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German Pages 92 [98] Year 2022
MEINEN LEHRERN
R. KITTEL,
N. SOEDERBLOM
UND DEN MANEN
K. LAMPRECHTS
Vorwort. D i e Arbeit, die ich hiermit vorlege und die von der Theoogischen Fakultät der hiesigen Universität als Lizentiatenarbeit angenommen wurde, hat eine längere Vorgeschichte. Ein erstes Mal sachlich im Frühjahr 1914 abgeschlossen, wäre auch sie fast ein Opfer des Krieges geworden, da der Versuch, ihr die letzte stilistische Feilung f ü r den Druck während der Abendstunden der militärischen Ausbildungszeit angedeihen zu lassen, scheiterte. Auf jene Urgestalt, die ihm im Manuskript vorgelegen hatte, beziehen sich die Worte, die ihr Herr Erzbischof S o e d e r b l o m 1915 in Ur Religionens Historia auf Seite 220 gewidmet hat. Als ich sie im Sommer 1919 endlich wieder zur Hand nehmen konnte, machte nicht nur die inzwischen erschienene Literatur eine erneute Durcharbeitung des Stoffes erforderlich, doch blieben die Grundzüge dieselben. F ü r die Anregung zur Beschäftigung mit dem Stoffe habe ich Herrn Erzbischof S o e d e r b l o m , für mannigfache Förderung im einzelnen Herrn Geheimrat v. ü O b s c h ü t z , f ü r das Lesen einer Korrektur auch diesmal meiner Schwester L o t t e zu danken. Ganz besonders aber weiß ich mich der Schwedischen Religionswissenschaftlichen Gesellschaft für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Beiträge verpflichtet; wer die Verhältnisse auf dem deutschen Büchermarkt kennt, weiß, was dies hochherzige Entgegenkommen für mich bedeutet. W e n n ich meine Arbeit ihrem Ehrenmitglied, meinem verehrten Lehrer, Herrn Erzbischof S o e d e r b l o m widme, so bitte ich sie, dies als Zeichen einer Dankbarkeit anzusehen, in die auch sie selbst eingeschlossen ist. In Bogen 2 und 5 sind durch ein Versehen, das ich zu entschuldigen bitte, eine Reihe von Korrekturen unberücksichtigt geblieben; ich habe sie unter „Adder)da et Corrigenda" nachgetragen. H a l l e , Ende Oktober 1920 Joh.
Hcmpcl.
Inhaltsverzeichnis. Seite
Einleitung
1—3
Die Quellen. I. Reste der W e r k e des Apollonius: a) bei griechischen Schriftstellern
3— 6
b) in arabischer Übersetzung
6—12
c) Die Briefe
12 — 23
I I . Nachrichten zweiter Hand: a) Philostrat und seine Vorlagen
2 3 — 35
b) Römische Schriftsteller
35 — 36
Das Leben des Apollonius. I. Der äußere Verlauf: a) Die Begebenheiten nach Philostrat
36—37
b) Die Glaubwürdigkeit des Philostrat
37 — 4 4
c) Die "Wunderberichte
44 — 4 5
I I . D e r Charakter des Apollonius
4 5 — 48
Die Lehre des Apollonius. I. Die Methode des Apollonius
48 — 49
I I . Der Inhalt der Lehre des Apollonius: a) Die Theologie
4 9 — 57
b) Die Ethik
57 — 59
c) Die Lehre von der Seele
5 9 — 61
Die Lehre von Apollonius. I. Die Stellung der Vorlagen des Philostrat: a) Maximus von Aegae
61 — 62
b) Die Ekphatnismata
62 — 64
I I . Das Selbstzeugnis des Apollonius I I I . Die Entstehung der Lehre von Apollonius
65 — 68 .
.
.
.
.
.
.
68 — 71
Apollonius und das Christentum. I. Die Stellung des historischen Apollonius
71 — 7 3
I I . Die Haltung des Philostrat und seiner Vorlagen: a) zu den Evangelien
73—82
b) zu den Akten
81—85
Anhang: Schematische Darstellung der Entwicklung der Apollonius Tradition
86
Verzeichnis
der
Abkürzungen.
B . G . U . = Agypt. Urkunden aus den Kgl. Museen zu Berlin, U riech Urkunden. Corp. Incr Gr. = Corpus Iuscriptioiium (¡raeeaiuin, ed. Boeckli. C. S. E. L. = Corpus Scriptorum ecelesiasticorum Latmorum. E. R. E. = Encyciopaedia of Religion and Ethiks, ed. Hastings. Geffcken = Der Ausgang des griechisch-römischen Heidentums, Heidelberg 1920 (erst von der 2. Korrektur ab verwandt). Hennecke I = Neutestamentl. Apokryphen, ed Hennecke, Tübingen 1904. „ II = Handbuch dazu. Inscript. Graec. = Iuscriptiones Graecae, ed. Berliner \kademie. J. P. Th. = Jahrbücher f ü r protestantische Theologie Mon. Germ Ilist Aa — Monumenta Gennaniae histórica, auetores antiquissimi. M. S. G. = l'atrologiae cursus completus series Graeca, ed. Migne. Patrol. Syr. = Patrología S \ n a c a , ed. (-raffin P. R. E. 3 = Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 3 Aufl., ed. H a u e t . Rh [ein.J. Mus. = Rheinisches Museum Th. L. Z. = Theologische Literaturzeitung. T. U. = Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altihristhohen Literatur, edd. von Gebhardt und Harnai-k. Z. n. W . = Zeitschrift f ü r die neutestamentliclie Wissenschaft. Philostrat ist zitiert nach der ed. Kayser, Leipzig 1870 71 (nur für das Zitat aus IV" 44 auf Seite 49 wurde auf Grund des Apparates die Lesart der Züricher Ausgabe von 1844 vorgezogen), die a p o t r y p h e n Akten, wenn nichts besonderes b e m e r t t , nach B o n n e t - L i p s i u s , Leipzig 1891 — 1903, Stobaeus nach W a c h s m u t - H e n s e , Berlin 1894 — 1912.
Addenda et Corrigendn. Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite
8 Anm. 2 Zeile 9 ist hinter ,,.ep. CII 32" einzufügen CSEL 34 S. 572. 18 Anm. 1 ist zu lesen. ytfQwv aojo^oi
Randbemerkung, ttQiyvwTooo
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59
—
diese Weisung hat Apollonius seinem Pythagoras in den Mund gelegt (Jambl. 92), als wenigstens für den engeren Kreis der nv3ayÖQeioi (Gegensatz: TIv&ayooiaTu!) geltend (Jambl. 81).1) Neben der Ethik ist nun von besonderem Interesse die Seelenlehre, die Philostrat dem Apollonius zuschreibt, weil sie für die Besprechung der Lehre v o n Apollonius von ausschlaggebender Bedeutung ist.2) Die menschliche Seele steht unter mannigfaltigen Einflüssen. Solche gehen auf sie aus — vor allem bei geistig hochstehenden Menschen (aocpot) ist dies, wie wir sahen, der Fall. — von den Göttern; namentlich im Traum ist sie derartigen Einwirkungen offen. Aber auch der Körper und sein Zustand sind für sie von Bedeutung 3 ), wie sie umgekehrt körper1) Nach I 16 hat auch Ap. einen engeren Jüngerkreis um sich gesamm e l t : die, welche ihm an Treue gegen das pythagoreische Schweigegebot nahe k o m m e n , habe er in seine Geheimnisse eingeweiht. Wieweit ein geschichtlicher Vorgang dieser auf Grund einer Sonderquelle gebotenen Erzählung zugrunde liegt, ist schwer zu sagen. 2) Nur anmerkungsweise, weil mit der größten Wahrscheinlichkeit dem Phil, als dem Kunstkritiker angehörig, sind die A u s f ü h r u n g e n ü b e r das W e s e n der Phantasie in II 22 und VI 19 zu behandeln. Sie ist eine schöpferische K r a f t (ötjftiovQyös VI 19), darin der Kunst v e r w a n d t , der sie freilich insofern überlegen ist, als die K u n s t , da sie auf der ¡j.iurjniq b e r u h t , n u r nachschaffen kann o eltftv, während die '
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EXÖTJ T&TTOig (VII 32). Über den Sinn der Stelle kann kein Zweifel bestehen; Domitian ist in derselben Lage wie Diomedes II. V 127, bevor Athene ihm die Augen geöffnet hat: Er kann Gott und Mensch nicht auseinanderhalten. Das hat er darin bewiesen, daß er den Sprecher, der doch — ohne diese Vorbedingung wäre die ganze Auseinandersetzung zwecklos — nur ein Mensch ist, für einen Gott hält.1) Auch über die Gründe, wie der Glaube an seine Göttlichkeit habe entstehen können, läßt „Damis" ihn sich äußern. Er schreibt sie danach einer allgemeinen menschlichen Schwäche des Ausdrucksvermögens zu, auf die ihn Jarchas (III 18) aufmerksam gemacht hätte: OTI J t ä g av9-QW7vog ayaSog 2 vo/.tiCo[isvog &eofj ejzwvv^iia zi^iäzui (VIII 5). ) Auch an dieser Stelle also ist nichts davon zu spüren, daß Apollonius göttliche Stellung für sich beansprucht hätte. Er mag sich in seiner sittlichen Qualität,den Göttern verwandt fühlen, eine Wesensgleichheit mit ihnen ist darin nicht gegeben, hebt es ihn doch in keiner Weise über das allen Menschen Mögliche hinaus. In die gleiche Richtung weist es, daß er die Einweihung in die Mysterien f ü r ¡iövtüv
1) M i t lehnung
der
des „Damis"
dieser Selbstaussage Theophanien
sich
s i n d d i e in I Y 3 1 z u r B e g r ü n d u n g d e r
findenden
"Worte
¿i;
firj
(f Oovoiro
als
erwiesen.
2) D a ß d a m i t d i e D e h n b a r k e i t d e s A u s d r u c k s &eög f ü r d i e Z e i t d e s historisch
richtig angegeben ist,
geschichte I 4 rovg
iviQytTKq
Ab-
Urteil
S. 1 3 8 tjuCov
ergibt sich aus d e m v o n Harnack:
Anm. 1 beigebrachten äv&Qiinovs
H e m p e l , Apollonius von Tyana.
S-eoiig /otj
Material;
cf. auch
Ap.
Dogmen-
Act. Joh. 2 7 :
-/.((ItiaihtL. 5
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—
sich b e g e h r t , wie er die anderen dazu a n t r e i b t , sich weihen zu lassen; auch der Ausspruch &ewv yäo ycooig oi'd' sv ällq> eofiev gehört h i e r h e r (s. dazu o. S. 52). Endlich ist es beachtenswert, daß n i r g e n d s behauptet w i r d , Apollonius habe sich in der Weise des Simon Magus f ü r eine I n k a r n a t i o n seines rcqGnog &eög (cf. J u s t i n Apol. I 26 ed. K r ü g e r 4 p. 21) gehalten. N u n findet sich freilich eine E r z ä h l u n g , in der das Gegenteil als die M e i n u n g des Apollonius erscheint, der Bericht von Unterr e d u n g e n mit dem Chiliarchen, der die ephesinische Proskynese miterlebt u n d sich an ihr beteiligt haben wollte, worauf ihm Apollonius geantwortet haben soll: xaAwg TVOIWV amög ye av VMI •fj (joj&tioa "Ecpeaog rcölig (VII 21). 1 ) Auf die f r e u n d l i c h e Aufforder u n g , die P r o b e auf seine Göttlichkeit durch Yersuchshinrichtung machen zu lassen, soll Apollonius freilich vorsichtshalber n i c h t eingegangen sein. Sehen wir aber von V I I 2 1 a b , so ergibt sich als Selbstb e w u ß t s e i n des Apollonius nach der Schilderung des „ D a m i s " : Apollonius hielt sich f ü r einen sittlich (aya&ög) u n d geistig (ooq>ög) hochstehenden Menschen, dessen Seele zufolge seiner Lebensweise rein (y.a9a(>ä) und u n g e t r ü b t (rrsQia&Qovaa) war. Diese i h r e Beschaffenheit hielt sie offen f ü r Offenbarungen, die ihr die Götter durch direkte E i n g e b u n g im T r a u m oder durch Zeichen zuteil werden ließen. W i e er im einzelnen diese Offenbarungen erlebte, wird nicht gesagt. Wieweit kann diese Darstellung der E k p h a t n i s m a t a n u n aber als historisch getreu g e l t e n ? Daß sie von der A u f f a s s u n g sowohl seiner Feinde als seiner Verehrer sich deutlich ablösen läßt, spricht f ü r ihre historische Richtigkeit; hätte Apollonius den Qlauben seiner A n h ä n g e r geteilt, es wäre ihm ein Leichtes gewesen, ihn f ü r sich auszunutzen. Davon jedoch findet sich keine Spur. Aber wir müssen v e r s u c h e n , den Beweis positiv zu f ü h r e n . Dazu bieten 1) In 1 6 läßt auch Phil, seinen Helden gegen göttliche Abstammung sich verwahren, ohne die Quelle für seine Angabe zu nennen. Einen zweiten Fall, in dem Ap. göttliche Ehren sich habe erweisen lassen, will Olearius in I 15 sehen (TÄ UVQ inl i(öv ßw/xdv tung nicht die einzig mögliche.
zBv
ciizo&i
i&tvro),
doch ist seine Deu-
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sich zwei Hilfsmittel dar. Einmal die Stellung, die Apollonius in seiner Pythagoras-Biographie zur Vergötterung seines Meisters einnimmt. Er übernimmt aus der ihm bereits vorliegenden Überlieferung, vor allem aus der Abarislegende, den Zug, daß Pythagoras zu Apollo in einem besonderen Verhältnis gestanden habe. Daneben aber finden sich doch auch wieder Stellen, die von dem „göttlichen" Pythagoras nur im übertragenen Sinne reden, so vor allem in 53. Auch wird gelegentlich geschildert, wodurch er in den Ruf der Göttlichkeit gelangt ist, so 10 (durch seinen ausgeglichenen Charakter), 15 —16 (durch sein Benehmen auf der Seefahrt 1 ) und wieder 53 (durch die Vorzüglichkeit seiner Schulstunden). Somit läßt sich mindestens dies sagen: die Pythagoras* Biographie ist nicht beherrscht von der Tendenz, in dem Helden ein übernatürliches Wesen zu zeichnen und so für eine entsprechende Einschätzung der eigenen Person die Wege zu bereiten. Sodann ist nochmals Brief 58 heranzuziehen. Die Behauptung der göttlichen Natur einer jeden Seele würde zu dem, was „Damis" als seines Meisters Offenbarungslehre schildert, ein durchaus tragfähiges Fundament liefern. Sowohl die Möglichkeit, Einwirkungen der Götter zu empfangen, als die andere, die Aufnahmefähigkeit für diese zu steigern, finden von dort aus ihre volle Begründung. Auch die Offenbarungeu, deren er sich gewürdigt glaubt, finden auf diesem Wege ihre volle psychologische Erklärung. Durch Askese und Mystik sucht er sich fur sie zu prädisponieren. Warum sollte gerade bei ihm der Vorgang nicht eingetreten sein, daß def Mensch die Stimme der Gottheit, auf die er wartet, schließlich zu hören meint? Wenn wir daher in dieser Seelenlehre das Selbstbewußtsein sich erschöpfen lassen, also — trotz der psychologischen Gegengründe des Lactanz, der aus dem allgemeinen Sehnen nach Unsterblichkeit die innere Notwendigkeit einer Selbstvergottung des Apollonius glaubt folgern zu müssen — annehmen, daß jene Linie, die in ihm ein von den anderen Menschen unterschiedenes höheres Wesen sah, seine 1) Ein ähnliches Motiv of. Actus Petri cum Simone V. Das Fasten des Apostels hat den Steuermann auf die Frage gebracht. 0 quisquis es . . deus es aut homo. Diese Zweifel hat dann die o. S. 63 besprochene Offenbarung gelöst.
5*
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eigene Anschauung von sich selbst nicht traf, 1 ) so haben wir alle historische Wahrscheinlichkeit f ü r uns. Wie aber hat diese eben abgewiesene Auffassung entstehen können? W u n d t hat in seiner bereits mehrfach genannten Arbeit auf «in Hauptmoment hingewiesen, das sicher stark mitgewirkt hat, daß man nämlich dunkle Aussprüche oder Gleichnisse, hinter denen ein an sich einfacher Sinn sich verbarg, nicht verstand, sondern mißdeutete, dann wohl gar diese D e u t u n g verobjektivierte u n d als äußeres Geschehnis nahm. 2 ) Über I I I 15 ist in solchem Zusammenhang schon gesprochen; in I V hat Philostrat selbst Zweifel an der richtigen Deutung einer „Weissagung". 3 ) Auch in I 32 ist es ausgesprochen, daß es sich bei dem 7cqoyiyvwoyieiv ursprünglich weniger um ein Vorhersagen von Ereignissen, als um ein Yorheranraten von Handlungen gehandelt hat. 4 ) Immerhin konnte ein solcher Vorgang n u r dann sich vollziehen, wenn in der Zeitstimmung gewisse Anknüpfungsmöglichkeiten f ü r eine derartige Mythenbildung lagen, und die Person, um die die n e u e . Sage sich weben sollte, in anderer Hinsicht denselben entgegenkam. Letzteres ist n u n bei Apollonius der Fall durch seine Zugehörigkeit zur Schule des Pythagoras, des Mannes, dem seit Aristoteles 6 ) eine Mittelstellung zwischen Gott und Menschen zugesprochen wurde und von dem die Überlieferung den einen oder anderen Zug n a h m , um ihn dem Bilde des neuen Helden zuzufügen. 6 ) Auch ist als sehr möglich anzusehen, daß unter den 1) Insofern ist "Wielands Darstellung (a. a. 0. S. 41) berechtigt. 2) Eine falsche Ausdeutung eines realen Erlebnisses findet Jessen (a. a. 0 . S. 9) in 1 1 4 ; aus dem rtrgiyög schließt er, daß ursprünglich eine Begegnung mit Elefanten vorlag. Nun findet sich aber im Homer der gleiche Ausdruck von dem Laut der Totenseele (cf. üsneg TOI eifcoXa bei Phil.), und zwar II. X X I I I 100 von der des Patroklus und Od. X X I V 5 von der der Freier. 3) roiaBrci {nifrtiafe 71QOOQ(OV, oifiai, za ynovoiq VOTCQOV . . . ¡¡vfißtivra. 4) dvQiVQtTMV äoirjv uv XuOtis od yiyviboxiov ra nQUXTta /¿övov, aklci xul 7iQoyiyvi6oxtov. 5) Zu dieser Datierung des Zitats aus Nikomachus bei Jambl. 31 siehe die oben S. 50 Anm 1 genannte Literatur. 6) Derartige Übertragungen von Einzelzügen, ja ganzen Geschichtengruppen sind innerhalb der apokryphen Akten häufig zu beobachten — um nur ein Beispiel zu nennen, sei auf Lipsius 1 1 2 S. 177 verwiesen—, und wir haben keinen Grund, innerhalb der Pythagoras-Sekte für unmöglich zuhalten,
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von ihm überlieferten Wundern solche sich finden, denen ein objektiver Vorgang zugrunde liegt. Vor allem denke ich dabei (neben dein Ferngesicht VIII 26, falls dieses dem Apollonius zuzuschreiben wäre) an die Heilungswunder. War Apollonius davon überzeugt, in dem einen oder anderen Fall durch göttliche Eingebung das rettende Mittel, die rettende Formel zu kennen, so wäre es verwunderlich, wenn nicht Suggestivwirkungen von ihm ausgegangen wären.1) Hatte er aber in e i n e m Falle Erfolg gehabt, so war die Bahn für weitere Heilungen 2 ) freigemacht und für Erdichtungen solcher. „Der Einzelne" sieht dann eben „das Ereignis qder Objekt, das sich seiner Aufmerksamkeit aufdrängt, unter dem Gesichtswinkel jener allgemein verbreiteten mythischen Vorstellungen" (Wundt S. 318). Jener Zeit nun waren Zauber und Wunder etwas Selbstverständliches 3 ), das Reich der Dämonen und Empusen etwas Reales. Freilich war das letztere nicht in allen Schichten der Bevölkerung gleichmäßig der Fall: diese Gestaltungen religiöser Anschauung waren doch vor allem in den niederen unliterarischen Kreisen verbreitet; in ihnen hat jene Verzerrung ins Mystisch-Phantastische stattgefunden. Es kann angenommen werden, daß ihnen Berichte eines ihnen von Haus aus angehörenden und nach des Meisters Tode in sie zurücktretenden Reisebegleiters dazu das Material lieferten. 4 ) Wie es was innerhalb der christlichen Gemeinde geschah, soweit es sich um derartige von dem Spezifikum des beiderseitigen Glaubens unberührte psychologische Erscheinungen handelt. 1) cf. auch zur Macht der Suggestion in Griechenland Stoll, Suggestion und Hypnotismus in der Völkerpsychologie, 2 Leipzig 1904, S. 298ff. 2) Man denke, worauf Reville a. a. 0 . S. 212 hinweist, an Lourdes oder an „Heilungserfolge bei schweren, durch Kriegshysterie bedingten Lähmungen u. Sinnestäuschungen", die Dibelius (Formgeschichte des Evangeliums, Tübingen 1919, S. 100) „als beachtliche Zeugnisse für die Möglichkeit solcher rapider Kuren" gelten läßt. Im Unterschied übrigens von Lc. 8 , 4 8 . 17, 19. 1 8 , 4 2 ( = Mc. 10, 52) und der Inschrift Dittenberger 802 kennt Phil, die psychische Disposition des Kranken, seine niarig, nicht als Vorbedingung für den Eintritt der Genesung. 3) Man denke an die Bedeutung dieses Glaubens für das Strafrecht; cf. Mommsen, Rom. Strafrecht, Leipzig 1899, S. 641. 4) Auf diese Weise erklärt es sich zugleich, daß so wenig Zitate aus des Meisters Schrift angeführt sind. Man hatte sie nicht zur Hand, sondern beschränkte sich auf einzelne im Gedächtnis haftengebliebene Sätze.
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den gleichfalls in solchem Milieu entstandenen Zeugnissen der urchristlichen „Literatur" erging, so geschah es auch hier: sie w u r d e n außerhalb i h r e r Ursprungsschicht bekannt. Die ein erstes Mal fixierte Überlieferung drang in die literarischen Kreise ein, in denen ohnehin f ü r Apollonius Interesse herrschte, und w u r d e dort zu einer n e u p y t h a g o r e i s c h e n Streitschrift wider E u p h r a t e s ausgestaltet. So entstand das Bild, das Philostrat vorfand und an dem er nichts Wesentliches mehr ä n d e r n konnte oder wollte; hat er doch noch Züge, die der gleichen Schicht entstammten, h i n z u g e f ü g t , so die Dämonenaustreibung. Daß bei einer solchen W a n d e r u n g von einer sozialen Schicht in die a n d e r e das Verständnis f ü r das I n n e r l i c h e , f ü r die psychischen Vorgänge, am ehesten verloren ging, ist leicht erklärlich. W a s wüßten wir wohl von dem inneren Leben J e s u , wenn nicht die Überlieferung des N. T. in der Gestalt auf uns gekommen wäre, die sie in den K r e i s e n , denen wie J e s u s selbst so die U r g e m e i n d e sozial angehörte, erhalten hat! Die deutlichste Folge war hier die: was f ü r Apollonius das Ergebnis zweier Faktoren war, der göttlichen Offenbarung u n d seiner sie a u f n e h m e n d e n Seele, w u r d e von a u ß e n als e i n e rätselhafte E r s c h e i n u n g , sei es im W o r t oder in der Tat, aufgefaßt u n d diese falsch interpretiert. So ist es g e k o m m e n , daß man dem Apollonius übernatürliche M a c h t zusprach. Ihn zu vergotten, mag ein zweites Motiv mitgewirkt haben. Nicht n u r der Gott ist ja im Besitz solcher Kräfte, sondern auch der Myste. Magische Fähigkeiten sind nicht notwendig und i m m e r den Göttern a b g e z w u n g e n , sondern werden von ihnen als Gaben verliehen. 1 ) J e enger die Beziehungen sind, die zwischen Gott und Menschen bestehen, der zu ihnen als ihr Priester oder ihr Myste in ein besonderes Verhältnis tritt, desto mehr solcher Gaben k a n n er e r l a n g e n , desto inniger wird in ihm die Verschmelzung des göttlichen und des menschlichen Faktors, desto stärker seine Vergottung. So war es d a n n nicht schlechthin Unerhörtes, was die A n h ä n g e r von Apollonius aussagten. W e r in ein Mysterium eingeweiht w a r , kannte die Vorstellung von dem d-elog av9-Qu/tog, in dem sich nach Reitzensteins schöner 1) cf. z. B. 0 4 . X 302f. und Ovid, Metamorphosen VII 194ff.
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Definition „tiefstes Erkennen, Seher- und Wunderkraft und eine Art persönlicher Heiligkeit verbindet" (Myst.-Rel. S. 12). Nimmt man endlich die göttliche Verehrung des Kaisers und der Glieder seines Hauses 1 ) sowie anderer hervorragender Männer 2 ) hinzu, so ergibt sich auch von hier aus eine psychische Disposition, die die Vergottung des Apollonius gestattete. Warum man gerade an ihm diesen Akt vornahm, ist hoffentlich deutlich geworden. Seine faszinierende Erscheinung, die geheimnisvolle Art seiner Worte,- seine Selbstaussagen von einer besonderen Reinheit und Klarheit seiner Seele, seine Reisen in ferne Länder und manche wunderbare Tat, das alles empfahl ihn dem religiösen Sehnen seiner Tage, als den von vielen erwarteten Menschgewordenen, mindestens als ein „Mittelding zwischen Gott und Menschen" (Heinrici S. 7). Haben wir so den Inhalt des Selbstbewußtseins des Apollonius umschrieben und gezeigt, wie die Lehre von ihm hat entstehen können, so gilt es, einen letzten Einwand zu erledigen, der gegen unsere Darstellung gemacht werden könnte, den nämlich, es sei unter den Motiven der Entwicklung die Christusfeindschaft vergessen worden. Die Verhandlungen über dies Thema haben die Apullonius-Forschung lange genug mit einer nicht eben geringen nervösen Stimmung belastet. In e i n e r Hinsicht freilich hat diese Erörterung fördernd gewirkt: f ü r die Entwicklung der christlichen Gewißheitslehre. Zwar hilft sich Arnobius 3 ) noch dadurch, daß er die Realität der von berühmten Zauberern, unter denen er den Apollonius nennt, überlieferten Wunder bezweifelt und selbst erst solche zu sehen verlangt, und Diodor von Tarsus 4 ) müht sich, einen äußeren Unterschied zwischen den Wundern Jesu und denen des Apollonius aufzuzeigen: dieser bedürfe der 1) cf. z. B. die göttliche Verehrung der Julia Domna nach dem o. S. 51 Gesagten. 2) Ein reiches Material bietet Harnack. Dogmengeschichte I 4 S. 138 Anm. 1. 3) Adv. nationes I 52 (CSEL IV S. 36): experiri libet et recognoscere, an cum suis efficere deis possint, quod ab vusticis Christianis iussionibus factitatum est nudis. 4) Diesem weist Harnack TU X X I 4 die unter Justins Namen laufenden 'Anoy.Qi'atig riQÖi rovg ög&oföZov; zu. Es handelt sich um Frage 24.
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Definition „tiefstes Erkennen, Seher- und Wunderkraft und eine Art persönlicher Heiligkeit verbindet" (Myst.-Rel. S. 12). Nimmt man endlich die göttliche Verehrung des Kaisers und der Glieder seines Hauses 1 ) sowie anderer hervorragender Männer 2 ) hinzu, so ergibt sich auch von hier aus eine psychische Disposition, die die Vergottung des Apollonius gestattete. Warum man gerade an ihm diesen Akt vornahm, ist hoffentlich deutlich geworden. Seine faszinierende Erscheinung, die geheimnisvolle Art seiner Worte,- seine Selbstaussagen von einer besonderen Reinheit und Klarheit seiner Seele, seine Reisen in ferne Länder und manche wunderbare Tat, das alles empfahl ihn dem religiösen Sehnen seiner Tage, als den von vielen erwarteten Menschgewordenen, mindestens als ein „Mittelding zwischen Gott und Menschen" (Heinrici S. 7). Haben wir so den Inhalt des Selbstbewußtseins des Apollonius umschrieben und gezeigt, wie die Lehre von ihm hat entstehen können, so gilt es, einen letzten Einwand zu erledigen, der gegen unsere Darstellung gemacht werden könnte, den nämlich, es sei unter den Motiven der Entwicklung die Christusfeindschaft vergessen worden. Die Verhandlungen über dies Thema haben die Apullonius-Forschung lange genug mit einer nicht eben geringen nervösen Stimmung belastet. In e i n e r Hinsicht freilich hat diese Erörterung fördernd gewirkt: f ü r die Entwicklung der christlichen Gewißheitslehre. Zwar hilft sich Arnobius 3 ) noch dadurch, daß er die Realität der von berühmten Zauberern, unter denen er den Apollonius nennt, überlieferten Wunder bezweifelt und selbst erst solche zu sehen verlangt, und Diodor von Tarsus 4 ) müht sich, einen äußeren Unterschied zwischen den Wundern Jesu und denen des Apollonius aufzuzeigen: dieser bedürfe der 1) cf. z. B. die göttliche Verehrung der Julia Domna nach dem o. S. 51 Gesagten. 2) Ein reiches Material bietet Harnack. Dogmengeschichte I 4 S. 138 Anm. 1. 3) Adv. nationes I 52 (CSEL IV S. 36): experiri libet et recognoscere, an cum suis efficere deis possint, quod ab vusticis Christianis iussionibus factitatum est nudis. 4) Diesem weist Harnack TU X X I 4 die unter Justins Namen laufenden 'Anoy.Qi'atig riQÖi rovg ög&oföZov; zu. Es handelt sich um Frage 24.
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Materie für seine r e M a ^ a r a , jener nicht. Lactanz aber gibt entschlossen den gesamten Wunderbeweis auf und zieht sich auf den Weissagungsbeweis zurück. 1 ) Euseb endlich verzichtet grundsätzlich darauf, die Überlegenheit des Herrn aus allen möglichen E i n z e l h e i t e n , seien es nun Wunder oder Weissagungen oder die Bewährung seiner Lehre als Kraftquelle für seine Anhänger," zu erweisen; er verwendet dafür die Risse in der Überlieferung von Apollonius, um aufzuzeigen, daß es bei diesem sich um keine außergewöhnliche Erscheinung handle. 2 ) Die Geschichte- dieser Entwicklung von Lactanz bis Heinrici zu verfolgen, wäre eine Aufgabe für sich. Für uns muß es sich vielmehr darum handeln, zu untersuchen, ob Feindschaft gegen das Christentum oder wenigstens, wie Baur wollte, eine gewisse Rivalität gegen dieses die Überlieferung beeinflußt hat. Soviel ist sofort sicher, daß das Selbstbewußtsein und die eigene Lehre des Apollonius christlichen Einfluß nicht zeigen Wie ihm das Gefühl der eigenen Sündhaftigkeit in dem Maße fehlt, daß er xà ôcpeMfieva erbittet 3 ), so mangelt ihm das Streben, Irrenden zurechtzuhelfen, so sucht man vergeblich bei seinen Göttern, auch bei dem einen, der n u r geistig verehrt werden darf, nach dem Spezifikum der christlichen Gotteserkenntnis, dem o deog
àyânt]
èariv
(1. Joh. 4, 16).
Gerade in diesem zentralen
Punkte bewährt sich'Nordens Satz n i c h t , daß „der Unterschied in dem Spezifikum der Gnosis, die jeder als die wahre pries . . . . 1) Disoe igitur . . . non idcirco a nobis deura creditum quia mirabilia fecit, sod quia vidimus in eo facta esse omnia quae nobis adnuntiata sunt vaticinio prophetarum . . . Non igitur suo testimonio . . . cui enim de se •dioenti potest credi — sed prophetarum testimonio qui omnia quae fecit ac passus est multo ante cecinerunt, fidem divinitatis accepit quod neque Apollonio neque Apuleio neque cuiquam magorum potuit aut potest àliquando contigere, Inst. Div. V 3 (CSEL XIX p. 407). Wie stark freilich trotzdem in der Populartheologie mit dem Wunderbeweis gearbeitet wurde, zeigen die jüngeren der apokryphen Apostelgeschichten. 3) cf. vor allem Kap. 4. Gelegentlich nimmt allerdings auch er seine Zuflucht zur Annahme von dämonischer Hilfe, so Kap. 25. 3) Den Unterschied dieses Gebetes von dem Vaterunser arbeitet Reville (a. a. 0 . S. 223) gut heraus: en vrai p a i e n il réclame an dieux ce que lui est du.
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durch Berührungspunkte bis zu einem gewissen Grade ausgeglichen wurde" (a.a.O. S. 6). Von einer b e w u ß t e n und g e w o l l t e n Gegensätzlichkeit gegen das Christentum und seinen Stifter findet sich aber keine Spur; es handelt sich um einen Frömmigkeitstypus, dessen Wurzeln durchaus in der hellenischen Welt liegen. Die Parallelisierung mit Christus wäre also, wenn sie überhaupt besteht, auf Konto der späteren Überlieferung zu setzen. Daß diese mindestens nicht in allen Teilen durch dieselbe beherrscht ist, wird zunächst durch I 4 und 6 nahegelegt.1) Auch die Maximus-Erzählungen sind frei davon. Anders liegen die Dinge scheinbar, sobald wir uns den Damis-Memoiren zuwenden. Allein gerade die Stücke, die zum Beweis der Abhängigkeit der Gesamtdarstellung am notwendigsten waren, die Dämonenausstreibungen und die Totenerweckung, haben wir dieser Quelle absprechen müssen; auch von den Erzählungen, die erforderlich sind, um den Gang der Biographie dem der Evangelien anzugleichen, fallen mehrere außerhalb des Rahmens der Ekphatnismata, so die Geburtserzählungen (I 4f.), die „Höllenfahrt" (VIII 19) und die Damascus-Szene (VIII 31). Andere Züge, so der mißverstandene Meister, so die Krankenheilungen 2 ) (IV 1), sind nicht auf die Evangelien einer- und „Damis" andererseits beschränkt. Das Gesamtbild aber, das „Damis", in diesem Punkte nach dem eben Gesagten den historischen Tatbestand richtig wiedergebend, von Apollonius und seinem Wirken entwirft, ist, wie Göttsching .ausführlich dargetan hat, von dem des Sündenheilandes, der die Mühseligen und Beladenen zu sich rief, so grundverschieden, daß man ihm nicht unterschieben kann, er habe versucht, in Apollonius ein Gegenstück zu Jesus zu zeichnen. Nur darum kann es sich handeln, ob etwa einzelne Stücke, die er bietet, direkt 1) Zum ursprünglichen Sinn dieser Berichte cf. Jessen a. a. 0 . S. 4. 2) III 38 scheidet aus den Damis-Stücken, wie wir sahen, aus; 1Y 10 ist, wie die doppelte Erwähnung des Apotropaios zeigt, nicht völlig einheitlich; es scheint, als ob der heutige Text durch Kombinierang an sich getrennter Erzählungen (Entlarvung eines Dämons wie IV 2 0 , 2 5 ; Beseitigung der Pest) zustande gekommen, wäre. Der Grundstock, und zwar die Pestheilung, muß dem „Damis" zugeschrieben werden, wenigstens hat Phil, ihn bereits als Bestandteil der Ap.-Tradition gekannt.
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oder indirekt aus dem Evangelium stammen. Besonders nahegelegt ist eine solche Vermutung bei VIII 11 f., dem Berichte von dem Auftauchen des totgeglaubten Apollonius vorDamis und Demetrius im Nymphäum zu Dikäarchia. Auch Göttsching rechnet hier mit der Möglichkeit, daß „ein Zug aus der neutestamentlichen Erzählung, wie sich die allgemeine Vorstellung derselben bemächtigt h ä t t e " v e r w e n d e t sei. Allein selbst dieser vorsichtigen Formulierung steht doch die Schwierigkeit entgegen: war wirklich das Johannes-Evangelium zur Zeit der Abfassung des DamisBuches, also spätestens um 150 p. Chr.2), auf die „allgemeine Vorstellung" von solchem Einfluß gewesen, wie hier vorausgesetzt ist? Eine derartige Annahme wäre aber erforderlich, da eine Bekanntschaft des „Damis" mit Job. 20 aus stilistischen Gründen höchst unwahrscheinlich ist. 3 ) Auch aus VIII 22 eine Bekannt1) a. a. 0 . S. 103. — Mit den a p o k r y p h e n Akten teilt u n s e r e Stelle die w u n d e r b a r e Schnelligkeit d e r Reise des A p . , die h i e r absichtlich u n g e k l ä r t bleibt, dort vielfach auf allerhand phantastische G r ü n d e z u r ü c k g e f ü h r t wird (of. besonders die syrischen P h i l i p p u s - [Lipsius I I 2 S. 12j u n d die koptischen Akten des Andreas und Bartholom, [id. II 2 S. 76]). G e m e i n s a m ist n u r die A n n a h m e einer f a b e l h a f t k u r z e n R e i s e d a u e r (eine solche cf. auch lat. m i r a e Thom.), nicht die Einzelausmalung. Die W u r z e l des Motivs m a g auf griechis c h e r Seite im P h ä a k e n s c h i f f , auf christlicher in Stellen wie 1. R e g 18, 12, griech. Anh. zu Dan. 3 5 , zu s u c h e n sein. 2) Die D a t i e r u n g d e r Damispapiere ist i m m e r bis zu einem gewissen Grade p r o b l e m a t i s c h , da wir die einzelnen Stadien i h r e r Geschichte n u r a h n e n , aber nicht zweifelsfrei f i x i e r e n k ö n n e n . Eine gewisse Zeit m u ß n a c h dem Tode des Ap. verflossen sein — Corssen (Z. n. W . 1913 S. 314) n e n n t als t e r m i n u s a n t e q u e m non d e n Tod des N e r v a —, bevor sie die Gestalt e r r e i c h t e n , in d e r Phil, sie vorfand. A n d e r e r s e i t s m ö c h t e ich sie nicht zu spät a n s e t z e n , da sie sonst der U m s t a n d nicht e r k l ä r t , d a ß d e r e c h t e Ap. noch so deutlich g r e i f b a r ist. Der E r s t a r r u n g s p r o z e ß m u ß verhältnismäßig rasch erfolgt sein. 3) P h i l . : Xdßov fiov, xiiv ¡xlv Siatfvyta ae, (i'iioXov tifil aoi ix 'Pigoe(fätTtjg i)xov, f l Se vnouhivaiui ämo/xtvov, nii&e xal .1dfj.lv ¡¡rjv re fit xal firj cmoßißXrjxJvai xö aüuit. Oi'jxt!)' oloi aniörttv rfiav, J o h . : '/£(>£ TOI Sd/.Tuf.ov aov thSi xal i'S'F rag igdg ¡xov xctt (f FYE TTJV TQÜ aov xal ßtiXa t/g r i j v nXtvQav /aov xal .u¡1 ytvov äuiOTog u'/.f.c. niaxog. Könnte r r a n noch v e r s u c h t s e i n , in d e m äniareiv eine N a c h w i r k u n g von äniarog zu s e h e n , so spricht d e r F o r t g a n g bei d e r E r z ä h l u n g (dort das B e k e n n t n i s o xv(>i.6g /aov xal o &tös /aov, h i e r das daneben farblose ävaaidvitg HtxQi^avio rov i'tv$QÖg xal TjandZovjo vti(q T£ RIJF änoXoyiag rjQanojv) e n t s c h i e d e n gegen eine solche
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schaft mit Johannes konstruieren zu wollen, ist sehr gewagt, da in der hellenistischen Kunst das Bild des „guten Hirten" (als Darstellung vor allem des Hurmes 2 ) oder Attis 3 )) weitverbreitet war und eine literarische Benutzung des neutestamentlichen Berichtes hier gleichfalls als ausgeschlossen gelten darf. 4 ) Vor allem aber ist folgendes zu sagen: wäre in diesem Falle unter sinngemäßer Anwendung des von Baur für Philostrat Ausgeführten auf diese seine Quelle die Abhängigkeit des „Damis" von Johannes anzunehmen, so dürfte man auf halbem Wege nicht stehen bleiben, sondern es müßte mit gleichem Rechte seine Bekanntschaft auch mit den Synoptikern behauptet werden. VII 41 müßte dann als Nachahmung von Matth. 26,32. 28,7.10. 16 zu gelten haben, die zwei Freunde in VIII 11 f., die in Klagen sich ergehen, als der Meister zu ihnen tritt, als solche von Lc. 24,13ff. J a , nicht einmal die Synoptiker würden ausreichen. Auf die große Ähnlichkeit der Schicksale unseres Mannes mit denen des Paulus haben wir eingangs verwiesen, und wir müssen sie hier kurz streifen, um sie später zu erklären; die dort skizzierten parallelen Stücke finden sich in den Damispapieren einer-, der Apostelgeschichte und den paulinischen Briefen 6 ) mit Einschluß der PastoralAnnahme. Hätte Damis den biblischen Text gekannt, so hätte er es sich kaum entgehen lassen, das Bekenntnis von V I I 38 erneut als begründet zu erweisen. Hingegen hat Baur darin Recht, daß auf den Unterschied, daß es sich bei Ap. um das Auftauchen eines vom Tode Geretteten, bei Jesus um das Erscheinen des vom Tode Erstandenen handelt, auf Grund von VII 41 VIII 4 kein entscheidender Wert zu legen ist (a. a. 0 S 150), und das um so weniger, als wir nicht wissen, ob die Erzählung nicht ursprünglich zu jener Reihe gehörte, die Ap. im Kerker sterben ließ. 1) cf. im allgemeinen: Hennecke, Altchrist]. Malerei u. altchristl. Literatur, Leipzig 1896, S. 2 4 9 f f . 2) cf. Holtzmann, S. 738 f.
J. P. Th. 1884 S. 93 u. Heinrici, Th. St. Er.
1882
3) cf Hepding, Attis, seine Mythen u. sein -Kult, Gießen 1903, S. 103, Anm. 2, u die Lampe bei Garucci, Storia del' Arte Cristiana VI, Prato 1880, Tafel 474, 2. avia
4) P l i i L : tva /xrj IfininiioGi [T« TiQÖßaTct] xai OxoQniCu
5) ol Ix KaiactQog o/xict; Passio Pauli cap II ff. kennt)
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des Philipper-Briefes ( 4 , 2 2 , deren Namen die wären etwa der heimlich auf Seiten dos Ap.
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briefe 1 ) andererseits, so daß, was jene anlangt, viel eher die Absicht angenommen werden müßte, zu Paulus als zu Jesus ein Gegenstück zu liefern. Läge es dann nicht sogar nahe, Nordens Hypothese umzukehren und VI 3 für ein verunglücktes Zitat aus Act. zu halten? Aber selbst hiermit wäre noch nicht auszukommen; auch die Apokalypse mußte herangezogen werden: Nero als das vielköpfige Tier in Apc. 13 und IY 38. Man sieht, in welche Unmöglichkeiten eine solche Annahme literarischer Benutzung biblischer Schriften hineinführen müßte: in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts ist das N. T. fast in'dem Umfang, den es bei Irenäus erreicht hat, in größerem, als dem Celsus2), einem N i c h t c h r i s t e n , bekannt. Das Beispiel des letzteren zeigt zugleich, daß mit einer Herabsetzung der von uns angenommenen Entstehungszeit um etwa ein halbes Jahrhundert, die Norden (a. a. 0. S. 37 Anm. 1) auf Grund einer Vermutung A. von Gutschmids für erwägenswert hält, die "Wahrscheinlichkeit für eine Abhängigkeit von biblischen Schriftstellen nicht größer wird. Celsus hat mit wissenschaftlichem Eifer sich gemüht, die Urkunden des Christentums sich zugänglich zu machen. Es ist ihm nicht f ü r alle gelungen; bei „Damis" aber ist von solchem Streben wie von wissenschaftlichem Geiste überhaupt nichts zu spüren. Wir wenden uns nunmehr abschließend der dritten für uns erreichbaren Stufe in der Entwicklung der Lehre von Apollonius zu:- der Darstellung des Philostrat. Wir sahen, wie ein „allerhöchster Befehl" ihn veranlaßte, sich mit dem Apollonius-Stoffe zu beschäftigen, und zwar in freundlichem Sinne; wie er, der innerlich seinem Helden verständnislos gegenüberstand, seine wahre Gesinnung nur in gelegentlichen rationalistischen Glossen betätigte,3) stehende Telesinus
u n d vor a l l e m Aelian.
Der Zug,
daß von den r ö m i s c h e n
W ä c h t e r n des G e f a n g e n e n e i n i g e von i h m g e w o n n e n w e r d e n , f i n d e t sich a u c h in d e m Martyrium Petri Y . 1) Es ist nicht „völlig u n v e r s t ä n d l i c h " ,
w e n n B a u r in 2. Tim. 4, 16 s i c h
an d e n allein vor d e m K a i s e r s t e h e n d e n Ap. e r i n n e r t f ü h l t .
Die B e z i e h u n g
ist n i c h t g e s u c h t e r , als die z w i s c h e n V I I I 11 f. u. Joh. 20. 2) cf. P . E . E. 3 I I I S. 7 7 4
(Neumann).
3) D a ß Phil, a u c h in der Y i t a Ap. der S o p h i s t b l i e b , als der e r in s e i n e n sonstigen nach.
Schriften begegnet,
w e i s t G ö t t s c h i n g a. a. 0 . S. 6 1 f f . i m
E s g e h ö r t e aber nun einmal in einer Zeit, in d e r ovä't ßaacku;
einzelnen cmrfitovv
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wo die ihm vorliegenden Nachrichten ihm gar zu phantastisch erschienen, wie ihn endlich die gegen alles Zauberwesen gerichtete Stimmung am Kaiserhofe dazu zwang, Apollonius gegen den Verdacht der Goetie zu verteidigen, die Mantik aber dabei zu schonen. Ist aber so die geistige Atmosphäre des Kreises um Julia Domna als ausschlaggebend für die Darstellung des Philostrat erwiesen, so fragt es sich, ob nicht gerade von hier aus eine christenfeindliche Tendenz wahrscheinlich ist. Man hat der Julia Domna eine großartige reformatorische Mission zuschreiben wollen 1 ), in ihr wohl auch die Urheberin des Ediktes von 201 gesehen, allein die geistige Bedeutung ihres Kreises 2 ) und ihrer Person hat Göttsching (a. a. 0. S. 74 ff.) auf die gebührende Einschätzung zurückgeführt. Immerhin könnte die Stimmung am Hofe so ausgesprochen christentumsfeindlich gewesen sein, daß sie auch ohne religions-' politische Absichten jedem diesem Milieu entstammenden Werke eine derartige Tendenz aufgeprägt hätte. Gegen eine solche Annahme spricht es — Jean Reville weist gegen A. Revilles in der Revue des deux mondes von 1865 erschienenen Aufsatz darauf hin —, daß Jesus weder genannt, noch wie Paulus in einem Teil der Pseudoclementinen durch Simon Magus, durch eine andere Figur vertreten ist. 3 ) Läge eine bewußte Polemik vor, so wäre ein solcher Wink für die Leser wohl zu erwarten. Aber — würde Baur einwenden — die Gesamtanlage des Werkes ist doch zu sehr der der Evangelien parallel. Auch Kuno Fischer hat sich so stark von diesem Eindruck überwältigen lassen, daß er von der Yit. Ap. an die christenfeindliche Wendung der Magus-Sage überhaupt datiert. 4 ) Dann wäre e i n s zu verlangen: daß gerade in deD avröv
tbv
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zu begeistern.
ifciovvjo
Auch
am kaiserlichen Hofe zum guten Ton, sich für Ap.
Phil, mußte sich dieser Stimmung
fügen,
ohne
doch
aus seiner Haut herauszukönnen. 1) Vor allem J. Reville a. a. 0 . S. 193 ff. 2) Diesen beurteilt selbst J. Reville a. a. 0 . S. 2 1 3 nicht allzu günstig. 3) a. a. 0 . S. 31. Zur Frage der antipaulinischen Tendenz der P e t r u s - S i m o n M a g u s - S a g e cf. W a i t z , T. U. X X V 4 S. 2 0 2 f f . 4) Goethes Faust, 2. Aufl., Stuttgart 1887, S. 30.
Sicher ist eine genaue
Kenntnis der Apollonius- und noch m e h r vielleicht der Simon - Magus - Sage f ü r das Faustproblem von großer Bedeutung, weniger in d e m S i n n e , als handle es sich um eine absichtliche Entlehnung
von Motiven, als vielmehr in dem
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Stücken, die Pfailostratus nicht fertig aus den Damis-Papieren, sondern aus der noch lebendigen Uberlieferung n a h m , die evangelischen Geschichten als Muster sich nachweisen ließen. Sicher ist das n i c h t der Fall bei den Geburtsgeschichten, innerhalb deren die Inbeziehungsetzung des Schwanengesanges zum Westwind (I 5) den Verfasser der Imagines ( 1 9 , 1 1 ) als Urheber wahrscheinlich macht. Ein Vergleich mit den Erzählungen von der Geburt des Plato, Pythagoras usw. 1 ) zeigt, daß sie diesen viel näher stehen als dem Mtth. und Lc. — In IV 45, wo übrigens eine AsclepiadesGeschichte, weil gleichfalls in Rom spielend, als Vorlage näher läge 2 ), ist Philostrat, wie wir sahen, bemüht gewesen, das W u n d e r zu beseitigen, also sicher nicht zu Lc. 7 , 1 1 ff. ein Gegenstück zu bieten. Auch der Wortschatz spricht durchaus gegen eine Verwendung der biblischen Erzählung. W o h l aber scheint eine literarische B e r ü h r u n g zu bestehen bei der schon mehrfach gestreiften Entlarvung der Empuse IV 25. Man halte söeizo zö cpaa/xa firj ßaaaviteiv avzb neben Lc. 8 , 2 8 deo/xai aov /uiy ¡.ie ßaaaviatjg. Allein bei näherem Zusehen ergibt sich, daß ßaoaviCeiv an beiden Stellen verschieden verwandt ist. Bei Philostrat ist das Wort im juristischen Sinne gebraucht und der Ton liegt auf der mit der Folter verfolgten Absicht, von dem Gemarterten die Wahrheit zu erfahren 3 ), während bei Lc. — wie in den Parallelstellen, die die anderen, daß wir durch Vergleichung dieser drei Sagenkreise einen Einblick in die innere Gesetzmäßigkeit derartiger Legendenbildungen erhalten. Besonders beachtenswert ist der gleiche Ausgang der Sagenentwicklung: Ap. verkündet Christum (bei Sidonius Apollinaris), Simon Magus begehrt den Geist (Act. 8 , 1 8 ff.), ja, ist einer Christus-Offenbarung teilhaftig geworden (Clem. Horn. XVII 19 ed. Dressel p. 3 5 1 , 3 ) , und Faust übersetzt das N. T.! 1) cf. Usener, Weihnachtsfest S. 71 ff. 2) Apuleius Flof. 19. — Robertson (Evangelienmythen, Jena 1910, S. 82) will umgekehrt die evangelische Erzählung als Nachahmung des Philostrat verstehen, weil es sich in beiden Fällen um ein Mädchen aus vornehmem Hause handle und die Evangelien noch zeigen sollen, daß sie den wahren Rang des Jairus nicht mehr kennen. In welche Zeit rückt dann Mc., der nach Robertson die letzte Stufe darstellt? 3) Es ist bemerkenswert, daß in III 18 ßaauvi'Ctiv ganz ähnlich gebraucht ist; Zweck des ßaoctviCiiv ist Feststellung des " W e s e n s , dort des Ap. selbst, hier der Empuse. Ist, wie es sehr wahrscheinlich ist, in der oben S. 56 dem Philostrat zugewiesenen Stelle V 12 iliciktov als gen. obj. zu ßaotivovi zu
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stilistische Ähnlickkeit mit Vit. Ap. in viel geringerem Maße zeigen — die Bedeutung stark verblaßt und nur noch der Begriff des Quälens lebendig ist. Ist somit die Vermutung einer Nachbildung des Lebensbildes Jesu oder eine Bekanntschaft mit den kanonischen Evangelien auch für Philostrat recht unwahrscheinlich gemacht, so erhebt sich die andere Frage nicht minder dringend, wie denn dann die offenkundigen'Gleichheiten in der Anlage und in so manchen Einzelheiten sich erklären. Aus bewußter Anwendung des gleichen literarischen Schemas auch nicht, denn Dibelius hat gezeigt, wie bei der Abfassung der Evangelien ganz andere Interessen wirksam waren als die, einen literarischen Typ nachzuahmen (a. a, 0 . S. 17), und wir haben gesehen, wie kompliziert unter literargescbichtlichem Gesichtswinkel gesehen der Entstehungsprozeß des Werkes des Philostrat sich darstellt. Die verschiedenen Stufen in der Entwicklung der „Damis"-Papiere zeigen ja in ihrem Ineinanderschieben ganz heterogener Stilgattungen, daß Rücksichtnahme auf diese den Verfassern ganz fern gelegen hat. Nur bei Philostrat selbst wäre eine Beachtung literarischer Formen möglich, allein der Stoff war, als er ihn f a s s e n , so ist auch sie f ü r den gleichen Sprachgebrauch heranzuziehen. I n I I 18 ist „Damis" als Quelle nicht a n z u n e h m e n , daher möchte ich auch IY 25 wenigstens dem "Wortlaut nach ihm absprechen und entweder beide Stellen dem Phil, zuschreiben oder a n n e h m e n , daß er IV 25 nach dem Muster eines ihm überlieferten A p . - W o r t e s — eben des von I I I 18 — gestaltet hat, so wie er in I 1 bei der E r w ä h n u n g der %TIQOI Seol,