Sie segelt leicht und schnell, und bringt noch ^icje Nacht Dem Markusplatz uns gegenüber. "
P e r v o n t , w i e w o h l er zehnmahl lieber In sein Arkadien, w o ihm so w o h l i s t , sich M i t ihr (zusammt dem prallen Schwanenbette Worauf er eben l a g ) zurück gewünschet hätte. F ü g t sich mit guter A r t , und w i r d auch dankbailich Nach ihrem Brauch, dafür mit einem Kufs beseligt.
Die Barke w i r d sogleich befehligt, Sie steigen e i n , sie langen an. Das Fest beginnt. Schon füllt mit aufgcscliniücktcn Nachen Sich der Kanal, schon drängt sich Kahn an Kahn: Da s c h w i m m t , begrüfst aus hundert Feuerrachen In träger Majestät der B u c e n t a u r heran, Die Reihen trennen s i c h , dem Stolzen Raum ¿ a machen,
O D E R
D I E
W U N S C H E .
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Und fei'rlicli-lustig w i r d die launenvolle Brau', D i e unbezähmbarste der
Widerbellerinnen,
D e m alten H e r r n i m H ö r n e
angetraut.
Vor W o n n e kommt der Pöbel fast von Sinnen, W i e w o h l man i h m bey diesem Hochzeitfest ( W i e überall) die Geiger zählen läfst. Prinzessin Vastola ergetzte sich nicht w e n i g An diesem prärht'gen Possenspiel: D o c h was dabey am besten i h r gefiel, W a r , dafs ihr Feenschiff an F o r m und Pracht der König D e r G o n d e l n , deren w i m m e l n d e s G e w ü h l D a s Meer verdeckt, und Sie allein die Schöne D e s Festes schien; so u n v e r w a n d t Und gierig hielten stets Veneziens blonde Söhne D i e Augen n u r auf sie gespannt. Frau Vastola, Dank sey den unerschöpfbarn Feen W i r d bald genug auch hier v o n jedermann gekannt. Venedig h a t t e , seit Sankt Markus T h ü r m e stehen, N o c h keine fremde Frau w i e Vastola gesehen: N o c h keine die so präclit'ge Assambleen U n d Bälle g a b , das Gold f ü r blofsen Kies Zu achten schien, den hungrigen Harpyen Von Brokanticrern so freygebig sich erwies,
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E
Und mittehnäfs/ge K o p i e n So thetter sich f ü r ächr. v e r k a u f e n liefs. D i e D a m e mufs den Stein der W e i s e n Ii ab eil, (So dachte m a n ) und g i e r i g e r als Rahen F a l l t alles z u und frifst so lang* sich satt A l s die V e r s c h w e n d e r i n n o c h w a s zu geben hat.
P e r v o n t e n w i r d zuletzt diefs L e b e n u n e r t r ä g l i c h . O f t denkt e r , w i e
Horaz;
O w e r bey niügerm Kohl
I n seiner H ü t t e säfs' und fühlte sich b e h a g l i c h ! F r a u Vastola b e m e r k t es nur z u w o h l Dafs ein G e w i t t e r sich u m seine Stirne z i e h e t ; U n d e h ' die W o l k e platzt und Blitze sprühet, VVär's, däucht i h r , k l ü g e r i h m den A n t r a g selbst z u tlnin. P e r v o n t e , (spricht sie e i n s t , und s c h l i n g t die runden A r m e U m seinen N a c k e n ) a u s z u r u l m V o n diesem langen Fastnachrsschwarme Ist's h o h e Z e i t ; i c h fülil's so sehr als d u ! K o m m , eilen w i r der Freystatt w i e d e r zu, W o w i r , geheilt v o n diesem e w gen Streben D e r F a n t a s i e , uns selbst und imsrer L i e b e leben.
O D E R
D I E
W U N S C H E .
igt
W o ist in diesem Augenblick Ein Mann so f r o h w i e E r ?
W^s gleichet seinem Glück?
E r glaubt das holde W e i b von allem eitern Wesen Auf immer aus dem Grund geneser. W i e segnet er den löblichen Entschlufs! W i e dankbar drückt er sie an seinen Busen ! K o m m , mein Pervpnt, spricht sie mit einem K u f s ; D i e reine Landluft sey f ü r uns was
Lethens
Flufs Den f r o m m e n Schatten! D o r t , im Schoofse stiller Musen, Am Mutteibtisen der Natur Und an dem deinen, mein Pervonte, soll in süfsen Schuldlosen Freuden n u n mein Leben, w i e ein Bach D u r c h stille Rosenbiisclie,
fliefsen!
Die Freude pvefät ein wollustvolles Ach I h m aus der B r u s t , aus ihrem schönen Munde Z u hören was er h ö r t ; und zu derselben Stunde Trägt sie das Zauberschiff zurück nach ihrem Gut.
Seqjis Tage machte nun der glückliche Pervonte In seiner Vastola Gesellschaft gutes B l u t ; Sechs Tage lang bleibt sie bey frohem M a t h ,
) 92
P £
K V O N T E
Rieh selber gleich , empfindsam , sanft und g u t : Allein, das w a r auch «lies was sie konnte! Am siebenten füllt ihr auf einmahl ein, Sie habe — Gäste eingeladen. Man kann doch, spricht sie, auch nicht stets in einem l i a i n Zu lauter Nymfen, Oreaden Und Schäfern eingeschlossen seyn! Auch siehst du leicht, da mir so viele Ehre Z u Napel und Venedig widerfahr, Dafs es von m i r nicht schön gewesen wäre, Zu thun als lebten w i r auf unserm Gute nur I lir uns allein. Es mufste D i c h beschämen W i e m i c h , mein Schatz, hätt' ich dem leisesten Verdacht, Als wären w i r zu karg um Gäste aufzunehmen, ßey unsern Freunden Raum gemacht. Ich liab 1 indefs mit gutem Vorbedacht Nur blofs die Wichtigsten gebeten, Den Kern der schuncn Welt an Alter, Geist und Rang.
Pervoitfe hört diefs alles sehr betreten Mit Acluelziu ken » u , sein Kinn w i r d ellenlang,
« S I N
Die Lippe
D I E
W U N S C H E .
193
b e b t , s c h o n f i n g t Her K a m m s i c h an zu röthen;
Allein eilt liebevoller B l i c k A u s diesen A u g e n , nie noch n i e m a h l s fehl gebeten., B r i n g t p l ö t z l i c h zur B e s i n n u n g ihn Z u r ü c k : E i n B l i c k , s o a r g l o s , sanft unil u n b e f a n g e n . A l s w ä r e , w a s sie angestellt, D e s tadelloseste B e n e h m e n v o n der W e l t . W a s ist m i t einem W e i b
w i e dieses a n z u f a n g e n ?
M e i n K i n d , v e r s e t z t der arme H e r r G e m a h l , W e n n du m i c h k e n n s t , so w e i f s t d u , das G e t ü m m e l D e r grofsen Welt ist niemahls meine W a h l : M i t dir a l l e i n i n diesem schönen T h a i Bin ich,
s o fern i c h
dich zufrieden
seh',
im
Himmel. D u d e n k s t i n d i e s e m S t ü c k e nicht W i e dein P e r v o n t : d u findest m e h r B e h a g e n A n h ö f i s c h e m G e r ä u s c h , u n d i h m ist's i m m e r Pflicht, D i r k e i n e n W u n s c h , den du gerecht nennst, abzuschlagen.
D e r D a m e s c h e i n t diefs W o r t ein S t i c h ; S i e fühlt es w e n i g s t e n s ,
und also g l a u b t s i e , sich
M i t E r n s t v e r t h e i d i g e h zu m ü s s e n . W I E N A N D S sämmtl.YV. XVIII
B
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I^-i-
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I
I h r halb erwachendes Gewissen W i l l eingeschläfert seyn; k u r z , Vastola beweist, S i e h a b e P i e c h t , m i t so viel W i t z und Geiste Dafs sich mit ihr herum zii fechten Pcrvonten w e n i g edel däucht, Und sie m i t ihrem Haberechten, Z u künft'gem Präjudiz in ähnlichen Gefechten, W a s sia gesucht im Wege Rechts erreicht. I m H a u p t w e r k übrigens
( e i n Punkt w o r a u f vielleicht
Pervonte
Rücksicht
nahm) war
nichts
dadurch
verloren. D e n n kurz und g u t , bevor die schönen H ö r e n D e m Sonnenwagen z w i e r .die Pforten aufgetlian, Langt eine L a d u n g schon v o n feinen H e r r n
und
Damen, Die v o n Neapel her
m i t gutem W i n d e kamen,
I n Vastola's prachtvollem Vorhof an.
Das L e b e n , das n u n m e h r erfolgte, zu beschreiben, D»s w ü r d e m i r u n d euch die Zeit gar schlecht vertreiben. G e n u g , die D a m e n u n d Herrn
ODER
DIE
WÜNSCHE.
ljS
Sind ( w i e uns Vastola sie angcrühmr) der Kern Der schönen Welt in P « r t h e n o p e 1 , Und hatten,
Paar und Paar an
Amors seidneY
itoppel, Sich in geheim hierher bestellt, Im Vollgenufs von allen guten Dingen Bey V»stola den Sommer zuzubringen.
Natörlich hatten sie nicht d a z u sich bestellt. Um ihre edle Zeit sich tliOricht zu betrügen. Das Land war hier nur als Verzierung ddt Und auch nicht Eine dieser Schönen Schien nach der Grabschrift sich 2u sehnen: „ A u c h ich lebt1 in
Arkadia!"
Man will in diesen stillen Gründen Die S t a d t (die man aus langer Weile z w a r Verlassen hat) vollständig wieder finden. Beym Auszug wähnte wohl die ganze hohe Schaar, Die in der Stadt nicht länger zu gedeihen Vermocht', unsäglich auf
die Landlust sich zu freuen.
Die ihnen ganz was neues w i r . i>ie reine frische L u f t , der Duft der Blüthenhain«,
Ipt)
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D e r Wiesen S»Jimelz , der W.i liier ginne Naclit, D e r Nachtigallen Song im stillen Mondeiischeine, K u r z , alles das, wornach G u a r i n i lüstern macht, (Der diese Dinge uns so zauberisch ins Feine Z u mahlen weifs) iin lieblichsten Vereine, Wer glaubte nicht i n j Feenland Zu ziehn ? — Allein das alles fand Sich in der Wirklichkeit ganz anders.
Denn bey
Tage W a r Sonnenglanz der blöden Augen Plage, Auch kränkt der Blumen D u f t die ekeln Nasen sehr; Dafs Morgenthau an zarten Wangen nago Ist
ausgemacht;
der Brust
ist
Abendluft
zu
schwer, Und, dem Triumf der Sonn' im Aufgang zuzusehen, War's Noth, nach durchgewachter Nacht, Sechs Stunden früher aufzustehen Als man vom ersten Schlaf erwacht. Man fliegt demnach bey Tag und Naclit Die Freuden alle durch, auf die man sich gefreuet, Uijd nun,
wie, billig, wird nicht weiter dran gedacht.
Das vor'ge Leben wird an ihrer Statt erneuet.
O M R
DIE
W Ü N S C H E .
197
Hier träte nun der Fall der alten Seelenpein, Der L a n g w e i l ' augenscheinlich ein: Allein dafür weifs V a s t o l a zu sorgen. Den armen Feen w i r d v o m Morgen Z u r Mitternacht, v o n Mitternacht t u m Morgen, Nicht eine Stunde Ruh vergönnt. Die Stadt hat nichts was man Vergnügen nennt» Das nicht bey Vastola sich besser wieder fände; Theater und K o n c e r t , Ballet und Opera, W a s Aug 1 und O h r v o n einem Ende D e r W e l t zum audern je k u r z w e i l i g s liört und sf.li, Mit einem W u n s c h ist alles d a ! Und bis ZUT Sättigung der Gäste Folgt Spiel auf Spiele, Fest auf Feste. Auch hielten sie den ewigen Sinnenschmaus, Der Feenkunst 2u T r u t z , nicht in die Länge aus» Thät' A m o r nicht dabey da» beste.
P e r v o n t , an dem von seinem ersten Stand N o c h manche Überbleibsel kleben, Und w e l c h e r , als er um Verstand Z u bitten sich gemüfsigt fand. Die Feen bat v o m b e s t e n ihm zu geben, Pervonte, der Natur getreu, Fand diese A r t , sich selbst zu überfüllen
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[Jtid in dem bmu'ston E in er ley Von Sinuenrausch den Geist herum zu drillen. So lästig, dafs er sich dem alten S i s y f u s Den Felsen, den er schon so lange wälzen muffe p ur diese ganze Zeit viel lieber abzunehmen Entschlossen hätte, als zum todtlicheu Vcrdruf» Der Rolle, die sein W&ib um einen schalen Rufs Ilm spielen macht, sich länger zu bequemen. Er zieht allmählich sioh mit guter Art zurück. Gewifs man werde sich nicht mächtig nach ihm sehnen, Sain platter Ernst, sein finstrer Blick, Der Zwang den Herr'n und Frau'n nicht ins Ge* sieht zu gähnen, Kurz, alles w a s ihn lächerlich Iu ihren Angen macht und ihrer Lust gefährlich, Macht seine Gegenwart für alle sehr entbehrlich Noch eh' der zwölfte Tag verstrich: Zumahi nachdem,
getäuscht votl seinem Äußerlichen,
Zwey Damen oder drey (sich schwesterlich in ihn Zu theilcn in geheim v e r g l i c h e n ) Den Gimpel in ihr Garn zu ziehn Vergebens Mühe sich gegeben; Ein Unfall, der in ihrem Leben
OD t H
DIE
WÜNSCHE.
Zum ersten Mahl sie tTaf, und den ein hübscher Mann Durch schnelle Flucht allein vergüten kann. Selbst seine Vastola scheint ihn mit höflich kalten Formalitäten mehr zu scheuchen als zu halten; Im Grunde hielt sie ihn aus bloiser Weibeilist, Denn leider!
können w i r euch länger nicht verhalten,
Dafs es ganz richtig nicht mit ihrem Herzen ist. Dafs Sympathie sie mit Fervonten nicht verbunden, Habt ihr schon ohne uns vermuthlioh ausgefunden; Dafö sie dem wundervollen Mann, In welchen durch der Feen Gunst Pervonte Verwandelt w a r d , sich nicht versagen konnte, Begreift s i c h ; doch dafs dann und wann Der gute Hausverstand, w o m i t besagte Feen Auf sein Begehren ihn versehen, Ihr lästig f i e l , ist auch nicht zweifelhaft. Z w a r Hebt' er sie mit einer Leidenschaft, Die ziemlich nah an Schwäche grenzte; Und gleichwohl hiefs er i h r nicht selten grillenhaft ;
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Auch w a r es nicht der W i t z , w o d u r c h Pervonto glänzte. Was Wundov d e n n , w e n n ihre N e i g u n g sich In Jahr und T a g ein w e n i g abgemattet Befand, und ein A d o n in ihre Gunst sich schlich. D e m i h r Gemahl an jedem Vorzug w i c h , W o r i n »ich W i t z und feiner Weltsinn gattet; Ein junger M a n n , der die Verfiihrungskunst Seit manchem F r ü h l i n g schon zu seinem einzigen Fache Gemacht, die Liebe nicht als eine Herzenssache, Sie blofs als Spiel der Fantasie, Als Sache des Geschmacks und einverstandner Sinne Behandelt, und — zwar immer spät und f r ü h Darauf bedacht wie er ihr Herz g e w i n n e — Stets ohne Anspruch scheint, sich nie Z u r Unzeit a u f d r i n g t ;
nie im Styl der
hohen
Minne Von
seiner L i e b e
spricht,
kurz,
sie
w i e eino
Spinne So fein u m w o b t und an sich zieht, Dafs s i e , indem sie n u r zu scherzen Vermeint, sich unvermerkt mit überraschtem Herzen in — soinem Arm gefangen sieht.
9 DER
SIE
201
WUSSfJIE.
W a r ' s ihre Schuld, dafs unter den A d o n c n , Die ifar Neapel zugesandt, Z u m Unglück sich ein solcher Mann befand? Und dafs sie schon apllt T a g ' in Freyheit auf dem Land Stets unter einem Dache w o h n e n ? Dafs täglich sich ein neuer Z u g entdeckt DeT die Befreundung ihrer Seelen Bestätigt,
jeden
Tag
ein Rcitz,
der noch ver»
steckt Geblieben w a r , sich zeigt, dafs niemand im Erzählen I h n ü b e r t r i f f t , dafs niemand feiner lacht Als S i g n o r K l a u d i o ,
noch schöner tanzt und singet.
Gewandter r e i t e t , höher springet, Die
Cither
besser
spielt - und
schneller
Versa
macht? W o lebte w o h l vom A r n o bis zur B r e n t e D i e Vastola, die solchem Übermafs Gefälliger und rcitiender Talent» Acht Tage widerstehen k ö n n t e ? Die u n s r i g e , die selbst nicht wtfnige besafs, Fand desto leichter durch die seinen sich gowouncn.
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Von allem diesem w u r d e z w a r Vor lauter Ehrlichkeit Pervome nichts gewahr, Doch aind die Vastolen zuweilen unbesonnen; Und wirklich ist es hohe Zeit Dafs eine Reis' in dringenden Geschäften Von seinen Augen sie befveyt, S e i t d e m , so oft sie sich lang' auf die ihren heften! Sic Zeugen ihrer Schuld darin zu sehn sich scheut.
Pervont i s t n u n entfernt, und hat den Scherzen, Freuden Und' Liebesgöttern Platz gemacht, In voller Freyheit sich zu letzen und zu weiden. Auf jeden schönen T a g folgt eine schöne Nacht, Vergnügen wechselt mit Vergnügen, Genufs w i r d von Genufs geprefst, Und A m o r , der hier niemand seufzen läfst, Belustigt sich m i t leichten Siegen. E r r u f t a u c h unsern Mann zu Vastola zurück. Allein i h r kalter Grufs schlägt gleich beym ersten Blick I h m alle Lebensgeister nieder. E r sieht in i h m den U r l a u b , schnurstracks wieder Z u g e h e n , sieht, indem er um sich schaut,
O D E R
D I E
W U N S C H E .
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Sein Miftgeschicl; an jeder Stirn geschrieben, Und das Gefühl, das ihn von Hause weggetrieben, T r e i b t ihn beynah aus seiner Haut.
Man hatte seiner sich so bald noch nicht Verseheu. Sein Anblick stört der Gä9to frohen M u t h ; Indefs, da er zum Schatz der guten Feen Den Schlüssel h a t ,
so ist er doch zu e t w a s gut.
E s gänzlich mit ihm zu vorderben W a r ' unklug.
Vastola läfst also sich herab,
Beym eisten Anlafs, der sich gab, D u r c h einen siifsen Kufs um seine Gunst zu werben ; Durch einen Kufs, den für die halbe W e l t , Gab' ihn das H e r z , er nicht zu theuer hält.
„ M e i n Schatz, spricht sie zu i h m , ich bin, w i e du, der F e ^ e Von Herzen satt; der Landlu9t nur allein W e r d ' i c h , w i e d u , nie überdrüssig seyn. E s ladet einer unsrer Gäste Uns nach Sorrent zum Traubenlesen e i n : Meinst du nicht auch, es war' an uns nicht fein
£04
F
E F. V O B
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Ihm diese Freude zu versagen? Ich mache dann in den Novembertagen Von da w o h l einen kleinen Flug Nach Rom, vielleicht auch nach Venedig Aufs Karneval. — Nur ist nicht Gold genug In meinem Meinen Schatz zn "einem solchen Zug. Noch einen W u n s c h , mein Kind, so bist du meiner l e d i g ! Hin mäfsig Beutelchen, das von Zechiuen schwillt Und. wenn es leer ist stets von selbst sich wieder füllt. Mir w ü r d ' ein grofser Dienst durch diesen Wunsch geschehen, Ylir, der nichts ärgern Überdruß Als r e c h n e n macht;
und was vcrscliliig's den Feen ? ' «
Von Herzen gern, versetzt, indem er sie umarmt, Peryont imt nassem B l i c k : ich hoffe, meine Feen ( W i e w o h l w i r s i e , die Wahrheit zu gestehen, Nicht sehr geschont) sind noch nicht so verarait, Mir diesen letzten W u n s c h für dich nicht nachzusehen.
o DEn
Dit.
W u n s c h e .
205
Kaum spricht Pervont ihn a m , so ist er schon erfüllt. Der goldgewirkte Beutel schwillt Von lauter wichtigen Zechinen, Und schrumpft, w i e oft und ernstlich ihnen Auch zugesprochen w i r d
t
doch niemahls wieder ein.
Die Reisezeit bricht nun herein. Pervonte sieht mit ziemlich schiefen Mienen Der Anstalt z u ,
und rührt euch keinen Finger nicht.
Ich sehe w o h l , mein Bester, spricht F r a u Vastola mit halb verbifsnem Lachen, Du
hast nicht grofso Lust
die Reise mit zu
machen ; Ich hätte dicli zwar gern dabey, Allein von P f l i c h t e n
spricht mein Herz dich immer f r e y ;
Ergetze dich nach deiner eignen Weise, Mein Schatz, und bleibe ( r a u n t sie leise Mit Lächeln i h m ins Ohr) und bleibe mir getreu! Adieu, Madam! Glück auf die R e h e ! Erwiedert ihr Pervont, eilt in sein Kämmerlein
2O6
P
Und schiebt
K
H
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T
I
,
den Riegel vor — Ihr denkt vielleicht, den Kragen
Sich abzuschneiden — nber, nein! E r geht — dem Himmel Dunk zu sagen; Und kaum ist Vastola mit sechs gcstoplten Wagen Und ihrem Sack voll I'uengold Im groben Trott zum Thor hinaus gerollt, So wirft sich, olm' ihr nachzusehen, D e r Mann' auf beide Knice hin, Und spricht aus voller B r u s t :
Hort' m i c h ,
ihr
guten l een, An denen ich , trotz meinem bessern Sinn, So oft durch Wünschen mich vergangen, Hört meinen l e t z t e n
Wunsch!
Nehmt alles
wieder hin. Wag icli von eurer Huld empfangen. Und setzt in diesem Augenblick Mich in den Stand, worin ich w a r , zurück, Ali ich zu wünschen angefangen!
Kaum hat er diesen Wunsch gethan, So fängt das Schlofs zu beben a n ; E s blitzt und kracht, und vor ihm stehen D i e nehmlichen drey schönen Feen,
«DER
SIC
WÜNSCHE.
207
Die für sein freundliches Bemftlin D i e W ü n s c h e l g a b e i h m yerliehn. „ D a sollst was du begehrest haben, Spricht ihn der Feen eine an, Es ist die beste unsrer Gaben, Und du verdienet sie zu enipfaliu! N u r den Verstand, den du gehörig zu verwalten Gelernt h a s t ,
sollst d u , uns zu E i n e n , noch behalten 1
Und mit den Feen sieht er Haus Und Hof und Gärten, B u c h e n , Linden, Und Meierey u n d Dorf v e r s c h w i n d e n ; E r sieht in blaches Feld hinaus, Und — die Komödie ist aus. Auf einmahl steht er in der Mitte Der alten mütterlichen Hütte, Sieht wieder fast so p l u m p und kraut W i e an demselben Morgen aus, D a scheltend, einer W u r s t zu Lieb', D i e Mutter nach der Stadt i h n trieb. E r findet sie an ihrem Rocken. V o r W u n d e r w i l l das Blut ihr stocken.
fc.g
P E K V O J N T E UL1L.J4 D I E
Wi»iCH£.
Ilini dauclit, was ihm in Jahres Frist Und drüber widerfahren ist, Ein langer wunderlicher Tramn, Und er besinnt sich dessen Kaum. Ich hatt' es, spricht e r , von den Feen; Ich wünschte m i r , so war's geschehen. Auch wünscht' ich euch, zum Zeitvertreib Von einem launeuvolien Weib, P e n Tag lang, Gott verzeih' m i r ' s ! viel Gar tolles Z e u g ; ein Schattenspiel Von kunterbunten Siebensachen, I h r müfstet krank euch drüber lachcn t Gentig,' ich wünschte mich zuletzt So w i e ich bin zu euch versetzt, Und lioff', es nun nicht schlimm zu machen Ich bring' euch aus dem Feenland Gesunden derben Hausverstand, Notlifeste Schultern, tücht'ge Hände, Und mit dem Wünschen hat's ein Ende.
o o e ft D i e .
,.GutI
W u i u K t .
209
Aber noch ist jemand da.
Von dessen Schicksal w i r was »¡iheres zu wissen Berechtigt sind.
Die arme V a s t o l a
W i r d , da sio sich's am wenigsten versah, Pcivontens
letzten
Wunsch
zu
grausam
müssen! D e n n , daf» sie, seit die guten Feen Die andern Wünsche ungeschehen Gemacht, beym ersten Pferdewechsel W i e sie den Beutel z o g , nur Häcksel Statt funkelnder Dukaten fand, Das giebt schon jedem sein Verstand. Ihr prächt'ges Reisekleid sogar, Ja alles bis aufs Ilemde
war
( S o w i e Pervontens ganze H a b e ) Bekanntlich blofse Feengabe, Und fiel demnach dem armen W e i b Auf einmahl w i e versengt vom L e i b . " W i E l i S B » iänuutl. W. XVIll. ü.
O
büfsen
Ei O
P V . R V O K T E
D o c h , sorget n i c h t , so w e i t soll's niemahls m i t ihr kommen! W i r haben i h r mit gutem Vorbedacht Schon einen Rückenhalt an Klaudio g e m a c h t ; D e r hält" auf allen Fall sich i h r e r angenommen, Allein sie braucht auch diesen Schützer nicht. D e n n kurz ( u m euch nicht a u f z u h a l t e n ) So bald der Feenzauber bricht. So stellt sich alles in den alten Katurstand h e r , und Vastola Ist was sie w a r , bevor der Possen I h r durch Pervontens W u n s c h geschah: Sieht s i c h , v o m vor'gen Glanz umflossen. Umringt von Damen und von Herrn, D i e Zier des Hofes zu S a l e m ; Ist ihres Vaters Liebling wieder, Ist w i e d e r , oder gilt f ü r eine reine Magd, So g u t als eh' i h r klaffend Mieder Verletzter Z u c h t sie angeklagt; D i e Zwillingstochter fliegen wieder Z u r ü c k ins luft'ge F e e n l a n d ; Kurz alles setzet sich in seinen alten Stand N u r hielten es die F e e n , die so w i l l i g E i n volles Jahr des Fräuleins Übermuth G e f r ö h n t , zu ihrer Besserung f ü r gut,
ODER
DIE
WÜNSCHE.
211
Und wenigstens zur Züchtigung für billig, Von jenem Glück,
womit ihr Leichtsinn solch «in Spiel
Getrieben, ihr gerade noch so viel Erinnerung und Nachgefühl zu lassen, Als nöthig w a r , sich selbst dafür zu ^lassen, Dafs sie aus eigner Schuld verlor Was Fürstenstand und Hof ihr nicht ersetzen können. Stets schwebt i h r , mitten in dem ew'gen Ringelrennen Nach wesenloser Lust» das schöne Traumbild vor, Wovon die Farben nie ermatten: In ihrem gröfsten Glanz, beym üppigsten Genufs Der Welt, dem Zwang und Überdrufs In kurzer Zeit den Reitz genommen hatten, Scheint
sie sich
selber
oft ein
abgescliiednex
Schatten, Und ruft mit Wehmutli aus : Du arme Vastola, Auch du w a r s t in
Ark\di%!
DAS
W I N T E R M Ä H R
C H E N.
Nach einer E r z ä h l u n g i m ersten T Ii e i l e vott T a u s e n d und E i n e r i 7 7 ö.
Nacht.
P R O L O G .
M e i n Schwesterchen, sprach D i n a i z a d e, W e n n ihr nicht schlaft, (denn um den Scilla^ wär's Schade!) Erzählt uns doch, weiFs noch so dunkel ist, Der
schönen Mäfrrchen eins,
die ihr uns
guten Seelen, Die alles f r e u t , so lebhaft zu erzählen Und sonderlich so gut zu dehnen •wifst, Des Sultans. Hoheit hat die Gnade Und hört e u c h , zwischen Schlaf und Wachen, gerne z u :
£l6 Denn was sein Herz dabey empfindt W i r d seine Seelenruh Nicht unterbrechen. Schach
R i a r gähnt:
Das will ich euch versprechen!
Und seine junge Frau beginnt.
E
R
S
T
E
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T H E T L .
DER
FISCHER
UND DER
GEIST.
.fc«in guter alter F i s c h e r stand Frühmorgens einst am Meeresstrand; Sein dünnes Haar, bereift mit Duft, Weht in der kalten Morgenluft; Er steht, und blickt mit schwerem Sinn Starr auf die grauen Wellen hin, Und wischt sich seufzend Stirn und Wangen, „Du lieber Gott! die ganze Nacht In Frost tind Nässe durchgewacht, Und keine Gräthe noch gefangen ! Vier arme Kinder und mein Weib Erwarten mein mit hungrigem L e i b : Ach! heim zu kommen mit leeren Händen, Wird mir das Herz im Leib umwenden!
220
DAS
W l S T t E M A H S C H S S ,
Vier Kinder und keinen Bissen B r o t ! Lafs dich's erbarmen, lieber Gott! Nur diesen einz'gen letzten Z u g ! Aucli w e n i g ist mir schon genug."
Er w i r f t sein Netz noch cinmahl aus, Und harret zwischen Angst nnd Hoffen; Versucht's n u n , zieht, und zieht betroffen Mit Müh die frohe Last heraus. „Gottlob! das heifs' ich w o h l beschwert! Ist m i r doch endlich eiu Glück beschert! W i e w i r d mein W e i b mit unsern Kleinen Vor Freude springen und lachcnd weinen, Wenn Vater so reich nach Hause k e h r t ! " So dankt er froh gen Himmel a u f : Doch bald folgt Ach und W e h darauf; Denn w i e er's besieht, der arme Tropf, So ist's — ein kahler E s e l s k o p f Vermengt mit Rippen, Schlamm und Steinen.
Itzt sinkt dem Alien Arm und Muth. Da steht er auf der nassen Klippe, Starrt vor sich hin in stiller W u t h , Dann seufzend nieder aufs Gerippe,
D E R
F I S C H E R
UND
D E R
G E I S T .
Dann himmelwärts mit bitterm Blick, Dann wieder auf sein Netz zurück. Mittrauernd murmeln die Wellen empor, Mittrauernd seufzt der W i n d im Rohr. Wae stehst du da und ringst die Hände? ( S o murmelt's ihm ins dumpfe O h r ) Stürz dich hinein, so hat's ein Ende! Indem so blitzt der erste Strahl Der Sonne, w i e in eine Ilolile Voll Nacht und Grau'n, i n seine Seele. i
Er fühlt den aübelebönden Strahl Ihm fröhlich zücken durch alle Glieder; W i e Nebel sinkt sein Kummer n i e d e r ; Auf einmahl glaubt und hofft er wieder, Dnd wäscht sein Netz zum dritten Mahl. Er harret lange mit wechselndem Muth, Die Augen geheftet auf die F l u t : Und nun versucht er's.
Schwerer als nie
Däuclit ihm das Netz.
Er zieht mit M ü h ;
Erwartung spannt die hagern Wangen; Er zieht's ans L a n d , guckt voll Verlangen, Doch Fische hat er nicht gefangen : Nichts zeigt sich, als von Rost geschwärzt
221
D A S WlNTER
MAHRCHtN,
Ein länglich rundes Gefäf» von Erzt; Er kann es kaum vom Boden beben. „Ein S c h a u , ein Schatz, bey meinem Leben! Ein Schatz ! " — und- aus der schlaffen Hand i a l l t ' s i h m vor Freuden in den Sand. W a r ' auch am Ende nichts darin, ( Denkt e r ) trag* ich's zum Giefser hin, So w i r d mir doch so viel Gewinn Auf* sieben Tage Brot zu kaufen. Er setzt sich hin um zu verschnaufen. Beguckt den Fund > und sieht am Rand Ein gvofscs Siegel aufgedrücket. Diefs hebt er a u f , doch luizerknickct, Und setzt den Deckel in den Sand. Er guckt hinein, er leert es a u s ; W o nichts ist, kommt auch nichts heraus. JDefs wundert ihn gar mächtiglich.; W a s w i r d das werden?-fragt er sich.
Auf einmoIii steigt ein schwarzer Rauch Aus des Gefäfses hohlem Bauch, Verbreitet sich immer weiter umher, L i e g t w i e ein Berg auf Land und Meer Der Tag erlischt, es donnert und stürmt,
DI. R
F I S C H E R
UND
DER
GFIST.
Das Meer sich bis zum Himmel thörnit. Der F i s c h e r , mit kalter Angst erfüllt, Stellt leblos w i e ein steinern Bild, Plötzlich folgt eine Todesstille. Der Nebel überwälzt sich, ballt Zusammen sich, gewinnt Gestalt, Und aus der grauen Wolkenhülle, Die links und rechts herunter wallt. Streckt ungeheure Riesenglieder Ein fürchterlicher G e i s t hernieder. Aus seinem Fufstritt fahren Flammen, Die Ufer zittern unter ihm. Dem Fischer schlagen ungestüm Vor Todesangst die Knie zusammen; Er unterliegt der Gegenwart Des Wesens einer huliern Art.
Da fafst der G e n i u s ihn beym Arm. Stracks wird's ums Herz ihm wieder warn), Und Muth und Leben kehrt zurück. Drauf spricht der Geist mit milderm B l i c k . Du bist mein Retter! — E b l i s ist Mein Nähme.
Sieben tausend Geister
Gehorchten mir als ihrem Meister,
2^4
D a s
W
I N '1' £ K M A H Ä C H £
S,
Bis durch verdammte Hinterlist Mich S a l o m o n — nicht überwand — N e i n , dazu könnt' er mich nicht b r i n g e n ! Den W i l l e n kann kein Gott b e z w i n g e n ! Selbst, als im Sturm mich seine Hand In diefs verfluchte Erz verschlossen, Fühlt' er noch ineinen W i d e r s t a n d ! Doch diesen Deckel aufzustoßen, Den seines Siegels Allmacht schlofs, Vermocht' ich nicht.
Ein Geisterstofs
Kaum eine W e l t zu Staub zersclmieifsen, Dielt Siegel nur kann nichts zeneifsen. Du schwaches Gefäfs von Fleisch und Blut, Du h o b s t e s , oder durch deine Hände Das Schicksal — gleich v i e l ! — Fasse M u t h ! Nun mach' ich d e i n e r Notli ein Ende. Dir ward auch übel mitgespielt; Hast nie- des Lebens Freuden gefühlt; Komm, Alter, ich w i l l dich glücklich machen, Auf, folge nur'. Der F i s c h e r steht Betäubt voii allen den Wundersachcn ; Geht m i t , und weifs kaum dafs er g e h t ; Berg auf, flog ab, durch Sumpf und Rolir,
D E R
F I S C
E R
U N D
D E R
G E I S T .
Durch dick und dünn! über Feld und Moor Trabt er, und traut sich kaum zu schnaufen. Und als sie ziemlich Weit gelaufen, L a n g t müd und Watt der gute Mann An einem See mit E b l i s a n ; An einem See, der, wie ein Spiegel, Längs eines öden Thals sich streckt» Auf jeder Seite von einem Hügel Umgränzt, den Fichtonschatten deckt. Der F i s c h e r stutzt.
Ich sollte doch,
( S o denkt e r ) diese Gegend kennen* Und sah in meinem Leben noch Diefs Wasser nie, noch hört' ich's nennen. W i e geht diefs z u ? Gott steh' mir bey! E s ist doch w o h l nicht Zauberey? Der G e i s t 1*3 alles was er dacht' Als ständ's ihm auf der Stirn gegraben; D o c h sprach er nichts als diefs: Gieb A c h t ! Iiier sollst du was zu fischen haben! Präg 1 Ort und W e g den Sinnen ein ! D o c h merk's: nur E i n m a h l jeden Morgen, Darfst du mit Fischen dich liier versorgen, Sonst würdest du des Todes seyn! WIELAKDS
sämratl. W . XVIII. B .
P
225
226
DAS
WlNTERMÄHRCHÜil.
So sprach mit einer Donnerstimme D e r G e i s te t h 6 11 i g , und verschwand, Und lange noch bebt Meer und Land, Und von den Hügeln hallt die Stimme ( G l e i c h einem Wasser, das mit Grimme Stürzend von Fels zu Fels sich brach) D e m längst verseil wundneu Geiste nach. „ W a r das ein Traum'( W o bin ich ? ruft Der gute Mann, und reibt die Stirne; Gaukelt vielleicht im Morgenduft E i n Truggesicht mir ums Gehirne? Doch dieser S e e , so tijjf und klar. Und wimmelnd voll der schönsten Fische! Wie üppig »ie scherzen 1 — O fürwahr, Die sollen auf unsers Sultans Tische In goldner Schüssel herrlich stehn! N i e «ah ich Fische so grofs und schün! " Mit diesem Wort wirft er voll Freudea Sein Netz hinein; hat seiner Leiden Vergessen ganz, thut einen Zug, Und seht, vier grofse Fische zappeln! Für diefsmahl, denkt e r , sey's genug, Bricht grüne Zweige von den Pappeln
D E R
F I S C H E R
UHD
DER
GEHT.
Am U f e r , deckt den Zuber zu, U n d , reich wie ein E m i r in seinem Sinn, Steu'rt e r , mit Flügeln an jedem Schuh, Z u r hochgethürmten Hauptstadt hin.
W a s ihn am meisten wundert und freut Ist seiner Fische buntes Kleid. Gelb ist der eine, der andre blau, D e r dritte r o t h , und silbergrau D e r vierte; jeder vom Hopf zum Schwans E i n f a r b i g , aber so fein von Glanz, Als ob's das schönste Schnielzwerk war'. W o kommen alle die Wunder h e r ? D a c h , komm' das Glück woher es will, Nimm's an mit D a n k , und niauseatiLl!
D e l gute F i s c h e r , ziemlich matt, Hat nun erreicht die Königsstadt. E r eilt nach Hofe dem S u l t a n z u ; D e r hält im D i v a 11 — Morgenruh; Und als der Divan zu Ende war, Stellt et dem Herrn die Fische dat.
D e r Sultan ( w i e alle grölten G e i s t e r ) Macht wenig draus; doch freut ex sich
aeg
DAS W I H T
E
KM
ÄH
n CH E
Im Herzen drüber kindelich, Und schickt sie stracks zum Küchenmeister; Geruht auch gnädigst zu befehlen, Dem Fischer alsbald auf dem Platz Vier hundert, B a h a m s aufzuzählen. Vier hundert Bahams, welcher Sehatz Für einen armen nackten Fischer! Denkt ob er i n seinem Leben frischer Der Hütte zugetrabt seyn m a g ! „Der Geist hat doch sein Wort gehalten, Das nenn' ich einen guten T a g ! " Lassen w i r nun den guten Alten, Umringt von seinem häuslichen Kor An seinen vier hundert Bahamd'or Sich satt sehn, gegen die Sonne sie halten, Un3 zählen, w i e viel er Bahams hätte, Gäb's alle Morgen so eine Mette Acht Tage nur — W i r müssen sehn. W i e nun die Sachen bey Hofe gehn. Der G r o f s w e s s i r , als erster Rath In Küchensachen wohl beschlagen, Und überzeugt in einem Staat
D E R
F I S C H E R
UND
DER
GEIST.
Sey immer da» grofse Rad — d e r M . a g e r i , Hatte mit eigner hoher Hand Die Fische ( d i e ihm sehr behagen, ( W i e w o h l er sie etwas theuer f a n d ) Dem ersten Mundkoch zugetragen, Und ihm was sieh dabey gebührt Mit allem Ernst zu Gemüth geführt.
Der M u n d k o c h keine Zeit verliert; E r schuppt sie a b , leert ihnen die Bäuche» Wäscht sie in Essif, und rotliem Wein, Reibt sie mit Spezereyen ein, Kurz, wartet aller heil'gen Gebräuche Des Küchendienstes, wohl berühmt. Wie einem Priester des K o m u s ziemt.
Schon war das doppelte Fischepaar Auf einer Seite gebraten und g a r ; Schon steht er, mit der Gabel in Händen, Sie in der Pfanne umzuwenden; D a fährt ihm plötzlich ein kalter Schauer DUTCII Mark und Bein; ein heller Glanz Erfüllt die schwarzen Gewölbe ganz, Und aus der unversehrteil Mauer
230
D a s
W
I s T E R M A H R C H E H.
Springt eine D a m e ,
so schön und «arf,
Als je die schönste von Feenart; So majestätisch von Gestalt, Im Auge solche A l l g e w a l t ! Ein weifsatlafsnes Prachtgewand Tlofs von den Hüften in leichten Falten j M i t einem Gürtel von Diamant Dicht an der Brust zusammen gehalten. Und w i e in goldnen Strömen wallten Lichtgelbe Locken um einen Hals, Den zu umhalsen allenfalls Ein Schach vier Städte gegeben hätte; Um ihren Busen hing eine Kette Von Perlen, w i e grofse Tropfen Thau, Doch gegen den Schnee de» Busens grau, Und um die runden Arme wand Sich ein rubinbesetztes Band.
Der K o c l j , der starr vor Wunder stand, Wünscht sich von Gott zehn tausend Augen, Uni alle die Schönheit einzusaugen.
Die Dame achtet seiner nicht. Sie tritt voll Ern9t zur Pfanne hin,
DER
FISCHER
DIU
SEH
GEIST.
Schlägt dreymahl auf die Fische drin M i t einem M y r t e n r e i s , und spricht: I h r F i s c h c, t l i u t i h r e u r e P f l i c h t ? Die Fische schwiegen und muksten nicht. Zum andern Mahl die Dame spricht: Fische,
thut
ihr eure
Pflicht?
Die Fische schwiegen und muksten nicht. Zum dritten Mahl die Dame spricht: Fische,
thut ihr eure Pflicht?
Da reckten die Fische die Köpf' empor, Und sangen alle in hellem K o r :
D e r Pflicht vergessen W i r Fische n i e ; Haben viel M ü h , Und karg zu essen: Bau'n spät und früh Uns luft'ge Schlösser, Hätten's gern besser Statt immer schlimmer, Und rathen immer TTnd treffen's nie.
231
25®
DAS
WINTERMÄHRCHEN.
Die Fische, da sie diefs gesungen, Senkten die Kopfe und blieben s t u m m : Die Dame stiefs die Pfanne um, Und durch die W a n d , w o sie hervor gesprungen, Verschwand sie w i e d e r u m .
Der M u n d k o c h steht versteinert da, Glaubt kaum sich selber was er sah, Und fasset kaum noch so viel Muth, Die Fische zu retten aus der Gluth; Doch w i e er sie mit der Gabel handelt, Sind sie — o W u n d e r ! — in Kohlen verwandelt. Der arme Mann begann w i e toll Die Küche auf und ab zu laufen! In seiner Verzweiflung bey händenvoll Die Haaro sich aus dem Kopfe zu raufen I „ W a s kann ich sagen, w e r w i r d mir's glauben? Des Sultans Grimm ist L ö w e n g r i m m ; Es ist kein Räsonieren mit i h m ; Er lälst m i r den Hals zusammen schrauben."
Indem erscheint der G r o f s w e s s i r Die Fische zur Tafel abzuhohlen, Und f i n d e t , welche Ungebühr!
D E R
FISCHER
UND
DER
GEIST.
Statt einer leckern Schüssel — Kohlen, Der K o c h ihm weinend zu Fufse fällt. Erzählt die ganze Wundergeschicht So treu — es hätte seinem Bericht Ein Freygeist Glauben zugestellt! Ich lese die Wahrheit in deinem Gesicht, (Spricht der W e s s i r ) doch, um die W e l t Erzählt 1 ich sie dem Sultan n i c h t ; Er hielt's bey Gott! für ein Gedicht. Es können w o h l seltsame Dinge geschehen. Allein — man mufs sie selber sehen, Ich trag 1 ihm etwas anders vor, Das er nur hört mit halbem Ö h r ; Und wenn er die Fische m o r g e n kriegt, Ist er für heute schon vergnügt. Befehligt w i r d der F i s c h e r gleich, ( B e y hoher S t r a f ' ) i m nelimlichen Teich Zum Frühmahl für den nächsten Morgen Vier andre Fische zu besorgen. Dem Mann wird's eng' in seiner Haut: „ W i e wenn ich den Ort nicht wieder fände • Das nähme w o h l gar ein klatrigs Ende! Ein N a r r , der einem. Geiste t r a u t ! "
234
DAS
W I N T r. n M Ä M R E H'B H .
So denkt er, und d o c h , so bald et graut, Nimmt er sein N e t z , trabt auf und nieder, Durch Hecken uner S u l t a n spricht:
W a s ich gesehen,
Scheint über die Möglichkeit zu gehen J Es raubt m i r alle Seelenruh, U n d , bis w i r ' s aus dem G r u n d verstehen, Schliefs' i c h , bey G o t t ! kein Auge zu.
D E R
F I S C H E R
U N D
D E R
G E I S T .
E r läfst sogleich den F i s c h e r k o m m e n : „ E s geht da mit den F i s c h e n , die d u Uns brachtest, nicht ganz richtig z u ; Sag' a n , w o hast sie hergenommen ? " Der Fischer s p r i c h t : aus einem See D o r t hinter jenes Berges H ö h ' , Auf den ich m i t dem Finger weise. „Ich weifs in diesem ganzen Kreise Zehn Meilen w e i t v o n keinem See, Und doch sind's so viel J a h r ' und Tage Dafs ich in dieser Gegend jage. Kennst D u den See vielleicht, Wessir ? " Ich hörte nie in meinem Leben Dafs es hier einen See gegeben. „ S p r i c h , F i s c h e r , liegt er w e i t von h i e r ? " D r e y S t u n d e n , H e r r K ö n i g , höchstens vier, „So führe m i c h d a h i n ! —
Wessir,
Sag'* eilig allen meinen L e u t e n ! D e r ganze Hof soll m i c h begleiten.'* D e r ganze Hof in kurzer F r i s t Gestiefelt und beritten ist. WIXLAHDS sämmtj. W . XVIII. B.
Q
2(2
D A S
W I S T E I I
E i n hehrer Z u g !
M Ä H R C H E N .
Aus allen Strafsen
Lief stromweis alles Volk lierbey Voll Neugier was die Sache s e y ; Sie gafften aus grofsen A u g e n , vergafsen Essens und T r i n k e n s , vergafsen des Schlafs, Riethen und stritten, und niemand traf's.
T o r t geht der Z u g ; der Fischer v o r a n : Und als sie den Berg herab g e k o m m e n , Und i m vier Hügel v o r sich sahn, D i e niemand z u v o r je w a h r g e n o m m e n . Und zwischen den Hügeln den grofsen See, Und in dem See die Menge von blauen, G e l b e n , rothen und silbergrauen F i s c h e n ; da däucht's der ganzen Schaar Sie guckten durch eine Z a u b e r b r i l l e ; Sie schrien aus E i n e m M u n d e : F ü r w a h r , H i e r stehen einem die Sinne stille!
D e r S u l t a n schwört den gröfsten S c h w u r , Bis er dem W u n d e r auf die Spur G e k o m m e n , nicht von dannen zu weichen, Und sollten J u h r e d'rüber verstreichen.
DE«.
F I S C H E R
UND
D E F. G E I S T ,
AJI
Stracks werden für den ganzen Ilof Am Ufer Zelte aufgeschlagen. Zu. allcrseitigem Behagen Stand bald auch eine Iiüche da. Denn der Wessir — der was geschah Weislich vorher im Geiste sali —» Hatte vor allem für den Magen ( S e i n grofses Fac To tum) Sorge getragen. Da komme mir (pflegt' 1 er oft zu sagen) Kein Doktor mit seinen Sprüchen daher, Und spreche was andres!
Bey leerem
Sind alle Übel doppelt
Magen
schwer.
Als nun der Hof z w e y Stunden vor Ta£ In W e i n und Schlaf begraben lag, Berief der S u l t a n den G r o f s w e s s i r . Und sprach zu i h m :
Vor allen
Nichts remonstriert,
Dingen
HerrGrofswessir!
Mein Schlufs steht feste, die W u n d e r , die m i r Den Kopf verwüsten, ins Klare zu bringen, Es mag nun wohl oder übel g e l i n g e n : Ich geh' allein, und du bleibst hier. Komm' ich nicht wieder in sieben Tagen, S o geht gelassen zur Stadt zurück. Den L e u t e n , die etwa nach m i r fragen,
2.J4
D A S
W
I IN T . K » U A I I
N I, U £ S .
Ist leicht was sclieinbars vorzusagen; Bald hat»' er Halsweh, bald Kolik, Bald Podagra , bald Krampf im ¡Wagen. Regiert im übrigen mit Gliick! Verschiebt so viei ihr könnt auf m o r g e Sorgt immer für den A u g e n b l i c k , Und Gott lafst für die Z u k u n f t sorgen Nach diesem weisen Abschiedswort Macht er sich auf die Fiifse, betet \ Sein Morgengebet, und wandert fort, Bis sich der graue Himmel röthet; Wandert mit unerschrocknem Sinn Am uden einsamen Ufer hin. Traurig und still, wie eine Gruft, Liegt Hügel, Thal und Hain umher; Alles, sogar die freye Luft, W i e vor der Schöpfung, wüst und leer! So geht er wohl zwey Stunden lang; Schier wird ihm vor dem Ausgang bang Als bey dem ersten Morgenstrahl, Der hin am östlichen Himmel flimmert, Ein Schlofs von hellpoliertem Stahl Ihm fernher in die Augen schimmert.
Z W E Y T E R
T
H
E I L .
84?
DER
KÖNIG
DER
SCHWÄRZEN
INSELN.
O e r S u l t a n , (fuhr
Scheherezade
In ihrer Wundergeschichte f o r t ) Wie ihm an einem so öden Ort Vom schönsten Palast die hohe Fassade A.uf einmahl in die Augen stach. Voll Freuden zu sich selber sprach: Nun werden w i r bald will's Gott! verstehen Was uns seit gestern den Kopf zerbrach; Den See, den niemand zuror gesehen. Die Fische gelb, roth, blau und grau, Den Mohren und die schöne Frau, Die aus der Wand hervor gesprungen, Die armen Fischo angebohrt,
»48
Das
W i n t e r m
ährchen.
Und w a s die Fische halb geschmohrt, Pflichtschuldigst in der Pfanne gesungen : Unfehlbar liegt von allem dem In diesem Schlosse das Q u a m o b r e m .
V o n solcher Hoffnung angeschüret, Verdoppelt er die Schrine mit Hast. Allein je näher dem Zauberpalast, J e stärker Seine Hoheit spüret Dafs etwas ihn bey der Kehle f a f s t ; Z u m a h l da aufsen und innen, i m I l o f e Und i n den Hallen, um und um, Alles so öd 1 i s t , alles so stumm, Und nirgends weder Schranz noch Z o f e N o c h Katze noch Hund sich sehen läfst, K e i n Mäuschen schleicht, kein Käfer summt, Kein Sperling z i r p t , keine H u m m e l hummt. Alles gestorben ! sogar im Dache Auch nicht ein armes Käuzchennest!
D e m S u l t a n je länger je mehr die Sache Bedenklich w i r d .
D o c h geht er z u ;
Sieht Königspracht an allen Enden, V i e l Gold verschmiert an Decken nnd Wänden, K u r z , alles köstlich und 7.11m Verblenden,
D.
KÖNIG
D. S C H W A R Z E N
I S S E I S ,
Nur überall, die tiefste Ruh. Er schleicht sich horchend hin und wieder, Steigt Treppen a u f , steigt Treppen nieder, Ruft endlich l a u t , w o h l siebenmahl; Umsonst! ihm schallt aus Gang und Sahl Stets seine eigne Stimme wieder. W i e er nun endlich herunter steigt, Ein Garten sich seinen Augen zeigt; Der schönste Garten, den je die Feen Gepflanzt, und Augen je gesehen; Die Wege mit kleinen Perlen bestreut, Die Luft ein Meer von Balsamwellen, Und Blumen von jeder Monatszeit, Und Myrtenwäldclien und Silberquellen, Und grauenvolle Dunkelheit Mahl'risch versetzt mit lichten Stellen; Bäume mit Blüthen und Frucht beladen, Teiche zum Fischen, Grotten zum Baden, Lauben zum Schlummern — mit Einem W o n Ein Gott erkieste sich solchen Ort Zum Aufenthalt.
Nur Eines fehlet:
Diefs Paradies ist unbeseelet. Überall Ffllle und Überflute, Nur nichts lebendiges zum Genufs.
S5O
DAS
W I N T E K M Ä H R C H M H .
Kein Fischchen regt den stillen Teich, Der Hain ist einem Grabmnjil gleich, Kein Vogel singt aus Zweig noch Luft, Kein Sehmetterling saugt Lilienduft, Kein Laubfrosch zwischen den Blumen hüpft, Kein1 Eideclis durch die Hecken schlüpft; Was lebt, was Leben lügt sogar, Verbannt aus diesem Garten war. In dumpfem Sinnen ganz verloren I m unser S u l t a n hin und her; So ( denkt er ) hat mich noch nichts geschoren! Und dennoch glaub' ich je länger je mehr, D a f s m i r die G e i s t e r h i e r E s e l
bohren;
Dafs alle dieser Schein nur trügt, Uqd etwas unter der Decke liegt. Indem er dieses Lied sich singt Ein Ton ihm in die Ohren dringt. Dem Ächzen eines IVIenschen gleich Dor langsam unter Todesqualen Sein Leben veTliaucht.
Der S u l t a n gleich
Dem Tone nach! — Aus einem ovalen Mit Quadern ausgemauerten Teich, Den ringsum hohe Linden krönen, Ragt fem ein Dom von schwarzem Stein Hervor; dort schien es her zu tönen.
1"). K Ö N I G D. SCHWARZEN
INSELn.
ET eilt zum Teicha; das bange Stöhnen Ächzt immer lauter durch deu Hain. Der S u l t a n leidet gTofse Pein Vor Eifer zu sehen und zu retten, Erblickt an einer goldnen Ketten Am Ufer einen kleinen Kahn, Setzt ü b e r , steigt die Stufen hinan, L'nd durch die halb geöffnete Pforte Stürzt er sich in den C o m hinein. Da steht er — Aber, wo nehm 1 ich Worte Ffir sein Erstaunen? — Beym blassen Schein, Der dieses weiten Grabes Nacht Sichtbar und schauerlicher macht, Sieht er auf einem reichen Thron Den Schatten von einem Königssohn, Auf seiner Stirne die Krone blitzend, In einen Scharlachmantel gehiillt, Die Augen mit starren Thiänen erfallt, In regungsloser Stellung sitzend; So todtenfarb, so abgezehrt, Als hätt' er 6ich seit vielen Jahren Von Gram und Thränen blofs genährt. Begierig von diesem Wunderbaven Geheimnifs die Deutung zu erfahren»
252.
D a s
W r S T F R M A M C I l i S ,
Mitleiden und Ilülf' im Angesicht, N a h t sich der S u l t a n i h m und s p r i c h t : Vergieb m i r , wer clu auch b i s t ! dein Klagen D r a n g mir zu Ohr.
Vertraue m i r
D i e Ursach' deiner Noch!
und hier
Sieh mich das Aufserste zu wagen F ü r dich bereit! „ W e l c h ein Gesiclu? (Ruft j e n e r , w i e vom Blitz getroffen) W e l c h eine S t i m m e , die m i r zu hoffen Befehlen d a r f ? O täusche m i c h n i c h t ! Bist du ein G o t t ? " D e r S u l t a n , /betroffen Von dieser Frage, fährt zurück, Betrachtet den Jüngling mit starrem Blick, Und s p r i c h t , indem er die breite Stinie Sich r e i b t : bin z w a r ein Sterblicher n u r , U n d auch ein Sklave vom Gestirne W i e d u , doch alles was V i s a p u r V e r m a g , so w e i t es r e i c h t , erbiet 1 ich Z u deinem D i e n s t e ! „ D u bist sehr gütig, ( E r w i e d e r t seufzend m i t schwachem T o n Der lebende Schatten auf dem Tliron )
X). K u l i I C
D. S C H W A R Z E ! «
G e h o l f e n kann m i r n i m m e r
IllULi,
2¿5
werden!
Mein E l e n d ist so w u n d e r l i c h , S o e i n z i g in seiner Art auf E r d e n , D a f s i h m , i c h g l a u b ' es f e s t i g h c l i , N o c h nie ein ander E l e n d
glich!
U n g l ü c k l i c h d u r c h alles w a s i c h f ü h l e , Unglücklicher noch durch d a s , w a s ich Nicht
fühle!" D e r S u l t a n denkt bey s i c h :
D e m müssen wahrlich die Wörterspiele Geläufig seyn,
der ü b e l sich f ü h l t
Und noch mit Gegensätzen s p i e l t ! A l l e i n , da j e n e r v o n B r u s t u n d R ü c k e n D e n Mantel h e b t , — G o t t !
w e l c h ein B i l d
E n t b l ö f s t s i c h seinen s t a r r e n d e n B l i c k e n ! — W e l c h k l ä g l i c h Ecce • Homo - B i l d ! — S e i n L e i b , bis an die H ü f t e n enthüllt, I s t , w i e v o n tausend S c h l a n g e n b i s s e n V o n Geifseln jämmerlich zerrissen, V o n Striemen g e s c h w o l l e n , und ganz in B l u t ! E i n A n b l i c k , eines T e u f e l s
Wuth
In Thränen zu schmelzen! — D e r Sultan
bedeckt
S i c h s c h a u e r n d d i e A u g e n m i t b e i d e n Händen.
2
D
A
S
W I S I I K M A H K C E E I I ,
Gott! ( r u f t e r ) und solch ein Anblick weckt Nicht deinen Donner? Der Jüngling spricht: „Noch siehest du das Ärgste n i c h t ! " Hebt nun auch von den bedeckten Lenden Den Mantel auf.
„Da schaue her !
So hat die L i e b e mich mifshandclt! " Der S u l t a n , mit Augen von Thränen schwel. Schaut h i n ! — „ W a s seh' i c h ?
In S t e i n ver-
wandelt ! Verwandelt in schwarzen Maunorstein ! N e i n , das mufs wahrlich ein Blendwerk s e y n ! " Und er betastet's. — „Gott! deine Gerichte! Ist's m ö g l i c h ? — Was für nmie Wichta W i r Menschen sind! — Denn , könnte das m i i Nicht eben so w o h l begegnen als d i r ? Doch g u t ! wenn w i r das ärgste wissen, Folgt doch nichts ärgers ! Fasse M a t h ! Dafs Geister hier i m Spiel seyn müssen Ist k l a r , auch ohne was nähers zu w i s s e n : Doch meinen letzten Tropfen Blut W e i h ' ich h i e r m i t , dein Elend zu w e n d e n ; W o n i c h t , mein Leben mit dir zu enden."
D. K u a i c
D.
I C H F F . U U S
IKSELN.
M i t Thriinen und hoch gefalteten Händen Dankt ihm der Jüngling seine H u l d ! „Du siehst, es ist nicht meine Schuld) (Spricht e r ) dals deine Knie zu umfassen Gezwungen bin zu unterlassen!" Traulich Gespräch nunmehr begann. Der S u l t a n erzählt dem jungen Mann Was mit den F i s c h e n
vorgegangen;
Und w i e ein unbezwinglich Variangen Ihn hergeführt an diesen Ort, Um über diefs Wunder Licht zu empfangen, Vermuthlich w i r d es ( f u h r er f o r t ) Mit eurer Geschichte zusammen hangen. Doch ist's itzt mehr als Neubegier, Es ist zu euerm Nutzen und Frommen, W a s mich zu fragen z w i n g t , w i e ihr In diesen kläglichen Stand gekommen? Der J ü n g l i n g , nachdem er ihn ersucht Sich auf den Sofa niederzulassen, Beginnt tief seufzend folgender MaTsen: „ W a s uns von jeher zum Bösen versucht, Von jeher unsre Ruh vergiftet, Und alles Übel angestiftet Wozu ein Gott die Erde verflucht;
05I>
D A S
W
I N R E Ä JVI A H R
c
H E
s.
Der holde Unhold, die Schlange djr Schlangen» In deren Zauberknoten wir Uns ewig wider Willen fangen; Der ewige Abgott unsrer Begier, Der ewige Teufel der uns peinigt, Mit Einem W o r t e , das Himmel und Hülle In vier unselige Tone vereinigt, E i n W e i b — ist meines Jammers Quelle. „Mein Nahm' ist U z i m - O s c h a n t e y ; Und eh' ich noch das Licht gesehen, Begabten mich drey gute Feen Mit Z ä r t l i c h k e i t ,
G e d u l d und T r e u ' .
W e r liätt' in diesem Geschenk der Feen Verborgnes Gift voraus gesehen? W e r dachte, mein Schicksal würde sejn, V o m Morgen bis zum Sternenschein D e m Himmel Klagen vorzuwinseln? „ I c h war der König der schwarzen Inseln, Und dieser See, um den sie sich itz, Verwandelt in vier Hii^el, winden, War einst mein königlicher Sitz. „ K a u m nahm ich von meinem Thron Besitz. So eilt 1 ich ( l e i d e r ! für meine Sünden I )
D.
K ü m o
D.
S C H W A A Z E N
INSELN.
257
Das schönste W e i b mir zu verbinden ; Ein W e i b , (so dacht' ich im Rausch der L u s t ) W o r i n die L i e b e sich selbst gebildet!
„ W i e glücklich ich w a r ! w i e übergüldet M i r alles schien! — An ihrer Brust L a g ich im H i m m e l , in ihren Küssen Schwamm meine Srele in Wonneflüssen; So hatte sich die Zaubrerin Bemächtigt von allem was ich bin! Ich lebte nur von ihren Blicken. Fünf Jähre flössen so dahin, Fünf einzelne Tage in meinem Sinn, G e w e b t aus e w i g e m Entzücken.
„ W e m fällt des Himmels Einsturz e i n ? Ich liebte, glaubte geliebt zu seyn, Und meinte, >0 rnüfst' es e w i g währenl O Götter! warum mufstet ihr M i c h jemalils eines bessern belehren? W a r u m mifsgönntet ihr Glücklichen mir M i t einem Irrthum mich zu nähren? W I E N A N D S sämmtl. W . X V I I I . B .
R
256
D A »
„ Mein
W I N T E H M A M K C H C N .
Schicksal
wollt's!
-wer
Kann
wehren i Einst da ich — es war ein warmer T a g , Der lieifseste T a g in meinem Leben ! Leicht träumendem Schlummer hingegeben, Im Garten auf einem Sofa l a g ; Z w e y Mägde der Königin , die eben Vorüber schleuderten , hatten'« gesehn, Und sachte sich herzu begeben, Mir L u f t mit Blumen zuzuwehn; Sie setzten dazu sich auf die Knie, Und glaubten ich schliefe. — D a holt' ich sie Mit leiser Stimme zusammen flüstern: „ W i e reitzend unser Sultan i s t ! Wie schön er liegt! Bald würd' eins lüstern! Wer Königin w a r ' ! " — Ich sehe du bist Nicht wohl berichtet, sagte die zweyte, Fürsten sind nicht wie andre Leute. Wer dächte, so jung und wohlgemacht Oer K ö n i g i s t , dafg Nacht für Nacht E i n andrer sich mit ihr erfreute? „ W a s sagst d u ? wie ginge das wohl z u ? " Sie reicht i h m , so oft sie sich zur Ruh Begeben, in einer goldnen Tassa
ihm
D.
KÖNIO
D.
SCHWÄRZEST
INSELN,
Frisch Wasser (glaubt er) rein und hell. I c h weifs nicht aus welchem Wuuderquell, Auf den sich'« herrlich schlafen lasse. Nur gar zu h e i r l i c h ! Der gute Manu Denkt wenig in seiner Unschuld dran, E s sey ein T r a n k , der während der Nacht Sie sicher bey ihrem B u h l e n
macht.
„ W i e mir hierbey zu Mutlie gewesen, Ist — w.-.s ich nicht beschreiben mag Noch kann; denn Himmel und Erde lag M i r auf dem Herzen: mein ganzes Wesen Schien sich im Innersten aufzulösen. Und gleichwohl hau' ich noch die Kraft, D e n Todeskampf der Leidenschaft Vor fremden Zeugen zu v t r h e h l e n ; Ich that als schlief' ich ungestört, Und liefs, e r w a c h t , di« guten Stelen I m W a h n , ich hätte nichts gehört.
„ Kaum sah ich wieder mich allein, So drang ich in den dicksten H a i n ; D i e ganze Natur stand schwaTZ vor mir, Mir brachen die Knie im Gehen schier;
&6o
D A S W I i* r E RM Ä H K C H E N,
Ich sank an einen Felsenbacli Und sann in dumpfer Betäubung nach. Es ist u n m ö g l i c h , lief ich endlich: E s kann nicht eeyn! 's ist gar zu schändlich! Z u u n g e h e u e r ! — Und dennoch — G u t ! D i e Nacht wird sich erleben lassen! Ich werde sehen was sie thut. Und bis dahin w i l l ich mich fassen,
,, Sie k a m , mir allzu träge, die Nacht, W i r speisten allein.
W i e voller Reitze
Sie w a r ! Mit welchem verschlingenden Geitz« Ich an i h r h i n g ! die ganze Macht D e r Liebe in ihren Augen empfand! M i t jedem Blick sie unschuldiger f a n d ! W i e unter i h r e m süfsen Geschwätze Aller Verdacht so ganz v e r s c h w a n d ! So ganz, dafs w i e sie zu guter Letzo D e n goldnen Becher m i r b o t , ich fast D e n Schlafs vergafs, den ich gefafst. Besann m i c h d o c h , erhaschte m i t Glück Am Fenster stehend den Augenblick, D e s T r a n k s , den ich zum Schein genommeii, Unbemerkt w i e d e r los zu k o m m e n :
D.
KÖNIG
D.
SCHWARZEN
I s s t t n .
261
Gab ruliig i h r dann den Becher zurück, Und w i r verfügten uns zu Bette. „ Kaum glaubte die Betrügerin, Dafs mich der Schlaf gefesselt hätte, So stand sie auf.
D e r Vollmond schien
DUTCIIS goldne Gitter tief ins Z i m m e r . Sie bückte lauschend sich über niioh hin, Und s c h l a f ,
sprach s i e ,
und
möchtest
du
nimmer E r s t e l l e n ! warf mit eilender Hand Um ihre Schultern ein leichtes Gewand, Und schlich davon. „Kaum war sie entwichen, Ich auf, als trieb mich ein Wespenschwarm, Fahr' in den Kaftan, untern Arm Den S ä b e l , und komm' ihr nachgeschlichen. Sie flog im GaTten schon weit voran, Der Liebe Schwingen an ihren S o h l e n : I c h Armer schlich auf glühenden
Kohlen,
Schmiegte mich an den Hecken hinan, Wagt's nuT mit Blicken sie einzuhohlen. Sie taucht' oft unter, kam wieder hervor, B i s ich sie ganz aus den Augen verlor.
262
D A S
W I K T E R M Ä H R C H E N .
Ich suchte sie lange durch Laiiben und Sähle, In Büschen und G r ö l t e n , am Wasserfall, Inj Rosenwäldchcn lind überall, Da hört' ich — noch klingt's in meiner Seele — im Dunkeln eine Nachtigall. Sie klagte, mit so geschmeidiger Kehle, Mit so gefühlvoll wachsendem S c h i l l , Dann mit 60 6anft hinsterbendem Fall, So rühren^! — mir ward dabey gaim bajige! Ich hätte weinen mögen , allein Ich Jkonnte n i c h t , so hing w i e Stein Das Heiz i m Busen mir. — Nicht lange, So klang aus dem Gebüsch hervor Der Königin Stimme mir ins Ohr.
,, Behutsam schleich' ich bis zur Nähe Von fünfzehn Schritten h i n z u , und sehe. Und sehe — Herr Sultan, rathet — w a s ? An einem Rosenbusch im Gras Die Schnöde, die dem liäfslichsten Mohren, Den je der G a m b i a
geboren,
Vertraulich kosend im Schoofse safs ;
.
Sah wie sie sich selbst bey ihm yergafs; Sah ihn mit ihren Locken spielen,
D. KÖNIG
D. S C H W A R Z E N
I N S E I , W.
SFE
In ihres Busens Fülle wühlen — Sah nichts mehr ! mir verging das Gesicht, Der Mond verschwand mit seinem L i c h t ; Doch hört' ich durch die unendliche Nacht '¿a meiner Qual die siifscn Töne Der allbezaubernden Sirene. „ Er hatt' i h r , schien's, den V o r w u r f gemacht, Sie lieb' ihn nicht — das Ungeheuer! Und kannst du (sprach s i e , mit einem T o n ! M i r selbst zerschmolzen die Nieren d a v o n ) Ein Herz, das sich in e w i g e m Feuer Für dich verzehrt — ein Herz, das nur Für d i c h lebt, in der ganzen Natur Nichts sieht als dich, von dir getrennt Nicht eine einzige Freude kennt — Nur dann mit Wonne sich überfüllt, Wenn's wieder an deinem Busen schwillt — D u , dem's allmächtig in jeder Fiber Erklingen mufs, dafs du m i r lieber Als alles bist! — kannst du mit Klagen Und Zweifeln so ein Herz zernagen? T y r a n n , was thu' ich nicht für d i c h ? W a s kann ich m e h r t h u n ? Rede, spricht Schau um zur Rechten und zur Linken,
£04
D A S
W
I S T E R
N Ä H D C H E N .
Dein W i l l e ist Gesetz für m i c h ! Soll plötzlich unter Donner und Blitz Hier dieser alte Konigssitz V o r deinen Augen in Triiinmer sinken? Soll ich den Mond herunter winken, Verwandeln der ganzen Erde Gesralt, D i c h , m i c h , mit aller Könige Schätzen, Stracks auf des Atlas Spitzen versetzen? Befiehl! du kennest meine G e w a l t !
» H i e r könnt' ich mich nicht länger halten; ' Ich muhte bersten auf dein PI.uz Oder dem Unhold den Kopf zerspalten. Der diesen ganzen unendlichen Schatz Von L i e b e , ihr I l e r z , mir weggestohlen. Ihr ScIiTecken ( w e r hätte mich h i e r g e g l a u b t ? ) L i e f i m i r den Augenblick,
auszuhöhlen;
Und plötzlich mit gespaltetem Haupt Sank der Verräther zu ihren Fiifseu. Flii h , rief icli mit wildem Ungestüm, Rette dich eilends vojr meinem Grimm, Lais diesen allein für beide büfsen!
„ S i e schofs nur einen Blick auf m i c h ; Doch der entnervte mir alle Gliedei.
D.
KÖNIG
D.
SCHWAIIZEN
INSELN.
Dann warf sie in Verzweiflung sich Bev ihrem sterbenden Buhlen nieder, Bald brüllte sie laut, dafs ihr Geschrey Ringsum die Ilügel und Tlniler füllte; Bald wiedeT mit aller Schwärmerey Der Liebe sank sie auf i h n , verhüllte In ihrem Busen sein Todesgesicht, Drückt's an ihr Herz mit ängstlichem Stöhneiii Wusch es mit Strömen von heifsen Titianen,, Rief ihm — (vergebens ! er hörte sie nicht) — Mit allen den süfsen vertraulichen Nahmen Die je aus den Lippen der Liebe kamen; Und wenn sie dann sah, er hörte sie nicht, Stürmte sie wüthend in ihre Locken, Zerkratzte, zerfleischte sich Wangen und Brust, Und s c h w o r , dafs sich der Mond erschrocken In Wolken verbarg, der Rache L u s t Am Räuber von einem so theuern Leben Sich bis au Sättigung zu geben!
, Diefs alles mitist' ich hören und sehn, Und konnte nicht von der Stelle g e h n ; Bezaubert stand i c h , ohne Vermögen Am ganzen Leib ein Glied zu regen. Schafft ihn hinweg aus meinem Gesicht,
266
DA»
W l S T E i M
V H R C H E N.
(Schrie »ie mit W u t h z?i unsichtbaren Geistern, die i l n e Diener w a r e n ) Und hütet sein bis zum Gericht! „ Stracks fühlt* ich von ungesehenen Händen Mich aufgehoben und weggebracht. In eines finstern Kölkers Wänden Verseufzt' ich den Piest der schrecklichsten Nacht. Könnt' einer durch Wünsche sein Leben enden, Ich hätte mich selber umgebracht i ,, Des folgenden Tages rief sie mich Aus meinem Kerker.
Ich 3ah,sio mit Schauer
Von Fnfs zu Kopf in tiefster Trauer. Ihr Anblick gab m i r einen Stich Ins Herz.
Ich mufste, sollte sie hassen,
Und d o c h ! — so rührend, so. mächtig schön Stand sie vor m i r , ich konnte nicht lassen Sie m i t Entzücken anzusehn. Allein in ihren Augen rollte Der Rache W u t h , ein loderndes Roth Brannt' auf den Wangen. — D u (rief sie) todt? Für meine Liebe auf e w i g todt, Und hier, hier w o ich schmachte, sollte. Noch etwa« leben, noch einer sich freu'n ?
D.
K Ö K I G
D. S C H W A R Z E N
INSEI.H.
Sich freu'n, Geliebter, an deinem Grabe, Und meines Elends spotten ? — Nein, Ringsum soll alles elend seyn ! Und d u , dem ich'a zu danken habe, Verhafster, dich vertilg' ich nicht! In Martern sollst du als eine Gabe Den T o d von mir erwinseln, und nicht Empfangen! — „ Indem sie dieses spricht, Schlägt sie mit ihrem Zauberstabe Dreymahl den B o d e n , — und plötzliche Nacht Verschlingt den T a g , die Erde kracht, E s rollen Donne* in den Lüften, Und Flammen fahren aus gähnenden Klüften! Ich steh' betäubt, des Zaubers Macht Slürzt auf mich ein, mir starren die Glieder, Und bey der Sinne Wiederkehr Find' i c h , o Schrecken! nur h a l b mich wieder Find' alles verödet weit umher, Und meine Königsstadt nicht mehr, Um deren Gunst die Inseln im Meer Und Schiffe von fernen Ufern w a r b e n ; An ihrer Stätte ein wallender See, Und ihre Bewohner, wie Flocken Schnee
268
DAS W l K T E R M Ä B l l f « E S .
Unzählbar, in Fische von vielerley Farben Verwandelt; die M o s l e m s silbergrau, D i e J u d e n gelb, die Christen blau, Und roili die H e i d e n . — Welch ein Fall? Von welchem Glück! in so wenig Stunden Alles als wie ein Traum verschwunden !
„ U n d doch war diefs von meiner Noth Das bitterste nicht! Was ärgers als T o d Erwartete mein in diesem Grabe,
Wo i c h , von aller Hülfe blofs, In Leiden lum Ertragen zu grofs So lange schon geschmachtet habe; So lange, dafs die Tage zu zählen Mir Zahlen und GedächtniTs fehlen ! An jedem Morgen — kann solche Wnth In einem so holden Busen brennen? — Kommt s i e , mich grausam bis aufs Blut Z u geisein mit unerbittlicher Wuth, Bis ihre Arme nicht mehr können. Vergebens schrey' ich zum Himmel empor, Vergebens fleh' ich ihr mit ThTänen; Mein Winseln
mein erschöpftes Stöhnen
Ergctzt ihr rachedurstiges O h l - . "
D.
Kösio
D. SCHWATZEN
IwSKLS.
Hiev brach dem König die Stimm'; er weint« Als wie oin K i n d , und mit ilim weinte Der gute Sultan bitterlich. Und als sie des Weinens müde waren, Da fuhr der S u l t a n auf, und schwur In seinem Grimme, beym Gott der Schaaren, Noch einmahl seinen gvofsen Schwur: Nichts Nasses noch Trocknes von dieser Stund' Jemahls zu bringen in den Mund, Zu schlafen in keinem Federbette, Nimmer zu waschen sein Angesicht, Und FTauenlicbe zu pflegen nicht. Noch je zu weichen von der Stätte, So lange, bis er das Lebenslicht Der Zaubrerin ausgeblasen hätte! „Sagt mir n u r , wo ich sie finden kann, Für alles Übrige bin ich M a n n . " —
„ Um ewig ihren Gram zu nähren, Schuf sie in einem finstern Wald Sich einen traurigen Aufenthalt; Sie nennt ihn den P a l a s t d e r Z ä h r e n . Dort liegt ihr Buhle — in armer Gestalt; Kann weder sterben, weder leben. Denn ihres mächtigsten Zaubers Gewalt
27O
D A S
W
I R T £ II M A H K
c
JI E N .
E r h ä l t in e w i g z i t t e r n d e m S c h w e b e n JDeu ärmsten z w i s c h e n T o d u n d L e b e n , E r liegt sich selber u n b e w u f s t ; Mit offnen Augen die n i c h t sehen, F ü h l t n i c h t i h r Herz an seiner Brust, H u r t n i c h t i h r ängstliches liebendes Flehen U m einen S e u f z e r , u m einen Blich D e r dafs er sie n o c h lieb' i h r sage! S t ü n d l i c h k o m m t sie bey Nacht u n d Tas;e Z u s e h n , ob nicht das strenge Geschick Sich endlich i h r e r N o t h
erbarme:
U n d w e n n sie sich w i e ' s i m m e r geschieht, Betrogen i n i h r e r H o f f n u n g sieht, E r h e b t sie so t r a u r i g e K l a g e n , die A r m e ! —
W i e ? ( r u f t der S u l t a n ) ich glaube schier I h r habt n o c h gar Mitleiden m i t i h r ? D a s f e h l t e ! — M i c h soll sie n i c h t b e t h ü r e n ! L e b t w o h l i n z w i s c h e n , g u t e r Schach, I h r sollt bald w i e d e r v o n m i r h ö r e n !
D e r K ü n i g schreyt u m s o n s t i h m nach. W i r müssen dem D i n g ein E n d e m a c h e n , R u f t jener zuTÜck, s p r i n g t in den Nachen, Setzt ü b e r , l ä u f t , u n d findet bald
D.
K ü l l i O
D.
S C H W A H i E W
lü St'lM,
Am Garten - Ende den finstern Waid, Im Walde den Palast der Zähren Sammt allen seinen Zubehören, Erleuchtet mit Kerzen von gelbem W a c h s ; Und über ihrem langweiligen Mohren Die Dame in Liebesschmerzen verloren. M i t blofsem Säbel eilt er stracks, (Ohne sich, gleich dem zärtlichen Laffen Von Ehgemahl, an ihrem schlaffen Busen, an ihren Ilaaren von Flachs Und Augen von Mondschein zu
vergaffen)
W i e ein Donnerwetter auf sie zu, Und, eh' sie sich umsieht, in Einem Nu, Zischt ihr der Säbel um die Ohren, Und schliefst mit Einem Streich dem Mohren Und seiner Getreuen — die Augen zu.
Siegreich mit beiden Köpfen in Händen, Und sicher er hab' e» gut gemacht, Der Zaubrerin Tod mfiss' alles endeu, Kehrt nun mein S u l t a n olyi* alleil Verdacht Zum Dom zurück.
Herr B r u d e r , Freude!
Ruft er, und hält die Kopf* eiiipor, W i r sind geborgen! da bring' ich beide 1
2~1
272
DAS
ffiniajiAiiiicBi.v,
N u n stellt euch sein Erstaunen vor, D a er den S c l i a c L , statt Gegenfreude Und Jubel und D a n k , mit einem Schrey, Als ob n u n alles verloren sey, In Ohnmacht fallen sieht. — Je länger Je besser! — r u f t er zornig a u s : W a s hat n u n wieder der Rattenfänger? Ist's wieder n i c h t recht ? — Ich bleibe zu Haus Ein andermahl!
D e r T e u f e l mische
Sich mehr in Lieb' und Zauberey, Und hohl« meinetwegen die Fische, D e n See, und diesen R e i l von Brey Mit seinen schwarzen Marmorspindcln ! Bey meinem Säbel! ein Kind in Windeiii Machte m i r minder Plackerey Als dieser
Uzim-Oschantey!
D e r gute S c h a c h ,
der sich indessen
E r h o h l t h a t , fängt n u n erst fürbafs Z u jammern a n : „ N u n ist das Mnfs Des Elends v o l l ! Das Beste vergessen Habt ihr!' W a s helfen die Köpfe m i r ? Ich bleibe M a r m o r f ü r und f ü r ! D e r See bleibt See, die Fische — Fische,
D.
K Ö N I G
D.
S C H W A R Z E S
I K I E I D ,
I
Und weder U r g a n d e nocli F a n f e r l ii s c l i i Kann helfen i die Königin konnt's allein, Und die ist todt! — Ach ! ihr Erblassen Raubt mir den letzten Hoffnung-schein, W e r w e i f i ? — Sie hatte kein Hera von Stein — Sic hätte sich endlich erweichen lassen. Nun ist sie h i n , auf immer hin, Dank eurer allzu raschen Ilitzo! W a s ist mir eure Hülfe nun nütze? Ich bleib' auf e w i g w i e ich bin." Der S u l t a n , so sehr bey diesen Klagen Die Gall' ihm stieg, fand doch in sich. Er hätte nicht viel darauf zu sagen. Herr B r u d e r , sprach e r , i h r dauert m i c h ! Ich dachte w i e herrlich gut ich's mache 1 Mein W i l l e w a r ' s ; allein es scheint Ihr habt im Himmel keinen Freund! Der A u s g a n g ist nicht m e i n e
Sachs.
D o c h , sollt' in aller W e l t denn nicht Ein Mittel seyn ? — „ T h u t erst die Köpfe (Versetzt der S c h a c h ) mir aus dem Gesicht 1 W i l l gern euch meine Schwäche gestehn ; WIELANDS
sAmmd. W. XVIII. B.
S
274
D A S
WINTERUCÄHRCHEI».
Ich kenn das holdeste aller Geschöpfe In solchem Stande nicht vor mir sehn. Und ach! was helfen mir alle Kopfe Der ganzen Welt? — Der e i n z i g e , der N o c h helfen Könnte, ist a u c h nicht m e h r ! " Was meint ihr damit? Was für ein K o p f ? „Hört ein Geheimnifs! Seit alten Zeiten Befand sich (erwiedert der gute T r o p f ) In meinem Schatz ein E s e l s k o p f ! " Ein Eselskopf? ruft jener, ey, ey! Herr Bruder U z i m O s c h a n t e y, Wenn ihr's nicht wäret, bey meinem Leben! Ich dächte ihr faselt! Ein Eselskopf In einem Schatz? — „Diefs ist es eben! Ein Eselskopf an solchem Platz, Da mufs sich's doch von selbst ergeben, Man legt so etwas nicht in Schatz Wenn'« nicht besonders ist." — Verzeiht» Ich seh' nun meine Blodigkeit, Herr Bruder, beliebet fortzufahren!
D.
R u n
IC
D.
S C H W A R Z E «
IKSILH.
„ D e r Schädel also ( k u r z zu s e y n ) L a g , reich geschmückt m i t Edelgesteiiij Seit vielen vielen hundert Jahren In einem schönen kiystallnen S c h r e i n ; Und neben i h m ein dicker Band, Mit goldnen Deckeln, zierlich getrieben» In einer uralten Sprache geschrieben! So a l t , dafs längst im ganzen L a n d Jiein Mcnsch ein W o r t davon verstand, D a r i n War alles ausführlich geschrieben, W o h e r , w a r u m , und w e n n und w i e D e r Schädel in unsern Schatz gerathen. K u r z , seine ganze B i o g r a f i e ; Nebst vielen Gemählden, w o seine Tliatea Gepinselt standen auf goldnem G r u n d , M i t hohen F a r b e n , fein und bunt. W e i l n u n an diesem besagten Schädel ( W i e eine alte Sage g i n g ) D a s Schicksal unser» Hauses h i n g : So könnt' i h r d e n k e n , w i e grofs und ede^ Ja heilig, darf ich w o h l sagen,
gar
D e r E s e l s k o p f dem Volke w a r . Um alles mit E i n e m Z u g zu sagen: E r w u r d e je int siebenten J a h r Auf einem blumenbekränzten Wegen
276
DAS
WIKTEHMÄRCHEM.
D u r c h Stadt niid Landschaft Schau getragen; Und alle» Volk lief hinter drein. Und glaubte nun satt und 6elig zu seyn.
„ I h r werdet mich vcrmuthlich fragen. W o r i n denn seine geheime Kraft Bestanden ?
Lafst euch also sagen :
E r hatte die groise Eigenschaft, D u r c h seine blofse Gegenwart Alle B e z a u b e r u n g aller Art Mit allem G e i s t e r - und F e e n - W e s e n Auf einmahl gänzlich aufzulösen. Genien,
alles Feuers und L i c h t s
Beraubt in seiner Atmosfäre, Zusammen gedrückt von bleyerner Schwere, Standen vor ihm und — k o n n t e n
nichts.
„Nach allem was ihr itzo wifst, Das übrige bald errathen ist. D i e K ö n i g i n (die es gleichfalls w u f s t e ) S a h , dafs s i e , um ihre Rachbegier Nach Herzenslust zu büfsen an mir, Erst diefs P a l l a d i o n rauben mufste. Sie that's — wie ich zu spät erfuhr —
D.
K Ö N I G
D.
S C H W A R Z E N
I N S E L N .
( K ö n n t ' ich so arges von i h r < l e n t e n ? ) Und da i h r weder durch Kraft der N a t u r N o c h Zauberworte möglich w a r Den Schädel zu vertilgen gar, So liefs sie ihn — ins Meor v e r s e n k e n ; Und so liegt bis zu dieser Stund' Alle meine Hoffnung i m Meeresgrund! " Das ist ein böser Handel! (rief D e r Sultan a u s ) das Meer ist tief; D o r t einen E s e l s k o p f zu fischen, Und just den rechten zu erwischen, Ist keine Sache , w o r a u f ein Mann Sich grofse Rechnung machen k a n n : D o c h eh' w i r ganz den M u t h verlieren, Geziemt s i c h , alles zu probieren. Ich lasse sogleich Befehl ergehen. An allen Küsten, in allen Seen, Flössen und Teichen von Visapur Nach E s e l a r k ö p f e n zu fischen n u r ! I h r bleibt indessen bezaubert stehen; Und dafs i h r , bis es besser w i r d , E u c h etwas leidlicher e n n u y i e r t , Schick' ich noch heut euch Zofen und Schranzen Von meinem H o f , ein ganzes H e e r ;
277
¿78
D A S
W I M T E K K Ä H U C H S S »
Die sollen, bis ich Wiederkehr 1 , In Einem forc mit Singen und Tanzen Pflichtschuld'ger Mafseti euch kuranzen.
Der edle Schach der schwarzen Inseln Fängt nach Gewohnheit an zu pinseln, Trennt ungern sich von seinem Freund ; D o c h , da kein andres Mittel erscheint, Läfst er dem Schicksal seinen Lauf Und holt allmählich zu weinen auf.
Kaum ist der S u l t a n wieder zu Haus So gelin ins Reich Befehle aus. Die Leute schütteln mächtig die Ohren; „ W a s geht der Eselskopf uns a n ? " Ich sorge, denkt mancher weise Mann, Der Sultan hat den s e i n e n verloren.
Allein d e r a l t e F i s c h e r geschwind Des kahlen Schädels sich besinnt, Der neulich i h m ins Netz gegangen. H a i denkt er, wenn's der rechte w a r " ! Da liefsen sich wieder B a h a m i fangen! Und brennend läuft er nach dem Meer.
D.
KöHJC
D. S C H W Ä R ! E N
1[1 S E I K .
27JJ
Kr sucht mit Fleifs dem Schädel nach Der neulich schier das Herz ihm brach, Und findet i h n , mit Schlamm bedeckt. Am alten Ort im Sand versteckt. Kurz, Freunde — (denn die Zeit ist e d e l ! ) Es findet sich in kurzer'Frist, Dafs dieser nehmliche
Eselsschüdel
Der grofso W u n d e r s c h ä d e l ist. Der S u l t a n und der F i s c h e r eilen Die Freude mit dem Schach zu theilen. Der S c h a c h den Schädel kaum berührt. So w i r d er flugs entmarmoriert; Die Konigsstadt steht wieder da, Den See kein Auge ferner sali; Die Fische werden zu Bürgern wiedet'. Wimmeln die Strafsen auf und nieder Bey Sonnen - und bey Mondes-Licht, Des alten SclilendeTS unvergessen ; Haben viel Müh und karg zu essen, Bau'n Tag und Nacht viel Böhmische Schlösser Ins Blaue hinein, hätten's gern besser, Und ratlien immer und treffen's n i c h t ; Kurz, alles ist w i e d e r in seiner Pflicht.
HANN
UND
GULFENHEH ODER
ZU VIEL GESAGT IST NICHTS GESAGT.
Finc
mnrgenlftndische
Erzählung.
J l s w a r einmalil zu S a >vi a r h a 11 d E i n junger Schneider, H a n n g e n a n n t ; D e r hatt' ein feines junges W e i b Sich zugelegt f ü r seinen L e i b : Die liebt' er w i e sein Augenpaar: D e n k t , w e i l sie schwarz v o n Augen war Und schlanker als ein Lilicnstängel. Und hatte langes seidnes Haar, Und glatte rosenrotlie Wängel, Und fiberdiefs kaum zwanzig J a h r , Sein Weibchen sey ein ganzer E n g e l !
„Das ist nun — was man heifsen kann Gedacht — als wie ein junger Schneider,"
284
HAU»
UND
ÜCIFISHIK,
Ruft mancher h i e r ; denkt nicht daran» DaTs es Minuten g i e b t , w o , leider! Ein Salonion mit aller seiner L i s t Nicht weiser als ein junger Schneider i6t.
In einem solchen Augenblicke Spricht H a n n zu seinem Schatz:
D u t r m t e s lie-
bes W e i b ! W a s w ü r d ' aus m i r , w e n n ich erleben miii'ste, D * f j dieser schone w a r m e Leib, Von Todeefrost in eine Büste Verwandelt, kalt und alhemlos In meinen Armen l a g ' ! O beym Gedanken blofs Rinnt m i r ' s w i e Eis durch Adern und Gebeine! Das schwör* ich dir — erleb' ich armer Mann Den Jammer einst — auf deinem Grabessteine L i e g ' ich neun Tage lang und weine, Und w e i n e — bis ich nicht mehr k a n n !
„Und ich-, mein trauter, süfser Mann, Veisetit das junge W e i b , sollt' ich das Unglück haben
H A N N
U N D
G U L P E M I I I ,
agg
Und dich verlieren < better H a n n , Lebendig
litis'
ich
mich
mit
meinem
Hann
begrfibeii!" Das ist ein W e i b ! — denkt H a n n entzückt, Indem er an sein Heiz sie d r ü c k t : Z u zweifeln fällt ihm gar nicht e i n ; Sie sagt's ja — also mufs es seyn ! Seitdem sich beide so verglichen, W a r ungefähr ein Jahr verstrichen; Und eines Abends, w i e sie so Allein bey i h r e m P i l a u
•) safs^n,
U n d , auf die Nacht zum voraus f r o h , Des Lebens Sorgen ganz vergafsen, Geschah's, dafs G u l p e n h e h ,
die schöne Schnei-
derin, i Indem sie i n verliebtem Sinn M e h r nach dem Mann als in die Schüssel guckte, E i n kleines Bein hinunter schluckte. Grofs w a r die N o t h ! — D e r arme H a n n
1 ) Reifs m i t gekocht,
die
klein zerhacktem Hammelfleisch
gewöhnlichste
Perser, u. s. w .
Speise der T ü r k e n ,
AßÖ
HANN-
TJKD
GÜLJ*E\MEH,.
5pTiugt ängstlich z u , thut w a s er kann, Klopft m i t der Faust i h r auf J e n Rücken» Versucht'« heraus au zichn, Versucht's hinab zu d r ü c k e n ; Umsonst ist alles sein B e i i m i m ! Das schöne W e i b c h e n mufs ersticken»
V e r z w e i f e l n w i l l der a r m e M a n n ; Allein da ist kein Rath noch M i t t e l . Schon l i e g t i i e da i m Sterbekittel, Z w a r e t w a s b l a u , doch noch so s c h ü n ; E r hält's nicht a u s , sie anzusehli t
F r a u G u l p e n l i e h rulit ntin i n kühler Eide, Und H a n n m i t w ö t h e n d e r Geberde W ä l z t sich auf i h r e m
Grab,
u n d ächzt so l a u t
und bang, Dafs man auf tausend Schritt' i h n h o r t e ; Einschlössen f e s t i g l i c h , neun ganzer T a g e lang (Nach seinem S c h w u r ) auf i h r e m Grab zu w e i l e n .
U n d es begab s i c h , dafs A i s s a , der Profet, V o r ü b e r g i n g : und w i e das laute Heulen V o m Grabe her i h n störet i m Gebet,
HANN u n d
G V 1i> t m N E H.
237
Tritt er hinzu, und fragt den M a n n , der auf dem Grabe Sich wälzt und lieult, was Leides ihm geschah?
Der Schneider spricht:
Ach H e r r ! in diesem Grabe da,
Da liegt ein Schatz den ich verloren h a b e ; Das beste W e i b !
eiii W e i b
das mich so sehr
geliebt! Ein W e i b — a c h !
Herr, ein W e i b wie's nun kein andres giebt I
Und heute hab' ich sie begraben!
Spricht der Profet zu ihm : N u n , w e i l so bang dir ist Nach deinem W e i b e , H a n n — so habe W a s du zu haben w ü r d i g b i s t ! Und w i e er's sprach, schlug er mit seinem Stabs Aufs Grab, und siehe d a , es öffnet seinen Schlund, Und G u l p e n h e h , frisch und gesund, Steigt aus dem Grab und w i r f t sieh mit Entzücken Dem Manne an die Brust.
Das w a r ein Wiedersehn 1
Ein Freudenrausch! ein Hcrzeu und ein Drücken!
2ßö
I I A J. IS O N 1 I
GtH.tC.MltU,
Ihr dächtet, hättet ihr's gesehn, Sie würden beide sich mit Küssen gar ersticken. Und danken w i l l nun auch das liebestrunkne Paar Den Wundermann ,
durch den ihm solches Heil geschehen;
Allein, der ward nicht mehr gesehen. Nun erst wird H a n n gewahr Dnfs G u l p e n h e h , in ziemlich ldftigs Leinen Kaum iiber'fc Knie gehüllt, nicht so gekleidet war, Um in der Stadt ( w i e w a h r s schon
dunkel) zu
erscheii.en. „L^cht meiner Augen,
spricht
der
gute
IVIann
zu ihr, Verbirg dich hinter diesen Steinen, Indessen ich nach Hause l a u f und dir D i e Kleider hohle.
—
Der
Mond beginnt
scheinen — Sey ohne F u r c h t ! ich bin gleich wieder h i e r . " D e m Winde gleich lief H a n n davon» Indem so kam d'es S u l t a n s Sohn Von ungefähr des Wegs gezogen, Und vieler Fackeln greller Schein Glänzt vor ihm in die Nacht
hinein.
eu
H A N N
UND
G Ü L P E N H F H .
B{)9
Und bey der Fackeln Schein gewahren D i e Diener eine Frau mit los gebundnen Haaren, Halb nackend — die, um nicht gesehn zu seyn, Sich schüchtern hinter dem Gemäuer Verbirgt, und das Gesträuch so gut sie Kann zum Schleier Von derben N u d i t ä t e n macht. D i e durch das Dunkelhell
der Fackeln und der Nacht
Noch zehnmahl nackender und zehnmahl weiftet scheinen Als wie sie sind. Der K ö n i g s s o h n macht Hak, Und nähert 9ich allein der renzenden Gestalt, D i e , um zum wenigsten den Busen zu verzäunen, Genöthigt ist den Alabasterglanz Von zwey untadeligen Beinen Der Lüsternheit der Männeraugen ganz, W i e w o h l erröthend, Preis zu geben. Der K ö n i g s s o l l n , anstatt die Hand vors Aug'1 zu heben, Verschlingt das schöne Weib mit seinen Blicken schier. WIELANDS
sämmü. W. XVIII. E.
T
HANN
ngo
UND
GUX-PENHEH.
W i e ? spricht e r , w i e ? so viele Schönheit hier, Zu solcher Z e i t , in solchem Stand und O r t e ?
„Mein H e r r , versetzt die Schneiderin, Das N e g l i g e , w o r i n ich bin. Gestattet nicht so viele W o r t e . "
D e r Prinz erkennt die Billigkeit Der Weigerung in einer solchen Lage, Und reicht ilir stracks sein eignes Überkleid; U n d — „Schöne F r a u , nur E i n e Frage, Bist du vermählt? —
D e n n , falls du iledig bist.
So k o m m , und geh wie eine Morgensonne In
meinem
Harem
auf!
Mach'
eines
Prinzen
Wonne, Der ohne dich nicht mehr zu leben fähig i s t ! "
Die
schöne G u l p e n h c h
bedarf
nur E i n e s
Blickes, Den Umfang und Gehalt des angebotnen Glückes, Und wie es sich zur Schneid erey De6 armen
Hann
verhält,
zu
sehen
und
zu
messen: Und a c h ! mit diesem B l i c k ist H a n n , und Treu'
und L i e b '
I I A R; N
U K E G U L F E N H E H .
FGI
Und S c h w u r und Grab und alles rein vergessen! H e r r , spricht s i e , ich bin f r e y , und thut w i e ihr gesagt M i t enrer dienstergebnen M a g d ! Sie ist bereit für euch allein zu leben. T o p ! ruft der Königssohn, läfst ihr ein Handpferd geben. Und fröhlich zieht bey Fackelschein Die schone G u l p e n h e h in seinen Harem ein. Kaum
ist sie
fort,
so kommt,
in
vollen
Freuden, Mein H a n n , bringt alles m i t , was seine Frau zu kleiden Vonnöthen w a r — und keine Frau ist da! Er sucht, er r u f t , er w i l l von Sinnen kommen. Ein Räuber hat sie weggenommen. Denkt e r , und trifft so ziemlich nah; Doch dafs sie selbst darein g e w i l l i g t hättf; Der Argwohn kam in seine Seele nicht. „O w a r u m führt' ich sie nicht lieber von der Stätte So nackt sie w a r ! O w e h mir armen W i c h t ! In welchem Jammer w i r d sie schweben, Das treue W e i b ! der ohne mich zu leben
2 9 2
HAININ
U N D
G D I P I K H I H ,
So schrecklich w a r , dafs sie lebendig «ich M i t m i r begraben lassen w o l l t e ! D i c h , Fönix aller W e i b e r , sollte Ein fremder Arm uxnfahn? — O sicherlich In diesem Augenblick zerfleischt sie ihre Wangen, Zerrauft ihr schönes seidnes Haar, W a s sag' i c h ?
ist der Schmach w o h l gar
Durch einen Dolch i n ihre Brust e n t g a n g e n ! "
Betrogner H a n n ! dein trautes Weibchen w a r Nichts weniger als in Gefahr Sich selbst so grausam mitzuspielen: Die lag gar angenehm und w a r m Dem schonen Königssohn i m Arm, Und dachte, ganz von neuen Lustgefühlen Betrunken, -wahrlich nicht an dich und deinen Harm.
H a n n sucht zu Samarkand indessen Und rings u m h e r , m i t Angst und Müh, Und mit Gefahr oft ohne Essen Zu Bett zu gehn, sein Liebchen spät und f r ü h ; Hofft immer noch, A i s s a werde sie Zurück zu ilun zu bringen nicht vergessen.
H A N N
UND
G U L P E N H E H .
293
Zuletzt erkundigt er von e i n e m , der dabey Gewesen w a r , w i e alles sicli begeben, Und dafs sein trautes W e i b , m i t w e n i g Widerstreben, D e m Sohn des Sultans sich ergeben, Und seines Harems Krone sey. H a n n , i m m e r noch v o n ihrer Treu 1 Im Herzen überzeugt,
läuft b r e n n e n d ,
w i e ein
ächter Enthusiast, In einem Sprung bis zum Palast, D r ü c k t keichend durch T r a b a n t e n , Wächter Und Knaben sich h i n d u r c h , fragt ängstlich jedermann Nach seinem W e i b e w i e nach seinem Leben, Sprengt endlich selbst den Prinzen an, Und f l e h t , das t r e u e W e i b i h m doch zurück zu geben. D e r P r i n z , ein guter H e r r , — vielleicht auch w o h l bereits D e r schönen G u l p e n h e h
(nachdem v o n ihrem Reitz
Genufs und Zeit die Blüthe abgestreift)
294
H A N N
U N D
G U L V E N H E H .
E i n w e n i g satt — so bald er nur begreift W a s ihm der Schneider w i l l ,
erzählt
i h m die
Geschichte M i t mildem T o n und gnädigem Gesichte.
Sie w a r vielleicht v o r Angst nicht recht b e y sicli, Und
hat
im
Schrecken
euch
für ihren
Hann
genommen, Erwiedert H a n n : g e n u g , man lass' sie k o m m e n ! Sie ist mein W e i b ! Sie w i r d — o sicherlich! Ihr werdet's sehn! mit brünstigem Vergnügen,/ So bald sie mich erblickt, mir in die Arme
fliegen.
G u t , spricht der P r i n z , ihr sollt einander sehn, Und ich w i l l nur v o n ferne stehn.
D i e Dame kommt. Geblendet
durch
die
D e r gute Schneider, Pracht
der
goldgestickten
Kleider Und den Juwelenglanz,
erkennt sein
Weibchen
kaum, Und alles scheint dem armen Mann ein Traum. D o c h G u l p c n h e l i beym ersten Blick
H A N N
UND
G V I F I N H E H .
Erkennt ihn nur zu w o h l ,
fährt
SG5
einen Schritt
zurück, W i r d wechselnd blafs und feuerroth; Allein der W i t z , den sie a l s W e i b
ZUIJI
Loo»
bekommen, Verläfst sie nicht in dieser Noth. Der Prinz, so bald er wahrgenommen, Dafs sie erblafst, rückt schnell heran, Und fragt s i e : Kennest du den M a n n ?
Ja wohl (versetzt die zärtlichste der W e i b e r ) Erkenn' ich i h n !
Es ist derselbe Räuber,
D e r , als ich ungefähr i m Fufsweg' auf ihn stiefs. M i t Fäusten, die ich lange noch empfunden, Mich nach den Gräbern schleppt*, und nackend stehen liefs, Als Eure Hoheit mich gefunden.
Der arme H a n n ,
w i e er sein trautes W e i b
So reden h ö r t , w i r d kalt am ganzen Leib ; Sein Blick erstarrt, die Kniee schwanken, Die Haare richten sich auf seinem Kopf empor, Der offne Mund v e r s t u m m t , ihm schwinden die Gedanken.
396
HANN
UND
GVTPCNHKH.
Der ganze Hof, in Einem Kor, Erkennt die offenbaren Zeugen Der überwiesnen Schuld in seinem Blick
und
Schweigen. Man führ' ihn stracks zum Kadi, spricht Der Königssohn. Und abgeführt
H a n n wird gebunden Der Richter hält Gericht:
Die schone Dame zeugt; H a n n widerspricht ihr nicht; Was soll das Leben i h m ? Kurz, schuldig wird erfunden Der arme Mann, und, wie es sich gebührt, leich vom Gerichtshof weg zum Galgen hingeführt.
Was schützte nun des Armen Hals und Ehre, Der zitternd an der Leiter steht, Wenn nicht — A i s s a , der Profet, Zu gutem Glück vorbey gegangen wäre? W i e eines Engels Glanz ist seine Gegenwart. Der Mann ist ohne Schuld, ruft er, an dessen Leben Man sich vergreifen w i l l ,
defs kann ich Zeugnifs geben!
H A N N
UND
G U L P E N H E H ,
D i e A s a ' s - ) halten ein, und alles V o l k erstarrt, W i e es diefs W o r t aus einem Munde höret In welchem nie B e t r u g erfunden w a r d ; Und
alles Volk
mit
Hann
und
dem
Profeten
kehret Z u r ü c k nach dem Palast.
Das goldne T h o r
Eröffnet s i c h ; der Sultan tritt herror, Sein Sohn mit ihm. B e y Hof
und in
A i s s a , hoch geehret
der S t a d t , spricht mit Profetenmacht ;
Herbey w i r d G u l p e n h e h
gebracht;
U m sie und den Profeten schliefsen D i e andern einen Kreis. V o n ihrer Schuld gedrückt Hebt sie die A u g e n a u f , erblickt Den
Wiuidermann,
und
sinkt entseelt zu seinen Füfsen.
H a n n w i r d mit Gold und E h r e n überhäuft, Frau G u l p e n h e h ins Grab zurück geschleift; D o r t mag sie bis zum jüngsten T a g e rasten! Ihr lieber Mann fühlt keinen Drang I m Herzen m e h r , nur neun Sekunden lang Auf ihrer Gruft zu weinen und zu fasten. 2)
Gerichtsdiener.
DAS
S O M M E R
MÄHIi
E R S T E R
CHEN.
THEIL.
Soi t •
DES
M A U L T II I E R S E n z À H i. D s a .
EINE
ZAUM. i )
A i s einst zur Morgenstunde Fürst A r t u s an sein da
seiner
lobesam
Tafelrunde
Frühstück stand
mit
nahm: ihren
Frauen
die
Königin
im
Erker,
auszuschauen
ins
Grüne
hin,
und
sich
zu
freuen
des holden Mayen.
1) Nach einem Fabliau des Chretien de
Troyes.
502
D A S
S O M M E R
MAIIRCIIEN.
Sie standen da und sogen mit offner Brust, halb angezogen, den frischen Balsamduft der Morgenluft, und sahn SO iliTe Lust daran, w i e Z w e i g an Z w e i g gebogen voll Blflthen hing, und w i e sie flogen so oft ein Lüftchen ging. Da w a r noch gute Zeit, ihr lieben Leute, da inan bay Hofe sich an so was freute! Auf cinmahl rief der Jungfrau'n eine: O seht die feine geputzte Reiterin, ( s i e w i e s dahin mit ihrem
Zeigefinger)
vom Anger dort herab kommt sie in vollem Trab. Die muntern vno A r t u s
Jünger
Rittenhnm,
D E S
M A U X - T H I E R S
Z A U M »
um iliren Herrn herum gelagert in der Halle, diefs hörend , sprangen auf aus ihrer Ruh, und liefen alle dem Erker zu. Die schone Reit'iin kam auf einem Maul geritten, und ( w a s die edeln Britten sehr Wunder
nahm)
ritt ohne Zaum und Zügel mit solchem
Schufs,
als hätt' i h r Maultliier Flügel wie
Pegasu9.
Und als sie nun im Hofe des Schlosses hielt, kam Ritter,
Knapp und Zofe
herbey gewühlt, die Fremde zu empfangou, die in der Näh* so glänzend w a r von W a n g e » w i e eine Fee. Man führt auf ihr Verlangen sie in den Sah!,
303
304
D A S
S O M M E U M A H R C H E M .
wo A r t u s ,
sein Gemahl,
und F r a u ' n - und Ritterschaaren beysammen
waren.
l)a w i r f t die Schöne sich auf ihre
Knie,
tind weinet M i r ist,
bitterlich.
spricht sie,
genommen
worden,
w a s lieber mir als dieses Augenpaar ja als mein Leben
war:
lind find' ich hier in euerm edlen nicht jemand, zu Heizen und der,
Gram
dringt, was
mir wieder so ist,
Orden dem mein
man
mir
nahm,
bringt;
dem Himmel scy's geklagt'.
auf Erdeil keine ärm'ro
Nennt uns ( e r w i e d e r t der Fürst) dio Ungebühr die euch geschehen : w i r alle stellen
Magd.
ihr
D E S
für Einen
M A O I T H I E H S
Z A U
Mann.
Ist's wieder zu bekommen, was euch kein Biedermann genommen, so komm', als lang 1 ihr dessen harri kein Messer über meinen B a r t ! Sie spricht: Ihr werdet denken ich red' im Traum, und es verlohne kaum die M ü h , sich so zu kränken um einen — Z a u m : d o c h , liebe Herren , mir liegt an dem Zaum mehr als ihr glaubt. D e r Zaum von meinem Thier ward mir geraubt; und krieg' ich ihn nicht wieder, so i s t , dem Himmel sey's geklagt! Auf Erden keine ärm're Magd. Der fromme Konig sagt: Lafst cjire Augenlieder vom Weinen r u h n ; den schönen Augen WIELAHUS
.-.¡mm I L
W.
XVIII.
B.
30$
DAS
SoMMcmiuKciiEti.
mücht'ä Schaden tliun sie so zu l a u g e n ! T r a u n ! w a r ' ich- nicht zu alt zum Abenteuern, icii selber wollte bald dem Unheil s t e a e r n ! D o c h , fasset M u t h ! icli bin euch g u t f ü r euern Z a u m . Mein Neffe G a w i n z w a r ritt kaum z w e y Stunden lang von h i e r ; allein, in dieser Heldenschaar w i r d , glaubet mir, 6ich jeder glücklich schätzen, euch w i e d e r in Besitz des Zaums zu setzen.
I h m spricht, s i e , der den Z a u m m i r wieder giebt, gelob' ich feierlich, wie's i h m beliebt, entweder — abzutreten das M a u l , das m i c h in meinen Nöthen hierher t r u g , oder — ich
DES
M A U L T H I E R S
ZAUM.
w i l l all mein Lebelang allein zum Dank sein treues Liebchen eeyn. Die Jungfrau stund bey diesen Worten w i e eine Rose da, und w e r sie sah dem wässerte der Mund. Allein der ganze Orden der Tafclrund w a r , aufser zween m i t Liebchen schon versclin; und einer von den zween, der G a w i n hiefs, zog damalils auf der F a h r ; der andro w a r der Seneschall, Herr Gries. H e r r Gries, der
Seneschall,
ist euch bekannt. So w a r kein Springinsfaid im ganzen L a n d ; auch hiefs er überall der Mädchenheld. Denn wenn er bey den Zofen safs
goß
JL)AS
S O M M E H M A H R C II r N.
im Vorgemach, w a r Staat darauf zu machen. dafs Junker G r i o s die Zähne wies, und zwischen Ernst und Lache» von seinen Heldenthaten sprach da sah kein Ritler bafs als er zu Pferd; im Tanze blieb ihm der beste nach, und keiner brach so zierlich eine Lanze; S a n k t G ö r g e , der den Lindwurm stach mit seiner Gabel, war gegen Ritter G r i e s ein purer S k i e 8. Auch bild'te sich der Gauch auf seinen Schnabel und seinen Bauch und seine glatte Iland nicht wenig ein, und w o ein Spiegel stand, guckt 1 er hinein. Daneben war bey Hofo lein Tagewerk,
D E S
M A U L T H I E H S
Z A U M .
dafs er von Frau und Zofe, von Riten und Gezweig euch immer was erdachte das wenig Ehre brachte. Stadt - Anekdoten gar zierlich zu brodieren, mit fremden Pfoten in jedem Quark zu rühren, und jeden zu vexieren der nicht beschlagen w a r im r.epliriere» . in solchen freyen Künsten wies als einen Helden sich Herr G r i e s . Indessen hatte doch mit allen seijien Künsten Herr G r i e s es noch in Diensten des schonen Volks nicht hoch gebracht.
Wohin der Hase
sein Herzchen trug, da schlug man vor der Nase die Thür ihm zu. Nun dacht' er: Nähme« du des Dings dich an, das
WHICH
3io
DAS
S O M RI E r M Ä II R C U E N.
zwey Würfe, wie
man
spricht,
mit Einem
Stein. D e r Z a u m w i r d doch w o h l e i n e m Bären n i c h t abzujagen s e y n ! A bottle
o' w ine,
w o f e r n ich n i c h t i n eins,, z w e y , d r e y , w i e aus der Tasche, euch o h n e Z a u b e r e v , ein Liebclicn hasche, u n d t r a u n 1 i h r Eselein noch oben drein!
Heir G r i e s
kräht w i e ein Gockclhalai
die T h a t e n , die er t h u n w i l l , an. „ D e r Z a u m ist euer, mein Fräulein! nehmt mein W o r t auf alle Fälle. D a s ist ein Abenteuer für mich ganz eigentlich. B r i n g t m i c h n u r flugs an O r t n n d Stelle: u n d w ä r ' s der Mann i m Mon der i h n gestohlen.
D E S
M A U L T H I E K S
Z A U M .
ich w i l l ihn wieder hohlen ; es ist ihr habt ihn schon! Gries ist kein Freund vom Prahlen. Drum , Liebchen , dacht' ich tchier du konntest w o h l an meinem Lohn ein Kiifschen m i r voraus b e z a h l e n ? " Herr R i t t e r , spricht die Meyd, an Ort und Stelle w i r d eure Herrlichkeit mein Maulthier tragen. Kein Feenwagen geht halb so sanft und schnelle Nur unverzagt, und alles dran g e w a g t ! Den Kufs — den spar 1 ich euch aufs Wiedersellen; er soll ganz frisch sogleich zu Diensten stehen! Der Junker zieht ( w i e Bruder L . ) sich aus der ersten Impertinenz
511
D A S
S
c»
O M M E R M A H R.
I, IN
durch — eine zweyte : doch, w e i l er heute nocli etlich tausend Wersten zurück zu legen denkt, verbeugt er vor der Jungfrau sich und rings herum gar ehrbarlich, macht dann linksum, und schwenkt nicht faul sich auf des Fräuleins Maul. Dal Fräulein blieb indessen im Frauenzimmer der Königin; doch steckt ihr immer der Zaum im Sinn ; kann seiner nie vergessen ! Bis sie ihn wieder hat, schmeckt ihr kein Essen und kein Muskat. Nun höret alle, w i e ' s dem S e n e s c l i a l l ,
Herrn
erging auf seiner Fahrt.
Gries
D E S
M A U L T H I F H S
7.
A U
Sein T h i e r , ein Eselein von Feenart, bracht 1 ihn in Ja und Nein an einen Wald. Kaum riecht Herr G r i e s hinein so schallt und wicderhallt um tausend Felsenhölien ein fürchterlich Gebrüll aus tausend Löwen ihm um die Ohren 'nun, und prallt aus
Tympanum. Erschrocken hält er still,
fängt w i e ein Laub euch an zu beben, und ist im Geist bereits der L ö w e n Raub i denkt: O ich lobe mir das Leben! Ein solcher L ö w e w e i s t nichts von Manier; er braucht nur einen Schluck
5*4
D A S
S
o
M M E K M
Ä
II R
u n d einen D r u c k , so ist ein M a n n gespeist als w ä r ' s ein ß f l b c h e u ! W a s hülfen dann m i r alle L i e b e l t e n d e r ganzen W e l t , von
Kardigan
bis au den g r o f s e n T> e 1 t i Er war im
Flielin,
da harnen gvofse H a u f e n v o n L ö w e n gegen i h n m i t oflneni S c h l u n d g e l a u f e n . D e r arme Herr testiert
mentaliter.
Das Maulthier ohne Z a u m w a r jetzt sein G l ü c k ; die L i i w « n sehn es k a u m , so w e r d e n sie. z u Hasen ; sie flielin z u r ü c k , und sind-im wie
Augenblick
weggeblasen.
Herr G r i e s
bekam
nun wieder frischen Muth.
c
II E
.
D E S
M A U I T I I I E Ü S
Z
AU
„So geht's noch g u t ! D i e w u r d e n ja so zahm wie Turteltauben! Das M a u l t h i e r , w i e ich sehe, ist eine F e e . " Indem m i t diesem Glauben sich Junker stärkt, geht's i m m e r f o r t i m grofsen Trab Berg auf, Berg a b ; bis sie sich unvermerkt in einem tiefen dunkeln T h a l verfangen sehen, so eingezwängt in himmelhohe P y r e n e e n , dafs kaum ein Sonnenstrahl hindurch sich drängt.
Von tausend Drachen ist dieses T h a l bewacht, die Tag und Nacht aus immer offnen Rachen braunrothe Flammen sprilhn. O w e h ! w o h i n n u n fliehn, Ifen-
Seneschalli
gi6
DAS
S
O M M E N M Ä H K C II E > .
In einen dicken Schwall von Raucli und Funken eingehüllt, sieht er der Holle wahres Bild rings um sich her.
Das w a r ein Zischen
aus Felsenkluft und dürren Büschen! AU' Augenblicke schnaubt ein L i n d w u r m , dicker als sein Ann, bald rechts bald links ihn an. „Ach! (schreyt er was er schreyen k a n n ) dafs Gott e r b a r m ! " und glaubt » u n sey's um ihn gethan.
Indefs w a r unbefangen und unverletzt sein Maulthier mitten durch W ü r m ' und Schlangen hindurch geschritten, und hatt' in eine offne Au ihn schon versetzt, eh' noch Herr G r i e s , dem's grün und blau vor'n Augen hing, sie aufzuthun sich unterfing.
D E S
M A U L T H I E H S
Z A U M .
E i n zweytes Paradies schien diese Au ; die ganze Fläche, so w e i t sie sich erstreckt, mit Blumen überdeckt, und kleine Bäche, die himmelblau aus ihrer grünen Einfassung
schienen,
und Gruppen hier und dort v o n schlanken Bäumen : ein holdrer Ort läfst kaum sich träumen. Herr G r i e s trabt hohen Muths das T h a l hinab, denkt: „ N u n ist's überstanden! Dafs ich f ü r meinen Ilals gezittert hab', was tliut's? Kein Z e u g ' ist ja vorhaudt.11! D e m Maulthier allenfalls dem läugn' ich's ab. Und als er 11111; so fiiidei ritt, da ragt ein tchunes Schlofs,
317
3>8
Das
S U M M Ü. K JM A H K t, H t K.
kaum tausend Schritt'' ( a u c h hundert d r ü b e r ) ihm gegenüber, hervor aus hohen Büschen. Defs ward er kaum g e w a h r , so schofs ilim's in den S i n n , der Zaum »ey dort.
Nun ging's trofs trofs ;
allein es flofs ein tiefer Strom dazwischen. Gries sieht sich um nach einer Brücke, trabt auf und ab, da zeigt tin schmaler Eisenstab sich seinem Blicke. Der Junker stellt ein wenig dumm an dieser Brücke ; ihm schwindclt schon beym Anblick; sie passieren ist eine T h a t , wovon er nichts versteht. Man kann da, w i e iiin weislich J.uicht, so leicht das Gleichgewicht verlieren.
Des
5l9
M A r L T H I E RS ZAUM.
Kurz , Junker sagt kein Wörtchen > dreht •ich u m , und denkt:
Ein
Narre
erkauf ein Liebchen sich auf diesen Fufs ! Und brächte sie m i r B e . i n i und N a v a r r e zum Brautschatz — einen schönen Grufs! sie ist für mich zu tlieuer! Madam such einen andern F r e y e r ; mich
sticht
der Haber n i c h t !
Und also, um es kurz zu machen, kehrt unvervicluer Sachen H e r r G r i e s zurück w o h e r er kam. Das Maultlii.-r nahm den
kürzern
Weg,
und
trug
den
Mann frisch u n d gesund u m Tafelzeit zurück nauh K a r d i g a n .
Genevra
stund,
am Fenster just, da er, beyni grofsen L i n d e u b a n m vorbey, den W e g zum Schlufs daher geriiten kam.
tapfem
5 20
D A S
„Ey,
ä O U H l K M A B t C H E I l ,
ey,
da k o m m t Herr G r i e s schon wieder, d e r , däucht m i c h , k a u m n o c h Abschied n a h m : nun sag' m i r einer mehr, er sey nicht bieder 1
D i e fremde J u n g f r a u schaut und s p r i c h :
„ J a , leider!
er k o m m t m i t heiler Haut, doch o h n e
Zaum.
D e r beste Schneider in
Kardigan,
w a s hätt' er mehr g e t h a n ? "
Inzwischen langt i m grofsen T r a b H e r r G r i e s , d e r S e i l e s c h a l l , i m Schlofshof an, steigt ab, w i r d feierlich empfangen, w i e sich's gebührt, und in den Sahl g e f ü h l t mit grofsem Prangen. Ihm machen,
D E S
M A U
wie er einher
I - T H I E R »
Z A U M .
52»
stolziert
mit kaum verbifsnem Lachen die Knappen Raum. Die ganze ritterliche Znnft erfreut sich seiner Wiederkunft, allein — der Zaum? W o b l e i b t der Zaum, Herr Gries? fragt jedermann der ihn willkommen liiefs.
„Der Zaum, (spricht eine von den Frauen, die ihn von Fufs zu Kopf beschauen ) der Zaum bleibt — wo er kann. W i e bald ist eine Kleinigkeit w i e d i e vergessen ? Allein aus solcher Fährlichkeit, noch eh' w i r recht vernommen dafs er gegangen sey, zurück zu kommen mit ganzer Haut, und just zu rechter Zeit zum Mittagsessen: das nenn' ich eine Ritterthat die sich gewaschen hat! "
WIELAND»
eämmtl. W, XVIII.
B.
X
522
D A S
S O M M E K M A H R C H E F . .
D e r h o h e Sahl
erscholl
r o n lautem L a c h e n . „ N u r n i c h t so toll gethan!
schrie J u n k e r
Versucht's
nun
Gries,
auch !
Ich
wette
meinen
Spiefs, dafs euch das L a c h e n v e r g e h e n soll. J a , w a s die L ö w e n und die D r a c h e n und s o l c h Gesclimeils b e t r i f f t , die — m a c h t e n m i r n i c h t heifs ; w i e w o h l der kleinste m e i n e r D r a c h e n euch,
ohne
Raillerie,
aus seinem k l e i n e n R a c h e n m e h r R a u c h und F l a m m e n spie als Ätna und V e s u v i u s i m gröfsten F e u e r g u f s . D o c h , übern Themseflufs auf einem
Draht
z u traben, tuid das — "pardonnez - moi, um einen K u f s , das sollte sich der grofse M i t h r i d a t , ma foi,
DES
M A U L I H I t II I
Zaum.
•erbeten haben so gut als i c h ! "
Indessen, dafs in seinem Diinkel Herr G r i e s so gaskonnierte, safs die schöne Magd in einem Winkel und weinte ohne Mafs. Der Zaum , um den sie kläglich thut, ist ach! ihr ganzes Erb' und Gut; und sich noch an der Nasen mit solchem Übermuth herum geführt zu sehn von diesem Hasen — man mufs gestehn, es war zum Rasen!
Zu allem Glück tarn Ritter G a w i n eben von seiner Fahrt zurück, als sie ihr Mißgeschick nicht überleben zu können schwur, und schon mit wildem Blick sich in die Locken fuhr.
D A S
SOMSIERMÄHRCHEK.
Er Kam gerade hoch früh genug, um Gnade zu bitten für ihr gelbes Haar, das in Gefahr /
ein Raub der Winde zu werden war. Er ist geschwinde ihr in die Hand, und sprach so adelich, und schien so ganz der Mann der helfen kann, dafs sie beym ersten Anblick ihm gleich gewogen fand, und ohne Widerstand sich und ihr Liebstes in der Welt. den Zaum, in ¿eine Hände stellt. Herr G a w i n spricht: „Von vielen Worten bin ich nicht; doch, holdes Mädchen, schau m i r ins Gesicht! Da steht es wie mit einer Kohle gezeichnet da: ich hohle dir deinen Zaum, und du bist meine Frau.
D E S
M A U L T H I E R S
Z A U M .
Verschämt mit halb geschlofsnem Blick nickt ihm's das Mädchen z u : „ Geh , spricht s i e , meines Lebens Ruh steht nun bey d i r . " Und alle Frauen wünschen ihr zu solchem Ritter Glück.
DAS
S O M M E R
MÂHIICHEN.
Z W E Y T E R
THEIL.
H e r r G a w i n eilt von dar, wiewohl's schon Abend war, besteigt das Maulthier ohne Zügel, und ist, indem die Jungfrau'n gelin ihm hoch, vom Söller nachzusehn, schon über alle Hügel. Dsr Mond schien hell zu seiner Reise; sein Maul, nach Feenweise, lief vogelschnell. Der Löwenwald, das Schlangenthal wird ohne Furcht passiert; und wie der erste Morgenstrahl die Welt illuminiert, entdeckt das Schlofs sich seinem Blicke, das Schlofs, der Strom, und auch die Brücke von glatt geschliffnem Stahl,
33"
So
DA«
M M E
11
M A H H
c 11
E
ä.
so schmal dafs, wie ihr w i f s t , Herr G r i e s ( der doch 6ich Ritter scheltcn liefs ) vom Ansehn schon das kalte l ieber bekam. Herr G a w i n
war dem Zaudern gram.
E r denkt: „ W e r sich den Teufel zu veischlukken entschlossen h a t , mufs ihn nicht lang .begukken. Und wär's ein Pferdehaar, nur frisch
hinüber!
W e n n w i r erst drüben sind, ist Zeit genug su sehn, w i e 1 «
möglich
war."
Das nennt ihr k l u g gedacht, nicht w a h r ? und denkt: I c h es e b e n
so
gemacht.
I n euerm Kabinette, da l.iss' icli's gelten, Herr ! doch an der Stätte, da ging's w o h l langsamer! G.cuug,
hätte
D E S
M A U I , T H I E K S
Z A U M .
331
Herr G a w i n ritt hinüber — Sprecht w e n n ihr w o l l t : „ I h n trug sein Maul hinüber; so was zu thun durch Feengunst ist keine K u n s t : " und dennoch setz1 ich z w a n z i g Mail» an einen Stüber, auf eben diesem Maul wär't i h r
zurück geblieben.
In solchen Fällen, meine Lieben, macht nur der Glaube stark. Seibit Mahomeds berühmtes Maui ist ohne ihn nur ein gemeiner G a u l ; nnd Glauben, w o nur Glauben helfen kann, den hat nicht jedermann!
Herr G a w i n
also w a r nun drüben,
und ritt getrost in vollem Lauf bis an das Schlofs hinan. Auf einmahl that ein T h o r sich auf, und ihrer sieben zu Pferd und w o h l
bewehrt
dis sprengten ihn mit ihren Speren an.
D A S
SOMMEK.MAHKCH£&.
Mein Ritter stellt sich stracks v o r einen Baum, und r u f t : „ I h r Herrn, von allem w a s «lieft Schlofs enthält • e r l a n g ' i c h n i c h t s , nichts in der W e l t , als meines Maulthiers Z a u m . " „ D e r Zaum ist d e i n , so f e m d u i h n v o n uns g e w i n n s t , " erwiedern die Ritter i h m sogleich. — Von euch und allen euern Brüdern, r u f t G a w i n ; n u n herbey, z w e y oder drey, ja alle sieben meinetwegen gleich auf einmahl. D e r Schafe Z a h l macht nie den W o l f verlegen.
Mit
Hohngelächter
erwiedert i h m der sieben Wächter des Zaumes e i n e r : „Glaubet mir, Herr
Isegrim,
D E S
M A Ü I I H I I K !
Z A U M .
nehmt einen guten R a t h : kehrt ohne Zaum zuTück auf eueTm Thier, und sprecht von Gliick dafs i h r m i t euern Ohren w e g g e k o m m e n v o n solcher
That!
Schon mancheT arme Tropf, der's
unternommen,
i s t ohne Kopf zurück
geschwommen."
DA, n i m m die A n t w o r t ! — sclireyt i m Grimm der R i t t e r , 9etzt sein Maul in Fing, höhlt aus , und spaltet auf Einen
Zug
des Prahlers Kopf bis an den Sattelknopf; und eh' der Streich erkaltet fliegt h i e r ein Arm und dort ein Schop u n d , auf mein W o r t , so g i n g ' s i n E i n e m f o r t : Köpf', A r m ' und Bein' und Schulterblätter fliegen,
DAS
S OMMEnM AH r
C
II C N.
bis alle sieben kurz und Klein Auf einem Häufchen liegen. Wie nun nach solchem schweren Kampf der Ritter sich die Stirne wischt, und sich erfrischt mit einem Mundvoll L u f t , wird aus der Leichen blut'gem D u f t ein dicker schwaTzer Dampf, und — was geschah? Flugs stehn, mit Ungeheuern Rachen voll blauer Flammen, sieben D r a c h e n anstatt der sieben R i t t e r da. Herr G a w i n stutzt, allein verliert darum die L u s t zur Sache nicht; er haut und sticht um sich herum, und trutzt dem ganzen Höllenheer; auch ist-sein Maul in diesem Straufs nicht faul, sprengt inutliig durch diefs Feuermeer, und stöfst und schlägt mit Kcipf und Füfsen.
D E S
Vergebens
M A U L T
H I E R S
Z A U M .
giefsen
die Drachen F l u t auf F l u t Von Ranch nnd Glutli; ihr Feuer ist zum Glück nur kalt, nnd bald erstickt's in ihrem B l u t ; in drey bis vier Sekunden ist alles rein verschwunden.
W a s wehrt dem Ritter nun die Burg sich aufzuthun? E i n Wunderding w i e i h r noch keins gesehen! D i e ganze B u r g auf einmahl fing sich an zu dTelien, nnd so geschwind als drehte sie ein
Wirbelwind.
Hinein zu kommen stand eine Pforte offen z w a r ; doch da sie so im Drehen war, was mocht's dem Ritter frommen ? So w i e er sie erblickt
335
356
1 ) A S
S O M M E I I M A H R C H E ^ N .
ist sie entrückt. Das Vorderhaupt sich zu zerschellen war hier Gefahr.
In solchen Fällen ging G a w i n nicht zu Rath mit Fleisch und Blut. Der Mann, der über die Brücke r i t t , hat Muth für jede Tliat. E r stellt dem Schlofs sich gegenüber, und im Moment, wie er die Pfort' erkennt, sprengt er hinein.
Drin ist e r , und wird drinnen seyn, trotz allen Feen! Das Zauberschlofs hört auf zu drehen. Und G a w i n
schaut empor.
Da steht auf einem Elefanten ein himmellangeT Mohr mit einer Keule vor ihm da, fast dicker als der grofse Rah des grofsten Schiffs —
Man mufs gestehen,
DE4
M A U L T
H IEKS
ZAUM.
so ein Gigantengesicht b e y m I f l n t r i t t i n ein Schlofä zu seilen w ü n s c h t man sich eben nicht.
D e m Ritter galt's gleich viel. und
E r grüfst den E n s k s s o h n
spricht,
i m sanftesten Ton : „ W a s m i c h zu dieser Pfalz zu reisen t r i e b , Herr T h o r w a r t , däucht euch eine K l e i n i g k e i t v i e l l e i c h t : i c h k o m m e g a r nicht grofse Beute zu m a c h e n ; langet m i r den Z a u m von meinem
Tliier,
so sind w i r g l e i c h geschicdne Leute. '*
W i e ? w a s ? w a s w i l l s t d u ? — fährt der Mohr i h n schnaubend a n ? ein Kerlchen m i t getünchten W a n g e n , ein D i n g von
Marzipan,
k o m m t und begehrt ich soll den Z a u m i h m langen ? W a n n w a r d so w a s e r l i ü r t ? W i E t m m
Ȋttnmtl. W
XVIII. B.
Y
D A S
S O M M B R M A HRCHE
S.
Verlang 1 die Welt von m i r ; was mein daran ist, schenk' ich d i r ; allein den Zaum, mein Rind, verschenkt man hier nicht so geschwind.
» S o w e r d ' ich mir ihn selber hohleni versetzt der Paladin: ich bin blofs darum h i e r , Herr Z w e r g ; und müfst' ich ihn aus einem Berg von glühenden Hohlen mit meinen Fingern hohleni Vor deinem Weberbaum fflrcht' ich mich nicht. Nur nicht viel Zaudeina !
Meinen Zaum,
und' kein Gesicht!"
Das ist ein andres — spricht so höflich w i e ein Hochzeitbitter der
Goliath:
wenn's d i e Bewandtnifs hat, Herr Ritter,
BES
JYI A
U L T H I I JT S
Z . U M.
»o niufs er euer seyn, das merk 1 ich schon. D o c h freylich ohn* ein wenig Ann*- und Beine - brechen läuft's w o h l nicht a b , mein Sohn 1 Indessen bemßhii Sie Sich herein! D a s Essen wird angerichtet sevm Mach Tafel ist's noch
eit, davon
ein W o r t zu sprechen. Sie gehn hinein, und setzen sich in einem goldneu Sah! zum Mittagsmahl, der W i r t h legt dienstbereit von allem v o r , schenkt fleifsig ein, schwatzt lang und breit, und sucht nach Möglichkeit m i t plattem Scherz und gutein W e i n den Gast vergnügt zu ittachcn. Allein d e r bleibt bey Ja und Nein, ifst mäfsig, trinkt von E i n e m W e i n , ldfst seinen W i r t h auf eigne Kosten lach
DAS
SOMMERMÄHKCHEN.
so viel als ihm behagt, und kaum ist abgetischt, so stellt er auf und fragt : Wo ist mein
Zaum?
„Geduldet euch, (versetzt der S c h a u m i g r e m mit schiefem Mund) Nach Tafel gleich zum Werk zu schreiten ist nicht gesund. W a s hat der Aufschub zu bedeuten? Ihr seyd hier gern gesehn ; die Kleinigkeit, auf die ihr so versessen seyd, die — w i r d euch nicht entgehn." Der Piitter steht ein w e n i g stier und schweigt. — „Es ist ein Garten hier am Schlosse, spricht der M o h r : gelin w i r spazieren! Der Himmel ist mit einem Flor von Duft bedeckt; ins Gras gestreckt läfst's da sich herrlich — d i g e r i e r e n . "
D E S
M A U L T H I E R S
Z A U M .
341
Herr G a w i n schlendert m i t , u n d , s e i n e r I 0 6 ' zu w e r d e n ,
w i r f t er bald
sich hin auf M u t t e r E r d e Schoofs nnd thut als schlief er ein. E i n kleiner mit
Wald
Schlangen-
A l l e e n war nicht weit, da
sangen
viel
tausend
Vögelein.
D i e L u f t w a r w a r m , und unterm ^Zischelt und Sumsem
überall
im Gras und aus iden Büschen, und b e y m Unisono
von einem Wasserfall-,
der aus dem Hain von ferne plätschert, schlief er w i r k l i c h ein-.
D i e Sonne stand schon tief als er erwacht. Sein erstes w a r , er r i e f : Wo
ist
mein
Zaum?
D e r M o h r , n i c h t w e i t davon i m Grünen gelagert. lacht. Das nenn 1 i c h , sprach e r , einen Z a u m !
D A S
S O M K E H M Ä H B C H U ,
E r ist e u c h , g l a u b ' i c h , gar i m T r a u m erschienen ?
Indem liefs aus dorn Gartensahl ein liebliches Koncert eich hören. „ H e r r R i t t e r , alles d i e f i geschieht b l o f s ' e u c h zu E h r e n ! A u f , wenn'» euch nicht zu v i e l bemüht, u n d f o l g t m i r in den S a h l . "
D e m Paladin bleibt k e i n e W a h l als m i t z u g e h n .
Und w i e die Musika
zu E n d ' i s t , sieht schon w i e d e r ein Abendessen
da.
Man setzt sich nieder. Herr G a w i n ,
der J e n
Goliath
u n d seinen dicken W i t z in allen Gliedern hat, sitzt taub und s t u m m auf seinem S i u , und,
w e i l er sich
nicht anders hellen kann, so frifst der g u t e
Mann
v o r langer W e i l e
D E S
M A U L T H I E R S
Z A U M ,
543
ganz jämmerlich, und nagt an einer HammelsKeule bis nur der Knochcn übrig ist.
Noth war's,
zu so viel
Solidis
D i e Gurgel oft und stark zu netzen. A n unserm W i r t h w a r mind'stens diefs für w a s zu schätzen; sein W e i n w a r alt und rein,
N u n (spricht Herr G a w i n ) Jacht' ich doch es wäre Zeit den Z a u m zum Nachtisch aufzusetzen ?
„ W e n n Eure Herrlichkeit nur
noch
bis morgen sich gedulden m a g ! ( w i r d ihm zur A n t w o r t ) morgen ist auch ein T a g ; und einem Mann w i e ich läfst (ohne
mich
xu r ü h m e n ) sich's ganz sicher borgen."
D A S
S O M M E H M Ä H R C K E S .
N i c h t ohne Pein ltiuf» unser Ritter schon sich zwingen, die Nacht hier zuzubringen. Man ränmt das 6cl»onste Z i m m e r vom Schlofs ihm ein. Da glänzt in reichem Schimmer ein Bette, w i e ein T h r o n . H e r r G a w i n schickt die Knaben die ihn geleitet haben, und bleibt allein. Flugs trippeln euch d r e y oder v i e r Sy1 fiden durch eine Seitenthür vom Sahle zu i h m herein, in Anzug und Gestalt verschieden, doch alle jung und frisch. Die erste setzt in goldtier Schale den Schlaftrunk auf den T i s c h ; die zweyte hält ihm ein "Lavor v o n Silber und ein Handtuch v o r ; drauf schürzen sich die andern beiden ihn auszukleiden.
DES
M A U r. T H I E R S
Zaum.
545
ins Ohr gesagt — die Dirnen waren zum Mahlen schön, von schwarzen A u g e n , gelben Haaren, und A n n und 1' uls so fein, man kann's aus Elfenbein nicht schöner drehn. W a r u m der M o h r sie schickte das leuchtet ein : und nehmt dazu« dafi sie ein Nachtkleid schmückte, w o d u r c h man ohne Miili bnld diefs bald das erblickte, wonach man gerne schielt; und dann das grofse seidne Bette im Hintergrund — ihr fühlt w a s alles diefs bey manchem Ehrenmann f ü r F o l g e n hätte.
D o c h G a w i n w a r ein eigner Mann: er sagte nichts; lief» s i c h , so lang 7 es ihnen gefällig w a r , mit grofsem Ernst bedienen, und üfFnel drauf die T h f i r . „ D i e Junglern ( s p r i c h t e r ) werden m i r
S O M M K R M A H R C H IM.
DAS
z u m e i n e m Z a u m w o h l n i c h t veilielfen. k * n lien. D i e H i t z e w a r h e u t scharf — i c h w i l l die
Ruh
euch l ä n g e r nicht m i f s g ö n n e n .
Bon
soir!—
die T h ü l e
u n d , w e n n i c h bitten d a r f , zu!"
A l s n u n der T a g g e k o m m e n , steht G a w i n Dar
Kies'
auf u n d w a p n e t sich.
erscheint;
das
Frühstück
wird
genommen, — „ U n d nun , HeTT S c h l o f s v o g t , lafs' i c h m i c h nicht länger
necken;
den Z a u m ,
mit Einem Wort,
und wieder f o r t ! "
„ V o n Herzen g e r n , ( e r w i e d e r t i h m der s c h w a r z e H o l o f e m ) n u r m u f s i c h e u c h entdecken, d i e S a c h e h ä n g t an einer K l e i n i g k e i t , zu
der
i h r , wenn's beliebt, vorher gehalten
seyd."
DES
M t v i THIERS
Was ist's ?
ZAVM.
347
Heraus
damit! nur kurz und klar! „Nichts, als — um einen Kopf mich kürzer als ich bin zu machen. Bey unser einem zwar macht just ein Kopf so viel nicht aus: allein (ihr werdet meiner lachen) wie jeder Potentat so seine Grillen liat — der Schopf, mein Herr, der Schopf, der ginge mit, und den zu missen kann ich sogleich olm' einen Ritt mit euch mich nicht entschliefsen." Herr Schäker, (ruft voll Ungeduld der Ritter ) weil nun doch für meine Sündenschuld mit einem Thier w i e du herum mich zu Scharmützeln mein Schicksal ist, hör' auf mich zu bewitzeln, und sieh dich f ü r !
DAS
SoMWEBMAHKCHiT«.
D e r Heide „Nun,
schreyt:
wenn'» denn gelten soll,
so n i m m ! "
—
E s w a r ein S t r e i c h , so ungestüm, dafs , traf er voll, den ganzen Streit zu enden kein zweyter nötliig
war.
Doch G a w i n
wufste sich aufs Haar
so schnell zu
wenden,
dafs i h m die Keule nur ein w e n i g grob a m herunter
Schulterblatt
fuhr;
>ind eh' der G o l i a t h den Arm ziuiick z i e h t , fafst mein Ritter krüftiglich m i t beiden Händen sein gutes ScliweTt, und h a u t , w i e einen Ast v o m Baum , die Hand zusammt der K e u l e auf E i n e n H i e b dem Pocher ab.
Das Unthier flieht m i t gTäfslichem Geheule i h m w i l d für'seinen Schädel bang, u n d , ihn so lang 1 er kann zu sparen,
D E S
M A Ü I T H I E B S
Z A U M .
versucht er's wie v o r Jahren der Flufs A c h e 1 o u s', der ( w i e aus eueriti H e d e r i c h euch noch erinnerlich) einst mit A l e i d e n nm D e j ä 11 i r a rang. Er ho fit den Gegner zu ermGdcu indem der Streit in tausendfalten stets schrecklichem Gestalten «ich ohne Rast erneut. Drey lange Morgenstunden kämpft Herr G a w i n so ; t w a r immer Siegör, doch nie des Sieges froh. Dann, ist sein Feind als Einhorn oder T i e f e t beynah gedämpft, flugs steht er als Hyäne schon wieder da, und blökt drey Reihen Zähne, w i e B u f f o n keine sah. Bey allem dem behielt Der Ritter Muth,
55O
D A S
S O U M E H H A H K C U E S ,
zielt i m m e r seinem Feind n u r nach dem H u t , und zielt zuletzt so gut, dafs, w i e der Unhold oben zum Greif «ich log, sein
Kopf
zusammc dem Schopf auf dreyfsig Schritte flog Man h ö r t den Grund v o n seinem Fall erbeben, als stürzt' ein Berg i n einen tiefen Schlund ; u n d w i e Herr G a w i n um sich sali, •Weg w a r e n Ries' und
Greif,
und ein
zwerg stand vor i h m
da,
der bückte sich und sprach : „ G o t t geb' euch langes Leben, H e r r R i t t e r , folgt mir n a c h ; die Frau v o m Schlofs lüfst eure Gnaden Z u r Tafel laden." D e m Ritter riith nach solcher Mozion sein leerer Magen,
Ge.
I) t s
M A B L I H U B S
Z A Ü >1.
35|
die Invitazion nicht
auszuschlagen.
E r folgt dem Ganymed in einea Sahl, w o schon ein kostlich Malil für z w e y g e r ü s t e t s t e l l t ;
und eh* er's recht in Augenschein genommen. tritt eine schone Frau herein, macht ihren Knicks and keifst den Herrn willkommen.
Mein Paladin, w i e w o h l er sonst so leicht nicht Feuer f i n g ,
bleibt sprachlos vor lftv stehen;
ihm
diiucht
gleich ersten Blicks w a s schöners hab' er nie gesehen.
Beschreiben läfst sich, w i e ihr wifst, kein D i n g das — unbeschreiblich i s t ; drum sag' ich nichts als — alles was er sah w a r hoch zu loben, und noch zum Überflut» durch jede schlau« Kunst erhoben.
DAS
So)IMEKMi«KCHEB,
die sonst den Reitz ersetzen mufs. Die Dame stand so ganz w i e eine Göttin da, dais unser Mann vor lauter Glanz nicht wufste w i e ihm geschah, und bis er seine Anred' fand w o h l drcymahl husten mufste. Doch fafst er endlich sich, küfst eine Hand so weich als Flaum und weifser als der Schnee, und spricht: Verzeiht m i r , schune Fee» ich bitt' — in Untefthänigkeit — um meinen Zaum. „Davon zu sprechen hat's noch Zeit," Versetzt die Frau. — Er ist nur für» Verge»! erwiedert G a w i n ihr. > Sie spricht: „Setzt euch,zu mir, mein H e r r , ihr habt das Mittag Essen heut w o h l verdient." Für dieses Mahl erkühnt der Biedermann sich nicht noch stärker anzuhalten;
DES
M A O H H I E K
ZAUM.
355
d o c h legt er sein Gesicht in w e i s e Falten, und n i m m t sich v o r , w i e w o h l er gegenüber der Schönen sitzt, sein schwarzes Augenpanr so selten aufzuheben als m ö g l i c h
war.
D i e D a m e schien v o m blofsen D u f t z u leben, nach
Götterart.
Zusehends
ward
i h r Anselm trüber, die R o s e n w a n g e blafs, das A u g e nafs, nnd unterm leicht g e w e b t e n F l o r s c h l u g sichtbarlich ihr Ilerz h e r v o r .
Herr G a w i n — nnd merkte nichts.
aft ISlach einer W e i l e
verändert sie die
Batterie,
w i r d l e b h a f t , rcitzend — k u r e , verbraueht auf einmahl alle Pfeile, die A m o r s Hinterlist in Nektar taucht. VVIEI.ANIH samrnil. W .
X V I I I . B.
7.
Das
S O M M E R M Ä M R C H E ¡y.
„Und G a w i n ? " —
G u t ! der ifat
u n d trinkt f ü r z w e y , läfst sicli's recht w o h l behagen, vergifst jedoch das H a u p t w e r k nicht d a b e y ; denn kaum dafs man den Nachtisch aufgetragen, 80 stimmt er schon sein altes Liedchen an Wo bleibt mein
Zaum?
M i t unverhaltnem Schmers fahrt jene w i l d heraus: „Grausamer Mann, w a s hab' ich dir g e t h a n ? D u siehst so f r o m m und bieder aus, und hast ein Herz das — meinen T o d verlangen
kann?"
W i e , euern T o d ? I h r sprecht i m T r a u m ! I c h w i l l ja n i c h t s , bey G o t t ! als meinen
Zaum!
„Ilxr w i f s t , versetzt sie, w i e ich sehe, nicht w a s i h r w o l l t . —
Wohlan,
Des
M A i t i i i i u a s
ZAUM.
355
«o hört mich an! Ich bin die
Fee
Von diesem SchloTs, und meine Macht ist grofs. Ringsum sind "all' die schönen IBiigel und Auen m e i n ; und geht noch etwas ab, so schafft's mein Zauberst» bt Jung bin icli, w i e ihr seht, und , wenn mein Spiegel mich nicht belügt, nicht ohne Grund mit meinet Gestalt v e r g n ü g t : k u r z , H e r r , ich weiche keiner in allem was ein Mann bey einem W e i b e wünschen ka,nul und eine Gabe, die ich voraus v o r andern habe, i n diese: w i e ich bin so werd 1 ich i m m e r soyn. Und doch — so will's des Schicksals Eigensinn — i s t , w e n n ihr drauf besteht, nichts mein Von allem was ich bin : k u r z , (setzte sie hinzu, mit einem Blick, der einen Stein
35Ö
l)AL>
S O M M E K M A H H C H K N .
zu rühren fähig war ) mein Glück, mein Leben selbst steht nun bey euch allein." Erklärt mir dieses Räthsel,
(spricht
der Kitter) ich versteh euch nicht. 1
5,So hört.
Mein Vater, ein D r u i d
und grofser Z a u b r e r , als er schied, liefs Keinen Erben hinter sich, als meine Schwester nur und mich. Das Schwesterchen war schon geboren; aber — ich — Herr,
die Natur
empöret sich so etwas zu gestehn — Errathet's selbst! —
Der Alte, mich
nach Möglichkeit zu trösten , £ab nur dieses Schlofs mit allen seinen Schätzen, und seinen Zauberstab ; vermeinte jenen Mangel mir dadurch gar reichlich zu ersetzen: hingegen ihr vermacht' er nichts von aller «einer H a b * als n u i das F e e n t h i e r
D E S
M A Ü L T H I E K S
Z A U M .
357
das euch hierher g e b r a c h t , und seinen Z a n r o . A l l e i n , an diesem
Zaum
hangt eine Gabe v o n gröfserm W e r t h als eine ganze W e l t . D e r Z a u m erhält die
ihn
besitzt
bev
ewig
schöner
J ,u g e n d , und ist sie nicht schon Wohlgestalt, so m a c h t er sie dazu. U n d n u n , ermesset selbst — i n einem N u ist's k a l k u l i e r t , H e r r Ritter —
ew'ge
Ju-
gend und e w ' g e r
Reitz!
—
W a s ist die A l l g e -
walt des Z a u b e r s t a b s ,
verglichen mit der T u g e n d
des W u n d e r z a u m ! ? —
W a s nützt
m i r sonder i h n diefs SchloTs und alles G o l d w o v o n es b l i t z t ? D i e F o l g e r u n g , mein H e r r , ist leicht z u ziehn. I c h w a r so k l u g Und that — w a s alle W e i b e r thäten an meinem Platz. Die
Jungfer
Schwester
ist
für
hübsch
sich
genug,
•i« hat des Z a u m e s n i c h t vonnöthen.
schon
DAS S O M m ti: M A
H,
R C H E N.
Und fordert sie Ersatz: hier ist mein ganzer Schatz! ich will ihr alles geben ; den Zaum n u r lass' sie
mir;
w e r d e n m i r n i m m t , n i m m t m i r das Leben ; und i h r , H e r r i l n r e r , könntet i h r euch selber solchen Mord
vergeben?
O , lieber bleibet h i e r ! I h r habt der Abenteucigenug bestanden — bleibet hier, und theilt des Zaumes F r u c h t m i t mir ; w a s ich besitz' tyid bin — ist euer 1 " H e r r G a w i n ki'ifst der Dame dankbarlich die Iland und spricht:
Auf welche Seite
die B i l l i g k e i t sich neig' in diesem Sehwesternstreite, das ist ein P u n k t , w o m i t ich mich nicht gern bofasse j ich lasse die Frag* in Statu quo : u n d , habt i h r Unrecht »ach der Schärfe, so w e r f e die F r a u , die u m den Z a u m nicht eben so zu freveln fähig wäre,
D E S
M A U L T H I E R «
ZAVM.
559
den ersten Stein auf euch! Allein diefs alle» gilt mir gleich : der grofse Punkt ist —
GawinsEhre
steht auf dem Spiel! Den Z a u m zu hohlen ward mir befohlen. Ich gab mein W o r t : das ist so viel als hätt' ich tausend Leben zum Pfand gegeben. Des Z a u m e s wegen kam ich an, und was ich that, ward um d e n / a u m getlian' Ist jemand, der ihn mir an eurer Stelle noch streitig machen will, Ries' oder Krokodill und Teufel aus der Hölle, so komm' er her! —
Wo nicht,
so küss' ich eures Rockes Saum, und — f o r d r e m e i n e n
Zaum.
Die Dame ruft mit glühendem Gesicht und einem lauten Schrey: So b r i n g t i h m s e i n e n Z a u m h e r b e y l Ab geht der Zwerg. —
Die Dame wendet
sich und weinet bitterlich.
D A S
S O M M E R M Ä H R C H E N .
Der Z w e r g kommt wieder, beladen mit der goldnen Last, und w i r f t sie vor dem Ritter nieder. D e r fafst m i t beiden Händen stracks die w o h l verdiente Beute, kehrt drauf sich nach der Frau — allein, die hatte sich indessen auf die Seite gemacht.
Von ihm gesehn zu seyn
WÄT' ärger itzt als Todespein; denn ach! verschwunden ist bereits, fataler Z a Hm , mit dir — ihr ganzer Reitz ! Mein R i t t e r , ohn' ein W o r t zu sagen, eilt nach dem Stalle, zäumt sein Thier, ( d a s , närrisch schier vor Freude, seinen Schmuck zu tragen, bis »n d i s Decke springt) und schwingt sich a u f , und fliegt mit seinem Zaum so leicht davon, dafs auf der grünen Erden des Grases Spitzen kaum gebogen werden. Der Dame w i r d nach ihres Zaums Verlust die weite W e l t zum iVumpfen Kerker:
15 F. s
MAVITKIERS
ZAUM.
361
sie rauft ihr Haar, zerkratzt sich W a n g ' und Brust, lauft hin und her, kommt endlich in den Erker, und sieht, ontsetzliches Gesicht! den Mann, der ihren Keitz entführt, sieht w i e er flieht — erträgt den Anblick n i c h t ! Das arme W e i b verliert vor W u t h und Schmerz die Sinne ganz, und — ( w a s sie that, nachdem's d e r R e i m euch schon verrathen hat, verdriefst mich euch zu sagen i denn, macht nicht, ohne was zu wagen, der dümmste stracks ein witziges Gesicht, und wettet was man w i l l , er folge nun: u,n d sticht sich einen Dolch ins
Herz.
Herr G a w i n auf dem Rückweg fand nichts bis nach A r t u s Hof als schönes ebnes Land. Von Flufs und Brücke, Schlangenthal und L ö w c n w a l d kein W o r t !
D A S
S ( I H M E H H A « Ä C « t l ,
Die waren allzumahl verschwunden! Kurz,
ruhig trabt er fort,
und langt in w e n i g Stunden zu K a r d i g a n bey seinem — Liebchen an. D i e hatte Kaum aus seiner tapfern Iland, im Angesicht des Hofs, der rings um beide stand, den Z a u m
empfangen,
so glänzt' um ihre Wangen ein neues Licht. Sie w a r vorher schon hübsch zu nennen, doch irzt vor lauter Schönheit kaum noch zu erkennen. Die Damen und die Ritter sahn Sie neidisch — I h n mit Mifsgunst an, Allein Herr G a w i n
lacht.
Komm, Liebchen, spricht er, lafs uns wandern n i m m t flugs mit einer Hand den Zaum. das Mädchen mit der andern, und gute Nacht!
Eil ODER
V O G E L S A N G . DIE
DREY
LEHREN.
85
D E R
V O G E L S A N G
OUCH S I S
DHEt
L E H 11 t i .
l)
V oi" etwa sieben hundert Jahren Und drüber, lebt' in meinem Schwabenland Eni reicher Erdensohu, von Nahmen unbekannt, (Weil »eine Alinen stets geheim geblieben waren) Und drum kurzweg der r e i c h e H a n s genannt. Von Gottes Gnaden halte der Ein schönes Schlofs, — das bessern einst als er
Zum Aufenthalt gedient — mau weifo nicht wie, gewonnen; Wie nun einmahl in dieser Unterwelt Nichts lange seinen llerrn behält, l ) Nach dem Lays Fabliaux
»t Gontet
de l^Qiselet ete. V. I. p. i j y .
in den
366
D E R
V O G E I . S A P . G
U n d , was ein braver Mann begonnen, D u r c h einen schlechten wieder fallt; G e n u g , H a n s halt' es niilx gewonnen. Das schönste Sclilofs, das von der lieben Sonnen Je angeschienen w a r d , seitdem E s Schlösser giebt.
Es lag gar wunderangenelim,
Gebaut v o n schönen Quadersteinen, G e r ä u m i g , srattlich und b e q u e m ; Von ferne konnt's das s c h ö n s t e K l o s t e r scheinen. I c h sage nichts v o n all dem feinen Gerätlie d r i n , den langen RoiVn V o n Sählen, Z i m m e r n , grofs und klein, Und w i e da ringsum alles schimmcrt Und wiederscheint und blitzt und flimmert V o n Silber, Gold und edlem S t e i n ; Nichts von den Kellern voller W e i n , Von w e i f s e n , p u r p u r n e n u n d gelben. Aus Wälschland, Frankreich und vom Rhein, N o c h von den Kammern und Gewölben, Bis oben an m i t allem voll, W a s , nach dem alten Spruch,, ein Weiser Gern h a b e n , leicht entbehren soll. E i n W o r t f ü r tausend , selbst der Kaiser Z u W i e n in seiiiem alten Sclilofs
ODER
DIE
B R E Y
L i H R t N .
(Geleit' ilm Gott auf seinen Reisen!) Hat kaum mehr Reichthum aufzuweisen Als I l a n s in seiner Burg verschlofs. W i e er's handhabte und genofs, Das w i r d sich in der Folge weisen. Und eine schone Treppe ging Vom Schlofs herab in einen Garten, Der hundert Morgen wohl umfing, Den wie ein Gärtner zu beschreiben, Damit geschah' euch, w i e ich weifs, Kein grofser Dienst; drum lass' ich's bleiben Genug, es w a r ein Faradeis. Alles , was Aug' und Gaum und Nase Gelüsten k a n n , das fand man hier, Nicht blofs im Treibhaus hinter Glase; Frey stand es da i m frischen Grase, Und bläht' und reifte für und für. Auch w a r in diesem Blumenreich Die Luft so heilsam, rein und weich, Dafs Leute, die zum Sterben lagen, Auf ihrem Bette hierher getragen Und unter Bäume auf den Rasen Gelegt, i n Einer Nacht genasen.
56g
D t ¿t
Vv>i>iii-sAi«ö
E s geht d o c h , sagt m i r was i h r wollt. Nichts über W a l d und Gartenlebcn, Und schlurfen ein dein trinkbar Gold, O Morgensonn', und sorglos schweben D a h e r i m frischen Bltimenduft, U n d , mit dem sanften Weben D e r freyen L u f t , Als w i e aus tausend offnen Sinnen D i c h i n sich zielin,
Natur,
und ganz in dir verrinnen !
W o war ich? t -
Gutes V o l k , v e r z e i h t !
Ich liefs euch doch nicht lange w a r t e n ? D e r A b w e g ist zum Glück nicht
weit;
W i r sind ja noch i n I I a 11 s e « s Garten.
Der
war
nun,
wie gesagt,
ein zweytes
Pai adi-13 ; Und mitten drinnen
stand
ein
siebenfacher
Kreis V o n alten himmelhohen I.inden, D i e ihre Aste wechseslweis S o vielfach in einander winden,
O D * R
D I E
D T L L
L E H B I K ,
3(19
So dicht, däfs ihre grüne Nacht Den hellen Tag zur Dämmrung macht.
Im engsten Kreise zog ein Kranz von Rosenhecken Sich her um einen vollen Quell, D e r , kalt wie Eis und spiegelhell. Sein perlend Wasser in ein Becken Von grünem Marmor gofs.
Des Sommers strengste Gluth,
Der schärfste Strahl der schwülen Mittagsstunde, Erlosch i n diesem kühlen Grunde ; Ein lieblich scharfer
Geist
erfrischet
hier
das
Blut,
Frischt Laub und Gras,
und nährt mit ew'ger Fülle
Den i m m e r grünen Hain ; und w i e in seine Stille Eiu D e n k e r t r i t t , so freut er sich, a l l e i n , Und ist's ein L i e b e n d e r ,
so wünscht er z w e y zu seyn.
Nun merket a u f ! — Ein
Vögelein
Kam jeden Abend, jeden Morgen, Und füllte diesen Ort mit lieblich, rn Gesang. W I K L A N D S SÄMMTJ. w
X\ II'. R.
A ¡1
570
D E R
V O O E L S A N «
Es sang in dichtem Laub verborgen, Und aller Vögel Sang und Klang Verstummte flugs so bald es sang.
Der Vogel schien, so anzusehen, An Federn ein gemeiner Spaz, Und kleiner n o c h : doch, zum Ersatz Für beides, hatten ihn die l e e n Gar sonderbar begabt, zu singen frank und froh B a l l a d e , V ir el a y , Hönde
au,
Und tausend schöne Melodeyen, Die einem Leib und Seel' erfreuen. Da w a r kein Schmerz noch Gram so gTofsf Der nicht in seinem Sang zerflofs; Ihn singen lioren, oder trinken Aus L e t h e ' s F l u t , w a r einerley, Sang er von L i e b e , (zumalil im M a y ) So w a r ' s unmöglich nicht zu sinken In wonnigliche Träumerey; Und sang er F r e u d ' im bunten Kranz, Gleich hob sich jeder Fufs zum T a n z ; Und wenn er R i t t e r t h a t e n sang, W a r d einem stracks nach Kämpfen bang.
ODER
DIE
DKIT
LEHREN.
Der Vogftl hatte noch was sonderlichs sich ; D e n n , w i e er von dem Garten w i c h , Fiel alles L a u b , die schönen Bäume Verdorrten um die Quelle her. Die schöne Quelle sprang nicht mehr, Und jede Blum 1 erstarb im Keime; Das ganze Paradeis verschwand, Nichts blieb als Fels und dürrer Sand. H a n s , dem diefs alles zugehörte, Kam täglich einmahl, zweymahl auch, Gewackelt in den H a i n , und hörte Dem Vogel z u , das war sein Brauch, So bald er Morgens aus dem Bette Gestiegen w a r , und kurz vor L i c h t ; D o c h , dafs er was empfunden hätte, Das w a r nun seine Sache nicht. Denn essen und trinken zum zerplatzen. Und schlafen, und i m — Kopfe kratzen. Und täglichstags sein Porzellan Und seine goldnen Becher wischen, Und mit dem Amtmann und Kaplan Die Dame ziehn und Karten mischen, Auch dann und wann in Winteriagen
!
37^
D B H
V O O E L S A N O
Ein Häschen d u r c h die Saaten jagen. Und flacken auf dem Ruhebett, U n d , w e n n i h m alle» sonst w i l l fehlen, Sich schliefsen in sein Kabinet Und seine R o s e n o b e l zählen — Diefs H a n s e n s T h u n u n d Lassen w a r Z w ö l f Monat lang in jedem Jahr. E i n s t stand der lappichte Getclle Und w u s c h die Augen aus der Quelle; D a w i r b e l t aus dem L a u b h e r v o r Diefs Liedchen i n sein dickes O h r :
„Ihr Ritter und ihr Frauen zart, So roth von Mund und Wang", Und junge Knappen edler Art, Horcht alle meinem Sang! Seyd euerm Liebchen treu und hold; Und dient ihr um der Minne Sold, So sey's auf lebenslang! „ D e m Mann der ohne Liebe bleibt, Und doch vor innerm Drang Sich rastlos hin und wieder treibt,
D D E «
DIE
DR E r
L E H D E N .
Tsl's in der Haut so bang! Ist alles ihm so k a l t , so todt! Er ist w i e Wangen ohne Roth Und Geigen ohne Klang.
„Doch Liehe sonder Ehre war Ein Feuer ohne Glanz, Ein Sommertoölkchen, bunt und leer, Ein welker Blumenkranz. Ein Biederherz ist wahr und frey, Und wenn es liebt, so liebt es treu, Und giebt sich rein und ganz.
, , W a s hebt uns bis zum Götterrang Das thut die L i e b e , traun! Drum horchet alle meinem Sang, Ihr Ritter und ihr Frau'n! Wollt ihr den ächten Minnesold, Seyd euerm Liebchen treu und hold Und liebt auf lebenslang!"
374
D E R
V O O E I . 8 ' A N O
H a n s , der nicht fern am Brunnen stand. Horcht nach dem Sänger u n v e r w a n d t ; D e n k t bey sich selbst: Potz Stern, das w ä r e E i n T a u s c h ! D e r H o n i g , w i e ich liörs, I.iebt die M u s i k ; er gäbe mir, W e n n ich den Vogel ihm verehre, W o h l einen Meierhof d a f ü r ! Z w a r tingt er h ü b s c h ; allein, was schere Ich m i c h um seine D u d e l e y ? K o m m t doch zuletzt nichts 'raus dabey! Der Vogel hörte W o r t f ü r W o r t Was jener m i t sich selbst gesprochen, Und sang aus voller Kehle :
, , 0 du holder Ort, W a s so arges hast du w o h l verbrochen, D a f s du einem d i e n s t ,
der deinen
Werth
nicht f ü h l t , Der,
s o lang' er l e b t ,
n i e in
den R i n g
gestochen, Nie
des
Ruhmes,
nie
der
Liebe
Preis
erhielt ? Fallt ihr schönen E r k e r , T h i i r m e ,
Hallen,
O D E R
D I E
D R ER
L E H K E N .
Und ihr grünen dichten Bäume,
375
lafst es
fallen Euer Laub! und du , die zwischen Blumen spielt, Kühle Quelle, höre auf zu wallen, Und vertrockne, dafs diefs Immergrün Sterb' und alle Blumen stracks verblühn! Unter euern Schatten, hohe Linden, Gingen
wackre
Ritter
einst
und
edle
Herrn, Und aus euch, ihr Rosen, Kränze binden Sah ich Frauen, schöner als der Morgenstern ! Und sie hörten meine Lieder gern; Denn sie hatten Lieb' im Herzen! desto lieber W a r ich ihnen und mein Liederspiel, Und vor wonniglichem pressendem Gefühl Gingen manche klare Äuglein über; Und der liederwerthen Thaten. wurden viel Viel gethan, und mancher Dank erstritten,
3"76
DER
V o g e l
SANÖ.
Und sie lohnten defs der Lieb' und mir; Denn noch wohnten adeliche Sitten, Ritterschaft, Gesang^und Minne hier. Und es sollte nun mich nicht verdriefsen, Dafs mich so ein Schufft besitzen s o l l ? Der dief« alles hat und vom Geniefsen Nichts versteht — ein roher grober Knoll, Der sich selbst nur lebt und seinen Lüsten, Nichts begehrt als ewig Bauch und Kisten Anzufüllen, fübllos bey Gesänge bleibt, Und die Zeit dabey mit Gähnen sich verlreibt."
So sang das Vögelein und flog davon. Gut, schimpfe n u r , du kleiner Hurensolm, (Denkt H a n s ) du sollst mir jedes W o r t bezahlen, l nd m i t
Provision!
Als nun der Abend kam, kam mit den legten Strahlen Auch, w i e gewohnt, mein Vögelein Zurück in seinen lieben Iiain,
ODLR
DIE
DliEY
L'IllRiS,
oll
Sein frohes Abendlicd zu singen, Indessen hatte H a n s die Linde und den Ast, Wo es zu sitzen pflag, sehr wohl ins Aug' gefnfst, Und überall so viel geheime Schlingen Im Laub versteckt, dafs sich da« arme Ding, So wie's geflogen kam, in einer Schleife fing. Der Schalk, von einer grünen Mauer Verborgen, eilt herzu, so bald er's zappeln hört, Maeht den Gefangnen los, der tausend Kronen Werth Ihm unter Brüdern däucht, und steckt ihn in ein Bauer. Der Sänger spricht: Ich seh' es schon, So wie der Herr, so auch der Lohn. Das hab' ich nun für all' mein Singen! Doch, dürft' ich's sagen, wohl gethan War's eben nicht mich so zu fahn; Es wird euch wenig Roson bringen. »Da sollst nur desto bafs mir singen'. Sonst sangst du oder schwiegst auch still: Itzt s o l l s t du singen w a n n i c h w i l l . "
578
D E R
V O G E L S A K O
Da (sprach der V o g e l ) irr't er s i c h ! Der Käfig ist m i r stark zuwider. Ich liebe freyen Himmel, ich, Und Wald und W i e s e n ; setze mich W o mir's beliebt im Grünen nieder, Und w i e g e mich nach Herzens Lust Auf meinem A s t ; und, sing' ich Lieder, So sing 1 ich sie aus freyer Brust. Drum, lieber Herr, seyd nun so bieder Und schenkt mir meine Freyheit w i e d e r : Denn, glaubt m i r , da geht nichts davon, I tu B a u e r s i n g ' i c h k e i n e n T o n . „Dem (spricht der L a u r ) ist bald gerathen; So dreh' ich dir den Hals, mein Sohn, Und esse dich für einen Braten." O H e r r , das lohnte wahrlich nicht Die M ü h e , nur den Tisch zu decken; Bin gar ein kleiner magrer Wicht, Ich blieb' euch zwischen den Zähnen stecken, Bis in den Magen kam' ich nicht. Mein guter J u n k e r , lafst mich leben!
ODER
DIE
DHE*
L
EHREN.
Was hättet ihr von meinem T o d ? Euch kann er w e n i g Vortheil geben, Und mir ist länger Leben noth. Am End' ist doch nichts über L e b e n !
„Hör auf zu bitten, sag' ich dir; Mit Bitten kriegt man nichts von m i r . "
Nun (spricht der V o g e l ) seil' ich wohl Das alte Sprichwort ist nicht h o h l : Mit groben Leuten höflich seyn, Keifst Wasser giefsen auf einen Stein; Der Stein w i r d nicht durch Wasser weich, Der Laur nicht mild durch Höflichkeit. Doch sagt ein andrer Spruch zugleich: Der Weise schickt sich in die Zeit. D r u m , L i e b e r , macht den Bauer auf, Und lafst mir wieder meinen Lauf : W i l l euch zum Dank d i e y D i n g e lehren, Die nie kein Mann von euerm Stamm Gewufst, von Sinn gar wundersam; Die sollen euch grofs Gut g e w ä h r e n !
„Was giebst du m i r zum Unterpfand?'
38o
D E R
s A. r* G
V o c e r .
Mein E h r e n w o r t , versetzt der Sänger ; E s gilt f ü r bar i m ganzen L a n d .
W o h l , denkt der schlaue Vogeltanger, E s kann doch was dahinter seyn; Ich n e h m ' es m i t , kann alles brauchen : Und d u , ljochweises Vögelein, Sollst dir die Füfschen bald v e r s t a u c h e n ; Bis morgen bist du wieder
mein!
Somit schiebt er den Bauer auf Und läfst dem Vogel seinen L a u f . D e r schnurrt heraus aus seiner Hohle, So f r o h w i e eine arme Seele, Die aus des Fegfeu'rs F l a m m e n n a c h t E i n frommer Klausner frey gemacht. E r h ü p f t und tanzt i m Kreis u m h e r , Als ob er neu geboren w a r ' , Setzt d a n n , indefs der J u n k e r pafst, Sich w o h l g e m u t h auf einen Ast.
N u n spitz' die O h r e n , edler K n e c h t ! M e r k ' jedes W o r t und fafs' es recht, So w i r d dir's bringen viel G e w i n n ;
ODER
DIE
DREY
U H B E * .
38
l
Es liegt darin ein gtofser Sinn! Glaub' n i c h t g l e i c h a l l e s w a s du höi-st! „Dafs du dem Geier im Schnabel wär'st! Versetzt der Jnnker grimmiglicli; Das wufst' ich lange ohne dich! " Gut, bis du'» brauchst, halt's warm indessen! So etwas ist gar leicht vergessen. „Nun seh' ich w o h l , mein saubrer Gast, Dafs du mich nur zum Besten hast. Das erste was du mich gelehrt, Ist keinen rothen Häller wei th ! Du hast den Lohn umsonst genommen. Doch sey's ! lafs nur das a n d r e kommen ! " Merk' wohl aufs Wort, (Jev Vogel spiicht) Du wirst es brauchen! — „ W e i n e n i c h t Um e t w a s das du n i c h t g e h a b t ! H a n s schreyt: „Da haben wir's ertappt! Ein fein A r k a n n m , Goti verdamm' es' Dafs ich der eiste meines Stammes
382
D E R
V O O E I U S O
Seyn sollte, der von dir das noch Erst lernen müfste ! Hütt1 ich doch Den Schelmenhals dir umgedreht! "
Der Wunsch
(spricht
jener)
kommt
spät. Indessen, dais du sehen magst W i e ungerecht du mich verklagst, Sey nochmahls beides dir empfohlen ! Soll ich dir's etwa wiederhohlen? Von Herzen g e r n ! —
„Du mufst mich wohl, ( S c h r e y t H a n s ) um so mit mir zu walten, Für einen grofsen Esel halten ? Denn hält' ich auch ein Haupt von Kohl M i t Spreu g e f ü l l t , so kahler Lehren, Zum Henker! könnt' ich doch entbehren. D o c h , w e i l du nun im Vortheil bist, Lais immer noch das letzte hören ! W e r w e i f s , ob's nicht das beste i s t . ' "
Das, spricht der V o g e l , könnte seyn. Nur fafs' es w o h l ! — Es gleicht dem S t e i n
O D E R
Der Weisen,
D I E
D K E Y
L £, H R F. N .
3Ö3
W e r d e n machen kann,
D e r w i r d gewifs kein armer M a n n ! Merk' auf m i t Fleifs! w i e w o h l es heut Z u spät k o m m t , kann's zu andrer Zeit D i r viel vergebliche Reu' ersparen. N a r r , was du in den H ä n d e n
hast,
H a l t fest-, u n d l a f s es n i m m e r
fahren!
W i e H a n s diefs h ö r t , e r g r i m m t er fast. „ S o , schreyt e r , hälst du dein Versprechen? O ! könnt' ich dir die Beine brcchen! Ist diefs dein W o r t ? ist diefs mein D a n k ? " N u n , guter F r e u n d , was soll der Z a n k ? Gab ich dir nicht d r e y g o l d n e
Lehren?
W a s kannst du w o h l noch mehr begehren ? „ E i n fein Geschenk, bcy meiner T r e u ' ! Man dächte was dahinter sey! Ich w u f s t ' in meinen Rindertagen Dergleichen schockweis' aufzusagen." So gut als irgend eine Gans, Versetzt der V o g e 1. Mein guter H a n s , D i e Augen aus dem Kopf gegeben Mit Freuden hattest l i e b e r du,
384
D B »
V o G i - I S A K ü
Und beide Ohren noch dazu, (Wärest du gescheid} als m i r das Leben. „ W i e so? wie s o ? Was hätte mir'» Geholfen, dich zum Koch zu tragen ? " Gar viel geholfen hätte dir's ! Unglücklicher! In meinem Magen Iiätt'st du gefunden einen Stein, D r e y U n z e n schwer, und hell an Schein Wie Diamant, der auf der Stätte Zum reichsten Mann gemacht dich hätte. Denn wer den Stein besitzt, der weifs Was künftig ist und was vergangen ; Die GeisteT kommen auf sein Geheifs; E r darf nur wünschen, nur verlangen. So steht es da, ist alles sein! Dein guter Engel gab dir ein Mich heute noch am Spiefs zu braten; Hätt'st du gefolgt, der Stein war dein! Doch einem Narr'n ist nicht zu lathen. H a n s , wie er diese Nachricht hurt, Sich wüthcnd in die Haare fährt, Schlägt mit der Faust sich vor den Magen,
ODER
DIB
BREY
LEHREN.
385
Zerreifst sein Wamma und seinen Kragen Von Spitzen, hundert Thaler werth, Und füllt den Wald mit lauten Klagen, Der Vogel sieht in grofser Ruh Dem Spuk von seinem Baume z u ; Sagt nicht ein W o r t , bis Mantel, Kragen Und W a m m s , und W a n g e , Bart und Haar» Sich H a n s zerfetzt hat ganz upd gar. Drauf r u f t er: Narr, hör' auf zu zagen; Der Schade darf dich so nicht plagen; Es ist kein W o r t von allem wahr Was ich vom Stein dir vorgetragen, „ W i e ? w a s ? So war's nur L u g und T r u g ? " D u sagtest j a , du scy'st so klug Man könne dir nichts neues sagen? D u wissest alles schon vorher? Als du mich fingst, du dummer Bär, Da war ich keine Unze schwer; W o käme denn in meinem Magen Ein Kiesel von d r e y Unzen her? »Nun seh' ich's freylich nur zu seht, Erwiedert H a n s mit nassem Blicke! WitlASDi sämmü. W. XVIII. B.
Bb
jgS,
DER
VoouLsAiNOr
W e r aber liätt' auch, solche Tücb» D i r zugetraut?"
Begreifst du. nun, T h o r ; W o r t e sind nur L e e r e S . c b a l e - n : Der S i n n ist a l l e s . , der S i n n , der S.inn!• Allein fjii d i c h ist keiner drin !• Die Lehre magst du nun bezahlen,! D u wüßtes* alles längst zuvor — Was half dein. Wissen?
Pinsel, Thor !
Hätt'st du verstanden es a u s z u ü b e n « Dein Kragen und Wamins wät 1 gana geblieben! So merk' nun meine Lehren dir. Und sieh dich künftig besser für. Sie kommen dir hoch genug zu stehen! Hiermit leb' w o h l , auf Wiedersehen!
Der V o g e l flog davon und soll Noch wieder kommen.
D u m m und toll
Steht H a n s ; ihm ist als ob ihm träume: Und, wie er steht, o wundervoll! Fällt alles L a u b , die schönen Bäume Verdorren plötzlich, rings urnher.
ODER
DIE
DIVEr
L E U K E » ,
Die schöne Quelle springt nicht mehr. Die Blumen sterben all' i m Keime, W e g ist das ganze Feenland Und ihm bleibt nicht aU dürrer Saud.
ENDE
DES
XVIir.
BANDES.
L e i p z i g gedruckt bey Georg J o a c h i m
Göschen.