258 12 10MB
German Pages 374 [376] Year 1980
TEXTE UND TEXTGESCHICHTE Würzburger Forschungen
Herausgegeben von der Forschergruppe »Prosa des deutschen Mittelalters«
Gabriele Baptist-Hlawatsch
Das katechetische Werk Ulrichs von Pottenstein Sprachliche und rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1980
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Baptist-HIawatsch, Gabriele: Das katechetische Werk Ulrichs von Pottenstein : sprachl. u. rezeptionsgeschichtl. Unters. / Gabriele Baptist-HIawatsch. - Tübingen : Niemeyer, 1980. (Texte und Textgeschichte ; Bd. 4) ISBN 3—484—10353-1
ISBN 3-484—10353-1 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1980 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany Druck: Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten/Allgäu. Einband: Heinr. Koch, Tübingen
Vorwort
Die Herausbildung der Schreibsprache des deutschen Südostens, d. h. des bairischen Sprachraums Österreichs und Bayerns, ist erst neuerdings in den Blickpunkt des Forschungsinteresses gerückt; man hat erkannt, daß sie für die Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache von nicht geringer Bedeutung ist. Auch hinsichtlich der Textwahl haben sich neue Aspekte eröffnet: Nicht mehr die sozial gebundenen Sprachsysteme der Kanzlei- und Geschäftssprachen stehen allein im Mittelpunkt sprachlicher Untersuchungen, sondern nun auch die breitere Schichten ansprechende Unterweisungsund Erbauungsliteratur. Wichtigstes Zentrum des deutschen geistlichen Prosaschrifttums war Ende des 14. / Anfang des 15. Jahrhunderts im südöstlichen Sprachraum Wien. Der Begriff >Wiener Schrifttum< ist in der Literaturgeschichte zu einer Art Markenzeichen geworden - aber ohne daß die Werke auch nur eines seiner Hauptvertreter systematisch erschlossen wären. Der produktivste unter ihnen war Ulrich von Pottenstein, der mit seinen Auslegungen des Paternoster, Ave Maria, Credo und Magnificat, zusammen mit dem Dekalog, das voluminöseste katechetische Werk des deutschen Spätmittelalters geschrieben hat. Dieses Werk soll hier nicht nur dem Inhalt nach vorgestellt, sondern auch hinsichtlich seiner Überlieferung, Wirkung und Sprache befragt werden. Ohne die Anregung Herrn Professor R U H S wäre diese Arbeit nie zustande gekommen. Vor allem verdanke ich ihm das geistige und methodische Rüstzeug, das eine selbständige wissenschaftliche Untersuchung erfordert. Herrn Dr. STEER danke ich für seine kritischen Anmerkungen und Denkanstöße, die mir sicherlich manchen Irrweg ersparten. Mein Dank gilt ferner den im 2. Kapitel dieser Arbeit genannten Bibliotheken und Archiven, ohne deren mündliche und schriftliche Auskünfte und fotomechanische Aufnahmen die Geschichte der PottensteinHandschriften nicht hätte geschrieben werden können. Ganz besonders danken möchte ich in diesem Zusammenhang Herrn Dr. A. VIZKELETY von der Handschriftenabteilung der Ungarischen Nationalbibliothek in Budapest, Hochw. Herrn S. IVÄNYI von der Erzdiözesanbibliothek in V
Eger (Erlau) und Hochw. Herrn J. KFEKESI von der Kathedralbibliothek in Kalocsa, die mit ihrer freundlichen Hilfsbereitschaft viel dazu beitrugen, daß auf der klippenreichen Handschriftenreise durch Ungarn manch schöne Funde gemacht werden konnten. Den Herren Dr. W . OTT und A . LOHR von den Rechenzentren Tübingen und Freiburg danke ich für die Erstellung der Computer-Programme und für ihre Bemühungen, auch Sonderwünsche zu erfüllen. Wissenschaftlicher Tatendrang scheitert nicht selten an finanziellen Schwierigkeiten. Daß dies bei mir nicht der Fall sein brauchte, verdanke ich der Unterstützung durch die Graduiertenförderung, die es mir auch ermöglichte, die Pottenstein-Handschriften in Wien und Ungarn persönlich einzusehen. Vor drei Jahren wurde die vorliegende Arbeit (einschließlich eines Kapitels über den Wortschatz Ulrichs von Pottenstein) vom Philosophischen Fachbereich II der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Durch die Aufnahme in die Reihe >Texte und Textgeschichte< kann sie jetzt an die Öffentlichkeit gelangen. Den Herausgebern sei dafür herzlich gedankt. Bayreuth, im Februar 1979
VI
Inhaltsverzeichnis
1.
Einführung: Leben und Werk Ulrichs von Pottenstein
Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des katechetischen Werks Ulrichs von Pottenstein 2. 1. Methodisches 2. 2. Rezeptions- und wirkungsgeschichtliche Auswertung der Handschriften 2. 2. 1. Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 3050 2.2.2. Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 2953 2. 2. 3. Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 3710 2. 2. 4. Salzburg, Erzabtei St. Peter Hs. a X 13 2. 2. 5. Erlau, Erzdiözesanbibliothek D. II. 1 2. 2. 6. Erlau, Erzdiözesanbibliothek Β. V. 2 2. 2. 7. Kalocsa, Kathedralbibliothek Ms. 322 2. 2. 8. Kalocsa, Kathedralbibliothek Ms. 629 2. 2. 9. Budapest, Bibliothek der Ungarischen Akademie der Wissenschaften K. 532 2. 2. 10. München, Bayerische Staatsbibliothek Cgm 5019 2. 2. 11. Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 2941 2.3. Ergebnisse
1
2.
3. Graphemuntersuchung anhand von Cod. Vind. 3050 3. 1. Zur Problemstellung 3.2. Methodisches 3.3. Die Untersuchungen im einzelnen 3.3. 1. Konsonantismus 3. 3. 1. 1. Die mhd. Spiranten f/v, 3/s, ch 3. 3. 1. 2. Die mhd. Affrikaten pf, tz, kch 3. 3. 1.3. Die germ. Medien b, d, g 3.3.2. Vokalismus 3. 3. 2. 1. Die nhd. Diphthonge ei, ou, eu und ai, au 3. 3. 2. 2. Die nhd. Monophthonge 1 (ie), ü, ü 3. 3. 2. 3. Grapheme zur Umlautbezeichnung
11 11 13 13 21 25 28 32 39 45 52 59 62 67 69 74 74 78 82 82 82 90 96 108 108 118 121 VII
3. 3. 2. 4. Dehnung und Kürzung
126
3. 3. 2. 5. 3. 3. 2. 6. 3. 3. 2. 7. 3. 3. 2. 8. 3.4.
Rundung und Entrundung Sproßvokal Apokope und Synkope Ableitungs- und Flexionssilben Ergebnisse
127 128 129 137 138
4. 4. 1.
Texte Die Bedeutung der Handschrift W l . Textqualität und
139
4.2. 4.3. 4.4.
stemmatischer Standort Die Textwiedergabe Die Vorrede Das 22. Kapitel des Gesamtwerkes Kritische Textanmerkungen
139 143 144 150 207
4.5.
Das Gesamtregister
209
Anhang: Aufbau und Inhalt der Credo-Auslegung Literaturverzeichnis
VIII
323 358
1. Einführung: Leben und Werk Ulrichs von Pottenstein. Forschungsstand und Ziel der Arbeit.
Den Hintergrund für die überlieferungs- und sprachgeschichtlichen Untersuchungen zum katechetischen Werk Ulrichs von Pottenstein bildet der W i r k u n g s r a u m des Autors in zeitlicher, räumlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Dieser Raum läßt sich allerdings nur ungefähr abstecken, denn es liegen nur wenige aussagekräftige historische Zeugnisse vor. Nach dem bisher beigebrachten 1 und durch eigene Recherchen hinzugewonnen Urkundenmaterial stellt sich Ulrichs Leben und Wirken folgendermaßen dar: In einer Urkunde vom 15. 11. 1389 wird sein Vorgänger, Pfarrer Hans von Pottenstein, als Mitsiegler zum letzten Mal erwähnt 2 . Ulrich wird seine Stelle somit Anfang der 90er Jahre übernommen haben. M E N H A R D T (Funde S. 146) setzt für die Amtsübernahme ein Alter von ca. 30 Jahren an, was bedeuten würde, daß Ulrich um 1360 geboren wäre. Die Pfarre Pottenstein, an den südöstlichen Ausläufern des Wienerwaldes gelegen, wurde, wie Perchtoldsdorf und Mödling, als landesfürstliche Patronatspfarre Priestern, die im Dienste des Landesherren standen, als Pfründe verliehen 3 . Wahrscheinlich hatte Ulrich also schon vor Übernahme der Pfarrei enge Beziehungen zum Wiener Hof. 1
Folgende Untersuchungen enthalten bisher Forschungsbeiträge zu Leben und Wirken Ulrichs von Pottenstein: F. RANKE, VL III, Sp. 918-923. - G. SCHARF, Proben eines kritischen Textes der deutschen Cyrillusfabeln des Ulrich von Potenstein, ZfdPh 59 (1935) 147-188. In diesem Aufsatz ist sich SCHARF noch nicht sicher, ob sein Ulrich mit dem des Cod. Vind. 3050 identisch ist. In einer Fußnote (S. 148) bestätigt F. RANKE die Identität. - G. SCHARF, Die handschriftliche Überlieferung der deutschen Cyrillus-Fabeln des Ulrich von Potenstein. Diss. Breslau 1935. - H. MENHARDT, Funde zu Ulrich von Pottenstein (etwa 1360-1420), in: Festschrift für WOLFGANG STAMMLER, Berlin 1953, S. 146-171. - G. HAYER, Ulrich von Pottenstein (ca. 1360-1429), Paternoster-Auslegung. Nach der Handschrift a X 13 des Erzstiftes St. Peter zu Salzburg kritisch herausgegeben und eingeleitet. Diss. Masch. Salzburg 1972. 2 Vgl. I. F. KEIBLINGER, Geschichte des Benediktiner-Stiftes Melk, Bd. 2, Wien 1869, S. 663. 3 Die Pfarre Perchtoldsdorf, das Wittum der Herzoginnen, besaß ζ. B. T h o m a s Ebendorfer, die Pfarre Mödling Nikolaus von Dinkelsbühl als Pfründe. (Vgl. HAYER S. 9, Anm. 3; HAYERS Eigenart, Seitenzahlen mit hochgestellten + Zeichen zu verwenden, konnte ich aus drucktechnischen G r ü n d e n nicht nachvollziehen.)
1
In der Literatur wird er gemeinhin dem frühhumanistischen Wiener Kreis zugerechnet4. Dieser gelehrte Kreis wurde getragen von Persönlichkeiten, die sowohl dem Hof als auch der Universität nahestanden: Heinrich von Langenstein, Leopold Stainreuter, Nikolaus von Astau, Ulrich von Pottenstein, Nikolaus von Dinkelsbühl, Thomas Peuntner u. a. Sie alle waren maßgeblich beteiligt an der Ausbildung einer deutschsprachigen Unterweisungs- und Erbauungsliteratur in Prosa, die zunächst für die gebildeten Laienkreise am Hof, dann aber auch für das gehobene Bürgertum und den niederen Klerus bestimmt war. Verwaltungsmäßig unterstand Pottenstein seit 1355 der Herrschaft der Wallseer, dem einflußreichsten österreichischen Ministerialengeschlecht des späten Mittelalters5. Der bedeutendste unter ihnen war Reinprecht II., seit 1380 Hauptmann ob der Enns und ab 1412 Hofmeister Albrechts V. Er gilt als Mäzen und Auftraggeber der Vertreter des Wiener Kreises und hatte offensichtlich gerade zu Ulrich von Pottenstein ein enges Verhältnis6. Aus den 90er Jahren stammt ein undatierter Eintrag in der Chor- bzw. Domherrenmatrikel von St. Stephan, dem m. E. der bedeutendste Stellenwert für Ulrichs Biographie zukommt: Item dominus Vlricus capellanus ducisse antique dedit 7 Ib. d. nunc plebanus in Potenstain [und von einer anderen Hand hinzugefügt:] tandem in Medlico [Mödling] postea in Anaso [Enns]7. Der Eintrag umreißt Ulrichs gesamte berufliche Laufbahn: "Vgl. vor allem: H. RUPPRICH, Das Wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters ( = Sitzungsberichte der Österr. Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, 228 Bd. 5. Abth.) Wien 1954, hier vor allem Abschn. VII, S. 146-171, >Gründung und Ausbau der Universität - Übersetzungsliteratun. - P . E . W E I D E N H I L L E R , Untersuchungen zur deutschsprachigen katechetischen Literatur des späten Mittelalters. Nach den Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek (MTU 10) München 1965, S. 206-210. 5 Vgl. M. DOBLINGER, Die Herren von Wallsee. Ein Beitrag zur österreichischen Adelsgeschichte, in: Archiv für österr. Geschichte 95 (1906), S. 335-578. 6 Zu Reinprecht von Wallsee, dessen literarischem Interesse und dessen Beziehungen zu Ulrich vgl. meine Beschreibung der Hs. K2. - J. LOHNINGER, Die Stadtpfarrkirche zu Lorch-Enns, in: Christliche Kunstblätter 1917 / 18, S. 34, spricht von einer Verwandtschaft zwischen Ulrich und Reinprecht. Letzterer sei in zweiter Ehe mit Anna, der Tochter des Eberhard von Capellen und der Jeuta von Pottenstein verheiratet gewesen (vgl. auch DOBLINGER S. 562f.). Nach Mitteilung von Herrn Dr. STURMBERGER vom Oberösterr. Landesarchiv in Linz (Brief vom 18. 11. 1974) liegt hier allerdings eine Verwechslung vor: Nicht Eberhard II., der letzte Capeller, sondern sein Onkel Eberhard I. d. Ä. war mit einer Juta (Jeuta) von Pottenstein vermählt. Sie ist 1357 und 1362 als seine Frau bezeugt und dürfte um 1379 gestorben sein. 7 H. GÖHLER, Das Wiener Kollegiat - nachmals Domkapitel zum hl. Stephan in seiner persönlichen Zusammensetzung in den ersten zwei Jahrhunderten seines Bestandes 1365-1554, Diss. Masch. Wien 1932, S. 177f.
2
1. Er stand in seelsorgerischen Diensten der alten Herzogin (Beatrix, Gemahlin Albrechts III.). 2. Als Pfarrer von Pottenstein trat er dem Domkapitel von St. Stephan bei. 3. Nach seiner Amtszeit in Pottenstein war er Pfarrer in Mödling, später in Enns. Das Domkapitel stand in enger Beziehung zur Wiener Universität: Der Probst bekleidete gleichzeitig das Amt des Universitätskanzlers, und ein Drittel der Kanonikate (das sind acht Sitze) blieb Mitgliedern der Artistenfakultät vorbehalten 8 . Außer Ulrich von Pottenstein gehörten dem Domkapitel u. a. Heinrich von Langenstein (seit 1393), Nikolaus von Dinkelsbühl (seit 1405) und später Thomas Peuntner (seit 1436) an9, also wiederum die Vertreter des Wiener gelehrten Kreises. Da Herzog Albrecht IV. i. J. 1396 Johanna von Bayern-Holland geheiratet hat, ist Ulrichs Aufnahme ins Wiener Kollegiatkapitel wohl nicht vor 1396 erfolgt. Am 14. 9. 1 4 0 4 starb Albrecht IV. Damit lassen MENHARDT (Funde S. 146) und HAYER (S. 12) Ulrichs Tätigkeit am herzoglichen Hof erlöschen, mit der Begründung, daß am 6. 8. 1406 Nikolaus von Dinkelsbühl Erzieher des neunjährigen Herzogs Albrecht V. wurde. Es gibt jedoch keinen Beleg dafür, daß Dinkelsbühls Erzieheramt in irgendeinem Zusammenhang mit Ulrichs Laufbahn stand. Auf den 26. 4. 1396 ist die erste Urkunde datiert, die Ulrich als Pfarrer von Pottenstein namentlich (als einen Zeugen) aufführt; sie ist auf dem Passauer Offizialat in Wien ausgestellt10. Am 23. 5. 1406 ist Ulrichs Nachfolger in Pottenstein, Pfarrer Niclas, erstmals genannt 11 .
8
Vgl. A. LHOTSKY, Die Wiener Artistenfakultät ( = Sitzungsberichte der Österr. Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, 247. Bd. 2. Abt.) Wien 1965. - Ulrich kommt weder in der Wiener Universitätsmatrikel vor noch in der von P. U I B L E I N edierten Matrikel der Artistenfakultät: Acta Facultatis Artium Universitatis Vindobonensis 1385 bis 1416 ( = Publikationen d. Inst. f. Österr. Geschichtsforschung, VI. Reihe, Quellen z. Gesch. d. Univ. Wien 2. Abt.) Graz - Wien - Köln 1968. Auch J. ASCHBACH, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, Wien 1865, kennt ihn nicht.
9
Vgl. GÖHLER, [ A n m . 7] S. 171 bzw. S. 200. - S. a. H. ZSCHOKKE, G e s c h i c h t e des Metro-
politan-Capitels zum hl. Stephan in Wien, Wien 1895. 10 Vgl. R A N K E VL I I I , Sp.918. 11
KEIBLINGER [ A n m . 2 ] S. 6 6 6 .
3
Doch bereits am 27. 12. 1404 wird Ulrich als Pfarrer von Mödling aufgeführt - 1399 ist in diesem Amt noch Hans der Rautter nachweisbar 12 . Auch eine Urkunde vom 12. 5. 1406 nennt Pfarrer Ulreich zu Medling". Für das Jahr 1406, nicht für 1408 wie R A N K E ( V L I I I , Sp. 918), setzen M E N H A R D T (Funde S. 146) und HAYER (S. 12) Ulrichs Ernennung zum Dechant und Pfarrer von Enns an. Gegen die Datierung von M E N H A R D T und H A Y E R sprechen jedoch zwei Schriftstücke: 1. die bisher in der Pottenstein-Literatur nicht aufgeführte Urkunde Nr. 2310 in den Quellen zur Geschichte der Stadt Wien 1 / 3 , die am 4. 10. 1406 noch Rupert von Weltz als Dechanten und Pfarrer von Enns bestätigt; 2. eine Erbschaftsurkunde, die noch am 10. 3. 1408 ein Verweser der Dechantei und Pfarrkirche zu Enns, ein >Herr Peter< mit dem Dechanteisiegel siegelte14. Ulrichs seelsorgerisches Wirken außerhalb Wiens hatte somit am ehesten folgende Chronologie: vom Anfang der 90er Jahre des 14. Jhs bis längstens 1404 Pfarrer in Pottenstein, danach bis mindestens Frühjahr 1408 Pfarrer in Mödling und anschließend Pfarrer und Dechant in Enns. Für Ulrichs letzte Station, seine Amtszeit in Enns, ist die urkundliche Bezeugung dichter: In einer Schenkungsurkunde vom 30. 10. 141315 vermacht Reinprecht von Wallsee Ulrich ein Grundstück in Enns zum Bau eines Stadthauses, das als Wohnung für den Kaplan dienen sollte, der für Altar und Kapelle in der von Ulrich gestifteten Scheiblingen Kirche zu Enns eingesetzt wurde. 1414 wird Dechant Ulrich als Zeuge einer Stiftung zu Enns genannt 16 . Am 7. 5. 1415 bestätigt Bischof Georg von Passau die Stiftung einer ewigen Messe an Ulrich Dechant und Pfarrer zu Enns und im selben Jahr die von Dechant Ulrich von Enns mit dem Stadtrat bezüglich der gottesdienstlichen Verpflichtungen des Schulmeisters gepflogenen Vereinbarungen 17 . 12
13
V g l . G Ö H L E R [ A n m . 7 ] S. 1 7 8 .
Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, hg. vom Alterthumsvereine zu Wien, 1. Abt. Bd. 4, S. 41, Urkunde Nr. 3668. 14 Vgl. SCHARF, Die handschriftliche Überlieferung S. 3. 15 Die Jahreszahl entspricht der Angabe Herrn Dr. STURMBERGERS (vgl. Anm. 6). SCHARF, Die handschriftliche Überlieferung S. 3 und HAYER S. 12 geben als Datum den 30. 10. 1412 an. Die Urkunde befindet sich im Stadtarchiv Enns (Nr. Β I 7). 16 Vgl. SCHARF, Die handschriftliche Überlieferung S. 3. 17 Zu beiden Angaben vgl. SCHARF, Die handschriftlichen Überlieferungen S. 3.
4
Ulrichs beträchtliches Vermögen beurkundet sein handschriftliches Testament vom 5. 9. 141618. Er stiftet darin eine ewige Messe u. a. für Bischof Georg von Passau, Herzog Albrecht [V.] von Österreich, für alle toten und lebendigen österreichischen Fürsten und für Reinprecht [II.] von Wallsee. Bald nach der Niederschrift des Testaments muß Ulrich gestorben sein, denn am 29. 11. 1417 wurde Nikolaus Mostel mit der Pfarre Enns providiert19. Zweimal ist Ulrich als Dechant zu Enns posthum belegt: In einer Urkunde vom 22. 8. 1421 wird der Verkauf mehrerer Güter an den Kaplan des Hl. Drei-König-Altars bestätigt, »den weiland Herr Ulrich Dechant zu Enns gestiftet« hat, und 1424 erneuert Bischof Leonhard von Passau die Bestätigung seines Vorgängers »betr. die Verpflichtungen, die weiland Dechant Ulrich mit dem Stadtrate getroffen hat.«20 Außer in den aufgeführten Urkunden sind Name und Stand Ulrichs von Pottenstein an drei Stellen seines eigenen Werkes faßbar: 1. in einem Schreibereintrag zu Beginn der Credo-Auslegung in Cod. Vind. 3050, Bl. 20r: Hie hebt Iich an daj dritte tail despueches das her ulreich weylant pharrer potenftain yefamm gelefen vnd in dewtfch pracht hat. .. 2. in Ms. Germ. 459 Berlin, Bl. 262r: Jfte liber eft translatus De latine in Theotunicum per honorandum virum Dominum vlricum Decanum Ecclesiae Laureacensis [in Enns] finitus Anno domini 1432. 3. in Cgm 583, Bl. 241v: Jfte liber eft editus et collectus per venerabilem virum dominum ulricum decanum ecclesiae laureacenfis2\ Die beiden letztgenannten Handschriften enthalten Ulrichs zweites Opus, das er offensichtlich als Dechant von Enns verfaßt hat, die Übersetzung der Cyrillusfabeln. Sie sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. >Die handschriftliche Überlieferung der deutschen Cyrillus-Fabeln des Ulrich von Potenstein< untersuchte G. SCHARF, angeregt durch F. RANKE, in seiner gleichnamigen Dissertation [Anm. 1]. Im gleichen Jahr erschie18
Abgedruckt bei K. OBERLEITHNER, Die Stadt Enns im Mittelalter, in: Archiv für österr. L a n d e s g e s c h i c h t e 2 7 ( 1 8 6 1 ) S. 1 - 1 6 6 , h i e r S. 1 0 6 - 1 0 9 .
"Vgl. P. UIBLEIN, Neue Dokumente zum Passauer Bistumsstreit (1423-1428), in: Fs. FRANZ LOIDL z u m 6 5 . G e b u r t s t a g , h g . v o n VICTOR FLIEDER, 3. B d . , W i e n 1 9 7 1 , S. 3 3 0
Anm. 14. 20 Vgl. SCHARF, Die handschriftliche Überlieferung S. 4; s. a. oben die bischöfliche Bestätigung vom 7. 5. 1415. 21 Die beiden letzten Einträge sind zitiert nach SCHARF, Die handschriftliche Überlieferung S. 2.
5
nen, ebenfalls von SCHARF, >Proben eines kritischen Textes der deutschen Cyrillusfabeln des Ulrich von Potenstein< [Anm. 1], Zuletzt erwähnt wurde Ulrichs Fabel-Übersetzung von K . G R U B M Ü L L E R in seiner Habilitationsschrift >Meister Esopus, Studien zu Geschichte und Funktion der Fabel im MittelalterFunde zu Ulrich von Pottenstein< [Anm. 1] hinzufügen: die beiden Fragmente Cod. Vind. 3710 (unsere W3) und Cod. Vind. 2953 (W2). Außerdem leistete M E N H A R D T den ersten und bisher einzigen Beitrag zur Erforschung der literarischen Quellen Ulrichs von Pottenstein: Er weist den >Tractatus contra haeresin Waldensium< des Peter von Pilichsdorf überzeugend als eine Quelle Ulrichs nach23. Aufgrund seiner Quellenforschung korrigiert M E N H A R D T RANKES Datierung der Credo-Ausle24
gung . Der bisher letzte Beitrag zur Erschließung des exegetischen Werks Ulrichs von Pottenstein stammt von G. HAYER [Anm. 1]. Er führt bereits die zehn Überlieferungsträger auf, die auch dem rezeptionsgeschichtli22
In zwei wesentlichen Punkten unterscheidet sich die Fabel-Übersetzung von Ulrichs Katechismus: 1. Sie hält sich inhaltlich, stilistisch und syntaktisch streng an die Vorlage. 2. Sie ist offensichtlich auf regeres Publikumsinteresse gestoßen. Außer in 12 hsl. Überlieferungsträgern ist die Sammlung in einem Druck Anton Sorgs (Augsburg 1490, als >Büch der Natürlichen weißheytZum Wortschatz der österreichischen Umgangssprache um 1400Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert. Studien zur Erforschung der spätmittelhochdeutschen Schreibdialekte und zur Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache^ daß der ostoberdeutschen Sprachlandschaft ein entscheidender Anteil bei der Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache zukommt. Ebenso haben nach und unabhängig von ihm vor allem E. SKALA 25 , P . W I E S I N G E R 2 6 und M . GUCHMAN 2 7 nachge25
Vor allem in folgenden Arbeiten: Die Entwicklung der Kanzleisprache in Eger 1310-1660, Berlin 1967. - Oberdeutsche Stadtsprachen im Vergleich mit der Laut- und Formenlehre Luthers, in: Philologica Pragensia 11 (1968) S. 65-74. - Süddeutschland in der Entstehung der deutschen Schriftsprache, PBB 92 (Halle 1970) S. 93-110. - Das Regensburger und das Prager Deutsch, ZfbayerLandesgesch 31 (1968) S. 84-105. 26 Die frühneuhochdeutsche Schreibsprache Wiens um 1400, PBB 93 (Tübingen 1971) S. 366-389.
7
wiesen, daß sich das bairisch-österreichische Sprachgebiet bei der Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache keineswegs bloß rezeptiv oder passiv verhalten hat, sondern an diesem Prozeß maßgeblich beteiligt war. Auch bezüglich der Textwahl weist BESCHS Arbeit einen neuen Weg. Bisher waren allein die sozial gebundenen Sprachsysteme der Kanzleiund Geschäftsprachen und der Mundarten Gegenstand von Sprachuntersuchungen gewesen. BESCH mißt erstmalig der Erbauungsliteratur wegen ihres Anteils an der Ausbildung einer im ganzen deutschen Volksgebiet verständlichen Prosa eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Entwickung der deutschen Schriftsprache zu. Zwar untersucht W I E S I N G E R die >Frühneuhochdeutsche Schreibsprache Wiens um 1400< nicht nur an im Original erhaltenen Büchern aus der Kanzlei Albrechts III., sondern auch an literarischen Werken. Er berücksichtigt Leopold Stainreuter, die >RationaleRationale< des Wilhelm Durandus in der Übersetzung eines der Gelehrten des Wiener Kreises enthalten 28 . Ulrichs Auslegungswerk besteht aus vier Teilen: Paternoster (Kapitel 1-13), Ave Maria (Kapitel 14-20), Credo (Kapitel 21-42) und Magnificat mit den Zehn Geboten (Kapitel 43-70). Dieses Riesenopus ist in seiner Gesamtheit nirgends überliefert; es würde, wäre es in demselben gleichmäßigen kleinen Schriftduktus ausgeführt wie die GroßfolioHandschrift Cod. Vind. 3050, nicht weniger als 1200 Blätter umfassen. Eine derartige Materialfülle zwingt zur Beschränkung. Angesichts der Lücken in der Pottenstein-Forschung und in der Erforschung der Schreibsprache des bairisch-österreichischen Südostens ließ ich mich bei meinen Untersuchungen von folgenden Gesichtspunkten leiten: 27
Der Weg zur deutschen Nationalsprache. Ins Deutsche übertragen und wissenschaftlich bearbeitet von GÜNTER FEUDEL, Berlin, 1. Teil 2. Aufl. 1970, 2. Teil 1969. 28 Die bisher angenommene Verfasserschaft Leopold Stainreuters stellt G. BUIJSSEN in Frage: Durandus' Rationale in spätmittelhochdeutscher Übersetzung. Das vierte Buch nach der Handschrift CVP 2765, Assen 1966, hier vor allem S. [55]-[67].
8
1. Ulrichs in der Vorrede geäußerter Wunsch war es, daß sein Buch in die weyt getailet werde und die Leserschicht der frumen und verftanden layen erreiche. An den heute noch erhaltenen Überlieferungszeugen wird, der Methode der Rezeptionsweg-Forschung folgend, nachgeprüft, welche räumliche, zeitliche und soziologische Verbreitung sein Werk fand (Kapitel 2). 2. Mit Rücksicht auf die von ihm angesprochene Leserschicht wählte Ulrich bewußt nicht die gelehrte Fachsprache, die sich eng an das Lateinische anlehnt (aygen dewtsch), sondern die allgemein verständliche Umgangssprache nach des lanndes gewonhait. Eine umfassende Analyse seiner (und jeder) Schreibsprache müßte folgenden vier Teilbereichen gelten: Graphematik, Lexikographie, Morphologie und Syntax - ein Unterfangen, das im Rahmen einer Einzelarbeit über das katechetische Werk Ulrichs von Pottenstein nicht zu bewerkstelligen ist. Deshalb beinhaltet der sprachliche Teil dieser Arbeit nur die Graphematik. Die Erstellung eines lückenlosen Graphemsystems erfolgte mittels Elektronischer Datenverarbeitung (Kapitel 3). Textbasis für die sprachliche Untersuchung ist die älteste Pottenstein-Handschrift Cod. Vind. 3050 (Wl). Die Einheitlichkeit der Überlieferung erlaubt die Wahl einer repräsentativen Handschrift; als solche erwies sich Wl aufgrund textkritischer Sondierungsarbeit. Mit der Untersuchung der Schreibsprache Ulrichs von Pottenstein soll gleichzeitig der Versuch unternommen werden, einen Beitrag zu liefern zur besseren Erkenntnis der Schreibsprache des bairisch-österreichischen Südostens um 1400. 3. Ulrichs Texte bieten mehr als nur Material für eine Sprachuntersuchung. Als einer der frühen Popularisatoren scholastischen Gedankenguts und - was die Quantität seines Werkes betrifft - als der produktivste Vertreter des Wiener Kreises verdient es Ulrich, daß sein Katechismus mehr in den Blickpunkt des Forschungsinteresses rückt. Daher sah ich es als eine meiner Aufgaben an, sein Werk auch dem Inhalt nach bekannt zu machen. Dies geschieht auf vierfache Weise: 1. durch den Abdruck der Vorrede nach der Handschrift W l : sie zeigt Ulrichs Programm in inhaltlicher, methodischer und sprachlicher Hinsicht; 2. durch den Abdruck des 22. Kapitels, ebenfalls nach W l : es enthält die Erklärung des ersten Glaubensartikels und gibt Einblick in Ulrichs Auslegungstechnik; 3. durch die Rekonstruktion des (bisher nicht aufgefundenen) lateinisch-deutschen Gesamtregisters aus allen überlieferten Ein9
zelregistern: es vermittelt einen Zugang zu allen vier Teilen des Pottenstein'schen Auslegungswerkes; 4. durch einen inhaltlichen Überblick über die Credo-Auslegung (Anhang): er bietet die Möglichkeit, Ulrichs Behandlung dieses wichtigen Grundpfeilers mittelalterlicher Katechese im Vergleich zu den Darstellungen anderer Autoren zu sehen.
10
2. Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des katechetischen Werks Ulrichs von Pottenstein
2. 1. Methodisches Die anschließenden Mitteilungen zu den zehn 1 bis heute bekannten Handschriften mit katechetischen Texten Ulrichs von Pottenstein 2 zielen auf die Erfassung des Überlieferungsbildes ab; sie haben nicht den Charakter schematischer Handschriften-Beschreibungen. Bei der Frage nach der Gebrauchsfunktion von Handschriften ist es m. E. nicht möglich, an jeden Überlieferungsträger das gleiche Schema anzulegen. Die relevanten Kriterien sind von Handschrift zu Handschrift verschieden. Diese Kriterien gilt es jeweils hervorzuheben. Für die zehn Textzeugen habe ich sprechende Siglen nach den Aufbewahrungsorten gewählt, dabei aber die von H A Y E R eingeführten Siglen beibehalten. Da von ihm nur die Handschriften, die zur Erstellung eines kritischen Textes der Paternoster-Auslegung und der Vorrede herangezogen werden mußten, mit Siglen versehen wurden, war eine Erweiterung bzw. Modifizierung seiner Benennungen nötig. Die Wiener, Erlauer und Kalocsaer Handschriften habe ich gemäß ihrer Wichtigkeit für meine Untersuchung durchnumeriert: primär behandelt wurden die Handschriften mit Credo-Text, also W1 für Cod. Vind. 3050 (bei H A Y E R W), W2 für Cod. Vind. 2953, bzw. den Pottenstein-Teil darin, El für den Erlauer Codex D. II. 1, Kl für das Kalocsaer Ms. 322 (bei H A Y E R K); höhere Indizes erhielten die Handschriften mit anderen Auslegungstexten, also Cod. Vind. 3710 die Sigle W3, der Erlauer Codex Β. V. 2 E2 (bei H A Y E R E), das Kalocsaer Ms. 629 K2. Die Handschriften Salzburg St. Peter a X 13 und München Cgm 5019 behielten die Siglen S bzw. M, die Budapester Handschrift K. 532 erhielt die Sigle Bu. Knappe Angaben zur Charakterisierung der Handschriften sind der überlieferungsgeschichtlichen Analyse vorangestellt, damit dann nur noch auf Fakten eingegangen werden muß, die für die Fragestellung 1
2
Zu einer elften Handschrift, auf die mich Herr Dr. G. Arbeit aufmerksam machte, s. S. 67f. Künftig abgekürzt UvP.
HAYER
nach Abschluß meiner
11
dieser Arbeit wesentlich sind. Folgende Fragen wurden an die Handschriften gestellt: 1. Welche Personenkreise waren an Ulrichs katechetischem Werk interessiert? Oder einfacher: Für wen wurde es abgeschrieben? 2. Wer hat es gelesen, benützt, besessen? 3. In welchem geographischen Raum fand es Verbreitung? 4. Welche Wertschätzung hat es genossen? Die Erschließung des Besitzer- und Leserkreises erfordert die Konzentration auf Besitzereinträge, Provenienz- und Dotationsvermerke in den Handschriften selbst, in Handschriftenkatalogen, in Repertorien und in oft nur schwer zugänglichen, weil nicht vollständig erschlossenen, mittelalterlichen Bücherverzeichnissen. Da die bisher vorliegenden Beschreibungen der PottensteinHandschriften 3 die oben formulierten Gesichtspunkte nur unzureichend bzw. gar nicht berücksichtigen, wird auf sie in dem folgenden rezeptionsund wirkungsgeschichtlichen Überblick besonderes Gewicht gelegt. Die heute in Ungarn befindlichen Handschriften werden bewußt ausführlich vorgestellt. Auf meiner Handscjiriftenreise durch Ungarn mußte ich erfahren, welch große Schwierigkeiten zu überwinden sind, bis man Einsicht in die Handschriften erhält und vor allem in die kaum erschlossenen alten Bücherverzeichnisse (falls es überhaupt gelingt, deren Existenz in Erfahrung zu bringen). Aus diesem Grund hielt ich es für angebracht, gerade zu den >ungarischen< Handschriften möglichst umfassende Information zu liefern. Die Sprachuntersuchung im 3. und die Texte im 4. Kapitel dieser Arbeit basieren auf dem Cod. Vind. 3050. Um vor allem bezüglich der Graphematik eine - wenn auch beschränkte - Vergleichsmöglichkeit zwischen den einzelnen Handschriften zu bieten, ist am Schluß jeder Handschriften-Beschreibung aus dem jeweiligen Uberlieferungsträger ein kleiner Textausschnitt abgedruckt 4 . 3
Zu allen Handschriften vgl. HAYER S. 4 6 - 7 2 ; ZU den Wiener Handschriften: MENHARDT, Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Berlin Bd. 1, 1960, Bd. 2 und 3, 1961; zu den Handschriften in ungarischen Bibliotheken: A. VIZKELETY, Beschreibendes Verzeichnis der altdeutschen Handschriften in ungarischen Bibliotheken, Bd. 2, Wiesbaden 1973; zu M: WEIDENHILLER, Untersuchungen S. 223 und 227.
4
D a die Textüberlieferung in den einzelnen Hss. uneinheitlich ist, korrespondieren die Textauszüge nur innerhalb kleiner Gruppen: Anfang des 8. Kapitels bei E2, M, W3; Anfang des 22. Kapitels bei E l , K l , S, entsprechend dem Textabdruck aus W1; Anfang des 53. Kapitels bei Bu (frühere Kapitelanfänge sind wegen Wasserflecken nicht lesbar) und K2; A n f a n g des 40. Kapitels bei W2. - Bei allen Zitaten aus den Hss. habe ich
12
2.2. Rezeptions- und wirkungsgeschichtliche Auswertung der Handschriften W1 Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 3050 (Theol. 30); Papier; 406:285mm (Bl. 23); 375 Bll. nach Zählung des 17. Jhs (Zählung des 15.Jhs 1-193, entsprechend Bl. 20-212 neuerer Zählung); lra-2rb Vorrede, 2rb-19va Register, 20ra-375vb Credo-Auslegung; Anfang 15. Jh. Bisher beschrieben bei M E N H A R D T , Bd. 2, S. 842f; HAYER S. 68f. Der Textvergleich zwischen den Pottenstein-Handschriften, die Vorrede und Credo-Auslegung enthalten, hat ergeben, daß W1 als die älteste überlieferte Hs. des katechetischen Werks U'svP auch den zuverlässigsten, fehlerfreisten und lückenlosesten Text aufweist5. Sie dürfte dem Autortext am nächsten stehen. Anhaltspunkte bezüglich der Geschichte der Hs. sind nur wenige zu finden: Der Codex enthält weder Schreiber- noch Datierungseinträge. Falls ein Schlußrubrum vorhanden war, ist es mit der fehlenden letzten Lage, die den Schluß der Credo-Auslegung enthielt, verlorengegangen6. Als Schreiber der Hs. hat M E N H A R D T durch Schriftvergleich Johann Albrand von Suntra (Sontra, Stadt in Hessen) identifiziert7. Albrand, laut M E N H A R D T 8 ein in Wien tätiger Berufsschreiber, weist sich im Schlußrubrum des Cod. Vind. 3045 aus: Vnd darumb hart Jch Johannes / Albrand von Suntra dajfelbig / puch bracht da man cjalt nach / Chriftes gepurt vircjehenhundert / Jar vnd in
voldem
andern jar . . . (197va)
Die Hand Albrands ist genau nachzuweisen in Cod. Vind. 3045, 121ra197va und 200ra9, nicht ganz eindeutig im Register, Ilra-IVv, mit SiAbbreviaturen aufgelöst und die Zeichensetzung der Hss. (Majuskel, Virgel, Punkt, Rubrizierung) in moderne Interpunktion umgesetzt; Groß- und Kleinschreibung richten sich nach dem handschriftlichen Gebrauch. 5 Das Fehlen der letzten Lage bedeutet kein Manko für die Lückenlosigkeit des historischen Textes. 6 Außer der letzten Lage fehlen spurlos Vor- und Nachsatzblätter. Eventuelle Reste sind bei der Restaurierung i. J. 1933 (Eintrag auf dem vorderen Spiegel) beseitigt worden. Von einem herausgeschnittenen Pergamentblatt zwischen Bl. 12 und 13 (Textverlust) ist noch ein Rest erhalten. 7 FUNDE S. 149 - Zu Sontra vgl. H. OESTERLEY, Historisch-geographisches Wörterbuch des deutschen Mittelalters. Neudruck der Ausgabe 1883, Aalen 1962, S. 643. 8
F U N D E S. 169.
9
Dieses Bl. ist als Innenspiegel benutzt und trägt denselben Text, der bereits 191ra, 1-12 vorliegt.
13
cherheit wieder im Fortsetzungs-Codex 3046, Ilr-IIIv (Register) und 188r und ν (Register). Es ist dieselbe Hand, die den Codex 3050 geschrieben hat. Meine Nachforschungen zur Person des Schreibers führten leider zu keinem Ergebnis10. Aus den von ihm angefertigten Texten läßt sich jedoch schließen, daß er seine umfangreichen Arbeiten äußerst sorgfältig ausführte. Alle 375 Bll. von W1 haben die gleiche Ausgewogenheit im Schriftbild (gotische Eilschrift). Ebenso gleichmäßig wurden die Glaubensartikel in großformatiger Textura ausgeführt. Im gesamten Text kommen kaum Fehler vor; die wenigen notwendigen Korrekturen hat der Schreiber selbst am Rand oder durch Überschreiben angebracht. Über die Einheitlichkeit des Graphemsystems braucht hier nichts gesagt zu werden; ihm ist ein eigenes Kapitel dieser Arbeit gewidmet. An dieser Stelle soll jedoch betont werden, daß der aus dem mitteldeutschen Raum stammende Schreiber sich in Graphematik und Wortschatz völlig dem Sprachgebrauch seines Wirkungskreises angepaßt hat. Diese Beobachtung kann als Kriterium dafür gewertet werden, daß Albrand Berufsschreiber war: er hat auftragsgemäß seine Vorlage wort-, ja graphemgetreu abgeschrieben, als handle es sich um einen lateinischen Text". W1 war mit Sicherheit eine Auftragsarbeit; das geht aus dem zum Schreiber Gesagten hervor, ebenso wie aus dem Aufbau der Hs. Der Auftrag hat vermutlich zunächst lediglich in der Abschrift der Credo10
In den Listen der Graduierten bei J. ASCHBACH, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, Wien 1865, ist er nicht zu finden. Auch in der Wiener Universitätsmatrikel fehlt sein Name. - H. MENHARDT, Nikolaus von Dinkelsbühls deutsche Predigt vom Eigentum im Kloster, in: ZfdPh 73 (1954), S. 1-39, hier S. 16f., hält es »für möglich, daß der Berufsschreiber Albrand von Suntra . . . etwa um 1414 von Dinkelsbühl beauftragt wurde, seine deutschen Predigten in einem Buch zusammenzufassen.« Dieser Codex wäre der von M E N H A R D T erschlossene Archetypus der Predigt-Hss. Nikolaus' von Dinkelsbühl. 1 ' Dieselbe Feststellung trifft auch E. SCHRÖDER in seinem kurzen Bericht über den Schreiber von Cod. Vind. 3050, in: ZfdPh 73 (1936) S. 55-56 und 227f, hier S. 56. - Die Anpassung an die Wiener Schreibsprache läßt sich auch bei Albrands Landsmann Heinrich von Langenstein beobachten: in seiner >Erchantnuzz der Sund< verwendet er kein einziges hessisch-mitteldeutsches Wort; Wortschatz und Wortformen sind eindeutig bairisch-österreichisch. Vgl. dazu W I E S I N G E R S. 373f. S. 377f. stellt W I E S I N G E R den Schreiber Joh. Hochstetter aus Nördlingen vor, der in Wien studiert und dort Langensteins >Erchantnuzz der Sund< (CVP 2997, ca. 1397) abgeschrieben hat. Auch er bedient sich in konsequenter Weise der neutral bairischen Schreibform. - Zu derartigen Anpassungsvorgängen vgl. auch H. EGGERS, Deutsche Sprachgeschichte III, S. 135 und Ε. E . M Ü L L E R , Die Basler Mundart im ausgehenden Mittelalter. Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur, Heft 14, Bern 1953, S. 9.
14
Auslegung Ulrichs bestanden: das zeigt die Abfolge der Lagen. Es sind, vom Beginn des Credo-Textes gerechnet, 20 Quinternionen (20r-219v) und 13 (von ursprünglich 14) Sexternionen (220r-375v). Diese Lagen haben im Gegensatz zu den beiden vorangebundenen der Vorrede und des Registers (1 Sexternione und 1 Quarternione) jeweils am Lagenschluß Kustodenzählung und Reklamanten. Vorrede und Register, die lagenmäßig zusammengehören, scheinen nachträglich hinzugefügt worden zu sein. Sie sind auch mit hellerer Tinte geschrieben als der Auslegungstext; zudem beginnt die alte Zählung des 15. Jhs mit dem ersten Bl. der Credo-Auslegung. Nachträglich scheinen auch die KapitelGliederung im Text (entsprechend kleiner vorgemerkter Kapitel-Zahlen unten zwischen den Spalten) und die Korrektur der alten Tafelbuchstaben12 vorgenommen worden zu sein. Einen Beweis dafür, daß Albrand die Vorrede und das Register im Anschluß an den Textteil geschrieben hat, liefert auch die >Wasserzeichen-ProbeOchsenkopfmehr< statt >wenigerangemessenen< Schriftart versuchte50. Für 49
Vgl. sein Vorwort. - Ich selbst konnte die Hs. nur einmal kurz sehen, hatte aber den Mikrofilm zwei Jahre lang zur Verfügung. Für die lange Leihfrist danke ich der Erzabtei St. Peter. - Auf Minierung und Rubrizierung geht HAYER (S. 63-66) im Gegensatz zu allen seinen anderen Hss.-Beschreibungen nicht ein. Die Ausgestaltung der Hs. ist jedoch insofern wichtig, als nachgeprüft werden muß, ob sie dem Autorwillen entsprechend (Vorrede) >Pottenstein'sche Merkmale< enthält .
50
Der alte Katalog von St. Peter führt nur einen Schreiber an. Vgl. P. AUGUSTIN JUNGWIRTH, Katalog der Handschriften des Stiftes St. Peter in Salzburg (1910 bis 1912), Bd. 1-6. (Auch unter dem Titel: Catalog of Manuscripts in Stift St. Peter Salzburg,
28
die Identität der Schreiber 1 und 3 spricht auch der Vermerk auf Bl. 300vb, am Ende des Textteils: Das piich ift gefchriben vnd geendet worden ... per me Erafmum Adelman fcriptor Salcjburgenfis. Wenn Erasmus Adelman, wie es H A Y E R S Schreiberverteilung entspräche, nur die letzten 60 Blätter geschrieben hätte, würde er sich in seiner subscriptio wohl nicht auf das ganze Buch beziehen. Gegen die Identität der Schreiber 1 und 3 sprechen evt. die fünf51 Einträge zur Datierung der Hs.: 1. 117rb, am Ende der Paternoster-Auslegung: Die auflegung auf das heyliggepet das des allmechtigen vater gots fun gemacht vnd gefprochen hat, ift gefchriben da man je Ii nach Chrifti gepurd Taufent vierhundert vnd fechs und viercjigk iar vnd ift volpracht vnd geendet worden an fand petronelle tag der liben Junchfrawn. ( = 31.5. 1446) 2. 155rb, im Anschluß an die Auslegung der Worte des Englischen Grußes und vor Beginn der Auslegung des Evangeliums über den Englischen Gruß: Der heylig Englifch grues mit feiner auflegung if t gefchribn vnd geendet worden an dem abent der heyligen vnd vngetailten Driualtichait Do man cjalt nach christi gepurd viercjehenhundert iar vnd darnach in dem fechs vnd viercjigiften Jare. (=12.6. 1446) 3. 188vb, am Ende der Auslegung des Evangeliums über den Englischen Gruß: Der Englifch grues des heyligen Euangely mit feiner auflegung ift gefchriben vnd geendet worden Do man cjait nach christi gepurd viercjehenhundert iar vnd darnach in dem fechs und viercjigiften Jare des nachften Eritag nach Gotfleichnams tage. ( = 21.6. 1446) 4. 300vb, am Ende der Credo-Auslegung (der oben bereits zitierte Namenseintrag): Das piich ift gefchriben vnd geendet worden am phincjtag nach Sand Michels tag, Do man jalt nach Chrifti gepurde viercjehenhundert vnd darnach Jn dem vierundfunfftcjigiften Jaren . . . ( = 3. 10. 1454) 5. 313vb, im Anschluß an das Register:
51
Austria. Beschreibung der Handschriften des Stiftes St. Peter in Salzburg. Monastic Manuscript Catalogs, Monastery Salzburg, St. Peter, No. 17, Vol. 1-6, hier Vol. 2). HAYER S. 64 zählt nur vier Datierungsvermerke.
29
Deo gratias / Anno liiij0 ( = 1454) •
Bis zum Ende der Ave-Maria-Auslegung oder aber bis Bl. 253vb (Ende Hand 2) wurde die Hs. ohne zeitliche Unterbrechung geschrieben. Zum Ende der Credo-Auslegung tritt dann plötzlich ein Bruch von acht Jahren ein. Er läßt sich am ehesten wohl damit erklären, daß der zweite Schreiber, aus welchem Grund auch immer, am Ende der 32. Lage die Feder aus der Hand legte, und daß erst acht Jahre später vom ersten oder einem neuen Schreiber mit ganz ähnlichen Schriftzügen das abgebrochene Werk fortgesetzt wurde, allerdings nur bis zum 7. Kapitel der Credo-Auslegung, d. h. bis zum 27. Kapitel des Gesamtwerkes. Mehr Text scheint nicht angestrebt worden zu sein, was zum einen der zitierte Eintrag Erasmus Adelmans beweist, zum anderen die unmittelbar anschließende Hinleitung zum Register, das sich konsequenterweise nur auf die in S enthaltenen Kapitel des Gesamtwerkes bezieht: Hie hernach hat man das Regifter oder die Tafel ju dem piich mit aufjaigung der Capitel, der jal vnd der puchftaben ainer yegleichen Matery. Das piich behelt die erften jway tayl vnd in dem dritten tayl fyben capitel Vnd alio begreift die hernach gefchriben tafel Sibenvndjwaincjigk capitel Die fich alio anhebendt als hernach ftet. (300vb)
Das Register schließt mit der Schreiberbitte: Bett dem Schreiber ain Aue maria als o f f t vnd Jr Jn dem puech lefendt. Über den Auftraggeber verrät die Hs. nichts. Auch im alten Katalog von St. Peter sind keine Vorbesitzer vermerkt. Material52, Ausstattung und der profane Schreibername mit dem Zusatz fcriptor Sa/cjeburgenfis (Stadtschreiber?)53 sprechen jedoch dafür, daß auch dieser Codex für einen adeligen oder reichen bürgerlichen Laien angefertigt wurde. Wie 52
Da die Bindung zeitgenössisch und Blindstempel sowie Messingbeschlag ähnlich bzw. identisch mit anderen Bucheinbänden der Stiftsbibliothek sind, würde Herr Dr. HAHNL von der Stiftsbibliothek (Brief v. 5. 11. 1974) den Auftraggeber unter den Äbten von St. Peter suchen (damaliger Abt: Petrus Klueghamer). Im Zusammenhang mit der Melker Reform (1431) konnte im Kloster ein besonderes Bildungsstreben festgestellt werden (neue Schreibschule), das die Pottenstein-Hs. vom Thema her rechtfertigen würde. 53 Nach Auskunft von Herrn Dr. HANHNL (Brief v. 5. 11. 1974) gibt es weder in den Stiftsrechnungen noch in Kopialbüchern Hinweise auf Erasmus Adelman. Er war mit Sicherheit kein Mönch von St. Peter. - Auch bei K. FOLZ, Geschichte der Salzburger Bibliotheken, Wien 1977, S. 111, wird Adelman nur als Schreiber der Hs. a X 13 erwähnt. Bei P. LINDNER O. S. B., Monasticon Metropolis Salzburgensis antiquae. Verzeichnisse aller Aebte und Pröbste der Klöster der alten Kirchenprovinz Salzburg, Salzburg 1908, S. 66-76, ist er nicht aufgeführt. - Obwohl er inzwischen ca 180. Hss. von St. Peter katalogisiert hat, kann auch Herr Dr. HAYER keine näheren Angaben zu Erasmus Adelman machen (Brief v. 11. 11. 1974).
30
Kl (s. d.) scheint auch er wenig benutzt worden zu sein, was das Fehlen von Korrekturen, späteren Einträgen54 und anderen Gebrauchsspuren beweist. Nach H A Y E R (S. 6 3 ) weist die alte Signatur G 3 2 auf dem Buchrücken darauf hin, daß die Hs. seit dem 17. Jh. im Besitz des Klosters St. Peter ist.55 Textprobe (Anfang 22. Kapitel, 219ra): Ich gelaub in got vater allmechtigen fchepffer des himels vnd der erden. Recht als ob er fpräch: Mit hertjen, mit willen, mit andacht rieht ich mich in got, der mit feiner väterleichait ist ein anfangk der ganzen driualtichait, wann der fun ift von im mit der ewigen gepurd, der heylig geift mit dem ewigen aufgang. Da merchk, das ein vnterfchaid ift fo man fpricht: [219rb] Ich gelaub got, oder ich gelaub an got, oder ich gelaub in got. Wann der gelaubt got, der da gelaubt das alle ding war fein die er gefprochen hat, alfo füllen wir gelauben der ganzen gefchrift, der alten vnd der newen ee.
54
55
Lediglich 208va steht am unteren Rand ein lateinischer Spruch: Juftus vtaj nec equitor vlla / Qua necis artificem arteperire fua, 23rb der Textverweis Ein tempigots ain rayne feel und 34ra am Rand Gleichfner. Dr. HAHNL teilte mir in seinem Schreiben v. 5. 11. 1974 mit, daß >G 32< zusammen einer Reihe anderer gleichformatiger Codices auf eine Katalogisierung im frühen Jh. hinweist; eine frühere Katalogisierung gibt es nicht.
eft ift mit 17.
31
El Eger (Erlau), Föegyhäzmegyei Könyvtar (Erzdiözesanbibliothek) D. II. 1; Papier; 400:283mm (Bl. 85); 634 beschriebene Bll. (zur Zählung s.u.); Auslegung des Glaubensbekenntnisses; 4 Hände; 1445 (Schlußrubrum). Bisher beschrieben bei VIZKELETY, Bd. 2, S. 149f.; HAYER S. 50-53. (Bd. 2, S. 149-150) hat den Codex nicht UvP zugeschrieben, da er ihn von Aufbau und Gestaltung her nicht als Pottenstein-Hs. erkannte. HAYER hat ihn in seine Beschreibung der Pottenstein-Hss. aufgenommen (S. 50-53), bemerkt jedoch (S. 16), daß der Erlauer Codex D. II. 1 »überhaupt eine Sonderstellung einzunehmen scheint«. In der Tat unterscheidet sich diese Abschrift der Credo-Auslegung Urichs von allen anderen - eine Beobachtung, die bei der sonst so einheitlichen Überlieferung des katechetischen Werks U'svP eine Ausnahmeerscheinung ist. Der Codex enthält den einzigen vollständig überlieferten Text der Credo-Auslegung, ohne Vorrede und ohne Register. Der Textbeginn hat jedoch einen anderen Wortlaut als in W1, S und Κ1: VIZKELETY
W1 In den erften jwain taylen dicj puechs hab ich nach chlainem vermiigen aufgerichtet das gemain tegleich gepet nach dem auffacje vnd ler vnfers herren Chrifti Jhefu, vnd den englifchen gruej in dem andern tail. Nu in dem dritten tail wil ich ecjwaj fagen von den jwel i f f ftukchen chriftenleiches gelaubens an di hart yem mag gote geuallen, als paulus fpricht. Vnd ift da des erften c$u merkchen, wie die jwelifpoten vnd die 3 weif artikel jn der alten ee in der figur becjaichent find vnd auch in der newen ee . . .
El In Gottes namenn Amenn wan denn menfchen Natturftig ift Gott dem almoch tigen ju lob vnd c$u hay II jrer Seil se wiffen die jweliff ftukch chriftenleichs gelaubens das fy fich darjnnee deft pass wiffenn jehaltten wil ich ettwas fagenn vonn denn selbn stukchenn an die hartt yemandt mag gott geuallenn. Und ift da des erftenn 5« merkchenn, wie die ywelifpotten vnd die jwelif artikell jnn der altenn Ee jnn der figur becjaichendt findt, vnd auch jnn der newen ee . . .
El stellt keinen Bezug zu den vorausgehenden Teilen des Gesamtwerkes her, kennzeichnet die Credo-Auslegung also auch nicht als den dritten Teil dieses Werkes. Der einleitende Satz ist eine Art Kurzfassung der Vorrede, in der Ulrich angibt, er habe sein Werk u. a. zum Lob Gottes und zum Nutzen der frumen vnd verstanden layen geschrieben (Vgl. V59-V63). Ansonsten stimmt der El-Text, soweit ich ihn kollatio32
niert habe (das 21. Kapitel teilweise, das 22. Kapitel vollständig), nahezu völlig mit dem Wl-Text überein. Der Erlauer Codex D. II. 1 ist eindeutig eine Abschrift der Credo-Auslegung U'svP; sie ist jedoch (bewußt?) aus dem Zusammenhang des Gesamtwerkes gerissen und steht völlig isoliert, ohne Reminiszenz an den Autor und sein Werk. Auch die äußere Form der Abschrift ist nicht im Sinne Ulrichs. Die Schreiber haben seine Anweisungen in der Vorrede nicht, bzw. nur zum Teil, erfüllt. Hand 1 (lra-83va)56, Hand 3 (153ra-160ra) und Hand 4 (160rb-646vb) geben keine Tafelbuchstaben-Einteilung, keine Textuntergliederung (q oder Virgel) und keine Kapitelnumerierung, weder im Text noch als Blatt-Titel. Im Bereich der ersten Hand steht lediglich bei Kapitelanfängen in Rot Capitulum oder Capitulum etc. Die Schreiber 1, 3 und 4 haben auch keine Randnotizen wie Dubium, Exemplum, Notabile verzeichnet, die alle anderen Pottenstein-Hss. aufweisen, Schreiber 4, der mit fast 500 Blättern das größte Pensum zu bewältigen hatte, hat manchmal am Rand korrigiert und diese Korrekturen sowie Reklamanten und Zitatangaben im Text eingerahmt. Schreiber 2 (83va-152vb) verhält sich am vorlagengetreusten57. Er übernimmt Tafelbuchstaben, Abschnittszeichen und Z)w£/wm-Randvermerke. Kapitelangaben als BlattTitel fehlen auch bei ihm; bei Kapitelanfängen steht mit Rubrum Capitulum fequitur oder Capitulum ut fequitur. Das konsequente Weglassen der >Pottenstein'schen Merkmale< bei den Schreibern 1, 3 und 4 läßt vermuten, daß Schreiber 2 mehr aus seiner Vorlage übernommen hat als seinem Auftrag entsprach. Das Interesse galt wohl nur dem Text an sich, bzw. dem umfangreichen Codex, nicht aber einem gegliederten und durch ein Register aufgeschlüsselten Gebrauchstext. Die Hs. war offensichtlich zum Repräsentieren gedacht. Dafür sprechen auch die häufigen, farbenprächtig ausgeschmückten Initialen mit ganz- oder halbseitigem Rankenmuster 58 , ebenso die Zierbuchstaben zu Beginn einer Seite 56
Die Blattangaben entsprechen der fehlerhaften Foliierung der Hs. (vgl. u.). Die Vorlage muß den Anweisungen des Autors entsprochen haben, da sonst das Verhalten dieses Schreibers nicht zu erklären wäre. 58 Ganzseitig: lr (Anfang), 53v (Beginn des 3. Glaubensartikels), 67v (nicht 57v wie VizKELETY Bd. 2, S. 150 angibt. Beginn des 4. Glaubensartikels), 409r (VIZKELETY ebd.: 309r. - Wegen der besonders prächtigen blauen D-Initiale, die mit Gold ausgelegt und mit grünem und blauem Rankenwerk verziert ist, war die Hs. an dieser Stelle offensichtlich lange aufgeschlagen, wie die Dunkelfärbung der Seiten 408v und 409r erkennen läßt). Halbseitig: 33r, 33v (sehr schön, mit Gold ausgelegt, Beginn des 1. Glaubensartikels), 51v, 538r (violett und grün), 562rb, 628r (blau und rot), 629v (violett mit Grün und Blau), 729 (D in violettem Feld mit grünen und blauen Ranken), 744r (perspektivisches D. Beginn des letzten Glaubensartikels). 57
33
und die häufig verlängerten Buchstabenschäfte am Ende einer Seite, die hin und wieder in Schnörkel und Rankenwerk auslaufen. Die Verzierungen kommen bei allen vier Schreibern vor. Keine andere Hs., die das katechetische Werk U'svP zum Inhalt hat, ist derart ausgeschmückt. Wenn der Codex heute viele schadhafte und verschmutzte Blätter aufweist, ist dies, wie HAYER (S. 51) richtig bemerkt, sicher nicht auf häufige Benutzung, sondern vielmehr auf unsachgemäße Behandlung zurückzuführen. Der Lagen- und Papierbefund verstärkt den Eindruck einer in sich geschlossenen Auftragsarbeit. Auf ein beim Neubinden (s. u.) eingefügtes Vorsatzblatt folgen 11 leere Blätter (VI-1) und danach 54 beschriftete Sexternionen, bei denen von der ersten das erste Blatt, von der 53. das letzte und von der letzten zwei Blätter fehlen, jedoch ohne Textverlust. Die letzten vier Blätter der letzten Lage sind leer. Kustodenzählung und Reklamanten (soweit sie nicht weggeschnitten sind) beginnen am Ende der ersten beschriebenen Lage und sind durch die ganze Hs. fortgeführt; die letzte Kustode steht auf dem letzten Blatt der letzten, ζ. T. unbeschriebenen Lage (SS). Die Lagen waren also bereits vor der Beschriftung durchgezählt. Im gesamten Codex kommt nur ein Wasserzeichen vor, sowohl auf den beschrifteten als auch auf den unbeschrifteten Blättern: Dreiberg im Kreis, ähnlich BRIQUET 11849 (1442)59. Der Zählung des Riesencodex war man schon bei der ersten zeitgleichen Foliierung (römische Ziffern mit roter Tinte in der oberen Blattmitte) nicht gewachsen60. Die fehlerhafte Erstfoliierung beginnt auf dem ersten beschriebenen Blatt (I) und geht bis Bl. VICXLVI, ab Bl. VICXXIX von einer anderen Hand als der ersten. Ab Bl. 647v schließt, ohne vorher korrigierend eingegriffen zu haben, moderne Bleistiftzählung an, die bis BL 655 fortlaufend jedes Blatt und dann nur noch etwa jedes zehnte Blatt zählt, allerdings auch fehlerhaft. Die Bleistiftfoliierung endet auf Bl. 760; die drei letzten Blätter sind nicht gezählt. Dafür ist auf 59 60
Die einzelnen Blätter sind aufgeführt bei VIZKELETY Bd. 2, S. 150 und HAYER S. 51. Die Fehler haben VIZKELETY Bd. 2, S. 150 und HAYER S. 51 verzeichnet; dabei sind aber auch ihnen Fehler unterlaufen. Hier die Ergebnisse der eigenen Nachprüfung: Doppelzählung: 53, 83, 91, 189, 192, 316, 368, 421, 523; Dreifachzählung: 477. - Auslassungen: 357, 412, 422, 424, 479, 511. - Nach 239 folgt 300, nach 369 - 400, nach 428 - 425, nach 434 - 405, nach 409 - 440, nach 489 - 500, nach 536 - 532 und darauf wieder 535, nach 559 - 600; nach 227 folgt korrekt 228, nicht, wie VIZKELETY und HAYER mitteilen, 223. Die fehlerhafte Zählung ist weitgehend durch die komplizierte Darstellung in römischen Ziffern bedingt. - Bei der modernen Bleistiftzählung ist zwischen 655 und 660 (nicht durchgezählt) ein Blatt übersprungen.
34
dem vorletzten beschriebenen Blatt von einer neueren (ungarischen) Hand mit Tinte 756 Cap. [!] (Oldal61 : 1531) eingetragen. Dieselbe Hand hat 64 [!] Blätter vorher 700 Cap. vermerkt. Die eigene Zählung ergab insgesamt 634 beschriebene und vorne elf und hinten vier alte unbeschriebene Blätter. Der ungeheuere Umfang des Codex bereitete offensichtlich mittelalterlichen wie neuzeitlichen Bearbeitern Schwierigkeiten. Über die Provenienz kann man zu El mehr aussagen als zu E2. Allerdings nicht vom Einband her, denn dieser, und mit ihm Spiegel und je ein Vor- und Nachsatzblatt, stammen wie bei E2 (s. d.) aus einer Erlauer Werkstatt der Eszterhäzy-Zeit. Das in das weiße Leder eingepreßte Muster ist nicht identisch, aber sehr ähnlich dem von E262. Im obersten der sechs Felder des Buchrückens klebt ein brauner Zettel mit Buch- und Bandnummer, wovon nur noch 1... / 33 zu lesen ist63. Dem Albert-Katalog (Bd. 1, Bl. 185; vgl. E2) kann man die vollständige Nummer entnehmen: 1927 / 3320. In das zweite Feld ist ein goldumrahmtes Etikett mit goldener Aufschrift eingeprägt (analog E2): EXPOSITIO THEOLOGICA, / . . . [unleserlich] MORALIS SYMBOLI APOSTOLICI / COD. MS. ANNIMCCCCXLIV. Die Beschriftung auf den Resten eines braunes Zettels im sechsten Feld ist nicht mehr lesbar; entsprechend E2 dürfte es die Signatur D. II. 1 gewesen sein. Sie erscheint wieder in Rot auf dem schwarzumrandeten Exlibris auf dem Vorderspiegel und mit Bleistift auf dem Vorsatzblatt. Nach Auskunft des Bibliothekars besagt die Signatur, daß die Hs. D. II. 1 später aufgestellt wurde (im Regal D) als die Hs. Β. V. 2 (in Regal B), obwohl beide Codices gleichzeitig erworben wurden (s. u.). Vermutlich wurden die eingehenden Bücher zunächst auf dem Fußboden gestapelt (wie es heute noch in Erlau der Fall ist) und erst nach und nach in die Regale eingeordnet. Die elf leeren Blätter der ersten Lage haben bereits die Tintenumrahmung für den Schriftspiegel64 (1. Hd. 284:185mm, 2. Hd. 282:180mm, 3. Hd. 284:181mm, 4. Hd. 285:185mm): rote Umrahmung bis Bl. 335, hellbraune von Bl. 336 bis zum Schluß. Auf der Rectoseite des ersten alten leeren Blattes steht oben rechts mit brauner Tinte, nur noch schlecht und bruchstückhaft lesbar: Vom christlichen Glauben [bis hier 61
Oldal = ungarisch für >SeiteZur Überlieferung der Werke Ulrichs von Pottenstein