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German Pages 256 [258] Year 2017
Historische Biographie herausgegeben von Manfred Clauss Nikolas Jaspert Michael North und Volker Reinhardt
Klaus Rosen
Augustinus Genie und Heiliger 2. Auflage
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Philipp von Zabern Verlag ist ein Imprint der WBG 2., korrigierte Auflage © 2017 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2015 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Einbandabbildung: Mosaik eines unbekannten Künstlers um 1140 in der Capella Palatina des Palazzo die Normanni, Palermo © ullstein bild – TopFoto / Mel Longhurst Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt am Main Satz: SatzWeise GmbH, Trier Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8053-5052-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8053-5053-2 eBook (epub): 978-3-8053-5054-9
Inhalt Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Der Junge aus Thagaste . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Der Junglehrer in Thagaste . . . . . . . . . . . . . . . . .
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47
VI. Der Professor in Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Die Bekehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
VIII. Cassiciacum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
IX. Die Taufe und der Abschied von Italien . . . . . . . . . . .
83
X. Heimkehr nach Thagaste . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
XI. Der Priester in Hippo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
XII. Der Bischof von Hippo . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
II. Der Student in Karthago
IV. Der Professor in Karthago V. Das römische Zwischenspiel
XIII. Der streitbare Verteidiger der Einen Kirche
. . . . . . . . 128
XIV. Der Fall Roms und der Gottesstaat . . . . . . . . . . . . .
151
. . . . . . . . . . . .
177
XVI. „Wer sucht, will finden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
XVII. Nachfolgeregelung und Abschied . . . . . . . . . . . . . .
204
XV. Friedenssehnsucht in friedloser Zeit
6
Inhalt
Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen
219
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zeittafel
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Vorwort des Herausgebers „Biographien haben Konjunktur“ so liest man immer wieder. Es könnte auch heißen: Biographien hatten und haben immer Konjunktur; dies gilt seit der griechisch-römischen Antike bis heute. Herausragende Gestalten interessieren den Menschen seit über zwei Jahrtausenden. Viele Autoren sind schon damals als Biographen berühmt geworden wie der römische Schriftsteller Sueton, der in der ersten Hälfte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts lebte. Sueton stellte ein großes Werk „Über bedeutende Persönlichkeiten“ zusammen, das in fünf Abteilungen Dichter, Redner, Historiker, Philosophen und Grammatiker umfasste – und berühmte Hetären. Sueton trug zusammen, was er in den unterschiedlichsten Quellen fand: Literarische und inschriftliche Belege, Archivmaterial – er war zeitweise Sekretär des Kaisers Hadrian (117–138 n. Chr.) –, offizielle Verlautbarungen mit amtlichen Nachrichten und Memoirenliteratur. Und er interessierte sich für Klatsch und Gerüchte und hatte geradezu eine Vorliebe für Wundergeschichten aller Art. Dem antiken Autor ist später immer wieder vorgeworfen worden, er erfasse nicht das Innere des Menschen – wie sollte dies überhaupt möglich sein? – und interessiere sich nicht für die großen Zusammenhänge, ja es war sogar von einem Verfall der antiken Geschichtsschreibung die Rede, die sich bei ihm drastisch bemerkbar mache. Ob dies alles so zutrifft, sei dahingestellt. Was auf jeden Fall nicht zu bestreiten ist: Suetons Darstellungsweise wurde zu einer bedeutenden Form der Geschichtsschreibung. In seiner Wirkung auf die Nachwelt steht der griechische Philosoph und Biograph Plutarch aus Chaironea diesem Sueton nicht nach. Aus seinem gewaltigen Werk, das er um die Wende vom 1. zum 2. nachchristlichen Jahrhundert verfasste, ragen seine historischen Biographien heraus. Als Grundkonzeption ging Plutarch davon aus, dass Griechen und Römer ebenbürtig seien. Daher stellte er die Lebensläufe je eines Griechen und eines Römers zu Parallel-Biographien zusammen, insgesamt 23 Paare. Damit wollte er auch der Verständigung der beiden, jeweils von zahlreichen Vorurteilen belasteten Bevölkerungsgruppen beitragen. Das Schema, dass die antiken Biographen ihren Darstellungen zugrunde legten, war einfach, denn es entsprach dem Ablauf des menschlichen Lebens: von der Herkunft und Geburt, über Kindheit mit Erziehung und Bildung, der öffentlichen Karriere und den damit verbundenen historischen Taten, bis zum Tod. Im Zentrum standen die politischen – in christlicher Zeit die kirchen-politischen –, militärischen und gegebenenfalls intellektuellen Leistungen.
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Vorwort des Herausgebers
Das menschliche Leben, jedes menschliche Leben, ist ein Roman, an dem der Betroffenen selbst ‚schreibt‘ und den sein Biograph fortsetzt. Biographien müssen also, dies gilt für die Antike mehr als für neuere Zeiten, wie ein Roman geschrieben werden, denn die heutigen Biographen antiker Persönlichkeiten stoßen bei ihren Arbeiten immer wieder auf Leerstellen. Während die antiken Autoren die Zeit- und Lebensumstände ihrer Helden bei ihren Lesern weitgehend voraussetzen konnten, ist dies für die Gestalten der Antike längst anders. Der heutige Historiker muss gegenüber dem antiken Geschichtsschreiber seine Personen stärker in ihre Zeit und deren Gesellschaft einbinden. Auf diese Weise werden spannende Lebensgeschichten vorgestellt, und zugleich entsteht ein Panorama der damaligen Zeit. Für vieles, vielleicht sogar für das meiste, was uns heutige interessiert, besitzen wir keine Quellen; diese bieten oftmals kaum mehr als Splitter des vor langer Zeit verflossenen Lebens. Hier ist der Historiker gefordert, hier sind dann seine Erfahrung und Phantasie gefragt, geht es doch oft, wie Pierre Bourdieu es formulierte, um eine „biographische Illusion“. Und da die so geforderte Phantasie, auch wenn sie auf systematischer Kenntnis der antiken Zeugnisse beruht, nicht end- und allgemeingültig umgesetzt werden kann, gibt es immer wieder neue Lebensbeschreibungen ein und derselben Persönlichkeit. Jede Biographie einer bestimmten Person ist anders, weil die schreibenden Historiker unterschiedliche Schwerpunkte setzen und unterschiedliche methodische Zugänge wählen. Historische Erkenntnis hängt wesentlich von den Zeitumständen ab, in denen die Fragen gestellt werden, und von den Personen, welche die Fragen stellen. So erklärt sich auch, dass immer wieder neue Biographien verfasst werden, ja verfasst werden müssen. Jeder schreibt seinen eigenen Alexander, Caesar, Augustus, Konstantin oder seinen eigenen Augustinus. Hossenberg, 2015
Manfred Clauss
Vorwort des Verfassers „Er war einer der größten Geister, die je auf diesem Planeten gelebt haben“, „einer der herausragenden Männer der menschlichen Geschichte“, „einer der tiefsten Denker des Abendlandes, eine der universalsten Gestalten der Menschheit“. Es sind drei Stimmen von Augustinus-Kennern, die sich leicht vermehren ließen und deren Superlative das Wort „Genie“ im Titel meiner Biographie rechtfertigen.1 Auf ungefähr 5,2 Millionen Wörter hat man Augustinus’ literarische Hinterlassenschaft berechnet. Weit übertrifft er Platon und Aristoteles, die beiden bedeutendsten Philosophen und Großschriftsteller der Antike. Beim einen hat man ‚nur‘ etwa 600 000, beim anderen um die 875 000 Wörter gezählt. 2 Wie ein Bergwerk seien die Schriften des Augustinus, urteilte der Philosoph Karl Jaspers und fügte die von einer gewissen Ratlosigkeit zeugende Folgerung hinzu: „Das Werk insgesamt zu studieren ist eine Lebensaufgabe für Spezialisten oder eine Meditation für Mönche. Es ist, als ob Augustinus jeden Tag geschrieben hätte und nun der Leser ein ebenso langes Leben zum Lesen wie Augustinus zum Schreiben brauche.“ 3 Jaspers hatte einen Vorgänger in Bischof Possidius von Calama, dem Schüler und ersten Biographen des Augustinus, der auch ein Verzeichnis seiner Schriften zusammenstellte. In seiner Biographie, die er 434/35, vier Jahre nach dem Tod seines Lehrers, verfasste, bemerkte er: Augustinus habe soviel hinterlassen, „dass das alles kaum einer unter den Wissbegierigen durchzulesen und kennenzulernen vermag“. 4 Schon Possidius verfügte nicht mehr über Augustinus’ gesamte Hinterlassenschaft, und wir noch viel weniger. So kennen wir heute lediglich 559 Predigten von ihm. Doch nach einer begründeten Schätzung hat er bis zu 8000 Predigten gehalten. Eine Gesamtausgabe seiner Schriften hat erstmals die benediktinische Kongregation der Mauriner in Paris 1679–1700 herausgebracht. J.-P. Migne hat sie 1841–1842 in seiner Patrologia Latina (PL) als die Bände 32–47 nachgedruckt. 5 Das „Bergwerk“ von Augustinus’ Schriften ist zugleich die authentische Quelle für sein Leben. Zusammen mit Possidius’ kurzer Lebensbeschreibung hat sie erstmals der einleitende Band der Mauriner-Ausgabe umfassend ausgewertet. In Mignes Nachdruck sind es 256 eng gedruckte Folioseiten. Wenn Augustinus’ Schriften ein Bergwerk sind, so bildete die seit den Maurinern erschienene Literatur zu ihm und seinem Werk eine ganze
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Vorwort des Verfassers
Bergwerksregion. Das „Zentrum für Augustinus-Forschung“ in Würzburg, das die jüngste Gesamtausgabe herausgebracht hat, das digitalisierte Corpus Augustinianum Gissense (CAG 2), schätzt im begleitenden Handbuch zur zweiten Auflage die Zahl der Titel auf 50 000, die sich jährlich um einige Hundert Neuerscheinungen vermehren. 27 000 Titel hat das Zentrum bis 2004, dem Erscheinungsjahr des Handbuchs, in eine Datenbank aufgenommen. 6 Ein französischer Augustinus-Forscher sprach von einer „galoppierenden Bibliographie“, zu der nicht zuletzt eine erkleckliche Zahl von Augustinus-Biographien beigetragen hat. 7 Was soll da noch eine weitere Biographie? Ich habe verschiedentlich Augustinus in Lehrveranstaltungen behandelt und daher die Anregung meines Kollegen Manfred Clauss gern aufgenommen, für die von ihm herausgegebene Reihe „Gestalten der Antike“ eine Augustinus-Biographie zu schreiben. Als Althistoriker habe ich sie im Untertitel eine historische Biographie genannt und habe so mein chronologisches Vorgehen und meinen Schwerpunkt angedeutet. Natürlich sind auch die Verfasser der in jüngerer Zeit erschienenen deutschen AugustinusBiographien, die ich in der Bibliographie genannt habe, auf Augustinus’ Leben eingegangen. Aber ihr Schwergewicht liegt meistens auf seiner Philosophie oder Theologie, auch wenn man mit Recht betont hat: „Wie bei nur wenigen Theologen sind Biographie und Theologie Augustins nicht zu trennen. Seine Biographie ist in den meisten Fällen ein Schlüssel zu seiner Theologie.“ 8 Aus diesem Grund habe ich immer wieder Augustinus selbst zu Wort kommen lassen. Veröffentlichungen meiner Vorgänger habe ich vor allem eingesehen, um Wegmarken in seinen Schriften zu finden. Benutzt habe ich die noch nicht vollständigen Augustinus-Ausgaben im Wiener Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum (CSEL) und im Corpus Christianorum, Series Latina (CCL), das in Turnhout erscheint. Beide Corpora sind auch die Textgrundlage für das Corpus Augustinianum Gissense. Für einige Werke muss man jedoch immer noch auf die Patrologia Latina zurückgreifen. Bei den Briefen, hinter deren Nummern ein Stern (*) steht, handelt es sich um die Neufunde, die J. Divjak in Paris und Marseille gemacht und erstmals 1989 im Band 88 des CSEL veröffentlicht hat. 9 Predigtnummern mit * sind die Neufunde von F. Dolbeau in der Mainzer Stadtbibliothek, die er nach Einzelveröffentlichungen 1996 zusammen herausgebracht hat. 10 Das Handbuch des Gießener Corpus von 2004 bietet ein Verzeichnis sämtlicher Augustinus-Schriften und ihrer kritischen Ausgaben. Seitdem sind in der Universitätsbibliothek Erfurt sechs weitere Predigten von Augustinus entdeckt worden.11 Sämtliche Zitate aus Augustinus und aus anderen griechischen und lateinischen Autoren sowie aus der lateinischen Bibel habe ich übersetzt.
Vorwort des Verfassers
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Für die einzelnen biblischen Schriften habe ich die Abkürzungen der deutschen Einheitsübersetzung übernommen. Zwei Hilfsmittel haben mir die Arbeit sehr erleichtert: das von C. Mayer herausgegebene „Augustinus-Lexikon“ (AL), dem ich baldige Vollendung wünsche, und die „Prosopographie chrétienne du Bas-Empire 1: Prosopographie de l’Afrique chrétienne (303–503)“, die A. Mandouze herausgegeben hat (PCBE 1). Beide Werke haben mit ihren Stellenangaben zu Augustinus meine Suche in den Texten beschleunigt, und ihre zahlreichen bibliographischen Angaben haben meine Anmerkungen entlastet. Nützlich war mir auch das von V. H. Drecoll herausgegebene „Augustin Handbuch“ (AH), das einleitend die Lexika und die elektronischen und bibliographischen Hilfsmittel nennt. Einen handlichen bibliographischen Anhang, der auch zweisprachige Augustinus-Ausgaben und Übersetzungen verzeichnet, bietet Th. Fuhrers „Augustinus“. Zu danken habe ich vier studentischen Hilfskräften der Abteilung für Alte Geschichte der Universität Bonn: Frau Sandra Otto hat unermüdlich die verschiedenen Fassungen meines Manuskripts ihrem Computer anvertraut und zum Ausdrucken an meine ehemalige Sekretärin Frau Edelgard Pfeiler weitergeleitet. Die Herren David Hamacher und Benedikt Schaumlöffel haben für mich ebenso unermüdlich Bibliotheksarbeiten übernommen. Herr Marcel Dick hat die Stellenangaben bei Augustinus und bei anderen antiken Autoren überprüft. Die Kollegen im Bonner Institut für Geschichte waren einmal mehr so entgegenkommend und haben dem Emeritus Hilfskraftstunden abgegeben. Ihnen sowie meinem früheren Assistenten Dr. Jörg Fündling (Aachen), der in bewährter Weise Korrektur gelesen hat, danke ich ebenfalls. Erfreulich war die Zusammenarbeit mit Frau Julia Rietsch in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Ein herzlicher Dank gilt auch meiner Frau. Bonn, im Januar 2015
Klaus Rosen
Augustinus wird von der Heiligen Monnica zur Schule begleitet.
I. Der Junge aus Thagaste „Denn als Knabe begann ich Dich zu bitten, Du meine Hilfe und Zuflucht, und ich löste das Band meiner Zunge, als ich Dich anflehte, und ich, der Kleine, bat Dich mit keiner kleinen Inbrunst, ich möge in der Schule keine Schläge mehr bekommen.“ Noch nach 36 Jahren erinnerte sich Augustinus lebhaft daran, wie er 361 als siebenjähriger ABC-Schütze, als abecedarius, von seinem Lehrer Prügel bezogen hatte, weil er zu faul war, die Buchstaben zu üben. Das geschehe ihm ganz recht, musste er sich von den Eltern und anderen Erwachsenen anhören. In seiner Verzweiflung wandte er sich zum ersten Mal in seinem Leben von sich aus an Gott. Aber: „Welch großes, schweres Elend!“ Gott blieb stumm und half ihm nicht. Der Siebenjährige, geboren am 13. November 354 im nordafricanischen Städtchen Thagaste, machte im Jahr 361 eine Urerfahrung: Gott schweigt. Die Erfahrung verließ ihn länger als ein Vierteljahrhundert nicht – bis zu jenem Tag im Jahr 386, an dem ihn endlich Gott, der vor dem Kind Augustinus stumm geblieben war, durch den Mund eines unbekannten Kindes aufforderte: „Nimm und lies“, und er die Bibel aufschlug.1 Im ersten Buch seiner „Bekenntnisse“, der Confessiones, berichtete Augustinus das Erlebnis. 2 Wir haben keinen Grund, die Erinnerung des Schulanfängers in seiner nordafricanischen Heimatstadt Thagaste zu bezweifeln, auch wenn man sich immer wieder gefragt hat, wieweit man das Buch als zuverlässige Autobiographie verwerten kann. 3 Der Vater Patricius und die Mutter Monnica mussten nur lachen, sooft sie an ihrem Sohn Striemen entdeckten, die die Rute des Lehrers hinterlassen hatte. Ihr Gelächter schmerzte Augustinus mehr, als wenn sie ihn zusätzlich für seine Faulheit bestraft hätten. Doch sie dachten an ihre eigene Jugend. Auch sie hatten es handgreiflich zu spüren bekommen, sooft sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten. Prügel vom Primarlehrer, dem primus magister, der den Kindern die Buchstaben und Zahlen, die litterae, beibrachte und sie lesen und schreiben, addieren und subtrahieren lehrte, gehörten für jeden Schüler im weiten Imperium Romanum zum Schulalltag. Vielleicht wäre Augustinus von seinem verstorbenen Großvater nicht ausgelacht worden, von dem er sich ein anderes Bild als von seinem Vater machte. Großväter pflegen ja für ihre kleinen Enkel mehr Verständnis aufzubringen als Väter für ihre Söhne. 4 Jahre später kam Augstinus in einer seiner Predigten auf die Beschwernisse des menschlichen Lebens zu sprechen und führte als Beispiele die Leiden der Kranken an, die Härten des Soldatenberufs, die Gefahren des
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Der Junge aus Thagaste
Seefahrers und die Anstrengungen des Jägers. Nur der eine oder andere seiner Zuhörer fühlte sich jeweils angesprochen. Aber allen sprach der Prediger aus der Seele, als er zum erbarmenswerten Schülerleben überging, das er bewusst als Höhepunkt an den Schluss stellte: „Welchen Qualen fast alltäglicher Prügel werden Knaben im zarten Alter unterworfen! Von welchen Mühen nächtlicher Arbeit und Entbehrung werden sie in den Schulen heimgesucht … !“ 5 Das Trauma saß so tief, dass sich der etwa Siebzigjährige im „Gottesstaat“ zu der Behauptung verstieg, ein Erwachsener, vor die Wahl gestellt, würde lieber sterben, als noch einmal das Kind zu sein, das mit Strafen zum Lernen gezwungen wird. 6 Solche Erfahrungen hatten ihren Weg bis in die Dichtung der Klassiker gefunden: Horaz setzte seinem „schlagkräftigen“ Elementarlehrer Orbilius aus seiner süditalischen Heimatstadt Venusia ein Denkmal; Juvenal, aus Aquinum im südlichen Latium stammend, bekannte, er habe „die Hand vor dem Stock des Lehrers zurückgezogen“, was zur Metapher für „Schulbesuch“ wurde; und Martial, der im spanischen Bilbilis zur Schule ging, empfahl einem Schulmeister, während der Sommerferien, von Juli bis Mitte Oktober, „die widerwärtigen Ruten, die Zepter der Pädagogen, ruhen zu lassen“. 7 Es wäre also ganz ungewöhnlich gewesen, wenn der Primarlehrer von Thagaste sein „Zepter“ nicht geschwungen, sondern sich stattdessen neumodischer Pädagogik bedient und das Söhnchen des Patricius mit sanften Worten zu größerem Fleiß ermuntert hätte. Vielleicht war er wie Horazens Orbilius ein ausgemusterter Soldat, der in seiner Heimatstadt eine Grundschule eröffnet hatte, um sein Entlassungsgeld aufzubessern. Wenn das Pfeifen der Rute sich mit dem Jammern des Sünders mischte, entschädigte der kurze Machtrausch so manchen Urheber für das geringe Ansehen und den mageren Lohn seines Berufsstandes. Kaiser Diokletian hatte in seinem Höchstpreisedikt vom Jahr 301 als monatliche Obergrenze für Elementarlehrer 50 Denare pro Schüler festgesetzt. 8 Der Satz wurde gewiss oft unterschritten und lag dann bei einem Betrag, den ein Taglöhner verdiente. Für das Schulgeld mussten die Eltern aufkommen. Patricius und Monnica werden ihren Sohn auch deswegen ausgelacht haben, weil der prügelnde Lehrer ihnen bewies, dass er sein Geld wert war. Vielleicht wurde Augustinus’ Widerstand von Altersgenossen genährt, die es in seinen Augen besser hatten, weil ihre Eltern das Schulgeld sparen wollten oder nicht aufbringen konnten und ihre Kinder daher nicht zum Unterricht schickten. Patricius, der unter Thagastes landbesitzender Oberschicht, den honestiores, zu den weniger Begüterten gehörte, hätte missbilligend den Kopf geschüttelt, wären ihm der Vorwurf seines Sohnes über das erste Schuljahr und die angeblichen Absichten seiner Eltern zu Ohren gekommen: „Denn sie hatten nichts anderes im Blick, womit ich ihnen vergelten sollte, dass sie mich zum Lernen zwangen, als die Befriedigung der unersättlichen Begier-
Der Junge aus Thagaste
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den nach reichem Besitz und erbärmlichem Ruhm.“ 9 Der hier so abschätzig von den Erwartungen seiner Eltern sprach, war seit zwei Jahren, seit 395, Bischof von Hippo Regius, der 70 Kilometer von Thagaste entfernten „königlichen“ Hafenstadt. Wenn er in seinen Predigten den schnöden Mammon und den weltlichen Ehrgeiz verteufelte, nickten seine frommen Zuhörer beifällig. Doch tat Patricius, „der ziemlich einfache Bürger von Thagaste“ nicht das, was viele Väter taten? Er träumte davon, sein Sohn werde später den bescheidenen Wohlstand und damit das Ansehen der Familie mehren, in die Führungsgruppe der ratsfähigen Familien, der decuriones oder curiales, aufsteigen und vielleicht sogar einmal zu einem der beiden Bürgermeister, der duumviri, gewählt werden. Denn Thagaste hatte den Rang eines municipium und besaß daher innerstädtische Selbstverwaltung. Auch ein angesehenes heidnisches Priestertum konnte sich Patricius, der noch kein Christ war, für seinen Sohn vorstellen. Sich nach einem Studium der Rhetorik als tüchtiger Advokat in der Heimat niederzulassen war für einen jungen Mann, der kein reiches Erbe zu erwarten hatte, ein Weg, um Karriere zu machen und vielleicht sogar in die höhere kaiserliche Verwaltung überzuwechseln.10 Der Weg begann nun einmal damit, dass er mit sechs oder sieben Jahren das ABC lernte. Vater und Mutter malten sich für ihren Sohn noch einen zweiten Weg aus: die Einheirat in eine der führenden Familien der Stadt. Zwar gab es in den sechs römischen Provinzen Nordafricas auch angesehene Bischöfe. Aber der Aufstieg in die kirchliche Hierarchie etwa der Provinz Africa proconsularis, zu der das Städtchen Thagaste gehörte, lag noch außerhalb ihrer Zukunftspläne. 11 Zwar hatte Monnica als gute Christin dem Neugeborenen das Kreuzzeichen auf die Stirn gemacht und die Stelle mit Salz bestreut. Doch selbst mit der Taufe ihres Lieblings hatte sie es nicht mehr eilig, als er eines Tages heftige Magenkrämpfe bekam, in Todesangst nach der Taufe verlangte, aber noch vor dem Empfang des Sakraments wieder gesund wurde.12 Nicht schaden konnte es allerdings, wenn seine Mutter in ihre Gebete die Bitte einfließen ließ, Gott möge dem Sohn auf seinem Pfad zu Reichtum und Ehre behilflich sein. Dachte Augustinus auch an seine Eltern, als er später in seinem Psalmenkommentar tadelte: „Denn viele erhoffen sich von Gott Geld, viele erhoffen sich von Gott flüchtige und vergängliche Ehren.“? 13 Immerhin sei ihm sein christlicher Glaube schon in früher Jugend von seinen Eltern eingepflanzt worden, bekannte er später und war Gott dankbar, dass dieses Pflänzlein nie völlig verdorrte.14 Allzu streng waren Patricius und Monnica mit ihrem Sohn allerdings nicht. Sie drückten ein Auge zu, wenn er mit seinen Altersgenossen Ball spielte, darüber die Zeit vergaß und anschließend keinen Kopf mehr fürs Lernen hatte. Die Folgen bekam er erst am nächsten Morgen in der Schule zu spüren. Hätte ihn jemand beim Spiel beobachtet, so wäre ihm ein Cha-
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rakterzug aufgefallen: Augustinus wollte unbedingt gewinnen. Unterlag er einmal einem Mitspieler, so wurde er „von Galle und Eifersucht gequält“. Alle schmutzigen Tricks waren ihm recht, um die anderen auszustechen. 15 Ertappte er dagegen einen Mitspieler beim Schummeln, so fing er lauthals an zu schimpfen, tobte jedoch vor Wut, wenn er selbst erwischt wurde.16 Ein Mensch mochte später lernen, mit Niederlagen vernünftig umzugehen. Doch schwerlich trieb ihm der Ernst des Lebens je völlig den Ehrgeiz aus, den er schon so früh auf dem Sportplatz gezeigt hatte. Mit dem Ehrgeiz verschwistert war eine andere Anlage: Augustinus brannte darauf, der Anführer seiner Kameraden zu sein. Um ihre Anerkennung zu gewinnen, scheute er sich nicht, sie mit Leckereien zu ködern, die er aus der Speisekammer seiner Mutter gestohlen hatte. 17 Wem Gott und die Eltern diesen unbedingten Willen, immer der Erste zu sein, in die Wiege gelegt hatten, der erklomm als Erwachsener entweder die Spitze der kaiserlichen Verwaltung oder er baute ein großes Unternehmen auf; er wurde je nach Umständen ein gefürchteter Räuberhauptmann oder der tatkräftige Bischof einer Diözese. Nur Einsiedler wurde er nicht, mochte diese Lebensform damals auch viele Anhänger finden. Denn in der Einsiedelei hätte ihm das Publikum gefehlt, das seine Führung anerkannt und ihn durch seine Anerkennung befriedigt hätte. Nach vier Jahren hatte Augustinus die langweilige Elementarschule überstanden und trat in die grammatica schola über, wo der Lehrer Texte sprachlich erklärte, sie auswendig lernen ließ und auf Betonung und Aussprache achtete. Schon vorher war aufgefallen, dass der Sohn des Patricius ein ausgezeichnetes Gedächtnis hatte, wohl eher ein Erbe seiner Mutter als seines Vaters.18 Das kam ihm jetzt zugute, und mit einem Mal platzte der Knoten: Augustinus entdeckte seine Liebe zur lateinischen Muttersprache, eine weitere Eigenschaft, die fortan sein Leben mitbestimmen würde. Während er jedoch dem Lateinlehrer Freude bereitete und „als vielversprechender Junge“ gelobt wurde, verbarg er dem Griechischlehrer nicht seine Abneigung gegen dessen Fach. Die Muttersprache hatte er eben gelernt „ohne irgendwelche Furcht und Plage dank der Schmeichelworte der Ammen und der Scherze derer, die ihn anlachten und fröhlich mit ihm spielten“.19 Der griechische Medizinschriftsteller Soranos hatte römischen Müttern einst bei der Auswahl der Ammen geraten, zum Besten ihrer Kinder nur solche Mütter zu nehmen, die gesund, reinlich und klug seien, und vor allem: Griechinnen sollten sie sein, damit sie ihren Ziehkindern mit der Milch Griechisch, die schönste Sprache der Welt, vermittelten. 20 Griechische Ammen gab es in Thagaste leider nicht. In der Schule machte Augustinus daher zum ersten Mal Bekanntschaft mit der fremden Sprache, und er hätte sich anstrengen müssen, sie besser kennen zu lernen. Da blieb
Der Junge aus Thagaste
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er, allen tadelnden Worten und Strafen zum Trotz, lieber der alte Faulpelz: „Offensichtlich überzog die Schwierigkeit – die Schwierigkeit, eine fremde Sprache von Grund auf zu lernen – allen griechischen Charme der Sagengeschichten gleichsam mit Galle.“ Und er räsonierte beim Vergleich der beiden Sprachen: „Daran wird zur Genüge deutlich, dass ungezwungenes Interesse größere Triebkraft birgt, diese Dinge zu lernen, als furchteinflößender Zwang.“ 21 War es daher wirklich Faulheit, wenn Augustinus in den ersten Schuljahren jeglichen Fleiß vermissen ließ? Stand dahinter nicht vielmehr der angeborene Wille, sich äußerem Zwang nicht zu beugen? Nicht Homer, sondern Vergil wurde des Grammatikschülers Lieblingsdichter, „der große, berühmteste und beste aller Poeten“. Seine Aeneis war im lateinischsprachigen Westen des Römischen Reiches der klassische Unterrichtsstoff. Begeistert memorierte Augustinus die Irrfahrten des Aeneas, des trojanischen Stammvaters der Römer, in den ersten drei Büchern des Epos, und er brach in Tränen aus, als die verliebte karthagische Königin Dido im vierten Buch von dem fremden Helden schnöde verlassen wurde und Selbstmord beging. Gelegentlich fragte sich der Vergilfreund, ob all das wahr sei, was der Dichter in klangvollen Hexametern schilderte. Aber die Frage beeinträchtigte seine Leselust nicht. Der Mitschüler Simplicius übertraf mit seiner Vergilbegeisterung noch seinen Jugendfreund Augustinus: Er konnte auf Verlangen jeden Vers aus der Aeneis zitieren und Szenen nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts deklamieren. 22 Vorschriften, wie lange man die einzelnen Schulstufen zu besuchen hatte, gab es keine. Wenn einem der Grammatiklehrer nichts mehr beibringen konnte, trat man in die nächsthöhere Stufe über. Ehrgeizige Grammatiklehrer vermittelten gern schon die Anfangsgründe der Rhetorik, der sich die dritte und letzte Unterrichtsstufe widmete. Augustinus’ Grammatiklehrer hatte diesen Ehrgeiz. 23 Er wollte damit zugleich zeigen, dass er zurecht das Gehalt verdiente, das ihm die Stadt Thagaste zusätzlich zum Schulgeld der Eltern zahlte. Als eine Art Abschlussprüfung sollte sein begabtester Schüler Augustinus einen Abschnitt aus Vergils Aeneis in eine Prosarede umsetzen und diese vor den Klassenkameraden und anderen interessierten Zuhörern vortragen. Wichtig waren dabei die rhythmischen Satzschlüsse, die sogenannten Klauseln. Unklassische Wörter waren ebenso zu meiden wie Eigenheiten des Dialekts. Wenn der Redner, wie auf der Straße üblich, das anlautende h in homo verschluckte und vom Menschen als omo sprach, gab es schallendes Gelächter. Der Lehrer wählte für Augustinus’ Rede Junos Selbstgespräch im ersten Buch der Aeneis: 24 Die Gattin des Juppiter war empört, dass das Schicksal stärker als sie war. Es verweigerte ihr, Aeneas von Italien fernzuhalten und Stammvater eines mächtigen Volkes zu werden, dem einst Junos geliebtes Karthago zum Opfer fallen werde. Aufgeregt machte sich Augusti-
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nus an die Vorbereitung und wurde jedes Mal eifersüchtig, wenn einer seiner Konkurrenten in der Klasse all die Fehler vermied, die ihm unterlaufen waren. Seine Mühe lohnte sich. Er gehörte zu denen, deren Vortrag bei den Mitschülern den größten Beifall fand. Mit dem Aufbau der Rede überzeugte er ebenso wie mit der Durchführung des Themas, dem eindrucksvollen Bild der zornigen Göttin. An diesen Erfolg galt es anzuknüpfen, um das natürliche Redetalent des Fünfzehnjährigen weiterzuentwickeln. Doch in dem kleinen Thagaste gab es niemanden, der die hohe Kunst der Beredsamkeit lehrte, „die unbedingt erforderlich war, um Angelegenheiten überzeugend vorzutragen und Argumente zu entwickeln“. 25 Daher entschloss sich der Vater, seinen Sohn nach der etwa 30 Kilometer entfernten größeren Stadt Madauros zu schicken, „damit er sich in Grammatik und Rhetorik weiter ausbilde“ und die Fähigkeit erwerbe, „eine möglichst perfekte Rede zu komponieren und durch Sprachfertigkeit zu überzeugen“. 26 Der Aufenthalt in Madauros war nicht mehr als ein Zwischenspiel von einigen Monaten im Jahr 369/370, weshalb Augustinus darauf auch nur in einer Nebenbemerkung seiner „Bekenntnisse“ zu sprechen kam. 27 Doch es wäre verwunderlich, wenn der Heranwachsende nicht die neue Freiheit genossen hätte. Zum ersten Mal war er der täglichen Aufsicht der Eltern entronnen. Jetzt konnte er auch unbeschwert seiner Leidenschaft für Schauspiele nachgehen, die ihn seit kurzem gepackt hatte. Denn während in Thagaste nur wandernde Schauspieler gelegentliche Aufführungen veranstalteten, grenzte an das Forum im reicheren Madauros ein Theater, das etwa 1200 Zuschauer fasste. 28 Liebes- und Ehebruchsgeschichten, die der Komödiendichter Terenz – neben Vergil ein weiterer Schulklassiker – auf die Bühne brachte, erregten den jungen Zuschauer besonders. Es war eben ein Unterschied, ob man von ihnen nur las oder ob sie einem in drastischer Darstellung vorgeführt wurden. 29 Schon seit einiger Zeit machte Augustinus die Pubertät zu schaffen, „die Nebel, die aus der sumpfigen Begierde des Fleisches hervorquollen“. 30 Seinen Altersgenossen erging es nicht anders. Wenn sie zusammenstanden, beschäftigte sie nur ein Thema: ihre erotischen Abenteuer. Wozu gab es Sklavinnen im elterlichen Haushalt oder in der Nachbarschaft Mädchen aus der Unterschicht oder, sobald man etwas Geld beiseite gelegt hatte, Prostituierte in den stadtbekannten Häusern? Viel Aufschneiderei war dabei, und der größte Aufschneider in der unruhigen Schar war ihr wortgewaltiger Anführer Augustinus. Er musste allen zeigen, dass er auch auf diesem Feld der Beste war. Doch noch sah die Wirklichkeit anders aus: „Und wo nichts war, um mit den Verdorbenen gleichzuziehen, erfand ich Taten, die ich nicht begangen hatte.“ 31 Das war bereits wieder in Thagaste, nachdem der Vater den Sohn nach
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Augustinus lernt die Freien Künste.
Hause gerufen hatte. Die Lehrer in Madauros schienen Patricius nicht die Gewähr zu bieten, karrierefördernden Unterricht zu erteilen. Den würde der Sohn am besten im 250 Kilometer entfernten Karthago erhalten. Die Hauptstadt der Provinz Africa proconsularis war für ihr Bildungsbürgertum und ihre ausgezeichneten Schulen bekannt. Der gelehrte Redner, Philosoph und Schriftsteller Apuleius von Madauros, der in Karthago zur Schule gegangen war und später dort öffentliche Vorträge hielt, hatte um das Jahr 165 die Stadt und ihre Einwohner gerühmt: „Welch größeres und trefflicheres Lob gibt es, als Karthago zu preisen, wo ihr, die gesamte Bürgerschaft, die Gebildetsten seid, bei denen die Knaben die gesamten Wissenschaften lernen, die jungen Leute sie demonstrieren und die Alten sie lehren? Karthago, du verehrungswürdige Lehrerin unserer Provinz, Kar-
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thago, Africas himmlische Göttin der Künste, Karthago, du Muse der Togagewandeten!“Auch wenn man bei diesem barocken Finale der Rede, die im Stil der Zeit gehalten war, nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen durfte – Apuleius hatte nicht ganz Unrecht. Noch Augustinus’ älterer Zeitgenosse Ausonius, seit 365 Erzieher des Kaisersohns Gratian in Trier, stellte eine Rangfolge der Städte des Römischen Reiches auf und überlegte, ob er nach der alten Hauptstadt Rom den zweiten Platz an Konstantinopel vergeben sollte oder an Karthago, dessen Reichtum er hervorhob. Als langjähriger Lehrer der Rhetorik wusste er, dass reiche Städte für angemessene Schulen und gutbezahlte Lehrer sorgten, und vielleicht deswegen nannte er Karthago in einer Rede an Gratian „die Hervorragende“. 32 Entsprechend hoch war das Schulgeld. Dazu kamen die höheren Lebenshaltungskosten in der Großstadt, zumal wenn man deren kulturelle Angebote nutzen wollte. Patricius sah sich nicht in der Lage, sofort das nötige Geld aufzubringen. Es galt, einige Zeit lang zu sparen. Augustinus rechnete die Anstrengung dem Vater hoch an, den auch seine Bekannten für das lobten, was er für das Studium seines Sohnes tat. Gab es doch in Thagaste genügend reichere Bürger, denen die Ausbildung ihrer Söhne nicht so viel wert war.33 Augustinus hatte zwei Vettern, Lartidianus und Rusticus. Sie hatten gesunden Menschenverstand, wie er ihnen später bescheinigte, hätten also das Zeug für höhere Bildung gehabt. Aber ihre Eltern wollten sich nicht für sie krumm legen, sodass sie nicht einmal den Grammatikunterricht besuchten. 34 Auch für Augustinus’ Bruder Navigius reichte dazu das Geld nicht. Doch der Begabteste der Familie sollte unbedingt studieren. Dass Patricius’ drittes Kind, eine Tochter, nur die Elementarschule besuchte, war üblich. War das der Grund, warum der Bruder nie ihren Namen erwähnte? 35 Das Sparprogramm der Familie bescherte Augustinus einige Ferienmonate. „Jeden Unterrichts ledig“ begleitete er den Vater gelegentlich in das öffentliche Bad, wo Patricius entzückt die Mannbarkeit des Sechzehnjährigen feststellte und sich schon als stolzen Großvater sah. Heimgekehrt verkündete er die Aussicht seiner Frau, die ebenfalls schon von Enkeln geträumt hatte. Aber Mutter Monnica machte sich auch Sorgen, ob eine frühe Ehe nicht zum Hindernis für das Studium ihres Sohnes werden würde, an dem ihr nicht weniger als ihrem Mann gelegen war. 36 Andererseits würden sich des Sohnes „altersgemäße Fluten am ehelichen Ufer brechen“, und sie müsste ihn nicht länger warnen, sich ja nicht mit verheirateten Frauen einzulassen. Inzwischen schien sich nämlich der junge Mann nicht mehr länger nur mit verbaler Erotik zu begnügen, wie er sacht andeutete, als er von den „flüchtigen Genüssen immer neuer Erlebnisse“ sprach. 37 „Die Meinen kümmerten sich darum nicht“, lautete sein späterer
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Vorwurf. Sonst hätte der Sohn dem Vater vielleicht vorgehalten, dass der es, obwohl seit kurzem Katechumene, mit der ehelichen Treue auch nicht so genau nahm, wie ein Taufanwärter es eigentlich sollte. 38 In Städten und Dörfern erwachte morgens das Leben mit dem ersten Hahnenschrei. Er zwang selbst Grundschüler aus dem Bett. Augustinus hatte es zur Genüge erfahren. Jetzt genoss er die Freiheit, dass ihn niemand und nichts dazu zwang, seinen Morgenschlaf zu unterbrechen. Dafür machte er die Nacht zum Tag. Mit anderen jugendlichen Müßiggängern tobte er sich bis spätabends auf dem Sportplatz aus. Auch danach gingen sie noch lang nicht nach Haus. Lieber zogen sie durch Thagastes („Babylons“) nächtliche Gassen und beratschlagten, wie sie schlafende Bürger ärgern konnten. Einer dieser Streifzüge führte sie an einem Garten vorbei, in dem ein Birnbaum mit herrlichen reifen Früchten stand. Die Horde folgte begeistert dem Vorschlag ihres Anführers Augustinus und schüttelte den Baum leer. Er hatte so voll gehangen, dass sie nur einen kleinen Teil ihrer Beute essen konnten. Die übrigen Birnen sammelten sie und warfen sie den Schweinen vor. Dem Anstifter schlug nachträglich doch ein wenig das Gewissen. Aber mit sechzehn Jahren verdrängt man solche Regungen rasch. Ein Vierteljahrhundert später kam dem Dieb jedoch sein gutes Gedächtnis in die Quere. Als er im zweiten Buch seiner „Bekenntnisse“ auf die Zeit nach Madauros einging, trat ihm die Jugendsünde wieder so deutlich vor Augen, dass ihn bei der Niederschrift tiefe Scham vor sich selbst und vor seinem Gott erfüllte. Da er sich bei dem Besitzer des Birnbaums nicht mehr entschuldigen konnte, wollte er wenigsten Gott, der ihn schweigend beobachtet hatte, geistige Wiedergutmachung leisten, und er fügte eine tiefgründige Erörterung über das Böse in dessen Geschöpfen an: Was war der eigentliche Grund des Diebstahls, einer Sünde um der Sünde willen? Denn von Mundraub konnte man wahrhaftig nicht sprechen. Auch hätte der Jugendliche die Birnen nie gestohlen, wären seine Kameraden nicht dabei gewesen. Freundschaft erschien plötzlich als die „unauslotbare Verführung des Geistes“. Alle Menschen hatten offensichtlich diese Urveranlagung zum Bösen. Von hier war es nur noch ein kleiner Schritt zur Erbsünde, die Augustinus aber jetzt noch nicht benannte. 39
II. Der Student in Karthago Im Herbst 370 war es endlich soweit: Patricius vermochte seinem Sohn eine Summe in die Hand zu drücken, mit der er fürs erste in Karthago leben und studieren konnte. Augustinus verabschiedete sich von Eltern und Geschwistern. Er ahnte nicht, dass es beim Vater ein Abschied für immer sein werde. Patricius starb noch im selben Jahr, und fortan war der Student darauf angewiesen, dass ihm die Mutter Geld nachschickte.1 Er wusste, wieviel sie sich dafür vom Mund absparen musste, und wenn seine Anhänglichkeit an sie so viel stärker war als das nüchterne Verhältnis zum Vater, lag hier einer der Gründe dafür. Eine Form des Dankes stattete er ihr durch die Denkmäler ab, die er ihr nicht nur in seinen „Bekenntnissen“, sondern auch in mehreren anderen Werken setzte. Zum Glück half Romanianus mit, ein weitläufiger Verwandter der Familie. Er war einer von Thagastes Reichen, wenn nicht der Reichste. Sein Wohlstand war an mehreren luxuriösen Häusern abzulesen. Den üblichen Erwartungen, die eine städtische Bevölkerung an ihre begüterten Mitbürger stellte, entzog sich Romanianus nicht: Er veranstaltete Schauspiele mit Bärenkämpfen, die man in Thagaste noch nie gesehen hatte und für die ihn die Zuschauer mit Sprechchören in den Himmel hoben. Freigebig unterstützte er die Armen und erfüllte Patronatspflichten in der Heimat und darüber hinaus. Mit Ehrenstatuen in Thagaste und in den Nachbarstädten dankte man ihm seinen Einsatz. 2 Romanianus besaß auch in Karthago ein Haus, das er Augustinus zur Verfügung stellte. 3 Von der mehrtägigen Reise schwieg der angehende Student. Tat er es, weil er das selbstverständliche Fortbewegungsmittel sparsamer Leute benutzte, die eigenen Füße? 4 Das dritte Buch der „Bekenntnisse“ eröffnete er mit der lapidaren Feststellung: „Ich kam nach Karthago“. Doch sollte er unterwegs nicht so manches Mal an das erste Buch der geliebten Aeneis gedacht und voller Vorfreude die Verse zitiert haben, mit denen der Flüchtling Aeneas das fremde im Aufbau befindliche Karthago bestaunte? Tore, Mauern und die Burg auf der Höhe fesselten den Blick des Fremden; auf den gepflasterten Straßen herrschte geschäftiges Treiben; Häfen und ein prächtiges Theater wurden angelegt; schließlich in einem Hain der Tempel der Stadtgöttin Juno, der alles in den Schatten stellte. Auch Augustinus’ wenig älterer Zeitgenosse, der anonyme Verfasser einer „Darstellung der gesamten Welt und ihrer Völker“, erinnerte an Aeneas und Vergil, als er im Kapitel über Africa Karthago beschrieb. Zusätzlich begeisterte er sich am geradlinigen Verlauf der Straßen und Stadtviertel, der sich von der üblichen verwinkelten Anlage orienta-
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lischer Städte abhob. Für den aus Africa stammenden Historiker Aurelius Victor, eine Generation vor Augustinus geboren, war Karthago schlicht „die Zierde der Erde“. 5 Von der Stadt überwältigt wurde auch Augustinus. Nur ging der Ankömmling, der noch nie das Meer gesehen hatte, zunächst in den Hafen hinab, einen der größten im Römischen Reich, der, wie der Verfasser der genannten „Darstellung“ in blumiger Rede schwärmte, „den furchtlosen Schiffen einen heiteren Neptun zu bieten scheint, so voll der Sicherheit ist er“. Zu Haus hatte die „Landratte“ Augustinus, der mediterraneus, gelegentlich vor einem Krug Wasser gesessen und von der See geträumt. 6 Jetzt beobachtete der Sechzehnjährige erregt, wohin sich die Matrosen aus aller Herren Länder beim Landgang zuerst wandten. Die zweite Hälfte des Satzes nach „ich kam nach Karthago“ ist kaum eindeutiger zu bestimmen: „und von allen Seiten umbrandetet mich ein Hexenkessel voller Liebeslaster.“ 7 Auch die Verwirrung und anfängliche Unsicherheit des Jungen aus dem biederen Thagaste, der zögerte, sich sofort in diesen Hexenkessel zu stürzen, kann man gut nachempfinden: „Noch liebte ich nicht, und doch liebte ich zu lieben, und in meiner inneren Sehnsucht hasste ich mich, der ich nicht genug Sehnsucht hatte.“ Wortspielerisch umkreiste er seinen Zustand, den er nicht lange danach beendete: „Lieben und geliebt zu werden war mir süßer, wenn ich auch den Körper eines liebenden Wesens genoss.“ Das geschah schwerlich bereits im Hafen. Rasch gewann Augustinus einen Kreis von Freunden und Bekannten, wo sich allerdings ebenso rasch Konkurrenz und Eifersüchteleien einstellten: „Denn ich wurde geliebt, fiel unmerklich in die Fessel des Genusses und ließ mich freudig von drückenden Banden binden, sodass ich von eisernen glühenden Ruten der Eifersucht, der Verdächtigungen, der Ängste, des Zorns und des Streits gezüchtigt wurde.“ Einen Ausweg, „aus der Hölle der Lust“ fand er erst, nachdem er eine Frau getroffen hatte, mit der er fortan „sein Lager zu teilen pflegte“. Seine „umherschweifende, der Klugheit entbehrende Brunst hatte sie gefunden“. Er ging ein Konkubinat ein, eine formlose, aber anerkannte dauerhafte Verbindung von Mann und Frau, der zur vollgültigen Ehe nur die juristische Bestätigung fehlte. Selbst die Kirche drückte beim Konkubinat ein Auge zu, wenn es nicht neben einer bestehenden Ehe gepflegt wurde. 8 Augustinus’ Lebensgefährtin wurde bald schwanger, und 372 gebar sie ihm einen Sohn. Glücklich war der junge Vater nicht. Ihm wäre lieber gewesen, wenn das Kind später in einer rechtmäßigen Ehe zur Welt gekommen wäre. Aber „wenn sich schon einmal unerwünschter Nachwuchs eingestellt hat, muss man ihn auch lieben“, bemerkte er Jahre danach und ließ offen, ob er seinen Sohn von Anfang an geliebt hatte oder nur nachträglich sein Versäumnis bedauerte. Zum Versäumnis würde sein Geständ-
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nis passen, er habe „an dem Knaben nichts gehabt außer der Sünde“. 9 Daher war es wohl nicht er, sondern die Mutter, die vorschlug, ihm den unter Christen verbreiteten Namen Adeodatus („Von Gott geschenkt“) zu geben. Die Konkubine war offensichtlich Christin. Überhaupt war Augustinus, wenn es um seine häuslichen Verhältnissen ging, recht schweigsam. In den „Bekenntnissen“ erwähnte er seine Konkubine ein erstes Mal eher nebenbei an späterer Stelle, und ein zweites Mal dann wieder, als er ein junges Mädchen aus guter Familie heiraten wollte und sie ihm den Laufpass gab.10 Ihren Namen zu nennen hielt er hier wie dort nicht für nötig. Immerhin betonte er, dass er ihr fünfzehn Jahre lang die Treue gehalten und sich nur schweren Herzens von ihr getrennt habe. Wie so mancher hätte er seine Konkubine nach einiger Zeit zur Gemahlin machen können. Auch Adeodatus hätte davon profitiert: Er wäre aus einem „natürlichen Sohn“ ein „rechtmäßiger Sohn“ geworden. Schon vor Jahrzehnten hatte Kaiser Konstantin, wahrscheinlich unter christlichem Einfluss und in Erinnerung an seine eigene Herkunft, ein Gesetz erlassen, das Kinder aus einem Konkubinat durch die nachfolgende Ehe ihrer Eltern legitimierte. 11 Doch schreckte Augustinus offensichtlich wegen des großen Standesunterschiedes zu seiner Konkubine davor zurück, das Gesetz zu nutzen. Auch den Namen des gemeinsamen Sohnes teilte er dem Leser der „Bekenntnisse“ erst mit, als jener sich zusammen mit seinem Vater auf die Taufe vorbereitete.12 Gesprächiger wurde Augustinus bei seiner anderen Leidenschaft, die er aus Thagaste mitgebracht hatte, dem Theater. Um sie zu befriedigen, hätte er keine bessere Stadt als Karthago finden können. Auch in der oben genannten „Darstellung der gesamten Welt und der Völker“ hieß es von den Karthagern, dass sie auf Schauspiele besonders versessen waren.13 Die beliebteste Sparte waren Pantomimen, in denen die alten Mythen, die klassischen Tragödien sowie moderne Stoffe als Tanztheater aufgeführt wurden. Ein Herold kündigte das jeweilige Thema an, und Musik und Chorgesang begleiteten dessen Darstellung. Hoch und Niedrig begeisterten sich für die Stücke, und die Behörden wussten, dass man den Bürgern dieses und andere Vergnügen nicht nehmen durfte, ohne heftigsten Widerstand herauszufordern. Bald nach Augustinus’ Ankunft, im Jahr 371, erließ Kaiser Valentinian I. daher ein Gesetz, das dem in der Hauptstadt Karthago residierenden Statthalter der Provinz Africa proconsularis auftrug, dafür zu sorgen, dass die Töchter von Schauspielern, sofern sie geeignet waren, den Beruf ihrer Eltern ergriffen. Der spätantike berufliche Erbzwang galt auch für sie. Fünf Jahre später befahl der Kaiser einem Nachfolger – der in der Provinz Africa stets den höchsten Statthaltertitel Proconsul führte – auch durch Sportwettkämpfe für die Zufriedenheit des Volkes zu sorgen. Ausdrücklich erteilte er die nicht ungefährliche Erlaubnis, dass sich reiche Angehörige der Oberschicht durch die Finanzierung von Sport- und Thea-
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terveranstaltungen bei ihrem Mitbürgern beliebt machen durften. In Karthago gab es später wie in den Großstädten Rom und Mailand einen eigenen tribunus voluptatum, einen Beamten, der für die Organisation und Durchführung der Genüsse von Bühne und Arena verantwortlich war.14 Wenn der Bischof Augustinus keine Gelegenheit verstreichen ließ, um Schauspiele, Schauspieler und Publikum zu verteufeln, schöpfte er aus seiner reichen persönlichen Erfahrung.15 Zu den wiederkehrenden Höhepunkten im Theater zählten realistische sexuelle Szenen. Sie machen den Eingangssatz verständlich, mit dem Augustinus nach seinen ersten erotischen Erfahrungen in Karthago zu seiner Theaterleidenschaft überging: „Die Schauspiele im Theater, die voll von Bildern meiner Nöte und von Zündstoff für mein Feuer waren, rissen mich fort.“ Augustinus war nicht der einzige, dem es so ging. Schon 250 Jahre zuvor hatte der Satiriker Juvenal in drastischen Versen karikiert, wie die römischen Damen im Zuschauerraum in Wallung gerieten, wenn ein Pantomime mit lasziver Gestik eine Juppitermythe tanzte.16 Das Ansehen der gewöhnlichen Schauspieler war nicht sehr hoch. Doch die Besten hatten ihre begeisterten Anhänger, und ihre Konkurrenz auf der Bühne setzte sich im fanatischen Publikum fort. Auch Augustinus fand bald seine Lieblinge, die ihn mehr als einmal zu Tränen rührten, und er genoss das Gemeinschaftsgefühl, das ihn mit gleichgesinnten Theaterbesuchern verband.17 Aber schließlich war er nicht zum Vergnügen nach Karthago gekommen. Die „ehrbaren Studien“ (studia honesta) riefen, und er stürzte sich mit solchem Eifer auf sie, dass er in seiner Schule bald zur Spitze gehörte. Durfte man ihm verübeln, wenn er sich nicht wenig darauf einbildete und die Mitstudenten seine Überlegenheit spüren ließ? Es gab eben auch in Thagaste kluge Leute! Außenseiter wollte er allerdings nicht sein. Daher beteiligte er sich – bisweilen mit schlechtem Gewissen – bei den Streichen seiner Kommilitonen, mit denen sie harmlose Gemüter erschreckten und vor allem die Frischlinge unter den Studenten drangsalierten. Der Primus aus Thagaste gewann sogar einige von ihnen zu seinen Freunden. „Revoluzzer“ (eversores) nannten die Karthager diese Krawallmacher und sprachen von „Revolution“ (eversio), weil sie in ihrem Übermut oft so weit gingen, dass sie mit dem Gesetz in Konflikt gerieten.18 Vom Revoluzzer Augustinus hätte man nicht vermutet, dass er in Karthago an kirchlichen Feiertagen sogar den Gottesdienst besuchte. Von christlichen Bräuchen zu Hause hatte er bisher nie gesprochen. „Noch nicht gläubig“ nannte er sich einmal und meinte damit nicht allein, dem konkreten christlichen Begriff fidelis entsprechend, er sei noch nicht getauft gewesen.19 Dazu kam vielmehr, dass sein Glaube an den Einen christlichen Gott „bald stärker, bald schwächer“ war. In Karthago zog ihn daher auch nicht so sehr frommes Bedürfnis in die Kirche. Er wollte vielmehr
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„unter lüsternen Gedanken darauf ausgehen, sich Früchte des Todes zu verschaffen“ sprich: sich in der Kirche nach Mädchen umsehen und Kontakte knüpfen. Er war nicht der einzige. In einer Predigt bekannte der Bischof Augustinus reumütig, als Student in Karthago habe er an nächtlichen Gottesdiensten teilgenommen, bei denen „Frauen den Anzüglichkeiten der Männer ausgesetzt waren und wo bisweilen ein günstiger Augenblick sogar die Keuschheit auf die Probe stellte“. 20 Mit Namen nannte Augustinus keinen seiner karthagischen Lehrer. Seiner Bemerkung: „ich studierte die Bücher der Beredsamkeit, in der ich mich auszeichnen wollte“, darf man entnehmen, dass er seinem Selbststudium die größere Bedeutung zumaß. Selbst an schwierige Texte wie Aristoteles’ „Kategorien“ getraute er sich, von denen man in seiner Schule nicht viel hielt. Nach späteren Zitaten zu schließen gehörten zu den Lehrbüchern Ciceros Klassiker „Der Redner“, „Über den Redner“ und „Über die Themenfindung“. Dazu kamen als Muster dessen Reden, vor allem die „Gegen Verres“ und „Gegen Catilina“. Besonders fleißige Studenten wie Augustinus’ Jugendfreund Simplicius lernten nicht nur Vergilverse, sondern auch Ciceroreden auswending. Quintilians umfassendes Handbuch „Anleitung zur Redekunst“ wird Augustinus ebenfalls durchgearbeitet haben, obwohl er es später nicht erwähnte. 21 Seit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert gab es einen Streit zwischen Philosophie und Rhetorik, welches die nützlichere Wissenschaft und die bessere Pädagogin sei. Ein Kompromiss lautete, der Redner müsse auch Philosoph sein, und Philosophie ohne den Schmuck der Rede sei ungenießbar und bewirke nichts. In Rom war Cicero für die Synthese eingetreten, wie Quintilian bestätigte. 22 Der höhere Unterricht in Karthago folgte Cicero. Deswegen rühmte sich Apuleius von Madauros in seiner Lobrede auf die Stadt, dass er nicht bei der Rhetorik stehen geblieben, sondern nach Athen gegangen sei und dort nach dem Studium der Dichtkunst, Geometrie, Musik und Dialektik „schließlich noch aus dem unausschöpflichen Gefäß mit dem Göttertrank der Philosophie getrunken habe“. 23 Auch in Augustinus’ Schule kam im Verlauf des üblichen rhetorischen Studiengangs Philosophie als weiteres Fach hinzu. Nach seiner früheren Abneigung gegen das Griechische war er froh, dass sie ihm weniger durch Platon und Aristoteles als durch Cicero vermittelt wurde. Allein schon „dessen Sprachkunst, die fast alle bewundern“, erleichterte dem Sprachfreund den Zugang zu philosophischen Gedankengängen, den ihm mühseliges Übersetzen aus der ungeliebten Fremdsprache vergällt hätte. Selbst für die flüchtige Bekanntschaft mit den Schriften des Neuplatonikers Plotin bediente er sich der Übersetzung seines africanischen Landsmannes Marius Victorinus. 24 Im dritten Studienjahr stand Ciceros Schrift „Hortensius“ auf dem Stun-
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denplan, und als sich Augustinus in die Diskussion der vier ehemaligen Konsuln Hortensius, Lucullus, Catulus und Cicero vertiefte, fing er plötzlich Feuer: „Wie brannte ich“! Es erging ihm wie in der Grammatikschule, als er sich für Vergils Aeneis erwärmte. Nur sah er, der Neunzehnjährige, sich selbst jetzt viel unmittelbarer betroffen. Handelte Cicero doch vom Glück des Menschen und wie es zu erreichen sei. Nicht die Rhetorik und die Möglichkeit, die sie eröffnete, sondern die Philosophie, die „Liebe zur Weisheit“, war der Schlüssel zum Glück: „Auf einmal wurde mir alle eitle Hoffnung schal, und mit einer unglaublichen Inbrunst des Herzens ersehnte ich die unsterbliche Wahrheit.“ Aber Cicero dämpfte auch seine Erwartung: „Glücklich ist schon, wer die Wahrheit sucht, selbst wenn er sie nicht finden kann.“ Augustinus war entschlossen, sich auf die Suche zu machen. „Denn jenes Buch änderte mein Sinnen.“ 25 Gegen Ende des „Hortensius“ kam Cicero auf den Tod derer zu sprechen, „die in der Philosophie leben“. Der Tod sei entweder ein angenehmes Verlöschen oder für diejenigen, die nach der Weisheit geforscht und sich von Lastern und Irrtümern freigehalten haben, ein Aufstieg ihrer unsterblichen göttlichen Seele in den Himmel. Beschwörend schloss er: „Damit daher das Gespräch ein Ende hat, gleich ob wir ruhig verlöschen wollen, nachdem wir in diesen geistigen Beschäftigungen gelebt haben, oder ob wir aus diesem Haus ohne Verzug in ein anderes, weit besseres auswandern wollen: auf die Studien müssen wir all unsere Mühe und Sorge verwenden.“ 26 Diesen eindrucksvollen Schlussteil zitierte Augustinus mehr als 40 Jahre später in seinem großen Werk „Über die Dreifaltigkeit“. In dessen vierzehntem Buch bildete er ebenfalls den Schluss. 27 Für den Aufstieg der unsterblichen Seele hatte sich Cicero auf „die alten Philosophen und zwar die größten und bei weitem berühmtesten“ berufen. War deren Auffassung so weit weg vom christlichen Glauben an das Schicksal der Guten nach dem Tod? Die Parallele weckte Augustinus’ Aufmerksamkeit, und er begann, die Heilige Schrift zu lesen. 28 Doch bald legte er sie angewidert aus der Hand. Es waren nicht einzelne Aussagen, die ihn abstießen, etwa die unterschiedlichen Angaben der Evangelien zu Jesu Stammbaum oder der Vorbehalt gegen die pagane Weisheit, den Paulus zu Beginn des Ersten Korintherbriefes äußerte. Der Bibel insgesamt fehlte in seinen Augen die Würde, die Ciceros Werk auszeichnete. „Würde“ als rhetorischer Terminus meinte das ausgewogene Verhältnis von hohen Gedanken und hoher Sprache. Quintilian widmete ihm einen längeren Abschnitt. Die Bibel aber war in dieser doppelten Hinsicht etwas für Kleine Leute. Eines Studenten der Rhetorik im dritten Jahr war sie „unwürdig“. 29 Es war die enttäuschende Lektüre der Heiligen Schrift, die Augustinus wenig später in die Arme der Manichäer trieb. Kritik an der Bibel war
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eines ihrer Lockmittel, mit dem sie unsicher gewordene Christen zunächst umgarnten. Dann schoben sie die Behauptung nach, Katholiken müssten ihren Verstand einem blinden Glauben opfern. Schließlich die Versicherung, Manichäer beschwatzten niemanden, sondern erläuterten immer die Wahrheit ihrer Konfession. Sie befreiten die Menschen von jeglichem Irrtum und führten sie zu Gott. 30 Wie verführerisch diese Taktik war, musste Augustinus später selbst zugeben. Entschuldigend rechtfertigte er sich, warum er sich mit seinen neunzehn Jahren in den manichäischen „Teufelsschlingen“ verfing und ihren Werbern auf den Leim ging wie ein Vogel auf die Leimrute, die ein Vogelfänger neben einer Pfütze auslegt: „Wer würde nicht von solchen Versprechen geködert werden, zumal ein jugendlicher Geist, den es nach Wahrheit verlangte und der auch noch nach den Disputationen mit einigen gelehrten Männern in seiner Schule stolz und redegewandt war?“ 31 Ein Katholik, der sich auf die Manichäer einließ, musste auch nicht gleich ein schlechtes Gewissen bekommen und alle Brücken zu seiner und seiner Eltern Religion abbrechen. Hörte er sie doch in der ihm vertrauten Weise von der Trinität sprechen, von Gottvater, Jesus Christus und dem Tröster, dem Heiligen Geist. Wie ihr Gründer Mani, der sich nach dem Vorbild des Apostels Paulus stolz „der Apostel Jesu Christi“ nannte, sparten seine Jünger nicht mit Zitaten aus dem Neuen Testament, vornehmlich aus den Paulusbriefen. Offene Ohren fanden sie ferner bei kritischen Geistern, so oft sie das Alte Testament mit seinen „Altweibergeschichten“ verwarfen, wozu auf beiden Seiten ein Stück Antijudaismus hinzukommen mochte. Hatten sie daher nicht vielleicht Recht, wenn sie den Katholiken, von denen sie als Häretiker beschimpft wurden, entgegenhielten, Häretiker seien ja wohl sie? Die Manichäer seien vielmehr die besseren Christen. 32 Schon im kleinen Thagaste, wo es eine manichäische Gemeinde gab, konnte nicht ausbleiben, dass Augustinus gelegentlich ihren Mitgliedern begegnete. Sie fielen allein schon durch ihren strengen Lebenswandel auf, zu dem ein oder zwei Fasttage in der Woche und ein Fastenmonat im Jahr gehörten. Vielleicht hielt der halbwüchsige Christ, der ein loses Mundwerk hatte, seine Zunge nicht im Zaum und spottete vor seinen Kameraden über die sonderbaren Heiligen. In Karthago, ihrem ältesten Sitz in den africanischen Provinzen, dürfte ihre Gemeinschaft im Lauf der vergangenen Jahrzehnte eine beträchtliche Größe erreicht haben, zumal ihre Anhänger von Anfang an eifrig missionierten. 33 Mit ihnen Verbindung aufzunehmen, um Näheres über ihre Religion zu erfahren, war also nicht schwer. Für den Neunzehnjährigen, dem seine Professoren gerade hervorragende Noten gegeben hatten und der danach mit stolzgeschwellter Brust
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durch die Stadt lief, mochte bei seinen ersten Begegnungen mit Manichäern zusätzlich der Reiz des Verbotenen hinzukommen: Unter Diokletian waren Anhänger Manis hingerichtet und ihre Schriften verbrannt worden. Ausrotten ließ sich die neue Religion aus dem Osten nicht. Aber Konstantin und die folgenden Kaiser hatten ein wachsames Auge auf sie. 34 Gesetzliche Maßnahmen ergriff erst wieder Valentinian. Gerade ein Jahr alt war sein Versammlungsverbot: „Wo auch immer sich eine Zusammenkunft oder eine Gruppe von Manichäern findet, sollen ihre Lehrer, die sie zusammenrufen, mit schwerer Strafe belegt werden, weil sie ehrlos sind und sich in schimpflicher Weise von der menschlichen Gesellschaft absondern, und ihre Häuser und Gebäude, in denen die gottlose Lehre unterrichtet wird, sollen unerbittlich zugunsten der Staatskasse eingezogen werden.“ Das Gesetz vom 2. März 372 war an den Stadtpräfekten von Rom gerichtet. 35 Doch ein für die alte Reichshauptstadt geltendes Verbot war Präzedenzfall für das gesamte Reichsgebiet, und „wo auch immer“ ein Magistrat beschloss, gegen die Manichäer vorzugehen, konnte er sich auf den kaiserlichen Willen berufen. Der Statthalter der Africa proconsularis tat es, wie Augustinus gelegentlich bemerkte. 36 Valentinians Vorwurf „Absonderung von der menschlichen Gesellschaft“ entsprach der Anklage „Hass auf das Menschengeschlecht“, die unter Kaiser Nero gegen die Christen erhoben wurde und sie als Feinde Roms kriminalisierte. Schon Diokletian hatte die Manichäer mit scharfen Worten als Reichsfeinde gebrandmarkt. 37 Kaiser Valentinian war Katholik, bemühte sich aber gegenüber anderen Religionen um Toleranz. Er hoffte, dass sich die kirchlich organisierten manichäischen Gemeinden auflösten, wenn er ihrem Klerus Strafen androhte, die das vorliegende Gesetzesexzerpt nicht näher bezeichnete. Es war ein Trugschluss, wie nicht nur die schärferen Bestimmungen seiner Nachfolger zeigten, sondern auch die erbitterten Kämpfe, die später der ‚abtrünnige‘ Augustinus jahrelang gegen seine ehemaligen Glaubensgenossen führte. 38 Zunächst aber war der neunzehnjährige Wahrheitssucher Feuer und Flamme für die Religion, deren Stifter verkündet hatte: Ich bin aus Gott, dem Vater der Wahrheit, geboren, mir ist die ewige Wahrheit geoffenbart worden, und ich führe diejenigen mit mir empor, die sich gemäß dieser Wahrheit auf den Weg nach oben machen. Cicero hatte im „Hortensius“ empfohlen, man müsse die alten Philosophen lesen, um zur Wahrheit zu gelangen und der Seele nach dem Tod den Weg in den Himmel zu bereiten. Dagegen waren die Manichäer keine einsamen Geisteswissenschaftler, die im stillen Kämmerlein vergilbte Handschriften studierten und nach ihrem Seelenheil suchten. Sie waren eine lebendige Gemeinschaft von Gleichgesinnten, und sie folgten einem jungen göttlichen Führer, der in der mittleren Kaiserzeit auf die Erde herabgekommen und vor ziemlich genau
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100 Jahren für seine Wahrheit gestorben war. Diese Wahrheit hatte er zuvor seinen Jüngern mitgeteilt und ihnen versprochen, sie als seine „Mitreisenden“ nach oben zu geleiten. Sein Märtyrertod war dafür das Unterpfand. 39 Sich neben Cicero diesem Führer anzuvertrauen war für Augustinus der folgerichtige Schritt. Wenn er noch Vorbehalte hatte: Erfahrene Manichäer wischten sie mit einem Wortschwall hinweg, aus dem ihm immer wieder „Wahrheit, Wahrheit“ entgegentönte. Er wurde „Hörer“, der unterste Grad im hierarchischen Aufbau einer manichäischen Gemeinde. Die Eingangsstufe hatte den Vorteil, dass sie mit seinem Konkubinat vereinbar war, ihn nicht von einer künftigen Berufslaufbahn ausschloss und ihm vor allem nicht untersagte, seiner Theaterleidenschaft zu frönen. 40 Bald beteiligte sich der Neuling eifrig an einer der wichtigsten Aufgaben der Hörer. Sie mussten diejenigen versorgen, die die zweite Stufe erreicht hatten, die „Auserwählten“ oder „Heiligen“. Denn wer so weit aufgestiegen war, durfte kein Fleisch mehr essen und hatte sich auch anderer Fleischeslust zu enthalten. Auf Wein musste er ebenso verzichten wie auf das Baden. Ihm war sogar verboten, Früchte und Gemüse zu ernten. Erzeugnisse der Erde auf diese Weise zu „quälen“ war eine Sünde, die nur bei den Hörern, nicht bei den Auserwählten verzeihlich war. Deren Erbrochenes galt sogar als heilige Speise. 41 Wenn Augustinus im Gottesdienst in den Hymnengesang seiner neuen Glaubensbrüder einstimmte, war er glücklich, und alle Zweifel verschwanden. War deren Vorstellung von einem Gott, der reiner Geist ist, nicht einleuchtender als die anthropomorphe Gottesvorstellung des Alten Testaments? Und gab der manichäische Dualismus, der kosmische Gegensatz zwischen einem Reich des Lichts und einem Reich der Finsternis, nicht eine überzeugende Antwort auf die den Wahrheitssucher umtreibende Frage: Woher kommt das Böse in der Welt? 42 Der enthusiastische Novize wurde an seiner neuen Konfession auch nicht irre, wenn er von Heiligen erfuhr, die sich an Gebratenem und Gesottenem gütlich taten, oder wenn er einen ertappte, der mit einer Frau verkehrte. 43 Zogen doch die Manichäer aus ihrem Dualismus eine auch für ihn selbst höchst erfreuliche Folgerung: „Nicht wir sind es, die sündigen, sondern irgend eine andere Natur in uns.“ 44 An seinem Glück und seiner Erkenntnis wollte Augustinus auch seine Freunde teilhaben lassen, deren Anführer er inzwischen wie in Thagaste geworden war. Mit Begeisterung begann er, unter ihnen für seine neue Religion zu werben und sie gekonnt gegen alle Einwände zu verteidigen. Einige wurden wenig später Hörer und halfen ihm, Melonen und Gurken für die Auserwählten zu besorgen. Sie mussten geschickt vorgehen, damit sie die Empfänger nicht gefährdeten. Denn die Behörden waren auf der Hut, um Kaiser Valentinians Verbot durchzusetzen. Gewiss hatte Augusti-
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nus seinen Spaß, wenn er den Aufpassern ein Schnippchen schlug. Auch schmeichelte es seinem Selbstbewusstsein, mit strengen, aber einfachen Katholiken über den Manichäismus zu diskutieren und sie in die Ecke zu drängen. Es waren billige Erfolge. Mehr gefordert wurde er von seinem Freund Honoratus, der kein Christ war, aber wie er die Wahrheit suchte. Schließlich vermochte er den Zögernden zu überzeugen, dass Mani die Wahrheit bot. Augustinus leistete gute Arbeit. Denn als er 391 oder 392 an Honoratus seine Schrift „Über den Nutzen des Glaubens“ richtete, um den Schaden, den er angerichtet hatte, wieder gut zu machen, ließ sich der Freund nicht mehr so rasch umstimmen. 45
Das spätantike Karthago
III. Der Junglehrer in Thagaste Drei bis vier Jahre dauerte ein volles Rhetorikstudium. Augustinus schloss nach drei Jahren ab. Was tun? Um der Mutter nicht länger auf der Tasche zu liegen und die Konkubine und den Sohn ernähren zu können, musste er Geld verdienen. Sich in der Heimat als Grammatiklehrer niederzulassen war der einfachste und schnellste Weg. Ende 373 kehrte Augustinus zu Monnica zurück.1 Die Mutter störte sich weniger an seinem Anhang, den er aus Karthago mitbrachte, zumal die junge Mutter Christin war. 2 Doch entsetzt war sie, als ihr Augustinus eröffnete, er sei zu den Manichäern abgefallen. Mit einem Häretiker unter einem Dach? Monnica wies ihrem Sohn die Tür. 3 Der Obdachlose wandte sich an den hilfsbereiten Romanianus, der ihm Unterschlupf bot. Augustinus lohnte ihm die Gastfreundschaft auf seine Weise: Dem Drang zu missionieren konnte er auch jetzt nicht widerstehen und überzeugte schließlich den Älteren von der Wahrheit seiner Religion. 4 Romanianus war nicht der einzige, der ihm in Thagaste ins Netz ging. 5 Wie bei Honoratus wollte Augustinus bei seinem Gönner nach dreizehn Jahren wieder gutmachen, was er an ihm gesündigt hatte: Er widmete ihm die drei Bücher „Gegen die Akademiker“. Einleitend flehte er ihn an: „Wach auf, wach auf, ich bitte dich; glaub mir, du wirst dir sehr dankbar sein!“ Vielleicht schmunzelte der Adressat bei diesen Worten. Denn mit ähnlicher Inbrunst hatte ihn der geschulte Rhetor einst in die Gegenrichtung gelockt. 6 In Thagaste hatte man den klugen Sohn des Patricius nicht vergessen, und es dauerte nicht lange, bis sich beim heimgekehrten Grammatiklehrer die ersten Schüler einfanden. Romanianus schickte ihm seinen aufgeweckten Verwandten Alypius, Sohn aus der reichen Oberschicht der Stadt. Er war mehrere Jahre jünger als Augustinus, aber bald verband Lehrer und Schüler eine innige Freundschaft. Sie bestimmte Alypius’ weiteren Lebensweg und führte ihn schließlich auf den Bischofsstuhl von Thagaste.7 Monnicas „Hinaus mit dir!“, unter Tränen gesprochen, war nicht ihr letztes Wort. Ihr Sohn, der Häretiker, ging ihr beständig durch den Kopf. Tagsüber betete sie für seine Bekehrung, und nachts träumte ihr, er habe sich bekehrt. Sie bat kluge Christen in ihrer Umgebung, mit ihm zu reden, darunter auch einen gelehrten Bischof, der in seiner Jugend selbst Manichäer gewesen war. Der Bischof lehnte ein Gespräch mit der einsichtigen Begründung ab, der Reiz des Neuen sei bei Augustinus im Augenblick noch zu stark. Sobald der sich verflüchtigt habe, würden ihm die Irrtümer des Manichäismus aufgehen. Und nach Monnicas wiederholtem Drängen versicherte er ihr: „Ein Sohn solcher Tränen kann nicht verlorengehen“. 8
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Der Traum der Heiligen Monnica; sie wird von einem Bischof getröstet.
Ob hinter dem schönen und oft zitierten Satz nicht auch die Furcht des Bischofs stand, im Streitgespräch mit dem gewieften jungen Redner den Kürzeren zu ziehen? Monnica wollte nicht mehr so lang warten und machte den ersten Schritt zur Versöhnung. Aufatmend kehrte Augustinus in sein Vaterhaus zurück. Aber der Zwanzigjährige dachte nicht daran, die Tränen seiner Mutter zu trocknen. Im Gegenteil: Als sie ihm von einem Traum erzählte, in dem ihr ein junger Mann prophezeite, wo sie sei, sei auch ihr Sohn, wollte er darunter ihre künftige Konversion zum Manichäismus verstehen. Schlagfertig verbesserte sie ihn: Er werde dort sein, wo sie sei. 9 Monnicas Bohren ging dem Manichäer in der Folgezeit bei weitem nicht so nahe wie ein anderes Ereignis, das ihn bis ins Mark schütterte: In Thagaste hatte er einen Gleichaltrigen wiedergetroffen, mit dem er zusammen in die Schule gegangen war und gespielt hatte. Allzu eng war damals ihre
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Beziehung nicht gewesen. Jetzt gewann Augustinus ihn, der sich vom christlichen Glauben seiner Kindheit entfernt hatte, für den Manichäismus, und im Lauf seiner Bekehrung entwickelte sich aus der Glaubensgemeinschaft eine tiefe Freundschaft, „die mir süßer war als alle Süßigkeiten meines damaligen Lebens“.10 Doch plötzlich wurde der kraftstrotzende junge Mann von einem schweren Fieber befallen. Er fiel ins Koma, und die Angehörigen, die mit seinem Tod rechneten, ließen den Bewusstlosen taufen. Überraschend wurde er wieder gesund, und als Augustinus den Rekonvaleszenten sprechen konnte, begann er über die Taufe zu spotten, die der Freund über sich habe ergehen lassen müssen. Der Spötter erwartete den gleichen Spott bei seinem Gegenüber. Aber der andere wich entsetzt zurück und verbat sich bei ihrer Freundschaft die lästerliche Rede. Im Stillen verschob Augustinus die Auseinandersetzung auf eine spätere Zeit, wenn der Freund wieder völlig hergestellt sei. Dazu kam es nicht mehr. Wenige Tage nach ihrer Begegnung erfuhr Augustinus, der Freund habe einen Rückfall erlitten und sei gestorben.11 Die Nachricht war ein Schock: „Welch ein Schmerz verfinsterte mein Herz; wohin ich blickte, sah ich den Tod. Meine Vaterstadt war mir zur Qual geworden, mein Vaterhaus zu einem sonderbaren Unglücksort, und alles, was ich mit ihm geteilt hatte, hatte sich ohne ihn in eine unermessliche Folter verwandelt. Von überall her erwarteten ihn meine Augen, und doch tat sich nichts. Ich hasste alle Dinge, weil sie ihn nicht mehr hatten und sie mir nicht mehr sagen konnten: ‚Sieh, er wird kommen‘, so wie zu seinen Lebzeiten, wenn er nicht hier war.“ 12 Mit seiner Klage um den toten Freund versicherte sich der Trauernde, dass sie beide in idealer Weise das von Cicero und anderen immer wieder zitierte „alte Gesetz echter und wahrer Freundschaft“ verwirklicht hatten: „Dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen.“ 13 Für christliche Freunde gehörte dazu ausdrücklich der gemeinsame Glaube. Auch dafür konnten sie sich auf Cicero berufen: „Freundschaft ist nämlich nichts anderes als Übereinstimmung in allen göttlichen und menschlichen Dingen mit Wohlwollen und Liebe.“ 14 Er sei sich selbst ein Rätsel geworden, fuhr Augustinus fort, und in seiner Verwirrung habe er sich gesagt: „Hoffe auf Gott!“. Der Blick in die Zukunft war das Eingeständnis, dass er vorläufig am Manichäismus noch nicht irre wurde und der Tod des Freundes ihn nicht bewog, das Gesetz der Freundschaft wenigstens im nachhinein zu befolgen und zum Glauben des Neugetauften umzukehren. Stattdessen wurde der Verlust des Freundes, seines „zweiten Ichs“, für den Einundzwanzigjährigen Anlass, sich zum ersten Mal in seinem Leben Gedanken über das Sterben zu machen. Todesfurcht wechselte mit Lebensüberdruss. Im „Revidierten Werkverzeichnis“ war dies einer der Abschnitte, den er sich mit einem Selbstzitat noch einmal ins Gedächtnis rief: „Und deshalb, – sagte
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ich –, fürchtete ich möglicherweise zu sterben, damit jener (dann erst) völlig tot sei.“ 15 In diesem Zustand schien ihm eine Ortsveränderung das beste Heilmittel zu sein, um Abstand von dem Toten zu gewinnen. Er beschloss, wieder nach Karthago zu gehen. Denn dort „suchten ihn meine Augen weniger, wo sie ihn zu sehen nicht gewohnt waren.“ 16 Er gehe wegen einer besseren Stellung in die Hauptstadt zurück, verriet Augustinus seinem Gönner Romanianus. Der Mutter verschwieg er seine Absicht, um sich ihren neuerlichen Tränenstrom zu ersparen. Hatte er schon seine Fühler zu alten Freunden in Karthago ausgestreckt? Oder erreichte ihn von dort, wo man seine Fähigkeiten zu schätzen wusste, die Mitteilung, er habe gute Aussichten, eine Professur für Rhetorik zu übernehmen? Romanianus war zunächst enttäuscht. Augustinus’ Weggang würde für Thagastes Bildungswesen ein Verlust sein. Doch dann sah er ein, dass er dem Aufstieg seines Schützlings nicht im Weg stehen durfte. Großmütig versprach er, ihn weiter zu unterstützen, bis er ganz auf eigenen Füßen stehen könne. 17
IV. Der Professor in Karthago Auch in Karthago sammelte Augustinus bald einen Kreis begabter Schüler um sich. Wahrscheinlich dauerte es einige Zeit, bis ihm die Stadt eine feste Anstellung gab, ihm einen eigenen Hörsaal anwies und er sich „ordentlicher Professor für Rhetorik“ nennen konnte.1 Um sich bekannt zu machen, den Schülerkreis zu vergrößern und sein Einkommen durch ihr Schulgeld zu verbessern, nahm er an Redner- und Dichterwettbewerben teil und verfasste Stücke für die Bühnen der theaterbesessenen Karthager. 2 Peithó, die Göttin der Redekunst, hatte ihn unzweifelhaft geküsst. Aber ob das auch Thalía getan hatte, die Muse der dramatischen Dichtung? Der Möchtegerndramatiker war sich nicht sicher. Einem geldgierigen Wahrsager, der sich erbötig machte, aus den Innereien von Opfertieren seinen Sieg vorherzusagen, gab er allerdings einen Korb. Als überzeugter Manichäer lehnte er blutige Opfer ab. Leichtgläubiger war er, als er eines Tages zu Hause den Löffel nicht mehr finden konnte, den er verlegt hatte, und deswegen einen Hellseher aufsuchte. 3 Eifrig fragte er auch bei Astrologen nach und ließ sich sein Horoskop stellen. 4 Das war vor allem zu der Zeit, als die Stadt Karthago einen Bühnenwettbewerb ausgeschrieben hatte, zu dem er ein Drama einreichte. Er gewann tatsächlich den ersten Preis, und Vindicianus, der Statthalter der Africa proconsularis, krönte ihn mit einem Kranz. 5 Vindicianus hielt danach Verbindung mit ihm, was Augustinus sehr recht war. Nur dessen Hang zur Astrologie war dem schon betagten Statthalter ein Dorn im Auge. In seiner Jugend hatte er selbst versucht, mit Wahrsagerei sein Geld zu verdienen. Dann war er Arzt geworden, hatte Hippokrates aus dem Griechischen übersetzt und bedeutende medizinische Werke verfasst. Von den Schwindeleien der Astrologen wollte er als Naturwissenschaftler nichts mehr wissen. Daher drängte es den Proconsul, auch den Jüngeren davon abzubringen, und eines Tages verwickelte er ihn in ein Gespräch über die Möglichkeit, die Zukunft zu erforschen. Sein Gegenüber war um Argumente nicht verlegen und blieb bei seinem Aberglauben, gegen den er später einmal mit verbissenem Eifer vorgehen sollte. An Vindicianus’ besorgte Mahnung erinnerte er sich da noch gut: „Du hast doch die Redekunst, mit der du bei den Leuten deinen Lebensunterhalt verdienst, beschäftigst dich also mit diesem Trug aus freien Stücken und nicht aus Geldnot.“ Inzwischen also war das Auditorium des Rhetorikprofessors Augustinus so gut besucht, hatte er so reiche Schüler, dass er sich mit der Astrologie nicht mehr hätte abgeben müssen, wie das manche Sterngucker taten, um sich ein Zubrot zu verdienen. 6 Schützenhilfe erhielt der betagte Proconsul Vindicianus von Augustinus’ jungem
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Augustinus unterrichtet in Karthago Rhetorik.
Freund Nebridius, der ebenfalls versuchte, ihm „die trügerischen Weissagungen und gottlosen Spinnereien der Astrologen“ auszureden. Immerhin fegte Nebridius nicht gleich alle Einwände des hartnäckig Widersprechenden vom Tisch, während der Ältere heftig gegen ihn losfuhr.7 Nebridius, „ein äußerst guter und überlegter junger Mann“, stammte aus einer reichen Familie, die im Umland von Karthago große Güter besaß. Wie seine Eltern war er kein Christ. Die Herkunft aus der paganen Oberschicht und seine „erstaunliche Geisteskraft“ waren der Grund, warum er sich vom Manichäismus fernhielt. Augustinus wandte zunächst vergeblich seine Redekunst auf, um ihn als Glaubensbruder zu gewinnen. Dem engen Verhältnis der fast Gleichaltrigen tat das keinen Abbruch. Nebridius war der Ersatz für den in Thagaste verstorbenen Freund. 8
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Der Dritte im Bunde wurde Alypius. Nachdem er beim Grammatiklehrer Augustinus in Thagaste zur Schule gegangen war, schickte ihn sein Vater zum Rhetorikunterricht nach Karthago. Er verbot ihm aber, weiter bei seinem bisherigen Freund und Lehrer zu studieren, mit dem er sich überworfen hatte. Über den Anlass schwieg Augustinus. Anfangs hielt sich Alypius an das väterliche Machtwort. Der Gehorsam fiel ihm auch deswegen leicht, weil ihn, wie zuvor den jungen Augustinus, „der Sittenstrudel der Karthager“ in Bann geschlagen hatte. Wagenrennen im Zirkus wurden zur Droge für ihn. Augustinus erfuhr von seiner Leidenschaft und machte sich Sorge, dass sie den Freund, der zu so großen Hoffnungen berechtigte, ins Verderben ziehen werde. Eingreifen wollte er nicht, da er vermutete, auch Alypius habe mit ihm gebrochen. Doch den ließ die Erinnerung, was ihm der Ältere gewesen war, nicht los, und er begann, gelegentlich seine Vorlesungen zu besuchen. Eines Tages kam er wieder in seinen Hörsaal. Augustinus, der den Eintretenden nicht bemerkt hatte, erläuterte gerade einen Text durch den Vergleich mit Zirkusspielen. Er konnte sich nicht verkneifen, eine bissige Bemerkung über Leute fallen zu lassen, die diesen Unsinn genossen. Betroffen glaubte Alypius, der Professor habe mit seinem Tadel auf niemand anderen als auf ihn gezielt. Er ging in sich, und keiner sah ihn mehr im Zirkus. Danach wurde er ordentlicher Student bei Augustinus, nachdem auch der Vater ein Versöhnungsangebot angenommen und seine Zustimmung gegeben hatte. 9 Alypius und Nebridius standen in Karthago Augustinus’ Herzen am nächsten. Aber um die schmerzende Erinnerung an den toten Freund in Thagaste zu verdrängen, baute er unter den jüngeren Manichäern der Stadt einen Kreis von neuen Freunden auf. Der manichäische Glaube – „die ungeheuerliche Fabel und lange Lüge“, wie er später tadelte – war eher ein loser Kitt für sie, die wohl alle „Hörer“ waren. Ein anderes Band war für Augustinus wichtiger: „Zusammen reden und lachen, wohlwollend aufeinander eingehen, bald gemeinsam leichte Literatur lesen, bald Unsinn treiben, bald Anerkennung finden, auch einmal ohne Gehässigkeit verschiedener Meinung sein – so wie man das mit sich selbst ist – und gerade durch die höchst seltenen Differenzen die sehr viel zahlreicheren Übereinstimmungen würzen, sich gegenseitig belehren und voneinander lernen, nach den Abwesenden schmerzliches Verlangen tragen und sie, wenn sie wieder kommen, freudig empfangen und mit diesen und ähnlichen Zeichen, die aus dem Herzen von Liebenden und Wiederliebenden kommen und am Mienenspiel, der Sprache, den Augen und tausend überaus liebenswürdigen Gesten, gleichsam den Zündstoffen, ablesbar sind, die Gemüter zusammenschweißen und aus einer Mehrzahl eine Einheit machen.“ 10 Der Bandwurmsatz verriet seine innere Bewegung bei dem Thema. Noch etwas länger wurde der Satz, in dem er später den Versuch schilder-
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te, in Mailand eine Lebensgemeinschaft von Freunden zu gründen. 11 Wie die Freundschaftsbezeugungen aus vollem Herzen strömten, so in der Erinnerung die Satzglieder, ihr Spiegel, während er sonst in den „Bekenntnissen“ zu kürzeren Perioden neigte.12 Was mit der jugendlichen Clique in Thagaste begonnen hatte, setzte sich ein Leben lang fort.13 Die Professur, der wissenschaftliche Ehrgeiz und erst recht die Konkubine schienen hinter dem Zusammensein mit den Freunden zurückzutreten. In ihrer Gesellschaft erholte sich Augustinus, der nie erwähnte, ob er in den heißen Sommermonaten, in denen er nicht unterrichten musste, die Stadt verließ und Ferien auf dem Land machte. Manches Detail im enthusiastischen Porträt der Gruppe hat vermuten lassen, Augustinus habe zu einzelnen Mitgliedern eine mehr als warmherzige Beziehung unterhalten, er sei also bisexuell veranlagt gewesen. Zur Vorsicht rät jedoch die ähnliche Tonlage beim Versuch, in Mailand einen Freundeskreis aufzubauen, wo nichts darauf deutet, dass Augustinus irgendwelche homosexuellen Absichten gehabt hat. Unter den karthagischen Freunden mag der eine oder andere verheiratet gewesen sein, mancher auch wie Augustinus mit einer Konkubine zusammengelebt haben; die Mehrzahl wird ihr Junggesellentum in der üblichen Weise genossen haben. Dem jungen Alypius, den Augustinus zum Manichäismus bekehrte, scheinen „Brüder“ Avancen gemacht zu haben. Erst nachträglich habe er gemerkt, dass hinter ihrer angeblichen Enthaltsamkeit die Verführung lauerte, die sich unbedarfter Seelen bemächtigte.14 Um den Schein der auch bei den „Hörern“ erwünschten Askese nicht zu gefährden, belehrten erfahrene Glaubensbrüder die Jüngeren über die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau.15 Keinerlei Hinweise bietet Augustinus’ Schilderung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Freunde. Doch eine gewisse soziale Homogenität trug zu ihrem Zusammenhalt bei. Sie werden also wie Augustinus selbst aus der mittleren oder geringer begüterten Schicht der städtischen Kurialen gekommen sein und bisher schon eine rhetorische Ausbildung genossen haben. Oder sie waren dabei, sie unter ihm zu absolvieren. Eher wenige dürften wie Nebridius oder wie sein Gönner Romanianus, der später in Mailand als Mitglied vorgesehen war, sehr reich gewesen sein. In den vertrauten Gesprächen, die Augustinus mit den Busenfreunden Alypius und Nebridius führte, kam die Rede immer wieder auf den Manichäismus. Gegen dessen Dualismus argumentierte Nebridius, entweder sei das eine Prinzip, der gute Gott, allmächtig, dann brauche er nicht gegen das andere Prinzip, das Böse, zu kämpfen, da ihm das nicht schaden könne. Sei das jedoch der Fall, gebe es keinen allmächtigen, unverletzlichen Gott. Augustinus vermochte das Dilemma nicht zu widerlegen. Aber es machte ihn im Augenblick noch nicht irre.16 Auch Alypius wurde davon nicht abge-
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halten, sich zur Religion des älteren Freundes zu bekehren. Den jungen Studenten zog vor allem die hohe Sexualmoral an, die er an einzelnen Mitgliedern beobachtete und die sich so vorteilhaft von den lockeren Sitten der karthagischen Gesellschaft abhob.17 Zu einzelnen vornehmen Häusern hatte er dank der Vermittlung seines Vaters Zutritt. Die Verbindung rettete ihn, als er eines Tages durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in den falschen Verdacht geriet, er habe einen Diebstahl begangen.18 Gern setzte sich Augustinus mit seinen beiden Freunden zusammen, um jenseits der Religion philosophische Probleme zu erörtern. Eines Tages im Jahr 380 oder 381 warf er die Frage auf: „Lieben wir etwas, wenn es nicht schön ist?“ Wie Sokrates in Athen, der in den frühplatonischen Dialogen Begriffe zu klären versuchte, stieß er nach: „Was ist überhaupt das Schöne, und was ist Schönheit? Was ist es, was uns an Dingen, die wir lieben, anzieht und uns mit ihnen verbindet?“ Ist das Schöne das, was jeweils den Dingen angemessen ist? Das Verhältnis von Schönem und Angemessenen, von pulchrum und aptum, war eines der klassischen philosophischen Themen, und nach einer verbreiteten Auffassung bedingten sie einander.19 Augustinus war anderer Meinung: Schön ist immer etwas Ganzes, zum Beispiel ein Körper. Angemessen dagegen sind Einzelgegenstände in ihrer Beziehung zu einem Ganzen, und zwar in ihrer jeweiligen passenden Funktion, also etwa Körperteile oder Schuhe. Zum zweiten Vergleich mag ihn ein Vers von Horaz angeregt haben: „Wem einmal der Schuh größer ausfällt als der Fuß, wird ihn zu Fall bringen, wenn kleiner, wird er ihn wundscheuern.“ An vielen Gegenständen prüfte das Trio die These, dann definierte Augustinus: „Das Schöne ist das, was durch sich selbst gefällt, das Angemessene aber das, was für eine Sache zureichend ist.“ Neu war die Definition nicht. Bemerkungen zur Unterscheidung von Schönem und Angemessenen hatte Augustinus bei Cicero gefunden, vor allem in dessen umfangreichem Werk „Von den größten Gütern und Übeln“, das er gemeinsam mit den Freunden durchgearbeitet hatte. Schwerlich bemühte er sich, auf Ciceros griechische Hauptquelle, den Stoiker Panaitios, zurückzugehen, dessen Name der Römer einige Male erwähnte. 20 Die philosophische Erörterung hatte Augustinus gepackt. „Sie sprudelte in meinem Inneren aus meinem tiefsten Herzen.“ Der Siebenundzwanzigjährige beschloss, sein erstes Buch zu schreiben mit dem naheliegenden Titel: „Über das Schöne und Angemessene“ (De pulchro et apto). Es ging ihm rasch von der Hand, und er merkte, dass er nicht nur gut reden, sondern ebenso gut schreiben konnte. Wie jeder beginnende Autor präsentierte er stolz seinen Erstling. Da das Angemessene in der Rhetorik eine wichtige Kategorie für die Analyse der verschiedenen Redegattungen und Stilarten war, vermutete er, auch der berühmte Redner Hierius in Rom
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müsse sich für seine Untersuchung interessieren. Er sandte ihm, den er bisher nur aus der Ferne verehrt hatte, eine Abschrift. Niemand verwehrte ihm die Hoffnung, die Gabe würde sich für ihn später einmal auszahlen. 21 Abschriften waren teuer, und er selbst hatte später keine mehr, als ihm das Original abhanden gekommen war. Allmählich sank auch der Stolz auf sein erstes Buch. Er nahm es nicht einmal mehr in sein „Revidiertes Werkverzeichnis“, die Retractationes, auf, und ob es aus zwei oder drei Teilen bestand, hatte er ebenfalls vergessen. 22 Unermüdlich hatte er im vergangenen halben Jahrhundert geschrieben und veröffentlicht, sodass die Lücke in seinem ansonsten hervorragenden Gedächtnis verzeihlich war. Nur an seiner Grundthese, der Trennung von Schönem und jeweils Angemessenem, hielt Augustinus fest. Er wiederholte sie in einem Brief an den Senator Marcellinus, der 411 das Konzil von Karthago geleitet und sich wenig später mit einer theologischen Frage an ihn gewandt hatte: Warum lehnte ein und derselbe unveränderliche und ewige Gott im Neuen Testament die Opfer ab, an denen er sich im Alten Testament erfreut hatte? Gott habe sich nicht geändert, lautete Augustinus’ Antwort, sondern habe nur das gewollt, was der jeweiligen Zeit angemessen war. Der Philosoph und Theologe verwies dafür auf die Distanz zwischen dem Schönen, „das an und für sich betrachtet und gelobt wird“, und dem Angemessenen, „das nicht aus sich selbst beurteilt wird, sondern nach dem, dem es verbunden ist“. Diese Distanz „sei ein allgemein gültiges Gesetz“. Zur Illustration hatte er zuvor auf den befreundeten Arzt und ehemaligen Proconsul Vindicianus verwiesen, der seine Medizin ebenfalls dem jeweiligen Zustand des Patienten angepasst habe. Die Erinnerung an die Diskussionen in Karthago kam durch und veranlasste ihn zu dem weit hergeholten Vergleich. Passender war die Erinnerung an Platon, für den Gott der Schöpfer der unveränderlichen Schönheit war. Zu deren ewigem Anblick gelangten diejenigen, die ihn in rechter Weise verehrten. Im platonischen „Symposion“ hatte Sokrates, der Priesterin Diotima folgend, den Aufstieg zum absolut Schönen als Ziel des vollkommenen Lebens verherrlicht. 23 Augustinus blieb sich bewusst, wieviel sein Buch den Gesprächen mit seinen vertrauten Freunden verdankte. Aber er hielt auch stets Ausschau nach neuen Bekannten. Immer besser beherrschte er die Kunst, Menschen rasch für sich einzunehmen, sodass sie sich nicht versagten, wenn seine Stimmung sank und er nach seelischem Beistand verlangte: „Vor allem freilich richteten mich die tröstenden Worte anderer Freunde auf und gaben mir neue Kraft.“ 24 Sechs Jahre lebte er nun schon in Karthago, und je länger, desto mehr haderte er mit seinem Schicksal. Er fühlte sich in der Stadt nicht genügend beachtet, seine Einkünfte schienen ihm zu mager zu sein, und gern hätte er geheiratet, wenn nur die rechte – also reiche – Frau gekommen wäre: „Ich gierte nach Ehren, Reichtümern und einer Ehe“,
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beschrieb er rückblickend seinen damaligen Gemütszustand. 25 Dazu kam, dass ihn sein Lieblingsstudent Alypius verließ, um dem Wunsch der Eltern zu folgen und in Rom das Studium der Rechte aufzunehmen. 26 In diesem Zustand gingen ihm seine ungezogenen karthagischen Studenten besonders auf die Nerven. Noch Jahre später empörten ihn ihre Frechheiten: Pünktlichkeit war für sie ein Fremdwort; während der Vorlesung brachen sie in den Hörsaal ein, nur um dort Unsinn zu treiben und wieder zu verschwinden, wie es ihnen passte. Weil sich Augustinus als Student solch ein Benehmen nie erlaubt hatte, stieg ihm erst recht die Galle. Wie lang wollte er sich so quälen lassen? Warum nicht nach Rom auswandern, wo die Studenten, wie er erfahren hatte, noch Zucht und Ordnung kannten? Freunde rieten ihm ebenfalls zu und verwiesen auf die höheren Gehälter, die man Professoren in der alten Reichshauptstadt zahlte. 27 Zweifel, die ihn zu der Zeit am Manichäismus kamen, trugen zu seiner inneren Unzufriedenheit bei. Seine Lehraufgaben ließen ihm genügend Muße, um ausgiebig zu lesen. Ihm lag daran, seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse über das Wenige hinaus zu vertiefen, was bei der Literaturanalyse im Grammatik- und Rhetorikunterricht nebenbei zur Sprache gekommen war. Himmelskunde, bei der zwischen Astronomie und Astrologie nicht unterschieden wurde, zog ihn besonders an, daneben Geometrie, Arithmetik und Musik. Es waren die Gebiete, die zusammen mit den sprachlichen Fächern die „freien Künste“, die artes liberales, bildeten, oder, wie er sie nannte, die disciplinae liberales. Er sei begierig gewesen, die Wahrheit der Dinge kennen zu lernen – so beschrieb er seinen damaligen Wissensdurst. 28 Hatte Cicero im „Hortensius“ nicht gesagt, glücklich sei, wer nach der Wahrheit suche, auch wenn er sie nicht finde? Immer wieder zitierte Augustinus den Satz. 29 Er war auch Leitlinie für seine ausgiebigen philosophischen Studien, die er vor und neben der Niederschrift seines Erstlingswerks „Über das Schöne und Angemessene“ trieb. Ciceros „Akademische Bücher“, die in den Umkreis des „Hortensius“ gehörten, arbeitete er so gründlich durch, dass er sie noch zwölf Jahre später aus dem Gedächtnis zitieren konnte, als er selbst seine drei Bücher „Gegen die Akademiker“ verfasste. Die undogmatische Skepsis der Neuen Akademie, die Cicero dort vertrat, zog auch seinen begeisterten Leser an. Von ihr war der Schritt nicht weit zu der Frage, wie es mit der Wahrheit stünde, die die Manichäer sich und ihren „Hörern“ unermüdlich einhämmerten. 30 So manchen Glaubensgenossen, an den sich Augustinus mit seinen aufkommenden Zweifeln wandte, stürzte er in Verlegenheit. Wieder und wieder hörte er die Ausrede, er möge sich doch an Bischof Faustus wenden, der demnächst von Rom kommend Karthago besuche. Der werde alle seine Schwierigkeiten ausräumen. Von Faustus’ Klugheit und dem Charme
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seiner Persönlichkeit waren alle Gemeindemitglieder so begeistert, dass Augustinus selbst sich schließlich beruhigte: „Morgen werde ich es entdecken. Pass auf, klar und deutlich wird es werden. Pass auf, Faustus wird kommen und alles erklären!“ 31 Ungeduldig wartete der Professor auf die Ankunft des Bischofs, und er wurde zunächst nicht enttäuscht. Faustus hielt vor der Gemeinde nicht nur eine vorzügliche Predigt, er schlug auch alle durch sein anziehendes Wesen in Bann. Der Rhetoriklehrer Augustinus musste ihm dafür die besten Noten geben. Leider verhinderte die Menge der Gläubigen, dass er ihm die Sachfragen stellen konnte, die ihn umtrieben. Daher bat er um eine persönliche Begegnung, die ihm gewährt wurde. Begleitet von einigen Freunden suchte er den Bischof auf, und jetzt folgte die große Enttäuschung: Der Mann, der nicht nur Bischof war, sondern unter den „Auserwählten“ den höchsten Rang einnahm, den des „Lehrers“ oder „Gelehrten“, zeigte sich lediglich in der Grammatik beschlagen. Seine Literaturkenntnisse beschränkten sich auf einige Ciceroreden, ein wenig Seneca, dazu ein paar Dichter und manichäische Traktate, aber auch nur diejenigen, die lateinisch geschrieben waren. Einfach falsch war das Lob seiner Anhänger, er sei „in allen hohen Wissenschaften äußerst bewandert und ganz besonders in den Freien Künsten gebildet“. Sie hatten sich die ganze Zeit „durch seine verlockende süße Rede“ hinters Licht führen lassen. 32 Offensichtlich hatte der Manichäer – Sohn armer Eltern aus dem numidischen Städtchen Milev, dem heutigen Mila – sich nie Ciceros Forderung zu Herzen genommen, Beredsamkeit und Weisheit müssten zusammengehen: „Denn Beredsamkeit ist nichts anderes als Weisheit, die aus einem reichen Vorrat spricht.“ Cicero hatte den Grundsatz im Anschluss an die Griechen ausgiebig in seinen Schriften zur Rhetorik begründet. Nur eine Auswahl seiner Reden zu lesen war eben zu wenig. 33 Im Gespräch mit Augustinus versuchte Faustus zunächst, seine Wissenslücken zu überspielen, musste sie dann aber nach dessen bohrenden Fragen selbst zugeben. Die Liebenswürdigkeit, mit der er das tat, versöhnte den Enttäuschten fast wieder mit ihm. Doch der Abstand zum Manichäismus, der sich schon vorher angedeutet hatte, war größer geworden. Er ging nicht so tief, dass sich Augustinus der Bitte des Bischofs versagt hätte, mit ihm wissenschaftliche Lektüre insbesondere zur Kosmologie zu treiben, von der die Manichäer so viel faselten. Der Ältere wollte etwas von dem nachholen, was er versäumt hatte, und nannte einige Werke, deren Titel ihm bekannt waren. Wenn er allerdings gehofft hatte, durch seinen Umgang den Schwankenden wieder fester an seine Religion zu binden, so misslang ihm die Absicht. 34 Augustinus ließ es sich auch nicht nehmen, die öffentlichen Streitgespräche zu verfolgen, die ein eifernder Christ namens Elpidius mit den Mani-
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chäern führte. Der Kritiker zerpflückte ihre Behauptung, die Schriften des Neuen Testaments seien von Unbekannten verfälscht worden, die Christentum und jüdische Gesetzesreligion vereinigen wollten. Da die Angegriffenen nicht in der Lage waren, eine unverfälschte christliche Urschrift beizubringen, musste Augustinus dem Angreifer im Stillen Recht geben. 35 Andererseits dachte er noch nicht an eine grundsätzliche Abrechnung mit dem Manichäismus und an sein großes Werk, dem er den Titel „Gegen Faustus“ geben sollte. Seine Gedanken richteten sich auf ein näherliegendes Ziel: Rom. Ein wenig trug Monnica dazu bei, dass er sich nicht mehr „in der großen Teufelsschlinge namens Faustus“ verfing. 36 Die Mutter war zu ihrem bald dreißigjährigen Sohn nach Karthago gezogen, und stets wenn im Haus der Name Mani fiel, schossen ihr die Tränen in die Augen. 37 „Ströme aus Mütteraugen, mit denen sie den Boden tränkte“, und Gebete, mit denen sie zu Gott flehte, waren auch Monnicas Waffen, die ihren Sohn entweder von seinen Reiseplänen abbringen oder ihn bewegen sollten, sie mit nach Italien zu nehmen. Doch Gott war nicht bereit, einen der beiden Wünsche zu erfüllen, und Augustinus war es auch nicht. Neun Jahre lang hatten 250 Kilometer zwischen ihm und seiner Mutter gelegen, und er war in der Zeit ganz gut ohne sie ausgekommen. Sein Alltag ließ ihm wenig Zeit, sich in Sehnsucht nach ihr zu verzehren. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als die Aufdringliche mit einer Notlüge abzuschütteln: Er wolle einen Freund verabschieden, der auf günstige Winde warte, um in der kommenden Nacht in See zu stechen, teilte er ihr eines Abends mit. Sie möge doch währenddessen in der in der Nähe gelegenen Märtyrerkirche des Stadtheiligen Cyprianus auf seine Rückkehr warten. Der Freund war kein anderer als er selbst, der heimlich alles für seine Abreise vorbereitet hatte. Monnica wartete vergebens auf seine Rückkehr.38 Den Verrat an der Mutterliebe zählte Augustinus später zu den schwersten Sünden, die er begangen hatte. War seine Bekehrung nicht auch ein Teil der Wiedergutmachung an der Mutter und ihrem unerschütterlichen katholischen Glauben? Ein anderer Teil waren sicher die literarischen Denkmäler, die er ihr in seinen Werken setzte. So mancher Mann merkte erst in den Vierzigern, wie teuer ihm seine Mutter war, die er in früheren Jahren von sich gestoßen hatte. Im Augenblick jedoch entschuldigte sich der Flüchtling eher damit, dass er mit seiner heimlichen Trennung einem berühmten Vorbild folgte, das zudem noch am selben Ort gespielt hatte: Auch Aeneas, der Held seiner Schultage, dessen Bild er sich so manches mal vor Augen stellte, hatte im vierten Buch von Vergils Aeneis die verliebte karthagische Königin schnöde sitzen lassen und war nachts abgesegelt. Er musste ein göttliches Schicksal erfüllen und Stammvater Roms werden, der Stadt, zu der nun auch sein Bewunderer aufbrach: Männer, die Höheres im Sinn haben, kön-
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Augustinus verlässt Karthago über das Meer.
nen eben nicht immer Rücksicht auf Frauengefühle nehmen. Daher wurde der „fromme“ Aeneas für Dido zum „grausamen“, der pius zum ferus. Als Augustinus’ Schiff den Hafen verließ, war für ihn das Epos, das er sooft memoriert hatte, zur Lebenswirklichkeit geworden. Sein Verhalten war eine Verbeugung vor dem größten römischen Dichter. Wie dessen Aeneas die Haltetaue seines Schiffes mit dem Schwert durchhieb, so durchschnitt er das Band zu seiner Mutter.39 Dem Verfasser der „Bekenntnisse“ erlaubte das späte Reuegeständnis vor Gott und der fünf Jahre zuvor verstorbenen Mutter nicht mehr, die heidnische Parallele, die seine gebildeten Leser ziehen würden, in Worte zu fassen. Sein Schweigen durchbrach er nur einmal in einer vagen Andeutung, die er gegenüber seinem Freund Nebridius machte: Wenn er seine Phantasie schweifen lasse, schrieb er ihm, halte er sich unter anderem die Gestalt des Aeneas vor Augen, und er frage sich, wie der sich auf eine bestimmte Weise verhalten habe. 40 Ein Unterschied zu Vergils Darstellung beruhigte ihn, als die Küste Africas in der Dunkelheit verschwand: Nie würde die gute Katholikin Monnica so weit gehen wie die karthagische Königin Dido und sich ein Schwert in die Brust stoßen. Daher war leider nicht auszuschließen, dass sie ihn eines Tages in Italien heimsuchen würde. Vorläufig jedoch kehrte die bitter Enttäuschte nach Thagaste zu ihrem gewohnten Leben zurück. Sie wäre nicht die Mutter gewesen, die ihren Sohn liebte, „ja noch viel mehr als viele Mütter liebte“, wenn sie sich von ihm losgesagt hätte. Im Gegenteil: Nachdem sie genug über seine Grausamkeit geschimpft hatte, begann sie wieder für ihn zu beten. 41 Noch einen anderen lieben Menschen stieß Augustinus vor den Kopf: seinen Gönner Romanianus, der ihn bisher so großzügig in Thagaste und
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in Karthago gefördert hatte. Ihm verschwieg er seinen Umzug nach Rom ebenfalls. Dass der ihm, als er davon erfuhr, nicht die Freundschaft kündigte, rechnete Augustinus dem Älteren hoch an. 42 Böse Zungen verbreiteten später das Gerücht, Augustinus sei geflohen, weil er als Manichäer vom Proconsul Messianus verurteilt worden sei. 43
Die römischen Provinzen Numidia und Africa proconsularis
V. Das römische Zwischenspiel Am 12. März 370 erließ Kaiser Valentinian I. in seiner Residenz in Trier ein Hochschulgesetz für die Stadt Rom und sandte es an den Stadtpräfekten Olybrius, der aus einer christlichen Adelsfamilie stammte. Das Gesetz war in der steifen, verschachtelten Diktion gehalten, die in der spätantiken Kanzleisprache üblich war: 1 „Alle, die in die Hauptstadt zum Studium kommen, müssen zunächst beim Vorstand der Steuerbehörde das Schreiben ihrer Provinzstatthalter vorlegen, die ihnen die Reiseerlaubnis erteilt haben, damit ihr Herkunftsort, Geburtsstand und der erforderliche Leumund verbucht werden. Zweitens haben sie sofort bei ihrer Anmeldung anzugeben, welche Fächer sie in erster Linie studieren wollen. Drittens muss die Steuerbehörde sorgfältig ihre Quartiere inspizieren, ob sie sich dem Studium widmen, das sie angegeben haben. Dieselbe Steuerbehörde soll nachdrücklich darauf achten, dass die einzelnen sich in den Unterrichtsstunden so benehmen, wie es sich gehört, sie, die wissen müssen, dass sie einen schimpflichen und unehrenhaften Ruf zu meiden haben sowie Verbindungen, die, wie wir meinen, nicht weit weg von Gesetzwidrigkeiten sind. Ferner sollen sie nicht dauernd Schauspiele besuchen oder zu Gelagen gehen, die zur Unzeit stattfinden. Schließlich verleihen wir auch die Disziplinargewalt, sodass, wenn sich einer nicht so in der Hauptstadt aufführt, wie es die Würde der Freien Künste erfordert, er öffentlich ausgepeitscht, sofort auf ein Schiff verfrachtet und aus der Stadt geworfen wird, um sich auf den Heimweg zu machen. Denjenigen aber, die sich fleißig ihren Studien widmen, erlauben wir, in Rom bis zu ihrem 20. Lebensjahr zu bleiben. Wer jedoch nach dieser Zeit willentlich versäumt zurückzugehen, soll von der Präfektur belangt werden und noch schandbarer zurückkehren. Damit aber diese Bestimmungen nicht allzu nachlässig befolgt werden, soll Euer Ehren die Steuerbehörde ermahnen, dass sie Monat für Monat die Ankömmlinge so wie diejenigen, die je nach Jahreszeit nach Africa oder in die anderen Provinzen zurückzuschicken sind, in Listen verzeichnet, diejenigen ausgenommen, die Verpflichtungen in Berufsverbänden haben. Ähnliche Listen müssen auch jährlich an unsere hochlöblichen kaiserlichen Büros geschickt werden, damit wir beurteilen können, ob und wann einzelne aufgrund ihrer verdienstvollen und erfolgreich beendeten Studien uns zu Diensten sein können.“ Es war ein strenges Reglement, das Kaiser Valentinian für die Studenten in Rom festlegte. Die Stadt hatte zwar längst ihre ehrwürdige Stellung als das politische Zentrum des Reiches verloren. Aber in dessen Westhälfte war sie immer noch die bedeutendste Universitätsstadt. Eltern, die ihren
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Augustinus kommt in Ostia an.
Sohn dorthin schickten, sollten wissen, dass er die bestmögliche Ausbildung bekam, wenn er sie denn bekommen wollte. Rom, die Stadt der Bildung, durfte ihren Ruf nicht durch ein leichtlebiges Studentenvölkchen ruinieren. Das war die eine Absicht, die der Kaiser mit drakonischen Strafen zu erreichen suchte. Doch er dachte nicht nur an die Eltern und die künftige Schicht gebildeter Provinzialen. Wichtiger war ihm sein Ziel, das er im Schlusssatz ansprach: Aus den tüchtigsten römischen Studenten, die ein straffes, vierjähriges Studium zwischen dem sechzehnten und zwanzigsten Lebensjahr absolviert hatten, wollte er sich seine hohen Beamten auswählen. Eine Karriere im Kaiserdienst war verlockend genug, um sich während des Studiums anzustrengen. Die Reichsverwaltung sollte in den Händen einer Elite liegen, die dank ihrer gleichen Ausbildung und ihres in Rom gewachsenen Corpsgeistes einen hohen einheitlichen Standard garantieren würde. Unausgesprochen, aber naheliegend war Valentinians Annahme, mit seinem Gesetz werde er zugleich die besten Professoren aus den Provinzen für diese Aufgabe gewinnen. Wer schon nicht von der altehrwürdigen Metropole angezogen wurde, die unter den Städten des Reiches immer noch den ersten Rang einnahm, den würde die Arbeitsmoral bildungsbeflissener Studenten locken, die vom Kaiser gefördert und von der Stadtverwaltung überwacht wurde. Ihn würden keine Rabauken aus Africa ärgern, denen Valentinian namentlich und vor den anderen Provinzialen die Relegation androhte, weil sie nicht nur die größte auswärtige Studentengruppe bildeten, sondern auch für ihr freches Benehmen berüchtigt waren. Zu denen, die Augustinus zuredeten, nach Rom zu gehen, dürfte insbesondere sein Freund Alypius gehört haben, der sich bereits in der alten Hauptstadt befand. 2 Es scheint, als habe der Rechtsstudent in einem Brief sogar als Lockmittel das Hochschulgesetz zitiert, das Valentinian dreizehn Jahre zuvor erlassen hatte, und der zögernde Ältere habe dadurch den
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letzten Anstoß erhalten: „Denn ich erfuhr, dass die jungen Leute dort ruhiger studierten und durch strengere Zucht und Ordnung daran gehindert wurden, allenthalben dreist in den Unterricht eines Lehrers einzubrechen, den sie gar nicht hatten, und dass sie nicht zugelassen wurden, wenn der es ihnen nicht erlaubte.“ 3 Hohe Erwartungen nahm Augustinus von Karthago mit, obwohl er nicht genau wusste, wie sich seine Lehrtätigkeit anlassen werde. Nach der Ankunft wurde er jedoch erst einmal schwer krank. Er sei dem Tod nahe gewesen, schrieb er später. Zum Glück gab es in Rom eine manichäische Untergrundgemeinde, und einer ihrer „Hörer“, der reiche Römer Constantius, nahm ihn in sein Haus auf, wo er sich auskurieren konnte. 4 Eine Trostlektüre während der Krankheit waren ausgerechnet neuplatonische Schriften über die Skepsis, mit denen er sich schon in Karthago befasst und dabei eine gewisse Distanz zur manichäischen Lehre gewonnen hatte. Kaum genesen versuchte er erfolglos, die Skepsis seinem Gastgeber zu vermitteln. Ihrem freundlichen Verkehr tat das keinen Abbruch, und so mochte man in der manichäischen Gemeinde auch nicht an einen endgültigen Bruch glauben. 5 Da er keine städtische Professur hatte, begann Augustinus nach der Genesung eifrig, Studenten zu werben und in seiner Wohnung zu unterrichten. In Karthago hatte er auch so begonnen. Vielleicht rührte Alypius die Trommel für ihn, oder der römische ‚Großordinarius‘ Hierius gab ihm einige Schüler ab, um sich für das Buch „Über das Schöne und Angemessene“ zu bedanken, das ihm der Verfasser geschickt hatte. Wenn ja, zeigte er ihm damit, dass er die Konkurrenz des jungen Kollegen nicht fürchtete. Die wenigen Hörer zu Beginn waren von dem Professor aus Africa so beeindruckt, dass sich sein Ruf verbreitete und die Zahl der Studenten zunahm. Ihr Benehmen war tatsächlich besser als das ihrer Kommilitonen in Karthago. Valentinians Verordnung vom Jahr 370 tat ihre Wirkung. Das war die erfreuliche Seite. Die unerfreuliche Seite merkte Augustinus kurze Zeit später. Sie hätte der Kaiser gewiss in seinem Gesetz ausdrücklich unterbunden, wenn sie ihm damals schon zu Ohren gekommen wäre: Um am Ende eines Studienabschnitts das Honorar nicht bezahlen zu müssen, taten sich die Studenten zusammen und wechselten vorher geschlossen zu einem anderen Lehrer. Diese Unverschämtheit hatte Augustinus in Karthago nie erlebt. Den angestellten und von der Stadt bezahlten Professor hätte ein solches Verhalten in Karthago auch weniger getroffen. Aber dem ‚Privatdozenten‘ ging das schäbige Benehmen seiner römischen Hörer an die Existenz. Noch in der Erinnerung musste der Bischof Augustinus an sich halten und sich seine seelsorgerliche Aufgabe, die Menschen zu bessern, ins Gedächtnis rufen, um den ‚Zechprellern‘ ihre „schmutzige Gewinnsucht“ zu verzeihen. 6
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Sorgen machte Augustinus auch sein jugendlicher Freund Alypius. Nach dem Rhetorikunterricht in Karthago studierte er in Rom fleißig die Rechte, als ihn ein unglückliches Erlebnis zurückwarf. Hatte ihn der Zufall in Augustinus’ Hörsaal von seiner Leidenschaft für Wagenrennen im Zirkus geheilt, so war es wieder ein Zufall, der ihn in eine noch bedenklichere Leidenschaft stürzte: Eines Tages begegnete er nach dem Essen einigen Freunden und Mitstudenten, die auf dem Weg zu einem Gladiatorenkampf im Amphitheater waren. Sie zwangen ihn mitzukommen, und er, der seine Schwäche kannte, setzte sich mit geschlossenen Augen auf einen der noch freien Plätze; seinen Körper könnten sie zwingen, nicht aber seinen Geist und seine Augen, sagte er zu seinen Begleitern. Als jedoch die Zuschauermassen während eines Kampfes plötzlich aufschrien, schlug er neugierig die Lider auf und sah fasziniert auf das Blut, das in der Arena floss. In diesem Augenblick war es um ihn geschehen, und als er mit seinen Kommilitonen das Theater verließ, war er zu einem noch größeren Aficionado geworden als sie und blieb es. Wieviel Geld, Zeit und Energie das Alypius kostete, sagte Augustinus nicht. Er schloss jedoch mit dem tröstlichen Ausblick, sein Freund sei später geheilt worden.7 Alypius brachte dennoch seine juristische Ausbildung so erfolgreich zu Ende, dass ihn der Vorsteher der Steuerbehörde für Italien zum assessor berief, zum rechtskundigen Beisitzer in Prozessen. Seinen Namen nannte Augustinus nicht. 8 Ein Fall unter seinem Vorsitz erregte besonders Aufsehen: Wahrscheinlich wegen Steuerhinterziehung war ein hohes Mitglied des römischen Senats angeklagt worden. Dank seiner Verbindungen hoffte der mächtige Mann, ungeschoren davonzukommen, und möglicherweise wäre der Richter eingeknickt. Doch das Rechtsgefühl des frischgebackenen Juristen Alypius sträubte sich. Vielleicht berief er sich auch auf das Gesetz, mit dem Kaiser Valentinian ein halbes Jahr nach der Hochschulverordnung von 370 dem Stadtpräfekten Olybrius befahl, Korruption und ungesetzliche Absprachen im Prozesswesen zu unterbinden. 9 Alypius ließ sich weder durch Bestechungsversuche erweichen noch durch die Drohung, er möge sich den einflussreichen Prozessgegner nicht zum Feind machen. Der wurde am Ende verurteilt, aber der feige Vorsteher verschanzte sich in der Urteilsbegründung hinter dem ablehnenden Votum seines Beisitzers. Für Alypius wäre ein Freispruch Anlass gewesen, sein Amt niederzulegen. Den Ruf der Gesetzestreue wollte er auch danach nicht aufs Spiel setzen: Fast hätte ihn sein Wissensdurst dazu getrieben, Gerichtsgebühren zu verwenden, um sich Bücher zu kaufen. Doch er beherrschte sich.10 Seine Unnachgiebigkeit im Prozess musste er allerdings büßen: Kein Richter gab ihm mehr eine Assessorenstelle, und kein Privatmann suchte ihn auf, um sich juristischen Rat zu holen oder sich von ihm vor Gericht verteidigen zu lassen. Gewiss rächte sich der Senator auf die Weise für seine Niederlage. 11
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Augustinus unterrichtet Rhetorik in Rom; Ankunft einer Gesandtschaft aus Mailand.
Augustinus’ Studenten mochten sich diebisch freuen, dass sie den Africaner mit seinem merkwürdigen Akzent hereingelegt hatten. 12 Ihm nachsagen, er sei ein schlechter Lehrer gewesen, konnten sie ehrlicherweise nicht. Aber ob ihre Meinung je zu denen dringen würde, die in Rom über die Festanstellung eines bezahlten Rhetoriklehrers entschieden? Vorläufig blieb dem Geprellten nur übrig, im kommenden Winterhalbjahr 384/85 erneut Privatstunden anzubieten und seine Hörer im Voraus zu bitten, ihn dieses Mal nicht übers Ohr zu hauen. Sich über Wasser zu halten vermochte er nur, weil ihn sein reicher und großzügiger Hauswirt Constantius unterstützte. Er dürfte es auch gewesen sein, der seinen Gast eines Tages auf eine Chance aufmerksam machte, die zu dessen großer Lebenswende führen sollte. Zu erhoffen blieb allerdings im Augenblick nur eine berufliche Wende. Vielleicht sprach der strenge Manichäer Constantius dem Skeptiker Augustinus gegenüber sogar von der „Vorsehung Gottes des Vaters“, auf die sich einst auch Mani für seine Sendung berufen hatte. 13 In Mailand, das Rom als Kaiserresidenz längst abgelöst hatte, war die Stelle eines städtischen Rhetoriklehrers zu besetzen. Der zuständige Sachbearbeiter in der Zentralverwaltung wandte sich an den amtierenden römischen Stadtpräfekten Symmachus mit der Bitte, einen geeigneten Kandidaten auszuwählen. Er schickte eine Bescheinigung mit, die zur kostenlosen Fahrt mit dem kaiserlichen Kurierdienst berechtigte, der sonst den hohen Beamten und dem Militär vorbehalten blieb.14 Constantius erfuhr davon. Er empfahl Augustinus, sich zu bewerben und den erforderlichen Probevortrag zu halten. Gleichzeitig ließ er seine Beziehungen zur Stadtpräfektur spielen. Augustinus erhielt eine Einladung, trug seine Rede vor und bekam die Stelle.15 Das Auswahlgremium überzeugte sich, dass
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der Bewerber „sowohl aufgrund seines Lebenswandels als auch seiner Beredsamkeit für die Ausbildung junger Menschen geeignet sein werde“, wie es ein Gesetz vom 11. Januar 364 verlangte.16 Der Erfolg vor dem Stadtpräfekten Symmachus war für den Rhetoriklehrer aus Africa ein Ritterschlag. Denn Quintus Aurelius Symmachus gehörte nicht nur zu den führenden Männern des römischen Senats, er war auch Mittelpunkt des literarischen Lebens in Rom, und vor allem: er war selbst ein hervorragender Redner. Als Vertreter des Senats hatte er in den Jahren 368–370 in drei Lobreden vor Kaiser Valentinian und seinem Sohn und Mitherrscher Gratian sein Talent bewiesen. Decimus Magnus Ausonius, Rhetoriklehrer aus Burdigala (Bordeaux), Erzieher des späteren Kaisers Gratian, schließlich Prätorianerpräfekt und Konsul, verglich den Redner etwas zu schmeichelhaft mit Demosthenes, Cicero und Vergil.17 Im Jahr 373/74, während Augustinus’ Studienzeit in Karthago, hatte Symmachus als Proconsul die Provinz Africa verwaltet. Wenn er seine Residenz in der Stadt verließ, mochte ihn der Student gelegentlich gesehen haben. Persönlich begegnet waren sie sich wohl kaum. Denkbar ist eher, dass der Proconsul, der in Africa ausgedehnte Ländereien besaß, gelegentlich von dem jungen Rhetorikprofessor gehört hatte, nachdem dieser von seinem späteren Amtsnachfolger Vindicianus als Sieger in einem literarischen Wettbewerb ausgezeichnet worden war. Obwohl entschiedener Verehrer der alten Götter, pflegte Symmachus auch die Verbindung zu Christen, etwa zu dem mit ihm verwandten Bischof Ambrosius von Mailand. Mit ihm kreuzte er Ende des Jahres 384 die Klinge, als er in Mailand vergeblich den jungen Kaiser Valentinian II. bat, den Altar der Göttin Victoria in der Kurie des Senats wieder aufstellen zu dürfen. 18 Für Augustinus gehörte der Tag, an dem ihm der Heide Symmachus, wahrscheinlich gegen eine Reihe von Mitbewerbern, die Professorenstelle in Mailand zusprach, zu den schönsten seines bisherigen Lebens. Dennoch blieb er in den „Bekenntnissen“ vergleichsweise bescheiden und schweigsam. Dankbar verabschiedete er sich von Constantius, der später, von den Manichäern enttäuscht, sein „katholischer christlicher Bruder“ wurde.19 Sollte Symmachus den Bewerber gefragt haben, ob er Glaubensgenosse des Manichäers sei, der ihn empfohlen hatte, so wird Augustinus an die liebgewonnene akademische Skepsis gedacht und nachdrücklich mit Nein geantwortet haben. Die Frage lag nahe, weil das Triumvirat der Kaiser Gratian, Valentinian II. und Theodosius 381 und 382 den Manichäern in zwei Gesetzen strenge Beschränkungen auferlegt hatte. 20 Der gewiefte Senator Symmachus war auch nicht so blind, im Redelehrer Augustinus den Helfer zu sehen, der die schwindende Zahl der Mailänder Heiden verstärken werde.
VI. Der Professor in Mailand Am 23. Mai 376 regelte Kaiser Gratian in einem Gesetz die staatlichen Vergütungen, die Grammatik- und Rhetoriklehrer in den Städten Galliens erhalten sollten. Die Einkünfte wurden in annonae angegeben, eigentlich Getreiderationen, die nach einem bestimmten Schlüssel in Barzahlungen umgerechnet wurden. Griechische und lateinische Grammatiker erhielten demnach aus der Staatskasse jährlich zwölf annonae, Rhetoren vierundzwanzig annonae. Für ausgewählte Spitzenkräfte, die in der Residenzstadt Trier unterrichteten, gab es eine ‚Hauptstadtzulage‘ : für die lateinischen Grammatiklehrer, nicht jedoch die griechischen, waren das acht annonae, für die Rhetoriklehrer sechs annonae. Dazu kamen die Gehälter aus dem Stadtsäckel, deren Höhe der Kaiser den einzelnen Städten ausdrücklich freistellte. Von den Studiengebühren schwieg der Gesetzgeber. Auch sie werden von Stadt zu Stadt unterschiedlich gewesen sein.1 Der Beruf des staatlichen Lehrers der Rhetorik war auch deswegen begehrt, weil er seit langem mit Steuerfreiheit und Befreiung von öffentlichen Lasten verbunden war. Konstantin der Große hatte diese Privilegien ausdrücklich in zwei Gesetzen bestätigt. 2 Als Augustinus nach dem Ende der Sommerferien 384 in Mailand sein Amt antrat, war er mit einem Mal seine finanziellen Sorgen los. Er mietete ein geräumiges Haus, und da der Besitzer anderswo wohnte, durfte er auch den zugehörigen Garten benutzen. 3 In den „Bekenntnissen“ eröffnete er den neuen Lebensabschnitt allerdings nicht mit diesen Alltäglichkeiten, sondern nannte sogleich die Persönlichkeit, die für seine geistige Zukunft wichtig wurde: „Und ich kam nach Mailand zu Bischof Ambrosius“. 4 Das war ein Vorgriff, der für längere Zeit nur bedingt richtig war. Ambrosius, der aus dem römischen Senatsadel stammte und dessen verstorbener Vater Prätorianerpräfekt der gallischen Provinzen gewesen war, stand seit einem Jahrzehnt an der Spitze der katholischen Kirche der Residenzstadt. 5 Als Statthalter der Provinz Aemilia-Liguria war er an seinem Amtssitz von den Mailänder Christen 374 zum Bischof gewählt worden, obwohl er nicht einmal die Priesterweihe empfangen hatte. Mittlerweile war er einer der mächtigsten, wenn nicht der mächtigste Kirchenfürst im Westen des Reiches. Mit dem 383 ermordeten Kaiser Gratian hatte er auf gutem Fuß gestanden und ihm auf seine Bitte hin mehrere theologische Werke verfasst. Als der zwölfjährige Valentinian II. nach dem Tod seines Halbbruders Gratian Alleinherrscher über den Westteil des Reiches wurde, empfahl ihn seine Mutter Justina sogar der Obhut des Bischofs. 6 Die Hofbürokratie musste mit Ambrosius rechnen, sooft Verwaltungsmaßnahmen lokale oder
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allgemeine Belange der katholischen Kirche berührten. Allerdings klagte er gelegentlich selbst, er wisse nicht, was am Kaiserhof vorgehe.7 Auch die Bestallung des Rhetorikprofessors Augustinus ging an Ambrosius vorbei. Andernfalls hätte er sich im heimatlichen Rom gewiss nach der Religion des Kandidaten erkundigt und rasch Widerspruch gegen den in manichäischen Kreisen bestens bekannten Africaner eingelegt. Stand doch zu befürchten, dass er der Jugend in Mailand, um deren katholische Erziehung der Bischof bemüht war, nicht nur die Kunst der Rede beibringen, sondern sie in seinen Vorlesungen auch mit gefährlichen häretischen Äußerungen verderben werde. Ambrosius’ heidnischer Verwandter Symmachus, der in den folgenden Jahren mehrere Bitt- und Empfehlungsbriefe an ihn richtete, fühlte sich 384 ebenfalls nicht bemüßigt, ihn über die Kriterien zu benachrichtigen, nach denen er sich für Augustinus entschieden hatte. 8 Augustinus mochte den Namen Ambrosius schon einmal gehört haben. Aber nicht der Bischof interessierte ihn, sondern der Redner, „der auf der ganzen Welt als einer der besten bekannt war“. 9 Er würde sich in Zukunft selbst davon überzeugen, ob Ambrosius seinen Ruf verdiente. Diese Absicht, die er sich auf der Reise nach Norden vorsagte, war der nächstliegende Anlass für den obigen einleitenden Satz: „und ich kam nach Mailand zu Bischof Ambrosius.“ Einmal in der Stadt angekommen konnte es gar nicht ausbleiben, dass ihm immer wieder der Name des Bischofs begegnete, der nicht nur im kirchlichen, sondern auch im öffentlichen Leben fast schon die Rolle eines Stadtherrn spielte. Zunächst nahm den Neuling jedoch der Beruf in Anspruch. Zu den Pflichten des Professors für Rhetorik gehörte, bei Feierlichkeiten des Hofes oder der Stadt die Festrede zu halten. Ein Anlass wurde Augustinus bald nach der Ankunft mitgeteilt: Am 1. Januar des folgenden Jahres werde der Heermeister Flavius Bauto Konsul werden. Sein Kollege im Ostteil des Reiches werde Arcadius in Konstantinopel sein, der Sohn und Mitregent des Kaisers Theodosius. Dass der neue Konsul an diesem Tag eine Dank- und Lobrede auf den Kaiser hielt, hatte eine lange Tradition. Der Panegyrikus des jüngeren Plinius vom Jahr 100 war nicht nur das bekannteste, sondern zugleich das stilbildende Beispiel. Aber Bauto war, wie sein ursprünglicher Name verriet, ein Franke, von dem man nicht erwarten konnte, er werde die Tradition fortsetzen. Also war der neue staatliche Rhetoriklehrer gefordert. Die Aufgabe war delikat, und das nicht nur wegen der Abstammung des zu Ehrenden. Trotz seines römischen Bürgerrechts, das sein Familienname Flavius dokumentierte, war er nach konservativer Auffassung immer noch ein barbarus. Am Kaiserhof und beim Adel hatte Bauto sich während seines Aufstiegs zum Heermeister viele zu Feinden gemacht, die ihm seine Macht neideten oder sie fürchteten. Die beiden Briefe, die ihm Symmachus während des Konsulats schrieb, waren
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Augustinus begegnet vornehmen Mailändern.
ein beredtes Zeugnis.10 Den Bischof Ambrosius verärgerte er, weil er im Herbst 384 zu denen gehörte, die Valentinian II. aufforderten, er möge Symmachus und dem Senat erlauben, die Victoriastatue in der Kurie wieder aufzustellen.11 Ob Bauto mehr Christ oder mehr Heide war, wusste man nicht genau. Zu den Themen im rhetorischen Unterricht gehörten die Mittel und Wege, wie man in einer Lobrede gefährliche Klippen umschiffte und selbst dort schöne Worte machte, wo es eigentlich nichts zu sagen gab oder wo der Redner bei einem Teil des Publikums leicht Stirnrunzeln hervorrufen konnte. Zum Glück für Augustinus bot Bautos erfolgreiche militärische Laufbahn Stoff genug, um ihn als großen, mehr noch, als den größten römischen Feldherrn herauszustellen. 383 war er dem gallischen Usurpator Magnus Maximus, der in Italien einfallen wollte, an den Alpenpässen entgegengetreten, und 384 hatte er suebische Juthungen, die Rätien heimsuchten, mit hunnischen und alanischen Hilfstruppen vertrieben.12 Zahlreiche Hörer, unter ihnen sicher Kaiser Valentinian und die hohen Beamten am Hof, folgten den Ausführungen des Festredners. 13 Alle waren von Augustinus’ Kunst beeindruckt, sodass der Wunsch laut wurde, er möge auch die Rede zum zehnjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers am kommenden 22. November halten. Vielleicht gab Valentinian selbst den Anstoß. 14 In den „Bekenntnissen“ überging Augustinus die Rede auf Bauto, nicht dagegen die Preisrede zu Ehren Valentinians, denn auf sie und auf das Lob, das sie ihm einbrachte, war er besonders stolz. Aber weil Stolz auf
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den Beifall der Menschen eine Sünde ist, wie er in einem eigenen späteren Kapitel der „Bekenntnisse“ ausführte, fühlte er sich bemüßigt, seinen damaligen Erfolg und die eigene Kunst nachträglich schlecht zu reden: Er habe in die Verherrlichung Valentinians zahlreiche Lügen gepackt, um sich die Gunst derer zu verschaffen, denen diese Lügen nicht entgingen.15 Andererseits: Welche großen Taten gab es denn von einem vierzehnjährigen unselbständigen Knaben auf dem Kaiserthron zu berichten, der von der Kaiserinmutter Justina gegängelt wurde? Man konnte eingangs die Leistungen seiner Vorfahren aufzählen und die guten Anlagen in den Himmel heben, die sie ihrem Nachkommen vererbt hatten. Danach dessen eigene Politik zu rühmen war ein Eiertanz. Die anwesenden hohen Beamten, die an den politischen Entscheidungen im Kaiserhaus beteiligt waren, wussten das, und sie zollten dem Redner ihre Anerkennung für das Geschick, mit dem er sich seiner Aufgabe entledigt hatte. Er war die geeignete Stimme, deren man sich bei ähnlichen Anlässen wieder bedienen würde. Augustinus konnte sich fortan einiger „hochgestellter Freunde“ rühmen. Wieviel diese Freundschaften wert waren, musste sich zeigen, wenn er sie zum Anlass für eine Bitte nehmen würde.16 Unter den Zuhörern, die sich zum kaiserlichen Thronjubiläum versammelten, befand sich gewiss Bischof Ambrosius, der sich als Diplomat um Valentinians Herrschaft große Verdienste erworben hatte: Zweimal war er in dessen Auftrag nach Trier gereist, um Friedensverhandlungen mit dem Usurpator Magnus Maximus zu führen.17 Hatte Augustinus erfahren, dass Ambrosius kommen werde, und war er deswegen vor seinem Auftritt so aufgeregt, dass sein Herz „wegen dieser Sorgen stöhnte und unter fiebrigen Ohnmachtsgedanken raste“? Denn inzwischen hatte er den Bischof predigen hören und wusste aus eigener Erfahrung, dass ihm ein Meister des Wortes gegenübersitzen werde. Auf dem Weg zur Festfeier war dem Festredner ein Bettler begegnet, den der Alkohol in fröhliche Stimmung versetzt hatte. Für einen Augenblick beneidete er ihn, und vor seinen Begleitern verfluchte er seinen Ehrgeiz, der ihn von den kleinen billigen Freuden des Lebens abhielt. 18 Auch als ihm nach dem Vortrag ein Stein vom Herzen fiel, vergaß er die Episode nicht. Aber würde er jetzt noch mit dem Bettler tauschen wollen, nachdem er sich so gut geschlagen hatte und sich unter den Rednern der Residenzstadt als die Nummer Eins fühlen durfte? Persönlich war Augustinus dem ‚Fürstbischof‘ Ambrosius inzwischen begegnet. Bald nachdem er in Mailand eingetroffen war, hatte er Gelegenheit, sich ihm vorzustellen. Ambrosius empfing ihn mit der väterlichen Freundlichkeit des volksnahen Bischofs. Aber mehr als die üblichen höflichen Worte, er freue sich über die Ankunft des Professors, sprach er nicht. Wenn Augustinus fortan Zeit hatte, Ambrosius’ Predigten oder öffentliche Reden zu verfolgen, analysierte er für sich dessen vielgerühmte
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rhetorische Kunst. Bisher hatte ihm als Muster eines einnehmenden Redners der manichäische Bischof Faustus gegolten, der mit Witzen und Schmeicheleien das Publikum auf seine Seite zog. Solche Mätzchen hatte der Aristokrat Ambrosius nicht nötig. Er schlug die Hörer mit der „Anziehungskraft“, der suavitas, seiner Rede in Bann.19 Cicero hatte in der Schrift „Die Redeteile“ aufgezählt, welche Themen ein Redner behandeln müsse, um „Anziehungskraft“ zu entfalten: „Erstaunliche und spannende Dinge, unvermutete Lösungen und eingestreute Gemütsbewegungen, direkte Reden und Gegenreden, Schmerzempfindungen und Zornesausbrüche, Ängste, Freuden und Leidenschaften.“ 20 Aufbau und Stil, Wortwahl und Satzbau, Haltung und Intonation des Redners – all diese Äußerlichkeiten studierte Augustinus an Ambrosius. Sie hatte er auch seinen Studenten beizubringen. Die Inhalte, die der Bischof vermitteln wollte, überhörte er zunächst. Von ihnen würde er in seinen Vorlesungen ja ebenfalls nicht handeln. Was kümmerte ihn, wenn Ambrosius auf die Unterschiede zwischen Katholiken und Arianern zu sprechen kam? War die Frage, ob Christus Gott gleich oder ungleich, ob er ihm ähnlich oder unähnlich war, nicht ein Streit um Worte über ein Problem der Metaphysik, das kein Mensch zu lösen vermochte? War Auxentius, der Vorgänger des Ambrosius, nicht Arianer wie die Kaiserin Justina? In Mailand gab es eben zwei christliche Konfessionen. So sehr den Skeptiker Augustinus die Form von Ambrosius’ Reden begeisterte – „ihrem Inhalt stand ich uninteressiert und voll Verachtung gegenüber“. 21 Doch gehörten in einer guten Rede nicht Form und Inhalt zusammen? Hatte Augustinus sich dieses Credo Ciceros nicht schon als Student in Karthago zu eigen gemacht? Erst recht merkte er auf, wenn Ambrosius von der Wahrheit seines katholischen Glaubens sprach. Mit dem Anspruch auf Wahrheit hatten ihn ja einst die Manichäer geködert, und er war jahrelang überzeugt gewesen, dass ihre Wahrheit die wahre sei. Als kluger Professor konnte er zumindest einmal probehalber beide Wahrheiten miteinander vergleichen. Dazu aber musste er nicht nur für das Wie, sondern auch für das Was in den bischöflichen Verlautbarungen seine Ohren – in den „Bekenntnissen“ sagte er: sein Herz – öffnen. 22 Ein weiterer Anstoß, das zu tun, kam von unerwarteter Seite: Eines Tages tauchte überraschend Monnica in Mailand auf. Noch immer tat dem Sohn leid, wie er sich im Hafen von Karthago mit Lug und Trug von ihrer Mutterliebe befreit hatte. Jetzt war die Gelegenheit gekommen, sein schlechtes Gewissen ein wenig zu entlasten. Er tat es mit dem Geständnis, er sei kein Manichäer mehr. Er befinde sich aber zurzeit auf der Suche nach der Wahrheit, weshalb er auch noch kein Katholik sei. Monnicas Begeisterung über ihren Wahrheitssucher hielt sich in Grenzen. Doch immerhin hatten ihre Tränen und Gebete einen Teilerfolg errungen. Noch vor ihrem Tod, so pro-
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phezeite sie, werde daraus ein voller Erfolg werden. Hatte sie auf dem Weg nach Italien mit ihrer Prophezeiung nicht ebenfalls Recht behalten? Ihr Schiff war in einen Sturm geraten, und sie ermutigte die ängstlichen Matrosen, ein Traumgesicht habe ihr versichert, sie würden sicher ihr Ziel erreichen. Bibelkundige erinnerte die mutige Reisende an den Paulus der Apostelgeschichte, dem nach einer Havarie zwischen Kreta und Malta nachts ein Engel erschien und der daraufhin der Besatzung und den Passagieren versprach, keinem werde ein Haar auf seinem Kopf verloren gehen. 23 Als Monnica erfuhr, ihr Sohn höre regelmäßig die Predigten des Bischofs Ambrosius, wusste sie, welchem Helfer sie sich andienen müsse. Fortan versäumte sie kaum einen seiner Gottesdienste, und wenn er predigte, hing sie an seinen Lippen, „an der Quelle, deren Wasser sich in das ewige Leben ergießt“. Ambrosius erschien ihr „wie ein Engel Gottes“, der ihren Augustinus bestimmt auf den rechten Weg führen werde. 24 Bald fiel dem Bischof die fromme Africanerin auf, die nun auch begann, die Märtyrergräber rings um die Stadt zu besuchen, um dort, wie in ihrer Heimat üblich, Brei, Brot und Wein als Totenopfer niederzulegen. Gern schloss sie sich einer Gruppe von Märtyrerverehrern an und teilte mit ihnen, was sie an Ess- und Trinkbarem mitbrachte. Sie selbst blieb beim Alkohol stets mäßig, was man nicht von allen Teilnehmern an solchen Gedenkfeiern sagen konnte. Die Auswüchse veranlassten Ambrosius, Speise- und Trankopfer an Gräbern überhaupt zu untersagen, und Monnica gehorchte ohne Murren. 25 Stattdessen versorgte sie arme Gottesdienstbesucher, was dem Bischof, der selbst nach Kräften das soziale Elend der Großstadt Mailand bekämpfte, sehr viel besser gefiel. Offensichtlich hatte sie in Thagaste Besitz verkauft oder verpachtet, brauchte daher ihrem Sohn nicht auf der Tasche zu liegen und konnte Ambrosius durch gute Werke beeindrucken. Sooft der Kirchenmann daher in der Folgezeit Augustinus über den Weg lief, stimmte er ein Loblied auf Monnica an und beglückwünschte ihn, dass er diese Frau zur Mutter habe. Welcher Sohn hätte das aus solchem Mund nicht dankbar gehört? Bei seinem Dank verschwieg Augustinus, dass Ambrosius ihm mit seinen Predigten zwar Stoff zum Nachdenken gab, er aber keineswegs der Meinung war, von ihm schon die reine Wahrheit gehört zu haben. Noch überwog beim Professor die Skepsis. Würde sich das je ändern? Er habe sich in einer Krise befunden, beschrieb er nachträglich seinen damaligen Zustand, und er sei sich nicht sicher gewesen, nach welcher Richtung sich die Krise entwickeln werde. 26 Eine Rückkehr zum Manichäismus war für den staatlich angestellten Professor auch deswegen ausgeschlossen, weil zwei Jahre zuvor Kaiser Gratian noch einmal Bestrafung all denen angedroht hatte, „die es einst vorgezogen haben, den unsäglichen Geheimlehren und verbrecherischen Abspaltungen der Manichäer zu folgen“. 27
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Augustinus spricht mit dem Heiligen Ambrosius.
Vielleicht konnte Ambrosius dem Suchenden im persönlichen Gespräch weiterhelfen. Gern hätte Augustinus daneben erfahren, wie der gestandene Mann aus dem römischen Hochadel mit dem Zölibat fertig wurde. Einen verbiesterten Eindruck machte er nicht. Auch war seine asketische Lebensweise, von der man sich in der Stadt erzählte, der beste Beweis, dass ihm sein Ansehen und seine Macht nicht zu Kopf gestiegen waren. Stärker noch als von der Verehrung, die die Mailänder Katholiken ihrem Bischof entgegenbrachten, war Augustinus von der Aufwartung beeindruckt, die ihm Standesgenossen seiner Herkunft nach machten, die nach Mailand kamen oder am Kaiserhof arbeiteten. Mehrmals beschloss er, Ambrosius um eine Unterredung zu bitten, und machte sich auf den Weg zu seinem Haus, dessen Tür stets offen stand. Doch immer stieß er dort auf eine Schar von Bittstellern, die dem Seelsorger ihre Anliegen vortrugen. Gelegentlich hatte er Glück und war der Erste in der Schlange. Dann sah er Ambrosius im Empfangsraum sitzen und konzentriert in einem Buch lesen. Fasziniert beobachteten er und die nachfolgenden Besucher den stummen Leser, und keiner wagte, ihn zu stören. Still entfernten sich alle nach einer Weile. 28 Dass jemand beim Lesen nicht wie üblich den Text
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halblaut mitsprach, hatte Augustinus noch nie erlebt. Auf dem Heimweg machte er sich Gedanken über die ungewohnte Methode: Wollte sich Ambrosius nicht ablenken lassen und vermeiden, dass ihn ein Zuhörer unterbrach und bat, eine Stelle zu erläutern? Oder wollte er bei der knappen ihm zur Verfügung stehenden Zeit möglichst viel lesen und zog daher die stumme, weil schnellere Lektüre vor? Oder wollte der Redner seine Stimme schonen, die ihm zuweilen den Dienst zu versagen drohte? Augustinus hätte noch hinzufügen können, dass es Ambrosius mehr auf den Inhalt des Gelesenen ankam als auf die Sprachkunst des Verfassers. Zu ihr gehörten nicht nur Wortwahl und Satzbau, sondern vor allem die Klauseln, die rhythmischen Satzschlüsse, die man beim lauten Lesen genoss. Schließlich grub sich ein Text, den man hörend las, auch leichter ins Gedächtnis ein. 29 Die folgenden Begegnungen blieben ebenfalls flüchtig und unverbindlich. Wollte Augustinus daher doch einmal so weit kommen, dass er „alle Knoten trügerischer Verkehrtheiten“ zu lösen vermochte, blieb ihm nichts übrig, als Sonntag für Sonntag Ambrosius’ Gottesdienst zu besuchen und den Inhalt seiner Predigten zu studieren. Eines Sonntags sprach Ambrosius über Genesis 1,25: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild.“ In Karthago war Augustinus einst in Verlegenheit geraten, als Manichäer ihre Ablehnung des Alten Testaments mit diesem Vers begründeten und spotteten, ob man sich demnach Gott als Mensch mit Haaren und Nägeln vorzustellen habe. Schon damals war ihm das Argument reichlich primitiv vorgekommen. Jetzt erfuhr er von Ambrosius, dass er sich mit seinem Vorbehalt in völligem Einklang mit der Lehre der Kirche befand, die selbstverständlich ebenfalls nie eine anthropomorphe Gottesvorstellung vertreten hatte. Ein wenig rührte sich im Zuhörer das verschüttete christliche Erbe, das er als Kind mitbekommen hatte. 30 Sollte er nicht wieder einmal die Heilige Schrift zur Hand nehmen, die er vor Jahren in jugendlicher Überheblichkeit verächtlich beiseite gelegt hatte? Ambrosius fordert ihn mit seiner exegetischen Methode heraus. Wieder und wieder zitierte der Prediger das Pauluswort aus dem Zweiten Korintherbrief: „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“. Wenn folglich der Text, beim Wort genommen, unverständlich sei oder die Bibel sich in Widersprüchen zu verheddern scheine, müsse man nach dem tieferen geistigen Sinn fragen, um so zur Glaubenswahrheit vorzudringen. Aber Glauben ist nicht Wissen, wandte Augustinus im Stillen ein, um sich dann zu korrigieren: Glaubt der Mensch nicht auf Schritt und Tritt? Er nimmt gutgläubig anderen Menschen historische Ereignisse ab, die er selbst nicht erlebt hat. Ihn überzeugen Berichte über Länder und Städte, die er noch nie mit eigenen Augen gesehen hat. Sogar die eigene Herkunft muss er den Eltern glauben. Intellektuelle Redlichkeit gebietet daher zunächst einmal, der Heiligen Schrift ebensowenig den Glauben zu
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Augustinus und Alypius hören den Heiligen Ambrosius predigen.
versagen und unvoreingenommen an die Lektüre heranzugehen. Besitzt deren einfache sprachliche Form, die ihn früher abgestoßen hat, nicht den unschätzbaren Vorteil, dass sie für jedermann verständlich ist, ohne ihren tieferen Sinn zu verlieren? Wenn dem aber so ist, dann muss ein Gott sich in ihr geoffenbart haben, der sich um die Menschen kümmert: „Das also glaubte ich damals bald stärker, bald schwächer.“ Noch schwankte Augustinus. Aber er hatte einen weiteren kleinen Schritt zurück zum Glauben seiner frühen Jahre getan. 31 Wenn der Zuhörer Augustinus sonntags aus der Kirche nach Hause ging, mündete sein Selbstgespräch, das soliloquium, in die Diskussion mit Freunden. 32 „Denn wer ein wissenschaftliches Gespräch über das führt, was das Wahre ist, unterscheidet es durch das Gespräch vom Falschen“. 33 Das war bester Platon, der in seinem „Staat“ Sokrates verkünden ließ, im Gespräch miteinander gelange man allein durch das Wort, den logos, zum Wesen der Dinge, „zu dem, was ein jedes ist“. 34 Einer der Freunde war Flavius Mallius Theodorus, der in kaiserlichen Diensten bis zum Prätorianerpräfekten – dem höchsten zivilen Verwaltungsbeamten – aufgestiegen war und sich zwischen zwei Amtszeiten in seiner Heimatstadt Mailand aufhielt. Im Lauf seiner Karriere hatte er eine
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africanische Provinz verwaltet und vielleicht damals Augustinus’ Bekanntschaft gemacht. Dazu kam nun die gemeinsame Beschäftigung mit Plotin und mit der Frage, wie sich die platonische Philosophie zum Christentum verhalte. Theodorus hatte ebenfalls Predigten des Ambrosius („unseres Bischofs“) gehört und war danach wie Augustinus zu der Überzeugung gekommen, „man dürfe, wenn man an Gott denke, überhaupt nicht an irgendetwas Materielles denken, ebensowenig bei der Seele, die unter allem, was existiert, Gott am nächsten sei“. Augustinus erinnerte ihn daran in der Einleitung zu seiner Schrift „Über das glückliche Leben“, die er dem Freund widmete. 35 Obwohl Augustinus in seinem „Revidierten Werkverzeichnis“ bedauerte, Theodorus, „der gelehrte Christ“, sei in der ihm gewidmeten Schrift zu gut weggekommen, meinte er in den „Bekenntnissen“ schwerlich ihn mit dem „ungeheuer aufgeblasenen Schwellkopf“, der ihm Schriften der Platoniker in der lateinischen Übersetzung des Marius Victorinus empfahl. Wieder einmal verschwieg er Namen, um nicht Männer zu verewigen, die ihm später nichts mehr bedeuteten. Immerhin führte ihn seine Lektüre zu der Erkenntnis, dass manche platonischen Gedanken mit dem Eingang des Johannesevangeliums übereinstimmten. 36 Er war nicht der Erste, der die Übereinstimmung feststellte. Der Priester Simplicianus, Freund und Nachfolger des Ambrosius, dem Augustinus wenig später begegnete, zitierte einen Platoniker, der vorgeschlagen hatte, in allen Kirchen Johannes’ Eingangsworte mit goldenen Lettern an sichtbarer Stelle anzubringen. 37 Simplicianus beglückwünschte ihn auch, dass er gerade die Bücher derjenigen platonischen Philosophen gelesen habe, „in denen auf jegliche Weise von Gott und seinem Wort die Rede sei“. 38 Nicht ohne Hintergedanken erzählte Simplicianus dem Professor für Rhetorik, wie er in Rom den berühmten Philosophen und Rhetor Marius Victorinus auf seinem Weg zum Christentum begleitet habe: Der heidnische Redelehrer, der die noch weitgehend heidnische römische Aristokratie unterrichtete, habe im hohen Alter angefangen, die Bibel und die Kirchenväter zu lesen. Daraufhin habe er eines Tages Simplicianus gestanden, er sei innerlich Christ geworden. Da er aber in der Öffentlichkeit aus Rücksicht auf seine heidnischen Freunde nichts von seiner Bekehrung verlauten ließ, wollte ihm der andere nicht eher glauben, als bis er ihn in einer Kirche gesehen habe. Ironisch habe ihm Victorinus entgegnet: „Machen also Wände die Christen aus?“ Der Redner übertrug eine berühmte Diskussion über das Wesen des Staates auf das Verhältnis von Glauben und Kirche. 39 Das Geplänkel zwischen ihnen wiederholte sich mehrmals. Doch mit der Zeit bekam Victorinus Angst, Christus werde ihm einst seine Feigheit nicht verzeihen. Der gelehrteste Mann Roms, dessen Statue der Senat auf dem Forum aufgestellt hatte, ging mit Simplicianus in die Kirche und
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wurde Katechumene. Am Tag der Taufe sprach er vor der jubelnden Gemeinde mit lauter Stimme das Glaubensbekenntnis. Entrüstet hatte er zuvor das Angebot der Priester abgelehnt, die einen Skandal in der paganen römischen Gesellschaft vermeiden wollten und ihm deshalb eine stille Tauffeier im kleinen Kreis vorschlugen. 40 Als der abtrünnige Kaiser Julian im Jahr 362 ein Gesetz erließ, das christliche Lehrer vom höheren Unterricht ausschloss, gab Marius Victorinus lieber sein Rhetorenamt auf, als sein Christentum zu verleugnen. 41 Simplicianus hatte Augustinus richtig eingeschätzt. Die Erzählung von Victorinus’ Bekehrung beeindruckte ihn so stark, dass er den Wunsch verspürte, sofort seinem Beispiel zu folgen. Doch blieb es zunächst beim Wunsch. Augustinus spürte, wie zwei Willen, ein alter fleischlicher und ein neuer geistiger, in seinem Innern miteinander rangen. Der alte Wille behielt im Augenblick die Oberhand, weil er sich mit der Macht der Gewohnheit verband. 42 Die Gewohnheit: das war neben der Lehrtätigkeit das Leben im häuslichen Kreis. Zu ihm gehörten mittlerweile neben der Konkubine, dem Sohn Adeodatus und der Mutter Monnica auch Augustinus’ Bruder Navigius und seine beiden Vettern Lartidianus und Rusticus. Vielleicht hatten die drei jungen Männer bereits Monnica von Thagaste nach Mailand begleitet, oder sie waren ihr gefolgt in der Hoffnung, Augustinus, der es bisher von allen Familienmitgliedern am weitesten gebracht hatte, werde in der Residenzstadt etwas für ihre Karriere tun können. Beispiel waren ihre Mitbürger Ponticianus und Euodius, die ab und zu bei ihren Landsleuten vorbeischauten. Ponticianus hatte am Kaiserhof eine hohe Stellung erreicht, und Euodius arbeitete im kaiserlichen Kurierdienst. Aus Thagaste waren zudem die Studenten Trygetius und Licentius, der Sohn des alten Gönners Romanianus, eingetroffen. Alypius, der in Rom keine Stellung und keine Aufträge mehr bekommen hatte, war danach sofort mit Augustinus nach Mailand gereist, und auch ihr Freund Nebridius schloss sich ihnen wenig später an.43 Augustinus war pater familias eines respektablen Haushalts geworden. Keiner Rede wert waren ihm die Sklaven, die dazu gehörten. Das offene Haus des Rhetoriklehrers und die anregenden Gespräche, die dort geführt wurden, sprachen sich herum. Einer der Gäste war der Grammatiklehrer Verecundus, ein Mailänder Bürger, den bald das herzlichste Verhältnis mit Nebridius, Augustinus und Alypius verband. Nebridius folgte seiner Bitte und unterstützte ihn als Aushilfslehrer.44 An der Tagesordnung waren nicht nur philosophische Diskussionen. Immer wieder einmal kam man in deren Verlauf auch auf die Irrungen und Wirrungen des alltäglichen Daseins zu sprechen. „Gemeinsam stimmten wir, die wir freundschaftlich zusammenlebten, Klagen darüber an.“ 45
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Die Verhältnisse in der größer und lauter werdenden Residenzstadt, wo sich ein heftiger Streit zwischen Arianern und Katholiken anbahnte, gaben dazu genügend Anlass. Warum nicht alle Brücken abbrechen und eine Kommune von etwa zehn Freunden gründen, in der man ein Leben in beschaulicher gemeinsamer Muße führen konnte? Jeder würde zum Unterhalt das einbringen, was er besaß. Aus den unterschiedlichen Anteilen würde ein gemeinsamer Fond gebildet, den zwei Mitglieder jeweils ein Jahr lang als Geschäftsführer verwalteten. Sie sollten selbständig alle anfallenden Aufgaben erledigen. „Freunde haben alles gemeinsam“, lautete ein altes, gern zitiertes Sprichwort. Pythagoras soll es geprägt und in einer Hausgemeinschaft mit seinen Schülern erstmals verwirklicht haben. Das Gemeinschaftsgut habe er einzelnen Teilnehmern, den „Politikern“, anvertraut, die sich in „Ökonomen“ und „Gesetzgeber“ teilten. In Augustinus’ Haus dachte man als Vorbild jedoch eher an die Akademie Platons, der als erster das Ideal des „kontemplativen Lebens“, des bíos theoretikós, hochgehalten hatte. Sein Schüler Aristoteles ergänzte, dass der es besser habe, der ein solches Leben zusammen mit Gefährten führe. 46 Der eifrigste Befürworter des Plans wurde Augustinus’ Freund und Gönner Romanianus. Er war kurz zuvor in Mailand eingetroffen, weil ihn geschäftliche Schwierigkeiten zwangen, die kaiserliche Verwaltung aufzusuchen. Er war sogar bereit, seinen riesigen Besitz zur Verfügung zu stellen. Doch dann begann die Planung zu stocken. Die Frage war aufgekommen, wie man es mit Frauen halten solle. Denn einige Freunde waren verheiratet, und andere hatten vor zu heiraten. Würden die „Frauchen“ (mulierculae), Ehefrauen und Verlobte, geduldig warten, ob und wann ihre Philosophen wieder einmal zu ihnen kämen? Wohl kaum, lautete die realistische Antwort, an der das Projekt schließlich scheiterte. 47 War das stille Begräbnis eines hochgestimmten Plans der Grund, warum Augustinus nicht verriet, dass er als erster auf den Gedanken gekommen war, eine Philosophengemeinschaft zu gründen, zu der er auch gleich eine Verfassung entwarf? Ebensowenig deutete er in dem Zusammenhang an, dass er zu denen gehörte, die die Absicht hatten zu heiraten. Seine stille Absicht besagte zumindest, dass er bei seinem Plan nicht an ein sehr naheliegendes Vorbild gedacht hatte: die auch im Westen des Reiches aufblühenden Klöster. Er wollte ja eine Philosophengemeinschaft, keine Gebetsbruderschaft gründen. Auch wusste er damals noch nicht, dass vor Mailands Toren ein Kloster bestand. Platon erwähnte er allerdings ebenfalls nicht, und genauso wenig Pythagoras, als er auf dessen bekanntes Sprichwort vom gemeinsamen Besitz unter Freunden anspielte. 48 Alypius wäre der ideale Genosse in einer künftigen Lebensgemeinschaft von Männern gewesen, die die Begeisterung für die Philosophie verband. Ohne je einen Gedanken an eine Frau zu verschwenden, wäre er ganz „in
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der Liebe zur Weisheit“ aufgegangen. Augustinus wunderte sich oft, wie ein normaler junger Mann so enthaltsam leben konnte. Er selbst machte dem Freund gegenüber keinen Hehl daraus, dass ihn „die Gewohnheit, seine unersättliche Begierde zu befriedigen“, so heftig bedränge, dass er es ohne regelmäßigen Geschlechtsverkehr nicht aushalte. Wenn Alypius dazu nur missbilligend den Kopf schüttelte, erwiderte ihm Augustinus, der andere könne nicht mitreden. Er habe keine Ahnung von den Genüssen des Fleisches, oder er habe sie vergessen, nachdem seine Erfahrungen, die er als Heranwachsender auf diesem Gebiet gemacht habe, zu flüchtig und zu unbefriedigend gewesen seien. Das lasse sich ändern, überlegte Alypius nach diesem Einwand, blieb sich dann aber doch treu. Lieber redete er Augustinus ins Gewissen, sooft der jetzt davon sprach, er wolle sein Vergnügen endlich in einer ordentlichen Ehe ausleben; rechtmäßige Nachkommen zu zeugen liege ihm dabei weniger am Herzen. Enttäuscht hielt ihm Alypius vor, der Plan einer Philosophengemeinschaft sei damit endgültig gestorben. Das sah Augustinus anders und war nicht um das Beispiel großer Männer verlegen, die durch ihre Ehe weder am Philosophieren noch an der weiteren Pflege ihrer Freundschaften gehindert worden seien. 49 Von anderen Freunden bekam Augustinus dagegen Rückenwind für seine Ehepläne. War doch Heiraten für einen Professor in den Dreißigern, der in Amt und Würden war, wahrlich nicht zu früh. Als er der Mutter seine Absicht andeutete, war sie begeistert, zumal sie hoffte, er werde seiner Heirat die Taufe folgen lassen. Seit langem war sie überzeugt, wenn sie Gott darum bitte, schicke er ihr prophetische Träume. War ihre nächtliche Vision, als das Schiff auf ihrer Reise in Seenot geriet, nicht der beste Beweis? Neugierig bat ihr Sohn sie jetzt, ob sie etwas über seine künftige Ehe in Erfahrung bringen könne. Doch sie musste ihn trotz eifrigen Betens enttäuschen. Für ihn weit vorauszuschauen war bald auch nicht mehr nötig. Denn wenig später regelte er selbst durch eine Verlobung seine eheliche Zukunft. Ein junges Mädchen hatte es ihm angetan, und als Monnica, scharfäugig wie alle Mütter, die Verliebtheit ihres Sohnes bemerkte, tat sie ihr Bestes, damit er keinen Korb bekam, als er bei den Eltern um die Hand der Angebeteten anhielt. Schließlich war ein staatlich besoldeter Professor in der Residenzstadt eine gute Partie, falls eine Familie nicht durch ihre Tochter in den Senatsadel einheiraten wollte. Nur ein Hindernis stand einer sofortigen Eheschließung im Weg: die Braut war zu jung. Zwölf Jahre war zwar das gesetzliche Mindestalter, in dem Mädchen heiraten durften. Aber vernünftige Eltern warteten lieber, bis ihre Tochter das vierzehnte Lebensjahr erreicht hatte. Das taten auch Augustinus’ künftige Schwiegereltern und erlegten dem Brautpaar eine zweijährige Verlobungszeit auf. Sie nahmen in Kauf, dass der Bräutigam dann noch zwei Jahre älter sein werde. Auch Augustinus war einverstanden, weil er „das Mädchen liebte“. 50
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Doch was war mit seiner Konkubine, die „zum Ehehindernis“ werden würde? Sie hatte wohl stets gehofft, dass sie der Mann, dem sie eineinhalb Jahrzehnte die Treue gehalten hatte und den sie immer noch liebte, eines Tages zu seiner rechtmäßigen Gattin machen und ihren gemeinsamen Sohn legitimieren werde. Ungewöhnlich wäre das trotz des Standesunterschieds nicht gewesen. Heiratete doch mancher, falls er kein Senator war, sogar seine Sklavin oder Freigelassene, mit der er Kinder gezeugt hatte. Nun aber eröffnete ihr Augustinus, er werde in zwei Jahren ein vierzehnjähriges Mädchen zur Frau nehmen. Sein Geständnis machte er nicht, ohne ihr zugleich seine ungebrochene Zuneigung zu beteuern und sie zu bitten, ihm in der Zwischenzeit weiter zur Verfügung zu stehen. Nein, war ihre empörte Antwort, der wahrscheinlich ein heftiger Wortwechsel folgte. Danach packte sie ihre Sachen und reiste in die Heimat. Den dreizehnjährigen Adeodatus ließ sie bei seinem Vater zurück. 51 Augustinus wollte in den „Bekenntnissen“ diesen Einschnitt in seinem häuslichen Leben nicht mit Stillschweigen übergehen. Andererseits verbot ihm sein männlicher Stolz, offen zu zugeben, dass nicht er das Konkubinat aufgekündigt hatte, sondern dass die Konkubine es war, die ihn hatte sitzen lassen. Peinlichkeiten verschleierte man als geübter Rhetor am besten mit einem beschönigenden Passiv: „Und sie, mit der ich das Lager zu teilen gewohnt war, wurde von meiner Seite gerissen“. 52 Seine Männlichkeit bewies er auch durch die Art und Weise, wie er sich über den Verlust hinwegtröstete: Er nahm sich eine neue Konkubine. In der Großstadt Mailand war es nicht schwer, ein armes Mädchen zu finden, das während der zweijährigen Verlobungszeit gegen Kost und Logis den Geschlechtstrieb eines Professors befriedigte. Sie musste sich wohl so manches Mal anhören, wie gut ihre Vorgängerin gewesen war: „Denn meine schwere Wunde, die durch die Amputation der Verflossenen aufgerissen wurde“ – wieder ein vernebelndes Passiv –, „wollte nicht heilen“. Doch dann machte der verlassene Liebhaber die uralte Erfahrung, dass die Zeit alle Wunden heilt, auch wenn bisweilen eine schmerzende Narbe zurückbleibt. Einen bescheidenen Nachruf bekam die Namenlose doch noch: Nach Africa zurückgekehrt habe sie vor Gott das Gelübde abgelegt, von keinem anderen Mann mehr wissen zu wollen. Man hat daraus geschlossen, dass sie in ein Kloster eintrat. 53 Für eine unverheiratete Christin zwischen Zwanzig und Dreißig, die vielleicht keine Angehörigen mehr hatte oder ihnen während des langen Konkubinats fremd geworden war, gab es keine bessere Lösung. Ihr concubinus aber konnte sich mit dem Gedanken trösten, dass er der einzige Mann in ihrem Leben gewesen war. Augustinus beschloss diesen Lebensabschnitt, zugleich die Schwelle zwischen Jugend und vollem Mannesalter, mit einem aufschlussreichen Doppelblick in sein Inneres und auf den barmherzigen Gott: „Mich hielt
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von dem immer tiefer werdenden Strudel meiner fleischlichen Begierden nur die Furcht vor dem Tod und vor deinem künftigen Gericht zurück, die Furcht, die trotz meiner sich wandelnden Auffassung nie aus meinem Herzen schwand.“ 54 Angesichts der damaligen Lebenserwartung war die Todesfurcht für einen Menschen, der die Dreißig überschritten hatte, nicht unbegründet, zumal wenn er wie Augustinus an Atemnot und Brustschmerzen litt. 55 Ein Gegenmittel gegen die Todesfurcht waren mehr noch als das „Übermaß an fleischlichen Genüssen“ die Gespräche, die Augustinus mit seinen liebsten Freunden Alypius und Nebridius führte. Auf den Spuren Platons und Ciceros diskutierten sie über das höchste Gut und höchste Übel und über den Lohn, den tugendhafte Menschen im Jenseits empfangen. 56 Zuversicht hätte ihnen auch die Bibel und der Glaube an die Auferstehung geben können. Aber die Macht der philosophischen Klassiker war vorläufig stärker. Philosophie und Lehrtätigkeit nahmen Augustinus so stark in Beschlag, dass er kaum einen Blick auf die religiösen Auseinandersetzungen werfen konnte, die damals Mailand erschütterten. Was ging ihn an, ob Katholiken oder Arianer in einer der Kirchen der Stadt Gottesdienst feierten, mochte auch Ambrosius mitten in diesem Streit stehen? Der Kaiserhof hatte 385 den Bischof aufgefordert, die vor der Stadt gelegene Basilica Pontiana den Christen arianischen Glaubens zu überlassen, zu dem sich auch der junge Kaiser Valentinian II. und seine Mutter Justina bekannten. Unterstützt von seinen lauthals protestierenden katholischen Anhängern lehnte Ambrosius das Ansinnen ab. Am 23. Januar 386 erließ Valentinian ein Gesetz, das den Arianern freie Religionsausübung zusicherte und allen, die sie daran hinderten, die Todesstrafe androhte. Auch sollte Ambrosius ihnen zusätzlich die Basilica nova übergeben, die innerhalb der Stadt lag.57 In der Karwoche 396 eskalierte der Streit, obwohl Ambrosius sich alle Mühe gab, Blutvergießen zu verhindern. Am Ende musste der Kaiser nachgeben, weil seine Palastwache in einem bewaffneten Kampf um die Basiliken gegen die städtische Masse der Ambrosianer den Kürzeren gezogen hätte. Valentinian verließ danach Mailand für einige Zeit. Augustinus bemerkte in den „Bekenntnissen“ zu dem Streit: „Obwohl sich die Stadt damals in Tumult und Aufruhr befand, ließ mich die Sache kalt, weil mich der Geist Gottes noch nicht entflammt hatte.“ Es gab noch einen Grund für seine Distanz: Monnica. Wohl eher amüsiert beobachtete er, wie seine Mutter schleunigst zu einer der bedrohten Basiliken eilte und dort mit dem gläubigen, „zum Sterben bereiten“ Volk Nachtwache hielt, um eine feindliche Übernahme zu verhindern. Mit Hymnen- und Psalmengesang hielten sie sich wach und machten sich gegenseitig Mut. Von hier aus habe sich der im Osten bereits übliche Kirchengesang überall verbreitet, ergänzte Augustinus. 58 Er überging, dass Ambrosius der fleißigste
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Hymnendichter war und seine nächtliche Gemeinde so manche Uraufführung seiner musikalischen Gebete zu Gehör brachte. Den geistlichen Wert des Psalmengesangs erkannte erst der Priester und Bischof Augustinus, der beobachtete, wie bewegt seine Gemeinde beim Singen war. Er selbst vergoss nach seiner Bekehrung Tränen der Rührung, als erstmals Hymnengesang an sein Ohr drang. Aber er sah auch eine Gefahr darin, dass über der schönen Melodie und den schönen Stimmen, die er sich wünschte, die Aufmerksamkeit für den Text verlorenging. 59 Im Sommer des Jahres 386 zog Ambrosius die Aufmerksamkeit des Rhetorikprofessors aus einem anderen Grund auf sich: Die „Basilika der Märtyrer“ sollte eingeweiht werden, die der Bischof zu seiner Grablege bestimmt hatte, weshalb sie auch Basilica Ambrosiana genannt wurde. Aber noch fehlten für die Einweihung Märtyrerreliquien, auf die das reliquiengläubige Mailänder Kirchenvolk nicht verzichten wollte. Prompt hatte Ambrosius eine Traumvision, in der ihm die Stelle erschien, wo die Leiber der beiden Märtyrer Gervasius und Protasius viele Jahre unerkannt begraben lagen. Die Überführung der Gebeine wurde zu einer Demonstration gegen die arianische Kaiserin Justina, zumal während der Prozession Besessene von Dämonen erlöst wurden. Ein Heilwunder beschäftigte Augustinus besonders, weil es hieb- und stichfest war: Während der Überführung erhielt ein Mann, der viele Jahre blind gewesen war, sein Augenlicht zurück, als er mit dem Tuch, das die Toten bedeckte, seine Augen berührte. Ein Zweifel war nicht möglich. Zu viele Prozessionsteilnehmer hatten das Wunder miterlebt, und Augenzeugen berichteten Augustinus darüber. Noch viele Jahre später diente ihm im „Gottesstaat“ die plötzliche Heilung als Beweis dafür, dass Gott auch in der Gegenwart noch Wunder wirkt. 60
VII. Die Bekehrung Ob auch Gott an ihm ein Wunder wirken werde? Augustinus’ stille Frage war nicht unberechtigt. Denn die letzten zwanzig Tage des ersten Studienhalbjahrs 386 wurden für ihn zur Qual. Fast fürchtete er, die Sommerferien, die mit der Weinlese in der zweiten Augusthälfte begannen, nicht mehr zu erleben. Er bekam kaum noch Luft, die Lunge stach, die Zähne taten ihm weh, und der Magen krampfte sich zusammen. All das ausgerechnet während der heißesten Zeit des Jahres, die in der Großstadt besonders drückend war. Augustinus fühlte sich als Wrack. 1 So ging es nicht weiter. Er musste eine Entscheidung treffen. Seit geraumer Zeit machte ihm auch sein Beruf keine Freude mehr. Zwei Jahre hatte er nun den Mailänder Studenten die Regeln guter Rhetorik beigebracht. Sollte er bis ans Ende seiner Tage Lehrer bleiben? So mancher Rhetor war in kaiserliche Dienste getreten und hatte es zum Provinzstatthalter gebracht oder war bis in die Spitze der Hofbürokratie aufgestiegen. 2 Literarische Bildung war eine wichtige Voraussetzung, vor allem, wenn man zusätzlich von einflussreichen Freunden gefördert wurde. Einige hatte er in der Residenzstadt inzwischen gewonnen. Nicht jeder würde ihm freilich selbstlos helfen. Dem einen oder anderen würde er seinen Wunsch zusammen mit einer größeren Geldspende vortragen müssen. Daher war es nützlich, vorher eine reiche Frau zu heiraten. 3 Mit diesen Plänen habe er sich beschäftigt, um nicht zu schnell im Schoß der Philosophie zu landen, gestand Augustinus später seinem Freund Theodorus. Aber eine echte Alternative boten sie nicht, und bald darauf stürzte er sich wieder in die geistige Arbeit. Die Platoniker, die er studiert hatte, ergänzte er nun durch einige Traktate des auch von Theodorus geschätzten Plotin. 4 Doch wie ihren Wahrheitsgehalt überprüfen? Dazu las er vergleichend das Neue Testament, vor allem die Briefe des Apostels Paulus. Überrascht stellte er im Gottesbild viele Übereinstimmungen fest. Aber das Neue Testament enthielt einen Mehrwert: Von der Gnade eines gerechten Gottes, der seinen Sohn in die Welt sandte, damit er sie durch sein Leiden von der Macht des Todes befreite – davon erfuhr man bei den Platonikern nichts. Bei keinem fand sich die Verheißung: „Kommt zu mir, die ihr mühselig seid“. Gehörte er, der Professor, der immer auf der Suche nach der Wahrheit war, nicht auch zu den Mühseligen? War er nicht ebenfalls einer der Kleinen, denen Gott jetzt endlich offenbarte, „was er vor den Weisen und Klugen verborgen hatte“? Wenn schon Paulus diese Worte Jesu aus dem Matthäusevangelium auf sich bezogen hatte, so schienen sie erst recht auf ihn gemünzt zu sein: „Auf wunderbare Weise drangen sie
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mir, als ich ‚den geringsten der Apostel‘ las, in mein Inneres, und ich betrachtete Dein Wirken und war erschüttert.“ 5 Die Bekehrung also sofort vollziehen und sich taufen lassen? Noch zögerte Augustinus vor dem letzten Schritt: „Während ich das mit mir beredete und die Stürme mein Herz abwechselnd hierhin und dorthin trieben, verging die Zeit und ich zögerte, mich zum Herrn zu bekennen.“ Würde er es endlich tun, so würde er mit seinem bisherigen Leben radikal brechen müssen, folglich auch mit dem, was bisher ein notwendiger Teil seiner männlichen Existenz war: „Denn ich glaubte, ich würde todunglücklich werden, wenn ich die Umarmungen einer Frau entbehren müsste.“ 6 Als sich Augustinus während der letzten Schultage im August 386 wahrscheinlich mit einer Lungen- und Rippenfellentzündung in den Unterricht schleppte, verging ihm jegliche Lust auf eine Karriere im Reichsdienst. Aber es war ihm auch klar: Seine Rhetorikprofessur musste er aufgeben. Bis jetzt hatte er ausgehalten, weil er und seine Angehörigen von etwas leben mussten. Verächtlich sprach er im Nachhinein von seiner Geldgier. An die Eltern seiner Studenten hatte er ebenfalls gedacht, die ihm, wenn er weggehen würde, mit Recht zürnten.7 Doch jetzt versagte sein Körper den Dienst. Er beredete sich mit seinen engsten Freunden, und sie rieten ihm zur Kündigung.8 Ihr Rat enthielt – hoffentlich – das Versprechen, für seinen und seines Hauses Unterhalt mitzusorgen. Am Ende der – bezahlten – Ferien, Mitte Oktober, würde er beim Stadtrat von Mailand um seine Entlassung nachsuchen und ihn bitten, für einen geeigneten Nachfolger zu sorgen. 9 Einem Redelehrer mit Atemnot konnten die Herren den Abschied schlechterdings nicht verweigern. Nachdem der Entschluss einmal gefasst war, fiel Augustinus eine Last von der Seele. 10 Aber die Entscheidung betraf zunächst nur seine berufliche Existenz, seine „weltlichen Geschäfte“. 11 War das Zusammentreffen seiner verschiedenen körperlichen Qualen nur ein Zufall, der willkommene Anlass, die ungeliebte Professur aufzugeben? Die Todesangst, seine alte Begleiterin, war in diesen Tagen noch schlimmer geworden, und in seiner Not suchte er sogar häufig eine Kirche auf.12 Hatte er nicht, als ihn in Kindertagen Bauchkrämpfe schüttelten, voller Todesangst nach der Taufe verlangt? 13 Waren seine jetzigen Schmerzen vielleicht Gottes Geißel, um seine geistige Überheblichkeit zu brechen und seine Zweifel an der göttlichen Wahrheit endgültig zu beseitigen? Selbst zu seinen besten Freunden sprach er wenig von dem Sturm, der in seinem Innern tobte.14 Aus dem Abstand einiger Monate und nachdem er auf dem Landgut Cassiciacum, das ihm sein Mailänder Freund Verecundus zur Verfügung gestellt hatte, wieder gesund geworden war, bemerkte er, dass seine Erkrankung, sein Verzicht auf das Lehramt und seine Bekehrung zusammenhingen. In den drei Dialogen, die er im Herbst und Winter 386 verfasste
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und einzelnen Freunden widmete, kam er darauf zu sprechen. Dem hochgebildeten Theodorus, dem Adressaten von „Über das glückliche Leben“, schrieb er: „So suchte mich ein so großer Brustschmerz heim, dass ich nicht mehr in der Lage war, die Last meines Berufes zu tragen, alles aufgab und mein völlig havariertes Schiff der ersehnten Ruhe zusteuerte.“ 15 In der größten Schrift, den drei Büchern „Gegen die Akademiker“, stellte er seinem Gönner Romanianus, den er von den Manichäern abwerben wollte, sein eigenes Beispiel vor Augen: Auch ihn selbst würden jetzt noch die Gaben dieser Welt locken: „wenn mich nicht der Brustschmerz gezwungen hätte, meinen windigen Beruf aufzugeben und mich in den Schoß der Philosophie zu flüchten“.16 Welche Philosophie, welche „Weisheitsliebe“ er meinte, erklärte er in der dritten Schrift „Über die Ordnung“ seiner Mutter Monnica, der Liebhaberin der biblischen Weisheit: Der Apostel Paulus mahnt im Brief an die Kolosser zwar, sich nicht von der Weisheitsliebe dieser Welt verführen zu lassen. Doch es gibt darüber hinaus noch die Weisheit einer anderen Welt, auf die Christus zielt, der im Johannesevangelium verkündet: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“.17 Seinem Bekannten Zenodotus, mit dem er öfter philosophische Gespräche geführt hatte und dem er den Dialog „Über die Ordnung“ widmete, erklärte er, auch ohne sein Magenleiden, das ihn zur Berufsaufgabe zwang, sei er drauf und dran gewesen, sich dieser Weisheitsliebe zuzuwenden. 18 Fünf Jahre später beschrieb Augustinus in dem kleinen Werk „Über den Nutzen des Glaubens“ (De utilitate credendi) deutlicher den Denkweg, der ihn auf der Suche nach Wahrheit zum Christentum geführt hatte: „Oft schien es mir, man könne sie nicht finden, und meine Gedankenströme wandten sich um Unterstützung an die Akademiker. Wenn ich wiederum häufig darüber nachdachte, was ich und was der menschliche Geist vermag, der so lebendig, so scharfsinnig, so durchdringend ist, glaubte ich nicht, dass die Wahrheit verborgen bleibe. Verborgen bleibe lediglich die Art und Weise, sie zu suchen. Und eben diese Art und Weise müsse man sich von einer göttlichen Autorität holen, weil bei so vielen unterschiedlichen Meinungen jeder verspreche, er liefere jene Wahrheit.“ Augustinus verfasste diesen Rückblick für seinen alten Freund Honoratus.19 Ihn hatte er einst zum Manichäismus bekehrt, und jetzt hoffte er – zunächst vergebens –, der Geehrte werde sich sein Beispiel zu Herzen nehmen und sich ebenfalls dem Christentums zuwenden, das allein die Wahrheit biete. Augustinus verschwieg dem Freund nicht, dass der Weg zur Wahrheit für ihn nicht einfach gewesen war. Denn die unterschiedlichen Meinungen bildeten in seinen Augen einen undurchdringlichen Wald, vor dem er zunächst zurückschreckte. Doch dann habe er unter Tränen immer wieder zur göttlichen Vorsehung gebetet, ihm zu helfen. 20 Dazu seien die Predigten des Ambrosius gekommen, die ihn zu dem von den Manichäern ver-
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teufelten Alten Testament führten. Durch des Bischofs Mund habe ihn Gott vom Irrtum befreit, schrieb er in einem Büchlein „Über das Schauen Gottes“ (De videndo Deo), das er im Jahr 413 für eine Paulina verfasste. 21 Vielleicht teilte er in Mailand Ambrosius auch seinen nächsten Schritt mit: „Und ich beschloss, so lange Katechumene in der Kirche zu sein, der ich von meinen Eltern anheimgegeben war, bis ich finden würde, wonach ich verlangte, oder mich davon überzeugte hätte, nicht mehr suchen zu müssen.“ 22 Es war der Schritt, dessen erste geistige Folge er in den „Bekenntnissen“ mit den Worten beschrieb: „Seitdem zog ich nunmehr die katholische Lehre vor, denn ich spürte, dass ihre Gebote recht bescheiden waren und ganz und gar nicht täuschen wollten.“ 23 Das Katechumenat war eine Zeit der Selbstprüfung und der Belehrung, und Augustinus war es sehr lieb, dass der Katechumene nicht mit seinem bisherigen Lebensstil zu brechen brauchte. Es gab keine Vorschrift, die die Zeit des Katechumenats bis zur Taufe begrenzte, mit der der Ernst des christlichen Lebens begann. Viele warteten und ließen sich erst taufen, wenn es aufs Sterben zuging und keine weltliche Versuchung mehr dem künftigen Seelenheil in die Quere kommen konnte. Auch hatte der Katechumene immer noch die Freiheit, das Katechumenat zu verlassen. Selbst Ambrosius erweckte in seinen Predigten nicht den Eindruck, dass er auf Proselytenfang aus war. 24 Zehn Jahre später wollte sich Augustinus in den „Bekenntnissen“ nicht mehr mit den kurzen Bemerkungen zu seiner Bekehrung begnügen. Die dreizehn Bücher sollten ja nicht nur „den gerechten und guten Gott loben“, wie er im „Revidierten Werkverzeichnis“ gleich zu Beginn erläuterte. Sie sollten auch „des Menschen Geist und Gefühl für diesen Gott begeistern“. Um sein Ziel zu erreichen, musste er sich zur entscheidenden Wende seines Lebens, zugleich der autobiographischen Mitte seines Werkes, ausführlicher äußern. Folglich machte der Rhetor Augustinus die unmittelbaren Schritte, die ihn zur katholischen Kirche zurückführten, zu einem literarischen Glanzstück, das die drei Aufgaben einer den Leser oder Hörer überzeugenden Prosa erfüllten: das Belehren, das auf den Intellekt zielte, sowie das Bewegen und das Erfreuen, die sich beide an den Affekt richteten. Mancher nannte den Bekehrungsbericht ein Stück Weltliteratur, weil er durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder begeisterte Leser fand: 25 In den Tagen, als Augustinus von Schmerzen geplagt wurde und sich entschlossen hatte, seine Professur niederzulegen, kam sein Landsmann Ponticianus zu ihm und zu Alypius zu Besuch, während Nebridius, der andere enge Freund, gerade weggegangen war. Sie setzten sich an einen Spieltisch, und der Gast griff nach einem Buch, das dort lag. Verwundert stellte er fest, dass es die Paulusbriefe waren, und er, der selbst eifriger Christ war, beglückwünschte Augustinus zu seiner Lektüre. Daran schloss
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Augustinus besucht Simplicianus; „Nimm und lies“; Augustinus teilt Monnica seine Konversion mit.
sich eine Unterhaltung, in der Ponticianus auf den ägyptischen Mönch Antonius, seine Bekehrung und seine Wundertaten zu sprechen kam. Augustinus war verblüfft, weil er weder von dem Ägypter noch von Ägyptens blühender Klosterlandschaft bisher gehört hatte. Er wusste noch nicht einmal, dass es vor den Toren Mailands ein Kloster mit zahlreichen Brüdern gab, die von Ambrosius unterstützt wurden. Gespannt hörte er zu, als Ponticianus fortfuhr und ein Erlebnis mit Mönchen bei der Residenzstadt Trier berichtete: Er war mit drei Kollegen, „Freunden des Kaisers“ wie er, nahe der Stadt spazieren gegangen. Zwei von ihnen trennten sich und kamen zu einer Hütte, die Einsiedler bewohnten und in der ihnen eine Lebensbeschreibung des Antonius in die Hände fiel. Der eine las sich fest, und noch während der Lektüre beschloss er plötzlich, seine hohe Stellung am Hof aufzugeben. Auch seinen Begleiter begeisterte er für den Verzicht. Als Ponticianus und der vierte Kollege wieder zu ihnen stießen und hörten, sie wollten nicht länger „Freunde des Kaisers“ sein, sondern „Freunde Gottes“ werden, weinten sie vor Freude. Sich ihnen anschließen mochten sie jedoch nicht. Wohl aber taten das die Bräute der beiden anderen, die Nonnen wurden. 26
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Mit wachsender Erregung war Augustinus den Worten des Erzählers gefolgt. Es erging ihm wie beim Bericht des Simplicianus. Wieder überdachte er sein bisheriges Leben, seine Suche nach Wahrheit und sein Unvermögen, alles hinter sich zu lassen und sich zu der Einen Wahrheit zu bekennen: „So verzehrte ich mich in meinem Innern, und vor lauter Scham war ich ganz durcheinander. … Zurück blieb stumme Angst, die davor zurückschreckte, sich vom Strom der Gewohnheit zu lösen, als sei das der Tod, und gerade dadurch der Todesverwesung entgegenging.“ Nach Marius Victorinus erschütterte ihn das Beispiel der ägyptischen Mönche und der neubekehrten Hofbeamten ein weiteres Mal, ohne ihm den endgültigen Stoß zu geben. 27 Doch viel bedurfte es nicht mehr, wie der erschrockene Alypius feststellte, nachdem Ponticianus gegangen war. Augustinus’ veränderte Gesichtsfarbe und sein Schrei: „Wie können wir das noch ertragen?“, verriet ihm dessen Verstörung. Alypius folgte dem Freund, als der die Paulusbriefe ergriff und in den Garten hinausstürzte. Dort rang er weiter mit sich, entfernte sich schließlich, um allein zu sein, und warf sich unter einen Feigenbaum. Unter Schluchzen stieß er heraus: „Wie lange noch? Wie lange noch das ‚morgen, ja morgen‘ ? Warum nicht gleich? Warum nicht in dieser Stunde meine Schmach beenden?“ In dem Augenblick drang aus dem Nachbarhaus der Singsang einer Kinderstimme an sein Ohr: „Nimm und lies, nimm und lies (tolle, lege, tolle, lege)!“ War das nicht ein Fingerzeig Gottes, so wie Antonius sich einst bekehrte, als er zufällig Jesu Mahnung im Matthäusevangelium hörte, alles zu verkaufen, um einen Schatz im Himmel zu erwerben und dem Gottessohn nachzufolgen? Augustinus eilte zu Alypius, bei dem er die Paulusbriefe zurückgelassen hatte, schlug aufs Geratewohl das Buch auf und stieß auf die Worte: „Nicht in Schwelgerei und Trunkenheit, nicht im Bett und in Unzucht, nicht in Streit und Eifersucht, sondern zieht an den Herrn Jesus Christus, und macht euch keine Sorgen um die Lüste des Fleisches.“ Kaum hatte Augustinus den Satz gelesen: „da strömte gleichsam das Licht der Gewissheit in mein Herz, und alle dunklen Zweifel verschwanden.“ Alypius, der „Bruder seines Herzens“, ließ sich die Stelle zeigen und las weiter bis zu den Worten: „Den Schwachen aber im Glauben nehmt an.“ Die Aufforderung konnte sich nur auf ihn selbst beziehen, und er teilte Augustinus mit, dass er sich jetzt ebenfalls bekehre. Beide eilten sie ins Haus, um Monnica ihre Wandlung mitzuteilen. Voll Freude sprach sie ein Dankgebet. Ihr Sohn war endlich zur „Glaubensregel“ gelangt, wie sie vorausgesagt hatte. 28 Die Historizität der Bekehrungsszene, einer der längsten zusammenhängenden Berichte in den „Bekenntnissen“, hat man ebenso oft verteidigt wie angezweifelt. 29 Sie sei gegenüber den zehn Jahre älteren und kürzeren Angaben zur Bekehrung eine nachträglich stilisierte Fassung, lautete ein Ein-
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wand. Doch Augustinus’ Landsmann Ponticianus und mehr noch der Wahrheitsfanatiker Alypius, die gewiss zu den ersten begeisterten Lesern des Buches gehörten, hätten es dem Freund nicht verziehen, wenn er ihnen bei der folgenreichsten Wende seines Lebens eine Rolle angedichtet hätte, die sie nie gespielt hatten. 30 Als Augustinus im Herbst 397 mit der Niederschrift der „Bekenntnisse“ begann, war er inzwischen Bischof von Hippo geworden und Alypius Bischof ihrer Heimatstadt Thagaste. Wäre Alypius von neugierigen Gemeindemitgliedern, die das Buch ebenfalls gelesen hatten, auf die Bekehrung ihres ehemaligen Mitbürgers Augustinus angesprochen worden, so hätte er den Verfasser korrigieren oder als phantasievollen Literaten entschuldigen müssen. Das wäre für Augustinus umso peinlicher gewesen, als er kurz zuvor seine erste Schrift „Über die Lüge“ herausgebracht hatte, in der er, der Wahrheitssucher, auf strikter Wahrheitsliebe bestand. Und sollte ausgerechnet er selbst in Mailand vorsätzlich gelogen haben, während er gerade dabei war, seinen „Lehrstuhl der Lüge“ aufzugeben? 31 Solche naheliegenden Einwände hätte Augustinus gewiss bedacht, wenn ihm nur daran gelegen hätte, aus seiner Bekehrung eine fromme Geschichte zur Erbauung der Leser zu machen, die mit dem tatsächlichen Ablauf nichts zu tun hatte. Er ahnte, dass sich kleinkarierte Kritiker auf ihn stürzen würden, und beschied sie nach Abschluss der ersten neun Bücher vorab: „Ich kann nicht beweisen, ob das, was ich bekenne, wahr ist.“ 32 Auch literarische Parallelen zur Gartenszene sprechen nicht gegen deren Historizität, etwa die Stimme des unbekannten Kindes, die zum Orakel wurde. Unwillkürliche Äußerungen, die ein unbeteiligter Hörer als Vorzeichen nahm, griechisch klēdónes, kannte bereits Homer, und ein Kindermund, der eine Prophezeiung aussprach, war ebenfalls nicht ungewöhnlich. 33 Als 374 an Ambrosius’ Mailänder Amtssitz ein Kind „Ambrosius zum Bischof“ rief, pflanzte sich der Ruf unter den versammelten Arianern und Katholiken fort, und der Statthalter, obwohl kein Priester, musste der Stimme des Volkes nachgeben, aus der nach alter Auffassung Gottes Stimme sprach. 34 Augustinus wetterte später gegen das Orakelwesen, dem viele Christen immer noch verfallen waren. Doch das beliebte Bibelstechen beurteilte er in Erinnerung an den Garten in Mailand ein wenig milder. 35 Selbstverständlich wiederholte Augustinus nirgends in den „Bekenntnissen“ wortwörtlich, was er oder eine andere Person früher einmal gesagt hatten. Das war bei den Reden in der antiken Literatur nicht anders. Im besten Fall folgten ihre Verfasser dem berühmten Methodenkapitel des Historikers Thukydides und hielten sich „so nah wie möglich an den Gesamtsinn des tatsächlich Gesagten“. Augustinus gab das selbst zu, als er die Sätze niederschrieb, die er schluchzend unter dem Feigenbaum des Gartens stammelte: „… zwar nicht mit diesen Worten, aber in diesem Sinn“. 36
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Ohne besondere Betonung verwies Augustinus in seinem Bekehrungsbericht auf einen Aspekt, in dem sich für ihn durchgehend das Wirken der göttlichen Vorsehung offenbarte: Es war die nicht abreißende Kette von scheinbaren Zufällen. Als Ponticianus eintraf, fehlte zufällig Nebridius, der sich auch nicht wie der Herzensfreund Alypius sofort mit Augustinus bekehrt haben würde. 37 Zufällig lagen die Paulusbriefe auf dem Spieltisch und gaben Anlass zur Geschichte des Antonius. Auf dessen Lebensbeschreibung stießen dann wieder zufällig Ponticianus’ Freunde auf einem Spaziergang und bekehrten sich. Zufällig hörte Augustinus die Aufforderung der Kinderstimme und erinnerte sich, dass sich Antonius bekehrt hatte, nachdem er zufällig auf das Matthäusevangelium gestoßen war, in dem Jesus forderte, alles zu verkaufen und ihm nachzufolgen. 38 Zufällig schlug er schließlich einen Paulustext auf, der ihn und Alypius ebenfalls bekehrte. In der Schrift „Über die Ordnung“, die Augustinus wenige Monate nach der Bekehrung verfasste, legte er dann ausführlich dar, dass es in der belebten wie der unbelebten Natur keinen Zufall gibt: „Doch wer ist geistig so blind, dass er zögert, eine gewisse Sinnhaftigkeit in einer körperlichen Bewegung, die außerhalb menschlicher Verfügung und Willenskraft existiert, zu erblicken und sie einer göttlichen Macht und Lenkung zuzuschreiben?“ Folglich: „Entweder möge man mich belehren, dass etwas ohne Ursache geschieht, oder ihr müsst glauben, dass nichts ohne eine bestimmte Ordnung der Ursachen geschieht.“ 39 Erst recht gab es für Augustinus bei seiner Krankheit oder gar bei der Häufung seiner Krankheiten, die ihm den Berufsverzicht aufzwang, keinen Zweifel mehr, dass Gott auf diese Weise den kräftigsten Anstoß für die anschließende ‚Kettenreaktion‘ gegeben hatte. Der schweigende Gott, an den sich der kleine Abecedarius Augustinus vor mehr als einem Vierteljahrhundert vergeblich gewandt hatte, hätte sich kaum lauter zu Wort melden können. 40 Ponticianus’ Erzählung von Antonius, dem Vater der Mönche, trug nicht nur unmittelbar zu Augustinus’ Bekehrung bei. Sie hatte auch eine Fernwirkung, die sein weiteres Leben mitbestimmte. Während sein Mailänder Plan, eine Lebensgemeinschaft von Philosophen zu gründen, gescheitert war, zeigten ihm die Klöster in Ägypten und Antonius’ Wirken, dass ein gemeinsames Leben und Philosophieren möglich war, sofern es von der wahren, der christlichen Philosophie getragen wurde. Die Doppelbekehrung im Mailänder Garten wurde zur Keimzelle einer christlichen Gemeinschaft, deren erste Niederlassung in Cassiciacum entstand. An Augustinus’ weiteren Lebensstationen Thagaste und Hippo setzte sich die Gemeinschaft fort. Eine nähere Folge war Augustinus’ neues Verhältnis zu seiner Mutter Monnica. Häufig hat man deren Einfluss auf seine gesamte Persönlichkeit
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hervorgehoben. Doch seit er zum ersten Mal sein Elternhaus verlassen hatte, um in Karthago zu studieren, war er stets selbständig seinen geistigen und beruflichen Weg gegangen und hatte sich nie gefragt, was seine Mutter dazu meinte. Erst mit seiner Bekehrung, von der Monnica nach Alypius als erste erfuhr, „war aus ihrem und meinem Leben ein einziges Leben geworden“. Ein gemeinsames Jahr war ihnen noch vergönnt, und nicht eher, als bis sie auf dem Sterbebett lag, „nannte sie mich zärtlich ihren pflichtgetreuen (pium) Sohn und erinnerte mit großer, liebevoller Rührung daran, dass sie aus meinem Mund ihr gegenüber nie ein hartes oder beleidigendes Wort vernommen habe“. 41
VIII. Cassiciacum Besorgt hatte der Freund Verecundus Augustinus’ Gesundheitszustand beobachtet und ihm angeboten, sich auf seinem Landgut Cassiciacum, das nicht allzu weit von Mailand entfernt lag, gründlich auszukurieren. Mit seinem ganzen Hausstand dürfe er dort bleiben, so lange er wolle. Hinter solcher Großzügigkeit müsse Gottes Erbarmen gestanden haben, meinte Augustinus und überzeugte mit seiner Erklärung gewiss Mutter Monnica. 1 Mit etwa zehn Personen brach er gleich zu Beginn der Ferien auf. Zurückbleiben musste nur Augustinus’ zweite Konkubine. Dieses Mal war er es, der ihr den Abschied gab. Denn als Katechumene durfte er nicht hinter dem keuschen Mitkatechumenen Alypius zurückstehen. Dem wären möglicherweise berechtigte Zweifel an der echten Bekehrung seines ‚Bruders‘ gekommen, wenn der in Cassiciacum seinem Geschlechtstrieb weiter nachgegeben und „die keusche Würde der Enthaltsamkeit“ verletzt hätte. 2 So aber fand Augustinus dort Ruhe in Gott und Ruhe „vor dem Brodeln der Welt“. 3 In Cassiciacum entdeckte er den Psalter für sich, und wenn er in Psalm 4 zu Gott betete: „In der Bedrängnis hast Du mir Raum verschafft“, schienen ihm die Worte auf seinen Ferienort gemünzt zu sein. 4 In der ländlichen Umgebung genas Augustinus rasch, und die neue leibliche und seelische Gesundheit beflügelte seinen literarischen Ehrgeiz. Dazu bei trug die Harmonie im Kreis der Angehörigen, wo Monnica ihn nicht länger zu drängen brauchte, er solle endlich seine häretischen Ideen aufgeben. Der christliche Philosoph hätte seine Euphorie nicht besser zum Ausdruck bringen können als durch den Dialog „Über das glückliche Leben“ (De beata vita). Was das Glück des Menschen ausmache und wie es zu erreichen sei, war eines der Standardthemen der griechischen und römischen Philosophie. Den unterschiedlichen Angeboten, welche die einzelnen Philosophenschulen ihren Anhängern machten, hielt der Neubekehrte entgegen: „Wer Gott hat, ist glücklich“. 5 Alle Hausgenossen, die Augustinus am 13. November 386, seinem 32. Geburtstag, und an den beiden folgenden Tagen zum Gespräch versammelte, stimmten ihm zu. 6 Ihre verschiedenen Beiträge fasste er später noch einmal zusammen: „Jeder, der gut lebt, tut das, was Gott will, und jeder, der das tut, was Gott will, lebt gut; denn gut leben bedeutet nichts anderes als das zu tun, was Gott will.“ Über die Bemerkung seines vierzehnjährigen Sohnes Adeodatus, dass Gott hat, wer keinen unreinen Geist hat, war nicht nur der stolze Vater, sondern auch Großmutter Monnica begeistert.7 Ihr begegneten alle Teilnehmer mit Ehrerbietung und bewunderten ihren gesunden Menschenverstand, der sich aus „göttlicher Quelle“ speiste und dem Augusti-
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nus mit Hilfe der sokratischen Hebammenmethode zusätzlich eine philosophische Grundlage gab. 8 Anders als bei den „Bekenntnissen“ dürfte sich die schriftliche Fassung dieses und der übrigen Dialoge dem mündlichen Gespräch enger angeschlossen haben, weil Augustinus einen Protokollanten bestellt hatte, „damit die Winde unsere Bemühungen nicht verwehen“. Auch weitere Äußerungen seines Sohnes waren ihm so wichtig, dass er sie sofort aufzeichnen ließ. 9 Ausdrücklich ergänzte er, Alypius habe an der Diskussion nicht teilgenommen.10 Wahrscheinlich hatte der Freund in Mailand als Rechtsanwalt zu tun. Für die Einkleidung des Dialogs, seine Örtlichkeit und die Zwischenszenen, die Einblicke in den Alltag in Cassiciacum boten, nahm sich Augustinus die Dialoge Platons und Ciceros zum Vorbild mit einem bezeichnenden Unterschied: Es wurde immer wieder gescherzt und herzlich gelacht. Das Christentum war eben keine sauertöpfische Religion.11 Der Christ und Platoniker Theodorus, dem Augustinus den Dialog widmete, wird sich nachträglich darüber gefreut haben. Im „Revidierten Werkverzeichnis“ vermerkte Augustinus, er habe an den drei Büchern „Gegen die Akademiker“ (Contra Academicos) gearbeitet, dann aber eine Pause eingelegt, um das Gespräch „Über das Glück“ zu führen und niederzuschreiben.12 Danach nahm er die Auseinandersetzung mit den Skeptikern in der platonischen Akademie wieder auf. Gegen ihre Zweifel, die jedes Urteil und erst recht jeden Glauben ablehnten, berief er sich auf die absolute Wahrheit, die er im Christentum gefunden hatte. Gewidmet war das Werk seinem alten Förderer Romanianus, den Augustinus einst zum Manichäismus bekehrte und den er nun zurückholen und vom Christentum überzeugen wollte.13 Mit fester Stimme verkündete er daher im Schlussteil des dritten Buches: „Ich bin mir gewiss, überhaupt nirgends von Christi Autorität abzuweichen, weil ich keine stärkere finde. Inzwischen nämlich bin ich so weit gekommen, dass ich ungeduldig danach verlange, das, was wahr ist, nicht nur mit dem Glauben, sondern auch mit dem Verstand zu erfassen. Daher vertraue ich darauf, dass ich bei den Platonikern finden werde, was unserer Religion nicht widerspricht.“ 14 Die Skepsis einzelner Platoniker war also ein Irrweg. Die Versöhnung zwischen Christus und Platon, zwischen Kirche und Akademie war möglich, und an ihr wollte er weiterarbeiten. Der kluge Freund Nebridius schrieb ihm, bald nachdem sie nach Africa zurückgekehrt waren, er hüte alle seine Briefe wie seine Augäpfel, weil aus ihnen Christus, Platon und Plotin sprächen.15 Erstaunt musste Augustinus allerdings feststellen, dass ausgerechnet sein bester Schüler und Freund Alypius Vorbehalte anmeldete. Er kenne ihn offensichtlich nicht gut genug, gestand der Lehrer wenig später in den „Selbstgesprächen“ (Soliloquia). Alypius verlangte sogar, Augustinus dürfe den Namen Jesu Christi in seinen Schriften nicht erwähnen.16 Er machte
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sich für eine wissenschaftliche Voraussetzungslosigkeit stark, mit der er zumindest für die Dauer philosophischer Erörterungen seine Bekehrung im Mailänder Garten ausblendete. Das sah auch Augustinus so, nannte ihn in den „Selbstgesprächen“ aber trotzdem einen Freund Gottes.17 In gewisser Weise waren die zwei Bücher „Über die Ordnung“ (De ordine), die Augustinus ebenfalls noch vor seinem Hauptwerk „Gegen die Akademiker“ abschloss, eine Antwort auf Alypius’ Standpunkt, den er für sich überwunden hatte: Die vielfältigen Ordnungen, die man nicht nur auf Erden und im Weltall entdecken kann, sondern auch in Wissenschaft und Kunst, im persönlichen Leben und im Leben einer Gemeinschaft, werden alle von der einen großen Ordnung umschlossen, die Gottes Vorsehung geschaffen hat. In diese Ordnung gehören sowohl das Gute wie das Böse. Augustinus griff ein Problem auf, das ihm die Manichäer mit ihrem simplen Dualismus nie befriedigend gelöst hatten. Nun erörterte er es erneut mit seinen jungen Schülern Licentius und Trygetius, während Alypiuss zunächst wieder in Mailand war: „Das Böse, das Gott keineswegs liebt, steht nicht außerhalb der Ordnung.“ 18 Der Lehrer ließ Licentius diese Aussage machen, nachdem er zuvor nicht verschwiegen hatte, welche Schwierigkeiten sich daraus für die Vorstellung vom guten Gott ergeben. Vorläufig sah er selbst keine Lösung: „Glaubt es, wenn ihr wollt; denn wie ich es erklären soll, weiß ich noch nicht.“ 19 Mit der Frage nach Gut und Böse, nun genauer: was für ihn selbst gut und was böse sei, eröffnete Augustinus die „Selbstgespräche“, die er mit der Vernunft, mit seiner Vernunft, viele Tage lang in Cassiciacum führte. Die personifizierte Unterrednerin riet ihm, seine Überlegungen niederzuschreiben, damit sie einige seiner Freunde („seiner Mitbürger“) lesen konnten. „Gott, der du das Böse nicht schaffst, aber es existieren lässt, damit es nicht zum Schlimmsten entartet“, lautete eine der Prädikationen Gottes, die in hymnischer Form die „Selbstgespräche“ einleiteten. Die Erklärung mochte nicht jeden befriedigen, genausowenig wie die folgende: „Gott, der du den Wenigen, die zum wahren Sein ihre Zuflucht nehmen, zeigst, dass das Böse ein Nichts ist.“ 20 Ein gewisser Widerspruch war nicht zu verkennen, wenn sich Augustinus wenig später an diesen Gott mit der Versicherung wandte: „Gott, durch den wir das Böse vom Guten unterscheiden; Gott, durch den wir das Böse meiden und dem Guten folgen.“ Und noch einmal: „Gott, von dem alles Gute auf uns herabströmt und von dem alles Böse von uns ferngehalten wird.“ Schließlich das inständige, fast verzweifelte Bittgebet: „Erhöre, erhöre, erhöre mich, mein Gott, mein Herr, mein König, mein Vater, mein Urheber, meine Hoffnung, meine Sache, meine Ehre, mein Haus, mein Heim, mein Vaterland, mein Heil, mein Licht, mein Leben, erhöre, erhöre, erhöre mich in der Weise, die nur wenigen völlig bekannt ist.“ 21
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Zu diesen wenigen wollte Augustinus gehören, weshalb er auf die Frage der Vernunft, was er zu wissen verlange, antwortete: „Gott und die Seele“. 22 Es waren Stichworte, die er im weiteren Verlauf zusammen mit der Vernunft erörterte: das rechte Wissen, das zur Erkenntnis Gottes führt, und die vernunftbegabte Seele, deren Glaube, Hoffnung und Liebe die Voraussetzung für die Gotteserkenntnis sind. Das Verlangen, das er der Vernunft gestand, wollte Augustinus mit den Freunden teilen. Es war das Band, das die Gemeinschaft in Cassiciacum wie die späteren Gemeinschaften in Thagaste und Hippo unter seiner Führung zusammenhielt: „Und so liebe ich meine Freunde umso mehr, je mehr sie von ihrer vernunftbegabten Seele guten Gebrauch machen, oder vielmehr, je mehr sie von ihr guten Gebrauch zu machen wünschen.“ 23 Zu einer solchen Gemeinschaft gehörte in Cassiciacum das gemeinsame Gebet. Gelegentlich bewirkte es sogar Wunder wie an dem Tag, als Augustinus von so starken Zahnschmerzen gepeinigt wurde, dass er kein Wort mehr herausbrachte. Er bat alle Anwesenden, ein Gebet zu sprechen, das er ihnen auf ein Wachstäfelchen geschrieben hatte. Kaum waren sie mit ihm niedergekniet, da verschwand der Schmerz. Nach den Brustschmerzen in Mailand war das ein weiterer Beweis, dass Gott ihn gequält hatte, um ihm danach sein Mitleid zeigen zu können: „Und deine Willensbekundungen haben sich mir tief in mein Inneres eingeprägt, und voll gläubiger Freude lobte ich deinen Namen.“ 24 Mit Gebeten und geistlichen Liedern konnte man es auch übertreiben. Der junge Licentius zerrte an Monnicas Nerven, sooft er beim Stuhlgang nach dem Essen immer wieder den sinnigen Psalmvers schmetterte: „Herr der Heerscharen, wende uns um, zeige uns dein Antlitz, und uns wird wohl sein“. 25 Die philosophischen Gespräche in Cassiciacum begleitete Augustinus mit Briefen an Freunde in Mailand, denen er Entwürfe seiner Schriften oder Abschriften einzelner Teile zugesandt hatte. Sein erster Brief in der heutigen Briefsammlung galt einem Hermogenianus, der ihn zu seiner Auseinandersetzung mit den Akademikern befragt hatte. Im zweiten Brief an Zenobius brachte er die „wahre, göttliche Philosophie“ in Stellung gegen die Liebe zu einer Welt, der in allen Bereichen die Beständigkeit mangelt. Der dritte Brief ging an den engen Freund Nebridius, der von seinen Lehrverpflichtungen in Mailand zurückgehalten worden war und sich nach dem Stand der philosophischen Erörterungen insbesondere zum glücklichen Leben erkundigt hatte. Erstaunlicherweise antwortete ihm Augustinus, dass er noch nicht glücklich sei. Er schwieg von der christlichen Lösung, die er im Rundgespräch zu diesem Thema erreicht hatte. 26 In den „Bekenntnissen“ erwähnte Augustinus ferner einen Brief an Ambrosius, „den heiligen Mann“. Ihm habe er nach seinen früheren Irrtümern von seinem jetzigen Gelübde berichtet und gefragt, was er in der
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Bibel lesen solle, um sich am besten „auf den Empfang einer solchen Gnade vorzubereiten“. 27 Das Gelübde war der Entschluss, sich taufen zu lassen, und der Bischof sollte sein geistiger Taufpate und daher auch der Spender des Sakraments sein. Dessen Antwort war kurz: Er möge sich Jesaja vornehmen. Augustinus gehorchte und fragte sich beim Lesen nach Ambrosius’ Absicht. Hatte er den Propheten empfohlen, weil der deutlicher als die anderen Propheten das Evangelium und die Bekehrung der Heiden angekündigt hatte? Augustinus war von der Lektüre enttäuscht. Er nahm sich vor, das Alte Testament besser kennen zu lernen und dann den Propheten noch einmal zu studieren. Zur Enttäuschung wird der breite historische Kontext des Buches beigetragen haben. Die vorderasiatischen politischen und sozialen Verhältnisse des achten vorchristlichen Jahrhunderts waren dem Römer völlig fremd.
IX. Die Taufe und der Abschied von Italien Anfang des Jahres 387 kehrte Augustinus mit seinem Haushalt nach Mailand zurück. Sogleich ging er zu Ambrosius und meldete sich, Alypius und seinen Sohn Adeodatus zur Taufe für den nächsten Termin an, die Osternacht vom 24. auf den 25. April.1 Mit der Anmeldung wurden die Katechumenen zu Taufbewerbern. 2 Auffällig ist, dass sich Augustinus zur Tauffeier selbst in den „Bekenntnissen“ mit der mageren Feststellung begnügte: „Wir wurden getauft, und der Kummer wegen unseres früheren Lebenswandels wich von uns.“ 3 Auffällig ist die Kürze auch deswegen, weil er in späteren Schriften oft genug auf die Taufe, ihre Liturgie und ihre Theologie zu sprechen kam. 4 Nicht einmal der Name des Ambrosius fiel, der die Taufe vornahm, wie Augustinus in einem sehr viel späteren Brief bemerkte. 5 War sein Schweigen in den „Bekenntnissen“ ein stiller Hinweis, dass er eher ein nüchternes Verhältnis zu dem Bischof hatte? Wenn ja, so war dafür Ambrosius verantwortlich. Er kümmerte sich zwar eifrig um seine Gläubigen, aber wie mancher Kleriker wollte er nicht, dass sein Sorgen in ein allzu persönliches Verhältnis mündete. Bei diesem impulsiven Täufling, der nach Freundschaft süchtig war, lag die Gefahr nahe, wie Ambrosius richtig erkannte. Dazu kam, dass Augustinus’ Taufe längst nicht so spektakulär war wie die des Marius Victorinus in Rom, der er in den „Bekenntnissen“ ein literarisches Denkmal setzte. 6 Stattdessen erzählte er die erstaunliche Bußübung, die sich sein Mitbewerber Alypius zur Vorbereitung auf das Sakrament auferlegte: Mitten im Winter lief er auf dem vereisten Boden barfuß von Cassiciacum nach Mailand.7 Nicht durch solche gesundheitsgefährdende Härte, sondern durch seine geistigen Fähigkeiten setzte Adeodatus, der andere Taufbewerber, seinen Vater in Erstaunen. Der Fünfzehnjährige war schon in Cassiciacum durch seine klugen Beiträge zum philosophischen Gespräch aufgefallen: Dank seiner Begabung habe er viele gelehrte Männer übertroffen. Augustinus erinnerte mit seinem Lob an den literarischen Topos des „greisen Knaben“. Wenig später machte er ihn zum Gesprächspartner der Schrift „Über den Lehrer“. Sie wurde zum Denkmal für den Sohn, der mit sechzehn Jahren starb. 8 In Cassiciacum gab es keine Kirche. Umso eifriger besuchte Augustinus nach der Rückkehr die Mailänder Gotteshäuser, wo ihn der Hymnen- und Psalmengesang immer wieder zu Tränen rührte. 9 Fast schien es, als hätten Taufvorbereitung und Taufe seine Schriftstellerei zusätzlich beflügelt. Die „Selbstgespräche“, die in Cassiciacum nicht fertig geworden waren, ergänzte er durch ein Buch „Über die Unsterblichkeit der Seele“. Obwohl er nachträglich mit seiner schwerfälligen Argumentation unzufrieden war,
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Augustinus’ Taufe und Bekleidung mit dem Taufgewand.
geriet die Schrift zu seinem Bedauern in die Hände von Lesern. Wie das geschah, konnte er sich selbst nicht erklären.10 Ein ehrgeizigeres Projekt folgte: Er wollte alle sieben freien Künste, die artes liberales, in Einzeldarstellungen behandeln. Dabei dachte er zunächst an die Belehrung seiner bildungsbeflissenen jungen Hausgenossen, die von dem Plan begeistert waren. Der erste Teil „Über die Grammatik“ bereitete dem ehemaligen Rhetoriklehrer keine Mühe und war rasch fertig. Nach der Taufe begann er mit den sechs Büchern „Über die Musik“, führte sie aber in Mailand nicht mehr zu Ende. Von den anderen Künsten, der Dialektik und Rhetorik, der Geometrie und Arithmetik sowie der Philosophie anstelle der Astronomie, brachte er nur die Einleitungskapitel zu Papier. Immerhin fanden sie Interessenten, während er selbst später keinerlei Aufzeichnungen mehr besaß.11 Über den Freundeskreis hinaus hatte sich der ehemalige Professor zumindest unter den Mailänder Gebildeten den Ruf erworben, dass alles, was er auf den verschiedensten Gebieten schrieb, die Lektüre lohnte. Doch von diesem Ruf konnte er nicht leben. Nach der Taufe stellte sich Augustinus daher ernsthaft die Frage, wie es weitergehen solle. Gewiss
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fragte ihn auch Mutter Monnica nach seinen Zukunftsplänen. Sie hätte sich sicher gefreut, wenn ihr Sohn unter Ambrosius in Mailand Priester geworden wäre, um später einmal in Italien einen Bischofssitz zu übernehmen. Andererseits waren die Monate in Cassiciacum mit den gelehrten Diskussionen und ihrem schriftlichen Niederschlag auch für sie eine idyllische Zeit gewesen. Ließ sie sich nicht irgendwie fortsetzen, wenn auch nicht am Ferienort, wo man Verecundus’ Haus nicht auf Dauer in Beschlag nehmen konnte? In diese Überlegungen platzte Euodius, ein junger Mann aus Thagaste. Er hatte gerade seine Stellung als kaiserlicher Kurier aufgegeben, nachdem er Christ geworden war und ebenfalls die Taufe empfangen hatte. Jetzt überlegte er, wie er ein gottgefälliges Leben führen könne. War Euodius’ Erscheinen nicht einmal mehr ein Fingerzeig Gottes, von dem der Psalmist sang: „Du lässt sie einträchtig im Haus wohnen?“ Es bedurfte danach keiner langen Überlegungen mehr: Augustinus würde mit seinen Angehörigen und mit Euodius und Alypius in ihre Heimatstadt zurückkehren. Der eine oder andere Freund mochte sich ihrem „heiligen Entschluss“ anschließen. In seinem Elternhaus würde er fortsetzen, was er in Cassiciacum begonnen hatte, mit dem Unterschied, dass sie nunmehr als getaufte Christen zusammenleben würden. Wie sie dort Gott am nützlichsten dienen könnten, musste sich zeigen.12 Während des Frühsommers 387 bereitete Augustinus die Abreise vor. Erstes Ziel war Roms Hafenstadt Ostia, wo die Reisegruppe im Spätsommer eintraf. Der Weg war beschwerlich gewesen, und so manches Mal wird sich Augustinus der Annehmlichkeit erinnert haben, die ihm die kaiserliche Post drei Jahre zuvor geboten hatte. In Ostia mietete er eine ruhige Unterkunft, damit sich alle vor der Überfahrt, für die es im Herbst schon zu spät war, erholen konnten.13 Beschwerlich, wenn nicht sogar gefährlich war die Reise auch wegen eines politischen Umsturzes. Im Sommer war der gallische Usurpator Magnus Maximus in Oberitalien eingefallen und hatte Mailand eingenommen. Kaiser Valentinian und der Hof waren noch rechtzeitig nach Aquileia und von dort nach Thessalonike ausgewichen. Etwa zur gleichen Zeit verließ Augustinus die Stadt. Unterwegs konnte er beobachten, wie überall in Italien die Herrschaft auf den Gegenkaiser überging. Spätere Leser seiner „Bekenntnisse“, die dazu von einem scharfsinnigen Augenzeugen gern Näheres erfahren hätten, beschied er: „Ich übergehe vieles, denn ich habe es sehr eilig“.14 Auf Politik wollte er sich in den „Bekenntnissen“ weder hier noch sonst einlassen. Erst im Bischof Augustinus erwachte der Politiker. Auch die Verwaltung der africanischen Provinzen erkannte Magnus Maximus als ihren neuen Herrn an und sicherte so seinem italischen Herrschaftsgebiet die lebensnotwendige Getreideversorgung.15 Wer sich in rö-
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mischer Geschichte auskannte, konnte sich trotz aller Friedensbemühungen ausrechnen, dass nach Maximus’ Einfall in Italien ein Waffengang zwischen Ost und West folgen und über die Alleinherrschaft des Reiches entscheiden werde. Augustinus kümmerte das im Augenblick nicht. Ihn traf in Ostia eine persönliche Katastrophe, die ihn alles andere vergessen ließ: Überraschend starb seine Mutter. Vielleicht waren die Strapazen der Reise im Hochsommer für sie zu groß gewesen. Als wolle Augustinus der Toten die Sorgen vergelten, die er der Lebenden bis zu seiner Bekehrung gemacht hatte, widmete er ihrer Biographie und den letzten Tagen in Ostia die zweite Hälfte des neunten Buches der „Bekenntnisse“.16 Geboren wurde Monnica in eine christliche, wenn auch nicht allzu fromme Familie. Zusammen mit ihren Schwestern wurde sie „in heiliger Strenge“ von einer alten Magd erzogen, in deren Händen schon die Erziehung ihres Vaters gelegen hatte. Damit die Mädchen früh sich zu beherrschen lernten und später ja nicht dem Alkohol verfielen, durften sie zwischen den Mahlzeiten nicht einmal Wasser trinken. Trotzdem begann Monnica, sooft sie den Tischwein aus dem Keller holen musste, an der Karaffe zu nippen, und das jedes Mal ein bisschen mehr. Erst die Schimpfkanonade einer begleitenden Sklavin, die sie „Säuferlein“ (meribibula) titulierte, heilte sie von dem kleinen Laster.17 Warum Augustinus gerade diese Episode aus den Mädchenjahren seiner Mutter berichtete, verriet zwanzig Jahre später sein theologischer Gegner Julianus von Aeclanum: Er verunglimpfte die tote Monnica als Trinkerin; ihr Sohn habe das ja selbst in seinen „Bekenntnissen“ zugegeben.18 Offensichtlich hatte die Prominenz des Bischofs von Hippo schon vor der Veröffentlichung der „Bekenntnisse“ dafür gesorgt, dass ein altes Gerücht über Monnica nicht verstummen wollte. Auch machten Anekdoten von Alkoholikerinnen die Runde, sodass man einer Frau leicht Trunksucht anhängen konnte. Senatorentöchter wurden daher streng beaufsichtigt, damit sie keinen Tropfen Alkohol probierten.19 Der Bericht in den „Bekenntnissen“, wie streng Monnica als Mädchen zur Abstinenz angehalten wurde, hatte der Verleumdung längst den Boden entzogen. Und hatte sie ihre Gewohnheit, vom Opferwein an Märtyrergräbern ein Schlückchen zu sich zu nehmen, nicht sofort aufgegeben, als Ambrosius gegen Missbräuche auf Friedhöfen einschritt? Ergänzend dazu erhielt der böswillige Julianus einen scharfen Verweis: Verleumder werden das Himmelreich nicht erlangen, wie Paulus im Ersten Korintherbrief gedroht hatte. 20 Frühzeitig wurde Monnica von ihren Eltern mit einem Mann verheiratet, der kein Christ war. Vielleicht brachte sie den Weinberg mit in die Ehe, der zum Besitz der Familie gehörte und von dessen leckerem Produkt sie als Mädchen genascht hatte. 21 Patricius’ Seitensprünge und Zornesaus-
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brüche ertrug sie in stiller Ergebung, ein Mittel, das sie auch ihren Freundinnen empfahl, um sich Schläge und blaue Flecken zu ersparen. Selbst ihre Schwiegermutter nahm sie schließlich durch ihr sanftes Wesen ein und brachte die Verleumdungen böswilliger Sklavinnen zum Schweigen. Am Ende bekehrte sie sogar ihren Mann, der kurz darauf zu ihrem Trost in den christlichen Himmel eingehen konnte, während sie bei ihrem Sohn auf diese Gewissheit noch längere Zeit warten musste. Im Rückblick wurde Monnica für Augustinus zum Musterbild einer christlichen Frau, die ihr Leben Gott anheimstellte. Mitchristen, die ihr begegneten, spürten das: „Sie war auch die Dienerin Deiner Diener. Wer von ihnen ihre Bekanntschaft machte, lobte, ehrte und liebte Dich in ihr in besonderer Weise, weil er Deine Gegenwart in ihrem Herzen spürte, was die Früchte ihres frommen Umgangs bezeugen.“ Was für Früchte das waren, überging Augustinus. Zur Reife wären sie in Thagaste gekommen, wo Monnica der ideale mütterliche Mittelpunkt im Leben der geplanten Gemeinschaft geworden wäre. 22 Vielleicht ahnte Monnica ihren Tod, als sie vierzehn Tage zuvor eher zufällig mit ihrem Sohn am Fenster stand, wo sie beide auf das ewige Leben zu sprechen kamen: Dieses sei gleichbedeutend mit der Schau der ewigen Wahrheit. Ein wenig erfahre man von ihm schon auf Erden, wenn man alle Sinneseindrücke ausblende und sich ganz auf die innere Schau konzentriere. Nichts anderes sei der Eintritt in die Freude des Herrn, von der Jesus im Matthäusevangelium gesprochen habe. Das waren schwerlich Monnicas Äußerungen, sondern Augustinus nahm seine Mutter nachträglich mit zu einer mystischen Gottesschau, wie sie platonische Philosophen, allerdings immer nur allein, erlebt hatten. 23 Er machte selbst zweimal den Vorbehalt, dass er die lange Unterredung, die er mit der Mutter am Fenster geführt habe, nicht wörtlich wiedergeben könne, weil er sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnere. 24 Gewiss blieben ihm ihre Worte im Gedächtnis, ihr Leben sei erfüllt, nachdem er sich zum katholischen Glauben bekehrt habe. 25 Was sollte sie mehr sagen? Erstaunt war Augustinus, als er erfuhr, Monnica habe gegenüber einigen seiner Freunde geäußert, man möge sie in Ostia zur letzten Ruhe betten. Denn ihm hatte sie mehrmals eingeschärft, er möge sie einst im heimatlichen Thagaste neben ihrem Mann begraben. 26 Fünf Tage nach dem Gespräch am Fenster legte sich Monnica mit Fieber nieder. Einmal verlor sie kurz das Bewusstsein, und als sie wieder zu sich kam und Augustinus und seinen Bruder Navigius an ihrem Bett erblickte, verlangte sie: „Begrabt eure Mutter hier“. Während Augustinus schwieg, wollte ihr Navigius den Wunsch ausreden, worauf sie ärgerlich wurde. Sie bat nur noch, ihre Söhne möchten ihrer in der Kirche gedenken. Das waren ihre letzten Worte. Vier Tage später starb sie, 56 Jahre alt. Ihr Enkel Adeodatus, der sich im Sterbezimmer befand, fing laut zu weinen an, bis
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Tod der Heiligen Monnica.
man es ihm streng verwies und Euodius den Psalm 100 anstimmte: „Von deinem Erbarmen und deiner Gerechtigkeit will ich dir singen, Herr.“ Mitglieder der örtlichen Christengemeinde fanden sich ein und bereiteten das Begräbnis vor, während Augustinus in seiner Trauer ganz Philosoph blieb: Er unterdrückte seine Tränen und begann mit den Freunden, die ihn trösten wollten, eine Disputation über ein Thema, „das dem Augenblick angemessen war“. Anschließend nahm er ein heißes Bad, und der Sprachverliebte konnte es nicht unterlassen, eine philologische Rechtfertigung mitzuliefern: Balneum, das lateinische Wort für Bad, sei eine Übersetzung des griechischen balaneîon, das so heiße, „weil es die ängstliche Sorge aus dem Herzen werfe“. Es war eine der üblichen – und hier wie so oft falschen – Etymologien, die die Antike gern aus dem Gleichklang zweier Wörter ableitete. War die Etymologie eine stille Rechtfertigung, weil Philosophen wie Plotin dafür bekannt waren, dass sie nie gebadet hatten? 27 Nicht das Schwitzbad, sondern erst der anschließende Schlaf milderte Augustinus’ Trauer. Wach geworden sagte er sich einen Hymnus des Ambrosius vor, der Gott lobte, weil er dem Menschen nicht nur den Tag, sondern auch den erholsamen Schlaf schenke und die Ängstlichen von der Trauer erlöse. Jetzt löste sich Augustinus’ Starre, und er konnte seinen Tränen freien Lauf lassen. 28 Den Tränen folgte ein nüchterner Blick auf die tote Mutter, der das vorangegangene strahlende Heiligenbild etwas
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verdunkelte: Wie jeder Mensch war Monnica natürlich nicht fehlerfrei. Sonst hätte der Sohn Gott nicht zu bitten brauchen, er möge der Mutter ihre Sünden vergeben. 29 Während er in den „Bekenntnissen“ seine damalige Bitte niederschrieb, erneuerte er sie und wandte sich ein weiteres Mal an Gott. Danach gab er Monnicas letzten Wunsch, den sie ihren Söhnen als Vermächtnis hinterlassen hatte, an die Christen weiter, die sein Werk in die Hand nehmen würden. Auch sie sollten Monnicas und ihres Mannes Patricius gedenken, wenn sie die Messe besuchten. Ein geistiges Band sollte seine Eltern und deren Mitbewohner im himmlischen Jerusalem mit dem wandernden Gottesvolk auf Erden verbinden. Darüber hinaus konnte man für Tote nichts mehr tun. Es war die Gegengabe, die sich Augustinus von den Lesern seiner „Bekenntnisse“ erbat. 30 Beim Tod seiner 56-jährigen Mutter habe er sich im 33. Lebensjahr befunden, notierte Augustinus in den „Bekenntnissen“. Monnica starb also vor dem 13. November 387, als er sein 33. Lebensjahr vollendete. 31 Mit den beiden Altersangaben beschloss er in den „Bekenntnissen“ seine Biographie. Über die nächsten Lebensabschnitte während des folgenden Jahrzehnts bis 397, als er die „Bekenntnisse“ zu schreiben begann, verlor er in den restlichen vier Büchern kein Wort mehr. Sollte er den Winter über in dem Haus in Ostia bleiben, wo ihn alles an die Verstorbene erinnerte, und warten, bis am 1. April des kommenden Jahres der Schiffsverkehr im Mittelmeer wieder eröffnet wurde? Ein Ortswechsel war das beste Mittel, um die Trauer zu bekämpfen. Nach Rom war es nur ein Katzensprung. Die Großstadt lenkte ab, wie er und Alypius bei ihrem früheren Aufenthalt zu Genüge erfahren hatten. Die Jungen im Haus werden begeistert gewesen sein, als ihnen Augustinus den Umzug verkündete. Vielleicht gaben Christen aus Ostia der Hausgemeinschaft eine Empfehlung an Glaubensbrüder in Rom mit. Dazu nahm Augustinus Verbindung zu seinem Freund Constantius auf, dem manichäischen „Hörer“, der ihn vier Jahre zuvor so gastfreundlich in seinem Haus beherbergt hatte. Bis Ostia könnte nämlich die Nachricht gedrungen sein, dass das Verhältnis zwischen Constantius und der manichäischen Gemeinde in der alten Hauptstadt nicht mehr das beste war. In Rom angekommen erfuhr Augustinus dann aus seinem Mund, wie er versucht habe, dem moralischen Verfall führender Manichäer Einhalt zu gebieten. Er habe sogar sein Haus für eine manichäische Reformgemeinschaft zu dauerndem Aufenthalt zur Verfügung gestellt, war aber auch damit gescheitert. Im Streit ging man auseinander.32 Nur vermuten kann man den Glücksfall, dass Constantius, „der über kein geringes Vermögen verfügte“ und zugleich „kein geringer Verächter des Geldes war“, Augustinus anbot, er könne mit Angehörigen und
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Freunden in sein gerade leer gewordenes Haus einziehen. In Rom habe er seine zwei Bücher „Über die Sitten der katholischen Kirche und über die Sitten der Manichäer“ (De moribus ecclesiae catholicae et de moribus Manicheorum) geschrieben, vermerkte Augustinus in seinem „Revidierten Werkverzeichnis“. Er habe sich nämlich über das scheinheilige asketische Gehabe geärgert, mit dem die Manichäer unerfahrene Christen umgarnten. War der Bericht des enttäuschten Constantius der unmittelbare Anlass, oder stieß Augustinus selbst mit ehemaligen Glaubensgenossen zusammen, die ihn noch von früher her kannten? Bei der Niederschrift seines Doppelwerkes dachte er auch an seinen Hausherrn, den er in seiner antimanichäischen Schrift „Gegen Faustus“ endlich namentlich vorstellte und zwar als „unseren katholischen christlichen Bruder“. Constantius hatte also die Konsequenz aus seinem misslungenen Bemühen gezogen, die römischen Manichäer zu einem Leben zu bewegen, das ihren hohen moralischen Anspruch verwirklichte. 33 Sicher gaben ihm Gespräche mit Augustinus wichtige Anstöße, auch wenn er noch mehrere Jahre bis zur Konversion benötigte. Denn Augustinus verfasste seine Schrift „Gegen Faustus“ um 397, als er auch die „Bekenntnisse“ begann, und deutete mit der Zeitangabe „eben nunmehr“ an, dass Constantius erst kürzlich „unser Bruder“ geworden war. Constantius’ großzügige, den Alltag erleichternde Freundschaft bot Augustinus genügend Zeit, um mit seinen Freunden philosophische Gespräche zu führen. So ergriff Euodius eines Tages – „weil ich sehe, dass du gerade genügend Muße hast“ – die Gelegenheit und verwickelte ihn in ein langes Gespräch über die Seele. Wie in Cassiciacum arbeitete Augustinus ihren Dialog anschließend sofort zu einer schriftlichen Fassung aus, der er den Titel „Über die Größe der Seele“ (De animae quantitate) gab. Denn unter den sechs Fragen zur Seele, die ihm Euodius vorgelegt hatte, stellte er die nach ihrer Größe in den Mittelpunkt. Einige der übrigen Fragen werde er weiter studieren, kündigte Euodius im Schlusssatz an, und er werde sich zu gegebener Zeit – „wegen deiner Verpflichtungen“ – erneut an Augustinus wenden. Die Fortsetzung fand ein Vierteljahrhundert später statt. Euodius war seit mehreren Jahren Bischof von Uzalis, einem kleinen Ort in der Provinz Africa proconsularis, und erbat in Briefen vom Bischof von Hippo Auskunft nicht nur über Probleme der Seele, sondern auch über andere theologische Schwierigkeiten, die sich ihm als Seelsorger gestellt hatten. In einem seiner Antwortbriefe verwies ihn Augustinus auf seine Schrift „Über die Größe der Seele“. 34 Ein andermal wandte sich Euodius in Rom an Augustinus mit dem Wunsch: „Sag mir bitte, ob Gott nicht der Urheber des Bösen ist!“ Aus der Antwort des Philosophen, der sich mit der Frage schon so ausgiebig auseinandergesetzt hatte, entwickelte sich das grundlegende Werk „Über
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den freien Willen“ (De libero arbitrio). Das erste von drei Büchern beendete Augustinus noch in Rom, wie er im „Revidierten Werkverzeichnis“ mitteilte, die beiden anderen in Hippo, nachdem er dort zum Priester geweiht worden war. Deren Wiederlektüre empfahl er Euodius ebenfalls in einem Brief. 35 Nach dem Tod des Usurpators Maximus sei er „von seinem Auslandsaufenthalt“ nach Africa zurückgekehrt, teilte Augustinus im Verteidigungsschreiben „Gegen den Brief des Petilianus“ (Contra litteras Petiliani) mit. Maximus erlitt während des Sommers 388 im Illyricum zwei Niederlagen und wurde am 28. Juli oder 28. August hingerichtet. 36 Die Kämpfe zu Land begleiteten Flottenoperationen an der Ost- und Südküste Italiens, sodass Schiffsreisen für Privatleute nicht ratsam waren. Unsicher war auch, wie sich in Africa der Heermeister Gildo verhalten würde, der sich zunächst auf Maximus’ Seite gestellt hatte. 37 Deswegen musste Augustinus länger, als er ursprünglich geplant hatte, die Gastfreundschaft des Constantius in Anspruch nehmen. Er nutzte die Zeit, um sich Anregungen für die geplante Gemeinschaft in Thagaste zu holen. Schon nach der Rückkehr von Cassiciacum hatte Augustinus die große Mönchsgemeinschaft vor den Toren Mailands besichtigt. Geführt wurde sie von einem Priester, „einem ausgezeichneten und äußerst gelehrten Mann“. Als er im Haus des Constantius an den „Sitten der katholischen Kirche“ schrieb, schwärmte er: „Wer wird nicht jene bewundern und preisen, welche die Verlockungen dieser Welt verächtlich hinter sich gelassen und sich zu einem gemeinsamen Leben von höchster Keuschheit und Heiligkeit zusammengefunden haben und vereint ihr Leben verbringen in Gebeten, Lesungen und Diskussionen?“ 38 In Rom gab es mittlerweile eine Reihe solcher klösterlichen Vereinigungen, die Augustinus aufsuchte, um sich ein Bild über ihr Leben zu machen: Eine Führungsgruppe von Persönlichkeiten, die sich durch ihre Klugheit und ihr theologisches Wissen auszeichnete, wohnte in christlicher Eintracht mit einfacheren frommen Männern zusammen, deren Handarbeit für den Unterhalt sorgte. Viele legten sich eine strenge Askese auf und verzichteten drei Tage und Nächte auf Speise und Trank. Zwang gab es jedoch nicht, und kein Schwächerer, der sich nicht so kasteien konnte, wurde scheel angesehen. Auch Frauengemeinschaften von Witwen und Unverheirateten hatten sich gebildet, die ihr Einkommen durch Spinnen und Weben verdienten. Leiterinnen waren gesetzte und erfahrene Frauen, die auf die moralische und geistige Bildung ihrer Mitschwestern bedacht waren. 39 Blieb nur zu hoffen, dass sich ein solch harmonisches, Gott geweihtes Zusammenleben auch in Thagaste verwirklichen ließ.
X. Heimkehr nach Thagaste In zwei Tagen bei einer ganz leichten Brise von Ostia nach Africa: das war ein Rekord, den Plinius der Ältere in seine „Naturgeschichte“ aufnahm.1 Denn wenn der Wind nicht zu widrig war und keine Piraten das Schiff überfielen, dauerte eine Reise vom Hafen Ostia zum Hafen Karthago gewöhnlich mehrere Tage. Augustinus dürfte also mit seiner Reisegruppe Anfang September 388 wieder africanischen Boden betreten haben. In Rom zurückgeblieben war nur Romanianus’ Sohn Licentius. 2 Mit Karthago, das er vor über vier Jahren verlassen hatte, verband den Heimkehrer zu viel, als dass er sofort nach Thagaste weitergereist wäre. Mancher alte Freund hätte ihm solche Eile nicht verziehen. Nebridius, Sohn reicher Eltern, hätte am liebsten gesehen, wenn Augustinus auf das Landgut seiner Familie gezogen und dort, statt in Thagaste, seine fromme Gemeinschaft gegründet hätte. Denn auch er, der skeptische Philosoph, war in Mailand zum „treuen Katholiken“ geworden. Augustinus schlug ihm die wiederholte Bitte wohl auch deswegen ab, weil er in seiner Heimatstadt unabhängiger war. 3 Zudem wollte er dem Freund nicht zur Last fallen, der schwerkrank aus Italien nach Hause gekommen war. Es war mehr als eine Floskel, wenn er ihm in einem Brief versicherte, wie gern er seine Gegenwart genießen würde. Kaum zwei Jahre später starb Nebridius. Vor seinem Tod hatte er noch seine ganze Familie zum Christentum bekehrt. Der Nachruf, den ihm Augustinus in den „Bekenntnissen“ widmete, war nicht weniger innig als der auf Monnica. 4 Nach der Ankunft in Karthago nahm Augustinus lieber das Angebot seines Bekannten Innocentius an, bis zur Weiterreise bei ihm zu wohnen. Das Stadthaus des frommen Christen, der ehemals Advokat im Büro des Vicarius Africae gewesen war, glich im Augenblick allerdings eher einem Spital, in dem Augustinus schließlich sogar ein Heilwunder miterlebte: Innocentius hatte gerade eine schmerzhafte Operation überstanden, bei der ihm zahlreiche Geschwüre am Unterleib entfernt worden waren. Eine Stelle hatte man jedoch übersehen, und mehrere Ärzte versuchten immer wieder vergeblich, sie zu kurieren. Am Tag vor der unumgänglichen zweiten Operation knieten Augustinus und die anderen Anwesenden zum Gebet nieder. Als die Ärzte am nächsten Morgen die Binden von der Wunde entfernten und zum Messer greifen wollten, war die Stelle völlig geheilt. 5 Gelegentlich traf sich Augustinus in der Stadt mit seinem ehemaligen Schüler Eulogius, der in seine Fußstapfen getreten und Redelehrer geworden war. Eulogius überraschte ihn mit einem Traum, in dem ihm der alte
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Der Heilige Augustinus kehrt nach Karthago zurück.
Lehrer eine Cicerostelle erklärte, die er bei den Unterrichtsvorbereitungen für den nächsten Tag nicht verstanden hatte. 6 Innocentius’ Krankheit hatte für Augustinus eine willkommenen Nebenwirkung: Immer wieder kamen Christen zu Besuch, um den verzweifelten Glaubensbruder zu trösten, Priester und Bischöfe darunter. Im „Gottesstaat“ erwähnte er Saturninus, den Bischof von Uzalis, den Priester Gulosus sowie mehrere Diakone. Einer von ihnen könnte der ebenfalls genannte Aurelius gewesen sein, der einige Zeit später als Bischof von Karthago einer der einflussreichsten Führer der katholischen Kirche in Africa wurde und gemeinsam mit Augustinus gegen Häresien und kirchliche Missstände kämpfte. Der Rückkehrer begann im Haus des Innocentius das Netz zu knüpfen, das ihn im Lauf der Jahre mit Bischöfen und Priestern in allen africanischen Provinzen verband. Für seinen Begleiter Euodius dürfte nützlich gewesen sein, dass er dort den Bischof Saturninus traf, dessen Nachfolger er in Uzalis wurde. 7 Nach der Ankunft in Thagaste hätte sich Augustinus am liebsten sofort der Einrichtung seiner neuen Gemeinschaft gewidmet. Doch zunächst nahmen ihn andere Aufgaben in Beschlag. Der Sohn eines Kurialen musste nach einem Gesetz Konstantins des Großen mit achtzehn Jahren in die Kurie eintreten. 8 Als Professor der Rhetorik zuerst in Karthago, dann in Mailand war Augustinus von diesem Erbzwang befreit. Es war ein altes
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Privileg, das Konstantin erneut bekräftigt hatte. 9 Für Augustinus entfiel es, nachdem er Ende 386 seine Professur aufgegeben hatte. In Italien war er nicht zu belangen. Aber nach der Rückkehr konnte er sich nicht mehr entziehen. Ein Brief des Nebridius lässt vermuten, dass er die finanziellen Verpflichtungen, die seit seinem Rücktritt aufgelaufen waren, abtragen musste. Er hatte nämlich dem Freund geklagt, er widme seine Kraft und Ausdauer den bürgerlichen Pflichten, sodass ihm die erwünschte Ruhe fehle. Nebridius nahm die Klage in seiner Antwort auf und fragte erstaunt, ob nicht Romanianus und dessen Sohn Lucianus, Augustinus’ einflussreiche Landsleute, seinen lästigen Mitbürgern beibringen könnten, dass seine eigentliche Absicht sei, nicht ihnen, sondern nur Gott zu dienen. Wenn Augustinus andererseits zu ihm aufs Land käme, würde er sich ungescheut als sein Verführer von den Bürgern von Thagaste beschuldigen lassen, „die du allzu sehr liebst und von denen du allzu sehr geliebt wirst“. 10 Das war eine ironische Spitze des Landadligen gegen die Verpflichtungen in einer Kurie, die sich in den Städten des römischen Reiches längst zu einer Zwangsinstitution entwickelt hatte. Ihre vordringlichste Aufgabe, die Steuererhebung und deren Absicherung durch kollektive Haftung der Kurialen, machte aus dem angeblich liebevollen Miteinander eine misstrauische gegenseitige Überwachung der Standesgenossen. Dagegen konnte selbst ein mächtiger Stadtpatron wie Romanianus nichts ausrichten. Augustinus’ Reisegefährten Alypius und Euodius mussten wohl auch kuriale Lasten in der Heimat auf sich nehmen. Denn noch waren sie alle drei nur „Diener Gottes und keine Kleriker“. Diese waren seit Konstantin dem Großen ebenfalls von der Mitgliedschaft in einer Kurie befreit.11 So mancher wurde nur deswegen Priester, um sich dieses Privileg zu verschaffen, und der weihende Bischof wurde in den Augen der übrigen Kurialen, die die Leistungen des Ausscheidenden übernehmen mussten, zu dem „Verführer“, als den sich Nebridius humorvoll bezeichnete. Um sich doch noch so bald wie möglich „dem freien Dienst Gottes zuzuwenden“, fand Augustinus einen Ausweg, der gewiss nicht den Heiden und Manichäern in der Kurie behagte, vielleicht noch nicht einmal seinen christlichen Glaubensgenossen: Er schenkte sein Erbteil am väterlichen Grundbesitz der Kirchengemeinde von Thagaste. Damit sank er unter den Zensus, der zum Dienst in der Kurie verpflichtete. Er bedingte sich lediglich eine kleine Rente aus dem Ertrag der „wenigen Gütchen“, dem „schmalen Bisschen“ aus, die sein persönlicher Beitrag zum Unterhalt seiner Gemeinschaft sein sollte. 12 Das deutet sein Biograph Possidius an: Augustinus habe sein Glaubenswerk „nicht auf Holz, Heu und Getreide bauen wollen“ – die Ernte seiner Grundstücke –, „sondern auf Gold, Silber und kostbare Steine“. Metaphorisch waren damit die Schätze gemeint, die er im Himmel sammeln würde. Auf Erden aber waren das die bescheidenen Ein-
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künfte, deren auch Augustinus bedurfte, der, wie Possidius hervorhob, „für Gott lebte und unter Fasten, Gebeten und guten Werken, Tag und Nacht über das Gesetz des Herrn nachsann“. An passender Stelle einen Psalmvers einzuflechten hatte der Biograph von seinem Lehrer gelernt. 13 „Doch hier gibt es Menschen, die nicht mit mir kommen können und die zu verlassen ich für Unrecht halte“, lautete ein Grund, mit dem Augustinus die Einladung des Nebridius ausschlug.14 Gerade zu Beginn, wo sich die Gemeinschaft konsolidieren musste, war der Gründer unabkömmlich. Vieles in der „Vereinigung“ war zu regeln, angefangen von der ersten morgendlichen Zusammenkunft über die gemeinsamen Mahlzeiten bis zur Stunde für das Abendgebet. Ob Augustinus in Anlehnung an die römischen Klöster schon in Thagaste feste Vorschriften aufstellte, Vorläufer des späteren praeceptum, ist nicht überliefert.15 Das war unter den ersten Mitgliedern, die langjährige Freundschaft verband, vielleicht auch nicht erforderlich. Immerhin hatte sich das Zusammenleben nach einiger Zeit so weit eingespielt, dass sich Augustinus schon einmal eine Auszeit – vielleicht doch bei Nebridius – erlauben konnte. Dem Gönner Romanianus in Thagaste kündigte er nämlich aus der Ferne an, dass er ihm seine Schrift „Über die wahre Religion“ schicken werde. 16 Auf einer seiner Reisen traf er mit einem Nichtchristen namens Gaius zusammen, der ihn mit seinen klugen Fragen zum Christentum so begeisterte, dass er hoffte, er werde ihn „für die katholische Herde Christi“ gewinnen.17 „Über die wahre Religion“ (De vera religione) war nicht das erste Werk, das er nach der Rückkehr verfasste. Zunächst lag ihm eine Abrechnung mit den Manichäern und ihrer Ablehnung des Alten Testaments mehr am Herzen. Dazu interpretierte er in den beiden Büchern „Über die Genesis gegen die Manichäer“ (De genesi adversus Manicheos) die ersten drei Kapitel des biblischen Schöpfungsberichts bis zu Adams und Evas Vertreibung aus dem Paradies. Der Exeget der Heiligen Schrift lieferte sein Gesellenstück. Mit dem Bild vom biblischen Schöpfergott griff er nicht nur das Zentrum des manichäischen Glaubens an. Er wollte auch, wie er zu Beginn erläuterte, denjenigen Christen Hilfestellung geben, die neubekehrt oder schwach im Glauben waren und die daher den Argumenten der Manichäer nichts zu entgegnen wussten. Der kommende Seelsorger und geistliche Lehrer kündigte sich an. Zugleich griff er eine Anregung seiner Freunde auf, die ihn zu der Aufgabe ermuntert hatten. 18 Die anschließenden sechs Bücher „Über die Musik“ (De musica) hatte Augustinus im Zusammenhang mit der Gesamtdarstellung der Freien Künste schon in Mailand begonnen. Zum Teil waren sie Frucht seiner älteren rhetorischen Studien. Denn hier ging es um Rhythmus und Metrum, lange und kurze Silben, die in der antiken Kunstprosa zu beachten waren. Darüber hinaus fragte Augustinus, wie deren ästhetische Wirkung
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zustande kam. Das sechs Buch hatte eine Sonderstellung, auf die er im „Revidierten Werkverzeichnis“ mit einem Selbstzitat aufmerksam machte: „Die Seele, die sich der Dinge enthält, die sie durch den Körper aufnimmt, wird besser, indem sie sich von fleischlichen Sinneseindrücken abwendet und durch die göttlichen Rhythmen der Weisheit verwandelt wird.“ 19 Zur selben Zeit habe er den Dialog „Über den Lehrer“ (De magistro) geschrieben, vermerkte Augustinus im „Revidierten Werkverzeichnis“ und fasste dessen Ergebnis zusammen: „Lehrer ist, wer einen Menschen nicht nur Wissen, sondern auch Gott lehrt gemäß dem Schriftwort im Evangelium: „Einer ist euer Lehrer, Christus.“ 20 Wer danach das Büchlein zur Hand nimmt, stellt verwundert fest, dass Augustinus’ Dialogpartner sein Sohn Adeodatus war. In Cassiciacum hatte er den Jungen für seine klugen Beiträge bewundert, die er zur Diskussion „Über das glückliche Leben“ lieferte. Auch bei der Unterhaltung über den rechten Lehrer sparte er nicht mit Lob. In den „Bekenntnissen“ nahm er dann ihre gemeinsame Taufe zum Anlass, erneut die hohe Intelligenz des Sohnes zu würdigen. Ausdrücklich erwähnte er dort, dass sie beide den Dialog „Über den Lehrer“ geführt hätten. Bald darauf habe ihn Gott, der ihm so wunderbare Gaben verliehen habe, von der Erde genommen. Seinem Tod voran stellte Augustinus den für einen Vater merkwürdigen Satz: „Seine geistige Veranlagung war mir ein Schrecken“. Lag hier der Schlüssel, warum er Adeodatus, „den aus mir fleischlich durch meine Sünde Geborenen“, in seinem „Revidierten Werkverzeichnis“ verleugnete? 21 Kein Wunder, dass Augustinus, der unermüdlich an seinen wissenschaftlichen Werken arbeitete und ebenso unermüdlich korrespondierte, in dem kleinen Thagaste bisweilen Mühe hatte, genügend Papyrusblätter aufzutreiben. 22 Die Muße für seine Studien und seine Schriftstellerei verschaffte er sich in den langen Winternächten. Manchmal nahte schon der Morgen, und er zwang sich noch rasch zu einer fälligen Antwort an Nebridius, die sich unter der Hand zu einer ausführlichen Erörterung über die Seele, ihr Verhältnis zum Körper und die beiden Formen menschlicher Erkenntnis auswuchs. 23 Es war nicht verwunderlich, dass er mit solcher Arbeitswut Raubbau an seinem Körper trieb. Er wolle eben mehr, als seine Gesundheit zulasse, und das bei seiner schwachen Konstitution, klagte er dem Freund. 24 Seine Mitbrüder nahmen Rücksicht auf den unermüdlichen Schaffer. Wenn sie aber doch einmal sahen, dass er sich eine Pause gönnte, nutzten sie die Gelegenheit und stellten ihm Fragen, die sie beschäftigten, philosophische wie die nach der Seele, oder theologische wie das Verhältnis des irdischen Christus zur himmlischen Trinität. Seine kürzeren oder längeren Antworten schrieben sie nieder. Später wurden sie unter dem Titel „Über die verschiedenen 83 Fragen“ (De diversis quaestionibus LXXXIII liber I) zu einem Buch zusammengestellt. 25
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Es blieb nicht aus, dass sich der Ruf von Augustinus’ Gelehrsamkeit über Thagaste hinaus verbreitete. Man bat ihn um seine Schriften, die er bereitwillig verschickte. Begründete Kritik bei der Rückgabe war der Dank, den er von den Empfängern erwartete. Er musste allerdings schon einmal ebenso höflich wie bestimmt mahnen, man möge ihm, wenn schon nicht Kritik, so wenigstens sein Buch zurückschicken und sich nicht einfach in Schweigen hüllen. 26 Romanianus besaß Abschriften von allem, was Augustinus geschrieben hatte, und ließ bei Bedarf weitere Kopien anfertigen. 27 Auch gegen Angriffe musste Augustinus sich wehren. Der Grammatiker Maximus aus dem benachbarten Madauros forderte ihn mit seinem paganen Monotheismus und seiner Kritik an der Märtyrerverehrung heraus. Auch lehnte er den Gottesdienst der Christen ab, weil er nicht wie die Götterkulte in der Öffentlichkeit gefeiert werde. Seinem Alter nach hätte Maximus der Lehrer sein können, der vor Jahren den jungen Augustinus in Grammatik unterrichtet hatte. Vielleicht sprach davon der Briefwechsel, der seinem Angriff und Augustinus’ Antwort vorausging. 28 Maximus’ Vorwürfe waren nicht neu, und nachdem der Angegriffene sie genüsslich zerpflückt hatte, schloss er mit der spöttischen Aufforderung, falls dem Greis an der Fortsetzung ihres Disputs gelegen sei, möge er das nächste Mal Argumente vorbringen, die seinem Alter und seiner Klugheit angemessen seien und ein Gespräch verdienten. 29 Eine Christengemeinde, die einen so scharfsinnigen und redegewandten Mann in ihren Reihen, vielleicht sogar als Bischof an ihrer Spitze hatte, brauchte die gehässigen oder ironischen Pfeile nicht zu fürchten, die Heiden oder Häretiker gegen ihre Religion abschossen und die einfache Leute nicht zu parieren vermochten. Allein schon seine Anwesenheit würde vielen Gegnern nach seinen ersten Siegen die Lust zur Fortsetzung nehmen, und so würde mit der Zeit Ruhe zwischen den Konfessionen einkehren. Augustinus war zu Ohren gekommen, dass Gedankenspiele dieser Art an manchen Orten die Runde machten. Wenn er daher verreiste, mied er diejenigen Gemeinden, in denen gerade ein Bischofsstuhl vakant war.30 Vorläufig wollte er weder das Leben in seiner Gemeinschaft noch die Freiheit, die es ihm für seine Schriftstellerei ließ, gegen die Verpflichtungen eintauschen, die ein Bischofsamt mit sich brachte. Lieber kämpfte er weiterhin mit der Feder für seinen Glauben. Die Abhandlung „Über die wahre Religion“ war schon im Titel eine solche Kampfansage an alle Nichtkatholiken. Es war die zweite Schrift, die Augustinus seinem alten Förderer Romanianus nach den drei Büchern „Gegen die Akademiker“ widmete. Dort hatte er angekündigt, er wolle das Gespräch über Religion mit ihm, den er zu seinem Bedauern einst für den Manichäismus gewonnen hatte, später einmal fortsetzen. Zum Schluss hatte er die Erwartung ausgesprochen, zwischen Platonismus und Chris-
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tentum werde er selbst – und folglich auch der philosophierende Romanianus – keinen Widerspruch mehr finden. 31 Diesen Faden nahm er jetzt auf und knüpfte daran ein historisches Gedankenexperiment: Würden die Skeptiker unter den alten Anhängern Platons die heutige Verbreitung des Christentums erleben, sie würden sich allein schon durch diese Tatsache von dessen Wahrheit überzeugen lassen, die für so viele Menschen eine Lebenshilfe sei. Die Erkenntnis würde ihnen umso leichter fallen, als sie in ihrem philosophischen Credo nur wenige Ansichten zu ändern bräuchten, um Christen zu werden. Eben das hätten ja die meisten Platoniker getan, die sich in letzter Zeit bekehrten. Auch alle anderen Nichtkatholiken, sofern sie nicht voller Hochmut, Neid und Dämonenglauben seien, müssten in sich gehen. „Denn weder bei den konfusen Heiden noch bei dem häretischen Geschmeiß, weder bei den schwächlichen Ketzern noch bei den blinden Juden darf man Religion suchen, sondern allein bei denen, die sich katholische und rechtgläubige Christen nennen, bei denen also, die die Hüter der Universalität sind und dem Richtigen folgen.“ 32 Den kompromisslosen Absolutheitsanspruch, der sich im weiteren Verlauf insbesondere gegen Romanianus’ manichäische Glaubensgenossen richtete, sicherte Augustinus durch ein altes Argument der christlichen Apologeten des 2. und 3. Jahrhunderts, dessen sich auch Kaiser Konstantin nach seiner Bekehrung bedient hatte: Das Christentum hat die monotheistische Urreligion der Menschheit erneuert, aus der durch das Versagen der Nachgeborenen die verschiedenen falschen Religionen hervorgegangen sind. Augustinus gab für diese Entwicklung der wandelbaren menschlichen Seele die Schuld, die sich von ihrem unwandelbaren Schöpfergott abgewandt und an seiner Stelle Geschöpfe vornehmlich der Phantasie verehrt habe. Gott aber habe in seinem Erbarmen seinen Sohn gesandt, um das Menschengeschlecht an seine ursprüngliche, vollkommene Natur zu erinnern. „Darin besteht zu unserer Zeit die christliche Religion, die zu erkennen und zu befolgen das sicherste und zuverlässigste Heil bedeutet.“ 33 Augustinus hatte Erfolg, und noch vor seiner Bischofsweihe bekehrte sich Romanianus. In einem Brief, den er 394 dem Freund an Paulinus, den späteren Bischof von Nola, mitgab, deutete Augustinus die Bekehrung an, die Gottesgabe, die er mit ganzem Herzen ersehnt habe. Schon vorher hatte er ein Exemplar von „Über die wahre Religion“ Paulinus zugesandt, der das Werk mit Begeisterung las und nun den Mann näher kennenlernen wollte, dem es gewidmet war.34 Im Jahr darauf schrieb Paulinus an Romanianus einen Brief, in dem er ihm und seinem ganzen Haus alles Gute in Christo wünschte. 35 Augustinus konnte aufatmen. Mit Gottes Hilfe hatte er seine Jugendsünde, Romanianus’ Abfall zum Manichäismus, gutgemacht.
XI. Der Priester in Hippo Etwa zwei Jahre waren vergangen, seit Augustinus in die Heimat zurückgekehrt war, und es wären noch mehr Jahre geworden, hätte der Zufall seinem Leben nicht wieder eine neue Richtung gegeben.1 Ein Beamter der in Hippo stationierten kaiserlichen Verwaltung beschloss, seinen Dienst aufzugeben. Als eifriger Christ hatte er vor, sich aus der Welt zurückzuziehen, und da er von Augustinus’ Gelehrsamkeit gehört hatte, wünschte er sich ihn als Seelenführer. Augustinus wollte sich seinem Ansinnen nicht entziehen, schien sich doch das Schicksal des Euodius zu wiederholen. Auch er hatte in der kaiserlichen Verwaltung gedient und war seit der Abreise aus Mailand neben Alypius zu seinem engsten Weggefährten geworden. Augustinus dachte sogar weiter: Warum nicht mit dem frommen Bittsteller in Hippo eine weitere klösterliche Gemeinschaft gründen? 2 Die Aussicht war Grund genug, mehrmals die zweitägige Reise in die Stadt zu unternehmen. Doch der Anwärter tat sich schwer und machte, weniger entschlossen als Euodius, immer wieder Ausflüchte, während ihn Augustinus von den Vorteilen eines gottgeweihten Lebens zu überzeugen suchte. 3 Es konnte nicht ausbleiben, dass der Besucher aus Thagaste den Katholiken von Hippo auffiel, etwa wenn er die Messe besuchte. Dazu kam, dass der Bischof der Stadt, der greise Valerius, sich zu eben der Zeit an seine Gemeinde wandte und um Vorschläge bat, wen er als den in seinem Alter dringend benötigten Gehilfen zum Priester weihen solle. Einstimmig wurde Augustinus genannt und sofort zur Ordination gedrängt. Ihm sei Gewalt angetan worden, schrieb der Neupriester wenig später dem Bischof. Wenn er während der Weihe geweint habe, so deswegen, weil er an die Schwierigkeiten eines Priesteramts in Hippo und an seine mangelnde Bibelkenntnis gedacht habe. 4 Im Vergleich zu Thagaste war Hippo, mit vollem Namen Hippo Regius, das königliche Hippo, eine Großstadt. 5 Ihr Beiname unterschied sie von der etwa 200 Kilometer westlich gelegenen Küstenstadt Hippo Diarrhytus. Sie war colonia, hatte also die höchste Rechtsstellung einer Stadt im Römischen Reich, während Thagaste als municipium eine Stufe tiefer stand. Der Hafen von Hippo, dem französischen Bône und heutigen Annaba in Algerien, sorgte für lebhaften Handel. Hier wurde vor allem das Getreide für Rom und Italien umgeschlagen. Vielfältig war das religiöse Leben. Götterverehrer und Manichäer, Donatisten und Katholiken lebten nebeneinander. Vor allem die Oberschicht hing meistens noch den alten Göttern an. Reibereien gab es zwischen den beiden christlichen Konfessionen, da die Donatisten allein schon an Zahl den Katholiken überlegen waren. Zur
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Der Heilige Augustinus wird von Bischof Valerius zum Priester geweiht.
Stadt gehörte ein weites bäuerliches Umland. Der fruchtbare Boden war meistenteils in der Hand von Großgrundbesitzern. Ihre Güter ließen sie von halbfreien Kolonen und Sklaven bestellen, die sogar gezwungen waren, den paganen Kulten ihrer Patrone zu folgen oder auch deren Donatismus anzunehmen. 6 Für den katholischen Klerus der ausgedehnten Diözese Hippo, der zu missionieren suchte, war das ein steiniges Feld, zumal auf dem Land weithin nicht lateinisch, sondern punisch gesprochen wurde. Augustinus’ Punischkenntnisse waren bescheiden, wie ihm sein Sohn Adeodatus einmal vorhielt.7 Sie genügten für den Alltag. Bei Briefen und Predigten bediente er sich eines Dolmetschers. 8 Jahre später erwähnte Augustinus gelegentlich in einem Brief, die Kirche von Thagaste habe ihn nicht zum Priester geweiht, als sie das gekonnt hätte. 9 Soll das heißen, er habe in seiner Stadt vergeblich das Priesteramt angestrebt, mit dem er zugleich die private Vereinigung der „Diener Gottes“ zu einer kirchlichen Gemeinschaft hätte erheben können? Hatte man ihm also in Hippo, wohin er kam, um ein Kloster zu gründen, das erwünschte Priesteramt gegeben, das ihm in Thagaste verweigert worden war? Sein offenes Widerstreben gegen die Ordination war nur scheinbar
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der Gegenbeweis. Denn solche refutatio gehörte bei antiken Wahlämtern, bei staatlichen wie bei kirchlichen, zum inoffiziellen Ritual. Ein Kandidat vermied auf die Weise den misslichen Eindruck, er dränge sich nach dem angestrebten Amt. Wer dagegen gedrängt werden musste und schließlich nachgab, vermittelte der drängenden Menge das Gefühl, sie verfüge über das Amt. Der Zögernde konnte außerdem sicher sein, dass er wirklich der Wunschkandidat war, dem auch ein Konkurrent oder ein möglicher künftiger Streit mit seinen Anhängern so leicht nichts anhaben konnte. Nach dem Hin und Her durften sich am Ende beide Seiten in dem Glauben wiegen, Gottes Willen erfüllt zu haben.10 Ärger gab es in der Gemeinde von Hippo allerdings sofort. Denn der Neupriester bat als erstes Bischof Valerius in einem langen Brief, er möge ihm bis zum kommenden Osterfest Urlaub gewähren. Er müsse nämlich die Bibel studieren, wozu es ihm bis jetzt an Zeit gefehlt habe. Nach den Bibelzitaten in seinen bisherigen Schriften zu schließen hatte man allerdings nicht den Eindruck, das sei nötig gewesen. Doch der gebürtige Grieche Valerius, dessen Latein nicht das beste war, hatte offensichtlich nie etwas von seinem künftigen Gehilfen gelesen. Daher ließ er sich von dessen Begründung überzeugen, ohne gründliche Kenntnis der Heiligen Schrift sei er nicht in der Lage, den Aufgaben seines Amtes gerecht zu werden. Hatte der Apostel Paulus im Brief an Titus nicht empfohlen, ein Priester müsse in der rechten Lehre sattelfest sein, um seine Gläubigen ermahnen und Gegner widerlegen zu können? 11 Ganz wohl war dem Antragsteller nicht. Sonst hätte er Valerius nicht aufgefordert, er möge beten, dass seine Abwesenheit der Kirche von Hippo nicht schade.12 Seine Ahnung trog ihn nicht: Gemeindemitglieder waren erbost, als er sich nach der Ordination mit unbekanntem Ziel verabschiedete. Hatten sie ihn nicht zuletzt deswegen zum Priesteramt gedrängt, damit ihnen der ehemalige Rhetorikprofessor ordentliche lateinische Predigten halte? Stattdessen mussten sie sich weiterhin den alten Bischof mit seinem schütteren Latein anhören.13 Noch vor Ostern kehrte Augustinus zurück, und Valerius trat ihm sofort das Predigen ab. Vor allem in den Kirchen des Westens war die Predigt stets das Vorrecht des Bischofs gewesen, weshalb die Neuerung nicht allen Amtsbrüdern des Valerius gefiel. In Hippo selbst wäre jeder Kritiker nach Augustinus’ erstem Auftritt verlacht worden, und sein Beispiel machte bald auch außerhalb der Stadt Schule. 14 Valerius bedankte sich großzügig dafür, dass er die ungeliebte Aufgabe los war: Er überließ seinem Priester auf dem Kirchengelände ein Gartengrundstück, auf dem er seine ursprüngliche Absicht verwirklichen und ein Kloster errichten konnte. Bald darauf begann Augustinus, Männer um sich zu sammeln, die bereit waren mit ihm ein Leben zu führen, wie es nach der Apostelgeschichte die christliche Urgemeinde in Jerusalem vorgelebt hatte: Alle verkauften ihren Be-
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sitz, und aus dem Erlös teilten sie jedem das zu, was er benötigte. Wer damit Schwierigkeiten hatte, den verwies Augustinus auf sein eigenes Beispiel in Thagaste.15 Während Alypius in der Heimatstadt blieb, deren Bischof er in wenigen Jahren wurde, scheint Euodius in das neue monasterium übergewechselt zu sein, unter dessen Mitgliedern er einmal die Namen Profuturus, Privatus und Servilius erwähnte. 16 Eine schriftliche Regel, das spätere praeceptum, war anfangs wie in Thagaste nicht nötig.17 Als Augustinus das Priesteramt übernahm, war ihm bewusst, dass die Zeit vorbei war, da er die Manichäer lediglich auf dem Papier bekämpfte. Denn Hippo hatte eine große Manichäergemeinde, die unter den Fremden in der betriebsamen Hafen- und Handelsstadt immer neue Mitglieder gewann. Erfolgreicher Missionar war der Presbyter Fortunatus. In Hippo war er zu einer Lokalgröße geworden, der mit seinem Wissen und seinem Ansehen den katholischen Klerus ausstach. Das war ein weiterer Grund, warum sich die Katholiken Augustinus als Priester wünschten. Wenn einer dem Manichäer rhetorisch und theologisch gewachsen war, dann war er es. Nach seiner Rückkehr bestürmten sie ihn daher, den Gegner zu stellen. Selbst Fremde und Donatisten unterstützten ihren Wunsch. Als Fortunatus davon erfuhr, war er zunächst nicht erbaut. Vor Jahren hatte er in der karthagischen Manichäergemeinde Augustinus’ Schlagfertigkeit kennengelernt. Aber vor seinen Anhängern wollte er sich nicht blamieren. Schließlich wurde eine zweittägige Disputation vereinbart. Sie fand am 28. und 29. August 392 in den Sossiusthermen statt. Viel Volk war zusammengekommen, um das Duell zu verfolgen. Augustinus ließ den Verlauf von Stenographen aufnehmen, und ihre überarbeitete Mitschrift hat sich als „Protokoll gegen den Manichäer Fortunatus“ (Acta contra Fortunatum Manichaeum liber I) unter seinen Werken erhalten. 18 Augustinus konnte sich vorweg sagen, dass Fortunatus versuchen werde, ihn dort zu treffen, wo sich scheinbar seine offene Flanke befand: die Tatsache, dass er selbst jahrelang Manichäer gewesen war. Um dem Gegner den Wind aus den Segeln zu nehmen, eröffnete er daher das Gefecht mit dem Bekenntnis: „Ich halte nunmehr für einen Irrglauben, was ich einmal für Wahrheit gehalten habe. Ob ich mit Recht dieser Meinung bin, will ich von dir hören.“ Nicht ungeschickt erwiderte Fortunatus trocken: „Fang an, den Irrglauben zu erläutern.“ Die Ursache des Bösen, die Augustinus gegen das manichäische böse Urprinzip im freien Willen des Menschen sah, war eines der Themen, mit denen er Fortunatus in die Ecke drängte. Der wollte sogar am Ende Augustinus’ Angebot annehmen, sich von ihm bei all den Fragen unterrichten zu lassen, auf die ihm seine Oberen keine befriedigende Antwort geben konnten. Daraus wurde nichts, denn er verließ Hippo und gab damit zu, dass Augustinus ihn besiegt hatte.19 Augustinus’ Sieg habe über Hippo hinaus Aufsehen erregt und dem Ma-
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nichäismus einen vernichtenden Schlag versetzt, freute sich sein Biograph Possidius. Mancher Manichäer mochte tatsächlich nicht zu den Verlierern gehören und wurde Katholik. Doch stärker setzten den manichäischen Gemeinden die Verordnungen zu, die der katholische Kaiser Theodosius immer wieder gegen die Häretiker erließ. Im Jahr zuvor hatte er in einem Gesetz verkündet: „Wir befehlen, dass die verderblichen Seuchen der Häretiker aus den Städten vertrieben und aus den Dörfern verjagt werden und dass ihnen keine Versammlungsstätten offenstehen, damit sich die gotteslästerliche Schar solcher Menschen nirgends mehr zusammenrotten kann“. Am 15. Juni 392, zweieinhalb Monate vor der Disputation, erging ein weiteres Gesetz, das jeden einzelnen mit einer Strafe von 10 Pfund Gold belegte, der einen häretischen Kleriker ordinierte oder selbst ein solches Amt übernahm. 20 Wenn sich daraufhin Manichäer aus der Öffentlichkeit zurückzogen, so hieß das nicht, dass Possidius mit seiner Behauptung völlig Recht hatte. Augustinus ließ sich nicht täuschen und beschloss, die geistige Auseinandersetzung fortzuführen. Um eine einzige Seele zu bekehren, war es ihm nicht zu viel, ein ganzes Buch zu schreiben. Einem alten Freund, Honoratus, war es wie ihm ergangen: Er war in jungen Jahren Manichäer geworden. Schon vor der Disputation mit Fortunatus widmete ihm Augustinus die Schrift „Über den Nutzen des Glaubens“ (De utilitate credendi). Honoratus hatte missfallen, dass man im Christentum angeblich auf Kosten der Vernunft glauben müsse. Diesem Vorwurf begegnete Augustinus mit der Unterscheidung, es gebe in der Religion zwei Sorten von Menschen, die Glücklichen, die schon im Besitz der Wahrheit seien, und diejenigen, die sich noch unterwegs und auf der Suche befänden. Zu diesen zählte er Honoratus. Der benötigte allerdings noch mehrere Jahre, bis er auf dem Weg, den ihm sein Freund vorgezeichnet hatte, ans Ziel kam. 21 Den manichäischen Dualismus bekämpfte Augustinus ein weiteres Mal in der Abhandlung „Über die zwei Seelen“ (De duabus animabus). 22 Auch die antimanichäische Interpretation der Genesis setzte er mit dem Werk „Über die Genesis im Wortsinn“ (De genesi ad litteram) fort. Gleich zu Beginn stellte er sich unmissverständlich auf den Boden des nicänischen Glaubensbekenntnisses: Gott der allmächtige Vater hat durch seinen eingeborenen Sohn in Einheit mit dem wesensgleichen, gleichewigen Heiligen Geist die ganze Welt geschaffen. Dem Titel des Werkes fügte er später hinzu: „nur ein Buch, unvollendet“ (liber unus inperfectus). 23 Denn neben den Manichäern forderte ein neuer Gegner seine Aufmerksamkeit: die Donatisten. Fast ein Jahrhundert war vergangen, seit sich Donatisten und Katholiken in den africanischen Provinzen getrennt hatten. Ihren Ausgang nahm die Trennung von der Frage, ob die Weihehandlungen von Bischöfen und Priestern noch gültig seien, wenn sie in der diocletianischen Christenver-
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folgung 303–311 dem Befehl des Kaisers gehorcht und die Heiligen Schriften und kultischen Geräte ausgeliefert hätten. Für die Donatisten hatten solche „Auslieferer“ (traditores) ihre geistliche Gewalt verloren. Ihre Bischofs- und Priesterweihen waren ebenso ungültig wie die Taufen, die sie spendeten. Die Sakramente mussten daher von rechtmäßigen Amtsträgern wiederholt werden. Im kirchlichen Alltag wurde insbesondere die Wiedertaufe zum Merkmal des Donatismus, der sich gegenüber den in seinen Augen schismatischen Katholiken als die rechtgläubige Kirche verstand. In der Folgezeit kam es zwischen den beiden Konfessionen nicht selten zu blutigen Auseinandersetzungen, die von literarischen Fehden begleitet wurden. Den katholischen Kaisern, die seit Konstantin die Donatisten mit verschiedenen Mitteln bekämpften, gelang es nicht, ihre Ausbreitung zu verhindern, zumal sich seit der Mitte des 4. Jahrhunderts immer wieder radikale und gewalttätige Gruppen, die Circumcellionen, zusammenfanden. Ein Netz von donatistischen Gemeinden entwickelte sich und wurde in Africa zur großen, an Zahl oft überlegenen Konkurrenz der katholischen Kirche. 24 Nicht immer war die Zugehörigkeit zu einer der beiden Konfessionen eindeutig. So auch in dem Fall, der Augustinus zum ersten Mal auf den Plan rief. Er hatte erfahren, dass ein katholischer Diakon aus dem in der Nähe gelegenen Dorf Mutugenna die Wiedertaufe von Bischof Maximinus empfangen hatte, dessen Sitz zur Diözese Hippo gehörte. Augstinus reiste nach Mutugenna, wo er den Diakon nicht antraf, aber von dessen Eltern die Bestätigung erhielt. In Vertretung seines abwesenden Bischofs schrieb er daraufhin an den anscheinend abgefallenen Maximinus einen Brief, der seine Taktik verriet, die er gegen die Donatisten anzuwenden gedachte: 25 In einer langen Einleitung strich er dem Adressaten zunächst nach allen Regeln des höflichen antiken Briefstils Honig um den Bart. In der Versicherung: „Gott weiß, dass ich dich nicht nur liebe, sondern so liebe wie mich selbst“, wird der Empfänger jedoch kaum mehr als eine freundliche Floskel gesehen haben. Sie stand für Augustinus’ Bemühen, zu einer friedlichen Einigung mit dem Wankelmütigen zu kommen, den er anschließend von der theologischen Widersinnigkeit der Wiedertaufe zu überzeugen suchte. Strikt lehnte er jedoch jeden Zwang aufgrund staatlicher Verordnungen ab. Soldaten als Büttel des Staates hatten in der Kirche nichts zu suchen, ebenso wenig aber auch der Terror der Cirumcellionen auf der Gegenseite. Entscheidend war am Ende die mit Vernunft gepaarte Autorität der Heiligen Schrift, wie sie Augustinus zu vertreten glaubte. Ob er den dringend erbetenen Antwortbrief erhielt, ist nicht überliefert. Doch am Ende kehrte Maximinus in die Gemeinschaft der katholischen Bischöfe zurück. Augustinus’ Schlussgruß „Gott unser Herr möge dir einen friedlichen Sinn einflößen“ erfüllte sich. 26
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So mancher Katholik, der sich mit dem Priester oder Bischof seiner Gemeinde überworfen hatte, schloss sich den Donatisten vor Ort an, die in seinen Augen ebenso gute Christen waren und bei denen er die ihm vertraute Messe mitfeiern konnte. Hatten sich ihre Vorfahren in der letzten großen Verfolgung nicht sogar als die besseren und strengeren Katholiken erwiesen und ihren Glauben mit dem Leben bezahlt? Noch eine zweite Taufe zu empfangen bereitete ihm auch nicht die dogmatischen Gewissensbisse, die spitzfindige Theologen auf der Gegenseite ihren Gläubigen einzureden versuchten. „Doppelt genäht hält besser“, mochte er sich sagen oder die alte, sprichwörtlich gewordenen Seemannsregel zitieren: „Zwei Anker sichern das Schiff besser“. 27 In Mailand hatten Ambrosius’ Hymnen die sangesfreudigen Katholiken zusammengeschweißt und gegen ihre Feinde gewappnet. Zugleich vermittelte der Bischof mit seiner Dichtung in knapper, einprägsamer Form all den Gläubigen religiöses Wissen, die nie eines seiner theologischen Werke in die Hand nehmen würden. Auch die Donatisten hatten den Wert des Psalmengesangs entdeckt, der „so nützlich ist, um das Gemüt in fromme Stimmung zu versetzen und das Verlangen nach der göttlichen Liebe zu entzünden“. 28 Daran dachte Augustinus, als er um 393 seinen „Psalm gegen die Donatuspartei“ in 293 Versen verfasste. Dessen zwanzig Strophen zu zwölf Versen begannen jeweils mit einem Buchstaben des Alphabets von A bis U. Der Einleitungsvers, zugleich der Kehrreim zwischen den einzelnen Strophen, beschwor die Hörer, Katholiken wie Donatisten: „Ihr die ihr alle euch freut am Frieden, urteilt jetzt über die Wahrheit.“ Große Dichtung war der „Psalm“ nicht. Zu oft holperten die Verse, für die Augustinus das trochäische Metrum mit zweimal vier Hebungen und vier Senkungen wählte und die er alle auf den klangvollen Vokal e enden ließ. Von einem „Bänkelsängerlied“ hat man gesprochen. 29 Ausführlich behandelte der dilettierende Dichter die Geschichte der Donatisten von den Anfängen bis zur Gegenwart. In einem Epilog ließ er die Mutter Kirche selbst auftreten; solche Prosopopöie war in Reden ein beliebtes Stilmittel. Eindringlich redete sie den Donatisten ins Gewissen: „Meine Söhne, was klagt ihr über eure Mutter? Von euch will ich jetzt wissen, warum ihr mich verlassen habt.“ Zu ihrer Religionspolitik bemerkt sie: „Ich vertreibe die Bösen, soweit ich sie vertreiben kann; die ich nicht vertreiben kann, bin ich gezwungen zu ertragen.“ 30 Augustinus glaubte also nicht an eine rasche Rückkehr der Donatisten, es sei denn, sie würden über ihren eigenen Schatten springen und die Wiedertaufe aufgeben. Im historischen Mittelteil des Gedichts äußert er auch Vorbehalte gegen die harten staatlichen Maßnahmen, mit denen Kaiser Constans nach dem Konzil von Serdica 342 die Kircheneinheit zu erzwingen versucht hatte. 31 Augustinus war ehrlich genug und gab zu, dass Donatisten den Katholi-
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ken mit Recht ihre laxe Moral vorhielten. Es gebe eben nicht nur Gute, sondern auch Böse in der Kirche, was bei den Donatisten nicht anders sei, lautete seine Antwort im letzten Teil des „Psalms“. 32 Doch begnügte er sich nicht damit, die Schäden in der Kirche festzustellen. Um sie zu beheben, musste man beim Klerus anfangen. Einen Mitstreiter fand er in Aurelius, dem er im Haus des Innocentius begegnet war.33 Vor kurzem war er Bischof von Karthago geworden und war damit Primas der Kirchenprovinz Africa, die sich zum großen Teil mit der politischen Diözese Africa deckte. Er hatte Alypius in Thagaste ein Grundstück geschenkt, um die religiöse Gemeinschaft nach dem Weggang ihres Gründers zu fördern. An Augustinus hatte er in dem Zusammenhang einen warmherzigen Brief geschrieben und sich dessen Gebet für sein neues Amt gewünscht. Der Empfänger war so gerührt, dass er längere Zeit für seine Antwort benötigte. Doch dann beließ er es nicht bei einem Dankschreiben, sondern entwickelte ein Reformprogramm für die Kirche in Africa: Anfangen müsse man beim Klerus, dessen Gier nach Ruhm und Anerkennung der junge Priester geißelte. Ferner seien Alkoholiker und Damenfreunde des Priesteramtes unwürdig, sollten sogar von den Sakramenten ausgeschlossen werden. Auch müssten Missstände in der Märtyrerverehrung abgestellt werden, die immer wieder zu Trinkgelagen ausarte. Zu große Strenge sei allerdings zu vermeiden; Belehrung des Volkes aus der Heiligen Schrift sei der bessere Weg. Warum nicht ein Konzil einberufen? Bis dahin könne die Diözese Karthago schon einmal mit gutem Beispiel vorangehen. Gern würde sich der Briefschreiber darüber auch mit Bischof Saturninus von Uzalis austauschen. Ihn hatte er ebenfalls bei Innocentius kennengelernt. 34 Es sprach nicht nur für Augustinus’ Sorge um die Kirche, sondern auch für sein Selbstbewusstsein, dass er, der kleine Priester aus Hippo, dem Primas von Africa seine Reformvorschläge unterbreitete und ihm eine Kampfgemeinschaft gegen die Verwilderung in der Kirche antrug. Aber er prophezeite auch: „Die Kraft dieses Feindes merkt man erst, wenn man ihm den Krieg erklärt.“ 35 Der Brief war der Beginn einer fast 30-jährigen Freundschaft, in der Aurelius bereitwillig die geistige Überlegenheit des Freundes anerkannte. War sie doch die beste Waffe im gemeinsamen Bemühen um die Kirche im Innern und bei der Abwehr ihrer äußeren Feinde. 36 Eine erste Gelegenheit bot sich am 8. Oktober 393 in der Friedensbasilika von Hippo, wo unter Aurelius’ Vorsitz ein Konzil aller africanischen Bischöfe zusammentrat. Augustinus, obwohl nur Priester, durfte vor der Versammlung den Hauptvortrag „Über den Glauben und das Glaubensbekenntnis“ (De fide et symbolo) halten. 37 Seine Ausführungen waren Anlass, dass den 39 Kanones, die die Bischöfe verabschiedeten, der Text des nicänischen Glaubensbekenntnisses vorangestellt wurde. Dessen Gegnerschaft gegen die Arianer hatte sich noch längst nicht erledigt, wes-
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halb das Bekenntnis mit der Exkommunikation all derer schloss, die an der arianischen Kernaussage über den Gottessohn festhielten und behaupteten: „Es gab eine Zeit, wo er nicht war“. Wenn Kanon 26 Priestern untersagte, in Gasthäusern zu essen und zu trinken, oder Kanon 29 Bischöfen und Priestern Gelage in der Kirche verbot, scheint Aurelius an die Vorschläge gedacht zu haben, die ihm Augustinus gemacht hatte. 38 Dessen Vortrag hielten einige Bischöfe für so wichtig, dass sie ihn bestürmten, eine schriftliche Fassung zu veröffentlichen. Es waren diejenigen, die ihm besonders eng verbunden waren, wie er im „Revidierten Werkverzeichnis“ nachtrug.39 Was ihnen der Prediger über die göttliche und menschliche Natur Christi und insbesondere über die dritte göttliche Person, den Heiligen Geist, in glänzender Rhetorik vortrug, konnten sie wiederverwenden, wenn ihnen in ihren Heimatgemeiden von Gläubigen Fragen gestellt oder sie von Heiden und Häretikern angegriffen wurden. Ein Bischof, der sich bei solchen Gelegenheiten nicht souverän schlug, wurde zum Gespött seiner Gegner und verlor sein Gesicht vor den Mitgliedern seiner Gemeinde. Mit der Heiligen Schrift solle man die Mehrheit der Gläubigen erziehen, hatte Augustinus im Brief an Aurelius geschrieben. Dazu aber mussten Bischöfe und Priester die Heilige Schrift kennen, wie der erste Kanon des Konzils von Hippo mit Recht forderte. Nicht jeder nahm sich wie Augustinus die Zeit zu ihrem Studium. Hatte ihm die Reaktion auf seinen Vortrag in Hippo nicht gezeigt, dass Interesse an seiner Exegese bestand? Wenn er einzelne Schriften der Bibel interpretierte, brauchte er sich um Leser keine Sorgen zu machen, und die Arbeit würde ihm nicht ausgehen. Er musste nur einen Blick auf den Kanon 36 des Konzils werfen, der sämtliche kanonischen Bücher des Alten und Neuen Testaments aufzählte, um die apokryphen Schriften vom Gottesdienst auszuschließen. Im Winter 393/94 begann er mit den beiden Büchern „Über die Bergpredigt des Herrn“ (De sermone Domini in monte), für die er die Version bei Matthäus 5,1–11 wählte. Man finde dort „die vollkommene christliche Lebensform“, kündigte er gleich zu Beginn an. Auch die Donatisten galt es im Auge zu behalten. Kanon 37 hatte eine Bestimmung früherer Konzilien erneuert: Kein donatistischer Kleriker, der katholisch wird, darf sein Amt behalten, sondern er wird in den Laienstand versetzt. Ausgenommen sind nur solche Amtsträger, die nie eine Wiedertaufe vollzogen haben oder die mit ihrer gesamten Gemeinde konvertieren. Augustinus nahm sich daraufhin einen Brief des Donatus vor, des zweiten Gründungsvaters und Namengebers der Abtrünnigen. Seine Verteidigungsschrift ist allerdings verloren gegangen. Nach dem „Revidierten Werkverzeichnis“ berief er sich gegen die Schismatiker auf Jesu Satz im Matthäusevangelium: „Du bist Petrus, und auf diesen Fels will ich meine Kirche bauen.“ 40
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Dem anderen Gegner, dem Manichäismus, musste Augustinus ebenfalls von Zeit zu Zeit die Faust zeigen. Eines Tages fiel ihm das Buch eines Adimantus in die Hände. Der Verfasser war „einer von den Schülern des Manichäers, der nach ihrer Überlieferung einer der großen Gelehrten jener Sekte gewesen war“. 41 Das war eine sarkastische Anspielung auf Faustus von Milev, der einst den jungen Augustinus in Karthago mit seinem dürftigen Wissen so bitter enttäuscht hatte. 42 Jetzt eröffnete er seine Gegenschrift mit dem wuchtigen Beginn der Genesis: Deren Schöpfergott ist derselbe wie der Schöpfergott im Prolog des Johannesevangeliums, also die christliche Trinität. Der Widerspruch, den die „strohdummen Manichäer“ annehmen, existiert nicht. Der manichäische Dualismus war damit ein weiteres Mal erledigt. Denn schon zuvor hatte er ihm einen kräftigen Hieb in einer Predigt versetzt, wahrscheinlich der ältesten unter seinen erhaltenen Predigten. Ihr antiker Titel lautet: „Traktat gegen die Manichäer über die Schrift ‚Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde‘ und ‚Im Anfang war das Wort‘“. 43 Das Thema brannte dem Priester Augustinus auf den Nägeln, weil offensichtlich Hippos Manichäer hilflose Katholiken mit dem angeblichen Widersinn der berühmten Anfangssätze des Alten Testaments und des Johannesevangeliums aufzogen. Am Ende wies der Prediger die vollkommene Harmonie zwischen Mose, dem Evangelisten Johannes und dem Apostel Paulus nach. Auf dem Konzil von Hippo hatten die Bischöfe im Kanon 5 vereinbart, dass jährlich ein Gesamtkonzil stattfinden solle, um Kirchenfragen zu regeln, „die zum Schaden des Volkes oft genug auf die lange Bank geschoben werden.“ Aurelius’ und Augustinus’ Reformeifer sprach aus dieser Begründung. Jedes Provinzialkonzil sollte drei bevollmächtigte Vertreter entsenden, ausgenommen Tripolis, das sich wegen der Armut der Bischöfe mit einem Abgesandten begnügen durfte. Konzilien waren auch schon damals eine Kostenfrage. Die Delegierten trafen sich erstmals am 26. Juni des folgenden Jahres in Karthago, und Augustinus wurde wieder dazu eingeladen. Die Teilnehmer besprachen nicht nur administrative Fragen, sondern lasen auch gemeinsam den Römerbrief des Apostels Paulus. Sooft der Text den Bischöfen Schwierigkeiten bereitete, wandten sie sich an den Priester Augustinus, der, „so gut er konnte“, Auskunft gab. Wieder kam am Ende die Bitte, er möge niederschreiben, was er ohne schriftliche Unterlagen geäußert habe. Das Ergebnis war die „Auslegung zu einigen Themen aus des Apostels Römerbrief“ (Expositio quarumdam propositionum ex epistula apostoli ad Romanos). 44 Zu Paulus’ Forderung im Kapitel 13: der Mensch habe der Obrigkeit zu gehorchen, weil sie von Gott eingesetzt sei, führte der Kommentator aus: „Wenn also einer glaubt, weil er Christ sei, müsse er keine Steuern oder Abgaben zahlen oder er müsse denen nicht die schuldige Ehre erwei-
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sen, die sie für die Obrigkeit verwalten, so befindet er sich in einem großen Irrtum.“ Augustinus schloss einen Schachtelsatz an mit einer Mahnung, die einen Kerngedanken seines „Gottesstaates“ vorwegnahm: „Denn obwohl wir in jenes Reich gerufen werden, wo es die Macht dieser Welt nicht mehr gibt, so müssen wir doch, solange wir uns auf diesem Weg befinden, bis wir zu jener Welt gelangen, wo jegliche Fürstenmacht verschwunden ist, unsere bürgerliche Stellung um der Ordnung der menschlichen Verhältnisse willen halten, und das ohne zu heucheln, und wir müssen dabei weniger den Menschen als Gott gehorchen, der uns das befiehlt.“ 45 Als die Konzilsteilnehmer auseinandergingen, waren spätestens diejenigen, die Augustinus die schriftlich Auslegung seiner extemporierten Erläuterungen nahelegten, zur Überzeugung gelangt, den führenden Theologen Africas gehört zu haben, und sie verbreiteten seinen Ruf in ihren Heimatgemeiden. Possidius ging sogar noch weiter: Auch jenseits des Meeres sei man damals auf ihn aufmerksam geworden. 46 Keiner zweifelte mehr, dass der nächste Bischof von Hippo Augustinus heißen werde, sobald der greise Valerius in jenes Reich gerufen werde, „wo es die Macht dieser Welt nicht mehr gibt“. So lange wollte Valerius allerdings nicht warten. Er fürchtete, eine andere Stadt werde seinem Priester einen attraktiveren Bischofsstuhl anbieten und Hippo habe das Nachsehen. Possidius, der seit längerer Zeit in Augustinus’ klösterlicher Gemeinschaft lebte, berichtetet aus der Nähe über Valerius’ Vorgehen: Heimlich schrieb er zunächst dem Primas Africae Aurelius nach Karthago, verwies auf sein Alter und bat um die Erlaubnis, Augustinus zum Mitbischof ernennen zu dürfen. Das war nötig, denn das Konzil von Nicäa hatte im Jahr 325 ausdrücklich untersagt, dass zwei Bischöfe gleichzeitig in einer Stadt residierten. 47 Aurelius war souverän genug und entsprach Valerius’ Bitte. Ein gelehrter Priester wie Augustinus, die große Hoffnung der africanischen Kirche und Theologie, der war in seinen Augen Rechtfertigung genug, um eine Ausnahme von einem Konzilsbeschluss zu machen. Valerius’ nächster Schritt war schwieriger. Da Hippo kirchenrechtlich zur politischen Provinz Numidia gehörte, lag eine Bischofsweihe in den Händen von deren Primas, Bischof Megalius von Calama. Der hatte jedoch Vorbehalte gegen Augustinus. Ihm war zu Ohren gekommen, der Priester habe einer verheirateten Frau geweihte Brote als Liebeszauber gegeben, und das mit Wissen ihres Mannes. Der Primas sandte an Valerius einen bitterbösen Brief. 48 Dass einer, der keinen guten Leumund hatte, nicht Bischof werden sollte, musste man nicht erst in Paulus’ Briefen an Timotheus und Titus nachlesen. Valerius brachte die Anschuldigung auf einem Provinzkonzil in Hippo zur Sprache, und rasch stellte sich heraus, dass Megalius einer üblen Nachrede aufgesessen war. Inständig bat der Getäuschte Augustinus und die Versammlung um Ver-
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zeihung. Nun verkündete Valerius seinen Wunsch, den Priester Augustinus als coepiscopus neben sich zu haben. Bei allen anwesenden Bischöfen sowie bei den übrigen Klerikern und Gläubigen von Hippo stieß er auf begeisterte Zustimmung. Der einzige, der widersprach und auf das Verbot des Doppelepiskopats verwies, war Augustinus. Wie bei der Vorgeschichte seiner Priesterweihe mochte sich mancher fragen, ob sein Widerstand so ernst gemeint war, wie er klang. 49 Oder hatte der Kandidat Hemmungen, weil er daran dachte, dass man ihm Paulus’ Mahnung vorhalten könne, ein Bischof müsse ohne Tadel, nüchtern und anständig sein, kein Säufer und Schläger, nicht streitsüchtig und geil? Die anderen bischöflichen Eigenschaften im Tugendkatalog des Apostels, Klugheit und Gelehrsamkeit, würden ihm höchstens die Böswilligen absprechen, und das Thema „Ehe mit nur einer Frau“ hatte sich für ihn eindeutig erledigt. Ferner musste man ihm bescheinigen, dass er ein guter Hausvater war, wenn auch ohne die leiblichen Söhne, von denen Paulus sprach. 50 In einem Brief an Paulinus von Nola berichtete Augustinus, Valerius’ Liebe und der Wille des Volkes, in dem er den Willen Gottes erkannt habe, hätten ihn bestimmt nachzugeben. Außerdem gäbe es einige Präzedenzfälle. 51 Der Briefschreiber wird vor allem an Alypius gedacht haben. Der Freund hatte ihn, den Älteren, kurz zuvor in der Karriere überholt: Er war Bischof in ihrer Heimatstadt Thagaste geworden. 52 Im Mai oder Juni 395 erhielt Augustinus von Megalius die Bischofsweihe. 53 Selbst wenn er es gewollt hätte, konnte der Primas von Numidien nicht mehr verhindern, dass seine Anklage gegen Augustinus in falsche Hände geriet und später von Donatisten gegen den Unschuldigen benutzt wurde. 54 Dessen Verteidigung sorgte dafür, dass die Affäre nicht in Vergessenheit geriet. Sein Biograph Possidius hätte das gerne gehabt, weshalb er kein Wort über sie verlor. Als Alypius bereits als Bischof von Thagaste im Gespräch war, unternahm er vor der Weihe noch eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. In Bethlehem besuchte er den Priester Hieronymus, der dort neben Frauenklöstern ein Männerkloster gegründet hatte, in dem er sich der Übersetzung und Kommentierung der Bibel widmete. Zurückgekehrt berichtete Alypius dem Freund Augustinus von der beeindruckenden Persönlichkeit des Hieronymus und seiner Arbeit. Der nahm die Nachricht zum Anlass, Verbindung mit dem gelehrten Mitbruder aufzunehmen, in dem er einen Geistesverwandten sah und dessen Arbeiten er zum Teil schon kennengelernt hatte. Als daher sein Freund Profuturus, ebenfalls kurz vor der Bischofsweihe, Alypius folgen und nach Palästina reisen wollte, gab er ihm einen Brief an Hieronymus mit. 55 Der Brief erreichte jedoch den Empfänger nicht, da der Bote noch vor der Abreise zum Bischof von Cirta bestellt wurde. Erst Jahre später und nach mehreren Umwegen hielt Hieronymus das Schreiben in Händen und erfuhr von Augustinus’ Einzelkritik an sei-
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ner Übersetzungs- und Kommentierungsarbeit. Der empfindliche Gelehrte reagierte verärgert. Die Schwierigkeiten des Briefverkehrs in den Jahren zuvor und danach, dazu Hieronymus’ Eigenheiten und Eitelkeiten ließen bei aller gegenseitigen Wertschätzung kein allzu herzliches Verhältnis zwischen den beiden Männern aufkommen. Es blieb trotz ihres höflichen Umgangstons kühl bis zum Schluss, bis zu Hieronymus’ Tod im Jahr 419 oder 420. 56 Kein Einwand, den Augustinus gegen eine Übersetzung oder Interpretation des Briefpartners vorbrachte, hat ihn je zu einer Revision veranlasst. Dem Bischof Alypius sandte Augustinus noch vor seiner eigenen Bischofsweihe einen Brief, in dem er ihm eine dramatische Schilderung des Kampfes lieferte, den er gegen ein katholisches Krebsübel geführt hatte. Dem Übel war er schon in Mailand begegnet, und auch der Kanon 29 des Konzils von Hippo hatte es aufs Korn genommen. Es war die Sitte, in Kirchen und an Märtyrergräbern feuchtfröhliche Gelage abzuhalten. 57 Drei Tage lang schlug der Prediger Augustinus in der Bischofsbasilika von Hippo eine Redeschlacht. Seine erste Predigt am ersten Tag hatte auf den Straßen der Stadt heftige Proteste ausgelöst, aber auch immer mehr Protestler in die Kirche gelockt. Die einfachen Gläubigen wollten sich von
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einem Priester nicht ihr geliebtes und in ihren Augen gottgefälliges Vergnügen vergällen lassen. Verglichen mit der trockenen früheren Manichäerpredigt, bei der es um ein bibelexegetisches Problem ging, lief der Sittenwächter Augustinus dieses Mal zu großer Form auf. Mit instruktiven Zitaten und Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament redete er den Zuhörern ins Gewissen. Mehr denn je machte sich seine gründliche Kenntnis der Heiligen Schrift bezahlt. Augustinus hätte jeden der kynischen Bettelphilosophen und Sittenprediger in den Schatten gestellt, die früher durch die Städte gezogen waren und auf Marktplätzen und in Säulenhallen den Leuten mit drastischen Worten ihr liederliches Leben vorhielten. Die Zuhörer genossen deren Rhetorik, sich zu bessern kam ihnen selten in den Sinn. Anders die Christen in Hippo. Augustinus’ Predigten waren Teil der Messliturgie. Der Psalmengesang zwischen den einzelnen Gebeten tat ein Übriges. Als er am zweiten Tag extemporierte und Jesu Kreuzestod für die Sünder ausmalte, brach die ganze Kirche in lautes Weinen aus, und auch dem Redner, der von der eigenen Wortgewalt übermannt wurde, schossen die Tränen aus den Augen. Mit seinem ausführlichen Bericht wollte Augustinus dem jungen Bischof nicht ohne Stolz vorführen, wie man es anstellen musste, um die Moral einer Gemeinde zu heben. Er vergaß auch nicht, Alypius und seiner Gemeinschaft für ihr Gebet zu danken, das ihn in seiner Tätigkeit unterstützt habe. Mit einer traurigen Nachricht, die den Adressaten zur Vorsicht mahnen sollte, schloss er seinen langen Brief: In dem Ort Asra waren Cirumcellionen in die Kirche des Priesters Argentius eingedrungen und hatten den Altar zertrümmert. Argentius erhob Klage, aber der Fall war noch nicht entschieden. Um den Amtsbruder zu unterstützen, sandte Augustinus ein Schreiben an den Asiarchen, einen Beamten des Provinziallandtags. Es war das erste Mal, dass er sich im Kampf gegen die Donatisten an eine staatliche Stelle wandte. Als Bischof musste er das noch öfter tun. Sein Wort hatte Gewicht, wenn auch nicht immer Erfolg. Manche hohen Beamten, die wie die Angehörigen des Senatorenstandes den Titel clarissimus trugen oder sogar in die höchsten Rangklassen der spectabiles und illustres aufgestiegen waren, vergaßen nicht, dass fast alle Bischöfe wie Augustinus aus dem niedrigeren Kurialenstand kamen, oft noch nicht einmal aus dessen Oberschicht, den principales. 58 Bemerkenswerte Ausnahme aus dem senatorischen Adel war Ambrosius, der Sohn eines Prätorianerpräfekten, der sich auch deswegen erlaubte, Kaisern die Stirn zu bieten. 59 Bei den variierenden Anreden an Bischöfe, deren sich Augustinus in seinen Briefadressen bediente, achtete er stets auf den Unterschied zu den weltlichen Rangklassen. Den Titel illustris gebrauchte er nur gelegentlich für die höchsten Beamten, den Finanzminister Volusianus oder den Prätorianerpräfekten Caecilianus. 60
XII. Der Bischof von Hippo Nach vier Jahren in Hippo wusste Augustinus zur Genüge, dass das Leben eines Bischofs in einer Großstadt schwerer war als das eines Priesters. An Paulinus von Nola schrieb er bald nach der Bischofsweihe, er befinde sich in einem Zwiespalt: Einerseits sei das Joch Christi nach dessen Worten im Matthäusevangelium leicht. Andererseits scheure jetzt eine Fessel an ihm „wegen seines ungehobelten Wesens und seiner Schwachheit“. Daher wäre es für ihn ein großer Trost, würde Paulinus zu ihm nach Africa kommen. Augustinus träumte sogar von einem gemeinsamen Leben mit ihm in der Klostergemeinde, deren Vorsteher er auch als Bischof blieb.1 Ein „ungehobeltes Wesen“ war der schlimmste Fehler, den ein Bischof haben konnte. Er stieß seine Gemeinde vor den Kopf und verprellte mögliche Konvertiten. In der Auseinandersetzung mit Häretikern waren Höflichkeit, Geschmeidigkeit und Witz, mit einem Wort: war urbanitas, das Gegenteil eines „ungehobelten Wesens“, die wirkungsvollste Waffe. Erst recht verdarb es sich ein ungehobelter Bischof mit der Staatsmacht, der man mit diplomatischem Geschick begegnen musste. Grobheit vertrug sich auch nicht mit der Fürsorge für die Armen, die man von einem Bischof erwartete. Würde Augustinus bei all den neuen Aufgaben, die ihm bevorstanden, noch Zeit für theologische Studien finden? Sie waren nötig, wollte er sich in seinen Predigten nicht wiederholen und in Diskussionen mit seinen Gegnern nicht den Kürzeren ziehen. Was war mit seinen literarischen Plänen? Um sie auszuführen, würde er nicht nur die langen Winternächte, sondern auch die kurzen Sommernächte benutzen, dazu tagsüber mit seiner Zeit haushalten müssen. Im Jahr zuvor hatte er nach der Teilauslegung zum Römerbrief eine „Auslegung zum Galaterbrief“ (Expositio epistulae ad Galatas) angeschlossen. Danach war er erneut auf den Römerbrief eingegangen, ohne zum gewünschten Abschluss zu kommen. Auch das Buch „Über die verschiedenen 83 Fragen“ hatte er fertiggestellt. 2 Einen Essay „Über die Lüge“ (De mendacio) hatte er so schnell zu Papier gebracht, dass er später selbst mit dem Ergebnis nicht zufrieden war. Im „Revidierten Werkverzeichnis“ gestand er, dass er die Schrift aus seiner Bibliographie gestrichen habe, weil ihm der Text „dunkel, umständlich und überhaupt schwerfällig vorkomme“. 3 Die Einleitung hätte er von seiner Selbstkritik ausnehmen können: „Mit der Lüge ist es ein großes Problem, das uns in unserem täglichen Tun oft verstört, um nicht leichtfertig den Vorwurf der Lüge zu erheben, wo es sich nicht um eine Lüge handelt, noch um nicht zu glauben, man müsse bisweilen lügen mit einer Lüge aus Pflichtgefühl oder Mitleid.“ Scherze und Witze nahm er von vornherein vom Vorwurf der
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Lüge aus, befand allerdings, sie seien keine Sache gefestigter Charaktere. 4 Doch bei den verschiedenen anderen Formen der Lüge und bei den im Einleitungssatz genannten Rechtfertigungen gab es für ihn am achten Gebot nichts zu rütteln: „Du sollst kein falsches Zeugnis geben“. 5 Er war daher auch mit dem unnachsichtigen Psalmisten und seiner Vorstellung vom strafenden Gott einig: „Du wirst alle vernichten, die eine Lüge aussprechen.“ Fünfmal zitierte er den Vers. Homer war in der „Ilias“ weniger hart: „Vater Zeus wird den Lügnern kein Helfer sein.“ 6 An zahlreichen Zitaten verdeutlichte Augustinus, welche Rolle Wahrheit und Unwahrheit im Alten und im Neuen Testament spielen. Das Thema war ihm so wichtig, dass er es 25 Jahre später in der Auseinandersetzung mit den Priscillianisten erneut aufgriff und ein zweites Werk „Gegen die Lüge“ verfasste.7 Unter der umfangreichen Literatur zur Ethik, die Philosophen verfasst hatten, gab es bisher keine Abhandlung über die Lüge. Augustinus betrat Neuland, auf dem ihm dann bis heute mancher folgte. 8 Mehr Lärm verursachte Augustinus in der Spätantike, im Mittelalter und in der Neuzeit mit dem Werk, dem er sich anschließend widmete und das den harmlosen Titel trug „An Simplicianus über verschiedene Probleme“ (Ad Simplicianum de diversis quaestionibus). Es war die erste Arbeit, die er nach der Bischofsweihe schrieb. 9 Was er hier über den Menschen angesichts von Gottes Allmacht behauptete, wurde ein Jahrzehnt später zur Arena, in der er und seine Mitbischöfe in Africa gegen Pelagius und die Pelagianer antraten. 10 Simplicianus, der dem Rhetoriklehrer Augustinus in Mailand die bewegende Bekehrung des Marius Victorinus berichtet hatte und inzwischen Nachfolger des Ambrosius auf dem Mailänder Bischofsstuhl geworden war, richtete an ihn Fragen zu zwei Kapiteln in Paulus’ Römerbrief und zu mehreren Stellen im alttestamentlichen Buch der Könige. Bewogen hatte ihn dazu die Begeisterung, mit der er Augustinus’ Schriften gelesen hatte. Über das Verhältnis von Freiheit und Gesetz im 7. Kapitel und über das Verhältnis von göttlicher Gnade und menschlichem Willen im 9. Kapitel des Römerbriefs hatte der Priester Augustinus auf dem Konzil von Karthago gesprochen und seine Gedanken anschließend in der „Darlegung zu einigen Themen aus des Apostels Brief an die Römer“ niedergeschrieben.11 Besonders über die Beziehung zwischen Gottesmacht und Willensfreiheit hatte er danach noch oft gegrübelt und nahm nun die Gelegenheit wahr, eine neue Erkenntnis vorzutragen. Im Begleitbrief an Simplicianus machte er im ersten Satz eine Andeutung: Seine vom Adressaten so hochgelobten Gaben verdanke er, Augustinus, Gottes Barmherzigkeit und nicht eigenem Verdienst. 12 Die Aussage schien noch mit seiner bisherigen Auffassung in der „Darlegung“ übereinzustimmen: „Bei uns liegt es, zu glauben und zu wollen, bei Ihm aber, dem Glaubenden und Wollenden
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die Fähigkeit zu geben, Gutes zu tun durch den Heiligen Geist, durch den sich die Liebe Gottes in unseren Herzen verbreitet, so dass er uns barmherzig macht.“ 13 Im „Revidierten Werkverzeichnis“ erläuterte er dazu, dass es sich um ein zweiseitiges Verhältnis handle, bei dem sich Gott und Menschen begegneten. Dann ausdrücklich: „Denn das Verhältnis kommt nicht zustande, wenn wir nicht wollen“.14 Dieses zweiseitige Verhältnis kündigte Augustinus jetzt auf. „Viele sind berufen, wenige aber auserwählt“, hatte Jesus im Matthäusevangelium angekündigt. Wer zu den Auserwählten gehörte, lag allein bei Gott. 15 Für Paulus war dafür der wichtigste Beleg das Zwillingspaar Esau und Jakob. Beide wurden durch denselben Geschlechtsakt gezeugt. Aber schon im Mutterleib wurde Esau, bevor er Böses tun konnte, von Gott gehasst, während der genauso unschuldige Jakob von ihm geliebt wurde. Immer wieder kreiste Augustinus um Paulus’ Beispiel.16 Es zeigte ihm, dass es für Gottes Gnade auf Verdienste nicht ankam. „Denn sonst wäre Gnade keine Gnade mehr“. 17 Dem gerechten Gott darf man keine Ungerechtigkeit vorwerfen. „O Mensch, wer bist du, dass du mit Gott diskutierst?“, hatte Paulus vorwurfsvoll gefragt. Gottes Gerechtigkeit ist nämlich „unerforschlich“.18 Wer dagegen rebelliert, den muss man mit Paulus im Ersten Korintherbrief fragen: „Was aber hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?“ 19 Zum Schluss seines Begleitbriefes bat Augustinus den Empfänger, er möge seine Schrift einer korrigierenden Zensur unterziehen, da ihm sehr daran gelegen sei, seine Irrtümer einzusehen. Es war seine beliebte Aufforderung an Freunde, die er mit seinen Schriften bedachte. 20 Simplicianus hatte entweder nichts auszusetzen, oder Augustinus ließ sich von seiner Kritik nicht überzeugen. Denn als er sich ein bis zwei Jahre später an die Niederschrift der „Bekenntnisse“ machte, sah er sein ganzes Leben ohne Wenn und Aber von Gott gelenkt, den „Abgrund seiner Verderbnis“ mit eingeschlossen. Gott habe den Abgrund ausgeschöpft, sodass er überhaupt nicht wollte, was er wollte, sondern nur noch wollte, was Er wollte. „Wo aber war in dieser Jahr um Jahr vergehenden Zeit mein freier Wille?“, fragte er sich nachträglich, und einsichtig geworden forderte er für die Zukunft Gott auf: „Gib, was du willst, und befiehl, was du willst.“ 21 Merkwürdig ist, dass Augustinus ein Argument für die Ergebung in Gottes Willen überging und er Simplicianus kein einziges Mal an das Vorbild des Dulders Iob erinnerte, das ihn an anderer Stelle so beeindruckt hatte. 22 Noch erstaunlicher ist, dass ihm weder hier noch im vorherigen Pauluskommentar die höchste Autorität eingefallen zu sein scheint, die im Grunde alle weiteren Diskussionen erledigt hätte, Jesu Vaterunserbitte „Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden“. Im „Gottesstaat“ wird Augustinus dann für den „Willen Gottes, dessen
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Macht sich unüberwindbar auf alles erstreckt“, auch pagane Stimmen beibringen, ein Homerzitat in Ciceros recht freier Übersetzung und das bewegende Gebet Senecas in den „Moralischen Briefen“: „Führe, o Vater und Herr des Himmels, wohin es dir gefällt; mein Gehorsam wird nicht säumen. Unverdrossen bin ich zur Stelle. … Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen zieht es.“ Mit dem Schicksal habe Seneca selbstverständlich den zuvor genannten höchsten Vater gemeint, erklärte Augustinus. 23 Ein Literaturkenner und Götterverehrer hätte ihn belehren können, dass bereits vor zwölfhundert Jahren der erste Satz der europäischen Literatur die Allmacht des höchsten Gottes und die Ohnmacht der Menschen festgestellt hatte: Homer nannte im Eingangsvers der „Ilias“ sein Thema, den Zorn des Achill, und fasste in den anschließenden dreieinhalb Versen dessen grausame Folgen zusammen, das unermessliche Leid der Griechen und die vielen Heldenseelen, die in die Unterwelt mussten, während ihre Leiber eine Beute der Hunde und Vögel wurden. Dazu stellte der Dichter im anschließenden Halbvers kühl fest: „Und Zeus’ Wille erfüllte sich.“ 24 Man hat Augustinus’ Gnadenlehre nach dem 9. Kapitel des Römerbriefs den Titel „Logik des Schreckens“ gegeben. Die Interpretation, die der Titel ausdrückt, hat Widerspruch hervorgerufen. 25 Mit größerem Recht, wenn auch dem Epos zuliebe cum grano salis, könnte man sagen, Homer kündige in den ersten vier Versen die „Unlogik des Schreckens“ an: ein Halbgott befriedigt seinen Zorn durch Berge von Leichen, und der „Vater der Götter und Menschen“ nickt dazu, während die Seelen der Toten in eine auf ewige Zeiten trostlose Unterwelt wandern. Für den Bischof Augustinus wurde die Schriftstellerei Trost und Erholung von den Pflichten, die ihm sein Amt auferlegte, oder besser: die er sich in seinem Amt auferlegte. Obwohl er so manches Mal beim Schreiben in Schweiß geriet, „verschaffte ihm sein literarisches Werk ein Glücksgefühl“, wie er Bischof Simplicianus versicherte. Über nicht wenige Herausforderungen hätte er hinwegsehen können. Doch sein Ethos als Seelsorger ließ diese Flucht nicht zu. 26 Die ersten Briefe, die sich aus der Zeit nach der Bischofsweihe erhalten haben, bieten dafür Beispiele: Immer wieder kam es vor, dass Katholiken, die in ihrer Kirche angeeckt waren, verärgert zu den Donatisten überliefen und dort sofort zum zweiten Mal getauft wurden. Der eine, ein junger Mann, hatte sich ein Vergnügen daraus gemacht, seine Mutter zu verprügeln. 27 Der andere, ein Subdiakon in einem Nachbarort, war entlassen worden, weil er Besuche in einem Nonnenkloster nicht aufgegeben hatte. Augustinus wollte über solche Fälle, die keine christliche Konfession gutheißen konnte, mit Hippos donatistischem Bischof Proculeianus sprechen. 28 Der versagte sich jedoch und beantwortete einfach seine Anfragen nicht, weil er wusste, dass er dem ehemaligen Redelehrer nicht gewachsen war. Augustinus wandte sich daraufhin in zwei Brie-
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fen an einen angesehenen Bürger Hippos namens Eusebius, er möge zwischen ihm und Proculeianus vermitteln. Aber Eusebius scheint ebenfalls ausgewichen zu sein. Nicht hinzunehmen war auch, dass Donatisten eine junge Katechumene, Tochter eines Pächters von Kirchengut, so lange beschwatzten, bis sie bei ihnen gegen den Willen ihrer Eltern Nonne wurde. 29 Weil Augustinus für sich und seine Religion jeden Zwang ablehnte, verlangte er dasselbe von den Donatisten. 30 Ebenso verabscheute er, wenn Wortgefechte in Handgreiflichkeiten ausarteten. Lieber ließ er sich auf einer Reise in einen Nachbarort von einem donatistischen Priester als Traditor und Verfolger beschimpfen und redete begütigend auf die ihn begleitende Menschenmenge ein, die sich diese Beleidigung eines katholischen Bischofs nicht gefallen lassen wollte. 31 Der Donatismus würde auch in den folgenden Jahren Augustinus’ hartnäckigster theologischer Gegner sein, und er würde zugleich den Alltag in seiner Diözese vergiften. „Du siehst“, schrieb er an Proculeianus, „mit welch großer und erbärmlicher Schande die christlichen Häuser und Familien besudelt sind. Männer und Frauen sind sich im Bett einig, doch über den Altar Christi sind sie gegensätzlicher Meinung. Kinder haben mit ihren Eltern ein Haus gemeinsam, doch das Gotteshaus haben sie nicht gemeinsam.“ Weiter verwies der ‚Religionssoziologe‘ auf Sklaven und Herren. Sie hätten denselben Herrn, „der die Gestalt eines Sklaven angenommen hat“, um alle durch seinen Sklavendienst zu befreien. Aber die einen erwiesen ihre Hochachtung dem katholischen Bischof, die anderen dem donatistischen. 32 Flehentlich appellierte Augustinus zum Schluss an Proculeianus’ bekannte Mitmenschlichkeit und Güte und bat ihn, den alten, verkrusteten Streit zu begraben – vergebens. Hippo hätte in seinen Augen Vorreiter der Versöhnung werden können. Dass sie rasch Schule machen würde, glaubte der Realist Augustinus gewiss nicht. Zu tief und zu brutal hatte sich in fast hundert Jahren die konfessionelle Spaltung in die religiöse Landschaft der africanischen Provinzen eingegraben. Fürs erste musste Augustinus sein Scheitern eingestehen. Niederlagen waren für seine Gesundheit nicht förderlich. Gottergeben schrieb er in der ersten Hälfte des Jahres 397 einem Mitbruder, dem Bischof Profuturus von Cirta, geistig sei er zwar auf der Höhe, körperlich aber keineswegs: „Ich liege im Bett, denn ich kann weder gehen noch stehen noch sitzen, so schmerzhaft geschwollen sind Rhagaden und Hämorrhoiden.“ Profuturus war vor der Bischofsweihe wahrscheinlich Mitglied in seinem Kloster in Hippo gewesen. Sein „zweites Ich“ (alter ego) nannte ihn Augustinus mit einer alten Freundschaftsmetapher. 33 Daher erlaubte er sich, ihm von seinen Beschwerden im Intimbereich zu schreiben. Zugesetzt hatte ihm etwa zur selben Zeit die Nachricht vom Tod des Ambrosius, der am 4. April gestorben war. Er beschloss, ihm demnächst in seinen „Bekenntnissen“,
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in denen er von seinem eigenen Leben berichten wollte, ein Denkmal zu setzen. Ein zweiter, nicht unerwarteter Sterbefall ging ihm weniger nah: Ebenfalls 397 verschied der greise Bischof Valerius, sein „seligster und verehrungswürdiger Vater“. 34 Kaum konnte sich Augustinus wieder rühren, machte er sich Anfang Mai auf den Weg nach Karthago. Bischof Aurelius hatte für den August zu einem africanischen Plenarkonzil eingeladen. Er wird es auch gewesen sein, der Augustinus bat, früher zu kommen. Denn auf dem Konzil von Hippo, dem er präsidiert hatte, war beschlossen worden, dass an den Gedenktagen der Märtyrer über sie und ihre Leiden gepredigt werden solle, und das vor allem in ihren Memorialkirchen. 35 Bei der großen Zahl africanischer Märtyrer und ihrer eifrigen Verehrung gab es für einen Prediger genügend Anlässe, seine Redekunst zu beweisen. 36 Aurelius hätte also für seine Stadt keinen besseren Helfer finden können als den Bischof von Hippo. Weil Katholiken und Donatisten in der Märtyrerverehrung konkurrierten, würde er auch jeden häretischen Bischof ausstechen. Augustinus enttäuschte seinen Mitbruder nicht. In den folgenden Wochen lud er sich ein Mammutprogramm auf und hielt mehr als 30 Predigten. Sie galten nicht nur Heiligen und Märtyrern, sondern griffen zugleich exegetische Fragen auf oder behandelten sie in eigenen Vorträgen. 37 Aurelius legte das Konzil auf den 28. August fest. Vorher fanden am 26. Juni und am 13. August Teilversammlungen statt. 38 72 Bischöfe kamen dann auf der Vollversammlung zusammen. 39 Sie bestätigten zunächst die Beschlüsse des Konzils von Hippo. Zu den folgenden Kanones, die das Verhalten von Bischöfen, Priestern und Laien regelten, ergriff Augustinus dem Protokoll zufolge nicht das Wort. 40 Als einer der jüngsten Bischöfe hielt er sich zurück. Aber Aurelius wird den klügsten Theologen, der mittlerweile auch in der Kirchenpolitik genügend Erfahrung gesammelt hatte, zuvor schon manches Mal um Rat gefragt haben. Auch im September, nachdem die Konzilsväter auseinandergegangen waren, hielt Augustinus noch einige Predigten. Dann musste er schleunigst aufbrechen. Nicht nur seine Gemeinde wartete. Auch die politische Landschaft war unsicher geworden: Gildo, der Sohn des mauretanischen Königs Nubel, der von Kaiser Theodosius zum Heermeister für Africa ernannt worden war, hatte sich gegen dessen Sohn und Nachfolger Honorius erhoben und unter den Donatisten Sympathisanten gefunden. 41 Glücklich nach Hause gekommen schrieb Augustinus die ersten Seiten seiner „Bekenntnisse“ nieder. Er eröffnete sie mit einer Satzkette, in der er Bibelzitate mit eigenen Aussagen mischte: „‚Groß bist Du, Herr, und höchst preiswürdig‘ ; 42 ‚groß ist Deine Macht, und Deine Weisheit ist grenzenlos‘ ; 43 und ein Mensch will Dich preisen, ein Teil Deiner Schöpfung, ein Mensch, der seine Sterblichkeit mit sich herumschleppt, 44 der das Zeugnis
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seiner Sünde herumschleppt, und zwar ein Zeugnis, weil Du ‚den Stolzen widerstehst‘, 45 und dennoch will ein Mensch Dich loben, ein Teil Deiner Schöpfung.“ Die „Bekenntnisse“, die Confessiones, wollen also sowohl Lob Gottes sein als auch Zeugnis all dessen, was der Verfasser, die Kreatur Mensch, in seinem Leben gegen diesen Gott gesündigt hat. Beide Aspekte, Lob und Bekenntnis, sind im lateinischen Verb confiteri und dem zugehörigen Substantiv confessio enthalten. Im Gegensatz zu den Stolzen macht sich der Schreiber klein, weil er sich nicht nur seiner Sünden, sondern zugleich seiner Sterblichkeit bewusst ist. Seine fast stammelnden Wortwiederholungen scheinen die Ergriffenheit dessen zu verraten, der sich an ein solches Werk wagt. Aber es wird ihn, den Sterblichen, überleben und in Zukunft von ihm und seinem Verhältnis zu Gott Zeugnis ablegen. Die „Bekenntnisse“ sind auch Autobiographie. 46 Die Sünde, die Augustinus mit sich herumschleppte, war die Gottferne. Sie endete mit der Bekehrung, und dem Beginn eines neuen Lebens in Buch 8 und 9 der „Bekenntnisse“ Die beiden Bücher waren der ursprünglich vorgesehene natürliche Abschluss des Werkes. Wie sich dazu die letzten vier Bücher verhalten, ist immer noch umstritten. 47 Für das Geschöpf Augustinus war der natürliche Beginn des Werkes der Zeitpunkt, zu dem er „in das sterbliche Leben oder in den lebendigen Tod“ eintrat. Aus eigener Anschauung konnte der Autobiograph davon nicht berichten. Er war auf die Erzählungen von Vater und Mutter angewiesen, die mit ihm auch über die gottgewollte Empfängnis und Schwangerschaft sprachen: „Dein tröstliches Erbarmen empfing mich von dem Augenblick an und an dem Ort, wo du mich in der Zeitlichkeit „gebildet hast“, wie ich von meinen leiblichen Eltern erfuhr; denn ich erinnere mich nicht.“ 48 Dementsprechend wünschte sich Augustinus von seinen Lesern, dass sie die „Bekenntnisse“ nicht nur als Autobiographie lasen, was sie eben auch waren, also nicht allein aus Neugier an seiner Person. Damit hätten sie nämlich deren eigentlichen Zwecke verkannt. Vielmehr sollten sie während der Lektüre im Leben des Verfassers die Hand Gottes erkennen und mit ihm in dessen Lob einstimmen. Ausdrücklich teilte Augustinus diese Absicht einem hohen Beamten namens Darius mit. Im Jahr 429 war er in politischer Mission nach Africa gekommen und mit ihm in Briefwechsel getreten. 49 Er hatte einige von Augustinus’ Schriften gelesen, die ihn, der aus einer alten christlichen Familie stammte, in seinem Glauben bestärkt hatten. Nun wollte er den Verfasser besser kennenlernen und bat den greisen Bischof, er möge ihm ein Exemplar seiner „Bekenntnisse“ schicken, von denen ihm wahrscheinlich begeisterte Leser vorgeschwärmt hatten. Augustinus erfüllte Darius’ Wunsch und legte dem Antwortbrief noch einige weitere Werke bei mit der üblichen Bitte, ihm kritische Anmerkungen zu senden. Zu den „Be-
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kenntnissen“ bemerkte er, nachdem er zuvor auf Darius’ lobende Worte und mehr noch auf das Loben im allgemeinen eingegangen war: „Beobachte mich dort, damit du mich nicht über das hinaus lobst, was ich bin; schenke dem dort Gesagten Glauben, nicht dem, was andere über mich sagen. Achte dort auf mich und sieh, was ich in mir und durch mich bin, und wenn dir etwas an mir gefällt, dann lobe zusammen mit mir Den, von Dem ich will, dass Er um meinetwillen gelobt wird. Lobe also nicht mich. Denn Er hat uns erschaffen, und nicht wir uns. Wir aber haben uns verloren, doch der uns erschaffen hat, er hat uns wiedererschaffen.“ 50 Mit der Wiedererschaffung meinte Augustinus seine Bekehrung im 8. Buch der „Bekenntnisse“. Am Schluss des 9. Buches hatte er die Leser aufgefordert, für seine Mutter Monnica zu beten. 51 Jetzt bat er Darius und alle, denen jener von seiner Lektüre des Werkes berichten werde, für ihn zu beten, „damit er nicht versage, sondern sich vervollkommne“. Den Vorwurf, den er im Eingangsteil des 10. Buches erhob und der auf die Leser der bereits erschienenen ersten neun Bücher zielte, scheint er vergessen zu haben: „Was habe ich mit den Menschen zu schaffen, die meine „Bekenntnisse“ vernehmen, als ob sie alle meine Schwächen heilen könnten? Eine Sippe, die danach giert, ein fremdes Leben kennenzulernen, aber zu bequem ist, das eigene zu bessern. Wozu soll sie von mir hören, wer ich bin, aber von Dir nicht hören will, wer sie sind?“ 52 Dann der Vorbehalt des Autobiographen, den jeder, der das eigene oder ein fremdes Leben beschreiben will, beherzigen sollte: „Und woher wissen sie, wenn sie von mir selbst über mich selbst hören, ob ich die Wahrheit sage, weil keiner unter den Menschen weiß, was in einem Menschen vor sich geht, außer der Geist (spiritus) eines Menschen, der in ihm selbst wohnt?“ Dieser Geist wird durch die Erinnerung (memoria) ‚angezapft‘. Er ist jedoch nicht mit der menschlichen Selbsterkenntnis identisch, sondern geht weit darüber hinaus. Später wird Augustinus daher fragen, ob und wo Gott in der memoria ist. 53 Die Erinnerung ist gleichsam das Gelenk eines Scharniers, dessen eine Gelenkplatte in den Bildern und Ereignissen der vergangenen Zeit verankert ist, während die andere Platte in die Zukunft weist, letztlich auf Gott und die ewige Seligkeit. Die Funktion der Erinnerung zwischen Vergangenheit und Zukunft behandelte Augustinus dann im 10. Buch der „Bekenntnisse“. Mehrmals zitierte er dort die einprägsame Bitte an Gott: „Gib, was Du befiehlst, und befiehl, was Du willst“. 54 Die Worte klangen wie ein Stoßgebet für Gefahren und schwierige Lebenslagen. Augustinus hatte erfahren, dass ägyptische Mönche solche „ganz kurzen und rasch irgendwie hervorgestoßenen Gebete“ bevorzugten, weil bei langen Gebeten die Aufmerksamkeit nachzulassen pflegte. Sein Stoßgebet, das er auch später noch öfter sprach, fand
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bei Mitbrüdern Anklang, wurde allerdings auch zum Zankapfel, an dem sich der pelagianische Streit entzündete. 55 Von der Erinnerung ausgehend widmete sich der Theologe im 11. Buch dem Problem der Zeit: Gott, der Schöpfer der Welt, ist der Herr der Zeit, aber er selbst, der Ewige, der Anfangslose, existiert jenseits aller Zeit. Die Kluft zwischen Zeit und Ewigkeit schloss Augustinus im 12. und 13. Buch, wo er die Schöpfungsgeschichte der Genesis interpretierte und nebenbei noch einmal deren Gegner, die Manichäer, verurteilte, die namentlich nicht genannten „Wahnsinnigen“. 56 In der Ruhe des Schöpfers am siebten Schöpfungstag sah er die Verheißung, dass auch der Mensch am Sabbat des ewigen Lebens in Gott eben die Ruhe finden werde, die er sich zu Beginn seines Werkes erhofft hatte. In einer Ringkomposition verband er die ersten und die letzten Sätze der „Bekenntnisse“. Sie mündeten in ein hymnisches Gebet, mit dem Augustinus um ein wenig Erkenntnis des geistigen und doch so unbegreiflichen Gottes flehte: „Du aber, das Gute, das keines Guten bedarf, ruhst immer, weil Du selbst Deine Ruhe bist. Und wer unter den Menschen vermag diese Einsicht einem Menschen zu vermitteln? Welcher Engel einem Engel? Welcher Engel einem Menschen? Von Dir möge man sie erbitten, in Dir sie suchen, bei Dir anpochen. So, nur so wird man sie empfangen, nur so finden, nur so wird sie offenbar werden.“ 57 Noch kurz vor seinem Tod vermerkte Augustinus nicht ohne Stolz, dass keines seiner Bücher so viele begeisterte Leser gefunden habe wie seine „Bekenntnisse“. 58 Man hätte meinen sollen, dass sie ihm in den knapp fünf Jahren, als er sie niederschrieb, höchstens noch Zeit für seine Korrespondenz ließen. Doch er nahm sich in die Pflicht. Als ihn einige Christen baten, er möge auf die 33 capitula antworten, die sein alter manichäischer Widersacher Faustus gegen die Christen veröffentlicht hatte, machte er sich sofort an die Arbeit und verfasste in den Jahren 397 und 398 die „33 Bücher gegen Faustus“ (Contra Faustum Manicheum libri triginta tres). 59 Was er in den „Bekenntnissen“ über die Lehren der Manichäer geschrieben hatte, genügte ihm nicht mehr. Seiner Gegenschrift gab er die Form einer Disputation: Auf jeweils ein Kapitel des Faustus ließ er seine Antwort folgen. Die meisten Antworten gerieten ihm so lang, dass er die 33 disputationes im „Revidierten Werkverzeichnis“ ausdrücklich 33 Bücher nannte. 60 Faustus’ Vorwürfe gegen die katholischen „Halbchristen“ waren nicht neu, etwa dass das Alte Testament keineswegs eine göttliche Offenbarung sei, dass es die Inkarnation Jesu nie gegeben habe oder dass die Evangelien von zahlreichen späteren Interpolationen verseucht seien. Augustinus bot dagegen ein Heer von Zitaten aus dem Alten und dem Neuen Testament auf. Er schloss das letzte Buch mit einem Appell an die Manichäer. Sie sollten die Autorität des Neuen Testaments anerkennen, die seit Jesu Zeit von den Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen, in reiner Form
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bewahrt worden sei. Dann würden sie einsehen, dass sich die Prophezeiungen des Alten Testaments erfüllt hätten. Alle ihre scheinbar so rationalen Einwände würden sich erledigen, und sie würden „die Natur Gottes und sein völlig unveränderliches und völlig unvergängliches Wesen begreifen, ja sogar glauben“. Dann der hoffnungsvolle Ausblick: „Und Manichäer werdet ihr fortan keine mehr sein, sodass ihr eines Tages sogar Katholiken sein könntet, Amen.“ 61 Augustinus setzte auf die Kraft seiner Argumente und gab sich überzeugt, dass ihnen selbst der verbohrteste Manichäer kraft seiner Einsicht folgen müsse. Unter seinen vielen Bibelzitaten waren die aus den Paulusbriefen weit in der Überzahl. Nirgends verwies er jedoch auf den Beginn des dreizehnten Kapitels im Römerbrief, wo der Apostel Gehorsam gegenüber der Obrigkeit verlangte. Noch wollte der Bischof vermeiden, dass die Staatsgewalt in religiöse Streitigkeiten eingriff. Sollte sein Schweigen ein zusätzlicher Anreiz für die Manichäer sein, sich zu bekehren? Denn sie kannten gewiss so gut wie er die jüngste Verordnung, mit der Kaiser Honorius ältere Verbote gegen die Häretiker erneuerte. Es waren scharfe Worte, die der strenge Katholik auf dem Thron am 17. Mai 399 an den Vicarius Africae Dominator richtete: „Wir ordnen an, dass die schändlichen Manichäer und ihre verfluchten Zusammenkünfte, die durch gesetzmäßiges Vorgehen schon längst verurteilt worden sind, zusätzlich durch ein Spezialgesetz unterdrückt werden. Sie sollen demnach aufgespürt und vor Gericht gestellt werden, und wenn sie als schuldig überführt werden, sollen sie mit der entsprechenden strengsten Strafe belegt werden. Auch soll gegen diejenigen, die ihnen in ihren Häusern aus verdammenswerter Fürsorge Schutz gewähren, mit eiserner Autorität vorgegangen werden.“ 62 Ein weiteres wichtiges Werk entstand zu der Zeit, als Augustinus an den „Bekenntnissen“ arbeitete. Nach dem Apologeten und Missionar, der auf die Bekehrung der Manichäer hoffte, wandte sich der Bischof und Seelsorger an alle seine Glaubensbrüder, die der lateinischen Sprache mächtig waren. Mit einer eleganten Rechtfertigung hatte er als Priester seine erste Predigt in Hippo beendet, in der er nachgewiesen hatte, dass sich die Eingangssätze der Genesis und des Johannesevangeliums nicht widersprechen: „Aber damit ich die Aufnahmekapazität von euch Frommen nicht überstrapaziere, soll es mit dem Gesagten genug sein.“ Dann gab er seiner Gemeinde, die er nicht einfach laufen lassen wollte, noch eine Aufgabe mit auf den Heimweg, weil er ja nur über zwei Sätze der Heiligen Schrift gepredigt hatte: „Im Übrigen ermahne ich euch, beim Lesen der Bibel aufmerksam zu sein, selbst Fragen zu stellen und sie gemeinsam miteinander zu studieren und zu analysieren.“ 63 Hatte Augustinus von Bibelkreisen in Hippo gehört? Oder wollte er einen solchen Kreis gründen? Oder dachte er an die sonntägliche Bibellektüre in christlichen Familien? Andererseits
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Der heilige Augustinus widerlegt die Häretiker.
hatte er unmittelbar zuvor in der Predigt von der Gefahr gesprochen, wie leicht man in der Heiligen Schrift auf angebliche Widersprüche stoßen und zu falschen Schlüssen kommen könne. Die Manichäer waren ein warnendes Beispiel. Was also tun? Man müsste den Gläubigen eine Anleitung an die Hand geben, damit ihre Bibellektüre keinen Schaden anrichte. Der Gedanke ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Bald nach der Weihe zum Bischof, die seine Tätigkeit als ‚Hilfsprediger‘ beendete und Predigen zu seiner Hauptaufgabe machte, fing er an, eine „Anleitung für Christen“ (De doctrina christiana) zu verfassen. Ein Vorwort erklärte, was der Verfasser beabsichtigte: „Für die Benutzung der Bibel gibt es gewisse Richtlinien, die man meiner Ansicht nach denen, die sie studieren wollen, in praktischer Weise vermitteln kann, damit sie nicht nur ihren Nutzen haben, wenn sie andere lesen, die dunkle Angaben in der Heiligen Schrift erschlossen haben, sondern auch, wenn sie sich diese selbst erschließen. Diese Richtlinien denen zu vermitteln, die sie lernen wollen und dazu in der Lage sind, habe ich mich entschlossen, falls unser Herr und Gott das mir niederzuschreiben vergönnt, was er mir, wenn ich darüber nachdenke, einzugeben pflegt.“ 64 Augustinus wandte sich also an diejenigen Christen, die unvoreingenommen die Bibel kennenlernen wollten. Denn es gab genügend Gläubige, die nie eine Bibel in die Hand nahmen. Entweder taten sie sich mit dem Lesen schwer, oder sie konnten überhaupt nicht lesen. So mancher war auch zu arm, um sich das Buch leisten zu können. Sie alle gaben sich mit
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dem zufrieden, was ihnen der Bischof in der Predigt oder der Lektor während des Gottesdienstes aus der Bibel und über sie erzählte. An die Armen dachte Augustinus nicht, als er in einer Predigt seine Zuhörer darauf aufmerksam machte, dass die Heilige Schrift zu kaufen sei, und er jeden einzelnen Gläubigen aufforderte: „Kauf sie dir und lies sie, wann immer du Zeit hast, ja sorge dafür, dass du Zeit hast; denn es ist besser, für sie Zeit zu haben als für Lappalien.“ 65 Augustinus sah jedoch auch Vorbehalte von Kritikern voraus, die sich nicht gegen die Bibellektüre an sich wenden, sondern seine geplante „Anleitung“ verurteilen würden: Ein Teil der Leser würde seine Ausführungen nicht verstehen und sie daher für nutzlos halten. Andere würden die „Anleitung“ zwar verstehen, aber für ihre Bibellektüre keinen Nutzen daraus ziehen. Schließlich die dritte Gruppe derer, die sein Buch für überflüssig halten würden, weil sie überzeugt seien, göttliche Eingebung allein erschließe ihnen sämtliche dunklen Stellen der Bibel. Diese Gruppe bereitete Augustinus sichtlich Ärger, und auf den restlichen Seiten des Vorworts bemühte er sich, ihnen ihren Dünkel auszutreiben: Gerade in der Bibel seien Menschen durch menschliche Worte belehrt worden und nicht durch Engel. Nichts anderes tue er mit seiner „Anleitung“, und wer sie befolge, werde die dunklen Stellen der Bibel selbst auflösen können, ohne irgendwelchen Irrtümern zu verfallen. 66 Einer alten rhetorischen Vorschrift folgend eröffnete Augustinus nach dem Vorwort das erste Buch mit einer knappen Inhaltsangabe: „Zwei Dinge sind es, um die sich jede Beschäftigung mit der Bibel bemüht, die Methode, wie man das findet, was man verstehen soll, und die Methode, wie man vermittelt, was man verstanden hat. Vom Finden will ich zuerst, vom Vermitteln später handeln.“ Dem ersten Teil widmete er die Bücher 1–3, dem zweiten Teil das Buch 4. Im „Revidierten Werkverzeichnis“ gestand er jedoch, dass er im dritten Buch abgebrochen habe. Aber bei einem Torso wollte er es nicht belassen. Daher habe er nachträglich, also nach gut 30 Jahren, Buch 3 fertiggestellt und Buch 4 hinzugefügt. 67 Was der suchende Mensch in der Bibel letztlich finden soll, ist Gott, genauer die Trinität. Wenn sich jede Information entweder auf eine Sache oder ein Zeichen bezieht und Sachen entweder dem Nutzen oder der reinen Freude dienen, so steht die Trinität in der Werteskala der Sachen an der Spitze, und an ihr soll sich der Mensch erfreuen. 68 Diese Freude an Gott ist gleichbedeutend mit der Liebe zu Gott, die Jesus im Matthäusevangelium zum ersten Gebot erklärt und der er die Liebe zum Nächsten als zweites Gebot gleichrangig zur Seite gestellt hat. Für die Bibellektüre folgert Augustinus daraus: „Wer also die Heilige Schrift oder einen beliebigen Teil von ihr verstanden zu haben glaubt, ohne durch dieses Verständnis jene doppelte Liebe zu Gott und zum Nächsten aufzubauen, der
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hat noch nichts verstanden.“ 69 Augustinus nimmt zu Jesu Liebesgebot noch Paulus’ bekannte Trias aus dem Ersten Korintherbrief hinzu und zieht zum Schluss des ersten Buches eine noch radikalere Folgerung: „Und so bedarf der Mensch, der Glaube, Hoffnung und Liebe zu seinem Fundament gemacht hat und an ihnen unerschütterlich festhält, der Bibel nicht mehr, außer wenn er andere darin unterweist.“ 70 Auf den Schlussteil des ersten Buches kommt Augustinus zurück, wenn er im zweiten Buch die Bibel als Führerin zu einem sittlichen Leben preist. 71 Er leugnet nicht, dass sich moralische Anweisungen auch bei paganen Schriftstellern finden, sofern man ihre Literatur der verlogenen Mythologie entkleidet. Doch das Schwergewicht des zweiten Buches liegt auf der Menge der Einzelfragen, die die kanonischen Schriften der Bibel aufwerfen, sowie auf den zahlreichen Wissensgebieten, die sie berühren. Zum Trost für den von solcher Vielfalt verwirrten Leser zitiert der Wissenschaftler Augustinus abschließend wieder aus Paulus’ Erstem Korintherbrief: „Wissen bläht auf, Liebe aber baut auf.“ 72 Auf Sachen verweisen Zeichen, vornehmlich also Worte. Auf die höchste Sache, Gott, verweist das umfassendste Zeichensystem, die Bibel. Dieses Ergebnis der ersten beiden Bücher bedarf der weiteren Klärung. Denn viele Zeichen sind doppeldeutig. Sie haben einen ursprünglichen, eigentlichen Sinn und einen übertragenen, figürlichen Sinn. Selbst der eigentliche Sinn kann doppeldeutig sein.73 Wie aber die richtige Deutung erkennen? Der Lösung dieser Frage dient das dritte Buch. Vor figürlichen Zeichen muss man sich hüten, weil sie in die Irre führen können. Man erkennt sie daran, dass sie sich „weder auf die Ehrenhaftigkeit der Sitten noch auf die Wahrheit des Glaubens beziehen lassen“. Dazu definiert Augustinus: „Ehrenhaftigkeit der Sitten bedeutet, Gott und den Nächsten lieben, Wahrheit des Glaubens, Gott und den Nächsten erkennen.“ 74 Auch das dritte Buch stellt der Seelsorger in den übergeordneten Rahmen der beiden Hauptgebote des Gottessohnes. Als Augustinus sich nach 30 Jahren aufraffte, um das Werk fertigzustellen, hatte er zuvor das „Buch der Regeln“ des Tyconius gelesen.75 Der ehemalige donatistische Bischof hatte sich mit seiner Kirche überworfen, konnte sich aber nicht entschließen, katholisch zu werden. Im lateinischen Westen war er der Erste, der eine Theorie der Bibelauslegung bot. Er stellte dazu sieben Regeln auf, angefangen vom „Herrn und dessen Leib“ bis zum „Teufel und dessen Leib“. Ausführlich referierte Augustinus im letzten Drittel des dritten Buches diese Regeln. 76 Nur zum Teil war er mit seinem Vorgänger einverstanden. Ihn beeindruckte vor allem der Aufbau von Tyconius’ Werk, in dem sich eine Regel aus der anderen erklärte.77 Im Eingangssatz des ersten Buches hatte Augustinus von der Methode gesprochen, wie man seine eigene Erfahrung mit der Bibel weitervermit-
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telt. Er dachte an die gängigste Vermittlung, die Predigt. Ihr widmete er das vierte Buch. Einleitend stufte er den Wert der vielfältigen rhetorischen Theorie herab, die er einst selbst gelehrt hatte: Ihre Regeln zu beherrschen mache noch keinen guten Prediger aus. Der müsse vielmehr in der Heiligen Schrift zu Hause sein, sie jedoch nicht lediglich auswendig zitieren können, sondern „ihr mit den Augen seines Herzens in ihr Herz schauen“.78 Um dem alten Vorwurf zu begegnen, die Sprache der Bibel sei primitiv und falle gegen die paganen Klassiker ab, analysierte Augustinus mit dem rhetorischen Handwerkszeug mehrere Abschnitte aus den Paulusbriefen und dem Alten Testament. Gewiss tat er es mit Reue im Herzen. Hatte er doch selbst als kecker Student der Rhetorik der Bibel mangelnde Würde vorgeworfen. Jetzt verteidigte er ihre Verfasser: Sie hätten so geschrieben, wie es ihrer göttlichen Inspiration entsprochen habe.79 Unter den nachfolgenden praktischen Hinweisen steht an erster Stelle die Forderung, der Prediger dürfe nicht über die Köpfe seiner Zuhörer hinwegreden. Er müsse sie vielmehr im Auge behalten und nötigenfalls bei seinem Thema lange genug verweilen. Wenn er dann die Wirkung seiner Worte feststelle, solle er Schluss machen oder zu einem anderen Thema übergehen. Solche Beweglichkeit habe allerdings derjenige nicht, der nur an einem auswendig gelernten Text klebe. Der begnadete Redner Augustinus hatte gut raten. Der Redelehrer kam wieder in ihm durch, als er Cicero folgend auf die drei Redeziele und die ihnen entsprechenden Redestile einging: den schlichten Stil für das Belehren, den mittleren Stil für das Erfreuen und den erhabenen Stil für das Erschüttern. 80 Dem christlichen Prediger bot er dazu nicht nur Beispiele aus dem Alten und Neuen Testament, sondern auch aus den Schriften Cyprians und seines eigenen Vorbilds Ambrosius. 81 An ihnen zeige sich, dass der Redner auch Redestile mischen und das jeweilige Einzelziel nicht nur mit dem theoretisch dazu bestimmten Stil erreichen könne. Nur sollten alle, die von der Kanzel, „der erhöhten Stelle“, zum Volk sprechen, stets an das zeitliche Wohl und das ewige Heil der Menschen denken, weshalb alles, was sie äußerten, groß und wichtig sei. Wie hatte Jesus im Lukasevangelium gesagt: ‚Wer im Kleinsten treu ist, ist auch im Großen treu‘ ?“ 82 Der römische Staatsmann Cato der Ältere hatte einst behauptet, zwischen der Moral eines Redners und der Kunst seiner Rede bestehe ein Zusammenhang. Sein Dictum „Ein guter Mann, im Reden erfahren“ war sprichwörtlich geworden. 83 Nach den moralischen Anweisungen in Buch 2 und 3 wäre es merkwürdig gewesen, wenn Augustinus diesem Zusammenhang, den er in seinem Redeunterricht gewiss oft genug besprochen hatte, nicht eine christliche Deutung gegeben hätte. Er hielt es zwar nicht für ausgeschlossen, dass Prediger, die die christliche Moral verkündeten, ohne sie zu befolgen, ihre Zuhörer zu überzeugen vermöchten. Doch sie erziel-
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ten eine größere Wirkung, wenn sie selbst Vorbild seien. 84 Obwohl das niemand bestritten hätte, rief Augustinus ein letztes Mal den Apostel Paulus zum Zeugen auf, bevor er sich abschließend für die Länge seines Gesamtwerkes entschuldigte und eiligen Lesern empfahl, nur Teile davon zu lesen. Sarkastisch wehrte er diejenigen ab, die die Länge der Darstellung beklagen würden, ohne sie gelesen zu haben. Es folgte der Dank an Gott, verbunden mit der üblichen Bescheidenheitsformel. Da die Schriften des alt gewordenen Augustinus inzwischen immer auch aus biographischer Neugier gelesen wurden, trat er zurück und erinnerte deutlicher als im Vorwort an die Zielgruppe des Buches: Wer sich um die christliche Lehre für sich selbst und für andere bemühe, für den habe er geschrieben, so gut er es vermocht habe.
XIII. Der streitbare Verteidiger der Einen Kirche Nicht nur Freunden, sondern auch Fremden gegenüber war Augustinus ein liebenswürdiger Briefpartner. Immer ließ er sich auf den Adressaten, seine Probleme und Wünsche ein und bemühte sich, dem gängigen Vorrat an höflichen Formeln eine persönliche Note zu geben. Doch wenn es sein musste, konnte sein Ton schneidend werden. Ende 399 musste es sein. Er hatte von einem blutigen Massaker in dem Städtchen Sufetana erfahren, dem sechzig Christen zum Opfer gefallen waren. Heiden hatten sich an ihnen gerächt, weil sie eine Statue des Stadtgottes Hercules, des punischen Melqart, zertrümmert hatten. Empört fuhr Augustinus sogleich schweres Geschütz gegen die Oberen der Stadt auf: „Das abscheulichste Verbrechen eurer Brutalität und eurer unerhörten Grausamkeit hat die Erde erschüttert und den Himmel erbeben lassen, denn auf euren Straßen und in euren heiligen Hallen klebt Blut und ertönt Mordgeschrei. Bei euch sind römische Gesetze begraben und die Furcht vor Gerichten und Statthaltern mit Füßen getreten worden. Wahrlich, es gibt keine Achtung und keine Scheu mehr vor den Kaisern.“ 1 Mit dem letzten Satz bezog sich Augustinus auf das umfangreiche Religionsgesetz, das Kaiser Honorius am 20. August 399 erlassen und an den Proconsul Africae Apollodor gesandt hatte: 2 Die traditionellen Feste der Bürger dürfen weitergefeiert werden, jedoch ohne die bisher damit verbundenen Götteropfer. In Tempeln zu opfern ist ebenfalls verboten, während die Gebäude selbst stehen bleiben sollen. Deren Götterstatuen, denen „offensichtlich auch jetzt noch unsinnige, abergläubische Verehrung dargebracht wird“, waren zu beseitigen, allerdings erst nach einem amtlichen Beschluss. Ohne einen Beschluss abzuwarten, setzten die Christen von Sufetana diese Bestimmung sofort in die Tat um und lösten so das Pogrom aus. Augustinus war vor allem darüber entsetzt, dass der Stadtrat und seine Spitzen, statt dem Aufruhr Einhalt zu gebieten, die Massenmörder auch noch auszeichneten. Im Rat, wo die Altgläubigen die Mehrheit hatten, kreidete man den Christen gewiss ihr übereiltes Vorgehen an. An sich war der Bischof von Hippo von dem Verbrechen gar nicht unmittelbar betroffen. Denn Sufetana lag in der Provinz Byzacena, einige hundert Kilometer von der numidischen Kirchenprovinz entfernt. Augustinus hätte sich jedoch gegen den entsprechenden Einwand auf eine ausdrückliche Bestimmung in Honorius’ Gesetz berufen können: „Sooft es um die Religion geht, sind die Bischöfe verpflichtet zu handeln. Die übrigen Rechtsfälle aber, die die ordentlichen Richter oder ein Verfahren des öffentlichen Rechts betreffen, müssen nach den kaiserlichen Gesetzen angehört werden.“ 3 Entweder hatte der Ortsbischof nicht gehandelt und kei-
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nen Protest eingelegt, weil er um sein Leben fürchtete, oder Augustinus unterstützte mit seinem Brief dessen Vorgehen. Mittlerweile hatte er unter den Bischöfen Africas ein solches Ansehen gewonnen, dass er sich überall dort als ihr selbsternannter Sprecher zu äußern erlaubte, wo es ihm erforderlich schien. Sein Hinweis auf die Missachtung der Kaiserbrüder Honorius und Arcadius, die stets gemeinsam als Gesetzgeber auftraten, war eine Drohung: Das untragbare Verhalten der Ratsmitglieder werde für sie Folgen haben – und hat, wie nach Parallelen zu vermuten ist, auch Folgen gehabt. Wenn sich die Mordlust in einer Gemeinde, gleich aus welchem Anlass, so blutig austobte, war die Staatsgewalt gefordert. 4 Die gesetzliche Bestimmung, Götterbilder nur nach einem amtlichen Beschluss zu vernichten, revidierte ein älteres Gesetz des Honorius vom 29. Januar 399, das die heidnischen Opfer verbot, aber ausdrücklich die Ausstattung öffentlicher Gebäude schützte. 5 Eine ähnliche Unterscheidung hatte schon Honorius’ Vater Theodosius im Jahr 382 getroffen und auf den Kunstwert der Götterstatuen verwiesen, die nicht nur die zu den öffentlichen Gebäuden zählenden Tempel schmückten, sondern auch Rathäuser, Theater und Bäder sowie Straßen und Plätze. 6 Eigenmächtig und entgegen diesen beiden Gesetzen erwiesen zwei Sonderbeauftragte des Honorius, die Comites Africae Gaudentius und Jovius, den Katholiken in Karthago einen Gefallen: Am 19. März 399 ließen sie mehrere Tempel samt ihrer Ausstattung niederreißen. 7 Um seine Anklage nicht abzuschwächen, vermied Augustinus in seinem Brief an die Ratsherren von Sufetana, den Christen eine Mitschuld zu geben. Dagegen machte er in einer Predigt, die er im April 399 in Karthago hielt, unmissverständlich klar, dass es Christen nicht gestattet sei, ohne Erlaubnis der Obrigkeit Götterstatuen zu zerstören. Er erinnerte an Paulus, der im 13. Kapitel des Römerbriefs Gehorsam gegenüber der Obrigkeit gefordert hatte: Paulus’ Forderung verletzten diejenigen Christen, Circumcellionen darunter, die die Ländereien altgläubiger Großgrundbesitzer durchzogen und alle Götterstatuen zertrümmerten, die sie finden konnten. Dass die Eigentümer das selbst machen würden, sobald sie Christen geworden seien, werden so manche Zuhörer dem Prediger nicht abgenommen, sondern seinem rhetorischen Überschwang zugutegehalten haben. 8 Augustinus hielt die Predigt, nachdem er zu einem weiteren Konzil nach Karthago gekommen war, das am 27. April 399 zusammentrat. Von ihm ist nur überliefert, dass zwei Teilnehmer Kaiser Honorius die Bitte der Bischöfe überbrachten, er möge das Kirchenasyl gesetzlich verankern. 9 Frühere Gesetze des Theodosius und des Honorius hatten das Kirchenasyl für Einzelfälle aus dem Privat- und Strafrecht geregelt.10 Dieses Mal ging es den Bischöfen eher um den Schutz von Glaubensgenossen, die sich vor gewalttätigen Heiden und Donatisten in eine Kirche flüchteten. Die obige
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Bestimmung des Gesetzes vom 20. August 399, Götterstatuen seien erst nach amtlichem Beschluss zu zerstören, entsprang wahrscheinlich einer zweiten Bitte, die das Konzil dem Kaiser zustellen ließ. Der Bitte hatte Augustinus in seiner Predigt vorgearbeitet, und bei den Beratungen dürfte er einer der Antragsteller gewesen sein. Er nahm auch, gewiss auf Aurelius’ Wunsch, am Provinzialkonzil der Africa proconsularis teil, das zwei Jahre später, am 16. Juni 401, in Karthago stattfand. Nun wurde der Antrag an beide Kaiser noch erweitert und gefordert, „sie sollen einen Befehl erlassen, dass in ganz Africa sämtliche noch vorhandenen Götterstatuen beseitigt werden, weil an vielen am Meer gelegenen Stellen und in verschiedenen Besitzungen immer noch dieser unannehmbare Irrglaube weiterlebt; die Statuen selbst sollen also auf ihre Anordnung hin vernichtet werden; ferner soll ein Befehl ergehen, die zugehörigen Tempel, soweit sie sich in ländlichen Gebieten befinden und keiner Verschönerung dienen, gänzlich zu zerstören“.11 Während Götterstatuen mit kaiserlicher Erlaubnis nun auch in den Städten verschwinden sollten, galt das wiederum nicht für die Tempel. Wie die Kaiser wollten die Bischöfe nicht schuld daran sein, dass plötzlich aus den Innenstädten zahlreiche alte Gebäude verschwanden und hässliche Baulücken hinterließen, die gar nicht so rasch durch den Neubau von Kirchen geschlossen werden konnten. Mit ihrem Vorstoß antworteten die Bischöfe auf den Druck karthagischer Christen, die sich zuvor schon den Zorn ihrer paganen Mitbürger zugezogen hatten. Anlass war eine Statue des Hercules, dessen goldenen Bart ‚Heidenfresser‘ unter den Christen ‚abrasiert‘ hatten. Die Stimmung in der Stadt wurde danach explosiv. Am Morgen des Konzils, einem Sonntag, hatte Bischof Aurelius in einer Predigt versucht, Öl auf die Wogen seiner Diözesanen zu gießen. Es folgten die Beratungen und Beschlüsse der Konzilsväter, während derer sie sich die aggressiven Sprechchöre anhören mussten, die ihre Gläubigen vor dem Konzilsgebäude, der Basilica restituta, anstimmten. Am Abend des Tages hielt dann Augustinus ebenfalls eine Predigt.12 Aurelius folgend musste er seine ganze Kunst aufbieten, um die erhitzten Gemüter abzukühlen. Das kleine Sufetana war eine Warnung. In der Großstadt Karthago hätte es bei einem Aufruhr und einer Massenschlägerei zwischen den Anhängern Gottes und den Anhängern der Götter gewiss mehr als sechzig Tote gegeben. Zunächst sprach der Prediger ausführlich über den ersten Vers von Psalm 82 (83): „Gott, wer ist Dir ähnlich?“ Der Psalm mit der lateinischen Überschrift „Rede gegen die verbündeten Feinde des Volkes“ war geschickt gewählt. Etwa in der Mitte der Predigt wechselte Augustinus unvermittelt das Thema und redete die Versammlung an: „Eure Gesinnung und euer Glaubenseifer, eure brennende Liebe und euer Übermaß an heiligem Eifer für das Haus Gottes – sie sind in euren Rufen
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offenbar geworden, die ihr als überdeutliche Zeugnisse eures Herzens geäußert habt.“ Ein ums andere Mal erging er sich anschließend in Lobeshymnen auf die Krakeeler, nahm scheinbar billigend ihre Vorwürfe auf, rückte sie ein wenig zurecht, bat um Verständnis für die Bischöfe, die Hirten der christlichen Herde, und betonte, dass sie doch alle eines Sinnes seien und miteinander an einem Strang zögen. Wenn er das Zusammenwirken von Klerus und Volk an den paarweisen Gliedern und Organen des menschlichen Körpers demonstrierte, mochten sich die gebildeten Zuhörer – wie er selbst – an den berühmten Menenius Agrippa erinnern, der vor fast neunhundert Jahren mit einem ähnlichen Bild die aufmüpfige römische Plebs gewonnen und wieder zu folgsamen Bürgern gemacht hatte.13 Mit Saulus, der vom fanatischen Christenverfolger zum Apostel Paulus wurde, schloss die Predigt. Falls Heiden unter Augustinus’ Zuhörern waren, spendeten sie ihm schwerlich Beifall. Denn er gab letztlich denen Recht, die die Herkulesstatue ‚rasiert‘ hatten und verteidigte geordnete Maßnahmen gegen die Götterbilder. Doch hätten ihm auch Andersgläubige ehrlicherweise bescheinigen müssen, dass er für den Augenblick mit demagogischen Geschick den seidenen Faden, an dem Ruhe und Ordnung der Stadt hingen, reißfest gemacht habe. Die karthagischen Katholiken blieben eine bockige Herde, wie Augustinus bald darauf erneut erfuhr. Paulus’ Bekehrung gab ihm das Stichwort für die Predigt am nächsten Sonntag, dem 23. Juni 401. Als er geendet hatte, ergriff er auf Bitten des Aurelius noch einmal das Wort und verteidigte den Konvertiten Faustinus. Der Bankier, ein Mann in vorgerücktem Alter, war bisher den Karthagern nicht durch besondere Christenfreundlichkeit aufgefallen, weshalb ihm seine neuen Glaubensgenossen nicht abnahmen, dass er sich vom Saulus zum Paulus gewandelt habe. Lauthals äußerten sie in der Kirche ihr Misstrauen.14 Augustinus griff zum gewohnten Gegenmittel und wies ihnen mit passenden Bibelzitaten ihr unchristliches Verhalten nach. Am Ende belohnte er sie mit zwei Einladungen: Am nächsten Tag werde man gemeinsam das Fest Johannes des Täufers feiern und am Samstag in einer Woche das Fest der Märtyrer Petrus und Paulus.15 Bischof Aurelius war es Recht, dass sein Freund noch den ganzen Sommer über bei ihm in Karthago blieb und hin und wieder predigte. Vor allem aber galt es, das nächste Plenarkonzil vorzubereiten. Es trat am 13. September 401 zusammen.16 Sein Hauptthema war von Papst Anastasius angeregt worden. Er hatte die africanischen Bischöfe in einem Brief gebeten, im Kampf gegen die Donatisten nicht nachzulassen. Der Papst mag mit seiner Bitte die Hoffnung verbunden haben, der Erfolg der Bischöfe in Africa werde auch den Donatistengemeinden das Wasser abgraben, die sich in Rom eingenistet hatten.17 Die Konzilsväter waren sich einig, man müsse mit den Donatisten „sanft
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und friedlich verhandeln“.18 Dazu riet schon das Zahlenverhältnis, das insgesamt in Africa wohl ausgewogen war, aber sich in manchen Landstrichen, vor allem in Numidien, seit langem zugunsten der Donatisten verschoben hatte.19 Aussicht auf Erfolg schienen die Abspaltungen zu versprechen, die der Donatismus in jüngster Zeit erfahren hatte. Die bedeutendste war die der Maximianisten. Ihr Urheber Maximianus hatte sich im Jahr 393 als Diakon mit Primianus überworfen, dem in Karthago residierenden Primas der Donatisten, und war Haupt einer eigenen donatistischen Kirche geworden. 20 Primianus hatte zu Beginn des Streits staatliche Unterstützung von dem kaiserlichen Legaten Sacerdos erhalten, und auch später wurden abtrünnige Maximianisten mit Gerichtsbeschlüssen und Einsatz von Militär aus ihren Kirchen vertrieben. 21 Das rüde Vorgehen nahmen die Konzilsteilnehmer zum Anlass, Briefe an die Statthalter der africanischen Provinzen zu schicken und um Auskunft über solche lokalen Auseinandersetzungen zu bitten. Mit diesem Material wollten sie dann Abgesandte zu den donatistischen Bischöfen und ihren Gemeinden schicken und sie von der Unsinnigkeit einer Kirchenspaltung überzeugen, die sich solcher Gewaltmittel bediente. 22 Man hat mit Recht vermutet, dass sich Augustinus für diesen Vorschlag stark machte und später mit gutem Beispiel voranging. In den Städten Abitinae, Assuras, Membressa und Mustis, die in der Africa proconsularis lagen, wagte er sich selbst in die Höhle des Löwen. 23 Ein Lockruf des Konzils, der ihm ebenfalls aus der Seele sprach, erging an die donatistischen Kleriker, die zur Mutterkirche übertreten wollten: Sie sollten nach einer Prüfung durch den Ortsbischof in den katholischen Klerus aufgenommen werden. Das Entgegenkommen widersprach allerdings einem Beschluss, den Bischöfe in Italien gefasst hatten. Es sei jedoch für den Frieden und den Nutzen der africanischen Kirche zwingend nötig, wie die Africaner in einem Schreiben erklärten, das sie „an unsere Brüder und Mitbischöfe“ richteten „sowie ganz besonders an den apostolischen Stuhl, auf dem unser berühmter und verehrter Bruder und Kollege Anastasius den Vorsitz führt“. 24 Im Konzilsbeschluss und in der Adresse spiegelte sich die selbstbewusste Auffassung, die die africanischen Bischöfe von der Stellung der Konzilien und des Papstamtes hatten. Dessen Inhaber war im Kollegium der Bischöfe Primus inter pares. Seine Jurisdiktion stand nicht über dem Konzil, das als Partikularkonzil auch einmal ahnungslosen Mitbrüdern in einem anderen Reichsteil widersprechen konnte. Neben kirchenrechtlichen Vorschriften verabschiedeten die in Karthago versammelten Bischöfe noch zwei Anträge an die Kaiser. Der eine forderte im Anschluss an das vorherige Provinzkonzil, die Götterstatuen zu zerstören. 25 Der andere Antrag entsprang den sozialen Schwierigkeiten, denen jeder Bischof in seiner Stadt begegnete, weil die überall bestehende Kluft
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zwischen Arm und Reich Spannungen in die Kirchengemeinden trug: „Wegen der bedrückenden Lage der Armen, durch deren Bedrängnisse die Kirche ununterbrochen belastet wird“, sollten die Kaiser daher „gegen die Machtmittel der Reichen im Einverständnis mit den Bischöfen Verteidiger (defensores)“ entsenden“. 26 Die Sprache der Konzilsväter war ebenso deutlich wie das Eingeständnis, dass sie allein gegen eine reiche und selbstsüchtige Oberschicht machtlos waren, zumal diese noch oft den alten Göttern anhing. Mit christlicher caritas allein waren die sozialen Verwerfungen nicht zu beheben. Ein kaiserlicher defensor ecclesiae – so der vorgeschlagene Amtstitel – sollte zumindest dort einschreiten, wo sich Christen aus der Unterschicht, humiliores, an ihren Bischof um Hilfe wandten, weil sie von Reichen aus der Oberschicht, den honestiores, rechtswidrig bedrückt wurden. Die Bischöfe ließen sich vom Amt des defensor civitatis oder defensor plebis anregen, das Kaiser Valentinian im Jahr 364 nach früheren Vorbildern eingerichtet hatte. 27 Das Konzil wollte die schlimmsten Auswüchse der sozialen Ungleichheit eindämmen. Aber es dachte nicht daran, die gesellschaftliche Ordnung selbst zu ändern. Für eine solche Absicht wären die Kaiser eine ungeeignete Adresse gewesen. Honorius entsprach dem Antrag. Denn das Konzil, das am 13. Juni 407 in Karthago tagte, bat die Kaiser, den amtierenden defensores ecclesiae zu erlauben, im Bedarfsfall auch an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. 28 Nicht immer waren die Amtsinhaber uneigennützige Verteidiger kirchlicher Interessen. Im Jahr 422 musste Augustinus erleben, dass ein defensor ecclesiae sich zum Gehilfen des eigenwilligen Bischofs Antonius von Fussala gemacht hatte. 29 Das neue Amt war nur ein Tropfen auf den heißen Stein sozialer Probleme, weshalb Augustinus es nie erwähnte, wenn er in seinen Predigten auf deren Ursachen zu sprechen kam, die Ungleichheit des Besitzes. Als er später in Karthago über den Psalm 9 (10) predigte, der den Titel „Gegen die ungerechten Unterdrücker“ trug, begann er mit der Feststellung: Arme brauchen wir nicht zu suchen; alles ist voll von ihnen. 30 Die Reichen erinnerte er an das Jesuswort im Lukasevangelium: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen.“ Die Mahnung wiederholte er noch öfter. 31 Reichlich den Armen zu geben, war schon auf Erden die unwiderlegliche Rechtfertigung für den Reichtum. An die Armen wandte sich der Prediger mit einem kühnen Vergleich, der sie nicht nur trösten, sondern auch beruhigen sollte: „Wir haben den wahren Armen gefunden, wir haben den Frommen, den Demütigen gefunden, der nicht selbstbewusst ist, den wahren Armen, den Genossen der Armut, der unseretwegen arm wurde, obwohl er reich war. Seht unseren Reichen, der unseretwegen ‚arm wurde, obwohl er reich war‘ ; seht jenen Reichen: ‚Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist nichts geworden‘. 32 Augustinus verband ein Pauluszitat aus dem Zweiten Korin-
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therbrief mit einem Vers aus dem Prolog des Johannesevangeliums, die ursprünglich weder miteinander noch mit seinem Thema zu tun hatten. Doch wer sich nach der vorbereitenden Wortkaskade des gewieften Rhetors seine neuartige Verbindung der beiden Bibelzitate zu Herzen nahm – sollte der nicht bereitwillig dem armen Jesus folgen, alles Selbstbewusstsein ablegen und sich fromm und demütig mit seiner Armut abfinden? Auf den Konzilien der Folgezeit, die 402 im numidischen Milev und danach Jahr für Jahr in Karthago stattfanden, war der Donatismus ein wiederkehrendes Thema. Bis auf das Jahr 408 nahm Augustinus stets teil und gehörte zu denen, die nicht müde wurden, die donatistischen Bischöfe zu Unionsgesprächen einzuladen. 33 Noch war er in diesen Jahren der Auffassung, die er in den zwei verlorenen Büchern „Gegen die Partei des Donatus“ (Contra partem Donati) vertreten und im „Revidierten Werkverzeichnis“ zusammengefasst hatte: „Im 1. Buch äußerte ich, es gefalle mir nicht, dass Schismatiker durch den Zwang irgendeiner weltlichen Macht mit Gewalt zur Gemeinsamkeit gebracht würden.“ 34 Eine erste Einschränkung seines Grundsatzes machte er mit, als Aurelius auf dem Konzil vom 25. August 403 die Bischöfe aufforderte, donatistische Gemeindevorsteher vor Ort zu Gesprächen zu bitten und, falls nötig, benachbarte Mitbischöfe hinzuzuziehen. Die Einladungen dazu sollten Magistrate der Städte und ländlichen Regionen überbringen. In einem Brief baten die Bischöfe den Proconsul Africae Septiminus, er möge dazu seine Einwilligung geben. 35 Schon vor dem Konzil hatte Aurelius den karthagischen Gegenbischof Primianus eingeladen, seinen Glauben vor der Versammlung zu erläutern. An seiner Stelle kam ein Diakon mit einer Protestnote, die die Bischöfe unter anderem beschied: „Es ist unwürdig, dass die Söhne von Märtyrern und die Sippe der Traditoren zusammenkommen. Diese bringen die Schreiben vieler Kaiser vor, wir bieten allein die Evangelien.“ 36 Primianus wusste, wer sein gefährlichster Widersacher war, und begann eine Schmutzkampagne gegen Augustinus. Der Geschmähte blieb nach dem Konzil wieder längere Zeit in der Hauptstadt und erfuhr so brühwarm die Anschuldigungen. Er antwortete auf sie in der Sonntagspredigt vom 1. November 403, in der er zunächst, wie schon an den zwei vorhergehenden Sonntagen, Psalm 36 auslegte. Dann kam er auf die Verleumdungen zu sprechen. Seiner bisherigen christlichen Haltung getreu begann er mit einer Umarmung des Gegners, obwohl er wusste, dass der ihm am liebsten auf die Hände schlagen würde: „Mögen sie gegen mich reden, was sie wollen. Ich liebe sie, auch wenn sie es nicht wollen.“ Er forderte seine Zuhörer auf: „Ertragt es zusammen mit mir.“ Auch die karthagischen Katholiken, die so schnell aus dem Häuschen gerieten, sollten sich in christlicher Geduld üben. Mochten Primianus und die Donatisten in Augustinus’ Vergangenheit wühlen, er machte aus ihr keinen Hehl: „Das sind vergangene Übeltaten,
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die man kennt, vor allem in dieser Stadt; denn hier habe ich übel gelebt, wie ich gestehe.“ Mit dem folgenden Bekenntnis gab er im Grund den Kern der ersten neun Bücher seiner „Bekenntnisse“ wieder: „Und wenn ich mich einerseits so sehr über die Gnade Gottes freue, soll ich andererseits über meine Vergangenheit ebenso sehr – was soll ich sagen – Schmerz empfinden? Ich würde Schmerz empfinden, wenn ich immer noch so wäre. Was aber soll ich sagen? Ich freue mich darüber? Ich kann ja nicht sagen: O, wäre ich es doch niemals gewesen! Denn was ich gewesen bin, ist in Christi Namen vergangen.“ 37 Das Gesprächsangebot des Konzils von 403 war reihum ein Schlag ins Wasser. Possidius, der Freund und Biograph des Augustinus, war nicht der einzige, der den Misserfolg zu spüren bekam. Seit etwa 393 Bischof von Calama, bat er zweimal vergeblich Crispinus, den donatistischen Bischof der Stadt, er möge sich mit ihm treffen. Eine ‚schlagfertige‘ Antwort war die Folge: Ein Trupp Cirumcellionen, angeführt von einem Priester des Crispinus, legte Possidius und seinen Begleitern einen Hinterhalt und schlug ihn halbtot. Nicht wegen Körperverletzung, sondern wegen Häresie reichte das Opfer gegen den eigentlichen Schuldigen Klage beim Statthalter ein, und Crispinus wurde nach einem Häretikergesetz des Kaiser Theodosius zu einer Buße von zehn Pfund Gold verurteilt. Der Verurteilte erhob Einspruch: er sei der rechtgläubige Katholik, Possidius der Häretiker. Seine Selbsteinschätzung verfing jedoch nicht. Um den Graben nicht zu vertiefen, wollte Possidius den Statthalter sogar bitten, Crispinus die Strafe zu erlassen. Statt dankbar zu sein, wandte der sich an den Kaiser, nur um bestätigt zu bekommen, er sei tatsächlich Häretiker. Selbst danach bemühten sich Augustinus und andere Bischöfe beim Statthalter, er möge ein Auge zudrücken. 38 Bald danach verfasste Augustinus die vier Bücher „An den Grammatiker und Donatisten Cresconius“ (Ad Cresconium grammaticum partis Donati) und hielt im dritten Buch zusätzlich Einzelheiten zum Streit zwischen Possidius und Crispinus fest. 39 Unter den weiteren Beispielen, die er dort für die Brutalität der Circumcellionen anführte, war keines so erschütternd wie das Schicksal des Maximianus aus dem numidischen Bagai. Der Donatist war katholisch geworden und hatte es sogar zum Bischof seiner Heimatstadt gebracht. Abtrünnige zogen den besonderen Hass der Fanatiker auf sich. Sie zürnten Maximianus erst recht, nachdem er sich durch Gerichtsbeschluss eine Basilika erstritten hatte, die von den Donatisten widerrechtlich besetzt worden war. Dort überfielen sie ihn, zertrümmerten den Altar, unter den er sich geflüchtet hatte, und prügelten so lange auf ihn ein, bis der Boden rot von Blut war. Blut quoll auch aus einer Wunde in seinem Unterleib, die zum Glück der Schmutz verschloss, als sie ihr Opfer durch die Basilika schleiften. Katholiken machten einen Gegenangriff, be-
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mächtigten sich des Verwundeten, zogen aber gegen die feindliche Übermacht den Kürzeren, sodass die Sieger Maximianus auf einen Turm schleppen konnten, von wo sie ihn nachts hinabstürzten. Der Unglückliche hatte ein weiteres Mal Glück. Er fiel auf einen Misthaufen, auf dem er bewusstlos liegen blieb. Ein dritter, eher skurriler Glücksfall rettete ihm schließlich das Leben: Im Dunkeln kam ein armer Mann vorbei, der auf dem Dung seine Notdurft verrichten wollte und den Leblosen entdeckte. Er rief seine diskret abseits wartende Frau, und im Licht ihrer Laterne erkannten sie den Bischof. Aus Mitleid oder weil sie sich eine Belohnung erhofften, trugen sie ihn in ihr Haus und benachrichtigten Katholiken, die ihn gesund pflegten. 40 Zahlreiche Narben erinnerten Maximianus fortan an den Überfall. Severus von Thubursicu Bure, der Mitbruder des Maximianus, entkam den Häschern mit knapper Not, während sein alter Vater, ein Priester, so viele Schläge einstecken musste, dass er nach wenigen Tagen starb. 41 In der Nähe von Hippo zahlten es donatistische Kleriker dem ehemaligen Mitbruder Restitutus heim, dass er katholisch geworden war. Zusammen mit Circumcellionen zerrten sie ihn aus seinem Haus, stießen ihn erst in ein Schlammloch und banden ihm dann zum Spott einen Binsenrock um. In der gaffenden und sich amüsierenden Zuschauermenge wagten die wenigen Katholiken nicht einzuschreiten, als er weggeschleppt und zwölf Tage lang gefangen gehalten wurde. Hippos donatistischer Bischof Proculianus, bei dem sich Augustinus über dessen Klerus beschwerte, wollte nichts gesehen und gehört haben. 42 Die Donatisten hatten sich von Anfang an als die „Kirche der Märtyrer“ verstanden, als die alleinigen Erben derer, die von 303 bis 311, bis zum Toleranzedikt des Kaisers Galerius, erst vom heidnischen römischen Staat verfolgt wurden und danach vom christlichen Kaiser Konstantin und seinen katholischen Nachfolgern. Die donatistischen Märtyrerakten hielten die Erinnerung an die Leiden der Verfolgung wach. 43 Augustinus’ Berichte über die Schandtaten der Cirumcellionen – eine Auswahl, wie er bemerkte 44 – sollten dieser schismatischen Literatur ihre Einmaligkeit und ihren Wert nehmen, den sie für das donatistische Selbstverständnis hatten. 45 Dem Donatisten Emeritus gegenüber war er ehrlich genug und gab zu, dass sich auch manche unter dessen Glaubensbrüdern blutige Köpfe holten, weil sich die Katholiken nicht alles gefallen ließen und zurückschlugen. 46 Vor allem aber dienten ihm die Leiden seiner Glaubensgenossen dazu, seine Wende in der Behandlung der Donatisten zu rechtfertigen. Er und seine Mitbischöfe waren bisher der falschen Hoffnung aufgesessen, man könne die Gegenseite mit sanften Worten und kluger Theologie zur Einsicht in ihren Irrglauben bringen und zur Wiedervereinigung mit der wahren Kirche, der ihre Vorfahren bis zu Kaiser Diokletians Christenverfolgung angehört hatten. 47 Ganz in Augustinus’ Sinn beteuerte noch das
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Formular, das das Konzil von 403 für die Einladung an die Donatisten entworfen hatte, wie sehr sich die Bischöfe über eine Zusammenkunft freuen würden. Dazu zitierten sie Jesu Verheißung in der Bergpredigt: „Selig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Den Zögernden riefen sie mit König Davids Worten zu: „Ihr seid unsere Brüder.“ 48 Doch offensichtlich bedurfte es schärferer Maßnahmen, um hartnäckige Häretiker und ihre Rabauken, bei denen sich Religion mit der Lust an Mord und Totschlag mischte, in friedfertige Mitbrüder zu verwandeln. Daher sandte das Konzil, das sich am 16. Juni 404 in Karthago versammelte, eine Denkschrift an Kaiser Honorius. Die Verfasser stellten zunächst fest, dass das gewünschte Gespräch mit den Donatisten nicht zustande gekommen war. Dann beklagten sie die „ungeheuerlichen Gewaltausbrüche“ gegen zahlreiche Bischöfe, Kleriker und Laien. Schließlich forderten sie den Kaiser auf, die Strafe von zehn Pfund Gold einzutreiben, die sein Vater nicht nur über häretische Kleriker verhängt hatte, sondern auch über Grundbesitzer, die donatistische Zusammenkünfte gestatteten, sowie über diejenigen, die Katholiken terrorisierten. Ein weiteres Schreiben ging an die Statthalter, sie möchten für den Schutz der Gläubigen sorgen, bis der kaiserliche Entscheid eintreffe. Zusätzlich wurden noch der Bischof von Rom und die Bischöfe in denjenigen Städten benachrichtigt, in denen sich der Kaiser aufzuhalten pflegte. 49 Der Abordnung des Konzils waren die Bischöfe Maximianus und Severus zuvorgekommen. Zusammen mit anderen Leidensgenossen, die sich auch nicht mehr auf ihren Bischofsstuhl zurücktrauten, hatten sie ihre schlimmen Erfahrungen am Kaiserhof in Ravenna so eindrucksvoll vorgetragen, dass sich Honorius zu schärferen Maßnahmen entschloss. Mit bloßen Geldstrafen war es nicht mehr getan. 50 Am 12. Februar 405 erließ er ein Edikt gegen die Manichäer und insbesondere gegen die Donatisten, „die vor allem, wie wir erfahren haben, nicht zu wüten aufhören“. Die Wiedertaufe, dieser „abartige Irrglaube“, wurde ihnen untersagt. Würden alle Donatisten gehorchen und würde dieses Herzstück ihrer Religion wegfallen, so würde sich auch die Forderung erfüllen, die Honorius vorweg aufstellte: „Keiner soll mehr an sie denken.“ 51 Ein kaiserliches edictum richtete sich entweder an die Bevölkerung des ganzen Reiches oder an einen Reichsteil, hier an die africanischen Provinzen. Begleitet wurde es am selben Tag von einer Dienstanweisung, einem decretum des Kaisers an den Prätorianerpräfekten Hadrianus, den höchsten für Italien und Africa zuständigen Zivilbeamten. Honorius eröffnet das Schreiben kurz und bündig: „Mit der Autorität dieses Dekrets haben wir entschieden, die Feinde des katholischen Glaubens auszurotten“. 52 Energisch schlug der Kaiser die Tür zu, die Augustinus und seine Kollegen
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auf dem Konzil des Vorjahres noch offen gehalten hatte. Sie beriefen sich dafür auf Theodosius, der aber nie so weit gegangen war wie der Sohn. Seine Härte begründete Honorius mit der nachfolgenden Charakteristik der Donatisten. Die flüchtigen africanischen Bischöfe dürften dabei in der kaiserlichen Kanzlei mit die Feder geführt haben. Das Verbot der Wiedertaufe stand an erster Stelle; sie habe aus dem ursprünglichen Schisma eine Häresie gemacht. Wiedertäufer sollten in Zukunft vor Gericht gestellt und ihr Vermögen eingezogen werden. Sollten in Häusern oder auf Landgütern weiterhin heimlich donatistische Riten praktiziert werden, so fielen diese Immobilien an den Fiskus. Falls deren Eigentümer davon wussten, erhielten sie eine öffentliche Rüge, die rechtliche Nachteile zur Folge hatte. Pächter wurden ausgepeitscht und in lebenslängliche Verbannung geschickt. Sklaven, die zur Wiedertaufe gezwungen wurden, durften das Kirchenasyl in Anspruch nehmen und wurden anschließend freigelassen. Wer seine donatistische Gemeinde nicht verließ, um katholisch zu werden, verlor das Recht, ein Testament zu machen, Geschenke anzunehmen und Verträge zu schließen. Statthalter, Gemeindevorsteher und staatliche defensores waren dafür verantwortlich, dass diese Anordnungen eingehalten wurden, und sie hatten Gewaltakte gegen katholische Kirchen zu unterbinden. Andernfalls traf sie eine Strafe von 20 Pfund Gold. Auch Privatpersonen gleich welchen Standes wurden aufgerufen, „Wächter der vom Himmel eingegebenen heiligen Sache zu sein“. 53 Der Prätorianerpräfekt bekam weiterhin den Auftrag, das kaiserliche decretum als edictum in eigenem Namen zu publizieren und den Text in seinem Machtbereich, also in Italien und Africa, an vielbesuchten öffentlichen Plätzen aufzustellen. Damit sich niemand auf die Zugeständnisse berufen konnte, die Kaiser Julian der Abtrünnige 362 den Donatisten gemacht hatte, sollte dessen entsprechende Verordnung vorangestellt und damit annulliert werden. 54 Drei Wochen später schärfte Honorius dem Proconsul Africae die Publikation noch einmal eigens ein, „damit allen bekannt werde, dass der eine und wahre katholische Glauben an den allmächtigen Gott, zu dem sich rechte Gläubigkeit bekennt, gewahrt werden soll“. 55 Dieses Ziel hatte Honorius schon zu Beginn seines Edikts allen Reichsbewohnern verkündet und gegen alle Häresien entschieden das Glaubensbekenntnis des Konzils von Nicäa verteidigt: „Nur noch eine einzige katholische Religion soll es geben, nur noch ein einziges Heil, und es soll die Verehrung der Dreifaltigkeit, die gleich und in sich übereinstimmend ist, erreicht werden.“ 56 Um Diskussionen über das Wesen der Trinität auszuschließen, umschrieb der Kaiser die nicänische Neuprägung „eines Wesens“ (consubstantialis) mit „gleich und in sich übereinstimmend (par sibique congruens). Honorius war 395 mit elf Jahren Kaiser des Westreichs geworden. Im
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vergangenen Jahrzehnt hatte er zwar eine gewisse Selbständigkeit gewonnen. Aber die eigentliche Macht lag von Anfang an in den Händen des Heermeisters Stilicho, seines Schwiegervaters, der im Jahr 405 sein zweites Konsulat übernommen hatte. In Africa war es ein offenes Geheimnis, dass die scharfe antidonatistische Gesetzgebung dieses Jahres auf ihn zurückging. Stilicho habe sich auf die Weise dafür rächen wollen, dass der Usurpator Gildo von Donatisten Unterstützung erhalten hatte. „Gefolgsleute Gildos“ nannte sie Augustinus. Mehrmals malte er in düsteren Farben das Schreckensregiment aus, das deren Anführer Optatus, der Bischof des numidischen Thamugadi, bis zum Sturz des Usurpators 398 ausübte und das selbst manchem Glaubensgenossen Angst einjagte. 57 Von irgendwelchen Religionsgesprächen, die Augustinus bisher so sehr am Herzen gelegen hatten, war in Honorius’ Anordnung nicht die Rede. Untertanen hatten über die Befehle ihrer Kaiser, mochten sie noch so streng sein, nicht zu diskutieren. Sie hatten zu gehorchen. Als Augustinus daher bald darauf an den donatistischen Bischof Emeritus im mauretanischen Caesarea schrieb, „den ersehnten und geliebten Bruder“, von dessen hoher Begabung und Bildung er gehört hatte, berief er sich mit Paulus im Römerbrief auf den Gehorsam, den man der Obrigkeit schulde. Er widersprach dem alten Vorwurf der Donatisten, Katholiken hätten zuerst die römischen Kaiser gegen sie aufgehetzt. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. „Jene Kaiser aber, die bei jeder Gelegenheit das Unrecht eures Schismas mitansehen müssen, erlassen nach ihrem Willen Gesetze gegen euch entsprechend ihrer Fürsorge und Macht. Sie tragen nämlich das Schwert nicht umsonst; sind sie doch Diener Gottes, die voll Zorn diejenigen bestrafen, die Böses tun.“ 58 Im Gegensatz zu Honorius’ Terminologie bestand Augustinus darauf, dass die Donatisten keine Häretiker, sondern ihrem Ursprung nach Schismatiker waren: Sie haben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt von der weltweit bestehenden Großkirche getrennt. Bei Verhandlungen über die Wiedervereinigung muss man daher von diesem Zeitpunkt und den Ursachen der Spaltung ausgehen. Das ältere gemeinsame Fundament von Katholiken und Donatisten wird durch die Spaltung und die seitherige Entwicklung nicht berührt. Daher behalten die von Donatisten gespendeten Sakramente ihre gesamtkirchliche Gültigkeit, sodass die Wiedertaufe theologischer Unsinn ist. Zur Geschichte der Spaltung gehört auch das Böse, das auf beiden Seiten geschehen ist und das man um der Versöhnung willen nicht gegeneinander aufrechnen sollte. Mit Hilfe von Gottes Barmherzigkeit wird dann eines Tages „der Irrtum, der uns trennt, dank der Liebe zum Frieden und der Einsicht in die Wahrheit verschwinden“. 59 Augustinus war sich im Klaren, dass sich diese Hoffnung angesichts der Verbreitung und Verwurzelung des „Irrtums“ nicht so schnell erfüllen
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werde und dass es weiterhin großer Anstrengung der katholischen Bischöfe wie des Kaisers bedürfe. Das gab auch Honorius Ende 405 zu, nachdem ihm berichtet worden war, dass er mit seiner Gesetzgebung gegen die Donatisten längst nicht die gewünschte Wirkung erzielt hatte. Erneut wandte er sich an den Statthalter der Africa proconsularis: „Es ist unser Beschluss, dass die Häretiker des donatistischen Aberglaubens, wo immer sie entweder ein Geständnis abgelegt haben oder überführt worden sind, unverzüglich nach dem Buchstaben des Gesetzes die gehörige Strafe erleiden.“ 60 Trotzdem reiste eine Gesandtschaft donatistischer Bischöfe unbekümmert nach Ravenna an den Kaiserhof. Sie drang jedoch am 30. Januar 406 nur bis zum Prätorianerpräfekten vor, der das Religionsgesetz seines Herrn verteidigte, sodass die Bittsteller unverrichteter Dinge abziehen mussten. 61 Einzelne Donatisten, aber auch Gemeinden mit ihren Bischöfen nahmen sich Honorius’ Strafandrohung zu Herzen. Denn das Plenarkonzil, das am 13. Juni 407 in Karthago zusammentrat, verabschiedete einen Artikel „Über Personen oder Diözesen, die sich von den Donatisten abwandten.“ Wie schon in früheren Fällen sollten konvertierte Gemeinden ihre Bischöfe behalten. Dieses Entgegenkommen entsprach Augustinus’ theologischer Einordnung des Schismas. Nur sollten die Gemeinden sich nach dem Tod ihrer derzeitigen Bischöfe einer schon bestehenden Diözese anschließen dürfen. Dazu sollten Kirchengebäude von ehemaligen oder weiter bestehenden häretischen Gemeinden in die Obhut der residierenden katholischen Bischöfe übergehen. 62 Massenübertritte gab es allerdings nicht. Andernfalls hätte das Konzil nicht beschlossen, Gesandte zum Kaiser zu schicken, um nützliche Maßnahmenn „gegen Donatisten und Heiden oder deren abergläubische Praktiken“ zu veranlassen. 63 Die Gesandtschaft hatte Erfolg. Am 15. November 407 ergingen Anweisungen an den neuen Prätorianerpräfekten Curtius und den neuen Proconsul Africae Porfyrius, die die bisherigen Strafgesetze gegen Donatisten, gegen andere Häretiker und die Anhänger der alten Götterkulte bestätigten. 64 „Den unheiligen Sinn der Häretiker und den Aberglauben der Heiden hätte allein schon das Bemühen der Priester beim Beobachten der Freveltaten sowie ihr Fleiß beim Ermahnen und ihre Autorität beim Lehren bessern müssen.“ Mit diesem enttäuschten Rückblick leitete Honorius sein Dekret an den Prätorianerpräfekten Curtius ein und hielt sein eigenes Bemühen dagegen: „Dennoch haben unsere Gesetzesbeschlüsse nicht aufgehört, durch die Androhung schrecklicher Bestrafung die Abweichler zur Verehrung des allmächtigen Gottes zurückzuführen sowie Unwissende zur frommen Verehrung zu erziehen.“ 65 Wollte der Kaiser nur feststellen, dass die missionarische Arbeit des Klerus ohne die staatliche Unterstützung vergebliche Liebesmüh sei? Oder erhob er darüber hinaus gegen Bi-
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schöfe und Priester den Vorwurf, sie hätten sich in der Vergangenheit zu wenig um die Bekehrung von Heiden und Häretikern gekümmert und seien daher mitschuldig, dass sein Ziel, ein Reich und ein Glaube, noch nicht erreicht sei? Den Bischof von Hippo traf der Vorwurf des Kaisers am wenigsten. Wenn es im africanischen Klerus jemanden gab, der sich seit 16 Jahren erst als Priester, dann als Bischof mit ganzer Kraft dafür einsetzte, dass sich Honorius’ Wunschdenken erfüllte, dann war er es. Aber Wunder wirken konnte Augustinus nicht, und andererseits waren kaiserliche Verlautbarungen bei ihren Analysen und Zielvorgaben, ob in religiösen Angelegenheiten oder in staatlichen, oft recht grob gestrickt. In seinem „Revidierten Werkverzeichnis“ dokumentierte Augustinus eindrucksvoll seine literarischen Kämpfe gegen den Donatismus: Die oben genannten vier Bücher gegen den donatistischen Grammatiker Cresconius schrieb er, nachdem Honorius seine Gesetze contra Donatistas erlassen hatte. Es folgten „Ein Buch der Beweise und Zeugnisse gegen die Donatisten“ (Probationum et testimoniorum contra Donatistas liber I) und „Ein Buch gegen einen anonymen Donatisten“ (Contra nescio quem Donatistam liber I), die sich beide nicht erhalten haben. Verloren gegangen ist auch die „Mahnschrift in einem Buch an die Donatisten wegen der Maximianisten“ (Admonitio Donatistarum de Maximianistis liber I), mit der Augustinus in die innerdonatistischen Streitigkeiten eingriff. 66 Dazu kam die Korrespondenz, die der nimmermüde Briefschreiber in diesen Jahren mit donatistischen Bischöfen führte und die sich bisweilen wie der Brief an Vincentius zu einem regelrechten Buch auswuchs. 67 Der Bischof im mauretanisschen Cartenna hatte an Augustinus geschrieben, der seine Antwort mit der stolzen Feststellung einleitete, Honorius’ Gesetze hätten nicht nur unter den einfachen Donatisten, sondern sogar unter den Circumcellionen beachtliche Erfolge erzielt. Ausführlich ließ er sich danach über den heilsamen Nutzen von Strafen und die härtere Gangart in der Religionspolitik aus, die er selbst früher abgelehnt hatte, jetzt aber in der bewährten Weise des Bibelkenners mit einem Großaufgebot von Zitaten aus Altem und Neuem Testament rechtfertigte. Seine Erfahrung, dass „nicht jeder, der schont, ein Freund, und nicht jeder, der züchtigt, ein Feind ist“, beglaubigte er mit dem Satz aus dem Buch der Sprüche: „Besser sind die Wunden von einem Freund als die bereitwilligen Küsse von einem Feind.“ 68 Ein breiter Rückblick auf die Frühgeschichte des Donatismus unter Konstantin dem Großen lieferte den Beweis, dass bereits die Väter des Schismas im Unrecht gewesen waren. 69 Ein weiterer Brief, der sich allgemein an die Donatisten wandte, war ein eindringlicher Aufruf zur friedlichen Einigung, nachdem keineswegs gewalttätige Circumcellionen, sondern donatistische Priester Augustinus und andere katholische Kleri-
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ker vor Bekehrungsversuchen gewarnt hatten: „Bleibt von unserem Leben weg, wenn ihr nicht wollt, dass wir euch töten.“ Ihnen hielt Augustinus entgegen: „Gott will nicht, dass ihr, eurer katholischen Mutter entfremdet, in frevlerischer Zwietracht untergeht.“ 70 Um nachzuweisen, dass es sich beim Donatismus um Unkraut handle, das sich auf dem katholischen Mutterboden breit gemacht habe, wurde Augustinus zum Historiker: „Für die katholische Wahrheit besorgte ich mir entweder aus kirchlichen oder staatlichen Akten die erforderlichen Dokumente.“ Sie stellte er mit den entsprechenden Zeugnissen aus den kanonischen Büchern der Bibel zu einem Dossier zusammen und forderte die donatistischen Bischöfe auf, sich die Sammlungen bei ihm zu besorgen. Vorweg antwortete ihm ein unbekannter Donatist, gegen den Augustinus wiederum das obenerwähnte „Buch der Beweise und Zeugnisse“ verfasste. Nach dem Vorbild staatlicher Gesetzestexte ließ er den Inhalt des Buches samt den Dokumenten an der ehemals donatistischen Basilika in Hippo anbringen, deren er sich inzwischen, gedeckt durch Honorius’ Gesetz, bemächtigt hatte. Sein Rivale, Bischof Proculeianus, war gegen die Enteignung machtlos, zumal ihn bereits drei seiner Priester verlassen hatten und katholisch geworden waren.71 Augustinus und Alypius konnten auch im weiteren Umkreis ihrer Diözesen ‚Geländegewinne‘ verbuchen.72 Erbitterte Donatisten rächten sich für die Verluste mit neuen Gewalttaten, unbekümmert um Honorius’ Strafgesetze.73 Um deren Sanktionen einzufordern, sandte das Konzil, das am 16. Juni 408 in Karthago eröffnet wurde, Bischof Fortunatianus von Neapolis an den Kaiserhof. 74 Vielleicht kam er gerade rechtzeitig an, um dort einen einschneidenden Machtwechsel zu erleben: Der Heermeister Stilicho wurde im August dieses Jahres gestürzt und hingerichtet. Der Magister officiorum Olympius, ein Katholik, der Honorius nahestand und Stilichos Sturz eingefädelt hatte, wurde der neue starke Mann.75 Der Wechsel löste in Africa eine weitere Welle von Gewalttaten aus. Denn die Donatisten hatten in Stilicho den bösen Geist gesehen, der sie mit Gesetzen verfolgt hatte, die von Honorius lediglich unterschrieben worden seien.76 Nachdem er seine verdiente Strafe erhalten hatte, bekamen sie Oberwasser. Noch bevor Olympius ihnen zeigen konnte, dass er keineswegs gewillt war, die bisherige Religionspolitik aufzugeben, nutzten sie die unverhoffte Gelegenheit zu rüden Angriffen auf Katholiken und ihre Bischöfe. Als Aurelius deswegen in Karthago am 13. Oktober 408 die Bischöfe zu einem weiteren Konzil zusammenrief, hatte man dort zwei Tote und drei schwerverletzte Kollegen als Opfer zu beklagen. Andere Bischöfe waren geflohen. Eine weitere Gesandtschaft fuhr nach Ravenna, um am Kaiserhof Druck zu machen.77 Augustinus wusste, auf wen es in Ravenna ankam. Kaum hatte er von Olympius’ Ernennung erfahren, gratulierte er ihm in einem Brief mit war-
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men Worten. Sie waren eine Captatio benevolentiae, um die Hilfe des Magister officiorum für Bonifatius zu gewinnen, einen Bischof in der Nähe von Hippo, der durch Steuerhinterziehung seines Vorgängers in Schwierigkeiten geraten war.78 In einem weiteren Brief gab Augustinus der jüngsten Gesandtschaft aus Karthago Schützenhilfe und beschwor Olympius, den „echten Sohn der Kirche Gottes“, dafür zu sorgen, dass seine Glaubensgenossen in Africa nicht länger zu leiden hatten.79 Der Erfolg der ‚konzertierten Aktion‘ ließ nicht lange auf sich warten. Am 27. November 408 erließ Honorius ein Versammlungsverbot für alle Nichtkatholiken. Zuwiderhandelnde wurden verbannt, Versammlungsorte, also vor allem die Kirchen der Donatisten, fielen an den Fiskus. Den Defensores civitatis, den örtlichen Kurialen und den kaiserlichen Beamten wurde befohlen, das Verbot zu überwachen. 80 Warum sie angesprochen wurden, erklärte der Kaiser am 15. Januar 409 in einem Dekret an den Prätorianerpräfekten Theodorus, das der Codex Theodosianus in Kurzfassung, die Sirmondianischen Konstitutionen ungekürzt erhalten haben. 81 Honorius war vor allem über die Nachricht empört, dass staatliche und lokale Behörden gern die Augen verschlossen, wenn sie von Überfällen auf katholische Bischöfe erfuhren. Das Dekret gab drastische Beispiele: Bischöfe wurden aus ihren Häusern oder, schlimmer noch, aus ihren Kirchen gezerrt und auf jede erdenkliche Weise gequält. Um ihren Glauben vor der zusammengelaufenen Menge zu verspotten, wurden ihnen Haarbüschel ausgerissen, oder sie wurden sonstwie entstellt. Der Kaiser wies die Statthalter an, die Täter aufzuspüren, vor Gericht zu stellen, zur Zwangsarbeit im Bergwerk oder zur Verbannung zu verurteilen und ihren Besitz einzuziehen. Künftige Gewalttaten gegen Bischöfe, Priester und Kirchengebäude waren wie schon früher mit dem Tod zu bestrafen. Statthalter, die den Verbrechen nicht nachgingen, verloren ihre Stellung und kamen vor das Kaisergericht; verschlossen ihre Stäbe die Augen, so mussten sie 20 Pfund Gold bezahlen. Auch die Mitglieder der städtischen Kurien kamen in solchen Fällen nicht ungeschoren davon: sie wurden deportiert und verloren ihr Vermögen. Die Katholiken konnten vor allem deswegen zufrieden sein, weil der seit 408 amtierende Proconsul Africae Donatus dafür sorgte, dass es dieses Mal nicht bei leeren Worten blieb. Der Katholik, der es sogar fertiggebracht hatte, seinen Vater dem Donatismus abspenstig zu machen, 82 begann mit eisernem Besen zu fegen. Nur Augustinus war darüber nicht glücklich. Einen Brief an Donatus begann er mit dem überraschenden Geständnis: „Ich wollte, die africanische Kirche wäre nicht in solchen Schwierigkeiten, dass sie der Hilfe der irdischen Macht bedarf.“ Dann beschwor er den Proconsul, die Religionsgesetze zum Besten der Donatisten zwar durchzusetzen, die Schuldigen aber nicht mit dem Tod zu bestrafen. Solche Härte wür-
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de nur Märtyrer schaffen, die nach ihrem Selbstverständnis und in den Augen ihrer Glaubensbrüder für Wahrheit und Gerechtigkeit stürben. 83 Am Kaiserhof hatte man mit der Milde einzelner Bischöfe, vielleicht insbesondere mit der des Augustinus, gerechnet. Da solche Weichheit dem Ansehen des Gesetzgebers wie der Wirkung des Gesetzes schaden würde, trug Honorius den einzelnen Statthaltern auf, die Hinrichtung sofort zu vollziehen und nicht auf die Anzeige eines Bischofs zu warten, „dem die Heiligkeit seines Priesteramtes lediglich den Ruhm des Verzeihens belässt“. 84 Doch unerwartet begann sich der Wind in Ravenna zu drehen. Der Gote Alarich durchzog 408 und 409 mit einem Heerhaufen gotischer und nichtgotischer Herkunft Italien und stieß zweimal bis Rom vor. Auf seine Veranlassung wurde der Stadtpräfekt Priscus Attalus zum Gegenkaiser ausgerufen. Alarichs Plan war, zusammen mit Attalus Africa zu besetzen. Dazu gab sich der Usurpator jedoch nicht her, weil er hoffte, er könne sich der Kornkammer Italiens allein bemächtigen. Aber er scheiterte, weil der Comes Africae Heraclianus Honorius treu blieb. 85 Dem Kaiser war unter diesen Umständen wichtiger, die Getreidezufuhr und damit seine Herrschaft in Italien zu sichern, als durch seine Religionspolitik den Zwiespalt zwischen Donatisten und Katholiken zu verschärfen. Um die Mitte des Jahres 409 erließ er daher ein Toleranzedikt. 86 Der strenge Magister officiorum Olympius war vorher schon entlassen und durch den großzügigeren Macrobius ersetzt worden. 87 In Karthago scheint das Provinzialkonzil vom 15. Juni 409 noch nicht erfahren zu haben, dass der Kaiser freie Religionsausübung gestattet hatte. 88 Das offizielle Ende staatlicher und kirchlicher Bekehrungsbemühungen war für die Radikalen unter den Donatisten Wasser auf ihre Mühlen. In der Umgebung von Hippo hausten donatistische Kleriker und Circumcellionen schlimmer als die marodierenden Barbaren, von denen man aus Ägypten, Italien, Gallien und Spanien hörte. Sie plünderten Häuser aus und zündeten sie an, droschen katholische Priester erst blutig und gossen ihnen dann Essig und ungelöschten Kalk in die Augen, sie schleppten die Erntevorräte fort, und was sie nicht transportieren konnten, vernichteten sie. Ein Dorf terrorisierten sie so lange, bis sich 48 Bewohner wiedertaufen ließen. Es waren nicht die einzigen, die vor Angst Donatisten wurden. Augustinus schilderte diese Schreckenstaten dem Priester Victorianus, der ihm in einem Brief von ähnlichen Vorfällen berichtet hatte. 89 Vergeblich suchte er Macrobius, den neuen donatistischen Bischof in Hippo, von der Wiedertaufe des Subdiakons Rusticianus abzuhalten, der keine Zierde seines Standes war, daher exkommuniziert wurde und nun sein Heil bei der Konkurrenz suchte. Selbst an Augustinus’ eigener Gemeinde gingen die Wirren nicht spurlos vorbei. Während er im Sommer 410 in Karthago war und am Konzil vom 14. Juni teilnahm, stellte sie die caritative Arbeit
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ein, zu der er sie jahrelang angehalten hatte. Auch donatistische Schalmeienklänge verfehlten ihre Wirkung nicht. 90 Nach der Rückkehr schien dem Bischof der Wolf in seine Herde eingebrochen und ihr Glaube so wackelig geworden zu sein, dass er sich nicht einmal mehr getraute, eine Einladung in seine Heimaststadt Thagaste anzunehmen. 91 Das Konzil vom 14. Juni 410 sandte dieses Mal nicht wie bisher zwei, sondern vier Gesandte nach Ravenna, um mit verstärkter Stimme Honorius auf die verheerenden Folgen aufmerksam zu machen, die sein Toleranzedikt für die katholische Kirche in Africa hatte. Bald nach Ankunft der Gesandtschaft, in der zweiten Augusthälfte 410, begann Alarich, Rom ein drittes Mal zu belagern. Am 25. August, nachdem die Stadt bereits am Tag zuvor gefallen war, widerrief Honorius in einem Dekret an den Comes Africae Heraclianus sein Toleranzedikt und erließ ein Versammlungsverbot für Häretiker, die andernfalls verbannt oder mit dem Tod bestraft würden. 92 Noch bevor die Nachricht von der römischen Katastrophe Ravenna erreichte hatte, werden Katholiken im Kronrat gewarnt haben, Gott habe die Bedrohung der Ewigen Stadt deswegen zugelassen, weil der Kaiser seine Glaubensbrüder in Africa nicht konsequent verteidigt und sie mit dem Toleranzgesetz dem Wüten ihrer Feinde ausgesetzt habe. Die Hoffnung, der Widerruf des Gesetzes werde im letzten Augenblick das Schlimmste verhindern, erfüllte sich nicht. Stattdessen begann sofort die Auseinandersetzung, wer schuld sei am erschütternden Schicksal der Reichshauptstadt, die nach dem Galliersturm 387/6 v. Chr., also nach fast achthundert Jahren, zum zweiten Mal Opfer eines Barbarensturms geworden war. Augustinus’ Stimme sollte später im Kampf der Meinungen die mächtigste werden. Vorläufig lag dem Bischof von Hippo der Kampf mit dem Donatismus mehr am Herzen. Die Zweifel, ob der Kampf mit staatlichen Strafmaßnahmen allein zu gewinnen und die Trennung der Konfessionen zu überwinden sei, hatten ihn nie ganz verlassen. Gewiss, die scharfe kaiserliche Sprache hatte manchen donatistischen Bischof und seine Gemeinde zur Konversion bewogen. Andererseits hatten er, Alypius und andere Bischöfe durch Argumentieren und gütliches Zureden Erfolge erzielt. Aber das Gesamtbild des Donatismus hatte sich nicht wesentlich geändert, und die Circumcellionen sorgten mit Brachialgewalt dafür, dass es sich nicht änderte. Konnten die Drohungen des Kaisers die falsche Theologie aus den Köpfen der donatistischen Bischöfe treiben? Seine Gesetze stellten ja nur fest, dass die Theologie falsch war, nicht aber, warum sie falsch war. Dass sie falsch war, verrieten die vielen Spaltungen allein schon innerhalb des africanischen Donatismus: die Maximianisten, die Claudianisten, die Rogatisten, die Tertullianisten, die Urbanisten, die Abelonier und die Trigaristen. 93 Es gab außerdem eine spanische Splittergruppe sowie die Mon-
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tenses oder Cutzupitani in Rom. 94 Verglichen mit diesem Wirrwarr bildete die weltumspannende katholische Kirche einen geschlossenen Block, dessen Einheit für Augustinus einer der stärksten Wahrheitsbeweis war. Dazu kam schließlich, dass viele donatistische Bischöfe friedliche Leute waren, die die aggressiven Circumcellionen, unter denen sie oft selbst zu leiden hatten, nicht weniger fürchteten als die Katholiken. Aber wie die Gegner, die sich bisher Gesprächsangeboten verweigert hatten, an einen Tisch bringen? Ohne kaiserliche Hilfe war das aussichtslos. Daher brachten die vier Gesandten des Konzils von 410 neben ihrem Bericht über die Lage in Africa einen Vorschlag mit, hinter dem Aurelius und Augustinus standen: Honorius solle eine Konferenz katholischer und donatistischer Bischöfe nach Karthago einberufen, die unter Vorsitz eines kaiserlichen Abgesandten die Wahrheitsfrage zwischen den Konfessionen durch ein Streitgespräch klären möge. Die Gesandten waren sich natürlich mit dem Kaiser einig, dass es die katholische Wahrheit war, zu der sich die Donatisten am Ende bekennen sollten. Dementsprechend leitete Honorius das Schreiben ein, mit dem er am 10. Oktober 410 den Katholiken Marcellinus, einen Offizier im Rang eines tribunus et notarius, zum Vorsitzenden ernannte: „Zu den höchsten Sorgen unserer Herrschaft gehört die stets an erster und alleiniger Stelle stehende Achtung vor der katholischen Religion.“ Diese Grundlage seiner Herrschaft war nur gewährleistet, wenn auch seine Untertanen mit ihm im Glauben vereint waren: „Denn zu keinem anderen Zweck nehmen wir die Mühen des Krieges auf uns und schaffen eine Friedensordnung als dem, dass die Bevölkerung unseres Reiches die wahre Verehrung Gottes einhält.“ Im Verlauf seines Schreibens teilte der Kaiser dem Empfänger ausdrücklich mit, welches Ergebnis er erwartete: Nach disputationes, die von Mandataren beider Parteien geführt würden, sollte es als „offenkundige Folgerichtigkeit“ erscheinen. Der Kaiser deutete damit das Verfahren an. Es galten die Regeln des Zivilprozesses, zu dem der Richter als Helfer den Vicarius und den Proconsul Africae samt ihren Stäben heranziehen sollte. Damit schloss der Kaiser, in dessen Vertretung Marcellinus richtete, nicht völlig aus, dass der Prozess auch zugunsten der Donatisten ausgehen konnte. 95 Im Januar 411 versandte Marcellinus ein Edikt an die katholischen und donatistischen Bischöfe aller africanischen Provinzen, in dem er sie aufforderte, in vier Monaten Delegationen nach Karthago zu schicken. Im Gegensatz zum Kaiser und den Bischöfen auf beiden Seiten sprach er diplomatisch von einem Konzil: Der Kaiser wolle, dass sie gemeinsam über die Wahrheit der Religion diskutierten, um den Frieden in Africa herzustellen, den er mit seinen Gesetzen nicht erreicht habe. 96 In einem zweiten Edikt Ende Mai 411 legte Marcellinus den genauen Ort und die Geschäftsordnung fest. Beide Prozessparteien sollten aus den in Karthago versam-
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melten Bischöfen je sieben Vertreter und sieben Berater wählen und ihnen ein mandatum zum Prozessgegenstand geben, mit dem sie sich am 1. Juni in Karthagos Gargiliusthermen einzufinden hatten. In einem Brief an Marcellinus, den Augustinus entworfen hatte, stimmten die Katholiken zu, während die Donatisten verlangten, mit allen 285 anwesenden Bischöfen erscheinen zu dürfen. 97 Augustinus war sogar so siegesgewiss, dass er um des guten Verhandlungsklimas willen einen waghalsigen Vorschlag machte: Würden die Katholiken verlieren, so würden sie den Donatisten ihre Bischofssitze übergeben. Umgekehrt würden sie so großzügig sein, den besiegten Donatisten, die zu ihnen kamen, Amt und Würden zu belassen. Der Bischof von Hippo gewann für diese Lockspeise sogar die Zustimmung aller Mitbrüder bis auf zwei, wohl der schönste Beweis für ihr Vertrauen in seine intellektuelle Überlegenheit, den sie ihm je entgegengebracht haben. 98 Augustinus war auch der eigentliche Verfasser des umfangreichen mandatum, das „vom Gesamtkonzil der katholischen Bischöfe“, 286 an der Zahl, kurz vor der ersten Sitzung verabschiedet wurde. In seiner bewährten Weise führte er mit einem Großaufgebot von Zitaten aus dem Alten und dem Neuen Testament sowie mit Beispielen aus dem Urchristentum den Nachweis, dass die jetzige katholische Kirche allein die wahre Kirche Christi sei. In ihr habe es von Anfang an Gute und Böse, Schafe und Böcke gegeben, ohne dass ihr Wesen durch dieses Nebeneinander beeinträchtigt worden sei. Selbst wenn daher der 311/12 zum Bischof von Karthago gewählte Caecilianus der Sündenbock gewesen wäre, für den ihn die Donatisten hielten, hätte sein Fall, der die Gesamtkirche gar nicht berührte, niemals Anlass für ein Schisma werden dürfen. Die beigegebenen Dokumente belegten jedoch eindeutig, dass er weder traditor war noch von einem traditor ordiniert wurde. 99 Gegen die beiden möglichen Stoßrichtungen der Gegner, schienen somit die sieben Mandatare bestens gewappnet zu sein. Gewählt wurden das befreundete Quartett Aurelius, Augustinus, Alypius und Possidius, dazu Fortunatus aus dem numidischen Sicca und aus der Africa proconsularis Fortunatianus von Sicca und Vincentius von Culusi. 100 Am ersten Sitzungstag, an dem im Gerichtssaal die Masse der donatistischen Bischöfe dem katholischen Häuflein gegenüberstand, wurde das mandatum der Katholiken zwar verlesen. Aber die Wortführer der Donatisten – die beiden Freunde Emeritus von Caesarea und Petilianus von Constantina, rhetorisch und juristisch gleichermaßen beschlagen – verhinderten seine Diskussion. Stattdessen überhäuften sie an diesem und am nächsten Sitzungstag Marcellinus mit Verfahrensfragen, auf die er nach dem von Kaiser vorgegebenen Prozessrecht eingehen musste.101 Die dritte Sitzung vertagte er auf den 8. Juni, sodass die Donatisten Zeit hatten, das mandatum der Katholiken zu studieren und ein eigenes aufzusetzen.
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Nach der Wiedereröffnung zankte man sich zunächst um die Zulässigkeit und Glaubwürdigkeit der Dokumente zur Frühgeschichte des Schismas, bis die Donatisten ins Hintertreffen zu geraten drohten und daraufhin ihr mandatum vortrugen: Die Behauptung der Katholiken, die Kirche umfasse Heilige und Sünder, bedeute im Grunde deren Zweiteilung. Doch Christus habe mit Paulus’ Worten aus dem Epheserbrief nur eine Kirche gewollt, „die weder Fleck noch Runzel oder etwas dergleichen habe“. 102 Im Anschluss daran duellierten sich vor allem Emeritus und Augustinus mit Bibelzitaten. Da mit der Heilsgeschichte keine Entscheidung herbeizuführen war, ging es in die Alltagsgeschichte, und man warf sich die gegenseitigen Verfolgungen an den Kopf, bis Marcellinus befahl, zu den historischen Dokumenten zurückzukehren. Hatte ihm Honorius doch aufgetragen, das zu sichern, „was einmal die Vergangenheit bezüglich der katholischen Religion angeordnet oder die religiöse Autorität unserer Vorfahren festgesetzt hat“. 103 Im Mittelpunkt stand erneut die Frage, ob Caecilianus schon unter Kaiser Konstantin als traditor überführt und somit zu Unrecht zum Bischof von Karthago ordiniert worden war. Den einen Nachweis, der hieb- und stichfest war, konnten die Donatisten nicht erbringen, und damit war der Prozess für Marcellinus entschieden. Spätabends wurde in Anwesenheit beider Parteien sein Urteil verlesen, „das die gesamte Prozessordnung, die einzuhalten war, zusammengefasst und zugunsten der Einheit der katholischen Kirche entschieden hat“. 104 Am 26. Juni 411 veröffentlichte Marcellinus die Akten des dritten Prozesstages und stellte ihnen ein Edikt mit der Urteilsbegründung voran: Die Anklage gegen Caecilianus war falsch, und Donatus, der Namengeber des Donatismus, war auch der Urheber des Schismas.105 Keine der beiden Theologien mit ihren zahlreichen Belegen aus der Bibel hatten den Richter überzeugt, sondern die Dokumente aus der Frühgeschichte des Schismas. Sie waren die Materie, über die der Beamte ein selbständiges Urteil fällen konnte. Die Mühe, die sich Augustinus gemacht hatte, um die Dokumente aus staatlichen und kirchlichen Archiven zu beschaffen, hatte sich gelohnt. Für Possidius war er der eigentliche Sieger der Konferenz. Seine Mitbischöfe seien derselben Meinung gewesen, ergänzte der Biograph. 106 Die früheren Gesetze und Strafbestimmungen gegen die Donatisten traten wieder in Kraft, und Marcellinus’ Edikt gab die entsprechenden Anweisungen: Die Dekurionen in den Städten und die Grundbesitzer auf dem Land, die Pächter kaiserlicher Domänen und privater Güter sowie die führenden Männer (seniores) an allen Orten sollten jegliche Versammlung der Donatisten unterbinden und ihre Kirchen den Katholiken als deren rechtmäßigen Besitzern übergeben. Die donatistischen Bischöfe sollten unbesorgt nach Hause gehen, danach aber unverzüglich und ohne Ausflüchte zur „einen und wahren Kirche“ zurückkehren. 107
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Doch noch gaben sich die Donatisten nicht geschlagen. Sie appellierten an den Kaiser mit dem dünnen Argument, der Richter habe sein Urteil erst in der Nacht verkündet. Augustinus fiel später das Gegenargument nicht schwer, dass sich schon so mancher Prozess hingezogen und mit einem nächtlichen Urteil geendet habe.108 Am Kaiserhof studierte man lieber die Akten, und Honorius bestätigte seinen Richter: Die Donatisten waren Häretiker. Keine Rolle spielte ein Einwand, der in Nachgefechten den Katholiken an den Kopf geworfen wurde: Marcellinus sei Katholik und daher befangen gewesen. Ein Provinzialkonzil in Numidien, an dem Aurelius und Augustinus teilnahmen, gab darauf die passende Antwort.109 Im Anschluss an Marcellinus’ Edikt erließ Honorius am 30. Januar 412 ein weiteres Gesetz gegen die Donatisten: 110 Alle, ob Kleriker oder Laien, hatten katholisch zu werden, andernfalls traf sie eine Geldstrafe, die je nach ihrem Stand gestaffelt war. Die geringste Strafe mussten die Circumcellionen entrichten. Sie erschienen hier als eigenständige gesellschaftliche Gruppe, von deren Krawallen nicht mehr die Rede war. Ihre Strafe, zehn Pfund Silber pro Kopf, fiel ihnen, den Taglöhnern und Wanderarbeitern in der Landwirtschaft, gewiss schwerer als den vornehmsten Straffälligen, die fünfzig Pfund Gold zu entrichten hatten. Die für Hoch und Niedrig geltende Strafbarkeit rät zur Vorsicht bei der Vermutung, der Donatismus der Circumcellionen sei ein Protest gegen die besitzenden Klassen gewesen. Auch Donatistinnen kamen nicht ungeschoren davon. Ihr Bußgeld richtete sich nach dem Rang ihrer Ehemänner. Wenn bei Sklaven und Kolonen die guten Worte ihrer Herren nichts fruchteten, sollten häufige Peitschenhiebe der Bekehrung nachhelfen. Kleriker und Kirchendiener, die lieber zahlten als konvertierten, wurden aus Africa verbannt, weil sie dessen Boden „durch ihren frevlerischen Kult besudelt hatten“. Der Kaiser hätte jedoch nicht wagen können, die im Gesetz genannten Großgrundbesitzer, die inlustres, spectabiles, senatores und clarissimi, ebenfalls zu verbannen. Er hätte ein ökonomisches, soziales und politisches Erdbeben ausgelöst, das selbst die katholischen Bischöfe erschreckt hätte. Lieber sollten ihre Strafgelder auf Kosten der Kircheneinheit den Fiscus bereichern. War es Augustinus’ Einfluss zuzuschreiben, dass der Kaiser auf die Todesstrafe verzichtete? Allerdings hatte Marcellinus in seinem Edikt auf die Geltung der früheren Gesetze verwiesen, was die Todesstrafe für einzelne Vergehen einschloss. Die Donatisten sollten bald merken, dass mit ihrem ehemaligen Richter nicht zu spaßen war: In der Gegend von Hippo war eine Bande von Circumcellionen samt ihren Anführern aus dem Klerus verhaftet und vor Gericht gestellt worden, wo sie unter Peitschenhieben den Mord an einem Priester und die Verstümmelung eines anderen gestanden. Noch bevor Marcellinus das zu erwartende Todesurteil bestätigte, schrieb Augustinus „dem geliebten Sohn“ einen Brief und beschwor in-
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ständig seine christliche humanitas.111 Strafe musste natürlich sein. Warum aber nicht die Verbrecher zu nützlicher Zwangsarbeit verurteilen, während der sie in sich gehen konnten? Es folgte ein kleiner Essay über christliches Strafrecht in der Hand von christlichen Beamten, die, obwohl autonom, auf bischöflichen Rat hören sollten. Damit nicht genug wandte sich Augustinus an den Proconsul Africae Apringius, den Bruder des Marcellinus, der der eigentliche Gerichtsherr war: Mit seiner Intervention wolle er keineswegs die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat in Frage stellen, unterstrich Augustinus, doch werde er gegen ein zu hartes Urteil Berufung einlegen.112 Die Sache brannte ihm so sehr auf der Seele, dass er sich in einem dritten Brief noch einmal an Marcellinus wandte, nachdem der ihn in einer theologischen Frage, der Kindertaufe, um Auskunft gebeten hatte.113 Die drei Briefe gaben Possidius Recht: die Zahl der Konversionen nahm nach der Konferenz von Karthago zu; doch die Konvertiten hatten unter der blutigen Rache ihrer alten Glaubensgenossen zu leiden.114 Ergänzend dazu bemerkte Augustinus, viele hätten sich nach der Konferenz in Karthago von der „katholischen Wahrheit“ und der donatistischen perversitas überzeugen lassen, hätten aber den Übertritt gescheut.115 Die Angst vor unliebsamen Folgen war stärker. Der Weg zur Einheit würde auch weiterhin lang und schwer sein.116 Dieser Schluss drängte sich auch auf, wenn katholische mit donatistischen Bischöfen zusammentrafen, die keine Lust verspürten, handgreiflich zu werden. Eine bezeichnende Begegnung erlebte Augustinus fünf Jahre später. Zusammen mit Alypius, Possidius und anderen Mitbrüdern besuchte er in einer kirchlichen Angelegenheit das mauretanische Caesarea, wo Bischof Emeritus, sein Hauptkontrahent in Karthago, immer noch unbehelligt einer kleiner gewordenen Gemeinde vorstand. An ihn, den „Bruder Emeritus“, hatte Augustinus bald nach der Konferenz eine „ziemlich nützliche“ Schrift gerichtet, in der er noch einmal die Gründe zusammenfasste, die zur Niederlage der Donatisten geführt hatten.117 Jetzt lud er ihn ein, in der katholischen Kirche des Ortes das Gespräch vor Angehörigen beider Konfessionen fortzusetzen. Emeritus folgte der Einladung an zwei Tagen, aber es wurde eine recht einseitige Angelegenheit. Denn der Donatist verwies einfach auf den Ausgang der Konferenz. Danach sagte er nichts mehr, und Augustinus biss sich an seinem hartnäckigen Schweigen die Zähne aus.118
XIV. Der Fall Roms und der Gottesstaat Wenn auf den Konzilien in Karthago gelegentlich die Rede auf die Barbaren kam, so waren damit die Berberstämme im Süden der africanischen Provinzen gemeint. 1 Wie eh und je unternahmen sie Raubzüge in das römische Kulturland, verschleppten Provinziale und erschwerten die kirchliche Arbeit. Auf Katholiken hatten sie es besonders abgesehen. Sie waren eine gute Einnahmequelle, weil ihre Bischöfe sich bemühten, ihre gefangenen Gemeindemitglieder loszukaufen und dabei bisweilen von reichen Privatleuten unterstützt wurden. 2 Die Barbaren, die seit 406/07 den Westen des römischen Reichs überschwemmten, schienen – nach dem Schweigen der Konzilsakten zu schließen – die versammelten africanischen Bischöfe zunächst nicht berührt zu haben. Doch der Eindruck trügt. Flüchtlinge kamen über das Meer, die nach 408, als Alarich Italien heimsuchte und zum ersten Mal Rom bedrohte, zu einem Strom anschwollen. Denn es flohen nicht nur reiche Senatoren, die sich rechtzeitig auf ihre überseeischen Güter zurückzogen. Dann folgte der Schock vom 24. August 410, die Eroberung Roms. Sie löste eine neue Flüchtlingswelle aus, die so groß war, dass Honorius zwei Jahre später dem Stadtpräfekten von Rom auftrug, er solle die Provinzstatthalter anweisen, verschwundene Mitglieder der Handwerkergilden zur Rückkehr zu zwingen. 3 Alarich verließ Rom nach drei Tagen. Sein Ziel war Africa, wo er eine eigene Herrschaft errichten wollte. Der Plan scheiterte. Der Gotenkönig starb in Süditalien, nicht ohne vorher die kampanischen Städte gründlich ausgeplündert zu haben. Bischof Paulinus von Nola, der seinen Reichtum längst an die Armen verteilt hatte, berichtete Augustinus später, er habe damals gebetet: „Herr, lass mich nicht wegen Gold und Silber gefoltert werden, denn du weißt, wo all mein Besitz ist.“ 4 Die Folter war beliebtes Mittel der Eroberer, um an versteckte Schätze zu kommen. Der Süden Italiens war danach so ausgeblutet, dass Honorius 411 auf Aushebungen zum Militär oder die entsprechende Ablösungssummen in Rom und den südlichen Provinzen verzichtete und diesen 412 einen Steuernachlass gewährte. Die Not war auch an den Kindesaussetzungen abzulesen: nach einem weiteren Gesetz des Kaisers von 412 sollten Findlinge denjenigen verbleiben, die sie aufgezogen hatten. 5 Hieronymus ließ in seinem Refugium Bethlehem entsetzt die Feder sinken und unterbrach seine wissenschaftliche Arbeit, als er die abgerissenen Gestalten sah, die vor den Barbaren geflohen waren und denen habgierige Einheimische ihre letzte Habe abnahmen. 6 Augustinus erfuhr von der Flüchtlingswelle, die der Eroberung Roms und Alarichs Zug nach Süden
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folgte, als er sich – nach Cassiciacum zum zweiten Mal im Leben – einen Erholungsurlaub in der Nähe von Hippo gönnte, um eine schwere Krankheit auszukurieren. Gleichzeitig waren ihm Stimmen aus seiner Gemeinde zugetragen worden, die erbost über seine Abwesenheit waren. In einem Brief antwortete er zuerst auf diesen Vorwurf, um dann seinen Christen ins Gewissen zu reden, die sich angesichts der neuen Not recht unchristlich verhalten hatten.7 Rom und sein Schicksal erwähnte er mit keinem Wort, aber sie waren deutlich aus seinem Vorwurf herauszuhören: „Und nun ermahne ich euch, dass euch das Elend dieser Welt nicht überwältigt und träge macht, der Welt, der, wie ihr seht, das geschieht, was unser Herr und Erlöser, der nicht lügen kann, angekündigt hat. Nicht nur müsst ihr daher nicht weniger Werke der Barmherzigkeit tun, sondern ihr müsst sogar mehr vollbringen, als ihr gewohnt seid. Wie nämlich diejenigen, die an den wankenden Wänden sehen, dass der Einsturz ihres Hauses droht, so schnell wie möglich an sichere Orte eilen, so müssen christliche Herzen, je mehr sie an den sich mehrenden Plagen merken, dass sich der Einsturz der Welt nähert, desto mehr die Güter, die sie in Erdverstecken verteilt haben, mit unverzüglicher Schnelligkeit in einen himmlischen Schatz verwandeln, damit einer, falls ihm ein menschliches Unglück zustößt, sich freuen kann, nachdem er dem einstürzenden Ort entkommen ist. Wenn aber nichts dergleichen eingetreten ist, so hat er dem unsterblichen Herrn, zu dem er kommen wird, sein Eigentum anvertraut. Und so, meine geliebten Brüder, macht mit dem, was ein jeder besitzt, nach seinen Kräften, die er selbst kennt, das, was ihr gewohnt seid, mit eifrigerem Sinn, als ihr es gewohnt seid und bewahrt bei allen Unbilden der Zeit die Mahnung des Apostels im Herzen: „Der Herr ist nahe, seid um nichts besorgt.“ 8 Mit apokalyptischen Tönen rüttelte Augustinus seine Gemeinde auf, und einzelne Argumente des Briefes wiederholte er in der Folgezeit noch mehrmals, wenn Christen und Heiden, erschüttert über die Katastrophe Roms und des Reiches, Anfragen an ihn richteten: Wie konnte unser Gott das zulassen? So die verwirrten Christen. Wie konnte euer Gott das zulassen? So die empörten Heiden. Haben sich vielleicht die vernachlässigten Götter gerächt? So der leise Zweifel mancher Christen. Ja, sie haben sich gerächt, so der trotzige Vorwurf der Heiden gegen diejenigen, deren Vorfahren ja alle einmal während Roms großer Zeit die Götter verehrt hatten. Scheinbar verwundert wandte sich Augustinus an seine Gläubigen: Hatten sie noch nie von Jesu Ankündigung gehört, es werde einmal eine große Bedrängnis kommen? Sogar vom „Einsturz der Welt“ hatte er gesprochen: „Himmel und Erde werden vergehen“. Und der Gottessohn war sich sicher: „Aber meine Worte werden nicht vergehen.“ Denn er war, wie Augustinus betonte, derjenige, „der nicht lügen kann“. 9 Jesus hatte aus seiner Ankündigung auch schon die Folgerung für seine Zuhörer gezogen, die
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ihm Augustinus mit eigenen Worten für seine Gemeinde nachsprach: Kein totes Kapital auf Erden anhäufen und verstecken; Rost und Motten würden es verzehren oder Diebe es stehlen. Lieber mit diesem Kapital Gutes tun und sich einen Schatz im Himmel erwerben. 10 Der Bischof erweiterte die Mahnung um einen Gedanken, der auf den ersten Blick schockierte, tatsächlich aber nur Jesu Realismus im Gleichnis vom reichen Mann aufnahm. Der wollte gerade für seine überreiche Ernte neue Scheunen bauen, als Gott ihn überraschte: „Du Tor, noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir fordern. Wem wird dann gehören, was du angesammelt hast? So geschieht dem, der für sich hortet und nicht reich vor Gott wird.“ 11 Auch der Reiche in Hippo konnte durch einen Unfall plötzlich sterben, und wenn er sich freute, dass ihm kein Unfall zugestoßen war – dem Tod entging er dennoch nicht. Der Liebhaber der lateinischen Klassik mochte dazu den Vers des Dichters Properz zitieren: „Über kurz oder lang erwartet jeden sein Tod.“ Es empfahl sich also auf alle Fälle, Gott seinen Besitz zu überlassen. Schließlich Augustinus’ Rat zum Schluss: Sämtlichen Schrecken dieser Welt mit Gelassenheit begegnen. Nicht mit der selbstbezogenen Gelassenheit des Stoikers, sondern mit der auf Gott vertrauenden des Apostels Paulus, aus dessen Philipperbrief er erneut zitierte: „Der Herr ist nahe, seid um nichts besorgt.“ 12 Seit seiner Bekehrung war für Augustinus die Bibel, das Alte und das Neue Testament, das Hilfsmittel, um sein Leben und seine Aufgaben als Priester und Bischof zu bewältigen. Jetzt diente sie ihm dazu, auch die Krise zu überwinden, in die viele Zeitgenossen nach dem 24. August 410 gestürzt waren. Der Brief an die Einwohner von Hippo war ein erstes Beispiel dafür, dass die Bibel für die Krise Erklärungen lieferte, Trost bot und zum Helfen aufrief. Es war dieser dreifache Nutzen, den Augustinus in wechselnder Gewichtung herausarbeitete, wenn er während der nächsten Monate in Predigten mittelbar oder unmittelbar auf die Zeitgeschichte zu sprechen kam. Seine umfassende Bibelkenntnis versetzte ihn in die Lage, mit einer Fülle von Einzelzitaten diesen Schatz jederzeit für die aktuellen Ereignisse fruchtbar zu machen. Im Herbst 410 predigte der Bischof in Hippo über das Jesuswort im Matthäusevangelium „Wehe der Welt über die Ärgernisse. Ärgernisse müssen kommen.“ Nach dem Briefschreiber erinnerte der Prediger daran, dass der Sohn Gottes künftiges Unheil vorhergesagt hatte. Er habe das getan, um den Menschen die Furcht zu nehmen und um ihnen Trost zu spenden. Der Psalmist habe zu der Prophezeiung eine Empfehlung beigesteuert, wie man sich gegen Ärgernisse wappnen könne: „Viel Friede denen, die Dein Gesetz lieben; kein Ärgernis geschieht ihnen.“ 13 Im letzten Teil der Predigt verknüpfte Augustinus die jüngste römische Geschichte mit der Weltgeschichte. Vorspann war die Erzählung von Jesus, der
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einen Seesturm im Boot verschlief. Als ihn die ängstlichen Jünger weckten: „Herr, rette uns, wir gehen unter,“ tadelte er sie: „Warum habt ihr Angst, ihr Kleingläubigen?“ Denselben Tadel erhoben die Heiden gegen die schlechten Christen, die mit dem Fall Roms das Ende der Welt gekommen sahen. Die guten Christen hielten dagegen: Gewiss, die Welt war alt geworden. Aber es war die heidnische Welt. Mit der Ankunft Jesu hatte sie sich verjüngt, und wer ihm folgte, brauchte keine Angst mehr haben, weil ihm, wie es im Psalter heißt, „die Jugend erneuert wird wie dem Adler.“ 14 Die Gebildeten unter Augustinus Hörern kannten die Weltalterlehre, die der Dichter Hesiod um die Wende vom 8. zum 7. Jahrhundert den Griechen nach orientalischen Quellen vermittelt hatte. 15 Sie wussten auch, was Augustinus nicht eigens zu sagen brauchte, dass nämlich die augusteischen Dichter im ersten Kaiser den Begründer eines wiederkehrenden Goldenen Zeitalters verherrlicht hatten.16 Doch tatsächlich hatte nicht Augustus, sondern dessen Zeitgenosse Jesus eine neue Welt begründet, nachdem die alte heidnische Welt abgewirtschaftet hatte. Für sie stand das von Romulus gegründete Rom, wo die Götter der römischen Urheimat Troja eine neue Heimat gefunden hatten. Troja wurde zerstört, ein Omen, dass auch einmal das Rom der Götter zerstört werde. Der Vorwurf der Heiden, Rom sei nicht in der heidnischen, sondern in der christlichen Epoche zerstört worden, war falsch. Betroffen waren nur Bauten, die von Menschen errichtet und von Menschen zerstört wurden – ein wiederkehrender Vorgang. Aber Bauten machten nicht die Stadt Rom aus. Rom – das waren die Römer. Sie hatte Gott jetzt gezüchtigt. Untergehen würden sie jedoch nicht, wenn sie Gott lobten und ihm treu blieben.17 Theoretiker der Rhetorik empfahlen, Reden mit einer commiseratio, einer Erregung des Mitleids, zu beenden.18 Der alte Redelehrer Augustinus hielt sich zum Schluss seiner Predigt daran und verwies zugleich auf ihren Anfang: „Liebt also das Gesetz Gottes, es sei euch kein Ärgernis. Wir bitten euch, wir beschwören euch, wir ermahnen euch: seid mildtätig, leidet mit den Leidenden, nehmt die Schwachen auf, und angesichts der vielen Fremden, Bedürftigen und Notleidenden möge eure Gastfreundschaft überborden und mögen eure guten Werke überborden. Was Christus befiehlt, mögen die Christen tun. Und die Heiden mögen noch so viel über ihr eigenes Elend fluchen.“ Hippos Götterverehrern mit einem kurzen Schlusssatz noch einmal einen Hieb zu versetzen konnte sich der Bischof nicht verkneifen. Seine Gläubigen werden zustimmend genickt haben. Ob ihre guten Werke sogleich überbordeten, ist eher fraglich. Denn eine Predigt, die Augustinus ein Jahr später hielt und in der er ebenfalls auf Roms Schicksal einging, beendete er wieder mit einer commiseratio. Ausgehend von Jesu Wort: „Was ihr einem meiner geringsten Leute getan habt, das habt ihr mir getan“, hämmerte er mit einer Reihe gleicher Impe-
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rative den Gläubigen ein: „Achtet auf jenen, der im Torweg liegt, achtet auf den Hungrigen, achtet auf den, der Kälte leidet, achtet auf den Bedürftigen, achtet auf den Fremden. Handelt, die ihr zu handeln gewohnt seid, handelt, die ihr es nicht gewohnt seid.“ 19 Ein einziges Mal erlebte Augustinus den umgekehrten Fall, dass er Reiche bremsen musste: Melania und ihr Gatte Pinianus setzten nach ihrer Ankunft in Thagaste die verschwenderische Liebestätigkeit fort, die sie in Rom begonnen hatten. Besonders die Klöster überschütteten sie mit so viel Geld, dass sich nicht nur der Ortsbischof Alypius, sondern auch Augustinus und Aurelius gezwungen sahen, einzugreifen, weil sie für die Askese der Mönche fürchteten. Den Geldsegen würden die Klöster in kurzer Zeit verbraucht haben. Sinnvoller und für den Schatz im Himmel besser sei es, jedem Kloster nur ein Haus und dessen Einkünfte zu geben. 20 Seit Augustinus seine erste Predigt über den Fall Roms gehalten hatte, erfuhr er von Flüchtlingen immer neue Einzelheiten über die Barbaren, die drei Tage lang die Stadt gebrandschatzt hatten. Die Nachrichten gingen in eine weitere Predigt ein, die er Ende 410 „Über die Zerstörung der Stadt Rom“ (De excidio urbis Romae) hielt. 21 „Schauerliche Dinge wurden uns berichtet: Blutbäder gab es und Feuersbrünste, Raub und Mord, und Menschen wurden gemartert. Wahrlich, vieles haben wir gehört, über alles geseufzt, oft geweint und uns nur mit Mühe getröstet.“ 22 Die Worte, mit denen er danach sich und seinen Hörern, gewiss viele Flüchtlinge darunter, Trost spendete, mussten kräftig sein, manchmal wie wirksame Medizin sogar schmerzen: Denn Gott „weiß auch wie ein Arzt, welcher Schmerz für uns nützlich ist“. Eine bittere Pille war vor allem der Grundgedanke, den er in der früheren Predigt nur angedeutet hatte: Gott hat die Römer gezüchtigt, um sie zu bessern. Das Schicksal des Iob im Alten Testament wiederholte sich. Iob musste sogar noch viel schlimmere Leiden aushalten, zweifelte aber nie an Gottes Güte. „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und er geißelt jeden Sohn, den er annimmt.“ 23 Auf den Trost folgte die Drohung: Wer sich nicht bessert, den trifft eine doppelte Strafe, die zeitliche auf Erden und die ewige in der Hölle, die noch viel schlimmer ist. 24 Aber gab es in Rom nicht wenigstens fünfzig Gerechte, um derentwillen Gott die Stadt gerettet hätte, wie er das mit Sodom selbst bei zehn Gerechten vorhatte? Der Vorwurf der Heiden klang wieder an, dass die Christen zu schlecht waren, als dass sie ihren Gott bewegen konnten, Alarichs Sieg zu verhindern. Tausende Gerechte habe es nach menschlichem Maßstab gegeben, lautete Augustinus Antwort. Nur besitzt selbst der Gerechte eine sündige Seele. Sie hat Gott durch seine Züchtigung geheilt. Und was war mit den ermordeten Christen? Sie kamen nach einem guten Leben in ein „göttliches Wonneland“ (divinum refrigerium), und jetzt danken sie Gott, dass er sie von den irdischen Leiden erlöst hat. 25
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Hier wird so mancher Hörer geschluckt haben, der an seine ermordeten Angehörigen dachte, und er wird all denen Recht gegeben haben, die seit Platon die Rhetoren und ihre windige Kunst verurteilten, weil sie in der Lage waren, „das schwache Wort zum stärkeren zu machen“. Augustinus hätte dem Kritiker vielleicht mit dem ersten Buch von Ciceros „Gesprächen in Tusculum“ geantwortet. Dort hatte der Römer älteren Philosophen folgend nachgewiesen, dass selbst ein früher Tod für gute Menschen kein Übel sei, weil sie von den Göttern belohnt würden. Götterlieblinge starben sogar besonders jung, wofür immer wieder Herodots „bekannte Geschichte“ (nota fabula) von Kleobis und Biton herhalten musste. Und wer wollte bestreiten, dass die Götter den Frühverstorbenen viel Leid im Leben ersparten? 26 Wenn das schon die Heiden von ihren Göttern, den bösen Dämonen, behaupteten, um wieviel mehr galt dieser Trost für gute Christen und den wahren Gott! Doch musste man nicht die Katastrophe der Ewigen Stadt zurechtrücken, die Gott nicht wie Sodom durch eine Feuersbrunst vom Erdboden vertilgt, sondern nur gezüchtigt hatte? Es war ja bekannt, woran Augustinus um dieselbe Zeit in einer anderen Predigt erinnerte, dass Menschen von der bösen eigenen Zeit und der guten Zeit ihrer Eltern sprachen, diese von der guten Zeit der Großeltern und so fort bis zu der Zeit, als der Mensch aus dem Paradies vertrieben wurde. 27 Daher machte Augustinus eine sachliche Rechnung auf: Viele hatten die Stadt verlassen, bevor die Feinde Feuer legten; viele, die blieben, überlebten in Verstecken; und vielen, die an heiligen Stätten Zuflucht gefunden hatten, geschah überhaupt nichts. 28 Trotzdem schien dem Prediger zum Schluss die Kernfrage, die Christen und wohlwollende Heiden gemeinsam umtrieb, noch nicht genügend beantwortet zu sein: Warum mussten während des sacco di Roma der Goten fromme Christen, die nie jemandem etwas Böses getan hatten, genauso leiden wie andere, die für ihre Bosheit bestraft wurden? Es war Iobs Problem, an dem sich die später so genannte Theodizee entzündete. Mit dem Exemplum Jesu gab Augustinus die endgültige, nicht mehr zu hinterfragende Antwort: Wir dürfen nicht vergessen, „was der Gerechte der Gerechten und der Heilige der Heiligen ertragen hat“, er, „der König der Könige und Herr der Herren“, er „durch den alles geworden ist und ohne den nichts geworden ist“ … „Warum also weigern wir uns, zeitliches Übel zu ertragen?“ Nach dieser auffordernden Frage blieb nur noch, sich mit dem Apostel Paulus im Gebet zu versichern: „Gott ist treu, der nicht zulässt, dass ihr über das hinaus, was ihr könnt, geprüft werdet, sondern der mit der Prüfung auch schon ihr Ende bereitet, sodass ihr sie aushalten könnt.“29 Viele Flüchtlinge verließen Hippo bald wieder und zogen weiter nach Karthago, wenn sie nicht sofort die africanische Hauptstadt ansteuerten, die ihnen mehr Möglichkeiten bot, darunter vor allem – wie Augustinus
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entsetzt tadelte – tägliches Amüsement im Theater. 30 Aber es gab unter Einheimischen und Fremden weiterhin nachdenkliche Zeitgenossen, die selbst ein Jahr nach der Eroberung Roms nicht mit der Katastrophe fertig wurden. Für die Katholiken unter ihnen predigte Augustinus am 29. Juni 411, am Fest Peter und Paul. 31 Drei Tage zuvor hatte Marcellinus sein Edikt über den Ausgang des Streits zwischen Donatisten und Katholiken veröffentlicht. Manche Gedanken der früheren Predigten erschienen in veränderter Form, und neue Argumente kamen hinzu. Dem Fest entsprechend schlug Augustinus eine Brücke von den Martyrien der beiden Apostel in Rom zu den Qualen, die fromme Christen in dieser Stadt zu leiden hatten. Der Anklage, die Apostelgräber seien kein Schutz gegen die Barbaren gewesen, widersprach er: Petrus’ Leib sei ebenso vergänglich gewesen wie die Steine, aus denen Rom erbaut war. Auf die unvergängliche memoria komme es an. 32 Genauso unsinnig klinge der Vorwurf, Rom sei jetzt, zu christlicher Zeit, zum ersten Mal ein Raub der Flammen geworden. Der Geschichtskenner weiß, dass die Stadt bereits beim Galliersturm (387/86 v. Chr.) und dann wieder unter Nero (64 n. Chr.) eingeäschert wurde. Heiden, die sich am Leid der Christen freuen, vergessen, dass Leid zum Christentum gehört. Christen haben nur vergängliche Güter verloren und freuen sich auf die ewigen. Dagegen haben Heiden mit ihren vergänglichen Gütern alles verloren. 33 Petrus ist Stichwort, um zuletzt noch ein näherliegendes Thema anzusprechen, die gerade zu Ende gegangen Konferenz. „Weide meine Schafe“, hatte Jesus dem Apostel aufgetragen. Gott habe ihm, Augustinus, denselben Befehl erteilt, und er sei sogar bereit, für seine Schafe zu sterben. 34 So weit brauchte er auf der Konferenz nicht zu gehen. Dort habe er sich mit Gottes Hilfe lediglich abgemüht, dass die Wahrheit ans Licht komme. Denn „der Sieg ist immer ein Sieg der Wahrheit“. 35 Das sollten vor allem diejenigen einsehen, die zwischen den Konfessionen hin und her schwankten, lautete sein Schlusswunsch. 36 Im Sommer 411 hielt Augustinus in Karthago eine weitere Predigt, in der er den Satz: Gott mischt auf Erden Glück und Unglück, Süßes und Bitteres, zum Anlass nahm, noch einmal auf die Katastrophe vom Vorjahr zurückzukommen. Einleitend fiel ihm dieses Mal der berühmte Satz des Iob ein: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Wie es dem Herrn gefallen hat, so ist es geschehen. Der Name des Herrn sei gepriesen.“ 37 Danach schuf er für den Einzelfall Rom zunächst den allgemeinen Rahmen, das Werden und Vergehen des Staates. Von dem vielbehandelten Thema der griechisch-römischen Staatstheorie setzte er sich allerdings sofort ab. Er unterschied den bestehenden irdischen Staat, „der uns im Fleisch gezeugt hat“, von einem geistigen Staat, der „mit uns in die Ewigkeit hinübergehen möge“. Denn dieser „heilige, gläubige, auf Erden pil-
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gernde Staat ist im Himmel gegründet“. Daraus leitete er die Mahnung ab, die sich angesichts der jüngsten Ereignisse jeder Christ zu Herzen nehmen sollte: „Warum erschrickst du darüber, dass irdische Reiche untergehen? Ist dir doch ein himmlisches Reich versprochen, damit du nicht mit den irdischen Reichen untergehst.“ Jesus, „dein Herr, den du erwartest, hat dir ja gesagt: ‚Volk gegen Volk wird sich erheben und Reich gegen Reich.‘ Die irdischen Reiche wandeln sich, und es wird jener kommen, von dem gesagt ist: ‚Und sein Reich wird kein Ende haben.‘“ 38 Der Dichter Vergil war folglich ein Lügenprophet, als er von Juppiter, einem falschen Gott, behauptete, er habe den Römern ein Reich ohne Ende gegeben. 39 Völlig verteufeln wollte Augustinus seinen früheren Lieblingsdichter nicht. Daher stellte er sich vor, er würde ihn auf seine Prophezeiung ansprechen. Vergil würde dann antworten, er habe den Römern schmeicheln wollen und einem falschen Gott eine falsche Maske aufgesetzt. Im Übrigen habe er selbst einmal abwertend Rom und die untergehenden Reiche erwähnt. 40 Denen, die Christus verspotten, soll der Christ daher seine Überzeugung entgegensetzen, dass es mit allen irdischen Reichen einmal ein Ende haben wird, welches Gott allein kennt. Steht dem christlichen Verteidiger so die Ewigkeit vor Augen, wird er die Gegenwart ertragen, wenn auch nicht lieben. Sollte einer behaupten, Christus sei am Unglück Roms schuld, während die Götter die Stadt retten wüden, soll der Christ ihn spöttisch fragen, warum diese Götter nicht zuvor ihre eigenen goldenen und silbernen Standbilder zu retten vermocht haben. 41 Mehr und mehr wurde Augustinus gegen Ende der Predigt zum Advokaten, der den Gegner mit rabulistischen Argumenten in die Ecke drängte. Auf die Spitze trieb er seine Kunst zum Schluss: Der Gote Radagaisus fiel 406 in Italien mit einem Heer ein, das viel größer war als das des Alarich vier Jahre später. Jeden Tag brachte der heidnische Feldherr Juppiter Opfer dar. Dennoch wurde er mit Hilfe des wahren Gottes besiegt. Alarich dagegen und seine Goten waren Christen, wenn auch keine Katholiken, sondern Arianer und als solche Feinde der Götterbilder, die sie an sich nahmen. Gewiss, die römischen Christen, die sich noch im irdischen Reich befanden, mussten unter ihnen leiden, aber sie verloren das himmlische Reich nicht, während den ausgeraubten Heiden nichts mehr blieb. Augustinus wiederholte sich, um mit seinen mahnenden letzten Worten die verarmten Götterverehrer anzusprechen: „Wo ist Ruhe, wo ist Rettung, wo ist Heil? Sie sollen doch zu uns kommen, aufhören zu lästern und lernen anzubeten.“ Seinen Lockruf beschloss er mit der Aussicht auf Belohnung: „Auf Erden mögen sie sich einüben, im Himmel aber gekrönt werden.“ 42 Doch wie viele Heiden erreichte der Prediger mit seiner Aufforderung? Und waren es mehr als einige hundert Christen in Hippo und Karthago, die ihm zuhörten, wenn er die jüngste Gegenwart deutete? Dazu kamen An-
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fragen von Leuten, die wissen wollten, wie er sich die Katastrophe Roms erkläre. Unmöglich, ihnen allen „zwischen den Haufen von Verpflichtungen“ zu antworten. „Ich weiß schlicht nicht, was ich tun soll“, seufzte er in einem Brief an Marcellinus, der nach der Konferenz von Karthago seine Freundschaft gesucht hatte. 43 Der hohe katholische Beamte stand in Verbindung mit einem Kreis von Intellektuellen in Karthago, zu denen der adlige römische Flüchtling Volusianus gehörte, der heidnische Onkel der Christin Melania und vormalige Proconsul Africae. Wie kamen vernünftige Christen mit der Jungfrauengeburt und der Menschwerdung des Gottessohnes zurecht, fragte man sich dort. Volusianus, der über die eigene christliche Verwandtschaft den Kopf schüttelte, erhoffte sich Auskunft von Augustinus, und der Bischof antwortete ihm in einem ausführlichen Brief. 44 Auch das Verhältnis des Christentums zu Krieg und Widerstandsrecht wurde in Karthago diskutiert, Fragen, die unmittelbar die Politik des christlichen Kaiserhofs, seine Reaktion auf die Germaneneinfälle und Roms Schicksal betrafen. Marcellinus berichtete Augustinus darüber, der ihm zuvor schon angedeutet hatte, dass er dazu eine umfangreiche Darstellung in mehreren Büchern beabsichtige. Nachdrücklich unterstützte der Freund den Plan: Viele würden auf seine Bücher warten, die für die Kirche ganz besonders in dieser Zeit von unglaublichem Nutzen sein würden. 45 Der „Gottesstaat“, die Civitas Dei, Augustinus’ umfangreichstes und wirkungsvollstes Werk, nahm in seinem Kopf Gestalt an. Dass es ihn vierzehn Jahre „zwischen den Haufen von Beschäftigungen“ in Beschlag nehmen und sich unter der Hand auf zweiundzwanzig Bücher auswachsen werde, konnte er sich zu Beginn noch nicht vorstellen. Nur die beiden Hauptteile standen dem ehemaligen Rhetoriklehrer klar vor Augen, der mit seinen Schülern oft genug den Aufbau einer Gerichtsrede und die Aufgabe des Anwalts behandelt hatte: Der advocatus oder causidicus muss zunächst die falschen Behauptungen des Prozessgegners aufzählen und zerpflücken. Danach muss er darlegen, wie sich die Sache in Wahrheit verhält. Beide Teile muss er sprachlich und sachlich so gestalten, dass die Richter und das Publikum überzeugt werden und ihm am Ende Recht geben, die einen mit einem rechtmäßigen, die anderen mit einem moralischen Urteil. „Den herrlichsten Gottesstaat zu verteidigen unternehme ich, mein lieber Sohn Marcellinus, der einerseits ‚aus dem Glauben lebend‘ in diesem Zeitlauf unter Gottlosen pilgert, der andererseits in jener festen ewigen Wohnung sein wird, die er jetzt nur geduldig erhofft, ‚bis die Gerechtigkeit sich in ein Gericht verwandelt‘, sie dann aber dank seiner Vortrefflichkeit nach dem endgültigen Sieg und in vollkommenem Frieden erreichen wird, der Gottesstaat also, den ich gegen diejenigen zu verteidigen unternehme, die seinem Gründer ihre eigenen Götter vorziehen, ein großes und schwieriges Werk; aber Gott ist mein Helfer.“
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Mit diesem für ihn nicht ungewöhnlichen Schachtelsatz begann Augustinus das Vorwort zum ersten Buch des „Gottesstaates“. Offensichtlich wollte er Marcellinus in einem Zug den Grundgedanken seines „großen und schwierigen Werks“ vorstellen. Gegen das falsche Selbstbewusstsein, den Stolz der Götterverehrer werde er vorgehen, wie er anschließend erläuterte, um sie in Demut von etwas zu überzeugen, was alles Vergängliche auf Erden übersteigt. Damit erfülle er Gottes Willen. „Denn der König und Gründer dieses Staates, von dem wir zu sprechen uns vorgenommen haben, hat in der Heiligen Schrift seines Volkes den Sinn seines göttlichen Gesetzes geoffenbart: ‚Gott widersteht den Stolzen, den Demütigen aber verleiht er Gnade‘.“ Die Mahnung aus dem „Buch der Sprüche“, die auch der Jakobusbrief und der Erste Petrusbrief zitierten, rückte ab von der Bescheidenheitsformel, mit der antike Autoren gern ihre Werke eröffneten und aus denen oft nur ein kaum verhüllter Stolz sprach. 46 Als Gründer des Gottesstaates nannte Augustinus später mehrmals Christus. 47 Hätte er es hier getan, so wäre Marcellinus, der sich in seinem Brief „unglaublichen Nutzen für die Kirche ganz besonders in dieser Zeit“ versprach, zu dem Schluss gekommen, der Verfasser setze seinen Gottesstaat mit der Kirche, ihrer Hierarchie und ihren Gläubigen, gleich. Doch eine einfache Gleichsetzung wollte Augustinus offensichtlich vermeiden, weshalb er im Vorwort weder von Christus noch von Kirche sprach. Gottesstaat und Kirche völlig voneinander trennen wollte er aber genauso wenig. Galt nicht für die Kirche das Wort des Propheten Habakuk, das der Verfasser gleich in der zweiten Zeile zitierte: „aus dem Glauben lebend“? Und traf nicht gerade auf die Kirche zu, dass sie „in diesem Zeitlauf unter Gottlosen pilgerte“ und dabei auf die ewige Wohnung hoffte, bis – mit dem Psalmisten gesprochen – „die Gerechtigkeit sich in ein Gericht verwandelt“? 48 Eine Gemeinsamkeit hatten Gottesstaat und Kirche, die auf Erden ihr Wesensmerkmal war: Als Augustinus am Ende des ersten Buches feststellte, der Gottesstaat habe Mitglieder, die das Ziel, die ewige Glückseligkeit, nicht erreichen würden, schien er an den Kampf zu denken, den er jahrelang gegen den Anspruch der Donatisten geführt hatte, im Unterschied zu den Katholiken die reine Kirche zu bilden. 49 Bei der Bedeutungsbreite, die „Kirche“ (ecclesia) bei Augustinus hatte, wird man sogar seine gelegentliche Definition: „der Staat Gottes – das ist seine Kirche“, eher als Ausdruck für das ambivalente Verhältnis von Gottesstaat und Kirche nehmen, nicht als schlichte Gleichung. 50 Selbst durch seinen Gegenspieler, den irdischen Staat, die civitas terrena, lässt sich der Gottesstaat auf Erden nicht eindeutig definieren. Zwangsläufig müsse er diesen zweiten Staat mitbehandeln, teilte Augustinus im Vorwort weiter mit. Den Grund nannte er ebenfalls am Ende des ersten Buches: Beide Staaten sind auf der Welt „miteinander verwoben und ver-
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mischt“. Mit gleichlautenden Worten hob er noch mehrmals auf diese Mischung ab. 51 Zum irdischen Staat machte Augustinus eine Bemerkung, die auch Licht auf den Gottesstaat warf: Der irdische Staat „strebt nach Herrschaft, ja die Herrschsucht selbst beherrscht ihn, obwohl seine Völker als Sklaven dienen“. Beide Staaten sind also nicht die Gesamtsumme ihrer Mitglieder, wie das dem personalen antiken Staatsverständnis entsprochen hätte. „Ein Staat (pólis), das sind seine Männer“, hieß es beim Historiker Thukydides. 52 „Gottesstaat“ und „irdischer Staat“ sind vielmehr übergeordnete Begriffe. „Mystisch“ nannte sie Augustinus, was man mit „allegorisch“ oder „metaphorisch“ übersetzt hat. Allegorien waren Jerusalem für den Gottesstaat und Babylon für den irdischen Staat. 53 Aber mit „mystisch“ meinte Augustinus auch das mysterium, das Geheimnis beider Staaten, weshalb „symbolisch“ die bessere Übersetzung ist. Wie bei Symbolen unausgesprochene Bedeutungen mitschwingen, so auch bei den mystischen Staaten. Ihr Geheimnis wird bis zum Ende der Zeiten dauern, bis zum Übergang von ihrer irdischen zur ewigen Existenz. Dann wird der Weltenrichter Christus beim Jüngsten Gericht die beiden bis dahin ineinander verwobenen Staaten trennen, und es wird zu einem überraschenden Ergebnis kommen: Nicht alle, die auf Erden im Gottesstaat mitpilgern, werden sich „im ewigen Los der Heiligen befinden“, selbst wenn sie „durch sakramentale Gemeinschaft“ mit ihm verbunden waren. Auf der anderen Seite gibt es unter den bisherigen Feinden des Gottesstaates solche, die von der Vorsehung zu seinen Freunden vorbestimmt waren, ohne dass sie davon gewusst haben. Dann werden, wie Christus selbst gesagt hat, die Schafe zu seiner Rechten, die Böcke zu seiner Linke stehen. 54 Allerdings gibt es auch schon in der Gegenwart einen Austausch zwischen den beiden Staaten: Viele Menschen geben die Gottlosigkeit des irdischen Staates auf und werden „höchst geeignete Bürger“ des Gottesstaates, während bei anderen der Hass gegen ihn nur noch größer wird. Im Stillen hoffte der bischöfliche Missionar, er werde mit seinem Werk die Zahl der Konvertiten vermehren und so den Gottesstaat auf Erden vergrößern. Mit dieser Hoffnung leitete er vom Vorwort zum ersten Buch über. Im „Revidierten Werkverzeichnis“ erläuterte Augustinus die Gesamtgliederung der zweiundzwanzig Bücher. Zuvor kam er auf den Anlass zurück, die Zerstörung Roms, die „die Verehrer der vielen falschen Götter, die wir mit dem üblichen Namen Heiden nennen, auf die christliche Religion zu schieben versuchten und den wahren Gott schärfer und erbitterter zu lästern begannen. Darüber geriet ich in Zorn und beschloss, ‚aus Eifer für das Haus Gottes‘ gegen ihre Lästerungen und Irrtümer die Bücher über den Gottesstaat zu schreiben“. Erstmals sprach Augustinus von seiner eigenen Reaktion. Sein Zorn und „der Eifer für das Haus Gottes“,
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waren zusammen so groß, dass er, wie er weiter erläuterte, während vieler Jahre und trotz anderer drängender Arbeiten der Aufgabe treu blieb, die er sich vorgenommen hatte. 55 „Ein großes und schweres Werk habe ich unternommen“, hatte Augustinus im Einleitungssatz seinem Freund Marcellinus bekannt. Schwer war das Werk nicht nur für ihn, es würde auch schwer für viele Leser sein. An sie dachte Augustinus und weitete im „Revidierten Werkverzeichnis“ die einzelnen Teile seiner Gliederung zu kurzen Inhaltsangaben aus: „Die ersten fünf Bücher widerlegen diejenigen, die die menschlichen Verhältnisse auf die Weise gedeihen lassen wollen, die sie glauben macht, dazu sei der Kult der vielen Götter erforderlich, die die Heiden zu verehren pflegen, und die behaupten, die vielen Übel entstünden und vermehrten sich nur, weil der Kult behindert werde. Die folgenden fünf Bücher richten sich gegen diejenigen, die zugeben, solche Übel hätte es unter den Sterblichen schon immer gegeben und sie würden, mal groß mal klein, je nach Regionen, Epochen und Personen variieren; sie vertreten jedoch die Meinung, der Kult der vielen Götter mit seinen Opfern sei wegen des künftigen Lebens nach dem Tod nützlich.“ Eine der ältesten Handschriften des „Gottesstaates“ bietet zu sämtlichen Kapiteln eines Buches stichwortartige Angaben. Diese capitula hat man voreilig Augustinus zugeschrieben. 56 Ihre zahlreichen Einzelangaben zeigen auf den ersten Blick, dass er im „Revidierten Werkverzeichnis“ nur grob die apologetischen Grundzüge des Werkes charakterisiert hat. Die Dämonen, das große Thema, das die ersten zehn Bücher durchzieht, nannte er überhaupt nicht. Auch den zweiten Teil, den er ausdrücklich als die positive Antwort auf seine vernichtende Kritik im ersten Teil bezeichnete, beschrieb er lediglich in Umrissen: „Aber damit keiner uns vorwerfen kann, wir hätten nur die fremde Seite bekämpft, nicht aber unsere eigene dargelegt, tut dies der zweite Teil unseres Werkes, der zwölf Bücher umfasst, obwohl wir, wo nötig, auch in den früheren zehn Büchern unsere Seite darlegen, sowie in den zwölf nachfolgenden gegensätzliche Meinungen bekämpfen. Demnach enthalten die ersten vier der folgenden zwölf Bücher den Ursprung der zwei Staaten, deren einer der Staat Gottes ist, der andere der Staat dieser Welt. Die zweiten vier Bücher enthalten ihren Aufschwung oder vielmehr Fortschritt und die dritten und letzten ihr Ende, dem sie unterworfen sind. Obwohl also alle zweiundzwanzig Bücher von beiden Staaten handeln, haben sie dennoch ihren Titel vom besseren erhalten, sodass sie vornehmlich ‚Vom Gottesstaat‘ zitiert werden.“ Wie üblich im „Revidierten Werkverzeichnis“ schlossen sich an die Inhaltsangabe noch einige Korrekturen an. 57 Zu den frühesten Lesern des „Gottesstaates“ gehörte der Vicarius Africae Macedonius. Augustinus hatte sich bei ihm erfolgreich für einen
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zum Tode verurteilten Verbrecher eingesetzt und sandte ihm zum Dank die ersten Bücher. 58 Macedonius antwortete ihm mit einem begeisterten Brief: „Ich habe deine Bücher von Anfang bis Ende verschlungen. Denn sie waren so wenig langweilig und ermüdend, dass sie mir nicht gestatteten, mich mit etwas anderem als mit ihnen zu beschäftigen. Sie nahmen mich in Beschlag und zogen mich von allen anderen Angelegenheiten und Sorgen ab, umschlangen mich mit ihren Fesseln – so wahr mir Gott helfe –, weshalb ich unschlüssig bin, was ich an ihnen mehr bewundern soll, die umfassende Theologie, die philosophische Gelehrsamkeit, die tiefe Kenntnis der Geschichte oder den angenehmen Stil, der sogar Leute, die keine Ahnung haben, anzuziehen vermag, sodass sie nicht aufhören, bis sie fertiggelesen haben, und wenn sie fertiggelesen haben, noch mehr haben wollen.“ 59 Das überschäumende, höchst persönliche Lob klang nicht, als habe der Vicarius Africae seine Kanzlei angewiesen, den Dankesbrief zu schreiben. Der Katholik hatte begriffen, worauf es Augustinus ankam und stimmte ihm aus ganzem Herzen zu, eine Einschränkung ausgenommen: „Widerlegt sind nämlich die unverschämten Sturköpfe. Denn schon seit den guten Jahrhunderten, die sie zitieren, hat es gemäß dem unerforschlichen Wesen der Natur Katastrophen gegeben, und sie alle lagen falsch, weil sie vom süßen eigenen Glück eingelullt waren, durch das sie nicht zur Seligkeit, sondern an den Rand des Abgrunds geführt wurden. Jedoch unsere Gebote und die Geheimnisse des Einen wahren Gottes versprechen denen, die so rein und tugendhaft wie möglich sind, nicht nur das ewige Leben, sondern auch, dass sie das irdische Los mildern, das uns, die wir geboren sind, zwangsläufig trifft. Und du hast dich des stärksten Beispiels, des jüngsten Unglücks, bedient, durch das du dein Anliegen aufs stärkste abgesichert hast. Trotzdem hätte ich dir, wenn beides freigestanden hätte, nicht zu diesem Beispiel geraten. Aber weil es infolge dieses Ereignisses zu dummen Klagen von Leuten kam, die widerlegt werden mussten, war es erforderlich, sich von ihm die Argumente zu holen.“ Schon vor der Lektüre der ersten Bücher des „Gottesstaates“ mag Macedonius einzelne Predigten des Augustinus gehört und seine Einwände verfolgt haben, die er gegen die Behauptung der Heiden vorbrachte, erst mit den Christen sei das Unglück in die Welt gekommen. Auch der Trost, gute Christen könnten das Unglück leichter tragen, weil sie an ihren kommenden Lohn im Himmel dächten, dürfte ihn überzeugt haben. Andere Themen wie die „pilgernde Kirche“ und die zeitlich begrenzte Existenz der Staaten mit ihrem Gegenbild, dem ewigen himmlischen Staat, die Augustinus in den Predigten zum Fall Rom bereits angesprochen hatte, konnte er jetzt ausführlich studieren. Aristoteles hatte seine acht Bücher „Politik“ mit dem Hinweis auf seine
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genetische Methode eingeleitet: „Wenn aber jemand das Werden der Dinge von Anfang an beobachtet, dann dürfte er auf die Weise, wie bei allem anderen, so auch bei diesem Gegenstand die beste Einsicht gewinnen.“ 60 Augustinus war Aristoteles’ Ansatz wohlvertraut. Hatte er doch deswegen die Dokumente zum Beginn des Donatistenstreits in staatlichen und kirchlichen Archiven gesammelt und mit ihnen auf der Konferenz von Karthago den Gegner geschlagen. Jetzt bediente er sich erneut dieser Methode und griff immer wieder auf die Frühzeit Roms und der Republik zurück, um den Aufstieg der Stadt am Tiber zum Weltreich zu verfolgen und zu erklären. Die nachfolgende Kaiserzeit von vierhundert Jahren lag für ihn im Schatten der älteren Epoche, und nur vereinzelt zog er einmal die christlichen Kaiser Konstantin und Theodosius heran. Die andere Frühzeit, die er als Gegenbild aufbaute, war die der Genesis und der Psalmen. Mit jeweils über zweihundert Zitaten bediente er sich aus beiden Werken des Alten Testaments so reichlich wie aus keiner anderen Schrift der Bibel. 61 Zu einer zweiten Methode, die Augustinus seiner Kenntnis der Rhetorik verdankte, hatte schon Quintilian bemerkt: Beweise, deren sich beide Prozessparteien bedienen, lassen sich gut verwenden, sind aber von größerem Nutzen für den, der antwortet. 62 Mit anderen Worten: der gewinnt, der den Gegner mit dessen eigenen Waffen schlägt. Das tat Augustinus im ersten Teil auf Schritt und Tritt. So kehrte er für sein Hauptanliegen, den Nachweis, dass nicht die Götter Rom groß gemacht haben, die berühmte Prophezeiung in Vergils Aeneis um: Nicht Juppiter, einer der falschen Lügengötter, hat den Römern ewige Herrschaft versprochen, sondern es war der Eine wahre Gott, und er meinte mit seinem Versprechen nicht ein irdisches Vaterland, sondern das himmlische. 63 „Für Wohltaten keinen Dank abzustatten ist nicht nur schändlich, es gilt auch bei allen Menschen als schändlich,“ schrieb Seneca in seiner Schrift „Über die Wohltaten“. Sein jüngerer Zeitgenosse Epiktet, stoischer Philosoph wie er, mahnte, der Mensch dürfe Gott gegenüber nicht undankbar sein, er müsse ihm für seine Existenz und für Essen und Trinken danken, ja sogar für so selbstverständliche Fähigkeiten wie das Öffnen, Schließen und Rollen der Augen oder das Hören und Sprechen, die alle einer höheren moralischen Bestimmung im Leben dienten. Der Undankbare habe von den Göttern nichts Gutes zu erwarten, warnte Sokrates, weil er mit vielen der Meinung war, Unglück sei eine göttliche Strafe. Selbst Jesus, immer großzügig gegenüber Sündern, war über die neun undankbaren Juden verärgert, die er von der Lepra erlöst hatte und die es im Gegensatz zum zehnten Geheilten, einem Samariter, nicht für nötig fanden, zu ihm zurückzukehren, „um Gott die Ehre zu geben“. 64 Pagane und christliche Autoren sowie die unstrittige Alltagsmoral hätten die Empörung geteilt, mit der Augustinus nach dem Vorwort den
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„Gottesstaat“ im ersten Buch eröffnete: 65 Heiden hatten sich nach dem Fall Roms vor den eindringenden Feinden in die Kirchen der Apostel geflüchtet, welche die Barbaren aus religiöser Scheu nicht zu betreten wagten, ja waren sogar von mitleidigen Goten dorthin in Sicherheit gebracht worden oder hatten sich als Priester ausgegeben, um ihr Leben zu retten. Kaum aber waren sie nach dem Abzug der Eroberer nach Africa entkommen, schrieben sie ihr Überleben nicht Christus zu, sondern ihrem eigenen Glück. Schlimmer noch: Statt sich aus Dankbarkeit zu ihrem göttlichen Retter zu bekehren, nahmen sie ihre früheren Angriffe gegen das Christentum wieder auf. Für diesen „undankbaren Hochmut und gottlosen Wahnsinn“ werden sie „in der ewigen Finsternis“ büßen müssen, stellte Augustinus befriedigt fest. Doch gegen Ende des ersten Buches tat dem Bischof seine hartherzige Ankündigung leid und er lenkte mit einem persönlichen Zuspruch an die Flüchtlinge ein: „Und dennoch, dass ihr noch lebt, ist Gott zu verdanken, der euch verschont hat, um euch zu ermahnen, euch durch Reue zu bessern.“ 66 Den heidnischen Angsthasen stellte Augustinus die christlichen Frauen und Jungfrauen gegenüber, die vergewaltigt wurden. Offensichtlich entbrannte nachträglich unter Christen und Heiden eine heftige Diskussion, ob sich die Opfer nicht durch Selbstmord der Schändung hätten entziehen oder später auf die Weise ihre Schande gutmachen sollen. Einige Frauen haben das auch getan, und in einem kurzen Satz verzieh ihnen Augustinus. 67 Umso heftiger widersprach er einem grundsätzlichen Recht auf Selbstmord, das mit dem Tötungsverbot des fünften Gebots nicht zu vereinen sei. Erregt widmete er dem Thema fast eine Hälfte des ersten Buches und entkleidete die hehren römischen Selbstmörder Lucretia und Cato den Jüngeren ihres jahrhundertealten Ruhms: 68 Die Ehre einer Frau beruhe auf der Reinheit ihrer Seele. Wenn ihr Leib verletzt werde, bleibe ihre Ehre davon unberührt. Der lange Exkurs war ein Beispiel dafür, dass der Seelsorger und gelehrte Bischof, der Geschichtsdenker und Verteidiger des Glaubens von seiner Hauptlinie abwich, sobald es galt, Probleme zu behandeln, die ihm am Herzen lagen oder die ihm für die eine oder andere Gruppe seiner Leser nützlich zu sein schienen. Waren die alten heidnischen Römer besser gewesen als ihre feigen und undankbaren Nachfahren? Als Augustinus im fünften Buch in ihren Tugenden den Grund sah, warum sie innerhalb des göttlichen Weltplans Herren eines Riesenreichs geworden waren, hatte er bereits zu Beginn des ersten Buches mit Hilfe von Sallusts Monographie „Die Verschwörung des Catilina“ diese Tugenden nachhaltig entwertet. Der „Historiker der edlen Wahrheitsliebe“ ließ nämlich Cato den Jüngeren, den tugendhaftesten Römer der ausgehenden Republik, ein vernichtendes Urteil über die verrohte römische Kriegsführung seiner Zeit fällen, die noch schlimmer
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war als die des Alarich und seiner Goten: „Jungfrauen und Knaben werden entführt, Kinder den Armen ihrer Eltern entrissen, Familienmütter müssen erleiden, wonach den Siegern gelüstet, Tempel und Häuser werden ausgeplündert, es herrschen Mord und Brand, und schließlich ist alles voll von Waffen und Leichen, Blut und Elend.“ 69 Für Sallust verspielten solche Marodeure, was die hohe Moral ihrer Vorfahren aufgebaut hatte. Der Historiker war überzeugt, dass „Herrschaft leicht mit den Mitteln erhalten bleibt, mit denen sie anfangs erworben wurde“. 70 Doch wenn sich bereits während der guten Zeit Verfall einnistet, beschleunigt der sich wie eine Lawine, die schließlich alles mitreißt. Kaum verändert übernahm Augustinus die Vorlage: Die Sitten der Vorfahren brechen zusammen, „nicht wie bisher allmählich, sondern nach Art einer Sturzflut“. 71 Für den Historiker wie für den Bischof war die Folgerung unwiderleglich: Eines Tages wird es auch mit dem römischen Reich zu Ende gehen. Sallust begnügte sich mit der moralischen Geschichtsdeutung. Sie sagte Augustinus auch deswegen zu, weil er die bloße Faktenhuberei der anderen Historiker verabscheute.72 Im Gegensatz zu den Zeitgenossen Cicero, Vergil und Horaz spielten für Sallust die Götter keine Rolle. Diese Leerstelle füllte Augustinus, um zugleich die große Lebenslüge der Römer zu zerstören. Gegen Ende des ersten Buches kündigte er seine Absicht an: „Alsdann ist darzulegen, welche ihrer Sitten der wahre Gott, um den Aufstieg ihrer Herrschaft zu unterstützen, für würdig erachtete, und aus welchem Grund er, in dessen Macht alle Reiche stehen, das tat. Darzulegen ist ferner, wie diejenigen, die sie für Götter halten, ihnen überhaupt nicht geholfen, wieviel sie ihnen im Gegenteil durch Täuschung und Betrug geschadet haben.“ 73 Betrügerische Götter kannte schon Homer. In der „Ilias“ sorgte ein trügerischer Traum, den der höchste Gott Zeus dem griechischen Oberkönig Agamemnon schickte, im zehnten Kriegsjahr dafür, dass die Kämpfe wieder aufflammten. Es ist nicht der einzige Trug in den homerischen Gedichten, wo sich selbst die Götter gelegentlich gegenseitig übers Ohr hauen. Beim wenig jüngeren Dichter Hesiod kamen durch Göttertrug die Übel in die Welt und beendeten das glückliche Leben der Urmenschen. 74 Augustinus übertrug das literarische Thema auf die Gesamtgeschichte Roms. Die Götter waren für ihn Dämonen, „völlig unreine Geister“, wie die, die Jesus in den Evangelien den Besessenen austrieb. Schon der Psalmist hatte verkündet: „Gott steht gewaltig über allen Göttern, denn alle Götter der Heiden sind Dämonen; der Herr aber hat die Himmel gemacht.“ 75 Paulus und die Kirchenlehrer übernahmen die Gleichsetzung von Göttern und Dämonen. Tertullian schrieb dem Proconsul Africae Scapula: „Wir verehren nur einen Gott …, von den übrigen, die ihr für Götter haltet, wissen wir, dass es Dämonen sind.“ 76
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Augustinus zitierte den Psalmvers zum ersten Mal gegen Ende des ersten Buches.77 Im Grunde war er das Motto für den gesamten ersten Teil des „Gottesstaates“. Das schlimmste welthistorische Vergehen der Dämonen war für ihn, dass sie nicht nur wie in der Bibel von einzelnen Menschen Besitz ergriffen, sondern vom ganzen römischen Volk, das sich jahrhundertelang von ihnen betrügen ließ. Götterkulte beruhten ebenso auf diesem Betrug wie Schauspiele, in denen laszive Götterburlesken auf die Bühne gebracht wurden, nicht zu reden von den schweren Verbrechen, die Römer gegen fremde Völker wie zu Hause begingen, vom Brudermord des Stadtgründers Romulus angefangen bis zu den Schandtaten Sullas. Wenn selbst der kluge Universalgelehrte Terentius Varro gegen den Trug der Dämonen nicht gefeit war, durfte man sich da wundern, dass auch die „ungebildete Masse“ nichts gemerkt hat und immer noch im Geheimen die falschen Götter verehrt, deren sie einst öffentlich angehangen hat? 78 Bei seinem Durchgang durch die römische Skandalgeschichte nahm Augustinus nach dem Vorbild Sallusts eine ältere Epoche aus, in der „nach billigem und einfachem Recht gehandelt wurde“.79 Die Helden, welche die gesunde vorchristliche Republik hervorbrachte, folgten unwissentlich einem geheimen Ratschluss Gottes. An das römische Volk der eigenen Zeit richtete Augustinus den eindringlichen Appell, sich die guten alten Römer zum Vorbild zu nehmen, jetzt in Kenntnis des wahren Gottes. Dann bedurfte es für einen gesunden römischen Staat nur noch eines Herrschers, der milde und gerecht regierte und die Verehrung des wahren Gottes förderte. 80 Was sich nicht mehr ändern ließ, war die Größe des römischen Reiches. In einem Gedankenspiel verteidigte Augustinus die Vorzüge kleiner Staaten gegenüber Großreichen. Die politische Theorie in Griechenland hatte sich oft mit der idealen Größe eines Staates beschäftigt. 81 Großreiche dagegen sind auf Gewalt nach außen und im Innern aufgebaut, ständig müssen sie Kriege führen und vergießen Ströme von Bürger- und Feindesblut. 82 Ihnen fehlt die Gerechtigkeit, worauf Augustinus die berühmte und oft zitierte Frage stellte: „Denn wenn die Gerechtigkeit vertrieben ist, was sind dann Reiche anderes als große Räuberbanden, und was Räuberbanden anderes als kleine Reiche?“ 83 Cicero hatte in seiner Schrift „Vom Staat“ neben dem gemeinsamen Nutzen „die Übereinstimmung im Recht“ als Wesensmerkmal des Staates genannt. 84 Augustinus versprach, darauf im zweiten Teil zurückzukommen. Vorläufig stellte er fest, dass man vielleicht der alten römischen Republik zubilligen könne, ein Staat gewesen zu sein, aber nicht mehr der nachfolgenden Epoche. Dann der Kernsatz, der dem Gesamtwerk die Richtung vorgab und ebenfalls ein langes Nachleben hatte: „Wahre Gerechtigkeit aber gibt es nur in dem Staat, dessen Gründer und Lenker Christus ist, wenn man denn von Staat sprechen will, weil wir nicht leugnen
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können, dass er Sache des Volkes ist.“ Ciceros Staatsdefinition und seine unstrittige Etymologie, die den Staat vom Staatsvolk ableitete (res publica = res populi), wurde somit christlich getauft, ließ Augustinus aber auch fragen, ob für Christi Schöpfung dann noch „Staat“ der angemessene Begriff sei. 85 In den Büchern 1–7, in denen Augustinus zum vernichtenden Schlag gegen die römische Religion ausholte, war es ihm eine besonderer Genugtuung, dass selbst Varro, „der Scharfsinnigste und zweifellos Gelehrteste von allen“, im Aufbau seiner einundvierzig Bücher „Menschliche und göttliche Altertümer“ zugegeben hatte, die ganze antike Götterwelt sei im Grunde ein großer Irrglaube. 86 Mit seiner dreiteiligen Theologie, der mythischen, physischen und politschen, habe Varro ein Lügengebäude errichtet, weil er sich nicht getraut habe, „die verkehrtesten Meinungen der Völker und die offiziellen abergläubische Bräuche umzustoßen“. 87 Es kostete Augustinus viel Schweiß, die römische Geschichte und Religion zu entzaubern, dieses tausendjährige Fundament eines Weltreiches, dessen Bürger er selbst war. Doch der Kampf mit der heidnischen Philosophie, dem er die letzten drei Bücher des ersten Teils des „Gottesstaates“ widmete, würde noch schwerer werden, wie er in einem Vorausblick am Ende des ersten Buches ankündigte. Vor allem eine Nuss würden ihm die bedeutendsten Philosophen zu knacken geben mit der Behauptung, die Verehrung der Götter sei nicht für das irdische Leben von Nutzen, sondern für das Leben nach dem Tod und die ewige Seligkeit. Dieser religiöse Utilitarismus setze nämlich einen Weltschöpfer und die Unsterblichkeit der Seele voraus, die ja auch zu den Grundannahmen des christlichen Glaubens gehörten. Die Trennlinie zwischen beiden Weltanschauungen war also sehr schmal und musste gut gesichert werden. 88 „Nun haben wir größere geistige Anstrengungen nötig als bei der Lösung der vorangegangenen Fragen“, leitete Augustinus daher das achte Buch ein. Dann musterte er die sogenannten Vorsokratiker durch, nach ihnen Sokrates und die Sokratiker, um schließlich mit Platon und den Platonikern den Gipfel der Philosophiegeschichte zu erreichen. 89 „Keine sind uns näher gekommen als diese“, räumte er ein, und das, obwohl sie und die Platoniker der Kaiserzeit, die Griechen Plotin, Jamblichus und Porphyrius sowie der Africaner Apuleius, daran festhielten, man müsse wegen der Glückseligkeit im Jenseits vielen Göttern Opfer darbringen. 90 Woher hatten sie nur ihre hohe Meinung von Gott und seiner Schöpfung, vom Menschen und seiner Seele? Im Römerbrief des Apostels Paulus war die Antwort zu lesen: Gott hat ihnen ihr Wissen mit Hilfe des kosmologischen Gottesbeweises geoffenbart. „Denn sein unsichtbares Wesen wird seit Erschaffung der Welt anhand der Schöpfung erkannt und begriffen, also seine ewige Macht und Gottheit.“ 91
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Was aber ist mit den Göttern, denen zu opfern die Philosophen im Verein mit ihren Mitbürgern nicht lassen können? Augustinus holte die Waffe hervor, die sich schon gegen die Römer und ihren Staat bewährt hatte. Es bleibt dabei: auch diese Götter sind die Dämonen, von denen der Psalmist gesprochen hat. Noch zweimal zitierte Augustinus dessen Aussage. 92 In der zweiten Hälfte von Buch 7 und in den Büchern 9 und 10 entwickelte er eine umfangreiche Dämonologie. Den Dämonen standen die Engel gegenüber, „die absolut guten und heiligen, von denen sich deswegen die unreinen Geister fürchteten und zitterten“. 93 Der Gegensatz bereitete das Hauptthema des zweiten Teils vor, den Gegensatz des göttlichen und des irdischen Staates, der zugleich ein Neben- und Miteinander war, wie der überleitende Schlusssatz im zehnten Buch des ersten Teils vermerkte, den er im ersten Kapitel des elften Buches wiederholte: „Und so werde ich denn, wie wir im ersten Buch versprochen haben, über das Entstehen, den Fortgang und das zwangsläufige Ende der beiden Staaten, die in dieser Welt miteinander verflochten und vermischt sind, das, was ich zu sagen für nötig halte, ausführen, soweit mir Gott dabei hilft.“ 94 Mit dem Gottesstaat war also nicht das Himmelreich gemeint, das die guten Christen nach dem Tod erwartete, sondern ein Gemeinwesen, das „in dieser Welt“ existierte. Deswegen galt für ihn auch, wie für alle geschichtlichen Gebilde auf der Erde, die ‚Dreischrittregel‘ Entstehen – Fortgang – Ende, die zugleich ein Mittel für die historische Analyse war. 95 Hätte Augustinus es nicht ausdrücklich gesagt – die fünf Psalmenzitate in den ersten Zeilen des zweiten Teils hätten jedem Leser unmissverständlich verraten, wo er dem Begriff „Gottesstaat“ begegnet war.96 Doch er wollte die Begegnung nicht für sich allein beanspruchen, sondern reihte sich in die weltweite Schar der Bibelleser ein, die ein Buch in die Hand nahmen, das in der Weltgeschichte einmalig, weil von Gott inspiriert war. Gott hatte sich darin der Menschheit offenbart. Daher begann Augustinus mit einer Erläuterung, bei der seine Begeisterung wieder einmal in einen Schachtelsatz voller Nominalformen mündete: „Vom Gottesstaat handeln wir, für den diejenige Schrift Zeuge ist, die nicht durch zufällige Geistesregungen, sondern offenkundig durch die Anordnung der höchsten Vorsehung über alles in allen Völkern Geschriebene hinaus sich Generationen menschlicher Geister durch seine überragende göttliche Autorität unterworfen hat.“ Augustinus wurde also mit seinen Ausführungen zum Gottesstaat Interpret eines Gotteswortes in der Bibel, deren absoluten Zeugniswert er wenig später ausführlich begründete. 97 Die Psalmen kreisten auch um die Vorstellung, dem Gottesstaat der Frommen stehe eine böse Welt gegenüber, ohne dass sie den Begriff „irdischer Staat“ benutzten. Dieser Dualismus hatte im griechisch-römischen und im jüdischen Denken eine lange Vorgeschichte. 98 Welche Anregungen
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sie Augustinus vermittelt hat, ist umstritten. Es fehlt nicht an Stimmen, die ihn auf die Exegese des Alten Testaments beschränken, die er selbst zu Beginn des elften Buches betonte. 99 Hinweise zum Gottesstaat gab ihm sicher ein anderer Exeget, der ehemalige Donatist Tyconius.100 Bei ihm hatte er auch gelesen, dass sich die beiden Staaten vermischen, obwohl ihm die Art der Vermischung schwerlich behagte, „dass es nämlich zwei Staaten und zwei Reiche gibt, dazu zwei Könige, Christus und den Teufel, und beide regieren über beide Staaten.“ 101 Die Bibelexegese war Augustinus so wichtig, dass er noch einmal auf sie verwies, nachdem er die Psalmenstellen zitiert hatte: „Durch diese und andere Zeugnisse dieser Art, die aufzuzählen zu lang wäre, haben wir erfahren, dass es einen Gottesstaat gibt, dessen Bürger wir aufgrund jener Liebe zu sein verlangt haben, die uns sein Gründer eingegeben hat.“ Mit der autobiographischen Auskunft erinnerte Augustinus an die „Bekenntnisse“, wo er zu Beginn des zweiten Buches angekündigt hatte, er werde auf sein sündiges Leben zurückschauen, nicht weil er dieses Leben, sondern weil er Gott liebe: „Aus Liebe zur Liebe zu Dir tue ich es.“ 102 Dieselbe Liebe zu Gott, die Augustinus die „Bekenntnisse“ schreiben ließ, drängte ihn, Bürger des Gottesstaates zu werden. Diese Liebe war keine Regung des autonomen Individuums, sondern Gott gab sie dem Menschen ein, und so wurde er zum Gründer seines Staates. Es war der dreifaltige Gott, weshalb auch Christus als Gründer erschien. Die Staatsgründung fand statt, als Gott die Welt und den Menschen „nach seinem Bild“ schuf und diesem die Liebe zu seinem Schöpfer mitgab.103 Gottesstaat und Gottesliebe waren folglich ein universales Prinzip, dem man auf die Spur kam, wenn man der Geschichte der Schöpfung von Anfang an nachging. Wie im ersten Teil des „Gottesstaates“ griff Augustinus auf die aristotelische Methode a principio zurück. Die pagane römische Geschichte wurde abgelöst von der biblischen Heilsgeschichte, beginnend mit der Erschaffung der Welt in der „Genesis“. „Gestützt auf die heilige Autorität“ verfolgte Augustinus die „heilige Geschichte“ in den Büchern 11–18 bis zur Ankunft Christi, der Gründung seiner Kirche und den Christenverfolgungen.104 An Umfang sollte sie nicht hinter der paganen Geschichte des ersten Teils zurückstehen, die sie knapp übertraf. In der Schöpfungsgeschichte der „Genesis“ kamen keine Engel vor. Doch in Augustinus’ „Gottesstaat“ bildeten sie „einen großen Teil, der umso glücklicher war, als er niemals in der Fremde leben musste“.105 Der Exeget wusste sich zu helfen. Engel schuf Gott, als er das Licht von der Finsternis schied und damit die Lichtgestalten, die guten Engel, von den finsteren Geistern trennte, den vom Licht abgefallenen bösen Engeln.106 Die Trennung wurde zur jenseitigen Geburtsstunde des Gottesstaates
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und des irdischen Staates. Denn die guten Engel, die Gott anhängen, „bilden untereinander eine heilige Gemeinschaft“. Sie sind der eine himmlische Teil des Gottesstaates. Der andere Teil sind die Menschen, die jetzt noch auf Erden pilgern und die wie die Engel durch die Liebe zu Gott verbunden sind. Ihre Liebe geht bis zur Selbstverachtung. Einst werden sie sich und ihre Verstorbenen, die vorläufig an abgeschiedener Stelle ruhen, mit den guten Engeln vereinigen.107 Der irdische Staat ist die Umkehrung des Gottesstaates. Das Band, das seine Angehörigen zusammenhält, ist die Selbstliebe, die sich zur Verachtung Gottes steigert. 108 Ihren Schöpfer haben auch die bösen Engel verachtet, die Dämonen, die fälschlich für Götter gehalten wurden. Für ihr Kollektiv steht der Teufel. Von Anfang der Welt an teilte sich die Menschheit in die zwei Staaten, „das heißt zwei menschliche Gemeinschaften, deren eine „nach Gott“, die andere „nach dem Menschen“ lebt. Ihr Leben ist der in der ‚Dreischrittregel‘ angekündigte Fortgang, auf den das Ende folgen wird: Denn die eine Gemeinschaft ist dazu vorbestimmt, „in Ewigkeit mit Gott zu herrschen“, die andere, „mit dem Teufel die ewige Strafe zu erleiden“.109 Das Jüngste Gericht, den abschließenden dritten Schritt in der Geschichte der beiden Staaten, behandelte Augustinus in den letzten drei Büchern. Im Eröffnungssatz erklärte er „den Frevlern und Ungläubigen“, die ein künftiges Weltgericht leugneten, er werde es mit Hilfe göttlicher Zeugnisse auf ein festes Fundament stellen.110 Die Zeugnisse hatte Jesus selbst geliefert. Allein seine Perikope über das Jüngste Gericht im Matthäusevangelium zitierte oder paraphrasierte Augustinus ganz oder teilweise mehr als zwanzigmal.111 Das Urteil Jesu, der die Bösen zum ewigen Feuer verdammt hat, „das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, den Gerechten aber das ewige Leben verheißen hat“, bestätigte in Augustinus’ Augen alles, was er selbst über die zwei Staaten gesagt hatte. Jesus hatte auch schon die Katastrophen angekündigt, die dem Jüngsten Gericht vorausgehen werden. Paulus nahm seine Ankündigung im Zweiten Brief an die Thessalonicher auf, und Augustinus zitierte den ganzen Abschnitt über die vorletzten Dinge. Der Bibelkenner erinnerte sich, dass der Erste Johannesbrief die Katastrophe mit dem Kommen des Antichrist gleichgesetzt hatte. Aber aktuelle Bezüge, die in manchen christlichen Kreisen die Runde machten, lehnte Augustinus ab: Paulus habe im Stillen weder an das Ende des römischen Reiches noch an die Wiederkunft Kaiser Neros gedacht.112 Der Antichrist, der Teufel, wird sicher einmal kommen, und viele werden ihm folgen und zu Antichristen werden, wie das ebenfalls der Johannesbrief gesagt hatte. Antichristen sind jetzt schon die Häretiker und die Feinde der Christen. Ungewiss bleibt, wann der Antichrist mit der ihm von Gott verliehenen Macht kommen wird. Gewiss ist nur, dass Gott
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im anschließenden Gericht die Spreu vom Weizen trennen und allen Antichristen, den falschen Mitgliedern des Gottesstaates darunter, das Urteil sprechen wird. Am Ende werden sie auf ewig dort landen, wo mit Jesu drastischen Worten „Heulen und Zähneklappern“ herrschen.113 Nachdem Augustinus mehrmals mit gleichlautenden Worten betont hatte, wie verzahnt beide Staaten in der realen Welt waren,114 wäre deren Darstellung unvollständig gewesen, wenn er auf die reale Welt nicht eingegangen wäre. Vor allem im 19. Buch stellte er sich der Aufgabe, bevor er in der letzten Triade zum Jüngsten Gericht überging. Den Stoff, an dem er wichtige politische und soziale Grundzüge herausarbeitete, entnahm er der griechisch-römischen Welt, in der er sich, wie er zugab, besser auskannte als in den orientalischen Reichen, die er gelegentlich zitierte. 115 Gerade die Verzahnung der beiden Staaten führte ihn dazu, dass er bei der Analyse nicht immer streng unterschied zwischen der Welt, wie sie war, und wie sie nach seinen Vorstellungen sein sollte. Die Angehörigen des Gottesstaates waren mit ihm einig, sie brauchte er nicht zu überzeugen, höchstens ihr Wissen vertiefen. Dagegen musste er den Bürgern des irdischen Staates die Augen öffnen und sie belehren, „dass Gott alles in allem sein soll“. Augustinus liebte das Pauluswort mit seinem Absolutheitsanspruch und zitierte es im zweiten Teil des „Gottesstaates“ wenigstens zehn Mal.116 Es erlaubte ihm, Gott im selben Satz zum „Siegespreis im Frieden“ und zur „Kraft im Krieg“ auszurufen, dem Teufel eine ursprünglich gute Natur zuzubilligen und die Sklaverei zu verteidigen: Sklaven sollten, innerlich frei, ihren Herren in treuer Liebe dienen, „bis die Ungerechtigkeit vergeht, alle Führerschaft und menschliche Macht verschwindet und Gott alles in allem ist“. Die Rechtfertigung lehnte sich an Paulus’ Epheserbrief an mit zwei bemerkenswerten Ausnahmen: Augustinus nannte die Sklaven nicht wie der Apostel „Sklaven Christi, die von Herzen Gottes Willen tun“, und er bezeichnete die Sklaverei unmissverständlich als „Ungerechtigkeit“.117 Gott hat die „natürliche Ordnung“ geschaffen mit ihren drei „Stufen der menschlichen Gesellschaft“: Familie, Staat und Völkergemeinschaft.118 Folglich muss ihre Struktur wie ihr Ziel von ihrem Schöpfer her analysiert und gefragt werden, was er mit seiner Schöpfung gewollt hat. Einen archimedischen Punkt außerhalb dieses geschlossenen Kreises gibt es für Augustinus nicht, sondern nur die Feststellung des Mangels, der Abwesenheit Gottes. „Unglücklich ist folglich das Volk, das diesem Gott entfremdet ist“. Das hatten schon „die heiligen Schriften der Hebräer“ gewusst und umgekehrt festgestellt: „Glücklich das Volk, dessen Gott der Herr ist.“ 119 Aristoteles hatte zu Beginn seiner „Politik“ die Familie als die Keimzelle des Staates beschrieben, mit Augustinus’ Worten „Anfang oder Teil des Staates“. Der griechische Philosoph sprach von der Natur, welche die
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Menschen zusammengeführt und dann über die Familie hinaus die staatliche Gemeinschaft hervorgebracht hat.120 In Ciceros Schrift „Über den Staat“ lag die Triebkraft in der „Übereinstimmung im Recht und im gemeinsamen Nutzen“.121 Beide innerweltlichen Erklärungen genügten Augustinus nicht. Sie übersahen ebenso wie die Stoiker, die von der Gleichheit aller Menschen ausgingen, den Schöpfer, der die Menschen nach seinem Bild als vernünftige Wesen geschaffen hat. Er hat sie auch mit dem Trieb zu herrschen ausgestattet, aber nicht über ihresgleichen, sondern über das unvernünftige Vieh. Daher gab es ursprünglich keine Sklaverei. Herrschaft über Menschen und mithin Sklaverei waren erst eine Folge der Sünde. Hatte Jesus nicht gesagt: „Jeder, der eine Sünde begeht, ist Sklave der Sünde“? 122 Aristoteles hatte die Menschheit zweigeteilt in solche, die von Natur zur Herrschaft und solche, die zur Sklaverei bestimmt sind. Er war so offen, auch die Gegner seiner Meinung ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Augustinus schob diese Diskussion beiseite. Er verwies zwar ebenfalls auf die Natur, aber auf die von Gott geschaffene ideale und somit sündenfreie Urnatur: „Keiner jedoch ist von der Natur aus, in der Gott zuerst den Menschen geschaffen hat, Sklave eines Menschen oder der Sünde“.123 Aber „der göttliche Meister“ hat den Menschen auch das Mittel empfohlen, um die Herrschaft so auszuüben, dass sie nicht zur Tyrannei entartet, dem Schreckbild des antiken Staatsdenkens, sondern Herrschern und Beherrschte ein friedliches Miteinander ermöglicht. Es sind Jesu zwei „Hauptgebote“, Gott zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Zusammen zügeln beide Gebote die dritte Form der Liebe, die gefährliche Selbstliebe, die zur Überheblichkeit und zur ungezügelten Herrschsucht neigt. Im zehnten Buch hatte Augustinus die Hauptgebote als Voraussetzung für das glückliche Leben des Einzelnen gepriesen. 124 Jetzt führte er ihren sozialen Nutzen zunächst an der Familie vor; der Analytiker wurde zum Moralisten und Seelsorger: Der Hausherr, der seine Angehörigen einschließlich der Sklaven liebt, dazu, so weit wie möglich, die Menschen seiner Umgebung, wird sie aus dieser Nächstenliebe heraus zur Gottesliebe führen. So entsteht in der Familie Friede, der nichts anderes ist als „die geordnete Eintracht im Befehlen und Gehorchen“. Dieser häusliche Friede ist ein Teilfriede. Er zielt auf das Ganze, den Frieden im Staat, der ebenfalls auf Befehlen und Gehorchen beruht. Der größere „irdische Friede“ ist wiederum nur ein Teilfriede. Der wahre Friede ist der „himmlische Friede“. Auf ihn ist der Gottesstaat ausgerichtet, der auf seiner Pilgerfahrt Bürger aus allen Völkern sammelt und überall den irdischen Frieden in seinen unterschiedlichen lokalen Bedingungen mit seiner Gottes- und Nächstenliebe sichern hilft.125 Deswegen tritt Augustinus für religiöse Toleranz ein, sodass „jeder dem Glauben fol-
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gen mag, durch den man zu Gott gelangt“. Tolerant ist der Gottesstaat auch gegenüber den drei Lebensformen: der dem Erforschen der Wahrheit gewidmeten vita contemplativa, der vita activa, die sich um das gottgewollte Heil der Untergebenen bemüht, sowie der Mischung aus diesen beiden. 126 Auf Platons philosophische Überlegungen zu den drei Lebensformen war Augustinus bereits im ersten Teil eingegangen. 127 Gerade weil die vita activa ein gottgewolltes Ziel hat, von dem bei Platon keine Rede war, sollen sich ihr die Mitglieder des Gottesstaates in der Welt nicht entziehen. Nur darf es ihnen weder um Macht noch um Ehre gehen, sondern die Liebe zum höheren Ziel muss sie zur aktiven Teilnahme in der Gesellschaft bewegen. Das gilt für Bischöfe genauso wie für Staatsmänner, ohne deren „Vorrangstellung kein Volk regiert werden kann“.128 Augustinus entwickelte Grundgedanken zu einem „Fürstenspiegel“ für geistliche und weltliche Würdenträger. Dazu gehörte auch der mahnende oder warnende Hinweis auf das Jüngste Gericht, dem er die letzten drei Bücher des Gottesstaates widmete. Hier würde sich dann unwiderruflich der wahre Gott zeigen, von dem er in jedem der zweiundzwanzig Bücher gesprochen hatte. Augustinus hatte um das Jahr 414 gerade die ersten drei Bücher des „Gottesstaates“ abgeschlossen, als ihn eines Tages der spanische Priester Orosius aufsuchte, ein frommer junger Mann „mit lebhaftem Verstand, gewandter Rede und feurigem Eifer, ein nützliches Gefäß im Haus des Herrn“, wie er Hieronymus schrieb. 129 Orosius kam mit einer „Denkschrift über die Irrlehre der Priscillianisten und Origenisten“ (Commonitorium de errore Priscillanistarum et Origenistarum) und bat ihn um Rat, wie man die Anhänger des Priscillianus wieder in die Kirche zurückholen könne. Bischof Priscillianus von Avila war zwar schon 385 vom Gegenkaiser Magnus Maximus in Trier wegen Magie und Manichäismus hingerichtet worden. Der Verbreitung seiner Lehre mit ihren asketischen Forderungen tat sein Tod jedoch keinen Abbruch. Vor allem in Spanien fand sie weiterhin regen Zulauf, weil sie weitgehend mit der Orthodoxie übereinstimmte und im Unterschied zu den Manichäern die ganze Bibel anerkannte. Ihr charismatischer, als Märtyrer verehrter Urheber galt daher selbst bei führenden Bischöfen wie Ambrosius und Martin von Tours als Opfer einer Justiz, die seine Konkurrenten im spanischen Episkopat in Dienst genommen hatten. 130 Wenn es gegen Manichäer und Häretiker ging, brauchte man Augustinus nicht lange zu bitten. Schon Anfang des nächsten Jahres drückte er seinem Gast die literarische Verteidigungswaffe in die Hand: „Ein Buch für den Priester Orosius gegen die Priscillianisten“ (Ad Orosium presbyterum contra Priscillianistas liber unus). Es war kein Meisterwerk, dafür war es zu schnell geschrieben, wie er eingangs entschuldigend zugab: „In einigen meiner Werke, die du gelesen hast beziehungsweise in Zukunft lesen kannst, ist viel davon die Rede, was gegen die Häresie der Priscillia-
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nisten hilft.“ Im obigen Brief an Hieronymus sprach er noch offener: „Ich habe den Mann belehrt, soweit ich vermochte; wo ich es nicht vermochte, gab ich ihm Hinweise, wo er sich informieren könne.“ 131 Orosius war trotzdem dankbar für das Gebotene und freute sich, dass er mittlerweile vom Besucher zum Freund des Älteren geworden war. Noch 415 sandte ihn Augustinus mit dem Brief an Hieronymus nach Bethlehem, wo der Gelehrte seine Arbeit am Kommentar zum Propheten Ezechiel unterbrochen hatte, um den Kampf gegen eine andere Häresie, den Pelagianismus, aufzunehmen.132 Vielleicht hatte Augustinus seinem Freund bereits in den vergangenen Monaten einen Vorschlag gemacht; wenn nicht, wartete er seine Rückkehr Anfang 416 ab. Im ersten Teil des „Gottesstaates“, wo er auf die Schandtaten und die Katastrophen der römischen Republik zu sprechen kam, hatte er sich entschuldigt: „Wenn ich alles berichten und erwähnen wollte, würde ich ja nichts anderes als ein Historiker sein.“ 133 Das lag ihm fern, weshalb ihm der begabte Orosius wie gerufen kam, um ihm zu helfen: „Gegen das verkehrte und eitle Geschwätz der Heiden“ möge er alle Geschichtsbücher und Annalen daraufhin durchforsten, was es an Kriegen Schlimmes, an Seuchen Verheerendes, an Hungersnöten Trauriges, an Erdbeben Schreckliches, an Überschwemmungen Ungewöhnliches, an Vulkanausbrüchen Angsterregendes, an Blitzeinschlägen und Hagelschauern Böses oder auch an Morden und Verbrechen Erbarmenswertes in den vergangenen Jahrhunderten gegeben hat.“ Seine Funde möge er dann in einem Band der Reihe nach darstellen.134 Was Augustinus nicht sagte oder Orosius bescheiden verschwieg: Ein solches handliches, die Sensationsgier befriedigendes Buch würden mehr heidnische, aber auch christliche Leser in die Hand nehmen als die an Umfang wie Inhalt gewichtigere Kost des „Gottesstaates“. Die zweihundertfünfundvierzig, im sechsten Jahrhundert beginnenden Orosius-Handschriften bestätigten die Vermutung.135 Augustinus hatte sich in seinem Freund nicht getäuscht. Orosius machte sich mit Begeisterung an die Arbeit, und nach kaum mehr als einem Jahr konnte er 417 seinem Auftraggeber stolz das Ergebnis präsentieren: „Sieben Geschichtsbücher gegen die Heiden“ (Historiarum adversum paganos libri septem). 136 Aufatmend schloss er: „Mit Christi Hilfe habe ich gemäß deinem Auftrag, gütiger Vater Augustinus, von Beginn der Welt an bis zum heutigen Tag, also auf eine Länge von 5618 Jahren, die Begehrlichkeiten und die Strafen der sündigen Menschheit, die Streitigkeiten der Welt und die Urteilssprüche Gottes so kurz und so einfach wie möglich dargestellt, wobei ich die christlichen Zeiten vor allem wegen der mitwirkenden Gnade Christi von den wirren Zeiten des Unglaubens getrennt habe.“ 137 Er endete mit der erwartungsvollen Empfehlung, er wolle das Urteil über seine Leistung seinem Auftraggeber überlassen.
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Ob der ‚Vater‘ über alles, was der ‚Sohn‘ geschrieben hatte, glücklich war? 138 Gewiss, jeden heidnischen Kritiker, der weiterhin behaupten würde, Rom und der Welt sei es besser ergangen, als man noch die Götter verehrte, konnte er auf Orosius’ gegenteilige Sammlung verweisen. Nichts zu sagen war auch dazu, dass der Historiker das Zusammentreffen von Augustus’ Friedensreich und dem Wirken Jesu Christi hervorhob, den von Gott gewollten Synchronismus, auf dem die christlichen Apologeten seit Melito von Sardes im zweiten Jahrhundert bestanden.139 Dass sich Augustinus im „Gottesstaat“, wo er einmal Augustus erwähnte, mit der dürren Bemerkung begnügte: „unter dessen Herrschaft Christus geboren wurde“, und dann zu den vielen Bürgerkriegen des ersten Kaisers überging, war eine unausgesprochene Kritik an dem christlichen Optimismus. 140 Ihm huldigte auch Orosius, der die Kriege der Kaiserzeit nicht verschwieg, aber unmittelbar vor dem Schlusssatz fröhlich resümierte, sie seien nahezu ohne Blutvergießen geführt worden.141 Der Realist Augustinus sah das anders. Erst recht wäre ihm Orosius’ freudige Versicherung: „also erscheinen mir unsere Zeiten doch wohl glücklich zu sein“, nie in die Feder geflossen.142 Stattdessen beklagte er die Nachteile des römischen Großreiches, das auch jetzt noch, wo es von außen bedroht werde, schreckliche Kriege mit vielen Toten führe und Ströme von Blut vergieße. Und er bekannte: Wollte er dieses Elend beschreiben, wie es nötig wäre, würde er zu keinem Ende kommen.143 An der Stelle hätte man einen Verweis auf Orosius’ Buch erwarten können, das ihm eben diese Arbeit abgenommen hatte. Doch Augustinus vermied es, den Glückspilz zu erwähnen, der von der guten Gegenwart schwärmte und sich seines Lebens freute, weil das Jüngste Gericht noch weit entfernt war und erst mit ihm das christliche Reich, das letzte Imperium, endete.144
XV. Friedenssehnsucht in friedloser Zeit Eines der eindrucksvollsten literarischen Stilmittel ist die repetitio, „die Wiederholung derselben Beweisführung und Häufung aus der Fülle“, wie sie der Redelehrer Quintilian definiert hatte.1 Augustinus’ längste repetitio im „Gottesstaat“ ist ein Hymnus auf den Frieden, wie denn auch die Hymnensprache gern die repetitio benutzt. Sein Hymnus, beginnend mit dem Frieden im menschlichen Körper, steht in der Mitte eines langen Exkurses über den Frieden und nimmt vieles vom späteren politischen Abschnitt vorweg, der, wie oben gezeigt, den Frieden als Ziel jeder Gemeinschaft bestimmt: 2 „Und so ist der Friede des Körpers das geordnete Verhältnis seiner Teile, der Friede des Gemüts die geordnete Ruhe seiner Triebe, der Friede des Verstands die geordnete Übereinstimmung von Erkenntnis und Handeln, der Friede des Körpers und der Seele das geordnete Leben und Wohlergehen des Lebendigen, der Friede des sterblichen Menschen und sein Friede mit Gott der geordnete Gehorsam im Glauben unter dem ewigen Gesetz, der Friede unter den Menschen die geordnete Gemeinschaft, der Friede des Hauses die geordnete Eintracht im Befehlen und Gehorchen unter den Hausgenossen, der Friede des Staates die geordnete Eintracht im Befehlen und Gehorchen unter den Bürgern, der Friede des himmlischen Staates die geordnetste und einträchtigste Gemeinschaft im Genuss Gottes und im allseitigen Genuss in Gott, der Friede in allen Dingen die Ruhe in der Ordnung.“ 3 Zum Frieden gehörte für Augustinus untrennbar die Ordnung, weshalb er zu jedem Satzglied, das dessen Inhalt bestimmte, das Adjektiv „geordnet“ hinzufügte und mit dem Wort „Ordnung“ schloss. Ordnung ist, wie er anschließend erläuterte, „die Bestimmung, die allen gleichen und ungleichen Dingen ihre jeweilige Stellung zuweist“. Wo Ordnung und Friede fehlen, gibt es nur Elend und Schmerz. Denn Friede ist ein Naturgesetz. 4 Das lässt sich auch an seinem Gegenteil, dem Krieg, ablesen: Kriege führt man nur um des nachfolgenden Friedens willen. Selbst eine Räuberbande belegt das Naturgesetz: Nach außen führt sie Krieg, im Innern hält sie unter ihresgleichen Frieden. 5 Der Weise, der an das Elend denkt, das Kriege mit sich bringen, wird keinen Krieg anfangen. Manchmal wird er allerdings durch einen ungerechten Feind dazu gezwungen. Aber selbst diese „gerechten Kriege“ erfüllen ihn mit Trauer. „Wer sie jedoch ohne seelischen Schmerz mitmacht oder auch nur an sie denkt, mag sich zwar für glücklich halten, tatsächlich aber ist er umso elender, als er den Sinn für das Menschliche verloren hat.“ 6
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Aus dem Friedenshymnus, den ihn umgebenden Überlegungen zum Frieden und der grundsätzlichen Ablehnung des Krieges sprach die Sehnsucht eines Mannes, der sich zwar des ewigen Friedens am Ende der Tage sicher war, aber am gegenwärtigen Unfrieden litt und sich nichts mehr wünschte, als in Ruhe seinen bischöflichen Aufgaben nachzugehen und seine theologische Schriftstellerei weiter zu betreiben, mit der er nach Gottes Willen der Nachwelt einen Dienst erweisen würde. Das schrieb Augustinus Ende 413, und der bald Sechzigjährige verwies außerdem auf sein Alter und auf seine schwache Gesundheit, von der alle seine Bekannten wüssten.7 Doch er wurde immer wieder aus seiner Studierstube weggerufen. Freundespflichten und Hilferufe drängten, vor Ungerechtigkeit und Not konnte er die Augen nicht verschließen, und der Kampf um die Einheit der Kirche war noch längst nicht ausgestanden, weil sich neue Gräben auftaten. Überall erwartete man sein Einschreiten, seine intercessio. Über Africa hinaus galt er längst als Wortführer des heimischen Episkopats, „der berühmte und vornehme Gelehrte, durch dessen Mund sogar die Gnade des Heiligen Geistes spricht“. 8 Oft stießen jedoch sein Einfluss und sein Möglichkeiten an ihre Grenzen. Das musste der Hilfsbereite 413 bei seinem Freund Marcellinus erleben, dem er die ersten Bücher des „Gottesstaates“ gewidmete hatte: Heraclianus, der 408 eigenhändig Stilicho ermordet hatte, wurde noch im selben Jahr von Honorius zum Comes Africae und damit zum Befehlshaber der dort stationierten Truppen ernannt. Loyal unterstützte er seinen Kaiser 410, als der Usurpator Attalus von Rom aus versuchte, jenseits des Meeres Fuß zu fassen. Doch 413, im Jahr seines Konsulats, brach Heraclianus mit Honorius, ließ sich gegen ihn zum Kaiser erheben und setzte mit einem bedeutenden Heer nach Italien über. Auf dem Marsch nach Ravenna wurde er von Honorius’ Comes Italiae Marinus geschlagen und floh zurück nach Africa, wo er wenig später in Karthago getötet wurde. Brutal ging der Sieger Marinus, zum neuen Comes Africae ernannt, gegen die führenden Anhänger des Gegenkaisers vor, und im Zug seiner Säuberung wurden Marcellinus und sein Bruder Apringius, der Proconsul Africae von 411, verhaftet und am 13. September hingerichtet. Dieser äußere Verlauf ist gut bezeugt. 9 Strittig ist, was Heraclianus zu seinem plötzlichen Sinneswechsel veranlasst hat und inwieweit africanische Bischöfe und die beiden Brüder in die Usurpation verwickelt waren. 10 Augustinus, der sich im Sommer 413 in Karthago aufhielt und von Marcellinus’ Unschuld überzeugt war, besuchte ihn mehrmals im Gefängnis und brachte ihm die Kommunion.11 Bei einer Unterredung mit Marinus scheint ihm der Comes Africae Hoffnung auf Marcellinus’ Begnadigung gemacht zu haben, worauf Augustinus und der Primas Aurelius schleunigst einen Bischof mit einem Diakon nach Ravenna schickten, um bei Hono-
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rius zu intervenieren. Von Marcellinus’ völliger Unschuld konnten die Gesandten den Kaiser nicht überzeugen. Aber wenigstens machten sie sich mit dem Bescheid auf den Heimweg, die Gefangenen seien auf freien Fuß zu setzen. Überraschend schuf Marinus jedoch vollendete Tatsachen. Augustinus war erschüttert, als er von der plötzlichen Hinrichtung des Freundes erfuhr, und verließ umgehend Karthago. Anfang 414 schrieb er einen ausführlichen Brief an den ihm seit langem bekannten Caecilianus, einen ehemaligen Prätorianerpräfekten, der mittlerweile in Africa für den Getreideexport zuständig war.12 Der hohe Beamte hatte sich 413 in der Umgebung des Marinus befunden und noch einen Tag vor der Hinrichtung Augustinus ebenfalls zuversichtlich gestimmt, dass die Gefangenen freigelassen würden. Daher wollte der Briefschreiber jetzt Näheres über die unerwartete Wende wissen und zugleich den Toten rehabilitieren, was wenig später auch Honorius in einer Verordnung tat. 13 Augustinus trat gegenüber Caecilianus äußerst behutsam auf. Aber er scheute sich nicht, von Marinus’ „frevlerischer und grausamer Treulosigkeit“ zu sprechen und zu betonen, der Comes habe mit Marcellinus’ Hinrichtung gottlosen Menschen einen Gefallen getan.14 Man hat daraus geschlossen, dass Donatisten den Richter Marcellinus bei Marinus als Anhänger des Heraclianus verleumdet hatten, um sich für ihre Niederlage auf der Konferenz von Karthago 411 und für die anschließenden harschen Maßnahmen des Katholiken zu rächen.15 Den Gefangenen schilderte Augustinus als einen Christen, der in frommer Ergebung bereit war, Gott seinen Tod als Sühne für seine wenigen lässlichen Sünden aufzuopfern. Seine eheliche Treue habe er nie gebrochen, sprich: um wie viel weniger die Treue gegenüber seinem Kaiser. 16 Sollte der Christ Marcellinus in dem Brief den zum Tode verurteilten und gesetzesfrommen Sokrates in Platons „Phaidon“ in den Schatten stellen? Mit Marcellinus verlor Augustinus einen wichtigen Gesprächspartner in der theologischen Kontroverse mit Pelagius und seinen Anhängern, die ihn seit einiger Zeit beschäftigte. Allerdings hatte ihn Marcellinus mit seinen Einwänden eher herausgefordert, als ihm vorschnell nach dem Mund zu reden. Ihrer Freundschaft tat das keinen Abbruch. Der aus England, vielleicht auch aus Irland stammende Mönch Pelagius hatte in der stadtrömischen Aristokratie eine bedeutende Schar von Verehrern aus der Senatsaristokratie um sich gesammelt, die er durch seine Askese und seine Gelehrsamkeit beeindruckte.17 Die Auseinandersetzung mit dem Bischof von Hippo begann auf einem Umweg: Ein africanischer Mitbischof des Augustinus hatte in Rom gelegentlich sein Stoßgebet aus den „Bekenntnissen“ zitiert: „Gib, was Du befiehlst, und befiehl, was Du willst.“ In einer Diskussion mit dem Bischof widersprach Pelagius empört. Er hatte nämlich in einem Kommentar zu den Paulusbriefen behauptet, Adams Sünde
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habe sich unmöglich auf ein neugeborenes Kind fortpflanzen können. Folglich gebe es keine Erbsünde, und der Mensch sei durchaus in der Lage, aus eigener Anstrengung ein tugendhaftes Leben zu führen. Die göttliche Gnade sei dabei eine hilfreiche Begleiterin, aber keineswegs die ausschließliche Voraussetzung.18 Schützenhilfe erhielt Pelagius von Caelestius, einem Laien, der in Rom Philosophie und Rechtswissenschaft studiert hatte. Pelagius lag daran, mit Augustinus ins Gespräch zu kommen. Er schrieb ihm einen freundlichen Brief, ohne auf heikle Themen näher einzugehen, und Augustinus antwortete mit wenigen Zeilen ebenso freundlich. Er schreibe selbst Nichtchristen freundliche Briefe, rechtfertigte er sich später gegen Vorwürfe, nachdem sich die Fronten verhärtet hatten. 19 410 gehörten Pelagius und Caelestius zu denen, die vor den Goten aus Rom flohen. Pelagius landete in Hippo, traf Augustinus jedoch nicht an und folgte Caelestius nach Karthago. Im Jahr darauf sah ihn Augustinus gelegentlich in der Stadt. Für eine Diskussion fand er keine Zeit, weil er mit der Donatistenkonferenz beschäftigt war. Pelagius reiste bald darauf in den Osten weiter, während Caelestius sich um Aufnahme in den Klerus von Karthago bemühte. Weil er unter den Christen inzwischen pelagianisches Gedankengut verbreitet hatte, berief der karthagische Bischof Aurelius Ende 411 oder Anfang 412 ein Konzil ein, das Caelestius wegen Häresie exkommunizierte. Augustinus nahm an dem Konzil nicht teil, aber seine Mitbrüder hatten ihn um Rat gefragt, und seine Anschauungen über Erbsünde, Kindertaufe und die göttliche Gnade bestimmten ihr Urteil. Doch in der karthagischen Gemeinde, wo Caelestius offensichtlich viele überzeugt hatte, ging der Streit weiter. Daher richtete Marcellinus an den Freund die Bitte um ein klärendes Wort. 20 Augustinus lieferte es im Jahr darauf in drei Büchern, das zweite Werk, das er – vor dessen Untergang – Marcellinus widmete: „Über die verdienten Strafen und die Vergebung der Sünden sowie über die Taufe der Kleinkinder“ (De peccatorum meritis et remisssione et de baptismo parvulorum). 21 Mehrmals berief er sich auf Paulus’ Mahnung im Ersten Korintherbrief: „Was aber hast du, was du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?“ 22 Augustinus überzeugte den Freund nicht in jedem Punkt: Wie könne er behaupten, ein Mensch sei, den festen Willen vorausgesetzt, in der Lage, mit Gottes Gnade ohne Sünden zu leben, wenn sein einziges Beispiel der Gottessohn selbst sei? Marcellinus durfte sich freuen. Umgehend erhielt er von Augustinus Antwort in der kleinen Schrift „Über den Geist und den Buchstaben“ (De spiritu et littera). Sie galt nicht ihm allein. „Heftig stritt ich gegen die Feinde der Gnade Gottes, durch die der Gottlose gerechtfertigt wird“, vermerkte Augustinus im „Revidierten Werkverzeichnis“. „Der Buchstabe tötet, der
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Geist aber macht lebendig“, hielt er ihnen mit Paulus’ Zweitem Korintherbrief mehrmals entgegen. Nur das obige Zitat aus dem Ersten Korintherbrief führte er noch häufiger an. 23 Es musste auch immer wieder für die weitere Auseinandersetzung mit Caelestius und Pelagius und ihren Anhängern herhalten, den Caelestiani und Pelagiani, die Augustinus in einen Topf warf. 24 Während sich Caelestius nach Ephesus absetzte, um dort Priester zu werden, tauchte Pelagius 414 oder 415 überraschend in Jerusalem auf, wo er im Ortsbischof Johannes einen verständnisvollen Förderer fand, sehr zum Ärger des Hieronymus im benachbarten Bethlehem. Mit einem Buch über die menschliche Natur hatte der reisende Mönch in der Zwischenzeit weiter für seine Ansichten geworben. Zu seinen Anhängern gehörten zwei junge Adlige, Jacobus und Timasius. Bei aller Begeisterung für den charismatischen Asketen blieben sie kritisch genug und wollten eine Gegenmeinung hören. Sie wandten sich deshalb an den Bischof von Hippo und legten ihrer Bitte um eine Antwort das Buch des Pelagius bei. 25 Augustinus ließ alles liegen und stehen, arbeitete rasch das Buch durch und verfasste eine umfangreiche Erwiderung, der er den Titel „Über die Natur und die Gnade“ (De natura et gratia) gab. Im Eingangssatz bescheinigte er Pelagius „mit glühendstem Eifer“ gegen diejenigen gewettert zu haben, die der menschlichen Natur alle Schuld geben. War es Ironie, dass Augustinus dem christlichen Zeloten den Heiden Sallust zur Seite stellte? Der Historiker habe nämlich ebenfalls getadelt: „Fälschlich beklagt sich das Menschengeschlecht über seine Natur.“ Augustinus setzte voraus, dass der hochgebildete Pelagius den bekannten Satz aus Sallusts „Jugurthinischem Krieg“ kannte und ergänzen konnte, weshalb er den Inhalt der Klage nicht mehr zitierte: „dass nämlich die schwache und kurzlebige menschliche Natur mehr vom Zufall als von der Tüchtigkeit regiert werde“. 26 Noch war Pelagius für Augustinus kein Häretiker, sondern der Mitchrist, den man von den falschen Schlüssen abbringen müsse, die er aus einzelnen Schriftstellen gezogen hatte. Sie hatten den Mönch veranlasst, die Erbsünde und ihre Folgen für die menschliche Natur zu leugnen und Gottes unergründliche Gnade und Barmherzigkeit zu unterschätzen. Augustinus konnte auf seine früheren Schriften zurückgreifen, den Kommentar zu Paulus’ Römerbrief und die Antwort an Simplicius. Verstärkt hob er zum Schluss auf die Gnade ab, die Jesu Erlösungswerk den Menschen gebracht habe. Das fertige Buch sandte er sofort an Jacobus und Timasius, die sich artig in einem kurzen Brief bei ihm bedankten. Befriedigt entnahm er ihren Worten, dass er gute Arbeit geleistet und Pelagius zwei Jünger abspenstig gemacht hatte. Noch mehr freute ihn, dass die beiden beschlossen hatten, mit seinem Buch gegen Pelagius’ Irrtümer zu Felde zu ziehen. Seine Anerkennung verbreitete er dadurch, dass er sie im weiteren
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Verlauf der Auseinandersetzung mehrmals namentlich als diejenigen bezeichnete, die ihn mit ihrem Vorstoß zum Kampf gegen Pelagius angeregt hatten. Daher nahm er auch ihren Dankesbrief in die „Taten des Pelagius“ auf. 27 Im Frühjahr 415 sandte Augustinus seinen jungen Freund Orosius mit einem weiteren Exemplar von „Natur und Gnade“ nach Bethlehem, wo Hieronymus mittlerweile ebenfalls gegen Pelagius in Stellung gegangen war. Er gab dem Boten noch zwei Briefe an ihn mit, die so lang geraten waren, dass er sie im „Revidierten Werkverzeichnis“ eigens als Bücher bezeichnete. 28 Im ersten Brief warf er die Frage auf, ob jede Seele bei der Geburt neu geschaffen oder ob sie zusammen mit Adams Ursünde an das Neugeborene weitergegeben werde. Die Alternative berührte unmittelbar den Streit mit Pelagius, dessen Namen im Brief jedoch nicht fiel. Augustinus gab offen zu, dass er sich noch für keine der beiden Lösungen entschieden, wohl aber sich seit langem mit ihnen beschäftigt habe. 29 Den Lesern empfahl der Menschenkenner im „Revidierten Werkverzeichnis“, „über diese höchst dunkle Angelegenheit nicht nachzugrübeln; auch Hieronymus habe ihm in seiner Antwort nichts dazu gesagt und sich mit Zeitmangel entschuldigt.“ Im zweiten Brief bat Augustinus den gelehrten Exegeten um seine Meinung zu dem Satz aus dem Jakobusbrief: „Wer das ganze Gesetz eingehalten hat, aber bei einem Gebot sündigt, ist bei allen schuldig geworden.“ 30 Hier hatte er eine Lösung: Wer die Liebe nicht hat, vermag auch die anderen Gebote nicht wirklich zu halten. Hieronymus war im Antwortschreiben voll des Lobes über Augustinus’ geistige Fähigkeiten, um ihm dann eine Waffenbrüderschaft gegen Neider und Häretiker anzutragen. Denn Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen würden die Feinde sonst auf ihren beiderseitigen Hass schieben, eine Anspielung darauf, dass es in der Vergangenheit bisweilen zwischen Bethlehem und Hippo geknirscht hatte. 31 Als Bischof Johannes von Jerusalem im Sommer 415 eine Klerikerkonferenz einberief, um der Unruhe zu begegnen, die Pelagius’ Lehre in seiner Diözese ebenfalls verbreitete, erging eine Einladung auch an Orosius, der im stillen Bethlehem „zu Hieronymus’ Füßen saß“. 32 Auf der Konferenz, in deren Verlauf er Augustinus wacker verteidigte, schlugen die Wogen hoch, zumal es zu sprachlichen Missverständnissen zwischen Lateinern und Griechen kam. Pelagius hielt es für das Klügste, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen, und ging auf seine Gegner zu. 33 Schließlich einigte man sich, die Sache Papst Innocentius in Rom vorzulegen. Pelagius sollte bis zu dessen Entscheidung Ruhe bewahren. 34 Doch die Ruhe währte nicht lange. Neue Vorwürfe gegen den Mönch wurden laut. Um sie zu klären, berief der Metropolit Eulogius von Caesarea vierzehn Bischöfe zu einem Konzil nach Diospolis, das frühere Lydda. Nach einem Verhör des Be-
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schuldigten kam die Versammlung zu dem Ergebnis, Pelagius sei kein Häretiker, sondern ein treuer Sohn der katholischen Kirche. 35 Als Orosius Anfang 416 nach Africa zurückkehrte und das Ergebnis des Konzils erst Aurelius in Karthago, dann Augustinus in Hippo vortrug, war der Ärger groß über die blauäugigen palästinensischen Mitbrüder, die dem Irrlehrer auf den Leim gegangen waren. Augustinus schrieb sofort an Johannes, er möge sich vor Pelagius hüten getreu der Vaterunserbitte: „Führe uns nicht in Versuchung.“ 36 Um zu beweisen, wie berechtigt seine Sorge war, legte er Pelagius’ Buch und seine eigene Gegenschrift bei und bat den Empfänger, ihm die Protokolle des Konzils von Diospolis zu senden. 37 Dann trommelte der Primas Aurelius die 65 Bischöfe der Africa proconsularis zusammen, die das Urteil über Caelestius aus dem Jahr 411 bestätigten und einen Brandbrief an Papst Innocentius schickten, er möge Pelagius trotz des Freispruchs von Diospolis verurteilen. 38 Wenig später, im Sommer 416, folgten die numidischen Bischöfe dem Beispiel ihrer Amtsbrüder. Unter dem Altersvorsitzenden Silvanus kamen 59 Bischöfe in Milev zusammen, wo Augustinus der anerkannte Wortführer war und einen weiteren Brief an Innocentius verfasste. Wieder beschwor er die Vaterunserbitte: Der Papst möge sich von der „neuen und höchst gefährlichen Häresie der Feinde der Gnade Christi“ nicht in Versuchung führen lassen. 39 Das kurze Schreiben genügte Augustinus nicht, und bald darauf schrieb er, auch im Namen seiner vier Freunde Aurelius, Alypius, Euodius und Possidius, erneut an Innocentius: Der Papst solle Pelagius vorladen, um selbst seine Rechtgläubigkeit zu prüfen. 40 Die biblischen Zeugnisse für die Prüfung führte Augustinus mit den nötigen Erläuterungen an. Außerdem legte er wie bei Bischof Johannes das beanstandete Buch des Häretikers samt seiner eigenen Erwiderung bei: 41 Auf jeden der drei Briefe antwortete Innocentius zustimmend, und „kraft der Autorität der apostolischen Gewalt“ exkommunizierte er Pelagius und Caelestius. Er gab jedoch die Hoffnung nicht auf, die beiden würden zur Einsicht kommen und zur katholischen Kirche zurückkehren. 42 Die africanischen Bischöfe hatten Recht, als sie vor der Ansteckungsgefahr der pelagianischen Häresie warnten. Nach dem Brief an den Papst schrieb Augustinus an den gallischen Bischof Hilarius und forderte ihn zur Wachsamkeit auf: „Wir alle, die wir unsere Hoffnung auf Christus setzen, müssen dieser gottlosen Pest Widerstand leisten, sie einmütig verdammen und mit dem Kirchenbann belegen.“ 43 Der unselige Konzilsbeschluss von Diospolis ging Augustinus immer noch nach. Um dieselbe Zeit beendete er eine Sonntagspredigt mit der dringenden Bitte an seine Zuhörer, gegen die Pelagianer kein falsches Mitleid zu zeigen. Wer auf einen treffe, solle ihn widerlegen oder noch besser: zu ihm führen. Nach den zwei africa-
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nischen Konzilien und den Antworten aus Rom sei die Sache an sich erledigt. Dann jedoch der Schlussseufzer: „O wenn doch auch einmal der Irrglaube erledigt wäre.“ 44 Der Wunsch war nur zu berechtigt. Ausgerechnet der Stuhl Petri gab Augustinus erneut Anlass zur Sorge. Innocentius war im März 417 gestorben, und sein Nachfolger Zosimus hatte für Caelestius ein offenes Ohr, als der bald darauf in Rom erschien. Er überreichte dem Papst eine Verteidigungsschrift und versprach, sich seinem Urteil zu unterwerfen. Eine römische Bischofsversammlung ließ sich von seiner Rechtgläubigkeit überzeugen, worauf Zosimus in zwei Briefen dem africanischen Episkopat vorwarf, leichtsinnig Verleumdungen gegen Pelagius und Caelestius aufgesessen zu sein. 45 Man möge doch innerhalb von zwei Monaten nach Rom kommen und dem Beschuldigten in dessen Gegenwart Häresie nachweisen. Zosimus versäumte ebenfalls nicht, die africanische Kirche an die „Autorität des apostolischen Stuhls“ zu erinnern. 46 Zwischen beiden Briefen erhielt er auch von Pelagius ein Verteidigungsschreiben zusammen mit einem Brief des Jerusalemer Bischofs Praylius. Dieser Nachfolger des Johannes trat ebenfalls für Pelagius’ Rechtgläubigkeit ein, die ihm in Diospolis bestätigt worden war. 47 Ein Konzil, das im Herbst 417 in Karthago zusammentrat, bat Zosimus, bei der Entscheidung der africanischen Bischöfe zu bleiben, die Innocentius’ Zustimmung gefunden habe. Darauf ließ sich der Papst jedoch nicht ein. 48 Nun führte die africanische Kirche einen politischen Schlag gegen Rom. Augustinus dürfte zusammen mit seinem Freund Aurelius über den Winter 417/18 die Waffe geschmiedet haben: Die Africaner alarmierten den Kaiserhof in Ravenna. Theologische Gründe allein hätten gewiss schon genügt, um den frommen Honorius zu gewinnen. Doch der Kaiser wurde erst recht hellhörig, als man ihm schrieb, Caelestius verbreite mit der pelagianischen Lehre nicht nur in Rom, sondern in ganz Italien Unruhe. In der Hauptstadt konnte er dabei an die Sympathien anknüpfen, die Pelagius während seines langen Aufenthaltes beim stadtrömischen Adel gewonnen hatte. 49 Unruhe durfte der Kaiser nicht dulden. In Rom trat Caelestius’ Werben der dort residierende Konsul Constantius entgegen, der zu Beginn des Jahres 417 die Kaiserschwester Galla Placidia geheiratet hatte. 50 In Julianus, seit kurzem Bischof des mittelitalischen Aeclanum, fand Caelestius einen Helfer, der vor allem das einfache römische Kirchenvolk für die Abschaffung der Erbsünde begeisterte. 51 Bald sollte er zu Augustinus’ gewichtigstem Gegner werden. Am 30. April 418 erließ Honorius ein Gesetz, das dem Prätorianerpräfekten von Italien, Junius Palladius, befahl, gegen das „verderbenbringende Gift“ vorzugehen, Caelestius und Pelagius, „die Häupter der verfluchten Lehre“, aus Rom zu verbannen sowie jedem, ob Kleriker oder Laien,
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zu erlauben, deren Anhänger vor Gericht zu ziehen. Palladius stieß noch nach und bekräftigte das Gesetz durch ein eigenes Edikt. In einem Brief an Bischof Aurelius, der allerdings erst am 11. Juni des folgenden Jahres Ravenna verließ, unterrichtete der Kaiser zusätzlich den Primas von Africa über seine Maßnahme. 52 Ein Tag nach dem kaiserlichen Erlass an Palladius, am 1. Mai 418, fand ein Gesamtkonzil der africanischen Kirche in Karthago statt. 53 205 Bischöfe, unter ihnen auch Mitbrüder aus Spanien, hatten sich samt ihren Diakonen versammelt und verabschiedeten neun Kanones gegen Pelagius und Caelestius, ohne dass deren Namen genannt wurden. 54 Der erste Kanon ließ Adam wegen seiner Sündenschuld sterben. Als deren Folge forderte der zweite Kanon die Taufe der Neugeborenen, um sie von der „ererbten Sünde“ des Stammvaters zu reinigen. Kanon 5 und 6 bestätigten die Gnadenlehre, die Augustinus in der Schrift an Simplicianus entwickelt hatte, und verwarfen den Einspruch der Pelagianer: 55 Die Gnade, die Gott durch Jesus Christus den Menschen geschenkt hat, ist nicht lediglich ein mögliches Hilfsmittel, um Sünden zu unterlassen, die man nach freiem Willensentschluss auch ohne sie vermeiden könne, sondern sie ist absolut notwendig, um die göttlichen Gebote zu erfüllen. Vor dem Konzilsbeschluss mit der eindrucksvollen Reihe der 205 Bischöfe zu Beginn sowie dem scharfen Ton in den Erlassen des Kaisers und des Präfekten knickte Papst Zosimus ein. Unter seinem Vorsitz exkommunizierte eine römische Synode Pelagius und Caelestius. Dieses Ergebnis teilte Zosimus in einem Rundschreiben den wichtigsten Bischofssitzen im Osten und im Westen des Reiches mit. 56 Doch damit war der Pelagianismus nicht erledigt. Julianus von Aeclanum und achtzehn weitere Bischöfe in Italien versagten dem Schreiben ihre Zustimmung. Eine lange literarische Fehde zwischen den Protagonisten Julianus und Augustinus setzte ein, die seinen Tod zwölf Jahre später überdauerte. 57 Anfangs versuchten beide, am Kaiserhof den einflussreichen hohen Beamten Valerius für sich zu gewinnen. Augustinus hatte bei dem „geliebten Sohn“, einem strengen Katholiken, die glücklichere Hand. 58 Da habe Bestechung nachgeholfen, klagte sein Gegner. Alypius, der 419 Ravenna besuchte, habe nämlich den Pferdeknechten und Tribunen achtzig oder mehr Pferde mitgebracht. „Was schwätzt du da“, konnte der Africaner Augustinus darauf nur antworten; Julianus sei auf die dümmste Verleumdung hereingefallen. 59 Seine Empörung war berechtigt. Denn Pferde für die Armee gehörten wie Tuche und Getreide zu den regelmäßigen Naturalsteuern, die durch zahlreiche Gesetze geregelt wurden. 60 Von solchen Lasten befreit zu sein war ein Privileg, das unter anderen die Oberärzte und africanischen Getreideschiffer genossen, nicht dagegen der Klerus auf dem Land, der über Grundbesitz verfügte. 61 Selbst Julianus’ tadelnde Bemerkung, die
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Pferde seien in ganz Africa gemästet worden, ging an der Wirklichkeit vorbei: Die Steuerbeamten achteten natürlich darauf, dass ihnen keine klapprigen Gäule abgeliefert wurden, die für die Landwirtschaft nicht mehr zu gebrauchen waren. Africanische Pferde aber waren besonders geschätzt, weil das Gebiet von Libyen bis Marokko für seine Pferdezucht berühmt war. 62 Dort hätte auch ein Vorwurf wegen achtzig Pferden nur Spott hervorgerufen. Der Geograph Strabo berichtete, wenn auch zur Zeit des Augustus, dass in diesem Landstrich jährlich hunderttausend Fohlen geworfen wurden. 63 Im Herbst 418 berief Zosimus eine weitere Synode nach Rom, die auch Julianus exkommunizierte. Er verlor seinen Bischofssitz und folgte Caelestius in den Osten. Gegen den Kirchenbann protestierte er vergebens; gegen die staatlichen Verordnungen, die die Pelagianer aus Italien verbannten, gab es keinen Einspruch. 64 Die Feder ließ er deswegen nicht sinken. In seinen Schriften bewies er, dass er nicht nur in der Bibel, sondern auch in der paganen Literatur genauso bewandert war wie sein Gegner. Seinen Vorwurf, Augustinus’ Auffassung von der Erbsünde verwerfe die Ehe, beantwortete der Angegriffene in den beiden Büchern „Über die Ehe und die Begierde“ (De nuptiis et concupiscentia), die er Valerius widmete. Julians Widerspruch folgte in der Abhandlung „An Turbantius“, einen bischöflichen Mitstreiter in Italien. Zum wichtigsten Schlag gegen den Pelagianismus holte Augustinus 421/22 mit den sechs Büchern „Gegen Julianus“ (Contra Iulianum) aus. Julianus’ Vorwurf, er sei immer noch Manichäer, hatte ihn besonders getroffen. Im ersten Buch hielt er daher dagegen, dass dann auch viele Kirchenlehrer Manichäer sein müssten, was doch nicht sein könne. Den gefährlichsten Versuch des Julianus, aus der Vita des Gegners Munition zu holen, nachdem er dessen „Bekenntnisse“ gelesen und seine Entwicklung in der Gnadenlehre verfolgt hatte, beantwortete Augustinus im sechsten Buch einmal so: „Du behauptest, auch ich selbst habe in meinem Denken Neues gewonnen und habe zu Beginn meiner Bekehrung dasselbe gedacht wie du. Aber du täuschst dich oder lässt dich täuschen, weil du entweder in böser Absicht das kritisierst, was ich jetzt sage, oder weil du es nicht verstehst oder eher noch, weil du das nicht gelesen hast, was ich damals geäußert habe.“ 65 Den rhetorischen geschulten Anwalt seiner Religion verleugnete Augustinus hier genauso wenig wie sieben Jahre später in seinem zweiten Werk, weiteren sechs Büchern „Gegen Julian“, die auf dessen acht Bücher „An Florus“ antworteten. Zur geplanten Fortsetzung kam er nicht mehr, weshalb die sechs Bücher nach einem Hinweis des Possidius als „Unvollendetes Werk“ (Contra Iulianum opus imperfectum) verzeichnet werden. 66 Augustinus griff zur Dialogform, die er etwa in „Gegen Faustus“ benutzt hatte, zitierte also zunächst den Gegner, dann seine Erwiderung. Wenn
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daher Julianus grobes Geschütz auffuhr, nahm Augustinus die Geschosse auf und schleuderte sie zurück. So warf ihm sein Gegenüber erneut vor, Manichäer zu sein, bezichtigte ihn „einzigartiger Dummheit“, „neuer Unverschämtheit“ sowie „alter Gottlosigkeit“. Daraufhin wies ihm der Bischof nach, der wahre Manichäer sei er, und forderte ihn auf, endlich zu begreifen, dass sich auf seiner Seite Dummheit, Unverschämtheit und keine alte, sondern eine neue Gottlosigkeit tummelten. 67 Die Schimpfkanonaden gingen hin und her. Nur sprach aus Julianus die Verbitterung eines abgesetzten Bischofs, der von der Richtigkeit seine Sache überzeugt war, und verbissen für sie kämpfte. Fast schien es dagegen, dass der 75-jährige Augustinus seinen Spaß daran hatte, sich in einem solchen Streitgespräch noch einmal mit einem Jüngeren zu duellieren und ihn seine Überlegenheit spüren zu lassen. Gönnerhaft bescheinigte er ihm: „Daher zweifle ich nicht, dass du schon weißt, du bist besiegt, aber mit einem leeren Wortschwall auftrittst, damit es nicht so aussieht, als seist du besiegt … .“ 68
XVI. „Wer sucht, will finden“ Eines Tages um das Jahr 420 erhielt Bischof Aurelius von seinem Freund und Kampfgefährten Augustinus ein Paket. Es enthielt das Ergebnis eines weiteren Langzeitunternehmens, das den Absender viele Jahre gekostet hatte: die fünfzehn Bücher „Über die Dreifaltigkeit“ (De trinitate). Im „Revidierten Werkverzeichnis“ sprach Augustinus untertreibend von ein paar Jahren und vermerkte einige Schwierigkeiten, die damit verbunden gewesen seien.1 Im Begleitbrief gab er über die Schwierigkeiten genauer Auskunft. Im Grunde waren sie die Folge seines Ansehens, das er als Theologe erreicht hatte. Es führte dazu, dass man ihm aus der Hand riss oder sogar unter der Hand stahl, was er geschrieben hatte. War es nur das Interesse an der Dreifaltigkeit oder die Freude, ein Erzeugnis aus der Werkstatt des berühmten Bischofs zu besitzen? Ganz ohne Stolz sprach Augustinus nicht davon. Kannte Aurelius noch einen schreibenden Bischof in Africa oder in der Weltkirche, dem es ähnlich erging? „Über die Dreifaltigkeit“ – mit diesen Worten eröffnete Augustinus den Brief, der später das Vorwort bilden sollte, um den Empfänger als denjenigen auszuweisen, dem er das Werk widmete. 2 Mit der Definition der Trinität fuhr er fort: „die der höchste und wahre Gott ist.“ Damit war im Grunde schon das Wichtigste gesagt: Die Dreiheit und der Singular „Gott“ waren identisch. Es war der Kern des christlichen Glaubens und mithin die zentrale Aussage, um die die 15 Bücher kreisen würden. Dass die Einheit in der Dreiheit ein unergründliches Geheimnis blieb, dem man sich selbst durch jahrelanges Studium und dickleibige Untersuchungen höchstens annähern konnte, gab Augustinus mit der anschließenden autobiographischen Bemerkung zu verstehen: Begonnen habe er die Bücher über die Trinität in seinen Mannesjahren, als iuvenis, veröffentlicht habe er sie im Alter, als senex. Die Altersangaben iuvenis und senex waren dehnbar, die eine ging von zwanzig bis zu vierzig oder fünfundvierzig Jahren, die andere schloss daran an oder begann erst mit sechzig Jahren. Entsprechend unterschiedlich fiel daher die genaue chronologische Bestimmung für De trinitate aus, für den Beginn der Arbeit zwischen 399 und 404 und deren Abschluss vor 426/27, dem Jahr, in dem das „Revidierte Werkverzeichnis“ verfasst wurde. 3 Danach bot Augustinus dem Freund einen Einblick in seine Werkstatt, der sich allerdings weniger auf seine Arbeit selbst als auf deren ärgerliche Begleitumstände richtete: „Freilich hatte ich das Werk aufgegeben, nachdem ich erfahren hatte, dass mir Bücher vorweg beiseite geschafft oder gestohlen worden waren, bevor ich sie abgeschlossen oder noch einmal
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durchgearbeitet hatte, wie das mein Plan gewesen war. Denn ich hatte beschlossen, sie aus dem Grund nicht einzeln, sondern alle zusammen auf einmal herauszugeben, weil die vorhergehenden mit den folgenden durch die fortschreitende Untersuchung untereinander verbunden sind. Da also wegen solcher Leute, die an einige Bücher gelangen konnten, bevor ich das wollte, mein Plan nicht zum Zuge kam, habe ich mein Diktat abgebrochen und nicht fortgesetzt in der Absicht, mich darüber gelegentlich in meinen Schriften zu beschweren, damit mögliche Leser erführen, dass diese Bücher nicht von mir veröffentlicht worden waren, sondern entwendet wurden, bevor sie mir für eine Herausgabe reif zu sein schienen. Aber gedrängt von der stürmischen Forderung vieler Brüder und ganz besonders von deinem gebieterischem Verlangen habe ich es unternommen, ein so arbeitsaufwendiges Werk mit Gottes Hilfe zu vollenden, und ich habe die vorliegenden Bücher nicht wie ich wollte, sondern wie ich konnte, verbessert, damit sie nicht allzu sehr von jenen Büchern abstechen, die mir heimlich entwendet worden waren und in die Hände des Publikums gelangt sind. Ich schicke sie dir, dem verehrten Mann, durch meinen Sohn und geliebten Mitdiakon mit der Erlaubnis, dass sie jeder sich zu Gehör bringen, abschreiben und lesen darf. Wenn ich bei ihnen meinen Plan hätte einhalten können, wären sie gewiss, ohne dass sie an Gehalt verlören, noch viel ausgefeilter und klarer, soweit das die Schwierigkeit, so große Dinge darzulegen, sowie meine Fähigkeit zuließen. Es gibt nun Leute, die die ersten vier oder eher fünf Bücher ohne Vorwort haben und das zwölfte Buch ohne einen nicht geringen Schlussteil. Sie können jedoch, wenn sie von dieser Ausgabe Kenntnis bekommen und sie es wollen oder können, die Bücher verbessern. Ich bitte dich nunmehr, dass du diesen Brief, und zwar als eigenständigen Teil, an den Anfang der Bücher stellen lässt. Bete für mich.“ Die Trinität beschäftigte Augustinus, seit er sich bekehrt hatte. In seiner früheren, in Cassiciacum verfassten Schrift „Über die Ordnung“, wo er auf den „Anfang aller Dinge“ zu sprechen kam, war die Trinität für ihn „der eine Gott, der allmächtige, und zwar der dreimächtige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist“. 4 Augustinus war nicht der einzige, dem der Heilige Geist das größte Kopfzerbrechen bereitete. Als er daher nach der Priesterweihe gebeten wurde, auf dem Konzil von Hippo 393 einen Vortrag zu halten, wählte er das Thema „Über den Glauben und das Glaubensbekenntnis“, um erstmals seine Gedanken über die Trinität zu entwickeln. 5 Er ging die einzelnen Artikel des Glaubensbekenntnisses durch und bemerkte zum Heiligen Geist vorweg, dass sogar die bedeutenden Exegeten der Heiligen Schrift ihn kaum beachtet hätten. Geschenk Gottes sei er genannt worden, „damit wir nicht glauben, Gott mache ein Geschenk, das geringer ist als er selbst“. Der Heilige Geist ist nämlich als Gottheit die Verbindung und die Liebe zwischen Vater und Sohn. Ge-
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schenk und Liebe hatte ihn Paulus im Römerbrief genannt: „Durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt ist, hat die Liebe Gottes unsere Herzen durchdrungen.“ 6 Folglich werden wir durch ihn mit Gott verbunden. Augustinus wird den Satz in seinem späteren Werk mehrmals zitieren. Der Jungpriester verteidigte damals mit seinem Vortrag auch das nicänische Symbol gegen die Arianer, zu dem sich die Bischöfe ausdrücklich bekannten. Sie stellten es bis zum Artikel über den Heiligen Geist den verabschiedeten Kanones voran und verurteilten dann in einem Nachsatz mehrere arianische Dogmen: 7 „Diejenigen aber, die behaupten: ‚es gab eine Zeit, wo er – der Sohn – nicht war‘, und ‚weil er aus Nichtseiendem geschaffen ist oder aus einer anderen Materie‘, und die den Sohn Gottes ‚veränderlich‘ nennen, die erklärt die katholische Kirche und die apostolische Lehre zu Ketzern.“ Auf die verbreitete Behauptung, Jesus sei veränderlich, hatte Augustinus in „Über die wahre Religion“ kurz und knapp geantwortet: „Gott ist die unveränderliche Trinität“. 8 Während Augustinus an den fünfzehn Büchern „Über die Trinität“ arbeitete, sandte ihm ein Bekannter die Predigt eines anonymen Arianers und bat ihn dringend, er möge rasch eine knappe Gegendarstellung verfassen. Augustinus war bekannt dafür, dass er solchen Bitten möglichst umgehend nachkam. Dieses Mal zergliederte er nicht die Schrift des Gegners, um dessen Argumente eines nach dem andern zu zerpflücken, wie er das bei den 33 Büchern gegen Faustus getan hatte. 9 Stattdessen stellte er den Gesamttext des Anonymus seiner Apologie voran, und um leserfreundlich zu sein, nummerierte er die beiden Teile gleichlaufend durch. So konnte jeder leicht die einzelnen Streitpunkte heraussuchen.10 Die Arianer waren nicht die einzigen Gegner, die Augustinus mit seinem letzten großen Werk widerlegen wollte. Einleitend unterteilte er seine Widersacher in drei Gruppen. An erster Stelle nannte er diejenigen, „die sich aus unausgegorener und verkehrter Liebe zur Vernunft täuschen lassen“ und daher nur Spott übrig haben für den „Ursprung des Glaubens“, der nach einem Wort von Jesus Sirach zusammen mit der Gottesfurcht der Anfang der Liebe zu Gott ist. 11 Die zweite Gruppe überträgt auf Gott die menschliche Natur und Gefühlswelt. Schließlich die dritte Gruppe derer, die von der veränderlichen Schöpfung ausgehend nach dem unveränderlichen Wesen Gottes fragen und sich den Anschein geben, zu wissen, was sie nicht wissen, und weil sie wissen wollen, was sie nicht wissen können, sich den Weg zur Einsicht verbauen. 12 Alle drei Gruppen verband die Frage nach der Erkenntnismöglichkeit und der Erkenntnisfähigkeit des Menschen, die die Philosophie seit den Vorsokratikern gestellt hatte, sofern sie nicht wie die Skeptiker das Problem überhaupt als unlösbar verwarfen. Ihnen wollte Augustinus nun zeigen, dass eine Einsicht in die Trinität, wenn auch keine vollkommene,
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möglich war, falls man das Pferd nicht vom Schwanz her aufzäumte, also vom Menschen und seiner Vernunft ausging. Hatte sich die Trinität doch selbst geoffenbart, und das nicht nur in den Schriften des Neuen, sondern auch des Alten Testaments. Schon in den „Bekenntnissen“ hatte Augustinus zum ersten Satz der Genesis: „Gott schuf Himmel und Erde“ erklärt, dieser Gott sei „die eine Trinität und die Einheit in der Dreiheit“. Der Gott, der im zweiten Satz der Genesis über den Wassern schwebte, war der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, „der schwebte“, nicht „die schwebten“; die Grammatik fiel der Theologie keineswegs in den Rücken. 13 Die Trinität selbst achtete an einer anderen Stelle des ersten Genesiskapitels auf die Grammatik, um die Menschen auf sich aufmerksam zu machen: „Und Gott sprach: ‚Lasst uns den Menschen nach unserem Bild und Gleichnis machen‘.“ 14 In den ersten vier Büchern häufte Augustinus die direkten und indirekten Aussagen, die er in beiden Testamenten zur Trinität aufspürte. Hier machte sich seine jahrelange Beschäftigung mit dem Thema bezahlt. Nachdem der Exeget so das Fundament gelegt hatte, ging er im fünften und sechsten Buch der Beziehung innerhalb der Trinität nach. Er rang mit der Terminologie, die so leicht in die Irre führen konnte. Die verschiedenen Eigenschaften, die der Trinität zugeschrieben werden, sind kein Haben, kein Akzidenz, sondern ein Sein, und sie fallen in Eins zusammen, sind also nicht „dreiteilig“ oder „dreifach“.15 Auch sollte man nicht, wie er im siebten Buch zeigte, von drei Personen aus derselben Wesenheit sprechen, als ob es noch andere Wesenheiten gäbe. Das sei menschlich gedacht und widerspreche der vollkommenen Einheit der Trinität.16 Augustinus sah die Gefahr, dass sich durch Worte der Alltagssprache wie Vater und Sohn falsche Vorstellungen verbreiteten. Daher betonte er im achten Buch noch einmal: Der Vater ist nicht größer als der Sohn, und beide zusammen nicht größer als der Heilige Geist. 17 Dessen Stellung musste immer wieder verteidigt werden. Ein Mittel, um sich die Trinität, wenn auch unvollkommen, begreiflich zu machen, sind Dreiheiten, die beim Menschen vorkommen: Der Verstand, die Selbsterkenntnis und die Liebe, mit der der Mensch sich und seine Selbsterkenntnis liebt. Oder: Die Erinnerung, die Einsicht und der Wille. Oder: Das Objekt, der Sehvorgang und die Form des Objekts, die der Sehende dank seiner Sehkraft aufnimmt. Die Existenz solcher Ternare, die Augustinus in den Büchern 9–11 anführte, erklärte er in Buch 12 daraus, dass der Mensch nach dem Bild und Gleichnis der Trinität geschaffen sei, wie die obige Genesisstelle besagte.18 Auch um das Verhältnis von Wissenschaft und Weisheit ging es in Buch 12: Die eine bezieht sich auf die menschlichen, die andere, höhere auf die göttlichen Dinge. Christus, der Mensch gewordene Gottessohn, vereinigt beide, wie das Paulus im Kolosserbrief gesagt hat. Die Synthese von Mensch und Gott half Augustinus auch dort,
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wo biblische Stellen die Trinität gefährdeten, etwa bei Jesu Selbstaussage im Johannesevangelium: „Ich gehe zum Vater, weil der Vater größer ist als ich.“ Hier sprach nämlich das „Fleischgewordene Gotteswort“ des Johannesprologs, der „Mensch Christus Jesus“, der sich „zu unserem Heil“ zum „Mittler zwischen Gott und den Menschen“ gemacht hat.19 Augustinus teilt in Buch 14 Paulus’ Erwartung, dass der äußere Mensch vergeht, „unser innerer Mensch aber von Tag zu Tag erneuert wird“, nämlich „in der Erkenntnis Gottes“, das heißt „in Gerechtigkeit und in der Heiligkeit der Wahrheit“. Er verbindet drei Aussagen des Apostels aus dem Zweiten Korintherbrief und den Briefen an die Epheser und Kolosser. 20 Aber der Theologe weiß auch nach fünfzehn Büchern über die Trinität, dass er immer noch dort steht, wo er vor Jahren im letzten Buch der „Bekenntnisse“ gestanden hat: „Denn wie Du tatsächlich bist, weißt Du allein.“ 21 Trotzdem hat er über all die Jahre nicht aufgehört, weiterzusuchen. Denn „wer sucht, will finden“, wie er am Ende des neunten Buches versichert. 22 Das Geheimnis wird bleiben, solange er lebt, und so hoffe er auf die Ewigkeit. Verstreut über das Gesamtwerk zitiert er fünfundsechzigmal wörtlich oder teilweise oder auch nur andeutend einen Paulussatz aus dem Ersten Korintherbrief, fünfundzwanzigmal allein in Buch 15: „Denn jetzt blicken wir rätselnd durch einen Spiegel, dann aber von Angesicht zu Angesicht.“ Keinen anderen Vers der Bibel führt er so oft an. 23 Augustinus war sich im Klaren, dass er bei vielen auf Widerspruch stoßen werde, „weil sie nicht das hören, was sie wollen, oder weil sie vermuten, ich ginge in schlauer Weise vor, um mein Nichtwissen zu verbergen, oder ich täte es in böswilliger Weise, weil ich ihnen ihr Wissen neide, und so gehen sie empört und verwirrt weg“. 24 Er gab sogar zu, dass er sich in Einzelheiten geirrt haben könnte. Aber der Gegenstand bleibe schwierig, und er erwarte nicht, dass ihm alle Leser zu folgen vermöchten. Doch so sei es nun einmal: „Denn kein Mensch hat je so gesprochen, dass er in allem von allen verstanden wurde.“ Wem seine Ausführungen missfallen, solle doch bitte bei anderen Autoren, die sich mit so schweren Fragen befassen, nachschauen, ob er diese verstehe. „Wenn ja, soll er mein Buch beiseitelegen oder sogar, wenn er denn meint, es wegwerfen und lieber für diejenigen, die er versteht, Mühe und Zeit opfern.“ 25 Mit diesen Sätzen eröffnete der Verfasser die Nachgeschichte seines Werkes, dessen Wirkung nur mit der seiner „Bekenntnisse“ und seines „Gottesstaates“ konkurrieren kann. 26 Während der jahrelangen Plackerei musste sich Augustinus nicht nur über gestohlene Manuskriptblätter ärgern. Es gab auch erfreuliche Unterbrechungen: Bischof Euodius von Uzalis in der Africa proconsularis hatte erfahren, an welchem Thema sein befreundeter Mitbruder arbeitete, und wollte daher sein eigenes Wissen über die Dreifaltigkeit vertiefen. Augustinus sandte ihm einen vorläufigen Essay, nicht ohne ihn zu warnen, dass
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die Bücher, die er bereits verfasst habe, nur von wenigen verstanden würden. 27 Ein anderer Bischof, Peregrinus aus Thaenae in der Byzacena, hatte in seiner Gemeinde einen neubekehrten Arzt namens Maximus. Daher bat er Augustinus und Alypius, sie möchten ihm über die für einen Konvertiten schwierigste Hürde hinüberhelfen, die Trinität. Wohl ohne den Freund in Thagaste lange zu fragen, diktierte Augustinus einen umfangreichen Brief zu dem Thema. 28 Eingangs bedauerte er, dass die Familie des Arztes noch nicht katholisch geworden sei. Er hoffe jedoch, dass sie es bald werde. Höflicherweise ergänzte er nicht: nachdem sie seinen Brief gelesen habe. Machte er sich Sorge, dessen dorniges Thema könne eher abschrecken? Den Verdacht verstärkt der Schluss des Briefes, wo er dem Familienoberhaupt eindringlich zuredete, er möge zu Hause Bekehrungsarbeit leisten, sodass recht bald „mein Herz mit Freude und meine Zunge mit Jubel erfüllt werde“. Er verschwieg, dass er sich für den Ausdruck seiner künftigen Begeisterung eines Psalmverses bediente. Sein Mitbruder Peregrinus mochte ihn dem Neuling zusammen mit den zehn anderen Zitaten aus dem Alten und Neuen Testament entschlüsseln, die er über den Brief verstreute. 29 Für die Zukunft wichtiger wurde der dritte Katholik, der sich von Augustinus über die Trinität belehren lassen wollte, der Militärtribun Bonifatius. Wie die beiden anderen schrieb er um das Jahr 417 an den Bischof. Augustinus war entzückt, dass der „geliebteste Sohn Bonifatius“ zwischen „Kriegs- und Waffengeschäften“ Zeit für religiöse Fragen fand. Er zeigte seine Freude durch eine Antwort, die aus dem Brief wieder einmal ein Buch werden ließ. Im „Revidierten Werkverzeichnis“ gab er ihm den Titel „Über die Besserung der Donatisten“ (De correctione Donatistarum). Denn nur zu Beginn streifte er die Trinität und ging dann zur Auseinandersetzung mit denen über, „die sich durch die kaiserlichen Gesetze nicht bessern lassen wollten“. 30 Augustinus’ Bemerkung, manche Donatisten versuchten Goten für ihre Konfession zu gewinnen, deutete auf den Anlass für Bonifatius’ Anfrage: Er kommandierte eine Einheit gotischer Hilfstruppen, die einen Abschnitt des africanischen Limes im Süden des Landes gegen die unruhigen jenseitigen Stämme verteidigten. 31 Die Goten hatten sich seit der Mitte des vierten Jahrhunderts dem Arianismus zugewandt, und nun machten einige Donatisten den gotischen Soldaten weis, sie beide seien Glaubensbrüder. 32 Empört über diese Frechheit definierte Augustinus kurz den Arianismus, der dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist dasselbe Wesen (substantia) abstritt. Dann rollte er aus dem Stegreif die Geschichte des Donatismus von Anfang an auf und zeichnete die Spur der Verwüstung, die er bis jetzt hinterlassen hatte. Gedeckt durch die kaiserlichen Gesetze dürfe der Tribun im bewaffneten Kampf gegen die Gewalttätigen unter den Schismatikern nicht nachlassen. Doch es gab auch
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andere Donatisten. An sie dachte Augustinus, als er zum Schluss Bonifatius die Aufgabe stellte, die Gutwilligen im Gespräch zu bessern oder sie den Kirchenlehrern zuzuführen, die für ihre Besserung sorgen würden. 33 Zum Militäreinsatz brauchte Augustinus nichts zu erklären. Aber leider schwieg er sich aus, wie der Offizier seine friedliche Aufgabe anpacken sollte. Bonifatius scheint sich jedoch zumindest Gedanken gemacht und darüber nach Hippo berichtet zu haben. Mehr besagte Augustinus’ einer Satz nicht, der sich aus seinem darauffolgenden Antwortbrief erhalten hat: „Mir ist hochwillkommen, dass du unter deinen zivilen Aufgaben die Sorge um die Religion nicht vernachlässigst und Menschen, die sich abgespalten und getrennt haben, auf den Weg des Heils und des Friedens zurückzuholen wünschst.“ 34 Augustinus lag daran, die Verbindung mit Bonifatius nicht abreißen zu lassen und seine Frömmigkeit zu vertiefen. Man konnte nie wissen, ob man nicht einmal einen Glaubensgenossen in hoher Stellung nötig haben werde. Gern benutzte er daher die zufällige Gelegenheit, ihm Grüße zu bestellen: In Hippo war ein Schiff gestrandet mit Passagieren, wahrscheinlich Soldaten, die sich auf dem Weg zu Bonifatius befanden. Augustinus gab ihnen einen Brief mit, in dem er ihm berichtete, wie er sich um die Havaristen gekümmert habe. Von ihm selbst habe er inzwischen nur Gutes gehört, und laut dem, was er darüber im Einzelnen aufzählte, erfüllte Bonifatius das Idealbild eines christlichen Offiziers: selbst bei militärischen Unternehmungen suche er den Frieden mit Gott. 35 Doch eben dieser Spagat bereitete Bonifatius Kopfzerbrechen. Er bat ein weiteres Mal Augustinus um Rat, der die Antwort rasch zu Papier brachte, weil gerade ein Eilbote vorbeikam. 36 Nachdem er den Tribun an Jesu doppeltes Liebesgebot erinnert hatte, kam er zum Punkt: „Glaube nicht, der könne Gott nicht gefallen, der Kriegsdienst mit der Waffe leistet.“ König David im Alten Testament und der Centurio Cornelius in der Apostelgeschichte sind Gegenbeispiele. Auch Johannes der Täufer lehnte den Kriegsdienst nicht ab, als er Soldaten mahnte, niemanden zu verprügeln oder zu erpressen und mit ihrem Sold zufrieden zu sein. Hatte doch Paulus versichert, ein jeder habe von Gott seine je eigene Gnadengabe bekommen, der eine die, der andere jene. 37 So kämpfe Bonifatius gegen sichtbare Feinde zum Schutz für Menschen, die für ihn gegen unsichtbare Feinde kämpften, indem sie für ihn beteten. Die Zwangslage, nicht der Wille soll den Feind schlagen. Ist er besiegt oder gefangen, gebührt ihm Mitleid, um einen dauerhaften Frieden zu sichern. Denn der Friede muss Ziel jedes Krieges sein. Gedanken klangen an, die Augustinus im „Gottesstaat“ weiter ausführte. 38 Zum Schluss mahnte er Bonifatius zur ehelichen Keuschheit. 39 Überraschen mochte der Themenwechsel nur den Weltfremden, der noch nie etwas von der uralten und unausrottbaren Symbiose von Soldatenstand und käuflicher Liebe gehört hatte.
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Fast schien es, als habe Augustinus eine Ahnung gehabt. Um 427 schrieb er einen weiteren Brief an Bonifatius, der Licht auf sein privates Leben und auf die Verwicklungen warf, in die politischer Ehrgeiz den Tribun im vergangenen Jahrzehnt geführt hatte. 40 Die Reichspolitik war davon ebenso betroffen wie die Verhältnisse in Africa und mithin das Leben der Provinzialen, sodass ein verantwortungsvoller Bischof nicht die Augen verschließen und sich auf stille Gemeindearbeit beschränken konnte. Augustinus begnügte sich hier allerdings mehr mit Andeutungen, die sich durch andere Zeugnisse ergänzen lassen. Ein tiefer Einschnitt in Bonifatius’ Leben war der Tod seiner Frau. Der Witwer, der sich damals im numidischen Tubunae befand, war so untröstlich, dass er seine Stellung aufgeben wollte, um ein Leben „in der Gemeinschaft der Heiligen“ zu führen, „wo die Soldaten Christi im Stillen kämpfen“. Man hätte annehmen sollen, Augustinus wäre von seiner Absicht begeistert gewesen, er, der Vorsteher einer Klostergemeinschaft, der so manchen für das Mönchsideal gewonnen oder zu gewinnen versucht hatte. Aber die Vorstellung, einen katholischen Offizier zu verlieren, der sich im Kampf gegen Barbaren und Donatisten bewährt hatte, jagte ihm einen solchen Schrecken ein, dass er seinen Freund Alypius alarmierte und beide die Reise von mehr als dreihundert Kilometern auf sich nahmen, um den Untröstlichen umgehend zur Besinnung zu bringen, zu der er wahrscheinlich nach einer gewissen Trauerzeit von selbst gekommen wäre. 41 Obwohl Augustinus’ Freundschaftsdienst nicht ganz uneigennützig war, dankte ihm Bonifatius später mit einer bedeutenden Spende für seine Kirche. Wahrscheinlich brachte er sie bei einem Besuch in Hippo mit. Leider war Augustinus wieder einmal so krank, dass er den Freund nicht empfangen konnte. 42 Im Jahr 423 wurde Bonifatius zum Comes Africae befördert. Zuvor war er in Spanien, um mit dem Heermeister Flavius Castinus gegen die Vandalen zu kämpfen. Er überwarf sich aber mit seinem Vorgesetzten und kehrte nach Africa zurück. 43 Machtkämpfe in der Generalität brachen erst recht aus, nachdem Kaiser Honorius am 15. August 423 gestorben war. Bonifatius setzte auf die Kaiserschwester Galla Placidia gegen den Usurpator Johannes, der vergeblich versuchte, ihm Africa zu entreißen. 44 Seine erfolgreiche Verteidigung ließ ihn zu einem politischen Schwergewicht werden. Galla Placidia, die nach Johannes’ Sturz 425 den Westen des Reiches als Kaiserin regierte, belohnte seine Treue mit einer Rangerhöhung: Bonifatius wurde Oberkommandierender aller in Africa stehenden Truppen. Augustinus nannte den Titel und erklärte dazu, dass er jetzt über ein großes Heer und große Macht verfüge. 45 Dass diese Macht auch darin bestand, dass er jederzeit die Getreideausfuhr nach Italien sperren und die dortigen Machthaber in Schwierigkeiten bringen konnte, verschwieg der höfliche Briefschreiber. Diese Taktik war altbekannt. Ob Bonifatius sie
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wie Heraclianus 413 zur Usurpation nutzen werde, fragten sich nicht nur Galla Placidia, sondern auch ihre beiden Heermeister Felix und Flavius Aëtius. Um den Verdacht auszuräumen, wurde Bonifatius nach Ravenna zitiert. Er habe getreu dem Pauluswort im Römberbrief der Obrigkeit gehorchen müssen, sagte Augustinus dazu und fuhr fort: Doch in Italien zum zweiten Mal heiraten, das habe er nicht gemusst. Die Leidenschaft, der Bonifatius in Tubunae abschwören wollte, hatte ihn also wieder ergriffen. Wenigstens war die Frau vom arianischen zum katholischen Glauben übergetreten. Ihren Namen Pelagia nannte Augustinus nicht. Das war eine kleine Spitze, bevor die große Empörung kam: Bonifatius ließ die Taufe einer Tochter und die Wiedertaufe von Nonnen durch Häretiker zu, und er begnügte sich nicht mit seiner Frau, sondern benötigte noch Konkubinen. Dem Seelsorger blieb nur die schwache Hoffnung, dass das böse Gerüchte waren. 46 Aber wurden die Gerüchte nicht durch die schlechte Politik bestätigt, die der einst so tüchtige Offizier jetzt betrieb? Sie konnte in Augustinus’ Augen nur die Folge moralischen Versagens sein. 47 Der Verdacht unter Bonifatius’ Gegnern schwelte weiter, weshalb er noch einmal am Hof erscheinen sollte. Er fürchtete um sein Leben, und dieses Mal weigerte er sich, zu gehorchen, worauf Felix Truppen nach Africa sandte, um ihn abzusetzen. Bonifatius besiegte sie, weil er zu einem Mittel griff, das Generäle in Bürgerkriegen immer wieder angewandt hatten, um sich zu verstärken: Er dünnte die Grenzverteidigung aus. Auch die Auswirkung des Mittels hatte das Reich oft genug erlebt: Die Stämme jenseits der Grenze nutzten die Gelegenheit und verstärkten in den gegenüberliegenden Provinzen ihre Raubzüge. Das war der Hintergrund von Augustinus’ Anklage: Hatte Bonifatius beim Amtsantritt als Comes Africae schwadroniert, er werde die Barbaren nicht nur besiegen, sondern tributpflichtig machen, so sahen sich die geplagten Provinzialen jetzt in ihren Hoffnungen bitter getäuscht. 48 Wappnen musste sich Bonifatius außerdem gegen innere Feinde. Denn selbstverständlich würde der Kaiserhof auf allen möglichen Wegen die Botschaft in Africa verbreiten, der bisherige Befehlshaber sei abgesetzt und werde als Hochverräter zur Rechenschaft gezogen. Wieder ohne auf die ursächlich Gefahr einzugehen, blickte Augustinus nur auf das Ergebnis und kleidete seine Trauer über die Entwicklung in eine lange Anfrage an Bonifatius: „Wer sieht wohl nicht, dass viele Leute dir anhängen, um deine Macht und dein Wohl zu schützen, die – mögen sie dir auch treu sein und mag von keinem von ihnen irgendein Hinterhalt zu befürchten sein – dennoch danach streben, durch dich zu denjenigen Gütern zu gelangen, die sie nicht Gottes, sondern der Welt wegen lieben, und dass du deswegen gezwungen bist, fremdes Verlangen zu erfüllen, der du dein eigenes hättest zügeln und bezähmen müssen?“ 49 Augustinus hatte erfahren oder selbst
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beobachtet, dass sich Bonifatius die Loyalität vor allem des Offizierskorps und der Soldaten erkaufte. Denn ohne Sonderzahlungen zum üblichen Sold, den donativa, vergaßen sie in Krisen leicht ihren Treueid, wenn die Gegenseite mit mehr Geld lockte. Die donativa für das Heer wurden für die steuerpflichtigen Provinzialen zu einer zusätzlichen Last. Die Africa proconsularis oder zumindest die Einwohner von Karthago und dem Umland mussten noch eine weitere Last tragen: Bonifatius ließ die Stadt 425 mit einer Befestigungsmauer umgeben. Sie sollte weniger gegen Barbaren aus dem Süden schützen als gegen Angreifer, die übers Meer aus Italien kamen. 50 Sprach aus Augustinus’ Gegensatz zwischen dem fremden und Bonifatius’ eigenem Verlangen die Vermutung, der Comes Africae habe die Absicht, nach der Kaiserkrone zu greifen? Mancher General, der mit der Zentralregierung in einem lebensbedrohlichen Streit geraten war, hatte diesen Rettungsweg gewählt. Der Heermeister Silvanus tat es 355 in Köln und scheiterte. Berühmter, weil erfolgreicher, war Julian der Abtrünnige, der sich 360 in Paris gegen Kaiser Constantius II. erhob. 51 Es war eine alte Tradition, dass die Soldaten bei einer Kaiserproklamation ein weiteres Geldgeschenk erhielten, weshalb sie bisweilen bereitwillig einen Usurpator unterstützten. Gerade für ihn empfahl es sich, gegenüber den Truppen, die ihn erhoben hatten und seine Machtbasis bildeten, nicht zu knausrig zu sein. 52 Bonifatius’ Verlangen war das Stichwort, das Augustinus zum eigentlichen Ziel seines Briefes führte: In die Politik wolle er ihm nicht hineinreden. Er könne ihm nur „von Gottes wegen“ Ratschläge erteilen. Sie liefen auf nichts weniger hinaus, als dass Bonifatius das tun möge, was er einst in Tubunae tun wollte und wovon ihm Augustinus und Alypius damals dringend abgeraten hatten: Er solle seine Stellung aufgeben, Buße für seine Sünden tun, fasten, beten und seinen Reichtum für Almosen verwenden. Das sei der wahre Sieg über sein falsches weltliches Verlangen, und der werde ihm die ewige Seligkeit sichern. 53 Der Prediger Augustinus war in seinem Element. Auch das berühmte Jesuswort durfte nicht fehlen: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden erleidet an seiner Seele?“ 54 Solche Ratschläge hatte Augustinus oft gegeben. Nur: da war er in der Kirche und redete gläubigen Zuhörern ins Gewissen. Sollten sie in ihrem Privatleben dem Bischof aufs Wort folgen, so hatten darunter schlimmstenfalls ihre Familien zu leiden, die mit dem radikalen Sinneswandel eines Angehörigen, etwa gar des Hausvaters, nicht zurechtkamen. Anders beim Oberkommandierenden der africanischen Provinzen, der gerade seine Stellung gegen zwei Invasionsarmeen verteidigt hatte. Fast schien es, als wollte Augustinus den Feinden des Bonifatius in Italien gefällig sein und eine geplante weitere Invasion überflüssig machen. Der
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Bischof wog die zeitlichen Güter, die Gute und Böse erringen, ab gegenüber den überzeitlichen, die nur den Guten zuteilwerden, den militärischen Sieg über Feinde, die weltlichen Ehren und die Macht auf der einen Seite gegenüber dem Seelenheil, dem Sieg über feindliches Verlangen und dem ewigen Frieden auf der anderen Seite. 55 Würde sich Bonifatius für die höheren Werte entscheiden, so hätte der schwelende Bürgerkrieg sofort ein Ende, zumal die Gegenseite nicht nur schlechte, sondern auch gute Gründe hatte. Behutsam wurde der Bischof entgegen seiner Ankündigung doch noch zum politischen Ratgeber. Nur scheiterten seine moralischen Erwägungen, wie Bonifatius’ weitere Karriere zeigte, an den harten Tatsachen der Machtpolitik und an dessen politischem Ehrgeiz. Der Comes Africae wurde 432 von Galla Placidia zum Heermeister befördert. Im selben Jahr besiegte er seinen Rivalen Aëtius bei Rimini, erlitt aber in der Schlacht eine Verwundung, an der er wenige Tage später starb. 56 Nur vermuten kann man, der Sterbende habe in seinen letzten Lebenstagen so manches Mal an seinen Freund Augustinus gedacht und bedauert, seine weisen Worte in den Wind geschlagen zu haben. Augustinus war zu der Zeit bereits zwei Jahre tot. Sonst hätte auch er sich auf die Nachricht von Bonifatius’ Schicksal hin vielleicht gesagt, dass er, wie so oft in seinen Briefen und Predigten, mit Gottes Hilfe auch dieses Mal die richtigen Worte gefunden habe. Für einen weiteren Rat am Ende des Briefes wird Bonifatius allerdings nur ein Schmunzeln übrig gehabt haben: Er möge seine Frau überreden, sie sollten in Zukunft enthaltsam miteinander leben. Weil Augustinus jedoch aus eigener Erfahrung wusste, dass Enthaltsamkeit im Ehebett fast ein Ding der Unmöglichkeit war, revidierte er sich sofort: Falls das von seiner Frau zu viel verlangt sei, solle er ihr wenigstens die eheliche Treue bewahren. Für einen Offizier, der oft wochenlang nicht nach Hause kam, war das schwer genug. Keinen Zweifel hatte der Ehemann an Augustinus’ abschließender Versicherung, die Liebe habe ihm befohlen, diesen Brief zu schreiben. 57 Das war im Jahr 427, noch bevor der Heermeister Felix erneut versuchte, Bonifatius zu entmachten. Den Auftrag dazu gab er dem germanischen Heerführer Sigisvult. Er war wie die meisten Germanen Arianer und versuchte, die Gegenseite durch religiösen Zwist zu schwächen. Dazu sandte er den ihn begleitenden arianischen Bischof Maximinus nach Hippo, damit er für seine Konfession werbe. Ihm trat zunächst der Priester Eraclius entgegen, den Augustinus als seinen Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von Hippo ausgesucht hatte. 58 Er war dem Arianer jedoch rhetorisch nicht gewachsen, sodass sich Augustinus einem öffentlichen Disput stellen musste, der viele Kleriker und Laien anzog. Die anfängliche Kontroverse in Rede und Gegenrede ging in einen Vortrag des Maximinus über, der so lang ausfiel, dass ihm Augustinus an dem Tag nur noch kurz antworten konnte. Der Verlauf der Diskussion wurde von einem Schreiber mitstenographiert und
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als „Disput mit dem arianischen Bischof Maximinus“ (Conlatio cum Maximino Arrianorum episcopo) unter Augustinus’ Werke aufgenommen. 59 Der versprach zum Schluss eine ausführliche schriftliche Widerlegung und machte sich sofort an die Arbeit. Sie erhielt den Titel „Gegen den Arianer Maximinus“ (Contra Maximinum Arrianum). 60 Wie schon in der Diskussion, so trugen auch hier die 15 Bücher „Über die Dreifaltigkeit“ vor allem dort ihre Früchte, wo es um die Rolle des Heiligen Geistes ging. Sigisvult gelang es nicht, sich des Bonifatius zu bemächtigen, und den Bürgerkrieg durch Truppennachschub auszudehnen verbot eine neue Gefahr. 428 waren Nachrichten an den Kaiserhof gedrungen, dass die Vandalen beabsichtigten, mit dem gesamten Stamm nach Africa hinüberzugehen. 420 hatten sie sich in Andalusien festgesetzt, 422 den Feldherrn Castinus zu einem schmählichen Rückzug gezwungen, und seit 425 suchten sie die Balearen und Mauretanien heim. 428 starb ihr König Gunderich. Nachfolger wurde sein Halbbruder Geiserich, der energisch die Eroberung der reichen africanischen Provinzen jenseits des Meeres betrieb. Sie versprachen seinem Stamm eine glänzende Zukunft. 61 In Ravenna beschloss man, Bonifatius die Hand zur Versöhnung zu reichen. Friedensbote war Darius, kein Arianer, sondern ein Katholik. Begleitet wurde er von Verimodus, der wahrscheinlich ebenfalls katholisch war. Dass sie bei der Gelegenheit Augustinus kennenlernen wollten, Darius sogar schon einige seiner Werke gelesen hatte, war gewiss nicht der Hauptgrund für ihre Wahl. Aber prominente Bischöfe wie Augustinus konnten bei den Friedensbemühungen behilflich sein. Die Überlegung war richtig. Kaum war Darius im Herbst 428 in Africa gelandet, suchte ihn Bischof Urbanus erst in der Nähe von Karthago auf, dann wieder an seinem Bischofssitz Sicca. Bald darauf traf Darius sich weiter westlich in Sitifis mit Bischof Novatus. Die beiden Bischöfe wussten von Augustinus’ Freundschaft mit Bonifatius und seinem Friedenswunsch, weshalb sie ihm sofort von ihrer Begegnung mit Darius berichteten. Novatus schrieb ihm, und Urbanus kam selbst nach Hippo. Umgehend sandte Augustinus einen Brief an Darius, und es war mehr als die übliche Höflichkeit, dass er sich begeistert zeigte über den guten Eindruck, den der fromme und gebildete Katholik bei seinen Amtsbrüdern hinterlassen hatte. Augustinus hätte ihn gern persönlich begrüßt. Aber Altersschwäche, dazu eine Erkältung in der Winterzeit hinderten ihn. Dem Bibelkenner gab er für seine Mission als erstes die Verheißung Jesu in der Bergpredigt mit: „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ 62 Dazu erklärte er: Feldherren müssen manchmal in den Krieg ziehen, aber größeren Ruhm gewinnen diejenigen, die Kriege mit Worten statt mit Waffen führen und den Frieden durch den Frieden gewinnen. Wenigstens sei Darius in der glücklichen Lage, kein Blut vergießen zu müssen. 63
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Das enthusiastische Augustinusporträt, das Darius in seiner Antwort entwarf, sollte nicht lediglich die rhetorischen Fähigkeiten des gebildeten Absenders vorführen. Unverstellt war seine Freude, von einem Mann, „dessen Ruf so ruhmvoll, so gewaltig war“, eines Briefes gewürdigt zu werden. Allerdings musste Darius zugeben, dass der Krieg mit Worten bisher keineswegs gewonnen, sondern nur hinausgeschoben war. Bonifatius schien also zu zögern, das Angebot aus Ravenna anzunehmen. Vorläufig blieb daher dem Briefschreiber allein die Bitte, Augustinus möge für das römische Reich und den römischen Staat beten sowie für diejenigen, die er seines Gebetes für würdig erachte. Wenn er dann „nach langer Zeit“ in den Himmel komme – Darius spielte auf den Wunsch des Horaz für Octavianus Augustus an – so möge er das Bittgebet an seine Nachfolger weitergeben. 64 Weiter berichtete der Absender von seiner Familie, die schon seit drei Generationen christlich sei, während ihn bisweilen aus eitlem Stolz überflüssiger Aberglaube betört habe. Das Bekenntnis war die geschickte Einleitung zu dem Wunsch, Augustinus möge ihm ein Exemplar seiner „Bekenntnisse“ schicken. Mehrere Werke von ihm habe er schon von anderen erhalten. Nicht weniger elegant war der anschließende Vergleich mit der apokryphen Geschichte von Jesus und König Abgar von Edessa, den der Gottessohn aus der Ferne geheilt und mit einem Brief beglückt hatte. Zum Dank versprach Darius, dem erkälteten Bischof eine Medizin zu schicken. 65 Darauf antwortete Augustinus in einem zweiten Brief, in dem er gleich zu Beginn sich entschuldigte, dass er viel rede, aber kaum etwas sage. 66 Eine lange Reihe von Freundlichkeiten, geschmückt mit Bibelzitaten, folgte. Wichtig war ihm nach Darius’ Bitte um die „Bekenntnisse“, denen er weitere Titel mitzuschicken versprach, dass ein Mann dieser Stellung für die Verbreitung seiner Werke sorgte und so seinen Kampf gegen das Heidentum unterstützte. Von Politik sprach er nicht mehr, bis auf den Schlussgruß an Verimodus, den er dunkel das „Unterpfand des Friedens“ nannte, das bei Darius hinterlegt sei. 67 Ob Augustinus die Medizin erhielt, die ihm Darius versprochen hatte? Und wenn ja, ob sie ihm half? Wer sich in seinem Alter so wenig schonte wie er, war in der kalten Jahreszeit leicht für Erkältungskrankheiten anfällig. „Frondienst“ wurden ihm mittlerweile seine Antworten auf die zahlreichen Briefe, die Anfragen und Bitten an ihn richteten. Sie stahlen ihm die Zeit, die er lieber für seine religiöse Schriftstellerei verwandt hätte. 68 Besonders zornig machte ihn ein Übel, das sich schon lang in Africa eingenistet hatte, in der letzten Zeit aber schlimmer geworden war: Banden von Sklavenhändlern aus dem kleinasiatischen Galatien durchstreiften die dünnbesiedelten Gegenden Numidiens, fingen die Landbewohner und verkauften sie ohne Rücksicht auf ihr römisches Bürgerrecht über das
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Meer. Sie überfielen kleine Dörfer, töteten die Männer und verschleppten die Frauen und Kinder. Mächtige Privatleute und korrupte Beamte steckten mit ihnen genauso unter einer Decke wie Schiffskapitäne im Hafen von Hippo, der zum Umschlagplatz für den Sklavenhandel geworden war. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte ein Gesetz des Honorius zwar den Verkauf von Sklaven aus Africa über das Meer verboten, aber nicht ausdrücklich von versklavten Freien gesprochen. Augustinus schrieb an seinen Freund Alypius, der sich im Jahr 427 in Rom aufhielt, er möge am Kaiserhof vorstellig werden, damit diese Gesetzeslücke geschlossen werde. 69 Drastische Einzelheiten des Elends, die er anführte, sollten weniger den Empfänger aufrütteln, der solche Verbrechen aus eigener Erfahrung kannte, als ihm Material für seinen Vorstoß liefern. Vor allem aber sollten sie verkünden, dass die Diözese Hippo kein Einzelfall war und die Kirche einen verzweifelten Kampf gegen ein himmelschreiendes Unrecht kämpfte, das die gesamte africanische Küste heimsuchte und nur durch energisches Eingreifen des Staates auszurotten war.70 Einmal gelang es Klerikern aus Augustinus’ Kloster, die ein Glaubensgenosse alarmiert hatte, im letzten Augenblick hundertzwanzig Menschen zu befreien, darunter fünf oder sechs Kinder, die von ihren Eltern verkauft worden waren. Da das Kloster nicht in der Lage war, alle Geretteten zu ernähren, bat man Gemeindemitglieder, bei ihrer Versorgung mitzuhelfen. Unterstützt von ihren einheimischen Spießgesellen verlangten die Sklavenjäger anschließend sogar von der Kirche Entschädigung für den ihnen entgangenen Gewinn. Eine geldgierige Dame aus Hippo machte sich unter dem Vorwand, Holz kaufen zu wollen, ebenfalls auf die Jagd und fing Frauen ein, die sie den Sklavenhändlern auslieferte. Noch erschütternder war der Fall eines bisher tadellos arbeitenden Pächters von Kirchengut, der seine unbescholtene Frau, die Mutter seiner Söhne, bei den Galatern zu Geld machte. Denen ging auch ein Sekretär des Klosters ins Netz, ein junger Mann von zwanzig Jahren, den die Kirchenleute nur mit Mühe wieder frei bekamen. 71 Augustinus blieb selbst jetzt der Seelsorger, der Mitleid mit den schlimmsten Sündern hatte: Alypius möge alles unternehmen, damit in eine neue Verordnung nicht wieder die Geißelhiebe mit der Bleikugelpeitsche aufgenommen würden, die Honorius im vorhergehenden Gesetz für Sklavenhändler vorgesehen hatte. Denn diese Strafe würde leicht mit dem Tod des Delinquenten enden.72 Harmlos dagegen – und daher für den sanften Possidius berichtenswert – war der Ärger, den Augustinus bisweilen im Kloster mit einem Kleriker oder Laienbruder hatte, der sich nicht an die Hausordnung hielt. Als milde Strafe wurde ihm der Wein gekürzt, der bei Tisch nie fehlen durfte. Ansonsten war das Essen frugal und vegetarisch. Fleisch gab es nur für Kranke und Gäste. Wichtiger war Augustinus eine Lesung während der geregelten
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Mahlzeiten und das anschließende Gespräch, bei dem er sich alle scharfen Töne verbat.73 Streng achtete er darauf, dass das Ideal der frühen Jerusalemer Apostelgemeinde eingehalten wurde und allen „alles gemeinsam war“. In einer Predigt des Jahres 425 nahm er umherschwirrende Gerüchte und Verleumdungen über seine und des Klosters Reichtümer zum Anlass, einen Rechenschaftsbericht zu einzelnen Diakonen und Priestern abzulegen, die beim Eintritt ihr Vermögen den Angehörigen oder der Kirche von Hippo überlassen hatten. 74 Sein Kloster wurde nicht zuletzt deswegen zu einem Magneten für fromme Besucher, und oft kamen Mönche von weit her, sodass man ein Gästehaus anbauen musste.75 Immer wieder wurde Augustinus auch gebeten, einen seiner Mitbrüder als Pfarrpriester abzustellen, und besonders stolz war er auf die zehn Bischöfe, die aus seiner Gemeinschaft hervorgingen.76 Nur einer tanzte aus der Reihe und verletzte ihn tief: Antoninus von Fussala; auch ihn überging Possidius, sein Kollege im Amt.77 Bettelarm war der kleine Antoninus eines Tages mit Mutter und Stiefvater in Hippo aufgetaucht. Augustinus nahm nicht nur den Jungen, sondern auch den Mann im Kloster auf, dessen Ehe er nicht anerkannte, weil der erste Mann der Frau noch lebte. Antoninus genoss eine gute Erziehung und brachte es zum Lektor. Ohne Zustimmung des Augustinus, der gerade verreist war, ließ ihn der Klostervorsteher sogar zum Priester weihen. Nach der Rückkehr beschloss Augustinus, dem Städtchen Fussala, einer ehemaligen Hochburg der Donatisten, einen Bischof zu geben, um den Glauben der Konvertiten zu stärken. Weil sein vorgesehener Kandidat sich weigerte, obwohl der greise numidische Primas bereits zur Weihe gekommen war, machte er aus der Not eine Tugend und entschied sich für den unerfahrenen zwanzigjährigen Antoninus. Mit ein Grund war, dass er das Punische beherrschte, das im vierzig Meilen entfernten Fussala gesprochen wurde. 78 Die neue Würde stieg dem jungen Bischof bald zu Kopf. Er holte sich zwei ehemalige Kleriker aus Augustinus’ Kloster, die dort nicht gut getan hatten, dazu einen defensor ecclesiae und einen zwielichtigen ausgemusterten Soldaten und begann mit ihrer Hilfe Fussala zu tyrannisieren. Die Bewohner wurden erpresst und beraubt, sie wurden aus ihren Wohnungen gejagt und ihre Häuser abgerissen, um Baumaterial für einen Bischofspalast zu gewinnen. Nach heftigen Protesten wurde Antoninus vor ein Bischofsgericht zitiert, das sein Amt und die Kirchengemeinschaft mit ihm sistierte, bis er Schadenersatz geleistet habe. Das tat er umgehend, aber Fussala wehrte sich gegen seine Rückkehr, und eine Ersatzdiözese lehnte er ab. Es gelang ihm, den numidischen Primas auf seine Seite zu ziehen, und mit dessen Empfehlung appellierte er an Papst Bonifatius. Auch der kam dem Bittsteller entgegen, der daraufhin verbreiten ließ, er werde sich seinen Bischofsstuhl nötigenfalls mit staatlicher Hilfe, also mit militäri-
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scher Gewalt zurückholen. Nun waren es die entsetzten Einwohner, die sich an Rom wandten. Ihr Einspruch ging an Papst Caelestinus I., nachdem Bonifatius am 22. September 422 gestorben war. Auch Augustinus schrieb dem Nachfolger einen dringenden Brief, er möge die geplagten Katholiken von Fussala nicht enttäuschen und trotzdem seinen „Sohn in Christus“ Antoninus nicht verdammen. Wie diese Quadratur des Kreises gelingen sollte, sagte Augustinus nicht. Stattdessen drohte er, dass er bereits daran gedacht habe, sein Bischofsamt niederzulegen. Er wolle auf die Weise Buße tun für seinen Missgriff, einen Unwürdigen in ein Bischofsamt befördert zu haben.79 Eine Lösung war das genauso wenig. Einen Ausweg zeigte Augustinus in dem langen Brief an die Römerin Fabiola, der er das ganze Sündenregister des Antoninus ausbreitete, mit dem er den Papst verschont hatte. 80 Der junge Bischof hatte nämlich die ältere adlige Dame ebenfalls für sich eingenommen. Das Geschick, sich als verfolgte Unschuld darzustellen, konnte man ihm nicht absprechen. Von seinen Rücktrittsabsichten ließ Augustinus nichts mehr verlauten. Er schloss mit der Bitte, Fabiola möge in mütterlicher Weise auf den jugendlichen Heißsporn einwirken, damit er das Urteil des Bischofsgerichts annehme und sich mit der Ersatzdiözese zufrieden gebe. Als ein Argument unter anderen möge sie die Tränenströme anführen, die Augustinus um seinen ehemaligen Zögling vergossen habe. 81 In seinen zahlreichen späteren Briefen verlor er über den Fall Antoninus jedoch kein Wort mehr, sodass die Vermutung naheliegt, dass seine Tränen nichts genützt haben.
XVII. Nachfolgeregelung und Abschied Das erfreuliche Gegenbild zu Antoninus war Eraclius.1 Er war nicht mehr ganz jung, als er sich entschloss, in Augustinus’ Kloster einzutreten. Aus einer vermögenden Familie stammend ließ er in Hippo eine Gedächtniskirche für den Märtyrer Stephanus bauen und ein Haus, in das seine Mutter einziehen sollte. Sie hatte sich seinem Eintritt ins Kloster widersetzt, weil sie argwöhnte, Augustinus habe ihren Sohn beschwatzt, um sich dessen väterliches Erbe anzueignen. Das Haus schenkte Eraclius später der Kirche und erfüllte so das Armutsideal der Gemeinschaft. Die zum Haus gehörenden Sklaven lebten zunächst im Kloster, und wurden dann freigelassen. Eraclius’ religiöse Bildung war anfangs noch dürftig. Aber Augustinus, der „heilige Sämann“, fand in ihm einen begeisterten Schüler, bei dem seine Saat aufging und Frucht trug. Eraclius gebrauchte das Bild in seiner Jungfernpredigt als Priester, die er, die schrille „Zikade“, in Gegenwart seines Meisters, des schweigenden „Schwans“, hielt und dem er zeigen wollte, was er bei ihm gelernt hatte. 2 Nach dem Diakonat war Eraclius im Jahr 426 zum Priester geweiht worden. Im Stillen hatte ihn Augustinus bereits als Nachfolger im Bischofsamt von Hippo und damit als künftigen Abt seines Klosters ausgesucht. Er wollte sein Haus rechtzeitig bestellen. Eile war noch nicht geboten. Aber wer sich wie er dem 72. Geburtstag näherte und nie vor Gesundheit gestrotzt hatte, war gegen Überraschungen nicht gefeit. Wie verhängnisvoll hastige Entschlüsse sein konnten, hatte ihn Antoninus gelehrt. Bei Eraclius, der nicht wie dieser Bettelknabe von ganz unten kam, brauchte er eine ähnliche Entwicklung nicht zu befürchten. Einfach den Nachfolger bestimmen durfte er jedoch nicht. Dafür hatte er zu viel Zank zwischen Priestern untereinander und in den Gemeinden erlebt, wenn ein Bischof gestorben war und seine Nachfolge anstand. Die Sache musste also geschickt eingefädelt werden. Nicht umsonst hatte er gelegentlich den Rat zitiert, den Jesus seinen Jüngern mitgab, als er sie „wie Schafe unter die Wölfe“ sandte: „Seid schlau wie die Schlangen und harmlos wie die Tauben!“ 3 Auf den 26. September 426 lud Augustinus zwei Mitbischöfe, sieben Priester, Eraclius darunter, und seine Gemeinde in die Friedensbasilika, seine Bischofskirche, zur Messe ein. Vor der Liturgie hielt er zunächst eine Ansprache, die mehrere Stenographen protokollierten. Eine Abschrift ihres Protokolls hat sich unter seinen Briefen erhalten. 4 Bereits am Vortag hatte er in einer Predigt eine Andeutung gemacht, sodass zahlreiche Gläubige zusammengekommen waren, die nun gespannt warteten, was ihnen ihr Bischof zu sagen hatte. Mit einer banalen Feststellung begann er: „Wir
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alle sind in diesem Leben sterblich, und der letzte Tag dieses Lebens ist bei jedem Menschen ungewiss.“ Wer wollte das bestreiten? Auch als der Redner danach die fünf Lebensabschnitte von der Kindheit bis zum Greisenalter aufzählte, folgte er einer üblichen Einteilung. Aufmerksam wurden die Zuhörer bei seinem anschließenden Lebensrückblick: „Weil Gott es gewollt hat, kam ich im blühenden Alter in diese Stadt; ich war ein junger Erwachsener, und ich bin nun alt geworden.“ Die Gemeinde ahnte, worauf er hinaus wollte. Doch ehe er zu seinem eigentlichen Anliegen kam, sicherte er sich ab. Es war der Schachzug des Verteidigers, der einem möglichen Einwand der Gegenseite zuvorkam: „Ich weiß, dass nach dem Tod von Bischöfen Kirchengemeinden durch Ehrgeizlinge oder Streithähne in Aufruhr zu geraten pflegen.“ Den jüngsten Fall hatte er gerade selbst in Milev erlebt, und er begann zu erzählen: Man hatte ihn vorsorglich in die Nachbarstadt gerufen, weil man dort nach dem Tod des Bischofs Severus Streit befürchtete. Der Verstorbene hatte nämlich über die Köpfe des Kirchenvolks hinweg allein vor dem Klerus einen Nachfolger bestimmt. Doch ihm sei es gelungen, den Unmut über das selbstherrliche Verfahren zu besänftigen, sodass Severus’ Wunschkandidat schließlich in Frieden von der Gemeinde angenommen wurde. „Was soll ich noch sagen? Gott hat es gefallen, der Ärger war überwunden, Freude ihm gefolgt.“ Mit diesem Ergebnis, das er aus Milev mitbrachte, hatte Augustinus vorweg die Zuhörer für seinen Vorschlag erwärmt. Ihn trug er nun in einem knappen Satz vor: „Damit sich also niemand über mich beschwert, will ich meinen Willen, von dem ich glaube, dass es Gottes Wille ist, euch allen verkünden: Ich wünsche mir den Priester Eraclius zum Nachfolger.“ Der Psychologe und Volkstribun hatte richtig kalkuliert. Rhythmischer Beifall brauste auf. Dreiundzwanzigmal rief die Menge erst: „Dank sei Gott und Christus Lob“, dann sechzehnmal: „Höre Christus, hoch lebe Augustinus“, und schließlich achtmal: „Du der Vater, du der Bischof“. 5 Solche Dauerakklamationen waren in staatlichen und städtischen Gremien ein altes Ritual öffentlicher Zustimmung, das die Kirche aus dem politischen Leben übernahm. 6 Die Zahl der Akklamationen wurde in Protokollen sorgfältig festgehalten. Auf sie konnte man verweisen, falls später einmal die Stimmung umschlug. Berücksichtigt man, dass es bis zum erforderlichen Gleichklang einer Masse eines oder mehrerer cheerleaders bedarf, die den Einsatz und den ersten Ruf vorgeben und den Schluss der Akklamation anzeigen, so ist die Vermutung nicht abwegig, dass Augustinus die gewünschte vox populi vorbereitet hatte. Der Grund lag nahe: Es wäre merkwürdig gewesen, wenn der alternde Klostervorsteher bei dem einen oder anderen seiner Priester nicht den Ehrgeiz beobachtet hätte, sein Nachfolger werden zu wollen. Vielleicht wählte er Eraclius gerade deswegen aus, weil er bei ihm diesen Ehrgeiz nicht bemerkt hatte.
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Mit Volkes Stimme, also Gottes Stimme, wie er anschließend betonte, machte er dessen Konkurrenten einen Strich durch die Rechnung. Am Kandidaten lobte er nichts weiter als seine Weisheit und Bescheidenheit. Wichtiger war ihm danach, dass das Volk mit nochmaligen Akklamationen gleichsam seine Unterschrift unter die im Protokoll festgehaltene Ernennung setzte. Daraufhin ertönte sogar sechsunddreißigmal: „Dank sei Gott und Christus Lob“, dreizehnmal: „Höre Christus, hoch lebe Augustinus“ und wieder achtmal: „Du der Vater, du der Bischof“. Auch Eraclius selbst musste bestätigt werden. Zwanzigmal ertönte: „Er ist würdig und der Richtige“, fünfmal: „Er hat es zu Recht verdient, ist zu Recht würdig“ und erneut sechsmal: „Er ist würdig und der Richtige“. 7 Damit war die Zeremonie noch lange nicht zu Ende. Dass sich Augustinus mit Gott einig war, musste ebenfalls bestätigt werden, und auf seine Bitte hin rief die Menge sechzehnmal: „Deinem Urteil danken wir“, zwölfmal: „Es geschehe, es geschehe“, und sechsmal: „Du der Vater, Eraclius der Bischof“. 8 Augustinus wollte nichts dem Zufall überlassen. Eraclius sollte nicht den Vorwurf erleben müssen, den man ihm selbst vor über fünfundzwanzig Jahren gemacht hatte, als er entgegen dem kanonischen Recht, das die Konzilsväter in Nicäa gesetzt hatten, zum Mitbischof des Valerius geweiht wurde. Mit einem kurzen Rückblick klärte er die Jüngeren auf, die das nicht mit Bewusstsein erlebt hatten oder damals noch nicht geboren waren. Die Gemeinde stimmte zu und schloss einen neuerlichen Vorwurf aus, indem sie wieder dreizehnmal skandierte: „Dank sei Gott und Christus Lob“. 9 Alle in der Friedensbasilika flossen mittlerweile so von Wohlwollen über, dass Augustinus es wagen konnte, einen letzten Wunsch vorzutragen, der unter anderem Umständen böses Blut gemacht hätte. Trotzdem war auch hier eine Sicherung angebracht: Er habe sich einmal fünf Tage völliger Ruhe ausbedungen, um die Heilige Schrift zu studieren. Daraus sei nichts geworden, weil ihn bald wieder wie eh und je Bittsteller vormittags und nachmittags heimgesucht hätten. Daher möge von jetzt an Eraclius seine bischöflichen Aufgaben übernehmen, obwohl er noch nicht zum Bischof geweiht sei. Er werde ihm dabei mit seinem Rat zur Seite stehen. Auf die faule Haut legen wolle er sich nicht, sondern seine Zeit zum Bibelstudium verwenden. Ein letztes Mal wurden alle bisherigen Akklamationen wiederholt. Auf hunderteinunddreißig beliefen sie sich jetzt, und sie wurden mit einem achtzehnmaligen: „Höre Christus, bewahre Eraclius“ beschlossen.10 Es blieb Augustinus noch, die Gemeinde aufzufordern, beim folgenden Messopfer für die Kirche von Hippo, für ihn und für Eraclius zu beten. 11 Das wie üblich laut zu tun, werden bei so manchem die strapazierten Stimmbänder nicht mehr erlaubt haben. Wenn sich in der Folgezeit die Klostergemeinschaft zum Essen versammelte, fiel auf, dass Augustinus jetzt häufiger vom Tod sprach. Die letzten
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Tage des Ambrosius standen ihm vor Augen und die Antwort, die er auf den Wunsch Stilichos gegeben hatte, Gott möge ihm zum Wohl Italiens noch ein langes Leben gönnen; Mailänder Notabeln hatten Ambrosius die Worte des Heermeisters überbracht und seine Antwort erfahren: „Ich habe unter euch nicht so gelebt, dass ich mich schämen müsste weiterzuleben; ich fürchte mich jedoch nicht, zu sterben, weil wir einen guten Herrn haben.“Ambrosius’ Diakon Paulinus, der auf Augustinus’ Bitte die Biographie des großen Bischofs verfasst und ihm gewidmet hatte, überlieferte diesen Abschiedsgruß. Augustinus machte ihn sich zu eigen. In Erinnerung an all das, was er über das Jüngste Gericht gepredigt und geschrieben hatte, konnte er eine kleine Exegese für die Tischgenossen nicht unterlassen: Ambrosius habe keineswegs sagen wollen, dass er sich wegen seines reinen Lebenswandels nicht vor Gottes Gericht fürchte. Der Vordersatz habe sich vielmehr nur auf das bezogen, was seine Mitmenschen von ihm wussten. Aus dem Nachsatz dagegen habe allein sein Vertrauen auf die Gerechtigkeit Gottes gesprochen, zu dem er täglich gebetet habe: „Vergib uns unsere Schuld.“ 12 Mehrmals erzählte Augustinus auch von dem bewundernswerten Abschied eines ihm eng befreundeten Bischofs, den er auf dem Sterbebett besucht hatte. Ihm habe er ähnlich wie Stilicho gesagt, er müsse weiterleben, weil ihn die Kirche noch benötige. Der Todkranke habe ihm entgegnet: „Das wäre richtig, wenn ich nie sterben müsste; wenn aber doch einmal, warum nicht jetzt?“ Augustinus war verblüfft, die gelassene Weisheit, die jedem großen stoischen Philosophen Ehre gemacht hätte, von einem Mann zu hören, der aus einem Dorf stammte und Bischof eines Dorfes war, wo er sich kaum durch Bücher weiterbilden konnte.13 Aber noch sah Augustinus einen Berg voll Arbeit vor sich, der den Gedanken ans Sterben verscheuchte. Schon lange hatte er daran gedacht, einen Gesamtüberblick über seine Schriftstellerei zu verfassen und bei der Gelegenheit Verbesserungen zu verzeichnen, die er sich in den vergangenen Jahren notiert hatte. Auch seine Mitbrüder drängten ihn, er möge sich an Retractationes, an ein solches „Revidiertes Werkverzeichnis“ machen, und er zögerte nicht länger.14 Er wolle selbst seine Fehler verbessern, sodass sie ihm kein anderer ankreiden könne, erklärte er im Vorwort und hatte dazu selbstverständlich auch das passende Zitat aus Paulus’ Erstem Korintherbrief: „Wenn wir uns selbst richten, werden wir nicht von Gott gerichtet.“ Mit Blick auf die Masse dessen, was er geschrieben hatte, fiel ihm ein Satz aus dem „Buch der Sprüche“ ein: „Wenn du viel sprichst, wirst du Falschem nicht entgehen.“ 15 Nun machte sich bezahlt, dass er bald nach der Bischofsweihe begonnen hatte, für die Kirche von Hippo und sein Kloster eine Bibliothek aufzubauen, in der neben den Büchern der Bibel seine eigenen Werke und die Schriften anderer Kirchenlehrer gesammelt wurden. Seine Mönche und lernwillige Gläubige sollten dort eine Gele-
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genheit zum Studium haben. Aus demselben Grund sorgte er dafür, dass auch die anderen Männer- und Frauenklöster, die er gegründet hatte, Bibliotheken einrichteten.16 In Hippo legte ein Sekretär einen chronologischen Katalog (Indiculus) seiner Schriften an, unterteilt nach Büchern, Briefen und Predigten. Dabei kam es schon einmal vor, dass ihm eine „Denkschrift“ (Commonitorium) in keine der drei Abteilungen zu gehören schien, sodass er sie lieber gar nicht verzeichnete.17 Ohne die chronologische Ordnung und wohl auch die entsprechende Aufstellung seiner einzelnen Werke, deren Pergamentblätter je nach Umfang zu einem Block (codex) oder zu mehreren Blöcken (codices) zusammengebunden waren, wäre es Augustinus schwer gefallen, das eigentliche Ziel zu erreichen, das er neben den Korrekturen mit seinem „Revidierten Werkverzeichnis“ anstrebte: Dessen Benutzer sollten zugleich seine geistige und religiöse Entwicklung verfolgen können, seinen „Fortschritt zum Besseren“. An ihm, nicht an seinen Fehlern, sollten sie sich ein Beispiel nehmen.18 Der Seelsorger wollte ihnen damit zu einem vertieften christlichen Glauben verhelfen. Das war ja seit seiner Bekehrung eine Triebfeder seiner literarischen Arbeit gewesen. Folglich ließ er alle Schriften weg, die er vor seinem Katechumenat verfasst hatte: seinen Erstling „Über das Schöne und Angemessene“, den er in Karthago ‚verbrochen‘ hatte, oder die Mailänder Reden auf den Konsul Bauto und den Kaiser Valentinian II. Sie hatten höchstens zu seiner zunehmenden Sprachfertigkeit, aber nicht zu seiner inneren Entwicklung beigetragen. Anders die sechs Bücher „Über die Musik“, die er noch in Mailand vor der Rückkehr nach Africa begonnen hatte. Denn in den Rhythmen sah er das Gesetz Gottes, „ohne das kein Blatt vom Baum fällt und von dem unsere Haare gezählt sind“. Der Satz vom Ende des sechsten Buches war ihm so wichtig, dass er ihn im „Revidierten Werkverzeichnis“ wiederholte.19 Die Bekehrung war der eine Einschnitt in seinem Leben und somit der Beginn der Revision, die Bischofsweihe der andere, und dementsprechend unterteilte er das Verzeichnis in zwei Bücher. Bereits das Verhältnis sechsundzwanzig zu siebenundsechzig Titeln in beiden Büchern verdeutlichte, dass das Schwergewicht seiner literarischen Arbeit in den mehr als drei Jahrzehnten seiner bischöflichen Tätigkeit lag, und das trotz aller längeren und kürzeren Unterbrechungen, die seine Amtspflichten mit sich brachten. Wer bedachte, dass in dieser Zeit seine großen Werke entstanden, bewunderte seine Arbeitskraft erst recht. Eröffnet wurde das Werkverzeichnis von der Abhandlung „Gegen die Akademiker“, gefolgt von den Dialogen, die er in Cassiciacum hatte mitstenographieren lassen. Die zwei Bücher „Selbstgespräche“ an vierter Stelle, die er früher einmal weiterführen wollte, blieben ein Torso. Anders die „Anleitung für Christen“ (De doctrina christiana). Er hatte sie im dritten Buch abgebrochen. Aber das
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Thema war ihm so wichtig, dass er die Revision unterbrach, das dritte Buch beendete und ein viertes hinzufügte. 20 Auch die Apologie „Gegen den Brief der Manichäer“ hatte er angefangen, dann nur noch Notizen angeheftet, die er ausarbeiten wollte, falls er einmal Zeit dazu habe. Es blieb auch hier beim Vorsatz. 21 Beim Kommentar zu Paulus’ Römerbrief verkündete er schon in der Überschrift, dass er sich um eine „angefangene Erklärung“ handle, um dann freimütig einzuräumen, er habe aufgehört, „von der Größe der Schrift selbst und der Arbeit daran abgeschreckt.“ 22 Mit den Korrekturen musste der Prüfer nicht erst jetzt beginnen. Possidius berichtete, seine nächtliche Arbeit habe darin bestanden, dass er verbesserte, was er tagsüber den Stenographen diktiert und was die Schreiber in Reinschrift übertragen hatten. 23 Das „Revidierte Werkverzeichnis“ wollte er an Leute weitergeben, die schon Werke von ihm besaßen und die Verbesserungen nachtragen sollten. 24 Dazu gehörten unter Umständen die endgültigen Buchtitel bei den Schriften, die halbfertig – mitunter eben auch ohne Titel – und gegen seinen Willen oder ohne sein Wissen verbreitet worden waren. Zur Identifikation nannte er daher am Ende einer jeden Beschreibung die Anfangszeile des betreffenden Werkes. In einem kurzen Epilog zählte Augustinus alle Titel zusammen und kam auf dreiundneunzig, die zweihundertzweiunddreißig Bücher ergaben. Dann kündigte er an, dass er bereits mit der Revision seiner Briefe und Predigten begonnen habe. Bei etwa 250 erhaltenen Briefen, die nicht wie die Bücher auf Pergament, sondern auf Papyrusblättern geschrieben waren, sowie mehreren tausend Predigten war das eine mühselige Arbeit. 25 Die meisten Briefe hatte er schon wieder durchgelesen, aber noch keine Korrekturen diktiert, als eine eilige Sendung seines Freundes Alypius eintraf, der sich gerade in Rom befand. Ihm waren dort die acht Bücher in die Hände gefallen, die Julianus von Aeclanum gegen Augustinus’ antipelagianische Verteidigungsschrift „Über die Ehe und die Begierde“ verfasst hatte. Gewidmet hatte er sie seinem Gesinnungsgenossen Florus, einem der achtzehn Bischöfe, die Papst Zosimus’ Rundschreiben nicht unterschrieben hatten und deswegen Italien verlassen mussten. 26 Alypius ließ sofort fünf Bücher abschreiben, schickte sie Augustinus und bat ihn dringend, gegen sie Stellung zu beziehen. Die restlichen drei Bücher versprach er umgehend nachzusenden. Augustinus zögerte nicht, unterbrach die Lektüre seiner Briefe und nahm sich das vierte und fünfte Buch des Gegners vor. Die Beschäftigung mit der eigenen Korrespondenz und ihren nicht selten überholten Themen musste der aktuellen Herausforderung weichen. 27 Sie war auch wichtiger als der Wunsch, den etwa zur selben Zeit der karthagische Diakon Quodvultdeus an ihn richtete, er möge ihm alle Häresien seit der Zeit Jesu zusammenstellen. 28 In seiner Antwort verwies Augustinus auf die Schwierigkeit, dass der Begriff Häresie nicht eindeutig
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sei und deswegen ältere Autoren zu unterschiedlichen Zahlen von Häresien gekommen seien. Er empfahl ihm unter den Früheren, die über das Thema geschrieben hatten, den Griechen Epiphanius, den er in Karthago ins Lateinische übersetzen lassen solle. 29 Quodvultdeus ließ nicht locker und wandte sich erneut an Augustinus: Alle bisherigen Autoren seien zu lang und zu schwierig. Nützlich sei ein handliches Werk aus africanischer Sicht, und er drängte: „Wahrlich, ich werde nicht aufhören anzuklopfen, bis du nachgibst.“ 30 Augustinus sah ein, dass der Diakon Recht hatte. Er versprach, seinen Wunsch zu erfüllen, sobald er die Apologie gegen Julianus und die Revision seiner Briefe abgeschlossen habe. An jener werde er tagsüber, an dieser nachts arbeiten. 31 Als der Diakon den Satz las, wird er sich gewiss gefragt haben, wann der alte Mann denn schlief. Ob dem Dreiundsiebzigjährigen eine Siesta nach dem Essen genügte? Am Ende wurde allerdings nur das versprochene Buch über die Häresien fertig. Die Apologie gegen Julianus blieb mit sechs Büchern ein weiterer Torso, während der revidierte Katalog der Briefe und Predigten überhaupt nicht mehr erschien. 32 Die Aufgabe hinterließ Augustinus seinem Schüler Possidius, der in seiner Lebensbeschreibung ankündigte, er werde „ein Verzeichnis der Bücher, Predigten und Briefe“ (librorum, tractatuum et epistularum indiculum) des Verstorbenen anhängen. Possidius wusste, was Augustinus mit der Bibliothek und ihrer Revision beabsichtigte, und fuhr daher fort: „damit ein jeder von denen, die Gottes Wahrheit mehr als zeitliche Schätze lieben, nach der Lektüre des Verzeichnisses sich zum Lesen und Kennenlernen aussuchen möge, was er will und es sich zum Abschreiben entweder aus der Bibliothek der Kirche von Hippo erbitte, wo sich gewiss verbesserte Exemplare finden lassen sollten, oder nachfrage, wo er sie sich besorgen könne, und nachdem er sie gefunden habe, sie abschreibe und besitze, und wenn ihn einer darum bitte, sie ihm auch selbst neidlos zum Abschreiben überlasse.“ 33 Auf diese Weise sollten sich nach Augustinus’ Tod seine Schriften verbreiten. Possidius kam künftigen Lesern noch dadurch entgegen, dass er sämtliche Titel nicht wie im „Revidierten Werkverzeichnis“ nach ihrer Entstehungszeit aufzählte, sondern sie in Sachgruppen zusammenfasste und etwa nach den antidonatistischen Schriften die dazugehörigen Briefe und dann die Predigten nannte. Wahrscheinlich konnte er sich dabei auf einen Katalog stützen, den ein Sekretär des Bischofs zu dessen Lebzeiten angelegt hatte. 34 Dem Schriftsteller Augustinus fiel auch jetzt noch immer etwas Neues ein: Er war gewohnt, sich Kernsätze aus dem Altem und dem Neuem Testament herauszuschreiben, die Gebote und Lebensregeln enthielten. Sie ergänzte er und vereinigte sie zu einem Buch, stellte ihm ein Vorwort für die künftigen Leser voran und nannte es „Spiegel“ (Speculum). 35 Auch der Pelagianismus ließ Augustinus nicht los. Aus Gallien erreichte
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ihn eine Anfrage des gebildeten katholischen Schriftstellers Prosper Tiro. Er war in Marseille mit Mönchen zusammengetroffen, die Augustinus’ Schriften gegen den Pelagianismus gelesen hatten und seine Gnadenlehre ablehnten, weil sie kirchlicher Auffassung widerspreche. Prosper verwies ferner auf africanische Mönche, die vor kurzem ebenfalls Einwände gegen die Prädestinationslehre des Bischofs geäußert hatten und von ihm in der Schrift „Über Zurechtweisung und Gnade“ (De correptione et gratia) belehrt worden waren. Dieses Werk habe in Marseille weitere heftige Diskussionen hervorgerufen, und nur die Klügeren unter den Mönchen habe es überzeugt. 36 Ausführlich legte er die gallischen Gegenargumente dar und warnte den Adressaten, dass sie der Kirche gefährlich werden könnten. Die Gefahr habe auch seinen Bewunderer Bischof Hilarius von Arles bewogen, sich an ihn zu wenden. 37 Allerdings war der Hilarius, der etwa zur selben Zeit wie Prosper an Augustinus schrieb und sich dem Anliegen des Landsmannes anschloss, wie dieser ein Laie. Er hatte ebenfalls die theologischen Streitigkeiten in Marseille und an anderen gallischen Orten erlebt. Er erinnerte Augustinus daran, dass er selbst früher einmal statt der unabänderlichen Vorbestimmung des Menschen lediglich vom göttlichen Vorwissen gesprochen habe, das dem freien Willen überlasse, ob jemand glauben wolle oder nicht. 38 Spätere Theologen nannten die gallische Revision der unverfügbaren Gnade Semipelagianismus. Die Einschränkung seiner Gnadenlehre wollte Augustinus nicht hinnehmen und verteidigte sie in einem ersten Buch „Über die Vorherbestimmung der Heiligen“ (De praedestinatione sanctorum), das er mit einem zweiten Buch „Über die Gabe der Beharrung“ (De dono perseverantiae) fortführte. Gemeint war die Beharrung, „die in Christus bis zum Ende ausharrt“ und die nur möglich ist, weil Gott sie dem Menschen unverdient schenkt. Selbstverständlich wisse Gott das Ende voraus. Aber die gallischen Gegner übersähen, dass das Vorherwissen Gottes zugleich eine Vorherbestimmung sei, durch die der Mensch die Gnade unabhängig von seinen Werken erhalte: „Wir sollten daher nicht versuchen, das Unerforschliche zu erforschen und das Unauffindbare aufzufinden.“ 39 Schrieb Augustinus diesen Schluss bereits unter dem Eindruck der Jahrhundertkatastrophe, die das römische Africa traf und im Vergleich zu der die dreitägige Plünderung Roms im August 410 eine Episode blieb? Ende Mai 429 liefen die ersten Schreckensmeldungen in Hippo ein: Der Vandalenkönig Geiserich hat die Meerenge von Gibraltar überquert und ist in Mauretania eingefallen. Ein Heerwurm von 80 000 Barbaren – Vandalen, zusammen mit Alanen, Goten und anderen germanischen Volkssplittern – wälzt sich die Küste entlang nach Osten. 40 Bischof Possidius von Calama, 60 Kilometer südlich von Hippo, beschrieb das Entsetzen, das die plündernde und mordende Horde im reichen und friedlichen Afri-
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ca verbreitete: „Sie wütete mit jeglicher Abscheulichkeit und Grausamkeit, verwüstete alles, was sie konnte, durch Raub, Hinrichtungen und verschiedene Foltermethoden, durch Brandstiftung sowie unzählige und unbeschreibliche andere Schandtaten, sie schonte kein Geschlecht und kein Alter, nicht einmal die Priester und Diener des Herrn oder den Schmuck, die Geräte und die Gebäude der Kirchen.“ 41 Mit keinem Wort deutete Possidius an, ob die arianischen Germanen einen Religionskrieg gegen die africanischen Katholiken führen wollten. Für ihn tobte sich allein der blanke barbarische Furor aus. Verstört schrieben die Bischöfe Quodvultdeus und Honoratus an Augustinus und baten um Rat: Sollten sie vor den Gräueltaten der mordlustigen Haufen fliehen oder sich stellen? 42 Augustinus antwortete Quodvultdeus in einem kurzen Brief und sandte in der Eile eine Abschrift an Honoratus. Auch andere Bischöfe waren ratlos. Hatte Jesus nicht im Matthäusevangelium seinen Jüngern empfohlen: „Wenn sie euch aber in dieser Stadt verfolgen, flieht in eine andere“? Andererseits verlangte der Apostel Johannes: „Wie Christus sein Leben für uns gegeben hat, so müssen auch wir unser Leben für unsere Brüder geben“. Wieder einmal sah sich der Exeget Augustinus herausgefordert, und während sich die Eindringlinge langsam Hippo näherten, nahm er sich die Zeit, ausführlich auf einen zweiten Brief des Honoratus einzugehen. Possidius nahm den Brief in seine Biographie auf, das letzte seitenlange Dokument eines der fleißigsten Briefschreiber der Antike, in dem keine Spur von Altersmüdigkeit zu erkennen war.43 War es nicht auch ein Beweis des Vertrauens und der Hochachtung, die Augustinus im africanischen Episkopat genoss, dass sich Mitbrüder in Not und Lebensgefahr von ihm, dem Senior, geistlichen Beistand und praktische Hilfe erbaten? Wer Augustinus kannte oder einige seiner Schriften gelesen hatte, konnte sich vorweg sagen, dass für ihn der ideale Bischof der war, der mit seinen Gläubigen alle Gefahren teilte. Blieben sie, so blieb er, flohen sie, so floh er mit ihnen. Wandte sich nur ein Teil zur Flucht, dann sollte er mit den Zurückgebliebenen ausharren, es sei denn, andere Priester taten das und entbanden ihn damit von seinen seelsorgerlichen Verpflichtungen. In diesem Fall durfte er sich auf das obige Jesuswort berufen, das folglich nicht im Widerspruch zu anderen Bibelstellen stand. Es war eine elegante Lösung, die nicht jedem Theologen behagt hätte. Sollte der Bischof jedoch allein standhalten, so würden ihm Liebe zu Gott und Vertrauen auf seine Barmherzigkeit helfen, seine Furcht zu überwinden und nötigenfalls den sterblichen Leib um der unsterblichen Seele willen zu opfern. Auch Frauen, die die Keuschheit des Herzens bewahrten, würden die leibliche Keuschheit nicht verlieren, sollten sie geschändet werden. Das waren Töne, die Augustinus schon in den Predigten nach dem Fall Roms angeschla-
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gen hatte. Durfte es sein, dass kein Priester zur Stelle war, wenn Menschen voller Angst in die Kirchen flohen, Ungetaufte, um sich taufen zu lassen, Abgefallene, um Versöhnung zu erbitten, Sünder, um die Lossprechung zu erhalten, und sie alle, um die Eucharistie als Tröstung zu empfangen? Folglich galt es, sich Paulus zum Vorbild zu nehmen, der sich und andere gemahnt hatte: „Nicht das suchen, was mir, sondern was vielen nützlich ist, damit sie gerettet werden.“ Der Apostel hatte auch schon vor der Frage gestanden: Fliehen oder bleiben, und hatte sich im Philipperbrief klar entschieden: „Von folgenden zwei Möglichkeiten werde ich bedrängt, dem Verlangen, nicht aufzugeben und bei Christus zu sein, was bei weiten das Bessere ist, oder in meinem fleischlichen Leib zu bleiben, was euretwegen viel nötiger ist.“ 44 Hatten es die Feinde nur auf die Priester abgesehen, so sollte das Los entscheiden, wer fliehen durfte. Zu erwägen war auch, dass Gemeinden die Gelegenheit zur Flucht nicht benutzten, weil ihre Bischöfe und Priester nicht flohen. Das sollten diese nicht zulassen, sondern mit ihren Gläubigen wegziehen. 45 Augustinus schloss mit dem Verweis auf einige kluge und heilige Männer, die die Kirche Gottes nicht verließen und die „zwischen den Zähnen ihrer Widersacher von dieser Entschlossenheit nicht im geringsten abrückten“. Er meinte spanische Bischöfe, die er zuvor gelobt hatte, weil sie nicht geflohen waren, als im Jahr 409 Alanen, Sueben und Vandalen auf die iberische Halbinsel vordrangen. Ihnen wäre nie die Überlegung des Honoratus in den Sinn gekommen, die Augustinus missbilligend aus dessen erstem Brief zitierte: „Ich sehe nicht ein, was wir uns oder unserer Gemeinde nützen, wenn wir bei unseren Kirchen ausharren sollen, außer dass Männer vor unseren Augen getötet, Frauen vergewaltigt und Kirchengebäude angezündet werden und wir selbst unter der Folter schwach werden, während man von uns verlangt, was wir nicht haben.“ 46 Einmal erwähnte Augustinus die Möglichkeit, dass sich Bischöfe zusammen mit ihren Gemeinden in befestigte Orte flüchteten. Dort hofften sie, in Sicherheit zu sein, bis die in Africa stationierten römischen Truppen einen Gegenangriff unternahmen. Auch im ersten Brief hatte er gehofft: „Unser Schutz sei in Gott und in einem befestigten Ort.“ 47 Aber von dieser Hoffnung sprach er jetzt nicht mehr. Angesichts der weiter vorrückenden Vandalen ging es ihm nur noch um die Seelsorge, zumal von römischen Soldaten nichts zu sehen war. Allerdings kam ein anderes Thema ebenfalls nicht vor, das den Seelsorger nach dem Fall Roms beschäftigt hatte: Dieses Mal sah er im Erfolg der Barbaren und dem Leid der Katholiken kein Zuchtmittel Gottes, um die Sünder erst zu bestrafen und danach zu bessern. 48 Auf dieser Deutung bestand erst zehn Jahre später Salvianus von Marseille, der scharfe Kritiker der laxen christlichen Moral. 49 Wer dagegen in den folgenden Monaten Augustinus begegnete, erlebte keinen feurigen Bußprediger, sondern einen Greis, den das Leid der Menschen erschütter-
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te. Die Unglücklichen kamen jetzt auch nicht mehr aus dem fernen Italien, sondern hatten sich aus Mauretania und Numidia nach Hippo geflüchtet und berichteten von grässlichen Dingen, die sie erlebt hatten. Einer von ihnen war Bischof Possidius. Als sich die Vandalen Calama näherten, verließ er wie andere Bischöfe seinen Amtssitz und kehrte zu Augustinus in sein früheres Kloster zurück. Hippo gehörte mit Cirta und Karthago zu den am stärksten befestigten Städten Nordafricas und versprach, dem Ansturm der Feinde trotzen zu können. 50 Bewegt beobachtete Possidius seinen alten Freund und Lehrer, ohne zu verraten, ob der seine Flucht billigte oder verurteilte. Es ging Augustinus wie dem Psalmisten: „‚Tränen wurden Tag und Nacht sein Brot‘, und mehr als die anderen schleppte er geduldig das bitterste, traurige und zu Ende gehende Greisenleben dahin.“ Zu seinem Schmerz musste er erfahren, dass überall, wo die Vandalen hinkamen, nicht nur Städte und Dörfer vernichtet wurden, sondern auch das religiöse Leben erlosch, weil Priester, wenn sie nicht geflohen waren, getötet wurden oder unter der Folter abfielen. 51 Man sah Bischöfe, die zwar ihr Leben gerettet hatten, aber betteln mussten, um nicht zu verhungern. Victor von Vita war weniger zimperlich als Possidius und beschrieb die unmenschlichen Foltermethoden, die sich Vandalenhirne ausdachten. Er nannte auch Namen: Papinianus, der Bischof seiner Heimatstadt, und Mansuetus, der Bischof von Uruc, wurden auf glühende Eisenroste gelegt und verbrannt. 52 Vieles, was Augustinus in Numidien während seiner 35 Bischofsjahre aufgebaut hatte, brach zusammen. Der Wille des Herrn und die Liebe Gottes lauteten Trostworte, die er Honoratus schrieb. 53 Einen weiteren, für manchen anstößigen Trost, den er schon nach dem Fall Roms verbreitet hatte, sagte er sich nun selbst vor. Es war ein Satz, den ein Philosoph aus Plotins Abhandlung „Über das Glück“ ins Lateinische übersetzt hatte: „Der wird nicht groß sein, der die Tatsache für etwas Großes hält, dass Balken und Steine stürzen und Sterbliche sterben.“ 54 Sollte der Lateiner Plotins abschließender Beteuerung „bei Gott“ mitübersetzt haben, so wollte sich Augustinus dem Heiden doch nicht allzu sklavisch anpassen und ließ die Beteuerung weg. Im Frühjahr 430 stellte sich der Comes Africae Bonifatius endlich mit gotischen Hilfstruppen den Vandalen westlich von Hippo zur Schlacht und wurde geschlagen. Er zog sich hinter Hippos Mauern zurück, und die Vandalen begannen, die Stadt zu belagern. 55 Auch den Zugang zur See versperrten sie mit Schiffen, die von Anfang an ihren Vormarsch zu Land begleitet hatten. In Hippo war es schon wegen der Flüchtlinge eng geworden. Jetzt kamen noch Bonifatius’ Truppen dazu. Die Versorgung wurde schwierig, obwohl man vielleicht schon während der vergangenen Monate Vorräte angelegt hatte und auf die Getreidespeicher im Hafen zurückgreifen konnte.
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Für die Kirche und ihren Bischof, dem die christliche caritas stets ein besonderes Anliegen war, begann eine schwere Zeit. Auch geistige Nahrung spendete er wie bisher und predigte in den Gottesdiensten. Erstaunt stellte sein Hörer Possidius fest, man habe ihm keinerlei körperliche oder geistige Schwäche angemerkt. 56 Was der Biograph verschwieg: Augustinus ließ sich nichts anmerken. Den Kirchenbesuchern, unter denen gewiss mancher Nichtchrist war, wird er im Kern kaum anderes gesagt haben als Possidius und seinen Mitbrüdern: „Wisst, dass ich in dieser unserer unglücklichen Zeit von Gott erbitte, er möge unsere von Feinden umzingelte Stadt befreien, oder er möge, wenn es ihm anders gutdünkt, seine Diener stärken, damit sie seinen Willen ertragen.“ Eine dritte Möglichkeit, die er im Kloster erwähnte, wird er öffentlich nicht zugegeben haben: „Oder Gott möge wenigstens mich aus dieser Welt zu sich nehmen.“ 57 Vor seinen Mitbürgern, die in ihm den geistlichen Verteidiger Hippos sahen, durfte er nicht von der Fahne gehen. Mancher wird auf seine öffentlichen Äußerungen mehr gegeben haben als auf die unvermeidliche Siegeszuversicht des militärischen Verteidigers Bonifatius, der gerade eine Schlappe gegen die Vandalen erlitten hatte. Gedämpft klang es, wenn sich Possidius und die anderen Bischöfe über Hippos Schicksal unterhielten und sich gegenseitig mit dem Psalmvers Mut zusprachen: „Gerecht bist Du, Herr, und Dein Urteil ist richtig.“ 58 Zwei Monate hielt Augustinus die Anspannung aus: Hinter den Mauern seiner Bischofsstadt die verängstigten Einwohner, vor ihren Mauern die lauernden Vandalen, die hofften, die Eingeschlossenen aushungern und zur Übergabe zwingen zu können. Im dritten Monat warf ihn ein schweres Fieber nieder. Possidius war in seiner Nähe und verfolgte besorgt, wie er immer schwächer wurde. Sein Körper hatte keine Widerstandskraft mehr, aber sein Geist blieb klar. Er bedingte sich aus, Besucher nur noch bei einer Arztvisite vorzulassen oder wenn ihm das Essen gereicht wurde. Denn er wollte sich auf das Sterben vorbereiten und so viel Zeit wie möglich im Gebet verbringen. Er bat darum, die kürzesten Bußpsalmen König Davids auf Blätter zu schreiben und seinem Bett gegenüber an die Wand zu heften, damit er sie sich immer wieder vorsagen konnte. Es waren die Psalmen 6 und 31 (32) mit je elf Versen und Psalm 129 (130) De profundis mit acht Versen: „Aus den Tiefen rufe ich, Herr, zu Dir, Herr höre auf meine Stimme.“ Oft genug hatte Possidius den Bischof im Kreis seiner Mönche verkünden hören, kein Christ und erst recht kein Priester dürfe ohne ausgiebige und ehrliche Reue aus der Welt scheiden. 59 Unter Tränen blickte Augustinus jetzt selbst mit den Worten des reumütigen Sünders David auf sein Leben zurück, angefangen von den Verirrungen seiner Jugend: „Würdest Du, Herr, die Sünden beachten, Herr, wer würde noch bestehen?“ Dann die Bekehrung und die zweite Lebenshälfte als Priester
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Tod des Heiligen Augustinus.
und Bischof: „Aber um Deines Gesetzes willen habe ich bei Dir ausgeharrt, Herr, hat meine Seele bei Deinem Wort ausgeharrt.“ Und nun, am Ende, die Erwartung, einen gnädigen Gott zu finden: „Meine Seele hofft auf den Herrn … . Denn beim Herrn ist Erbarmen, und bei ihm ist Erlösung in Fülle.“ Possidius verwunderte sich, dass der Sterbende sogar in den letzten zehn Lebenstagen keinerlei körperliche Veränderung aufwies: „Alle Glieder seines Leibes waren unversehrt, seine Sehkraft und sein Gehör unvermindert, und während wir ihn umstanden, auf ihn blickten und beteten, ‚entschlief er zu seinen Vätern‘, wie geschrieben steht, ‚lebensmatt in hohem Alter‘.“ 60 Es war der 28. August 430. Am Tag darauf wurde der Tote beerdigt. „Vor seiner Beerdigung“, so Possidius, „feierten wir einen öffentlichen Gottesdienst.“ 61 Den dritten Wunsch, Hippos Unglück nicht mehr erleben zu müssen, hatte Gott seinem treuen Diener erfüllt. Als die Vandalen, die für einen Sturmangriff nicht gerüstet waren, nach fast vierzehn Monaten unverrichteter Dinge von Hippo abzogen, war Possidius sicher nicht der einzige, der das vorläufige Ende der Belagerung den flehentlichen Gebeten zuschrieb, die Augustinus noch zu Lebzeiten zum Himmel geschickt hatte. Die Befreiung der Stadt war ein Wunder des Wundermannes, der schon früher Dämonen vertrieben oder durch Handauflegen einen Kranken geheilt hatte. 62 Wenige unter Augustinus’ Gläubigen werden gezweifelt haben, dass er auch nach seinem Tod vom Himmel herab sein Hippo schützen werde, „das er als Bischof regiert hatte“. 63 Drei oder vier Jahre später wurde die Stadt dann doch eine Beute der Vandalen, und den Frommen blieb nur, sich mit Gottes Willen zu trösten, auf den der Tote sie so oft verwiesen hatte. Ein Teil der Einwohner verließ Hippo und nahm den Leichnam ihres berühmtesten Mitbürgers mit, der auf Sardinien ein zweites Grab fand. Auch seine Bibliothek scheint damals nach Italien gelangt zu sein. 64
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Etwa zur selben Zeit verfasste Possidius die Biographie seines Freundes, dem er „fast vierzig Jahre ohne einen bitteren Zwist“ verbunden war.65 Einen Nachruf zum Schluss eröffnete er mit der erstaunlichen, aber im Grunde verständlichen Tatsache, dass der Tote kein Testament hinterlassen habe: Der „Arme Gottes“ hatte keine materiellen Güter zu vererben, obwohl er stets dafür gesorgt hatte, dass seine Mitbrüder und leiblichen Angehörigen nicht darben mussten. Sein geistliches Erbe waren seine Kleriker und die Männer und Frauen in den Klöstern, die er gegründet hatte. Seine Werke, die in den Klosterbibliotheken standen, waren sein geistiges Erbe. In ihm werde er in der Nachwelt fortleben. Possidius fiel dazu eine etwas banale Parallele ein, ein anonymer paganer Dichter, der sich auf einem öffentlichen Platz ein Grabmal errichten ließ mit dem Dichtichon: „Willst du, Wanderer, wissen, ob der Sänger noch fortlebt? Sieh, was ich spreche, du liest’s; denn deine Stimme ist mein.“ 66 Aus den Worten des Dichters sprach die gut römische Ruhmsucht, die Augustinus in seinem „Gottesstaat“ gegeißelt hatte. Um wieviel höher stand dagegen er und würde er in Zukunft stehen. Possidius prophezeite: In seinen Werken werden die Leser zu ihrem Nutzen den gottgeliebten Priester kennenlernen, der voll Glaube, Hoffnung und Liebe für seine katholische Kirche gelebt hat – „soweit im Licht der Wahrheit Erkenntnis überhaupt möglich ist“. 67 Es war eine merkwürdige Einschränkung. Doch sie sollte am Ende Possidius und seine Biographie in helles Licht stellen: Die eigentlichen Nutznießer von Augustinus’ Persönlichkeit waren die Menschen, die ihn beim Gottesdienst erlebt und ihn predigen gehört hatten, und unausgesprochen war Possidius einer von ihnen. Sie alle hatten einen Vorteil genossen, den kein späterer Leser seiner Schriften mehr einholen konnte. Augustinus erfüllte in ihren Augen das Wort Jesu im Matthäusevangelium: „Wer dies tut und lehrt, der wird groß genannt werden im Himmelreich.“ 68 Zu den Augen- und Ohrenzeugen des Augustinus hätte gern Kaiser Theodosius II. gehört: Während der Vorbereitung auf das Konzil von Ephesus 431, auf dem sich die Metropoliten des Ostens über die Natur Christi einigen sollten, sandte er Augustinus eine persönliche Einladung. Neben Caelestinus I., dem Papst von Rom, sollte aus dem Westen auch noch der ‚Papst‘ von Hippo am Konzil teilnehmen. Das Schreiben aus Konstantinopel traf jedoch erst ein, als Augustinus bereits gestorben war. So wurde es zu seiner ersten und eindrucksvollsten postumen Ehrung. 69 Die zweite Ehrung kam im Jahr darauf aus Rom. Im Streit mit den Semipelagianern in Gallien folgte Papst Caelestinus der Verteidigung des Augustinus. In einem Brief an die gallischen Bischöfe schrieb er: „Mit Augus-
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Nachfolgeregelung und Abschied
tinus, dem Mann heiligen Angedenkens, haben wir uns auf Grund seines Lebens und seiner Verdienste stets in Gemeinschaft befunden, und niemals hat ihn auch nur das Gerücht eines falschen Verdachts getroffen, ihn, der einst, wie wir im Gedächtnis haben, von so großer Gelehrsamkeit war, dass er auch schon früher von meinen Vorgängern zu den besten Lehrern gezählt wurde. Alle waren sich in ihrer Meinung über ihn einig, sodass er überall von allen geliebt und geehrt wurde.“ 70 Der Kaiser und der Papst, die beiden großen Mächte der europäischen Geschichte, verbeugten sich vor dem großen africanischen Kirchenlehrer Augustinus.
Nachwort Nur ahnen konnten Kaiser und Papst, welches Nachleben Augustinus haben werde. Doch erst durch sein Nachleben wurde der Bischof – um nach den drei einleitenden Stimmen im Vorwort eine weitere zu zitieren – „die gewaltige, Vergangenheit und Nachwelt überragende Persönlichkeit“. 1 Zu diesem Nachleben sind jüngst zwei vorzügliche Aufsatzsammlungen erschienen, die von K. Pollmann herausgegeben drei Bände „The Oxford Guide to the Historical Reception of Augustine“ (OGHRA) und die zwei Bände „Augustinus. Spuren und Spiegelungen seines Denkens“, die N. Fischer herausgegeben hat. Ich begnüge mich zum Schluss mit einigen wenigen eindrucksvollen Zahlen: Die Augustinus zugeschriebenen Mönchsregeln haben im Lauf der Zeit die Regeln von über hundert Mönchs- und Nonnenorden beeinflusst. 2 Von seinen Werken haben sich etwa 15 000 mittelalterliche Handschriften in den europäischen Bibliotheken erhalten. 3 Die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die sie nach Ländern bearbeitet, hat inzwischen neunzehn Bände herausgebracht. 4 Die Bildnisse, die den Bischof von Hippo vom 14. bis ins 18. Jahrhundert darstellen, haben J. und P. Courcelle in vier wuchtigen Bänden gesammelt und interpretiert. 5 Um zur Gegenwart zu kommen: An Augustinus erinnern die zahlreichen Kirchen in europäischen und außereuropäischen Ländern, deren Namenspatron er ist. Sein geistiges Erbe wird von mehreren Männer- und Frauenorden gepflegt: Das vom Vatikan herausgegebene „Annuario pontificio“ verzeichnet den Orden des Heiligen Augustinus, früher Augustiner-Eremiten genannt, die Augustiner-Rekollekten, die Augustiner-Barfüßer, die Augustiner-Assumptionisten sowie die Augustiner-Chorherren. In zahlreichen Ländern sind diese Orden im Bildungswesen, in der Seelsorge und der Mission tätig. Weltweit gibt es dreizehn weibliche Orden, die Augustinus im Namen führen. 6 Weitere Orden leben ebenfalls nach der Regel des Heiligen Augustinus. Dreizehn wissenschaftliche Augustinus-Institute, die zum Teil von jenen Orden getragen werden, beschäftigen sich mit den Schriften des Bischofs, veranstalten Ausgaben und veröffentlichen ihre Ergebnisse zusammen mit den Arbeiten anderer Augustinus-Forscher in eigenen Zeitschriften, die Augustinus’ Namen im Titel führen. 7 Schließlich noch ein Blick in die Zukunft: Das Tübinger AugustinusZentrum gibt eine lateinische-deutsche Augustinus-Gesamtausgabe heraus, von der in dreizehn Jahren elf Bände erschienen sind. Am Ende sollen es hundertdreißig Bände werden.
Anmerkungen Vorwort des Verfassers 1 R. P. C. Hanson, The Filioque Clause, in: ders., Studies in Christian Antiquity, Edinburgh 1985, 291; Frend, The Donatist Church 228; E. R. von Kienitz, Augustinus. Genius des Abendlandes, Wuppertal, 1947, 8. Zu abgekürzten Titeln vgl. die Bibliographie S. 250–253; zu Abkürzungen das Verzeichnis S. 249. 2 H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, München 20132, 57. 3 Jaspers, Augustin 7. 4 Possidius 18,9. 5 Drobner, Augustinus von Hippo 3–9. 6 Corpus Augustinianum Gissense a Cornelio Mayer editum, Version 2.0, Handbuch 7 (CD-ROM für Windows 95/98/2000/NT/XP). 7 G. Madec, Saint Augustin. L’aventure de la raison et de la grâce, Paris 1968, 28. 8 W. Geerlings, Augustinus, in: ders. (Hg.), Theologen der christlichen Antike. Eine Einführung, Darmstadt 2002, 151. 9 Sancti Aureli; Augustini opera. Epistulae ex duobus codicibus nuper in lucem prolatae, recensuit J. Divjak. Zweisprachige Neuausgabe in der Bibliothèque augustinienne 46 B, Paris 1987. 10 F. Dolbeau, Augustin d’Hippone. 11 I. Schiller – D. Weber – Cl. Weidmann, Sechs neue Augustinuspredigten, Wiener Studien 121, 2008, 227–284; 122, 2009, 171–213.
I. Der Junge aus Thagaste 1 Das genaue Geburtsdatum ergibt sich aus Augustinus’ Schrift Über das glückliche Leben 1,1,6 und Possidius’ Biographie 31,1. Thagaste: heute Souk-Ahras in Algerien. Lepelley, Les cités 2, 175–184. Zu „Nimm und lies“: S. 74. 2 Bekenntnisse 1,9,14. 3 Zur Forschung: E. Feldmann, Confessiones, AL 1, 1134–1139. 4 Über die Musik 6,32. Der primus magister: Bekenntnisse 1,13,20. 5 Predigten 70,2. 6 Gottesstaat 21,14. 7 Horaz, Briefe 2,1,70–71; Juvenal, Satiren 1,15; Martial, Epigramme 10,62,8–11. 8 Höchstpreisedikt 7,66. 9 Bekenntnisse 1,12,19. Zu Patricius’ Stellung: ebd. 2,3,5; O’Donnell, Confessions 2, 117–119. 10 Zu deren Voraussetzungen: Nellen, Viri litterati. 11 Kirchenrechtlich gehörte Thagaste zur Nachbarprovinz Numidia: Perler, Les voyages 121. 12 Bekenntnisse 1,11,17; 5,9,16. 13 Erklärungen zu den Psalmen 39,7. 14 Bekenntnisse 2,3,7; 6,5,7; 8; 7,7,11; Über den Nutzen des Glaubens 1,2; 8,20. 15 Bekenntnisse 1,9,15. 16 Ebd. 1,19,30. 17 Ebd. 1,19.30.
Anmerkungen zu S. 16–24
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18 Der Grammatikunterricht: ebd. 1,13,22. Augustinus’ gutes Gedächtnis: ebd. 1,9,15; 20,31. 19 Ebd. 1,13,20; 14,23, 16,26. 20 Gynaecia 2,12,19 (Corpus Medicorum Graecorum 4, 1927). 21 Bekenntnisse 1,14,23. 22 Ebd. 1,13,20–22. Das Lob Vergils: Gottesstaat 1,3,7. Simplicius: Über Natur und Ursprung der Seele 4,7,9. 23 Zum Folgenden: Bekenntnisse 1,15,26–19,30. 24 Aeneis: 1,37–48. 25 Bekenntnisse 1,16,26. 26 Ebd. 2,2,4; 3,5. 27 Ebd. 3,5. Madauros lag in der Nähe des heutigen Mdaourouch in Algerien. Zur Chronologie: Vössing, Schule und Bildung 292; 568–569. 28 T. Lehmann, Madauros, AL 3, 1079–1080. 29 Bekenntnisse 1,16,26. 30 Ebd. 2,2,2. 31 Ebd.2,3,7. 32 Apuleius, Florida 20,9–10. Ausonius, Rangfolge der vornehmsten Städte 1–14; Dankrede für Kaiser Gratian 7,34. 33 Bekenntnisse 2,3,5–6. 34 Über das glückliche Leben 1,6. 35 Navigius ebd. Zu Augsutinus’ Schwester: PCBE 1, Patricius (2), 833. 36 Bekenntnisse 2,3,6; 8. Monnica und die Enkel: ebd. 8,12,30. 37 Ebd. 2,2,3. 38 Ebd. 2,2,4. Patricius’ Katechumenat: ebd. 2,3,6. Seine Untreue: ebd. 9,9,19. 39 Ebd. 2,4,9–10; 18. F. van Fleteren, Confessiones 2: Prolegomena zu einer Psychologie und Metaphysik des Bösen, in: Fischer-Mayer, Die Confessiones 107–131.
II. Der Student in Karthago 1
Bekenntnisse 3,4,7. PCBE 1, 994–997. 3 Gegen die Akademiker 2,2,3. 4 Zu den Reisemöglichkeiten über Land: Perler, Les voyages 25–56. 5 Vergil, Aeneis 1,418–454. Expositio totius mundi et gentium 62. Aurelius Victor, Buch über die Kaiser 40,19. 6 Brief 7,3,6. 7 Das Wortspiel Carthago – sartago (Kessel) ist im Deutschen nicht nachzumachen. 8 Bekenntnisse 4,2,2; 6,15,25. Der Beginn des Konkubinats ergibt sich aus dem Alter des Sohnes, der 387 etwa 15 Jahre alt war: ebd. 9,6,14. Zum Konkubinat: R. Friedl, Das Konkubinat im kaiserlichen Rom. Von Augustus bis Septimius Severus, Historia Einzelschriften 98, 1996. Zur Haltung der Kirche: O’Donnell, Confessions 2, 383–385. 9 Bekenntnisse 9,6,14. 10 Ebd. 4,2,2,; 6,15,25; S. 66. 11 M. Kaser, Das römische Privatrecht 2: Die nachklassischen Entwicklungen, München 19752, 221. 12 Adeodatus: Bekenntnisse 9,6,14. Die Verbreitung des christlichen Namens belegen eine Reihe von christlichen Inschriften: E. Diehl, Inscriptiones Latinae christianae veteres 3, Berlin 1931; Nachdruck Dublin – Zürich 1961, 3. 13 Expositio totius mundi et gentium 51. 2
222
Anmerkungen zu S. 25–29
14 CTh 15,7,2; 3. Der tribunus voluptatum: ebd. 15,7,13. Den Herold, der dem Volk von Karthago das Tanzthema eines Pantomimentänzers ankündigte, erwähnt Augustinus: Anleitung für Christen 2,97. 15 H. Jürgens, Pompa Diaboli. Die lateinischen Kirchenväter und das antike Theater, Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft 46, 1972, Indizes 272–277; W. Weismann, Kirche und Schauspiele. Die Schauspiele im Urteil der lateinischen Kirchenväter unter besonderer Berücksichtigung von Augustin, Cassiciacum 27, 1972, 151–195. 16 Bekenntnisse 3,2,2. Juvenal, Satiren 6,63–66. 17 Bekenntnisse 3,2,4. An das Gemeinschaftsgefühl mit anderen Theaterbesuchern erinnerte sich Augustinus noch lange: Anleitung für Christen 1,29,30,64. 18 Bekenntnisse 3,3,6. 19 Ebd. 2,3,6; 6,5,8. E. Lamirande, Fidelis, AL 2, 1330–1334. 20 Ebd. 3,3,5; Predigt 2*,5. 21 Aristoteles’ Kategorien: ebd. 4,16,28. Die Cicerozitate: Hagendahl, Augustine, Index 750–754. Simplicius: Über Natur und Ursprung der Seele 4,7,9. Zur möglichen Lektüre von Quintilians Unterweisung des Redners: Hagendahl, ebd. 676; 694. 22 Cicero, Über den Redner 1,53–54; 3,76–80; Quintilian, a. O. Buch 1, Vorrede 13. 23 Apuleius, Florida 20,4. 24 Bekenntnisse 3,4,7. Plotin: Über das glückliche Leben 1,4; vgl. Bekenntnisse 8,2,3. 25 Bekenntnisse 3,4,7–8; Über das glückliche Leben 1,4. Zu Ciceros Hortensius: K. Schlapbach, Hortensius, AL 3, 425–436. Ein Fünftel tragen Augustinus’ Werke mit Zitaten und Paraphrasen zu dem nur in Bruchstücken überlieferten Hortensius bei; vgl. Hagendahl, Augustine, Index 751–752. Ciceros Suche nach Wahrheit zitiert Augustinus in: Über die Akademiker 1,3,7 u. ö.; vgl. Hagendahl, ebd., 90–92. Eine zweisprachige Ausgabe der Fragmente des Hortensius: L. Straume-Zimmermann u. a., Düsseldorf – Zürich 19972. 26 Straume-Zimmermann, Fragment 101, Fragment 102. 27 Über die Dreifaltigkeit 14,19,26. 28 Bekenntnisse 3,5,9. Eine genaue Passage des Hortensius, die ihn zur Bibel greifen ließ, nennt Augustinus nicht. Dass es vor allem dessen Schluss war, ist nach seinem langen Zitat in Über die Dreifaltigkeit eine begründete Vermutung. 29 Bekenntnisse 3,5,9. Quintilian, a. O. 8, Vorrede 18–33 widmet dem Doppelverhältnis einen längeren Abschnitt. H. A. Gärtner, Dignitas, AL 2, 428–435 übersieht den rhetorischen Aspekt. Gegen Courcelle, Recherches, Augustinus sei über Jesu Stammbaum gestolpert, Feldmann, Der Einfluss des Hortensius 519–520. 30 Augustinus, Über die Sitten der katholischen Kirche 1,2; Über den Nutzen des Glaubens 2. 31 Teufelsschlingen, ein Zitat aus Paulus’ Briefen an Timotheus 1,3,7; 2,2,26: Bekenntnisse 3,6,10; Über den Nutzen des Glaubens 1,2. Dort auch der Vergleich mit dem Vogelfänger und die Altersangabe, die Augustinus mehrmals in den Bekenntnissen wiederholt: 4,1,1; 6,11,18; 8,7,17. 32 Bekenntnisse 3,6,10. Mani und die Zitate aus dem Neuen Testament u. a.: Manichaica Latina 1: epistula ad Menoch. Text, Übersetzung, Erläuterungen von M. Stein, Papyrologica Colonensia XXVII/1. Abhandlungen der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften 1998, passim. Der Apostel Jesu Christi: ebd. 12, Fragment 1; Augustinus, Gegen Faustus 13,4. E. Rose, Die manichäische Christologie, Studies in Oriental Religions 5, 1979. Zum Häretikervorwurf: A. Böhling, Manichäismus, TRE 22,34. Die Manichäer wollen Christen sein: Augustinus, Über den Nutzen des Glaubens 14,30. 33 Decret, L’Afrique manichéenne 1, 192: Carthage; 198–199: Thagaste. Der Spötter Augustin: Bekenntnisse 3,10,18. 34 Diokletian, Konstantin und die Manichäer: Rosen, Konstantin der Große 60–61; 343.
Anmerkungen zu S. 29–36
223
35
CTh 16,5,3. Bekenntnisse 5,10,19: Manichäer in Rom mussten sich verstecken. Über die Sitten der Manichäer 19,69. Weitere Hinweise: Bekenntnisse 3,10,18; 4,1,1. 37 Nero und die Christen: Tacitus, Annalen 15,44,4. 38 Spätere Gesetze gegen die Manichäer, die oft zusammen mit anderen Häretikern genannt werden: CTh 16, 5,7 (381); 5,9 (382); 7,3 (383); 5,18 (389); 5,35 (399); 5,38 (405); 5,40 (407); 5,59 (423); 10,24 (423). 39 Manis Selbstoffenbarung im Proömium seines Lebendigen Evangeliums: A. Henrichs – L. Koenen, Ein griechischer Mani-Codex, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 5, 1970, 198–202. 40 Bekenntnisse 3,6,10; 4,1,1; Über den Nutzen des Glaubens 1,2. 41 Bekenntnisse 3,10,18; 4,1,1; Gegen Faustus 5,10; Über die Sitten der Manichäer 19,66–68. 42 Bekenntnisse 3,7,12; 5,10,19. Gesang: ebd. 3,7,14. 43 Über die Sitten der Manichäer: 19,68. 44 Bekenntnisse 5,10,18. 45 Begeisterte Werbung: Bekenntnisse 5,9,15; 5,10,19. Hilfe der Freunde und heimliches Vorgehen: ebd. 3,10,18; 4,1,1. Melonen und Gurken: Gegen Faustus 5,10. Honoratus: PCBE 1, Honoratus (4), 564–565. 36
III. Der Junglehrer in Thagaste 1
Bekenntnisse 4,4,7; 6,7,11. Ebd. 6,15,25. 3 Ebd. 3,11,19. 4 Gegen die Akademiker 2,2,3. 5 Bekenntnisse 3,12,21; 4,4,7. 6 Gegen die Akademiker 1,1,2. 7 PCBE 1, Alypius 53–56; E. Feldmann – A. Schindler – O. Wermelinger, Alypius, AL 1, 245–267. 8 Bekenntnisse 3,11,19–12,21. 9 Ebd. 3,11,19–20. 10 Ebd. 4,4,7. 11 Ebd. 4,4,7–8. 12 Ebd. 4,4,9. 13 Cicero, Rede für Cn. Plancius 5; Sallust, Die Verschwörung Catilinas 20,4; Minucius Felix, Octavius 1,3. Otto, Die Sprichwörter 19; Nachträge, 69. 14 Cicero, Laelius, Über die Freundschaft 20. Augustinus zitiert den Satz aus dem Gedächtnis und daher mit leichten Varianten im Brief 258,1. 15 Bekenntnissse 4,6,11; Revidiertes Werkverzeichnis 2,6(32),2. 16 Ebd. 4,7,12. 17 Gegen die Akademiker 2,2,3. 2
IV. Der Professor in Karthago 1 2 3 4 5
Bekenntnisse 4,2,2. Ebd. 4,1,1. Gegen die Akademiker 1,6,17. Ebd. 4,2,3–3,4. Ebd. 4,3,5. PLRE 1, (Helvius) Vindicianus (2), 967–968.
224
Anmerkungen zu S. 36–46
6 Ebd. 4,3,5; 7,6,8. Zu Vindicianus’ Behandlungsmethode: Brief 138,3. Zu seiner medizinischen Schriftstellerei: K. Deichgräber, RE 9 A1, (1961), 29–36. 7 Ebd. 4,3,5; 7,6,8. 8 E. Bermon, Nebridius, AL 4, 191–194. 9 Bekenntnisse 6,7,11–12. 10 Ebd. 4,8,13. 11 Ebd. 6,14,24. 12 Balmus, Le style 130–135. 13 Die Rolle der Freundschaft für Augustinus: I. Hadot, Amicitia, AL 1, 287–293. 14 Bekenntnisse. 6,7,12. 15 Über die Sitten der Manichäer 2,18,65. 16 Bekenntnisse. 7,2,3. 17 Ebd. 6,7,11–12. 18 Ebd. 6,9,14–15. 19 Die Zeitangabe: Bekenntnisse 4,15,27: Augustinus war 26 oder 27 Jahre alt. Seine Fragen: ebd. 4,13,20. Zur Geschichte der Fragen: M. Pohlenz, Kleine Schriften 1, Hildesheim 1965, 102–103. 20 Horaz, Briefe 1,10,43–44. Die Definition: Bekenntnisse 4,15,24. Gemeinsame Cicerolektüre: ebd. 6,16,26. Lektüretitel: Cicero, Von den größten Gütern und Übeln 3,18; Über die Pflichten 1,98. 21 Bekenntnisse 4,14,21. 22 Ebd. 4,13,20. 23 Marcellinus’ Anfrage: Augustinus, Brief 136,2. Augustinus’ Antwort: Brief 138,3–5. Platon, Symposion 210a–212b. 24 Bekenntnisse 4,8,13. 25 Ebd. 6,6,9. 26 Ebd. 6,8,13. 27 Ebd. 5,8,14. 28 Ebd. 5,3,3; Possidius 1,1. M. Fussl – D. Pingree, Disciplinae liberales, AL 2, 472–485; Marrou, Augustinus 183–203. 29 S. 27. 30 Bekenntnisse. 5,3,3. 31 Ebd. 5,6,10; 11; 6,11,18. Faustus: PCBE 1, Faustus (2), 390–397; F. Decret, Faustus Manichaeus, AL 2, 1252–1255. 32 Ebd. 5,3,3; 6,11. Der Rang des Gelehrten: ebd. 7,13. 33 Cicero, Über die Themenfindung 1,1; Über den Redner 2,4–7; Der Redner 14–17. Das Zitat: Die Redeteile 79. 34 Faustus’ Eingeständnis: Bekenntnisse. 5,7,12. Die gemeinsame Lektüre und Augustinus’ Schwanken: 5,7,13. 35 Ebd. 5,11,21. 36 Die Teufelsschlinge Faustus: ebd. 5,3,3. 37 Ebd. 5,7,13. Der Dreißigjährige: ebd. 6,11,18. 38 Ebd. 5,8,15. 39 Das Bild des Aeneas: Brief 7,2,4. Vergil, Aeneis 4,571–580. Der pius Aeneas: 4,393; der ferus Aeneas 4,466. MacCormack, The Shadows of Poetry 97. 40 Brief 7,2,4. 41 Bekenntnisse 5,8,15; 5,9,16–17. 42 Gegen die Akademiker 2,2,3. 43 Gegen den Brief des Petilianus 3,23,30.
Anmerkungen zu S. 46–56
225
V. Das römische Zwischenspiel 1
CTh 14,9,1. Bekenntnisse 5,8,14; 6,8,13; 10,16. 3 Ebd. 5,8,14. 4 Ebd. 5,10,18. Constantius’ Name fiel hier noch nicht. Augustinus nannte ihn erst in seiner späteren Schrift Gegen den Manichäer Faustus: S. 230,32. 5 Ebd. 5,10,19. 6 Ebd. 5,12,22. 7 Ebd. 6,8,13. 8 Ebd. 6,10,16; PLRE 1,1026: Anonymus 141; A. Chastagnol, La préfecture urbaine à Rome sous le Bas-Empire 372–373; F. Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, 2. Abschnitt, München 2006, 224–225. 9 CJ 2,6,6. 10 Bekenntnisse 6,10,16. 11 Ebd. 8,6,13. 12 Augustinus’ africanischer Akzent: Über die Ordnung 2,17,45. 13 Mani und die Göttliche Vorsehung: Augustinus, Gegen den Brief des Fundaments 5,5; Gegen Felix 1,1. 14 Mit einem solchen Sachbearbeiter korrespondierte Symmachus einige Zeit danach: Brief 5,35. 15 Bekenntnisse 5,13,23. Vage spricht Augustinus von der Unterstützung manichäischer Freunde. In erster Linie muss das Constantius gewesen sein. 16 CTh 13,3,6. 17 Brief 17. 18 Symmachus: PLRE 1, Symmachus (4), 865–870. R. Klein, Der Streit um den Victoriaaltar. Die dritte Relatio des Symmachus und die Briefe 17, 18 und 57 des Mailänder Bischofs Ambrosius. Einführung, Text, Übersetzung und Erläuterung, Darmstadt 1972. 19 Gegen Faustus 5,5. 20 CTh 16,5,7; 9. 2
VI. Der Professor in Mailand 1
CTh 13,3,11. Kaster, Guardians of Language 116–117. CTh 13,3,1; 3. 3 Bekenntnisse 8,8,19. 4 Ebd. 5,13,23. 5 N. B. Mc Lynn, Ambrose of Milan. Church and Court in a Christian Capital, Berkeley u. a. 1994; Dassmann, Ambrosius von Mailand. 6 Ambrosius, Über den Heimgang Valentinians (II.) 28. 7 K. Rosen, Ammianus Marcellinus, Darmstadt 1982, 60–61. 8 Symmachus, Briefe 3,30–37. 9 Bekenntnisse 5,13,23. 10 Symmachus, Briefe 4,15–16; PLRE 1, Flavius Bauto 159–160. 11 Ambrosius, Brief 57,3. 12 Ambrosius, Brief 30 (24),6; 8. 13 Gegen den Brief des Petilianus 3,25,30. Courcelle, Recherches 80–81. 14 Bekenntnisse 6,6,9. 15 Ebd. 6,6,9. Sündhafter Stolz: ebd. 10,36,59. 16 Ebd. 6,11,18; 19; Gegen den Brief des Petilianus 3,25,30. 2
226
Anmerkungen zu S. 56–64
17 Ambrosius, Brief 30 (24). Groß-Albenhausen, Imperator christianissimus 94–98 mit Hinweisen auf die chronologischen Schwierigkeiten der zweiten Reise. 18 Bekenntnisse 6,6,9. 19 Ebd. 5,13,23. 20 Cicero, Redeteile 32. 21 Bekenntnisse 5,13,23. Die Arianerin Justina: ebd. 9,7,15. Zur historisch schiefen Bezeichnung Arianer, die für Ambrosius und Augustinus selbstverständlich waren: H. Ch. Brennecke, AH 209. 22 Bekenntnisse 5,14,24. 23 Ebd. 6,1,1. Apostelgeschichte 27,23–34. 24 Ebd. 6,1,1. 25 Ebd. 6,2,2. Pagane Totenmähler, ihre Fortsetzung im Christentum und Ambrosius’ und Augustinus’ Kampf gegen die Auswüchse: van der Meer, Augustinus 577–609. Dazu Nr. 6,2 der neugefundenen Erfurter Augustinuspredigten: I Schiller – D. Weber – C. Weidmann, Sechs neue Augustinuspredigten. Teil 1 mit Edition dreier Sermones, Wiener Studien 121, 2008, 275; 284. Die in Mailand blühende Märtyrerverehrung erwähnte auch der heidnische Historiker Ammianus Marcellinus 27,7,5. 26 Ebd. 6,2,2. Die Krise: ebd. 6,1,1. 27 CTh 16,7,3. 28 Ebd. 6,3,3. 29 Ebd. 6,3,3. Zu lautem und leisem Lesen in der Antike: O’Donnell, Commentary 2, 345. 30 Ebd. 6,3,4–5; vgl. ebd. 3,7,12. 31 Ebd. 6,4,6–8 zu 2 Kor 3,6. 32 Ebd. 6,7,11. 33 Gegen Cresconius 1,19. 34 Platon, Politeia 7,532a. Man hat häufig vermutet, es habe einen „Mailänder Kreis“ neuplatonischer Philosophen gegeben, zu dem Augustinus gehört habe. Skeptisch dazu Drecoll, AH 140–143. 35 Über das glückliche Leben 1,4. Theodorus’ Karriere: PLRE 1, Theodorus (27), 900– 902. 36 Bekenntnisse 7,9,13. Zu der breiten Diskussion, wer der Unbekannte war und welche Platoniker er empfahl: O’Donnell, Commentary 2, 419–424. Das revidierte Urteil über Theodorus: Retractationes 1,2,2. 37 Gottesstaat 10,29. 38 Bekenntnisse 8,2,3. 39 Sophokles, König Ödipus 56; Thukydides 1,143,5; 7,77,4; 7; Cicero, Briefe an Atticus 7,11,3; Appian, Bürgerkriege 2,37. Zu den christlichen Parallelen: O’Donnell, Commentary 3,21–22. 40 Bekenntnisse 8,2,3–5. 41 Ebd. 8,5,10. 42 Ebd. 8,5,10–11. 43 Augustinus’ Verwandte sind mit Trygetius und Licentius Teilnehmer im Rundgespräch Über das glückliche Leben 1,6. Alypius und Nebridius: Bekenntnisse 6,10,16; 17; 8,6,14. Ponticianus: ebd. 8,6,14. 44 Ebd. 8,6,13. 45 Ebd. 6,7,11; 6,14,24. 46 Ebd. 6,14,24. Pythagoras’ Sprichwort: Otto, Sprichwörter 20, s. v. amicus (1); Nachträge 301. Pythagoras: Jamblichus, Leben des Pythagoras 17,72; 30,168. Platon: W. Jaeger, Über Ursprung und Kreislauf des philosophischen Lebensideals, Scripta minora 1, Rom 1960, 347–393. Aristoteles: Nikomachische Ethik 10,7,1177a34.
Anmerkungen zu S. 64–72
227
47
Bekenntnisse 6,14,24. Ebd. 8,6,15: Ponticianus berichtete Augustinus vom aufblühenden Klosterwesen und dem Kloster vor Mailand; vgl. S. 73. Pythagoras’ Sprichwort umkreiste Augustinus ebd. 6,14,24. 49 Ebd. 6,12,21–22. 50 Ebd. 6,13,23. Eine umfangreiche Quellensammlung für „das gewöhnliche Alter der Mädchen bei der Verlobung und Verheiratung“: M. Bang, in: L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms 4, Leipzig 19299–10, Nachdruck Aalen 1979, 133–141. 51 Ebd. 6,15,25. 52 Die vermutete Anspielung auf Evas Geburt in der Genesis würde dem Satz eine zusätzliche höhere Weihe geben: D. Shanzer, Avulsa a latere meo: Augustine’s Spare Rib – Confessions 6,15,25, JRS 92, 2002, 157–176. 53 O’Donnell, Confessions 2, 386. 54 Bekenntnisse 6,16,26. Die Altersangaben im folgenden Kapitel 7,1,1. Zu ihnen Courcelle, Recherches 43–44. 55 Augustinus’ Leiden: S. 69–71. 56 Bekenntnisse 6,16,26. 57 CTh 16,1,4. Der Streit um die Basilika: Dassmann, Ambrosius 95–106; Groß-Albenhausen, Imperator christianissimus 79–93. 58 Bekenntnisse 9,7,15. 59 Ebd. 10,33,49–50. 60 Ebd. 9,7,16; Werkverzeichnis 1,12,8; Gottesstaat 22,8. Zur Translation der Gebeine: E. Dassmann, Ambrosius und die Märtyrer, JbAC 18, 1975, 52–57. 48
VII. Die Bekehrung 1 Bekenntnisse 9,2,2; 4; 4,12; 5,13; Über das glückliche Leben 1,4; Über die Ordnung 1,2,5. 2 Eine Liste der Aufsteiger bei Nellen, Viri litterati 91–97. 3 Augustinus’ Überlegungen: Bekenntnisse 6,11,18–19; vgl. Selbstgespräche 1,17,4; 18,3. 4 Über das glückliche Leben 1,4. 5 Bekenntnisse 7,21,27 zu Mt 11,28; 25; 1 Kor 15,9. 6 Ebd. 6,11,20. 7 Ebd. 9,2,4. 8 Ebd. 9,2,2. 9 Ebd. 9,5,13. 10 Ebd. 9,2,4; Über die Ordnung 1,9,27. 11 Bekenntnisse 8,6,13; 9,4,7. 12 Ebd. 8,6,13. 13 S. 15. 14 Bekenntnisse 7,8,12. 15 Über das glückliche Leben 1,4. 16 Gegen die Akademiker 1,1,3. 17 Über die Ordnung 1,11,32. 18 Ebd. 1,2,5. 19 Über den Nutzen des Glaubens 8,20. 20 Ebd. 8,20. 21 Brief 147,23,52. Paulina: PCBE 1,837. 22 Über den Nutzen des Glaubens 8,20. Die Aussage war Augustinus so wichtig, dass er sie etwa fünf Jahre später in den Bekenntnissen 5,14,25 fast wörtlich wiederholte.
228
Anmerkungen zu S. 72–79
23
Bekenntnisse 6,5,7. Dassmann, Ambrosius von Mailand 138–139. 25 Werkverzeichnis 2,32,1. Zu belehren – bewegen – erfreuen: H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, München 19732, 140–144, § 257. Zur Nachwirkung der Bekenntnisse: L. Stelling, in: Pollmann, OGHRA 2, 831–834. 26 Bekenntnisse 8,6,14–15. 27 Ebd. 8,7,18. 28 Bekenntnisse 8,8,19–12,30. Alypius der Herzensbruder: ebd. 9,4,7. Die entscheidenden Bibelzitate für Antonius: Mt 19,21; für Augustinus: Röm 13,13–14; für Alypius: Röm 14,1. 29 Courcelle, Recherches 7–12; E. Feldmann, Confessiones, AL 1, 1135–1139. Eine ältere und eine jüngere Forschungsgeschichte: U. Mannucci, La conversione di S. Agostino e la critica recente, Miscellanea Agostiniana, Vol. 2: Studi Agostiniani, Rom 1931, 23–47; V. H. Drecoll, HA 162–163; P. Frederiksen, ebd. 294–309. Immer noch lesenswert die energische „Retractatio“ von Marrou, Augustin 487–489. Schwerlich dürfte die neumodische „neurokulturelle Geschichtswissenschaft“ (J. Fried, Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004; erweiterter Nachdruck 2012) Inhalt und Glaubwürdigkeit der Bekehrungsszene weiter erhellen. 30 Sofortige zahlreiche Leser der Bekenntnisse: Werkverzeichnis 2,32,1; Über die Gabe der Beharrlichkeit 53. 31 Lehrstuhl der Lüge: Bekenntnisse 9,4; vgl. 6,9; 9,9. 32 Ebd. 10,3,3. 33 Homer, Odyssee 18,112–117; 20,111–120. Apuleius, Apologie 42,6; 7; Historia Augusta, Septimius Severus 4,6. 34 Ambrosius’ Bischofswahl: Paulinus, Leben des Ambrosius 6. Volkes Stimme ist Gottes Stimme: Otto, Sprichwörter 195. 35 Über 83 verschiedene Fragen 45,2; Brief 55,20,37. 36 Bekenntnisse 8,12,18; vgl. ebd. 9,10,26; 27; unten S. 79. Thukydides 1,22,1. 37 Bekenntnisse 9,3,6. 38 Ebd. 8,12,29; Matthäus 19,21. 39 Über die Ordnung 1,1,2; 4,11. 40 S. 13. 41 Bekenntnisse 9,12,30. 24
VIII. Cassiciacum 1 Bekenntnisse 9,3,5. Zur Lage von Cassiciacum: O’Donnell, Confessions 3, 81–82; G. J. P. O’Daly, Cassiciacum, AL 1, 771. 2 Bekenntnisse 8,11,27. 3 Ebd. 9,3,5. 4 Ebd. 9,4,8. 5 Über das glückliche Leben 11. 6 Die Namen der Teilnehmer am 13. November: ebd. 6. 7 Ebd. 2,12. 8 Ebd. 10; 21; 35. Zu Aufbau und Gesprächsführung in den Dialogen von Cassiciacum: Uhle, Augustin und die Dialektik. 9 Ebd. 2,15; 3,18. 10 Ebd. 2,15. 11 Ebd. 2,15; 3,21; 4,26; 27.
Anmerkungen zu S. 79–86
229
12
Werkverzeichnis 1,2,1. S. 32. Zur Stellung der drei Bücher in Augustinus’ Gesamtwerk und zu zahlreichen Einzelfragen: Th. Fuhrer in der Einleitung zu ihrem Kommentar 1–54. 14 Gegen die Akademiker 3,20,44. 15 Brief 6,1. 16 Selbstgespräche 1,8,1; Bekenntnisse 9,4,7; Gegen die Akademiker 2,13,30. 17 Selbstgespräche 1,8,1. 18 Über die Ordnung 1,7,18. Die frühere Diskussion: S. 39–40. Alypius mit Navigius abwesend: ebd. 1,3,7. Seine Rückkehr: ebd. 2,1,1. 19 Ebd. 1,6,16. 20 Selbstgespräche 1,2,2. 21 Ebd. 1,3,4; 4,5; 4,8. 22 Ebd. 7,1. 23 Ebd. 1,7,6. 24 Bekenntnisse 9,4,12. 25 Über die Ordnung 1,8,22 zu Psalm 79 (80),7. 26 Augustinus’ Briefe: J. Divjak, Epistulae, AL 2, 893–1057. 27 Bekenntnisse 9,5,13. 13
IX. Die Taufe und der Abschied von Italien 1
Bekenntnisse 9,6,14. Zum Datum: G. Bonner, Augustinus (vita), AL 1, 533. E. Lamirande, Catechumenus, AL 1, 790–792. 3 Bekenntnisse 9,6,14. 4 V. Grossi, Baptismus, AL 1, 583–591. Um 405 schrieb Augustinus die sieben Bücher Über die Taufe, denen um 410 ein weiteres Buch Über die eine Taufe folgte. 5 Brief 36,14,32. 6 S. 62–63. 7 Bekenntnisse 9,6,14. 8 Ebd. Vgl. S. 79; 96. Zur erstmaligen Namensnennung: S. 24. Zum Topos des puer senex: E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern – München 19655, 108–112. 9 Bekenntnisse 9,6,14. 10 Werkverzeichnis 1,5,1. 11 Ebd. 1,5,6. 12 Bekenntnisse 9,8,17 zu Psalm 67 (68) 7. Auf der Zwischenstation Ostia waren mehrere Freunde zusammen: ebd. 9,11,28; 31. 13 Ebd. 9,10,22. Der Schiffsverkehr ruhte vom 1. Oktober bis 31. März (CTh 13,9,3). Aber schon ab der zweiten Septemberhälfte galt eine Seereise als gefährlich (Vegetius, Über das Kriegswesen 4,39,2). 14 Ebd. 9,8,17. W. Enßlin, Maximus (Usurpator), RE 14,2, (1930), 2552; ders. Valentinianus II., ebd. 7 A 2, (1948), 2223. 15 Pacatus, Panegyrici Latini 2,38,2. 16 Bekenntnisse 9,8,17–13,37. 17 Ebd. 9,8,18. 18 Augustinus, Gegen Julianus 1,68. 19 Alkoholikerinnen: Plinius, Naturgeschichte 14,89–90; Tertullian, Apologeticum 6,4. Senatorentöchter: Leben der heiligen Melania 22. 20 Bekenntnisse. 6,2,2; S. 58. Die Antwort an Julianus: Gegen Julianus 1,68,3. 1 Kor 6,10. 2
230
Anmerkungen zu S. 86–95
21
Bekenntnisse 2,4,9. Ebd. 9,8,19–9,22. 23 Ebd. 9,10,23–11,27. Plotins und Porphyrius’ mystische Gottesschau: Porphyrius, Leben Plotins 23,129–131. 24 Bekenntnisse 9,10,26; 11,27. 25 Ebd. 9,10,26. 26 Ebd. 9,11,28. 27 Ebd. 9,11,28–12,32. Die falsche Etymologie von balaneîon: bállein anían = die Sorge vertreiben. Plotins Badescheu: Porphyrius, Leben Plotins 2,6. 28 Bekenntnisse 9,12,32–33. 29 Ebd. 9,13,34–35. 30 Ebd. 9,13,36–37. Monnicas spätere Verehrung: O’Donnell, Commentary 3, 141–142. 31 Ebd. 9,11,28. 32 Über die Sitten der Manichäer 2,20,74. Constantius’ Name fällt hier genausowenig wie in den Bekenntnissen (S. 225,4). Seine namentliche Erwähnung: Gegen Faustus 5,5, wo Augustinus noch einmal auf Constantius’ gescheitertes Experiment zu sprechen kommt. 33 Gegen Faustus 5,5; 7. 34 Euodius’ Schlusssatz: Über die Größe der Seele 81. Seine Korrespondenz mit Augustinus: Briefe 158–164; 169; J. Divjak, Epistulae, AL 2, 943–945. Uzalis: Lepelley, Les cités 2, 246–247. 35 Werkverzeichnis 1,8,1. Brief 162,2. 36 Gegen den Brief des Petilianus 3,23,30. Maximus’ unterschiedliche Todesdaten: W. Enßlin, Maximus (Usurpator), RE 14,2, (1930), 2554. 37 Ambrosius, Brief 40,22; Orosius 7,35,3; 5; Zosimus 4,46,1. Gildo: A. Lippold, Theodosius I., RE, Supplementband 13, (1973), 877. 38 Über die Sitten der katholischen Kirche 1,67. 39 Ebd. 1,70–71. 22
X. Heimkehr nach Thagaste 1
Plinius, Naturgeschichte 19,4. Brief 26. 3 Bekenntnisse 9,3,6. Briefe 5; 9,1; 10,1; 11,1. 4 Brief 9,1; Bekenntnisse 9,3,6. 5 Der Gottesstaat 22,8. Mit vielen Details erzählte Augustinus das Wunder, bei dem er selbst mitgewirkt hatte, während er zuvor die Heilung des Blinden in Mailand (S. 68), die ihm nur berichtet worden war, sehr viel kürzer behandelte. 6 Über die Sorge für die Toten 11,13. 7 Gottesstaat 22,5. Aurelius: PCBE 1, 105–127. Euodius: ebd. 366–373. 8 CTh 12,1,7. 9 Ebd. 13,3,1. 10 Brief 5. 11 Diener Gottes und keine Kleriker: Brief 20,2; Der Gottesstaat 22,8; Possidius 3,1. Befreiung der Kleriker: Eusebius, Kirchengeschichte 10,7,1–2; CTh 16,2,1. 12 Brief 126,7; Predigt 355,2. Die „wenigen Gütchen“ (pauca agellula) und das „schmale Bisschen“ (tenuis paupertatula) darf man nicht ganz ernst nehmen, weil Deminutiva im spätantiken Latein beliebt waren. 13 Possidius 3,2 zu Ps 1,2. 14 Brief 10,1. 2
Anmerkungen zu S. 95–102
231
15 Die Vereinigung (coniunctio): Brief 22,1 an Bischof Aurelius von Karthago. Das praeceptum: S. 246,73. 16 Brief 15,1. 17 Brief 19. 18 Über die Genesis gegen die Manichäer 1,1. 19 Über die Musik 6,4,7 = Werkverzeichnis 1,10,2. Zum Gesamtwerk: F. Hentschel, De Musica AL 4, 130–137. Zu numerus = Zahl, Rhythmus: Ch. Horn, Numerus, ebd. 226–236. 20 Werkverzeichnis 1,11 zu Mt 23,10. 21 Cassiciacum: S. 78. Taufe: S. 83. Bekenntnisse 9,6,14. 22 Brief 15,1. 23 Brief 13. 24 Brief 10,1. 25 Zur Entstehungsgeschichte des Buches: Werkverzeichnis 1,25. 26 Brief 18 an einen sonst unbekannten Caelestinus. Bitte an Paulinus von Nola um Kritik: Brief 27,6. 27 Brief 27,4; 31,7. 28 Brief 16 und 17. Kaster, Guardians of Language 311. 29 Brief 17,5. 30 Predigt 355,2; Possidius 4,1. 31 Gegen die Akademiker 2,3,8; 3,20,44; S. 79. 32 Über die wahre Religion 4,6,22–7,23; 9,29. 33 Ebd. 10,18,51–19,55. Im Werkverzeichnis 1,12,3 verdeutlicht Augustinus seine Argumentation. Konstantin: Rosen, Konstantin der Große 269. 34 Brief 27,4. 35 Brief 32,3.
XI. Der Priester in Hippo 1
Possidius 3,2–3: „Es geschah zufällig“. Predigt 355,2. 3 Possidius 3,3–5. Der Name des Mannes fällt nicht. 4 Brief 21,2; Possidius 4,1–3. 5 Lancel, Hippo Regius, AL 3, 351–363; K. Vössing, AH 24–27. 6 Lepelley, Les cités 2, 119; 121. 7 Über den Lehrer 13,44; vgl. Brief 17,2; 20*,3; 21. 8 Brief 66,2; 20*,3; 21. I. Opelt, Augustinus epistula 20* (Divjak). En Zeugnis für lebendiges Punisch im 5. Jh. nach Christus, Augustinianum 25, 1958, 121–132. 9 Brief 126,7. 10 J. Béranger, Le refus du pouvoir, in: ders., Recherches sur l’aspect idéologique du principat, Basel 1953, 161–169 mit Beispielen aus der Kirchengeschichte von der Antike bis zur Neuzeit. 11 Tit 1,9. 12 Brief 21,6. Valerius’ geringe Lateinkenntnisse: Possidius 5,2. 13 Brief 22,2,9. 14 Possidius 5,4–5. 15 Predigt 355,2; Possidius 5,1. Apg 2,44; 4,32; 34–35. 16 Alypius: Brief 22,1; Euodius: PCBE 1,368; Brief 158,9. 17 Zum praeceptum und seiner Überlieferung: Verheijen, La Règle; dazu A. E. J. Grote, Monasterium, AL 4, 57–68. 18 Possidius 6,1–6. Die Überschrift des Protokolls nennt das Datum. Die Stenographen 2
232
Anmerkungen zu S. 102–111
(notarii): Werkverzeichnis 1,15,1; Possidius 6,6. Der Manichäismus in Hippo: Decret, L’Afrique manichéenne 1, 191–193. 19 Protokoll gegen Fortunatus 1,15,1; Possidius 6,8. 20 CTh 16,5,20; 21. 21 Honoratus: PCBE 1, Honoratus (4), 564–565. 22 F. Decret, AL 2, 667–672. 23 D. Weber, AL 3, 126–132. 24 Grundlegend Frend, The Donatist Church. Zu den Circumcellionen und ihrer Forschungsgeschichte: G. Gottlieb, Die Circumcellionen. Bemerkungen zum donatistischen Streit, Annuarium Historiae Conciliorum 10, 1978, 1–15; Cl. Lepelley, Circumcelliones, AL 1, 930–936. 25 Brief 23. 26 PCBE 1, Maximinus (2), 728. 27 Otto, Sprichwörter 122. 28 Brief 55,18,34. 29 van der Meer, Augustinus der Seelsorger 126. 30 Psalm gegen die Donatuspartei 261–262; 279; 283–284. Das Bild von der Mutter Kirche kommt im 2. Jahrhundert auf. 31 Ebd. 131–168. 32 Ebd. 183–244. 33 S. 93. 34 Brief 22. 35 Ebd. 22,2,8. 36 Aurelius: A.-M. La Bonnardière, Aurelius episcopus, AL 1, 550–566. 37 Werkverzeichnis 1,16,1. 38 Die Kanones von Hippo: Concilia Africae 20–27; 30–46; dazu J. E. Merdinger, The Council of Hippo and Clericial Appeals within Africa, in: ders., Rome and the African Church in the Time of Augustine, New Haven – London 1997, 63–87. 39 Werkverzeichnis 1,16,1. A. Schindler, Fide et symbolo (De-), AL 2, 1311–1317. 40 Werkverzeichnis 1,20,1 zu Mt 16,18. 41 Gegen Adimantus 12. 42 S. 43. 43 Augustinus, Sermo 1, CCL 41, 1–6. 44 Werkverzeichnis 1,22,1. Perler, Les voyages de Saint Augustin 162–163. 45 Auslegung zum Römerbrief 64,4; 6. 46 Possidius 7,4. 47 Rufinus, Kirchengeschichte 10,6,10; Anonyme Kirchengeschichte (Gelasius Cyzicenus, CPG 6034) 2,32,8; Possidius 8,5. 48 Augustinus, Gegen den Brief des Petilianus 4,16,19; PCBE 1, Megalius, 742,8 mit der Parallelüberlieferung. 49 Possidius 8,3; vgl. S. 100–101. 50 1 Tim 3,1–7; Tit 1,5–9. 51 Brief 32,4. 52 PCBE 1, Alypius, 56. 53 Zum Datum: Perler, Les voyages de saint Augustin 164–177. Das Datum ist allerdings nicht unumstritten: Lancel, Saint Augustin 264–265. 54 S. 134. 55 Brief 28. 56 Zum Briefwechsel: Fürst, Augustinus – Hieronymus 13–26. 57 Brief 29; vgl. S. 58. Th. Klauser, Die Cathedra im Totenkult der heidnischen und christlichen Antike, Münster 19713, 127/8, 104; 175.
Anmerkungen zu S. 112–117
233
58 K. L. Noethlichs, Zur Einflussnahme des Staates auf die Entwicklung eines christlichen Klerikerstandes. Schicht- und berufsspezifische Bestimmungen für den Klerus im 4. und 5. Jahrhundert in den spätantiken Rechtsquellen, JbAC 15, 1992, 136–153; W. Eck, Der Einfluss der konstantinischen Wende auf die Auswahl der Bischöfe im 4. und 5. Jahrhundert, Chiron 8, 1978, 580–581. Zur hierarchischen Rangordnung, die auch über das Vortrittsrecht am Hof und in der Öffentlichkeit entschied, vgl. Valentinians Gesetz vom 5. Juli 372: CTh 6,7,1; 9,1; 11,1. 59 S. 67. 60 Brief 137; 151.
XII. Der Bischof von Hippo 1
Brief 31,4 zu Mt 11,30. Werkverzeichnis 1,23–25; S. 97. 3 Ebd. 26. Zu dem kleinen Werk A. Fürst, Mendacio (De-), AL 3, 1257–1261; ders., Mendacium, ebd. 1261–1266. 4 Über die Lüge 2,2. 5 Ebd. 5,6; 13,23 zu Ex 20,16. 6 Ebd. 5,6; 6,9; 13,23; 16,35; 18,37 zu Ps 5,7. Homer, Ilias 4,235. 7 S. 174. 8 H. Weinrich, Linguistik der Lüge. Kann Sprache die Gedanken verbergen? Heidelberg 19745, eröffnete seinen Essay mit Augustinus’ Eingangsworten: Magna quaestio est de mendacio. 9 Werkverzeichnis 2,27,1. 10 S. 179–187. 11 S. 108–109. 12 Brief 137,1. 13 Darlegung 53,61,7. 14 Werkverzeichnis 1,22,5. 15 An Simplicianus 1,2,13 zu Mt 22,14. 16 An Simplicianus 1,2,1 u. ö. zu Rom 9,10–12. 17 Ebd. 1,2,2. 18 Ebd. 1,2,16; 17; 18 zu Rom 9,20. 19 Ebd. 1,2,9; 17 zu 1 Kor 4,7. 20 S. 115; 119. 21 Bekenntnisse 9,1,1; 10,29,40; 31,45; 37,60; vgl. S. 120. 22 S. 155; 157. 23 Gottesstaat 5,8 zu Ciceros Übersetzung von Homer, Odyssee 18,136–137; Seneca, Moralische Briefe 107,11. 24 Homer, Ilias 1,1–4. 25 Flasch, Logik des Schreckens. Dazu die Rezensionen von G. Madec, Revue des Études Augustiniennes 37, 1991, 387–390; T. G. Ring, Bruch oder Entwicklung im Gnadenbegriff Augustins?, Augustiniana 44, 1994, 31–113. 26 Brief 34,4. 27 Ebd. 34,2–3. 28 Brief 33. 29 Brief 34–35; PCBE 1, Eusebius (1), 374–375. 30 Brief 23,7; 34,1. 31 Brief 35,4. Traditor: S. 103–104. 32 Brief 33,5 zu Phil 2,7. 2
234 33
Anmerkungen zu S. 117–124
Brief 38,1. PCBE 1, Profuturus, 928–930. Brief 33,4; PCBE 1, Valerius (2), 1141. 35 Concilia Africae 21, Kanon 5. 36 M. Klöckener, Festa sanctorum et martyrum, AL 2, 1281–1305. 37 Verzeichnis der Predigten: Perler, Les voyages 215–218; 438–442. Dazu kommen unter den von Dolbeau 1990 in Mainz entdeckten Predigten wenigstens noch die Nummern 13 und 18. Grundlegend für die chronologische Einordnung der Predigten ist Possidius’ Indiculum. Ihr Text selbst enthält kaum je Indizien für eine relative Chronologie innerhalb des Jahres 397. 38 26. Juni: Concilia Africae 193; 13. August: ebd. 47–48. 39 Ebd. 48–49. 40 Ebd. 182–193. 41 PLRE 1, 395–396. 42 Ps 47(48) 2; 95(96),4. Knauer, Psalmenzitate 49. 43 Ps 146(147) 5. 44 Vgl. 2 Kor 4,10. 45 Jak 4,5; 1 Petr 5,5. 46 Zur Kontroverse E. Feldmann, AL 1, 1149–1153. 47 Zur kaum zu erschöpfenden Interpretation der letzten vier Bücher der Bekenntnisse die Abhandlungen in Fischer-Mayer, Die Confessiones, sowie der 4. und 5. Band von Fischer – Hattrup – Mayer, Augustinus, Confessiones. Dazu die kommentierten zweisprachigen Ausgaben von N. Fischer zu Buch 10, Hamburg 2006, und zu Buch 11, Hamburg 2000. 48 Die Bildung des Embryo: Ps 118(119) 73; Ijob 10,8. 49 Briefe 429–431; vgl. S. 199. Zu Darius: PLRE 2, Darius (2), 347–348; PCBE 1, Darius, 264–265. 50 Brief 231,6. 51 S. 89. 52 Bekenntnisse 10,3,3. 53 Ebd. 10,24,35–26,37. 54 Ebd. 10,29,40; 31,45; 37,60. 55 Stoßgebete: Brief 13,10,20. Pelagianischer Streit: „Über die Gabe der Beharrlichkeit 20,53; vgl. S. 179–180. 56 Bekenntnisse 13,30,45. 57 Ebd. 13,37,52–38. 58 Über die Gabe der Beharrlichkeit 20,53; Courcelle, Confessions 246,1. 59 F. Decret, AL 2, 1245 datiert das Werk auf 400–404. 60 Werkverzeichnis 2,33. 61 Gegen Faustus 33,9. 62 CTh 16,5,35. 63 Predigt 1,5. 64 Anleitung für Christen, Vorwort 1. Zum Adressatenkreis und zur Interpretation des Vorworts: Pollmann, Doctrina christiana 68–89; 108–121. 65 Predigt 5*,14[7]. 66 Vorwort 2–18. 67 Im 4. Buch 24,140 verwies Augustinus auf ein Ereignis aus dem Jahr 418, das beinahe acht oder mehr Jahre zurücklag. Er befand sich also damals etwa im Jahr 426. 68 Zeichen und Dinge: ebd. 1,2,4; Trinität: 1,5,10. Die Unterscheidung zwischen Nützlichem und Erfreulichem behandelt Aristoteles, Nikomachische Ethik 8,3,1156 a anhand der Freundschaft. Augustinus benutzt für „sich erfreuen an“ frui, dessen eigentlichen Sinn 34
Anmerkungen zu S. 124–132
235
„genießen“ manche Übersetzer beibehalten: deo frui = „Gott genießen“; vgl. Bekenntnisse 7,17,23; 18,24. Zum Wortgebrauch frui bei Augustinus: H. Chadwick, Frui – uti, AL 3, 70–75. 69 Ebd. 1,36,86 zu Mt 22,37–40. 70 Ebd. 1,39,93 zu 1 Kor 13,13. 71 Ebd. 2,9,31. 72 Ebd. 2,42,151–152 zu 1 Kor 8,1. 73 Ebd. 3,1,2–3. 74 Ebd. 3,10,33–34. 75 Der Einschnitt zwischen dem älteren und dem jüngeren Teil liegt laut Werkverzeichnis 2,6,1 zwischen 3,25,78 und 79. 76 Ebd. 3,30,92–37,132. 77 Ebd. 3,37,133. Eine umfassende Interpretation zu Tyconius und seinem Verhältnis zu Augustinus: Pollmann, Doctrina christiana. 78 Ebd. 4,5,19–20. 79 Ebd. 4,6,26–7,60; vgl. S. 27. 80 Ebd. 4,12,74; 17,96; Cicero, Der Redner 100–101. 81 Ebd. 4,18,98–21,133. 82 Ebd. 4,18,98–99 zu Lk 16,10. 83 Quintilian, Unterweisung des Redners 12,1,1. 84 Anleitung 4,27,153–29,159.
XIII. Der streitbare Verteidiger der Einen Kirche 1
Brief 50. Leppelley, Les cités 1,355; 2,305–307. Der Codex Theodosianus verteilt das Gesetz, wie er es öfter tut, auf die drei Einzelverordnungen 16,10,17; 18 und 16,11,1. Deren identische Daten verraten ihre Einheit. 3 CTh 16,11,1. 4 Weissenberg, Die Friedenslehre des Augustinus 462–509. 5 CTh 16,10,15. 6 CTh 16,10,8. 7 Augustinus, Gottesstaat 18,54; Perler, Les voyages 391–395. 8 Predigt 62,8,13; 11,17–18. Zum Datum 399: Perler, a. O. 443. 9 Concilia Africae 193–194. 10 CTh 9,45,1–3. 11 Concilia Africae 196, § 58; vgl. 359, § 16. 12 Predigt 24. Perler, a. O. 232–235; Magalhães de Oliveira, Potestas populi 228–241. 13 Die bekannteste Darstellung findet sich bei Livius 2,32,8–12. Vielleicht spielt Augustinus im letzten Kapitel des Gottesstaates 22,30 darauf an. 14 PCBE 1, Faustinus (4), 386–384. 15 Predigt Morin 1, (Miscellanea Agostiniana 1, 589–593) im Anschluss an die Predigt 279. 16 Die Konzilsakten: Concilia Africae 198–205. 17 Anastasius’ Brief: Concilia Africae 202–203. Donatisten in Rom: Augustinus, Brief 53,2. 18 Concilia Africae 199, § 66. 19 Karten zur Verteilung der katholischen und donatistischen Bischofssitze im Anhang von Frend, The Donatist Church. 20 PCBE 1, Maximianus (3), 719–722. 21 PCBE 1, Sacerdos, 1021; Augustinus, Brief 51,3. 22 Concilia Africae 199–201, § 67; 69. 2
236
Anmerkungen zu S. 132–140
23 Augustinus, Gegen Cresconius 3,60,66; 4,49,59. Zu Abitinae, Membressa und Mustis: Lepelley, Les cités 56–62; 141–144; 147–150. Zu Augustinus’ Anregung: Maier, Le dossier 2, 113, 19. 24 Concilia Africae. 200, § 68. 25 Ebd. 205, § 84. 26 Ebd. 202, § 75. 27 CTh 1,29,1–5. R. M. Frakes, Contra potentium iniurias. The defensor civitatis and Late Roman Justice, Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte 90, 2001. Zum defensor ecclesiae: ebd. 165–229. 28 Concilia Africae 215, § 97. 29 Brief 20*,6; 29. Zu der Affäre: S. 202–203. 30 Predigt 14,1. 31 Ebd. 14,8 zu Lk 16,9. 32 Ebd. 14,9 zu 2 Kor 8,9 und Joh 1,3. 33 Perler, Les voyages 446–454; K. Vössing, Itinera AL 3, 768. 34 Werkverzeichnis 2,5 (31),2. 35 Concilia Africae 210, § 91–92. Der Brief an Septiminus: Akten der Konferenz von Karthago (411) 3,174; vgl. unten Anm. 95. 36 Maier, Le dossier, 2,124–126. 37 Erklärung zu Psalm 36, 3. Predigt 19, CCL 38,380. Zur Chronologie: ebd. XV. 38 Possidius berichtet in der Augustinusvita 12,3–10 den Vorfall, ohne sich selbst mit Namen zu nennen. Das Häretikergesetz des Theodosius vom 15. Juni 392: CTh 16,5,21. Zu den gegenseitigen Vorwürfen bezüglich Rechtgläubigkeit, Schisma oder Häresie: J. S. Alexander, Donatistae, AL 2, 622–623; vgl. A. Schindler, Die Unterscheidung von Schisma und Häresie in Gesetzgebung und Polemik (mit einer Bemerkung zu Augustinus’ Schrift: Contra epistulam Parmeniani) in: Pietas, Festschrift für B. Kötting, JbAC, Ergänzungsband 8, 1980, 228–236. 39 An Cresconius 3,46,50–48,52. 40 Ebd. 3,43,47. 41 Ebd. 3,43,47. Zu Severus’ Heimatstadt: Lepelley, Les cités 2, 206–209. 42 Ebd. 3,48,53. 43 V. Saxer, Corpus Christianorum. Hagiographies I: Afrique latine, Turnhout 1994, 52–66. 44 Gegen Cresconius 3,43,47. 45 Ebd. 3,49,54. 46 Brief 87,8; 9. 47 Werkverzeichnis 2,31,2. 48 Concilia Africae 210–211, § 92 zu Mt 5,9 und 2 Sam 19,13. 49 Ebd. 211–214, § 93. Theodosius’ Gesetz: oben Anm. 6. 50 An Cresconius. 3,43,47; Brief 185,7,26. 51 CTh 16,5,38 und 6,3. 52 Ebd. 16,6,4. Das Wort exstirpare = ausrotten kommt im Codex Theodosianus nur hier vor. 53 Ebd. 16,6,4. 54 Ebd. 16,5,37. Rosen, Julian 252–253. 55 Ebd. 16,11,2 vom 5. März 405. 56 Ebd. 16,5,38. 57 PCBE 1, Optatus (2), 797–801. 58 Brief 87,7–8 zu Röm 13,2–4. 59 Ebd. 87,9–10. 60 CTh 16,5,39 vom 8. Dezember 405.
Anmerkungen zu S. 140–146
237
61 Augustinus, Brief 88,10; Akten der Konferenz von Karthago 3,141; Kurzfassung der Konferenz 3,4,5 (vgl. unten Anm. 95). 62 Concilia Africae 216, § 90. 63 Ebd. 219, § 106. 64 CTh 16,5,41 an den Proconsul; 16,5,43 an den Prätorianerpräfekten. Der hier zitierte Volltext an den Prätorianerpräfekten hat sich in den sogenannten Sirmondianischen Konstitutionen als Nr. 12 erhalten: CTh, S. 916–917. 65 Sirmondianische Konstitution 12. 66 Werkverzeichnis 2,26–29 (53–55). Zu den Maximianisten: S. 132. 67 Brief 93. 68 Ebd. 93,2,4 zu Spr 27,6. 69 Ebd. 93,4,13–5,16. 70 Brief 105,1,1; 6,13. 71 Werkverzeichnis 2,27 (53),1. Proculeianus und die konvertierten Priester: PCBE 1,926. Das „Unkraut“ (zizania) der Häresien: Werkverzeichnis 2,28 (54),3. 72 Frend, The Donatist Church 265. 73 Brief 97,4. 74 Concilia Africae 219, § 106 XIII. 75 M. Clauss, Der magister officiorum in der Spätantike (4.–6. Jahrhundert). Das Amt und sein Einfluss auf die kaiserliche Politik, Vestigia 32, 1980, 174–175. 76 Augustinus, Brief 97,2–3. 77 Concilia Africae 219, § 106 XIV; Brief 97,2. 78 Brief 96. 79 Brief 97. 80 CTh 16,5,45. 81 Ebd. 16,5,46; Sirmondianische Konstitution Nr. 14, CTh, S. 918–919. 82 Augustinus, Brief 112,3. 83 Brief 100,1–2. PCBE 1, Donatus (24), 309–310. 84 Sirmondianische Konstitution 14. 85 Zosimus 6,7,5–6; vgl. S. 151. 86 Das Gesetz, das nicht direkt bezeugt ist, erschließt sich aus seiner Annullierung im Jahr darauf. Eine Andeutung bei Augustinus, Brief 108,6,19. 87 Zosimus 5,46,1. 88 Concilia Africae 220, § 107 XV. 89 Brief 111,1. 90 Brief 122,1–2; vgl. S. 152. 91 Brief 124,2. 92 CTh 16,5,51 = 56. 93 Frend, The Donatist Church 248. 94 Augustinus, Brief an die Katholiken über die Donatisten 3,6; Brief 53,1,2 mit der Nebenform Cutzupitari. 95 Akten 1,4; 3,29; CTh 16,11,3. A. Steinwenter, Eine kirchliche Quelle des nachklassischen Zivilprozesses, Acta Congressus Iuridici Internationalis 1934, Bd. 2, Rom 1935, 123–144. Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit 155. Kein anderes Verfahren der Antike ist dank einer Mannschaft von Protokollanten so ausführlich dokumentiert: E. Tengström, Die Protokollierung der Collatio Carthaginiensis. Beiträge zur Kenntnis der römischen Kurzschrift nebst einem Exkurs über das Wort scheda (schedula), Göteborg 1962. Erhalten sind einmal die Akten der Konferenz (Gesta conlationis Carthaginiensis) und ihrer drei Sitzungen (prima, secunda, tertia cognitio), dazu ein Aktenregister (Capitula gestorum) sowie eine Zusammenfassung der Konferenz, die Augsutinus ein halbes Jahr später erstellte (Breviculus conlationis cum Donatistis). Lancel veröffentlichte neben sei-
238
Anmerkungen zu S. 146–153
ner kommentierten zweisprachigen Ausgabe, deren erster Band die ausführlichste Behandlung der Konferenz bietet (SCh 194; 195; 224 ohne Breviculus), eine einsprachige Ausgabe (CCL 149 A). Eine kürzere Darstellung der Konferenz bietet Lancels Conlatio Carthaginiensis, AL 1, 1204–1209. 96 Akten 1,5. 97 Ebd. 1,16 = Augustinus, Brief 128. 98 Augustinus, Verhandlung mit dem donatistischen Bischof Emeritus 6. 99 Akten 1,55. Zu traditor: S. 104. 100 Lancel, SCh 194, 238–273. 101 Zur prozessualen Rechtfertigung der oft negativ beurteilten Einwände der Donatisten: Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit 176–195. 102 Akten 3,258 zu Eph 5,27. 103 Akten 1,4. 104 Aktenregister 3,585. Der letzte Teil der Prozessakten ging schon in der Antike verloren und muss aus dem Register und aus Augustinus’ Zusammenfassung rekonstruiert werden. 105 CCL 49,177–178. 106 Possidius 13,5. 107 CCL 49,178–179. 108 Gegen die Partei des Donatus 12,16. 109 Augustinus, Brief 142; Possidius 14,1. 110 CTh 16,5,52. 111 Brief 133. 112 Brief 134. 113 Brief 139. 114 Possidius 13,4. 115 Brief 139,1. 116 Zur Geschichte des Donatismus nach 411: Frend, The Donatist Church 290–314. 117 Werkverzeichnis 2,46 (72). 118 Die Begegnung ist bei Augustinus breit überliefert: Predigt an das Volk der Kirche von Caesarea; Akten zu Emeritus, dem Bischof der Donatisten; dazu die Angaben im Werkverzeichnis 2,51 (77); Possidius 14,4–8. PCBE 1, Emeritus, 348–349.
XIV. Der Fall Roms und der Gottesstaat 1
Concilia Africae 45,236–237; 188,188–189; 189,234–236. Ebd. 202,670–671. Leben der Melania 20. 3 CTh 14,2,4. 4 Philostorg, Kirchengeschichte 12,3; Augustinus, Gottesstaat 1,10. 5 CTh 7,13,20; 11,28,7; 5,9,2. Zu den Gesetzesdaten: Seeck, Regesten 320–324. 6 Kommentar zu Ezechiel VII, Vorwort. Courcelle, Histoire littéraire 56–67 mit weiteren Zeugnissen zu den Flüchtlingen. 7 Brief 122. Zusätzliche Hinweise auf seine Krankheit und den Aufenthalt auf dem Land: Brief 118,5,34; 119,1. 8 Brief 122,2. Das Pauluszitat zum Schluss: Phil 2,12. 9 Mt 24,20; Lk 21,33. 10 Mt 6,19–21; Lk 12,33–34. 11 Lk 12,13–21. 12 Properz 2,38,58. Phil 2,12. 13 Predigt 81,1; Mt 18,7; Ps 118 (119),165. 2
Anmerkungen zu S. 154–161 14
239
Predigt 81,8; Mt 8,23–37; Ps 102 (103),5. Schwarte, Die Vorgeschichte der Augustinischen Weltalterlehre. Maier, Augustin und das antike Rom 63–64. 16 Vergil, Aeneis 6,791–793; Horaz, Säkulargedicht 57–60. 17 Predigt 81,9. 18 Der Autor der Schrift an Herennius 2,30,47. 19 Predigt 25,8 zu Mt 25,40. Zum umstrittenen Datum der Predigt: Perler, Les voyages 404. 20 Leben der Melania 20. 21 Die Predigt De excidio urbis Romae ist außerhalb der Predigtsammlungen überliefert. Im Werkverzeichnis führte sie Augustinus nicht auf. E. Lamirande, Excidio urbis Romae (De-), AL 2, 1165–1169. 22 Ebd. 2,3. 23 Ebd. 3,3; Gott als Arzt: ebd. 8,9. Das Zitat: Spr 3,11–12 = Hebr 12,5–6. 24 Ebd. 4,4. 25 Ebd. 5,5. 26 Cicero, Gespräche in Tusculum 1,113 zu Herodot 1,31. Zum Topos des rechtzeitigen Todes: R. Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, Zetemata 18, 1958, 82–83; 100. 27 Predigt 25,3. 28 Über die Zerstörung 7,8. 29 Ebd. 8,9 zu Offb 19,19; Joh 1,3; 1 Kor 13. 30 Gottesstaat 1,32. 31 Die Predigt, eine revidierte Version der Predigt 296, ist publiziert in Miscellanea Agostiniana 1,401–412. 32 Ebd. 404–406, 6–7. 33 Ebd. 9–10. 34 Ebd. 5; 13 zu Joh 21,16. 35 Ebd. 14. 36 Ebd. 15. 37 Predigt 105,6,8 zu Iob 1,21. 38 Ebd. 7,9 zu Mk 13,8; Lk 1,33. 39 Ebd. 7,10 zu Vergil, Aeneis 1,278–279. 40 Ebd. 7,10 zu Vergil, Georgica 2,498. 41 Ebd. 9,11–12. 42 Ebd. 10,13. 43 Brief 139,3. 44 Brief 135; 137. 45 Brief 136,2–3. 46 Spr 3,34; Jak 4,6; 1 Petr 5,5. 47 Gottesstaat 2,21; 22,6. 48 Hab 2,4. Ps 93 (94),15. 49 Gottesstaat 1,35. 50 Ebd. 13,16. Das Verhältnis von Gottesstaat und Kirche hat eine lange wissenschaftliche Diskussion hervorgerufen, die oft entlang der Konfessionsgrenzen verlief: Durchrow, Christenheit und Weltverantwortung 257–268; E. Lamirande, Civitas Dei, AL 1, 965– 966. 51 Gottesstaat 1,35; 10,32; 11,1. 52 Thukydides 7,77,7. 53 Gottesstaat 15,1; 17,46; 18,41; 19,11. Ratzinger, Herkunft und Sinn 64–65: allegorisch; R. Dodaro, Mysterium, AL 4, 145–146: metaphorisch. 15
240 54 55 56 57 58 59 60
Anmerkungen zu S. 161–169 Gottesstaat 1,35; 20,5 zu Mt 25,32. Werkverzeichnis 2,43 (69). Eifer für das Haus Gottes: Ps 68 (69) 10; Joh 2,17. G. J. P. O’Daly, Civitate dei (De-), AL 1, 976–977. Werkverzeichnis 2,43 (69),2. Brief 152,1; Possidius 20,2–5. Brief 154. Aristoteles, Politik 1,2,1252 a 24–26; vgl. ebd. 1,1,1252 a 17–18; 1,8,1256 a 2; 4,15,1300
a 10. 61 Zum geistigen Hintergrund des paganen wie des christlichen Archaismus in der Spätantike: Rosen, Über heidnisches und christliches Geschichtsdenken. Konstantin und Theodosius: Gottesstaat 5,25–26. 62 Quintilian, Unterweisung des Redners 5,13,29. 63 Gottesstaat 2,29 zu Vergil, Aeneis 1,279. 64 Seneca, Über die Wohltaten 3,1,1; Epiktet, Vorträge 2,23,5–15; Xenophon, Erinnerungen an Sokrates 2,2,14; Lk 17,11–19. 65 Gottesstaat 1,1. 66 Ebd. 1,34. 67 Ebd. 1,17. 68 Ebd. 1,16–28. 69 Ebd. 1,5 = Sallust, Catilina 51,9. 70 Sallust, Catilina. 2,4. 71 Gottesstaat 2,18 = Sallust, Catilina. 5,9. 72 Gottesstaat 3,18. 73 Ebd. 1,36. 74 K. Rosen, Desinformation: Wie Homer ein Lebensprinzip zur Kunst erhob, Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste, Forum 3, 2013, 15–22. 75 Ps 95 (96),4–5. 76 1 Kor 10,20; Tertullian, An Scapula 2,1. 77 Gottesstaat 1,29. 78 Schauspiele: Gottesstaat 2,11; 13; Romulus 3,6; Sulla 3,28; Varro 4,1. 79 Ebd. 3,16. 80 Ebd. 2,29; 5,24: Fürstenspiegel für einen christlichen Herrscher. 81 H. Schaefer, Polis myriandros, Historia 10, 1961, 292–317 = ders., Probleme der Alten Geschichte. Gesammelte Abhandlungen und Vorträge, hrsg. U. Weidemann – W. Schmitthenner, Göttingen 1963, 401–427. 82 Gottesstaat 4,3; 19,7. 83 Ebd. 4,4. 84 Vom Staat 1,39; vgl. S. 173. 85 Gottesstaat 2,21. Zum Nachleben: E. Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, Düsseldorf-München 19364, Nachdruck 1973, Hauptband 207; Ergänzungsband 80–81. 86 Gottesstaat 6,2–6. Augustinus’ zahlreiche Zitate und Paraphrasen sind die wichtigste Quelle für die Rekonstruktion der verlorenen Altertümer Varros: B. Cardauns (Hg.), M. Terentius Varro. Antiquitates Rerum Divinarum, Teil I: Die Fragmente; Teil II: Kommentar, Wiesbaden 1976. 87 Ebd. 6,5. 88 Ebd. 1,36. 89 Ebd. 8,1–5. 90 Ebd. 8,12. 91 Ebd. 8,10 zu Röm 1,20. 92 Ebd. 8,24; 9,23 zu Ps 95 (96),4–5; vgl. S. 166. 93 Ebd. 9,21.
Anmerkungen zu S. 169–175 94
241
Ebd. 10,32; vgl. S. 160–161. Die ‚Dreischrittregel‘ für die Geschichte der zwei Staaten hatte Augustinus bereits 1,35 genannt. Nach 10,32 und 11,1 zitierte er sie im Werkverzeichnis ein weiteres Mal: S. 162. 96 Ps 86 (87),3; 47 (48),2; 3; 9; 45 (46),5. 97 Gottesstaat 11,3–4. 98 Ausführlich dazu Duchrow, Christenheit und Weltverantwortung; ferner Thraede, Gottesstaat. 99 Ratzinger, Herkunft und Sinn. 100 Pollmann, Doctrina christiana 196–197; E. Lamirande, Civitas dei, AL 1, 959. 101 Das lateinische Zitat bei Duchrow, a. O. 233, 277. 102 Bekenntnisse 2,1,1. 103 Gottesstaat 11,2. 104 Divina auctoritas: ebd. 18,40. 105 Ebd. 11,9. 106 Ebd. 11,19–20; 33 zu Gen 1,4. 107 Ebd. 12,9. 108 Ebd. 14,28. 109 Ebd. 15,1. 110 Ebd. 20,1. 111 Ebd. 20,5 zitiert Augustiunus die ganze Perikope Mt 25,31–46. 112 Ebd. 20,19 zu 2 Thess 2,1–12; 1 Joh 2,18. 113 Ebd. 20,5; 9; 21,1 zu Mt 13,39–42. 114 Ebd. 1,35; 10,32; 11,1; 19,26; vgl. S. 160–161; 169. 115 Ebd. 18,2. 116 1 Kor 15,28: 14,28; 17,12; 18,49; 19,15; 20 u. ö. 117 Gottesstaat 17,12; 19,13; 19,15 zu Eph 6,5–6. Zur Sklaverei bei Augustinus: Klein, Die Sklaverei. 118 Natürliche Ordnung: Gottesstaat 19,15; Stufen der menschlichen Gesellschaft: ebd. 19,7. 119 Ebd. 19,26; Ps 143 (144),15. 120 Aristoteles, Politik 1,2,1253a 1–30; Gottesstaat 19,26. 121 Cicero, Über den Staat 1,39. 122 Gottesstaat 19,15 zu Joh 8,34. 123 Aristoteles, Politik 1,5–6,1254 a 17–1255 b 15; Gottesstaat 19,15. 124 Ebd. 10,3. 125 Ebd. 19,17. 126 Ebd. 19,19. 127 Ebd. 8,4. Jetzt nennt er die vita contemplativa die vita otiosa, wohl in Erinnerung an Ciceros berühmte Formel otium cum dignitate (Brief an die Freunde 1,19,21 im Anschluss an die Rede für Sestius 98). 128 Ebd. 19,19. 129 Brief 166,1,2. 130 H. Chadwick, Priscillian of Avila. The Occult and the Charismatic in the Early Church, Oxford 1976. 131 Für Orosius 1,1; Brief 166,1,2. 132 Brief 172,1 = Hieronymus, Brief 134,1. 133 Gottesstaat 3,18. 134 Orosius, Geschichte gegen die Heiden, Vorwort 9–10. 135 245 Handschriften: Paulus Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, übersetzt und erläutert von A. Lippold, eingeleitet von C. Andresen, Bd. 1, Zürich – München 1985, 45. 95
242
Anmerkungen zu S. 175–180
136 Zu Orosius’ Biographie, zur Werkschronologie und zu inhaltlichen Problemen: P. Martínez Cavero, El pensamiento histórico y antropológico de Orosio, Antigüedad y Cristianismo 19, Murcia 2002. 137 Nach dem ersten christlichen Chronographen Julius Africanus betrug die Spanne von Adam bis zu Christi Geburt 5500 Jahre. Orosius kam nach Hieronymus’ Chronik auf 5201 Jahre (A. Schoene, Eusebi Chronicorum Canonum quae supersunt vol. II, Nachdruck Dublin – Zürich 1967, 199). Folglich publizierte er sein Werk 417. Die Empfehlung zum Schluss: 7,43,19–20. 138 Zum Verhältnis zwischen Augustinus’ und Orosius’ Geschichtsauffassung H.-W. Goetz, Die Geschichtstheologie des Orosius. Darmstadt 1980, 136–147. 139 Orosius 1,1,6; 7,2,14–6. Zum Synchronismus immer noch lesenswert die weitgespannte Untersuchung von E. Peterson, Der Monotheismus als politisches Problem. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Theologie im Imperium Romanum, Leipzig 1935 = Ausgewählte Schriften 1: Theologische Traktate, Würzburg 1994, 23–92. 140 Gottesstaat 3,30. 141 Orosius, Geschichte 7,43,17. 142 Ebd. 5,1,11. 143 Gottesstaat 19,7. 144 Orosius, Geschichte, Vorwort 1,15; 5,2,8; 7,2,1.
XV. Friedenssehnsucht in friedloser Zeit 1
Unterweisung des Redners 8,3,88. Gottesstaat 19,10–14. Weissenberg, Die Friedenslehre des Augustinus. Zur Eigenständigkeit von Augustinus’ Friedenslehre: Laufs, Der Friedensgedanke bei Augustinus, gegen Fuchs, Augustin und der antike Friedensgedanke, der Varros De philosophia und Logistoricus de pace als Vorlagen annimmt. 3 Gottesstaat 19,13. 4 Ebd. 19,12. 5 Ebd. 19,13. 6 Ebd. 19,7. 7 Brief 151,13. 8 Brief 11*,25,2. Intercessio: u. a. Brief 151,2; 153,2. 9 Heraclianus (3): PLRE 2, 539–540; Marinus (1): ebd. 724. 10 Nach einer sorgfältigen Quellenanalyse vertritt T. Kotula eine Beteiligung von Marcellinus und Apringius: Le fond africain de la révolte d’Heraclien en 413, Antiquités africaines 11, 1977, 257–266. Vorsichtiger ist V. H. Drecoll, Marcellinus, Flavius, AL 3, 1160– 1165. 11 Perler, Les voyages 318–324. 12 Brief 151. 13 CTh 16,5,55 vom 30. April 414 an den Proconsul Africae Julianus, wo Marcellinus’ Maßnahmen gegen die Donatisten ausdrücklich trotz seines Todes erneuert wurden. 14 Brief 151,3. 15 Ebd. 151,10; vgl. S. 148–149. 16 Ebd. 151,9. 17 Brown, Pelagius and his Supporters; The Patrons of Pelagius, in: ders. Religion and Society 183–226. 18 Augustinus, Über das die Gabe der Beharrlichkeit 20,53. Britone nennt er Pelagius (Brief 186,1) und Mönch (Über die Taten des Pelagius 14,36; Über die Häresien 88). 19 Augustinus’ Antwort auf das nicht erhaltene Schreiben des Pelagius: Brief 146. 2
Anmerkungen zu S. 180–185
243
Seine Rechtfertigung: Über die Taten des Pelagius 26,51, wo er anschließend den Brief zitiert (27–28,52). Das Datum des Briefwechsels ist jedoch umstritten. 20 Die Verurteilung des Caelestius: Über die Taten des Pelagius 11,23; 22,46; Werkverzeichnis 2,59,2. Die Anfrage der Bischöfe: Über die verdienten Strafen 3,6,12. Diskussionen in Karthago: Ebd. 1,1,1; Brief 157,3,22. 21 Über die Taten des Pelagius 11,25. 22 Über die verdienten Strafen 2,18,28; 28,30; 31 zu 1 Kor 4,7; vgl. 2,6,7; 18,31. 23 2 Kor 3,6. Ein Verzeichnis der Zitate: CSEL 60, 584–585. 24 Über die Häresien 88,1. 25 Augustinus, Brief 177,6; 179,2; 19*,3; Über die Taten des Pelagius 23,47. 26 Über die Natur und die Gnade 1,1 zu Sallust, Jugurthinischer Krieg 1,1. Zu Augustinus’ Schrift, aus deren Zitaten man das verlorene Buch des Pelagius zu rekonstruieren versucht hat: W. Löhr, AL 4, Natura et gratia (De-), 183–190. 27 Der Dank des Jacobus und Timasius: Brief 168 = Über die Taten des Pelagius 24,48; vgl. Anm. 25. 28 Briefe 166 und 167; Werkverzeichnis 2,45 (71). 29 Dazu G. J. P. O’Daly, Anima, animus, AL 1, 319–322. 30 Jak 2,10. 31 Hieronymus, Brief 134 = Augustinus, Brief 172. 32 Orosius, Verteidigungsschrift (Liber apologeticus) 3,2. 33 Ebd. 3,3–6,4. 34 Ebd. 6,5. 35 Der Konzilsbeschluss: Augustinus, Über die Taten des Pelagius 20,44 = 35,60; vgl. Brief 177,2; 186,1,2; 194,7. 36 Brief 179,3 zu Mt 6,13. 37 Ebd. 179,5; 7. 38 Brief 175; 178,2. 39 Brief 176,2. 40 Brief 177. 41 Ebd. 177,6. 42 Briefe 181–183. Die Exkommunikation: ebd. 182,6. Wermelinger, Rom und Pelagius 94–133. 43 Brief 178,3. 44 Predigt 131,10 45 Die beiden Briefe sind in einer Sammlung von Papstbriefen, der Collectio Avellana, als Nr. 45 und 46 erhalten. 46 Ebd. 45,8–9. 47 Ebd. 46,1–3. 48 Zosimus, Collectio Avellana 50,6; Augustinus, Brief 215,2. Zur Chronologie des Briefwechsels Wermelinger, Rom und Pelagius 146–165. 49 S. 179. 50 Prosper Tiro, Chronik, MGH AA 9, Chronica minora 1, 468, Nr. 1265. 51 Marius Mercator, Commonitorium, ACO 1, 5,13. 52 Die drei Dokumente sind u. a. publiziert in PL 48,370–392 und ebd. 56,490–494. 53 Brief 215,2. 54 Concilia Africae 67–77. 55 S. 114–115. 56 Die Fragmente der epistula tractoria: Wermelinger, Rom und Pelagius 307–308. 57 Eine Übersicht über Julianus’ Schriften: M. Lamberigts, Iulianus Aeclanensis AL 3, 840. 58 PCBE 2, 2, 2242–2245.
244
Anmerkungen zu S. 185–192
59
Augustinus, Gegen Julianus 1,42; 3,35. CTh 6,23,2; 3; 26,14; 35,2, 11,9,1; 12; 13,5,15; 16. 61 Oberärzte: CTh 11,18,1; 13,2,2; Schiffer: 13,5,14; Klerus: 13,5,14. 62 A. Steier, Pferd, RE 19, 2, 1440–1441. 63 Strabo, Geographica 17,3,19. Die Kritik des Pelagius-Freundes P. Brown (Augustine of Hippo. A biography, London 1967, 361), die 80 Pferde seien douceurs (in der Übersetzung 318 „Gefälligkeit“) für die Kavallerieoffiziere gewesen, geht also an der Wirklichkeit vorbei, zumal nicht jeder Tribun zu Pferde saß. Auch bei der Vermutung, „deren Ansichten über Gnade hätten sich als entscheidend erwiesen“ (schief die Übersetzung: „deren Ansichten über die Gnade sich als klar entschieden erwiesen hätten“), ging Brown der Gaul durch. Was war mit den an erster Stelle genannten Pferdeknechten? Der Pelagius-Enthusiast K. Flasch entnahm Brown (der nur von Hengsten sprach, obwohl equus im Original beide Geschlechter meint und ein betontes „Hengste“ andernfalls als mares erschienen wäre) den reißerischen Zwischentitel: „achtzig Hengste für die Gnadenlehre“ (Kampfplätze der Philosophie. Große Kontroversen von Augustin bis Voltaire, Frankfurt 2008, 15). 64 PCBE 2, 1, 1177. 65 Gegen Julian 6,39. 66 Possidius, Indiculum 7,16. 67 Opus imperfectum 1,85–86. 68 Ebd. 3,120,3. 60
XVI. „Wer sucht, will finden“ 1
Werkverzeichnis 2,15(41),1. Brief 174. 3 Kany, Augustins Trinitätsdenken 42–46. 4 Über die Ordnung 2,16; vgl. S. 80. 5 S. 106. 6 Über den Glauben und das Glaubensbekenntnis 8,19 zu Röm 5,5. 7 S. 106–107. 8 Über die wahre Religion 18,35,94. 9 S. 121–122. 10 Werkverzeichnis 2,52(78). 11 Sir 25,16. 12 Über die Dreifaltigkeit 1,1,1. 13 Bekenntnisse 12,7,7; 13,9,10. 14 Über die Trinität 14,19,25 zu Gen 1,26. 15 Ebd. 6,7,9. 16 Ebd. 7,6,11. 17 Ebd. 15,3,5 in einem zusammenfassenden Rückblick. 18 Ebd. 12,4,4; 6,6; 7,7; 14,19,25. 19 Ebd. 1,7,4 zu Joh 14,28; 1,14; 1 Tim 2,5. 20 Ebd. 14,17,23 zu 2 Kor 4,16; Kol 3,10; Eph 4,24. 21 Bekenntnisse 13,16,19. 22 Über die Dreifaltigkeit 9,18. 23 1 Kor 13,12. Die Stellenverzeichnisse in der Ausgabe CCL 50 A, 690–691. Zu Rätsel und Spiegel: C. Mayer, AL 1, Aenigma, 140–141. 24 Über die Dreifaltigkeit 1,1,3. 25 Ebd. 1,3,5. 26 Zum Nachleben umfassend Kany, Augustins Trinitätsdenken. 2
Anmerkungen zu S. 193–201 27
245
Brief 169,1,1. Brief 170. 29 Ebd. 170,10 zu Ps 125 (126),2, wo der Psalmist allerdings im Perfekt spricht. 30 Brief 185; Werkverzeichnis 2,48 (74). Zu Bonifatius: Diesner, Die Laufbahn des comes Africae Bonifatius und seine Beziehung zu Augustin, in: ders, Kirche und Staat 100–126. 31 Als Kommandant gotischer Föderaten ist Bonifatius später bezeugt: Possidius 28,12. 32 Brief 185,1,2. 33 Ebd. 185,11,51. 34 Brief 185 A. 35 Brief 17*. 36 Brief 189. 37 Ebd. 189,4–5 zu Apg 10,1–48; Lk 3,14; 1 Kor 7,7. 38 Ebd. 189,6; vgl. S. 173; 177–178. 39 Ebd. 189,7. 40 Brief 220; Diesner, Kirche und Staat 115–126. 41 Ebd. 220,12. Tebunae: Lepelley, Les cités 2, 487. 42 Bonifatius’ Besuch in Hippo: Brief 188,1. Seine Spende: Brief 7*. 43 PLRE 2, 269–270: Fl. Castinus (2). 44 Ebd. 2,288: Johannes (6). 45 Brief 220,7. Die Rangerhöhung noch zu Lebzeiten des Honorius (PCBE 1, 153) ist weniger wahrscheinlich; vgl. PLRE 2, 238. 46 Brief 220,4. 47 Ebd. 220,5. 48 Ebd. 220,7. 49 Ebd. 220,6. 50 Chronica Gallia, MGH AA 9, Chronica minora 1, 658, 98. 51 Rosen, Julian 129–130; 178–191. 52 Ders., Konstantin der Große 36; 101; Julian 190. 53 Brief 220,9–11. 54 Ebd. 220,9 zu Mt 16,26; Mk 8,36; Lk 9,25. 55 Ebd. 220,12. 56 PLRE 2, 240. 57 Brief 220,12. 58 PCBE 1, Eraclius, 356–358; vgl. S. 204. 59 R. Van der Plaetse – A. Schindler, AL 1, 1209–1218. 60 I. T. Lienhard, AL 3, 1215–1220. 61 Zur Vorgeschichte des Übergangs: Vössing, Das Reich der Vandalen 26–27. 62 Brief 229, 1. Augustinus’ Korrespondenz mit Darius, seine beiden Briefe 229 und 231 sowie dessen Antwortbrief 230 sind die einzigen Zeugnisse zur Person und Mission des Mannes. 63 Ebd. 229,2. 64 Ebd. 229,3 zu Horaz, Gedichte 1,2,45. 65 Brief 230,4–6. 66 Brief 231,1; vgl. 231,5. 67 Ebd. 231,7. 68 Possidius 19,6. 69 Brief 10*. Lepelley, La crise 457–462; J. Szidat, Zum Sklavenhandel in der Spätantike (Aug. epist. 10*), Historia 34, 1985, 360–371. 70 Ebd. 10*,4. 71 Ebd. 10*,6. 28
246
Anmerkungen zu S. 201–209
72
Ebd. 10*,4. Umstritten ist, ob die regula statuta mit der später Augustinus zugeschriebenen Klosterordnung, dem praeceptum, identisch ist: A. E. J. Grote, AL 4, Monasterium, 67, 70; A. Zumkeller, Augustinusregel, TRE 4, 745–748. Dagegen T. J. van Bavel, Augustinusregel, LThK 1, 1250–1251: Augustinus hat das praeceptum nach der Bischofsweihe für sein Kloster in Hippo um 397 verfasst; vgl. S. 231,17 74 Predigt 356 zu Apg 4,31–35. Nach dem Lektor trug Augustinus die Perikope aus der Apostelgeschichte eigens noch einmal vor. 75 Predigt 356,10. 76 Possidius 11,2–4. 77 Die Antoninusaffäre war zunächst nur aus Augustinus’ kürzerem Brief 209 an Papst Caelestinus bekannt. Dazu kam dann in Divjaks Neufunden Brief 20*, in dem Augustinus der vornehmen Römerin Fabiola einen sehr viel ausführlicheren Bericht gab. PCBE 1, Antoninus (3), 73–75; ebd. 2,1 Fabiola (2), 735–736; Ch. Munier, Antoninus Fussalensis episcopus, AL 1, 378–380. 78 Brief 209,3. 79 Ebd. 209,10. 80 Brief 20*,33. 81 Ebd. 20*,33. 73
XVII. Nachfolgeregelung und Abschied 1 Predigt 356,7; vgl. S. 198. PCBE 1, Eraclius, 356–358; S. Lancel, AL 2, Eraclius (Heraclius), 1084–1086. 2 Zwei Predigten des Eraclius haben sich erhalten: P.-P. Verbraken, Revue bénédictine 71, 1961, 3–21. 3 Brief 55,7,12; 167,6 zu Mt 10,16 4 Brief 213. Die notarii: ebd. 213,2. 5 Ebd. 213,1. 6 A. Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 1970, Register 277–278. 7 Brief 213,2. 8 Ebd. 213,3. 9 Ebd. 213,4. 10 Ebd. 213,5–6. 11 Ebd. 213,7. 12 Paulinus, Leben des Ambrosius 45,2; Possidius 27,7–8. 13 Possidius, 27,9–10. 14 Werkverzeichnis, Prolog 1; Epilog 2,67 (93), 2. 15 Ebd. Prolog 2 zu 1 Kor 11,31; Spr 10,19. 16 Possidius 18,9; 31,8. 17 Werkverzeichnis 2,41 (67),1; F. Dolbeau, Indiculum, -us, AL 3, 571–572. 18 Werkverzeichnis, Vorwort 3. 19 Über die Musik 6,17,58; Werkverzeichnis 1,10,4; vgl. Mt. 10,30; Lk 21,18. 20 Werkverzeichnis 2,4 (30),1; S. 124. 21 Ebd. 2,2 (28). 22 Ebd. 1,25,1. 23 Possidius 24,11; W. Hübner, Liber, libellus, AL 3, 957. 24 Vorwort 3. 25 Ebd. 2,67 (93),2. Briefsammlung und Briefarchiv: J. Divjak, Epistulae, AL 2, 906–
Anmerkungen zu S. 209–216
247
910. Übersicht über die erhaltenen Predigten und ihre Ausgaben: AL 2, XVI–XXV; E. Rebillard, Sermons, in: Fitzgerald, Encyclopedia 774–789. Die vermutete Gesamtzahl der Predigten: S. 9. Die 232 Bücher erwähnt auch Victor von Vita 1,11 (vgl. Anm. 52). 26 S. 135. Florus: PCBE 2, 1, 850–852. 27 Brief 224,2. 28 Brief 221. 29 Brief 222,1–2. 30 Brief 223,3. 31 Brief 224,1–2. 32 M. Scopello, Haeresibus ad Quodvultdeum (De-), AL 3, 278–290; M. Zelzer, Iulianum opus imperfectum (Contra-), AL 3, 824–835. 33 Possidius 18,10. Eine Ausgabe des Indiculus: A. Wilmart, in: Miscellanea Agostiniana 2, 149–211. 34 F. Dolbeau, Indiculum, -us, AL 3, 571–581. 35 Possidius 28,3. 36 Brief 225,1–2. 37 Ebd. 225,3–9. 38 Brief 226,1–10. 39 A. Zumkeller, Dono perseverantiae (De-), AL 2, 650–660. 40 Vössing, Das Königreich der Vandalen 41–43. 41 Possidius 28,5. 42 PCBE 1, Quodvultdeus (16), 952; ebd. Honoratus (16), 570. 43 Possidius 30,3–51. Im Briefcorpus hat der Brief die Nummer 228, nach der er hier zitiert wird. Die vorhergehende Korrespondenz wird ebd. 228,1; 5 erwähnt. 228,2 zu Mt 10,23; 228,3 zu 1 Joh 3,16. 44 Brief 228,9 zu 1 Kor 10,33; Phil 1,23–24. 45 Ebd. 228,12–13. 46 Ebd. 228,5; 14. 47 Ebd. 228,1; 2. 48 S. 155–156; 165. 49 Salvianus, Über das Regiment Gottes 7,13,56–57. 50 Possidius 28,13. 51 Ebd. 28,6–9 zu Ps 41(42),4. 52 Victor von Vita, Geschichte der Verfolgung des africanischen Reichsteils zur Zeit der Vandalenkönige Geiserich und Hunerich 1,2–10. Seine Darstellung, 60 Jahre später abgefasst, geht auf Augenzeugenberichte zurück: Vössing, Victor von Vita, Kirchenkampf und Verfolgung 20–21. 53 Brief 228,2; 7. 54 Possidius 28,11 zu Plotin, Über das Glück 1,4,7,61,22–24. 55 Prokop, Vandalenkrieg 1,3,30–31. Der spätere Vorwurf, Bonifatius habe die Vandalen ins Land geholt, ist unbegründet: Vössing, Das Königreich der Vandalen 34–39. 56 Possidius 31,4. 57 Ebd. 29,1. 58 Ebd. 28,13 zu Ps 118 (119),137. Die Belagerung Hippos: Vössing, Hippo Regius 208– 209. 59 Ebd. 31,1–2. 60 Ebd. 31,5 zu 3 Kön 2,10; 1 Chron 29,28. Beide Stellen beziehen sich auf Davids Tod. 61 Das Todesdatum im chronologischen Abriss des Augustinusanhängers Prosper Tiro, MGH AA 9,473; das Begräbnisdatum im Kalendarium Carthaginiense: H. Lietzmann, Die drei ältesten Martyrologien, Bonn 1911, 5. 62 Possidius 29,3–5. Die 14-monatige Belagerung: ebd. 28,12.
248 63 64 65 66 67 68 69 70
Anmerkungen zu S. 216–219 Augustinus „regierte“ Hippo: Victor von Vita 1,10. Vössing, Hippo regius. Possidius 31,11. Ebd. 31,6–8. Ebd. 31,9. Ebd. 31,10 zu Mt 5,19. ACO 1,1,2,51,21–25; 1,2,64,11–14; 1,3,81,10–14. Caelestinus, Brief 21,2,3, PL 50,530 A.
Nachwort 1 E. Norden, Die antike Kunstprosa vom VI. Jahrhundert v. Chr. bis in die Zeit der Renaissance 2, Darmstadt 19585, 621. 2 M. Skeb OSB, Augustinusregel, LACL 99. 3 Brown, Augustinus 384. 4 Dazu F. Römer, Zur handschriftlichen Überlieferung der Werke des Heiligen Augustinus, Rheinisches Museum 113, 1970, 228–246. 5 J. Courcelle – P. Courcelle, Iconographie de Saint Augustin: Les cycles du XIVe siècle, Paris 1965; Les cycles du XVe siècle, Paris 1969; Les cycles du XVIe siècle, Paris 1972; Les cycles du XVIIe (2e partie) et du XVIIIe siècle, Paris 1991. 6 Annuario Pontificio 2015, 1411–1412; 1424; 1435; 1485–1487. 7 A. E. J. Grote, in: Drecoll, AH 12–13.
Abkürzungen ACO AH AL CCL CJ CSEL CTh JbAC JRS LACL LThK MGH AA OGHRA PCBE 1 PCBE 2 PL PLRE 1 PLRE 2 Possidius RAC RE SCh TRE
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Abbildungsnachweis Alle Bilder aus dem Leben des heiligen Augustinus entstammen dem Freskenzyklus, den Ottaviano Nelli für die Kirche Sant’ Agostino in Gubbio um 1420 geschaffen hat. Übernommen sind sie aus F. Cece/E. A. Sannipoli, La chiesa e il convento di Sant’Agostino in Gubbio, Perugia 2001. Vielen Dank an die Kirchengemeinde für die Zusammenarbeit. Karte „Das spätantike Karthago“: nach K. Vössing, Das Königreich der Vandalen, Darmstadt 2014. Karte „Die römischen Provinzen Numidia und Africa proconsularis“: nach T. Bechert, Die Provinzen des Römischen Reiches. Einführung und Überblick, Mainz 1999, Vorsatz.
Register Abschied und Tod 204–218 Abschied von Italien 83–91 Africa proconsularis, Provinz 15, 19, 24, 29, 130, 132, 197 Altes und Neues Testament 28, 41, 82, 107, 112, 121, 122, 126, 141, 147, 153, 155, 170, 191–194, 210 Alypius, Bischof von Thagaste 32, 38, 39, 48–50, 61, 63–65, 72–80, 83–85, 110–112, 201, 209 Ambrosius, Bischof von Mailand 52–62, 67, 68, 71–75, 82–88, 105, 117, 126, 207 Antichrist 171, 172 Antoninus, Bischof von Fussala 202–204 Apostel Paulus siehe Paulus Apuleius, Philosoph 19, 20, 26, 168 Aristoteles 26, 163, 164, 172, 173 Aurelius, Bischof von Karthago 93, 106– 109, 130–131, 134, 178–180, 183–185, 188 Bekehrung 32, 34, 44, 62, 63, 69–82, 86, 98, 119–122, 208 „Bekenntnisse“ (Confessiones) 13, 18, 21– 24, 39, 45, 52–57, 62, 66, 67, 72–75, 79– 86, 89–92, 96, 115–122, 135, 170, 179, 186, 191, 192, 200 Bibelstudium, Bibelzitate 13, 27, 82, 101, 107, 118, 122–126, 134, 141, 142, 148, 153, 164, 169–171, 186, 192, 206, 207 Bischof von Hippo 113–127 Bischofsweihe 98, 109–111 Bonifatius 143, 193–203
Donatisten 99–107, 110, 112, 116–118, 129– 150, 157, 160, 164, 179, 180, 193–195 Donatus, Proconsul Africae 107, 143, 148 Dreifaltigkeit siehe Trinität Edikt des Marcellinus 146–149 Ehe 23, 24, 65, 186 Emeritus, Bischof von Caesarea 139, 147– 150 Eraclius, Bischof von Hippo 204–206 Eroberung und Fall Roms 151–176 Euodius, Bischof von Uzalis 85, 88, 90–94, 99, 192 Faustus, Bischof von Rom 42–44, 121 Friedensbasilika von Hippo 106, 204, 206 Friedenssehnsucht 177–187 Fortunatus 102, 103 „Gegen die Akademiker“ 32, 42, 71, 79, 80, 97, 208 „Gegen Faustus“ 90, 121, 186, 190 Genesis 60, 95, 103, 108, 121, 122, 164, 170, 191 Gesundheitszustand 49, 76, 78, 117, 152, 178, 195, 215 Götterstatuen, Götterbilder 128–133 „Gottesstaat“ 14, 68, 93, 109, 115, 151–178, 192, 194, 217
Caelestius 180–186 Cassiciacum, Landgut 70, 76–85, 90, 91, 96, 152, 189, 208 Christentum 62, 63, 71, 79, 95, 98, 157, 159, 165 Cicero 26–30, 34, 40–43, 52, 57, 67, 79, 93, 116, 126, 166, 168 Circumcellionen, radikale Gruppen 104, 129, 135, 136, 141, 144–146, 149 Constantius, Freund 49–52, 89–91 Cresconius, Grammatiker 135, 141
Häretiker 28, 32, 97, 103, 107, 113, 122, 135– 141, 145, 149, 171, 174, 181–183, 196 Heilige Schrift 27, 60, 95, 101, 104–107, 112, 122–126, 160, 189 Heilwunder 68, 92 Heimkehr nach Thagaste 92–98 Hieronymus, Priester 110, 11, 151, 174, 175, 181, 182 Homer 17, 114–116, 166 Honoratus, Bischof 31, 32, 71, 103, 212–214 Honorius, Kaiser 122, 128, 129, 137–151, 178, 179, 184, 195, 201 „Hortensius“, Schrift Ciceros 26–29, 42
Darius 119, 120, 199, 200 Donatismus 100, 104, 117, 132, 134, 141– 145, 148, 149, 193
Innocentius, Papst 182–184 Johannesevangelium 62, 71, 108, 122, 134, 192
Register Julianus, Bischof von Aeclanum 86, 184– 187, 209, 210 Junglehrer in Thagaste 32–35 Kanones 106–108, 111, 118, 185, 190 Katholiken 28, 64, 67, 99, 102–105, 122, 131, 134–137, 139, 142–149, 157, 158, 199, 203, 212, 213 Klostergründung, klösterliche Gemeinschaft 99–102, 113, 201–208 Klosterbibliotheken 207, 208, 210, 217 Konferenz von Karthago 150, 159, 164, 179 Konkubinat, Konkubine 23, 24, 30, 32, 39, 63, 66, 196 Konstantin, Kaiser 24, 93, 94, 104, 136 Konzil von Hippo 106–111, 118, 130, 189 Konzilien von Karthago 41, 114, 118, 129– 147, 151, 180, 184, 185 Korintherbriefe des Apostels Paulus 27, 60, 86, 115, 125, 180, 181, 192, 207 Krankheiten siehe Gesundheitszustand Lehrtätigkeit 49, 63, 67 Licentius 63, 80, 81 Lukasevangelium 126, 133 Manichäer 27–32, 36–46, 52, 57–60, 80, 89, 90, 94, 95, 99–103, 108, 121–123, 137, 174, 186, 187 manichäischer Dualismus 30, 39, 80, 103, 108 Manichäismus 31–35, 39, 42–44, 97, 98, 108 Marcellinus 146–150, 159, 160, 178–180 Marius Victorinus, Philosoph 62, 63, 83 Matthäusevangelium 69, 74, 76, 87, 107, 113, 115, 124, 153, 171, 212, 217 Maximianus, Donatist 132 Maximianisten 132, 141, 145 Monnica (Mutter) 12–15, 32, 33, 44, 45, 57, 58, 63, 65, 71–78, 81, 85–89 Nachfolgeregelung 204–218 Nebridius 37–39, 63, 79, 81, 92, 94–96 nicänisches Glaubensbekenntnis 103, 106, 138, 189 „Nimm und lies“ 13, 73, 74 Orosius, Historiker 174–176, 182, 183 Orosius-Handschriften 174–176, 182, 183 Olympius 142–144
255
Patricius (Vater) 13–16, 19, 20, 22, 87–89 Paulus, Apostel 27, 28, 58–60, 69–71, 86, 101, 108–110, 115, 125–131, 139, 148, 153, 156, 166, 171, 172, 191–194, 213 Paulusbriefe 28, 72–74, 76, 101, 109, 122, 126, 179 Pelagius 114, 179–185 Pelagianismus 175, 185, 186, 210, 211 Philosophengemeinschaft 64, 65, 76 Philosophie und Lehrtätigkeit 67–71 Platon 41, 61–64, 67, 79, 98, 174, 179 Platoniker 62, 69, 79, 98, 168 Plotin, Neuplatoniker 26, 62, 69, 79, 88, 214 Ponticianus 63, 72–76 Possidius, Biograph, Bischof von Calama 9, 94, 95, 103, 109, 135, 147, 150, 183, 186, 201, 202, 209–211 Predigten des Ambrosius 56–62, 71, 72 Prediger Augustinus 107, 108, 111, 118, 123, 126, 129, 130, 133, 153, 156, 158, 197 Predigten des Augustinus 9, 10, 13–15, 108, 112, 118, 133, 163, 198, 208–212 Priester in Hippo 99–112 Primianus, karthagischer Gegenbischof 132–134 Proculeianus, Bischof 116, 117, 142 Professor in Karthago 36–46 Professor in Mailand 53–68 Professor in Rom 47–52 Quodvultdeus, Diakon 209–212 „Revidiertes Werkverzeichnis“ (Retractationes) 34, 41, 62, 72, 79, 90, 91, 96, 107, 113, 115, 121, 124, 134, 141, 161, 162, 180, 188, 193, 207, 208, 210 Rhetoriklehrer 36, 43, 51–54, 84, 159 Romanianus 22, 32, 35, 45, 63, 64, 71, 79, 94–98 Römerbrief des Apostels Paulus 108, 113– 116, 122, 129, 139, 168, 181, 190, 209 römisches Zwischenspiel 47–52 Sallust 165–167, 181 Schriftstellerei 83, 96, 97, 116, 178, 200, 207, 210 Schulzeit in Thargaste 13–21 „Selbstgespräche“ 79, 80, 83, 208 Simplicianus, Priester, Bischof von Mailand 62, 63, 73, 74, 114–116, 185
256
Register „Über die wahre Religion“ 95, 97, 98, 190 „Über den Nutzen des Glaubens“ 31, 71, 103
Simplicius, Jugendfreund 17, 26, 181 Sklaverei 117, 138, 161, 172, 173, 200, 201 Sokrates 40, 41, 61, 164, 168 Taufe 15, 24, 63–65, 70–72, 83–91 Theater- und Schauspielleidenschaft 18, 24, 25, 30 Theodorus, Prätorianerpräfekt 61, 62, 69, 71, 143 Trinität 27, 28, 96, 108, 124, 138, 188–193, 199 Trygetius 63, 80, 210, 216 Tyconius 125, 170
Valentinian I., Kaiser 24, 29, 30, 47–52 Valentinian II., Kaiser 52–56, 67 Valerius, Bischof von Hippo 99–101, 109, 110, 118 Vandalen 211–216 Vergil 17, 158, 166 Verteidiger der „Einen Kirche“ 128–150 Vindicianus, Arzt und Proconsul 36, 41 Wiedertaufe 104–107, 137–139, 144, 196
Zeittafel 13. Nov. 354
Augustinus in Thagaste geboren 361–369 Besuch der Grundschule in der Vaterstadt 369–370 Besuch der Grammatikschule in Madaurus 371–373 Studium der Rhetorik in Karthago 374–375 Junglehrer in Thagaste 376–382 Professor für Rhetorik in Karthago 383–384 Professor für Rhetorik in Rom 384–386 Professor für Rhetorik in Mailand August 386 Bekehrung Herbst 386– Aufenthalt in Frühjahr 387 Cassiciacum Ostern 387 Taufe in Mailand. Entschluss zur Heimkehr 387–388 Aufenthalt in Ostia und Rom 388 Aufenthalt in Karthago 390 Erste Klostergemeinschaft in Thagaste 388–391 Priester in Hippo. Dort zweite Klostergemeinschaft. Beginn der Auseinandersetzung mit den Donatisten
393 ff. 395 397–401 400 ff. 24. Aug. 410 411
413–427 426
429 430 28. Aug. 430 434
Regelmäßige Teilnahme an den africanischen Konzilien Bischofsweihe in Hippo Abfassung der „Bekenntnisse“ Arbeit an „Über die Dreifaltigkeit“ Alarich erobert Rom Der Donatistenprozess in Karthago. Beginn der Auseinandersetzung mit den Pelagianern Das Hauptwerk „Über den Gottesstaat“ Eraclius zum Nachfolger als Bischof von Hippo gewählt. Arbeit am „Revidierten Werkverzeichnis“ Übergang der Vandalen von Spanien nach Africa Belagerung von Hippo Augustinus stirbt während der Belagerung Die Vandalen besetzen Hippo. Auswandernde Gemeindemitglieder nehmen den Leichnam des Augustinus mit und setzen ihn auf Sardinien bei
Über den Inhalt »Nimm und lies!« So lautete die Bitte, die dem heiligen Augustinus den entscheidenden Anstoß zur großen Wende seines Lebens gab. Auch der Verfasser wüsste seiner AugustinusBiographie kein schöneres Motto mit auf den Weg zu geben als diese drei Worte.
Über den Autor Prof. Dr. Dr. Klaus Rosen lehrte Alte Geschichte an der University of South Africa in Pretoria und an den Universitäten Freiburg i. Br. und Eichstätt. Bis zu seiner Emeritierung 2002 war er Professor für Alte Geschichte an der Universität Bonn. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft sind von ihm erschienen: »Ammianus Marcellinus. Erträge der Forschung« (1982) und »Griechische Geschichte erzählt. Von den Anfängen bis 338 v. Chr.« (²2006).