Biometeorologische Untersuchungen von Phantomschmerzen [Reprint 2020 ed.] 9783112312919, 9783112301760


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German Pages 148 [156] Year 1966

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Table of contents :
Inhaltsübersicht
Kurzfassung
Abstract
A. Allgemeine Grundlagen
B. Phantomschmerzen
C. Meteorologische Elemente
D. Korrelationen
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Tabellen
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Biometeorologische Untersuchungen von Phantomschmerzen [Reprint 2020 ed.]
 9783112312919, 9783112301760

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Diese Veröffentlichung entstand aus einer Zusammenarbeit des Meteorologischen Instituts der Universität Hamburg (Direktor: Prof. Dr. Brocks) und der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Hamburg (Direktor: Prof. Dr. Bürger-Prinz).

Hamburger Geophysikalische Einzelschritten Herausgegeben von den Geophysikalischen Instituten der Universität Hamburg: 1. Meteorologisches Institut, Hamburg 13, von-Melle-Park 6 Direktor Prof. Dr. K. Brocks 2. Institut für die Physik des Erdkörpers, Hamburg 13, Binderstraße 22 Direktor Prof. Dr. H. Menzel 3. Institut für Meereskunde, Hamburg 13, Heimhuder Straße 71 Direktor Prof. Dr. W. Hansen

Heft 7

Biometeorologische Untersuchungen von Phantomschmerzen

Otto Höflich

Hamburg 1966 Cram, de Gruyter u, Co.

Inhaltsübersicht Seite Kurzfassung

7

Abstract

11

A.

Allgemeine Grundlagen I.

Einleitung

II.

Allgemeines über die Biometeorologie

15

1. Wetterempfindlichkeit des Menschen

17

2. Wetterelemente als Indikatoren der Biotropie

2o

3 . Biotropie der Wetterlagen

23

III. Probleme der Statistik

B.

1. Statistische Bedingungen

25

2. Biometeorologische Korrelationen

26

3 . Zufall und Gesetzmäßigkeiten in Kollektiven

29

4 . Zeitgestalten und Korrelationen

33

Phantomschmerzen I.

II.

Allgemeines über Phantomschmerzen 1. Medizinisches

36

2. Bisherige biometeorologische Untersuchungen

37

Phantomschmerz-Protokoll 1. Krankengeschichte 2. Protokoll

38 39

3 . Statistische Problematik

42

III. Statistische Analyse der Phantomschmerzdaten 1. Zeitverlauf 2. Häufigkeiten der Stufenwerte

44 48

3. Periodenanalysen

52

3

Seite 4. Streuungsanalysen

61

5. Autokorrelationen

72

6. Andauerzeiten gleicher Stufenwerte

74

IV. Statistische Eigenschaften der Phantomschmerzen

C.

1. Tagesgang

82

2. Erhaltungsneigung

83

3. Langzeitliche Schwankungen

84

4. Stabilisierung

85

Meteorologische Elemente U

Allgemeines

II.

Beschreibung der Elemente 1. Niederschlag

87

2. Luftdruck

88

3 . Absolute und relative Topographie

89

4 . Weitere Elemente

9o

III. Statistische Analysen

D.

4

86

,

1. Zeitverlauf

9o

2. Tages- und Jahresgänge

92

Korrelationen I.

Allgemeines

II.

Zeitgestalten der Phantomschmerzen

95

1. 6-Tageszeiten-Kollektiv

96

2. Halbtagesmittel-Kollektiv

97

3. Auswahlzeit

loo

4 . Teilkorrelationen

lo2

5. Gegenkorrelationen

lo4

Seite III. Zeitgestalten der meteorologischen Elemente 1. Niederschlag

lo6

2. Luftdruck

111

3. Mehrere Wetterelemente

116

4. Gegenkorrelationen

122

5. Weitere Elemente

124

IV. Zusammenfassung 1. Zeitgestalten der Phantomschmerzen

125

2. Zeitgestalten der meteorologischen Elemente

126

3. Korrelationsviereck

13o

4 . Zeitliche Entwicklung bei den Korrelationen

131

5. Schluß

136

Literaturverzeichnis

139

Verzeichnis der Abbildungen

144

Verzeichnis der Tabellen

148

5

Kurzfassung

Ein Amputierter litt an starken Phantomschmerzen, die seine Leistungsfähigkeit sehr beeinträchtigten. Als die üblichen Behandlungsmethoden erfolglos blieben, begab er sich in psychotherapeutische Behandlung. Es sollte durch ein autogenes Training erreicht werden, daß er sich von seinen Schmerzerlebnissen distanzierte, um sie beherrschen und mit ihnen erfolgreich leben zu können. Die Schmerzattacken sollten in ihrer Wirkungsdauer verkürzt werden, um bei e i n e m Anfall schneller das normale Gleichgewicht wiederzuerlangen. Im Rahmen der therapeutischen Maßnahmen fertigte der Patient ein Protokoll an, in dem er über fünf Jahre lang täglich u . a . die Stärke seiner Phantomschmerzen festhielt. Für die statistische Bearbeitung wurden die verschiedenen Schmerzgrade durch eine Skala digitaler Stufenwerte gekennzeichnet. So entstand ein Kollektiv von Daten, das geeignet ist zur Untersuchung der Frage, ob die Phantomschmerzen dieses Patienten wetterabhängig waren. Zunächst wurde das Kollektiv statistisch analysiert, um seine Eigenschaften kennenzulernen. Dabei traten auffallende innere Gesetzmäßigkeiten zutage, die starke Abweichungen vom Idealkollektiv der Statistik hervorriefen. Die Berechnung der Häufigkeitsverteilung der Stufenwerte ergab, daß - insbesondere in den ersten Jahren - keine Gauß'sche Verteilung vorlag. Die Streuungsanalyse ließ erkennen, daß das Fehler fortpflanzungsgesetz nicht erfüllt war. Autokorrelationen deckten eine Erhaltungsneigung der Stufenwerte auf, welche eine Abhängigkeit der Schmerzdaten voneinander in ihrer zeitlichen Folge bedeutet und insbesondere innerhalb des Tages stark ausgeprägt war. Diese Erhaltungsneigung der Schmerzen bewirkte verlängerte Andauerzeiten gleicher Stufenwerte, die erst bei Tagesmittelwerten annähernd normales Verhalten annahmen.

7

Begrenzt wurde die Erhaltungsneigung durch spontane Schmerzänderungen, die Schlafzäsur und einen ausgeprägten Tagesgang. Letzterer war die stärkste rhythmische Erscheinung bei den Phantomschmerzen, die endogene Einflüsse sichtbar machte. Durch eine Harmonische Analyse konnten auch langzeitliche Schwankungen mit Quasiperioden von etwa 2o Monaten nachgewiesen werden, welche die Homogenität des Kollektivs beeinträchtigen. Von besonderer Bedeutung ist aber eine Entwicklung in der Struktur der Phantomschmerzen im Laufe der fünf Jahre. Sie ließ sich in einer Abnahme der Streuung, einer Normalisierung der Stufenhäufigkeitsverteilung und durch die Analyse zeitlicher Schmerzmaxima nachweisen. Letztere waren anfangs langandauernde Schmerzattacken, dagegen später nur noch kurze Schmerzspitzen. Bei dieser Entwicklung änderten sich die endogenen Eigenschaften der Phantomschmerzen wie Erhaltungsneigung und Tagesgang kaum, ebenso die exogenen Einflüsse, wie sie sich in der Häufigkeit und Stärke spontaner Schmerzattacken widerspiegeln. Dagegen wurde die Andauer solcher Attacken, also die Wirkungszeit der exogenen Einflüsse, verkürzt. Dieses Verhalten der Phantom schmerzen konnte als Stabilisierung des Patienten gedeutet werden. Die Psychotherapie führte also zu dem angestrebten Erfolge denn es wurde erreicht, daß der Patient bei einem Schmerzanfall sein Gleichgewicht • schneller wiederfand und lernte, mit den Schmerzen zu leben. Alle oben aufgezeigten statistischen Eigenschaften der Phantomschmerzdaten mußten beim Studium ihrer Wetterabhängigkeit berück sichtigt werden. Daher wurden nicht punktförmige Korrelationen b e rechnet. Vielmehr wurden gemäß einem jeweils vorgegebenen Merkmal im Zeitverlauf der Daten gewisse Termine ausgewählt (z.B. relative Maxima), alle Stichtermine synchronisiert und die mittleren Phantomschmerzen in einer Epoche um diese Stichtermine berechnet (Synchronisationsmethode). Der Verlauf in solchen Epochen ("Zeitgestalten") charakterisiert das mittlere Verhalten der Schmerzen in der Umgebung der Stichtermine. Der Vergleich synchroner Zeitgestalten der Phantom schmerzen und meteorologischer Elemente (mit den gleichen Stichterminen) läßt etwaige Abhängigkeiten in Bezug auf das jeweilige Merkmal

8

zutage treten (n-Methode). Ähnliche Verläufe oder markante Abweichungen am Stichtermin deuten auf eine Korrelation zwischen den beteiligten Kollektiven hin und damit auf eine Wetterabhängigkeit der Phantom schmerzen. Bei diesen Korrelationen von Zeitgestalten bleiben die Nachbarschafts-Eigenschaften der Kollektive erhalten und können bei der Analyse mit ausgenutzt werden. Als Merkmal dienten zunächst besonders hohe Stufenwerte der Phantom schmerzen. Ein prägnanteres Merkmal gaben zeitliche relative Maxima ("Schmerzgipfel") ab. Als inverses Merkmal lieferten relativ schwache Schmerzen Gegenkorrelationen. Analoge Merkmale bei den meteorologischen Elementen führten zu Umkehrkorrelationen. So entstand schließlich ein Korrelationsviereck, dessen einzelne Ergebnisse sich gegenseitig abstützten. Die besten Korrelationen ergaben sich mit Luftdruck, Niederschlag, relativer Topographie 5oo/looo und absoluter Topographie der 5 o o - m b Druckfläche als meteorologischen Elementen. Es zeigte sich im statistischen Mittel, daß bei verstärkten Phantomschmerzen der Luftdruck bis zu einem Minimum am nächsten Tag f i e l , der Niederschlag erhöht war und die Topographiewerte absanken mit einem Minimum der absoluten Topographie am übernächsten Tag. Umgekehrt traten die Phantomschmerzen verstärkt auf bei fallendem oder minimalem Luftdruck, an Terminen mit Niederschlag und bei entsprechendem Verhalten der Topographien. Andererseits war eine Korrelation zwischen schwachen Phantomschmerzen und zeitlichen Luftdruck-Maxima vorhanden. Eine Differenzierung der Merkmale bei den meteorologischen Elementen ( z . B. besondere Gestalt des relativen Minimums) und eine Kombination mehrerer meteorologischer Merkmale ermöglichten eine genauere Erfassung der zugehörigen biotropen Wettersituation. Als solche stellten sich Kaltfronten, Kaltlufteinbrüche mit Schauer-Niederschlägen und Windsprung heraus, also ein aktives atmosphärisches Geschehen, das durch starke Fremdbürtigkeit gekennzeichnet ist und bei dem die Luftschichtung relativ feuchtlabil ist und verstärkt elektromagnetische Langwellenstrahlung erzeugt wird. Dieser Befund steht im Einklang mit der bisherigen Erfahrung.

9

Die Korrelationen erreichten die statistische Zufallsgrenze und g e wannen an Überzeugungskraft durch ihre gegenseitige Stützung im Korrelationsviereck. Sie müssen aber doch als schwach bezeichnet werden. Das weist darauf hin, daß nicht nur die benutzten meteorologischen Parameter ungenaue Indikatoren für den Wettereinfluß darstellen, sondern daß offenbar noch andere exogene Einflüsse vorhanden waren, wie zum Beispiel an einer Erkältung des Patienten gezeigt werden konnte. Die Stabilisierung des Patienten, die sich in einer mit vorrückender Zeit zunehmenden Verkürzung der Schmerzattacken ausdrückte, bewirkte auch eine Abnahme der Wirkungsdauer des Wettereinflusses. Diese spiegelte sich in einer entsprechend unterschiedlichen Breite des korrelierenden Schmerzmaximums in der synchronen Zeitgestalt der Phantomschmerzen wider und hatte eine Abnahme der Korrelationsgüte mit den Jahren zur Folge. Hier wirkte sich der mangelhafte Synchronisationsgrad zwischen den Phantomschmerzen und den benutzten meteorologischen Parametern aus. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, daß die korrelierenden Wetterelemente selbst nicht die biotropen Faktoren sind sondern nur Indikatoren der biotropen Wettersituation. Daher konnte nur eine statistisch im Mittel wirksame Wetterabhängigkeit der Phantomschmerzen dieses Patienten nachgewiesen werden. Verallgemeinerungen und Einblicke in Kausalzusammenhänge wären erst nach weiteren Untersuchungen möglich.

lo

Abstract

An amputee suffered from strong phantom pains which affected his efficiency very much. The usual methods of medical treatment remaining unsuccessful he entered psychotherapeutic al attention. He was to undergo an autogenous training that should free himself from his painful sensations to control them and to enable him to live with them successfully. The attacks of pain were to be shortened in their persistency so that he could recover his normal balance at an attack more quickly. In the course of the therapeutical measures the patient put down a daily record concerning the intensity of his phantom pains for more than five years. For statistical purposes the various degrees of pain were marked by a scale of digital values of stages. Thus we gained an amount of data suitable for the examination of the question whether the phantom pains of this patient were dependant on weather conditions. First of all the set of data were statistically analysed to obtain their significant properties. Striking inherent regularities b e c a m e evident, which showed strong deviations from the ideal data of these statistics. The calculation of the frequency distribution of the gradual values demonstrated that - especially during the first years - the Gaussian distribution was not realised. The analysis of variances revealed that the reproductive mode of errors was not in accordance with theoretical principles. Autocorrelations exposed a tendency of maintaining the gradual values, which signifies an interdependence of the data of pain within their chronological succession and which was strongly pronounced especially during the day. This tendency of the persistency of pains caused prolonged periods of equal values of stages, which only took an

11

approximately normal behaviour within daily mean values. This tendency was restricted by spontaneous changes of pain, by the caesura of sleep and by a distinct daily rhythm. The latter was the strongest rhythmical symptom of the phantom pains indicating endogenous effects. Longer variations with quasi-periods of about 2o months, which influence the homogeneity of the set of data, could also be proved by the harmonic analysis. Of special importance, however, is a development at the structure of the phantom pains in the course of the five years. This development was revealed by a decrease of the variance, by a normalization of the frequency distribution of the gradual values and by the analysis of temporal m a x i m a of pain. The latter were at first permanent attacks of pain, but later on only short culminations. During this development the endogenous properties of the phantom pains like tendency of maintaining and daily rhythm hardly changed, as well as the exogenous effects, as they are reflected in the frequency and violence of spontanous attacks of pain*, whereas the persistency of such attacks, i . e . the time of reaction of the exogenous effects, shortened. This behaviour of the phantom pains could be explained as a stabilization of the patient. The psychotherapeutical treatment gave the aspired success; for the patient succeeded in regaining his equilibrium at an. attack of pain more quickly and in learning to live with his pains. Studying their dependence on weather conditions all the statistical properties of the phantom pain data - as demonstrated above - had to be taken into account. Therefore not punctiform correlations were c a l culated, Rather points of time (within a day) according to a given special feature in the temporal course of the data (e. g. relative maxima) were selected, all the fixed dates were synchronized, and the mean phantom pains of an epoch on both side of these fixed dates were calculated (synchronization method). The form of course in such epochs ("Zeitgestalten") characterizes the mean behaviour of the pains in the environment of the fixed dates. Synchronous "Zeitgestalten" of meteorological elements (with the same fixed dates) made evident possible dependences concerning the special feature of the phantom pains at a

12

given time (n-methode). Similar courses or marked deviations at the fixed date indicate a correlation between the data in question and by that prove an dependence of the phantom pains on the' weather conditions. With these correlations of "Zeitgestalten" the adjoining properties of the data are preserved and can be taken into account in the analysis. Especially strong phantom pains first served as a special feature. A more precise feature was supplied by temporal relative maxima (culminations of pain). Relatively light pains as an inverse feature provided negative correlations. Analogous features of the meteorological e l e ments led to reverse correlations. Hence a quadrangle of correlations was obtained, the single results of which supported one another. The best correlations were obtained with surface pressure, precipitation, relative topography 5oo/looo mb and absolute topography of the 5oo-mb-level, which were used to characterize the meteorological situation. Concerning the statistical mean, the surface pressure proved to fall down to a minimum the next day with more intense phantom pains, the precipitation to increase, and the values of topography to sink to a minimum of the absolute topography the next but one day. Reversely the phantom pains more intensely reappeared with decreasing or minimum surface pressure, on dates of precipitation, and with corresponding behaviour of the topographies. On the other side there existed a correlation between light phantom pains and temporal surface pressure maxima. A differentiation of the features of the meteorological elements (e. g. the special shape in the neighbourhood of the relative minimum) and a combination of several meteorological features allowed a more exact registration of the adequate "biotropic" weather situation. Those were cold fronts, invasions of highly tropospheric cold air, also with showers and reversal of wind, i . e . an active atmospheric process marked by a strong heterogenousness* the atmospheric stratification is relatively moist-labile, and an increased electromagnetic long-wave radiation is caused. This finding is in accordance with previous experience.

13

The correlations reached the statistical range of probability and were the more convincing by their mutual support in the quadrangle of correlations. However, they have to be characterized as slight, indicating that not only the used meteorological parameters represent inexact indicators for the atmospheric influence, but that there were also other exogenous effects, as for example could be demonstrated in connection with a cold of the patient. The stabilization of the patient, as it became obvious in a growing shortening of the attacks of pain with progressive time, also caused a decrease of the effective duration of the atmospheric influence. This was reflected by a corresponding differing range of the correlating maximum of pain in the synchronous "Zeitgestalt" of the phantom pains and entailed a decrease of the quality of the correlations in the course of those years. Here, however, the unsatisfactory rate of synchronization between the phantom pains and the used meteorological parameters became evident. This is another indication of the fact that the correlating weather elements are not the biotropic factors themselves, but only indicators of the biotropic weather situation. Therefore a dependence of this patient's phantom pains on weather conditions - only statistically effective in the mean values - could be proved. Generalizations and insights into causalities, however, could only be possible after further investigations.

14

A.

ALLGEMEINE GRUNDLAGEN

1. Einleitung Biometeorologische Fragen finden zunehmendes Interesse. Dies ist kein bloß akademisches Interesse, Vielmehr ist hier der Mensch selbst betroffen, so daß sich die Aufgabe stellt, dem Menschen zu helfen. Die vorliegende Studie ist freilich nur ein kleiner Beitrag zu dem u m f a s senden Thema der Biometeorologie. Aber der Anlaß war auch ein betroffener Mensch, der Hilfe suchte, ein Amputierter, der an starken Phantomschmerzen litt. Im Zuge der Therapie führte er mit großer Gewissenhaftigkeit ein Protokoll über seine Schmerzen. Im Rah..ien der Frage, wodurch diese Phantomschmerzen entstehen und wie sie gemildert werden können, wurde an Hand dieses Protokolls ihre eventuelle Wetterabhängigkeit untersucht. Zu diesem Zweck wurden die Phantomschmerz-Aufzeichnungen dem Wettergeschehen, charakterisiert durch einige ausgewählte meteorologische Elemente, gegenübergestellt. Neben dem speziellen Ergebnis dürfte auch die dabei angewandte Methode von allgemeinem Interesse sein. Der erste Abschnitt dieser Abhandlung berichtet über den Stand der Forschung auf dem Gebiet der Biometeorologie und erörtert Probleme der Statistik sowie die angewandten Methoden. Das Phantomschmerz-Protokoll wird im zweiten Abschnitt näher beschrieben und statistisch analysiert. Die meteorologischen Grundlagen dieser Untersuchung werden im dritten Abschnitt dargestellt. Die Beziehungen zwischen den Phantomschmerzen und dem Wetter werden im letzten Abschnitt behandelt. Im Literaturverzeichnis sind aus der großen Fülle der Veröffentlichungen nur solche Arbeiten und Bücher vermerkt, die für diese Untersuchung von besonderer Bedeutung sind. Es kann natürlich nicht annähernd vollzählig sein. Vorliegende Studie war 1955 als Diplomarbeit im Geophysikalischen Institut der Universität Hamburg angefertigt worden und ist zum Zwecke d i e ser Veröffentlichung teils gekürzt, teils erweitert worden. Die Auswertung des

15

zugrunde liegenden Materials kann mit dieser Abhandlung nicht als abschließend angesehen werden. Eine weiterführende Analyse und Auswertung des vollständigen, wohl einmaligen Protokolls, welches außer den Phantomschmerzdaten noch weitere Aufzeichnungen über Kopfschmerzen, Schlaf und die Güte einiger psychotherapeutischer Übungen enthält, würde verschiedene Persönlichkeitsschichten zu erfassen gestatten und einen tieferen und umfassenderen Einblick in die Struktur und eventuelle Wetterabhängigkeit aller im Protokoll erfaßten Fakten eröffnen» Auch auf m e t e o rologischer Seite bedingt die Beschränkung auf gewisse Wetterelemente, daß mit dieser Untersuchung lediglich ein Test vorgeführt wird, das Protokoll auf Tauglichkeit in Bezug auf das gestellte Problem zu prüfen. Das Ergebnis bestätigt nicht nur die Tauglichkeit, sondern liefert erste bescheidene Antworten, zeigt aber auch Besonderheiten auf, die bei einer weiteren genaueren Analyse und Auswertung beachtet werden müssen und diese begrenzen. An dieser Stelle sei der Dank-ausgesprochen allen, die an der Ermöglichung und Durchführung dieser Untersuchung regen Anteil nahmen, insbesondere Herrn Prof. Raethjen (damals Ordinarius der Meteorologie und Direktor des Geophysikalischen Instituts der Universität Hamburg), bei dem ich studierte und die Diplomprüfung ablegte, Herrn Prof. Brocks, auf dessen Initiative hin ich dieses Thema bearbeitete, Herrn Prof.Bochnik (Psychiatrische und Nervenklinik der Universität Hamburg), der das Protokoll zur Verfügung stellte und mich medizinisch beriet, dem Patienten Herrn Thürkow, der mit nicht ermüdender Zuverlässigkeit das Protokoll führte und in dessen Auswertung einwilligte, sowie dem Seewetteramt für die Bereitstellung der Klimadaten und Arbeitswetterkarten und dem Rechenzentrum der Universität Hamburg für die Ausführung einiger Rechnungen auf der elektronischen Rechenanlage T R 4 .

16

II« Allgemeines über die Biometeorologie 1»

Wetterempfindlichkeit Die B i o m e t e o r o l o g i e

des

Menschen

ist die Lehre von den Einflüssen der Vor -

gänge und Zustände der Atmosphäre auf Lebensvorgänge (de Rudder), von der Beeinflussung physiologischer Vorgänge im Organismus durch meteorologische Gegebenheiten (Schulze). In dieser D e f i n i t i o n umfaßt sie u . a . auch die Agrarmeteorologie. Im engeren Sinne beschränkt sie sich auf die Beziehungen zwischen dem Wetter und dem Menschen. Hierfür wurde amtlich der Ausdruck "Medizin-Meteorologie" eingeführt. In ihr wird der Mensch als somatisch-psychischer Organismus den ebenso komplexen Wettervorgängen gegenübergestellt. Aus der Fülle und Weite dieser Probleme ergab sich notwendigerweise eine Zusammenarbeit von Medizinern, Biologen, Meteorologen und Statistikern und entstanden viele neue Arbeitsgebiete wie z. B. Geomedizin, Seuchenlehre, Klimatherapie, Kurortklimatologie. Eine medizinische Klimatologie gab es bereits bei Hippokrates im 4. Jh. v. Chr. und wird heute mehr denn je zur Therapie und zur Erholung ausgenutzt. Eine planmäßige Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Meteorologen existiert allerdings erst seit etwa 4o Jahren. Der Anlaß waren Krankheiten, die an Klimaerscheinungen bestimmter Jahreszeiten gebunden sind und darum "Saisonkrankheiten" genannt werden, während andere bei gewissen Wetterlagen gehäuft auftreten und darum als " m e t e o r o t r o p e K r a n k h e i t e n " bezeichnet werden [7, 45, 49] *). Es ist eine verbreitete Überzeugung, daß Schmerzen an kranken Geweben, Narben, Nervensträngen, Muskeln und Gelenken wetterabhängig sind (Berg, Düll). So stand schon in der Lex Frisionum (9, Jh.), daß eine Verwundung mit höherer Buße belegt wurde, wenn sie eine wetterempfindliche Narbe zurückließ. Alle als wetterabhängig empfundenen Schmerzen werden geradezu "Wetterschmerzen" genannt (de Rudder, Schulze, Reiter). Sie b e deuten eine W e t t e r e m p f i n d l i c h k e i t

des betreffenden Menschen.

Diese tritt vorwiegend bei chronischem Leiden auf, nicht bei akutem Geschehen (Verletzung, Unfall). Es gibt eine Reihe meteorotroper Krankheiten, die bei gewissen Wetterbedingungen bevorzugt ausgelöst werden 5 z.B. ^

siehe Literaturverzeichnis 17

Malaria-Anfälle, Aploplexien, Asthma-Anfälle, Thrombosen, Lungenembolien, Anginen, grippöse Infekte, Herzinfarkte, Suizide, Koliken, Epileptische Anfälle. Während die Wetterempfindlichkeit sich in einer partiell erhöhten Reizbarkeit, in der Auslösung eines Anfalls oder in der Verstärkung eines chronischen Leidens äußert, ist die W e t t e r f ü h l i g k e i t die allgemeinste Form der Wetterbeeinflussung des an sich gesunden Menschen (Berg), Sie kann in Mattigkeit, Depressionen, Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Abgeschlagenheit, Arbeitsunlust, Beklommenheit, Unruhe, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Schwindel ihren Ausdruck finden (Düll, Hellpach), Der Mensch paßt sich in Lebenshaltung, Kleidung, Häuslichkeit, Ernährung dem Klima und Wetter an» Dabei verschafft er sich in seiner Häuslichkeit ein künstliches Behaglichkeitsklima, um sich von den Einflüssen des natürlichen Klimas und Wetters weitgehend unabhängig zu machen. Trotzdem oder vielleicht auch zufolge einer gewissen Anfälligkeit durch Gewöhnung an das künstliche Klima treten Störungen und Fehlhaltungen auf, die als Wettereinfluß empfunden werden. Erscheinen die Symptome der Wetterfühligkeit oder -empfindlichkeit schon vor einer sichtbaren Wetteränderung, so spricht man von " V o r f ü h l i g k e i t " des Wetters als einer Art Fernwirkung des erst nachfolgenden Wettergeschehens (Weickmann [54]). Sie ist bisweilen so eindrucksvoll glaubhaft, daß sie die Grundlage einer volkstümlichen Wetterprognose wurde. Die M e d i z i n - M e t e o r o l o g i e befaßt sich mit solchen Erscheinungen der Wetterfühligkeit und Wetterempfindlichkeit und untersucht die Meteorotropie der Krankheiten und die Klimawirkungen (Schulze). Es wurden aber nicht nur die Wetterabhängigkeit von Krankheiten, Schmerzattacken oder Stimmungslagen sondern auch von Geburten, Todesfällen, Selbstmorden, Verkehrs- und Betriebsunfällen studiert. Durch Tests oder Experimente wurden zahlreiche physiologische Vorgänge bei gesunden Menschen sowie bestimmte Verhaltensweisen (z.B. Reaktionszeiten) und Leistungen auf Wetterabhängigkeit untersucht (de Rudder, Berg, Düll, Ungeheuer), Es ist nicht die Aufgabe dieser Monographie, alle bisher untersuchten biometeorologischen Beziehungen zu beschreiben. Eine solche Zu-

18

sammenfassung liegt in einer Denkschrift der Weltorganisation für Meteorologie vor [ 4 7 ] , Nun geht es in der Biometeorologie nicht nur darum, die Wetterabhängigkeit eines Befindens- oder Krankheitszustandes nachzuweisen, sondern die sich dabei irr Organismus abspielenden R e g u l a t i o n e n

durch repro-

duzierbare Tests zu erfassen. Jeder Mensch ist wetterreagierend,

meistens

unbewußt. Ob die Befindensänderung günstig oder ungünstig ist und welche Befindensstörung oder Krankheit sich ggf. einstellt, ist auch von Faktoren wie Konstitution, Disposition, regulativer Ausgangslage, prämorbidem Zustand eines Organs oder Systems abhängig. Wie aber soll man sich die Wirkungsweise des Wetters im Menschen vorstellen? Der biotrope Wetterreiz trifft den gesamten Organismus, der entsprechend als Ganzes mit seiner Gesamtregulation reagiert. Das Angriffsorgan im Menschen ist offenbar das vegetative

Nervensystem

als Resonator für die Wetter-und Klima-

reize, das mit seinen Dipolen "Sympathikus" und "Parasympathikus" die Reizantworten steuert (de Rudder, Schulze, Berg, Schulz). Je nach Tonuslage dieses Systems kommt es zu einem mehr oder weniger starken Ansprechen gegenüber meteorologischen Ereignissen gewisser Prägung (Flach). So ist die Wetterfühligkeit geradezu ein Symptom vegetativer Regulationsstörung [1, 12]. Im Grunde aber ist die Wirkungsweise des Wetters auf den Organismus noch ungeklärt [34, 4 6 , 5 5 ] .

Daher steht die Biometeorologie vor der T a t -

sache, daß der meteorologische Einfluß auf den menschlichen Organismus anerkannt wird, seine u r s ä c h l i c h e

Verknüpfung

im Organismus j e -

doch ein Rätsel ist [ 3 o ] . Trotz jahrzehntelanger eifriger Bemühungen ist das Forschungsgebiet der Biometeorologie noch heute Neuland [ 4 3 ] , Das letzte Ziel der Biometeorologie als Aufgabe am Menschen ist aber nicht nur die Aufdeckung der meteorotropen Wirkungen und der Wirkungsweise sondern auf Grund dieser Erkenntnisse eine T h e r a p i e

(Zink). Nun

ist zwar eine Therapie theoretisch erst richtig durchführbar, wenn der Wiikungsmechanismus bekannt ist. Praktisch wird sie aber schon betrieben, indem von den Medizinern die meteorologischen Bedingungen berücksichtigt [ 3 4 ] , individuelle Klimaindikationen durchgeführt [38] und etliche stimulierende Präparate angepriesen werden, welche die Kreislaufregulation nor-

19

malisieren oder die Reaktionsbereitschaft des Nervensystems herabsetzen, und so die Wetterwirkung dämpfen. Gemäß dem heutigen Wissen übet die Wirkungsweise des meteorologischen Geschehens muß sich eine Therapie wetterbedingter Störungen mit dem jeweiligen Versuch begnügen, die gestörte Harmonie im vegetativen Nervensystem wiederherzustellen (Amelung). Eine V o r h e r s a g e oder Warnung ist, soweit möglich, für Ärzte sehr wertvoll und wird in diesem Rahmen auch von einigen Arbeitskreisen durchgeführt [5, 14, 28], Für die Allgemeinheit würde sie aber eher die Gefahr der Erwartungspsychose heraufbeschwören und den Tablettenmißbrauch noch erhöhen als nützlich sein.

2. W e t t e r e l e m e n t e

als I n d i k a t o r e n

der

Biotropie

Die Biometeorologie ist nicht nur seitens der Medizin ein wichtiger Teil der Wissenschaft, auch der Meteorologie fällt hier eine wichtige Aufgabe zu. So definiert v,Humboldt das Klima als "Ausdruck, der in seinem allgemeinsten Sinne alle Veränderungen in der Atmosphäre, die unsere Organe merklich-affizieren, bezeichnet" [2o], Wettererscheinungen wie Kälte, Sonnenschein, Wind, Regen, Schnee, Gewitter, Schwüle, Trübe, Nebel beeinflussen die Stimmung des Menschen, vielleicht die Psyche überhaupt (Hellpach, Schulze), Bei der Erforschung des Wettereinflusses auf den Menschen gilt es nun, die Experimente zu untersuchen, welche die Natur am Menschen vornimmt. Soll eine aus der Erfahrung bekannte oder vermutete oder neu zu erforschende Wetterabhängigkeit untersucht werden, so wird man zunächst b e stimmte m e t e o r o l o g i s c h e

Faktoren

zum Vergleich heranziehen.

Bei deren Auswahl läßt man sich durch die Erfahrung leiten, oder man versucht es zunächst mit solchen, die bereits gemessen vorliegen und sich statistisch gut verwenden lassen. Für die Kasuistik waren es auffällige, von den Meteorologen beschriebene W e t t e r s i t u a t i o n e n

(Luftmassenwechsel,

Wetterfronten, Niederschläge, Gewitter, Tiefdruckgebiete, Stürme). Für die Statistik kann man aber nur Zahlenwerte verwenden, so daß man zunächst einfach die gemessenen meteorologischen E l e m e n t e

2o

wie Luft-

druck, Temperatur, Feuchtigkeit, Wind, Bewölkung, Sonnenstrahlung, Lufttrübung benutzte. Bald traten neue Meßwerte hinzu wie Spurenelemente der Luft, Aerosol, Ionenmilieu, elektrisches Feld, •Radioaktivität, e l e k tromagnetische Wellen (Schulze, Reiter, König). Oder man rechnete k o m plexe Elemente aus als vermeintlich besser geeignete Faktoren, so Anomalien, barometrische Unruhe, Äquivalenttemperatur, Abkühlungsgröße, Schwüle, Relativzahlen biologischer Wetterwirkung. Auch wurden Maßzahlen für verschiedene Wetterlagen eingeführt. Man versuchte sogar Beziehungen zu kosmischen Daten herzustellen (Düll), etwa Sonnenflecken, erdmagnetische Störungen, ionosphärische Störungen, Sonneneruptionen,

Charakter-

zahlen der Sonnenaktivität, Höhenstrahlung, Mondgezeiten oder Gezeiten des Meeres, die aber nicht mehr eigentlich meteorologische Phänomene sind» Bei all diesen Untersuchungen ergab sich, daß den einzelnen meteorologischen Elementen keine selbständige biotrope Wirkung zugeschrieben werden kann (de Rudder). Es konnte noch kein Element als der tor"

"biotrope

Fak-

erkannt werden, der überall und jederzeit allein das biologische G e -

schehen beeinflußt« jedoch wurde andererseits für kein Element seine g ä n z liche Bedeutungslosigkeit erwiesen (Ungeheuer). Die meteorologischen E l e mente selbst sind also (abgesehen von einigen Einzelfällen wie z . B .

Tempe-

ratur bei Hitzschlag) nicht die Ursache einer biotropen Wirkung sondern nur Indikatoren

einer biotropen Wetterlage (Reiter). Es dürfte auch wenig

sinnvoll sein, unter den vielen atmosphärischen Umweltfaktoren, die alle Außenreize auf den Menschen senden, nur nach einem meteorotropen F a k tor zu suchen. Statt dessen sollte man die Komplexwirkung des Wettergeschehens in den Vordergrund stellen [ 6 0 ] , Je nach der Wirkungsweise unterscheidet man den thermischen, photoaktinischen, luftchemischen und elektrischen

Wirkungskomplex

(Pfleiderer), je nachdem Temperatur, Windstärke und Wasserdampfgehalt oder Bewölkung, Sonnen - und Wärmestrahlung oder Niederschlag, Aerosol, relative Feuchte und vertikaler Luftaustausch oder luftelektrisches Feld, Gewitter, spherics, Höhenstrahlung, Radioaktivität, Hoch- und Niederfrequenzstrahlung im Vordergrund der Wirkung stehen. In dieser Einteilung wird die Wetterfuhligkeit und -empfindlichkeit dem meteorotropen oder

21

"neurotropen" Wirkungskomplex zugerechnet [ 5 5 ] , bei dem das Wetter oder Witterungsgepräge mit allen einzelnen Wetterelementen zusammen wirkt. Im Gegensatz zu den anderen Wirkungskomplexen weiß man hier weder, wie die meteorotrope Wirkung im menschlichen Organismus zustande kommt, noch, welcher der eigentliche biotrope Faktor bei der betreffenden Wettersituation ist (de Rudder, Berg, Schulze). Als letztes waren MikroSchwankungen des Luftdrucks und Infralangwellenstrahlung im Gespräch. Sicherlich dürfte im allgemeinen erst die Summierung, Ergänzung oder g e genseitige Aufhebung der verschiedenen Reizfaktoren die biotrope Wirkung auslösen [ 1 5 ] . Alle Ursachen im Wettergeschehen sind beteiligt, so daß der meteorotrop« Wirkungskomplex die anderen stets mit enthält [ 4 3 ] . Daher wurden komplexe Größen eingeführt und schließlich neue, u m fassendere Methoden gesucht, welche in besserer, angemessenerer Weise die Wettersituationen und -Wirkungen zu analysieren und in Beziehung zu setzen gestatteten. So wurde die "statische Methode" der zahlreichen und oft umfangreichen Korrelationsbetrachtungen (de Rudder, Berg, Düll, Reiter) durch die " d y n a m i s c h e

Methode"

(Schulze), die synoptische

Betrachtungsweise [ 2 5 , 4 8 , 53] und durch das Studium der Wettertypen (Daubert), Wetterphasen (Ungeheuer) und Großwetterlagen (Kuhnke) ergänzt und ersetzt. Dabei werden die Krankheitshäufungen, Testergebnisse usw. mit dem jeweilig aktuellen Wetter verglichen. Die verschiedenen medizin-meteorologischen Arbeitskreise des Deutschen Wetterdienstes [ 5 2 , 1, 6 ] entwickelten Methoden der Analyse des Wetters, die sich zwar im einzelnen unterscheiden, alle aber Ordnung in das vielseitige m e t e o rologische Geschehen brachten und auf Grund detaillierter Analyse aller atmosphärischen Vorgänge zur Synthese typischer Wettersituationen gelangten [ 2 9 ] . Diese waren dann geeignet, auf ihre Meteorotropie bezüglich der verschiedenen medizinischen und biologischen Phänomene untersucht zu werden, so daß statistisch gesicherte Beziehungen herausgestellt werden konnten.

22

3. B i o t r o p i e

der

Wetterlagen

Die statistischen Korrelationsbetrachtungen der statischen Methode brachten das Ergebnis, daß nicht gewisse meteorologische Elemente die Wetterwirkung verursachen, sondern das g e s a m t e Geschehen

atmosphärische

beteiligt ist und einzelne Elemente höchstens eventuell als

Indikatoren der betreffenden Wettersituation hervortreten. Daher bewährten sich einfache Häufigkeitsvergleiche bei den verschiedenen Wetterlagen oft besser als umständliche Korrelationsrechnungen mit einzelnen Wetterfaktoren. Denn die Güte einer Korrelation hängt nicht nur von der Art der Wetterabhängigkeit ab sondern auch von der Güte des Indikators, nämjich wie gut das betreffende Wetterelement die biotrope Wetterlage charakterisiert. Alle Korrelationsversuche mit Mittelwerten meteorologischer E l e mente waren dementsprechend erfolglos im Gegensatz zu denen, die das tägliche Wettergeschehen berücksichtigten (de Rudder). Daher lag der Erfolg der dynamischen Methode in der genauen Analyse des Wettergeschehens, unter Berücksichtigung aller dynamischen Vorgänge in der Atmosphäre die jeweiligen biotropen oder pathogenen Wetterlagen herauszufinden, bei denen die stärksten und häufigsten Wirkungen zu beobachten sind. Für biotrope (pathogene) Wetterlagen hielt man zunächst solche mit sichtbaren Wetteränderungen, insbesondere Wetterfronten, Luftmassenwechsel (de Rudder). Die Vorfühligkeit machte es nötig, auch die Einleitungsphase einer Wetterumstellung ( z . B . Zustände vor Frontdurchgängen) mit hinzuzunehmen. Ungeheuer [56] untersuchte insbesondere Tage mit starken Anomalien ( z . B . Föhn, Kaltlufteinbruch) und unterschied verschiedene Wetterphasen [57] j e nach ihrer Fremd - oder Eigenbürtigkeit. Zunehmend erkannte man die Bedeutung vertikaler Luftversetzungen beim Wettergeschehen [ l o , 28, 5 4 ] , so Aufgleiten (Warmfront),

Abgleiten

(Föhn, freier Föhn über einer Inversion), Turbulenz (Kaltfront, Gewitter, Schauer). Dabei traten immer mehr die sichtbaren Wetteränderungen (in Bodennähe) zurück zugunsten der Vorgänge in der freien Atmosphäre [14, 5o, 5 3 ] . So schälten sich im Laufe der Entwicklung folgende als b i o t r o p

Wetterlagen

heraus: alle Übergangswetterlagen [15] mit starker Änderung

des Höhenwindfeldes, die Entwicklung einer Frontalzone [ 4 8 ] , die Vorder-

23

seite eines Höhentiefs mit feuchtwarmer Tropikluft im Frontalbereich ( A u f gleiten) [ 2 8 , 5 o ] , Abgleiten (Föhn, freier Föhn) [17] und lokale L a b i l i s i e rung der Luftschichtung [ 4 3 ] , Die stärkste Biotropie wird bei l a b i l e m Aufg l e i t e n auf der warmen S e i t e eines meridionalen Höhentroges sowie bei vertikalen Umlagerungen in polarer Luft b e o b a c h t e t [ 2 9 ] , Als nicht biotrope Wetterlagen gelten z . Z . Hochdrucklagen mit eigen bürtigem Strahlungswetter, T a g e ohne wesentliche Vertikalbewegungen in der Atmosphäre oder mit b l o ß e m Absinken ohne Warmluftadvektion in der Höhe sowie normales der Jahreszeit und dem K l i m a entsprechendes Wetter. D a b e i spielt offenbar der Gewöhnungseffekt e i n e große Rolle, so daß oft weniger e i n e b e s t i m m t e W e t t e r l a g e biotrop ist als vielmehr die Umstellung zu einer j e w e i l s ungewohnten Wettersituation (Akklimatisierung). In diesem Sinne zählt Ungeheuer [ 5 ~ ]

eigenbürtiges Wetter (Hochdrucklagen,

Strah-

lungswetter) zu den biotrop günstigen, dagegen fremdbürtiges Wetter (Föhn, W a r m - oder Kaltluftadvektion) zu den biotrop ungünstigen W e t t e r l a g e n . Im übrigen ist die Biotropie einer Wetterlage auch von der Geographie (Orographie), von der Konstitution des Menschen und von der Art des b i o logischen Ereignisses (Krankheit) abhängig. Die verschiedenen S y m p t o m e und Krankheiten treten b e i j e w e i l s speziellen Wetterlagen bevorzugt auf, die konträr verschieden sein können, z . B . Herzinfarkte bei Hochdrucklag e n , wenn besondere Wettervorgänge gerade fehlen [ 2 9 ] . Daher gibt es a m Ende gar k e i n e W e t t e r l a g e , die nicht irgendwie biotrop sein kann. Bei vielen Lebens- und Krankheitserscheinungen konnte e i n e Biotropie gewisser Wetterlagen festgestellt werden.

Aber weder die Statistik,

die

nur z e i t l i c h e Verknüpfungen l i e f e r t , noch die dynamische Methode, die nur funktionale Beziehungen aufdecken kann, trug zur Klärung des e i g e n t lichen W i rk u n g s m e c h a n i s m u s b e i . Der "biotrope Faktor" b l i e b verborgen, die kausale Verknüpfung zwischen dem Wetter und dem b i o l o g i schen Geschehen unbekannt. So erfolgreich die dynamisch-synoptische Methode auch die Fülle und den Charakter der biometeorologischen Beziehungen herausstellen konnte, vermochte sie j e d o c h k e i n e Kenntnisse über Wirkungszusammenhänge zu liefern* denn diese sind nicht durch Korrelationen mit Zuständen und Zustandsänderungen der G e s a m t a t m o sphäre zu erreichen sondern durchUntersuchungen an solchen Indikatoren,

24

die das atmosphärische Geschehen eindeutig und überschaubar charakterisieren und dabei zugleich als Kausalglied zwischen Wetter und Organismus in Betracht kommen [ 4 3 ] ,

Die Auflösung der Komplexwirkung des

Wettergeschehens in partielle Kausalzusammenhänge übersteigt jedoch die Leistungsfähigkeit der gegenwärtig verfügbaren analytischen Methoden [60]. Hier werden nur gezielte Experimente weiterhelfen. Vielleicht sollte man die moderne K y b e r n e t i k

zu Rate ziehen (Keil), denn die Re-

aktionsweise auf "Muster" von Reizfaktoren durch regulative "Steuerung" der Tonuslage als "Führungsgröße" ist ein typisch kybernetisches Problem.

III. 1.

Statistische

Probleme der Statistik

Bedingungen

Eine statistische Untersuchung der Frage, ob ein biologisches Ereignis wetterabhängig ist, setzt voraus, daß man alle verfügbaren Werte solcher Ereignisse zu einem Kollektiv sammelt, ebenso alle gleichzeitigen Werte gewisser Wetterfaktoren oder -Situationen als synchrone Wetterereignisse, Dabei müssen folgende Bedingungen erfüllt sein; a)

Definition Das biologische und das meteorologische Ereignis müssen beide genau

definiert sein [ 4 3 ] , Auf biologisch-medizinischer Seite ist diese Definition oft eine Frage der Erkenntnis und Diagnose, bei subjektiven Beschwerden eine solche der persönlichen Beurteilung durch den Patienten. Auf m e t e o rologischer Seite kann sie vom Meßverfahren abhängig sein ( z . B. bei e l e k tromagnetischen Störungen)" bei Wetterlagen ist sie oft eine Frage der unterschiedlichen Analyse oder Beurteilung ( z . B. in verschiedenen Arbeitskreisen). b) Z e i t l i c h e

Fixierung

Die Ereignisse müssen zeitlich genau festlegbar sein. Auf medizinischer Seite ist dies nur bei akutem Geschehen oder Anfällen und Schmerzattacken sowie bei Experimenten oder Tests möglich. Auf meteorologischer Seite macht oft die Interpolation zwischen den üblichen Beobachtungsterminen Schwierigkeiten, insbesondere bei kurzfristigen Vorgängen in der freien Atmosphäre. 25

c)

Ortsgleichheit Beide Ereignisse müssen am gleichen Ort stattfinden. Oft muß man sich

allerdings mit geographischen Mittelwerten der meteorologischen Parameter begnügen oder auf großräumige meteorologische Vorgänge beschränken. d)

Zählbarkeit Will man sich nicht mit der Auszählung von Alternativen (Häufigkeiten)

begnügen und quantitative Ergebnisse erzielen, müssen die Ereignisse zählbar sein. Das ist nur bei meßbaren Elementen möglich oder durch Aufstellung einer Zahlenskala auf Grund unterschiedlicher Bewertung (digitale Stufenwerte). e)

Homogenität Die Kollektive müssen homogen sein. Die Definition der Ereignisse soll

im ganzen Kollektiv dieselbe sein und darf nicht konkurrierende Merkmale umfassen, verschiedene Untertypen oder zeitliche Entwicklungen enthalten. Da im organischen und im meteorologischen Geschehen viele Definitionen auf der Typisierung ähnlicher Ereignisse beruhen, müssen oft gewisse Inhomogenitäten in Kauf genommen Vierden, auch um eine hinreichende Größe des Kollektivs zu gewährleisten, f) G r ö ß e

des

Kollektivs

Die Kollektive müssen so umfangreich sein, daß die statistischen Regeln gelten und die Ergebnisse repräsentativ sind. Gute Korrelationen werden oft erst in großen Kollektiven erreicht, wenn die normalen Abweichungen und Zufälligkeiten überwunden werden.

2.

Biometeorologische

Korrelationen

Eine statistische biometeorologische Untersuchung besteht darin, daß die Kollektive des biologischen und des meteorologischen Ereignisses miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die Wetterabhängigkeit des biologischen Ereignisses ist gesichert, wenn diese Beziehung in Form einer guten Korrelation zwischen den beiden Ereignissen nachgewiesen ist. Die Korrelation ist gut, wenn sie die Grenze der zufälligen Möglichkeit überschreitet. Diese läßt sich nach Festlegung einer Signifikanzgrenze aus den statistischen Eigen-

26

Schäften des Kollektivs an Hand der Theorie des Zufalls (Wahrscheinlichkeitslehre) ermitteln. Jede biometeorologische Korrelation kann aber aus folgenden Gründen im allgemeinen nur schwach sein [ 5 5 ] : a)

Inhomogenitäten Die o . a . Bedingungen lassen sich oft nur mangelhaft erfüllen. Unge-

nauigkeiten führen zu Inhomogenitäten, die eventuelle Beziehungen verwischen, also die Korrelation schwächen. Insbesondere müssen die biologischen Ereignisse hinreichend gleichartig sein, weil ihre Wetterabhängigkeit Unterschiede aufweisen könnte, welche die Eindeutigkeit der gesuchten Beziehung beeinträchtigen würden. Nur einheitliche Wetterabhängigkeiten können gute Korrelationen liefern, b)

Individualitäten Die biotrope Wirkung b e i m Menschen ist unterschiedlich«, die Menschen

sind individuell verschieden wetterempfindlich (meteorotrope Stabilität oder Instabilität, Reaktionstypen). Daher ist es von Vorteil, wenn man nur den Fall jeweils eines Menschen untersucht (Düll), jedoch gilt das Ergebnis dann auch nur für diesen Menschen (Reiter). Entsprechend ist das Ergebnis auf Grund einer statistischen Korrelation nur für eine "statistische Person", aber nicht für jeden individuellen Menschen gültig (Keil), c)

Reaktionsweisen Derselbe Wettervorgang kann unterschiedlich wirken je nach der Reak-

tionsbereitschaft (augenblicklichen Disposition) des Menschen, auch b e i m einzelnen Menschen in der Zeitfolge. Daher ist eine biotrope Wetterlage nicht jederzeit biotrop wirksam. Andererseits ist die jeweilige Reaktionsbereitschaft des Menschen im allgemeinen unbekannt (Test). Deshalb können biometeorologische Korrelationen nur schwach ausfallen und nur im statistischen Mittel gelten, nicht für den speziellen Einzelfall, d) A n d e r e

Einflüsse

Das Wetter ist andererseits im allgemeinen nicht die alleinige Ursache einer biologischen Veränderung (de Rudder). Nicht jeder Krankheitsfall

27

einer an sich meteorotropen Krankheit, nicht jeder W e t t e r s c h m e r z ,

nicht

j e d e psychische Verstimmung ist meteorotrop bedingt. Daher gibt es kein eindeutiges Kriterium für die Meteorotropie einer Reaktion (Berg).

Viel-

mehr geht hier zunächst das persönliche Leben mit seinen b i o l o g i s c h e n , psychischen und soziologischen Besonderheiten e i n . Endogene und andere e x o gene Einflüsse überlagern sich und rufen g l e i c h a r t i g e Wirkungen hervor. In der Annahme, daß diese sich z e i t l i c h " z u f ä l l i g " verteilen, während das Wetter a l l e g e m e i n s a m zum g l e i c h e n Zeitpunkt b e e i n f l u ß t , sucht man die Wetterwirkung in. e i n e m großen K o l l e k t i v zu isolieren.

e)

Retardierung V i e l e biotrope Wirkungen unterliegen auf Grand der RegulationsVorgänge

i m m e n s c h l i c h e n Organismus einer z e i t l i c h e n Verzögerung gegenüber dem meteorologischen Ereignis. Hier müßte die punktförmige Korrelation e r w e i tert werden zu e i n e m Studium des Verlaufs der Ereignisse in der Umgebung der Korrelationstermine. f)

Güte

des

Indikators

Jeder Wetterfaktor ist nur ein mehr oder weniger guter Indikator für die Wettersituation, die v i e l l e i c h t biotrop ist, während der e i g e n t l i c h e " b i o t r o pe Faktor" i m m e t e o r o l o g i s c h e n Geschehen, der erst e i n e gute Korrelation gewährleisten k ö n n t e , noch unbekannt ist (wenn es ihn überhaupt gibt). g) A n o r m a l i t ä t e n

der

Kollektive

Die biologischen und auch die meteorologischen K o l l e k t i v e benehmen sich im a l l g e m e i n e n nicht wie Glückspiele, welche die I d e a l k o l l e k t i v e in der Statistik darstellen, sondern enthalten innere G e s e t z m ä ß i g k e i t e n nicht zufälliger Art, w e l c h e die Gültigkeit der statistischen Gesetze einschränken und die Korrelationen stören oder auch vortäuschen können. S o l c h e ren G e s e t z m ä ß i g k e i t e n sind z . B, die

E r h a 11 u n g s n e i g un g ,

inne-

die Abhän-

gigkeit eines Ereignisses von der Vorgeschichte (Andauer eines S c h m e r z e s , Reaktionsbereitschaft, Regulation) und periodische Vorgänge, (Tagesgang,

Rhythmen

Jahresgang).

Alle diese S c h w i e r i g k e i t e n , die schwache Korrelationen bewirken, sucht

28

man durch Vergrößerung der Kollektive (längere Zeitreihen, viele Fälle) zu beheben. Das macht die Kollektive aber im allgemeinen heterogener, was wiederum die Güte der Korrelationen herabsetzt. So gibt es ein O p t i m u m zwischen der Wirkung großer Zahlen, welche die zufälligen Ursachen und Wirkungen zurücktreten läßt zugunsten der gesuchten Beziehung

nd der

Heterogenität, welche die gesuchte Beziehung verwischt. In dieser Arbeit wird sich zeigen, daß ein Kollektiv auch bei Beschränkung auf einen Menschen, eine wohl definierte Krankheit und spezielle Wetterelemente allein durch die Entwicklung des Menschen, durch ärztliche Behandlung und den Heilungsprozeß inhomogen werden kann. Dabei werden wir die Gegenläufig keit zwischen der Größe des Kollektivs und seiner Heterogenität erkennen und dem Optimum nachspüren. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, die Sicherheit schwacher Korrelationsergebnisse zu erhöhen: Die Aufspaltung der Kollektive in lektive

Teilkol-

bringt zwar im allgemeinen keine besseren Korrelationen* jedoch

sollten diese in ihrer Art (Vorzeichen) untereinander und dem Gesamtergebnis ähnlich sein. Die G e g e n p r o b e

[15], bei der die Kollektive oder

Merkmale ihre Rollen vertauschen (Umkehrkorrelationen), sollte die gleiche Korrelation liefern. Wir werden in dieser Untersuchung die biometeorologischen Korrelationen sowohl analysieren, um ihre Struktur zu erfassen, als auch durch Gegen-und Umkehrkorrelationen absichern, so daß ein lationsviereck

Korre-

entsteht, dessen einzelne Ergebnisse zwar nur an der

Grenze statistischer Signifikanz liegen, aber durch ihre sinnvolle Geschlossenheit an Oberzeugungskraft gewinnen.

3.

Zufall

und

Gesetzmäßigkeiten

in

Kollektiven

Es sollen nun die inneren Gesetzmäßigkeiten eines Kollektivs näher b e leuchtet werden [31], Das Kollektiv K bestehe aus N Elementen

Diese

Elemente mögen gewisse biologische oder meteorologische Ereignisse sein, die gemäß einer Skala durch je einen Zahlenwert vertreten sind. Die Numerierung i = 1, 2 , , N bedingt eine A n o r d n u n g

der Elemente in K. Ist

K eine Zeitreihe, so bestimmt die Zeit diese Reihenfolge, der jeweilige Zeitpunkt die Nummer des Elements.

29

Im Idealkollektiv der theoretischen Statistik sind die Elemente eines Kollektivs r e g e l l o s

verteilt, von der Reihenfolge der Numerierung un-

abhängig. Alle statistischen Größen sind in einem solchen Kollektiv invariant gegen eine beliebige Vertauschung der Elemente* sie bleiben gleich, wenn man die Reihenfolge irgendwie ändert. Die Reihenfolge ist eine zufällige und kein Element ist vom Wert eines anderen abhängig. Diese Voraussetzung ist keinesfalls selbstverständlich und in Zeitreihen und bei biologischen oder meteorologischen Ereignissen im allgemeinen nicht erfüllt. Die wichtigsten O r d n u n g s g e se t z e

innerhalb eines Kollektivs sind

die Erhaltungsneigung, die eine Abhängigkeit der Ereignisse von ihrer Vorgeschichte ausdrückt [4] , und Rhythmen [11], die ein periodisches Verhalten der Ereignisse [3] beschreiben. Im Folgenden werden fünf der üblichen Verfahren skizziert, die auch wir bei der statistischen Auswertung der Kollektive anwendeten. Dabei wird auch auf Prüfmöglichkeiten hingewiesen, ob die Zufallsbedingungen gelten oder Ordnungsgesetze bestehen; a) Z u f a l l s g r e n z e n

[27]

Die Elemente x^ in K mögen den Mittelwert x und die Streuung s aufweisen. Die S t r e u u n g

gibt die mittlere Abweichung der Werte x^ vom Mit-

telwert x an. Etwa 2 / 3 aller Werte von K liegen innerhalb des Wertebereichs x + s» im Bereich x t 2s sind es 95 4 V Ì 1 « Ì

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Abb, 15: Prozentuale Häufigkeiten der Phantomschmerz-Stufen gleicher Andauerzeit b e i m 5-Tageszeiten-Kollektiv a) für die einzelnen Stufen und das Gesamtkollektiv, b) für die einzelnen Tageszeiten, c)

für die einzelnen Jahre.

Abszisse: Andauerzeiten in Tagen Schwarze Säulen; Andauerzeiten ganzer Tage

1.

70 • 60

SO 40 30

All«

Tag

Nacht

1949

T T - n r1 2 3 4

Tr>i 12 3 4

1 2 3 4

1953

20 10

0

m-H Tog* 1 2 3 4 Abb. 16:

T h i r» 1 2 3 4

Prozentuale Häufigkeiten der Phantomschmerz-Stufen gleicher Andauerzeit beim Halbtages-Kollektiv. Abszisse: Andauerzeiten in Tagen

77

zeigt aber dieses Kollektiv auch in Bezug auf die Erhaltungsneigung ein statistisch normaleres Verhalten, was für die Anwendung der Methoden und die Ausdeutung der Ergebnisse von Vorteil ist. b) V e r g l e i c h

mit

theoretischen

Andauerzeiten

Um ein Maß zu haben, wie stark die Phantomschmerzwerte in Bezug auf ihre Erhaltungsneigung vom normalen Verhalten eines Kollektivs abweichen, wurden theoretische Andauerzeiten-Häufigkeiten gleicher Stufenwerte nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitslehre aus den Grunddaten des Kollektivs berechnet: Hat ein Stufenwert die relative Häufigkeit p im Kollektiv, so ist p • (1-p)^ die Wahrscheinlichkeit, genau k Zeiteinheiten anzudauern. Den Vergleich mit den tatsächlichen Andauerzeiten-Häufigkeiten zeigt Abb. 17, links für das Kollektiv der 5 Tageszeiten, rechts für das der Halbtagesmittelwerte. Die Kurven stellen die Häufigkeit gleicher Andauerzeiten als Funktion der Andauerzeit dar, die ausgezogene die tatsächliche Häufigkeit, die gestrichelte die theoretisch berechnete. Als Ordinateneinheit wurde der Logarithmus der Häufigkeit gewählt, weil dann die theoretische Kurve eine fast gerade Linie ist. Ptia rrt omschmerz «n " \ 5 1os,e«.it«n . \ ! r %\

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fenwerte im Vergleich zu theoretischen Werten der Wahrscheinlichkeiten.

Links: 5-Tageszeiten-Kollektiv • rechts; Halbtagsmittel-Kollektiv Abszisse: Andauerzeiten in Tagen' Ordinate; Logarithmus der Häufigkeit n Ausgezogene Kurven; Tatsächliche Häufigkeiten Gestrichelte Linien;

78

Theoretische Häufigkeiten

79

Beim Tageszeiten-Kollektiv sind die Häufigkeiten kurzer Andauerzeiten geringer und diejenigen langer Andauerzeiten wesentlich größer als im theoretischen Normalfall, so daß sich eine flachere Neigung der Kurve e r gibt, die überdies besondere Spitzen bei jeweils vollen Tagen hat, welche die Schlafzäsur anzeigen. Dagegen weicht die tatsächliche Kurve des Halb tages-Kollektivs nur wenig von der theoretischen ab. c) A n a l y s e

der

mittleren

Andauerzeit

Das Verhalten der mittleren Andauerzeit eines Stufenwerts in den verschiedenen Unterkollektiven vermittelt Abb. 18, und zwar von links nach rechts (a) als Zeitverlauf in laufenden Jahresmittelwerten, (b)

b e i m mittleren Jahresgang in Monatsmittelwerten,

(c)

b e i m mittleren Tagesgang,

(d)

bei den einzelnen Stufenwerten.

Die ausgezogenen Kurven mit dem Symbol A gelten dem Grundkollektiv der 5 Tageszeiten, die gestrichelten Kurven mit dem Symbol H dem Kollektiv der Halbtagesmittelwerte und die ausgezogenen Kurven mit dem Symbol T dem Kollektiv der Tagesmittelwerte. Die punktierten Kurven geben die theoretischen Verhältnisse der jeweiligen Kollektive wieder. Zunächst fallen auch hier die großen Unterschiede zwischen den wirklichen und den theoretischen mittleren Andauerzeiten bei allen Unterkollektiven des 5-Tageszeiten-Kollektivs auf. Die wirkliche Andauerzeit ist etwa dreimal so groß wie die theoretische. Beim Halbtageskollektiv sind diese Unterschiede bereits kleiner (Faktor 1,3) und beim Tagesmittelkollektiv fast verschwunden (Faktor 1,1). Deutlich ist auch die Abnahme der mittleren Andauerzeit bei höheren Schmerzstufen und zum Abend hin zu erkennen. Dagegen liegt (wie bei den Stufenwerten selbst) kein Jahresgang vor. Im Zeit verlauf deutet sich eine gewisse Zunahme der mittleren Andauerzeit bei den Halbtags- und Tagesmittelwerten mit den Jahren an, die derselben bei den theoretischen Andauerzeiten folgt. Hier wirken offenbar zwei Effekte beider Stabilisierung der Phantomschmerzen gegeneinander. Die Stabilisierung selbst kürzt zwar die Erhaltungsneigung ab und verringert die mittlere Andauerzeit* die Konzentration der Stufenwerte auf mittlere Werte erhöht aber die Wahrscheinlichkeit längerer Andauerzeiten dieser Stufenwerte.

8o

Tatsächlich zeigt sich mit den Jahren eine Abnahme der mittleren Andauerzeit bei den extremen Stufenwerten, dagegen eine deutliche Zunahme bei den mittleren Stufenwerten, insbesondere der Stufe 3. d) H ä u f i g k e i t e n

von

Stufenänderungen

Eine drastische Darstellung der Erhaltungsneigung vermittelt auchdieHäufigkeitsanalyse der Stufenänderungen benachbarter Termine. Abb. 19 zeigt die prozentualen Häufigkeiten der einzelnen Stufenänderungen für die verschiedenen Tageszeiten. Die Säulen der Stufenänderung o (keine) wurden weiß gelassen im Gegensatz zu den übrigen, weil sie die Erhaltungsneigung charakterisieren. Deutlich dominiert sie am T a g e , abnehmend zum Abend.

morg./vonn.

vorm./mitt.

mMJra&rn.

nachm/abd.

abd/morg. Tagesgang

s

-5

0 «5

Abb. 19:

-5

L •S

-5

L 0 .5

-5

L

0 .5

J1 1 -5

J l 0 .5

Prozentuale Häufigkeiten der Stufenänderungen der Phantomschmerzen. Links:

Stufenänderungen zwischen den einzelnen Tageszeiten Abszisse: Stufeneinheiten Weiße Säulen: keine Stufenänderung

Rechts: Tagesgang der Stufenänderungen D = Mittelwert aller Änderungen S = Mittelwert der Beträge aller Änderungen 81

Die Figur rechts gibt den Tagesgang der mittleren Stufenänderung wieder, D mit Vorzeichen, S die Beträge. Am Tage überwiegen die positiven Änderungen (Tagesgang)- nachts weisen die Beträge ein Maximum auf (Schlaf zäsur).

IV. Statistische Eigenschaften der Phantomschmerzen 1.

Tagesgang Die meisten organischen Funktionen weisen einen tagesperiodischen Rhyth

mus auf. Daher ist es nicht verwunderlich, daß dies auch bei den Phantomschmerzen der Fall ist. Im Mittel werden die Schmerzen über Tage zunehmend stärker und reduzieren sich über Nacht wieder. Dieser Tagesgang (Abb, 4) ist durch ein scharfes Maximum am Abend und ein flaches Minimum am Vormittag ausgeprägt. Ein solcher Rhythmus ist nicht an allen Tagen vorhanden. Es gibt viele Tage (U