Beiträge zur Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik: Grundlagen - Empirie - Umsetzung. Kunihiro Jojima zum 70. Geburtstag [1 ed.] 9783428468669, 9783428068661


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German Pages 252 Year 1990

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Beiträge zur Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik: Grundlagen - Empirie - Umsetzung. Kunihiro Jojima zum 70. Geburtstag [1 ed.]
 9783428468669, 9783428068661

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Beiträge zur Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik Grundlagen - Empirie - Umsetzung

Beiträge zur Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik Grundlagen- Empirie- Umsetzung Kunihiro Jojima zum 70. Geburtstag

Herausgegeben von

Theodor Dams

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Beiträge zur Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik: Grundlagen - Empirie - Umsetzung; Kunihiro Jojima zum 70. Geburtstag I hrsg. von Theodor Dams. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 ISBN 3-428-06866-1 NE: Dams, Theodor [Hrsg.]; Jojima, Kunihiro: Festschrift

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Gerrnany ISBN 3-428-06866-1

Inhaltsverzeichnis Kunihiro Jojima zum 70. Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ralf-Bodo Schmidt N achdenkenswertes zu einem Vorlesungsverzeichnis aus vergangener Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II Kar/ Brand! Max Weber und die Nationalökonomie .................. 25 Werner Pascha Wirtschaftliche Stufentheorien und ihre Weiterentwicklung - eine Würdigung aus heutiger Sicht . . . . . 39 Sieg/ried Hauser Ein weiterer Ansatz zu Jojimas "neuer Dimension der interdisziplinären Reflexion" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Theodor Dams Zur Diskussion um eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin "Theorie der Wirtschaftspolitik" . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Erich Hoppmann Moral und Wirtschaftssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Werner Zohlnhöfer Der Sozialstaat in der Sackgasse: Das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland ......................... 115 Gerold Blümle Vom "Segen" ökonomischer Ungleichheit ................ 139 J. Heinz Müller

Methodologische Grundprobleme der räumlichen Wirtschaftstheorie und ihre Folgerungen für die Regionalpolitik ....... 155

Heinrich Mäding Aktuelle Probleme der Kommunalfinanzen in der Bundesrepublik Deutschland ......................... 161 Hans-Hermann Francke Entwicklungschancen und Interessenkonflikte im Europäischen Binnenmarkt .......................... 177

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Inhaltsverzeichnis

Hans Josef Brink I Thomas Seidel Strategische Beschaffungsstrukturen in der Automobilindustrie unter besonderer Berücksichtigung Japans ........ 191 Wolfgang Hilke I Uwe Singer Finanzinnovationen- Eine Auswahl von neuen Finanzierungsinstrumenten in der Bundesrepublik Deutschland ......................... 205 Friedrich L. Seil Kredit als Produktionsfaktor in der Landwirtschaft: Erkenntnisse aus Thailand ........................... 223 Lebenslauf ...................................... 239 Veröffentlichungsliste .............................. 241 Verzeichnis der Mitwirkenden ........................ 251

Am 4. August 1989 feierte Professor Dr. Dr. Kunihiro Jojima seinen 70. Geburtstag; die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. hat in einer Grußadresse an diesem Tage ihre Glückwünsche übermittelt. Die Hälfte dieser Lebensjahre - sicherlich im wichtigsten Abschnitt seines Wirkens hat er in engem fachlichem und persönlichem Kontakt zur Bundesrepublik Deutschland gestaltet: Vor 35 Jahren, im Herbst 1954, traf ich Jojima als Stipendiaten der Alexander von Humboldt-Stiftung am Bonner Institut für Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktforschung; er begann dort mit seiner Dissertation "Macht und Kapitalanhäufung - ein Beitrag zur Analyse des Sozialprozesses aus fernöstlicher Sicht", die von unserem gemeinsamen Lehrer Heinrich Niehaus betreut wurde. - Jojima kam nicht unvorbereitet nach Deutschland. Sein Lehrer, der Finanzwissenschaftler Kotaro Araki, später an der Universität Tokio, hatte seine Ausbildungszeit mit seiner liebenswürdigen Frau in den 20er Jahren in Wien bei J. A. Schumpeter und L. von Mises verbracht und dort auch F. A. von Hayek kennengelernt; in den 30er Jahren nahm er an der Japanischen Botschaft in Berlin eine Tätigkeit auf. Er hatte Jojima den Rat gegeben, seine akademische Ausbildung in Deutschland fortzusetzen. - Seit dieser Bonner Zeit gilt Jojimas wissenschaftliches und persönliches Interesse den wissenschaftlichen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland, wobei er seine Universitätsstandorte wechselte: 1962/63 in Münster i.W. sowie 1971 und 1983 Freiburg i.Br.- Bei seinem Studienaufenthalt in Freiburg 1971 wurden die frühen Kontakte der Bonner Zeit (1954) vertieft und die Kooperation auf interessierte Kollegen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ausgedehnt. Zu dieser Zeit entstand auch die von uns vertretene Konzeption, die Institution "Gemeinsame Seminare" zu schaffen, an der Mitglieder der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Nagoya und Freiburg teilnehmen und die abwechselnd jährlich in Japan und in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden sollten. K. Jojima ergriff - wie so oft - die Initiative und sprach die Einladung für das erste Gemeinsame Seminar 1977 in Nagoya aus- im Oktober 1989 wurde das 12. Gemeinsame Seminar in Freiburg veranstaltet! In

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Kunihiro Jojima zum 70. Geburtstag

dieser Zeitspanne von zwölf Jahren wurde mehr getan, als Seminare zu organisieren sowie ihre Ergebnisse in 10 japanischen und 7 deutschen/englischen Publikationen auszuweisen. Es wurde ein Austausch von Studierenden (Doktoranden) praktiziert, jüngeren Dozenten wurden längere Forschungsaufenthalte ermöglicht und die Zusammenarbeit zwischen Professoren intensiviert. Und als das Fundament breit und fest genug war, wurde das gemeinsame Haus in der institutionellen Zusammenarbeit gebaut: Nach zehnjähriger konkreter und erfolgreicher Kooperation wurde 1986 das Partnerschaftsabkommen Nagoya-Freiburg unterzeichnet! K. Jojima hat sich für diese Zusammenarbeit seit Mitte der 70er Jahre unermüdlich eingesetzt; dafür gebührt ihm Dank! Über das wissenschaftliche Werk von K. Jojima gibt die Liste der Veröffentlichungen Auskunft, die dieser Festschrift beigefügt ist. Nur eine der Buchpublikationen soll genannt werden: "Ökonomie und Physik" (1985); diese "neue Dimension der interdisziplinären Reflexion", die in Freiburg entwickelt wurde, hat in relativ kurzer Zeit bereits zu einer fruchtbaren Diskussion geführt. Zum Verstehen von Person und Persönlichkeit von K. Jojima gehört mehr als nur die Kenntnis seiner wirtschaftswissenschaftlichen Werke: Er besitzt einen starken Hang zu Gesang und Dichtung und bringt dieses auch in seinem Lebensalltag - wo immer möglich - zum Ausdruck: Als wir Freiburger im Frühjahr 1988 in Yakkaichi der Rede des Gründungsrektors K. Jojima zur Eröffnung der neuen Universität Yakkaichi zuhören durften, beendeteer diese mit einem Lied, von seiner kraftvollen Stimme getragen. In frühen Jahren (1953) wirkte er mit an der deutschen Übersetzung der Novellen von R. Akutagawa ("Der Chrysanthemen ball"), der für seine ausgewogene Form der Darstellung der alten Hofkultur gerühmt wird. K. Jojima verwirklichte sogar ein Romanvorhaben: "Der Hafen Dairen" ist eine romanhafte Erzählung um seine Geburtsstadt in der Mandschurei; vielleicht der Versuch, ein Stück der Kindheit zurückzugewinnen. So ist wahrscheinlich auch der Satz zu verstehen: "Zur Ruhe der Seele, der Heimat ein Requiem gesungen- nach Westen gewandt". - Wir in Freiburg sind bei jedem Jahresende demgegenüber "nach Osten gewandt"; mit Spannung erwarten wir die Festtagsgrüße von K. Jojima in feinstem Versmaß gereimt! Und noch ein weiterer Wesenszug unseres Jubilars: Bei aller Liebe zu Freiburg, Bonn, Münster und Berlin- seine Urlaubstage verbringt

Kunihiro Jojima zum 70. Geburtstag

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er in Tirol! Er hat nicht nur die Landschaft und seine Menschen durch "Auf der Reise in Tirol" beschrieben, sondern auch ein Stück Baukultur dieser Region mit seinem Tiroler Haus nach Japan gebracht. Im Innern ist dann allerdings (fast) alles japanisch: Es gibt das Furo, in dem der Gast als erster badet, und die Tatami-Matten für die Nachtruhe; letztere ist allerdings für den Gast oft sehr kurz, weil der große Kellervorrat an Bischoffinger Weinen vom Kaiserstuhl nach Furo-Bad und im Yukata-Mantel besonders gut mundet! Das Liebenswürdigste an K. Jojima: Er ist wie kaum ein anderer weitgereister Wissenschaftler seines Landes im Innern seiner Seele ein Japaner in allen seinen Lebensgewohnheiten geblieben. Eine anekdotenhafte Geschichte, für viele, die dieses belegt: Während seines ersten Freiburger Aufenthaltes machte Jojima oft ausgedehnte Spaziergänge im Schwarzwald. Das diente weniger der Erholung, dafür war "arbeitsteilig" Tirol vorgesehen, sondern der Sicherung des reichhaltigen Angebots der Mahlzeiten, wie sie in Japan üblich sind: Jojima suchte mit großer Ausdauer Kräuter, Wildfrüchte und Wurzeln, die eine japanische Tafel nun einmal verlangt und die Jojimas Lebensqualität entscheidend mitprägten. Der Gedanke, K. Jojima - seine Person und sein Werk - durch diese Festschrift zu würdigen und zu ehren, entstand spontan in Freiburg. Mit der gleichen Spontaneität erklärten sich Kollegen unserer Fakultät und jene, die früher einmal zu ihr gehörten, bereit, Beiträge zu dieser Publikation zu leisten. Ihnen allen gilt der Dank des Herausgebers. Zu danken ist Herrn M. Kimmig für die große Sorgfalt der Redaktion, Herrn H.-D. Köhne für die Layout-Gestaltung sowie den Damen des Sekretariats des Instituts für Entwicklungspolitik U. Herrel, F. Rißel und H. Schönenherger für das Schreiben der Manuskripte. Ein besonderer Dank gebührt dem Verlag Duncker & Humblot für die großzügige Förderung der Herausgabe dieser Festschrift.

Theodor Dams

Nachdenkenswertes zu einem Vorlesungsverzeichnis aus vergangener Zeit Von Ralf-Bodo Schmidt 1. Ich bin kein Historiker! Insofern sind meine Aussagen gegebenenfalls korrigierungsbedürftig. Dennoch reizt mich die Darbietung geschichtlicher Ereignisse; dann, wenn sie uns heute noch etwas besagen. Einschränkend füge ich dem provokativ hinzu, daß wir meines Erachtens aus der Geschichte kaum etwas lernen können; belehrte uns doch die jüngere Forschung über den Menschen, daß zwar Anlagen vererbbar sind, nicht aber Erfahrungen. Denn würde dem so sein, wären fürderhin alle Geiger Menuhins, alle Dirigenten Karajans und alle Politiker .... ? Statt Ende des Satzes steht ein Fragezeichen. Die Welt wäre somit anthropologisch konfliktfrei. Das Thema- auf welches ich durch Zufall stieß- zeigt ein politisches Ambiente; den Einfluß des Staates Österreich auf die Geisteswelt einer abgelegenen Universität. Das ist keineswegs etwas Besonderes; Spanien und England griffen dieserhalb weit in die Welt hinaus; aber es schafft eben generell "Nachdenkenswertes" - wie im Thema annonciert. Spätestens an dieser Stelle merkt man, daß vieles zwischen meinen Worten offenbleibt, und dieses bewußt (s. Abb. 1). Keineswegs geht es mir um eine scholastische Synopse zwischen Einst und Jetzt; das mögen Diplomanden und Doktoranden tun, sofern es ihnen und deren Meistern frommt. Sicherlich wäre dabei auch ein penibler Vergleich von Studentenzahlen, Bürokratieaufwand etc. möglich, dem allerdings - um im Jargon der von mir zu vertretenden Disziplin zu sprechen - eine "cost-benefit-analysis" (bezogen auf wissenschaftliche Erfolgskomponenten) vorangehen sollte. Ich möchte, hier und jetzt, schlicht die intellektuelle Dimension unserer alma mater von vor 200 Jahren vorstellen, soweit dies das überlieferte Vorlesungsverzeichnis zuläßt. 2. Dazu muß man zunächst - um den nicht zu verdrängenden Bezug zwischen Politik (im weitesten Sinne) und Wissenschaft zu verstehen - folgendes wissen:

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Ralf-Bodo Schmidt

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Nachdenkenswertes zu einem Vorlesungsverzeichnis

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Ralf-Bodo Schmidt

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Nachdenkenswertes zu einem Vorlesungsverzeichnis

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a)

1368 kam Freiburg an das Haus Habsburg; im Frieden von Preßburg 1806 ging der Breisgau an das Großherzogtum Baden. Der zu erstattende Bericht fällt also in die Zeit österreichischer Herrschaft.

b)

Am 3. 9. 1456 erging, auf Antrag von Erzherzog Albrecht VI, bezüglich unserer Universität kirchlicherseits die (ich zitiere) "Erlaubnis zur Aufnahme des Lehrbetriebes in den Fächern Theologie, Römisches Recht und Kirchenwelt sowie in den Freien Künsten" (gemeint ist wohl die Philosophie), "der Medizin und jeder anderen lizensierten Fakultät". Wie mit mir meine kollegialen Freunde wohl wissen, kamen diese Lizenzen im Sinne von "aus 4 mach 12" per order de mufti in jüngerer Zeit. Das kirchliche Dekret aus dem 15. Jahrhundert bestimmte im übrigen den Bischof von Basel zum Kanzler des akademischen Hauses unserer Altvorderen. Es entspricht wohl dem Wandel politischer Nuancen, wenn diese Funktion heute nicht mehr von einem Kirchenmann, sondern dem rechtskundigen Sohn eines preußischen Generals ausgeübt wird. Tempora mutantur!

3. Die Alberto Ludoviciana Friburgensis Brisgaudi - so die Bezeichnung von Magnifizenz, als er mir vor 23 Jahren die Ernennungsurkunde überreichte - bot im Berichtszeitraum, getreu dem 330 Jahre zuvor erlassenen Genehmigungsbescheid, Lehrveranstaltungen in vier "Fachbereichen" an, nämlich in Theologie, in Jurisprudenz, in Medizin und in Philosophie, wobei die Ankündigungen theologischer Vorlesungen in lateinischer Sprache, jene in den anderen Disziplinen in Deutsch erfolgten, sowie die Annoncen für Theologie sich strictissime auf 4 Studienjahre, jene für Philosophie auf 3 Studienjahre bezogen; der "Rest" war leger geregelt. Voreilig - wenn auch nicht gänzlich abwegig - wäre es, daraus einen Schluß auf die damalige Wertschätzung einzelner Wissenschaften und die damit im Zusammenhang stehenden Berufsbilder zu ziehen. a)

Zunächst ein Blick auf die Offerten der Theologen (s. Abb.

2 u. 3):

Der Studiosus hatte also jeweils mindestens 24 Wochenstunden gründlich zu "büffeln"; ich vermeide den Ausdruck "pauken", denn diese mehr oder weniger geziemende

Ralf-Bodo Schmidt

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Freizeitgestaltung kam erst später für Studenten anderer Fakultäten auf. Als spezifisch für diese Fakultät darf man - schlagartig folgendes festhalten: 1)

Die starke Bedeutung von Dogmatik, Polemik und Morallehre.

2)

Die Betonung des Griechischen und des Hebräischen, wohl zur Unterstützung des einschlägigen Quellenstudiums. Schließlich im Vergleich zu den anderen Fakultäten.

3)

Die (so möchte ich es mit gebotener Einschränkung formulieren) akademische Freiheit des Lehrenden, was sicher auf die starke Stellung der Kirche und ihr begründetes Vertrauen, es würde schon das Richtige gelehrt werden, zurückzuführen sein dürfte. Feine Unterschiede zu den Usancen bei anderen Fakultäten werden sogleich sichtbar. Die Titulatur des Lehrkörpers entsprach im übrigen kirchlichen Würden.

b)

Das zweite Augenmerk gilt der Juristerei (s. Abb. 3 u. 4): Themenspezifisch ist zu beachten: 1)

Die- verständlicherweise-starke Betonung des Römischen Rechts, des Staatsrechts, der (man achte auf die Begriffsverknüpfung) Polizei- und Kameralwissenschaften sowie der Rechtsgeschichte, "unter vordersamster Rücksicht auf die besondere Staatsgeschichte Österreichs".

2)

Die, nach meinem Dafürhalten, außergewöhnliche Tatsache, daß sich die Dozenten (hier also im wahrsten Sinne des Wortes) der von der kaiserlichen und königlichen Administration in Wien für lebrenswürdig erachteten Schriften gefälligst zu bedienen hatten.

3)

Daß sie - vielleicht auch darum - nicht als "Professores" (also "Bekenner") angekündigt, sondern schlicht als "Herren" bezeichnet werden. Herrlich dieser heute anmutende Anachronismus, herrschen doch zur Zeit manche Profs., die keine Herren sind.

Nachdenkenswertes

zu einem Vorlesungsverzeichnis

17

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Ralf-Bodo Schmidt

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Nachdenkenswertes zu einem Vorlesungsverzeichnis

c)

19

Ähnlich streng waren seinerzeit auch die "akademischen Bräuche" in der Medizin (s. Abb. 4 u. 5). Deutlich sieht man - wenn ich das mit meinem Laienverstand richtig reflektiere - sowohl das 1)

Pragmatische der Disziplin, z.B. an "anatomischen Demonstrazionen", "Chirurgie und Geburtshilfe", "Praktische Krankenlehre am Bette des bürgerlichen Krankenspitals" als auch die

2)

Ansätze zu einer Theorie der Medizin, belegt insbesondere durch "Physiologie", sowie "Chemie und Botanik". Auch die "Herren" Mediziner hatten dabei "einschlägige Vorbilder" zu rekapitulieren.

d)

Anlaß zu besonderer Nachdenklichkeil gibt schließlich das Vorlesungsangebot über Philosophie; -fürwahr ein nahezu erregendes Sammelsurium (s. Abb. 5 - 7)!

Ich erlaube mir, insbesondere über eine Lehrveranstaltung zu staunen, die ich - allerdings vor dem Hintergrund meines gegenwärtigen Wissens - mit Interesse besucht hätte: "Logik mit empirischer Philosophie, und aus der Metaphysik die Ontologie mit der theoretischen Geisterlehre" von Herrn Professor Sauter. Darf man hier die Frühwehen des kritischen Rationalismus wittern, der uns wissenschaftstheoretisch seit gut zwei Jahrzehnten bewegt? Die Vermutung ist nicht abwegig, bedenkt man, daß eben zu dieser Zeit kein geringerer als Galilei schon das Prinzip der Falsifikation dem der Verifikation vorzog; nachzulesen im übrigen bei Artbur Koestler in seinem Buch "Die Nachtwandler" (womit er Kopernikus, Kepler und Galilei meinte). Ist also Karl Popper auch ein "Nachtwandler" auf dem Wege einer (schon damals seit fast eineinhalb Jahrtausenden obsoleten) Real-Philosophie der Welterkenntnis? Da gab es außerdem weitere - ebenso interessante - Vorlesungen über "Universalgeschichte", "Lesung klassischer Schriftsteller", "Diplomatik" und "Heraldik", "Numismatik" sowie "Schöne Wissenschaften mit Ästhetik".

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Ralf-Bodo Schmidt

Die Lehrmeister dieser- wohl klassischen- "Artistenfakultät" sind, was schließlich am Rande vermerkt sei, als Professares tituliert; auch standen nicht alle - wie man sieht - bezüglich der Äußerung ihrer Lehrmeinungen unter kaiserlichem und königlichem KurateiL Das ist meines Erachtens (per Saldo über die genannten Fakultäten) Ausdruck liberalen Denkens der Donaumonarchie, mit dem sie viele Völkerschaften lange Zeit glücklich zusammenhielt, gepaart mit der Notwendigkeit, Juristen, Mediziner und Theologen bezüglich der Regelung des Zusammenlebens zu disziplinieren. Preußen war dieserhalb engstirniger! 4. Wie gesagt, kann in diesem Rahmen kein Vergleich zwischen damals und heute angestellt werden. Auf ein offenkundig zeitneutrales Problem darf ich jedoch hinweisen, womit ich meine Betrachtungen abschließen möchte. Gemäß dem Stiftungsbrief unserer Universität sollte es in Freiburg um ein "Studium Generale" gehen;. so berichtet es die "Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität" (erschienen um 1980). Dem entsprechend, um nämlich jeglicher Fachengstirnigkeit auszuweichen, allerdings unter Ausbildung und Bildung optimierend, hätte ich als Studiosus jener Zeit an dieser universitas litterarum folgenden Studienplan zu realisieren versucht: Privatrecht Logik der emp. Philosophie Staatsrecht Naturlehre Schöne Wissenschaften und Ästhetik

8899-

Privatrecht V niversalgeschichte Diplomatik

3- 4 3- 4 3- 4

Staatsrecht Phytologie

4- 5 4- 5

9 9 10 10

9- 10

Und was blieb daneben noch alles offen! Wahrlich, da "klemmten Klitzen" - um mit Richard Wagner (Ring der Nibelungen) zu sprechen. Der Studiker stand also, wie es auch heute noch der Fall ist, vor einem echten Entscheidungsproblem bezüglich seiner Persönlich-

Nachdenkenswertes

zu einem Vorlesungsveneichnis

21

Abbildung 6

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