Bulletin des Arbeitskreises “Zweiter Weltkrieg”: Nr. 1/2, 1971 [Reprint 2021 ed.]
 9783112593028, 9783112593011

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BULLETIN DES

ARBEITSKREISES

"ZWEITER

WELTKRIEG"

Kr. 1/2

1971

Der Kostenbeitrag für dieses Heft beträgt

3,00 M

Er i s t einzuzahlen auf das Konto Nr. Stb. 6836-26-203 92 Zentralinstitut für Geschichte der DAW bei der Staatsbank, Berlin, oder auf das Postscheckkonto 24-00 Berlin über die Staatsbank Berlin

INTERNES

ARBEITSMATERIAL

Herausgeber: Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Zentralinstitut für Gesphichte Bereich Deutsche Geschichte 1917 - 1945 Abteilung 1933 bis 1945 104- Berlin, Oranienburger S t r . 51, Tel 42 68 41 Verantwortlich für den Inhalt: Dr. s c . Gerhart Hass Redakteur:

Rosemarie Rundfeldt 337.7 Ag 700/69 DDR 1/3/16

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B U L I, E T I H DES

Nr» 1/2

A R B E I T S K R E I S E S

"ZWEITER

1971

WELTKRIEG"

INHALT Prof. Dr. Wolfgang Schumann Heue Dokumente zur Politik des faschistischen deutschen Imperialismus zur "Neuordnung" Europas im Herbst 1940 Einleitung Dokument 1 Aus der Denkschrift der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Ruhr der Wirtschaftsgruppe Bergbau zur "Neuordnung" der europäischen Steinkohlenwirtschaft Dokument 2 Ausarbeitung des Deutschen I n s t i t u t s für Bankwissenschaft und Bankwesen vom 27« August 1940 zu fragen der Außenwirtschaft und der Währungspolitik nach dem Kriege

1) Zur "Neuordnungsplanung" der Reichsgruppe. I n d u s t r i e , des.Reichswirtschaftsministeriums und anderer s t a a t s monopolistischer I n s t i t u t i o n e n im Sommer/Herbst 1940. Vgl. D i e t r i c h Eichholtz, Geschichte der deutschen K r i e g s w i r t s c h a f t 1939-1945, Bd. I : 1939-1941, B e r l i n 1969,S.162 f f ; Wolfgang Schumann, Heue Dokumente der Reichsgruppe Indus t r i e zur "Neuordnung" Europas, i n : Jahrbuch f ü r Ges c h i c h t e , Bd. Berlin 1970; d e r s . , Die f a s c h i s t i s c h e "Neuordnung" Europas nach den Plänen des deutschen Mon o p o l k a p i t a l s . Programme der M e t a l l i n d u s t r i e , des M e t a l l e r z - und Kohlenbergbaus im Jahre 1940, i n : ZfG, 1971, H. 2, S. 224 f f . 2)

Das Anschreiben e n t h i e l t a l s Anlage die Abschrift eines Schreibens des L e i t e r s der Bezirkegruppe Steinkohlenbergbau Ruhr der Wirtschaftsgruppe Bergbau vom 7 . September 1940 an den R e i c h s w i r t s c h a f t s m i n i s t e r Walther Punk über die wicht i g s t e n Punkte d i e s e r D e n k s c h r i f t , Bundesaxchiv Koblenz, R 7 II» Nr. 615, B l . 82 f f .

3)

Zum Aufbau der Wirtschaftsgruppe Bergbau und des RheinischWestfälischen Kohlen-Syndikates v g l . Wolfgang Schumann, Die f a s c h i s t i s c h e "Neuordnung" Europas nach den Plänen des deutschen Monopolkapitals, i n : ZfG, 1971, S. 229.

4)

Buskühl war L e i t e r der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Ruhr der Wirtschaftsgruppe Bergbau.

5)

Becker war L e i t e r der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Aachen der Wirtschaftsgruppe Bergbau.

6)

Waechter war L e i t e r der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Saar der Wirtschaftsgruppe Bergbau.

7)

Bundesarchiv Koblenz, R 43 I I , Nr. 311.

8)

Vgl. Eberhard Czichon, Hermann Josef Abs, P o r t r ä t e i n e s K r e u z r i t t e r s des K a p i t a l s , Berlin 1969, S. 271.

9)

Vgl. dazu den Schriftwechsel zwischen Drescher und Reithinger vom 26. und 29. J u l i 1940 über den Austausch von Ausarbeitungen zu b r i t i s c h e n und französischen Kapitalanlagen i n Südosteuropa und zu anderen Fragen, Deutsches Z e n t r a l a r c h i v Potsdam, IG Farben, Nr. A 373, Bl. 382/383.

Heue Dokumente zur Politik des faschistischen deutschen Imperialismus zur "Neuordnung" Europas im Herbst 1940 Einleitung Im August/September 1940 wurden in den Wirtschafts- und Fachgruppen der Reichagruppe Industrie und in den Leitungen der einflußreichsten Konzerne eine Fülle von "Neuordnungsplänen", "Wunschprogrammen11 und "Vorstellungen für die Friedensplanung" entworfen. Der faschistische deutsche Imperialismus hatte Polen okkupiert, Dänemark und Norwegen besetzt und in einem "Blitzkrieg" Holland, Belgien, Luxemburg und große Teile Frankreichs in seine Gewalt genommen. Die meisten Staaten Südosteuropas waren seine Satelliten. Er beherrschte Europa vom Bug bis zur französischen Atlantikküste. Während die Angriffsvorbereitungen auf die Sowjetunion schon auf Hochtouren liefen, wurde bereits mit der faschistischen "Neuordnung" Europas -1 begonnen. Martin Sogemeier, Geschäftsführer der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Ruhr der Wirtschaftsgruppe Bergbau, übersandte am 9. September 1940 an Staatssekretär Friedrich Landfried im Reichswirtschaftsministerium eine Denkschrift der Bezirks- p gruppe sur "Neuordnung der europäischen Steinkohlenwirtschaft" (Dok. 1). Sie war, wie aus dem Inhalt eines Schreibens des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikates vom 3. September 1940 an Reichswirtschaftsminister Walther Funk hervorgeht, gemeinsam mit Vertretern dieses Syndikats ausgearbeitet worden. Die Denkschrift selbst ist undatiert.

Da in ihr aber Bezug

auf das Schreiben des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats genommen wird, ist anzunehmen, daß sie zwischen dem 3. und

7. September entstanden ist. Die als vertraulich gekennzeichnete Denkschrift enthält 62 Seiten, auf Großformat gedruckt. Sie ist in vier große Abschnitte gegliedert: A. Grundzüge und Bedingungen einer künftigen europäischen Kohlenwirtschaft, B. Strukturfragen der europäischen Kohlenwirtschaft, 0. Grundzüge einer Neuordnung der europäischen Kohlenwirtschaft, D. Ubersichten über den Steinkohlenbergbau wichtiger europäischer Länder. Ein Anhang enthält Übersichten über die Energiewirtschaft Frankreichs, Dänemarks, Norwegens und Schwedens. Abgedruckt werden hier nur die Teile A. - C. Sie enthalten die wichtigsten konzeptionellen Gedanken für die Vorherrschaft der Steinkohlenwirtschaft des faschistischen Deutschlands über die Kohlenwirtschaft des europäischen Kontinents, einschließlich Großbritanniens. Der Teil D., der etwa Zweidrittel der Denkschrift ausmacht, enthält eine detaillierte Beschreibung der Steinkohlenwirtschaiten Großbritanniens, Hollands, Belgiens und Frankreichs mit ausführlichen Statistiken für die Jahre von 1913 bis 1938. Die Denkschrift geht davon aus, daß, ähnlich wie im neugegründeten oberschlesischen Steinkohlensyndikat, welches das gesamte oberschlesische mit dem Karwiner Gebiet umschloß und die Produktion im niederschlesischen Gebiet, im Krakauer Revier und der des faschistischen Protektorats Böhmen und Mähren mit einbezog, nun auch in Westeuropa ein alle Steinkohlenerzeugnisse umfassendes Syndikat gebildet werden müßte. Grundlage sollte das bereits bestehende Bheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat sein. Führende iL

Monopolherren, wie Generaldirektor Buskühl von der Harpener Bergbau AG in Dortmund, Generaldirektor Becker^ vom Eschweiler Bergg werks-Verein in Kohlscheid bei Aachen undGeneraldirektor Waechter von der Saargruben AG in Saarbrücken, wollten den gesamten Berg-

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bau in allen dem faschistischen Großdeutschland einverleibten Gebieten und Ländern sowie in den mit H i l f e einer Z o l l union in Abhängigkeit gebrachten Ländern dem Eheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikat direkt anschließen. Der Verkauf der Förderung in den von faschistischen Truppen okkupierten anderen Gebieten, soweit sie bei einer künftigen neuen p o l i t i schen Gliederung Europas außerhalb der Grenzen des Großdeutschen Reiches blieben, sollte im Falle eines Exports ebenfalls vom Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikat übernommen werden. Mit dieser fast vollständigen Beherrschung der Kohlenwirtschaft des europäischen Kontinents versprachen sich die Zechenherren eine günstigere Ausgangsbasis, um auch dem Steinkohlenbergbau in Großbritannien ihre Bedingungen diktieren zu können. Zumal die Verfasser der Denkschrift mit einer Okkupation der Insel rechneten, denn sie kalkulierten Beschädigungen an den Förderanlagen des englischen Bergbaus ein, die "etwa den Schäden entsprechen,,die der französische und belgische Bergbau" aufwiesen. In jedem Fall aber war für sie der Kohlenexport, wie das Beispiel I t a l i e n nach ihren eigenen Angaben bewies, "eine wertvolle Stütze der politischen oder jedenfalls wirtschaftspolitischen Machtstellung" des faschistischen deutschen Imperialisaus in Europa, d.h. ein wichtiges Mittel für politische Erpressung und Bruckausübung auf Regierungen abhängiger Länder. Am 28. August 1940 übersandte der Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Bankwissenschaft und Bankwesen e.V. in Berlin im Auftrage seines Präsidenten, Otto Chr. Fischer, dem Chef der Reichskanzlei, Staatsminister Hans-Heinrich Lammers, eine als vertraulich bezeichnete Ausarbeitung mit

- 4 der Uberschrift "Zur deutschen Außenwirtschafts- und Währungspolitik nach dem Kriege"? (Dokument 2). Die Ausarbeitung trägt das Datum vom 27. August 1940. Als Verfasser der Ausarbeitung dürfte Dr. Leo Drescher, der Vertreter des Geschäftsführers des Instituts, in Frage kommen. Ausführlich «erden zunächst die handelspolitischen, finanzpolitischen und währungspolitischen

Möglichkeiten untersucht,

mit denen die Einfuhr in diejenigen Gebiete gesichert werden könnte, die zum "großdeutschen Wirtschaftsraum" gehören sollten. In einem zweiten Teil werden ausführlich währungspolitische Maßnahmen erläutert, um die Reichsmark allmählich als "einheitliche Verrechnungsgröße und einheitliches Zahlungsmittel" in den vom faschistischen Imperialismus beherrschten und abhängigen Ländern durchzusetzen und bestimmte Vorstufen dafür zu bestimmen. Die Verbindungen und Abhängigkeiten dieses Instituts sind bisher weitgehend unbekannt. Ohne Zweifel haben Großbanken wie die Deutsche Bank und Dresdner Bank Einfluß darauf gehabt. Hermann Josef Abs, damals Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, war Mitglied des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Bankwissenschaft und Bankwesen.8 Ebenso bestanden intensive Beziehungen zwischen Drescher und dem Leiter der Volkswirtschaftlichen Abq teilung der IG Farbenindustrie AG, Dr. Anton Heithinger.

Dokument 1 Aus der Denkschrift der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau ßuhr der Wirtschaftsgruppe Bergbau zur "Neuordnung" der europäischen Steinkohlenwirtschaft

A. Grundzüge und Bedingungen einer künftigen europäischen Kohlenwirtschaft Die Neuordnung der europäischen Kohlenwirtschaft i s t ein Teilstück aus der allgemeinen zukünftigen Neugestaltung der Wirtschaft in Europa, die unter deutscher Führung angestrebt und vorbereitet wird. Im Rahmen dieses Neuaufbaues werden auch die kohlenwirtschaftlichen Beziehungen der europäischen Länder auf eine neue Basis g e s t e l l t und unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten geregelt werden. Vom Standpunkt des deutschen Steinkohlenbergbaus, namentlich

des Ruhrbergbaus, wird es notwendig sein, bei dieser

Neugestaltung folgenden Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Der Ruhrkohlenbergbau leidet schon s e i t längerer Zeit an einem immer schärfer werdenden Mißverhältnis zwischen der Ertragsgestaltung und der Notwendigkeit, seine Lohn- und Sozialleistungen beträchtlich zu erhöhen, wenn überhaupt der Bergbau und die Kohlengewinnung in dem bisherigen Umfang aufrechterhalten werden sollen. Der Steinkohlenbergmann hat die Vorzugstellung, die er hinsichtlich des Lohnes, der Arbeitszeit und der Sozialleistungen ehemals besessen hat, in den vergangenen Jahren nicht aufrechterhalten können. Wenn auch der deutsche Stein-

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kohlenbergbau- in seinen S o z i a l l e i s t u n g e n immer, noch führend i s t , so bat s i c h doch auf d i e s e n Gebiet das Verhältnis gegenüber anderen I n d u s t r i e n immer ungünstiger g e s t a l t e t . Hierauf i s t es im wesentlichen zurückzuführen, daß s i c h i n den l e t z t e n 2 b i s 3 Jahren e i n immer s c h ä r f e r e r Mangel an A r b e i t s k r ä f t e n , besonders im Buhrbergbau, herausgebildet h a t . I n f o l g e des ungünstigen Altersaufbaus der Belegschaften und der Abneigung der Jugend gegen den Bergmannsberuf werden die Arbeitseinsatzschwierigkeiten i n Zukunft, j e d e n f a l l s im Buhrbergbau, noch erheblich zunehmen. Der Bergbau wird deshalb g e n ö t i g t s e i n , i n den Lohn- und Sozialleistungen einen Vorsprung gegenüber anderen Wirtschaftszweigen zu gewinnen. Die als. tlbergangsmaßnahme gedachte Hermann-Göring-Verordnung vom 2 . März 1939 hat d i e s nur t e i l w e i s e möglich gemacht. Für die Zukunft wird es darauf ankommen, dem Bergmann ganz allgemein seine f r ü h e r e Vorzugstellung wieder zu s i c h e r n . Bei dem hohen Anteil der A r b e i t s kosten an den Gesamtgestehungskosten kann aber eine diesen Notwendigk e i t e n Rechnung tragende Lohnpolitik auf die Dauer nur durchgeh a l t e n werden, wenn die Kohlenpreise entsprechend g e s t a l t e t werden. Die Kohlenpreispolitik konnte diesen s e i t langem erkannten Notwendigkeiten der Kostengestaltung b i s h e r n i c h t und nur i n v ö l l i g unzureichender Weise Rechnung t r a g e n . Vor allem wurde die Ertragslage des Steinkohlenbergbaus durch die Spanne zwischen I n l a n d s - und Ausfuhrpreis b e e i n t r ä c h t i g t . Der Wettbewerb an den i n t e r n a t i o n a l e n Kohlenmärkten h a t t e s i c h s e i t Ende des Weltkrieges i n f o l g e der Neuerschließung von Kohlenvorkommen, zunehmender Konkurrenz anderer Energiet r ä g e r und wachsender Autarkiebestrebungen namentlich i n den

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kohlenarmen Ländern außerordentlich verschärft. Oer Druck auf die internationalen Kohlenpreise führte dazu, daß die Exportpreise für Steinkohle durchweg sehr erheblich unter den Inlandspreisen lagen und hierdurch auch die Ertragslage des Bergbaues fühlbar beeinträchtigt wurde. Bei der Neuordnung der europäischen Kohlenwirtschaft wird es also entscheidend darauf ankommen, daß Mißverhältnis zwischen den zwangsläufig steigenden Kosten und den Erlösen zu beseitigen, zugleich aber auch die Spanne zwischen Inlands- und Exportpreisen aufzuheben. Diese Forderungen ergeben sich in erster Linie aus den genannten lohnund arbeitspolitischen Gründen. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt. Nach Beendigung des Krieges wird der Steinkohlenbergbau genötigt sein, über das stets bei ihm vorhanden gewesene, starke Maß hinaus umfangreiche Heu- und Ersatzinvestitionen sowohl für die Förderung als auch für die Kohleaufbereitung und -Veredelung vorzunehmen. Dies wird um so mehr erforderlich sein, als in den letzten 2 bis 3 Jahren weder für den Ausbau der Anlagen für die erheblich gestiegene Förderung noch für die notwendigsten Erneuerungsbauten die erforderlichen Materialkontingente zugeteilt worden sind. Die Betriebe werden auch diese Aufgabe aus eigenen Uitteln nur lösen können, wenn die Ertragslage das zuläßt. Wenn man eine hierauf ausgerichtete Freispolitik anstrebt, so muß sichergestellt werden, daß auch beim Export die Selbstkosten gedeckt werden. Angesichts der engen Außenhandelsverflechtungen de3 Buhrbergbaus und der Tatsache, daß ein weiterer Teil der Förderung zu mehr oder weniger stark herabgesetzten Freisen auf den bestrittenen Inlandsmärkten

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abgesetzt wird, muß es die Aufgabe der Breispolitik sein, auch international den Kohlenpreis auf einen Stand zu bringen, der den gekennzeichneten Erfordernissen entspricht. Als Richtschnur sollte dabei gelten, daß die ausländischen Kohlenverbraucher in der Hegel nicht niedrigere Preise ab Zeche zu zahlen haben als die hei laischen Industrien, namentlich die Exportindustrien. Bei der Beantwortung der Frage, wieweit dieses Ziel erreicht werden kann, ist zunächst zu untersuchen, ob in absehbarer Zukunft mit einem Mangel oder einem Überfluß an Steinkohle an den europäischen Märkten zu rechnen sein wird. Ein statistischer Rückblick auf die europäische Kohlenversorgungslage z e i g t , daß in den letzten 20 Jahren eine Kohlenknappheit, abgesehen von Ausnahmezeiten, wie großen Streiks und strengen Wintern, nicht bestanden hat. Während des größeren Teils dieser Zeitperiode waren vielmehr Absatzschwierigkeiten und Uberversorgung vorherrschend. Für die ersten Jahre nach dem Krieg wird zwar mit einer starken Anspannung der Kohlenversorgung zu rechnen sein. Als Dauerzustand wird man aber einen derartigen Mangel nicht ansehen können. Da die gegenwärtige oder in wenigen Jahren erreichbare technische Leistungsfähigkeit sowohl des deutschen als auch des englischen und holländischen Steinkohlenbergbaus gröber i s t als die Förderung in den letzten Jahren vor Ausbruch des Krieges, wird man künftighin sogar eher mit den Frugen eines zu reichlichen, als mit denen eines zu knappen Angebots zu rechnen haben. Hierbei wird allerdings vorausgeuetzt, daß es gelingt, die in e i n i gen Kohlengebieten, besonders im Ruhrbergbau, aber auch im nordfranzösischen Steinkohlenbergbau vorhandenen und noch bevorstehenden Arbnitüelruatzschwieri^keiten zu beheben.

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Auf- Grund dieser Entwicklungsaussichten der Kohlenversorgung können Überlegungen einer Neuordnung der europäischen Kohlenwirtschaft angestellt werden. Ansätze einer neuen Ordnung zeichnen sich bereits ab. Der Führungsanspruch, den Deutschland und damit die deutsche Wirtschaft nach siegreich beendetem Kriege erheben wird, bietet eine Gewähr dafür, daß allgemein die Erfordernisse des deutschen Steinkohlenbergbaus erfüllt werden. Wenn der Gahmenaufbau der europäischen Wirtschaft die entsprechenden Vorbedingungen schafft, werden vor allem marktordnende Vereinbarungen zwischen den wichtigsten europäischen Kohlengebieten möglich sein. Im Osten des GroBdeutschen Reiches sind das gesamte oberschlesische sowie das Karwiner Steinkohlengebiet in dem neugegründeten Oberschiesischen Steinkohlensyndikat zusammengefaßt. Im Westen sind im Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikat die Förderung der Ruhr, des Aachener Beckens und der Saar zu einer Einheit verbunden. Hier wird sich nach siegreichem Ausgang des Krieges der unter deutscher Führung stehende Wirtschaftsraum weiter ausdehnen. Um die Gefahr zu bannen, daß sich in diesem bisher durch die Zollgesetzgebung und die Kontingentierungspolitik der einzelnen Länder geregelten Wirtschaftsbereich ein verschärfter Konkurrenzkampf entwickelt, müssen marktordnende

Vereinbarungen zwischen den

verschiedenen westeuropäischen Kohlengebieten herbeigeführt werden. Die Notwendigkeit einer organischen Zusammenarbeit ergibt sich aus der Verflechtung der Absatzinteressen der deutschen,

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holländischen,, lothringischen und belgischen Bergbaugebiete. Zu diesem Marktgebiet gehören ferner auch. Frankreich und die Schweiz. Die künftigen politischen Grenzen und die Hoheitsrechte der einzelnen Staaten werden dabei entsprechend berücksichtigt werden müssen» Schwierigkeiten, die sich bei früheren internationalen Verhandlungen einer Verständigung mit den Polen, Holländern und Belgiern sowie der Tschechoslowakei entgegenstellten, haben durch den Gang des Krieges und seine politischen Folgen schon heute nicht mehr ihre frühere Bedeutung. Unbedingt erforderlich i s t vor allem, daß marktordnende Vereinbarungen mit dem englischen Bergbau getroffen werden. Versuche nach dieser Richtung mußten bisher daran scheitern, daß schon die organisatorischen Voraussetzungen des englischen Bergbaus für eine derartige Regelung fehlten. Es kann nur im eigenen Interesse Englands liegen, daß diese Vorbedingungen, die eine kohlenwirtschaftliche Verständigung überhaupt erst ermöglichen, geschaffen werden. Welche Möglichkeiten gegeben sind, um die bisher gegensätzlichen Interessen aufzulösen und zu einer einheitlichen Zusammenarbeit zu führen, i s t in einem Schreiben des Rheinisch-Westfälischen KohlenSyndikats an den Herrn Reichswirtschaftsminister dargelegt worden, auf das wir hinsichtlich aller Einzelheiten verweisen. Im einzelnen wird vorgeschlagen, daß 1. der gesamte westeuropäische Bergbau, soweit er innerhalb der künftigen Reichsgrenzen oder innerhalb der Grenzen einer deutschen Zollunion l i e g t , dem Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikat angeschlossen wird, so daß.ein erweitertes, einheitliches westdeutsches Syndikat geschaffen wird; 2. die Bergbaureviere des gegenwärtig besetzten westlichen Gebietes, soweit sie künftig außerhalb der politischen Grenzen Deutschlands

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liegen, nationale Syndikate bilden, die den Verkauf ihrer Erzeugnisse in ihrem Landesgebiet selbst regeln. Dagegen e r f o l g t der Verkauf der Förderung dieser Reviere an Steinkohlen, Steinkohlenbriketts und Koks außerhalb der Grenzen dieser Länder durch das Bheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat. Unter Führung eines solchen westlichen Syndikats, das selbst wiederum in enger Fühlung mit dem ostdeutschen Syndikat arbeiten würde, wäre ea möglich, den Absatz der westeuropäischen Heviere nach übergeordneten Gesichtspunkten zu lenken sowie auch die Kohlenpreise den deutschen Freisen anzugleichen und auf den Stand zu bringen, der den oben gekennzeichneten arbeits- und sozialpolitischen Notwendigkeiten entspricht. Die Übernahme des Exportgeschäftes der westlichen außerdeutschen Staaten durch das hier vorgeschlagene Syndikat wird auch für deren Bergbau von höchstem Vorteil sein. Die Kohle würde lediglich nach frachtgeographischen Rücksichten und unter dem Gesichtspunkt bestmöglicher Ausnutzung ihrer spezifischen Eigenschaften vertrieben werden. Das bedeutet eine Steigerung der Erlöse für den Bergbau, ohne jedoch die Abnehmer übermäßig zu belasten. Das gesamte Aufkommen an den durch das Ausfuhrgeschäft hereinströmenden Devisen könnte, unabhängig davon, welches Gebiet im einzelnen Fall die Lieferung ausgeführt hat, schlüsselmäßig v e r t e i l t werden. Ein solches westeuropäisches Syndikat würde, zumal in Gemeinschaft mit dem ostdeutschen Syndikat, vor allem der englischen Gruppe in einer deutsch-engiischen Kohlenkonvention mit einem ¿anz anderen Gewicht get.enübei-treten und eine

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solche Konvention überhaupt erst wirksam machen. Das künftige Syndikat wird brennstoff- und energiewirtschaftlich auch in Europa keine Monopolstellung einnehmen. Länder wie die Vereinigten Staaten von Amerika und Bußland, die außerhalb der Marktordnung stehen, werden eine Erhöhung der europäischen Kohlenpreise auszunutzen versuchen, um vermehrte Lieferungen an die europäischen Kohlenzuschußländer zu tätigen. Außerdem aber werden hohe Kohlenpreise die ohnehin vorhandenen energiewirtschaftlichen Autarkietendenzen der Länder ohne ausreichende Kohlenbasis, die sich auf den Ausbau von Wasserkräften und die Erweiterung des Mineralölund Holzverbrauchs gründen, stützen. Zwischen den europäischen Bergbaugebieten, die in der vorgeschlagenen Kohlenkonvention zusammengefaßt werden sollen, werden gewisse Wettbewerbsunterschiede auch künftig bestehen. Wieweit diese Unterschiede ausgeglichen werden können, wird im wesentlichen eine Frage der gesamteuropäischen Wirtschafts-, Handels-, Zoll- und Wührungspolitik sein. Vom deutschen Standpunkt aus wird diese Frage ganz besondere Bedeutung gewinnen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Ruhrkohlenbergbaus war bisher dadurch bestimmt, daß sein Lohnniveau über dem anderer westeuropäischer Kohlenländer lag. Diese Unterschiede wären an sich kostenmäßig mehr als ausgeglichen worden, weil der Ruhrbergbau, allerdings teilweise infolge längerer Schichtzeiten, eine viel höhere Schichtleistung aufwies, als der englische, belgische und französische Bergbau. >Vahxunf;spolitische Maßnahmen Bei der künftigen Gestaltung der deutschen Wirtschaftsbeziehugen zu den übrigen europäischen Ländern sind handels-

und kapitalpolitische Ma3nahaen, wie sie vorstehend, skizziert wurden, von größter Bedeutung. Es wäre indessen irrig, daraus zu schließen, daß der Währungspolitik kein besonderes Gewicht beizumessen ist. Auf jeden Fall hat die Währungspolitik bei der Entwicklung der deutschen Wirtschaftsbeziehungen mit dem außereuropäischen Baum entscheidend mitzusprechen, denn dieser Bereich ist handels- und kapitalpolitischen Methoden, wie sie in Europa von Deutschland aus angewandt werden können, aus politischen und anderen Gründen nicht in gleicher Weise zugänglich. Eine falsche deutsche Währungspolitik würde sich daher dort für die deutsche Versorgung besonders nachteilig auswirken.können. Währungspolitik und Außenhandelspolitik müssen in den Grenzen, die die allgemeine Wirtschaftspolitik beiden zieht, auf einander abgestimmt sein. Diese allgemeine Formulierung bedeutet für die konkreten deutschen Verhältnisse: Die Reichsmark muß im Ausland kauffähig sein, ihr Erwerb muß sich für das Ausland lohnen; und ferner: Die Reichsmark muß ein Ansehen erlangen, das sie zur Austauschwährung in möglichst weiten Bezirken des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs werden läßt (Edeldevise). Um diesen Ansprüchen, die an die künftige deutsche Währung außenwirtschaftlich gestellt werden müssen, zu genügen, muß die Reichsmark zunächst zwei Grundbedingungen erfüllen: Kauffähigkeit und Wertbeständigkeit. Die Grundlage für den Wert einer Währung ist ihre Kaufkraft in ihrem eigentlichen Währungsbereich. Die theoretische Erkenntnis, wonach die

Währungskurse durch die Kaufkraftpari-

täten bestimmt werden, ist auf lange Sicht immer richtig. Der Außenwert einer Währung kann unter Umständen Jahre hindurch

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von seinem ¡1 mienwert abweichen, auf die Dauer i s t eine solche Disparität nicht h a l t b a r . Ein deutliches Beispiel h i e r f ü r bot die englische Währungspolitik von 1924 bis 1931, und ein gleiches Beispiel - nur im umgekehrten Verhältnis - i s t zur Zeit in den USA gegeben. Für die deutsche Währung i s t nun f e s t z u s t e l l e n , daß sich der Außenwert der Reichsmark - am o f f i z i e l l e n Kurs gemessen - s e i t Jahren beträchtlich über dem durch die inländische Kaufkraft bestimmten Innenvvert der Reichsmark h ä l t . Dabei i s t noch zu berücksichtigen, daß der Innenwert der Reichsmark zur Zeit auf seiner gegenwärtigen nominalen Höhe nur durch Beschränkung der Kauffähigkeit (Verbrauchs- und Investitionskontingentierung) gehalten wird. Um die hieraus sich ergebenden Spannungen, die ihren organisatorischen Ausdruck in der strengen Devisenbewirtschaftung haben, zu beseitigen, i s t , wenn der Weg der I n f l a t i o n und einer i n f l a t i o nistischen Devalvation vermieden werden s o l l , eine auf innere Aufwertung der Reichsmark gerichtete Innenwirtschaftspolitik e r f o r d e r l i c h . Im Rahmen dieser Darlegungen können die e r f o r derlichen Maßnahmen nur angedeutet werden: ä) Intensive Förderung der deutschen Produktion marktfähiger Güter und entsprechende Beschränkung des nicht unbedingt notwendigen öffentlichen und privaten Repräsentationsbedarfs. Eine solche Beschränkung i s t mindestens f ü r einige Jahre nach dem Kriege erforderlich b i s zur Aufholung des durch den Krieg und die Kriegsvorarbeit eingetretenen zusätzlichen Verbrauchs an Produktionsmitteln und Vorräten. b) Eine sorgsame Kapitalmarktpolitik, welche die zur' Zeit überschüssige Inländische Kaufkraft möglichst l a n g f r i s t i g bindet.

- 77 c . Beschränkung des ö f f e n t l i c h e n K r e d i t e i n s a t z e s nach Maßgabe des Beschäftigungsgrades der W i r t s c h a f t . Eine solche auf Hebung der inneren K a u f k r a f t der Reichsmark g e r i c h t e t e innere Währungspolitik kann i n jedem Währungssystem betrieben werden. Eine Rückkehr zur Golddeckung i s t s e l b s t v e r s t ä n d l i c h nicht e r f o r d e r l i c h ) s i e kommt überdies aus anderen, i n der Ö f f e n t l i c h k e i t i n l e t z t e r Zeit zur Genüge e r ö r t e r t e n Gründen nicht in Frage. Die Holle, die das Gold unter Umständen weiterhin s p i e l e n kann, nämlich a l s M i t t e l i n t e r n a t i o n a l e n Zahlungsausgleichs, i s t i n anderem Zusammenhang noch zu behandeln. Wenn an die Reichsmark der Anspruch der Wertbeständigkeit g e s t e l l t wird, so i s t damit gemeint, daß s t a r k e Kursbewegungen nach oben und nach unten vermieden und daß die Verwertung der Reichsmark nicht durch Kauf- und Verkehrsbeschränkungen g e s t ö r t werden s o l l . Wertschwankungen und Verwertungsbeschränkungen können zweierlei Ursachen haben' 1 . ) Starke Veränderungen der inneren K a u f k r a f t (des Innenwert e s ) durch I n f l a t i o n oder D e f l a t i o n , durch allgemeine Mangellage und d g l . Die i n d i e s e r Hinsicht an die innere W i r t s c h a f t s und Wahrungspolitik zu s t e l l e n d e n Ansprüche sind oben b e r e i t s kurz e r ö r t e r t worden. 2 . ) Mangelndes Gleichgewicht i n der Außenwirtschaft i n f o l g e l ä n g e r f r i s t i g e r Unausgeglichenheit der Zahlungsbilanz. Hier liegen entscheidende Ansatzpunkte f ü r die k ü n f t i g e deutsche Währungspolitik. Dos Anschwellen des deutschen Einfuhrbedarfs im Zuge der Arbeitsbeschaffungs- und A u f r ü s t u n g s p o l i t i k - die l e t z t e r e insbesondere beanspruchte Devisen,